Skip to main content

Full text of "Zeitschrift für die deutsch-österreichischen Gymnasien"

See other formats


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  preserved  for  generations  on  library  shelves  before  it  was  carefully  scanned  by  Google  as  part  of  a  project 
to  make  the  world's  books  discoverable  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 
to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 
are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  culture  and  knowledge  that 's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  marginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  file  -  a  reminder  of  this  book's  long  journey  from  the 
publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prevent  abuse  by  commercial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automated  querying. 

We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  of  the  file s  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  automated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machine 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  large  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encourage  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attribution  The  Google  "watermark"  you  see  on  each  file  is  essential  for  informing  people  about  this  project  and  helping  them  find 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  responsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can't  off  er  guidance  on  whether  any  specific  use  of 
any  specific  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  means  it  can  be  used  in  any  manner 
any  where  in  the  world.  Copyright  infringement  liability  can  be  quite  severe. 

About  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organize  the  world's  Information  and  to  make  it  universally  accessible  and  useful.  Google  Book  Search  helps  readers 
discover  the  world's  books  white  helping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  füll  text  of  this  book  on  the  web 


at|http  :  //books  .  google  .  com/ 


über  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Regalen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfügbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 

Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nutzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partnerschaftlicher  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.  Nichtsdestotrotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  verhindern.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 

Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  für  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  für  diese  Zwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google -Markenelementen  Das  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  für  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppen  zu  erreichen. 


Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter  http  :  //books  .  google  .  com  durchsuchen. 


ZEITSCHRIFT 


für    iVie 


österreichischen 


O  Y  M  N  A  S  I  E  N. 


Verantwortliciie  Redacteures 


J.  6.  Seidll  H.  Bonitz,  Fr.  Hoelief  |^er. 


H  t^u  Curl  Gf  rdlii 


Inhalt  des  sechzehnten  Jahrganges 

der 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien. 

(1865.) 


Erste  Ablbellong. 

Ahhandlwfi^fen. 

Bemerkungen  zur  Texteskritik  des  Sophokles.  Von  M.  Schmidt.    S.  1—20. 

Ueber  das  Jota  subscrintum.    Von  J.  La  Boche.  S.  89— 12S. 

iuT  Kenntnis  und  Beurtneilung  einiger  Vergil- Handschriften.  (L  Die  Fraff- 

mente  des  'Codex  Augusteus*;  II.  Der  Codex  Minoraugiensis ;  DX  Die 

Wiener  Vergil  -  Handschrifbon).    Von  Emanuel  Hoffmann. 

S.  129-148. 

8.  477-öOa 

Die  Ereignisse  der  Jahre  1903—1305  im  ungarischen  Thronkampfe  de| 

Premysliden  und  Anjous.  (Portsetzung  u.  öchluss  v.  J.  1863,  Hft  VIII 

u.  IX.  S.  639  ff.)  Von  F.  Krones.  8.  237-252. 

Untersuchungen   über  die   Entstehung  der   Odyssee.    (Fortsetzung  y.   JT. 

1864,  Hft.  VII,  8.  473-502)    Von  Dr.  W.  Hartel.     8.  317-342. 

Beitrage  zur  Texteskritik  der  Fabulae  des  Avianus.  Von  Dr.  Karl  SchenkL 

8.  397—418. 

Ueher  die  Betonung,   mit  Rücksicht  auf  den   deutschen   Versbau.    Vo]| 

Theodor  Vernaleken.  8.  414—421. 

Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.    Von  M.  Schmidt     8.  558-585. 

Kritisch  -  exegetische  Bemerkungen  zu  Aeschylus.    Von  Joh.  Ob  er  dick 

S.  633-64?! 
Zu  Piaton.    Von  H.  Bonitz.  a  647— 64a 

Die  herculanischen  Rollen.    L  U.    Von  Th.  Gomp^rz.         8.  717— 726l 

8.  815-828. 
Zur  deutschen  Metrik.    Von  W.  Seh  er  er.  &  797-814. 


Zweite  Abtlieilung. 

Literarische  Anzeigen, 

Ahlbory  (6.),  Zur  Erklärung  griechischer  Classiker.  Qreifsw^ld,  B.  Scharff, 
1863.  angez.  v.  J.  La  Roche-  8.  281—282. 

Aucassin  und  Nicolette,  s.  Hertz  (W.).' 

Baczko  (Herm.  y.),  Uebersichtskarte  des  Alpen  -  Systems.  Glogau,  C. 
Flemming.  8.  607.  608. 

Bellermann  (Dr.  Frdr.),  Griechische  Schulgrammatik  und  Lesebuch  zur 
Erlernung  des  attischen  Dialektes.  2.  Aufl.  1.  Thl.  Grammatik. 
Leipzig,  A.  Felix,  1864.  angez.  v.  Johann  Lief sn er.       S.  21—5)6. 

Berger  (Dr.  £.),  Griechische  Grammatik  für  den  Unterricht  auf  Gym- 
nasien. 8.  Aufl.  Cell?,  Capaun-Karlowa,  1865.  angez.  y.  A.  Fleisch- 
mann. S.  357—359. 

Lateinische  Grammt^t^)^  für  den  Unterricht  auf  Gymnasien  und  Pro* 

gymnasien.  5.  Aufl.  Celle,  Capaun-Karlowa,  1864.  angez.  y.  L. 
Vielhaber.  8.  SOT- 


IV 

Berger  (Uebnngsbücher  zu  der  griechischen  Grammatik  v.)-  Herausg.  Ton 

Dr.  E.  Berger  und  Heinr.  Heidelberg.    1.  u.  2.  Cursus.    Celle, 

Schulze,  18fö.  angez.  v.  A.  Fleischmann.  S.  359-361. 

Bernhardy  (G.),   Grundriss   der   römischen   Literatur.    4.  Bearbeitung. 

Braunschweig,  Schwetschke  u.  S.,  1865.  S.  56.  57. 

Böhden,  Pflanzen  zeichnen  schule  in  Kupferstichen.    Berlin,   T.  Walloch, 

S.  519. 
Böhme  (Dr.  Gottfr.),  Aufgaben  zum  Uebersetzen  in's  Griechische.  2.  Aufl. 

Leipzig,  Teubner,  1864.  S.  674. 

Bröal,  Bfercule  et  Cacus.  Paris,  Durand.  1863.  angez.  v.  H.  Stein thal. 

S.  39  ff. 
Brehm  (Dr.  A.  E.),   Illustriertes  Thierleben.    Hildburghausen,   Biblioi^r. 

Institut,  1864.  S.  208.  209. 

Bumüller  (Dr.  J.),  Geschichte  des  Alterthums.  1.  Tbl.    Freiburg  i.  Br., 

Herder,  1863.  angez.  v.  Zeifsberg.  S.  447—450. 

C (paar  18  (C,  I.),   Commeniarii  de  hello  ciuäi.,    Erkl.  von  Kr.  Kraner. 

3.  Aufl.,  bes.  V.  Frdr.  Hofmanln.    Berlin,  Weidmann,  1864.  angez. 

V.  L.  Vielhaber.  S.  422-434. 

—  —  De  hello  ciuüi  commentarii  tres.  Erkl.  v.  Alb.  Doberentz.  2.  Aufl. 

Leipzig,  Teubner,  1863.  angez.  v.  L.  Viel  ha  her.         S.  422—434. 
Cssars   (Julius)  Geschichte.    Vom    Verf    autoris.    Uebersetzung.    1.  Bd. 

Wien,  C.  Gerold's  Sohn,  1865.  S.  295-299. 

Cannabich  (J.  G.  Fr.),   Schulgeographie.    19.  Aufl.    bearb.  v.  Dr.  Frd. 

Max  Oertel.  Weimar,  Voigt,  1865.  S.  605.  606. 

Cbolevius  (Dn  L.),   Dispositionen   und   Materialien   zu  deutschen  Auf- 
sätzen.   1.  Bdchen.    3.  Aufl.    Leipzig,  Teubner,  1864.    angez.  v.  K. 

Tomaschek.  S.  511—513. 

Cicero ni 8  (M,  T.)  de  amicitia  Über  qui  ifiscrihitur  Laelius.    Erkl.  von 

Gust.  Lahmeyer.  Leipzig, Teubner,  1862.  angez.  v.  L.  Vielhaber. 

8.  509.  510. 
Curtius  (Ernst).  Göttineer  Festreden.  Berlin,  W.  Hertz,  1864.  S.  370.  371. 
Dam b eck  (K.),   Methodisches  Lehrbuch   der  mathemat.  Geogranhie  und 

Astronomie   für   mittlere  Classen   der  Gymnasien  und  Realschulen. 

Halle,  H.  W.  Schmidt,  1864.  angez.  v.  Dr.  J.  Frischauf.  S.  367—370. 
Daniel,    (}eograp  .ische   Lehrbücher.   (Lehrbuch,   14.  Aufl.,   Leitfaden, 

25.  Aufl.)  Halle,  Waisenhausbuchhdlg..  1864.  8.  374. 

Demosthenes  als  Staatsmann,  s.  Gomperz. 
Deschner  (Ck)nr.),  Wandtafeln  für  den  Elementarunterricht  im  Zeichnen 

der  Ornamente.  S.  519. 
80  Wandtafeln,   Anfangsgründe   im  Ornamentzeichnen.    Heilbronn, 

Class'sche  Buchhdlg.  S.  519. 

DeBor  (E.),  Der  Gebirgsbau  der  Alpen.  Wiesbaden,  Kreidel,  1865.   angez. 

V.  E.  Suefs.  S.  188-19L 

Diehl  (J.  P.),  Fluss-  und  Gebirgskarte  von  Deutschland,  s.  Serth. 
j^toyivuavov  (j4iX(ov)  JhouQyonivriTfg,  s.  Hesychii  (A.),  Lexicon. 
Dommerich  (Dr.  F.),   Lehrbuch    der   vergleichenden  Erdkunde  u.  s.  w. 

Herausg.  v.  Dr.  Flathe.    1.,  2.  u.  3.  Lehrstufe.   Leipzig,  Teubner, 

1862/63.  angez.  von  M.  Wretschko.  S.  187.  188. 

Eckstein  (F.  A.),  Jugendbibliothek,  s.  Osterwald. 
Ellendt  (Dr.  Frdr.),   Lateinische  Grammatik  u.  s.  w.    5.  Aufl.  bearb.  v. 

Dr.  M.  Seyffert.  Berlin,  Weidmann,  1862.  angez.  v.  L.  Vielhaber. 

S.  150.  151. 
Buripides  (Ausgewählte  Tragoedien  des).    Erkl.  von  F.  G.  Schöne. 

2.  Bdchen  :  Iphigenie  in  Taurien.  2.  Aufl.,  bearb.  von  H.  Köchly. 

Berlin,  Weidmann,  1863.  angez.  von  J.  KviCala.  S.  829-844. 

Suripidis  {Emoidatio^ies  in  Ivhigenwm  Tawricam.  I.^V.  pars.  Zürich, 

Meyer  u.  ZeUer,  1860—1862.  angez.  v.  J.  Kvicala.      S.  829-844. 
Ffildbausch  n.  Süpfle,  Griechische  Chrestomathie.  8.  Aufl.  Leipzig  u. 

Heidelberg,  Winter,  1865.    angez.  y.  A.  Fleischmann. 

S.  667.  668. 


Ficker  (Dr.  Ad.),  Elementar-Atlas  f.  d.  Gebrauch  der  Volksschule  in  den 
k.  k.  Staaten.  Nach  Stieler  u.  Sydow.  Gotha  u.  Wien,  J.  Perthes, 
18G5.  bespr.  v.  J.  Ptaachnik.  S.  746. 

Flathc  (Dr.  Th.),  Lehrbuch  d.  vergleichenden  Erdkunde,  s.  Doramerich. 

Flockeisen  (Alfr.),  Kritische  Miscellen.  Leipzig,  Teubner,  1864.  bespr. 
von  0.  Keller.  ö.  53.  54. 

Fromm  (Dr.  A.  H.),  Kleine  Schulgrammatik  der  lateinischen  Sprache. 
Berlin,  1863.  bespr.   von  L.  Viel  habe r.  Ö.  507. 

Gehlen  (0.),  Meraorabilia  Alexandri  Magni,  s.  Schmidt  (C).  ^ 

Georges  (Dr.  K.  E.),  Kleines  deutsch-lateinisches  Wörterbuch.  Hannover, 
Hahn,  18(>5.  angez.  v.  L.  Viel  ha  her.  S.  590-593. 

Globus.  Hlustr.  Zeitschrift  für  Länder-  u.  Völkerkunde.  Herausg.  v.  K. 
Andree.    Hildburghausen,  Bibliogr.  Institut,  1863,  1864,  u.  1865. 

S.  209.  210.  748. 

GomperE  (Theod).  Demosthenes  der  Staatsmann.  Wien,  C.  Gerold's  Sohn, 
1864.  S.  372.  373. 

Graf  (Ad.),  Atlas  des  Himmels  und  der  Erde  för  Schule  und  Haus. 
Weimar,  Geograph.  Institut.  1.  u.  2.  Lfg.  S.  374. 

Oestlichcr  und  westlicher  Planiglob  zum  Schulgebrauche.    Weimar, 

Geogr.  Institut,  ang'.^z.  v.  A.  Steinhauser.  S.  299—801. 

Graf  ^C.)  u.  Geyer  (V.),  Karten  der  deutsch-österreichischen  Länder  in 
ihren  hydro-  und  orographischen  Verhältnissen  (4  —  8).  Weimar, 
Geogr.  Institut,  angez.  v.  A.  Steinhauser.  S.  302.  308. 

Grube  (A.  W.),  Wiederholungsbuch  zu  dessen  Charakterbildern  aus  der 
Geschichte  und  Sage.  Leipzig,  Brandstetter,  1865.  S.  606.  607. 

Guhl  (Ernst)  u,  Kohner  (Wilh.),  Das  Leben  der  Griechen  und  Rö- 
mer u.  s.  w.  2.  Aufl.  Berlin,  Weidmann,  1864.  S.  57. 

Haberl  (Jos.),  Lehrbuch  der  allgemeinen  Arithmetik  und  Algebra.  Zum 
Gebrauche  für  Oberrealschulen.  Wien,  W.  Braumüller,  1865.  angez. 
von  F.  Klamminger.  S.  844— »55. 

Hartle  (Prof.),  Vorlagen  werk  für  den  Elementarunterricht  im  Freihand- 
zeichnen. S.  519. 

Heidelberg  (H.),   Elementargrammatik   der   deutschen  Sprache  u.  s.  w. 

2.  Aufl.    Celle,  Capaun  -  Kariowa ,  1864.   angez.  von  A.  Egg  er. 

S.  600. 
Helmbrecht,  s.  Schröder  (Dr.  C). 
Hergt  (C),   Karte  von  Palästina.    Weimar.  Geogr.  Institut,    angez.  von 

A.  Steinhauser.  S.  30L  302. 

Hermann  (Dt,  Konr.),  Das  Problem  der  Sprache  und  seine  Entwickelung 

in  der  Geschichte.  Dresden,  R.  Kuntze,  1865.  bespr.  v.  W.  Seh  er  er. 

S.  205-208. 
(E.).  Der  deutsche  Satz  für  die  untersten  Classen  der  Mittelschulen. 

Wien,  Beck,  1865.  angez.  v.  A.  Egger.  600.  601. 

Hertz  (Dr.  Wilh.),   Aucassin  und  Nicolette.   Altfranz.  Roman.    Wien,  C, 

Schönewerk,  1865.  S.  308. 

Herzog  (Em.),  Galliae  Narbonensis  provinciae  romanae  historia  u.  s.  w, 

Lipsiae,  Teubner.  1864.  angez.  v.  L.  Viel  ha  her.  S.  435.  436, 

^HavYiog,  Hesychii Alexandrini  Lexicon.  Reo.  M.  Schmidt,   IV.  VoU^ 

(Vol  IV.  P.  IL)  Jenae,  Fr.  Mauk,  1858-1864.  bespr.  von  C.  0, 

S.  202-903. 
Hesychii  Älexandrini  Lexicon.   Ed.  min.  cur.  M.  Schmidt.    Jenae, 

Fr,  Mauk,  1864.  bespr.  v.  C.  0.  S,  203—205. 

Heyse  (Dr.  J.  Chr.  Aug.),  Deutsche  Schulgrammatik.  Bearb.  v.  Dr.  K.  W^ 

L.  Heyse.  20.  Aufl.  Hannover,  Hahn,  1864.  S.  57.  58. 

Hoff  mann    [J.  L.) ,    Uebungsstücke    zum   Uebersetzen    in^s   Lateinische, 

3.  Aufl.  Nürnberg,  Baur  u.  Raspe,  1864.   angez.  v.  I*.  Viel  haben 

Homer i  Ilias,  emend.  et  illustr.  Dr.  Lud.  Doederlein.  Lipsiae,  Dörffling  '^ 
n.  Franke,  1863-1864.  2  Thle.,  der  2.  bos,  v.  Dr.  G.  Anteil»  ^ 
rieth.  angez.  v.  J.  La  Roche,  «.  264— tlQ, 


VI 

Hoitier'8  niade,  erkl.  y.  J.  A.  F&si.  1.  Bd.  4.  Aufl.  Berlin,  Weidmann, 
1864.  bespr.  v.  H    B.  S.  201.  202. 

Odyssee,  erklär.  Schulausgabe  von  Heinr.  Dftntzer.  Paderborn,  P. 

Schöningli,  1863    1864.   1.,  2.  u.  3.  Hft.    angez.  v.  J.  La  Roche. 

8.  253-264. 

Moratii  Flacci  (Q.),  opera  rec.  0,  Keller,  VcH.  I.  Lipsiae,  Tetibner, 

1864.  angez.  v.  W.  Hartel.  S.  26-30. 
Horatius  Flaccus  (Q.),  s.  Koch. 

Ilias  (21.  u.  22.  Buch  der).  Herausg.  von  C.  A.  Jul.  Hoff  mann.  1.  u. 

3.  Abthlg.  Clansthal,  Grosse,  1864.   angez.  von  J.  La  Boche. 

S.  270-276. 

(Anmerkun^n  zur)  von  K.  Prdr.  v.  Nägelsbach.  3.  Aufl.   bearb. 

V.  Autenrieth.  Nftmberg,  Geiger,  1864.  angez.  v.  J.  La  Roche. 

S.  276-280. 

Kappes  (K),  Erz&hlungen  ans  der  Geschichte  fttr  den  ersten  Unterricht 

n.  8.  w.  2.  Aufl.  Freiburg  i.  B.,  B.  Wagner,  1866.         S.  856.  857. 

Kehrein  (Jos.),  Das  Annolied.   Genauer  Abdruck  des  Opitzischen  Textes, 

mit  Anmerkungen  und  Wörterbuch.   Frankfurt  a/M.,  G.  Hamacher, 

1865.  angez.  v.  W.  Scherer.  S.  855.  856. 
K15den  (G.  Ad.  v.),  Geographischer  Leit&den  fAr  die  Elementarclassen 

der  Gymnasien  und  Realschulen.  2.  Aufl.  Berlin,  C.  G.  Lttderitz'sche 

Buchhdlg.,  1865.  S.  373.  374. 

Koeh  (Dt,  G.  A.),   Vollständiges  Wörterbuch   zu  den   Gedichten  des  Q. 

Horatius  Flaccus.  Hannover,  Hahn,  1863.  angez.  v.  L.  Vielhaber. 

S.  586-588. 
—  —  Vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Gedichten  des  F.  Vergilius  Maro. 

8.  Aufl.  Hannover,  Hahn,  1863.  ancfez.  v.  L.  Vielha  ber.  S.  588  -  590. 
Kolbe  (Dr.  Alex.),  De  sufflxi  &iv  usu  Homerico  oommentatia  Greifewald, 

R.  Scharff,  186a  angez.  v.  J.  La  Roche.  S.  282.  283. 

Koppe  (Karl),  Anfangsgründe  der  Physik,  a  Aufl.  Essen,  G.  D.  Bädeker, 

1864.  bespr.  v.  Dr.  Jos.  Kr  ist.  S.  208. 

Koienn  (B.),  Grundzüge  der  Geographie.    Wien  u.  Olmütz,  E.  UölzeL 

8.  Aufl.  6  5    r  g  ^^^ 

Oio-hydrographiscber  Atlas.  Wien  u.  Olmütz,  Hölzel,  1864.    S.  873. 

Krebs  (Dr.  J.  Ph.) ,  Antibarbarus  der  latein.  Sprache.   Anhang  von  Dr. 

F.  X.  All  gayer.    Frankfurt  a^li.,  Brönner,   1862.   angez.  v.  Dr. 

M.  Ott  S.  30-36. 

Kühner  (Dr.  Ruphael),   Elementargrammatik  der  lateinischen  Sprache. 

25.  Aufl.    Hannover,  Hahn,  1864.    bespr.  v.  L.  Vielhaber. 

S.  307.  308. 
Kurzgefasste  Schulgrammatik  der  griechischen  S|M^he.    Statt  der 

4.  Auil    Hannover,  Hahn,  1865.   angez.  v.  A.  Fleischmann. 

8.  664-667. 
üebungsbuch,  enthaltend  deutsche  und  griechische  Uebersetzungs- 

stücke.  Hannover,  Hahn,  1865.  S.  674. 

Kuhn  (Adalb.),  Die  Herabkunft  des  Feuers  und  des  Göttertrankes.  Beriin, 

Dümmler,  1859.  angez.  v.  H.  SteinthaL  S.  86.  88.  39  ff. 
Gebräuche   und   Märchoi  aus  Westphalen  und   den  angrenzenden 

Gegenden  Norddeutschlands.  Leipzig,  Brookhaus,  1859.  angez.  v.  H. 

Steinthal.  S.  36.%.  39  ff. 

Lattmann  (Dr.  J.)  n.  Müller  (H.  D.),  Lateinische  Grammatik.  2.  Aufl. 

Göttingen,  VandenhcBk  u.  Ruprecnt,  1864.  betpr.  v.  LVielhaber. 

S,  284-294. 
Lehnardt  (Alb.),  Auswahl  aus  Lobeck*s  akademischen  Beden.    Berlin, 

Weidmann,  1863.  S.  674-676. 

Lobeek,  Auswahl  aus  dessen  akad.  Reden,  s.  Lehnardt 
Löi^ner  (B.),  Der  Zeichenunterricht    Potsdam,  RügeFsche  Buchhandlg. 

8.  519. 
Madie ra  (K.  A.),  Deutsches  Lesebuch  für  die  L  Gymnasialclasse.   Prag, 

J.  L.  Kober,  1866.  vgl.  Beil.  zu  Hfb.  X,  S.  1,  2.  S.  604.  605. 


vu 

Mannha  rdt  (W.),  Germanische  Mythen.  Berlin,  F.  Sdineiaer,  1858.  angei, 

V.  H.  Steinthal.  S.  86.  89  ff. 
Die  Götter  der  deutschen  und  nordischen  Völker.  Berlin.  Schindler, 

1860.  angez.  v.  H.  SteinthaL  S.  86.  89  ff. 

Martin  (Ernst),  Grammatik  and  Glossar  in  der  Nihelongen  Not.  Berlin. 

Weidmann,  1865.  S.  517.  518. 

Menke  (ThO,  Orhis  antiqui  descriptio.    Gothae,  J.  Perthes,  1865.   b€»pr. 

V.  J.  Ptaschnik.  8.  746.  747, 

Möller  (Dr.  J.),  Die  Weltgeschichte  vom  christl.  Standpunct  aufgefasst. 

1.  Bd.    Freihorg  L  Br.,  Herder,  1862.   anges.  ▼.  H.  Zeifsherg. 

Moississtiig  (Dr.  H.),   Praktische  Schnlgrammatik  der  latein.  Spradie 

u.  s.  w.    5.  Aufl.    Berlin,  (Hurtner,  lS>3.   angez.  v.  L.  Vielhaher. 

S.  150. 
Mo  mm  Ben  (Th-)»  Bes  gestae  divi  Augusti  ex  monumentis  Anticyrano  et 

Apolloniensi.  Berouni  apud  Weidmannos,  1865.  S.  603. 

Morstadt  (Dr.),   Beitrage   zur  Exegese  und  Kritik  des  Sophokleischea 

Aias.  Schaffhausen,  186a  bespr.  y.  Ign.  Prammer.       S.  603.  604. 
Napoleon  ill.  Geschichte  Julius  Cnsars,  s.  Cnsar. 
Naye  (J.),  Anleitung  zum  Einsammeln,  Präparieren  und  Untersuchender 

Pflanzen  u.  s.  w.,  mit  einem  Vorworte  von  Dr.  L.  Babenhorst. 

Dresden,  H.  Burdach,  1864.  bespr.  y.  y.  Heufler.  S.  374-^76. 
Neu  mann  (CfarlK   Die   magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene  des 

Lichtes.    Halle,  Waisenhausbuchhdlg.,  1863.   angez.  y.  J.  Stefan. 

S.  305.  306. 
Oertel  (Dr.  Frd.  Max),  Schulgeographie,  s.  Cannabich. 
Niemejrer  (Dr.  Ed.),  Abrisa  fer  deutschen  Metrik  nöbst  metr.  Aufnben. 

2.  Aufl.  Dresden,  'Höckner^  1865.  S.  516.  517. 
Ostermann   (Dr.  Ch.).  Lateinisch  -  deutsches  und  deutsch  -  lateinisches 

Wörterbuch   zu  dessen  Uehungsbüchem.   Leipzig,  Teubner,  1863. 

an^ez.  v.  L.  Vielhaber.  S.  670. 
Uebungsbuch  zum  Uebersetzen  aus  dem  Lateinischen  in's  Deutsche 

u.  8.  w.    1.  Abthlg.   2.  Aufl.   Leipzig,  Teubner,  1863.    angez,  von 

ebendems.  S.  ^9.  670. 
Lateinisches  Vocabularium  für  Anfänger.  1.  Abthlg.  2.  Aufl.  Leipzig, 

Teubner,  1863.  angez.  von  ebendems.  S.  669.  67D. 

Osterwald  (K.  WX  Erzählungen  aus  der  alten  deutschen  Welt  für  Jung 

und  Alt.    1.  Tbl.   3.  Aufl.   Halle,  Waisenhausbuchhdlg.,  1865. 

S.  309-311. 
Pahle  (F.),   Geschichte   des  orientalischen  Alterthums  von  den  ältesten 

Zeiten  bis  auf  die  Perserkriege.    Oldenburg,  Stalling,  1864.    angez. 

V.  H.  Zeifsberg.  S.  450.  451. 

Beufs  (Rud.).   Graf  Ernst  von  Mansfeld   im  böhm.  Kriege  1618  —  1621. 

Braunscnweig,  Schwetschke  u.  S.,  1865.   angez.  von  F.  Krones. 

S.  513-516. 
Shaliqeri  (JosJ,  poemata  amnia.    Ex  museo  P,  Scriverü  edUio  aitera. 

Berolini,  A.  Bath,  1864.  angez.  v.  E.  Sehen  kl.  S.  361—363. 

Schellbach  (£.  H.),  Die  Lehre  von  den  elliptischen  Integralen  und  den 

Thetafunctionen.    Berlin,  G.  Reimer,  1864.    bespr.  v.  J.  Stefan. 

S.  747.  748. 
Schmidt  (C),    Gehlen  (0.),   Memoräbüia  Alexandri  Magni  etc.  etc, 

selectasque  fabvlas  Phadri  in  usutn  9cholarum  ediderunt.  angez. 

V.  Eduard  Jahn.  S.  436—442. 

Schöpfer  (Hnr.),  Anleitung  zum  Figurenzeichnen  auf  Grundlage  des  geo- 
metrischen Gliedermanncs.  Wien  u.  Olmötz,  E.  Hölzel.  S.  519. 
Schröder  (Dr.  Carl),   Helmbrecht  von  Wemher  dem  Gärtner.    Wien,  C. 

Schönewerk,  1865.  S.  308. 

Schultz  (Dr.  Ferd.^,  Aufgabensammlung  zur  Einübung  der  latein.  Syntax. 

5.  Ausg.    Paderborn,   Schöningh,  1864.    bespr.  v.  L.  Vielhaher. 

S.  54.  55. 


vm 

Schultz  (Dr.  FenL),  Kleine  lateiniscbe  Sprachlehre.  7.  AuB.  Paderborn, 
Schöningh,  1863.  an^ez,  v.  L.  Vielhaber.  S.  151. 

Lateinische  Sprachlenre,  zunächst  fftr  Gymnasien.  5.  Aufl.  Paderborn, 

Schöningh.  1862.  angez.  v.  ebendems.  8.  151—169. 

Schwärt  z  (F.  L.  W.),  Der  Ursprung  der  Mythologie,  dargestellt  in  grie- 
chischer und  deutscher  Sage.  Berlin,  Hertz,  1860.  angez.  v.  H. 
Steinthal.  S.  36.  39  ff. 

Der  heutige  Volksglaube  und  das  alte  Heidenthum.  2.  Aufl.  Berlin, 

Hertz,  1862.  angez.  v.  ebendems.  S.  36.  39  ff. 

Serth  (E.)  und  Diehl  (J.  P.),  Fluss-  und  Gebirgskarte  von  Deutschland. 

1.  Bl  Darmstadt,  J.  P.  Diehl.  S.  608, 
Seydlitz  (E.  v.).  Schulgeographic.  11.  Aufl.  Breslau,  Hirt,  1866.  S.  606w 
Seyffert  (Dr.  M.),  Syntax,  s.  Ellen  dt  (Dr.  Frdr.). 

Sophoclis  Antigona.  Recens.  et  brevi  adnotatione  instruxit  M.  Seyffer- 
tus.  Berlin,  Weidmann,  1865.  angez.  v.  Job.  Kviöala,   S.  649-664 

Sophokles  Aias,  s.  Morstadt. 

Spamer  (Otto),  s.  Welt  der  Jugend. 

Spiegel  (Fr.),  Zoroastische  Studien,  s.  Windischmann. 

Spiels  (E.),  Uebungsbuch  zum  Uebersetzen  aus  dem  Lateinischen  in^s 
Deutsche  u.  s.  w.  1.  Abthlg.  16.  Aufl.,  2.  Abthlg.  8.  Aufl.  Essen, 
Bädekcr,  1865.  angez.  v.  L.  Viel  habe  r.  S.  669. 

—  —  Griechische  Formenlehre.  5.  Aufl.  bearb.  v.  Dr.  Th.  Breiter.  Essen, 

Bädeker.  S.  674. 

Uebungsbuch  zum  Uebersetzen  aus  dem  Griechischen  in's  Deutsche. 

6.  Aufl.  bearb.  v.  Dr.  Th.  Breiter.  Essen,  Bädeker.  S.  674. 

Stahl  (H.),  Di^  'VV'asserwelt  vom  Standpuncte  der  neuesten  naturwissen- 
schaftlichen Anschauung.    2.  Aufl.    Leipzig,  1864.    bespr.  v.  E.  S. 

S.  209. 

Steinhaus  er  (A.),  Atlas  für  die  erste  Stufe  des  geographischen  Unter- 
richtes in  den  österreichisch-deutschen  Schulen.  2.  Hft.  Wien,  Ar- 
taria  u.  Comp,  angez.  v.  J.  Ptaschnik.  S.  303—305. 

Atlas  für  die  erste  Stufe  des  geographischen  Unterrichtes.    3.  Hft. 

Wien,  Artaria  u.  C,  1866.  bespr.  v.  ebendems,  S.  747. 

Stieler's  Schul-Atlas.  Neue  Aufl.  S.  309, 

Stieler  und  Sydow,  Kariienwerke,  s.  Ficker. 

Süpfle  (K.  FrO,  Praktische  Anleitung  zum  Lateinischen  u.  s.  w.  L  Ab- 
theilung. Karlsruhe,  Groos,  1862.  aneez.  v.  L.  Vielhaber.  S.  149. 150. 

—  —  Griechische  Chrestemathie,  s.  Feldbausch. 

Sydow,  Gradnetzatlas.  (Als  Ergänzung  dazu:  „Gradnetzkarte  für  das 
Kaiserthum  Oesterreich.**)  Gotha,  Perthes.  S.  608. 

und  Sticler,  Kartenwerke,  s.  Ficker  und  Stieler. 

Tacitus  (Com.),   erklärt   von   K.   Nipperdey.   1.  Bd.   4.  Aufl.  1864; 

2.  Bd.  2.  Aufl.  1857.  Berlin,  Weidmann,   angez,  v.  L.  Vielhaber. 

S.  343-357. 
Thurnwald  (A.),   Lehrbuch  der  mittelhochdeutschen  Sprache.   Prag,  JE. 

Tempsky ,  1864.   angez.  v.  J.  P  c  1 1  e  r  s,  S.  170—180. 

Verbesserungen  dazu.  S.  311 

Trappe  (Albert).  Die  Physik,  für  den  Schulunterricht  bearbeitet.  3.  Aufl. 

Breslau,  F.  Hirt,  1865.  angez.  v.  J.  Stefan.  S.  670—673. 

Troschel  (Hugo),   Monatsblätter   zur  Förderung  des  Zeichenunterrichtes 

an  Schulen.  Beriin,  Nicolai.  1.  Jhrg.  1865.  S.  376.  377.  519. 

Vergilius  Maro  (P.),  s.  Koch. 
Verhandlungen  der  22.  Versammlung  deutecher  Philologen  und  SchnU 

männer  m  MeiTsen.  Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1864.  bespr.  von  H.  B. 

S.  55.  56. 
Wagner,  Rom.    2.  u.  3.  Bd.    Mit  Tonbildem  nach  Deimling,  Leute- 
mann u.  a.    Leipzig,  Spamer,  1863  —  64.   angez.  v.  H.  Ficker. 

S.  364-367, 
Weiske  (G.  AJ,   Materialien   zum  Uebersetzen   aus  dem  Deutschen  in's 

Griechische.  Halle.  1864.  bespr.  v.  A.  Fleischmann.    S.  306.  307. 


IX 

Welker  (P.  G.),  Tagebuch  einer  griechischen  Reise.  Berlin,  W.  Hertz, 
1865.  1.  ü.  2.  Bd.  S.  518. 

Welt  der  Jugend  (die).  Leipzig  u.  Berlin,  Spamer.  S.  676. 

Westphal  (Bud.),  System  der  antiken  Rhythmik.  Breslau,  Leuckart,  1865. 
angez.  v.  W.  Berg  er.  S.  593-600. 

Wetze  1  (E.  u.  F.),  Die  deutsche  Sprache  u.  s.  w.  Berlin,  Stubenrauch, 
1865.  angez.  v.  A.  Eeger.  S.  601.  602. 

Wiese  (Dr.  Ludw.) ,  Das  höhere  Sshulwesen  in  Preu&en.  Berlin ,  Wie- 
gandt  u.  Grieben,  1864.  angez.  v.  F.  Hoch  egger.       S.  191—201. 

Windischmann  (Fr.),  Zoroastrische  Studien.  Herausg.  v.  Fr.  Spiegel, 
angez.  v.  H.  Steinthal.  S.  39  ff. 

Wuestemann  (E.  F,),  Prompttutrium  sententiarum.  Ed.  altera,  cur. 
M.  Seyffertus.  Nordhusae,  F.  Förstemann,  1864.         S.  371.  372. 

Zaranski  (St.),  Weltgeschichte  in  Annalen-,  Chroniken-  und  Historien- 
weise. IL  Bd.  Wien,  Zamarski  u.  Dittmarsch,  1865.  angez.  y.  Fr. 
Krones.  S.  180. 

• Der  Geschichtsunterricht  auf  Grundlage  der  Geschichtsschreibung. 

Wien,  ebend.  1865.  angez.  v.  Fr.  Krones.  S.  180-186. 


Schulprogramme  österreichischerGymnasien  undRealschulen. 

A,  Niederösterreich.  Krems,  Landes-OR.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  E.  Kur».) 
Bespr.  V.  A.  Egger.    S.  609. 

B.  Oberösterreich.  1.  Linz.  (Mit  c.  Abhdlg.  v.  Jos.  Bayerl.)  Bespr. 
V.  J.  Frischauf.  S.  864.  —  2.  Salzburg.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  Jos. 
Ampferer.)    S.  520. 

D.  Tirol  Innsbruck.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  Jos.  Dwofäk.)  Bespr.  v.  J. 
Frischauf.    S.  864.  865. 

E.  Steiermark.  1.  Cilli.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  Conr.  Pasch.)  Bespr.  v.  A. 
Egger.  S.  608.  609.  —  2.  Marburg.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  J.  Rom. 
Schaller.)  Bespr.  v.  J.  Ptaschnik.    S.  858.  859. 

G.  Krain.    Laibach.    (Mit  e.  Abhdlg.  v.  J.  J.  Nejedli.)    Bespr.  v.  J. 

Frischauf.    S.  865.  866. 
H.  Küstenland.   Görz.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  Job.  Je  senke.)  Bespr.  v.  F. 

Krones.    S.  452.  453. 
K.  Böhmen.  Ellbogen,  OR.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  Job.  Tu4ina.)  Bespr.  v. 

A.  Egger.    S.  609. 
L.  Mähren.  1.  Brtinn.  (Mit  e.  Abhdlg.  v.  Dr.  Erasm.  Schwab.)  Bespr. 

V.  F.  K  r  0  n  e  8.    S.  451.  452.   —   2.  Troppau.    (Mit  e.  Abhdlg.  v. 

AuOTst  Decker.)    Bespr.  v.  J.  Frischauf.    S.  866.   —   OR.  (Mit 

e.  Abhandig.  von  Dr.  Georg  Ullrich.)    Bespr.  von   Dr.  S.  Subic. 

S.  861-864. 
-B.  Militär- Grenze.    Vinkovce,  k.  k.  Staats- OG.   (Mit  e.  Abhdlg.  von 

Vanidek,nachv.  Kukuljeviö.)  Bespr.  v.  F.  Krones.  S.  859-861. 
S.  Siebenbürgen.  1.  Kronstadt.  (Evg.  G.,  mit  Abhdlgen.  von  Fr.  Schiel 

und  V.  W  Teutschländer.)   —   2.  Schäflsburg.  (Evg.  G,  mit  e. 

Abhdlg.  von  G.  Bell)   —   3.  Bistriz.    (Evg.  G,  mit  e.  Abhdlg.  v. 

Fr.  Storch.)    Bespr.  von  Heinr.  Ficker.  S.  453—455.  —  4.  Her- 
mannstadt (k.  k.  Staats-G.,   mit  e.  Abhdlg.  v.  J.  Alex.  Ro2ek.) 

Bespr.  V.  L.  Vielhaber.    S.  857.  858. 


Abhandlungen  in  Gyrrnumal-  und  RealschuH-Programmen. 
I.  Abhandlungen  philologischen  uad  linguistischen  Inhaltes» 

1.  (Cilli,  k.  k.  OG.)    Die  Frage  über  die  Entstehung  des  Nibelungen- 
hedes.    Von  Conr.  Pasch.    Bespr.  v.  A.  Egg  er.  S.  608.  609. 

2.  (Eilboten,  OR.)  Die  Untersuchunffen  über  die  Entstehung  des  Nibe- 
lungenliedes. Von  Joh.  Tu i Ina.  Bespr.  v.  A.  Egger.  8.  609# 


3.  (Krems,  Landes-OR.)  Das  Wiederaufleben  deatscber  Dichtung  in  Oetter- 
reich  seit  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts.  Von  E.  Kurs.  Bespr. 
V.  A.  Egger.  S.  609. 

4.  (Hermannstadt,  k.  k.  Staats -G.)  De  natura  latinitatis  Justinianae 
scripsit  J.  Alex.  Bo2ek.    Bespr.  v.  L.  Vielhaber.  S.  857.  858. 


IL  Abhandlungen  aus  dem  historisch-geographischeD 

Gebiete. 

1.  (Brunn,  k.  k.  G.)  Historische  Skizze  der  Gründner  Stidte.  Von  Dr. 
Erasm.  Schwab.    Bespr.  v.  F.  Krön  es.  S.  451.  452. 

2.  (Görz,  k.  k.  OG.)  „Geschah  die  Erstürmung  Roms  unter  dem  Herzog 
Karl  von  Bourbon  mit  oder  ohne  Vorwissen  des  Kaisers  Karl  V.?** 
Von  Job.  Jesenko.    Bespr.  y.  F.  Krone s.  S.  452.  453. 

8.  (Kronstadt,  evang.  G.)  Matrikel  des  Kronstädter  Gymnasiums  vom 
J.  1544-1810.  Von  Fr.  Schiel.  Bespr.  v.  Heinr.  Ficker.  S.  453.  454. 

4.  (Kronstadt,  evg.  G.)  Zur  Geschichte  des  Turnens  im  Siebenbürger 
Sachsenlande,    von  W.  Teutschländer.    Bespr.  v.  Heinr.  Ficker. 

S.  454.  455. 

5.  (SchäflBburg,  evg.  G.)  Geschichte  des  Schäfsburger  Gymnasiums.  Von 
G.  Bell.    Bespr.  v.  Heinr.  Ficker.  S.  455. 

6.  (Bistritz,  evg.  G.)  Ueber  den  Einfiuss  der  reformatorischen  Bestre- 
bungen des  16.  Jahrhunderts  auf  die  Entwickelune  und  Bildung  der 
Schulen.    Von  Fr.  Storch.    Bespr.  v.  Heinr.  Ficker.  S.  455. 

7.  (Salzburg,  k.  k.  Staats-G.)  Ueber  den  Mönch  von  Salzburg.  Von  Jos. 
Ampferer.  S.  520. 

8.  (Marburg,  k.  k.  CXj.)  Die  Bedeutung  des  ager  publicus  in  der  römi- 
schen Geschichte  vor  der  Zeit  der  Gracchen.  von  Jos.  Rom.  Schaller. 
Bespr.  V.  J.  Ptaschnik.  S.  858.  859. 

9.  (Vinkovce,  k.  k.  Staats-GG.)  Der  Kampf  der  Kroaten  mit  den  Mon- 
^len  und  Tartaren  aus  der  Abhandlung:  ^Borba  Hrvatah  s  Mongoli 
1  Patari*"  v.  Kukuljeviö,  mitgetheilt  von  Vaniöek.  Bespr.  v.  F. 
Krones.  S.  859—861. 

III.  Abhandlungen  aus  dem  niathematisch-physikaliscben 

Gebiete. 

1.  (Troppau,  k.  k.  GG.)  Ueber  Theiibruchreihen.  Abhandig.  von  August 
Decker.  Bespr.  v.  J.  Frischauf.  S.  866.  —  (GR.)  Die  Brillen  der 
Weitsichtigen  und  Kurzsichtigen,  von  Dr.  Greorg  Ullrich.  Bespr.  v. 
Dr.  S.  äubic.  S.  861-864. 

2.  (Linz,  k.  k.  OG.)  Die  Transversalen  des  ebenen  Dreieckes.  Abhandig. 
von  Jos.  Bayer  1.    Bespr.  v.  J.  Fr i schaut  S.  864. 

S.  (Innsbruck,  k.  k.  OG.)  Auflösung  der  Zahlen^pleidiungen  des  3.,  4. 
und  5.  Grades  mit  einer  Unbekannten.  IL  Reciproke  (mit  Einschluss 
der  binomischen)  und  ihnen  ähnliche  Gleichungen  bis  zum  8.  Grade 
incl.  III.  Bemerkung  zur  Cartesischen  Auflösungsformel  biquadratischer 
Gleichungen  u.  s.  w.  Abhandig.  von  Jos.  Dwofäk.  Bespr.  v.  J. 
Frischauf.  S.  864.  865. 

4.  (Laibach,  k.  k.  OG.)  Elementare  Ableitung  der  Budan- Homerischen 
AuflÖsungsmetbode  höherer  Zahlengleichungen.  Von  Dr.  J.  J.  NejedlL 
Bespr.  V.  J.  Frischauf.  S.  865.  866. 

Dritte  AbthelluDg. 

Zwr  Didaktik  und  Pcedagogik, 

üebtr  die  deutsche  poetische  Schullectüre  und  über  SchulauBgaben  grdfserer 
deutscher  Dichtungen.    Von  Dr.  Karl  Tomaschek.       S.  59-73. 


XI 

Einige  Bemerkungen  über  den  naturwlBsenschaftlichen  Unterricht  an  un- 
seren Gymnasien.    Von  Dr.  M.  Wretschko.  S.  74—78. 

Zur  Reform  der  Maturitätsprüfung.   Von  Gustav  Lindner.    S.  211—914. 

Ueber  Maturitätsprüfung  aus  der  Geschichte  und  Geographie.  Von  J. 
Wolf.  8.215—221, 

Zur  Reform  der  Realschule.    Von  A.  Beer.  S.  378—386. 

Das  Deutsche  bei  der  österreichischen  Maturitätsprüfung.  Von  A.  Egger. 

S.  456—464. 

Versuch  auf  genetischem  Wege  in  dem  Begriffe  der  Bildung  zu  gelangen. 
Von  Joh.  Apren t.  S.  521-541. 

Ans  der  Gjmnasialpraxis.  (I.  Schuldisciplin  in  den  untersten  Classen.)  Von 
Joseph  Wolf.  S.  677-683. 

Ein  Votum  über  die  Stenographie  an  Mittelschulen,  besonders  an  Gym- 
nasien.   Von  Leop.  Vielhaber.  S.  683—689. 


VIeHe  Abthellang. 

MisceUen. 

Aus  der  „Mittelschule.**  Versammlung  vom  1.  April,  22.  April,  6.  Mai, 
20.  Mai,  18.  November  (Jahresversammlung  des  8.  Yereinsjahies) 
und  2.  December  1864.  S.  79—85. 

Versammlung  vom  3.  Februar  1865.  S.  780—785. 

Zu  Sophokles'  Aias  v.  15.    Von  Leop.  Dwof  äk.  S.  222—223. 

Zu  Livius.   Exegetische  Bemerkungen.    Von  Ed.  GcebeL        S.  223—225. 

Bemerkungen  zur  Mythologie.  (1.  ZHQfjveg  und  Znlrirol;  2.  Zu  Platon's 
Symposion  189,  e.)    Von  Karl  Sehen  kl.  S.  225.  226, 

Erklärung  (betreffs  der  üebersetzung  der  vom  Kaiser  Napoleon  verfassten 
Geschichte  Julius  Csesar's).  Von  Frdr.  BitschL  S.  226. 

Die  Schulprogramme  und  Dissertationen  und  ihr  Vertrieb  durch  den  Buch- 
handel. Berlin,  S.  Calvary  u.  Comp.  Bespr.  v.  H.  Bonitz.  S.  387.  388. 

Das  königliche  philologische  Seminar  der  Universität  Leinzig.    S.  388—390. 

Prüfung  für  das  Gymnasial-Lehramt  im  Herzogthume  Nassau.         S.  390. 

Zu  Piaton  (64  C).    Von  H.  Bonitz.  S.  465-467. 

Zu  Suidas.    Von  J.  Oberdick.  S.  467.  468. 

Preisfragen,  ausgeschrieben  von  der  fürstl.  Jablonowski^schen  Gesellschaft 
in  Leipzig  (für  die  Jahre  1865,  1866,  1867  und  1868).  I.  Aus  der 
Geschichte  und  Nationaloekonomie;  U.  aus  der  Mathematik  und 
Naturwissenschaft  S.  468.  469. 

Bekanntmachung,  die  24.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer (zu  Heidelberg  vom  27.— 30.  September  1865>  betreffend. 

S.  542.  543. 

Ueber  die  Bedeutung  der  Namen  Europa,  Asia,  Afrika.  Von  Dr.  Krause. 

S.  610.  611. 

Zu  Tacitus  Histor.  lib.  L  IL   Von  Ign.  P  ramm  er.  S.  611—616. 

Zu  Philodem  n^ql  evatßefag.    Von  Th.  Gomperz.  S.  704.  705. 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  24.  Versammlung  deutscher  Philo» 
logen  und  Schulmänner  zu  Heidelberg,  vom  27.— 30.  September  1865. 
Von  Alexander  Riese,  Ignaz  Petters,  Dr.  Schell,  Conze  und 
Alois  Müllej.  S.  690-704.  749—780. 

1.  Ueber  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  Zahlwörter;  2.  Ueber  die 
Bedeutung  der  Penates  und  Pontifices.  Von  Dr.  Krause.  8.  867—869. 

Uebungsbuch  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  in's  Lateinische.  1.  n. 
2.  Thl.  Wien,  C.  Gerold's  Sohn,  1863  u.  1865.  Von  Joh.  Alex.  Ro2ek. 

S.  869—878. 

Entgegnung  auf  die  Anzeige  (von  K.  A.  Madiera*s  deutschem  Lesebuch) 
in  Heft  VIIL    Von  A.  Madiera.   Beilage  zum  X.  Heft    S.  L  3. 

Erwiderung  vom  Referenten.    Beilage  zum  X.  Heft.  8.  % 


XII 

Fttnfle  Abtheilung. 

Verordnungen  für  die  österreiehischen  Gymnamen  und  Realschulen; 
Personalnotizen;  Slatistik. 

Erlass  des  k.  k.  Staatsministeriuras,  Abtheilung  für  Cultus  und  Unterricht, 
vom  24.  Jänner  1865,  Z.  300,  betrefls  der  vom  k.  k.  ö.  Museum  für 
Kunst  und  Industrie  zu  beziehenden  Zeichnungsvorla^en.      S.  227. 

Erlass  des  k.  k  Staatsministeriums,  Abthlg.  f.  C.  u.  U.,  die  2^ulassung  zur 
Maturitätsprüfung  betreffend,  vom  10.  März  1865,  Z.  156.     S.  470. 

Erlass  des  k.  k.  Staatsministeriums,  Abthlg.  f.(-.  u.U.,  die  Zeit  der  mündlichen 
Maturitätsprüfungen  betreffend,  vom  4.  Mai  1865,  Z.  3325.  S.  470.  471. 

Verordnung  des  k.  k.  Staatsministeriums,  Abthlg.  f.  C.  u.  IT.,  die  Ein- 
führung von  Lehrbüchern  und  Lehrmitteln  an  den  Mittelschulen 
betreffend,  vom  25.  Juni  1865.  S.  544—547. 

Verzeichnis  der  an  österreichischen  Mittelschulen  allgemein  zulässigen 
Lehrbücher  und  Lehrmittel.  Erlass  des  k.  k.  Staatsministeriums, 
Abthlg.  f.  C.  u.  ü.,  vom  15.  Juli  1865,  Z.  5962.  S.  617-628. 


Stati  s  tik. 

Statistische  üebersicht  über  die  Österreichischen  Gymnasien  und  Real- 
Bcbulen  am  Schlüsse  des  Schuljahres  1864/65.  Heft  XII  der  Zeitschrift  für 
die  österreichischen  Gymnasien  1865. 


Personal-  und  Schulnotizen. 

(Mit  Einbesug  der  Personen-  and  Ortsnamen  in  den  Miscellen.; 

Abbene,  Comm.  475.  Abegg,  Dr.  J.  Fr.  H.  549.  Accurti,  Jos.  312. 
Adami,  Heinr.  793.  Aderholz,  Phil.  232.  Afzelius,  And.  Job.  233.  Ahn, 
Dr.  J.  Frz.  791.  Ahrens,  Dr.  H.  549.  692.  699.  765.  Aichner,  Dr.  Simon. 
548.  Albites.  235.  Algine,  Prof.  793.  Alleux,  Dr.  749.  Altcjlt.  234.  Alt- 
Bchul,  Dr.  Elias,  552.  Ambro2,  Joh.  228.  Araerling,  Frdr.  §29.  Ammann, 
Karl.  394.  Ampferer,  Jos.  520.  Ananian,  Dr.  Gregor.  631.  Andelew,  Frau. 
792.  Ander,  Alois.  231.  Andjeliö.  630.  Andräfsy,  Karl.  787.  Andriewicz, 
Constantin.  786.  Antinori,  Vicenzo.  552.  Arany,  Job.  229.  Ardigo,  Robert. 
780.  Arendt,  Dr.  792.  Arndts,  Dr.  Ludw.  548.  787.  Arncth,  Dr.  Alfr.  Rit- 
ter V.  549.  788.  Arnold,  Prof.  780.  Asher.  700.  Auer,  Dr.  Johann.  548. 
Auersperg,  Dr.  Ant.  Alex.  Graf  v.  549.  Aufrecht,  Ant.  232.  AnguHt  (Stu- 
gau).  472.  Auvert,  Dr.  Alex.  232.  Aytoun,  Wül.  Edm.  632.  Buch,  Frdr. 
792.  Baer,  Karl  Ernst  v.  472.  549.  Bagatti,  Pietro.  88.  Bageesen  v.  395. 
Baikie,  Dr.  W.  ßalfour.  230.  316.  Bain,  G.  A.  88.  Bakhuizen  van  den 
Brink,  Dr.  632.  Bank,  Heinr.  629.  Barack,  Dr.  Aug.  749.  750.  755.  Baroni, 
Sisinio.  86.  Barrande,  Dr.  Joachim.  545.  Bartal,  Georg.  790.  Barth,  Jos. 
474,  Bartsch,  J.  A.  793.  Bartsch,  Prof.  K.  749.  751.  752.  753.  755.  Bar- 
tuliö,  Ign.  86.  Barwinski,  Martin  Bitter  v.  394.  Bauer,  W.  775.  Baum, 
Dr.  Wilh.  549.  Baumert,  Dr.  Mor.  793.  Baumgartner,  Se.  Exe.  Andrea» 
Prhr.  V.  552.  Bayer,  Dr.  Hieron.  549.  Bayer,  Dr.  Joh.  Jac.  549.  Bayerl, 
Job.  628.  864.  Bazancourt,  Baron  v.  234.  Beckel,  Jos.  551.  Becker,  F.  G. 
552.  Becker,  Gottfr.  475.  Becker,  Prof.  J.  779.  Becker,  Hofr.  Th.  749. 
Beer,  Augustin.  630.  Beer,  Dr.  Jakob.  229.  Behagel,  Hofr.  759.  760.  761. 
762.  Bchr,  Dr.  Karl.  231.  Beldian,  Joan.  786.  Beneke,  Dir.  764.  Benger, 
Dr.  Mich.  548.  Benicky,  Emil.  230.  Bergk,  Dr.  Th.  696.  Bergmann,  Dr. 
Jos.  549.  Bergmann,  Dr.  K.  Georg.  395.  Bergmann,  Prof.  749.  Bemard,  Dr. 
Claude.  549.  Bemays,  Dr.  Ad.  232.  Berner,  Dr.  Alb.  Frdr.  549.  Bernhard, 
Kart.  876.  Bemhardy,  Dr.  G.  696.  Bernstein,  Dr.  H.  A.  792.  Bernt,  Dr.  Karl. 
787.  Bcrr,  Frz.  548.  Beugnot,  Graf  Arthur.  316.  Bidermann,  Dr.  Herm.  391. 
Bienert,  Vinc.  874.  Binder,  Dr.  Matthäus.  548.  Binzer,  Karl.  550.  Bippen,  Dr. 
Wilh.  V.  474.  Birk,  Dr.  Ernst.  549.  Bitta,  Jos.  312.  Bischof,  Dr.  Gustav. 
649.  Bischoff,  Dr.  Ferd.  629.  Blotnieck,  Jul.  632.  Bluntschli,  Dr.  J.  G.  549. 
Bock,  Dr.  Frz.  473.  Bock.  Wilh.  234.  Böckh,  Dr.  August.  549.  Böhm,  Jos. 


xm 

Daniel  79a    Bois-Reymond ,  Fei.  Henry  du.  315.    Bokränyi,  Dr.  Job.  86. 
Bolla,  ProBper.  547.   Bolza,  Dr.  Johann.  229.   Boniface,  Jos.  Xavier.  234. 
Bonnard,  Karl.  233.  Bonnaz,  Se.  Uochw.  Alex.  87.  Bonvicini,  Angelo.  228. 
Bopp.  700,    Borbis,  Job.  786.    Bosko»  Ludw.  786.    Bossange,  Martin.  794. 
Bossler,  Dr.  692.  ßotta,  Domenico.  396.  Bonillet  232.  Bozd^cb,  Franz.  23. 
BracbelU,  Dr.  Hugo  Frz.  392.   Brandes,  Dr.  Karl.  548.   Branik,  Job.  628. 
Brätranek,  Dr.  392.   BraumtiUer,  Wilb.  229.  789.    Braun,  Dr.  ötepb.  548. 
Br^bolles,   Dr.  Alfons  Huillard.  549.    Breitenbacb,  Ludw.  232.    Breither, 
Frz.  794.  Brencian.  Alex.  472.   Brenneke,  Dir.  769.   Brinz,  Dr.  Alois.  549. 
Brockbaus,  Frdr.  791.  Brockhaus,  Prof.  780.  Bromme,  Traug.  792.  Brücke, 
Dr.  Ernst.  313.  630.   Brünnitz.  790.   Bruns,  Dr.  Victor  v.  549.    Bücher, 
Aug.  Leop.  230.    Buckeisen,  Dr.  Frdr.  629.    Bücheier,  Dr.  Fr.  753.  754. 
Bülau,  Dr.  699.   Bürckholdt,  Frz.  790.  Buhl,  Dr.  329.  Bulnheim,  C.  0.  315. 
Bunsen,  Dr.  Robert.  549.  Bunsen,  Dr.  William  Rob.  549.  Bugat,  Dr.  Paul. 
552.  Burg,  Adam  Ritt.  v.  549.  789.  Burgstaller,  Dr.  Frz.  391.  Burian,  Dr. 
Hermann.  228.  Burian,  Dr.  H.  F.  787.  Bursian,  Prof.  777.  778.  779.  Bur- 
zynski,  Dr.  329.    (^adenhach,  Lyc.  Rect.  690.  700.  757.    Cadorin,  Ludo- 
vico.  229.  Canal,  Abate  Nobile  Pietro.  312.  Carlisle,  Fred.  Howard  J.  Earl 
V.  231.  Cameille.  793.  Carus,  Dr.  Gust.  Karl.  549.  Cassian,  Dr.  Heinr.  233. 
Castellani,  Forti  Pio.  232.  Cavalleri,  Maler.  792.  Ceccbini,  Dr.  Job.  B.  228. 
Cerioli,  Cavaliere  Dr.  Gasp.  792.    Cesar,  Jos.  86.    Cessner,  Dr.  Karl.  789. 
Charras,  J.  B.  Adolf.  234.    Cbarwat,  Frz.  629.    Cbelius,  Dr.  Max.  549. 
Chezy,  Wilb.  v.  315.    Cbladek,  Frz.  791.    Chmeliczek,  Johann.  471.  472. 
Christallnig,  Graf  Alfr.  230.  Christy,  Henry.  475.   Christie,  Samuel,  Hun- 
ter. 236.   Cle^hom,  Elise,  s.  Gaskell.    Cobden,  Rieh.  349.    Coglievina,  Dr. 
Frz.  788.  Colland,  Karl.  630.  Comenius  s.  Komensky.  Constantin,  Demetr. 
794.   Conze,  Prof.  776.  777.  778.    Ck)oke,  G.  Wingrowe.  476.    Court,  Jos.' 
Desirö.  234.  Crecelius,  Dr.  Wilb.  749.  Creizenach,  Prof.  Tb.  694.  699.  749. 
750.  751.  752.  754.  756.  757.  Crelinger,  Auguste.  394.  Crusenstolpe,  Mag- 
nus Jacob.  233.    Cselko,  Jos.  786.    Culloch  (M').  88.    Cuming.  Hugh.  6SS. 
Curtius,  Prof.  777.  Czarkowski,  Ant.  547.  Cyerlunczakiewicz,  Dr.  Jos.  548. 
Czermak.  Dr.  J.  313.   Czermak,  Prof.  Dr.  781.  782.    Cziruly,  Joseph.  233. 
Czoemig,  Karl  Freihr.  v.  788.    Dall*Arqaa  Giu^ti,  Ant  788.    DanieU, 
Dr.  W.  Fr.  631.  632.  Danko,  Dr.  Jos.  787.    Dante-Stiftung.  473.   Dastich, 
Jos.  788.  Decker,  Aug.  866.   Deimling,  Hauptmann.  694.  Deinhardt,  Prot 
82.  700.   DelJtiewicz,  Dr.  Jos.  228.   Demassio,  Fortunato.  786.   Demerghel, 
Em.  y.  395.   Denzinger,  Dr.  Heinr.  549.    Depas^,  Jos.  391.    Deshayes,  Dr. 
Paul.  549.    Deveria.  236.    Dias,  Dr.  Ant.  Gon^lv.  235.    Diemer.  Dr.  Jos. 
313.  391.  548.  Dietrich,  Dr.  Frz.  749.  751.  752.  Dietrich,  Udo  Waldemar. 
551.    Dietz,  Dr.  Frdr.  Christian.  549.    Dieudonn^,  Dr.  791.    Dithmar,  G. 
Tb.  749.  Dittel,  Dr.  Leop.  229.  548.  Divis,  Jos.  787.  Dlauky,  Dr.  Job.  787. 
Doli,  Dir.  79.  Döllinger,  Dr.  Job.  549.  Doergens.  700.  Donders,  Dr.  Com. 
549.  Dove,  Dr.  Heinr.  Wilb.  549.  Drach,  Paul  Louis.  232.  Dragoni,  Scbul- 
rath.  79.    Dubois-Reymond ,  Dr.  Emil.  549.   Dudik,  Se.  Hocbw.  Dr.  Beda 
Frz.  472.  473.  Düntzer,  Dr.  Heinr.  749.  753.   Düringer,  Dr.  Frz.  549.  Du- 
manoir,  Phil.  Fran^.  876.    Dunajewski,  Dr.  Julian.  313.    Duveyrier,  Bar. 
876.   Dwofaiek,  Dr.  Job.  229.  316.    Dvofäk,  Jos.  864.  868.    Dzierzkowski, 
Jos.  233.  Erkstein,  Beet.  Dr.  692.  693.  696.  698.  699.  703.  704.  757.  758. 
768.  770.  771.   Egger,  Dr.  Frz.  787.    Egger,  Jos.  629.  874.    Egger,  Prof. 
784.  785.  Eisenrieder.  86.  Eiserle,  Eugen.  234.  Emmert,  A.  749.  Eitelber- 
ger,  Dr.  Rud.  v.  472.  789.  Eltör,  Ant.  791.  Encke,  Dr.  J.  Frz.  791.  En^el, 
Sr.  Hochw.  P.  Wolfg.  235.    Engert,  Erasra.  788.    Engerth,  Eduard,  m 
Ernst,  Heinr.  Wilbehn.  794.    Essenwein,  Bauratb.  230.  629.   Euting.  780. 
Everett,  235.  Fä»I,  Dr.  Job.  Ulr.  474.  Falvay,  Job.  312.  Feiler,  Karl.  86. 
Ferguson,  Dr.  R  551.   Ferrari,  Job.  Petro.  630.   F^iis,  Dr.  Georg.  630. 
Peuermüller.  875.  Feyerfeil,  Dir.  782.  783.  784.  Ficker,  Dr.  Wolf.  84.  229. 
Picker.  Heinr.  85.  Ficker,  Prof.  783.  Ficker,  Reg.  Rath.  785.  Fickler,  Prof, 
C.  E.  A.  69a  700.  777.  779.  Filipuzzi,  Dr.  Franz.  228.  Fioroni,  Car.  Liiigl 
475.  Firsinger,  Jak.  395.  Fischer,  Karl.  316.  Fischer,  Kuno.  775.  Fit 
Rob.  395.  Pleckeiten,  Dr.  692.  FleißcheT.  Prof.  Job.  694.  695.  780.  Ple 


XIV 

majm,  Prof.  85,  781  (t.  Fliedl,  Johann.  781  Florentini,  P.  Theodor.  235. 
Ftoter,  Dr.  A.  315.  Forchhammer,  G.  700.  775.  Fomasari-Verco,  4n<br. 
Sdlir  ▼.  876.  Forst,  s.  Schall  Fowler,  John.  230.  Fox,  Frz.  87i.  Fränkel« 
SuisnL  232.  Franchini,  Alex.  N.  471.  Frank,  Leop.  629.  Frank,  M^or 
Bitter  ▼.  230.  Frankl,  Dr.  Lndw.  Aug.  229.  473.  789.  Franqu^,  Dr.  J.  B.  v. 
23a  Frei,  Jos.  475.  Frerichs,  Dr.  Theod.  549.  Freudenberg,  JProf.  779.  Frey, 
Joh.  793.  Fridrich,  Sr.  Hochw.  Frz.  236.  Friedländer,  Prot  777.  779.  Eried- 
lein,  Dr.  775.  Fritzscbe.  Prof.  692.  693.  704.  Froment.  Gust  236.  Frost, 
St.  Hochw.  Wzl.  47a  Puchshofer,  Joh.  874.  Fnlda.  775.  Furrer,  P.  476. 
daadon.  88.  Gaskell,  Elisabeth  Cleghom.  876.  Gasser,  P.  Johannes.  876. 
GannOTdorfer.  312.  Geiger,  Peter  Job.  229.  Gerhard,  Dr.  Ed.  549.  Ger- 
havd,  Joh.  B.  692.  693.  775.  776.  Gerhard,  Dr.  0.  749.  Gerold,  Frdr.  789. 
Gejling,  Jos.  229.  Gildemeister,  Prof.  780.  GilliX^,  J.  M.  314.  Gleich, 
08&  86.  Glembek,  Augnst  629.  Gnesotto,  Ferd.  786.  Gödel-Lannoy,  Rad. 
478.  Göwber.  Dr.  875.  Göttl,  Wenzel  231.  Göttweig,  Hochw.  Abt  v.  313. 
Gi^  Beet  761.  Götz,  Bemig.  629.  Goldbacber,  Alois.  312.  Golebiowski, 
Ed.  874.  Gosche,  Prof.  780.  Gottmann,  Andr.  y.  551.  Gräfe,  Dr.  Ernst.  549. 
Gratiolet  236.  Greistorfer,  Karl  874.  Grefsly,  Armand.  394.  Griesinger, . 
Dr.  Wilh.  549.  Grillparzer,  Dr.  Franz.  549.  788.  Grimburg,  Rud.  Bitter 
y.  812.  Grinitz,  Dr.  Hans  Bruno.  549.  Groben,  Franz.  314.  Groisz,  Gust 
472.  Grotefend,  Dr.  692.  778.  Grün,  Dr.  Anast  548.  549.  Grün,  Prof.  85. 
781.  785.  Gürtner,  Dr.  Karl  549.  Guillery,  Frln.  Anna  Justine.  231. 
Gonesch,  Dr.  Wilhelm.  875.  Gumey,  Hudson.  88.  Gyurits,  Anton.  228. 
Hiibcrl,  Jos.  629.  Hackmann,  Nikol  391.  Hädy,  Wilh.  314.  Hansel.  Wilh. 
790.  Hagen,  Dr.  701.  702.  704.  Hagenow,  Dr.  Frdr.  y.  794.  Haidinger, 
Dr.  Wilh.  Bitter  y.  229.  789.  Haimberger,  Ant  Frhr.  y.  632.  Haimerl, 
Dr.  Franz  X.  229.  786.  Hajnik,  Dr.  Emer.  y.  228.  874.  Hainz,  Matth.  312. 
Halibnrton,  Dr.  Th.  Chandler.  791.  Haller  y.  Hilib,  Karl.  472.  Halm,  Dr. 
692.  69a  696.  Halmschlag,  Joh.  785.  HaWany,  P.  Joh.  232.  Hamilton, 
Will  Bowan.  792.  Haneberg,  Dr.  Daniel  549.  Hanisch,  G.  Frdr.  791. 
Hankiewicz,  Hilar  Bitter  y.  472.  Hartig,  Sr.  Exe  Beichsgr.  Frz.  de  Paula. 
388.  Haussen,  Dr.  Georg.  549.  Hasert,  2>r.  Prof.  232.  Hasner,  Bitter  y. 
Aftha,  Dr.  Leop.  629.  Bassler,  Dr.  692.  767.  768.  Hatoffenns,  J.  792. 
Haner,  Dr.  Frz.  Kitter  y.  549.  Hauer,  Jul  Bitter  y.  630.  muff,  Dr.  Herrn. 

790.  Hauler,  Dr.  82.  Haupt.  Dr.  G.  395.  Haupt,  Dr.  Moriz.  549.  Hauser, 
Dr.  Jos.  476.  Hechelein,  Karl  62a  Hefele,  Dr.  Karl  y.  549.  Hegenborg, 
Joh.  792.  Heger,  Dr.  Ign.  391.  Hegewisch,  Frz.  Herrn.  475.  Herr,  Dr.  Os- 
wald.  549  Herz,  Frz.  396.  Hesse,  Dr.  Andreas.  391.  Hcfsler,  Dr.  Ferd. 
794.  Heidel,  Herrn.  793.  Heidelolff,  Karl  v.  793.  Heider,  Dr.  Q.  472.  Hejja, 
Andreas.  628.  Heim.  875.  Heinel,  Dr.  Ed.  236.  Heinrich,  Se.  kais.  Hob. 
Erzherz.  313.  Heinz,  Beruh.  228.  Heinz.  787.  Hcinzl,  Dr.  Bich.  874.  Hej- 
rowsky,  Job.  474.  Heibig,  Jos.  473.  Helbling  Ritter  y.  Hirzenfeld,  Johann. 
794.  Helferich,  J.  K.  Chr.  233.  Helfert,  Se.  Exe.  Jos.  Alex.  Frhr.  v.  875. 
Helmholtz,  Dr.  Herm.  549.  550.  Henle.  Dr.  Gust  Jak.  549.  Herbich,  Dr. 
793.  Herbst,  Dr.  Eduard.  789.  Hering,  Dr.  Ew.  630.  Hermann,  Sr.  Hochw. 
Heinr.  234.  Herring,  J.  Fr.  793.  Hettinger,  Dr.  Frz.  549.  Heyder,  Dr.  Ed. 

791.  Hildebrandt,  Herrn.  231.  Hildebrand,  Dr.  Bud.  749.  757.  Hildenstob, 
Frz.  786.  Hille^  Sr.  Hochw.  Bisch.  Augustin  Barth.  395.  Hingenau,  Dr. 
0.  Frhr.  y.  789.  Hinrichs,  Prof.  394.  Hirsch,  Phil.  793.  Hi^rsdher,  Dr.  J. 
B.  y.  772.  Hitzig,  Prof.  780.  Hlasiwetz,  Dr.  Heinr.  229.  Hlawatschek,  Frz. 
629.  Hlayaty,  Job.  236.  Hloch,  Job.  629.  Hochstettör,  Dr.  Ferd.  Bitter  y. 
472.  Hörnes,  Dr.  Moriz.  472.  HolSer,  Herm.  81.  82.  Hofmann,  Dr.  Aug. 
Wilh.  549.  Hofmann,  Jos.  628.  Hofihiann  y.  Fallersieben.  696.  698.  7^. 
Hoffmann,  Dr.  Paul  788.  Holland,  Dr.  W.  L.  779.  j^IoUbunmer,  Di,  Job. 
548.  Holtzendorff,  Dr.  Fr.  y.  549.   Holtzmann,  Prof.  A.  749.  757.   Holti- 

_        _  _  ,5.0. 


an,  Karl  y.  395.   Holnb,  Frz.  471.  Homeyer,  Dr.  C.  0.  549.  Homoky, 

Emerich.  789.  Hooker,  W.  Jackson.  790.  Honrati^  Cherubin.  547.  Hoesiu 

y.  D66z8i,  Ladisl  478.  Huber,  Sr.  Hochw.  Martin.  232.  Huber,  Dr.  Victor 

Aini^.  549.  Hudec,  Hubert  790.  791.  Hudtwalker,  Dr.  790.   Hübner,  Fi«. 

AK  MOÜner,  QoM  Frdr.  790.   Hunphrys,   William.  234.   Huiter-Am- 


xr 

Frdr.  v.  791.  Hurtalg,  Georg.  794.  Hyrtl,  Dr.  Joseph.  548.  789. 
Iherling,  Dr.  Bad.  549.  Ihne.  700.  Incledon,  Charles  y.  551.  Isopescnl, 
Demeter.  547.  Istvänfff,  Paul  Ritter  t.  472.  Italiano,  Peter.  630.  JacobI, 
Dr.  876.  Jäger,  Dr.  Albert  550.  788.  Jäger,  Dir.  760.  761.  762.  764. 
Jakosch,  Chnstoph.  549.  Jan,  Rect.  v.  701.  704.  Janikowski,  Dr.  230.  231. 
Januszewski.  TheophiL  316.  Jarocki  auf  Jaroczyn,  Dr.  Felix  Paul.  894. 
Jechl,  Dr.  Frz.  396.  Jelinek,  Dr.  392.  Jonak,  Dr.  Eberh.  788.  Josephi, 
Jos.  876.  Jdsika,  Bar.  Nikolaus.  314.  Jftlg,  Prof.  690.  Julius,  Karl  682. 
Junghans,  Dr.  W.  234.  Jurkovii,  Johann.  312.  Jurkowski,  Dr.  Ludwig 
Bitter  y.  313.  Jurmann,  Georg.  547.  Justi,  Dr.  697.  698.  Kalil,  Uhald.  86. 
Kaiser,  Dr.  Joh.  Nep.  315.  Kaiser,  Paul.  475.  Kayser.  700.  Kanitz,  F.  478. 
Kanka,  Dr.  J.  N.  394.  395.  Kaplan,  Alois.  629.  Karajan,  Theod.  v.  788. 
Kaiell,  Armand  Gust  786.  Karl  Ludwig,  Se.  k.  Hoheit  Erzherz.  313.  392. 
Karmarsch,  K  473.  Kasangia,  Abb^.  552.  Kaschl,  Franz.  785.  Keller,  Dr. 
A.  ▼.  696.  749.  756.  Keller,  Mich.  394.  Kellner,  Dr.  Andreas  Ed.  551. 
Kerekjarto,  Joh.  628.  Kersten,  Peter.  232.  Kessels,  Heinr.  792.  Khlojber, 
Leopi  229.  Kickh,  Dr.  Clem.  787.  Kicki,  Jos.  548.  Kiesewetter,  Maler.  782. 
Kiesewetter,  Wilh.  791.  Kirchhoiff,  Dr.  Gust.  Bob.  549.  692.  Ki/s.  Aug.  3ia 
KiBser,  Dr.  Jos.  787.  Klapsia,  Gust.  Heinr.  793.  Klebelsberg,  Joh.  y.  549. 
Kleckner,  Dr.  AI  86.  Kleibl,  Prof.  81.  84.  Klein,  Georg  Theodor.  314. 
Klein,  Thomas.  874.  Klemeniö,  Dr.  KarL  472.  Klinger,  Dr.  Franz.  22a 
Klinamann,  Dr.  476.  Klöber,  Prof.  August  v.  232.  Klob,  Dr.  JuL  472. 
Knies,  Dr.  692.  Knittl,  Franz.  391.  Koch,  Ant.  786.  Koch,  Dr.  J.  B.  y. 
629.  Koczihski,  Dr.  Mich.  788.  Kodriö,  Andr.  874.  Kekjhly,  Prof  Dr.  690. 
691.  693.  694.  696.  698.  699.  762.  763.  770.  771.  773.  Köhler,  Dr.  Beinh. 
749.  KöUiken,  Dr.  Alb.  349.  Kokeil,  Frdr.  316.  Kolb,  Dr.  GustaY.  315. 
Kolb,  Dr.  Julius.  313.  Kolbenheyer,  Karl.  786.  Kolar2,  Frz.  235.  Koma- 
romy,  Dr.  Ed.  548.  Komensk^.  Joh.  Amos.  631.  Kompert,  Dr.  Leop.  789. 
Ko&yalina,  Leop.  547.  Kopetzky,  Dir.  Dr.  82.  83.  85.  Kopetzkv,  Dr.  K. 
Libor.  630.  Kopp.  Dr.  Herrn.  549.  Kopp,  Dr.  Jos.  Eutychius.  549.  Kordos, 
Gust  786.  Kofutka,  Dr.  Karl.  230.  472.  549.  Körody,  Steph.  787.  Kosmi^ki, 
Alex.  628.  Ko8sow-Gerronay,Alb.787.  Kostiö,  Jos.  547.  Koziol,  Heinr.  547.  Kral, 
Schulrath.  82.  Kramer,  Prof.  Dr.  696.  Kraska,  Jos  629.  Krausmann,  692. 
Krautschneider,  Dr.  Jos.  Perd.  629.  Kratz,  Prof.  701.  Kreling,  A.  473. 
Krieg,  Kanzleirath.  316.  Kriehuber,  Joh.  788.  Krones,  Dr.  Franz.  86.  87. 
238.  jfcruschitz,  Joh.  786.  Krzeczunowicz,  Ign.  230.  Kubiöek,  Franz  Jaros- 
lav.  236.  Kucmiski,  Dr.  392.  Kukula,  Wilh.  471.  Kuku^eyia  y.  Sokciisld, 
Joh.  229.  Ku&anek,  Vinc.  88.  Kulmer,  Sr.  Hochw.  Ant.  Günther  Frhr. 
Y.  475.  Kummer.  82.  Kunzek  Edler  von  Lichton,  Dr.  Aug.  316.  Kupffer, 
Dr.  Ad.  Ed.  549.  Kupffer.  Ad.  Theod.  475.  Kupida,  Frz.  630.  Kurz,  E.  609. 
La  Combe,  Louifi.  232.  Ladom^n^,  Victor.  548.  Lämmer,  Dr.  Hugo. 
549.  Lagrange,  791.  Lamorici^re,  Cfbr.  L.  L.  Juchault  de  792.  Landau, 
Dr.  Georg.  236.  Lang,  Dr.  Donat  Aug.  391.  392.  Lang,  Dr.  Vict  y.  629. 
Langenbeck,  Dr.  Bud.  B.  549.  Langsdorff,  Prof.  693.  699.  757.  758.  759. 
760.  761.  762.  763.  764.  765.  767.  768.  769.  770.  711,  Laufberger,  P.  393. 
394.  Launitz,  Prot  y.  d.696.  697.  771—773.  779.  Lawrowski,  Marceil.  874. 
Lftiar,  Matth.  39L  Le  Clerc,  J.  Victor.  876.  Lechner,  Jos.  632.  Lefeyre, 
Addlle.  88.  Lehmann,  Bud.  235.  Lehr,  Paul.  794.  Leinweber,  Adolf.  629. 
Lwtch  Ritchie.  235.  Lemcke,  Prof.  Dr.  749.  Lengerich,  Heinrich.  794, 
Lenz,  Prof.  235.  Leo,  Dr.  Heinr.  757.  Lerch,  Joh.  Alex.  787.  Leutsch,  Hofr. 
Y.  700.  701.  Lewis,  Lady  Theresia.  876.  Libert,  Frln.  Maria  Anna.  23a 
Lies,  Joe.  234.  Liebig,  Dr.  Just  Frhr.  v.  54a  Liebrecht,  Prof.  Felix.  696. 
749.  Lieyen,  I^.  701.  Lilie,  Dr.  Frdr.  Wilh.  794.  Lincoln,  Abraham.  395. 
Lindenschmidt.  Dir.  779.  Lindnör,  Q.  695.  Lindner,  Dr.  Frdr.  Wilh.  88. 
Lianenann,  Ed.  788.  Linzbauer.  Ed.  315.  Lippich,  Ferd.  629.  Liptay,  Sr. 
Hoehw.  282.  Lissoni,  Major.  475.  Luithlen,  T^of.  781.  Löbenstem,  J.  D. 
79g.  Loehle,  S.  700.  757.  Loos,  Jos.  628.  Lorenzoni,  Julius.  547.  Lubbock, 
Jühn  Williaro.  561.  Luck,  Wilh.  Bitter  y.  814.  Ludwig  Joseph,  Sr.  k. 
Bahdt  Eriken.  281.  Lndidg,  Dr.  Karl  549.  Ludwig,  Otto.  236.  Lübbed. 
Dr.  Aug.  696.  84a  75a  LlJbeck,  Joh.  Heinr.  285.  814.  M\)Ve,Ih.^\V\i.4'ft, 


XVI 

Lnkesch,  Flor.  396.  Lunibe,  Dr.  Jos.  789.  Luzatto,  S.  D.  793.  Lyell,Dr* 
Karl.  549.  Macher,  Dr.  Andr.  229.  Mädler,  Dr.  Job.  Heinr.  549.  Mäht, 
Fidel.  312.  Maler,  Dr.  Jos.  875.  Maistrello,  Barthol.  630.  MaJecki,  Dr. 
Anton.  228.  652.  Malgaigne,  Prof.  794.  Mali,  Jean  Cornelius.  234.  Mali- 
nowski,  Dr.  Ludw.  313.  Malinowski,  Nik.  632.  Malipiero,  Dr.  Leop.  786. 
Mallet,  Frdr.  Ludw.  396.  Malmström,  Bemh.  Elias.  551.  Malpaga,  Prof. 
552.  Mannhardt,  Dr.  Wilhelm.  749.  750.  Mannheimer,  Isvak  Noa.  315. 
Marcean,  Alex.  791.  Maresch,  Johann.  473.  Maria  Antonia,  kais.  Höh.  631. 
Markiö,  Sr.  Hochw.  Georg.  229.  Maschka,  Dr.  Jos.  788.  Masius,  Ernst 
Alb.  476.  Matic.  630.  Mathieu  de  la  Drome.  315.  Matusik,  J.  N.  787. 
Maurer,  Dr.  Georg  Ludw.  v.  549.  Maurokordatos ,  Alex.  790.  Mayer,  Dr. 
392.  Mayer,  Dominik.  471.  Mayer,  Dr.  F.  J.  K.  876.  Mayer,  P.  Matthias. 
231.  Maver,  Dr.  Rud.  632.  M*  CuUoch.  88.  Megerle,  Therese  v.  551.  Mehr- 
lein, Geh.  R.  V.  232.  MeUler,  Andr.  Edler  v.  472.  549.  Meister,  Prof.  81. 
Melesville,  876.  Menin,  Abbate  Ludw.  548.  Menzel.  Dr.  Rud.  749.  Meran, 
Franz  Graf  v.  230.  Merian,  Dr.  Peter.  549.  Mertens,  Dr.  Frz.  K.  788. 
Mesek,  Jos.  547.  Messedaglia,  Dr.  Angelo.  471.  Meszäros,  Ferdinand.  628. 
Metzger,  J.  C.  233.  Meulenbergh,  D.  F.  J.  235.  Meyer,  Dr.  Joach.  234. 
Meyer,  Dr.  Lamb.  632.  Meynert,  Dr.  Theod.  788.  Meza,  Christ.  JuL  de. 
792.  793.  Mich,  Jos.  312.  Michalics,  Michael.  548.  Michl,  Dr.  Adalb.  629. 
Mielichhofer,  C.  395.  Migliarini.  M.  Ang.  793.  Miholek,  Stephan.  313, 
Miklosich,  Dr.  Frz.  X.  787.  Milbeck,  Dr.  Karl.  630.  Militzer,  Dr.  Herm.  472 
Mitscherlich,  Dr.  Karl  Gust.  549.  Mitteldorpf,  Dr.  Albin  Y.  549.  Mitter- 
mayer,  Dr.  C.  J.  A.  549.  Mocquard,  Constant.  231.  Moddl,  Elise.  793. 
Mohl,  Dr.  Robert  v.  549.  Mommsen,  Dir.  Tycho.  765.  769.  773.  Momy, 
Ch.  Aug.  L.  Jos.  Herzog  v.  315.  Morsolin,  Bemardo.  228.  Mosenthal,  Dr. 
S.  H.  87.  Mräz,  Frz.  628.  Mrazek.  Wzl.  630.  Mühlau,  Dr.  780.  Mühl- 
mann, Jos.  875.  Müller.  690.  875.  Müller,  Dr.  Alb.  692.  701.  704. 
Müller,  Dr.  Andreas.  233.  Müller,  Dr.  Ernst.  471.  Müller,  Dr.  Franz.  472. 
Müller,  Dr.  J.  H.  473.  Müller,  Prof.  Wüh.  749.  Müller,  Rechn.  Rth.  791. 
Muhr.  235.  Murchison,  Dr.  Roderich.  549.  Mussafia,  Ad.  630.  690.  696. 
749.  Muzzi  V.  Prato,  Luigi.  315.  Napp,  Sr.  Hochw.  Cyrill  Franz.  473. 
Narbutt,  Theod.  88.  Naumann,  Dr.  Karl  Heinr.  549.  Nautevil-Leboeuf, 
Charles.  875.  Na?e,  J.  393.  Nawratil,  Jos.  395.  Neff,  Lehramtepract.  749. 
Neilreich,  Dr.  August.  549.  Neilson,  J.  B.  235.  Nejebse,  Wenzel.  395. 
Nejedli,  Dr.  J.  J.  865.  866.  N6meth,  Alex.  v.  235.  Neubauer,  Jos.  475. 
Neuhauser,  Franz.  86.  Neumann,  Alois.  471.  Neumann,  Dr.  Franz.  312. 
Neamann,  Frdr.  315.  Neumann,  Dr.  K.  Aug.  229.  Neumanu,  Ludw.  Gott- 
fried. 552.  Neupauer,  Dr.  Ferd.  Ritter  v.  552.  Nicolai.  775.  Nicolai  de 
St.  Aubin,  Andreas,  s.  Bernhard.  Niebour,  F.  315.  316.  Niedner,  Dr.  Christ. 
Wilh.  632.  Nokoliö.  630.  Nossek,  Dr.  Max.  552.  Novotn^,  Ftsluz.  547. 
Nowotny,  Frz.  X.  316.  Nusch,  A.  749.  Oberin«*ir,  EmUie.  876.  Oblak, 
Joachim.  315.  Olisar,  Graf  Gust.  232.  Ollendorf.  394.  Oncken,  Dr.  692. 
699.  700.  Oppolzer,  Dr.  Job.  229.  630.  Osadca,  Dr.  Mich.  394.  Oskard. 
Andreas.  228.  Pabst,  Prof.  Dr.  749.  Palmerston,  Viscount.  794.  Palzer, 
Karl.  787.  Pander,  Christ.  793.  Pantke,  Theod.  312.  Pareto,  Lorenzo.  476. 
Passalacqua.  396.  Pasch,  Conr.  608.  609.  Pasta,  Giuditta.  394.  Pawlowski. 
Dr.  Alex.  Ritter  v.  228.  392.  Paxton,  Joseph.  475.  Pebel,  Dr.  Leop.  228. 
Peerlkamp,  Peter  Hofman.  394.  Pellegrinetli ,  P.  Dr.  Hyacinth.  550. 
Perrot-Gentil.  396.  Pertz,  Dr.  Georg  Heinr.  549.  Peter,  Dr.  758.  763.  764. 
Peterffy,  Jos.  87.  Petheö,  Damian.  313.  Petreanu,  Dr.  Georg.  790.  Petten- 
kofer,  Dr.  Max.  549.  Petters,  Ign.  690.  696.  749.  Peuly,  Charles  Desire 
du.  875.  Peyscha,  Job.  394.  Pfeiffer,  Dr.  Frz.  471.  690.  749.  756.  Pfeiffer, 
Heinr.  790.  Phillimore,  John  George.  475.  Philippens,  Wilh.  Jos.  Const. 
632.  Piatkowski,  Dr.  Frz.  Ser.  235.  Piccoli,  Karl.  547.  Pichler,  C.  236. 
Pick,  Prof.  Dr.  81.  781.  Picot-Mallet,  Prof.  232.  Piderit,  Dr.  763.  765. 
769.  773.  Pilat,  Jos.  Ant.  Edler  v.  396.  Piotrowski,  Dr.  392.  Piper,  Prof. 
758.  763.  766.  767.  770.  779.  Pirogoff,  Dr.  Nikol.  549.  Planck,  Prof.  701. 
704.  761.  Planer,  Joe.  472.  Platz,  Hofr.  700.  701.  703.  704.  Pleterschnik, 
Mm.  547.  628.    Pöter,   P.  Anton.  234.  236.    PoiAl,  J.  N.  Prhr.  v.  790. 


XVÜ 

Pokorny,  Dir.  783—784-  Pokorny,  Prof.  Dr.  84.  85.  Polidori,  Pll.  Luitfl. 
794.  Pollak,  A.  M.  790.  Pongraii,  Dr.  Jak.  228.  Popel,  Dr.  Matth.  814. 
Popiel,  Clementine.  394.  Popp,  Ernst.  391.  Porszasz,  Jos.  228.  Proksch, 
Job.  231.  Proudhon,  Pierre  Joseph.  238.  Puff,  Dr.  Rud.  Gust,  476.  Purf- 
italler,  Dt.  Joseph.  550.  Porkinve,  Dr.  Joh.  549.  Riidelic,  Johann.  874. 
Badisid,  Sr.  Hochw.  Spiridion.  229.  Rätxsch,  Heinr.  235.  Bafialt,  J.  792. 
Rahl,  Karl.  552.  Bais,  Dr.  Joh.  548.  Barn,  Dr.  475.  Bamsay,  William.  236. 
Bau,  Dr.  K,  H.  549,  Banmer,  Dr.  Karl  v.  475.  Baumer,  Dr.  L.  G.  v.  560. 
Bebecque,  Const.  de.  232.  Bebhann,  Georg.  86.  Bebitsoh,  Elias.  238.  Bech- 
berger,  Sr.  Hochw.  Augustin.  231.  Behdantz,  Prof.  764.  765.  771.  Beichel, 
Jos.  547.  Beichel,  Bud.  547.  Beichert,  Dr.  Karl.  549.  Bein,  Dr.  395.  778. 
Beiner,  J.  392.  Beinisch,  Dr.  S.  392.  54a  Beinke,  Dr.  Lorenz.  549.  Bein- 
warth,  Anton.  228.  Beisinger,  Dr.  Joh.  229.  Beitlechner,  Dr.  Karl.  874. 
Relaton,  Dr.  August  549.  Bemak,  Dr.  Bob.  791.  Beslhuber,  Sr.  Hochw. 
Augustin.  548.  549.  Beufs,  Dr.  August.  550.  788.  Bichardson,  John.  476. 
Bioholls,  Sir  George.  316.    Bichter,  Franz.  228.    Bidolfi,  Marchese  CoaiiiM). 

314.  Biedler,  Ludw.  681.  Bieger,  Dr.  Max.  749.  754.  755.  757.  Biese,  Ale«. 
7a).  702.  703.  704.  Bimely,  Dr.  Karl  v.  549.  Bitter,  Dr.  Heinrich.  550. 
Bivas,  Herzog  V.  551.  Boberti,  Pierre  Albert.  231.  Boberts,  David.  88. 
Bodler,  Inst.  Vorst  84.  Bömer,  Dr.  Perd.  550.  Bosner,  Karl.  789.  Böfsler, 
Dr.  Ed.  874.  Bohn,  Sr.  Hochw.  P.  Frz.  474.  Boishamer,  P.  Konrad.  875. 
Bokitansky,  Dr.  KarL  392.  Bomani,  Feiice.  234.  Bomberg,  Cypriano.  794. 
Bomberg,  Dr.  M.  H.  549.  Böse,  Dr.  Aug.  550.  Bosenegger,  Sebast.  286. 
Bossi,  Aug.  476.  Bossi,  Dr.  Joh.  Bapt.  y.  549.  Boszai,  Emil  312.  Both, 
Ernst.  793.  Both,  Dr.  Franz.  749.  780.  Botter,  Dr.  Bich.  391.  Bottmann, 
JuL  396.  BoÄek,  Joh.  Alex.  471.  Budigier,  Sr.  Hochw.  Jos.  550.  Büdig«r, 
Dr.  Ludwig.  475.  775.  Buete,  Dr.  Theod.  Christ.  548.  Bumpf,  Dr.  Jakob. 
628.  Buth,  Dr.  749.  Saek<!ii,  Dr.  Ed.  Frhr.  y.  789.  Saintine,  X.  s.  Boni- 
faoe.    Salin,  Lorenzo.  228.    Saudhaas,  Dr.  Georg.  86.  87.    Sattler,  Dr.  Ed. 

315.  Scarpa,  Pietro.  228.  Scanzoni,  Dr.  Frdr.  v.  549.  Scanzoni,  Prof.  229. 
Seiborski,  Joh.  Gabr.  234.  ScitovMv,  Se.  Eminenz  Johann.  473.  Schalck, 
Ernst.  791.  Schäfer,  Prof.  765.  Schafgotsch,  Franz  GoUh.  Graf  v.  282. 
Schau  V.  Falkenhorst,  Jos.  876.  Schaller,  Gustav.  550.  Schaller,  L,  395. 
Schallhof,  Ferd.  874  Schaub,  Dr.  Franz.  629.  Scheffel,  Dr.  J.  V.  749.  752. 
Scheffler.  V.  694.  Scheler,  Ad.  396.  Scheler,  Dr.  Sigm.  790.  Schell,  Dr. 
Franz.  792.  Scheller,  Moriz.  550.  Scherer,  Dr.  Martin.  789.  791.  Scherer, 
Dr.  Johann.  700.  749.  Schcrzel,  Alois.  628.  Scherzer,  Karl  Bitter  v.  548. 
Schierer,  Franz.  236.  Schilder,  Franz.  875.  Schiller,  Prof.  757.  Schilling, 
Dr.  Frdr.  Adolf.  234.  Schimmer,  Gustav.  228.  Schlager,  Dr.  Ludwig.  2*. 
Schlivian,  Dr.  Karl.  395.  Schmalfoffe,  A.  551.  Schmidt,  Frdr.  313.  ^80. 
Schmidt,  Jos.  394.  Schmidt-Szöreny.  791.  Schmidt,  J.  H.  G.  476.  Schmitt, 
Frdr.  v.  394.  Schmied,  Frz.  472.  Schmirger,  Joh.  629.  Schmued,  Prof.  81. 
Schnitzer,  Prof.  Dr.  749.  Schnitzler,  Dr.  Joh.  312.  Schocher,  Andr.  396. 
Schögler,  Mich.  474.  475.  Schömer,  Sr.  Hochw.  P.  WiUibald  234.  Schom- 
burgk,  Bob.  Herm.  315.  Schopf,  Alois.  784.  Schott,  Dr.  Heinrich.  314. 
Schotter,  J.  P.  793.  Schrader,  P.  Dr.  Clem.  550.  Schramm,  Dr.  Johann 
Heinr.  314,  Schreck,  Dr.  Adam.  548.  Schreiber,  Dr.  Egyd.  86.  Schreiner, 
Paul.  547.  Schröer,  Dir.  81.  85.  Schröter,  Dr.  A.  W.  790.  Schrötter,  Dr. 
Ant.  550,  789.  Schuh,  Prof.  229.  Schuller.  Joh.  Karl.  396.  Schulz,  Emilian. 
548.  Schwanda,  Dr.  Matth.  788.  Schwarz,  Ant.  228.  Schwarz,  Dr.  H.  629. 
Schwarze,  Dr.  Frdr.  Oscar.  540.  Schwerdfeger,  Engelbert,  Hochw.  Abt, 
8.  Göttweig.  Schweers,  Dr.  396.  Sedlaczek,  Joh.  396.  Sembera,  AI.  v.  392. 
Semmelweifs,  Dr.  Ign.  632.  Ser^nyi,  AI.  Graf  v.  433.  Setzer,  Dr.  Fr.  548. 
Seyfried,  Ferdinand  Bitter  v.  794.  Seyrock,  Joh.  228.  Sieber,  Ludw.  749. 
Siebold,  Dr.  Karl  Theod.  v.  472.  Sigoumey,  Mrs.  Lydia  Huntley.  551. 
Süberstein,  Dr.  August.  630.  Simrok,  Prof.  Karl.  749.  Sincich,  Joh.  789. 
Smolcr,  Frz.  X,  315.  Smyth,  W.  H.  793.  Soldan,  Karl  88.  Sonndorfer, 
Prof.  Bud.  85.  86.  784.  Sosnowski,  Dr.  392.  Sostmann,  Frau  Wilhelmine. 
230.  Southey,  Dr.  476.  Späth,  Dr  Joa^h.  787.  Sparmann,  K.  Chr.  231. 
Spengel,  Prof.  77a    Sperka,  Pranj.  88.   Spitaler,  Fraiu.  787.   ^U\>e\\,  P. 


xvm 

TheocL  876.  Stadler,  Sr.  Hochw.  Franz.  551.  Stägemarn,  Vict.  Aug.  ▼.  315. 
Stähelin,  Prof.  780.  Stalin,  Christ,  v.  550.  Stange,  Advoc  232.  Stanzl. 
Adolf.  550.  Stark,  Prof.  Dr.  690.  692.  694  699.  700.  768.  773.  776. 
Stefan,  Jos.  472.  Stefano,  Gabriel  de.  876.  Steiner,  Privatdoc.  780.  Steiner, 
Victor.  785.  Steinmeyer,  Dr.  704.  Steintbal,  Prof.  Dr.  749.  750.  780.  Stel- 
lig, Sr.  Hochw.  Ign.  Alph.  236.  Stephan,  Sr.  kais.  Hob.  Erzhrz.  472.  Stif- 
ter, Adalb.  875.  Stix,  Edmund.  391.  Stokar  v.  Neuforn,  Kari.  395.  Stolz, 
Dr.  Alban.  549.  Stoy,  Prof.  Dr.  761.  769.  Strafser,  Alois.  631.  Streber. 
Dr.  Franz.  88.  Streffleur,  Valent.  312.  Streller,  Heinr.  875.  Stronski,  Frz. 
Ritter  v.  394.  Strofsmayer,  Se.  Excell.  550.  780.  fetruwe,  Fr.  G.  W.  88. 
Stuart-Mill,  Dr.  John.  549.  Stubenrauch,  Dr.  Moritz  Edler  v.  792.  Stüler, 
Dr.  Frdr.  315.  Stürenberg,  Dr.  552.  Stülz,  Dr.  Jodok.  548.  Stugau,  Kari. 
472.  Stummer,  Dr.  Arnold.  548.  Stummer,  Jos.  630.  Sturm,  Dr.  Johann 
Wilh.  233.  Suchecki,  Heinr.  629.  Suniö,  Ant.  548.  Sunstenau  v.  Schutzen- 
thal,  Heinr.  Frhr.  v.  793.  Susil,  Dr.  Frz.  86.  548.  Svillovich,  Lucas.  628. 
Swoboda,  Kari.  391.  Szlavik,  Karl.  228.  Ta^inanii,  Dr.  232.  Tallandini. 
Leander.  786.  Tamäsi,  Dionys.  31 4.  Teliga,  Dr.  392.  Temple,  Henry  John, 
s.  Palmerston.  Tersch,  Dr.  Ed.  549.  Teuffei,  Prof.  701.  703.  704.  Terier. 
Victor.  235.  Theimann,  Assist.  84.  Thiel,  Dr.  Andr.  549.  Thielen,  Max 
Ritter  v.  316.  Thöl,  Dr.  Heinr.  549.  Thomsen.  Christian- Jürgensen.  474. 
Thurwieser,  Sr.  Hochw.  P.  Karl.  234.  Timoni,  Franz  v.  876.  Tkaleö,  Dr. 
Franz.  474.  Tomaschek,  Dr.  Kari.  471.  Topler,  Alex.  547.  Torkos,  Alex. 
551.  Torkos,  Steph.  235.  Tomau,  Gust.  v.  231.  Tositti,  Job.  874.  Töth, 
Dr.  Job.  Nep.  234.  Traglauer,  8r.  Hochw.  Job.  474.  Travnicsek,  Hubert. 
471.  Trebuchet,  Dr.  Ad.  793.  794.  Trevisan,  Frz.  786.  Trollope.  Theodo- 
8ia.  396.  Trop,  Franz.  476.  Troyon,  C.  316.  Trumauer.  Fridolin.  315. 
Trumpp,  Dir.  780.  Tschnetzoff.  793.  Tunner,  Peter  Ritter  v.  86.  Tuzina, 
Johann.  609.  Uchaliiis,  Frz.  Ritter  v.  472.  ügolino,  Filippo.  233.  ühl, 
Frdr.  313.  Uhlmann,  Wilh.  86.  Ulbrich,  Dr.  H.  750.  ÜUmann,  Dr.  Karl. 
233.  Ullrich,  Dr.  Georg.  861—864.  Ulm  (Ubra),  J.  794.  Uriiohs,  Hofrath. 
698.  773-775.  779.  Valencientip»,  Prof.  394.  Vämbery.  Hermann.  548. 
Vangerow,  Dr.  K.  Ad.  v.  549.  Vela,  Paul.  757.  Vercellone,  Dr.  Kari.  548. 
Vernaleken,  Prof.  Th.  85.  Vesz,  Alb.  787.  Vetter,  Wilh.  236.  Vielhaber, 
Prof.  81.  83.  84.  85.  785.  Vierordt,  K.  Frdr.  231.  Vizkelety,  Franz.  229. 
Voemel,  Dir.  773.  Volmar,  Prof.  Dr.  875.  Volpi,  Dr.  Alex.  313.  Vofs, 
Ludwig  V.  232.  Vukasoviö,  Zivko.  786.  Waclismath,  Dr.  Adolf.  394. 
Wächter,  Ludwig.  314.  Wächter,  Dr.  E.  G.  v.  549.  Wagner,  Dr.  Joseph. 
548.  692.  Wagner,  Moriz.  315.  Wahlberg,  Dr.  W.  E.  787,  Waitz.  Dr. 
Georg.  550.  Waldmüller,  Fr.  G.  791.  Waldstein,  Max.  630.  Wallaöe,  Will. 
Vinc  794.  Wallnöfer,  Dr.  Kari.  312.  Walser,  Dir.  84—85.  Walter,  Jak.  629. 
Wangberg,  Karl.  315.  Wartenberg,  s.  York.  Wassmannsdorff,  Dr.  694.  761. 
Wastler,  Lehramscand.  787.  Waterton.  Charles.  475.  Wattenbach,  Prof 
W.  696.  700.  749.  755.  Weber.  787.  Weber,  David.  793.  Weber,  Dr.  G. 
700.  764.  765.  Weber,  K.  Gottl.  314.  Weber,  Dr.  Otto.  549.  Weber  von 
Ebenhof,  Wenzel  Ritter.  236.  Wehr,  Jos.  472.  Wegscheider,  J.  B.  475. 
Wegscheider,  Leop.  235.  Weidner,  Dr.  704.  Weil,  Dr.  Jak.  88.  Weil,  Jos. 
788.  Weil,  Prof.  780.  Weiler,  Jos.  471.  Weiner,  Dr.  Ant.  475.  Weinmayr, 
Franz.  874.  Weismann,  Dr.  G.  696.  700.  Weifsbrodt,  Dr.  J.  B.  v.  233. 
Weiter,  Gotthilf.  474.  Werner,  Dr.  Gust.  312.  Werner,  Prof.  750.  Werther 
V.  Numvär,  Frdr.  396.  Westreicher,  Engelbert.  550.  Weyrauch,  Aug.  Heinr. 
v.  316.  Weyrauch,  P.  Erw.  Ant.  314.  315.  Wex,  Dr.  Frdr.  Kari.  632. 
Wieck,  Prof.  231.  Wiegmann,  Rud.  395.  Wieloglowski,  Valer.  552.  Wiertz, 
Anton,  476.  Wieseler,  Prof.  779.  Wieser,  Dr.  Frz.  549.  Wietersheim,  Dr. 
Ph.  Ed.  395.  Wilczek,  Dr.  392.  Wilhelm,  Dr.  Jos.  789.  Windisch,  P,  Jos. 
85.  874.  WinCTove,  Cooke  G.  476.  Winkelblech,  Prof.  233.  Winter,  Dr. 
Berth.  548.  Wiseman,  Sr.  Emin.  Nikolaus.  235.  236.  Wislicenus,  Dr.  Hugo. 
750.  Wittstock,  Dr.  Alb.  775.  Wöhler,  Dr.  Frdr.  550.  Wölfflin,  Dr.  700. 
Wöri,  Prof.  394.  Wolak,  Frz.  632.  Wolff,  Dr.  780.  Wolfsohn,  Dr.  Wilh. 
632.  Wordword,  Dr.  S.  P.  632.  Woriicek,  Frz.  Lad.  474.  Wraxall,  Lascel- 
les,  476,    Wretscbko,  Dr.  Matthias.  471.  785.    Wülker,  Stud.  Ernst.  750. 


XIX 

Wölleretorff ,  Frhr.  v.  229.  Wurzbach ,  Dr.  Const.  v.  Tannenberg.  548. 
Wymetal,  Dr.  782.  Wyf  s,  Dr.  Georg  v.  550.  York,  Graf  Louis  v.  Warten- 
berg. 552.  Zarharftt,  Dr.  H.  A.  549.  Zacher,  Dr.  Jul.  757.  Zahlberg, 
Karl  632.  Zahn,  A.  V.  473.  Zalka,  Ant.  874.  Zangl,  Joh.  476.  Zaymusz, 
Vinc.  786.  Zobel,  Dr.  Johann.  790.  Zeller,  Ferd.  700.  794.  Zepharovich, 
Victor  Ritter  v.  472.  Zhuber,  Dr.  Joh.  v.  236.  Zimmermann,  Dr.  Roh.  787. 
Zimmermann,  Thom.  234.  Zingerle,  Anton.  874.  Zirkel,  Dr.  Ferd.  472. 
Zitek,  Joh.  548.  Älik,  Andr.  316.  Zoll,  Dr.  Frdr.  788.  Zöller,  Dr.  700. 
Zöpfl,  Dr.  Heinrich.  549.  Zumpe,  Johannes.  231.  Zveiina,  Franz.  787. 
Zwerger,  Dr.  Johann.  548. 


Die  Namen  sämmtlicher  österreichischer  Gymnasien  und 
Realschulen  (mit  Angabe  der  Zahl  der  Lehrer  und  Schüler,  der  Ergeb- 
nisse der  Classification,  der  Maturitätsprüfungen  u.  s.  w.)  erscheinen  in  der 
statistischen  Uebersicht,  welche  das  XIL  Heu  dieses  Jahrganges  bildet.  — 
Admont.  475.  —  Agram.  O.-G.  474.  547;  Erzbischöfl.  Lyc.  472;  Rechtsakad. 
391.  —  Altenburg  (Ungar.).  Landwirthsch.  Lehranst.  550.  874.  —  Andrä. 
St,  Diceces.  Lehranst.  234.  —  Bistriz.  Ev.  G.  455.  —  Bochnia.  Ü.-G.  87.  — 
Böhmen.  Lehramtscand.  Prüf.  Commiss.  229.  —  Böhmisch- Leipa.  547.  — 
Brixen.  Diceces.  Lehranst.  551.  —  Brunn.  451.  452;  OR.  391.  548.  550.  629; 
techn.  Lehranst.  87;  Normal- Hptsch.  Lehrerbildungsanst.  471  472;  theol. 
Facult.  86.  —  Brüx.  O.-G.  86.  —  Brzezany.  471.  547.  —  ßrunek.  476.  — 
Budweis.  Piar.  Colleg.  234;  Diceces.-Lehranst.  396.  —  Cäcov.  786.  Capo- 
distra.  O.-G.  312.  393.  787.  -  Cilli.  O.-G.  547.  608.  609.  786.  —  Croatien 
und  Slavonien.  312.  393.  551.  —  Czemowitz.  471.  473.  628;  gr.  or.  OR, 
874;  gr.  or.  Lehranst  391.  547.  629.  —  Djakovo.  Lehrerbildungsanst  548. 

—  Drohobyg.  R.-G.  874.  -  Dublany.  agron.  Seh.  230.  —  Eger.  231.  — 
Ellbogen  OR.  609.  —  Eperies.  Kath.  O.-G.  312.  786.  Domcap.  548.  — 
Essegg  (Essek)391.  786.  874.  —  Feldkirch.  C.-ü.-R.  558.  Fiume.  Ü.-R. 
87.  —  Freiberg.  U.-G.  629.  —  Fünfkirchenstädt  U.-R.  787.  —  «örz. 
391.  482.  453.  471.  628.  O.-R.  86.  548.  351.  787.  874.  -^  Graz  (Graz). 
86.  87.  230.  392.  474.  874;  techn.  Hochsch.  230.  393.  629;  Univ.  228. 
316.  391.  392. 471.  629;  Kunst-  und  Industrie  Verw.  313.  —  Grofsau.  Landes- 
Ackerbausch.  86.  —  Grofs-  Kanisza.  313.  789.  —  Grofs-Kikinda.  Ü.-R. 
228.  —  Grofswardein.  gr.  kath.  Präparandie.  787;  Rechtsakad.   228.    874- 

—  Gyergyo-Szentraiklos.  U.-R.  787.  —  Hall.  230.  —  Hermannstadt  k.  k. 
kath.  Staats-G.  312.  393.  471.  473.  628.  629.  857.  858;  Rechtsakad.  87. 
631.  -  Hollabrunn  (Ober).  U.-R.  393.  —  Iglau.  313.  473.  475.  547.  — 
Innsbruck.  629.  630.  864.  865;  O.-R.  230.  232.  471.  473.  629;  Univ.  228. 
391.  550;  Univ.  Bibl.  789.  —  Imharding.  Landes -Ackerbausch.  551.  — 
Kato<^sa.  232.  —  Karlsstadt.  U.-G.  547.  —  Kaschau.  Rechtsakad.  86.  228. 
630.  874  —  Kefsthely-Georgikon.  87.  —  Klagenfurt.  789.  O.-R.  392.  — 
Klausenburg.  Rechtsakad.  87.  472.  631.  -  Kolomea.  städ.  U.-G.  87.  — 
Komotau.  86.  -  Krain.  Museal ver.  für,  392.  —  Krainburg.  U.-G.  547. 
628.  —  Krakau.  87.  235;  Univ.  87.  313.  392. 394.  472.  548.  629.  788.  Krakauer 
Verw.  Geb.  228.  229.  —  Krems.  Landes-O.-R.  230.  609.  —  Kremsmünster. 
Ben.  Stft.  548.  549.  —  Kronstadt  Ev.  G.  453.  —  455.  —  Kutten berg.  C.-O.-R, 
472.  787.  -  Laibach.  235.  471.  628.  865.  866;  O.-R.  312.  473.  787.  - 
Leitmeritz.  theol.  Lehranst.  395.  —  Leitomischl.  236.  547.  —  Lemberg. 
Frz.  Jos.  G.  874;  2.  O.-G.  313;  Akad.  G.  394.  628;  O.-R.  230.  315.  techn. 
Akad.  391;  Univ.  87.  228.  313.  394.  472.  548.  629.  788;  Univ.  Bibl.  473. 

—  Leoben.  Bergakad.  86.  550.  —  Leutschau.  Kath.  G.  547.  548.  786.  — 
Linz.  475.  550.  628.  864.  874;  O.-R.  229.  471.  550.  874;  Priest.  Sem.  231. 

—  Lomb.  Venet.  86.  228.  547.  786.  874.  —  Lagos.  87.  —  .>lantua.  186. 
Marburg.  88.  476.  547.  858.  859.  —  Mariabrunn.  550.  —  Mariatheresiopel. 
628.  786.  —  Martinsberg.  313.  —  Mediasch.  876.  —  Meran.  875.  —  \agy- 
Körös.  helv.  G.  229.  —  Neuhaus.  790.  791.  —  Neu-Sandec.  87.  316.  630. 
786.  874.  —  Neusatz.  630.  Neusohl.  628.  786.  —  Neustadt  (Wiener).  Landes- 
O.-R.  230.  631.  —  Ober-HoUabrunn.  8.  Hollabrunn.  —  Ol)ei5&\ieiiev::ti  ^1b. 


XX 

—  Oedenburg.  Praparandie.  787.  —  Ofen.  628;  Josephs-Polytechn.  228.  632; 
Univ.  549.  —  Olmütz.  312.  547;  O.-E  313.  391.  393.  548.  629;  Norm.- 
Hptsch.  Lehrerbildungsanst.  472.   —  Ostgalizien.  k.  k.  Gymnasium.  474. 

—  I»adua.  Staats-G.  786;  Univ.  228.  391.  393.  548.  630.  —  Pancsova. 
Deutsche  O.-R.  87.  —  Pesth.  (Pest),  k.  O.-G.  471.  630.  874;  Josephinum. 
312;  üniv.  229.  234.  313.  548.  550.  630.  631.  632.  788;  Akad.  229;  BUnden- 
Inst.  232;  Juristen- Verw.  312.  —  Petrinje.  Ü.-R.  393.  —  Pirano.  ü.-ß.  391. 
789.  —  Polten,  St.  Landes-O.-R.  86.  230.  391.  631;  Landes-R.-G.  228.  — 
Pozega.  U.-G.  86.  —  Prag.  Kleinseite  G.  471;  deutsche  O.-R.  629;  böhm.  O.-R. 
87.  472.  548;  Polyt.-Inst.  230.  313.  391.  472.  474.  631.  789.  795;  Univ. 
228.  313.  394.  395.  472.  549.  788.  790.  791.  794;  Gesellsch.  d.  Wissensch. 
229;  Museum  236;  Conserv.  315;  Gesellsch.  parriot.  Kunstfr.  228.  —  Preft- 
burg.  kath.  O.-G.  312;  ev.  Cyc  235;  O.-R.  787.  875;  Rechtsakad.  86. 
228.  630.  —  Pfibram.  Berffakad.  550.  630.  —  Hakovac.  k.  k.  O.-R.  390. 

—  Reichenberg.  R.-Sch.  314.  315.  —  Roveredo.  786.  —  «Salzburg.  230. 
520.  875;  O.-R.  230.  392.  629;  Lyc.  234;  med.  chir.  Lehranst.  313.  — 
Sambor.  547.  628.  —  Sandec  s.  Neu-Öandec.  —  Schäfsburg.  ev.  G.  455. 
Schemnitz.  Kath.  G.  786;  Rergakad.  550.  —  Schlackenwerth.  G.  631.  — 
Siebenbürgen.  396.  —  Spalato.  O.-G.  228.  313.  314.  628 ;  O.-R.  629.  — 
Spital  am  Semmering.  475.  —  Stanislau.  552.  628.  631.  874.  —  Steiermark. 
KTunstver.  230.  —  Steinschönau.  Industrie-Sch.  229.  —  Steyr.  O.-R.  629; 
Ü.-R.  471.  474.  787.  —  Stockerau.  L^ndes-U.-R.  86.  —  Suczawa.  547 ;  gr. 
Orient.  G.  786.  —  Szathmar.  kath.  O.-G.  228.  628.  —  Szegedin.  U.-R.  2&. 

—  Tarnopol.  Ü.-G.  230.  628;  kath.  U.-R.  548.  —  Tamow.  O.-G.  87.  — 
Taui^.  U.-R.  874.  —  Teschen.  G.  312.  314.  393.  471.  547.  ev.-G.  316.  474. 
475.  550.  786.  —  Treviso.  O.-G.  86.  547.  786.  —  Trient.  786;  theol.  Lehranst 

472.  —  Triest  87.  312.  547.  551.  631;  hydrogr.  Anstalt.  312;  Marine-Akad. 
395.  629.  —  Troppan.  O.-G.  312.  866;  O.-R.  629.  631.  861—864.  —  Tymau. 

473.  —  üdine.  Ü.-R.  228.  —  Venedig.  547;  Dioeces.  G.  630;  Partriarch. 
Sem.  630;  Akad,  der  seh.  Künste.  228.  229.  788;  Istituto  di  sc,  lett.  ed 
arti.  312.  —  Vicenza.  O.-G.  228.  547.  —  Vinkovce.  O.-G.  859—861.  — 
Wadowice.  U.-R  789.  790.  —  Waidhofen  a.  d.  Ybbs.  Landes-Rsch.  86.  - 
Warasdin.  391.  550.  789.  —  Wien.  Staatsministerium  (C.  ü.).  87.  22a 
392.  472.  548.  629.  874,  875.  876.  ünterriciitsrath.  392.  471;  Akad. -G.  85. 

471.  629;  Josephst.  G.  231;  Schotten-G.  474;  Theres.  G.  85;  Comm.  R.-G. 
392.  393;  Comm.  R-G.  in  der  Leopoldstadt.  85.  874;  Comm.  R.-G.  in 
Maria-Hilf.  85;  Stadt,  Bauernmarkt.  O.-R.  79;  Landstrasse.  O.-R.  86; 
Schottenfeld.  O.-R.  86.  87;  Rofsau.  Comm.  O.-R.  85.  392.  787;  Wieden. 
Comm.  O.-R.  392;  Stadt,  Öt.  Anna,  Ü.-R.  396;  St.  Leopold,  Ü.-R.  228; 
Gumpendorf,  Comm.  R.  392.  629;  ev.  Seh.  85;  Polytechn.  312.  39L  392. 

472.  556.  630.  789.  790.  794;  H^ndelsskad.  312.  875;  Theresian.  Akademie. 
82.  232.  312.  393.  395.  788.  789;  üniv.  228.  229.  312.  313.  315.  316.  392. 
471.  472.  548.  550.  629.  630.  786.  787.  789.  792.  (Bibl.)  313.  391;  Pazma- 
neum.  849;  Staatsprüfungscommiss.  312.  875;  Hofbibl.  551.  630.  788; 
Münz-  u.  Ant.-Cab.  789;  Bildergallerie,  788;  Hof-Mineral-Cab.  472;  kais. 
Priv.  u.  Pideicomm.  Bibl.  229;  Akademie  der  bildenden  Künste.  228.  229. 
630.  631.  789.  791;  Museum  f.  Kunst  u.  Industrie.  227.  472.  473.   789; 

feolog.  Reichsanst.  229.  789;  CeutralAust.  f.  Meteorol.  u.  Erdmagnetismus. 
92;  Ost.  Gesellsch.  f.  Meteorologie.  392;  statistische  Central-Commiss.  788; 
f.  administr.  Stasistik.  228.  229.  630;  Centralcommiss.  z.  Erforschung  u. 
Erhaltung  d.  Baudenkmale.  875 ;  Akad.  der  Wissenschaften.  231.  314.  472. 
552;  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv.  472.  549.  788;  Oriental.  Akademie. 
551;  Josephs-Akad.  550.  630.  788;  Milit.  Thierarzneiinst.  472;  Irrenhaus. 
788.  —  Wiener-Neustadt  s.  Neustadt.  —  Wildenschwert.  631.  —  Zara. 
Centr.  Sem.  229.  —  Zengg.  O.-G.  86.  228.  473.  531.  —  Znaim.  O.-G.  228. 

—  Zombor.  Ü.-R.  631  "" 


iengg. 
.  875. 


Erste  Abtheilung. 

Abhandlungen. 

Bemerkungen  zur  Texteskritik  des  Sophokle's. 

Unter  den  in  letzter  Zeit  zur  Antigene  vorgeschlagenen 
Yerhesserungen  hat  keine  gleich  grolse  Anwartschaft  auf  allge- 
meine Billigung,  wie  ^die  Nauck'sche  zu  V.  790  ord*  afieQuov 
üi  y  (gewöhnlich  In*)  avd^Qtojtov.  Vgl.  Bonitz  Beitr.  zur  ErkL  des 
Soph.  U.  S.  5  Anm.  Zwar  hat  ihr  W.  Dindorf  auch  in  der  4.  Aus- 
gabe des  Dichters  noch  die  Aufnahme  in  den  Text  verweigert 
und  ihrer  nich^  einmal  in  der  Vorrede  gedacht  (ebenso  Bergk), 
allein  das  ist  offenbar  nur  denr  sehr  mislichen  bti  xjdiwv  OT.  18 
m  liebe  geschehen  und  mit  der  Zeit  wird  man  sich  zu  ae  ^ 
av^ffmtfov  verstehen  lernen.  Eine  Conjectur  von  gleicher  Probabi- 
lität,  mindestens  von  gleicher  wie  die  Dindorf  sehe  zur  Anti^.  578 
ev  di  Toade  x^  Ywäiitag  Ikai  beanspruchen  darf,  hoffe  ich  in 
Folgendem  zu  liefern.  V.  960  liest  man: 

xiivog  kniyvto  fiavCiug 
^avtov  tov  &iov  iv  xBQTOfjiCotg  yltoaamg» 
naveax€  fikv  yuQ  ivd-iovg 
ywaixctg  eviov  re  nvq 
tfüuKvXovg  r*  rJQi&ii€  Movaag, 

Nun  hat  man  allerdings  erkannt,  dass  xbaimv  fehlerhaft  ist, 
trotzdem  es  in  den  Schollen  eine  Stütze  zu  nahen  scheint,  welche 
construiert  wissen  wollen:  x£?yog  iTtivvco  tov  -d-eov  lUQroinioii; 
yXtoaarjg  (sie)  iiaviaig  ipavwv,  allein  sdiwerlich  ist  durch  ^qovwv 
(Nauck  kritisch.  Anhang  S.  165)  geholfen.  Man  hätte  sich  viel- 
mehr fragen  sollen,  für  welche  Olosse  xpavcov  das  übliche  Olossem 
zu  sein  pflegt,  und  würde  dadurch  nicht  nur  dem  Fehler  auf  die 
Spur  gekommen  sein,  sondern  auch  die  Heilung  mit  sidierer  Hand 
ermöglicht  haben;  der  Scholiast  iiber  würde  in  ähnlichen  Fällen 
als  eine  sehr  zweifelhafte  Autorität  betrachtet  worden  sein. 
Vavcjv  ist  nichts  als  Glossem  für  QirSiN  und  dies  selbst  ein 

/^Uehrtft  r.  d.  Aattrr.  nymn.IK65.  E.  Heft.  1 


t  M,  Schmidt,  Zar  Tezteskritik  des  Sophokles. 

leichter  Schreibfehler  für  QHlQN,  Da  nun  die  Schollen  offen- 
bar \pavcov  im  Texte  fanden  (denn  nur  so  erklärt  sich  ihr  Be- 
mühen, durch  gezwungene  Construction  der  Syntaxis  des  Verbl 
'Wavwv  gerecht  zu  werden),  so  ist  klar,  dass  sie  einen  durch 
Glosseme  gefälschten  Text  ausdeuten,  der  in  unserem  Falle  bereits 
drei  Wandlungen  erfahren  hatte: 

GEFON  .  GHrSlN  .  SmiN .  ^PAYSIN. 

Aber  hiermit  sind  durchaus  noch  nicht  alle  Schäden  der  Stelle 
geheilt.  Worin  das  Vergehen  des  Dryassohnes  Lykurgos  gegen 
Dionys  bestand,  sagt  der  Dichter  selbst  V.  963  —  65.  Darin  steht 
aber  kein  Wort  von  übermüthigen  Spöttereien,  wie  man 
yL€QTOfuotg  ylwaaaig  (schol.  ytx'jaarjc:)  und  oben  schon  (V.  955) 
x€QTOfitoig  OQ'/alg  deutete,  mit  Bezugnahme  auf  Aeschyl.  fr.  59. 
Es  ist  also  ylioaaaig  falsch,  und  muss  durch  ein  zu  V.  963  ff. 
passendes  Wort  ersetzt  werden,  welches  zur  Noth  durch  yXcoaaaig 
interpretiert  werden  konnte.  Ein  solches  ist  A^BAIC^  was  alle- 
dings  oftmals  auch  mit  yle^^i  gleichbedeutend  ist.  Demnach  sagt 
der  Chor:  Jener  kam  zur  Erkenntnis,  dass  er  in  seinem  Wahn- 
witz den  Gott  erbitterte  durch  herzkränkende  Schmach. 

Eine  zweite  Stelle,  an  der  ich  der  Sicherheit  meiner  Con- 
jectur  ziemlich  gewiss  zu  sein  glaube,  ist  V.  1013.  Nachdem 
Tiresias  die  verunglückten  b^icvqa  beschrieben  hat,  schliefst  er 
mit  den  Worten  ab: 

xoutvra  nai^oi  tuv^*  ifidv&ttvov  naQa 
qd-lvovra  affxvoiv  6f}y(utv  ^uvriv^aTa, 

Hier  ist  tr^hovra  aefjvüv  von  Nauck  statt  (f&ivow^  acrjucov  ein- 
gesetzt, Ol)  mit  Eecht,  macht  Hesych.  darjincov'aqKxvcüv  ayvüHTTwv 
einigermafsen  zweifelhaft;  doch  erscheint  aatjiAiov  allerdings  nicht 
passend.  Noch  unpassender  aber  ist  MANTEYMATA,  wofür 
nicht  sowol  mit  Nauck  ftayeifiaza,  sondern  AATPEYMATA 
herzustellen  sein  dürfte.  So  nSviov  XarQevinara  Trach.  357.  In 
der  Sphaere  des  Tempeldienstes  noXvxQvaa  lavotvuctta  Iph. 
T.  1275. 

Ob  ich  auch  an  einigen  anderen  Stellen  dieses  Dramas  mit 
mehr  Erfolg  als  andere  Kritiker  mich  versucht  habe,  sei  dem 
ürtheil  der  Leser  überlassen.  In  dem  prächtigen  Hyporchem 
V.  1115  ff.  leidet  V.  1128 

Ir^a  KwQvxiai 
KaaraKag  ts  väfAa 

an  zwei^  metrischen  Schäden.  Denn  die  Strophe  lautet  yivog, 
xXvTctv  og  dfiq)^7t€ig,  mit  reiner  jambischer  Tetrapodie.  Nun  hat 
zwar  W.  Dindorf  orlxoiai  (Hesych.  atlxovar  ßadil^ovrai 
noqevovvai)  wagen  zu  dürfen  geglaubt,  und  vvfiwai  mit  jambi- 
scher Messung  schützte  man  durch  C.  I.  vol.  II.  add.  p.  1080. 
n.  2423  c.  3155, ».  IV.  n.  7679. 7760.  C.  KeU  onom.  spec.  c.  IV.  p.  57 


M,  Schmidt^  Zur  Texteskritik  des  Sophokles.  9 

anal,  epigr.  p.  173,  aber  jeder  fohlt  wol,  dass  das  nur  kritische 
Nothbehelfe  sind,  deren  man  gerne  entriethe.  Der  Ursprung  des 
Fehlers  liegt,  soviel  ich  sehen  kann,  in  der  Annahme,  dass 
Kaazaliag  vafxa  ein  Nominativ  sei,  der  nebst  hyvv^  mit  oVwx« 
zu  verbinden  sei,  während  vielmehr  von  h&a  an  bis  m//a  alles 
Ausführung  der  Oertlichkeit  des  Parnass  ist,  und  vä^ia  als  Accu- 
sativ  zu  betrachten  ist.  Denmach  muss  auch  V.  1128  ein  Ethni- 
kon  im  Accusativ  enthalten  haben.  KioQVTuai  schätzen  die  Hand-« 
sdiriften  und  Schollen  {ai  IlaQvaaaldeg).  Also  liegt  der  Fehler  in 
dem  metrisch  fehlerhaften  viftq^m,  das  sich  auch  selbst  als 
Accusativ  ausweist,  wenn  wir  das  C  des  seiner  Bedeutung  nach 
anstöfsigen  (denn  die  Nymphen  tanzen  und  kommen  nicht  in 
langem  feierlichen  Zuge)  und  metrisch  unzulässigen  Wortes 
crdxovoi  heranziehen.  Vergegenwärtigen  wir  uns  endlich  die  alte 
Sophokleische  Orthographie  NYN]  (DACTEXOCl,  so  erscheint 
T  als  ein  dem  folgenden  ze  entsprechendes  r«,  und  EXOCI  als 
das  in  derartigen  Fügungen  überaus  häufige  iyoiai.  S.  Thes.  III  c. 
2625  C.  Es  erübrigt  aus  dem  so  gewonnenen  NYM(DA1C  oder, 
wie  das  Metrum  zu  schreiben  zwingt,  aus  NYOAIC  die  Oertlich- 
keit zu  ermitteln.  Bei  Hes.  findet  sie  sich  treu  erhalten  in  der 
Glosse  yvvq^ah  vaTtai,  zu  corrigieren  wie  jetzt  erhellt  /Vrya/* 
Naitf]  und  zu  verstehen  von  der  xniXr]  ß^aaa,  Nanr,,  über  die 
Meineke  zu  Eallimach.  S.  154  ausreichend  gehandeU  hat.  Mir 
ist  es  zweifellos,  dass  die  Alexandriner  in  ihrem  Texte: 

rNY^ACTEKO  CIBAKXUEC 

Torfonden,  dass  sie  aber,  wenigstens  Didymus,  yvttjpal  %  z^ovai 
B€txxidag  lasen  und  aus  dieser  Leseart  das  Hesychische  Iwipal 
flofe.  Andere  mögen  Nv/xwai  avü^ovat  gedeutet  haben  und  zur 
Hebung  des  metrischen  Verstofses  ein  atixovai  riskirt  haben,  ob 
aber  daher  Hesych.  atixovai  zu  erklären  ist,  steht  sehr  dahin. 
In  demselben  Chorgesange  lesen  wir  V.  1118  immer  noch 
das  befi*emdliche : 

xh'tav  OS  nfÄtfiniii 

Ich  glaube  nicht,  dass  der  Dichter  des  fernen  Landes  hier  ge- 
dacht hat,  zumal  er  sich  des  Ausdruckes  a^iq^eneig  bedient,  der 
nur  die  fürsorgliche  Bewachung  eines  kleineren,  besonders  theuren 
Baumes  bezeichnet.  Doch  gefällt  weder  'iTiaglav  (Bob.  Unger) 
noch  Kidah'av  (Bergk),  da  TiXvrdv  auf  eine  hochberühmte  Stitte 
Bakchischen  Cultes  hinweist.  Die  Hdsch.  hat  'ixalaiav^  d.  i. 
meiner  Meinung  nach  (DlFAuiElAN^  0iyaliav  der  arkadische 
Ort   mit  seinem  berühmten  Dionysostempel.   Allerdings  misst 

j  sowol  Rhianus  ap.  Steph.  Byz.  als  auch  dag  Orakel  bei  Pausan. 
VIII  42,  4  das  Wort  ^  ^  -  ^,  wie  das  Epos  nicht  anders  konnte, 
aber  dass  Länge  der  ersten  Sylbe  erlaubt  war,  beweist  Lycophr.  212 
dhyaXevg,    L.  Bachmann  hat  sich  zwar,  eben  aus  metrischem 

'  1* 


4  M,  Schmidt,  Zar  Texteskritik  des  Sophokles. 

Grunde,  fiir  die  stark  vertretene  Variante  0ryaX€vg  entschieden, 
aber  gerade  seine  besten  Hdsch.  Par.  A.  Vindob.  III  (Vat.  1307) 
gaben  0iyal€vg.  S.  Pausan.  VIII  39,  4. 

Auch  zwei  viel  versuchte  Stellen  des  ersten  Stasimons  sei 
es  gestattet  wieder  zur  Besprechung  zu  bringen,  da  an  der  einen 
das  Richtige  bis  jetzt  schwerlich  gefunden  ist,  an  der  anderen 
der  Bonitz'sche  Versuch  die  Vulgata  zu  vertheidigen  nicht  be- 
friedigen kann.   Der  Mensch,  heifst  es  V.  351 

kttOiav/iva  d-^ 
ovQHov  r'  ttXfÄTJTa  Tav()(ry, 

Das  Metrum  verlangt  eine  daktylische  Tetrapodie.  Franz  suchte 
dieselbe  zu  gewinnen  durch  X/tTiov  oxfictC^zaL  afitpi  X6(pov  Ciy<^ 
(seh.  Apoll.  Rh.  I  743  Eur.  El.  817)  und  hat  mit  seiner  Con- 
jectur  ziemlich  allgemeinen  Beifall  gefunden.  Gleichwol  gestehe 
ich  nicht  einzusehen,  warum  wir  nicht  den  einfachsten  Weg  zum 
Ziele  gehen  wollen;  zumal  die  Erklärung  der  Schollen  uns  dabei 
als  ViTegweiser  dient.  Eine  ganz  gewöhnliche  Phrase  der  Tragoddie 
ist  tvybv  cL^KfißctXkeLv,  vgl.  z.  B.  Aesch.  Pers.  50.  72.  Aus  Homer 
ist  ferner  die  Construction  des  Verbi  afiq^ißctXUiv  xivl  zi  und 
die  Tmesis  der  Präposition  bekannt,  letztere  sogar  überwiegend. 
Wenn  nun  vollends  die  Schollen  sagen  avd  tov  7C£qißahav  ccvr^ 
tvyov  Tteqi  tov  lotpov,  was  ist  klarer,  als  dass  sie  die  Phrase 
C170V  Aoqrv  afi(fißalu)v  erklären  ?  Und  wenn  femer  von  ihnen 
vno  supplirt  wird :  kunu  ^  vno'  ino  tvyov  ayei,  ano  xoivov  to 

a 

vno  l^vyov  y^srctij  so  sollte  man  meinen  es  stehe  auTser  Zweifel, 
dass  sie  statt  des  gewöhnlichen  vTiayet  das  Simplex  ayet  vor- 
fanden, üeber  l'/r/rov  ayeiv  vgl.  den  Thes.  s.  v.  Hesych.  ayeiv 
To  v/rayetv  kann  auf  diese  Stelle  gehen,  geht  aber^  wahrschein- 
licher auf  eine  Stelle  der  attischen  Komoedie,  wo  ayeiv  =  vna- 
yeiv  =  niveiv  gebraucht  war.  Es  handelt  sich  also  einfach  darum, 
die  gewonnenen  Worte  dem  Rhythmus  anzupassen  und  zu  schrei- 
ben :  i/iTtov  ayei  tiyov  ccftq^l  Aoyc^  ßaXcjv.  Der  doppelte  Accusativ 
bei  a^i(pißaXleiv  kommt  vor,  doch  ist  der  eine  dann  ein  Accus, 
der  Person,  nicht  ein  Körpertheil.  Ich  kann  daher  die  andere 
LA.  der  Schollen  a^icpiloq^ov  nur  far  einen  Schreibfehler  halten. 
Auf  die  Frage,  woher  denn  ^^erai  entstanden  sei,  geben  freilich 
unsere  Scholientrümmer  keine  Auskunft  mehr,  sie  ist  aber  aus 
Hom.  II.  i/;  266.  655  zu  beantworten  iWov  e^he^  ad^ir[rm  und 

J^ftlovov  f^eri'  ad/nTirrjv  ijv^  ccXylarrj  dafiaaad-ai.  Anders  ireilich 
Lpsyrt.  p.  263:  diev^  yeyovoTa  tov  nüXov  ix,  rrjg  ay^Xrß  ^'yovai 
xai  daf^icttovoi  in  Uebereinstimmung  mit  Simon  p.  58,  3  ed.  Frid. 
Blass  im  Liber  Miscellan.  Bonn.  1844.  —  Weiterhin  V.  316 
heifst  es  vom  Menschen: 


M.  Schmdt,  Zur  Teztcskritik  des  Sophokles.  5 

ov 
t6  fiiXXov.  m^n  fi6vü)i 

ipiv^iv  ovx  iird^iTai, 

voaojv  ^nfATD^avünf  (fvyaq  IvfinifffmOTai. 

Die  Erklärung^  der  Scholien  lautet:  elg  navra  ^mavag  i^ev- 
Qiaxütv  xat  iff  ovdiv  ccTio^g  rciv  fielkovrwvy  &avaTOv  ^ovov 
ovx  ^Q^  uxfia.  Daraus  ist  klar,  dass  ein  Futurum  ihnen  nicht 
vorgel^en  hat  und  demnach  eine  Vertheidigung  der  Vulgate  nicht 
möglich  ist,  selbst  wenn  die  Worte  heüsen  könnten:  „Die 
Kunst  dem  Tode  zu  entrinnen  wird  er  sich  freilich  nicht  her- 
beifuhren (aneignen,  nicht  erlernen).**  Was  sie  sonst  vorfanden, 
ist  leider  nicht  klar,  aber  aufißlllig  bleibt  ihr  ivqsv  la^a,  wozu 
unser  heutiger  Text  keinen  Anlass  gibt.  Hätten  sie  diesen  vor- 
gefunden, wurden  sie  wol  far  q^ev^iy  oder  ttv^iv  ein  wiyrjv  als 
Umschreibung  gewählt  haben.  In  Anbetracnt  nun,  dass  auch 
die  unmittelbare  Aufeinanderfolge  von  cpev^iv  und  q>vyag  etwas 
armselig  bedünken  will,  ist  ihr  ia/xa  wohl  geeignet  uns  auf  den 
Verdacht  zu  bringen,  dass  dies  Wort  ein  Glossem  für  axr^  sei 
und  der  letzte  Vers  vielmehr: 

gelautet  habe,  wodurch  jedenfalls  eine  gröfsere  Anschaulichkeit 
als  durch  qfvyag  erreicht  wird.  Ist  dies  aber  der  Fall  gewesen, 
dann  wird  im  vorausgehenden  Verse  q)6v^iv  das  Glossem,  (pvyr^v^ 
oder  vielleicht  yrya^,  die  Glosse  gewesen  sein,  abhängig  von 
einem  nicht  auf  -^x^evai,  sondern  auf  -aLevat  ausgehenden 
Worte.  Und  dieses  Wort  glaube  ich  in  EYTYKAZETAI  ge- 
funden zu  haben.  Es  steht  sicher  aus  Aesch.  Sept.  149,  wo  der 
Med.  hrvrMLCpy  {h  in  litura  pro  n)  bietet,  aber  Hesych.  «iJr  '- 
%aT^ov  (lies  exTüVKoCov) '  &iTvx,Tov  (lies  &jtvxov)  eve,  yvoi/iov  !%€. 
EJML  399, 16  €VTt;x /^€t  v*  Iroi^m^fi/K  Hesych.  fiVTi/xe  ao  y'ßvrtnt^ 
nolmov.  Daher  hat  denn  L,  Dindorf  Thes.  HI.  c.  2484  C.^  G. 
Dinaorf  praef.  p.  XXXn,  C.  G.  Cobet  orat.  p.  152  evrvxa^ov 
hergestellt,  während  Härtung,  Enger,  Prien  und  Weil  nach 
einer  anderen,  wohlhippokrateischen  (Foes.  Oecon.  Hippocr.  p.  379) 
Glosse  des  Hesych:  ev  rvxcitov^  im  Wesentlichen  auf  dasselbe 
hinauskommend,  vorziehen.  In  den  alten  Scholien  des  Med. 
findet  sich  zu  d.  St.  keine  Bemerkung,  denn  p.  41  sind  die 
Worte  €v  nvxal^oVy  ano  tov  nvxa  tov  eniQQrjiAaTog  a.  m.  sec.  13 
beigeschrieben,  aber  p.  319  ist  aus  A,  der  nächstältesten  Scho- 
lienredaction,  angemerkt:  i^oi  iwixvcog  xat  emoTYi^ioviog  evTQi' 
TiitiB  TO  TO^ov.  t6  yccQ  7tVY,a  OLvrl  TOV  ETtLatmiovwg  ftaQaXafi- 
ßaretau  Daraus  zog  denn  B  mit  glücklichem  Treffer  sein  evvQi- 
nil^e  yuxta  rciv  Ttolefilwv.  Denn  in  A  laufen  zwei  verschiedene 
Deutungen,  zwei  verschiedene  Lesarten  in  einander,  insofern 
ersichtlich  die  erste  Hälfte  und  der  Schluss  seiner  Erklärung  auf 
jtvmtpVj  die  zweite  Hälfte  auf  ziymI^ov  geht.    Denn  hoiina^e 


8  M.  SdwMäX,  Zur  Texteskritik  des  Sophokles. 

Genetiv  stecken,  über  den  die  Sache  selbst  keinen  Zweifel  auf- 
kommen lässt.  Die  Folgen  der  Ate,  ohne  welche  sie  keinen 
Menschen  beschleicht,  sind  n^iata.  Man  dürfte  sonach  zu 
schreiben  haben: 

Oü<r  av  %^not 

Das  böse  TIAMIIOAIC  entstand  aus  der  Verschreibung  JIH- 
MHONC  statt  nHMONHC  oder  nHMATOC. 

Ich  lasse  noch   die  Besprechung   anderer  angefochtener 
Stellen  folgen.    V,  466  f.  sagt  Antigene: 

ovxfog  tfxoiyi  xoZSe  tov  fioQov  rv^fTv 
nag*  ovökv  aXyog,  dXX*  ar,  fi  rov  1$  if^VS 
firiTQog  dxtvovT   ad-unxov  ijrffjjfo^ijy  vixvv 
xstvoig  av  rjXyow,  rota^f  if*  ovx  dlyvvofiat. 

Wenn  es  sich  hier  nur  um  das  fehlerhafte  rjvcxo^irp^  handelte, 
könnte  man  sich  wohl  mit  G.  WolflTs  Vorschlag  maipov  dveaxo- 
firp^  begnügen ,  wiewol  es  bedenklich  ist,  die  von  Aristophanes 
m  einer  lyrischen  Parthie  gebrauchte  Form  zu  verwerthen.  Seit- 
dem aber  erkannt  ist,  dass  auch  aXyog,  aXX'  av,  i^  ifirjg  firjTQog 
9av6vr  Unmöglichkeiten  sind,  kommen  wir  so  bequem  nicht 
mehr  fort.  Sicherlich  war  aXyog  metrische  Stütze  des  defect  ge- 
wordenen Trimeters  und  der  Ausgang  des  nächsten  Verses,  wie 
Nauck  sah,  fjvaaxojurjv.   Es  gilt  j5so,  die  Worte: 

nuQ*  ovdiVf  all*  av  et  tov  /|  f/Ltijs  f^fltQog 
S-avovT   ad-anxov  vixw  i^veox^firjv 

wieder  herzustellen.  Nun  scheint  es  freilich  das  einfetchste  zu 
schreiben: 

nag    ovökv,  dXld  fJLtirqog  tl  rov  i^  ^jU^ff 
ßlaarovT   ä&anrov  dxriQrj  t    ^vfOxofJifJ'^t 

doch  wird  Sophokles  schwerlich  so  geschrieben  haben  und  würde 
die  heutige  Leseart  daraus  ihrem  Ursprung  nach  kaum  zu  er- 
klären sein.  Aber  auf  den  richtigen  Weg  leitet  dieser  Versuch 
denn  doch.  Zunächst  hat  eine  besonnene  Kritik  zu  fragen,  wo 
konmit  aXX*  av,  wo  ^avorc'  her?  Die  Beantwortung  der  letzten 
Frage  wird  uns  die  erste  lösen  helfen.  Es  hilft  nichts  d^avovr 
—vixw  durch  V.  26  zu  vertheidigen ,  aber  dieser  Vers  zeigt, 
woher  der  Corrector  sein  d^avowa  entnahm,  welches  Wort  er 
vielleicht  auch  nur  verlas.  Unser  obiger  Herstellungsversuch  gibt 
ßXa<rz6vT\  und  solcher  Begriff  wird  vermisst.  Das  QANONTA 
am  nächsten  liegende  Wort  dafür  aber  ist  &OPONTA.  Vgl. 
Hom.  h.  Apoll.  119  Ac  ^  e&oQev  7iQO(powade,  Philost  Imag.  I, 
14  Tfjg  fdiv  firjTQog  ix&Q/axei  (Bacchus).  Doch  man  lese  ^o- 
Qovta  oder  fiXacTovra ,  jedenfalls  ermöglichen  wir  uns  dadurch 
die  Verbesserung  des  voraufgehenden  Verses,  wenn  wir  uns 
nur  streng  an  das  überlieferte  aXXavei  halten,  was  Sophokles 
AAAANE  geschrieben  haben  muss.    Der  Mutterleib  ist  die 


M.  /Sdbmictt,  Zar  Texteskritik  des  Sophokles.  0 

ttjjlivg  und  erinnern  wir  uns  an  D.  fi  496  ^ir^  h  vrfiiag  tflov^ 
80  haben  wir,  was  Sophokles  schrieb: 

TOP    mfifis  fAflXQOg 
nAPOYJENjiAAANEJYOCTONEKMIAC 
BOPONTASAjrrONEINEKYNENECXOMEN. 

Wie  daraus  unsere  Leseart  wurde,  sieht  nun  jeder.  Wie  nun  an 
unserer  SteUe  das  Olossem  fifjfVQog  in  den  nächsten  Vers  hin- 
eingerathen  ist,  so  hat  Y.  45  das  Olossem  adeltpov  sogar  einen 
zweiten  Vers  gegen  alle  Oesetze  der  Stichomjthie  geschaffen. 
Auf  die  Frage  Ismenens,  ob  Antigene  emsthch  daran  denke, 
Polyneikes  gegen  das  öffentliche  Verbot  zu  beerdigen,  antwortet 
Antigene: 

roy  yovv  ifiov  »«l  xov  aov  tjv  av  firj  t^^Xi}; 
tt&tlff'OV,  ov  yÄQ  &rj  ngo^ovif  aXtaaofiai, 

Nauck  sowohl  wie  W.  Dindorf  sahen  ein,  dass  nur  ein  Vers 
hier  gestanden  haben  könne,  aber  in  ihrer  ünechterklärung  der 
Verse  ^ehen  sie  weit  auseinander.  Nauck  schreibt  l)t(i/6  tov 
ifiOTy  xov  aov  ^v  av  fttj  ^eXjjg;  Dindorf:  tov  yovv  ad€Xq)6v  ov 
nffodow  aldaofiai.  Ich  kann  mit  keinem  einverstanden  sein, 
am  wenigsten  mit  Nauck,  da  Antigene  noch  wenig  Orund  hat 
an  der  Itereitwüligkeit  der  Ismene  zu  zweifeln.  Ich  erblicke  in 
adahfov  das  Glossem  zu  T^aatVy  womit  V.  45  schloss,  und  lese: 

TOV  yovv  ifxov  xal  rov  aov,  ^  ^ifjuit  xdaiv. 

Valkenaer  zu  Eurip.  Phon.  902  p.  340  behauptet  zwar,  dass 
Sophokles  nie  y  ^ifiig  gesagt  habe,  aber  warum  sollte  er  es  nicht 
haben  thun-  können,  so  gut  wie  Lycophr.  369  (og  wd-iTwv  ^e^ug 
irgend  welchem  älteren  Tragiker  entlehnt  hat?  Wenn  f  %)^€fiig 
in  fjv  &ileig  verschrieben  war,  folgte  fest  mit  Nothwendigkeit 
die  Conjectur  ^  av  /tti]  felsig  nach. 

^  V.  678  macht  Hämon  den  bescheidenen  Einwurf  yivnito 
\iiv%  av  xa%eq(i}  T^Xiog  c'xov,  wobei  das  Fehlen  eines  rt  höchst 
auffällig  ist  und  der  Verdacht  einer  Corruptel  um  so  näher  liegt, 
als  die  Scholien  xaTifjiag  erklären.  Held  hat  gesehen,  dass  mr 
yivoiTo  ein  dem  layeig  685  entsprechendes  Zeitwort  nöthig  ist, 
bringt  aber  mit  geringerem  Glücke  q>d^iyyoiro  in  Vorschlag.  Es 
war  zu  schreiben: 
AEror 

4>AIN0r  TI  MENTANXATEPOCKAASICEXON 

*E8  dürfte  jedoch  auch  ein  anderer  etwas  vorbringen,  was  nicht 
übel  ist.'  0aiv€iv  ertog  für  aussprechen,  sagen  ist  aus  der 
Trago&die  bekannt  genug. 

V.  856  gibt  der  Chor  zu,  dass  sich  die  Handlungsweise 
der  Antigene  auf  die  Dike  stütze,  aber  verschweigt  ihr  auch 
nicht,  dass  sie  bis  an  die  äußerste  Grenze  des  Trotzes  vorge- 
gangen sei.  Dann  schliefst  er  mit  den  Worten  ab:  TtaxQtpoy 
oiuxiveig  tiv  a^lov.  Ich  verstehe  dieselben  ebeA^wenig,  wie 


10  M.  Schmidt,  Zur  Texteskritik  des  Sophokles 

die  Anmerkung  zu  ihnen  in  der  S.  N.'schen  Ausgabe.  Entweder 
ist  ixTiv€ig  falsch  oder  dMov,  Man  hat  an  arav  gedacht,  aber 
wenn  auch  die  atr^  der  Väter  von  der  Gottheit  noch  an  den 
Kindern  heimgesucht  und  gestraft  wird,  so  darf  man  doch  hier 
von  dieser  Vorstellung  keinen  Gebrauch  machen,  da  Antigone 
vom  Chore  selbst  TtQoßaaa  hc  kaxcczov  O^gdooic;  genannt  wird 
und  ihre  eigene  Schuld  büfst.  l^d^Xov  ist  sicher  richtig.  Die 
^vftfpoQct  der  Antigone  hat  in  der  That  gi-ofse  Aehnlichkeit  mit 
der  ihres  Vaters.  Beide  handeln  im  Dienste  der  Dike,  aber  beide 
mit  einer  Hartnäckigkeit,  dass  sie  nicht  sehen,  welchen  Ausgang 
ihr  Handeln  nothwendig  fCir  sie  selbst  nehmen  muss.  Der  Chor 
konnte  also  sehr  wohl  ihren  aMog  mit  dem  des  Vaters  ver- 
gleichen. Folglich  ist  ixTtveis  falsch,  steht  auch  gar  nicht  in 
der  Handschrift,  sondern  Uxdvug.  Mir  scheint  der  Dichter  das 
Bild  Ttqoatjiweg  %tI.  fortgesetzt  und  geschrieben  zu  haben: 

UATPOION.  lETCEniTNECAGAON 

Mit  voller  Sicherheit  wird  sich  freilich  über  naiQoiov  erst  dann 
urtheilen  lassen,  wenn  man  sich  über  das  Schlusswort  des  vor- 
hergehenden Verses  noXvv  in's  Klare  gebracht  hat.  Denn  mög- 
licherweise ist  noTQf^ov  in  naxqifiiov  zu  verwandeln  und  zu 
schreiben : 

TjQoa^nfOsg  «5  t^xvov,  novtov 

„und  80  ranntest  du  denn  in  das  Drangsal  der  väterlichen  Lei- 
den (d.  h.  der  Leiden,  wie  der  Vater)  hinein."  Auch  gegen 
^  ilajucvelg  XIV  ad^kov  durfte  unter  dieser  Voraussetzung  nichts 
einzuwenden  sein. 

Eine  der  schwierigsten  Stellen  ist  V.  1035  ff.,  wo  Kreon 
dem  Teiresias  antwortet: 

w  TiQ^aßVf  navTig  San  to^otiu  axonov 
To^tver^  dv^(}6g  rov^f,  xov^k  ^invrtxrjg 
ii7ii}(txTog  v/uTv  (ffif,  Tön'cT  vnal  yh'ovg 

Mit  den  Schollen  v(f  v/nwv  tüv  fAccvrewv  xal  xtiv  (jvyyevaiv  ist 
nichts  anzufangen;  sie  lehren  nur,  dass  der  Fehler  yevovg  alt 
ist.  Es  kann  zu  nichts  führen,  wenn  man  dafür  zolai  &  iv  yivei 
setzt,  so  lange  nicht  fAavtrKrjg  a/iQanTog  erklärt  ist,  Gleichwol 
kann  ich  auch  Bonitz  II,  S.  59  nicht  beistimmen,  der  geneigt  ist 
sich  bei  rcor  viral  yevovg  zu  beruhigen.  Ich  beziehe  noiaßv  vor 
allem  nicht  auf  Teiresias,  sondern  auf  den  Chor,  der  wahrschein- 
lich nach  Teiresias  einige  Worte  an  Kreon  gerichtet  hatte,  um 
ihm  Beherzigung  der  Seherworte  zu  empfehlen.  Den  Tiresias 
redet  er  erst  1045  an  (obschon  neuerdings  Morstadt  diese  drei 
Verse  hat  streichen  wollen),  nachdem  er  vorher  gegen  den  Qior 
seine  Galle  ausgelassen  hat,  weil  er  ihn  im  Bunde  mit  dem 
Seher  und  allen  denen  hält,  welche  auf  Bestattung  des  Poly- 


M.  S^ämiöX,  Zar  Texteskritik  des  Sophokles.  11 

neikes  dringen.  Ist  dies  richtig,  so  wird  der  Gegensatz  zu  r/av 
nicht  xüv  6 ,  sondern  t^  ^  sein,  da  nicht  die  nächsten  Ange- 
hörigen, sondern  der  Chor  und  Teiresias  dem  Kreon  gegenwärtig 
Yerajilassung  geben  sich  zn  ereifern.  Von  beiden  glaubt  er  sich 
verkauft  und  verrathen:  von  dem  Seher  schon  längst.  Sollte 
also  YnuiHENOYC  nicht  aus  YnAPlYPOY  verdorben  sein 
(vgl.  322  eTt'a^qi^.  Thuc.  VII,  48  vno  XQW^^\J  I^^  habe 
wol  auch  einmal,  verfuhrt  durch  ixTtewoQTia^ai  an  07V(og  yiuog 
gedacht,  gebe  aber  vn  dfyvQov  schon  darum  unbedingt  den  Vor- 
zug, weil  es  das  räthselhafte  vTtai  y—  sehr  leicht  erklärt  Ueber 
xüvdi  —  el^ii  endlich  hat  sich  meine  Ansicht  dahin  festgesetzt, 
dass  uns  der  Ausfall  eines  Verses  zwischen  (tiavTin^  und  a/r^a- 
xtog  des  sichern  ürtheils  beraubt.  Indessen  ist  so  viel  klar,  dass 
airgcrKTog  in  aitQayLxnq  (o  aTroaxTog)  oder  noch  wahrscheinlicher, 
um  im  Bilde  zu  bleiben,  in  dTCQarog  (o  au^cnog)  zu  verwandeln 
ist  So  passend  auch  Kreon  sich  als  einen  aTrQoxrog  (mit  dessen 
Bearbeitung  sie  nicht  zu  Stande  kommen,  also  einen  vergeblich 
bearbeiteten,  nicht  breitzuschlagenden)  bezeichnen  würde,  so  gibt 
man  doch  wol  zu,  dass  er  sich  im  Gegensatz  zu  der  Käuflich- 
keit aller  anderen,  namentlich  des  Sehers,  noch  passender  of/r^a- 
rocr  (PoU.  VII,  10  6  f^ti]  nurqaai^wv  iaxrcov)  dvrjQ  nennen  kann. 
Meiner  Ansicht  nach  hat  Kreon  ungefähr  Folgendes  geäufsert: 

jo^ivit   dv^Qog  TOtJJe,  xov  &u  ^avrixijg 
[yvävai  ratf,  tag  unaat  6v(Jxf(>r,g  iyw] 
ajiQOTog  vfitv  effit.  rot  cf'  vn  ciQyvQov 
i^rifjLnokrifiM  xdxnttfOQTiafiai  naXui, 

So  viel  Über  Stellen,  durch  deren  Besprechung  man  nicht 
gerade  lästig  zu  werden  zu  fui'chten  braucht,  da  sie  nicht  zu 
den  vielbesprochenen  Problemen  des  Stückes  gehören.  Mit  eini- 
ger Zaghaftigkeit  gehe  ich  d^egen  an  den  ven*ufenen  Anfiing 
der  Antigene  V.  2,  3. 

UQ   olaO-*  oTi  Zivg  rtav  an    OtSCnov  xaxtiv 
onoiov  ovx^  vt^v  h&  Cf^aaiv  T«A«r. 

Die  Versuche  ou  —  oitoiov  zu  erklären  sehe  man  bei  Bonitz 
Beitr.  II.  S.  12  —  17.  Seitdem  ist  die  Kritik  andere  Wege  ge- 
gangen. Nauck  dachte  an  eine  Umstellung  der  letzten  Vershäl^: 

onoiov  ovx^  Toiv  an*  Oidlnov  xaxiav. 

Das  würde  heifsen:  An  allem  Unglück,  was  uns  traf  und  treffen 
wird,  ist  Oedipus  schuld.  Ein  ganz  ungehöriger,  mit  dem  folgen- 
den unvereinbarer  Gedanke,  Meineke's  olad^a  dr  Zeig  ist  viel 
zu  leicht,  um  glaublich  zu  sein,  und  entfernt  überdies  die  Stö- 
rungen des  Sinnes,  den  wir  verlangen  müssen,  nicht  Letzteres 
gilt  auch  von  Blayde's  und  W.  Dindorf  s  p.  XLIX  Vorschlage: 
o^'  olod^  (iad^)  0  Ti  —  ikkeiTiov  oixL  —  Nach  Antigone's  Uel^r- 
zeagung  gibt  e&  kein  irgend  denkbares  xtxKovy  d^en  Bekannt* 


12  M.  Schmidt,  Zur  Texteskritik  des  Sophokleti. 

scbaft  ZU  machen  Ismene  und  sie  nicht  von  Zeus  ausersehen  sei. 
Doch  unterscheidet  sie  zwei  Cüassen  von  xaxa,  die  air  Olduiov 
und  die,  welche  ohne  sein  unmittelbares  Verschulden  seine  Fa- 
milie treffen,  deren  eines  schon  wieder  im  Anzüge  ist.  Und  zwar 
ist  die  von  Oedipus  nicht  verschuldete  Leidenmasse  in  solcher 
Menge  und  Stetigkeit  über  sie  hereingebrochen,  dass  dadurch 
die  Erinnerung  an  die  Oldlnov  ytxx^a  fast  verblichen  ist,  dass 
es  sich  schon  längst  nicht  mehr  um  sie  handelt.  Die  Meinung 
der  Antigene  ist:  Wir  scheinen  vom  Zeus  bestimmt  zu  sein, 
alles  mögliche  Unsal  zu  erdulden,  nicht  blois  derartiges  wie  es 
Oedipus  über  seine  Familie  brachte.  Denn  zahlloses,  fast  alle 
mögUchen  Formen  erschöpfendes  Leid  haben  wir  schon  erduldet, 
und  jetzt  ist  schon  wieder  eines  im  Anzüge,  wie  man  es  seinen 
schlimmsten  Feinden  anthut.  Ich  sehe  deshalb  keinen  anderen 
Ausweg,  alö  zu  schreiben: 

«^'  olad^  h*  oiyfl  töÜv  an   OiStnov  xttxwv 
onolov  ov  Z(vg  v^  tlri  ^(pacuv  zfXfi. 

Ueber  die  Stellung  It*  ovxl  s.  Trach.  44.  OB.  137.  Der  Ursprung 
des  sehr  alten  Fehlers  ist  nun  klar.  Der  Grundtext: 

APOICSETO  YXlTONAnOlJinOKAKON 
OnOlONOYZEYCNOlNETlZOCAINTEAEI 

kam  durch  Versetzung  von  ov^i  und  Zeig  zu  Schaden.  OYOYXI 
durch  Tilgung  des  überschüssigen  07  in  OYXI  zu  emendieren, 
schien  das  Metrum  zu  fordern,  und  aus  ETZEYC  ein  OTIZEYC 
zu  machen,  lag  abgesehen  vom  Zwange  des  Metrums,  schon 
wegen  der  gewöhnlichen  Formel  ag"  oloO^  ovi  nahe  genug,  wie 
denn  zufallig  Aristophanes  sogar  ccq'  ola^^  ou  Zeig  gesagt  hatte. 
—  Auch  über  das  famose  ovv^  atr^g  areq  V.  4  sei  es  gestattet 
meine  jetzige  Meinung  vorzutragen.  Der  Vers  lautet  in  den 
Büchern : 

ov^kv  yaQ  ovt   dXyHVov  orr*  (cTtjg  äfSQ. 

Die  Conjecturen  arm  yifxov,  aTTjOi^iov  sind  bekannt,  doch  mag 
wol  niemand  ihre  Kichtigkeit  verbürgen.  Nun  haben  die  alten 
Lexikographen  eine  Form  alyrjQog  angemerkt,  welche  sie  dui*ch 
akyeivog  erklären.  Legt  man  dem  Verse  diese  Form  zu  Grunde, 
indem  man  aXysivov  als  Schreibfehler  oder  Glossem  betrachtet, 
so  gewinnt  er  folgende  Gestalt: 

O  rJENFAPO  YTAArHPONO  YTATHCATEP 

Und  diese  scheint  die  Lösung  des  Kät&sels  zu  ermöglichen,  so- 
bald wir  die  Phrase  daiva  Tial  deivüv  nega  zu  Hilfe  nehmen. 
Ich  vermuthe:  ovdiv  yuQ  ovt  autjQov  ovt*  avr^g  TtiQot,  Didymus 
schon  war  auf  dem  rechten  Wege,  hätte  er  nur  dreist  den  Fehler 
in  axBo  gesucht. 

Erwäge  ich  solche  Stellen  wie  die  eben  besprochene,  so 
scheint  mir  eine  allzu  grosse  Scheu  vor  Verbesserung  offenbarer 
alter  Schreibfehler  übel  angebracht.  Immer  noch  quält  man  sich 
ab  V.  149  das  a;ia^  eifir^fUvoy  ANTIXAPEIÜA  zu  commen- 


üf.  Sdnmdi,  Zur  Texteskritik  des  Sophokles.  13 

tieren.  Warum  setzt  man  denn  nicht  lieber  das  einzig  sinn- 
gem&fse  und  verständliche  ^PTI OANEICA  ein  ?  Einem  Text, 
der  ju^riy  iXtaatov  in  igeamov  verschrieben  aufweist,  und  aus 
niga  areg  macht,  aus  fr^ftarog  naiinoXig^  wird  wol  keine  Ge- 
walt angethan,  wenn  man  annimmt  ANTlXAPElGui  sei  aus 
ANTM>APE1CA  durch  fehlerhafte  Nachbesserung  entstanden. 
Ohnehin  konnte  darauf  V.  105  itpavdijg  nfn   führen. 

Ueber  einige  andere  Stellen  begnüge  ich  mich  kürzere  An- 
deutungen zu  geben.  V.  106  betrachte  ich  1/itgyo^sv  als  ein 
Glossem  zu  Tfjleda/r^^  da  die  letzte  Sylbe  von  levxaamy  lang 
sein  muss.  —  V.  2(>3  xovSdg  ivaqyrjg  ail^  sipeiye  /r/^  eidhat 
bandelt  es  sich,  wie  von  anderen  richtig  eingewendet  ist,  nicht 
um  das  Wissen,  sondern  um  die  Thäterschaft,  daher  fii)  ddivai 
nothwendig  falsch  ist.  Mir  erscheint  die  ganze  letzte  Hälfte  des 
Verses  als  eine  ziemlich  elende  Stümperei,  der  Dindorf  zu  viel 
Ehre  anthut,  wenn  er  Ttag  t6  f,i^  für  ausreichend  hält  Ich  ver- 
misse eine  Wendung,  wie  ifiq>avuig  eq^vgedtlg.  Vgl.  Stob.  Flor. 
I  p.  428 :  xliivf(üv  orav  rtg  i/Ltq^ayiog  itferoed^^.  —  V.  287  ist 
allerdings  eTceivwv  unmöglich,  aber  deshalb  oie  Verse  285 — 288 
ganz  zu  vemrtheilen,  oder  auf  das  Mafs  zweier  zu  reducieren, 
scheint  nicht  nöthig.  Für  exQVTtrov  wird  sich  leicht  ein  anderer 
Ausdruck  finden  l^sen,  fiir  ixeivcov  aber  liegt  yievdawv  nahe. 
—  V.  575  bezweifle  ich  auch  die  Bichtigkeit  der  Ueberlieferung 
^'liörfg  6  Ttavaiov  tovoöb  rovg  yajtiovg  i/aoi.  Nur  war  ich  für 
ifwi^  wofür  Meineke  hvqh,  Nauck  ^ovog  schreibt,  auf  FAMEI 
ver&llen,  und  geneigt,  hinter  Atdrig  ein  aw  einzuschieben, 
[o/rwraiy?]  —  Aehnlich  wie  V.  287  liegt  die  Sache  V.  393.  Die 
Stelle  ist  entschieden  corrupt,  aber  sofort  in  das  von  N.  aus- 
gesprochene Verdanmiungsurtheil  einzustimmen,  kann  ich  mich 
niiit  entschliefsen.  Wenn  man  ^'xw*  rrioQ^idv,  xat  Tva^wv 
afrwfiOTog  yioQrp^  ayio  Trjvd*  liest,  ist  wenigstens  bezüglich  dieses 
Verses  der  Hauptanstofs  weggeräumt ;  den  vorausgehenden  emen- 
diert  vielleicht  ein  anderer  mit  Glück.— V.  528.  Ist  nicht  ai^taroev 
ein  ifieQoey?  —  V.  648  ist  das  echte  Wort  durch  vq>*  rjdov^g, 
ein  Glossem  zu  ywmxog  ovvex^  verdrängt.  Ist  rag  q^^evag  richtig, 
so  genügt  dvaßovlia;  ist  aber  auch  rag  cpQivag  eingeschwärzj;, 
so  stehen  viele  Möglichkeiten  der  Ergänzung  offen;  vriv  q^Qenov 
svßovXiav?  —  V.  927  ist  afiagravoiai,  larj  yclelio  xcrxa  vielleicht 
aus  ä^aQTavovoiv,  alyuo  xcrxa  entstanden.  —  V.  941  nennt  sich 
Antigene  die  letzte  ihres  Stammes:  rijv  ßaatlida  fnoivrjv 
XoiTTfjv,  Der  Vers  kommt  in  Ordnung,  wenn  wir  rijv  Aaßdcnudav 
corrigieren.  Da  die  alte  Semasie  TENAABJAKUAMMO- 
NENAOIIIEN  war,  lag  es  nahe  bei  der  Umschreibung  in  die 
neuere  Orthographie  THMBAClAlJA  daraus  zu  machen.  — 
V.  972  befremdet  i^  ayqlag  da^iaqiog  ohne  Angabe,  dass  es  die 
Gattin  ihres  Vaters,  ihre  Stiefmutter  war,  welche  sie  blendete. 
Entweder  wird  yvvaiyLog  nöthig  sein,   oder  in  tvtfho^iv  steckt 


14  3f.  Schmidty  Zur  Texteskritik  des  Sophokles. 

ein  Fehler.  Letzteres  ist  das  wahrscheinlichere,  da  ein  Scholion 
zu  aQaxO^ev  sagt  avrl  rov  vt^wkioO^ev,  Denn  hier  aQax^^ev,  Unten 
TVfphoO^ivvujv  zu  schreiben,  gent  schon  darum  nicht,  weil  ofifAcnci 
ciQctaaeiv  eine  der  Tragoßdie  geläufige  schöne  Phrase  ist.  Man 
könnte  yovrpg,  TOKrjog  oder  q^waXfiiov  '^  vermuthen.  —  V.  1021 
evoTOfiovg?  Die  schlechte  Cfäsur  des  Verses  wird  freilich  auch 
so  nicht  fort^eschaflPt,  und  in  der  That  ist  nicht  einzusehen, 
warum  der  Dichter  nicht  ovd^  evarofinvg  ^oitovaiv  ovd^  oQvip 
ßoag  hätte  schreiben  sollen.  —  V.  1108.  Für  JV"  genügt  oXd\ 
—  V.  1 156  onolov  craw  av\  ojnog  ßeßr^xor  oder  otttj  n^cowa 
rayd-Qio/iov  /^/V?  —  V.  1185.  Man  erwartet  w*  vcexreg  oliov, 
oder  wenigstens  Grjßrjg  avaxveg^  rcov.  —  V.  1203  ohatag]  yiel- 
leicht  o'Aqidog. 

Ich  knüpfe  noch  einige  Bemerkungen  zu  den  Trachi- 
nierinnen  an,  in  denen  es  noch  viel  zu  thun  gibt.  V.  831 
klagt  der  Chor:  Wenn  denn  das  Gift  des  Centauren  wirklich  an 
Herakles  Leibe  klebt,  wie  sollte  er  am  Leben  bleiben?  Dieser 
einfache  Gedanke  ist  aber  in  einem  solchen  Wortschwall  ver- 
schwommen, dass  die  Ueberlieferung  unmöglich  recht  sein  kann: 

/()/€*  doXojiotoi  nvtcyxu 
TtXevQtt  nQoaxuxivTog  iov  xtX. 

Die  alten  Erklärer  wissen  denn  auch  sich  nicht  recht  zu  helfen. 
Sie  fessen  entweder  <pnvia  vecpeXa  als  Nominativ  und  nehmen 
doXonoiog  avayy,a  als  Apposition  dazu,  Ttlavq^  aber  als  Dativ, 
wobei  (Tqrfi  natürlich  nur  auf  Herakles  bezogen  werden  kann, 
oder  sie  verstehen  unter  6.  a.  die  Deianeira,  unter  aq^a  das 
Gewand,  und  nehmen  y.  v,  als  Dativ.  Darin  jedoch  kommen 
beide  überein,  dass  (povia  verp^ka  =  to  alfia  to  S'avaaifiov  sei. 
Keine  dieser  Erklärungen  entspricht  den  Absichten  und  dem 
Stil  des  Dichters,  doch  haben  sie,  namentlich  die  erste,  wenig- 
stens den  Vorzug  der  Leichtigkeit  und  gröfseren  Verständlichkeit 
vor  der  Schneidewin'schen  voraus,  nach  der  cp.  v.  die  verderb- 
liche Umhüllung  mit  dem  Peplos  sein  soll,  welche  den  Herakles 
umfängt,  gleich  einer  das  Licht  raubenden  Wolke.  Diese  Aus- 
drucksweise bezeichnet  daher  Nauck  im  krit.  Anh.  mit  ßecht  als 
seltsam ,  ohne  einen  Versuch  zu  machen,  die  entdeckte  Corruptel 
zu  heben.  Und  doch  scheint  mir  das  Heilmittel  recht  nahe  zu 
liegen.  Man  braucht  ja  nur  Q)0]^lAlNE(DEAAl  durch  richtigere 
Auflösung  der  scriptura  continua  in: 

MONTAN  E<f*^r\MAN 

zu  verwandeln.  Deianeira  hatte  ja  auf  den  Rath  des  Kentauren 
gehandelt.  Vgl.  Find.  Fyth.  IV  233.  na/ttcpagfiaKov  ^alvag 
iq^CTfialg. 

Weniger  auf  der  Hand  liegt  das  Remedium  V.  117 


M.  Schmidty  Zur  Texteskritik  des  Sophokles.  51 

oZt(ü  ^i  rdv  Kaduo^'Bvii 
TQ^qei  t6  J*  av^ei  ßwtov 
nokvnovov  waniQ  n^Xayoc 

Es  handelt  sich  darum  das  Bild  von  den  Wogen,  welche  das 
Sdiiff  hinabziehen  und  wieder  heben,  richtig  durchzuführen.  Dass 
%(^(f€i  für  diesen  Zweck  ein  ungeeigneter  Ausdruck  ist,  leuchtet 
ein;  aber  OTQ^qm  ist  weder  ein  correcter  Gegensatz  zu  cnjSei, 
noch  wird  man  sich  lange  besinnen  dürfen  avSei  gegen  ein 
malerisches  Wort  aufzuopfern.  Wenn  wir,  wie  es  doch  immer 
unsere  Schuldigkeit  bleibt,  zunächst  die  Schollen  abhören,  so 
scheint  es  auf  den  ersten  Anblick,  als  ob  auch  sie  uns  im  Stiche 
lassen  wollten^  und  sich  ebenfalls  in  der  Verlegenheit  befunden 
hätten,  die  heutige  üeberlieferung  rgiast  und  av^si  nach  besten 
Kräften  zu  erklären.  Aber  ich  hoffe  doch  zu  beweisen,  dass  selbst 
aus  ihrem  Gewäsch  sich  die  richtige  Lesart  noch  ermitteln  lässt, 
dass  wenigstens  Aristarch  dieselbe  noch  vor  Augen  hatte,  und 
an  allem  Unheil  nur  Didymus  (oder  Pius)  Schuld  sind,  indem 
sie  einen  einzigen  Buchstaben  in  Aristarchs  Paraphrase  ver- 
lasen oder  verschrieben.  Das  älteste  Scholion  lautete  meiner 
üeberzeugung  nach  (p.  132.  133  Elmsl.)  t6  fiiv  avtov  TLaTanivu 
noQovy  TO  ^  av^ei  xat  KooKpot.  Sobald  dies  Scholion  in  Tiara^ 
novai  —  7iOQvq>ovTai  entstellt  worden  war,  musste  die  heilloseste 
Verwirrung  hereinbrechen.  Auf  dieser  Fassung  beruht  nun  die 
Anm.  z.  V.  112  to  fiiv  xi  naqov  Xvnä  xo  d*  av^ofievoy 
an6(i7ti)x€ixai ,  femer  x6  /niv  xwv  KaKuiv  ex^i  avtov  ^  xo  de 
ca^erai  xar*  avxov;  endlich  die  unsinnige  Bemerkung  xQtq^i 
avil  xov  xQißei,  als  deren  Berichtigung  xQta^si  avvi  xov  i'x^i, 
erscheint,  obgleich  deren  Verfasser  auch  nur  natte  läuten  hören, 
aber  nicht  zusammenschlagen.  Denn  man  kann  wol  sagen  ro£9)£t 
tig  novov^  aber  nicht  novog  xQtcpei  xov  äaiya.  Aus  dieser  Dar- 
stellung folgt,  dass  Aristarch  las: 

ovTfü  ^k  Tov  Ka<fit(y)'ivfj 
P04>ETT0JAIPETB10T0  xtL 

Hesycb.  ^o(ptl'  Kaxanlvei .  a  i'p  £  t  •  avSei  .xoqvtpovxai*  otv^B' 
xai.  „Bald  schlingen  die  Wogen  seines  vielbewegten  Lebens  den 
Herakles  hinab  in  ihren  Strudel,  bald  heben  sie  ihn  hoch  auf 
ihre  Kämme." 

Auch  V.  196  vermag  ich  das  Scholion  xo  no^ovv]  xo 
nodmffiiyov  für  kein  altes  zu  halten,  so  wenig  wie  V.  102 
no^otfuvf  =  no^ovay  sein  kann  {IirOOYMENAl  richtig 
Meineke).  Der  Vers  lautet: 

oi)J*  1/«*  ßttivHv  ngoata, 
TO  yd^  no&ovv  ^xaarog  ix^aS-dv  ^iltav 
ovx  av  fitd^etro  nqkv  xa&*  rj^ovtjv  xlvuv. 

Unmöglich  kann  man  xo  nod^ovv,  wie  Hermann  wollte,  mit 
iimaxog  verbinden  =  6  nod^wv  Uwg.  Denn  dadurch  würde  dem 


16  M,  8dmiMy  Zar  Texteskritik  des  Sophokles. 

Dichter  gerade  in  einer  simplen  Botenrede  eine  recht  arge  Un- 
klarheit aufgebürdet.  Nauck's  Vorschlag"  va  yao  naqov^^  — 
nod'tiv  haut  den  Knoten  durch  und  lässt  unberücksichtigt,  dass 
h^iaOüv  9^iXaiv  eine  sehr  beliebte  Wendung  ist.  In  beiden  Fällen 
endlich  müsste  noch  V.  195  €X€t  in  ia  verwandelt  werden,  wozu 
doch  an  sich  kein  Grund  vorliegt.  Ion  vermuthe,  dass  die  Ele- 
mente TOVAPIl  sehr  jungen  Gepräges  sind  und  glaube  ihren 
Ursprung  ziemlich  evident  nachweisen  zu  können.  Wenn  wir 
schreiben : 

OSONEKONEKAGTOCEKMABENBEJOI 

d.  h,  o&ovvex,'  uy  hcaarog  h.(.iad'Blv  x^ilocy  darf  doch  wol  be- 
hauptet werden,  dass  der  Bote  ein&ch  und  verständlich  rede 
und  dass  an  ex^c  nicht  gerüttelt  zu  werden  braucht.  Wenn  aber 
bei  der  Transscription  die  Elemente  ONEK  aus  Versehen  nur 
einmal  berücksichtigt  wurden,  entstand  der  defecte  Trimeter: 

o&ow%xttaTog  ixftitd-(Tv  S-^Xoi 

der  M,nz  geeignet  war,  den  Metriker  zur  Ergänzung  des  fehlen- 
den Fufses  am  Anfang  herauszufordern,  zumal  ein  yaQ  unent- 
behrlich schien.  Qeloc  musste  alsdann  d^ihov  werden.  Lichas 
kommt  nicht  von  der  Stelle,  weil  keiner  seiner  Zuhörer  auch 
nur  eine  Frage  über  den  Gegenstand  seines  Interesses  fahren 
lassen  wird,  bevor  seine  Neugier  völlig  befriedigt  ist.  Eine  Be- 
stätigung f&r  meine  Emendation  gewährt  auch  die  Construction 
von  jti€^aro,  da  ^u&iead^ai  rivog  bedeutet,  einen  Theil  wovon 
aufopfern.  S.  Valcken.  Phoen.  271. 

An  zwei  Stellen  des  Stückes  ist  die  richtige  Lesart  durdi 
denselben  Irrthum  des  alten  Schreibers  entstellt,  V.  11  und 
V.  94.  An  jener  heifst  es  von  Achelous;  tpovtiov  ivaqyrg 
TovQog  aUxn  aioXog  dQoxiov  eliTCTog.  Da  fragt  man  doch  billig, 
was  denn  ein  ^leibhaftiger  Stier'  sei,  und  ist  nicht  geneigt,  sich 
durch  Citate  abfertigen  zu  lassen,  in  denen  von  Göttern  die  Bede 
ist,  welche  den  Menschen  iva^yelg  q^ahowai.  Herwerden  ex. 
crit.  p.  123  hat  KeQaatr]g  vermuthet,  den  Zügen  näher  liegt 
Meineke's  (Soph.  OC.  p.  288)  C':^njectur  ftiv  aQyrjg,  gegen  die 
Nauck's  Einwurf  Anh.  p.  145  nicht  stichhaltig  ist;  aber  das 
richtige  wird  sein  de  oQy^g.  An  zweiter  Stelle  wird  Helios  an- 
gerufen : 

Man  lasse  sich  hier  durch  die  Kühnheit  des  Bildes  nidit  be- 
stechen, haQil^o^iva  blos  mit  tUt€i  verbinden  zu  wollen  und 
xaiewa^ei  so  nachhinken  zu  lassen.  Das  Particip  muss,  wenn 
der  Dichter  bei  Sinnen  war,  mit  beiden  Verbis  verbunden  einen 
Sinn  geben,  eine  auf  der  Naturanschauung  begründete  Vorstel- 
lung erwecken.  Nun  endet  aber  die  Nacht,  wenn  die  Sonne  auf- 
geht, und  bricht  herein,  wenn  sie  untergeht;  Aufgang  und  Un- 
tergang der  Sonne  sind  die  Grenzen  der  Nacht.   Insofern  aber 


M.  Schmidi,  Zur  Texteskritik  des  Sophokles.  IT 

die  Nacht  das  Licht  des  Helios  gehiert  und  es  zur  Ruhe  hettet, 
setzt  sie  sich  die  Grenzen  ihrer  Herrschaft  selbst,  schliefst  sich 
selbst  in  ihre  Grenzen  ein.  Folglich  konnte  der  Dichter  nur 
ein  Wort  gebrauchen  dioQiLOf^eva: 

8v  atola  W'l  6iOQi^ofAiva 
tCxTH  xaTiuva(H  T€  (pXoyiC6fi€Vov 
"jiUov  *!dliov  altm. 

V.  68  xai  nov  xXveig  viv,  riT^vov,  idQva&eu,  x^ovog.  Es 
moss  nJiveig  oq>€  Ttxvov  oder  xXmig  Ttuvov  viv  heifsen.  Wer 
darauf  aufinerken  will,  wird  finden,  dass  aq^e  besonders  häufig 
nach  einem  auf  a  schliefsenden  Worte  steht 

V.  126  ist  dvalytfua  sicher  falsch.  Der  Sinn  ist:  halte  nur 
die  Hoffnung  aufrecht;  denn  nicht  einmal  Zeus,  der  Gott  des 
festen  Entsdilusses,  pflegt  über  die  Sterblichen  Unabänderliches 
zu  verhängen.  Diesem  Sinn  würde  dvalXay.Ta  entsprechen,  doch 
scheint  mir  dies  Wort  nicht  recht  dichterisch. 

V.  689  exQtoa  ^iv  xar*  olytov  iv  do/noig  nQvtfy.  W.  Din- 
dorf  vermuthete  ivdvTOv  xptyj;  ich  würde  iv  do^ioig  vq^tjv  vor- 
ziehen. 

V.  885  scheint  mir  das  Metrum  zu  verlangen: 

Otcvarov ; 
TP,  Ävvaaaa  (xova  arovotviog  iv  tofi^  ai^aQov 

und  V.  893: 

fifydXtev  hexiv  fxtyaXav 
66 fAOig  roiaS*  l^ivvv. 

V.  1263  dürfte  es  das  einfachste  sein  AIQOKOAAHTON 
auf  NEOKOAAHTON  oder  veaQOKjtirjTov  zurückzuführen. 

Eine  nicht  geringe  Anzahl  von  Versen  des  Stückes  sind 
von  den  Kritikern  als  Interpolationen  verdächtigt  worden,  dar- 
unter namentlich  die  V.  781  f. 

xofiris  6k  Xtvxcv  fivelov  Ix^Cvu  fiiaov 
XQaros  6iaanttQivTog  aXfitnog  d^  ofiov 

trotzdem  Athen.  II.  p.  66  A  dieselben  genau  in  dieser  Fassung 
citirt.  S.  Meinek.  Beitr.  p.  42.  Die  Uebereinstinmiung  des  Athe- 
näus  mit  den  überlieferten  Fehlern  unserer  Handsciu'iften  kann 
j^och  unmöglich  ein  Beweggrund  für  uns  werden,  den  zwei 
Versen  ohne  weiters  den  Process  zu  machen,  da  die  Quelle  des 
Athenäus  schwerlich  eine  andere  als  Famphilus  war,  dessen 
Quellen  wiederum  die  nämlichen  alexandrinischen  Granmiatiker 
waren,  mit  deren  Becension  wir  es  zu  thun  haben.  Im  ersten  Verse 
ist  alles  heil  ausser  xo/m;^,  Subject  zu  iyiQaivet  ist  Herakles, 
wie  bei  Eurip.  Kykl.  404  zu  i^iqQave  iyyUcpalov  der  Kyklops. 
Im  zweiten  Verse  liegt  der  Fehler  gerade  da,  wo  man  ihn  am 
wenigsten  gesucht  hat,  in  d^  ofxov  und  dem  dadurch  afficierten 
diaanagevrog.  Giaff  hat  zwar  bereits  ähnlich  geurtheilt  und 
ßol^  —  dia^Qayevvog  alfictroaTayovg  vorgeschlagen,  aber  so  tief 

ZcilMbrlA  I.  d.  5tMrr.  0>  inn,  18C&.  I.  Heft.  2 


18  M.  Schmidt,  Zur  Tezteskriiik  des  Sophokles. 

sitzt  der  Fehler  lange  nicht.  Der  Dichter  will  sagen:  er  ver- 
spritzt des  Lichas  weifses  Hirn  und  schwarzes  Blut  (wie 
Uhland:  des  Ritters  rothes  Blut  flofs  in  den  weifsen  Schnee). 
Der  Begriff  schwarz  (nach  Ath.  VII  vniqv^qov  itiilav)  steckt 
eben  in  GOMOY^  und  wird  wieder  gewonnen  sobald  wir 

dutanaQivta  S*  ctYfjaTog  d-oXov 

herstellen.  So  erklärt  der  Scholiast  zur  Ära  des  Dosiades  in 
der  Anthol.  Pal.  XV,  25  richtig  oXog  durch  alf^(x.  olog  aber, 
oder,  wie  Lob.  ProU.  102  schreibt,  olog  ist  eine  attische  Neben^ 
form  von  ^oIoq,  was  jedoch,  wie  man  aus  Phrynich.  app.  soph. 
12,  23  sieht,  ebenso  gut  attisch  war.  Zweifelhafter  ist  die  Emen- 
dation  von  KOMEC.  Schwerlich  hat  Th.  Bergk  mit  y^oQGTjg, 
oder  Graff  mit  ßokfj  das  rechte  getroffen,  ob  aber  KONAlC 
(xoyalg)  oder  ob  KONXHC  (xoy/ijc:  Hirnschale)  zu  lesen  ist, 
schwanke  ich  selbst.  Jedenfalls,  bin  ich  überzeugt,  ist  durch 
meine  Andeutungen  der  Weg  der  Emendation  bezeichnet.  Das 
Weitere  wird  davon  abhängen,  ob  ^oX  —  ol  —  oder  6l  —  die 
hier  gewählte  Wortform  war  und  ob  das  Wort  auch  im  Plura 
gebraucht  wurde.  Unter  letzter  Voraussetzung  würde  ich  es  bis 
auf  weiteres  mit: 

xovtttg  ^k  Uvxov  fiveXov  affiarog  ^' oXovg 
XQardg  SmanaQ^vrag  lxQtt(v€i  fiiöov 

versuchen. 

An  anderen  Stellen  hat  zuerst  oder  nach  anderen  Nauck 
den  Verdacht  der  Unechtheit  geäufsert.  Ein  paar  derselben  glaube 
ich  ebenfalls  in  Schutz  nehmen  zu  müssen.  So  gleich  V.  25 
fArj  liot  TO  Y.aXkog  alyog  e^evQoi  tcotL  Dass  wir  24,  25  nicht 
vermissen  würden,  wenn  sie  fehlten,  ist  ganz  richtig,  ebenso 
richtig  ist  die  Bemerkung  Dobröe's,  dass  sie  wie  eine  Tautolo- 
gie aussehen  und  dass  xaAAog  geradezu  eine  Widersinnigkeit 
hineinbringt,  weil  Deianeira  hier  ihr  Wohl  und  W^ehe  nur  vom 
Ausgange  des  Kampfes,  nicht  von  ihrer  Schönheit  abhängig 
machen  kann.  Darum  eben  hätte  man  aber  den  Fehler  in  y,alh)g 
suchen  und  nicht  summarischen  Process  mit  zwei  ganzen  Versen 
machen  sollen.  Der  Zusammenhang  ist:  xat  zqoTtov  fiiv  —  rilog 
d",  d.  h.  wie  der  Verlauf  des  Kampfes  war,  weifs  ich  nicht, 
aber  der  Ausgang  war  nach  Wunsch.  Die  ganze  Parthie  ist 
Ausführung  von  axXverai  ^uc,  was  V.  26  wieder  aufgenommen 
wird,  erweitert  durch  xaAc3c:,  um  et  öi]  xaXcog  anzuknüpfen.  In 
gleicher  Weise  ist  auch  das  erste  Glied  der  Ausführung  erwei- 
tert durch  die  Begründung,  warum  sie  den  Kampf  nicht  be- 
schreiben kann.  Es  fehlte  ihr  natürlich  die  Gemüthsruhe  der 
übrigen  Schaugenossen.  Diese  konnten  sich  der  ^ia  mit  ge- 
spannter Aufmerksamkeit  überlassen,  sie  safs  da  betäubt  von 
der  Angst  vor  einem  möglicherweise  für  sie  unglücklichen  Aus- 
gang des  Kampfes.  Es  muss  mithin  in  wiXXog  em  Wort  stecken, 
welches  auf  riXog  vorbereitet,   und  dies  ist  piiiXov^   „das,  was 


M.  Schmidt,  Zur  Texteskritik  des  Sophokles.  lü 

sich  da  vorbereitete."   Gegen:  ^r  fioi  to  (iiXlov  alyog  i^&V' 
Qoi  Ttfyri  ist  absolut  nichts  einzuwenden. 

V.  584  ff.  ist  Nauck  freilich  nicht  so  weit  gegangen,  durch 
Klammem  auszuscheiden,  aber  aus  dem  kr.  A^.  ersieht  man 
doch  seine  Geneigtheit,  W.  Dindorf  s  Urtheile  beizustimmen,  und 
585  wird  in  den  Noten  mit  Wunder  verworfen.  Auch  hier 
scheint  es  sich  mir  nur  darum  zu  handeln,  einen  Textfehler  zu 
heben,  dessen  Sitz  z.  Th.  schon  von  Nauck  selbst  entdeckt  ist, 
z.  Th.  von  mir  nachgewiesen  werden  soll.  Fehlerhaft  ist  erstens 
iav  TttüQy  sodann  aber  auch  vTteQßalovf^ied^a,  Es  ist  vjieQßalov^ 
ftivf]  zu  schreiben,  sc.  ^o/,  und  daraus  folgt,  dass  EAMTIOC 
ein  *Adverbium  darstellt,  wahrscheinlich^^FiJßCoder  ^2\r^- 
TfiC,  denn  der  milde,  arglose  Charakter  Deianeira's  wiU  sich 
der  lole  zwar  entledigen,  aber  ohne  ihr  persönlich  wehe  zu  thun. 
Darum  versichert  sie  dem  Chore:  „Wittre  du  nicht  etwa  hinter 
meinem  Thun  7(.(xY.0Lg  roXfiag,  Pfui  über  die  Weiber,  welche  in 
ihrer  Eifersucht  zur  Giftmischerei  und  anderem  bösem  Zauber 
greifen !  Ich  habe  diese  Veranstaltung  getroffen  als  eine,  welche 
mit  ganz  unschuldigem  Liebeszauber  den  Sieg  über  dies  Mäd- 
chen davontragen  wird."  Im  Partie,  fut.  spricht  sich  die  Zuver- 
sichtlichkeit ihrer  Hoffnung  aus,  trotz  deren  sie  sich  besserer 
Einsicht  unterwerfen  will  — ei  tl  fii]  u.  s.  w. 

Aehnlich  scheint  die  Sache  V.  79  zu  liegen,  wo  die  dritte 
S.  N'sche  Auflage  a&Xov — ijör]  wegschneidet  und  tovz^  dvarlas 
für  rovTov  aqag  in  Vorschlag  bringt.  Die  üeberlieferung  lautet 
nämlich: 

(og  fj  reXevTrjv  tov  ßlov  fiiXUi  t^Utv 
^  TovTov  aQug  ad^Xov  €ig  tov  vOt^qov 
tov  lomov  ^drj  ßCoxov  kva(tov   l^x^iv. 

Der  geringste  Anstofs  ist  tov  Xotnovy  mit  %6  Xoinov  ist. 
leicht  geholfen.  Der  erheblichste  ist  aqag  ad-Xor.  Aber  was 
nöthigt  denn  beide  Worte  zu  verbinden?  was  ad^lov  in  der  Be- 
deutung Mühsal,  Kampf,  statt  in  der  anderen  Kampfpreis 
zu  fassen?  Kann  denn  nicht  das  Orakel  den  ßiorog  eiaiojv  als 
ein  a&lov  in  Aussicht  gestellt  haben  ?  War  dies  der  Fall,  dann 
entbehrt  tovtov  aqag  freilich  seines  Nomens,  aber  dasselbe  ist 
doch  wahrlich  nicht  so  schwer  zu  errathen.  Was  Heraklerf  gegen 
Oechalia  unternimmt,  ist  ein  azolog,  und  jeder  weifs,  dass  man 
OToXov  aiQsiv  sagt.  Zum  IJeberfluss  schliefst  der  voraufgehende 
Vers  auf  TeXeiv,  was  doch  schwerlich  etwas  anderes  ist  als  ar«- 
Xuy  und  nicht  so  dreiste  Vorschläge  wie  Xveiv  oder  neq^v  hätte 
hervorrufen  sollen.  Den  Wortlaut  der  (xcLvxua  maiä  erfahren 
wir  aus  Herakles  eignem  Munde  V.  1170: 

ij  fioi  XQ^'^'V  ^V  C<u>iT»  xttl  TTttQOvri  vvv 
i(faaxt  ^ox^tov  Ttov  ((pfaTeoratv  i/uoi 

Xvaiv  reXiiaS-ai.  xa^oxovv  nQa^Hv  xnjlaic. 

TÖ  d'^y  tt^*  ov^kv  icXXo  nXr^v  d-avtlv  ifii. 

2* 


so  üf.  Schmidt,  Zar  Texteskriük  des  Sophokles. 

Im  Stile  der  alten  Orakel  mag  das  etwa  gelautet  haben:  'Im 
dritten  Monat  aber  wirst  du  die  Stadt  Oechalia  zerstören,  und 
alsdann  ist  dir  das  Ende  deiner  Mühen  und  als  Eampfpreis 
bescheert  ein  hinfort  glückseliges  Leben/  Im  dritten  Monat  — 
denn  wenn  Herakles  V.  156  in  seiner  letztwilligen  Verfügung  beim 
letzten  Abschied  von  Deianeira  15  Monate  als  äuTserste  Dauer 
seiner  Abwesenheit  ansetzt,  so  rechnet  er  das  Jahr  seiner  Dienst- 
barkeit bei  Omphale  mit  ein,  welches  natürlich  das  Orakel  der 
Seilen  nichts  angeht.  Da  er  sich  den  Spruch  aufgezeichnet  hat, 
und  das  Täfelchen,  welches  ihn  enthielt,  der  Deianeira  einge- 
händigt, vorgelesen  und  daran  weitere  Aufträge  geknüpft  Imt, 
80  weifs  seine  Gattin  den  Wortlaut  ebenfalls  genau  und  ihre 
Angst  kann  demnach  nicht  darin  ihren  Grund  haben,  dass  der 
Spruch  von  einer  zelevri]  tov  ßiov  gesprochen  hatte,  wenn  er 
auch  die  Möglichkeit  eines  glücklichen  Ausganges  offen  liefs, 
sondern  einfach  darin,  dass  <Ue  angegebene  Zeit  da  ist  und  alle 
Orakel  zweideutig  sind.  Zu  einem  ^— JJ,  wie  unser  Text  gibt, 
hat  sie  gar  keinen  Grund.  Hat  doch  Herakles  selber  seine  Ver- 
fagungen  nur  getroffen,  um  für  alle  Fälle  gesorgt  zu  haben, 
den  Zug  aber  in  dem  guten  Glauben  auf  glückliche  Heimkehr 
und  ein  ferneres  müheloses  Leben  unternommen.  Das  ^—r}  scheint 
mir  irgend  wer  verschiüdet  zu  haben,  der  ^oTtri  nicht  richtig 
verstand.  Während  Deianeira  den  Sohn  auffordert,  dem  Vater 
im  kritischen  Momente  zur  Seite  zu  stehen,  dsmiit  sich  die 
Wagschale  zu  seinen  Gunsten  entscheide,  meinte  jener,  es  handle 
sich  schon  V.  79  f.  um  Leben  und  Tod,  wie  in  der  -Wendung 
V.  83,  84.  Alle  diese  Erwägungen  bestimmen  mich  zu  glauben, 
dass  ungefähr  folgendes  dastand: 

(og  ig  Tf Jlfi;Ti)i'  ruiv  novwv  fiillsi  areXuv 
xal  TovTov  UQug  tov  aroktov  navvaTarov 
t6  Xomov  a^kov  ßtoxov  tvaCtuv    i/tiv. 

Jena.  M.  Schmidt. 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

Griechische  Schulgrammatik  und  Lesebuch  zur  Erlernung  des 
atÜBchen  Dialektes  yon  Dr.  Friedrich  Bellermann,  Director  des  Ber- 
liner Gymnasiums  zum  muen  Kloster.  Zweite  umgearbeitete  Auflage. 
Erster  Theil.  GrammatiS.  Vm  u.  245  S.  Leipzig,  A.  Felix,  1864.  — 
20Sgr. 

Was  der  Recensent  der  ersten  Auflage  in  dieser  Zeitschrift  1853, 
8.  902  ff.,  Prof.  Georg  Curtius,  als  einen  Mangel  bezeichnet  hatte,  das 
Fehlen  eines  Vorwortes,  worin  der  Verfasser  dem  Leser  seine  Abeicht  kund 
gäbe,  dem  ist  diesmal  abgeholfen,  indem  eine  Vorrede  vorausgeschickt  ist. 
Darin  er£ahren  wir,  dass  jetzt  Grammatik  und  Lesebuch  getrennt  sind, 
und  dass  wer  die  Grammatik  dem  Unterrichte  zu  Grunde  lege,  allerdings 
wohl  thun  werde,  auch  das  Lesebuch  zu  gebrauchen,  da  dieses  sich  genau 
dem  in  der  Grammatik  befolgten  (jange  anschliefse.  Letzterer  ist  aber 
auch  ein  dem  Verf.  ganz  eigenthümlicher  und  besteht  darin,  im  An&nge  nur 
das  in  die  Grammatik  aufzunehmen,  was  unumgänglich  nothwendig  ist, 
um  so  schnell  als  möglich  zur  Leetüre  schreiten  zu  können.  Es  werden 
darum  in  den  §.  1 — 34  die  Leseregeln,  die  noth wendigsten  Aocentregeln, 
das  wichtigste  von  der  sogenannten  ersten  und  zweiten  Declination,  sowol 
Subetantiva  als  Adjectiva  und  die  Comparation  und  Adverbialbildung  der  letz- 
teren behandelt  Ja  der  Vf.  fUgt  gleich  einige  Pronomina  bei  und  beschlieM 
dies  mit  einem  Capitel  «über  die  Stellung  der  Adjectiva  und  des 
Artikels.**  Das  ist  aber  nebst  einigen  Präpositionen  und  den  Verbalfor- 
men iarl,  etai  und  f<pti  das  ganze  Material,  um  zur  Leetüre  des  Abschnittes  I 
im  Lesebuche  schreiten  zu  können.  Auch  im  nachfolgenden  ist  der  Stoff 
stets  so  getheilt,  dass  dem  regelmäfsigen  und  leichteren  das  unregel- 
mäTsige  und  schwerere  in  einem  spateren  Abschnitte  folgt.  Das  eigenthüm- 
liche  unserer  Grammatik  zeigt  sich  schon  hier;  es  ist  das  Bestreben,  die 
Sjntaz  mit  dem  etymologischen  Theile  zu  verbinden  und  den  ganzen  9toff 
stufenweise  in  entsprechenden  Gaben  den  Schülern  vorzulegen.  Für  prak- 
tische Schulzwecke  können  wir  diesem  Verfahren  nicht  den  Werth  abspre- 
dien,  da  mehr  oder  weniger  ebenso  jeder  Lehrer,  wenn  er  auch  eine  an- 


22  F.  BeUermanfiy  Griech.  Gramm.,  ang.  v.  J.  Lifsner. 

dere  Grammatik   gebraucht,   verfahren   muss;   aber  diesen  Gang  in  einer 
Grammatik  einzuschlagen,  ist  doch  auch  mit  Nachtheilen  verbunden. 

Vor  allem  wird  dadurch  oft  zusammengehöriges  getrennt. 
So  werden  die  Adjectiva  nirgends  im  Zusammenhange  behandelt,  sondern 
sind  unter  die  erste  und  zweite  Declination,  die  dritte  Declination  und 
die  unregelmafsige  Declination  vertheilt;  ebenso  die  Pronomina,  die  §.  82, 
83,  52,  89,  90  zerstreut  stehen,  wozu  dann  noch  der  dritte  Abschnitt  mit 
sehr  eingehenden  syntaktischen  Erläuterungen  tritt  Auch  von  den  Zahl- 
wörtern steht  die  Declination  von  elg,  (Tro,  TQtTg,  riaaaQeg  §.  91,  während 
das  übrige  §.  231—241  behandelt  ist,  wobei  wir  gleich  erwähnen,  dass 
§.  89—  92  unregelmäfsig  declinierte  Pronomina  und  Zahlwörter  behan- 
delt werden  und  §.  231  steht,  dass  r^aauoeg  ^Tege\m'&t%ig  nach  der 
dritten  Declination  abgeändert  wird."  Also  steht  riaaaQig  §.  91  nur,  weil 
es  der  Schüler  ftir's  Lesebuch  eher  braucht !  Rücksicht  auf  praktische  Zwecke 
ist  es  auch,  wenn  Capitel  8  ntu^tixü  im  Indicativ  durch  alle  Tempora  und 
Genera  durchflectiert  wird  und  dann  im  Capitel  9  S.  84  ff.  noch  einmal 
durch  alle  Modi,  Tempora  und  Genera  flectiert  erscheint.  Denn  das  achte 
Capitel  soll  eher  gelernt  werden,  ehe  das  vollständige  Paradigma  an  die 
Reihe  kommt.  Freilich  wird  mancher  meinen,  dass  der  Schüler  den  Indi- 
cativ von  nai^evto  ebenso  gut  lernen  kann,  wenn  neben  ihm  noch  der  Con- 
junctiv,  Optativ  u.  s.  w.  steht,  als  wenn  diese  fehlen. 

Diese  Methode,  den  Lehrstoff  bruchstückweise  darzustellen,  zwingt 
andererseits  öfter  zu  Wiederholungen.  So  ist  §.  83  unter  der  Aufschrift 
'Nomina  mit  gemischter  Flexion'  tlyxf^vg  wieder  aufgeführt,  ungeachtet 
alles,  was  zu  sagen  war,  schon  §.  58  steht.  Die  Accentregel  §.  182,  3,  b 
über  Conjunctive  wie  Svvto^av  steht  schon  §.  181  u.  ä.  Zum  Theil  gehört 
hieher  §.  80.  Nach  der  Aufschrift:  *Unregelmäfsige  Declination.  1.  *Sub- 
stantiva*  fahrt  der  Hr.  Verf.  fort:  „Nicht  eigentlich  unregelmäfsig 
...  sind:  Zivg,  nvv$,  xvtov,  ^(>^^,"  von  denen  aber  1  zum  Theil  und  3 
vollständig  schon  §.  70  behandelt  sind.  Und  nun  folgen  §.  81  Wörter, 
welchc^wirklich  unregelmafsige  Casus  haben.  Jedoch  auch  diese 
sind  zum  Theil  schon  früher  fast  vollständig  behandelt,  wie  xli(g  und 
fuciQTvg  §.  57,  yvvrj  §.  53,  tivq  §.  76  im  Verzeichnisse.  Dasselbe  gilt  vom 
ganzen  siebenten  Capitel  „Genusregeln**,  dessen  zweiter  Theil:  'Genusre- 
geln  der  Substantiva  nach  ihrer  Endung',  Wiederholungen  von  früher  vor- 
getragenem enthält,  namentlich  über  die  dritte  Declination  sind  §.  78  schon 
viele  Regeln  aufgestellt. 

Das  Capitel  der  Lautlehre  fehlt  so  zu  sagen  gänzlich.  Nur  hie 
und  da  finden  sich  die  nothdürftigsten  Bemerkungen.  Dass  der  Hr.  Verf. 
auch  in  dieser  Auflage  den  alten  Standpunct  beibehielt,  wollen  wir  ihm 
nicht  zum  Vorwurfe  machen,  hoffen  aber,  dass  nach  dem,  was  in  der  Rich- 
tung zum  bessern  bereits  geschehen  ist,  in  nicht  gar  femer  Zeit  eine  For- 
menlehre, wie  sie  noch  vor  30  Jahren  erklärlich  gewesen,  nicht  mehr  mög- 
lich sein  werde.  Curtius  hatte  auch  dies  schon  gerügt,  aber  so  weit  wir, 
da  uns  die  erste  Auflage  nicht  vorliegt,  zu  beurtheilen  vermögen,  hat  es 
dem  Hm.  Verf.  nur  an  äusserst  wenigen  Stellen,  z.  B.  §.  54.  3  und  §.  4 
beliebt,  auf  jene  Ausstellungen  Rücksicht   zu   nehmen.   Allerdings  liefse 


F,  BeUermannf  Griech.  Gramm.,  ang.  v.  /.  Lifsner.  ft9 

sich  manches  nar  beseitigen,  wenn  von  einer  ganz  anderen  Gmndan- 
schanung  ausgegangen  wird.  Warum  aber  §.  123  „kein  Augment  erleiden 
auch  alle  sonst  zu  An&nge  der  Yerba  vorkommenden  Yocale  und  Diph- 
thongen: t,  i;,  17,  Ol,  (i,  ovj  nur  dass  i  und  t;,  wenn  sie  kurz  sind, 
lang  werden**,  trotz  der  Einsprache  vonCurtius  unverändert  blieb,  ver- 
mögen wir  nicht  einzusehen.  Nicht  viel  besser  als  dies  ist  §.  183:  „Die 
Flexion  auf  fii  ist  also  eine  Flexion  ohne  Bindevocal  und  verhält  sich  zur 
gewöhnlichen,  wie  liebte  zu  liebete,  oder  ferrem,  fertur  zu  legerem,  le» 
güur.  Daher  nennt  man  sie  auch  syncopierte  (Konjugation,  was  aber  nicht 
heifsen  soll,  dasss  ie  aus  der  gewöhnlichen  durch  Syncope  entstanden  sei, 
sondern  es  sind  zwei  verschiedene  Arten,  die  Endungen  mit  dem  Stamme 
zu  verknüpfen.**  Das  helfet  also,  man  nennt  sie  syncopierte  Conjuga- 
tion,  weil  (?)  sie  nicht  synoopiert  ist.  Nachdem  wir  im  §.  45  gelernt,  dasa 
'  man,  um  ein  Wort  der  dritten  Declination  flectieren  zu  können,  a)  aufser 
dem  Nominativ  noch  einen  anderen  Casus  z.  B.  den  Genitiv,  und  b)  wis- 
sen m&sse,  wie  der  Yocativ  singularis  lautet,  da  er  zwar  bei  den  meisten 
Wörtern  dem  Nominativ  gleich  sei  und  nur  in  gewissen  Fällen  eine  eigene 
Form  habe,  werden  §.  53  diese  Fälle  aufgezählt  und  da  lesen  wir  zweitens 
am  Schlüsse:  „Oxytona  also,  die  nicht  auf  tiq  ausgehen,  haben  keine  eigene 
Vocativform.  Z.  B.  o  noifirjv  Hirt  .  .  .  tw  noifirjv,  aaipcd^g^  /?  sicher.  .  . 
m  datfitlig,'^  Also  ist  hier  der  N»)minativ  Neutr.  als  Yocativ  für  das  Mas- 
culinum  gebraucht?!  §.  137  lesen  wir:  „Die  Yerba  auf  ito,  z.  B.  tfiUn, 
werden  so  contrahiert: 


Imit  e  wird  u 
mit  o  wird  ov 
vor  1?,  «t,  »?,  w. 


o«  fällt  aus, 

d.  h.  das  €  wird  nur  mit  den  kurzen  Lauten  i  und  o  zu  neuen  Lauten  t 
und  ov  verbunden,  vor  den  sechs  langen  wird  es  so  aufgenommen 
(verschlungen),  dass  kein  neuer  Laut  entsteht.**  e  fällt  also  doch  nicht 
aus  und  die  Erläuterung  zur  Regel  hebt  diese  selbst  auf.  —  Das  auffälligste 
im  ganzen  Buche  aber  ist  für  uns  folgende  Lautregel  gewesen:  Nach 
§.  142,  2  und  3  soll  nämlich  aus  tt,  ß,  (p  mit  nachfolgendem  x  ein  </>,  aus 
»,  y,  X  ^^^  *  *^  ^^  X  eiitstehen  können.  Die  Regel  ist  aufgestellt  ge- 
legentlich der  Bildung  der  Perfecta  activa  aus  Stämmen  auf  Lippen-  und 
Kehllaute,  z.  B.  ßXinto  perf.  ßißXi(fa  aus  ßfßXenxa  oder  nkixoj  perf.  n^nX^xn 
aus  n^f/iAfx-x«?? 

Zu  manchen  Absonderlichkei£en  verleitet  den  Hm.  Yerf.  das  Stre- 
ben nach  Originalität,  verbunden  mit  der  Sucht,  alles  zu  schematisi- 
ren.  So  lautet  die  Regel  über  das  «  im  Yocativ  der  Masculina  der  soge- 
nannten ersten  Deklination  auf  17?  §.  21:  „Es  wird  also  in  den  Casibus 
des  Singulars  der  Yocal  des  Nominativs  («  oder  rf)  beibehalten,  aufser. . . 
im  Yocativ  derer  auf  1??,  dessen  Endung  meist  «  ist.  Nämlich  1;  haben  im 
Yocativ  nur  die  nicht  auf  rifig  ausgehenden  Nomina  propria,  welche 
nicht  Yölkemamen  sind,  z.  B.  l-iiQfiJtjg  u.  s.  w.  Alle  übrigen  haben  «, 
nämlich:  a)  alle  Appelativa,  z.  B.  yeM^ixQrig .  .  .  d^xnatrig,  die  Mehrzahl 
dieser  endigen  auf  ri]g^  b)  alle  Nomina  propria  auf  ri??,  z.  B.  "OQ^aTtig, 
O^oyrijf,  t)  alle  Yölkemamen,  z.  B.  JTi(tatjg,*^  Das  erste,  was  man  berechtigt 


24  F.  Bettermann,  Griech.  Gramm.^  ang.  t.  J,  lAftner. 

ist  von  einer  Regel  zu  fordern,  ist,  dass  sie  mit  Bestimmtheit  das  Gesetz 
hinstellt,  also  vor  allem  posiliv  lautet;  dämm  ist  es  entschieden  zu  tadeln, 
wenn  es  heifst:  „Die  nicht  anf  rrig  ausgehenden  N.,  welche  nicht 
etc."  üeherdies  waren  der  Natur  gemäfb  zuerst,  wie  es  in  Kühner  §.  27, 
Curtius  §.  121,  Krüger  §.  15,  4,  3  geschieht,  die  Fälle  aufzuzählen,  wo 
R  eintritt  und  dann  kurz  zu  sagen:  die  übrigen  haben  17.  Auch  sonst  kön- 
nen wir  der  Gliederung  der  «-Fälle  nicht  nur  keinen  Vorzug  vor  der  her- 
kömmlichen Eintheilung  bei  Kühner  und  Curtius  zugestehen,  sondern 
müssen  in  ihr  vielmehr  eine  unnöthige  Verwirrung  des  von  andern  schon 
längst  klar  geordneten  Stoffes  und  eine  Erschwerung  für  ^hüler  sehen, 
denen  so  etwas  zum  Auswendiglernen  geboten  wird. 

Da  der  Verfasser  auch  hinsichtlich  der  Terminologie  seine  Vorgän- 
ger unbeachtet  lässt  und  absichtlich  herkömmliche  Termini  vermeidet,  so 
geschieht  es  ihm  bisweilen,  dass  er  lange  Umwege  machen  muss,  die  nach 
unserer  Ansicht  schwerlich  dem  Schüler  zu  statten  kommen.  Die  Unter- 
scheidung der  Tempora  in  historische  und  Hauptzeiten  hat  Ret  nirgends 
in  dem  Buche  gefunden  und  demgemäTs  auch  nicht  die  Benennung  „Per- 
sonalendungen  der  historischen  und  Haupttempora.''  Hätte  der  Hr.  Verf. 
letztere  Ausdrücke  gebraucht,  so  würde  es  im  §.  lüO  wol  kurz  lauten:  „Die 
historischen  Tempora  haben  in  der  dritten  Person  dualis  activi  Tfir,  die 
Haupttempora  top*',  und  §.  117,  2.  »Dei^  Conjunctiv  hat  die  Personalen- 
dungen der  Haupttempora,  der  Optativ  jene  der  historischen  Tempora.* 
Statt  dessen  liest  man  §.  100:  „Die  Tempora,  welche  das  Augment  I  nicht 
haben  (das  Präsens,  Perfectum  und  die  Futura)  bilden  die  zweite  und 
dritte  Person  des  Dualis  gleichlautend  auf  ov.  In  den  Temporibus  dage- 
gen, welche  es  haben  (im  Imperfectum,  Aoristus  und  Plusquamperfectum) 
geht  die  zweite  Person  des  Dualis  auf  ov  und  die  dritte  auf  ijr  aus*',  und 
g.  117,  2:  „Die  zweite  Person  des  Dualis  endigt  auf  ov  in  allen  Modis 
aller  Tempora,  die  dritte  aber  in  allen  Conjunctivis  und  in  den  mit  dem 
Augment  i  nicht  versehenen  Indicativis;  auf  i?y  endigt  sie  in  allen  Opta- 
tivis  und  Indicativis,  die  das  Augment  (  haben  etc.**  Welcher  Vortheil  da- 
gegen aus  der  Eintheilung  in  Consonanten-  und  Vocalendungen  erwächst, 
ist  nicht  einzusehen,  besonders  da  wir  bei  der  Conjugation  auf  fii  wieder 
hören,  dass  diese  eine  bindevocallose  Flexion  ist.  Freilich  steht,  wie 
oben  bemerkt,  gleich  dabei  die  Beschränkung,  dass  sie  auch  sjncopiert 
heifse,  folglich  vocalische  Endungen  gehabt  habe. 

Wie  sehr  der  Hr.  Verf.  es  liebt,  die  möglichen  Fälle  aufzuzählen, 
unbekümmert  darum,  ob  die  Sprache  dazu  stimmt,  zeigt  §.  148,  2,  wo  ea 
helfist:  „Die  Abweichung  (der  Verba  liquida)  von  der  Flexion  der  übrigen 
Verba  betrifft  gerade  die  fünf  Tempora,  welche  sonst  den  durchgehenden 
Endungsoharakter  a  haben,  also  das  Futurum  Activi  und  Medii,  den  Aori- 
stus Activi  und  Modii,  das  Futurum  exactum  Passivi.**  Und  in  demselben 
Paragraphe  unter  c)  steht:  „Das  Futurum  exactum  fehlt  bei  allen 
Verbis  liquidis."  Hieher  rechne  ich  §.  180,  wo  Folgerungen  aus  der 
Flexion  der  Verba,  die  nach  tarriftt  gehen,  gezogen  werden,  besonders  den 
Schluss:  „Aus  diesen  Beispielen  ersieht  man,  dass  das  Präsensaugment  eine 
mit  »  gebildete  Beduplication  ist ... .  und  dass  mehrere  Präsentia  dieaer 


F.  BeUetmomn,  Griech.  Gramm.,  ang.  y.  J.  Liftner.  tS 

Flexion  ohne  Augment  sind;  so  aya/daiy  dvvafitu,  iniatafiaij*  Die  letzte 
Folgerang  ist  zum  mindesten  überflflssig. 

Wenn  wir  noch  bemerken,  dass  das  Material  fltr  den  attischen  Dia- 
lekt mit  gröMer  Genauigkeit  und  vollständig  zusammen  getragen  ist, 
glauben  wir  den  in  unserem  Buche  behandelten  etymologischen  Stoff  hin- 
reichend gekennzeichnet  zu  haben  und  wenden  uns  nun  zum  syntakti- 
schen Theile.  Was  diesen  anlangt,  so  ist,  wie  schon  oben  angedeutet  wor- 
den, Ton  einer  Tollständigen  Syntax  keine  Bede.  Namentlich  fehlt  die  Ca- 
roslehre  gänzlich,  wenn  man  nicht  etwa  die  hie  und  da  in  der  Formen- 
lehre eingestreuten  kurzen  Notizen  daf&r  nehmen  will,  wie,  wenn  §.264, 2^ 
der  oomparative  Genitiv  gel^entlich  der  comparativen  Ck>i^unctionen 
erwähnt  wird,  wenn  g.  122,  wo  vom  Augment  der  Verba  mit  ^,  einem 
Doppeloonsonanten  oder  zwei  Consonanten  auliser  Muta  cum  liquida  die  Bede 
ist,  neben  den  Beispielen  der  Casus  eingeschaltet  wird,  den  sie  regieren, 
L  B.  (ivfifiovivfo  erwähne  (auch  mit  dem  Genitiv),  axfqito  beraube  (mit 
dem  Genitiv  der  Sache),  fp&ov^w  beneide  (mit  dem  Dativ).  Besonders  fin- 
det dies  im  Verzeichnis  der  unregelmäDsigen  Verba  statt.  Dass  aber  dann 
manche  (^ebrauchsarten  —  Genitivus  absolutus,  Accusativ  der  Beziehung 
—  gar  nicht  vorkommen,  ist  nicht  zu  verwundem.  Die  Lehre  von  der 
Congruenz  des  Verbs  ist  vertreten  durch  eine  kurze  Note  in  §.  117,  ö. 
Daselbst  wird  von  der  Bildung  des  Conjunctiv  und  Optativ  perfecti  passivi 
gehandelt  und  zum  Plural  beigesetzt:  „Zum  Neutrum  Pluralis  setzt  man' 
aber  im  Griechischen  überall  das  Verbum  im  Singular." 

Zum  Thcil  sehr  eingehend,  in  manchen  Puncten  ausführlicher  als 
in  anderen  gröfseren  Grammatiken,  handelt  der  Hr.  Verf.  im  dritten  Ab- 
schnitt: „Uebersicht  der  Pronomina,  Zahlwörter  und  inflexiblen  Bedetheile** 
&ber  den  Gebrauch  der  Pronomina  personalia,  ein  Abschnitt,  den  gewiss 
mancher  mit  Befriedigung  lesen  wird.  Der  vierte  und  letzte  Abschnitt  be- 
handelt den  „Gebrauch  der  Tempora  und  Modi"  und  zwar  wird  zuerst  L  der 
Indicativ,  dann  n.  die  Tempora  des  Particips,  lU.  die  Bedeutung  der  Modi 
in  den  verschiedenen  Temporibus,  IV.  der  Conjunctiv,  V.  der  Optativ, 
VI.  die  indirecte  Bede  durchgenommen.  Ein  Anhang  gibt  noch  1.  die  Ueber- 
ächt  des  Gebrauches  der  Partikel  äv,  2.  eine  Uebersicht  der  hypothetischen 
Sätze  und  3.  eine  Tabelle  über  die  Modi  Wie  schon  die  Gliederung  des 
Stoffes  eine  dem  Hrn.  Verf.  eigene  ist,  so  bietet  auch  die  ganze  Behand- 
lung sehr  viel  beachtenswerthes  dar,  w6nn  wir  auch  nicht  immer  beizu- 
stimmen vermögen,  wie  z.  B.  §.  275,  wo  gelehrt  wird,  dass  die  Partidpien 
des  Aoristes  und  des  Perfectums  im  wesentlichen  gleichbedeutend  sind. 
Namentlich  scheint  uns  die  Erklärung  von  idv  und  anderen  Partikeln  und 
Relativen  mit  dem  Conjunctiv  (von  Bellermann  §.  282  Conjnnctivus  con- 
ditionalis  genannt)  mit  dem  PrsBsens  oder  Futur  im  Hauptsatze  und  dem 
entsprechend  der  Optativus  iterativus  mit  einem  Pneteritum  im  Hauptsatze 
(§.  291)  mit  Scharfsinn  behandelt  und  eingehende  Berücksichtigung  zu  ver- 
diene. Auch  sonst  bietet  sich  noch  manches  dar,  was  den  erfahrenen 
Schulmann  und  kundigen  Gelehrten  verräth,  nur  verbietet  uns  der  Baum 
des  weitem  einzugehen.  Eines  müssen  wir  aber  noch  erwähnen.  B.  hat  ge- 
wiss mit  Becht  die  Beispiele  in  der  Syntax  mit  entsprechender  deutscher 


20       Horatü  carm.  ed.  0,  Keller  et  Ä,  Holder,  ang.  v.  W,  Hartel. 

üebersetzung  versehen,  und  hoffentlich  wird  ihm  niemand  darob  einen  Vor- 
wurf machen,  wie  es  neulich  der  Curtius'schen  Grammatik  geschah ,  wo 
gich  der  Referent  derselben  in  Jahn's  Jahrb.  so  weit  verstieg,  den  Grund 
der  Uebersetzungen  darin  zu  finden,  dass  in  Oesterreich  die  Lehrer  nicht 
selbst  zu  übersetzen  verstanden.  Man  sieht:  si  duo  faciunt  idem,  non  est 
idem. 

Wenn  wir  nun  zum  Schlüsse  unser  ürtheil  abgeben  sollen,  ob  wir 
das  Buch  für  geeignet  halten,  dass  es  dem  Unterrichte  zu  Grunde  gelegt 
werde,  so  müssen  wir  nur  sagen,  dass  wir  von  einer  griechischen  Schul- 
grammatik  verlangen,  dass  sie  für  das  ganze  Gymnasium  ausreiche,  was 
Bellermann*s  Werk  nicht  kann,  da  es  sich  nur  auf  den  attischen  Dialekt 
beschränkt  und  die  Syntax  bruchstückweise  behandelt  Selbst  wenn  es 
diese  Mangel  nicht  hätte,  müssten  wir  noch  immer  gestehen,  dass  wir 
bessere  Schulbücher  für  den  Elementarunterricht  und  auch  sonst  kein 
Bedürfnis  des  Wechsels  haben,  ohne  darum  irgend  läugncn  zn  wollen,  dass 
auch  aus  B.'s  Buche  recht  gut  Griechisch  gelernt  werden  könne. 

An  Druckfehlem  mangelt  es  nicht,  z.  B.:  Seite  37  Zeile  4  v.  o. 
lies  6  fjLUQTvg  statt  ficci^vg,  S.  37  Z.  ö  v.  o.  1.  §.  81  st.  §.  78.  S.  48  Z.  4 
V.  u.  1.  iviXnig  st.  (vXfTiig,  S.  49  med.  fii€Xnv6/Q0)g  st.  /ufynXoxQtos.  S.  51 
Z.  8  V.  0.  1.  TTQonuv  st.  TTQnouv,  S.  51  Z.  9  V.  0.  1.  fi^kuv  st.  /Lt€X^V, 
S.  64  Z.  11  V.  0.  1.  §.  207.  5  st.  208.  S.  78  Z.  4  v.  u.  1.  §.  104  st  105. 
S.  108  Z.  6  V.  u.  L  ögng  st  ogrtg  u.  dgl. 

£ger.  Johann  LiJfsner. 


Q.  Horatü  Flacci  opcra  rec,  0,  Keller  et  A,  Holder.  Vol.  L 
Carminum  libri  IUI.  Epodon  liher.  Carmen  Saectdare.  Lipsiae.  In 
aedibus  Tettbneri  1864.  304  S.  8.  -  2  Thlr. 

Das  vorliegende  Werk  zählt  unter  die  wichtigsten  Arbeiten  der  ge- 
sammten  Horazliteratur;  es  bildet  den  Anfang  eines  gröfseren  Unterneh- 
mens, in  dessen  Durchführung  sich  die  Herren  0.  Keller  und  A.  Holder 
in  der  Art  theilten,  dass  ersterer  die  vier  Bücher  der  Oden,  die  Epoden 
und  das  Carm.  S.  sammt  dem  dazu  gehörigen  Texte  der  Schollen,  letzterer 
die  Satiren  und  Episteln  mit  ihren  Schoiien  edieren  wird.  Was  die  äufsere 
Einrichtung  des  Buches  betrifft,  so  ist  sie  der  Ribbeck'schen  Vergilausgabe 
conform.  Unter  dem  Texte  stehen  funächst  die  testimonia,  deren  Samm- 
lung für  die  Kritik  zwar  weniger  als  vielleicht  für  Exegese  abwerfen  dürfte, 
die  aber  in  dieser  Vollständigkeit  bis  jetzt  noch  überall  fehlte.  Auf  die 
testimonia  folgt  die  varia  lectio,  welche  die  Varianten  der  wichtigsten  drei- 
zehn Codices  durchgängig  und  wo  es  nothwendig  erschien,  die  Lesearten 
weiterer  siebenzehn,  die  im  übrigen  von  geringerer  Bedeutung  sind,  ent- 
hält; ferner  wird  man  in  ihr  nicht  leicht  vermissen,  was  irgend  nur  aus 
den  Scholiasten  zu  gewinnen  war. 

Die  hier  geübte,  auf  Grund  der  Tradition  fufsende  Texteskritik  ist 
streng  conservativ;  über  die  in  ihr  befolgten  Grundsätze  gibt  ein  Aufsatz 
des  Verf.'s  im  Rhein.  Mus.  XIX.  2.  Heft  (1864)  „Vorwort  zum  ersten  Tlieil 
einer  Ausgabe  des  Horaz^  näheren  Aufschluss.    Zunächst  ist  die  Annahme 


Horatii  carm.  ed.  0.  Keßer  et  A.  Holder,  ang.  v.  W.  HaHd.       27 

Ton  Interpolationen  ganzlich  bei  Seite  gelassen,  da  sie  in  der  B^l 
nur  durch  lesthetische  Argumente,  welche  nicht  unter  die  solidesten  kriti- 
schen Waffen  zählen,  sich  vertheidigen  lieljscn;  Verdachtigongen ,  wie  sie 
C.  I  20.  30.  37.  n  17.  20.  III  25  n.  s.  w.  erfahren ,  hätte  man  nicht 
nntemommen,  ,,wenn  man  den  Humor  des  Dichters  verstanden  und  ge- 
würdigt*' (vgL  a.  a.  0.  S.  211)  und  das  gesteigerte  Pathos  nicht  misver- 
standen  hätte.  Von  dem  Meinekischen  Yierzeilen-  und  dem  Martinischen 
Antistrophengesetze,  welche  die  Annahme  von  Athetesen  zu  unterstützen 
scheinen,  sei  nicht  viel  zu  halten;  »gerade  der  Umstand,  dass  sie  sich  auf 
unseren  überlieferten  Horaz  nicht  ohne  Gewaltmafsregel  anwenden  lassen» 
beweist,  dass  sie  auf  Illusionen  beruhen.  Für  einige  Zeit  allerdings  habe 
der  Machtspruch  Lachmann*s  die  meisten  Herausgeber  im  Bann  der  vier 
Zeilen  gehalten;  doch  könne  es  anders  kommen*'  (S.213).  DemgemäTb  fehlt 
auch  in  der  Ausgabe  die  strophische  Abtheilung  der  betreffenden  Oedichte 
und  Ton  dieser  Seite  hielt  den  Herausgeber  kein  Bedenken  ab,  sich  Butt- 
mann's  (vgl.  Mützell's  Zeitschr.  XTITI.  843)  allerdings  auf  Porphyrie  sich 
stützenden  Ansicht  anzuschliefsen  und  Carm.  L  7  in  zwei  Gedichte  zu  zer- 
legen, deren  erstes  V.  1—14,  deren  zweites  15—32  umfasst. 

Von  den  mehr  als  1000  Conjecturen,  die  bis  jetzt  zu  den  Oden 
nnd  Epoden  gemacht  und  publiciert  worden  sind,  wurden  selbst  die  specio- 
seren  Vorschläge,  die  in  guten  Texten  Aufnahme  fanden,  abgewiesen.  Dar 
hin  zählen  zunächst  die  Aenderungen  an  geographischen  Namen,  deren 
Verwendung  zu  poetischen  Zwecken  man  nicht  richtig  erfasste,  wie  I  2, 39 
Marsi  stett  des  überlieferten  Mauri,  I  25,  20  Euro  statt  Hebro,  I  37,  20 
Paeoniae  statt  Haemomae,  11  13,  15  Thynus  und  Thoenus  für  Poenus: 
der  Dichter  meine  mit  einem  cyprischen,  bithynischen ,  pontischen  Schiff 
überhaupt  ein  gutes  Schiff,  mit  dem  Hebrus  einen  kalten  Strom,  der  gerne 
zugefriert,  mit  dem  maurischen  Krieger  (pedes  böte  also  keinen  Anstofte?!) 
einen  wilden  Soldaten  u.  s.  w.  So  finden  wir  femer,  um  einige  vielbe- 
sprochene Stellen  zu  nennen,  die  Ueberlieferung  geschützt  in  I  6, 19  sectiSy 
I  12,  46  Marceüi,  I  32,  15  mmque,  1  37,  24  reparavü  (gegen  mehr  als  14 
zu  dieser  Stelle  vorgebrachte  Conjecturen),  n  2,  5  wterque  Poenus,  II  20, 13 
nUior,  HI  20,  6  ne  statt  Lachmann's  vielgelobten  hie.  IV  2,  49  teque  dum 
procedis,  io  Triumphe!  non  semel  dicemue,  io  Triumphe l  IV  4, 25  iam  lacte, 
Hr.  Keller  föhlt  sich  überzeugt  (vgl  a.  a.  0.  S.  220),  „dass  sich  die  Theorie  von 
den  kranken  Stellen  und  den  nothwendigsten  Emendationen  nur  im  klein- 
sten Mafse  auf  solche  Schriftsteller  anwenden  lässt,  wo  die  Tradition  so 
reichlich  flieM,  wie  bei  Horaz."  Demnach  erfuhren  nur  einige  wenige  Stel- 
len thoils  durch  Conjectur,  theils  durch  Recipierung  bis  jetzt  minder  ge- 
schätzter Lesearten  einö  veränderte  Gestalt:  I  4,  16  liest  Keller:  fabulae' 
que  Manes  (cf.  anthoL  L.  1703,  10),  I  7,  27  CMspice  Teucri,  1  15,  36 
igni9  Pergameas  domos,  I  23,  5  vepris,  I  26,  9  Pimplea  didcis,  nä  sine 
ie  mei  prosunt,  U  3,  11  quo  et  ohliquo,  11  7,  5  Pompei,  11  11,  24  in 
comptum  Lacaenae  more  comas  religata  nodum,  II  17,  14  Gyas  (cf.  III 
4,  69),  in  4,  10  nutrids  extra  limina  PuUiae,  Ul  17,  5  ducit,  HI  24,  4 
terrenum  ovitte  tuis  et  mare  publicum,  Ul  26,  7  vcctes  ei  ascias,  IV  4, 17 


88       Horatii  carni.  ed.  0.  Ketter  et  Ä,  Holder,  ang.  v.  W.  Hartd, 

Eaetis,  IV  10,  5  Liffurine,  Ep.  I  5  ä,  V  37  exsucta,  88  humana  ifwicem, 
X  22  iuoem. 

Wichtiger  als  in  diesen  beiden  Richtungen  ihres  Verfahrens  ist  die 
Keller*sche  Ausgabe  dadurch,  dass  die  für  die  Texteskritik  des  Horatius 
wichtigste  Streitfrage,  welche  vor  nicht  gar  langer  Zeit  angeregt  ward, 
nun  mit  aller  Entschiedenheit  auf  die  Tagesordnung  gesetzt  wird.  Be- 
kanntlich hat  schon  Bentley  die  diplomatische  Wichtigkeit  des  Blandinius 
vestustissimus  erkannt  und  widerholt  hervorgehoben  (vgl.  zu  S.  I  6,  126 
C.  IV  7,  15  und  epist  ad  Graevium);  nach  Bentley  erklärten  Lachmamt, 
Meineke,  Haupt  ihn  als  Grundlage  der  Kritik.  Bei  dem  heutigen  Stande 
der  Wissenschaft  wäre  es  ein  leichtes,  die  Richtigkeit  oder  Unrichtigkeit 
dieser  Annahme  endgiltig  zu  entscheiden,  wenn  die  famosen  Blandinii  uns 
noch  erhalten  wären.  Doch  diese  giengen  wahrscheinlich  im  August  des 
Jahres  1566  durch  die  Bilderstürmer  in  Gent  sammt  dem  St  Peterskloeter, 
dem  sie  gehörten,  zu  Grunde.  Kurz  zuvor  hatte  Professor  Jacob  Cruquiut 
die  Hss.  nach  Brügge  geschickt  erhalten,  wo  er  mit  Muflse  ihre  Lesarten 
und  Scholien  excerpieren  konnte.  Auf  den  Horazausgaben  des  Cruquius, 
über  deren  Zahl  und  Aufeinanderfolge  wir  bei  einer  anderen  Gelegenheit 
gesprochen  (vgl.  in  dieser  Ztschr.  1864,  S.  597)  '),  auf  den  in  ihnen  an- 
geführten Lesarten  beruht  unsere  Kenntnis  der  Blandinii  und  vor  allem 
des  antiquissimus.  Nun  gieng  Cruquius,  wie  es  zu  seiner  Zeit  eben  nicht 
anders  Sitte  war,  in  der  Zusammenstellung  seiner  annotatio  eritica  und 
der  Ausbeutung  seiner  Hss.  nicht  mit  der  heutzutage  üblichen  Akribie  zu 
Werke.  Seine  Collation  ist  all  zu  unvollständig,  im  Ausdrucke  oft  zu  un- 
genau, die  erste  und  zweite  Hand  nicht  immer  genau  unterschieden,  als 
dass  die  Reinheit  und  Ursprünglichkeit  seines  Codex  vetutissimus  auch 
über  allen  Zweifel  erhaben  wäre.  Th.  Bergk  trat  zuerst  mit  seinem  Ver- 
dachte öffentlich  hervor,  indem  er  im  Phil.  XIIU.  S.  389  folgende  These 
aufstellte:  „Die  Angaben  des  Cruquius  über  die  von  ihm  benutzten  Hss. 
des  Horaz  beruhen  zum  Theil  auf  Fälschung;  wie  man  darauf  die  Kritik 
des  Dichters  basieren  kann,  ist  mir  nie  begreiflich  erschienen.  Mir  ftllt 
also  nicht  ein,  die  Existenz  jener  Hss.  und  ihre  Benutzung  durch  Crnquius 
zu  läugnen,  sondern  ich  behaupte  nur,  dass  man  darauf  nicht  die  Kritik 
im  Horaz  gründen  dürfe,  weil  sich  sowol  in  den  Angaben  der  Lesarten 
als  auch  in  den  Scholien  bei  Cruquius  handgreifliche  Fälschungen  finden.* 
Den  Beweis  dafür  zu  liefern,  nachdem  manche  Stimme  für  den  ehrlichen 
Cruquius  sich  inzwischen  erhob  (vgL  Jahn.  J.  1862,  S.  727),  versuchte 
zuerst  0.  Keller  in  seinem  Aufsätze  „Kritische  Glossen  zu  Horaz"  Rhein. 
Mus.  XVIII.  S.  281;  denn  Bentley's  sein  wollenden  Fortsetzer  und  Nach- 
folger Schwerdt  „Probe  einer  neuen  Horazrecension" ,  der  geringschätzig 
an  dem  Codex  vetustissimus  Blandinius  (vgl.  S.  8)  vorbei  geht,  kann  ich 
wol  unerwähnt  lassen.    Zwar  denkt  auch  Keller  nicht   bei  gewissen  Ver- 


^  Berichtigend  füge  ich  dem  dort  gesagten  bei,  dass  die  bis  jüngst 
noch  für  verschollen  gehaltene  Ausübe  des  4.  Buches  der  Oden  von 
Cruquius  sich  auf  der  königlichen  Bibliothek  in  München  vorfand; 
K.  Zangenieister,  der  durch  RitschPs  Verroittelung  das  Buch  erhielt, 
berichtet  im  Rh.  M.  XIX.  S.  321-339  (1864)  über  dieselbe. 


Horatii  cann.  ed.  0.  KeUer  et  A.  Halder,  ang.  v.  W.  Hrnid.      29 

dächtigungen  und  falschen  Angaben,  die  er  entdeckt  zu  haben  glaubt,  an 
eine  absichtliche  Täuschung  Cruquius',  sondern  dieser  „scheint  sich  viel- 
mehr in  solchen  Fällen  zu  allererst  selbst  betrogen  und  sich  weis  gemacht 
n  haben,  dass  er  in  seinen  Blandinischen  Hss.  wirklich  das  gefunden  habe, 
was  er  eben  finden  wollte.' 

Gegen  diese  Ausführung  richtet  sich  Zangemeister  in  dem  oben  be- 
rührten Aufsatz  und  hat  die  Unrichtigkeit  einiger  Behauptungen  Keller^s 
wohl  erwiesen.  Namentlich  scheint  es  bedenklich,  wie  dies  Keller  thut, 
den  Beweis  nur  auf  die  Oden  und  Epoden  gründen  zu  wollen,  die  Satiren 
und  Episteln  aber  ganz  bei  Seite  zu  lassen.  Indessen  wollen  wir  nicht 
Torachnell  entscheiden  und  Holder's  Prolegomena,  welche  die  praef.  p.  X 
in  Aussicht  stellt,  abwarten. 

Keller  suchte  nun,  nachdem  er  dem  Blandinius  antiquissimus  seine 
eigentliche  Bedeutung  genommen,  nach  einer  neuen  Grundlage  für  die 
Kritik.  Die  Gesammtheit  aller  Hss.  zerfällt  ihm  in  drei  Classen,  deren 
jede  einen  eigenthümlichen ,  mehr  oder  weniger  durch  gegenseitige  Beein- 
flussung getrübten  Charakter  zeigt. 

Die  erste  Classe  zeigt  keine  Spuren  einer  systematischen  Emen- 
dation;  die  Fehler  tragen  mehr  das  Gepräge  der  Unabsichtlichkeit.  Die 
wichtigsten  Vertreter  dieser  Reihe  sind  yr  =  Parisin.  7975  und  Turiceus. 
Carolin.  6;  dazu  kommen  noch  G  =  Pulmanns  ältester  Gemblacensis  (in 
unvollständiger  CoUation),  A  =-  Parisin.  7900  A,  n  —  Parisin.  10310,  ersterer 
viele  Lesarten  der  zweiten,  letztere  nicht  wenige  der  dritten  Classe  ent- 
haltend. In  etwas  sind  auch  yr  durch  eine  Handschrift  der  dritten  Ord- 
nung in  ihrer  Eigenthümlichkeit  alteriert.  Diesen  ersten  Classen  ist  nun 
vor  allen  zu  folgen. 

Die  zweite  Manuscriptenreihe  trägt  das  Gepräge  absichtlicher  Emen- 
dation  und  rührt  diese  nach  dem  Zeugnis  der  Subscriptio  in  einigen  Mss. 
von  dem  Dichter  Mavortius  (Consul  im  J.  527)  her.  Zu  ihr  gehören:  B  -» 
Bemenais  363,  a  —  Sangaliens,  oppid.  10,  X  »  Parisin.  7972,  G  =  Gotha- 
nus  B.  61  (und  der  obige  A  zum  Theil).  Die  Emendationen  des  Mavortius 
nnd  viel  geschmackvoller  ab  jene  der  folgenden  Classe.  Zu  ihnen  zählt 
Keller:  m  24,  4  mare  Ponticum  statt  publicum  (weil  Mavortius  einen 
guten  Theil  des  Lebens  in  Ck)nstantinopel  zubrachte!),  IV  4,  65  mersus 
profunda  pulckrior  evenit,  IV  6,  10  aut  impressa  cupresaus  Euro,  Rich- 
tige Lesarten  fand  Keller  in  diesen  Hss.  erhalten  und  setzte  sie  in  den 
Text:  IV  1,  11  conUssabere,  IV  2,  7  fervü,  Epod.  16,  14  videre. 

Die  Hss.  endlich  der  dritten  Classe,  in  welcher  das  ignobile  vulgus 
von  Schreibern,  Mönchen  u.  dgl.  seine  conjecturale  Weisheit  und  Unwissen- 
heit niederlegte,  sind  vor  allen  U  -  Parisin.  7973,  g  —  Paris.  8072,  P  — 
die  den  Mss.  tp  =  Paris.  7974  und  ip  —  Paris.  7971  gemeinsamen  Lesarten, 
zum  Theil  nX  und  der  Blandinius  vetustissimus,  wenigstens  die  Mehrzahl 
der  aus  ihm  angeführten  Lesarten.  Vielbesprochene  Varianten  dieser  Ord- 
nung wie  I  12,  23  paretUum  statt  parentis,  11  20,  13  ociar  statt  notior, 
m  5,  37  aptius  statt  inaciua,  HI  18,  12  pardus  statt  pagus,  Ul  23,  19 
moUm  statt  maUivU,  IV  5.  31  venu  statt  redit,  IV  6,  17  victar  statt 


30         F,  X,  AUgayer,  Zu  KreW  Antibarbanis,  ang.  ▼.  M.  Ott. 

captis,  IV  7,  15  pater  Aeneas  statt  pius,  IV  7,  17  vitae  statt  summae 
wurden  demnach  bei  Seite  gelegt. 

üeberhanpt  kranken  alle  Horazhandschriften  daran,  „d^s  j^^  ein- 
zelne durch  HinzufÜg^ng  von  Lesarten  anderer  Classen  den  ursprünglichen 
Charakter  ihrer  eigenthümlichen  Eecension  mehr  oder  minder  verwischt 
hat,  80  dass  stets  nur  bedingt  behauptet  werden  kann,  eine  Hs.  gehöre 
einer  bestimmten  Classe  an  und  dass  man  am  Ende  besser  thäte,  von 
Lesartenclassen  als  von  Handschriftenfamilien  zu  sprechen"  (vgL 
a.  a.  0.  S.  225).  In  diesem  Geständnisse  liegt  allerdings  etwas,  das  die 
Resultate  so  langjähriger  und  mühsamer  handschriftlicher  Forschungen^ 
wie  sie  der  Hr.  Yt  durchmachte,  nicht  besonders  lohnend  darstellt  und 
manchen  Zweifel  erzeugen  könnte. 

Was  die  Lesarten  der  Scholiasten  betrifft,  so  weisen  manche  An- 
gaben Porphyrio's  auf  einen  anderen  Archetyp,  als  den  unserer  Mss.,  hin, 
und  da  enthalten  sie  allein  das  richtige  (Vgl.  I  20,  10.  I  27,  5.  III  6,  9. 
IV  4,  36).  Noch  gröfseren  Werth  hat  der  sogenannte  Acron*)  in  seinen 
verschiedenen  Redactionen,  ohne  jedoch  wie  Porphyrio  auf  einen  anderen 
Archetyp  zu  leiten. 

An  den  Text  der  Oden  und  Epoden  schliefst  sich  ein  äufserst  sorg- 
sam gearbeiteter  Index  verborum  S.  234  —  300  von  Holder's  Hand.  Die 
Orthographie  endlich  ist  dem  neuesten  Standpuncte  der  Forschung  voll- 
kommen angepasst;  wir  lesen  also:  paelex,  harena,  erus,  umor,  discribere, 
voltus,  fuluos,  flauom,  aequos,  oblicum,  apstinens,  optigit,  querqueta, 
Danuuius  n.  s.  w. 

Nach  dieser  Darstellung  wird  es  der  Versicherung  nicht  bedürfen, 
dass  wir  es  hier  mit  einer  durchaus  bedeutenden  wissenschaftlichen  Lei- 
stung zu  thun  haben.  Mag  man  auch  über  einzelne  Puncto  anderer  Mei- 
nung sein,  das  grof^e  Verdienst  wird  man  ihr  stets  zuerkennen  müssen, 
das  kritische  Material  zum  ersten  Male  in  solcher  Vollständigkeit  und 
üebersichtlichkeit  zusammengetragen  und  in  die  chaotische  Verwirrung 
handschriftlicher  Notizen  einige  Ordnung  gebracht  zu  haben. 

Wien.  W.  HarteL 

Dr.  J.  Ph.  Krebs,  Antibarbarus  der  lateinischen  Sprache.  An- 
hang: Zusätze  und  Berichtigungen  von  Dr.  F.  X.  Allgayer,  Gym- 
nasialrector  a.  D.  Frankfurt  a./M. ,  Heinr.  Ludw.  Brönner,  1862.  gr.  8. 
Vin  u.  821  S.  —  6  fl.  60  kr.  ö.  W. 

So  grofs  auch  die  Verdienste  des  Erebs'schen  Antibarbarus  um  die 
Lateinstudien  sind,  und  so  bereitwillig  man  anerkennen  mag,  dass  er  noch 
heutzutage  mit  vielem  Nutzen  zu  gebrauchen  sei,  so  wird  das  einstimmige 
ürtheil  der  Philologen  und  Schulmänner  doch  dahin  gehen,  dass  das  Buch 
einer  allseitigen  und  gründlichen  Verbesserung  nachgerade  sehr  bedürftig 
geworden  ist.   Was  seit  den  21  Jahren,  welche  die  dritte  und  letzte  Auflage 

')  Richtigere  Anschauungen  über  den  Namen  Acro  und  die  Acron. 
Scholien  verdanken  wir  üsener  ^de  scholiis  Horatianis  im  Ind.  lect. 
Bern,  1863,  eine  Abhandlung,  die  mir  bei  Abfassung  meiner  Becen- 
sion  1864.  S.  595  ff.  dieser  Zeitschr.  noch  nicht  be^nt  war. 


J^.  X.  ABffoyer,  Zu  Krebs*  Antibarbaros,  ang.  ▼.  M,  Ott.         Sl 

oniunehr  hinter  sich  hat,  für  Textkritik  der  römischen  Classiker  geschehen 
ist,  wäre  allein  schon  geeignet,  zu  mannigfacher  Revision  Anlass  nnd  Stoff 
in  bieten.  Aber  davon  abgesehen  sind  die  Fehler  und  Gebrechen,  welche 
dem  Werke  in  Folge  mangelhafter  Beobachtung  und  Fixierung  des  langst 
feststehenden  Sprachvorrathes  anhaften ,  so  zahlreich  und  erheblich ,  dass 
nicht  leicht  ein  philologischer  Schulmann  dasselbe  längere  Zeit  hindurch 
gebrauchen  wird,  ohne  ob  den  manchen  Berichtigungen  und  den  vielen 
Zweifeln,  die  sich  ihm  dabei  ergeben,  zu  einer  gewissen  mistrauischen  Vor- 
sicht im  Gebrauch  überhaupt  bestimmt  zu  werden.  Dass  das  Werk  vor  dem 
Misgeschick  des  Veraltens  bewahrt,  mittels  durchgreifender  Verbesserungen 
in  seinem  wohlerworbenen  Ansehen  und  seiner  lange  bewährten  Brauchbar- 
keit wieder  sichergestellt  werde,  war  nicht  nur  um  des  verdienstvollen  Hm. 
Verf/s  willen,  sondern  mehr  noch  im  Interesse  philologischer  Wissenschaft 
und  Schule  zu  wünschen. 

Hiezu  ist  durch  die  oben  verzeichnete  Schrift  des  Herrn  Rectors  AU- 
gajer  ein  so  umfassender  und  ergiebiger  Beitrag  geliefert  worden,  dass 
man  sich  die  Substanz  seiner  „Zusätze  und  Berichtigungen*'  nur  in  den 
Inhalt  und  Context  des  Antibarbarus  aufgenommen  und  diesen  darnach 
umgestaltet  denken  darf,  um  das  Bild  einer  bereits  weit  gediehenen  Umar- 
beitung des  Werkes  zu  gewinnen.  Der  Ertrag,  welcher  dabei  für  verschie- 
dene Zweige  der  Theorie  des  Lateinischen,  für  Lexikon,  Synonymik,  Gram- 
matik und  Stilistik  abfällt,  ist  ein  ansehnlicher,  wie  sich  an  einer  Reihe 
treffender  Beispiele  leicht  erproben  liefse.  Indes  gilt  es  hier  zunächst  zu 
oonstatieren,  dass  Hr.  A.  durch  seine  grof^tentheils  mit  erschöpfender  und 
überzeugendster  Gründlichkeit  geführten  Erörterungen  dem  alternden  Werke 
von  Krebs  zur  Gewinnung  neuer  Gediegenheit  und  Brauchbarkeit  den  kräf- 
tigsten Succurs  geleistet  hat.  Der  Werth  dieser  Erörterungen  macht  sich 
von  selbst,  und  nicht  selten  4n  überraschender  Weise  bemerklich,  so  in  Ar- 
tikeln von  hervorragender  Bedeutung  wie  auctor,  cotnmendare ,  desperate, 
Heere,  distribuere,  honor,  idem,  ititerdudere ,  nemo  unus  unter  nvUus, 
opmiOf  pecunia,  quotidie;  bisweilen  aber  wird  er  durch  eclatante  Unrich- 
tigkeiten Krebs'scher  Lehre,  die  sich  im  Lichte  derselben  herausstellen, 
noch  besonders  beleuchtet,  z.  B.  unter  a,  ala,  cognattOy  coffnoscere,  desinere, 
maritus,  guare,  solvere,  tenehrae.  Das  Ergebnis  der  Untersuchung  ist  in 
den  meisten  Fällen,  dass  puristisch  oder  ohne  sichern  Grund  angefochtene 
Ausdrücke  und  Verbindungen  für  die  richtige  Latinität  gewahrt  werden ; 
wobei  einzelne  Abschnitte  des  Antib&rbarus,  wie  über  post  (S.  4),  causari, 
degener,  lex,  mater,  os  als  vollkommen  halt-  und  gegenstandlos  geradezu 
über  Bord  fallen.  Seltener  hat  sich  die  Veranlassung  ergeben,  gegen  Aus- 
drücke und  Verbindungen,  welche  eine  unverdiente  Empfehlung  gefunden, 
Einsprache  zu  erheben  und  das  bezügliche  Gute  und  Beglaubigte  geltend 
zu  machen,  so  unter  inflammarCj  interrogare  (aententiam) ,  quisque,  auinere, 
—  Zwar  hat  sich  unser  Hr.  Verf.  regelmäfsig  nur  zur  Aufgabe  gestellt, 
schiefe  oder  mangelhafte  Aufstellungen  von  Krebs  zu  berichtigen;  doch  sind 
gelegentlich  auch  neue  auf  Abwehr  von  Barbarismen  zielende  Fragopuncte, 
deren  Zahl  man  gerne  vermehrt  sähe,  zur  Behandlung  gekommen,  so  unter 
derivare,  locus,  auspendere,  vereor. 


st         Jh\  X:  AUgayetf  Zu  Krebs*  Antibarbaros ,  ang.  ▼.  M.  OtL 

Nach  dieser  Kennzeichnung  des  vom  Hm.  Verf.  Gebotenen  möge  es 
gestattet  sein,  seinen  Ausf&hrungen  einzelnes  zur  Ergänzung,  beziehnngs- 
weise  Berichtigung  beizufügen.  —  Zwischen  älter  und  aUertUer  wird  denn 
doch,  wie  von  Heerwagen  zu  Liv.  21,  8,  7  geschieht,  ein  Unterschied  der 
Bedeutung  zu  statuieren  sein.  —  Für  die  gute  Auseinandersetzung  über 
altus  und  profundus  (S.  15)  sind  drei  sehr  treffende  Beweisstellen  nachzu- 
tragen: Tac.  Ann.  2,  61:  Nili  profunda  dlHtudOy  und  Liv.  31,  1,  5:  iam 
provideo  animo,  velut  qui  proximis  littori  vadis  inducti  mare  pedibus  in- 
grediuntur,  quidquid  progredior ,  in  vastioremme  altitudinem  t^yelnt 
profundum  invehi;  Senec.  Suasor.  1.  init  magna  etiam  Ooeano  portenta, 
quae  profunda  ista  vastitaa  nutrit.  —  Für  den  Singular  amor  —  Lieb- 
ling ist  die  von  Hm.  A.  beigebrachte  Stelle  Cic.  Verr.  II,  4,  1,  3:  ünde 
igitur  potius  indpiam,  quam  ab  ea  civitate,  quae  tibi  una  i  n  amore  atque 
in  deliciis  fuit,  nicht  beweisend.  Dagegen  sind  der  aus  Sueton  angeführten 
zutreffenden  Stelle  (Tit.  1:  Titus  cognomine  patemo  amor  ac  deliciae  ge- 
neris  humani)  einige  weitere  beizufügen.   Auson.  Csbs.  11  heifst  Titus  expera 
civilis  sanguinis,  orbis  amor  und  Lat.  Pacat.  Drep.  paneg.  in  Theod.  c.  11 
amor  generis  humani;  Eutrop.  7,  21  wird  er  gepriesen  als  vir  omnium  vir- 
tutum  genere  admirabilis  adeo,  ut  amor  et  deliciae  humani  generis  di- 
ceretuT.   Wie  man  sieht,  ist  der  Ausdmck  bei  den  Alten  stereotyp  für  Titus. 
—  Conqueri  apud  aiiquem  ist  nicht  nur  nachclassisch ,  sondem  classisch, 
vermöge  Liv.  8,  33,  4:  cum  maxime  conquereretur  apud  patres  vim  atqud 
iniuriam  dictatoris.  Auiüserdem  ist  die  Verbindung  mit  ad  zu  beachten,  bei 
Cic.  Verr.  U,  5,  67,  171:  Si  haec,  non  ad  dves  Rom.,  non  ad  aliquos  ami- 
eos  nostrae  civitatis,  non  ad  eos  qui  populi  Rom.  nomen  audissent,  denique 
si  non  ad  homines  vemm  ad  bestias ,  aut  etiam ....  si  ad  saxa  et  ad  sco- 
pulos  haec  conqueri  ac  deplorare  vollem.  —  Unter  consumere  wird  von  A. 
gelehrt,  consumere  äliquid  aliqua  re  oder  in  (üiqua  re  werde  gleich  gut 
verbunden.   Damit  soll  Krebs'  Lehre  berichtigt  werden,  der  sagt:  „Etwas 
auf  etwas  oder  auf  einen  verwenden ,   mit  etwas  hinbringen ,   heifst  eans, 
ciiquid  in  al,  re  oder  in  ailiquo . . ,  nie,  wenigstens  bei  Cicero  nicht,  aUqua 
re*'.  Nun  wird  freilich  das  consumere  aliquid  aliqua  re  von  unserem  ^n. 
Verfl  durch  eine  betrachtliche  Anzahl  Belegstellen  aus  Cicero  und  Cnsar, 
und  durch  eine  noch  gröfsere  aus  Livius  für  die  classische  Latinität  voll- 
kommen vindiciert;  und  soweit  ist  er,  wie  gegen  Krebs,  so  auch  gegen 
Madvig  (zu  Cic.  Fin.  5,  19,  53),   dem  sich  Seyffert  (Pal.  Cioer.  145)  an- 
schlieXist,  entschieden  im  Recht   Indes  hat  Seyffert  a.  a.  0.  ohne  Zweifel 
den  ciceronianischen  Sprachgebrauch  richtig  getroffen,  wenn  er  für  unser: 
etwas  an-,  auf-,  verwenden  für  etc.  nur  die  Construction  in  mit  dem  Ablat. 
zulassen  will.   Denn   in   allen  von  Hm.  A.  aus  Cicero  angeführten  Stellen 
bedeutet  cons,  aiiquid  al,  re  nur:  eine  Zeit  mit  etwas  hinbringen,  verbrin- 
gen, eine  Zeit  vergeht,  verstreicht  mit  etwas.   Mit  den  zwei  aus  CsBsar  ent- 
nommenen Stellen  verhält  es  sich  ebenso.  Unter  der  grollen  Anzahl  von 
Liviusstellen  erheischt  oder  gestattet  zwar  die  eine  und  andere  die  üeber- 
setzung  mit  verwenden  auf  etc.;  aber,  eine  einzige  Stelle  (41,  27,  10)  aus- 
genommen,  ist   das   im  Accusativ  stehende  Object  immer  ein  Zeitbegriff. 
Erwägt  man  nun,  dass  das  Gleiche  an  sammtlichen  Stellen  bei  Nachclassi- 


F.  X.  AUgayer,  Zu  Krebs*  Antibarbarus,  ang.  ?.  M,  OU,         Ht 

kern,  die  Hr.  A.  citiert,  der  Fall  ist,  vergleicht  man  damit  im  Lexikon  von 
Klotz  die  groite  Menge  von  Beispielen,  namentlich  ans  Cicero^  in  welchen 
die  Constmction  in  al,  re  in  der  Bedeutung:  auf,  für  etwas  verwenden, 
mit  geringen  Ausnahmen  einen  anderen  Objectsaccusativ  als  den  eines  Zeit- 
begriffes  aufweist  (Verbindungen  wie  aetcUem,  totum  diem  u.  dgl.  consu^ 
mere  in  al,  re  »  auf  etwas  verwenden,  sind  natürlich  nicht  ausgeschlossen), 
nimmt  man  hinzu,  dass  die  besagte  Ausnahmsstelle  des  Livius  einem  Ca- 
pitel  angehört,  das  der  Textkritik  zahlreiche  starke  Blöfsen  bietet,  so  wird 
ein  Zweifel  an  der  Echtheit  des  hier  befindlichen  coftsumere  aliquid  cd.  re 
(statt  in  (ü.  re)  wol  erlaubt  sein;  jedenfalls  ist  es  bei  Peststellung  einer 
Begel  über  die  Construction  von  consumere  unbrauchbar;  und  unser  Re- 
sultat ist  somit:  in  der  Bedeutung  verwenden  für,  auf  etc.  ist  die  Con- 
struction  consumere  aliquid  al.  re  zum  wenigsten  dann  unzulässig,  wenn 
es  nicht  ein  Zeitbegriff  ist,  der  als  Object  in  den  Accusativ  zu  trelen  hat  — 
Dem  dare  coenam,  epulum,  eptäas,  prandium  (S.  35)  gesellt  sich  aus  Cic. 
PhiL  2,  6,  15  bei :  dat  nataliciam  in  hortis,  er  gibt  einen  Geburtstagschmaus. 
Ausser  dominum  dare  aiicui,  was  in  der  Bede  pro  Scauro  neunmal  vor- 
kommt, gebraucht  Cicero  malum  dare  alicui,  Verr.  II,  2,  10,  27:  cohora 
tota  iUa,  quae  plus  mali  dedit  Siciliae,  quam  si  centum  cohortes  fugiti- 
vomm  fuissent;  so  auch  Horaz,  Carm.  3,  6,  7:  di  multa  neglecti  dederunt 
Hesperiae  mala  luctuosae;  wozu  man  beiziehen  kann  Auct.  ad  Herenn.  4, 
26,  36:  eam  quomodo  victoriam  appellem,  quae  victoribus  plus  calam.tatis 
quam  boni  dederit;  vgL  Xen.  Mem.  II,  2,  7:  rj&ij  ntonoxf  ovv  ?  Saxovaa 
jtttKov  ri  aoi  t^mxiv  rj  laxtiaaatt,  damit  tritt  das  damnutn  dare  aus  seiner 
Vereinzelung  als  technischer  „Ausdruck  der  juristischen  Sprache''  doch 
einigermafben  heraus;  und  noch  mehr  dürfte  es  an  seiner  Eigenart  ver- 
lieren, wenn  man  in  Betracht  zieht,  dass  dare  bei  Livius  zu  verschiedenen 
Phrasen  im  Sinne  von  facere  verwendet  erscheint,  die  nur  gerade  nicht 
bedeaten:  ein  Uebel  anthun;  impetum  dare  Liv.  2,  51,  4.  3,  5, 10.  4,  28, 1; 
impressionem  dare  4,  2b,  6;  stragem  dare  4,  30,  8.  4,  33,  8.  7,  23,  10. 
8,  30,  6.  21,  33,  8  (vgl.  Fabri  zu  dieser  St.);  cuneum  dare  22,  47,  8^ 
ebenso  Virg.  Aen.  12,  575;  dare  viam  Liv.  3,  48,  3  (vgl.  Weifsenbom  z. 
d.  81).  —  Den  unter  detrectare  für  unser:  Gehorsam  verweigern  gege- 
benen Phrasen  möchten  sich  anschliefsen  spernere  imperium  und  aspemari 
imp.,  nach  Liv.  41,  10,  9:  ab  eo  quoque  spretum  consulis  imper.um  est, 
und  6,  4,  5:  et  primo  fremitus  aspemantium  imperium.  —  Feims  reliqyMi 
(diquem  in  die  dichterische  und  späte  Latinität  zu  verweisen  ist  nicht 
nöthig,  es  kann  classische  Geltung  beanspruchen  durch  Cic.  Att.  8,  6,  5: 
Tironem  nostrum  ab  altera  (sc.  quartana)  relictum  audio.  —  Die  zwei  Citate 
für  florens,  von  der  Rede  oder  einem  Redner  gebraucht,  werden  sich  mit 
Vortheil  an  die  reichhaltige  Auseinandersetzung  Nägelsbach's  (StiL  2.  Aufl. 
361)  über  den  tropischen  Gebrauch  von  florer e  und  florem  anlehnen,  und 
zur  Vervollständigung  stehe  hier  nur  noch  florens  von  einem  Historiker 
pradiciert  bei  Tac.  Ann.  3,  30:  C.  Sallnstius,  rerum  Rom.  florentissimus 
auctor.  —  Conjux  —  der  Gemal  findet  sich  bei  Tacitus  nicht  nur  Ann. 
3,  34,  wie  Hr.  A.  angibt,  sondern  auch  Ann.  13,  44.  --  Den  Belegstelle 

Ztiuchritt  f.  d.  öst«rr.  «Jyuio.  1S65.  i   Ueft.  3 


84         F,  X.  ÄUgayer,  Za  Krebs'  Antibarbaras,  ang.  v.  M.  Ott. 

für  üerare  in  der  einfachen  Bedeutung:  wiederholen,  dürfte  angereiht  wer- 
den Liv.  9,  22,  6  iterare  proelium  und  6,  32,  7  iterare  pugnam,  wofür  Li- 
vius  sonst  integrare  pugnam  u.  dgl.  gebraucht  —  Neben  morti  vicinus  und 
adtnottis  supremis,  wofür  ja  nur  eine  Beweisstelle  aufzubringen  ist,  wird 
das  maturo  propior  funeri  bei  Hör.  Carm.  3,  15,  4  einen  Platz  verdienen. 
Da  immerhin  für  unser  dem  Tod  nahe  der  congruente  Ausdruck  bei  latei- 
nischen Autoren  höchst  spärlich  vorliegt  oder  beinahe  fehlt,  so  mag  auf 
einen  jezuweilen  ganz  brauchbaren  Ersatz  hingewiesen  werden,  der  sich  in 
der  gut  gebräuchlichen  Wendung  mors  propitiqtM  alicui  u.  dgL  darbietet 
Cic.  de  div.  1,  30,  65:  Hectoris,  qui  moriens  propinquam  Achilli  mortem 
denuntiat;  ib.  64:  appropinquante  morte;  Id.  Fin.  5,  11,  31:  mors  quam 
appropinquet;  Sali.  Fragm.  Kritz  11,  49:  cuius  aetati  mors  propior  erat  — 
Wo  antiker  Anschauung  ein  Ausdruck  vorliehen  werden  darf,  ist  für  'eines 
natürlichen  Todes  sterben'  auch  fato  obire  nach  Tacitus  Ann.  6,  10. 
14,  62  und  sonst  gut  zu  gebrauchen  —  Für  „mit  leichter  Mühe,  ohne  grofse 
Mühe  (Arbeit)"  hat  unser  Hr.  Vf.  facüi  negotio  aus  Aurel.  Victor  und  levi 
negotio  und  levi  labore  aus  Amm.  Marcellinus  in  Bereitschaft.  Beizufügen  ist 
Sen,  Ep.  76,  4:  ne  levi  quidem  opera  aut  parvo  labore  cognoscitur.  Aber 
auch  das  von  Krebs  verworfene  und  von  unserem  Hrn.  Verf.  nicht  in  Schatz 
genommene  parvo  negotio  dürfte  durch  Cic.  Verr.  11,  5,  68,  175:  omamenta 
ista  et  beneficia  populi  Rom.  non  minori  negotio  retinentur  quam  oom- 
parantur,  hinlänglich  gedeckt  sein.  Warum  sollte  auch  der  Lateiner  mn 
parvo  ne^o^io  schlechterdings  missen?  Krebs  will  für  die  bewusste  deutsche 
Phrase  nur  ntdlo  negotio  oder  sine  ^negotio  zulassen,  aber  dass  sie  mit  dem 
einen  oder  anderen  unter  allen  Umständen  gleichbedeutend  sei,  kann  ihr 
doch  nicht  zugemuthet  werden.  —  Opinionis  aiiciijus  esse ,  was  Hr.  A. 
„sich  nicht  erinnert  irgendwo  gelesen  zu  haben",  lässt  sich  wenigstens  mit 
Colum.  2,  11,  6  belegen,  wo  es  heifst:  cujus  opinionis  etiam  Cornelius 
Celsus  est;  übrigens  bleibt  des  Hrn.  Verf.'s  Darlegung  und  Begründung 
des  Unterschiedes  von  alicujus  sententiae  und  in  opininne  (ü.  esse  in  ihrem 
vollen  Recht  und  Bestand.  —  Mit  (pacis)  dicere  leges,  was  als  der  eigent- 
liche Ausdruck  für:  Bedingungen  vorschreiben,  dictieren  (S.  102  f.)  statuiert 
und  reichlich  belegt  wird,  kommt  in  der  Bedeutung  wesentlich  überein 
eges  imponere,  wofür  u.  A.  zu  verweisen  ist  auf  Cic  Fam.  16,  12,  4:  id 
pi  fecerit,  s^Mis  est  pacis  non  honestae  —  leges  enim  imponuntur;  Liv.  21, 
41,  9 :  qui  graves  iuipositas  victis  Carthaginiensibus  leges  fremens  maerens- 
que  accepit;  vgl.  Virg.  Aen.  6,  852:  pacis  imponere  morem.  —  Der  Artikel 
über  a  primo  dürfte  ausfallen,  da  die  gegebene  Berichtigung  nicht  zutref- 
fend scheint;  vgl.  Cic.  PhiL  2,  30,  75  und  dazu  Halm.  —  Zu  den  zwei 
aus  Tacitus  geschöpften  Belegstellen  für  procul  habere  kommt  als  weitere 
Tac.  Ann.  6,  32:  arma  procul  habere,  und  vielleicht  auch  Sali.  Cat  4: 
actatem  a  republica  procul  habere.  —  Unter  remitiere  wird  gelehrt,  „dass 
der  Ausdruck:  etwas  im  Studium  u.  s.  w.  nachlassen  lateinisch  durch 
remütere  aliquid  alicujus  rei  oder  rem,  aliquid  de  oder  ex  al.  re  zu  geben 
sei".  Dieser  Satz  bedarf  der  Ergänzung,  dass  remütere  im  angegebenen 
Sinne  mit  de  oder  ex  cd.  re  auch  ohne  hinzutretenden  Accusativ  eines 
Theilbegriflfes,  wie  nliquid,  nihü,  muJtum  u.  dgl.  verbunden  werden  kann. 


F  X.  JUgayer,  Zu  Krebs'  Antibarbaros,  ang.  v.  M.  Ott.         S5 

Ofi.  B.  Q.  5,  59,  6 :  aequo  animo  remittcndnm  de  oeleritate  czistimabant. 
CicL  Verr.  II,  3,  35,  82:  illam  —  remitiere  de  summa  non  potuisse,  wofür 
unmittelbar  vorher  summas  imminuere  steht;  ib.  in  illo  repreheuditur,  quod 
ex  ea  pecunia  remiserit;  ib.  qui  de  capite  vectigalium  remisisti  (wofür  es 
im  Torhergehenden  Paragraph  demere  de  capite  heifst).  Liv.  4,  43,  11: 
quin  illi  remittendo  de  summa  quisque  iuris  mediis  copularent  concordiam. 
Auch  verdient  Erwähnung,  dass  die  Verbindung  remittere  aliquid  ab  cH. 
re  nicht  ohne  Beispiel  ist;  Liv.  6,  24,  10:  nihil  neque  apud  duces  neque 
apud  milites  remittitur  a  sunimo  certamine.  Sofort  ist  eine  weitere  Bedeu- 
tung von  remittere  zur  Sprache  zu  bringen.  Diese  ist :  nachgeben,  ablassen, 
den  Widerspruch,  Widerstand  aufgeben.  Liv.  6,  36,  6:  remittentibus  tri- 
bunis  plebis  comitia  per  interregem  sunt  habita,  vgl  Weifsenbom  z.  d.  St 
In  dieser  Bedeutung  nimmt  es  auch  die  Construction  de  oZ.  re  (in  Betreff, 
in  einer  Sache)  an,  wie  Liv.  5,  12,  13:  hac  victoria  comitiorum  exultantes 
triboni  plebis  —  de  tributo  remiserunt.  Aber  auch  mit  dem  Accusativ  kann 
dies  remätere,  vermöge  einer  Prägnanz,  verbunden  werden.  Liv.  6,  17,  6: 
remisso,  id  quod  erepturi  erant,  ex  S.  C.  Manlius  vinclis  liberatur,  nach- 
gebend, der  schroffen  Haltung  entsagend,  räumte  man  ein,  gewährte  man. 
Aehnlich  Liv.  6,  18,  7:  ius  ipsi  remittent,  das  (in  Anspruch  genommene, 
angemafete)  Recht,  den  Rechtsanspruch  aufgeben,  davon  ablassen.  Hiemit 
ist  ohne  Zweifel  auch  die  richtige  Erklärung  von  Cna.  B.  C.  3,  17,  2:  si 
hoc  sibi  remitti  vellent,  remitterent  ipsi  de  maritimis  custodiis,  an  die  Hand 
gilben.  Wenn  daher  der  Hr.  Verf.  behauptet  hat,  „dass  remittere  de  aU' 
qua  re  (C»8.  B.  C.  3, 17,  2:  si  hoc  sibi  etc.)  —  ist,  an  einer  Sache  gänzlichen 
NacSüass,  d.  h.  ein  gänzliches  Aufhören  derselben  eintreten  lassen,  wie  Held 
a.  B.  0.  richtig  bemerkt**,  so  dürfte  er  jetzt  wol  geneigt  werden,  die  ziem- 
lich mühsame  und  geschraubte  Erklärung,  der  er  hier  das  Wort  geliehen, 
mit  der  oben  angezeigten  einfacheren  und  einleuchtenden  zu  vertauschen.  — 
^Eigidus  in  dem  bildlichen  Sinne  von  streng ,  rauh ,  finster"  kann  sich 
weiterhin  berufen  auf  Tacitus,  Ann.  16,  22,  wo  die  Rede  ist  von  des  Pätus 
Thrasea  sectatores  rigidi  et  tristes.  —  Venia  —  Erlaubnis  hat  Livius  auJüser 
33,  11,  3  auch  7,  2,  9:  Livius  post  aliquot  annis..  venia  petita  puerum 
ad  canendum  ante  tibicinem  cum  statuissct  etc. 

Diese  Nachträge  zu  unserem  „Anhang**,  die  theils  zur  Bestätigung 
und  Sicherung,  theils  zur  Berichtigung  seines  Inhaltes  dienen  sollen,  kön- 
nen wir  nicht  schlieTsen,  ohne  zu  erinnern,  dass  auch  nach  den  vielen  sehr 
dankenswerthen  „Zusätzen  und  Berichtigungen''  der  Antibarbarus  noch 
mancher  theils  leichterer,  theils  eingreifenderer  Verbesserungen  bedarf. 
Dass  unser  Hr.  Verf.  dem  Buche  auch  fernerhin  seine  hilfreiche  bessernde 
Hand  leihen  werde,  darf  wol  mit  Grund  gehofft  werden.  Ob  aber  gleich 
sein  „Anhang"  so  bedeutenden  Gehalt  und  Werth  besitzt,  dass  er  neben 
dem  Krebs'schen  Buche  jetzt  schon  als  ein  ganz  unentbehrliches  Hilfsbuch 
erscheint,  so  wird  doch  die  Behauptung  nicht  fehlgegriffen  sein,  dass  der 
beiderseitige  Gewinn  sich  wesentlich  steigern  würde,  wenn  die  bereits  vor- 
liegenden wie  die  zu  hoffenden  Ergänzungen  und  Verbesserungen  einer 
neuen  gänzlich  umzuarbeitenden  Auflage  des  Antibarbarus  einverleibt  wür- 
den. Da  eine  solche  ein  allgemein  anerkanntes  Bedürfnis  ist,  und  da   su 

3* 


86     Ni .. .  re  Sebriften  aber  Tergleieh.  Mjrthologie,  ftng.  t.  H.  Sieinthtü, 

solcher  Arbeit  unser  Hr.  Vf.  seinen  entschiedenen  Beruf  documentiert  hftt, 
80  können  wir  zum  Schlüsse  den  Wunsch  nicht  unterdrücken,  aus  seinen 
erprobten  Händen  recht  bald  einen  umgestalteten  und  yeijnngten  Anti- 
barbarus  hervorgehen  zu  sehen. 

Rottweil  am  Nekar.  Prof.  Dr.  M.  Ott 


ITeuere  Arbeiten  über  vergleichende  Mythen- 
forschung. 

Adalbert  Kuhn.  Die  Herabkunft  des  Feuers  und  des  Götter- 
trankes. 266  S.  Berlin,  Dümmler,  1859.  —  1  Thlr.  20  Sgr. 

Desselben:  Sagen,  Gebräuehe  und  Märchen  aus  Westphalen  und 
den  angrenzenden  Gegenden  Norddeutschlands.  2  Thle.  692  S.  Leipzig, 
Brockhaus,  1859.  --  3  Thlr. 

W.  Mannhardt.  Germanische  Mythen.  760  S.  Berlin,  Perd. 
Schneider,  1858.  —  4  Thh". 

Desselben:  Die  Götter  der  detitschen  und  nordischen  Völker. 
Vm  u.  328  S.  Berlin,  Schindler,  1860.  —  2  Thh". 

F.  L.  W.  Schwartz.  Der  Ursprung  der  Mythologie,  dargestellt 
in  griechischer  und  deutscher  Sage.  XXIV  u.  299  S.  Berlin,  Herti 
(Besser'scheBuchh.),  1860.  -  1  Thbr.  21  Sgr. 

Desselben:  Der  heutige  Volksglaube  und  das  alte  Heidenthom. 
Zweite  Auflage.  XV  u.  142  S.  Daselbst,  1862.  —  24  Sgr. 

Fr.  Windischmann.  Zoroastrische  Studien.  Abhh.  zur  Mytho- 
logie und  Sagengeschichte  des  alten  Iran.  Nach  dem  Tode  des  Verf.'s 
herausgegeben  von  Fr.  Spiegel.  XII  u.  324  S.  Berlin,  Dümmler, 
1863.  —  2  Thlr.  20  Sgr. 

M.  Br6al.  Hercule  et  Cacus,  6tude  de  mythologie  comparfie. 
Paris,  Durand,  1863.  —  3  Frcs. 

Während  gegen  die  vergleichende  Sprachforschung  sich  keine  Stimme 
mehr  erhebt,  wollen  die  meisten  unserer  Philologen,  und  darunter  vor- 
treffliche Manner,  die  vergleichende  Mythenforschung  noch  immer  nicht 
anerkennen.  Ja  Welcker  (Griechische  Götterlehre  S.  46,  48)  spricht  sich 
gegen  dieselbe  in  einer  Weise  aus,  die  Verwunderung  erregen  muss.  Denn 
er  gesteht  nicht  blofs  überhaupt  die  ursprüngliche  Einheit  der  indoger- 
manischen Völker  und  Sprachen  zu,  sondern  in  zwei  wichtigen  FäUen  lässt 
er  sogar  auch  innerhalb  der  Mythologie  die  Hilfe  der  altindischen  Hymnen 
(Veda)  zu;  er  lässt  es  sich  gefallen,  dass  Zevg  und  d^eos  aus  der  Sprache 
der  Veda  erklärt  werden.  Sollte  man  nun  wol  glauben,  dass  derselbe  Mann 
in  dem  Versuche,  auch  Hermes,  die  Erinnyen  u.  s.  w.  nach  Namen  und 
Wesen  aus  denselben  Veda  zu  erklären,  nichts  anderes  sieht  als  „die  immer 
neu  erwachende  Sucht,  in  irgend  einer  neu  beliebten  Richtung  der  Wurzel 
und  Bedeutung  griechischer  Götter-  und  selbst  Dämonen-Namen  in  wei- 
testen Formen  nachzuspüren  V"  Scheint  hier  Welcker  nicht  sich  selbst  gänz- 
lich vergessen  zu  haben?  Denn  vor  Alters  konnte  man  meinen,  Indien 
liege   „in  weitester  Feme"    von   Griechenland;   für   denjenigen   aber,  der 


Neaere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  y.  H,  Steinthal,     87 

Bopp*8  vergleichende  Grammatik  nicht  für  eine  individuelle  Thorheit  hält, 
also  auch  für  Welcker,  liegt  ja  sogar  Litauen  und  Island  ganz  nahe  an 
Indien!  Und  kann  man  eine  Richtung  „eine  irgend  neu  beliebte"  nennen, 
in  welcher  die  Forscher  in  Petersburg,  Kopenhagen,  Paris,  Nordamerika 
mit  denen  in  Norddeutschland,  und  diese  mit  denen  in  Süddeutschland 
und  der  Schweiz  so  übereinstimmen,  dass  sie  ihre  Ergebnisse  nicht  nur 
gegenseitig  anerkennen,  sondern  auch  ergänzen,  prüfen,  verbessern?  Setzt 
ein  solches  Verhältnis  nicht  voraus,  dass  die  Bichtung  dieser  Männer  in 
dem  objectiven  Zuge  der  Wissenschaft  ihren  Grund  hat?  dass  sie  sich  auf 
festem  Boden  in  fester  Ordnung  (Methode)  bewegt?  Und  die  Ergebnisse 
soldier  Bichtung  will  man  zusammenstellen  mit  den  Einfallen  Zoega^s^  von 
denen  nicht  blo&  heute  niemand  mehr  etwas  weiXs,  sondern  an  denen  auch 
zu  ihrer  Zeit  niemand  aufser  ihrem  Urheber  Theil  nahml 

Liest  man,  was  Welcker  im  Anfange  seiner  Einleitung  sagt  (S.  8—10), 
80  sollte  man  meinen,  er  werde  sein  ganzes  Werk  auf  die  Veda  gründen. 
Ich  will  ihn  nur  selbst  reden  lassen ;  denn  ich  kann  es  nicht  besser  sagen : 
«Von  der  neuen  vergleichenden  Sprachwissenschaft  aus  ist  ein  grofsea 
Licht  auf  alte  Geschichte  und  Mythologie  gefallen,  besonder? 
auch  auf  die  Griechische ...  In  Hinsicht  des  ursprünglichen  Cultur- 
itandes  der  arischen  (oder  indogermanischen)  Völker  ist  besonders  bemerkcns- 
werth  die  Gemeinsamkeit  der  Wörter  für  Feldfrüchte,  Gerste  oder  Spelt 
oder  Getreide,.  C^ce,  für  die  zahmen  Thiere,  fhr  die  Familienglieder,  für  das 
Haus,  das  Pflügen,  das  Weben,  auch  das  Mahlen.**  Femer  g^bt  es  gemein- 
same Namen  für  Haus  und  (harten,  Stadt  und  Dorf;  für  Metalle  und  Werk- 
zeuge, für  die  drei  wilden  Thiere  Bär,  Wolf  und  Schlange,  für  Nachen 
und  Ruder  (nicht  Meer)  und  endlich  für  die  Zahlen  von  eins  bis  hundert. 
Hiernach  sagt  Welcker  weiter:  „Auch  in  der  Mythologie  wird  das  Gemein- 
same in  Hauptsachen  und  besonders  auch  in  charakteristischen  Neben- 
zügen immer  reiner  und  bedeutender  hervortreten . . . ;  und  ebenso  werden 
Untersuchungen . . .  aus  dem  Heldenlied  arischer  Völker  einfache  Grundzüge 
mythischer  Natur,  auf  die  es  wie  geimpft  ist,  Erinnerungen  aus  der  ge- 
meinsamen Heimat  in  bestimmtem  Zusammenklang  erkennen  lassen.  Auf 
eine  wunderbare  Einstimmung  der  Bechtsformen  und  Sätze  in  verschiedenen 
Ländern  dieses  Volksstammes  machte  J.  Grimm  aufmerksam  (Deutsche 
Rechtsalterthümer).  Bekannter  sind  die  Gottesurtheile  im  Griechischen,  in 
Indien  und  in  Deutschland.  Wie  die  Kinderspiele  in  vielen  Gegenden,  wo- 
hin der  arische  Stamm  gelangt  ist,  dieselben  seien,  ist  verschiedentlich 
nachgewiesen  worden."  Und  nichtsdestoweniger  müssen  sich  40  Seiten 
später  dieselben  Männer,  welche  vorstehendes  gelehrt  haben,  neben  Zoega 
stellen  lassen!  —  Es  kommen  noch  hinzu  die  vielen  Uebereinstimmungen 
in  Sitten,  Aberglauben  und  Gebräuchen  der  indogermamschen  Völker  (z.  B. 
in  den  Hochzeits-,  überhaupt  Heiratsgebräuchen,  vgl  Weber,  Indische 
Studien  V,  S.  410  f.),  selbst  in  der  Bauart  ihrer  Häuser  (Kuhn,  Zeitschr. 
V,  454  f.  VI,  239  t).  Nun  überlege  man  sich,  welch  ein  Leben  für  das 
einheitliche  urindogermanische  Volk  aus  so  weit  reichender,  tief  in  die 
innersten  Verhältnisse  eingreifender  Uebereinstimmung  seiner  später  abge- 
fionderten  Zweige  mit  Nothwendigkeit  \orau8gesetzt  werden  rouss;  wi^  jenea 


J8     Neuere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  v.  H.  Steinthdl, 

Volk  gedacht  werden  muss  als  ein  besonders  Viehzucht  und  Ackerbau 
treibendes,  dessen  ganzes  Leben  nach  bestimmter  Sitte  und  Ordnung  ge- 
regelt war;  man  überlege,  welch  hohen  Grad  von  Civilisation  es  schon 
erreicht  haben  musste,  besonders  aber,  wie  das  Mafä  und  die  Regel  für 
seine  Anschauungsweise  und  seine  Gesittung  mythisch -religiös  war,  und 
dann  frage  man  sich,  ob  die  Griechen,  als  sie  sich  vom  gemeinsamen 
Stamme  trennten,  noch  in  der  Nothwendigkeit  waren,  nun  erst  „in  selb- 
ständiger Erflndxmg"  die  wesentlichsten  Götter  zu  schaffen  und  „die  ober- 
sten Begriffe  oder  Haupteigenschaften  ihrer  Götter  aus  sich  selbst  heraus 
in  Namen  auszudrücken** ;  man  frage  sich,  ob  nicht  die  Griechen  vielmehr, 
als  sie  sich  vom  gemeinsamen  Stamme  lösten,  schon  eine  Fülle  mythischer 
Combinationen  und  benannter  göttlicher  Persönlichkeiten  mit  davon  ge- 
tragen haben  müssen. 

Wenn  nun  Welcker  trotzdem  fest  daran  halt,  dass  „die  Griechen, 
gleichwie  auch  die  anderen  Völker,  den  Gedanken  jedes  Gottes,  die  Er- 
scheinungen und  inneren  Erfahrungen,  worauf  ihre  Religion  sich  gründet, 
in  ihrer  eigenen  Mundart  aussprachen*' :  so  hat  das  seinen  besonderen  Grund, 
der  nicht  verschwiegen  wird.  Dieser  liegt  in  Welcker's  Ansicht  von  der 
Urreligion  des  Menschen,  vom  ursprünglichen  Monotheismus  und  der  Ent- 
wickelung  des  Polytheismus.  Auf  diese  Frage  einzugehen,  ist  hier  der  Ort 
nicht.  Nur  dies  wollte  ich  zeigen,  dass  Welcker's  Abneigung  gegen  die 
vergleichende  Mythologie  einen  apriorischen  Grund  hat.  Wer  nun  nicht 
dieselbe  Ansicht  vom  Wesen  der  ursprünglichen  Religion  wie  Welcker  hat 
(und  die  wenigsten  Philologen  werden  sie  haben!),  der  kann  sich  auch 
nicht  auf  Welcker*8  Autorität  gegen  die  vergleichende  Mythologie  berufen; 
wer  sie  aber  theilt,  der  hat  sich  allerdings  zu  fragen,  ob  er  sie  vor  den 
Thatsachen,  welche  die  vergleichende  Mythologie  theils  schon  sichergestellt, 
theüs  wahrscheinlich  gemacht  hat,  noch  aufrecht  zu  halten  vermag.  Wir 
könnten  an  einigen  Mythendeutungen  Welcker*s,  eines  Mannes  von  solcher 
Gelehrsamkeit,  solcher  Kritik  und  Sinnigkeit,  zeigen,  wie  alle  diese  Eigen- 
schaften ohne  die  wahre  geschichtlich  -  vergleichende  Methode  und  ohne 
gesunde  historisch -psychologische  Principien  nur  weitab  vom  rechten  füh- 
ren zu  völlig  haltlosen  und  blofs  individuellen  Meinungen.  Jedoch  auch 
dies  liegt  ftür  diesmal  unserer  Absicht  fern. 

Bevor  wir  versuchen  einen  Ueberblik  über  die  neuesten  Leistungen 
der  vergleichenden  Mythologie  zu  gewinnen,  müssen  wir  die  in  der  üeber- 
sicht  genannten  Werke  einzeln  charakterisieren. 

Li  jeder  Beziehung  die  bedeutendsten  sind  die  Arbeiten  von  Kuhn. 
Wenn  es  sich  um  Forschungen  in  einer  Wissenschaft  handelt,  die  eben 
noch  im  Entstehen  ist,  so  dürfen  wir  an  die  Darstellung  keine  Forderung 
stellen.  Denn  wo  jeder  Schritt  vorwärts  durch  allseitige  Schwierigkeiten 
gehemmt  wird:  da  ist  an  jedem  Puncte  eine  allseitige  Umsicht  und  Arbeit 
nöthig,  und  man  kann  nicht  geradeaus  zum  Ziele  vordringen  wollen.  Es 
soll  also  keine  beschönigende  Redensart  sein,  wenn  ich  sage:  bei  Kuhn 
sind  die  Mängel  der  Darstellung  Tugenden  der  Forschung.  Nur  durch 
Excursc  über  Excurse  gelangen  wir  hier  vorwärts:  ein  ermüdender  Gang, 
aber  von  der  Sache  gefordert.    Wer  nicht  blofs  Ergebnisse  sich  aneignen. 


Nenere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  v.  U,  Steinlhdl.    ^m 

sondern  die  Methode  der  vergleichenden  Mythologie  kennen  lernen  will, 
besonders  nni  auch  selbst  forschen  zn  lernen,  den  verweisen  wir  an  Knhn*8 
Arbeiten. 

Kuhn  zunächst  möge  Windischmann  genannt  werden,  weil  anch 
er  unmittelbar  ans  den  Quellen  schöpft,  und  d.  h.  in  unserem  Falle :  die 
Quellen  zugänglich  macht  Kuhn  betrachtet  auTser  den  altindischen,  vor- 
züglich den  vedischen  Mythen  die  griechischen,  lateinischen  und  deutschen. 
Windischmann  beschrankt  sich  mehr  auf  die  Erforschung  der  altpersischen 
Mythen,  was  ohne  ausführliche  Berücksichtigung  der  altindischen  nicht 
müglich  ist;  weswegen  diese  viel&ch  von  ihm  herbeigezogen  werden.  Be- 
kannt ist,  von  welcher  Wichtigkeit  die  religiösen  Vorstellungen  der  Peiser 
auch  für  die  Geschichte  des  Judenthums  und  Ghristenthums  sind.  Die 
Forscher  auf  diesem  Gebiete  werden  dem  verstorbenen  Verf.  für  die  üeber- 
setzung  und  Erklärung  umfassender  Stellen  aus  den  alten  religiösen  Schrif- 
ten der  Perser  ein  dankbares  Andenken  bewahren. 

Br^al,  ein  Franzose,  der  im  Zusammenhange  mit  den  deutschen 
Forschem  arbeitet,  gibt  im  angezeigten  Buche  eine  Darstellung  und  Deu- 
tung des  bekanntesten,  von  den  römischen  Dichtem  verherrlichten,  römi- 
schen Mythos.  Die  Aufgabe  aber,  die  er  sich  gestellt  hat,  führt  ihn  mit 
Nothwendigkeit  viel  weiter.  Die  einzig  wissenschaftliche  Methode  der  Deu- 
tung eines  Mythos  liegt  in  dem  Nachweise  seiner  Entstehung  und  wei- 
teren Entwickelung  oder  Umgestaltung.  Auch  hierin  gleicht  der  Mythos 
der  Sprache;  von  beiden  gilt:  ihr  Wesen  liegt  in  ihrem  Ursprung  und 
Wachsthum.  Um  nun  die  Geschichte  des  Mythos  zu  finden,  wie  die  der 
Sprache,  bedarf  es  der  Vergleichung.  Darum  werden  von  Bröal  die  dem 
vorliegenden  römischen  Mythos  entsprechenden  griechischen  und  indischen 
Mythen  herbeigezogen,  um  so  die  ganze  Bildung  und  Geschichte  desselben 
zu  entwickeln.  So  gelangt  der  Verf.  zu  einem  wahren  Mittelpuncte  und 
Kern  der  gesammten  indogermanischen  Mythenmasse.  Die  Einleitung  aber 
macht  mit  der  Natur  des  Mythos  im  allgemeinen  bekannt  Aus  der  Wich- 
tigkeit des  behandelten  Gegenstandes  und  der  Klarheit  der  Darstellung 
erfolgt  der  Werth  des  Breal'schen  Buches  von  selbst  *). 

Mannhardt  und  Schwartz  behandeln  die  deutsche  Mythologie; 
sorgfältige  und  umfassende  Kenntnis,  namentlich  der  deutschen  Mythen, 
aber  auch  der  indogermanischen  überhaupt,  ist  beiden  Verf.  zuzuerkennen; 
aber  sie  arbeiten  nicht  in  gleichem  Geiste.  Aus  den  indischen  Quellen  selbst 
schöpft  zwar  weder  der  eine  noch  der  andere;  aber  dennoch  scheint  mir 
Mannhardt  sich  viel  enger  an  Kuhn*s  Weise  anzuschliefsen,  als  Schwartz. 
Ja  dem  Principe  nach  tritt  ein  Unterschied  zwischen  Mannhardt  und  Kuhn 
nur  an  einem  secundären  Puncto  hervor,  nämlich  in  der  Ansicht  über  die 
heute  noch  im  Volke  lebenden  Sagen,  und  ist  hier  sehr  fein;  blofs  durch 
den  Mangel  der  Quellen-Studien  in  Bezug  auf  die  indischen  Mythen  steht 
Mannhardt  unter  Kuhn.   Dass  sich  hieraus  bei  ihm  manche  Unsicherheit, 


*)  Von  den  verfehlten  Einzelheiten  scheint  mir  nur  die  von  einem  tüch- 
tigen Forscher  behauptete,  aber  doch  unhaltbare  Einheit  des  "0(}0^QOi; 
mit  ind.  Vritra  zu  erwähnen. 


(j  4(L   Neuere  Schriften  über  vergfleich.  Mythologie,  ang.  v.  H,  Steinthai, 

mancher  Fehler  im  Einzelnen  ergibt,  ist  unläugbar.  Eben  so  sehr  aber 
ist  auch  nicht  zu  verkennen,  dase  hiervon  abgesehen  Mannhardt  die  Ver- 
gleichung  der  Mythen  mit  grofser  Sorgfalt  und  Feinheit  ausgeföhrt  hal 
Seine  Analysen  sind  scharf  und  seine  Combinationen  tactvoU;  und  im 
Ganzen  wird  hier  so  viel  Vortreffliches  geboten,  dass  wir  für  einzelnes  Ver- 
fehlte wohl  entschädigt  werden.  Da  sich  die  meisten  Philologen  von  der 
rauhen  Bahn,  welche  Kuhn  sie  führt,  abgestochen  fühlen  werden:  so  ist 
ihnen  zur  Einleitung  in  die  vergleichende  Mythologie  Mannhardt  vor- 
eugsweise  zu  empfehlen.  Dies  gilt  namentlich  für  die  Germanisten.  Die 
Darstellung  ist  so  vortrefflich,  besonders  so  übersichtlich,  wie  sie  in  den 
wissenschaftlichen  Werken  der  Deutschen  immer  noch  selten  ist.  Das  später 
erschienene  Werk:  ^Die  Göttef  der  deutschen  Völker**  enthält  vor  der  Be- 
trachtung der  einzelnen  Grötter  und  Göttinnen,  ihres  Wesens  und  der  «ich 
an  sie  knüpfenden  Mythen  und  Sagen,  eine  ausführliche  einleitende  Dar- 
legung des  Wesens  der  Mythen  im  Allgemeinen  und  der  Gesetze  ihrer  Ent- 
wicklung, femer  eine  kurze  üebersicht  der  uralten  indogermanischen  Mythen 
und  der  Entwicklung  und  Eigenthümlichkeit  der  deutschen  Mythen.  Diese 
Capitel  werden  höchst  geeignet  sein,  um  classische  Philologen  und  Qe> 
manisten  über  die  Grundanschauung  der  neuen  Mythologie  aufzuklären,  und 
können  ausreichen,  um  sie  vor  vielen  Irrthümem  zu  schützen.  Wir  wünschen 
sehnlichst,  dass  ^  dem  Vf.  vergönnt  sein  möchte,  recht  bald  die  Fort- 
setzung dieses  Werkes  zu  veröffentlichen,  welche  die  Demonen,  die  Welt- 
schöpfung und  den  Weltuntergang,  den  Kosmos  nach  deutscher  und  nordi- 
scher Vorstellung  darlegen  soll.  —  Wenn  Mannhardt  selbst  dieses  Buch 
auf  dem  Titelblatte  „eine  Darstellung**  nennt,  so  bezeichnet  er  sein  frühcrea 
Werk  „Germanische  Mythen"  als  „Forschungen**.  Und  hiermit  ist  allerdings 
der  verschiedene  Charakter  beider  Werke  richtig  bezeichnet;  doch  fürchte 
man  auch  in  dem  letzteren  nicht  etwa  absto/bende  Gelehrsamkeit  Zwar 
schon,  dass  diese  „Forschungen**,  von  mehr  als  dem  doppelten  Umfange  im 
Vergleiche  zu  jener  „Darstellung**,  sich  doch  nur  um  zwei  Götter  bewegen, 
um  den  Gott  Thunar,  nordisch:  Thörr,  und  die  Göttinn  Holda,  während 
sein  anderes  Buch  alle  Gottheiten  zur  Darstellung  bringt;  schon  dies,  sage 
ich,  beweist  genügend,  dass  in  den  Forschungen  viel  mehr  auf  das  Ein- 
lelne  eingegangen  wird,  aber  ohne  dass  die  üebersichtlichkeit  verloren 
gienge.  Das  Inhaltsverzeichnis  stellt  die  mit  einander  verglichenen  mythischen 
Züge  in  zwei  Spalten  in  wörtlichen  Parallelismus,  und  ein  alphabetisches 
Register  erleichtert  die  Aufsuchung  der  Einzelheiten.  Auch  das  ist  nicht 
willkürlich  geschehen,  dass  gerade  Thunar  und  Holda  aus  der  Zahl  der 
Gottheiten  herausgerissen  sind;  sondern  da  es  dem  Verf  um  die  Dar- 
legung der  Methode  zu  thun  war,  so  boten  ihm  gerade  diese  beiden  mythi- 
schen Gestalten  Gelegenheit  zu  zeigen,  wie  sich  die  Methode  nach  der 
Natur  des  Gegenstandes  und  der  Quellen  modificiert.  Während  fast  sämmt- 
liche  Züge,  welche  das  Wesen  Donars  ausmachen,  in  die  Urzeit  Eurück- 
reichen  und  Vergleichung  mit  dem  altindischen  Gotte  Indra  erlauben  und 
zu  ihrer  richtigen  Deutung  fordern:  ist  die  Gestalt  der  Holda  nach  Form 
und  Bedeutung  in  höherem  Maf^e  eigenthümlich  deutsch  und  ihr  Wesen  aus 
mittelalterlichen  und  neueren  Ueberlieferungen  zu  begreifen.  Hier  bewegt  sich 


Neuere  Schriften  über  Tergleich.  Mythologie,  ang.  v.  SL  StewUhaL     41 ' 

die  FoTBchung  in  engerem  Kreise  und  nnr  wenige,  aber  wesentliche  Grund- 
züge reichen  in  die  Urzeit  der  Indogermanen.  Ueberhaupt  mag  schon  hier 
bemerkt  werden,  dass  die  üebereinstimmung  der  Mythen  der  indogermani- 
schen Völker  vorzngsweise  die  Götter  nnd  Heroen  betrifffc,  während  die 
Göttinnen  nnr  eine  viel  abstractere  Aehnlichkeit  zeigen. 

Was  Schwartz  betrifft,  so  moss  ich,  um  mein  Urtheil  über  ihn  aus- 
xnsprechen,  zwischen  der  Grandanschauung  vom  Wesen  des  Mythos  nnd 
der  Behandlung  der  einzelnen  Mythen  unterscheiden,  wie  innig  auch  diese 
mit  jener  zusammenhängt;  und  nun  meine  ich,  dass  Schwartz  im  Einzelnen 
wenig  Vertrauen  einflöM,  während  er  doch  das  Princip  richiiger  erfasst 
nnd  ausgesprochen  hat,  als  die  meisten  Mythologen.  Buttmann  hatte,  wie  in 
der  Grammatik,  so  auch  in  der  Mythologie  eine  tiefe  Ahnung  des  Richtigen, 
wenn  er  sagt:  «Nicht  nur  dass  Götter  seien,  sondern  auch  dass  diese  und 
jene  bestimmte  Gottheit  sei,  ist  den  rohen  Völkern  ein  Gegenstand  der 
£r&hmng,  so  wie  die  Existenz  dieses  oder  jenes  Menschen*'.  Dieser  Grund- 
gedanke, ohne  den  die  Entstehung  der  Mythen  durchaus  räthseihaft  bleiben 
mnss  und  den  sich  der  Mytholog  nicht  genug  zu  eigen  machen  kann,  tritt 
I.  B.  bei  Max  Müller  viel  zu  sehr  in  den  Hintergrund  und  vielleicht  selbst 
bei  Mannhardt  nicht  hinlänglich  bestimmt  hervor.  Aber  Schwartz  spricht 
ihn  entschieden  aus,  wenn  er  sagt  (S.  VI):  ^Die  mythischen  Wesen  in 
Thier-  und  Menschgestalt  sind  nicht,  wie  man  bisher  gemeint,  Bilder  für 
gewisse  Erscheinungen;  sondern  dem  Glauben  der  Urzeit  gemäfis  in  der 
Natur  lebende  und  sich  in  den  verschiedenen  Naturerscheinungen  bekun- 
dende Wesen".  Wollte  nun  Schwartz  diesen  Satz  durch  Deutung  der  Mythen 
bestätigen  und  erklären,  so  musste  er  natürlich  die  alterthümlichsten ,  so 
lu  sagen,  rohesten  Formen  der  mythischen  Anschauung  hervorsuchen,  wie 
sie  theils  in  den  ursprünglichsten  Gülten,  theils  in  dem  schlichten,  der 
Cultur  und  Poesie  fem  gebliebenen  Volksglauben  lebten  und  leben.  Hier- 
aus indessen  würde  sich  für  sein  Buch  kaum  auch  nur  in  der  Auswahl 
des  Stoffes  eine  Eigenthümlichkeit  ergeben;  denn  auch  die  anderen  Mytho- 
logen werden  die  Volks-  und  Cultus-Sagen  nicht  unbeachtet  lassen.  Nun 
aber  lässt  er  sich  in  dem  Gefühle  der  Gewissheit  seiner  Sache  weiter  hin- 
reifiien,  als  die  nothwendige  Nüchternheit  verträgt  Er  bedenkt  nicht,  wie 
wenig  Bürgschaft  jenes  allgemeine  Princip  für  die  Richtigkeit  der  Deutung 
im  Einzelnen  gewährt,  und  scheint  zu  glauben,  der  Beweis  für  den  Sinn 
eines  mythischen  Zuges  sei  geliefert,  wenn  er  die  Wiederkehr  desselben 
oder  eines  ähnlichen  Zuges  durch  möglichst  viele  Mythen  verfolgt  und 
überall  mit  Zugrundelegung  desselben  Sinnes  zu  einer  Deutung  gelangt, 
die  ihm  wahrscheinlich  oder  gewiss  ist  Dagegen  fürchte  ich,  dass  selbst 
in  den  Fällen,  wo  ich  seine  Deutung  für  gelungen  halte,  nur  den  wenigsten 
Philologen  mehr  abgewonnen  werden  kann,  als  ein  ungläubiges:  „Es  kann 
sein".  Sein  Buch  ist  anziehend  und  anregend  nicht  blofs  durch  weit  reichende 
Combinationen,  sondern  auch  durch  die  unläugbare  Fähigkeit,  sich  in  den 
schlichten  Sinn  der  Volkes  zu  versetzen;  aber  Schwartz  versteht  nicht  zu 
beweisen.  Dadurch,  dass  er  das  Gebiet  der  griechischen  und  deutschen 
Mythen  verlässt  und  gelegentlich  nicht  bloXs  auf  Grenzgebiete  übertritt, 
sondern  nach  den  fernsten  Gegenden  Streifzüge  unternimmt,   fordert  er 


42     Neuere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  v.  H.  SteifUhäl, 

nicht  blofs  seine  Sache  nicht,  sondern  schadet  ihr.  Es  ist  gar  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  alle  Völkerstämme  der  Erde  ihre  Mythen  in  gleicher  Form 
bildeten,  so  wenig  ihre  Sprachen  übereinstimmen.  Zunächst  ist  festzuhalten, 
dass  dieselben  Grenzen,  welcl^e  sich  die  Sprachforschung  in  der  Vergleir 
chung  steckt,  auch  für  die  Mythologie  gelten  mOssen. 

Auch  dies  jedoch  ist  es  noch  nicht,  was  ihn  wesentlich  von  Kuhn 
unterscheidet.  Es  liegt  in  folgendem:  Weil  es  ihm  um  den  Ursprung  der 
Mythen  zu  thun  ist,  so  steht  er  eigentlich  gar  nicht  mehr  auf  dem  Boden 
der  Geschichte,  den  die  Forscher  von  grö/berer  Besonnenheit  fast  niemals  ver- 
lassen; sondern  er  betritt  das  schwierige  Gebiet  psychologischer  Erklärung, 
ohne  das  rechte  Bewusstsein  von  dem  Wesen  und  der  Schwierigkeit  dieses  Un- 
ternehmens zu  haben.  Darum  weht  in  seinem  Buche  eine  ganz  andere  Luft, 
als  in  dem  von  Kuhn,  und  nach  dem  oben  gesagten  mehr  Sturm,  als  Luft 
Der  Unterschied  tritt  uns  in  einem  Puncte  sehr  handgreiflich  entgegen« 
Während  nämlich  Kuhn  das  höchste  Gewicht  auf  Etymologieen  legt,  wie  die 
Mythologen  von  jeher  mit  vollstem  Rechte  gethan  haben :  verschmäht  Schwarte 
diese  Hilfsmittel.  Er  sagt  (S.  XX):  ^Etymologische  Untersuchungen  bietet 
mein  Buch  nicht.  Es  ist  dies  ein  Mangel,  zugleich  aber  auch  gewissermafSsen 
ein  Gewinn".  (Fiel  denn  dem  Verf.,  als  er  dies  schrieb,  nicht  Leasings 
erste  Fabel  „die  Erscheinung"  ein?)  „Ich  verkenne  am  allerwenigsten  die 
bedeutenden  mythologischen  Resultate,  die  namentlich  J.  Grimm  und  Kuhn 
auf  diesem  Wege  zu  Tage  gefordert  haben;  aber  einmal  dürfte  gerade  eine 
Untersuchung,  die  parallel  der  etymologischen  läuft,  für  die  mythologische 
Wissenschaft  selbst  um  so  förderlicher  sein;  dann  ist  auch  gerade  bei  der 
Mythologie  nicht  die  Deutung  aller  Namen  für  das  Verständnis  in  gleicher 
Weise  ergiebig.  Menglada-monili  laetabunda  gibt  eine  Anschauung;  bei 
Berchtha  oder  Gharon  ist  es  nach  der  Etymologie  zweifelhaft,  ob  der  Name 
auf  Sonne  oder  Blitz  geht,  und  nur  der  Mythos  entscheidet.*  Von  jedem 
Worte  aber  gilt,  dass  es  an  sich  von  schwankender  Bedeutung  ist  und  erst 
im  Zusammenhange  des  Satzes  einen  bestimmt  individualisierten  Sinn  erhalt ; 
ist  darum  die  Etymologie  des  Wortes  für  die  Erkenntnis  seines  Gehaltes  un- 
wichtig? So  mag  immerhin  auch  der  mythische  Name  erst  im  Mythos  feste, 
genauer  begrenzte  Bedeutung  gewinnen;  dennoch  gibt  erst  die  Etymologie 
die  sichere  Grundlage  ab  für  die  Deutung  des  Mythos.  Hiermit  soll  nicht 
gesagt  sein,  dass  jeder  mythologische  Forscher  Etymologieen  machen 
soll;  aber  wol  soll  er  die  von  Sachverständigen  gemachten  und  von  be- 
fugten Richtern  gebilligten  prüfen  und  seinen  Untersuchungen  zu  Grunde 
legen.  Denn  etymologisieren  ist  allerdings  nicht  jedermanns  Sache;  es  er- 
fordert aufser  eigenthümlicher  Begabung  auch  noch  vieler  besonders  darauf 
gerichteten  Uebung. 

Die  Vernachlässigung  der  Etymologie  ist  jedoch  nur  ein  Symptom 
und  nicht  der  Grund  der  verschiedenen  Betrachtungsweise  Schwartz's. 
Ebenso  nicht  Grund,  sondern  blofs  Folge  ist  ein  gewisser  Mangel  an  Be- 
stimmtheit der  Anschauung.  Alle  mythischen  Wesen  gelten  ihm  als  Gte- 
mtterwesen,  und  meist  wird  ein  bestimmterer  Zug  nur  gelegentlich  einge- 
führt Der  Mythos  aber  beruht  auf  ganz  bestimmten  Anschauungen;  er 
führt  uns  immer  ganz  besondere  Dinge  vor,  diese  oder  jene  Thierart^  diese 


Neuere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  v.  H.  i^einthal.     48 

oder  jene  Pflanze ;  und  an  dieser  Besonderheit  liegt  alles ,  sie  ist  zn  er- 
klären. Knhn  verliert  diese  Aufgaben  nie  aus  dem  Auge ;  für  Schwartz  ist 
sie  ganz  secundär.  So  ist  z.  B.  auf  zehn  Seiten  (Urspr.  d.  Mjth.  S.  171 — 181) 
von  den  ^Gtewitterblumen"  die  Bede,  und  nur  zum  Schluss  wird  die  Be- 
merkung hingeworfen,  ^dass  meist  noch  specielle,  bei  den  Wolkenbildungen 
am  Himmel  hervortretende  Momente  mitgewirkt ,  um  diesen  oder  jenen 
Baum,  diese  oder  jene  Pflanze  besonders  heranzuziehen". 

An  einem  Beispiele  wenigstens  mag  der  Unterschied,  der  sich  so 
zwischen  Schwartz  und  Kuhn  herausstellt,  erläutert  worden.  Jede  Seite 
konnte  dazu  dienen;  bleiben  wir  bei  dem  ohne  besonderen  Grund  herausge- 
griffenen Falle  der  (jewitterblume  stehen.  Auch  das  Famkraut,  sagt  Schwartz 
(S.  176),  ist  eine  Gewitterblume;  denn  es  ist  polnischer  Aberglaube,  dass 
das  Famkraut,  um  Johannis  in  der  Mitternacht  gebrochen,  Reichthum  und 
die  €Jabe  der  Weissagung  verleihe;  unter  dem  Brechen  aber  erhebe  sich 
Sturm  und  Donner.  Sein  Same  macht  nach  deutschem  Aberglauben  un- 
sichtbar, was  sonst  dem  Wolkenhelm  zugeschrieben  wird**.  Hierdurch,  das 
ist  nicht  zu  läugnen,  wird  das  Famkraut  mit  einer  Reihe  anderer  Pflanzen 
als  mythisch  verwandt  zusammengebracht.  Mehr  aber  ist  auch  wol  kaum 
geleistet.  Besonders  aber  wird  der  Philologe  den  Beweis  dafOr  vermissen, 
dass  überall,  wo  Blumen  im  Mythos  auftreten,  eine  Hindeutung  auf  das 
Gewitter  gegeben  sei  Dass  „wir  von  den  sich  entwickelnden  Gewitterwol- 
ken sagen:  dort  blüht  ein  Gewitter  auf,  wird  niemand  als  einen  hinläng- 
lichen Beweis  gelten  lassen,  sondern  nur  als  Erklämng  daf&r,  wie  der 
YerL  auf  seine  Deutung  verfiel;  und  so  kann  seine  Ansicht  nur  als  eine 
ganz  subjective  erscheinen.  Sie  ist  aber  in  der  That  mindestens  unbestimmt, 
und  sie  vermischt,  was  zu  unterscheiden  ist.  —  Dagegen  lese  man,  wie 
Kuhn  (S.  219—224)  das  Famkraut  als  den  zur  Pflanze  verwandelten  Blitz 
erweist,  und  vergesse  nicht,  dass  diese  fünf  Seiten  ihre  feste  Grundlage 
auf  den  vorangehenden  218  Seiten  erhalten.  Denn  auch  insofem  besteht  ein 
tie^^ifender  Unterschied,  dass  bei  Kuhn  ein  fester  Zusammenhang  zwi- 
schen den  besprochenen  Einzelheiten  herrscht,  vermöge  dessen  eines  das 
andere  stützt  Er  enthüllt  nur  eine  in  sich  zusammenhängende  mythische 
Weltanschauung.  Bei  Schwartz  fallen  alle  Einzelheiten  auseinander,  weil 
das  sie  einigen  sollende  Band  zu  unbestimmt,  inhaltslos,  abstract  bleibt. 
Hier  mag  nun  von  Kuhn's  Begründung  nur  ein  Punct  herausgehoben  wer- 
den. Nicht  unmittelbar  wird  das  Famkraut  als  Blitz  gedeutet.  Es  tritt  die 
vermittelnde  An^hauung  des  Blitzes  als  Vogels  ein.  Diese  Anschauung  ist 
ausführlich  bewiesen  worden;  und  nun  war  es  möglich  sicher  fortzuschrei- 
ten. Nur  was  die  Etymologie  hierbei  hilft,  sei  erwähnt.  Unser  Wort  „Fam" 
entspricht  dem  sanskrit.  parna,  welches  zunächst  Blatt  und  Feder  be- 
deutet, also  eine  ganz  passende  Benennung  der  betreffenden  Pflanze  abgibt, 
wie  es  auch  im  Sanskr.  eine  für  den  indischen  Mythos  und  Cultus  sehr 
wichtige  Bauniart  benennt,  und  wie  ähnlich  im  Griech.  das  Famkraut  nr^Qig 
bei/Ist,  welches  ein  altes  Femininum  zm  jirfQuv  ist.  So  begreifen  wir  nicht 
blofs  den  Namen  dieser  gefiederten  Pflanze,  sondern  damit  zugleich  ihre 
Verwandtschaft  mit  dem  Vogel,  von  welchem  Kuhn  vorher  gezeigt  hatte 
wie  er  den  Blitz  darstellt. 


44     Neuere  SSchriftcn  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  v.  H,  SteifUhal. 

Das  Wesentliche  aher,  wodurch  sich  Schwartz  von  Kahn  und  den  ande- 
ren in  der  Ueherschrift  genannten  Autoren,  überhaupt  von  allen  oomparativen 
Mjthologen  unterscheidet,  und  woraus  sich  seine  ganz  eigenthümliche  Betrach- 
tungsweise ergibt,  ist  seine  Ansicht  von  dem  heutigen  Volksglauben.  Daas 
dieser  «gerade  den  ältesten  Charakter  der  Mythologie  unserer  Vorfahren  ^) 
in  seinen  rohesten  und  einfachsten  Formen"  verrathe,  mag  man  zugestehen; 
aber  man  beachte  wohl,  was  unter  diesem  Zugeständnisse  begriffen  sein 
kann.  Dass  die  alte  Mythologie  durch  zwei  Jahrtausende  hindurch  in  voller 
Treue ,  nicht  bloXis  ohne  Einbufse ,  sondern  auch  ohne  Umgestaltung  be- 
wahrt worden  wäre,  wird  Schwartz  nicht  behaupten  wollen;  nur  dies  kann 
er  meinen,  dass  aus  dem  heutigen  Aberglauben  das  alte  Heidenthum  sich 
nach  seinen  wesentlichen  Elementen  reconstruieren  lasse.  Dass  die  so  er- 
haltenen Mythen  einen  rohen  und  einfachen  Charakter  zeigen,  d.  h«  dass 
die  Bohheit  im  wesentlichen  nicht  etwa  blofls  aus  nusverstehender  Umge- 
staltung in  christlicher  Zeit  erfolgt  ist,  sondern  dem  alten  Volksglauben 
selbst  angehört,  ist  ebenfalls  richtig.  Aber  diese  Bohheit  und  Einfachheit 
ist  eine  relative,  und  man  darf  nicht  übersehen,  in  Verhältnis  zu  welchen 
andern  Mythen  sie  hervortritt.  Es  kann  aber  nur  dies  behauptet  werden, 
dass  der  vom  Volke  bewahrte  Mythos  eine  rohere  und  einfachere  Form  an 
sich  trage,  als  der  von  den  Dichtern  bearbeitete,  wie  er  etwa  in  den  bei- 
den Edden  vorliegt.  Das  hat  Schwartz.  übersehen.  Er  meint,  der  deutsche 
Volksmythos  zeige  „den  ältesten"*,  d.  h.  den  ursprünglichen  Charakter,  und 
verrathe  seinen  Sinn  und  seinen  Ursprung  von  selbst ;  er  meint,  der  deutsche 
Abergkube  eröfihe  den  Blick  in  jede  Mythenbildung  und  gebe  den  Schlüssd 
zur  Mythendeutung  überhaupt  Das  ist  aber  ebenso  falsch,  vne  wenn  je- 
mand das  Gothische  für  die  indogermanische  Ursprache  erklären  wollte. 

Dieser  Irrthum  ist  es,  der  llir  Schwartz  verhängnisvoll  geworden  ist; 
der  ihn  aus  dem  Zusammenwirken  mit  den  comparativen  Mythologen  her- 
ausreifst und  ihm  eine  ÜEdsche  Originalität  gibt  Beruft  sich  Kuhn  schlieft 
lieh  auf  die  Veden,  so  beruft  er  sich  auf  den  heutigen  Aberglauben.  Dieser 
Irrthum  veranlasst,  dass  für  Schwartz  der  Sinn  des  Mythos  nur  unmittel- 
bar durch  Ahnung  zu  erfassen  bleibt;  und  indem  hiermit  jede  Vermittelang 
übersprungen  wird;  fallt  auch  Etymologie  und  Vergleichung  und  jedes  me- 
thodische Hilfsmittel  weg. 

Ich  war  weitläufig  über  Schwaitz,  um  so  mein  Interesse  an  seinen 
Arbeiten  und  den  Wunsch  zu  begründen,  es  möge  ihm  bei  seinem  klar  er- 
fassten  Principe  noch  gelingen ,  sich  in  die  richtige  historische  Betrach- 
tungsweise hineinzudenken.  Nur  dies  sei  noch  bemerkt:  die  germanischen 
Mythen  zeigen  allerdings  eine  verhältnismäfsig  höchst  auffallende  Durch- 
sichtigkeit Indem  alle  ihre  Gestaltungen  ungleich  weniger  plastisch  and 
poetisch  entwickelt  sind,  als  die  der  griechischen  Mythen,  zeigen  sie  ihre 


^)  Statt  .die  Mythologie  unserer  Vorfahren"  moss  man  sagen  ,|die  My- 
then, die  Mythenmasse,  die  mythische  Weltanschauung  unserer  Vor- 
fohren".  Denn  kein  Volk  als  solches  hat  eine  Mythologie,  wie  der 
Mensch  als  solcher  wol  einen  Körper  und  eine  Seele,  aber  nicht  eine 
Physiologie  und  Psychologie  hat,  wol  Sprache  und  Wortformen,  aber 
keine  Grammatik. 


Neuere  Schriften  über  Tergleich.  Mythologie,  ang.  ?.  H.  Steifdhäl,     45 

arsprGngliche  Beziehung  aaf  die  Erscheinungen  der  Natnr  und  des  mensch- 
lichen Lebens  viel  weniger  verhüllt  als  die  letztem.  Daher  konnte  ein  Mann 
wie  Uhland,  ein  Mann  mit  solchem  Sinne  für  Natur  und  die  Verhältnisse 
der  einfachen  menschlichen  Gtesellung,  die  Mythen  von  Thorr,  Donar,  auch 
ohne  Vergleichung  mit  rielem  Glücke  deuten,  wie  dies  kaum  für  einen  ein- 
zigen griechischen  Mythenkreis  möglich  gewesen  wäre ;  und  so  konnte  auch 
Schwartz  ohne  die  eigentliche  vergleichende  Methode  in  vielen  Fällen  sehr 
glückliche  Blicke  thun.  Wie  sich  mythische  Vorstellungen  und  an  diese 
sieh  anlehnende  Gebräuche  aus  uralter  Zeit,  aus  jener  Zeit,  da  der  indo- 
gennanische  Stamm  noch  ein  Volk  bildete,  unter  dem  deutschen  Land- 
folke  bis  heute  wesentlich  unverändert  erhalten  hat,  wird  durch  Euhn*s 
genannte  Arbeiten  bis  zur  Gkwissheit  erhoben.  Der  conservative  Charakter 
des  meniichlichen  Geistes  zeigt  sich  hier  in  einer  Macht,  die  vor  zwei  Jahr- 
zehenten kaum  glaublich  erschienen  wäre.  —  Fragen  wir  nun  nach  den 
vorzüglichsten  Ergebnissen  der  vorgeführten  Arbeiten  für  die  Ergründung 
der  Mythen  der  classischen  und  der  germanischen  Völker. 

Zuvor  jedoch  noch  eine  allgemeine  Bemerkung,  um  möglichen  Mis- 
verstindnissen  zuvorzukommen.  So  gewiss  alle  indogermanischen  Sprachen 
trotz  ihres  einheitlichen  Ursprunges  dennoch  jede  ihre  EigenthÜmlichkeit 
in  der  Behandlung  der  Laute,  der  grammatischen  Formen  nach  ihrer  Bil- 
duttgsweise  und  nach  ihrer  Bedeutung,  wie  endlich  in  den  Constructionen  und 
im  Satzbau  zeigt:  so  bildet  auch  die  Mythenmasse  jedes  dieser  Völker  ein 
eigenthümliches  System  mythischer  Weltanschauung.  Und  wie  es  dem- 
gera&fiEi  wol  kommt,  dass  irgend  eine  Form  in  der  Specialgrammatik  eine 
andere  Bedeutung  trägt,  als  die  ihr  zu  Grunde  liegende  Form  der  indo- 
gennanischen  Ursprache  hatte;  so  schattet  sich  auch  die  Bedeutung  eines 
ursprünglichen  Mythos  in  den  verschiedenen  Mythenganzen  der  gesonderten 
Völker  mannigfach  ab.  Dass  Demeter  im  griechischen  Mythos  eine  Erd- 
göttin ist,  laugtet  niemand;  aber  hieraus  folgt  nichts  filr  das,  was  sie  war, 
bevor  sie  ihre  besondere  griechische  Gestalt  annahm,  und  wovon  noch 
Spuren  genug  übrig  sind.  Denn  die  Mythenmassen  der  Völker  sind  kein 
in  sich  widerspruchsloses  System.  Wenn  daher  dem  Gefühl  des  Hellenisten, 
der  sich  in  die  Homerische  Anschauungsweise  und  in  die  des  späteren,  ent- 
wickelteren hellenischen  Geistes  versenkt  hat,  die  Deutung  des  compara- 
tiven  Mythologcn  schroff  entgegensteht:  so  ist  wohl  zu  beachten,  dass  jenes 
Gefühl  wie  diese  Deutung,  jedes  für  seinen  Kreis,  richtig  sein  kann,  und 
dass  der  Widerspruch  durch  Nachweis  der  geschichtlichen  Entwickelung  zu 
vermitteln  ist  Ueberhaupt  aber  ist  immer  festzuhalten,  dass  vergleichende 
Grammatik  und  Mythologie  geschichtliche  Disciplinen,  Geschichte  der 
Sprache  und  des  Mythos  sind. 

So  wird  nun  wol  die  Verwunderung,  welche  sogleich  das  hier  voran- 
zustellende Ergebnis  erregen  kann,  sich  nicht  bis  zur  Ungläubigkeit  stei- 
gern, nämlich:  dass  die  Unterscheidung  in  Himmel-,  Erd-,  Meer-  und 
unterirdische  Götter,  so  berechtigt  sie  auch  für  die  griechische  Mythologie 
sein  mag,  dennoch  nicht  ursprünglich  ist,  dass  man  in  der  Urzeit  nur 
himmlische  Götter  kannte,  welche  zugleich  Luft,  Wasser  und  Erde  beherrsch- 
ten.  Die  Erd-  und  Meergottheiten  waren  zuvor  himmlische  und  sind  auf 


46     Neuere  Schriften  über  vergleich.  M}iihologie,  ang.  v.  H.  SteitUhäi. 

die  Erde  und  in  das  Meer  herabgezogen  worden.  Vortreffliche  Forscher 
sind  zwar  der  Ansicht,  dass  das  älteste  Götterpaar  der  Vater-Himmel  und 
die  Mutter-Erde  gewesen  seL  Ich  habe  mich  von  der  Richtigkeit  dieser 
Ansicht  noch  nicht  überzeugen  liönnen  und  meine,  dass  überall  wo  uns  eine 
solche  Vorstellung  von  Himmel  und  Erde  begegnet,  sie  den  Anfang  priester- 
licher Reflexion  bezeichnet,  nirgends  aber  im  Volksgeiste  lebendig  gewesen 
ist.  Auf  diese  Frage  weiter  einzugehen,  ist  jedoch  hier  nicht  der  Ort. 

Wenn  nun  die  Sphaeren  des  Universums  als  Anhaltspunct  für  eine 
Gliederung  der  Gottheiten  abzuweisen  sind,  sobald  es  sich  um  die  ver- 
gleichende Mythologie,  d.  h.  um  die  ursprüngliche  indogermanische  Mythen- 
masse  handelt:  so  haben  wir  uns  hier  nach  anderen  Gesichtspuncten  um- 
zusehen, von  denen  aus  sich  die  Massen  gruppieren  lassen.  So  weit  ich  die 
Thatsachen  überschaue,  und  wie  ich  sie  auffasse,  scheint  es  mir,  als  wenn 
sich  sämmtliche  Mythen  zu  drei  Gruppen  sonderten.  Diese  sind  freilich 
nicht  absolut  geschieden,  da  der  Mythos  die  Göttergestalten  aus  der  einen 
Gruppe  in  die  andere  führt.  Dennoch  hat  jede  ihren  besonderen  Mittelpunct 
und  trägt  einen  besundem  Charakter,  an  dem  jede  in  diesen  Kreis  gehörende 
Bildung  Theil  hat  In  der  einen  Gruppe  handelt  es  sich  um  die  Sonne  als 
Tagesgestim.  Helios  liefert  hier  den  Mittelpunct,  um  den  sich  die  anderen 
Crottheiten  der  prächtigen  Lichterscheinungen  schaaren,  wie  die  Eos,  die 
Aphrodite,  die  Chariten,  der  Eros,  die  Dioskuren  und  die  Helene,  auch  die 
Selene  (der  Mond  scheint  ursprünglich  wenig  beachtet  worden  zu  sein). 
Dieser  Kreis  trägt  einen  lyrischen  Charakter  und  aUe  seine  Gebilde  sind 
sanft  und  zart  Da  er  in  den  oben  genannten  Werken  nicht  zur  Sprache 
kommt,  so  möge  diese  Andeutung  genügen. 

In  der  zweiten  Gruppe  handelt  es  sich  um  das  Licht  als  welterhal- 
tendes und  zeugendes  Element,  oder  vielmehr  um  das  Feuer  mit  seinem 
Glänze  und  seiner  Wärme,  an  das  sich  unmittelbar  auch  das  Wasser  schlieM. 
Denn  auch  das  Wasser  glänzt  und  befruchtet.  Sowohl  das  Feuer  aber  wie 
auch  das  Wasser  stammt  von  oben:  und  bestinmiter  gefasst  handelt  es  sich 
hier  um  Blitz  und:  Regen.  Der  Blitz  wird  dann  weiter  an  die  Sonne  ge- 
knüpft, und  der  Regen  an  die  Wolke.  Aber  auch  der  Blitz  stammt  ja  aus 
der  Wolke;  und  so  bildet  sich  die  Vorstellung  von  einem  Aufenthalte  des 
Feuers  im  Wasser.  Oder  die  Wolke  ist  die  Gattin  der  Sonne  und  gebiert 
das  Zwillingspaar  Feuer  und  Wasser  im  Blitz  und  Regen.  Das  Wasser  um- 
fesst  alles  Feuchte;  das  göttliche  Wasser  ist  der  Unsterblichkeitstrank,  die 
Ambrosia  oder  das  Nektar,  dessen  irdischer  Ersatz  der  Wein  oder  sonst  das 
bei  jedem  Volke  gerade  übliche  berauschende  Getränk,  Meth,  Bier,  Soma 
ist.  In  diesen  Kreis  gehören  also  die  Göttergestalten  und  Sagen  von  Hephie- 
stos,  Prometheus  und  Vulcanus,  Hestia  und  Vesta,  Poseidon,  Demeter  und 
Köre  oder  Persephonc,  auch  dem  König  und  Richter  der  Unterwelt,  femer 
Dionysos  und  wiederum  Aphrodite,  welche  diese  Gruppe  mit  der  ersten  in 
Verbindung  setzt.  Die  hierher  gehörigen  Mythen  sind  es,  welche  Kuhn  so 
meisterhaft  in  seiner  „Herabkunft  des  Feuers  und  des  Göttertranks**  ent- 
wickelt hat.  Dieser  Kreis,  auch  von  Windischmann  vorzugsweise  behandelt, 
ist  reich  an  tief  gemütlilichen  und  religiösen,  auch  orgiastischen  Keimen, 
er  beherrscht  das  Familien-  und  überhaupt  das  Hauslebcn,  auch  die  patri- 


Neaere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  y.  H.  SteinÜtal.    47 

archalischen  Staatsverhältnisäe.   Zu  ihm  gehören  auch  die  Elemente  der 
später  mehr  entwickelten  Kosmogonieen. 

Mannichfach  tritt  er  mit  der  dritten  Gruppe  in  Verbindung.  Diese 
ist  die  reichste,  am  meisten  durch  die  Poesie  bei  allen  Völker  verherrlichte. 
Hier  erscheint  nämlich  die  Sonne  als  Held  im  Kampfe  gegen  die  Dtemonen 
der  Finsternis  um  die  Weltherrschaft.  Die  Naturerscheinung,  der  diese  An- 
schauung zu  Grunde  liegt,  ist  das  Gewitter,  aber  dieses  nicht  als  solches 
(denn  so  lag  es  schon  der  zweiten  Gruppe  zu  Grunde) ,  sondern  als  Wechsel 
der  Jahreszeiten.  Es  handelt  sich,  um  es  ganz  allgemein  auszudrücken,  um 
den  Antagonismus  der  dem  Menschen  und  den  ihn  umgebenden  Thieren 
und  Pflanzen  wohl-  und  übelthuenden  Wirkungen  der  Natur,  um  Abwehr 
von  Kälte  und  Hitze,  von  Dürre  und  schädlichen  Dünsten  u.  s.  w.  Man 
begreift  namentlich  hier,  wie  derselbe  mythische  Keim  sich  in  den  Tropen- 
ländem  anders  entwickeln  musste  als  in  Norwegen.  Hierher  gehören  vor- 
zugsweise die  grossen  Götter:  Zeus,  Apollo  und  Athene,  auch  Hermes, 
und  die  Heroen  Perseus,  Bellerophon,  Herakles ;  Wuotan,  Thunar  und  Sig- 
firid,  und  sonst  noch  zahllose  Sagen  und  Märchen.  Diesen  Mythenkreis 
mag  man  vorzugsweise  episch  nennen.  Er  ist  Gegenstand  bei  Breal  und  bei 
Mannhardt,  German.  Mythen,  in  der  ersten  Hälfte. 

Nach  dieser  Uebersicht  wollen  wir  die  Grandzüge  der  zwei  zuletzt 
genannten  Kreise  von  Mythen  etwas  ausführlicher  vorführen.  Wir  beginnen 
mit  der  Sage  von  Prometheus.  Sobald  man  den  Namen  dieses  Titanen  hört, 
denkt  man  an  des  tiefsten  und  gewaltigsten  griechischen  Dichters  erhabenste 
Tngcedie,  und  fühlt  sich  dann  seltsam  überrascht,  wenn  man  erföhrt.,  welch* 
ein&cher  Gedanke  ursprünglich  in  Prometheus  lag.  Aber  nehmt  doch  alle 
die  Wörter,  an  welche  wir  heute  den  höchsten  Inhalt  unseres  Geistes  und 
die  tiefste  Erregung  unseres  Gemüthes  zu  knüpfen  gewöhnt  sind,  und  fragt, 
was  sie  ursprünglich,  etymologisch  bedeuten.  Wird  man  darum  eine  Etymo- 
logie verdächtigen,  weil  sie  nicht  ahnen  lässt,  welche  Bedeutung  das  be- 
treffende Wort  im  Laufe  der  geistigen  Entwickelung  des  Volkes  erhalten 
hat?  Diese  Vorbereitung  schien  nöthig,  damit  man  an  Folgenden  keinen 
Anstofls  nehme. 

Die  Entzündung  des  IFeuers  in  ältester  Zeit  geschah  in  einer  Weise, 
die  sich  bei  den  Indem  für  das  Opferfeuer  und  bei  den  deutschen  Stämmen 
für  den  Aberglauben  unter  dem  Volke  bis  heute  erhalten  hat,  und  die  sich 
auch  bei  den  Griechen  nachweisen  lässt.  Man  dreht  oder  vielmehr  quirlt 
nämlich  ein  Stück  Holz  in  einem  anderen.  Um  die  Drehung  hervorzubringen, 
bindet  man  um  das  quirlende  oder  bohrende  Holz  einen  Strick ;  indem  man 
nun  bald  das  eine,  bald  das  andere  Ende  desselben  an  sich  zieht,  muss 
sich  der  Bohrer  bald  nach  rechts,  bald  nach  links  in  groXser  Schnelligkeit 
drehen,  wodurch  sich  das  Holz  entzündet.  —  In  ganz  gleicher  Weise  durch 
bohrendes  Drehen  dachte  man  sich  auch  bei  den  Göttern  das  erhabene  gött- 
liche Feuer  erzeugt,  das  man  an  der  leuchtenden  Sonne  wahrnahm.  Pro- 
metheus ist  nun  ursprünglich  nach  Namen  und  Wesen  nichts  anderes,  als 
die  Personification  des  göttlichen,  Feuer  erzeugenden  Bohrers.  Daher  erzählt 
der  Mythos,  dass  ihm  die  Menschheit  das  Feuer  verdanke. 


48     Neuere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  t.  H,  Steinthäl. 

Der  Feuer-Erzeugung  ganz  analog,  ja  damit  wesentlich  identisch, 
dachte  man  sich  die  Menschenzeugung,  da  auch  das  Lehen  Feuer  und 
Wärme  ist,  also  Zeugung  ebenfalls  Weckung  \on  Feuer.  Darum  ist  Pro- 
metheus, bevor  er  das  Feuer  verleiht,  Schöpfer  der  Menschen. 

Die  Erklärung  seines  Namens  ist  noch  streitig. 

Die  Vermittlung  zwischen  dem  irdischen  und  himmlischen  oder 
göttlichen  Feuer  trat  dem  Menschen  der  Urzeit  im  herabfahrenden  Blitx 
am  lebendigsten  vor  das  Auge.  Der  Blitz  konnte  angesehen  werden  als  der 
zum  Menschen  herabsteigende  Feuergott  selbst;  und  auch  die  den  mensch- 
lichen Leib  belebende  Wärme  galt  als  herabgekommener  Blitz.  Der  Fener- 
gott  ist  der  Schöpfer  des  Menschen;  dieser  ist  eine  Blitzgeburt;  auch  der 
Qott  selbst  entsteht  im  Blitz. 

Der  Blitz  aber,  mythisch  als  göttliches  Wesen  gedacht,  erschien  als 
ein  goldener  Vogel,  besonders  als  Falk  und  Adler.  Als  man  sich  aber  die 
OÖtter  nicht  mehr  in  Thier-,  sondern  nur  noch  in  menschlicher  Gestalt 
vorstellte,  da  glaubte  man,  Vögel  im  Dienste  des  Blitzgottes  tragen  den 
Blitz,  wie  der  Adler  des  Zeus.  Ja,  auch  alle  irdischen  Vögel  galten  als 
verwandelte  Blitze,  besonders  solche,  welche  durch  gelbe  oder  rothe  Federn 
oder  durch  das  glänzende,  blitzende  Auge  an  das  Feuer  erinnern.  Denn 
dies  ist  ein  durchgehendes  Verhältnis:  erscheint  der  Phantasie  des  Ur- 
menschen zuerst  ein  himmlisches  Ding  oder  ein  Vorgang  am  Himmel  in 
der  Qestalt  eines  irdischen  Wesens,  so  gilt  nun  auch  umgekehrt  das  irdische 
Wesen  als  Symbol,  ja  als  Erzeugnis  des  himmlischen  Wesens,  das  ihm 
gleicht,  und  geradezu  als  sein  Vertreter  (Mannhardt,  die  Götter  der  deutschen 
Völker  S.  23). 

Nicht  nur  die  Vögel,  sondern  auch  gewisse  Pflanzen  galten  als  ver- 
wandelter Blitz,  nämlich  solche,  welche  vorzugsweise  zur  Entzündung  des 
Feuers  gebraucht  wurden,  oder  welche  durch  Farbe  der  Früchte,  Gestalt 
der  Blätter  u.  s.  w.  an  den  Blitz  oder  an  Vögel  erinnern.  In  den  Domen 
erkannte  man  die  hervorstehenden  Erallen  des  Blitzvogels  wieder.  Lii 
Brande  aber  offenbart  sich  die  ursprüngliche  Feuematur  des  Holzes;  der 
Brand  ist  die  Bückkehr  des  Blitzes  aus  seiner  Verwandlung. 

War  nun  der  Mensch  eine  Blitzgeburt,  so  waren  es  nach  dem  eben 
angegebenen  Zusammenhange  die  Vögel,  welche  die  Sonder  bringen;  bei 
uns  ist  in  dieser  Beziehung  besonders  der  Storch  geltend,  bei  den  Latinem 
war  es  der  Specht,  picus.  Dieser  Vogel  war  ursprünglich  beim  Latiner  der 
Feuer-  und  Blitz-Gott,  darum  Schöpfer  der  Menschen,  und  ward  später  zu 
Picus,  dem  ersten  Könige  *). 

Mit  dem  Blitze,  d.  h.  dem  alles  belebenden  Feuer,  steht  in  enger 
Verbindung  das  alles  befruchtende,  belebende,  begeisternde  Nass :  der  Regen, 
d.  i.  der  Unsterblichkeitstrank,  indisch  amnta,  ufiß^oaCa,  genannt.  Den 
Sagen  von  der  Herabführung  des  Feuers  sind  die  von  der  Gewinnung  des 
Soma  ganz  analog  und  sie  greifen  beiderseitig  in  einander.  Wie  der  Blitz, 


*)  Eine  psychologische  Analyse  des  Prometheus-Mythos  habe  ich  meiner 
Zeitschnft  flir  VöJkerpsychologie  und  Sprachwissenschaft  (Band  U 
S.  1  —  2H)  gegeben. 


NeoAie  Schriften  ttber  Tergleich.  Mythologie,  ang.  v.  H.  StemUuü.     49 

90  stammt  auch  der  Regen  ans  der  Wolke.  Besonders  bei  den  Persem  ond 
Germanen  ist  von  einem  gro&en  Baume,  von  der  Welt-Esche  (skandinaTiach: 
Yggdrasill),  die  Bede,  von  welchem  sowol  Fener  als  Feuchtigkeit  stammen. 
Hdohst  grofoartig  haben  die  Norweger  diese  Anschanong  entwickelt.  Bei 
4m  Griechen  ist  sie  etwas  snsammengeschnimpft;  die  göttliche  Esche  ist 
m  Nymphe  Melia  geworden.  Es  wird  mehrfach  von  ihr  erz&hlt,  oder  ea 
tnten  mehrere  anf,  die  diesen  Namen  führen;  immer  sind  es  Okeaninen: 
das  Meer  sengt  die  Wolken.  Doch  dieses  Zeagungs-Yerhitltnis  ist  keine 
uiprllBgliche  Anschaunng.  Das  indogermanische  Unrolk  kannte  fiberhanpt 
das  Meer  nicht  Dim  ist  die  Wolke  das  obere,  göttliche  Wasser;  und  wie 
das  irdische  Feuer  nur  im  Blitz  herabgekommenes  oberes  Feuer,  so  ist 
anch  allea  irdische  Wasser  nur  im  Regen  und  Thau  Yon  oben  herabgeflEdlenea 
Nasa.  Wird  das  Feuer  als  männlicher  Gott  gedacht  (bei  den  alten  Indem 
Agni,  bei  den  Griechen  Hephastos,  Prometheus),  so  ist  die  Wolke,  das 
Waaser,  die  göttliche  Frau,  die  Gattin  und  Mutter  des  Gottes;  denn  die 
Wolka  wird  von  dem  Sonnen*  oder  Blitzgott  befruchtet  und  zeugt  den 
Bliti^  Eine  MiUa  gebiert  den  4H)Qtav{v^,  welcher  der  peloponnesische 
Pimneihens  ist,  nämlich  Herabbringer  des  Feuers.  Femer  gibt  es  eine  Sehaar 
malischer  Nymphen,  von  denen  das  Menschengeschlecht  abstammen  soll; 
und  nadi  Uesiod  scha£ft  Zeus  das  dritte  Geschlecht  der  Menschen  aus  Esöh«i. 
Hadi  Modischer  Vorstellung  trieft  Honig  als  Thau  von  der  Weltesohe  auf 
die  Erde.  Das  griechische  Wort  /ntlta  aber  ist  von  derselben  Wurzel  wie 
fUh  Hon^  und  die  davon  abgeleitete  fi^Uxta  Biene.  In  Sftdeuropa  gibt 
•a  Mne  Eachenart,  fnudnus  omus,  deren  Rinde,  geritzt,  einen  Zuckersaft, 
Manna  genannt,  ausschwitzt.  So  heiHsen  die  Ammen  des  Zeus  bald  MtXltu^ 
bald  MilMiata^  die  honigspendenden,  seien  es  Nymphen  oder  Bienen.  Im 
dodonälachen  Sagenkreise  sind  die  Ammen  des  Zeus  die  Hyaden;  Regen  ist 
der  göttliche  Honig.  Dann  heilet  es  wieder,  die  erste  Nahrung  des  Zena 
sei  die  Milch  der  Amaltheia  gewesen;  und  dann  wieder,  er  sei  zuerst  mit 
Nektar  genährt.  Sojsieht  man,  wie  Esche,  Honig,  Milch  (die  Ziege  ist  die 
Wolke),  Nektar  nur  dasselbe  bedeuten:  den  vergötterten  Regen.  Bei  den 
Indem  und  noch  mehr  bei  den  Persem  wird  der  entsprechende  Soma  (pers. 
Haoma)  geradezu  als  Gottheit  verehrt. 

Viele  Mythen  erzählen,  wie  der  ünsterblichkeitstrank  den  Göttem 
forsnthalten  war  und  von  ihnen  mit  Gewalt  und  List  gewonnen  werden 
Busate.  Auch  bei  den  Griechen  finden  sich  solche  Mythen  und  Sagen,  ob- 
wol  etwas  verdunkelt.  Das  bedeutendste  Ergebnis  der  hierher  gehörigen 
Forschungen  ist  der  Parallelismus  des  Dionysos  mit  dem  ind.  Soma,  dem 
pers.  Haoma.  Dionysos  ist  also  ursprünglich  das  vergötterte  himmlische 
Nase,  also  eigentlich  der  Regen,  wie  auch  die  Hyaden  seine  Amme  sind; 
daa  himmlische  Nass  ward  aber  von  den  Griechen  wie  von  den  Indem  und 
Persem  und  Deutschen  als  begeisternder  Trank  gedacht,  und  so  ist  er 
Gott  des  Weines.  Aber  die  Sage  von  seiner  Geburt  zeigt  schon,  dass  er 
mit  dem  Feuer  in  naher  Verbindung  steht.  Ursprünglich  scheint  dieselbe 
Pflanze  zur  Ckwinnung  des  berauschenden  Saftes  benutzt  worden  zu  sein, 
deren  Holz  auch  zur  Feuererzeugung  gebraucht  wurde;   und  wenn  sich 

Ztiuchrirt  L  <L  taurr.  Oymn.  18(>6. 1.  Htft.  4 


50    Neuere  Schriften  ttber  Vergleich.  Mythologie,  ang.  t.  H,  SteintM, 

auch  dieses  Verhältnis  während  der  Wanderung  aus  dem  Stammlande  lösen 
musste,  so  zeigen  doch  die  Sagen,  Symbole  des  Cultus  und  Aberglaube  die 
enge  Verbindung  von  Feuer  und  Trank.  Nur  eines  sei  hier  erwähnt.  Pro- 
metheus soll  den  Feuerfunken,  den  er  von  den  Gröttem  zu  den  Menschen 
brachte,  in  einer  Narthexstaude  verborgen  haben.  Aber  es  wird  auch  er- 
zählt, Dionysos  habe  mit  dem  Narthex  Wein  aus  den  Felsen  geschlagoi,' 
und  die  Bacchanten  erscheinen  mit  dem  Thyrsos  ausgerüstet,  der  ein  mit 
Epheu  (oder  Weinlaub)  umschlungener  Narthex-  (oder  Fichten-)  Stab  war. 
Epheu  aber  (hedera,  mTjog)  war  besonders  zur  Feuererzeugung  geeignet 
und  von  den  Griechen  und  Römern  zum  Feuerzeug  verwendet. 

Geradezu  aber  als  Feuergott  wird  Dionysos  bezeichnet  durch  das 
Beiwort  uiixviTrji.  Das  göttliche  Kind,  der  neugeborene  Gott  in  der  „Wiege* 
ist  eben  das  immer  neu  durch  Drehung  des  geweihten  Holzes  erzeugte  Feuer. 
So  wird  auch  von  den  Indem  der  Feuergott  Agni,  und  bei  den  Persem  die 
entsprechende  Gottheit,  als  das  neugeborene  Kind  gefeiert,  dem  die  Göttinnen 
ihre  Pflege  angedeihen  lassen ,  und  er  heilst  „der  jüngste**  der  Götter. 
Auch  wenn  Dionysos  mit  Wahnsinn  straft,  zeigt  er  nur  die  von  Indem, 
Griechen,  Römern  und  Deutschen  dem  Donner  und  Blitz  zugeschriebene 
Kraft,  den  Geist  zu  verwirren,  den  Menschen  der  Sinne  zu  berauben. 
Hierauf  beruhen  die  Ausdrücke  „angedonnerf*,  attonüus^  ifißQovTfjToc. 

Auch  der  phallische  Cultus  des  Dionysos  führt  auf  den  Feuergott 
zurück;  denn  wie  schon  bemerkt,  der  Gott,  der  das  Feuer  gebracht  hat, 
ist  auch  der  Gott  der  Menschen-Zeugung ;  das  bohrende  Feuer-Holz  und  das 
männliche  Glied  ÜEillen  im  Mythos  ebenso  zusammen ,  wie  Feuer  und  Leben. 

Hier  tritt  nun  eine  Verwandtschaft  des  Dionysos  mit  Hermes  her- 
vor, der  ja  auch  einen  phallischen  Cultus  hat  In  der  That  hat  Hermes 
eine  Seite,  wonach  er  den  Feuer-  oder  Blitz-Gott  darstellt.  Wie  dem  Pro-^ 
metheus,  wird  auch  ihm  die  Gabe  des  Feuers  zugeschrieben.  So  heüüst  et 
im  Homerischen  Hymnus  auf  Hermes: 

Er  ist  der  Bote  der  olympischen  Götter  und  besonders  Jiog  uyyÜLog,  wie 
der  altindische  Feuergott  Agni;  er  ist  Opferpriester  und  precum  minister, 
wie  Agni  Denn  wie  der  Feuergott  im  himmlischen  Funken,  dem  Blitze, 
als  der  Götterbote  herabfahrt,  so  steigt  er  in  der  aufstrebenden  Flamme 
das  Altars,  in  der  wirbelnden  Rauchsäule  zum  Himmel  empor,  um  den 
Göttern  der  Menschen  Opfer  zu  bringen.  Dass  der  Stab  des  Hermes  und 
der  Thyrsos  des  Dionysos  ursprünglich  dasselbe  waren,  leuchtet  nun  wol 
Ton  selbst  ein.  Sie  waren  beide  das  feuererzeugende  Drehholz;  sie  waren 
beide  verwandelter  Blitz.  Zeigt  sich  dies  in  Bezug  auf  den  Thyrsos  im 
Stoffe  des  Stabes,  in  der  dazu  erwählten  Holz -Art,  so  ist  für  den  Stab 
des  Hermes  die  Form  wichtig.  Zu  den  Vorstellungen  des  urindogermani- 
schen  Volkes  gehört  die  Vorstellung  vom  Blitz  als  Dreizack,  als  Kreuz 
oder  Hanmier  mit  drei  Spitzen.  Darum  ist  auch  der  Umstand,  dass  die 
Blätter  an  gewissen  Pflanzen  dreiständig  oder  dreizackig  sind  (letsteres 
•m  Epheu),  eine  neue  Veranlassung  gewesen,  sie  als  verwandelten  Bliti 
anzusehen.  Ebenso  ist  nun  auch  der  Stab  des  Hermes  r^/r/rijlo;  drei- 
«prossig,  dreiblättrig. 


Neuere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  v.  R.  SteiiUhal.     51' 

In  welch  ausgedehntem  Maf^e  in  dem  Aberglauben  der  neuem  Völker 
die  uralten  mythischen  Vorstellungen  bewahrt  sind,  lässt  sich  gerade  bei 
dieser  Gelegenheit  schön  nachweisen.  Denn  was  Jacob  Grimm  mehr  tact- 
und  ahnungsvoll  erfasst  hatte,  das  hat  nun  Kuhn  bewiesen,  nämlich  dass 
die  Wünschelruthe  dasselbe  ist  wie  der  Stab  des  Hermes.  Einerseits  ist 
auch  dieser  eine  okßov  xal  nkovxov  ^ß^og;  anderseits  wird  jene  von 
Blumen  geschnitten,  welche  als  Verkörperungen  des  Blitzes  gelten,  und  sie 
hat  die  Zwieselgestalt,  um  dadurch  an  den  Menschen  zu  erinnern:  sie  ist 
Darstellung  des  Donnerkeils.  Dass  aber  dieser  den  Menschen  Schätze  gc* 
währt,  beruht  darauf,  dass  er  die  Wolke,  d.  h.  den  göttlichen  Schatz, 
öfl&iei  Unzählige  Sagen  von  der  Springwurzel  und  von  in  Felsen  verbor- 
genen Schätzen  knüpfen  sich  hier  an,  wie  auch  weitverbreiteter,  vielfach 
gestalteter  Aberglaube.  Hier  mögen  diese  Andeutungen  genügen.  Kuhn 
hat  theils  in  seiner  „Herabkunft  des  Feuers",  theils  aber  und  sehr  aus* 
fuhrlich  in  seinen  „Westfälischen  Sagen,  Gebräuchen  und  Märchen**,  diese 
letzten  Gestaltungen  des  alten  Mythos  im  Aberglauben  aufgewiesen. 

Ich  komme  endlich  zum  drittgenannten  Mythenkreise,  der  seinen 
Mittelpunct  in  dem  Gotte  Indra  und  dessen  Gegner  hat  und  den  Kampf 
beider  gegen  einander  darstellt.  Ein  sehr  einfaches  Thema  wird  hier  un- 
endlich variiert,  so  dass  es  in  seiner  reinen  Gestalt  kaum  mitzutheilen  ist 
Die  Wolken  gelten  als  die  himmlischen  Kühe  Indra's  und  der  Götter.  Der 
böse  Dämon  raubt  sie  und  verbirgt  sie  in  seiner  Höhle.  Dadurch  wird  den 
Göttern  wie  den  Menschen  der  Regen,  die  Nahrung  entzogen.  Indra  er- 
aehligt  den  Dsmon  mit  dem  Blitz,  öffiiet  die  Höhle,  befreit  die  Kühe,  und 
deren  Milch  (der  Regen)  fliefst  wieder  auf  die  Erde. 

Man  nenne  den  Dssmon  Gäcus,  setze  Hercules  statt  Indra:  und  man 
hat  in  vorstehender  Erzählung  die  römische  Sage.  Von  den  alten  Namen 
des  Gottes,  der  hier  Hercules  genannt  wird,  nämlich  Sancus,  Semo,  Dius 
fidius,  Recaranus,  ist  hier  nicht  zu  reden.  Ich  bemerke  nur,  dass  Breal 
sie  ausführlich  und  gut  bespricht.  —  Ein  merkwürdiger  Zug  der  römischen 
Sage  ist  der,  dass  Cacus  die  geraubten  Kühe  rückwärts  gehen  lässt,  uni, 
wie  man  sagt,  sich  nicht  durch  die  Fufsspuren  zu  verrathen.  Bei  den 
Griechen,  wie  in  vielen  deutschen  Sagen,  wiederholt  sich  dieser  Zug.  Breal 
hat  ihn  richtig  gedeutet.  Die  ursprüngliche  Form  von  Cacus  war  Csscius, 
imd  dies  ist  griechisch  KMx(ug^  womit  die  Griechen  einen  Wind  bezeich- 
nen, der  die  Wolken,  wie  sie  glaubten,  nicht  vor  sich  herjagte,  sondern 
an  sich  zog.  So  vrissen  wir,  was  der  lateinische  Cacus  bedeutete.  Auch 
die  Peiaer  erzählen  von  Drachen  (denn  durchgehende  hat  der  böse  Dsemon 
die  Gestalt  eines  Drachen),  die  mit  ihrem  Athem  die  Beute,  Menschen  und 
Vieh,  sich  in  den  Rachen  herein  treiben.  Allerdings  scheinen  zuweilen  die 
Wolken  in  einer  Richtung  zu  ziehen,  die  der  des  Windes  gerade  entge- 
gengesetzt ist:  nämlich  dann,  wenn  in  der  obem  und  in  der  untern  Luft- 
schicht verschiedene  Strömungen  entstehen. 

Sahen  wir  hier  den  Wind  als  bösen  Dsmon,  so  ist  doch  zu  bemer- 
ken, dass  gewöhnlich  der  Wind  im  Dienste  des  guten  Gottes  steht,  auf 
«einer  Seite  kämpft.  Der  Wind  veijagt  ja  die  bösen  Dünste,  die  Nebel, 
welche  die  Sonne  verhüllen,   und  so  erkämpft  er  dem  Gotte  des  Lichte» 

4* 


5C    Neuere  Schriften  über  vergleich.  Mythologie,  ang.  y.  H,  SteinihdU. 

und  der  Klarheit,  der  Sonne  am  blauen  Himmel,  den  Sieg.  So  ist  es  denn 
kein  Wunder,  wenn  der  Sturm-Gott  selbst  zum  Licht-Gott  wird  oder  mit 
einem  solchen  verschmilzt.  So  ist  in  Apollo  eine  Seite,  von  der  aus  be- 
trachtet er  ein  Sturm-Gott  war;   eben  so  in  Hermes. 

Die  Götter  haben  dasselbe  Schicksal  wie  die  Wörter;  denn  ee  sind 
ja  auch  wesentlich  blofs  Wörter,  Namen.  Wie  das  eine  Wort  durch  die 
Entwickelung  seiner  Bedeutung  von  unscheinbarem  Anfeinge  dazu  gelangt, 
das  Edelste,  Höchste  zu  bezeichnen,  das  andere  Wort  dagegen  von  höherem, 
reinem  Sinne  zu  niedrigem,  schmutzigem  herabsinkt:  so  werden  auch  die 
Namen  göttlicher  Gestalten  bald  zu  Olympiern,  bald  zu  Dsmonen  des 
£[ade8.  Wir  haben  schon  gesehen,  wie  Cacus  und  Hermes  sich  bertthren; 
auch  Hermes  ist  ja  Rinderdieb  und  bedient  sich  dei-selben  List,  wie  Cacus. 
Bei  den  Lidern  tritt  der  Wind  in  Hundsgestalt  auf,  und  zwar  ist  es  ein 
Zwillingspaar  von  Hunden.  Bei  den  Griechen  wird  der  eine  von  beiden 
zum  Hermes,  der  andere,  wie  A.  Weber  bemerkt  hat,  zum  Kerberos:  das 
beweist  die  Uebereinstimmung  der  indischen  und  griechischen  Namen.  Der 
indische  Name  ^ber,  welcher  dem  x/^/9«^o;  entspricht,  ist^rvaras,  welches 
Wort  dunkelfleckig  bedeutet  Dies  ist  aber  die  Farbe  der  Kröte;  und 
Kröte,  (pQvvTj,  ist  ein  Name  des  Kerberos.  Indessen  lag  diese  Verschieden-- 
heit  zwischen  den  Zwillingen  Hermes  und  Kerberos  schon  darin  vorgebildet, 
dass  das  Hunde-Zwillingspaar  auch  bei  den  alten  Ladern  Schlaf  und  Tod 
darstellten.  Genau  genommen  vertritt  Hermes  (auch  dem  Namen  nach) 
beide  Hunde;  denn  er  ist  ja  Hüter  in  der  Nacht  und  Psychopomp.  Die 
letztere  Seite  aber  ist  nach  ihrem  schrecklichen  Eindruck  auf  das  Gemftth 
in  Kerberos  vertreten. 

Man  hat  darüber  gestritten,  welche  deutsche  Gottheit  dem  Lidra 
entspricht.  Nachdem  Kuhn  mehrfach  die  Analogie  Wuotan's  zu  Lidra  her- 
vorgehoben hatte,  behauptete  Mannhardt,  der  deutsche  Repräsentant  des 
höchsten  Gottes  der  Lider  sei  vielmehr  Thunar.  Man  darf  aber  hierüber 
ao  wenig  streiten,  wie  darüber,  ob  Zeus  oder  Apollon  der  griechische 
Xndra  ist.  Man  muss  nämlich  festhalten,  dass,  so  wenig  ein  Wort  der  einen 
Sprache,  zumal  wenn  es  in  die  Kreise  der  abstracten  Vorstellungen  gehört» 
ein  ganz  und  völlig  gleichbedeutendes  in  einer  anderen  Sprache  findet, 
ebenso  wenig  eine  Gottheit  des  einen  Volkes  genau  und  vollkommen  einer 
Gottheit  eines  anderen  entspricht.  Sondern  wie  die  Wörter,  so  sind  aadi 
die  Göttemamen  bei  verschiedenen  Völkern  nicht  sowol  gleichbedeutend, 
als  sinnverwandt  Und  verwandt  ist  Wuotan  dem  Lidra  ebensowol  vrie 
Zeus.  Aber  auch  Apollo  ist  es  und  auch  Thunar,  was  Mannhardt  ausfilhr- 
lich  gezeigt  hat  Wuotan  ist  der  Sturm,  aber  der  wohlthätige  Frühlings- 
wind;  und  also  ist  er  Frühlings-  oder  Sommergott,  wie  Lidra  und  Apollo. 

Wie  Indra  der  Kräftige,  der  Herr  der  Kraft  heiM,  so  Thorr:  Vater 
der  Stärke.  Im  Zorne  schüttelt  Indra  seinen  goldenen,  Thorr  seinen  rothen 
Bart  Indra  schleudert  die  Donnerwaflfe,  die  immer  wieder  in  seine  Hand 
zurückkehrt,  gerade  wie  Thunar  seinen  Hammer.  Auch  diese  specieUere 
Vorstellung  vom  Hammer  findet  sich  in  Indien.  Thunar  ist  wie  Indra  der 
Kämpfer  gegen   die   bösen   Mächte.    Und   die   nähere   Darstellung   dieser 


Literaritiche  Notizen.  6S 

Michte  xeigt  ebenfalls  in  Namen  und  Gestaltung  die  auffallendsten  Ueber- 
einstimmungen  mit  den  alten  indischen  Vorstellungen. 

Diese  Mittheilungen  genügen  vielleicht,  um  den  Beichthum  der  an 
der  Spitse  genannten  Werke  vermuthen  zu  lassen.  Dagegen  muss  ich  frei- 
lich fürchten,  dass  diejenigen,  welche  nicht  schon  Freunde  der  vergleichen- 
den Mjthol<^e  waren,  es  durch  diese  Anzeige  nicht  geworden  sind.  Denn, 
wonmf  alles  ankommt,  die  Beweisftlhrung  und  der  ^Zusammenhang  des  Ein- 
lehieii  zum  Granzen,  gerade  hiervon  konnte  ich  an  Lesern  Orte  am  wenig- 
sten zeigen.  Sieht  nun  aber  der  geehrte  Leser,  wie  wichtig  und  nm&ssend 
die  Eigebnisse  der  vergleichenden  Mythologie  sind,  unter  der  Voraussetzung, 
dass  sie  richtig  sind,  so  wird  er  sich  wol  getrieben  f&hlen,  dieselben  im 
Zusammenhange  und  mit  ihren  Beweisen  kennen  zu  lernen. 

Berlin.  Prot  Dr.  SteinthaL 


Literarische  Notizen. 

KrUische  MiKeUen  von  Alfred  Fleckeisen,  Besonderer  Abdruck 
aas  dem  Osterproganmi  des  Vitzthum*schen  Gymnasiums  in  Dresden.  Leipzig, 
Tenbner,  1864.  64  S.  8.  Friedrich  Kitschi  zur  Feier  des  Abschlusses  seiner 
f&nfundzwanzi^ährigen  Lehrthätigkeit  an  der  rheinischen  Friedrich- Wil- 
hekm^üniversitat  zugeeignet.  —-  12  Sgr. 

Treffende  Conjecturen,  besonders  zu  Plautus,  und  daran  sich  reihende 
Beiträge  zur  Geschichte  der  lateinischen  Sprache  als  Zoll  der  Verehrung 
zu  Kitechl's  Jubiläum  zu  bringen,  war  gewiss  ein  glücklicher  Gedanke. 
Und  man  hüte  sich,  aus  der  geringen  Seitenzahl  und  dem  anspruchslosen 
Intel  zu  schliefen,  es  sei  nur  eine  unbedeutende  Gabe  gewesen.  Wie  reic^ 
vielmehr  der  Inhalt  des  Büchleins  ist,  will  ich  in  einer  kurzen,  bei  weitem 
nicht  erschöpfenden  Skizze  zu  zeigen  versuchen. 

Den  Anfang  bildet  die  kritische  Behandlung  einer  Scene  der  Casina 
und  im  Anschluss  äaum  wird  ausgeführt,  dass  noch  hie  und  da  im  Plan«* 
tus  die  Nominativendung  a  der  ersten  DecUnation  auch  bei  echt  lateini- 
schen, nicht  blofi»  bei  fremden  Wörtern,  lang  gebraucht  seL  Als  Stützen 
dieser  Entdeckung  zieht  der  Vf.  auch  andere  üeberreste  vorciceronischen 
Lateins  bei  und  zeigt  dann,  wie  nicht  selten  die  Herausgeber  zur  An- 
nahme von  Corruptelen  und  zu  Aenderungen  des  Textes  gebracht  wurden, 
blofs  weil  sie  die  Lange  des  a  verkannten.  Eine  ähnliche  Wahrnehmung 
machen  wir  beim  folgenden  Gapitel  über  atqui,  wo  der  Vf.  eine  gewiss 
allgemein  überzeugenae  Zusammenstellung  solcher  Plautinischer  Verse  gibt, 
in  welchen  die  Partikel  qui  ohne  oder  losgetrennt  von  at  vorkommt  Er. 
fuhrt  an:  10  Stellen  mit  thercle  qui,  S  mit  edepol  qui,  1  mit  eccistor  qui, 
3  mit  at  pol  qui^  6  mit  quippe  qui,  4  mit  ut  qui;  lauter  Stellen,  wo  die 
Ueberlieferun^  bisher  angefochten  worden  ist.  Auf  die  Frage  nach  der 
Entstehung  dieser  jetzt  erst  in  ihr  Recht  eingesetzten  Versicherungspar- 
tikel qui  lässt  sich  der  Vf.  nicht  ein ,  und  schwerlich  möchte  ihn  emer 
deswegen  tadeln;  denn  nichts  pflegt  ja  unsicherer  zu  sein  als  die  Etvmo- 
logie  von  Partikeln.  Bei  dieser  Gelegenheit  bespricht  femer  der  Vf.  mehrere 
Stellen,  wo  er  mit  Grund  die  überlieferte  Lesart  atque  in  <üqui  umändert; 
und  die  Beobachtung,  dass  in  allen  von  ihm  beigebrachten  Stellen  auf  das 
in  ai^ui  zu  verwandelnde  atque  ein  mit  i  anlautendes  Wort  folgt,  veran- 
Usst  ihn  zu  dem  Schlüsse,  dass  man  in  dieser  Corruptel  einen  Best  der 
alten  Schreibung  zu  erkennen  habe,  in  der  das  lange  i  durch  ei  ausge- 
drückt wurde,  also  z.  B.  ATOVEIILLE  oder  ATQVEILLE.  Ob  aber 
auch  in  dem  Fall,  wenn  ein  Wort  mit  i  aufhörte  und  das  nächste  mit  i 
anfieng,  für  beide  i  ein  einziges  groXises  gesetzt  werden  durfte?  —  Wir 
kommen  dann  weiter  zu  einigen  btellen,  wo  der  Verf.  di«ap«i<ifia  atsit 


54  Litemrische  Notizen. 

discifiinay  quadrupulus,  centupulus  y  quadrupulari ,  quadrupuiiUor  als 
Plautinische  Formen  s:eltend  macht,  wie  uns  scheint  mit  Recht,  obgleick 
die  Uerleitnng  der  Wörter  ankovg  (simpLex)  nnd  dmkovg  (duplex)  etc. 
(vgL  auch  multiplex)  von  jroJli^^  hei  manchem  auf  Widersprucn  stoDBeii 
wSd,  der  unter  \ergleichung  des  deu^hen  'einfältig,  zwiefälti^*  die  Her- 
leitung Ton  nl^xo)  plicare  vorzieht;  während  sie  der  Vf.  S.  56  für  all« 
die  Formen  in  Ahrede  stellt,  wo  der  £-laut  nicht  erhalten  ist 

Ein  weiteres  Capitel  handelt  davon,  dass  wir  nach  den  Inschrifteii 
und  nach  Traditionen  aer  alten  Grammatiker  getrost  annehmen  dürfen,  da» 
in  dem  Autographon  der  Plautinischen  Komödien  gar  keine  oder  nur  sehr 
vereinzelte  Consonantenverdopplungen  vorgekommen  sind.  Die  Wahrheit 
dieses  Satzes  ist  namentlich  daran  erkcnnhar,  dass  hisweilen  Silben  kurz 
gebraucht  werden,  welche  im  gewöhnlichen  Latein  w^en  Dopj^lconsonans 
ung  sind,  z.  6.  siniilurntts,  saieleSf  cupelex,  utisatim  und  insbesondere 
sagita,  bei  welchem  der  Verf.  ausführlich  verweilt. 

S.  42  verlässt  der  Verf.  Plautus  und  wendet  sich  Cicero  zu,  bei 
dem  er  annimmt,  dass  er  in  den  Reden  und  sonstigen  Erzeugnissen  seiner 
ersten  Periode  wol  noch  manche  Form  gebraucht  nat,  die  spater  in  der 
feinen  Conversation  und  in  der  Literatur  als  veraltet  galt,  und  man  wird 
seiner  Ansicht  beistimmen  müssen,  dass  auch  in  Ausgaben,  wie  die  Halmische 
Sammlung  ist,  ohne  Nachtheil  hie  und  da  eine  archaistische  Form  aufge- 
nommen werden  könnte,  da  in  einer  commentierten  Ausgabe  ein  Wink  in 
der  Note  genüge,  um  den  Schüler  aufzuklären.  Von  diesem  Grundsatze  aus 
wünscht  Fleckeisen,  dass  in  der  Rede  pro  S.  Roscio  §.  67  haec  statt  Jute 
beibehalten  werde  und  §  145  si  metuis  für  si  metus  (wo  übrigens  met%ii8 
[nach  Fleckeisen  ein  alter  Genitiv]  sehr  leicht  in  Folge  des  Zusammen- 
hanges —  es  folgt  unmittelbar  darauf:  ah  eone  dliquid  metuis  —  durch 
Nachlässigkeit  und  Misverständnis  entstehen  konnte  und  als  einziges  Bei- 
spiel dieser  Form  bei  Cicero  immer  etwas  bedenklich  bleiben  wird) ;  femer 
schlägt  der  Verf.  vor ,  an  mehreren  Stellen ,  wo  die  Handschriften  po- 
tuissem  bieten,  die  Grammatik  aber  possem  verlangt,  die  Form  potissem 
einzusetzen;  eine  gewiss  enipfehlenswerthe  Aenderung,  welche  durch  Beleg- 
stellen aus  dem  fast  gleichzeitigen  Lucilius  gestützt  wird.  Nachdem  der 
Verf.  dann  zwei  mit  Unrecht  verschollene  Emendationen  Geels  und  D5- 
derleins  wieder  in  Erinnerung  gebracht  und  vertheidigt  hat,  versucht 
er  sich  S.  51  fT.  an  der  schwierigen  Stelle  de  orat.  II,  61,  249  und  trägt 
eine  sehr  scharfsinnige  Deutung  jenes  Witzwortes  an  den  Uebelriechenden : 
Video  me  a  te  circumveniri  vor;  es  sei  nämlich  heraus  gehört  worden  video 
me  a  te  hirco  veniri  (verkauft,  d.  i.  überlistet,  hintergangen  werden).  Da  es 
sich  hier  von  Witzen  handelt,  so  darf  wol  ein  Einfall  rlatz  finden  ,  der  viel- 
leicht nicht  mehr  Werth  hat  als  ein  schlechter  Witz:  könnte  man  nicht 
statt  circumveniriy  circumventiri  schreiben  und  dieses  selbstgemachte  Wort 
mit  ventus  in  einer  zwar  nicht  gewöhnlichen,  aber  gut  classischen  Bedeu- 
tung zusammenbringen? 

Endlich  handelt  der  Verf.  noch  in  musterhafter  Weise  von  zwei 
Stellen  der  vita  Terentii  und  schliefet  mit  einem  Glückwunsch  an  Ritschi. 
Achtzig  Stellen  römischer  Autoren  findet  man  auf  diesen  wenigen  Seiten 
mit  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn  und  dabei  in  einem  so  anspruchslosen, 
ich  möchte  fast  sagen,  liebenswürdigen  Tone  behandelt,  dass  das  Buch  auf 
jeden  Leser  nicht  blofs  belehrend ,  sondern  auch  wohlthuend  wirken  wird. 

Ludwigsburg.  0.  Keller. 

Aufgabensammlung  zur  Einübung  der  laleinisdien  Syntax.  Zunächst 
für  die  mittlere  Stufe  der  Gymnasien  bearbeitet  von  Dr.  Ferdinand  Schultz. 
Dritte  berichtigte  Ausgabe.  Paderborn,  Schöningh,  1864.  XVIII  u.  342  8. 
—  25  SgT. 

Seit  unserer  Anzeige  der  ersten  Auflage  des  vorliegenden  Buches  hat 
dasselbe  auch  in  Oesterreich  bereits  eine  soldie  Verbreitung  gewonnen,  dass 
es  überflüssig  scheint,  noch  irgend  etwas  weiteres  zu  seiner  Empfehlung  zu 
sagen.  Einiger  Durchsicht,  um  manche  Unebenheit  zu  tilgen,  bedarf  das 


Literarische  Notizen.  55 

Bach  Übrigens  auch  jetzt  noch.  Einige  Puncte  aus  unserer  früheren  An- 
lei«,  die  aer  Hr.  Verf.  nicht  beachtet  hat ,  wollen  wir  zur  abermaligen 
Aonnerksamkeit  empfehlen,  zu  Nr.  42,  151  und  besonders  289  vgl.  Loers 
M  Ov.  Tr.  4,  10,  14.  Wie  bei  Schultz  auch  jetzt  noch  steht,  ist  der  Schlusi 
ebenso  ungenau,  als  wenn  heutzutage  man  aus  der  Angabe,  jemand  sei  in 
der  eisten  Woche  des  Jänner  geboren,  ohne  weiteres  folgerte,  er  sei  am 
2.  Jinner  geboren.  —  Leider  haben  wir  in  dieser  Zeit  noch  nie  Gelegenheit 
gehabt  das  Buch  in  der  Schule  selbst  zu  gebrauchen,  und  können  somit 
nicht  Bemerkungen,  die  in  der  Schule  selbst  entstanden  sind,  bringen ;  wir 
wollen  ata  einer  kleinen  Grunpe  von  Uebungsstücken  das  einer  Aendemng 
bedürftige  nachweisen.  Nr.  315—346  enthalten  'Geschichtliche  Darstellun- 
gen nacm  Jnlius  Caesar,  Nr.  318  erzählt  Seh.  so,  dass  man  glauben  muss» 
UBsar  habe  jenes  ^^oh,  Kalauqa  yaq  ayug  (Dio  Cass.  41,  46,  3  vgl.  Plut 
£w.  88,  3.  App.  S.  577,  22  Bekk.)  auf  der  üeberfiahrt  von  Brundisium 
nach  PalsBste  gesprochen,  vgL  Kraner  zu  b.  c,  3,  25,  4.  —  Nr.  322.  GsMar 
ist  nicht  acht,  sondern  neun  Jahre  in  Gallien  gewesen  (April  58— J&mer 
49).  —  Nr.  326.  'Darauf  versuchten  die  Helvetier  an  menreren  Stellen  den 
Bhone  zn  Überschreiten,  wurden  aber  durch  die  Besatzungen  undW  äf- 
fen der  römischen  Soldaten  zurückgetrieben*  u.  s.  w.  Die  Zusammenstellung 
'Besatzungen  und  Waffen*  ist  kaum  zu  billigen,  zumal  der  Genitiv  zu  Be- 
satzungen nicht  wol  nasst.  Statt  'Waffen*  soll  femer  geradezu  'GeschoXlBe' 
stehen,  vgL  b.  g.  1,  8,  4.  Gegen  Ende  ist  der  angebliche  Grund  der  Ein- 
mischung Ctesars  in  die  Angelegenheiten  des  freien  Galliens  ungenau  wie- 
der gegeben.  Nicht  dass  die  Helvetier  'so  nsJie  bei  der  Provmz  ihren 
Weg  nähmen*  beunruhigt  CsBsam,  sondern,  dass  sie  sich  in  der  Nähe  der 
nach  jener  Richtung  offenen  Provinz  ansiedeln  wollten,  vgl.  1, 10, 2.  —  Nr.  328 
Ist  neben  ein  paar  Unebenheiten  des  Ausdruckes,  'unterdrückte*  statt  'über- 
raschte*, und  aem  Satz  'so  sei  die  alte  Tapferkeit  der  Helvetier  dem  Osar 
bekannt  genug,  dass  er  sie  nicht  veracbtete*,  der  aus  sehr  ungenauer 
Wiedergabe  von  1,  13,  4  und  5  entstanden  ist,  (die  auch  undeutsch  ist, 
da  es  mindestens  'verachten  dürfte*  heifisen  müsste),  das  wichtigste  in  dem 
Antrag  der  Helvetier,  die  Forderung  von  Anweisung  eines  Wohnplatzes 
übergangen.  N.  331  ist  die  Darstellung  so,  als  ob  Csessr  dem  Dumnorii 
etwa  wie  einem  Internierten  eine  Wache  an  die  Seite  gegeben,  die  ihn  nie 
verlassen  durfte.  Natürlich  ist  1,  20,  6  an  geheime  Aufpasser  zu  denken. 
Was  ist  femer  'das  höchste  Joch  eines  Berges?*  —  N.  333.  Der  Hr.  Verf. 
hätte  das  sichere  Verderbnis  1,  26,  5,  womach  die  Helvetier  auf  der  Flucht 
in*s  Gebiet  der  Lingonen  vier  Tage  gebraucht  hätten,  nicht  reproducieren 
sollen.  Der  Ausdruä  ist  zu  ändern.  N.  324.  Die  gemachten  Ländernamen 
wie  'Snequanien'  sind  nicht  zu  billigen.  —  N.  332  res  frumentaria  ist  mit 
'Ctetreideangelegenheit*  schlecht  übersetzt  —  N.  337.  'Gefangen*  ist  vom 
Beutemachen  ein  zu  enger  Ausdruck.  Düs  Präsens  'wird  verboten*  ist  min- 
destens in  'ist  (besser  'war*)  verboten'  zu  ändern.  N.  341  'So  fieng  dieser 
TheU  Deutschlands  an  von  den  Bömem  bezwungen  zu  werden*  ist 
lateinisches  Deutsch.  N.  345.  opinio  timoria  ist  mit  'Voraussetzung  von 
Furcht*  fiist  unverständlich  übersetzt. 

Wien.  Leopold  Vielhaber. 

Verhandlungen  der  zwei  und  zwanzigsten  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schtdmänner  in  Meifsen,  vom  30.  September  bis  2.  OctO" 
her  1863.  Mit  einer  lithograj)hierten  Tafel  Leipzig,  B.  G,  Teubner,  1864. 
imS.  4.  —  2  Thlr.  20  Sgr. 

Erst  vor  kurzem,  fast  um  Jahresfrist  nach  dem  Stattfinden  der  Ver- 
sammlung, ist  die  vorliegende  Publication  der  Veihandlungen  ausgegeben 
worden,  in  der  trefflichen  typographischen  Ausstattung,  an  welche  man  bei 
dem  Teubner'schen  Verlage  gewohnt  ist.  Die  Verzögerung  ist  ebensowenijj 
der  Verlagshandlung,  die  darunter  leidet,  als  dem  Präsidium  der  vorjähri- 
gen Versammlung  zuzuschreiben,  sondern  der  Säumigkeit  einiger  Mitglie- 
der im  Einsenden  ihrer  Vortrage.  Obgleich  die  Verhandlungen  in  ihren 
wesentlichsten   TheQen  kein   blofä    vorübergehendes  Zeitinteresse  haben. 


50  Literarische  Notizen. 

welches  durch  den  Aufschub  der  Veröffentlichung  Terschwunden  w&re,  so 
bedauern  wir  doch  die  Verzögerung  im  Interesse  der  pünctlichen  Einsender^ 
welche  auf  baldige  Veröffentlichung  zu  rechnen  einen  Anspruch  haben,  wie 
im  Interesse  der  dringend  zu  wünschenden  weiteren  Verbreitung  dieaer  in» 
haltreichen  Publicationen ;  es  verdient  daher  gewiss  volle  Bill^ng,  da« 
die  letzte  Philologenversammlung  durch  einen  ausdrücklichen  Beschloss  (fvL 
in  dieser  Zeitschrift  1864.  S.  755)  das  einzige  praktisch  ausführbare  luml 
ergriffen  hat,  die  Veröffentlichung  ihrer  Verhandlungen  möf^lichst  tvl  be> 
Bohleunigen.  —  Der  vorliegende  Band  der  Verhandlungen  gibt  ftr  diele» 
nigen  Vortrft^  des  philologischen  Gebietes ,  welche  in  dieser  Zeitaclinft 
▼oIlstMidig  wiedergegeben  waren,  ein  Zeugnis  von  der  gewiroenhafteE  Ge- 
nauigkeit des  geehrten  Referenten ,  dem  wir  den  Hauptbericbt  ffBor  dkm 
Zeitschrift  in  den  letzten  Jahren  zu  verdanken  haben.  Es  versteht  skli 
dabei  von  selbst,  dass,  abgesehen  von  einzelnen  Berichtigungen  in  den  Ikbeiw 
einstimmenden  Partien,  die  vorliegende  officielle  Pubucanon  in  andam 
Theilen  wesentliche  Ers^zungen  zu  dem  in  dieser  Zeitschrift  gegebenen  Be- 
richte darbietet  Der  Vortrag  von  Dietsch  über  Lessma  äs  PhiMo^en^ 
▼on  dem  dort  nur  ein  Auszug  gegeben  war,  ist  hier  voUstftndig  und  mit 
reichlicher  Nachweisung  der  Quellen  abgedruckt  Prof.  Gosche  hat  seil 
Vortrag  über  phrwiadie  Inschriften  durch  einigte  Zusätze  bereichert; 
diesem  Vortrage  gehört  die  beigegebene,  ein  Facsimile  der  Inschriften  d 
bietende  lithographierte  Tafel.  Der  wichtige  Vortrag  des  Prof.  Lange  üiber 
die  transUio  ad  plebem  ist  dem  Texte  nach  im  wesentlichen  unserem  Be- 
richte gleich;  doch  hat  der  Verfasser  mit  seiner  bekannten  Akribie  in  um- 
fassenden Anmerkungen  vollständige  Nachweisung  und  eingehende  Die- 
cussion  der  Quellenstellen  beigefügt.  Der  Vortrag  Stein thal^s  Über  di€ 
Bexiehuna  der  Philologie  zur  Psycholog*)  ist,  mit  einigen  kleinen  Be- 
visionsänderungen,  nach  dem  stenographischen  Berichte  in  dieser  Zeitschrifl 
wiedergegeben ;  der  Verfasser  hat  unterdessen  den  Gegenstand  umfiusender 
bearbeitet,  worüber  in  dieser  Zeitschrift  nächstens  wird  berichtet  werden. 
Von  besonderem  Interesse  wird  den  Lesern  unserer  Zeitschrift  der  genane 
und  wohlgearbeitete  Vortrag  Prof.  Schwabens  „über  die  Wiedercmfj^ndung 
und  erste  Verbreüwng  CmuJVs  im  14,  Jahrhundert*  sein,  den  wir  mur 
im  Auszuge  hatten  geben  können.  H.  B. 


Neue  Auflagen. 

Grundriss  der  römischen  Literatur.  Von  O.  Bernhardy.  Viert0 
Bearbeitimg.  Bravmschweigy  Säiwetschke  u,  Sohn,  1865.  XXIV  u.  9^  8,8. 
—  4  Thh-.  8  Sgr. 

Wir  erfüllen  eine  erfreuliche  Pflicht,  indem  wir  unseren  Lesern  Jim 
dem  Erscheinen  dieser  neuen  Auflage  des  Bemhardv*schen  Werkes  Naok- 
rieht  geben.  Die  Bedeutung,  welche  dasselbe  für  die  römische  Liteqitsr- 
geschichte  hat,  ist  bei  dem  Erscheinen  der  ^.dritten  Bearbeitung**  im  Jafaf. 
1857  d.  Ztschr.  S.  603—610  dargelegt  und  bei  allen,  die  dem  Gegenstande 
nicht  ganz  fem  stehen,  als  bekannt  und  anerkannt  vorauszusetsen.  Die 
schnelle  Aufeinanderfolge  der  Auflagen  gibt  ein  unzweideutiges  Zeugnis  dflp 
für,  welches  Interesse  eine  eindringende  Darstellung  der  römischen  äteratiir 
auch  über  den  Kreis  der  Fachgelehrten  hinaus  findet  Der  Unterschied  der 
aufeinanderfolgenden  Auflagen  zeigt  nicht  nur  die  unermüdliche  Gewissen- 
haftigkeit, mit  welcher  der  hochverdiente  Verfasser  seine  Arbeit  fortwtturend 
der  strengsten  Selbstkritik  unterzieht,  sondern  gibt  zugleich  BechensohafI 
von  den  Fortschritten,  welche  insbesondere  auf  dem  Gebiete  der  römisdiea 
Literatur  die  philologische  Wissenschaft  in  den  letzten  Jahrzehnten  ge- 

*)  Sonderbarer  Weise  ist  der  Titel  dieses  Vortrages  sowol  im  Teite 
S.  75  als  in  der  Inhaltsangabe  S.  III  falsch  angegeben,  das  efaienial 
„über  die  Beziehung  der  Philosophie  zur  Philologie",  das  andsrenud 
«über  die  Beziehung  der  Psychologie  zur  Philosophie''. 


Literarische  Notizen.  57 

macht  bat  und  macht.  Die  Bearbeitungen  seit  der  zweiten  (1850)  unter- 
ichd^en  sich  Ton  einander  nicht  in  dem  Malte,  als  diese  sämmtUch  von 
der  eisten  (1890),  deren  engheschränkte  Grenzen  und  doctrinär  philoso- 
phische Sprache  alle  folgenden  Umarbeitungen  aufgegeben  haben.  Trotz 
aieser  grOtoeren  Nähe  an  die  Torausliegende  Auflage  hat  der  Verfasser  ein 
Recht,  die  vorli^ende  als  eine  «viert«  Bearbeitune**  zu  bezeichnen;  ihr 
Untenehied  von  &t  vorausgehenden  liegt  nicht  einfich  darin ,  dass  neue 
Utenuriflche  Erscheinungen,  Erjrebnisse  neuester  Forschungen  nachgetragen 
nd  hieduxch  der  ftultere  Umfang  des  Werkes  um  mehr  als  hundert  Sei'^ 
ten  erhöht  ist  Vielmehr  war  des  Verfassers  Th&tigkeit  vornehmlich  der 
aChankteristik  und  Erörterung"  zugewendet;  wo  man  diese  Bearbeitung 
idhtt  mit  der  nächst  voraus^gangenen  vergleicht,  bemerkt  man  leioht| 
wie  der  Verftsser  überall  auf  schärfere,  obiectiv  strengere  Abffrenzunff 
bedacht  war,  und  findet  bestätigt»  was  er  in  der  Vorrede  sagt:  jform  und 
Gestalt  sollten  in  dieser  Umgestaltung  einen  Abschluss  erhalten,  den  man 
von  einer  Ausgabe  letzter  H^d  erwarten  kann".  —  Indem  wir  mit  dioBen 
Zeikn  Torlänng,  ohne  einem  sj^tercn  Eingehen  auf  Einzelnes  des  Werkes 
TOigidfen  zu  wollen,  von  dem  Erscheinen  der  neuen  Bearbeitune  eines  Bu- 
ches Nachricht  ^b^,  welches  in  keiner  Gymnasialbibliothek  fehlen  dar( 
können  wir  schbefblich  den  Wunsch  nicht  unterdrücken,  dass  der  geehrte 
Verfiwser  die  nun  eintretende  Pause  in  der  Ausbildung  seiner  römischen 
Literaturgeschichte  in  ungeschwächter  Kraft  zur  Vollendung  des  Werkes 
über  die  griechische  Idteratar  möchte  verwenden  wollen. 

Das  Lehen  der  Griechen  und  Eömer,  nach  ofitiken  Bildwerken  dar* 
geitdU  von  Ernst  Guhl  und  Wüh.  Koner.  Zweite  verbesserte  und  «er- 
m^rte  Auflage,  Mit  535  in  den  Text  eingedruckten  Holzschnitteti,  Berim^ 
Weidmann,  1864.  XVI  u.  770  S.  8.  —  i  Thlr. 

Die  erste  im  Jahre  1862  erschienene  Auflage  dieses  Werkes  ist  im 
Jahig.  1862  dieser  Zeitschrift  S.  690—699  ausführlich  besprochen  worden. 
Die  Kürze  des  Zeitraumes,  innerhalb  dessen  eine  zweite  Auflage  erforder- 
lich geworden  isL  bestätigt  das  dort  ausgesprochene  Urtheil,  dass  durch 
das  vorliegende  Werk  ein  wirklich  vorhandenes  Bedürfnis  richtig  erfasst 
and  demselben  in  gelungener  Weise  entsprochen  ist.  Von  den  beiden 
Verfassern  ist  unterdessen  der  eine,  Ernst  uuhl,  durch  einen  plötzlichen 
Tod  seinem  thätigen  und  an  wissenschaftlichen  Erfolgen  reichen  Leben  ent- 
rissen wurden;  der  zweite  Verfasser,  W.  Kon  er,  der  die  Revision  behufs 
der  erneuten  Auflage  allein  übernommen  hat,  widmet  in  der  Vorrede  einige 
Worte  in  edler  Einfachheit  dem  Andenken  des  verstorbenen  Freundes.  Der 
Donmehr  alleinige  Bearbeiter ^  W.  Koner,  hat  für  diese  neue  Auflage  die 
von  Guhl  abgefassten  Abschnitte,  nämlich  die  baulichen  Alterthümer,  nur 
durch  Entfernung  einzelner  Unrichtigkeiten  und  durch  das  Nachtraben  der 
durch  neuere  Forschungen  erforderlich  gewordenen  Zusätze  einer  die  ur- 
sprüngliche Form  niöghchst  schonenden  Kevision  unterzogen,  dagegen  hat 
derselbe  in  dem  ursprünglich  von  ihm  bearbeiteten  T heile,  der  Darstellung 
des  Lebens  der  Alten  im  Frieden  und  im  Kriege  nach  Anleitung  der  noch 
vorhandenen  Monumente ,  bei  mehreren  Paragraphen  eine  umfassendere 
Aeadenuig  eintreten  lassen.  Das  Werk  wird  gewiss  auch  in  dieser  verbes- 
Berten  Form  durch  seine  im  besten  Sinne  des  Wortes  populäre  Darstellung 
dazu  beitragen,  die  Kenntnis  von  dem  Leben  der  beiden  classischen  Völker 
des  Alterthumes  in  weitere  Kreise  zu  verbreiten  und  hat  gegründeten  An- 
spruch, auf  eine  dauernde  Ausbreitung  zu  rechnen. 

Dr.  Joh,  Chr.  Äug,  Tleyse's  deutsdie  Schuißrammaiik  oder  kurz- 
gefasstes  Lehrbuch  der  dciUschen  Sprache,  mit  Beüiinelen  und  Uebungs- 
aüfgaben.  In  der  Bearbeiiutig  von  Dr.  K.  W.  L,  Herne.  Zwanzigste  ver- 
besserte Auflage.  Hannover,  Hafm,  1864.  XLII  u.  486  S.  —  1  Thlr. 

Indem  wir  das  Erscheinen  der  zwanzigi^ten  Auflage  von  Hejse's  Schul- 
srammatik  hiemit  zur  Anzeige  bringen,  setzen  wir  voraus,  dass  unsere 
Leser  nicht  bei  dieser  Gelegenheit  eme  eingehende  Beurtheilung  derselben 


58  Literarische  Notizen. 

erwarten.  Jedes  Buch  ist  ein  Individuum,  und  ein  Buch,  dessen  Verfasser 
nicht  mehr  lebt,  ist  es  mehr  als  ein  anderes.  Die  Grundzüge  seines  Wesens 
müssen  geachtet  und  hingenommen,  dürfen  durchaus  nicht  augetastet  wer- 
den. Manche  überfeine  und  unnütze  Distinction,  manche  allzu  eng  oder 
allzu  abstract  gefasste  Regel  gehört  mit  zu  der  Individualität  des  vor- 
liegenden. Und  wenn  wir  es  gleich  nicht  tadeln  wollen,  dass  der  gegen- 
wärtige Herausgeber,  Theodor  Heyse,  sich  an  dem  Werke  seines  Bruders 
einige  Nachhilfe  in  Bezug  auf  jene  Mängel  gestattete,  so  möchten  wir  ihn 
doch  bitten,  darin  nicht  weiter  zu  gehen  als  er  unbedingt  für  nöthig  hält 
Dagegen  sollte  er  seine  Nachhilfe  auch  z.  B.  den  altdeutschen  Anführun- 
gen zu  eute  kommen  lassen,  welche  einer  solchen  dringend  bedürfen.  Wir 
sind  nicht  pedantisch  genug,  um  CTofises  Gewicht  darauf  zu  l^n,  aber 
dn  Flecken  an  dem  Buche  sind  dergleichen  Versehen  doch,  und  wir  wünsch- 
ten es  frei  davon.  Auf  S.  73  z.  B.  sind  einmal  gothische  und  althochdeutsche  * 
Wörter  durcheinander  geworfen.  Ebenda  werden  altd.  san  solih  bi-ango, 
8.  70  altd.  iezt  und  ein  Infinitiv  verliusen  aufgeführt,  die  es  nie  gegeben 
hat.  Die  gothischen  Substantive  und  Adjective  haben  S.  69  bald  das  No- 
minativ-«, bald  nicht,  Längezeichen  über  altdeutschen  Wörtern  sind  bald 
r letzt,  bald  nicht  Der  Erklärungsversuch  einer  altdeutschen  Construction 
862,  der  für  eine  mundartliche  Thatsache  einen  allgemeinen  sprach- 
lichen Grund  aufstellt,  ist  mislungen.  Und  so  weiter.  —  Eine  gröfsere  Zu- 
that  des  Herausgebers  trifft  man  in  der  Einleitung  Die  etwas  trockene 
nnd  blasse  literarhistorische  Uebersicht  hat  von  S.  aJLDL  an  die  geschmei- 
digere Feder  des  CatuU-Uebersetzers  durch  eine  lebhaft  gefärbte  Skizze 
gsKrÖnt,  die  in  raschem  Gange  von  Klopstock  bis  in  die  Gegenwart  führt 
ie  Skizze  ist  sehr  hübsch,  aber  dass  sie  dem  Standpuncte  der  Schuld 
entspreche,  bezweifeln  wir.  Vollends  dass  der  Verf.  zu  weiterer  Belehning 
Julian  Schmidts  Literaturgeschichte  empfiehlt,  können  wir  nicht  billigen. 
Wir  haben  die  bestimmte  Erfahrung,  dass  dieses  Buch  in  den  Händen  der 
Schüler  nur  Unheil  stiftet  An  der  Wahl  der  repräsentierenden  Namen 
für  die  Gegenwart  oder  „Jetztwelt"  (diese  aus  dem  Zeitungs -Deutsch 
stammende  und  einem  Grammatiker  üoel  anstehende  Misbildung  taucht 
zweimal  auf)  wäre  einiges  zu  tadeln,  kaum  sonst  so  viel  als  an  der  Aus- 
wahl der  Theologen  S.  XXXVI.  Neben  Schleiermacher  werden  nur  Rein- 
hard, Ribbeck,  Niemejer,  Dräseke  aufgeführt.  Sie  konnten  sämmtlich  ohne 
Schaden  wegbleiben,  um  —  wenn  schon  Möhler,  Baur  und  spätere  nicht 
genannt  werden  sollten  —  wenigstens  Daub,  de  Wette,  Marheineke,  Nean- 
der  Platz  zu  machen.  Auch  die  Unterschätzung  der  romantischen  Schale 
S.  XXXIII  f.  wollen  ¥rir  nicht  ungerügt  lassen.  —  Die  wieder  mit  abge- 
druckte Vorrede  K.  Heysc's  zur  zwölften  Auflage  des  vorliegenden  WerSes 
liest  man  jetzt  mit  l>csonderem  Vergnügen,  wo  man  sein  vortreffliches 
System  der  Sprachwissenschaft  daneben  milten  und  wesentliche  Gesichts- 
puncte  desselben  darin  wiederfinden  kann. 


Dritte  Abtheilung. 


Zar  Didaktik  und  Paedagogik. 

Ueber  die  deutsche  poetische  Schullectüre  und  über 
Schulausgaben  gröfserer  deutscher  Dichtungen. 

Seit  Einreihung  der  Leetüre  dentcher  Dichtungen  unter  die  ordent- 
fichen  Cregenstände  des  Unterrichts  insbesondere  auf  den  Gymnasien  haben 
unbefangen  nnd  tiefer  blickende  die  Wahrnehmung  gemacht,  dass  der  Sinn 
ftr  die  Dichtung  als  solche  und  die  Freude  am  Genüsse  der  Meisterwerke 
neuerer  deutscher  Dichtung,  eine  Freude,  die  bei  anspannender  Arbeit  zu 
Omen  als  ersehnter  Erholung  zurückzukehren  drangt,  unter  der  Jugend 
dier  ab-  als  zugenommen  hat  Man  kann  die  Verbreitung  einer  äuT^r- 
lichen  Bekanntschaft  mit  den  Werken  deutscher  Dichtung  auf  eine  gröT^re 
Zahl  von  Schülern  zugeben  und  schätzen ,  aber  ohne  Zweifel  ist  die  Ver- 
ilachung  des  Interesses  bei  den  einzelnen  dadurch  nicht  aufgewogen.  Gerade 
die  Begabteren  fanden  früher  meist  trotz  der  Schule  von  selbst  ihren  Weg 
zu  den  reinen  Quellen  poetischen  Genusses ,  da  auch  diese  jetzt  so  h&ufig 
die  betrübende  Abstumpfung  und  Gleichgiltigkeit  unzweideutig  erkennen 
käsen.  Doch  so  klar  diese  Thatsachen  im  allgemeinen  sich  herausstellen, 
80  dürfen  die  Fälle  nicht  übersehen  werden,  wo  die  Schule  neben  dem 
fielen  Guten,  das  die  deutsche  Leetüre  zu  stiften  geeignet  ist,  wiewol 
leider  nur  ausnahmsweise,  das  Interesse  für  die  Dichtung  bei  den  Begab- 
teren erhöht,  durch  die  schulmäMge  Behandlung  vertieft  und  selbst  minder 
Geweckte  zu  sinniger  Theilnahme  heranzieht  Diesen  Erscheinungen  gegen- 
über wird  man  nicht  irre  gehen,  die  Methode  der  Leetüre  deutscher  Dich- 
tungen in  der  Schule  für  die  mangelnden  Erfolge  verantwortlich  zu  machen. 
Nicht  in  der  Beseitigung  dieses  neu  gewonnenen  Zweiges  der  Schulbildung, 
londem  in  der  sachgemäDsen  Behandlung  desselben  ist  das  Heilmittel  zu 
rochen,  und  so  viel  auch  über  die  deutsche  Schullectüre  gesprochen  und 
geschrieben  wurde,  in  den  Thatsachen,  von  welchen  der  warme  Sinn  un- 
8»er  Jugend  für  die  grofsen  Dichtungen  der  Nation  so  gefahrlich  betroffen 
ist,  liegt  die  dringende  Anregung,  auf  die  einfachsten  Grundlagen  einer 
iwecknuLGsigen  Methode  der  Leetüre  deutscher  Dichtungen  in  der  Schule 
Ton  neuem  zurückzugehen. 


60        K,  Tonutsdieky  Ucber  SclmlausgÄben  deutscher  DichtuDgen. 

Soll  ich  das  Grundübel,  an  dem  die  herrschende  Methode  krankt, 
von  vornherein  bezeichnen»  so  möchte  ich  es  darin  suchen,  dass  man  die 
Dichtungen  in  der  Schule  nicht  um  ihrer  selbst  willen,  sondern  zu  äa&eren 
Zwecken,  welche  nicht  in  ihrem  Wesen  und  in  ihrer  eigenthümlichen  Wir« 
kong  liegen,  zu  lesen  sich  gewöhnt  hat. 

Als  man  den  deutschen  Unterricht  unter  die  verpflichtenden  Gegen- 
stände aufnahm,  da  waren  dessen  wärmste  Vertreter  eifrig  bestrebt,  ihn 
als  ebenbürtigen  Genossen  neben  dem  altbewährten  classischen  Unterrichte 
erscheinen  zu  lassen,  umsomehr,  als  die  ausschlieXisenden  Vertbddiger  des 
letztem  den  neuen  Zweig  als  unberechtig^n  Eindringling,  alt  gtohrlichen 
lüvalen  betrachteten.  Unter  diesen  Umständen,  was  lag  wol  näher,  ab  dass 
man  die  überkommene,  in  dem  Aufschwünge  der  dassischen  Studien  neu 
gefestigte  philologische  Methode  unangesehen  und  ohne  tiefere  Erwägung 
der  Sachlage  auch  auf  dem  Gebiete  des  deutschen  Unterrichts  einzubürgern 
bemüht  war.  Die  Ueberzeugung  von  der  Richtigkeit  des  eingeschlagenen 
Weges  ficmd  um  so  gröftoren  Anhang,  als  gerade  die  tüchtigsten  Vertreter 
des  jungem  Lehrgegenstandes  in  Ausübung  und  Schrift  für  die  gleich- 
maf^ige  Behandlung  des  classischen  und  des  deutschen  Unterrichts  ein- 
standen. Ja  noch  mehr,  von  den  Schwierigkeiten,  welche  Schriftdenkmale 
in  todten  Sprachen  und  aus  einem  vollends  beschlossenen  Zeitalter  ihrer 
Behandlung  in  der  Schule  darbieten,  fühlte  man  sich  auf  dem  neuen  Boden 
und  mit  der  alten  Methode  wie  befreit  und  glaubte  deshalb,  dieser  einen 
noch  gröfaern  Spielraum  und  weitere  Ziele  geben  zu  müssen.  Man  beachtete 
dabei  nicht,  dass  gerade  jene  Schwierigkeiten  den  Charakter  der  philologi- 
schen Behandlungsweise  zum  gröfstcn  Theile  bestimmen  und  wo  sie  auf 
dem  Gebiete  der  lebendigen  Sprache  und  Literatur  hinwegge&llen  sind,  die 
wesentlichsten  Grundlagen  der  Berechtigung  joner  Methode  fehlen.  Ins- 
besondere hat  die  Leetüre  von  Dichtungen  unter  Misgriffen  dieser  Art  za 
leiden.  Man  findet  in  ihnen  einen  willkommenen  Stoff  zu  breit  gesponnenen 
Wort-  und  syn taktischen  Erklärungen,  während  die  Prosa  in  näher  liegen- 
der Verständlichkeit  des  aufgedrungenen  Dienstes  sich  leichter  noch  er^ 
wehren  mag.  Dichtungen  von  dunklerer  Sprache,  wie  der  Messias  und  die 
Oden  Klopstocks,  waren  und  sind  deshalb  von  vielen  Lehrern  besonders 
bevorzugt  Dabei  werden  unsere  gröfsten  Dichter  gemeistert;  man  müht 
sich,  allerhand  sprachliche  Sünden  ihnen  abzulauern,  ja  nicht  selten  ver^ 
steigt  sich  die  Schule  zu  Verbesserungsversuchen  der  volksthümlichstett 
Texte.  Kein  Wunder,  sind  doch  die  geschätztesten  Commentatoren  wie 
Götzingcr  und  Viehoff  mit  kleinlichen  Nergeleien  solcher  Art  vorangegangen. 
Und  noch  in  einem  andern  Stücke  ahmt  man  die  Behandlung  antiker  Leo- 
türe nach.  Man  gibt  seine  Erklärungen  zu  der  vaterländischen  modernen 
Dichtung,  als  gälte  es  eben  so  wie  aus  jener  den  Charakter  einer  entlegenen, 
fremden  Welt  und  Zeit  zu  vergegenwärtigen.  Die  Jugend  wird  gewöhnt, 
unserm  eigensten  Fühlen  und  Denken,  wie  es  sich  klar  und  lauter  in  dem 
Munde  unserer  grofsen  Dichter  ausspricht,  frühzeitig  in  kalter,  gefiüurlicher 
Beflerion  sich  gegenüber  zu  stellen.  Wie  man  auf  jenen  grammatischea 
Wegen  die  lebendige  Sprache  geflissentlich  zu  einer  todten  macht  und 
dadurch  den  sprachlichen  Instinct  erblickt  und  das  Sprachbewusstsein  hau« 


X.  Timatehek,  lieber  BchuUuBgaben  dentseher  Dichtungen.       Ol 

figcr  stört  ab  weckt,  so  lässt  man  hier,  was  lebensvolle  Gegenwart  sein 
acAlte,  als  abgestorbene  Vergangenheit  erscheinen.  Die  Zeit  ist  gekommen, 
welche  Bürger  sich  kaum  so  nahe  dachte,  als  er  in  einer  launigen  Epistel 
über  den  Schulknaben  spottet,  welcher  dereinst  den  in  ^dickem  Commentare 
Wig  ingerichteten  modernen  Dichter  lur  Schule  schleppen  und  ab  Quelle 
seiner  Plagen  verwünschen  wird. 

Und  doch,  so  muss  man  sagen,  in  vielen  Fallen  wäre  es  vergleichungs- 
webe  gut,  wenn  die  Lehrer  auf  diesen  Vorgang  sich  beschränken  würden. 
Freilich  die  lebendige  Sprache  und  Dichtung  wird  dabei  zu  todten  Pr&pa- 
läten  herabgesetzt,  gleich  ab  kOnnte  man  sie  erst  auf  diese  Weise  der 
Sdiulgdehrtheit  würdig  machen,  aber  der  Gegensatz  zu  den  einfachsten 
Forderungen,  wie  sie  im  Wesen  einer  dichterischen  Leetüre  in  der  Mutter- 
qincfae  begründet  sind,  geht  in  den  mebten  F&llen  noch  viel  weiter.  Man 
■bbraucht  das  Gebiet  der  Dichtung  zum  Tummelplatze  für  die  mannig- 
frltigsten  Exercitien  des  Verstandes  und  Witzes.  Sie,  deren  Lebensnerv 
in  der  einseitigen  Wirkung  auf  den  Verstand  erstirbt,  muss  es  sich  ge- 
bllen  lassen,  wie  ein  mathematisches  Pensum  den  Auflösungen  und  üebun- 
gen  des  SchariSnnnes  zu  dienen.  Da  wird  vor  allem  Jagd  gemacht  auf  die 
den  einseinen  Dichtungen  zu  Grunde  liegende  Idee  und  deren  Verzwei- 
gungen. Zu  diesem  Behufe  wird  die  Dichtung  anatomiert  und  die  Theile 
mit  den  Beagentien  von  allerhand  Fragen,  die  nur  irgend  sich  stellen 
bssen,  versetzt  und  geprüft,  um  endlich  aus  dem  zerschlagenen  und  wohl 
durchrüttelten  Ganzen  ein  möglichst  vollkommenes  Destillat  zu  erzielen. 
Je  verstandesmäl^iger,  allgemeiner  und  abstracter  die  Ideen  sich  fassen 
bsMB^  desto  reiner  desto  besser.  Nicht  allein  Dichtungen,  deren  Stoff  der 
Betedon  nahe  steht,  auch  die  concretesten,  naivsten  Dichtungen  werden 
nldien  leisetienden  Operationen  unterzogen.  Je  femer  diese  liegen,  je 
flinikcher  ein  einfacher  Sinn  bei  solchen  Dichtungen  sich  verhUt,  desto 
■dir  ndieint  man  die  eigene  geübte  Denkkraffc  dazu  aufgefordert,  die  ge- 
bhite  Schule  dazu  verpflichtet  zu  halten.  Wir  haben  es  erfahren,  dass 
idbst  die  unscheinbarsten  Lieder,  oder  etvra  Dichtungen  wie  manche  Balla- 
den ühland*s  und  Gcethe's,  so  der  Fischer  und  Erlkönig,  von  gröÜBem 
Werken  wb  Iphigenie  und  Hermann  und  Dorothea  ganz  zu  schweigen, 
Extreme  dieser  Behandlungsweise  erleiden  müssen  und  die  Schüler  dann 
m  solchen  Dichtungen ,  statt  an  deren  Genüsse  sich  zu  erbben  und  zu  er- 
holen, harte,  vom  Verstand  für  den  Verstand  gestellte  und  vom  Dichter 
gelöste  Denkprobleme  erblicken.  Wie  darf  man  sich  da  noch  wundem, 
wenn  die  Jugend  an  den  in  solcher  Atmosphäre  verwelkten  Blüthen  der 
IMditnng  keine  Freude  femer  empfindet.  Und  noch  nicht  genug.  Hat 
man  erst  aus  dem  getödteten  Leibe  der  Dichtung  den  Gkdankengehalt 
glüdcMeh  abgezogen,  da  geht  es  wieder  an  ein  Zusammenhalten  der  Haupt> 
idce  mit  den  einzelnen  Theilen,  hunderterlei  Fragen  schwirren  auf,  ob  auch 
dieser  Theil  zu  jener  Allgemeinheit  stimme,  welchen  selbständigen  Gehalt 
und  Werth  er  hat,  ob  er  nothwendig  sei  für  das  Ganze  u.  dgl. ;  Dichtung 
und  Dichter  werden  belehrt,  zurechtgewiesen  und  bei  sich  selbst  gewisser- 
maf^n  in  die  Schule  geschickt.  Es  geht  noch  gut  ab,  wenn  man  sich  dabei 
innerhalb  des  Bahmens  der  vorliegenden  Stücke  hält  und  nicht  wie  so 


n       K.  Tomasehek,  lieber  SchulauKg^ben  deutscher  Dichtnngeib 

häufig  bei  den  entferntesten  Anhaltspuncten  zu  breiten  Erörterungen  phi« 
losophischer,  moralischer  und  cultnrhistorischer  Art  Gelegenheit  nimmt. 
Zugleich  sucht  man  sich  auf  diesen  Wegen  eine  allzeit  bereite  Fnndgmba 
zu  eröffnen  für  eine  Menge  häuslicher  Aufgaben  der  schriftlichen  Ausar- 
beitung. Der  Schüler  sieht  sich  genöthigt  in  der  Qual,  zu  der  ihm  die 
dichterische  Leetüre  in  der  Schule  geworden  ist,  auch  noch  zu  Hause  sich 
herumzuschlagen.  Dies  trifft  dann  besonders  die  grö/lsem  Dichtungen,  bei 
denen  gerade  das  Zusammenhalten  der  Eindrücke  ins  Auge  zu  fassen  wäre, 
um  in  den  jugendlichen  Gemüthem  die  Wärme  für  die  ganze  Dichtung 
und  den  Genuss  derselben  nicht  zu  zerstreuen  und  zu  yerflüchtigen.  So 
hat  noch  jüngst  ein  Lehrer  des  Deutschen  zu  Hermann  und  Dorothea  ans 
seinem  durch  eine  breite  Erklärung  des  Gedichtes  aufgespeicherten  Vor- 
rathe  von  Hausaufgaben  beispielsweise  an  dreifsig  Themata  namhaft  ge- 
macht, deren  schriftliche  Bearbeitung  für  dieljcctüre  erspriefslich  worden 
soll ').  Darunter  finden  sich  Aufgaben  wie  die  folgenden :  *wie  vielfach  der 
abgelegte  Schlafrock  des  Wirthes  mit  sittlichen  Momenten  in  Verbindung 
gebracht  ist;  wie  der  Dichter  die  Natur  geschildert  und  welche  Stellen 
ausnahmsweise  an  das  Sentimentale  streifen ;  auf  welche  Weise  der  Dichter 
in  den  Schilderungen  das  Allgemeine  individualisiert'  u.  s.  w.  Ein  noch 
entschiedenerer  Vertreter  ähnlicher  Richtungen,  der  schon  für  die  unter- 
sten Stufen  des  Unterrichtes  Analysen,  wie  ich  sie  zu  charakterisieren  suchte, 
für  nützlich  hält,  kommt  dann  in  den  obem  Classen  mit  seinen  Schülern 
zu  Ausarbeitungen,  ob  z.  B.  die  Scene  mit  Montgomery  in  der  Jungfirau 
überfiüssig  sei  oder  'über  die  echt  dramatische  Eiiiwebung  der  Vor&bel  h& 
der  Iphigenie'  u.  s.  f.  ^).  Hält  man  schon  auf  diesem  Boden  die  Schttlor 
einer  ganzen  Classe  für  sicher,  so  ist  es  dann  freilich  nicht  anfi&llend 
mehr,  wenn  derselbe  Lehrer  dem  Schüler,  nachdem  er  ihn  *auf  diese  Weise 
zu  Höhen,  die  eine  immer  weitere  Umsicht  verstatten*,  geführt  hat,  'die 
Geschichte  der  Entstehung  der  in  der  Schule  oder  privatim  gelesenoi 
Werke,  den  Nachweis  ihres  Zusammenhanges  mit  der  Weltansicht  des 
Dichters  und  mit  seinem  Bildungsgange'  entwickelt  und  hofft,  dies  werde 
ihm  'ebenso  interessant  als  fasslich  sein' ').  Und  damit  in  Uebereinstim- 
mung  steht  es,  wenn  einem  anderen  StinimfÜhrer  die  lyrische  Dichtung 
GoBthes  betreffend  'das  Wichtigste  für  die  Schule*  zu  sein  scheint,  'dem 
Lehrling  ein  Gesammtgemälde  von  dem  Bildungsgange,  den  Goethe  als 
Lyriker  genommen  hat,  vorzuführen.  Dadurch  würden  die  Metamorphosen» 
die  Groethe's  Lyrik  durchlaufen,  ihr  Steigen,  Culminieren,  Sinken,  die  ver- 
schiedenen Interessen,  die  ihn  nach  einander  bewegten,  die  verschiedenen 
Dichtungsformen,  die  er  nach  einander  cultivierte,  die  allmähliche  VervoU- 
komnmung  dieser  Formen,  seine  productiven  wie  seine  unproductiven  Pe- 
rioden —  alles  dies  würde  sich  dem  Schüler  von  selbst  anschaulich  dar- 


')  Aesthetische  und  historische  Einleitung  nebst  fortlaufender  Erläute- 
rung zu  GoBthe's  Herm.  u.  Dor.  Von  Dr.  L.  Cholevius.  Leipzig, 
1863.    S.  XIV  ff. 

*)  Hiecke,  der  d.  Unterr.  auf  d.  Gymnasien.    Leipzig.  1842.   S.  löO  ff. 

»)  Ebd.  S.  181. 


K.  Tomaschek,  Uebcr  Schalausgaben  deutscher  Dichtungen.        OS 

stellen*  (l)  ^  Mit  Berufung  auf  diese  und  ähnliche  Stellen  hat  schon  vor 
liager  als  sehn  Jahren  Rudolf  von  Raumer  in  einer  trefflichen  Ahhand- 
luBg  über  den  Unterricht  im  Deutschen^  vor  dergleichen  Verstiegenheit 
entschieden  gewarnt  Aber  sein  nüchternes  Wort  scheint  leider  mehr 
oder  weniger  wirkungslos  verklungen  zu  sein.  Zeuge  des  die  Fluth  von 
Schul-  und  Hilfsbüchem  für  alle  Stadien  der  bezeichneten  Richtungen, 
womit  der  Büchermarkt  noch  immer  überschwemmt  wird.  Wie  weit  die 
YeriiTung  auf  diesem  Wege  führen  kann,  mag  der  Hinweis  auf  Dr.  Friedr. 
Joach.  Günther's  'Auslegung  von  Volks-  und  Vaterlandsliedem  für  höhere 
Iiehranstalten* *)  zeigen,  darin  die  einfachsten,  durch  sich  selbst  verständ- 
lichen Volkslieder,  wie  das  Schwertlied,  der  gute  Kamerad,  0  StraAiburg 
u.  B.  w.  zu  einer  Art  von  politisch -moralischen  Predigten  gemisbraucht 
nnd,  zu  denen  der  eigentliche  Gegenstand  der  Leetüre,  die  Lieder  selbst, 
nur  unterhalb  der  Seiten  wie  kurze  Noten  zum  Texte  neben  herlaufen. 

Wir  sahen,  wie  man  auf  dem  geschilderten  Wege  besonders  sBsthe» 
tische  Fragen,  oft  der  schwierigsten  und  subtilsten  Art,  in  den  Kreis  der 
Behandlung  zu  ziehen  geneigt  ist  Für  die  ganze  Methode  ist  dies  ein 
charakteristischer  Zug.  Blofs  auf  die  reine  sesthetische  Wirkung  ungestört 
hinzuleiten,  misachtet  man  und  hält  es  zu  gering  für  die  Schule,  aber 
Reflexionen  über  diese  Wirkung,  noch  ehe  sie  auch  nur  annähernd  sich 
bilden  konnte,  sollen  ein  würdiger  Gegenstand  schulmäl^iger  Behandlung 
sein.  Nun  ist  die  ästhetische  Wirkung  im  allgemeinen  die  Grundlage  aller 
und  jeder  lesthetischen  Betrachtung.  Durch  unausgesetzte  Eindrücke  dea 
Schönen  aber  wird  die  Empfindung  für  das  Schöne  am  besten  gebildet 
Gedanken  sind  nicht  vermögend,  sie  hervorzurufen  oder  zu  ersetzen,  am 
allerwenigsten  bei  der  Jugend.  Hat  sich  im  jugendlichen  Gemüthe  kein« 
bestimmte  Empfindung  gebildet,  so  hängt  jede  sBsthetisch-kritische  Be- 
merkung in  der  Luft,  ja  muss  erst  wieder  zurückgedrängt  sein,  ehe  di« 
Sprache  des  Herzens  laut  werden  kann.  Vor  Bildung  des  ästhetischen  Ge- 
fÜiles  aber  das  ästhetische  Urtheil  feststellen  wollen,  heifst  Fenster  bauen» 
ohne  daas  ein  Haus  vorhanden  ist.  Dazu  hat  die  sesthctisch-kritische  Zer- 
gliedenmg  das  Eigenthümliche,  dass  wo  sie  der  schaffenden  Conoeption  des 
Dichten  oder  dem  Nachempfinden  des  Auftiehmenden  vorausgeht,  beide 
durch  sie  gestört,  wenn  nicht  gänzlich  vernichtet  werden.  Und  da  soll  dann 
bei  Knaben  und  Jünglingen  dasjenige  die  Gefühle  nicht  hemmen  und  ver- 
wirren und  einen  Genuss  so  zarter  Art,  wie  es  der  sesthetische  ist,  nicht 
aufs  Spiel  setzen,  was  selbst  der  Kritiker  von  Fach  vorerst  zurückhalten 
wird,  um  auf  Grundlage  unverkümmerter  Eindrücke  sein  Urtheil  zu  he» 
gründen.  Stets  wird  daher  der  Lehrer  darauf  bedacht  bleiben,  die  Dich- 
tung in  ihren  Theilen  und  als  Ganzes  in  die  jugendlichen  Gemüther  sich 
einleben  zu  lassen  und  wird  sich  wol  hüten,  während  des  Genusses  fort- 
während das  Urtheil,  während  des  Fühlens  den  erkaltenden  Verstand  zu 


*)  Viehoff  im  Archiv  für  das  Stud.  d.  neuem  Sprachen  u.  Literaturen. 

Jahrg.  L    Bd.  1.    Elberfeld,  1846.    S.  197. 
*)  In   Karls   v.   Raumer    Gesch.   d.   Pädagogik.    HL   Thl.   2.   Abthg. 

S.  127  ff. 
•)  Eisleben,  1861.  Vgl.  in  dieser  Zt«chr.  1863.  S.  225. 


84       K.  Tamaethek,  Ueber  Scbalansgaben  deutscher  IMctituigeiL 

beschSftigen.  Und  noch  eines  kommt  zn  erwägen.  Das  Oeftlhl  ftlr  das 
formell-ttstheÜBche  entwickelt  sich  nnr  ganz  allm&hlich  nnd  sehr  8^1 
Lange  und  nachhaltig  fesselt  das  verschiedenartige  stoffliche  Interesse  das 
jugendliche  Gfemüth.  Von  seihst  aber  wird  dies  Interesse  nach  und  nach 
der  beste  Tiftger  des  feinen  Gef&hls  für  kftnstlerische  Behandlung  und 
fssthetisohe  Eigenthftmlichkeit.  Thöricht  w&re  es,  in  diesen  Entwickelungs- 
gang  vorzeitig  eingreifen,  die  natürliche  Ordnung  stören  und  nmkeihraa 
zu  wollen.  Die  Folgen  könnten  nicht  ausbleiben.  Man  hfitte  nur  durdi 
die  bestftndige  Ablenkung  des  Interesses  f&r  den  Inhalt  das  wachsende  Ge- 
fthl  ftr  die  Form  verkümmert  und  damit  die  sichersten  Gkundlagen  csthe- 
tischer  Einsichten  aufs  Spiel  gesetzt  Wie  weit  man  nun  im  Widerspruche 
in  den  eben  erörterten  Principien  in  der  Schule  zu  gehen  geneigt  ist, 
mag  der  Vorgang  zeigen,  den  ein  vorhin  schon  erwähnter  Lehrer  im  XJn« 
terrichte  einhält  Es  sei  nicht  genug,  sagt  er,  'dass  man  eine  fertige 
SchöpAing  nach  ihren  Theilen  betrachtet;  man  müsse  sich  an  den  Schreib- 
tisch des  Dichters  versetzen,  man  müsse  zusehen,  wie  das  Werk  nach  und 
nach  unter  seiner  Hand  entsteht,  wie  sich  jeder  Theil  ergänzend  und  vor« 
bereitend  zu  dem  andern  geselle,  wie  in  jedem  einzelnen  Puncte  der  Ge* 
danke  den  Stoff,  das  Schönheitsgesetz  die  Form  beherrsche,  bis  der  Schluss- 
stein  den  ganzen  Bau  vollendet*.  Deshalb  bestehe  'der  Haupttheil  seiner 
Srklärung  darin,  dass  er  in  jedem  Abschnitt  des  Gedichtes  nicht  bloA  den 
Inhalt  entwickele,  sondern  darauf  hinweise,  wie  die  Handlung  sich  all- 
mählich aus  einer  Reihe  von  Momenten  zusammensetze,  die  einand«  be- 
dingen und  zusammenwirken,  wie  dabei  die  Ausführung  des  Einzelnen  von 
dem  Begriffe  der  Dichtungsgattung  und  von  den  Gesetzen  der  Darstellung 
beherrscht  wird*^).  Dabei  macht  sich  überdies  ein  zweifacher  Irrthum 
geltend.  Man  habe,  so  werden  wir  belehrt,  'die  Jugend  darauf  hinzuftthren, 
dass  das  (Gedicht,  welches  sie  liest,  ein  Gebilde  des  erfindenden  und  ge- 
staltenden Gastes,  dass  es  ein  Werk  der  Kunst  ist* ").  Es  gilt,  wie  weiter 
ausgeführt  wird,  'die  Ahnung  und  Einsicht  im  Schüler  zu  begründen,  dass 
das  Dichten  ein  bewusstes ,  von  Eunstgesetzen  geleitetes  Erfinden  ist*  *), 
Unseres  Wissens  aber  beruht  gerade  alles  echt  dichterische  und  künst- 
lerische Wesen,  ohne  die  Ueberlegung  völlig  auszuschlieüsen,  auf  dem  un- 
bewusst,  naiv  und  instinctiv  schaffenden  Geiste,  auf  jener  genialen  Krafb, 
von  welcher  bekanntlich  schon  Kant  gesagt  hat,  dass  darin  die  unbe- 
wusste  Natur  der  Kunst  die  Regel  gebe  '").  Und  damit  im  Zusammen- 
hange macht  sich  noch  eine  andere  weit  gröfsere  Täuschung  bemerklich. 
Der  Verfasser  meint  alles  Ernstes  durch  seine  zerstückelnde  und  theoretisch 
a'uflösende  Methode  seine  Schüler  dahin  gebracht  zu  haben,  der  Dichtung 
und  dem  Dichter  'nachzudichten*")!  Als  ob  das  Dichten  ein  Zersetzungs- 
process,  ein  Geschäft  des  Verstandes  wäre,  als  ob  es  der  Schrauben  und 
Druckwerke  aus  der  Rüstkammer  der  Theorie  bedürfte,  als  ob  die  Dichtung 


')  Cholevius  a.  a.  0.   S.  IX. 
•)  Ebd.  S.  VIU. 
•)  Ebd.  S.  IX. 

hrsg.  V.  Rosenkranz  u.  Schubert  IV.    S.  176  f. 


"»)  WW.  hr 
")  a.  a.  0. 


K.  Tomaaehek,  üeber  Schulausgaben  deutscher  Dichtungen.       05 

m  ein  Ctebr&u  nach  dem  Receptierbuche  zu  Stande  käme.  Die  aufneh- 
mende Einbildungskraft  zu  entfesseln,  das  unbefangene,  ruhige  Nach- 
empfinden im  jugendlichen  Gtemüthe  hervorzurufen,  darüber  geht  das  ge- 
schilderte YerfiEkhren  hinweg,  um  die  Verstiegenheit  eines  vermeintlichen 
Nachdidiitens  sich  zum  Ziele  zu  setzen. 

Eb  ist  wol  keine  Frage,  dass  die  deutsche  Leetüre  auch  auf  die  an- 
deren ünterrichtszweige  einen  belebenden  Einfluss  nehmen  kann.  Dies  gilt 
natfirlicb  vor  allem  von  dem  Gebiete  der  Prosa.  Hier  werden  Lesestücke 
mit  Recht  aufzunehmen  sein,  die  dem  Stoffe  nach  den  verschiedenen  andern 
Zweigen  des  Unterrichts  gehören  oder  nahe  stehen  und  zugleich  durch 
asthetiache  Momente  der  Darstellung  einen  belebenden  Einfluss  auf  das 
Gemüth  haben.  In  ähnlicher  Tendenz  können  dann  auch  schriftliche 'Aus- 
arbeitungen hinzutreten.  Von  diesen  Seiten  hat  man  daher  dem  deutschen 
Unterrichte  aus  dem  Gesichtspuncte  der  nothwendigen  gegenseitigen  Be- 
zi^ung  und  wechselseitigen  Verstärkung  der  Lehrgegenstände  untereinander 
eine  hervorragende  Stelle  zuerkannt.  Selbst  die  Leetüre  deutscher  Dich- 
tungen wird  insbesondere  für  den  classischen  und  historischen  Unterricht 
nicht  ohne  fördernden  Einfluss  bleiben.  Aber  auch  in  Hinsicht  dieser  Ten- 
denzen hat  man  das  Richtige  vielfach  ins  Absurde  verkehrt  Man  beraubt 
die  deutsche  Leetüre  ihrer  selbständigen  Geltung  und  bürdet  ihr  die  Auf- 
gaben anderer  Lehrgebiete  auf.  Sie  soll  die  Kenntnisse  der  Schüler  nach 
allen  Seiten  hin  ergänzen,  theilweise  sogar  den  Unterricht  z.  B.  in  der 
Geechichte,  der  Alterthumskunde  und  Greographie  selbst  übernehmen.  Auch 
die  poetische  Lectnre  hat  unter  diesen  Misbräuchen  zu  leiden.  Nicht  selten 
gewinnt  es  den  Anschein,  als  wollte  man  in  ihr  einen  förmlichen  Lehrcurs 
der  Geschichte  eröffiien.  So  rühmt  sich  eine  weit  verbreitete,  als  muster- 
gfltig  angesehene  'Auswahl  deutscher  Gedichte  für  gelehrte  Schulen*  *^, 
welche  erst  vor  kurzem  in  zwölfter  Auflage  erschienen  ist,  ihrer  'histori- 
schen Vollständigkeit*  und  dass  'nicht  viel  bedeutende  Persönlichkeiten  und 
Zustände  der  mittlem  und  neuem  Geschichte  mehr  sein  werden,  die  nicht 
in  dieser  Sammlung  eine  poetische  Veranschaulichung  fönden*.  Dabei  wird 
es  ausdrücklich  entschuldigt,  'wenn  ein  grofser  Mann  auch  nur  in  einer 
oder  der  andem  interessanten,  allenfalls  auch  nur  privatlichen  Lebenslage 
auftritt*,  sei  ja  doch  auch  dann  'Anknüpfung  und  Belebung  für  den  histori- 
schen Sinn  möglich*  **).  Und  eine  neuere  Sammlung  von  Gedichten  für  die 
Schule  *0  erkl&rt  als  ihren  Hauptzweck,  den  Geschichtsunterricht  zu  unter- 
stützen und  ordnet  zu  dem  Ende  die  aufgenommenen  Stücke  nach  Völkern 
und  Jahrhunderten.  Nicht  lange  vorher  hatte  der  VerfjEwser  dieser  Samm- 
lung eine  deutsche  Grammatik*^  herausgegeben,  darin  der  Versuch  vor- 
liegt, wie  er  selbst  sagt,  'Naturkenntnis,  Logik  und  Psychologie*  zu  för- 
dern**)! Die  in  der  Sammlung  aufgenommenen  Gedichte  sollen  nun  sämrat- 


»^)  Von  Dr.  Theodor  Echtermejer,  zuerst  1836. 

'^  Vorrede  zur  sechsten  Aufl.  von  Hiecke.  Elfte  Aufl.  S.  XIII. 

'<)  Declamatorik  von  Dr.  W.  Fricke.  Mainz,  1862. 

»*)  1860. 

*•)  Declamatorik  S.  VI. 

Zeiuohrift  f.  d.  ö«t«rr.  0>  mn.  18G5. 1.  Hen.  5 


66       JT.  Tomascheky  Ueber  Schalausgaben  deutscher  Dichtongen. 

lieh  durch  den  Lehrer  und  die  Schüler  zum  Vortrage  kommen,  unter 
welchem  der  Verfasser  ganz  eigentlich,  wie  aus  seiner  Einleitung  entnommen 
werden  kann,  eine  theatralische  Declamation  mit  begleitenden  Actionen  yer^ 
steht '^;  und  so  verkündigt  dann  die  Vorrede'*),  dass  der  Herausgeber 
beabsichtige,  'die  Declamation,  ohne  sie  selbst  zu  beeinträchtigen,  zu  einem 
Lichte  zn  machen,  welches  seine  Strahlen  auch  auf  Geschichte,  Literatur- 
kenntnis und  Sprachen  wirft'!  Wie  schon  in  der  früher  erwähnten  Samm- 
lung der  beabsichtigten  historischen  Vollständigkeit  wegen  eine  ganze  Reihe 
der  unbedeutendsten  Producte  Aufuahme  fand,  so  übersteigt  in  dieser  an- 
dern die  Gleichgiltigkeit  gegen  den  »sthetischen  Werth  der  einzelnen 
Stücke  allen  Glauben.  Zu  solchen  Extremen  kommt  man  aber,  wenn  der 
Zweck  der  poetischen  Schullectüre  Überall  eher  als  in  der  eigentlichen  Natur 
und  Wirkung  der  Dichtkunst  gesucht  wird. 

Den  geschilderten  Verkehrtheiten  gegenüber  liegt  der  richtige  nnd 
sicherste  Weg  ganz  nahe.  Es  ist  derjenige,  der  sein  Ziel  darin  erkönnt» 
das  jugendliche  Gemüth  durch  die  Leetüre  selbst  für  den  reinen  Genuas 
des  verschiedenartigen  Schönen  dichterischer  Werke  heranzubilden,  für  deren 
ungetheilte  tiefste  Wirkung  empfänglich  zu  machen  und  dadurch  ein  reges 
Interesse  an  der  Herrlichkeit  der  Dichtung  zu  erwecken.  In  der  auf  diesem 
Wege  allmählich  fortschreitenden  Sicherung  eines  richtigen  Geschmaekes 
liegen  die  Grundlagen,  auch  auf  ein  klares  SBsthetisches  Urtheil  hinznleiten. 
Nur  nach  Maltotab  der  vollen  Wirkung  der  vorgenommenen  poetischen 
Leetüre  und  erst,  wenn  vom  mannigfaltigen  Schönen  in  der  Dichtung  das 
Gefühl,  um  so  zu  sagen,  durchsättigt  ist,  mag  der  Lehrer  mit  Vorsicht 
auch  theoretischen  Bemerkungen  Raum  geben.  So  wenig  aber,  als  die  Schule 
sich  zur  Aufgabe  stellen  kann.  Dichter  zu  erziehen,  wird  sie  darnach  streben 
Aesthetiker  und  Kritiker  auszubilden.  Genuss  und  Wirkung  der  gelesenen 
Werke,  nicht  die  Einsicht  in  deren  Eunstmäfsigkeit  bleibt  der  Hauptzweck« 
Und  wahrlich,  dieser  höchste  Zweck  aller  Kunst  ist  eben  auch  für  die  Jugend 
hoch  genug. 

Es  ist  nicht  unwichtig  besonders  hervorzuheben,  dass  es  nicht  minder 
verkehrt  ist,  wie  so  häufig  geschieht,  die  Lesestücke  als  blofse  Beispiel- 
Sammlung  zur  Geschichte  der  Nationalliteratur  zu  behandeln,  als  es  ver- 
kehrt ist,  Geschichte  an  ihnen  überhaupt  lehren  zu  wollen.  Die  Heranbil- 
dung eines  sichern  Geschmackes  fordert  es,  dass  die  Schule  nur  muster- 
giltige  Dichtungen,  die  als  solche  von  bleibendem  Werthe  sind,  in  den 
Kreis  der  Leetüre  zieht.  Muss  man  aus  diesem  Grunde  Anstand  nehmen^ 
Gedichte  der  Gegenwart,  die  vielleicht  blofB  durch  Momente  des  Interes- 
santen und  Charakteristischen  fesselnd  wirken,  zu  wählen,  so  wird  man 


*')  VgL  ebd.  S.  IX  ff.  Die  Schule  hat  blofs  das  richtige  Lesen  zu  er- 
zielen. Mit  Rücksicht  auf  individuelle  Anlage  mag  man  Schulvor- 
trägen ausnahmsweise  gestatten,  der  Declamation  sich  zu  nähern. 
Da  jedoch  jede  Declamation,  sofern  sie  nicht  mit  theatralischer  Auf- 
führung verbunden  ist,  selbst  bei  öffentlichen  Vorträgen  und  im  Con- 
certsale  nur  in  seltenen  Fällen  und  vorübergehend  von  Gesticulation 
begleitet  sein  darf,  so  wäre  ein  Ueberschreiten  des  Mafses  am  aller- 
wenigsten in  der  Schulstube  am  Platze. 

'•)  a.  a.  0.  S.  VL 


K.  TomMchek,  Uebcr  Schulaasgaben  deutscher  Dichtungen.        67 

eben  so  wenig  Stücken  die  Aufnahme  gestatten,  die  verkehrte  Richtungen 
früherer  Zeit  oder  Epochen  repräsentieren,  wo  die  Dichtung  im  Werden 
oder  im  VerfiEdle  war.  Schon  aus  dieser  Ueberzeugung  geht  hervor,  dass  die 
Schule  nicht  der  Ort  ist,  an  historischen  Beispielsammlungen  die  Geschichte 
der  Dichtung  zu  lehren.  Für  die  Wissenschaft  der  Literaturgeschichte 
wnden  die  Mittelschulen  am  besten  vorbereiten,  wenn  sie  die  Jugend  mit 
den  Tollendetsten  Werken  selbst  vertraut  machen.  Dabei  sind  literarhisto- 
rische Bemerkungen,  insofern  sie  mit  dem  gelesenen  in  naher  Beziehung 
stehen  und  das  Liieresse  für  dasselbe  zu  fordern  vermögen,  selbstverständ- 
lich nicht  ausgeschlossen.  Aber  erst,  wenn  der  Geschmack  der  Schüler  durch 
und  für  das  vortrefifliche  aller  Zeiten  herangebildet  ist,  dürfte  man  es  dem 
tactvollen  Lehrer  gestatten,  im  einzelnen  und  vergleichungsweise  auch  auf 
das  verwerfliche  und  minder  bedeutende  hinzuweisen.  Die  beständige  Ver- 
wirrung der  Eindrücke  und  Gefühle,  wie  sie  mit  der  Anordnung  der  Leo- 
tftre  nicht  zu  ästhetischen,  sondern  literarhistorischen  Absichten  nothwendig 
verbunden  ist,  wird  durch  die  auf  diesem  Wege  erworbenen  Kenntnisse 
unstreitig  nicht  aufgewogen.  Auf  den  untern  Stufen  des  Unterrichts,  so 
knge,  wie  bereits  angedeutet,  das  stoffliche  Interesse  vorherrscht  und  das 
Gefühl  für  das  Schöne  und  Eunstmäfsige  wol  vorbereitet  aber  nicht  zum 
unmittelbaren  Ziele  genommen  werden  kann,  mag  die  Leetüre  von  essthe- 
tisch  minder  bedeutendem  leichter  ihre  Rechtfertigung  finden.  Da  wird 
vielleicht  selbst  manches  der  Prosa  ganz  nahe  stehendes  Stück,  wie  z.  B. 
Bückert'sche  Reflezionspoesie,  wo  diese  nicht  durch  sprachliche  Künsteleien 
ach  ansschlieM,  aus  psdagogischen  Gründen  stets  jedoch  in  sparsamer 
Auswahl  nicht  unwillkommen  sein.  Auf  den  hohem  Stufen  aber  muss  der 
für  das  eigentlich  dichterisch  Schöne  allmählich  eröffnete  Sinn,  um  so  zu 
sagen.  Schlag  für  Schlag  für  die  Wirkung  des  vortrefflichen  eingenommen 
werden,  soll  die  Schule  ihrer  Aufgabe  genügen  und  die  Bildung  eines  reinen 
Geschmacks  und  seiner  Genüsse  nicht  dem  Zufall  oder  der  Ueberwucherung 
durch  allerhand  untergeordnetes  Interesse  überlassen.  Des  Vortrefflichen  und 
zugleich  für  die  Schule  Passenden  ist  glücklicher  Weise  in  der  deutsehen 
Dichtnng  eine  solche  Fülle  vorhanden,  dass  das  reichste  Zeitausroalb  zut 
Bewältigung  desselben  auch  mit  Hinzunahme  der  von  der  Schule  geleiteten 
Privatlectüre  nicht  ausreichen  würde. 

Hat  nun  im  Einklänge  mit  den  voranstehend  entwickelten  Grund« 
Sätzen  das  Lesebuch  für  die  untern  Stufen  die  Schüler  mit  einer  Reihe  von 
bedeutenden  und  schönen  kleinem  Dichtungen,  deren  die  hervorragendsten 
auch  gedächtnismäfing  eingeprägt  sein  werden,  vertraut  gemacht,  so  schreitet 
dann  die  Leetüre  auf  den  obem  Stufen  zu  gröfsem  Dichtungen  fort.  Wäh- 
rend hier  das  Lesebuch  blof^  eine  Zusanmienordnong  des  berdts  Gelesenen 
nach  den  einzelnen  Dichtungsgattungen  hie  und  da  mit  einer  Ergänzung 
zu  bieten  braucht,  wird  die  meiste  Zeit  der  Leetüre  ausgedehnterer,  vor 
allem  dramatischer  Dichtungen  zu  widmen  sein.  Denn  auf  der  obem  Ab- 
theilung ist  es  die  Aufgabe  der  Schule,  den  Sinn  für  das  Verständnis  und 
den  Genuas  gerade  solcher  Werke  zu  wecken.  Es  ist  ein  gewöhnlicher  Mangel 
der  deutschen  SchuUectüre  an  den  Mittelschulen,  dass  umfangreichere  Werke 
der  Dichtung  entweder  ganz  ausgeschlossen  oder  in  ao  dürftigen  Fragmenten 

5» 


68       K.  Tomaschek,  üeber  Schnlansgaben  deutscher  Dichtungen. 

Yorgenommen  werden,  dass  bie  Auffieissung  des  Gedichtes  als  eines  Oanzen 
unmöglich  ist.  Soll  die  Schule  aber  dem  bezeichneten  Zwecke  genügen,  so 
bedarf  sie  eine  hinreichende  Auswahl  wolfeiler  und  zweckmäi^ig  eingerich- 
teter Schulausgaben  hieher  gehöriger  Werke,  an  denen  es  leider  bis  jetzt 
noch  fjAst  g&nzlich  gebricht. 

Zwar  besitzen  wir  aus  der  jüngsten  Zeit  ein  paar  für  'Schule  und 
Haus'  bestimmte  Ausgaben  gröDserer  deutscher  Dichtungen  der  classischen 
Zeit  Aber  abgesehen  davon,  dass  sie  nicht  in  umfassender  Auswahl  vor- 
handen, nicht  nach  festen  Grundsätzen  zu  einer  bestimmten  und  durch- 
gängigen Benützung  in  der  Schule  planmäiüsig  angelegt  sind,  und  dass  sie 
im  Preise  viel  zu  hoch  stehen,  um  ihnen  als  Schulbüchern  allgemeine  Ver- 
breitung zu  sichern,  ist  ihre  Einrichtung  gröl^tentheils  eine  solche,  die 
ihren  Gebrauch  eher  erschwert  und  bedenklich  erscheinen  läset,  als  erleich- 
tem und  fördern  kann.  Das  letztere  gilt  auch  von  der  grofsen  Zahl  von 
Erklärungsschriften  einschlägiger  Dichtungen,  die  sich  unmittelbar  an  den 
Lehrer  wenden,  um  seinen  Vorgang  in  der  Schule  zu  bestimmen,  Denn  was 
wird  in  derlei  Gommentaren  nicht  alles  erwogen,  erklärt,  getadelt  und  ge- 
lehrt! Vor  lauter  Erklärung  soll  der  Schüler  nicht  zum  Genüsse  der  er- 
klärten Dichtung  selbst  kommen,  vor  lauter  Berechnung  aller  möglichen 
subjectiven  Beziehungen  auf  die  Auffassung  des  Lernenden  muss  das  Objec- 
tive  des  Werkes  sich  gewissermaXiBen  verflüchtigen.  Die  sesthetische  Wir- 
kung ist  durch  Buhe  und  den  harmonischen  Einklang  im  Spiel  unserer 
Seelenkräfke  charakterisiert  und  diese  Wirkung  wird  nach  dem  Vorgang 
dieser  Erklärungen  durch  au^escheuchte  Beflezionen  aller  Art  fortwährend 
durchkreuzt  und  zurückgedrängt. 

Unter  den  commentierten  Ausgaben  zum  Gebrauche  der  Schüler 
zeichnet  sich  ohne  Zweifel  Schiller's  Wallenstein,  herausgegeben  von  K.  G. 
Heibig"),  in  vortheilhafter  Weise  aus.  Doch  entspricht  auch  dieses  Buch 
nur  höchst  unvollkommen  dem  Zwecke  einer  Schulausgabe.  Li  der  Einlei- 
tung stellt  der  Verfasser  die  historischen  Grundlagen  der  Dichtung  mit 
den  Ergebnissen  neuerer  Forschung  zusammen,  wofür  er  bekanntlich  in 
einigen  Schriftchen  zur  Geschichte  Wallensteins  und  des  dreif^igjährigen 
Krieges  seine  Befähigung  bewährt  hat.  Das  historische  Bild  wird  hierauf 
mit  der  poetischen  Composition  verglichen  und  einige  Momente  ans  der 
Entstehungsgeschichte  der  Dichtung  mitgetheilt  Li  allen  diesen  Beziehun- 
gen könnte  die  Darstellung  zwar  viel  knapper  auf  die  Hauptpuncte  sich 
beschränken,  im  allgemeinen  aber  darf  diese  Einleitung  als  nützliche  Bei- 
gabe des  Buches  bezeichnet  werden.  Was  die  fortlaufenden  Anmerkungen 
unter  dem  Texte  betrifft,  so  treten  sie  wol  hie  und  da  an  erwünschter  Stelle 
ein,  doch  sind  viele  derselben  ganz  überflüssig  oder  störend,  viele  sogar  ent- 
schieden irrthümlich.  Um  dies  zu  zeigen,  will  ich  gleich  den  Anfang  vom 
Lager  in  Betracht  ziehen.  Hier  sind  schon  die  beiden  Anmerkungen,  um 
das  *von  dem  Soldatenhaufen  bleiben*  (V.  2)  und  das  *Euch*  in  dem  fol- 
gendem Verse  *sind  Euch  gar  trotzige  Kameraden*  zu  erklären,  selbst  für 
Schüler  der  unteren  Stufe  überflüssig.  Ebenso  die  Notizen  zu  *sich'  V.  17, 


**)  Stuttgart  und  Augsburg,  1856. 


JET.  Tomaadiek,  Ueber  Schulanogaben  deutscher  IKchtoDgen.       69 

VQ  *judu5en'  V.  28,  au  'für'  V.  29,  lu  'kraus'  V.  31,  zu  *ju8t'  V.  39,  xu 
'komiiien"  V.  34.  Das  Epochen'  V.  32  ist  mit  'plündern  und  Unfug  machen' 
schlecht  erklärt,  da  es  jedenfalls  'trotzen,  seine  Ansprüche  mit  Gtewalt 
i^eltend  machen*  bedeuten  muss,  wofür  auch  sonst  der  Gebrauch  des  Wortes 
spricht  Wenn  weiter  zu  V.  37  'Terschka'  'die  der  böhmischen  Aussprache 
Dach  rechte  Form  statt  des  fehlerhaften  Namens  Terzky*  genannt  wird,  so 
ist  dies  falsch,  denn  auch  'Terschka*  ist  bereits  eine  dem  deutschen  ange- 
glichene Schreibung  und  wäre  sonach  gleichfalls  ein  'fehlerhafter  Name*. 
Doch  betrifft  dies  eine  dem  Verfasser  unbekannte  Sprache.  Wenn  er  aber 
im  V.  43  'die  drei  scharfe  Schützen'  rücksichtlich  der  starken  Adjectiyform 
als  'Fehler  gegen  die  Grammatik  und  den  Sprachgebrauch'  bezeichnet  und 
ohne  weiters  räth,  den  Artikel  zu  streichen,  so  ist  die  grobe  Unkenntnis, 
die  darin  11^,  auffallend  genug.  Denn  was  den  Artikel  betrifft,  den  die 
Anmerkung  'ganz  unpassend'  nennt,  da  'von  keinen  bestimmten  Schützen 
die  fiede'  sei,  so  soll  er  ja  gerade  auf  die  drei  Schützen  hinweisen,  welche 
dort  'linker  Hand  um  ein  Feuer  sitzen',  wodurch  der  Ausdruck  sinnlicher, 
poetischer  und  Tolksthümlicher  wird,  als  wenn  das  unbestimmte  und  allge- 
meinere 'drei  sdiarfe  Schützen',  wie  es  der  Verf&sser  vorschlägt,  einti&te. 
Man  sollte  glauben,  so  etwas  kaum  erst  besonders  hervorheben  zu  müssen. 
Das  starke  Adjectiv  aber  erklärt  sich  einfiBUih  dadurch,  dass  es  mit  dem 
folgenden  Substantiv  zu  einem  Worte  zusammengefiust  ist,  wie  man  im 
Plural  ähnlich  sagen  kann:  die  hohe  Priester  (Hohepriester)  u.  dgL  Doch 
bleiben  wir  hier  stehen.  Gleich  in  der  ersten  Soene  des  Gedichtes  sind  also 
unter  15  Anmerkungen  mehr  als  die  Hälfte  überflüs^  und  drei  entschie- 
den unrichtig.  Eine  derselben  meistert  noch  dazu  den  Text  in  unberufener 
Weise.  Und  so  geht  es  weiter  durch  das  ganze  Werk  hindurch.  Uebrigens 
dürfte  eine  Schulausgabe  der  Wallensteindichtung  woi  darauf  verzichten» 
den  ganzen  Text  des  Werkes  zu  bringen.  Viele  Partien,  besonders  in  den 
Piooolomini  und  selbst  im  Tod  könnten  übergangen  und  die  Verbindung 
nur  dnrch  einen  einfachen  Bericht  hergestellt  sein. 

Den  Erklärungsschriften  gröfserer  Dichtungen,  welche  den  Lehrer 
selbst  bei  der  Erklärung  in  der  Schule  leiten  sollen,  hat  sich  neuestens 
der  breite  Commentar  zu  Goethe's  Hermann  und  Dorothea  von  Gholevius 
angeschlossen.  Ich  komme  hier  auf  dies  Buch  zurück,  um  zu  zeigen,  wie 
verkehrt  es  wäre,  in  den  Anmerkungen  der  Schulausgaben  durch  solche 
Schriften  sich  bestimmen  zu  lassen.  Schon  vorhin  habe  ich  aus  der  Vor- 
rede dieses  Werkes,  worin  der  Verfcisser  sein  Ver&hren  in  der  Schule 
schildert,  einige  seiner  leitenden  Grundsätze  herausgehoben.  Die  'Einlei- 
tung* und  die  'fortlaufende  Erläuterung'  zeigt,  wie  sehr  es  ihm  damit 
Enust  war,  die  Methode  bis  ins  kleinste  und  kleinlichste  durchzuführen. 
Was  von  dem  'Nachdichten',  das  der  Verfasser  bezielt,  zu  halten  ist,  wissen 
wir,  wie  aber  auch  nur  ein  Nachempfinden  einigermafsen  zu  Stande  kom- 
men soll,  wenn  mit  den  langen  Erörterungen,  die  der  Commentar  je  nach 
einigen  Versen  einschiebt,  die  Leetüre  gestört  wird,  hierüber  ist  wol  keine 
Täuschung  möglich.  Dazu  kommt  noch,  dass  der  Verfasser  mit  Vorbedacht 
nach  einer  nüchternen  Auslegung  strebt  und  so  sind  hie  und  da  Fragen 
aufgeworfen,   die  den  Sinn  ins  Prosaisshe  und  Platte  ziehen,  mitten  in 


70        K,  Tomaschek,  Ueber  Schalausgaben  deutscher  Dichtungen. 

warmer  ßegeisterung  wie   ein  Sturz  Wassers  wirken  und  um  so  überflüs- 
siger sind,   als  sie  dem  einfachen  Sinne  fem  liegen,   und  sie  aufzustellen 
in  den  meisten  Fällen  ganz  gesucht  und  gekünstelt  ist.    Zu  dem  Gesagten 
mögen  hier  nachstehend  wenigstens  einige  Beispiele  Platz  finden.  Schlage 
wir  im  Commentare  zufallig  auf,  da  fällt  uns  (S.  121)  die  Bemerkung  zn 
L  V.  35  ff.  in  die  Augen,   wo  neben  ähnlichem  andern  vorgebracht  wird, 
wie  *eine  bequeme  Kleidung  in  der  geschäftsfreien  Zeit  sonst  zum  Wohl- 
befinden des  deutschen  Hausvaters  gehöre  und  in  den  gewöhnlichen  Gast- 
höfen der  Wirth  an  Schlafrock,  Pantoffeln  und  Mütze  herausgeftinden  wer- 
den könne*.    Auf  der  Seite  vorher  erhalten  wir   zu   dem  Ausdrucke  *der 
Wirth  zum  goldenen  Löwen*  eine  Rechtfertigung  solcher  Bezeichnungen, 
'weil  es  für  die  Fremden  unbequemer  ist,  sich  die  Namen  der  £igenthümer 
zu  merken*  —  u.  s.  w.    8.  125  gibt  zu  'Karren*  (I  V.  117)  die  Notiz:  *der 
Karren  ist  ein  Packwagen,  dessen  oberer  Theil  aus  einem  Kasten  bestehl 
Er  hat  meistens  nur  zwei  Räder.    Cssar  erwähnt,  dass  solche  carri  bei  den 
Galliem  in  Gebrauch  waren*  u.  s.  f.    Erscheinen  solche  Notizen  als  nur 
halbwahr,  überflüssig  und  pedantisch,  so  mag  die  Anmerkung  zu  II.  V.  127  t 
als  Beispiel  verkehrter  und  erzwungener  »sthetischer  Glossen  dienen.    Da 
lässt  der  Dichter  die  Mutter  zum  Schlüsse   der  Erzählung  vom  Brande 
sagen,  die  herrlich  aufgehende  Sonne  hätte  ihr  wieder  Muth  in  die  Seele 
geflöXbt,  und  der  Verfasser  hält  es  für  passend,  hieran  eine  Erörterung  zu 
knüpfen,  *dass  die  Dichter  uns  gewöhnt  hätten,  unsere  Erlebnisse  und  Ge- 
müthszustände  mit  Naturscenen  in  Zusammenhang   zu  bringen*  u.  s.  w. 
Dazu  wahrhaftig  bedarf  das  einfache  Gemüth  weder  des  Dichters  noch  des 
Aesthetikers,   und  auch  die  angeführten  Verse  erklären  sich  und  wirken 
durch  sich  selbst.    Und  nun  sei  noch  ein  Beispiel  gestattet,  das  uns  beim 
Umblättern  in's  Auge  fällt  und  das  die  banalen  Momente  der  Erklärung 
illustrieren  kann.    Die  Schlussverse   des  IL  Gesanges  vermögen   in  ihrer 
rührenden  Einfachheit  und  Schönheit  nicht,  des  Verfassers  Befremden  zu 
unterdrücken,  *dass  die  Saalthüre  in  dem  wohl  versehenen  Hause  noch 
einen  so  einfiEU^hen  und  altmodischen  Verschluss  hat.   Man  drücke  übrigens, 
wenn  man  die  Thjlre  offnen  will,   nicht  auf  die  Klinke,  sondern  auf  den 
Drücker,  welcher  die  Klinke  aus  dem  Haken  hebt*  (!).  In  der  That,  wer  ge- 
wöhnt wurde,  an  Stellen  von  solcher  Wirkung  wie  die  vorliegende  derartige 
Reflexionen  zu  knüpfen,  der  ist,  fürchten  wir,  für  die  Herrlichkeit  der  Dich- 
tung verloren.    Wenn  man  nun  weiter  noch  bedenkt,   dass  die  Erörterun- 
gen der  Einleitung,  die  sich  über  die  dichterische  Grattung  und  den  »sthe- 
tischen  Charakter  des  Werkes  verbreiten,   überall  auch  bei  der  Erklärung 
des  Einzelnen  hinzutreten  sollen,  so  muss  am  Ende  vor  der  Masse  au^^ 
regter  Vorstellungen  der  einfiache  Text  und  seine  Wirkung  und  damit  die 
Grundlage  des   eigentlichen  Interesses  vollständig  in  den  Hintergrund  ge- 
drängt sein.    Nebenbei  möchte  ich   indes  bemerken,   dass   die  Einleitung 
durch  lobenswerthe  Klarheit   dem   Lehrer  allerdings   manche   Belehrung 
bieten  kann.    Wenn  übrigens  der  Verfasser  die  theoretischen  Aufsätze  in 
Humboldt's   Werke   über    Hermann    und   Dorothea  als   unbrauchbar  be- 
zeichnet, 80  fällt  es  auf,  dass  gerade  viele  der  von  ihm  selbst  entwickelten 
Begriffe,  wie  z.  B.  der  Unterschied  objectiv-realer  und  subjectiv-idealer  Dich- 


JE.  Tonuudiek,  Ueber  Schulausgaben  deutscher  Dichtungen.        Tl 

tongsweiso,  die  Merkmide  der  epischen  Darstellung  u.  dgl.,  wie  so  manche 
ästhetische  Kategorien,  welche  heut  zu  Tage  ganz  geläufig  sind,  bei  stren- 
gerer Prüfung  gerade  auf  jene  Aufsätze  zurückzuführen  wären. 

Nicht  für  weitläuftige  Erklärungsschriften,  sondern  für  zweckmäCsige 
Ausgaben  grösserer  Dichtungen  spricht  ein  dringendes  Bedürfnis  der  Schule. 
Einige  der  vorzüglichsten  Gesichtspuncte ,  aus  welchen  solche  Ausgaben 
anzulegen  wären,  will  ich  im  Nachfolgenden  zusammenstellen.  Sie  ergeben 
sich  gröfstentheils  aus  dem  bisher  Entwickelten. 

Die  Frage,  für  welche  Dichtungen  zunächst  solche  Schulausgaben 
wünschenswerth  wären,  dürfte  kaum  eine  schwierige  sein.  Die  Meister- 
werke Gcethe's  und  Schillerte  müssen  hier  vor  allen  und  insgesammt  be- 
rücksichtigt werden,  so  weit  sie  nicht  durch  psedagogische  Bedenken  wesent- 
licher Art  ausgeschlossen  bleiben.  Sie  allein  schon  wären  hinreichend,  die 
einschlägige  Leetüre  der  obem  Glassen  auszuf&Uen.  Gegen  die  nachstehende 
wohl  erwogene  Liste  möchten  gegründete  Bedenken  nicht  leicht  erhoben 
weidML  Von  Gosthe  kommen  in  Betracht:  Götz  Yon  Berlichingen,  Clavigo, 
Iphigenie,  Tasso,  Hermann  und  Dorothea;  von  Schiller:  Don  Carlos,  Walleor 
stein,  Maria  Stuart»  Jungfrau  von  Orleans,  Wilhelm  Teil.  Hiezu  tritt  dann 
?on  Lessing  Minna  von  Barnhelm  und,  wenn  die  Zeit  reicht,  auch  einige 
Stücke  von  Shakespeare,  den  wir  Deutsche  uns  in  mehr  als  einer  Be- 
ziehung gewissermaÜBen  aneignen  dürfen.  So  etwa  Coriolan,  Julius  Ossär, 
Macbeth  und  Eichard  HI  "). 

Wie  ich  gelegentlich  schon  andeuten  konnte,  so  verschlägt  es  nichts, 
wenn  in  diesen  Ausgaben  minder  wichtige  und  dichterisch  bedeutende 
Soenen  oder  solche,  gegen  welche  unausweichliche  pssdagogische  Bedenken 
FUtz  greifen,  durch  ein  möglichst  einfach  gehaltenes  verbindendes  Referat 
eraetzt  werden.  Für  den  Ton  eines  solchen,  doch  nur  für  diesen,  könnten 
%,  B.  die  Einschaltungen  zum  Muster  dienen,  mit  welchen  Karl  Gödeke  die 
in  seine  'elf  Bücher  deutscher  Dichtung'  aufgenommenen  Fragmente  des 
Tasao  verbindet  Bei  manchen  Werken,  so  beim  Don  Carlos  und  Walleustein, 
sind  die  Auslassungen  schon  durch  die  Rücksicht  auf  den  allzugrofsen 
Umfimg  geboten.  Dabei  darf  aber  in  keinem  Falle  eine  solche  Kürzung 
eintreten,  ohne  dass  die  Lücke  durch  einen  verbindenden  Text  angezeigt 
und  ausgefüllt  wird. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  was  der  Commentar  solcher  Ausgaben 
lu  enthalten  habe.  Die  Anforderungen  der  Lehrer  in  dieser  Beziehung 
zeigen  bei  der  Bathlosigkeit  und  Yerstiegenheit  des  methodischen  Vorgan- 
ges ein  heilloses  Schwanken.  Aber  die  Frage  verliert  an  Schwierigkeit, 
wenn  man  strenge  an  dem  obersten  Zwecke  aller  dichterischen  Leetüre  in 
der  Schule  festhält  und  was  mittelbar  durch  sie  begründet  und  erreicht 
werden  mag  bei  Seite  lässt.  Dieser  oberste  Zweck  ist  und  bleibt  aber, 
um  es  wiederholt  und  in  kürzester  Form  auszusprechen,  kein  anderer  als 
die  Dichtung  den  jugendlichen  Gemüthern  zum  Genüsse  zu  bringen.  Auf- 
richtig gesagt,   bin  ich  der  Meinung,   so  äufsert  B.  v.  Baumer  in  seiner 


**)  Eine  zum  Theil  ähnliche  Liste  stellt  auch  R.  v.  Raumer  auf  a.  a.  0. 
S.  137. 


72       K.  Tonkuchek,  Ueber  Schalaosgaben  deutscher  Dichtungen. 

Mher  gerühmten  Abhandlung*^,  dass  diese  Dichtongen  ihre  grölte  und 
wesentliche  Bestimmung  erfüllen,  auch  ohne  dass  man  ein  Wort  an  ihnen 
erklart.  Doch  gesteht  er  die  Brauchbarkeit  eines  kurzen  Handcommentares 
wenigstens  für  das  häusliche  Nachlesen  zu.  Ich  glaube  jedoch,  dass  ein 
solcher  auch  bei  der  Leetüre  in  der  Schule  selbst  gute  Dienste  leisten 
könne,  um  so  mehr,  als  es  mir  nothwendig  scheint,  dass  nicht  bloik  der 
Lehrer  vorlese,  was  nicht  ausgeschlossen  ist,  sondern  dass  zunächst  die 
Schüler  selbst  abwechselnd  zur  Theilnahme  an  der  Leetüre  heranzuziehen 
sind.  So  viel  ist  jeden&lls  gewiss,  dass  Schulausgaben  einschlägiger  Dich- 
tungen durch  einen  kurzen  Handcommentar  an  Werth  und  Verbreitung  ge- 
winnen werden.  Hiezu  nun  möchte  ich  folgende  allgemeine  Puncte  ak 
mafbgebend  bezeichnen. 

Als  erste  Regel  für  die  Erklärung  muss  gelten,  dass  sie  wirkliche 
Hindemisse  der  Auf&ssung  und  somit  der  Wirkung  des  Textes  selbst^  auf 
dem  kürzesten  Wege,  wo  möglich  mit  ein  paar  Worten,  zu  beseitigen  hat 
Da  gilt  es  keineswegs  alle  falschen  Vorstellungen,  die  nur  überhaupt 
möglicherweise  sich  bilden  könnten,  oder  gar  ein  durch  Reflexion  erst 
künstlich  hervorgerufenes  Misverständnis,  welches  dem  gesunden  Sinne  feine 
li^,  wegzuräumen,  sondern  es  gilt  thatsächliche  Schwierigkeiten  aufini- 
klären,  die  durch  sprachliche  oder  sachliche  Dunkelheit  veranlasst  sind. 
In  dieser  Hinsicht  z.  B.  wären  ungewöhnliche  Ausdrücke  und  Construc- 
tionen,  aber  auch  entfernter  liegende  Beziehungen  historischer  und  geogra- 
phischer Art  kurz  zu  erklären.  Ebenso  könnte  hie  und  da  etwa  vor  nahe 
liegender  falscher  Betonung  gewarnt,  femer'  auf  den  stofiPlichen  und  chro- 
nologischen Zusammenhang  innerhalb  der  Dichtung,  wo  dieser  eine  Un- 
klarheit oder  Misverständnis  voraussetzen  lässt,  hingewiesen  werden,  u.  dgL 

Für  Anmerkungen,  die  das  Verständnis  positiv  zu  fördem  bestimmt 
wären,  spricht  im  Grunde  keinerlei  Nothwendigkeit  Doch  kann  hierin 
dem  sichern  Tacte  des  Erklärers  manches  anheimgegeben  bleiben,  sofern 
er  nur  mit  seinen  Anmerkungen  die  Fördemng  der  unmittelbaren  Wirkung 
der  Dichtung  und  ihrer  Theile  nicht  aus  dem  Auge  verliert,  d.  i  sofern 
er  sich  innerhalb  des  Spielraums  des  entwickelten  Prindpes  zu  beschränken 
weüÜB.  Doch  möchte  er  hiezu,  wie  mir  scheint,  kaum  häufig  Veranlassung 
finden;  denn  das  wirksamste  eines  dichterischen  Meisterwerkes  bleibt  do<^ 
immer  die  Dichtung  selbst.  Belehmngen,  die  nebenbei  über  dies  und  jenes 
mit  der  Dichtung  und  der  bestimmten  Stelle  nicht  unmittelbar  und  noth- 
wendig verbundene  sich  verbreiten  wollten,  sind  von  dem  Commentare, 
der  nichts  für  sich  gelten  will,  sondem  nur  um  der  bestimmten  Lectflre 
willen  da  ist,  unbedingt  auszuschliefsen. 

Das  angeregte  Interesse  für  die  gelesene  Dichtung  erweckt  von  selbst 
das  Interesse  für  den  Dichter.  Daher  wären  kurze  literarhistorische  No- 
tizen als  Beigabe  nicht  abzuweisen.  Diese  haben  sich  jedoch  strenge  auf 
den  Dichter  und  sein  Gedicht  und  auf  die  Entstehungsgeschichte  des 
Werkes  zu  beschränken.  Als  Mafsstab,  wie  weit  man  hier  in  den  Bemer- 
kungen der  Schulausgaben  gehen  dürfe,  scheue  ich  mich  nicht  den  Sats 


^")  a.  a.  0.  S.  138  f 


K,  Tomagehek,  üeber  Schnlausgabon  deutscher  Dichtungen.        78 

auszusprechen:  so  weit  als  die  angeregte  Neugierde  zu  ihrer  unmittelharen 
BeMedigung  verlangt 

Endlich  scheint  es  mir  nicht  unwichtig,  die  üeberzeugung  zu  be- 
tonen, dass  jede  überflüssige  Anmerkung,  in  welcher  der  Schüler  eine  Stütze 
zu  finden  glaubte  und  getäuscht  wird,  in  ihm,  sagen  wir  es  geradezu,  eine 
Art  Entrüstung  hervorruft,  welche  ihn  auch  dort  die  Bemerkungen  gering 
schätzen  lässt,  wo  sie  ihm  erwünscht  sein  müssten. 

Hiemach  wären  solche  Schulausgaben  derart  einzurichten,  dass  zuerst 
der  Text,  beziehungsweise  der  verbindende  Bericht,  wo  Lücken  bleiben, 
gegeben  wird  und  die  kurzen  Anmerkungen  zu  einzelnen  Stellen  unterhalb 
der  Seiten  fortlaufen.  Für  den  Text  ist  jedenfiedls  die  schlieMiche  Bedac- 
tion  des  Dichters  maf^gebend,  versteht  sich  gereinigt  von  den  durch  fort- 
währenden Wiederabdruck  gehäuften  Lrrthümem.  Varianten  oder  augen- 
scheinliche Parallelstellen  aus  demselben  Dichter  selbst  oder  aus  seiner 
Prosa,  wofern  sie  die  Wirkung  der  betreffenden  Stelle  verstärken,  dürften 
hie  und  da  in  den  Anmerkungen  nicht  unwillkommen  sein. 

Ein  Anhang  enthielte  dann  Hauptpuncte  aus  der  Entstehungsge- 
sdiichte  des  Werkes,  darunter  die  Veranlassung,  die  den  Dichter  bestimmte, 
und  Mittheilungen  über  den  rohen  Stoff,  welcher  ihm  vorgelegen  hat,  wo- 
fern beides  notorisch  ist.  So  können  passend  zu  Wilhelm  Teil  Stellen  aus 
Tschudi's  Chronik  und  vielleicht  sogar  aus  Johannes  Müller*s  Schweizer- 
geschichte, oder  zu  Gtothe's  Hermann  und  Dorothea  seine  seit  1809  bekannte 
Quelle  abgedruckt  werden.  Bei  historischen  Dichtungen  dürfte  ein  kurzer 
Hinweis  auf  die  einschlägige  wirkliche  Geschichte  erwünscht  sein.  Berich- 
tigungen der  historischen  Grundlagen  des  Dichters  nach  neuem  Ergebnissen 
mögen  aber  nur  sehr  behutsam  und  in  den  sichersten  Puncten  Beachtung 
finden.  Hierauf  wären  dann  einige  literarhistorische  Notizen  meist  wol  chro- 
nologischer Art  über  die  Stellung  des  Werkes  innerhalb  der  andern  voi> 
zügüchen  Werke  desselben  Dichters  und  einem  der  Werke  seine  kurze  Bio- 
graphie anzuschlieX^en.  Ich  brauche  erst  nicht  zu  sagen,  wamm  ich  alle 
diese  Puncte  im  Anhange  hinzufügen  und  nicht  als  Einleitung  dem  Texte 
voranstellen  möchte. 

Je  dringender  es  wird,  die  gröfseren  Meisterwerke  der  deutschen 
Dichtungen  in  den  Kreis  der  Schullectüre  zu  ziehen,  desto  fühlbarer  ist 
der  Mangel  passender  und  wolfeiler  Schulausgaben.  Möge  die  Verlagshand- 
lung, welche  sich  entschlösse,  diesem  Bedürfnisse  abzuhelfen,  Männer 
finden,  die  mit  Geschick  und  Lust  es  übernähmen,  unbekümmert  um  herr- 
schende Richtungen  Schulbücher  der  Art  von  dauemder  Brauchbarkeit  zu 
bearbeiten. 

Graz.  Karl  Tomaschek. 


74         M.  WretBchko,  Ueber  den  natorwissenschafbl.  Unterricht 

Einige  Bemerkungen  über  den  naturwissenschaft- 
lichen Unterricht  an  unseren  Gymnasien. 

Ein  Zeitraum  von  fast  drei  Jahren  ist  verflossen,  seit  mehr  oder 
weniger  wichtige  Fragen  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichtes  von  bedeuten- 
den Schulmännern  eine  lebhafte  Discussion  erfahren,  von  deren  Ergebnis 
selbst  die  Principien  unseres  heutigen  Studiensystemes  nicht  ganz  tot- 
schont  blieben.  Insbesondere  wurde  eine  Beform  in  dem  naturwissen- 
schaftlichen Unterrichte  an  den  Gymnasien  angestrebt  und  eine  Anzahl 
von  Broschüren  yeröfifentUcht,  deren  Verfasser  zum  Theile  in  der  Wissen- 
schaft einen  bedeutenden  Namen  haben.  Es  kann  nicht  bestritten  werden, 
dass  all  die  Erörterungen  dem  Gegenstande,  den  sie  betrafen,  neue  Seiten 
abgewannen,  dass  manche  Ansichten  in  die  Oeffentlichkeit  drangen,  die 
mittelbar  oder  unmittelbar  einen  Fortschritt  anbahnten,  dass  manche  un- 
serer Schuleinrichtungen  durch  die  Angriffe,  die  sie  erfuhren,  nur  noch 
mehr  befestigt  wurden,  während  die  Mängel  anderer  desto  deutlicher  her- 
vortraten. Eine  der  praktischen  Folgen  jenes  Kampfes  ist  das  Inslebentreten 
von  Realgymnasien;  ob  durch  sie  die  offenkundigen  Wünsche  hinsichtlich 
der  naturvrissenschaftlichen  Lehrzweige  ihrer  Erfüllung  näher  gerückt  wor- 
den sind,  lässt  sich  derzeit  noch  nicht  absehen,  doch  kann  man  auf  Grund 
ihres  gegenwärtigen.  Lehrplanes  wol  bezweifeln,  dass  sie  in  dieser  Hinsicht 
gegen  die  Untergjmnasien  eine  Mehrleistung  werden  aufzuweisen  haben. 
Wenn  wir  von  unserem  Standpuncte,  als  Vertreter  der  Naturwissenschaften 
an  den  Gymnasien,  die  Frage  aufwerfen,  welchen  praktischen  Nutzen  jene 
mehrseitigen  und  wie  man  nicht  absprechen  kann,  von  tiefer  Ueberzeugung 
und  vieler  Begeisterung  getragenen  Bestrebungen  bis  jetzt  aufzuweisen 
haben,  so  müssen  wir  im  Angesicht  der  Thatsache,  dass  in  dieser  Be- 
ziehung alles  un verrückt  geblieben  ist,  leider  sagen:  keine.  Auf  welche 
Ursachen  diese  Erscheinung  zurückzuführen  ist,  das  will  ich  nicht  unter- 
suchen, sondern  nur  auf  einen  Umstand  hinweisen,  der  dazu  vielleicht  nicht 
am  wenigsten  beigetragen  hat,  nämlich  auf  die  Differenz  in  der  Form  der 
Vorschläge,  welche  in  den  damals  erschienenen  Druckschriften*)  behufs 
der  Hebung  dieses  Unterrichtszweiges  gemacht  worden  sind.  Ich  sage:  in 
der  Form,  denn  die  empfohlenen  Verbesserungen  giengeu  in  der  That 
nur  hinsichtlich  des  Studienplanes,  der  Methode  und  der  Aufeinanderfolge 
der  einzelnen  naturwissenschaftlichen  Disciplinen  auseinander,  weniger  hin- 
sichtlich des  Stoffes,  der  zu  bearbeiten  wäre.  Diese  Disharmonie  unter 
den  Fachmännern  selbst  konnte  vielleicht  hin  und  wieder  zu  der  Ansicht 
verleiten,   dass  der  Zeitpunct  noch  nicht  gekommen  sei,  wo  man  etwaige 


*)  Bemerkungen  über  den  naturwissenschaftlichen  Unterricht  an  unseren 
Gymnasien  von  Eduard  Suefs.  Wien,  1862. 

Die  Geologie  und  der  Unterricht  in  Oesterreich.  Wien,  1862. 

Ueber  die  Begrenzung  und  Vertheilung  des  naturwissenschaftlichen 
Lehrstoffes  an  Gymnasien  von  Dr.  A.  JPokomy.  Wien,  1862. 

Zur  Frage  über  die  künftige  Stellung  der  Naturwissenschaften  an  un- 
seren Gymnasien  von  Dr.  M.  Wretschko.  Wien,  1862. 


JC.  Wretschko,  Ueber  den  naturwissenschaftL  Unterricht.         75 

Aendemngen  mit  einiger  Aussicht  aaf  Bestand  und  zum  Gedeihen  der  Sache 
vornehmen  könnte.  Von  jedem,  der  einen  solchen  Sohluss  zieht,  muss  aber 
doch  zugestanden  werden,  dass  jene  ReformYorschlfige  in  höchst  überein- 
stinmiender  Weise  drei  Hauptforderungen  aufstellten,  nämlich:  Erweite- 
rung des  chemischen  Unterrichtes,  Versetzung  der  Minera- 
logie am  Untergymnasium  hinter  die  Physik,  undAbschlieXsung 
des  natorwissenschaitL  Unterrichtes  durch  die  allgemeine  Naturkunde 
in  den  obersten  Classen.  Diese  Forderungen,  deren  Berechtigung  im  Unter- 
richte aus  der  organischen  Entwickelung  der  Naturwissenschaft  unserer 
Tage  abgeleitet  wird,  und  welche  daher  auch  von  der  gegnerischen  Partei 
niemand  absprechen  darf,  lassen  sich  nicht  zurückweisen,  wenn,  um  mich 
eines  Schlagwortes  zu  bedienen,  unsere  Mittelschulen  mit  dem  Zeitgeist e 
im  Einklänge  stehen  und  jenen  Ansprüchen  gerecht  werden  sollen,  welche 
das  Leben  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  der  menschlichen  Ge- 
sellschaft an  die  naturwissenschaftliche  Bildimg  macht.  Die  Erfüllung  aller 
dieser  Puncto  ist  gleich  wichtig  und  wesentlich,  sie  erscheint  mir  als  ein 
Bedürfiiis  unserer  Zeit,  sie  ist  aber  besonders  geboten  bei  den  geselligen 
und  staatlichen  Verhältnissen,  wie  sie  in  Gestenreich  zumeist  bestehen,  wo 
die  allgemeine  Bildung  durchschnittlich  noch  eine  wenig  bcMedigende  ge- 
nannt werden  muss  und  wo  man  in  der  Erwerbung  derselben  grofsentheils, 
jeden&Us  mehr,  als  in  Deutschland  oder  England,  auf  die  Schule  hingeh 
wiesen  iat,  ein  Umstand,  welcher  bei  Schulmännern,  die  ein  massgebendes 
Votum  in  solchen  Angelegenheiten  abzugeben  haben,  einer  ernsten  Berück- 
sichtigong  theilhaftig  werden  möge.  Trotz  dieser  meiner  Ueberzeugung  sehe 
ich  doch  wol,  dass  die  Gewährung  aller  dieser  Wünsche  für  die  aller- 
nächste Zeit  noch  erhebliche  Schwierigkeiten  haben  wird,  daher  beschränke 
ich  mich  im  folgenden  auf  das  Wenige,  was  ohne  eine  namhafte  Ver- 
rüekong  des  best^enden  Lehrplanes  sogleich  ins  Leben  treten  könnte, 
indem  ich  meine,  dass  selbst  ein  unbedeutender  Fortschritt  noch  viel  besser 
ist,  als  reiner  Stillstand  und  zwar  gegenüber  einer  Einrichtung,  welche, 
ich  darf  es  geradezu  behaupten,  keinen  seiner  Sache  gewachseneu  Lehrer 
zoMedenstellt,  dennoch  aber  schon  beinahe  durch  10  Jahre  fortbesteht. 

Jn  die  Reihe  dieser  bescheidenen  Forderungen  gehört  die  Versetzung 
der  Mineralogie  am  Untergymnasium  aus  dem  Wintersemester  der  IIL 
in  den  Sommersemester  der  IV.  und  die  Voranstellung  der  Physik  in 
die  drei  unmittelbar  rorangehenden  Curse.  Da  diese  Aenderung  in  den 
oben  erwähnten  Schriften  einstimmig  als  dringend  nothwendig  hingestellt 
wurde,  so  brauche  ich  bei  ihrer  Begründung  nicht  lange  zu  verweilen.  Je 
länger  ich  mich  mit  dem  naturhistorischen  Unterrichte  befasse,  desto  mehr 
befestigt  sich  in  mir  die  Ueberzeugung,  dass  insbesondere  der  mineralo- 
gische Zweig  desselben  bei  aller  Gewissenhaftigkeit  und  entsprechender 
Vorbildung  des  Lehrers  nur  bedauerlich  geringe  Früchte  tragen  kann;  in 
jedem  Jahre  sprechen  neue  ErfE^irungen  für  die  Richtigkeit  dieser  Auffas- 
sung. Fast  möchte  ich  glauben,  dass  dem  absolvierten  Gymnasiasten  die 
Bauten  des  alten  Rom  geläufiger  sind,  als  das  ABC  der  Zusammensetzung 
unserer  Erdrinde,  auf  der  wir  täglich  wandeln,  deren  Beschaffenheit  und 
Configuxmtion  doch  auf  unsere  Lebensweise,  auf  unsere  Beschäftigung,  jfi 


76         M,  Wretschko,  Ueber  den  natorwisscnschaftL  Unterricht. 

selbst  anf  nnsere  Gemüths-  and  Denknngsart  vom  unmittelbaren  Einflüsse 
ist  Denken  wir  uns  den  bestmöglichen  Unterricht  aus  der  Mineralogie  in 
der  m.  Classe,  so  dreht  sich  derselbe  doch  nur  um  die  Betrachtung  ein- 
facher Erystallfonnen  und  etlicher  an  den  bekanntesten  Mineralien  (Gips, 
Schwerspath ,  Gelbblei  etc.)  vorkommenden  Ck)mbinatiouen,  und  um  aui&l- 
lendere  Aggregatformen,  wozu  noch  die  physikalischen  Eigenschaften: 
Bruch  und  Harte  sich  gesellen.  Was  sonst  noch  aus  der  EiTstallphysik 
mitgenommen  wird,  bleibt  ohne  Bearbeitung  von  Begriffen  aus  fremden  Ge- 
bieten, wozu  man  aber  keine  Zeit  hat,  mehr  oder  weniger  unverständlich; 
hierher  gehören  chemische  und  physikalische  Verhältnisse,  gewerbliche  und 
technische  Verwendung  u.  dgL  Dass  man  gerade  diejenigen  Seiten  des  Ge- 
genstandes aus  der  Schule  eliminieren  muss,  von  denen  aus  man  auf  das 
Bestehen  eines  Zusammenhanges  zwischen  den  Erscheinungen  an  einzelnen 
Naturkörpem  sowol,  wie  auch  z¥ri8chen  den  Processen  auf  und  in  der  Erde 
selbst,  endlich  auf  die  vielfaltige  Verwerthung  der  Mineralien  im  mensch- 
lichen Haushalte  in  Folge  gewisser,  ihnen  anhaftenden  substantiellen  Eigen- 
schaften hinweisen  könnte,  ist  jedenfeklls  nicht  erfreulich.  Wol  bleibt  auch 
dann,  wenn  man  hauptsächlich  blolüs  auf  die  Erörterung  morphologischer 
Verhältnisse  sich  beschränkt,  noch  mehr  als  genug  Stöfif  für  den  Unter- 
richt; allein  da  häufen  sich  wieder  andere  Schwierigkeiten,  welche  aus  der 
schlechten  Orientierung  der  SchtQer  in  der  Geometrie  entspringen;  man 
muss  buchstäblich  nebenbei  immer  Geometrie  lehren  und  so  Schritt  vor 
Schritt  sich  Bahn  brechen,  um  wieder  in  den  Gesichtskreis  des  Sch&lers 
zu  kommen.  Bei  so  vielen  methodischen  Hindernissen  kann  es  nicht  anders 
sein,  als  dass  das  Resultat  des  Unterrichtes  zum  groften  Theile  in  nicht 
genug  klaren  Anschauungen  und  unvollständig  bearbeiteten  Begriffen  be- 
steht, welche  nur  oberflächlich  haftend,  alsbald  verloren  gehen.  Meinen  £r- 
fiihrungen  zufolgen  besitzen  am  Obergymnasium  stets  nur  etliche  Schüler 
Beminiscenzen  aus  der  Mineralogie,  während  sich  diese  in  der  Botanik  und 
Zoologie  doch  nicht  so  selten  und  so  dürftig  zeigen. 

Durch  die  Versetzung  der  Mineralogie  in  den  Sommer  der  IV.  würden 
diese  Uebelstände  groJCsentheils  behoben  werden,  es  liefto  sich  die  Betraeh- 
tung  der  Mineralarten  in  morphologischer  wie  physikalisch-chemischer  Be- 
ziehung in  jenem  Umfange  und  mit  dem  nämlichen  Erfolge  durchführen, 
wie  jetzt  in  Quinta,  ja  sogar  mit  einem  in  dem  Grade  günstigeren,  in 
welchem  das  Stundenausmafs  für  diesen  Unterricht  das  gegenwärtige  in 
Quinta  übertreffen  würde.  Die  Neuheit  des  Gegenstandes  oder  der  dadurch 
bedingte  störende  Einfluss  kommt  kaum  in  Betracht,  da,  wie  gesagt,  die 
jetzige  Vorbildung  der  angehenden  Obergymnasiasten  in  diesem  Fache  einen 
sehr  geringen  Werth  hat.  Die  Mineralogie  im  engeren  Sinne  in  zwei  Stufen 
zu  lehren,  nämlich  unten  und  oben,  ist  nach  meiner  Ansicht  in  dem  Falle 
überflüssig,  wenn  die  Schüler  schon  das  erste  Mal  über  einige  Kenntnisse 
aus  der  Geometrie,  Physik  und  Chemie  disponieren,  und  in  einem  Alter 
stehen,  wo  eben  diese  Elemente  ihre  Fassungskraft  nicht  übersteigen.  Alle 
Gründe,  welche  man  für  die  Zweistufigkeit  des  botanischen  und  zoologi- 
schen Unterrichtes  geltend  machen  kann,  deren  Gewicht  ich  nicht  verkenne, 
wie :  Verschiedenheit  in  der  Methode  oben  oder  unten,  Reichhaltigkeit  des 


M.  WretschkOf  üeber  den  naturwissenschaftl.  Unterricht.  77 

Mateiials,  fiber  das  eine  Uebersicht  angebahnt  werden  muss,  Nothwendig- 
keit  einer  gröXberen  Beife  behufs  des  Verständnisses  organischer  Vorgänge 
0.  1.  w.  haben  hier  eine  geringe  oder  gar  keine  Bedentong.  Wol  aber  wäre 
es  in  meinen  Angen  ein  groHser  Fortschritt»  wenn  sich  an  die  synthetische 
Mineralogie  der  IV.  die  Betrachtung  des  Baues  der  Erdrinde  im 
Wintercnrse  der  V.  anschlösse.  Es  steht  zwar  in  unserem  Lectionsplane 
als  Lehrstoff  ftr  das  I.  Semester  der  Quinta:  „Mineralogie  in  enger  Ver- 
bindung mit  der  Geognosie**,  allein  dies  ist  ein  eitler  Aufputz  und 
jeder  Eingeweihte  welfs  wol,  dass  wenigstens  in  den  etwas  zahlreichen 
Classen  von  „Oeognoeie**  keine  Bede  sein  kann;  durch  diesen  Abänderungs- 
forachlag  aber  würde  das,  was  nur  auf  dem  Papiere  in  die  Oeffentlichkeit 
hinausgeschickt  wird,  in  der  Praxis  verwirklichet  werden  können.  Man  for- 
dert in  der  Zoologie  und  Botanik  am  Obergymnasium  einige  Berücksich- 
tigung der  Palsontologie  und  zwar  mit  Tollem  Bechte,  weil  man  damit 
dem  Unterrichte  eine  Färbung  geben  will,  aus  der  man  die  heutige  Auf- 
&s8iing  der  Thier-  und  Pflanzenkunde  wiedererkennen  soll.  Wie  ist  nun  das 
möglich,  ohne  jede  geotektonische  Unterlage?  Es  muss  auch  diese  Forderung 
fast  nur  ein  leeres  Wort  bleiben.  Als  beiläufige  Aufgabe  für  den  erwähnten 
Wintercursus  der  Quinta  würde  ich  bezeichnen:  Petrographie  —  Structur 
der  Gesteine  —  plutonische,  neptunische  Gesteine  —  Lagerung,  Schichtung, 
Erzgänge  —  Vulcane  —  Umwandlung  der  Gesteine  —  System  der  Gebirgs- 
arten.  Durch  die  Annahme  dieser  Modification,  welche,  wie  schon  bemerkt, 
am  bestehenden  Stundenplane  gar  keine  Verrückung  nothwendig  macht 
und  sich  gänzlich  innerhalb  des  Bahmens  der  gegenwärtigen  Studienein- 
richtung bewegt,  so  dass  ihrer  Ausführung  keine  principiellen  Hinder- 
nisse im  Wege  sein  dürften,  würden  allgemeine  Anschauungen  über  die 
Entwickelung  des  Erdkörpers  angebahnt  werden^  auf  deren  Grundlage  in 
der  organischen  Naturgeschichte  die  sachrichtige  Erfassung  der  gegenwär- 
tigen Schöpfung  nur  als  einer  Phase  im  stetigen  Umwandlungsprocesse 
der  Erde,  nur  iJs  des  Endgliedes  aus  der  langen  Kette  ihrer  Erscheinungs- 
formen den  Schülern  zugänglicher  gemacht  werden  könnte. 

Die  Physik,  welche  demnach  in  Tertia  und  im  Wintersemester  der 
Quarta  zu  lehren  wäre,  hätte  dadurch  von  den  Tier  wöchentlichen  Stunden, 
die  ihr  am  Untergymnasiuni  jetzt  zufallen,  '/,  Stunde  Terloren.  Dieser 
Verlust  an  Zeit  würde,  wie  mir  wol  bekannt  ist,  den  Gegenstand  hart 
tareffen,  um  so  harter  noch  in  dem  Falle,  als  der  Chemie  ein  gröi^rer 
Zeitraum  gewährt  werden  soll,  wie  ich  dies  oben  befürwortet  habe.  Wollte 
man  jedoch  in  Tertia  für  die  Physik  drei  Stunden  ansetzen,  was,  falls  auf 
keine  andere  Weise,  durch  Vermehrung  der  wöchentlichen  Lehrstunden 
dieser  Classe  um  Eine  bewerkstelliget  werden  könnte,  so  bliebe  nicht  nur 
ihr  gegenwärtiges  Becht  ungeschmälert,  sie  Termöchte  noch  überdies  in 
der  halben  Stunde  plus  gegen  jetzt  der  billigen  und  dringenden  Forderung 
zu  genügen,  etwa  drei  Monate  des  Sommersemesters  ausschliefslich  zu 
Gunsten  der  Chemie  abzutreten.  Dass  in  didaktischer  Beziehung  gegen 
den  Beginn  des  physikalischen  Unterrichtes  schon  zu  Anfang  der  Tertia 
keine  wesentlichen  Bedenken  zur  Geltung  kommen,  wird  selbst  von  Fach- 
männern —  unter  andern  auch  von  Dr.  Pick  in  Pokorny's  oben  erwähnter 


78         M.  WretftchkOy  üeber  den  naturwissenschaftl.  Unterricht 

Schrift  S.  17  —  zugegeben ,  auch  ich  wüsste  nach  einigen  Erfahrungen  in 
dieser  Beziehung  und  nach  sorgfältiger  Prüfang  der  einschlägigen  Um- 
stände dagegen  keinen  erheblichen  Grund  namhaft  zu  machen,  so  dass 
nach  meinem  Dafürhalten  die  besagte  Aenderung  mit  voller  Beruhigung 
hinsichtlich  des  Lehrerfolges  durchgeführt  werden  könnte.  Wenn  auch  der 
Gewinnung  dieser  Einen  Lehrstunde  gewichtige  Bedenken  entgegenstehen, 
so  darf  man  doch  geradezu  behaupten,  dass  Rücksichten  daf&r  sprechen, 
die  gegen  jene  Bedenken  sicher  das  Uebergewicht  behaupten.  Es  sind  ja 
analoge  Abänderungen  des  Unterrichtsplanes  zu  Gunsten  der  Religion,  der 
Propeedeutik  und  Mathematik  im  Laufe  des  letzten  Decenniums  vorgenom- 
men worden,  obschon  dafür  kaum  tiefere  Motive  vorlagen,  wie  die  zu  Gun- 
sten der  hier  angestrebten  Modification  sprechenden.  Möge  die  h.  Un- 
terrichtsbehörde auch  diese  in  reifliche  Erwägung  ziehen! 

Habe  ich  bisher  einer  zweckmäfsigeren  Vertheilung  des  naturwissen- 
schaftlichen Lehrstoffes  das  Wort  geredet,  so  halte  ich  es  anderseits  Pai 
dringend  noth wendig,  auf  einen  zweiten  Uebelstand  hinzuweisen,  der  aus 
dem  Mangel  gewisser  Veranschaulichungsmittel,  insbesondere  bildlicher 
Darstellungen  im  Wandtafelformat  hervorgeht.  Die  Naturgeschichte 
ist  in  diesem  Puncto  hinter  der  Geographie  zurückgeblieben,  obschon  für 
die  Erläuterung  mancher  Verhältnisse  grofse  Karten  namentlich  in  zahl- 
reichen Classen,  wie  sie  in  Oesterreich  so  häufig  vorkommen,  ein  wahres 
Bedürfnis  sind;  dahin  gehören  unter  andern:  Darstellung  von  Gebirgs- 
durchschnitten,  Karten  über  geographische  Verbreitung  der  Thiere  und 
Pflanzen,  Zeichnungen  wichtiger  Verhältnisse  aus  der  Thier-  und  Pfianzen- 
anatomie  u.  dgl.  Rossmäfsler,  gewiss  einer  der  berühmtesten  Lehrer 
der  Naturgeschichte,  hat  in  seiner  Schrift:  'Der  naturgeschichtliche 
Unterricht,  Gedanken  und  Vorschläge  zu  einer  Umgestaltung  desselben', 
auf  dieses  Lehrmittel  als  ein  höchst  ergiebiges  hingewiesen  und  den  sehn- 
lichen Wunsch  ausgedrückt,  dass  sich  recht  bald  jemand  finden  möchte, 
dem  das  Verhältnis  der  Sache,  so  wie  die  Mittel  zu  einer  groftortigen 
Durchführung  derselben  zur  Seite  stehen.  Ich  bedauere  lebhaft,  dass  bis 
heute  nichts  derartiges  in's  Leben  gerufen  wurde,  und  schreibe  diese  Zeilen 
in  der  Absicht,  um  Freunden  naturhistorischen  Unterrichtes,  die  zugleich 
so  glücklich  sind,  in  Orten  grösserer  artistischen  Institute  ihren  Wohnsitz 
zu  haben,  diesen  schönen,  vielversprechenden  Gedanken  wiederholt  nahe  zu 
legen.  Weder  Zeichnungen  des  Lehrers  auf  der  Tafel,  noch  Darstellungen 
mit  Hilfe  des  Sonnenmikrosoopes  vermögen  das  zu  leisten,  was  derartige 
mit  Sorgfalt  und  Wahrheitstreue  in  gehöriger  Vergröfserung  ausgeführte 
Abbildungen  (nach  Umständen  auch  Modelle)  zu  thun  im  Stande  sind. 

Der  naturgeschichtliche  Unterricht  ist  noch  weit  davon  entfernt, 
jenen  Einfluss  auf  Verstandes-  und  Geraüthsbildung  zu  üben,  der  daraus 
geschöpft  werden  kann ;  die  Ertheilung  desselben  geschieht  noch  nicht  mit 
jener  Umsicht,  die  zu  dessen  Gedeihen  erforderlich  ist  und  die  ihm  eine 
günstige  Zukunft  sichern  kann.  Möge  es  daher  an  Bemühungen  nicht 
fehlen ,  ihn  wenigstens  innerhalb  des  uns  eingeräumten  Gebietes  auf  das 
beste  und  zweckmäfsigste  zu  pflegen! 

Laibach.  Dr.  M.  Wretschko. 


Yierte  Abtheilung. 


Miscellen. 

Aus  der   ^Mittelschule.^ 

Yersammlimg  vom  1.  April  1864. 

Als  ordentliclie  Mitglieder  traten  dem  Vereine  bei  die  Herren  Dragoni 
Jacob ,  k.  k.  Schulratb ,  Doli  Eduard ,  Director  der  Oberrealschule  am 
Bauernmarkt. 

Schulratb  Kral  hält  seinen  Vortrag  über  die  Gleichstellung 
der  Gymnasien  und  tlealschulen  sowol  hinsichtlich  der  Be- 
züge der  Lehrer  als  auch  der  Rechte  der  Schüler. 

Das  h.  Staatsministerium  sei  dem  Wunsche  der  ReichsYertretung, 
-die  k.  k.  Regierung  möge  für  eine  Verbesserung  der  Lage  der  Lehrer  an 
den  Mittelschulen,  sowie  für  die  vollkommene  Gleichstellung  der  Gymnasial- 
und  Reallehrer  nach  Rang  und  Bezügen  unverzüglich  Sorge  tragen**,  inso- 
weit nachgekommen,  dass  das  Unterrichtsgeld  an  den  Gymnasien  erhöht 
und  ein  Drittheil  desselben  zur  Verbesserung  der  Dotation  der  älteren  Lehrer 
bestimmt  wurde.  Aulüserdem  seien  in  der  jüngsten  Zeit  einige  Gynmasien 
£0.  Classe  zu  Gymnasien  IL  oder  auch  I.  Classe  erhoben  worden.  Allein 
eine  Gleichstellung  der  Reallehrer  mit  den  Gymnasiallehrern  sei  nur  inso- 
fern eingetreten,  dass  man  die  Dienstzeit  an  Realschulen  auf  30  Jahre, 
wie  bei  den  Gjrmnasien,  festgesetzt  habe;  für  die  Gleichstellung  der  Be- 
züge sei  nichts  geschehen,  ja  das  schon  bestehende  Misverhältnis  sei  durch 
die  den  Gymnasiallehrem  gewährte  Begünstigung  noch  auffallender  gewor- 
den. So  seien  z.  B.  die  Gelmltsstufen  der  Lehrer  an  den  Realschulen  in  einer 
ProYinzialhauptstadt  (Brunn,  Görz,  Innsbruck,  Elagenfurt,  Linz,  Olmütz. 
Troppau  und  Lember^)  630  und  840  fl. ,  die  der  Gymnasiallehrer  945  und 
1060  fl.  nebst  der  Zdage  aus  dem  Schulgelde,  welche  nach  dem  ausge- 
stochenen Vertheilungsmodus  an  einem  frequenten  Gymnasium  wenigstens 
300  IL  jährlich  betragen  werde.  Und  doch  seien  die  localen  und  socialen 
Verhaltnisse  dieselben  für  die  Gymnasiallehrer  wie  für  die  Reallehrer  und 
namentlich  das  Bedürfnis  literarischer  Hilfsmittel  nicht  geringer  für  die 
einen  als  für  die  anderen.  Wol  betrage  die  Decennalzulage  an  Realschulen 
210,  an  Gymnasien  nur  105  tt. ;  aber  durch  diesen  Unterschied  von  105  ii. 
werde  das  Misverhältnis  nicht  ausgeglichen,  sondern  es  bestehe  schliefslich 
noch  immer  ein  Unterschied  von  1050  zu  1455  oder  von  1260  zu  1560  fl., 
abgesehen  davon,  dass  die  Decennalzulage  der  Reallehrer  nur  zweimal,  die 
der  Gymnasiallehrer  hingegen  dreimal  eintrete. 

Redner  kann  sich  keinen  anderen  Grund  dieser  Zurücksetzung  der 
Reallehrer  denken,  als  entweder  die  Voraussetzung ,  dass  sie  einer  gerin- 
geren Vorbildung  bedürfen,  man  sie  daher  auch  schlechter  dotiere,  weU  man 
geringere  Anforderungen  an  sie  mache ;  oder  weil  die  Realschule  dem  Gym- 
nasium als  Unterrichtsanstalt  nachstehe. 


80  Misccllon. 

Nun  finde  man  bezüglich  der  Vorbildung  der  Lehrer  an  den  selbstän- 
digen Realschulen ,  dass  der  §.  2  der  Vorschrift  über  die  Prüfung  der  Can- 
diaaten  des  Lehramtes  an  selbständigen  Realschulen  fast  wörtlich  ebenso 
laute  wie  §.  2  des  Prüfungsgesetzes  für  Candidaten  des  Gyiiinasiallehramtes. 
Dazu  komme  noch  der  Umstand,  dass  neben  vier  Gvmnasial-Prüfungscom- 
missionen  nur  eine  für  Candidaten  des  Realschullenramtes  besteht,  diese 
auch  viel  später  in's  Leben  gerufen  wurde,  daher  die  meisten  Lehrer  au 
den  selbständigen  Realschulen  von  den  Gymnasial -Prüfungscommissionen 
approbiert  worden  seien.  —  Auch  an  das  Lehramt  selbst  knüpften  sich 
niäit  weniger  geistige  und  moralische,  paddajgogische  und  didaktische  Ver- 
pflichtungen an  Realschulen,  als  an  Gymnasien;  im  Gegentheile  dürfte  die 
gröfsere  Lehrstundenzahl  der  meisten  Lehrer  an  Realschulen  schwer  in 's 
Gewicht  fallen. 

Aber  auch  als  ünterrichtsanstalt  stehe  die  Realschule  dem  Gymna- 
sium nicht  nach.  Beide  seien  Mittelschulen,  beide  haben  den  Zwed^,  eine 
harmonische  Ausbildung  aller  geistigen  Kräfte  ulid  überhaupt  eine  höhere 
allgemeine  Bildung  zu  gewähren;  sie  unterscheiden  sich  nur  durch  die 
Dauer  ihres  Bestandes  und  die  Mittel  zur  Erreichung  ihres  gemeinschaft- 
lichen Zweckes.  Diese  Anschauung  sei  eine  gesetzliche,  gerechtfertigt  durch 
die  Worte  des  Org.  Entw.  und  der  Verordnung  über  den  Lehrplan  der  Real- 
schulen ?om  Jal^e  1851;  für  sie  sprechen  gewichtige  Auctoritäten  und 
unser  Verein  habe  in  seiner  Denkschrift  an  den  h.  Reichsrath  in  gleicher 
Weise  sich  angesprochen.  Es  stelle  sich  demnach  als  eine  unabweisliche 
Forderung  der  Gerechtigkeit  heraus,  dass  die  Bezüge  der  Lehrer  an  selbstän- 
digen Realschulen  denen  der  Gymnasiallehrer  gleichgestellt  werden. 

Die  Erwägung  des  Verhältnisses  dieser  Mittelschulen  zu  einander 
führe  aber  auch  zu  der  Ueberzeugung  von  der  Noth wendigkeit  der  Gleich- 
stellung der  Rechte  der  Realschüler  mit  denen  der  Gymnasial- 
schüler. Redner  versteht  darunter  zunächst  das  Recht  des  Uebertrittes  an 
die  Universität,  um  als  ordentliche  Hörer  aller  lener  Vorträge  immatricu- 
liert  werden  zu  können,  welche  nicht  ausdrücklich  die  Kenntnis  der  alt- 
dassischen  Sprachen  bedingen;  femer  alle  mit  der  Stellung  eines  akademi- 
schen Bürgers  verbundenen  Begünstigungen,  z.  B.  die  bedingte  Befreiung 
von  der  Militärpflicht,  den  Eintritt  in  verschiedene  Abtheilungen  der  Civil- 
und  Militärverwaltung  u.  s.  w.  Gewichtige  Stimmen  hätten  sich  für  Äi- 
lassung  derselben  zu  den  medicinischen  Studien  ausgesprochen ,  ja  selbst 
die  Möglichkeit ,  ihnen  die  theologischen  Studien  zu  eröffhen ,  sei  aus- 
gesprochen worden,  wenn  sie  der  lateinischen  Sprache  mächtig  wären» 
weil  sie  vermöge  ihrer  Vorbildung  besonders  als  Landgeistliche  an  ihrem 
Platze  wären. 

Redner  gibt  zu,  dass  die  jetzige  Einrichtung  der  Realschule  jene 
Bürgschaften  noch  nicht  biete,  die  erfordert  werden,  wenn  dem  absolvierten 
Realschüler  die  nöthige  Vorbildung  zuerkannt  werden  soll,  Universitäts- 
studien  mit  Erfolg  betreiben  zu  können.  Darum  hält  er  es  für  nothwendig, 
einige  Veränderungen  im  gegenwärtigen  Lehrplane  der  Realschule  zu  be- 
fürworten. Dah'n  gehört  erstlich  die  Erweiterung  des  Lehrcurses  der  Real- 
schule auf  acht  Jahre,  um  unter  anderen  Vortheilen  eine  richtigere  Ver- 
theilung  der  Lehrgegenstände  zu  ermöglichen,  den  Humanitätsgegenständen 
ihr  Recht  und  der  einen  oder  anderen  modernen  Cultursprache  Raum  zu 
verschaffen,  endlich  für  Logik  und  Psychologie  einige  Stunden  in  den  bei- 
den letzten  Jahrgängen  der  Oberrealschule  zu  gewinnen.  Femer  erachtet 
es  Redner  für  nothwendig,  dass  auch  der  Abiturient  der  Realschule  sich 
einer  zweckmäfsig  vorzunehmenden  Maturitätsprüfung  unterziehe.  Redner 
weist  auf  die  bereits  erwähnte  Denkschrift  unseres  Vereines  hin,  welche 
im  Wesen  dieselben  Veränderungen  befürwortet 

Gegen  diese  Vorschläge  werde  man  vielleicht  einwenden,  die  Schüler, 
welche  die  Realschule  besuchen,  hätten  sich  zunächst  für  das  bürgerliche 
Geschäftsleben  vorzubereiten,  um  dieses  Ziel  so  schnell  als  möglich  zu  er- 
reicheii ;  daher  sei  jede  Vermehmng  der  Schulzeit  als  ein  Uebelstand  fem- 


Mitfcellen.  (^] 

Inhalten.  Aber  der  Knabe,  welcher  nach  Beendigung  der  Volksschule,  ohne 
eine  höhere  Bildung  anzustreben,  in  das  Geschäftsleben  übertreten  soll* 
gehöre  nicht  in  die  Realschule,  sondern  in  eine  gewerbliche  Fachschule 
oder  in  die  Bur^rschule.  Ein  Knabe  dagegen,  welcher  eine  höhere  Bildung 
erhalten  soll,  habe  in  die  Mittelschule  zu  treten .  mag  es  nun  das  Gymna- 
sium oder  die  Realschule  sein;  beide  würden  ihn ,  wenn  auch  auf  ver- 
schiedenen Wegen,  lu  der  höheren  allgemeinen  Bildung  führen.  Eltern  aJao, 
welche  bei  ihren  Söhnen  diese  Abeicht  haben,  werden  die  Erweiterung  der 
Realschule  nicht  beklagen. 

Schliefiilich  stellte  Redner  den  Antrag  zur  Abfassung:  ^erstens  einer 
Denkachrüt  über  die  Reform  der  Realschule  und  die  daran  geknüpfte  Gleich* 
Stellung  der  Rechte  der  Realschüler  mit  jenen  der  Gymnasialschüler,  zwei- 
tens einer  an  das  h.  Staatsministeriuro  zu  richtenden  Petition  um  volle 
Gleichstellung  der  Lehrer  an  selbständigen  R^lschulen  mit  jenen  an  den 
Gymnasien  in  Rücksicht  auf  die  Bezüge**. 

Bei  der  hierüber  eröffneten  Discussion  sprachen  sich  alle  Redner  für 
die  volle  Gleichstellung  der  Lehrer  an  Gymnasien  und  Realschulen  aus; 
in  Bezug  auf  die  Zulassung  der  Realschüler  zu  den  üniversitätsstudien  aber 
äulkerten  die  Prof.  Vielhaber,  Meister,  Kleibl  ihre  Bedenken,  weil  die  Auf- 
nahme des  Lateinischen  in  den  Lehrplan  der  Realschule  allein  nicht  hin- 
reiche, um  eine  ausreichende  Grundlage  classischer  Vorbildung  für  die  hö- 
heren Stadien  zu  bieten,  wogegen  Prof.  Schmued  die  Nothwendigkeit  des 
Studiums  der  griediischen  Sprache,  z.  B.  für  den  künftigen  Mediciner  ge» 
rsdezu  in  Abrede  stellte,  aucn  in  Zweifel  zog,  ob  z.  B.  der  künftige  Lehrer 
an  einer  Realschule  zu  verpflichten  sei,  d^  Gymnasium  zu  absolvieien. 
Schlief^lich  wurde  auf  Anregung  des  Prof.  Dr.  Pick  mit  Zustimmung  dos  An- 
tngsstellers  Schulrath  Kral  beschlossen,  in  der  abzufassenden  Denkschrift 
auszusprechen,  dass  bei  der  bevorstehenden  Reorganisation  der  Realschulen 
jme  Aenderungen  im  Lehrplane  eingeführt  werden  mögen,  die  dem  absol- 
vierten Realschüler  den  Uebertritt  an  die  Universität  ermöglichen. 

Versammlung  am  22.  April. 

Hr.  Hoff  er  Herm.,  Turnlehrer  am  Theresianum,  wurde  als  außer- 
ordentliches Mitglied  aufgenommen. 

Dir.  Schröer  las  als  Berichterstatter  des  Comite  zur  Ausarbeitung 
dner  Denkschrift  über  das  Turnen  den  Entwurf  derselben.  Die 
Denkschrift  ist  inzwischen  im  Druck  erschienen  und  an  die  Mitglieder  ver- 
theilt  worden.  Sie  handelt :  1.  Von  der  Nothwendigkeit  des  Turnens.  Der 
B^riff  der  Bildung  fordere,  dass  der  ganze  Mensen,  also  auch  seine  ganze 
Leälichkeit,  ausgebildet  werde.  Abgesehen  von  den  praktischen  Vortheilen 
geübter  Kraft  und  erlangter  Gewandtheit,  müsse  die  Würde,  die  eine  durch 
Gymnastik  erlangte  Selbstbeherrschung  und  Wehrhaftigkeit  dem  Manne  leiht, 
als  zur  Ausbildung  gehörig  anerkannt  werden.  Dazu  komme  das  Moment 
der  Erziehung  für  die  Gesellschaft,  die  Entwickelung  des  Gemeinschaft- 
simies,  welche  Aufgabe  der  Schule  sei  und  vor  allem  durch  die  thatsächliche 
Gemeinschaft  der  persönlichen  Bethätiguug  angestrebt  werden  müsse.  Li 
dieser  Ueberzeugung  werden  folgende  Wünsche  ausgesprochen:  dass  an  allen 
Sdiulen  für  einen  entsprechenden  Platz  zu  freier  Bewegung  gesorgt  und 
dass  bestimmte  Uebungsstunden  angesetzt  werden,  dass  es  dabei  der  Ju- 
ffend  an  angemessener  Ueberwachung  und  Leitung  nicht  fehle,  dass  für 
diesen  Unterricht  nicht  besonders  zu  zahlen  und  dass  er  obligatorisch  sei 
und  der  Schüler  nur  auf  Grundlage  ärztlicher  Zeu^isse  davon  dispensiert 
werden  kann.  2.  Ueber  die  Mängel  des  herkömmlicnen  „Turnunterrichtes** 
und  deren  Abhilfe.  Es  kamen  häufig  Beispiele  vor,  wo  die  Jugend  das 
Turnen  wie  einen  unliebsamen  Unterrichtsgegenstand  mit  Ueberdruss  be- 
trachtete und  gerade  die  begabteren  Schüler  sich  von  demselben  abwandten ; 
wo  der  Gesundheit  und  Entwickelung  nachtheilige  Uebungen  vorgenommen 
wurden;  wo  überhaupt  das  Turnen  zu  einer  gedankenlosen  Uebung  von 

ZettMbrift  r.  d.  Oft«nr.  Gyinn.lS65.  I.  H«ft.  G 


8t  Miscellen. 

Fertigkeiten  ohne  System  und  Stufenfolge  herabsank.  Es  scheine  erforder- 
lich, einerseits  dem  naiven  Alter  der  ersten  Knabenjahre  entsprechend  den 
abstracteren  Uebongen  eine  Stufe  voranzustellen,  auf  der  die  unwillkttr- 
liche  Bewegung,  durch  ein  objectives  Interesse  herbeigeführt,  mannigfaltig 
und  unbewusst  geübt  werde,  eine  Spielstufe;  anderseits  im  Hinblick  auf 
das  esthetische  Moment  eine  höchste  abschliefsende  Stufe  hinzuzuftLgen. 
in  der  dasselbe  besonders  zur  Geltung  komme.  3.  Von  den  Lehrern  und 
Leitern  der  gymnastischen  Uebungen.  Es  sei  wünschenswerth ,  dass  e» 
Lehrer  seien,  cue  auch  in  anderen  Gegenständen  unterrichten,  dass  daher 
an  den  Präpiu-andien  und  Seminarien  dafür  gesorgt  werde,  dass  der  künf- 
tige Lehrer  ein  nach  dem  vom  Comitä  vorgeschlagenen  Lehiplan  ausgebil- 
deter Gymnastiker  werde,  und  dass  er  auch  zur  Leitung  von  Sing-  und  an- 
deren Spielen,  so  wie  überhaupt  zur  Ertheilung  eines  methodischen  grm- 
nastischen  Unterrichtes  angeleitet  werde.  4.  Lehrplan.  Nach  demselben 
werden  vier  Stufen  des  gymnastischen  Unterrichtes  unterschieden.  L  Stofe 
bis  zum  14.  Leben^ahre  (Spielstufe) ;  11.  vom  14.  bis  zum  16.  Lebensjahre 
^xercierstufe) ,  Spieltisches  Turnen ;  III.  vom  16.  bis  zum  18.  Lebensjahre 
n*umstufe).  Jahn'sches  Turnen;  IV.  vom  18.  bis  zum  21.  Lebensjahre  Qiöhere 
Gymnastik,  Kunststufe),  wo  von  der  gereiften  und  ausgebildeten  Indivi- 
dualität verlangt  wird,  dass  die  gymnastischen  Uebungen  zur  kunstschönen 
Darstellung  kommen. 

In  der  an  diesen  Vortrag  geknüpften  Verhandlung  erklärte  sich 
Vielhaber  vor  allem  dagegen,  dass  das  Turnen  an  allen  ^ttelschulen  aJs 
obligater  Lehrgegenstand  zu  gelten  haben  solle,  indem  er  dem  B^use  und 
der  Familie  in  dieser  Hinsicht  ihren  Einflnss  und  ihr  Recht  gewahrt  wissen 
wollte.  Die  Mitglieder  Kummer  und  Dr.  Hauler  hinwieder  sprachen  f^ 
die  Obligaterklärung,  indem  sie  betonten,  die  harmonische  Entwickelang 
der  körperlichen  Kräfte  sei  ein  wesentlicher  Bestandtheil  der  höheren  all- 
gemeinen Bildung,  wie  sie  die  Mittelschulen  zu  gewähren  haben,  und  des- 
halb dürfe  die  Schule  den  Turnunterricht  nicht  dem  Belieben  der  ein- 
zelnen überlassen,  sondern  habe  die  Aufj^be  ihn  durch  allgemein  giltige 
Normen  zu  regeln.   Das  Mitglied  Hoflfer,  Turnlehrer  am  k.  k.  Theresianum, 

fieng  hierauf  in  das  Meritonsche  der  Denkschrift  ein  und  vertheidigte  das 
ahn'sche  Turnen  gegen  den,  seiner  Ansicht  nach  harten  und  nicht  gerecht- 
fertigten Vorwurf,  es  sei  ihm  Unnatur  eigen  und  es  nehme  auf  die  indivi- 
duelle Ausbildung  keine  Rücksicht.  Auch  sprach  er  sich  gegen  die  Fest- 
stellung einer  eigenen  Spielstufe  aus,  denn  man  könne  Spiele  doch  nicht 
obligatorisch  machen,  und  unzweckmäfsig  sei  es,  die  Knaben  bis  zum 
14.  Lebensjahre  auf  dieser  Stufe  halten  zu  wollen.  Wenn  man  femer  dem 
herkömmlichen  Turnen  den  Vorwurf  mache,  es  nehme  zu  wenig  Rücksicht 
auf  die  verschiedenen  Altersstufen  und  betreibe  zu  abstracto  Uebungen,  so 
sei  zu  bemerken,  dass  das  System  von  Spief^  noch  mehr  Stufen  enthalte 
als  der  Entwurf  der  Denkschrift  vorschreibe,  und  dass  die  erwähnten  Uebun- 
gen vornehmlich  dazu  dienen ,  alle  Widerstände  nach  und  nach  besiegen 
zu  lehren. 

Nachdem  hierauf  das  Mitglied  Prof.  Deinhardt  den  Standpnnct 
und  die  Grundsätze,  von  denen  das  Comitä  bei  Abfassung  der  fraglichen 
Denkschrift  ausgegangen,  in  längerer  Rede  dargelegt  hatte,  stellte  Dr.  Ad. 
Ficker  den  Antrag,  der  Verein  möge  den  Entwurf  der  Denkschrift  im 
ganzen  gutheiXJsen,  die  weitere  Ausarbeitung  derselben  aber  mit  Rücksicht- 
nahme auf  die  in  der  eben  geschlossenen  Discussion  berührten  Puncte  dem 
Comit^  überlassen.  Dieser  Antrag  wurde  von  der  Versammlung  angenommen. 

Versammlung  am  6.  Mai. 

Prof.  Dr.  Kopezky  hielt  einen  freien  Vortrag  über  den  jetzigen 
Stand  der  Meteoriten-Theorie,  in  welchem  er  zuerst  an  einigen  Me- 
teoriten der  Mineraliensammlung  der  Communal- Oberrealschule  auf  der 
Wieden  ihre  Verschiedenheiten  im  aufhören  Ansehen,  in  der  Struktur  und 
Dichte  demonstrierte,  dann  auf  interessante  Einzelheiten  der  prachtvollen 


Miscellen.  gS 

McteoritensammluDg  des  hiesigen  k.  k.  Hof-Mineraliencabinets  aufmerksam 
machte,  welche  Sammlung  durch  die  Bemühungen  eines  Schreiber,  Bartsch, 
Börnes,  was  Beichthum  an  Vorkommnissen,  Fräparierung  der  Stücke,  wis- 
Benschaftliche  Verwerthung  betreffe,  unstreitig  die  erste  der  Welt  geworden 
seL  Seit  Haidinger  durch  weitere  Ausbildung  der  Theorie  über  d^  koa* 
mlBchen  Ursprung  der  Meteoriten  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  neuer- 
dings auf  diesen  Gegenstand  gelenkt  habe,  erfolgen  rasch  auf  einander  aus 
allen  Gegenden  der  Erde  Mittbeilungen  über  derartige  Vorfälle.  Dass  Stern- 
schnuppen, Feuerkugeln  und  Meteoritenfälle  verschiedene  AeuXäerungen  einer 
und  derselben  Grunderscheinung  seien,  stehe  heutigen  Tages  fest.  Die  Ver- 
fols^ung  dieses  Gegenstandes  werde  nicht  nur  Beiträge  zur  Physik  der  Erde 
liefern ,  wie  z.  B.  die  Atmosphsere  als  bedeutend  höher  (bis  wenigstens 
40  Meilen)  reichend  erkannt  wurde ,  als  man  bisher  annahm ,  sondern  es 
niüsse  auch  die  Theorie  über  die  Anordnung  der  planetarischen  Körper 
einer  Erweiterung  entgegengehen,  wenn  einmal  die  Ei^orschung  der  Bahnen 
der  Meteoriten  zum  Gegenstand  der  Astronomie  geworden  sei 

Versammlung  am  20.  Mai. 

In  der  Versammlung  vom  20.  Mai  hielt  Prof.  Vielhaber  einen  Vor- 
trag über  Vorbereitungsclassen  an  Gymnasien  und  Realschulen,  dessen  kurs- 
gefasster  Inhalt  folgender  war: 

Die  an  Mittelschulen  jährlich  abgehaltenen  Aufioahmsprüfungen  haben 
bis  jetzt  an  sehr  vielen  Orten  ungenügende  Vorbereitung  der  zur  Aufiiahme 
sich  meldenden  gezeigt.  Dass  die  Volksschule  ihrer  Aiugabe  nicht  genügt, 
liegt  besonders  an  folgenden  Uebelständen :  UeberfüUung  derClassen,  Verschie- 
denheit der  Muttersprache  oder  auch  der  Schulsprache  von  der  Unterrichts- 
sprache der  Mittelschule,  womit  meistens  Donpelsprachigkeit  der  Schule 
verbunden  ist,  endlich  Mangel  an  tüchtigen  Lehrkräften.  Am  einfachsten 
wären  freilich  diese  Misstande  durch  Errichtung  neuer  Schulen  und  vor 
allem  durch  anständige  Bezahlung  der  Lehrer  zu  beseitigen.  Aber  zum 
ersten  reichen  oft  die  (Geldmittel  einer  Gemeinde  nicht  nin,  durch  das 
zweite  sorgt  man  wol  für  die  Zukunft,  nicht  für  die  unmittelbare  Gegen- 
wart. Man  muss  deshalb  auch  auf  andere  Abhilfen  sinnen.  Neben  dem 
engl  System  der  Unterstützung  vertrauenswerther  Privatinstitute  ist  die 
Errichtung  von  Vorbereitungsclassen  ein  solches. 

Vorbereitungsclassen  sind  durchaus  provisorischer  und  localer  Natur. 
Sie  haben  sich  im  aufserösterr.  Deutschland  vielfach  entwickelt,  und  zwar 
in  den  verschiedensten  Formen  von  vollständigen  Hauptclassen  bis  zu  ein- 
classigen  Vorschulen,  mit  und  ohne  Latein  u.  s.  w.  In  Oesterreich  hat 
man  wenigstens  ihre  Errichtung  vorgesehen,  s.  ErL  des  Min.  für  C.  u.  U. 
2v9.  1852.    Z.  9106. 

Die  Wirkungen  solcher  Schulen  würden  etwa  folgende  sein.  Der 
überfüllten  VolksscniQe  wird  ein  Theil  der  Last  abgenommen,  so  dass  in 
ihrer  obersten  Classe  eine  kleinere  und  im  allgemeinen  gleichmäiSsiffer  vor- 
bereitete Zahl  von  Schülern  liegt.  Ebenso  sind  die  Schüler  der  Yorberei- 
tungsclasse  homogener  und  können  streng  mit  Rücksicht  auf  die  Erforder- 
nisse der  Mittelschule  unterrichtet  werden. 

Die  Einrichtung  ist,  wie  die  Errichtung  der  Schule  selbst,  natürlich 
von  den  Localverhältnissen  bedingt;  einige  Hauptpuncte  dürften  jedoch 
sich  überall  gleich  empfehlen:  1.  Keine  Combination  mit  L  des  Gymn. 
oder  der  Realsch.,  aufser  allenfalls  im  Turnen,  Gesang  und  Zeichnen.  2.  Das 
Hauptgewicht  fällt  auf  die  Unterrichtssprache  und  das  Rechnen.  3.  Am 
b^ten  unterrichten  die  Lehrer,  welche  aieselben  Schüler  in  der  L  unter- 
richten werden,  nothwendig  ist  das  für  den  deutschen  Unterricht.  4.  Ein 
an  einer  solchen  Schule  verbrachtes  Schuljahr  wird  dem  an  der  obersten 
Classe  der  Hauptschule  gleich  geachtet,  die  Zeugnisse  haben  gleiche  Gel- 
tung für  die  Mittelschule  sowol  als  sonst. 

Die  Mittel  zur  Errichtung  solcher  Schulen  lassen  sich  ohne  grofse 
Belastong  de»  Staates  oder  der  Gemeinde  beschaffen,   wenn  man  ein  dem 

6* 


f)4  Misceilen. 

an  der  Mittelschule  annähernd  gleiches  Schulgeld  einhebt  Da  durch  die  Er- 
richtung solcher  Classen,  felis  eine  weitere  Lehrkraft  bestellt  wird,  tar  die 
Lehrer  die  Arbeit  nicht  wächst,  so  kann  das  ganze  aus  einer  Classe  ein- 
flieJCIsende  Schulgeld  zur  Besoldung  eines  Supplenten  verwendet  werden,  der 
jedoch  nicht  in  der  Vorbereitungsciasse  zu  beschäftigen  wäre. 

Zum  Schlüsse  bemerkt  Redner  noch,  er  stelle  keinen  bestimmten 
Antrag,  da  es  ihm  nur  darum  zu  thun  sei,  dass  der  Gegenstand  von  allen 
Seiten  beleuchtet  werde. 

Ln  Anschlüsse  an  diesen  Vortrag  constatierte  Dr.  Adolf  Picker  durch 
statistische  Daten  die  Thatsache,  dass  die  Schüler  zu  Absolvierung  des 
sechsjährigen  Curses  der  Realschule  in  der  Regel  sieben  Jahre  brauchen. 
An  den  Gymnasien  walte  nicht  durchgängig  dasselbe  Verhältnis  ob,  denn 
in  einsprachigen  Ländern  absolviere  man  den  vollen  Cursus  gewöhnlich  in 
den  vorgeschriebenen  acht  Jahren,  in  Ländern  gemischter  BevÖlkerang 
seltener,  und  zwar  im  Verhältnisse  zur  Stärke  der  Mischung.  Diese  Er- 
scheinung weise  auf  die  Noth  wendigkeit,  die  Jahrgänge  der  Realschule  fftr 
dasselbe  Ausmafs  des  Lehrstoffes  zu  vermehren.  Würden  aber  Vorberei- 
tungscurse  errichtet,  so  wäre  deren  Zusammenhang  mit  der  Hauptschule 
nicht  zu  lösen,  weil  sonst  die  Wahl  des  Bildungsganges  für  den  künftigen 
Beruf  noch  früher  getroffen  werden  müsste  als  jetzt  Aus  diesem  Grunde, 
in  Verbindung  mit  anderen  Erwägungen,  scheine  eine  zweckmäßigere  Ver- 
theilung  der  Lehrgegenstände  mit  Vermehrung  der  Jahre  an  der  Volks- 
schule selbst  am  nächsten  angezeigt. 

In  ähnlichem  Sinne  «klärten  sich  Dir.  Walser  und  Prof.  Sleibl 
gegen  die  Errichtung  von  Vorbereitungsclassen ,  auch  Prof.  Dr.  Pokorny 
mit  besonderer  Hinweisung  auf  dio  Schwierigkeit,  dieselben  zweckmäürig 
XU  oreanisieren.  Nachdem  hierauf  noch  Assistent  Thcimann  und  Instituts- 
vorstener  Rodler  bemerkt  hatten,  die  bei  den  Aufhahmsprüfungen  wahr- 
genommene Mangelhaftigkeit  der  Vorbildung  der  Schüler  in  der  Sorach- 
khre  und  im  Rechnen  habe  ihren  Grund  nicnt  so  sehr  in  der  Einricntung 
der  Volksschule  an  sich  als  in  der  ün^leichartigkeit  der  Methode,  mit  der 
diese  Gegenstände  behandelt  würden,  dann  in  der  Ueberfüllung  der  Classen, 
die  eine  Durchübung  des  betreffenden  Lehrstoffes  vielfach  unmöglich  mache, 
welche  Uebelstände  jedoch  bei  aufrichtigem  Bestreben  nach  Abhilfe  durch 
die  Volksschule  selbst  zu  beseitigen  wären,  erläuterte  Prof.  Vielhaber  in  kurzer 
Auseinandersetzung  noch  einmal  die  Hauptpuncte  seines  Vortrages,  wobei 
er  namentlich  hervorhob,  dass  nach  seinem  Vorschlage  die  Erricntung  von 
Vorbereitungsclassen  eben  nur  da  eintreten  solle,  wo  besondere  locale  Ver- 
hältnisse dafür  sprächen,  und  dass  sie  eben  nur  da  als  Nothbehelf  zu  gelten 
hätten,  wo  die  Volksschule  eine  ausreichende  Vorbildung  für  die  Mittel- 
schule zu  gewähren  nicht  im  Stande  sei.  Da  ihn  aber  die  gegenwärtige 
Discussion  überzeugt  habe,  dass  sein  Vorschlag  insbesondere  in  Bezug  auf 
die  Feststellung  der  Grenzen  der  Volks-  und  Mittelschule  genaue  Erwägung 
verdiene,  da  femer  die  Frage:  „was  hat  die  Mittelschule  von  der  Haupt- 
schule zu  fordern  und  wie  kann  dieser  Forderung  genügt  werden  ?**  recht 
sehr  einer  eingehenden  Erörterung  bedürfe,  so  stefie  er  den  Antrag,  „es 
werde  vom  Vereine  ein  Comit^  gewählt  mit  der  Aufgabe,  die  eben  ange- 
regte Frage  nach  allen  Seiten  zu  untersuchen.** 

Dieser  Antrag  yrurde  angenommen. 

Jahresversammlung  am  Schlüsse  des  dritten  Vereinsjahres  18.  November  1864. 

Nach  Anmeldung  mehrerer  neu  eintretenden  Mitglieder  erstattet  der 
Vereinspräses  den  Jahresbericht,  dessen  Hauptinhalt  folgender  ist 

„Der  Verein  zählte  103  Mitglieder,  aer  Rechnungsabschluss  zeigte 
einen  Activcasserest  von  380  fl.  67  kr..  Wichtige  Fragen  seien  in  diesem  Jahre 
SFÖrtert  worden :  so  der  Versuch  einer  Einigung  in  der  Rechtschreibung; 
worüber  der  von  Professor  Pfeiffer  zu  erstattende  Commissionsbericht  bald 
vorgelegt  werden  könne;  die  TumfraffC;  ein  Antrag  auf  Gleichstellung 
der  Reäschullehrer  mit  den  Gymnasiallehrern,  —  der  in  dieser  Sache  an 


Miscellen.  85 

das  h.  Staatsministerium  gerichteten  Petition  soll  eine  ^nstige  Erledigung 
bevorstehen  —  sowie  der  Kealschüler  mit  den  Gymnasialschlüem  in  Bezag 
aaf  ihre  Rechte.  Wie  der  Verein  es  sich  znr  Ehre  anrechnen  müsse,  dass 
auf  seine  Initiative  hin  neue  Mittelschulen  in  Wien  gegründet  wurden,  so 
könne  er  dieses  Jahr  darauf  hinweisen,  dass  in  seiner  Mitte  zunächst  die 
Frage  über  Möglichkeit  und  Zulässigkeit  von  Realgymnasien  erörtert  und 
durch  ihn  ein  Lehrplan  festgestellt  wurde,  der  sowol  an  den  beiden  hie- 
sigen Realgymnasien  als  auch  wenigstens  im  wesentlichen  an  den  zwei 
Landes-Realgymnasien  in  St.  Polten  und  Baden  praktische  Anwendung  ge- 
fanden habe.  Wichtig  sei  der  Vortrag  über  die  Aufnahme  des  Zeichen- 
unterrichtes als  obli^ten  Lehrgegenstandes  am  Gymnasium,  vielfach  an- 
regend jener  über  verwerthun^  von  Kunstsammlungen  zu  Unterrichts- 
Zwecken  gewesen;  ausserdem  sei  die  Frage  erörtert  worden,  ob  Vorberei- 
tungsclassen  an  Mittelschulen  zulässig  und  ob  nach  MaTsgabe  localer  Ver- 
baltnisse ihre  Errichtung  wünschenswerth  seL  Endlich  habe  die  Erörterung 
wissenschaftlicher  Fragen  von  Seiten  des  Vereines  in  dem  von  Dr.  Kopetzky 
über  Meteoriten  gehaltenen  Vortrag  ihre  Vertretung  gefunden.** 

Von  den  eingebrachten  Anträgen  auf  Statutenänderung  wurde  zunächst 
nur  eine  Aenderung  des  §.  26  beschlossen,  und  zwar  in  der  Richtung,  dass 
zur  Wahl  von  Ehrenmitgliedem  und  zu  Statutenänderungen  die  Versamm- 
lang beschlusstähig  sei,  'wenn  mindestens  30  Vereinsmitglieder  anwesend  sind.* 

Die  Wahlen  für  das  nächste  Vereinsjahr  ergaben  folgendes  Resultat: 
Als  Präsident  wurde  gewählt:  Professor  Fleischmann  (ak.G.),  als  Cassi^: 
Prof.  Windisch  (ak.  G.).  In  den  Ausschuss:  die  Herren  Prof  Vielhaber 
(Theres.),  Heinr.  Ficker  (ak.  G.),  Dir.  Walser  (Rossauer  OR.  Schule) ,  Dir. 
Sehröer  (evang.  Schule),  Dir.  Kopetzky  (RG.  in  Mariahilf),  Dir.  Pokomy 
^G.  in  der  Leopoldstadt),  Prof  Vemaleken  (Schottenfelder  OR  Schule). 
Da  Vielhaber  und  Heinrich  Ficker  das  Vicepräsidium  ablehnten,  trat  in 
diese  Stelle  Dir.  Walser.  Femer  trat  an  die  Stelle  des  ablehnenden  Prot 
Veraaleken  Prof.  Sonndorfer  (Schottenfelder  OR.  Schule)  ein.  Vielhaber 
übernahm  das  Secretariat 

Zum  Schlüsse  sprach  die  Versammlung  dem  abtretenden  Ausschuss, 
namentlich  dem  Präsidenten  und  dem  Secretäre,  ihren  Dank  aus. 

In  der  Sitzung  am  2.  December  1864  theilte  der  Präsident  die  Con- 
stitoierung  des  Ausschusses  mit.  Hieraufhielt  Prof  Grün  einen  Vortrag  'über 
das  Unterrichtswesen  in  Frankreich',  in  dem  er  als  Einleitung  zu  fol« 
genden  Vorträgen  zunächst  die  Gründung  der  'Universität  von  Frankreich* 
unter  dem  ersten  Napoleon ')  schilderte ,  dann  sich  über  die  Frage  ver- 
breitete, ob  dieselbe  auch  unter  dem  zweiten  Kaiserreich  eine  ähnliche  Be- 
deutung^ habe  wie  unter  dem  ersten^).  Bei  dieser  Gelegenheit  kam  er  auf 
dem  bekannten  Concours  g^neral  in  Paris')  zu  sprechen,  von  dessen  grofs- 
artager  Inscenesetzung  er  ein  anschauliches  Bild  entwarf,  aber  doch  aner- 
kannte, dass  der  AermUchkeit  deutscher  Schulfeierlichkeiten  ein  höherer 
sittlicher  Gehalt  innewohne. 


0  S.  pflödagog.  EncykL  H.  S.  451  fL 
«)  Vgl  ebend.  S.  465  ff. 
«)  Ebend.  8.  469  £ 


Fünfte  Abtheilung. 


Verordnungen  för  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

Personal-  und  Schulnotizen. 

(Ernennangen,  Versetzungen,  BefÖrderQU^en,  Anszeich- 
nangen  a.  s.  w.)  —  Der  Lehrer  am  Zengger  G.,  Hr.  !^az  Bartuliö, 
zum  wirkl.  Director  am  UG.  zu  Po^ega,  und  der  bisherige  Supplent  am 
k.  k.  GG.  zu  Treviso,  Hr.  Sisinio  Baroni,  zum  wirkl.  Lehrer  mit  die  Be- 
stimmung für  die  lombardisch-venetianischen  Staats-Gjmnasien. 

Der  Bildhauer  Hr.  Joseph  Cesar,  zum  wirklichen  Lehrer  an  der 
OE.aufder  Landstrafse  und  am  Schottenfelde  in  Wien;  derSunplent 
an  der  letztgenannten  OR,  Hr.  Rudolf  Sonndorfer,  zum  wirkL  Lehrer 
an  dieser  Lehranstalt  extra  statum,  und  der  Supplent  an  der  OB.  in  Görs, 
Hr.  Dr.  Egyd  Schreiber,  zum  wirkl.  Lehrer  alldort. 

Der  k.  k.  Bergcommissär,  Hr.  Oscar  Gleich,  zum  Lehrer  der  Steno- 
graphie an  der  n.  ö.  Landes-OR.  zu  St.  Polten;  Hr.  Franz  Neuhauser, 
zum  Lehrer  an  der  n.  ö.  Landes-R.  zu  Waidhofen  an  der  Ybbs,  und 
der  Lehrer  Hr.  Hutter  zum  prov.  Director  derselben  Lehranstalt  für  die 
Dauer  des  gegenwärtigen  Schuljahres;  femer  Hr.  Wilhelm  Uhlmannzum 
Lehrer  des  Freihandzeichnens  und  .Schönschreibens  an  der  Landes-UB.  zu 
Stockerau,  und  der  Lehrer  an  der  Landes- Ackcrbauschule  zuGrossau, 
Hr.  Eisenrieder,  zum  Lehrer  der  künstl  Fischzucht  alldort. 

Der  Adjunct  und  Bibliothecar  an  der  Rechtsakademie  zu  Ea  seh  au, 
Hr.  Dr.  Alois  Eleckner,  zum  aufserordentl.  Professor  des  römischen  und 
Kirchenrechtes  alldort. 

Dem  Professor  am  k.  k.  polytechnischen  Listitute  in  Wien,  Georg 
Beb  bann,  ist  das  Ritterkreuz  des  Franz  Joseph-Ordens,  dem  Rector  des 
Piaristen-Collegiums  und  Director  des  OG.  zu  Brüx,  Ubald  Kahl,  sowie 
dem  Cistercienser- Ordenspriester  und  Lehrer  am  G.  *zu  Kommotau  in 
Böhmen,  Karl  Feiler,  jedem  in  Anerkennung  seines  vieljährigen  yer- 
dienstlichen  Wirkens,  das  goldene  Verdienstkreuz  mit  der  Krone;  dem 
Director  an  der  Prefsburger  Rechtsakademie,  Dr.  Johann  Bokrän^i, 
taxfrei  der  Titel  eines  kön.  Ratbes,  und  dem  bischöfl.  Rathe,  Consistonal- 
beisitzer  und  Professor  an  der  theol.  Facultät  in  Brunn,  Franz  Sudil, 
eine  Ehrendomherrenstelle  an  der  Brünner  Kathedralkirche  Allergnädigst 
verliehen ;  dem  k.  k.  Ministerialratbe  und  Bergakademie-Director  in  Leoben, 
.Peter  Ritter  von  Tunner,  die  Annahme  und  das  Tragen  des  Comthur- 
kreuzes  2.  Gl.  des  kön.  sachsischen  Albrechts-Ordens  Allergnädigst  bewil- 
ligt; endlich  sind  die  Herren  Professoren  Dr.  Sandhaas  und  Dr.  Krones 


Personal-  und  Schalnotizen.  87 

in  Graz  zu  Ansschnssmitgliedem  des  dortigen  histor.  Vereines^  Hr.  Dr. 
S.  H.  Mosenthal,  der  bekannte  dramatische  Dichter,  zum  Ehrenmitgliede 
und  Meister  am  „freien  deutschen  Hochstift**  zu  Frankfurt  a/M.,  und  der 
als  cekonomischer  Schriftsteller  bekannte  Landwirth,  Joseph  Pöterffy, 
zum  Director  des  Georgikons  in  Eefsthelj  ernannt  worden. 

Se.  Hochw.  Hr.  Alex.  Bonnaz,  Bischof  von  Csanäd,  hat  zur  Ver- 
mehrung der  Besoldung  eines  am  G.  zu  Lagos  angestellten  Lehrers  den 
Betrag  von  300  fl.  ö.  W.  gewidmet. 

(Erledigungen,  Concurse  n.  s.  w.)  Fiume,  ÜB.  (verbunden  mit 
der  itaL  Hptsch.),  technische  Lehrstelle  (bei  Kenntnis  der  croat.  und  ital. 
Sprache).  Termin:  Ende  December  1864,  s.  Amtsbl.  z,  Wr.  Ztg.  v.  7.  De- 
cember  1864,  Nr.  294.  —  Krakau,  Universität,  Lehrkanzel  der  class.  Philo- 
logie mit  deutscher  Vortragssprache,  Gehalt  1260  fl.,  eventuel  1470  und 
1680  fl.  ö.  W.  Termin:  1.  Jänner  1865,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Zt^.  v.  7.  De- 
cember 1864,  Nr.  294.  —  Pancsova,  deutsche  k.  k.  OB.,  Lehrstelle  für 
serbische  Sprache  (wöchentlich  10  Lehrstunden),  Bemuneration  jährl.  300fl. 
ö.  W.  Termin:  31.  December  1864,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztff.  v.  8.  December 
1864,  Nr.  295;  femer  Lehrstelle  für  die  deutsche  Spracne ,  jährl.  Gehalt 
630  fl.  ö.  W.,  nebst  dem  Ansprüche  auf  eine  Zulage  von  105  fl.  nach  je 
10  Dienstjahren,  und  auf  Naturalquartier  oder  Aequivalent.  Termin:  Ende 
Jänner  1865,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  vom  10.  December  1864,  Nr.  296.  — 
Brunn,  k.  k.  technische  Lehranstalt,  Lehrkanzel  der  Bau  Wissenschaften 
(Hochbau,  Wasser-  und  Strafsenbau),  jährl.  Besoldung  1050  fl.  ö.  W.  Termin : 
Ende  December  1864,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  11.  December  1864,  Nr.  297. 

—  Prag,  böhm.  k.  k.  OB.,  Directorsstelle  mit  dem  Gehalte  von  1365 fl. ö.  W. 
und  dem  Anspruch  auf  die  normalmäfsige  Decennalzulage.  Termin:  4  Wo- 
dien  vom  10.  December  1864  an,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  17.  December  1864, 
Nr.  302.  — Hermannstadt  und  Klausenbur^,  k.  Bechtsakademien, 
über  die  Errichtung  von  2—3  Privat-Docenturen  daselbst  für  Vorlesungen 
(Collegia  practica)  in  romanischer  Sprache,  mit  CoUegiengeldem  und  Bemu- 
nerationen  (200—250  fl.  ö.  W.  halbjährig  von  Fall  zu  Fall,  für  schon  an- 
gesteUte  Professoren  mit  halbjähriger  Bemuneration  150—160  fl.  ö.  W.). 
Termin:  10.  Jänner  1865,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  16.  December  1864,  Nr. 302. 

—  Krakau,  OG.,  Stelle  I.Gehaltsstufe  für  Latein  und  Griechisch  für  das 
ganze  G.,  dann  am  UG.  Lehrstelle  3.  (jehaltsclasse  für  Latein  und  Grie- 
äiscb;  Bochnia,  UG.,  2  Stellen  3.  Gehaltsciasse  für  Latein  und  Griechisch; 
Sandec,  G.,  2  Stellen  3.  Gehaltscl.  f.  Latein  u.  Griechisch,  die  eine  ver- 
bunden mit  der  Befähigung  für  den  deutschen,  die  andere  für  den  polnischen 
Sprachunterricht  u.  e.  Stelle  3.  Gehaltscl.  für  Geographie  und  (beschichte; 
Tarnow,  OG. ,  3  Stellen  3.  GehaltscL  für  Latein  una  Griechisch,  die  eine 
verbanden  mit  der  Beföhigung,  das  Deutsche,  die  andere  das  Polnische  am 
ganzen  Gymn.  zu  lehren.  (Der  Unterricht  im  Latein  und  im  Griechischen 
in  den  4  unteren  Gl.  polnisch,  in  den  4  oberen  deutsch.)  Termin:  Ende 
December  1864,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  vom  17.  December  1864,  Nr.  302.  — 
Prag,  böhm.  k.  k.  OB.,  2  Lehrerstellen,  eine  für  das  Freihandzeichnen  als 
Haupt- ,  Modellieren,  Kalligranhie,  und  Baukunst  als  Nebenfach,  die  2.  für 
Chemie  als  Haupt-,  Physik  oaer  Naturgeschichte  als  Nebenfach,  Jahres- 

f  ehalt  840  fl. ,  eventuel  1050  fl.  und  Anspruch  auf  die  Decennalzulage  von 
10  fl.  ö.  W.  Termin:  6  Wochen  vom  3.  December  1864  an,  s.  Amtsbl.  z. 
Wr.  Ztg.  V.  22.  December  1864,  Nr.  308.  -  Kolomea,  städt.  UG.,  2  Lehr- 
stellen f^r  altclass.  Philologie,  Jahresgehalt  735  fl.  ö.W.,  Termin:  25.  De- 
cember 1864,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  vom  22.  December  1864,  Nr.  306.  — 
Tri  est,  k.  k.  G.,  Lehrstelle  für  Physik  und  Mathematik,  Jahresgehalt 
845  fl.,  eventuel  1050  fl.  ö  W.,  mit  Anspruch  auf  Decennalzulage  und 
(Juartiergeld.  Termin:  15.  Jänner  1865,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  vom  23. 
December  1864,  Nr.  307.  —  Lemberg,  Univ.,  chirurgisch -klinische  As- 
sistentenstelle, Adjutum  jährl.  315  fl.  ö.  W.  und  Naturalwohnung.  Termin : 
15.  Jänner  1865,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  23.  December  1864,  Nr.  307. 


88  Personal-  und  ächalnotizen. 

(Tode sf alle.)  Laat  Nachrichten  youi  24.  Octoher  1864  in  der  Cap- 
stadt,  der  bekannte  englische  Geolog  G.  A.  fiain. 

—  Am  11.  November  1864  zu  London  der  rerdiente  Staatsoekonoro 
nnd  Schriftsteller  M'Culloch  (geb.  in  Wigtonshire) ,  1828  Professor  der 
Staats-  und  Volkswirthschaft  an  der  Londoner  Universität,  seit  1838  Chef 
des  Bureaus  für  Eegierungs-Drucksachen  (stationary  oflfice) ,  Verf.  der  „Sta- 
tistik des  brittischen  Keiches'*,  1837,  2  Bde.,  „Handels- und  Schiff-Fahrts- 
Wörterbuch"  u.  m.  a.,  im  Alter  von  75  Jahren.  (VgL  Beil.  zur  A.  a.  Ztg. 
vom  19.  Nov.  1.  J.  Nr.  324,  S.  5261),  und  zu  Thun  Karl  Soldau,  seit 
längeren  Jahren  an  der  dortigen  Mädchenschule  als  Lehrer  beschäftigt. 

—  Am  19.  November  1864  zu  Frankfurt  a./M.  Dr.  Jacob  Weil,  Vor- 
steher einer  dortigen  Erziehungsanstalt,  als  Psodagog,  Gelehrter  und  Schrift- 
steller bekannt. 

—  Am  21.  November  1864  zu  München  Dr.  Franz  Streber,  Conser- 
yator  des  kön.  Münzcabinetes,  o.  ö.  Professor  der  christL  Arch»oio|^e  und 
Kunstgeschichte  an  der  kön.  Ludwig-Manmilians-Universität,  Mitglied  der 
kön.  bayr.  Akademie  der  Wissenschaften  und  verschiedener  gelehrter  Gesell- 
schaften, Bitter  des  kön.  bayr.  St  Michael-  und  des  fwpstl.  Georg-Ordena 
n.  8.  w.,  durch  zahlreiche  gediegene  Schriften  über  Numismatik  und  Archteo- 
logie  bekannt,  im  Alter  von  59  Jahren. 

—  Am  23.  November  1864  zu  St.  Petersburg  der  Astronom  Fr.  G. 
W.  Struve  (geb.  am  15.  April  1793  Altona),  durch  seine  Arbeiten  im 
Gebiete  der  Beobachtung  una  Messung  der  Doppelsteme  und  in  dem  der 
G^dfißsie,  so  ^ie  durch  einschlägige  Schriften  und  resultatreiche  Forschun- 
gen bekannt,  jedenfalls  eine  der  gröfsten  Celebritäten  in  seinem  Fache. 

—  Am  24.  November  1864  zu  Marburg  der  dortige  Gymnasiallehrer 
Franz  Sperka  (geb.  am  19.  Jänner  1817  zu  Wicomielitz  in  Mähren),  seit 
1842  an  dem  genannten  Staatsgymnasium  thätig,  wegen  seines  Diensteifen 
im  Lehrfache,  seiner  Uumanitöt  und  Liebenswürdigkeit  im  Umgange,  so 
wie  weffen  seiner  Virtuosität  im  Violinspiele,  die  in  ihm  einen  der  tüch- 
tigsten Schüler  Mayseder's  erkennen  liefs,  bis  zu  seinem  unglücklichen,  durch 
Lrrsinn  vorfrüh  herbeigeführten,  Ende,  allgemein  geachtet  und  geliebt. 

—  Am  25.  November  18(54  zu  London  David  Roberts  (geb.  su 
£dinbur|[  am  24  Octoher  1796),  seit  1841  Mitglied  der  kön.  Akademie  der 
Künste,  im  Fache  der  Architekturmalerei  als  der  ausgezeichnetste  Meister 
in  England  bekannt. 

—  Am  26.  November  1864  zu  Wilna  der  polnische  Historiker  Theodor 
Narbutt,  pens.  russischer  Ingenieurcapitän  und  ehemaliger  Professor  an 
der  dort  bestandenen  Universität,  im  81.  Lebensjahre. 

—  Am  27.  November  1864  zu  Mailand  der  geschätzte  Email-  und 
Glasmaler  Pietro  Bagatti. 

—  Am  29.  November  1864  zu  Prag  Vincenz  Kulhanek,  pens.  Ober- 
ingenieur der  Landesbaudirection ,  durch  seinen  Geschmack  in  Ausführung 
architektonischer  Pläne,  so  wie  durch  seine  rastlose  Thätigkeit,  der  Prag 
nebst  vielen  monumentalen  Werken,  seit  40  Jahren  auch  seine  meisten 
Aerarialbauten  zu  danken  hat,  vortheilhaft  bekannt,  im  Alter  von  73  Jahren. 

—  Anfangs  November  1864  zu  Norfolk  Hudson  Gurney,  Mitglied 
der  Quäkerfamilie  dieses  Namens,  liberaler  Gönner  der  schönen  Künste  und 
Dichter  des  in  3  Auflagen  erschienenen  Gedichtes  „Cupid  and  Psyche**,  als 
9Qjähriger  Greis;  zu  Paris  der  Kupferstecher  Achille  Lefevre,  namentlich 
durch  seine  Stiche  der  Hauptwerke  Raphaels  und  Corre^gios  bekannt,  und 
zu  liCipzi^  Dr.  TheoL  Friedrich  Wilhelm  Lindner,  em.  ordentl.  Honorar- 
niofessor  der  Pädagogik  und  Katechetik  und  auXserordentL  Professor  der 
Philosophie. 

—  In  der  1.  Hälfte  des  November  1864  zu  Paris  Gandon,  als  Verf. 
mehrerer  liter.  Werke,  wie  „Memoires  d*un  Chasseur  d^Afirique*",  Trente 
deux  duels  de  Jean  Gigon  u.  s.  w.  bekannt. 


(Diesem  Hefte  ist  eine  literarische  Beilage  beigegeben.) 


Erste   Abtheilung. 


Abhandluniren, 


o^ 


Ueber  das  Jota  subscriptura. 

Dass  wir  im  Griechischen  heutzutage  eine  von  der  Ursprünge 
liehen  in  vielen  Puncten  bedeutend  abweichende  Oi-thographie 
haben,  zeigt  uns  schon  eine  oberflächliche  Betrachtung  der  Schrif- 
ten der  alten  Grammatiker.  Es  ist  mit  der  Orthographie  gerade 
80  gegangen  wie  mit  so  vielen  anderen  Dingen,  die  mit  der 
Zeit  schlechter  werden:  so  verschlechterte  sich  die  Bechtschrei-^ 
bong  des  Lateinischen,  so  auch  die  des  Griechischen ^  unserer 
heutigen  deutschen  Orüiographie  gar  nicht  lu  gedenken.  Bei 
dem  Griechischen  war  es  um  so  leichter  möglich,  da  hier  Spi- 
ritus und  Accente,  so  wie  das  erst  später  untergeschriebene  Jota,^ 
die  leichter  verändert  oder  aus  Nachlässigkeit  weggelassen  wer- 
den konnten,  mit  in  den  Bereich  der  Orthographie  gehören^ 
Dieser  Nachlässigkeit  begegnen  wir  in  den  meisten  griechischen 
Handschriften,  in  denen  nicht  nur  Spiritus  und  Accente  ver- 
wechselt sind,  sondern  ebenso  wie  das  Jota  subscriptom  sehr 
häufig  fehlen,  abgesehen  von  der  Verwechslung  einander  ähn- 
lich sehender  Lautzeichen  oder  ähnlieh  und  gleich  klingender 
Vocale  und  Diphthonge  wie  ai  und  e,  i,  rj,  et  und  oi,  Dodi 
gibt  es  unter  diesen  HandscJiriften  auch  Ausnahmen;  dazu  ge- 
hört, wie  ich  mich  durch  eigene  Anschauung  ül>erzeugt  habe,, 
der  Codex  Sinaiticus^  obwol  sich  auch  in  diesem  €  für  ai  findet, 
der  Venetus  zur  Ilias,  der  Laurentianus  zu  Sophokles  und  Apol- 
lonlos  Rhodius,  der  Mediceus  zum  Aeschylus  und  gewiss  noch 
andere,  jedesfialls  aber  sind  diese  guten  Handschriften  seltene 
Ausnahmen  von  der  Regel.  Unsere  heutige  Ortliographie  ist  so- 
ziemlich  die  der  xoivrj,  wie  sie  sich  schon  vor  dem  Anfang 
unserer  Zeitrechnung  bildete.  Die  /joivti  hat  aber  nicht  nur  die 
Orthographie  verschlechtert,  sondern  auch  ganz  neue  der  edlen 
attischen  Sprache  völlig  fremde,  ja  sogar  nach  unserem  Sprach-^ 
gefahl  fehlerhafte  Constructionsweisen  eingeführt:  man  betrachte 
mir  einmal  die  Anwendung  der  Präpositionen  in  der  späterea 
GräcitaL 

ZoiUchcirt  td.ostor.Gjrmn.  IIJCS.  U.u.IILU«fl.  1 


90  '»/.  Lu  Boche,  lieber  das  Jota  subscriptum. 

Während  sich  so  die  Sprache  und  Rechtschreibung  immer 
mehr  verschlechterte,  unternahmen  es  gelehrte  Granmiatiker  der 
damaligen  Zeit,  diesem  Verderbnis  entgegenzutreten  und  so  ent- 
standen die  verschiedenen  Schriften  Tiegl  oQ&oyQafpiag: 
diese  sind  sämmtlich  verloren  gegangen  bis  auf  die  einzige  des 
byzantinischen  Grammatikers  Choeroboscus ,  welche  Gramer  in 
dem  zweiten  Bande  seiner  Anecdota  Oxoniensia  herausgegeben 
hat.  Ueber  Orthographie  schrieben  die  Grammatiker  Draco 
(Suidas),  Tyrannio  (Suidas),  Didymus  (Suidas),  Trypho 
(Suidas),  der  Milesier  Orus  (Suidas,  Stephanus  Byz.  Schol.  5461. 
Et.  Mg.  81G,  38.  Zon.  Lex.  1010.  Et.  Orionis  192,  36),  Apol- 
lonius  Dyscolus  (de  Synt.  III,  30,  p. 272),  Herodian  (/regt 
fiov.  lel  23,  25.  Schol.  ^  129.  0  441.  Et.  Gr.  17,  16.  40,  21. 
57,  29."76,  23.  82,  15.  100,  5.  108,  27.  118,  2.  160,  6.  167,  17. 
Bekk.  Anecd.  1354.  Gram.  An.  Ox.  II,  12,  30.  85,  9.  183,  31), 
Ghoeroboscus  (Et.  Mg.  41,  41.  61,  43.  92,  21.  146,  29. 
376,  44),  Theognostus  (Bekk.  Ann.  367,  8.  1101),  Eudae- 
mon  (Et.  Mg.  457,  12.  Et.  Gr.  122,  26)  und  noch  andere,  deren 
Namen  von  untergeordneter  Bedeutung  sind.  Dass  unter  den 
Alexandrinern  keiner  erwähnt  wird,  der  über  Orthographie  ge- 
schrieben hat>  ist  bedeutungsvoll:  es  war  eben  in  der  damaligen 
Zeit  die  Noth wendigkeit  dazu  noch  nicht  vorhanden. 

Aus  diesen  Schriften  stammen  die  meisten  Notizen  über 
das  untergeschriebene  Jota ;  doch  sind  es  auch  noch  andere,  die 
hier  in  Betracht  kommen,  namentlich  die  über  die  einzelnen 
Redetheile,  so  Tragi  iynQQtjftdrcov,  /regt  avrü)vvf.iuov  ^  die  ver- 
schiedenen 6vouaTr/.a  und  i^r]/iiaTi>Ld,  die  mavoveg  des  Theognost, 
Choeroboscus  Tregl  irnaorijrog  (Et.  Mg.  29,  31.  38,  35.  73,  55. 
78,  51.  1(>7,  4),  welche  Schrift  möglicherweise  dieselbe  ist,  die 
Gramer  An.  Ox.  II,  283  herausgegeben  hat. 

Hier  drängt  sich  vor  allem  die  Frage  auf,  war  dieses  Jota 
in  der  Aussprache  hörbar  oder  nicht  und  wie  wurde  es  geschrie- 
ben? Der  Zufall  hat  uns  eine  Notiz  darüber  aulbewahrt  bei 
Bekk.  Anecd.  1186:  „da  de  yn'daxeiv  on  ol  /niv  yga/Äfta- 
Tinol  log  ngog  rhv  ey.wwvrjOiv  diroßkeirovreg  Xeyovai  to  i 
dveii(fiovrjTOv  eivcti ^  rjvixa  evoed-fj  rj  /uezd  vov  a  ^laxgov  r 
fterd  Tov  i]  jj  juezd  tov  w.  olov  rq)  XQvay,  rc/)  aoq^q),  t^>  ^Iveiff, 
Ol  di  fioraiKol  r^g  aytQißelag  (pqovx Itov reg  Xeyov- 
aiv  OTi  fy,q^(x)V€iTai  fiev^  ovx  i^ay.ovevai  de  dta  to 
filye^og  rojv  f^ta^iQiov  fftovr^evrcovel  ydq  (pcov^iv  fom,  q>aai\  /riig 
övmrai^  ave-Acpcovriiov  elvai;  dkX^  üaireQ  avlnv,  tpaai  ^  xai  oq- 
yavov  jjxovvriov  o  avlog  am  e^aKOverai  did  ro  fiei^^ova  tjxov 
i'xeivTO  OQyctvov  xal  /xdvyrveiv  tov  tov  avXov  tj/ov  aoO^eviare- 
Qov  ovra,  tov  aviov  tqotiov  xal  to  e,  dod^evio cbQov  vrcdqxov 
navTiov  Twv  (piüvr^evrcov ,  tjvUa  eigexh^  /nerd  vov  a  ftceiiQoi  v 
fteTcc  TOV  tj  t]  fterd  tov  oj  h  jtti^  avXlalifj,  orx  iScncoverai  dia 
TO  ftive&og  Tovriov.  (in  de  to  i  da^eveareQoi'  tan  /cavtiov  rüv 
ipiavrfivrwvj   öyjXov  ivrev&ei'.  twv  (fojvrjitTcov  ra  fiev  eloi  nQO^ 


J,  La  Rodie,  Ueber  das  Jota  subscriptum.  Ol 

roxT/xa,  Tcc  da  VjiOTanTiYM '  y,at  nqoTanTixa  fuv  etat  ravva,  a, 
€,  jj,  o,  CO,  vjtOTaxTixa  äi  ovo,  i  mal  v.  Y.al  t6  v  di  VTtozaxTi- 
wv  TioXlaxig  eigtoxerai  rov  t  jrQoraxTixoVy  olov  iv  tq)  fivla 
Htm  aQTtvia  xal  viog  xai  ip  roig  o/uoloig,  ei  aqa  ovv  tö  i  ycal 
T(w  v/iOTaxTixov  VTtotaY.viY.6v  iau^  dijXov  oti  aad^aveariQov  iavi 
ncLvxcjv  T(ov  qwvrjevtiüv.  del  ngnaO-eivai  ,iX^oQig  xüv  xara  dia- 
hxtov^  y  inaidi]  ol  uiioXaig  ralg  alg  o)  Xrffovoaig  dotiYoig  ov 
n^oayQCKfovai  ro  i,  tc5  ^Of^irjQio  yaQ  (paat  Y.ai  rot  aoifiti  xcoQlg 
Tov  4,  YMi  naXiv  o\  Boioxtoi  ralg  alg  t]  Xr^yovaaig  öotixaig  ov 
TtQoayQccffovat  to  /,  rfi  ^Elevr]  mg  cfaoi  /ml  rrj  HfjveXoji  t]  yojQig 
TOV  i.  tTL  dal  7TQoa^aivai  „xa^  ytoQig  nov  öta  to  ^Utqov."'  tati 
ycLQ  6  ZaXäg^  tov  Lala,  rqt  uAa,  ovtio  di  Xiyarai  xara  Qq^Yag 
6  (uvog,  YMi  Tovtov  fj  dotiYf]  avQiGYavai  7iaQ  EvQiJtldi]  x^'^Q^9 
TOV  I.  ovataiXai  yaq  ßovX6(.uvog  ro  a  ov  Ttqoaiyqaxpa  to  i, 
(iov  y^xavxbv  noial  ro  t  atziYOv  to)  Ca?sxi.(Jvi'  yaq  xagawoig.** 
It4  dal  jTQOG&alvai  „Yai  X^'^Q^^  ^f^^  7iiJrov^6tn)%\^  aatt  yciQ  T(p 
xvavoYaiTOV  (sie)  xal  yivatai  x«ra  /ii6ia7rXaafi6y  T(it  YvavoxaiTa 
xcd  ovY.  kx^i  TtQoayayQaftiiivov  ro  i,  olop  cog  7iaqa  ldytii.iaxV 
jifttnQL  da  TLvavoxaita  llooaidatovi  7iajcoid^iog,"^ 

Dieses  Jota,  welches  mit  seltenen  Ausnahmen  überall  ger 
schrieben  wurde,  kann  nicht  blofs  Schriftzeichen  gewesen  sein 
wie  die  Accente,  Spiritus,  die  Koronis  und  der  Apostroph,  von 
welchen  sich  in  den  Inschriften  gar  nichts  mit  Ausnahme  des 
in  der  frühesten  Zeit  den  Spiritus  aspor  vertretenden  H  findet, 
so  dass  es  blofs  dazu  gedient  hätte,  um  äufserlich  verschiedene 
Wortformen  zu  unterscheiden,  z.  B.  va^t  und  vato^  vailig  und 
vacog^  sondern  es  muss  einmal  wirklich  hörbar  ge- 
wesen sein,  wenn  es  auch  mit  dem  dabei  stehenden  langen  Vocal 
nicht  gleiche  Geltung  hatte.  Wie  könnten  sonst  die  Diphthonge 
9,  Tj  und  ({i  (denn  als  solche  werden  sie  auch  schon  von  den 
alten  Grammatikern  betrachtet)  in  der  Diäresis  erscheinen,  z.  B. 
T^Siadag  neben  TQ^tadag,  drj'ing  neben  dtjoio,  das  ionische  örjtdiog 
neben  dem  attischen  ^^diog,  t^Yov  neben  ijo/ney,  Tthot'i^io^  aoidog^ 
ddi'dag  neben  jtlqtCtOy  (/»dogy  d^edag?  Da  ferner  dieses  Jota  als 
Flexionszeichen  wie  z.  B.  in  ftovaif,  cpaivt],  /,ah}  wesentlicher 
Bestand theil  der  Wortform  ist,  oder  wo  es  in  der  Mitte  steht^ 
demselben  als  zur  Wurzel  gehörig  oder  in  Folge  der  Wortbil- 
dung zukommt,  wie  z.  B.  in  r/^or,  TTQotr^Vy  7ZQ(!tQay  K({ßog,  vTia- 
Q^v,  so  musste  es  auch  in  der  Aussprache  eine  Berücksichti- 
gung finden  und  dem  langen  Vocal  ungefähr  ähnlich  nachge- 
schleift worden  sein  wie  das  a  in  Ttolacog  vor  dem  lo  hörbar 
gewesen  ist,  ohne  dass  dadurch  das  Wort  dreisilbig  wurde.  Dass 
dieses  Jota  in  späterer  Zeit  wirklich  nicht  mehr  ausgesprochen 
wurde,  ist  kein  Beweis  dafür,  dass  es  auch  früher  unhörbar  ge- 
wesen sei,  verschwand  ja  auch  mit  der  Zeit  das  Digamma  und 
(T  in  vielen  Wörtern,  und  niemand  zweifelt  daran,  dass  beide 
früher  ausgesprochen  wurden.  Es  lässt  sich  nichts  anführen,  was 
der  oben  erwähnten  Ansicht  der  Musiker  im  Wege  steht,  dass 

7* 


92  J'  La  Boche,  Uebcr  das  Jota  sxibscriptum. 

nämlich  das  Jota  ausgesprochen  wird  {r/.(pa)V6iTai)y  aber  von  dem 
langen  Vocal  ül)ertr)nt  und  darum  wenig  geliört  wird,  denn  mehr 
liegt  in  dem  oi^x  fSaKoverai  niclit. 

Die  in  der  oben  citierten  Stelle  erwähnten  Ausnahmen 
in  Betreff  der  Dialekte  erhalten  durch  die  Inschriften  theil- 
weise  ihre  Bestätigung,  In  den  böotischen  Inschriften  steht  für 
•/;  meist  r/,  aufserdem  aber  für  a  und  ai  in  der  Kegel  jj,  selten 
«€,  für  Ol  und  f/i  öfters  oe  und  für  ot  meist  r,  zu  vergleichen 
ist  Boeckh  über  den  böotisclien  Dialekt  im  Corp.  Inscr.  Gr.  I, 
p.  722  und  723.  Dies  gilt  besonders  von  den  alten  Inschriften 
aus  Tanagra,  so  C.  J.  Nr.  15()2,  Z.  2;  101)3,  Z.  2;  1564,  Z.3 
TY  JAMY  TOß  da^iot,    dagegen   ir)()5,    Z.  3   TOI  JAMOL 


Nr.  15G8,  Z.  6  TY  JAMY,  Z.  10  7'r  lAFY  ro,  )aQ<lß,  1569  a 
EPXOMENY  'OQXOftsvo,.  FlLiATIH^Elacela.  FEAATIHY 


(L( 
""Hqc^t  und  TH ,  dagegen  1607  AMÜH^^Al  li^Hfioaa,  1598 
IIPAIAI^  jrQ(t(u^  und  1592  AQASAl  Uthiv^t  (Thisbe). 
In  den  thebanischen  Inschriften  1585,  1624,  1625,  1654,  1656 
fehlt  das  Jota,  desgleichen  in  den  Inschriften  aus  Chaeronea 
1608,  1609,  1656  b,  dagegen  steht  es  in  der  aus  der  römischen 
Ifaiserzeit  stammenden  Inschrift  Nr.  1()17.  Nr.  1652  (Theben) 
nOAEUm  und  XSIPAI  ywQcc  1661  und  1662  (Thespiae) 
HPEin  und  HPnr.  1600  (Thoben)  AIONYIÜL  Nr.  1591, 
Z.  57  und  63  TEAElill,  Z.  61  UilAlK^L  Nr.  1588,  Z.  1 
TPEQiQNlOl  TqoifvUiK  1590,  Z.  21  KillO^  Kf7>n^,  1579,  Z.  2 
■(Orchomenos)  JIO.VY^OL  Z.  4  AfJONTOI  (fdovroc.  Merk- 
würdig ist  die  Inschrift  aus  Orchomenos  Nr.  15S3:  dort  lesen 
wir  Z.  11  PAH'ATYJO:^,  Z.  15  AYAAYYIO^,  Z.  19 
KIQAPAFYJO^  und  so  auch  Z.  21,  23  und  2^  überall  mit 
Digamma  und  v  für  <;;>,  während  dieselben  Worte  ^rr(.^(;>doc, 
TQctyfiidog^  rjO^aooßdoc:  in  der  thebanischen  Inschrift  Nr.  1585 
und  in  der  auf  dem  Helikon  1586  mit  ß,  aber  ohne  Jota  ge- 
-schrieben  werden.  Die  Inschriften  aus  Oropus,  wekhes  lange 
Zeit  zu  Athen  gehörte,  haben  überall  das  Jota,  so  Nr.  156(), 
Z.  2  Tß/,  Z.  13  TTHAHI  Af&INHI,  Z.  14  TÜI  lEPiil. 
1567,  Z.  1  ATAQAl,  Z.  6  TAI,  Z.  7  ENNOMni  EKKAH- 
^lAf,  Z.  13  AYTiU,  1570a,  Z.  1  KOINiU,  Z.  11  THl 
BOYAHI  KAf  mi  JHMni ,  KYPnSHl  y.iQot^fj,  JOKHl 
^o'/Sj,  Hl  ij,  lYNTEAEZGHL  GirTeliod^t},  während  diese  Con- 
junctivformen  in  den  übrigen  böotischen*  Inschriften  mit  H 
ohne  Jota  geschrieben  sind. 

In  den  seolischen  Inschriften  herrscht  dassell)6  Schwanken 
in  Bezug  auf  das  beigeschriebone  Jota,  Die  alto  »olische  In- 
schrift Nr.  11  hat  dasselbe  übemll,  so  TOI  Jl  OAYMllOI 
TOI  KAJAAKMENOI  rfjß  JtC  "OXv^inii^  n'f  /Mdah^^uro^K 
TOINTAYT  ElPAMENOl  r<;  "vfcwv"  ey^afiftivot,  wo  nach 


J.  L(i  Rodie,  Uebor  ilus  Jota  subscriptuiu.  93 

den  Kegeln  über  die  Krasis  Twvraii;^  gesclirieben  sein  müsste, 
wie  i  Off  1(7)  für  rr/)  fft(i),  xayco  für  y.cd  tyio.  In  der  Sigeischen 
Inschrift  (Nr.  8)  kommt  kein  Wort  vor,  welches  Jota  sub- 
scriptum  hätte.  Die  weit  späteren  Inschriften  aus  Mjtilene 
Nr.  2108,  21G9,  2172,  2174,  2178,  2179,  2186—2189  haben 
kein  Jota  mit  zwei  Ausnahmen  Nr.  2173  QEPMIAI  und  2178 
NEPOYAI  Negoic^,  die  Inschrift  aus  Tenedos  2166  hat  wie- 
derum Jota,  aufser  in  dem  Conjunctiv  ENJEYH.  Die  Inschrif- 
ten aus  Smyrna  haben  meistens  das  Jota,  in  denen  aus  Kyme 
3523  und  3b24  fehlt  es,  wälirend  es  3527  steht.  Auch  in  den 
Inschriften  von  Pergamus  und  Ilion  lässt  sich  dasselbe  Schwan- 
ken wahrnehmen. 

Dass  (f,f],  ({f  von   den  Alten   als  Diphthonge  betrachtet 
wurden,  beweisen  die  später  anzuführenden  Angaben  aus  Theognost 


ftir  f^  elaiv  eifpiovoi,  wg  y.cd  avrog  {J,  6  ÖQ^^)  ff  naiv  y  al 
de  TQetg  -^axotpiovoiy  fj  tjv  log  iv  T<iß  i^t'cJa,  rj  (ov  log  iv  r^3 
itrvrogy  fj  vi  vjg  fv  rrp  viog'ai  de  rgeig  cifpiovoi,  to  lo  i^al  %o 
i  iog  iv  10)  OfiW(ifj  (iJxodofiovv,  (ißvnyoei'TO  r]  Aal  to  /,  log  iv 
rot  rfi  ^Ekivjfjy  kmrfjg,  i/rrjvoiv.  a  /iiaxQOv  ytal  t,  cog  iv  r^t 
ifdr^Cy  &Q<ji^  y-ai  haa  xoiavca."'  Hier  ist  schon  die  Ansicht  aus- 
gesprochen, dass  das  Jota  nicht  hörbar  ist:  so  heifst  es  auch 
bei  den  Grammatikern  //^  ixqxovovftivnv  Et.  Mg.  38,  34.  Et. 
Gud.  9,  34,  oder  häufiger  avt/.(piovrjTov  Et.  Mg.  484,  32.  Et. 
Gud.  291,  1.  490,  43.  571,  43.  Gram.  Epim.  20,  30.  220,  24. 
Cram.  A.  0.  II,  86,  5.  142,  10.  IV,  394,  7  und  öfters.  Ich  will 
nur  eine  einzige  Stelle  vollständig  hinschreiben  Et.  Mg.  203,  3 
n^oti  lOTtov  (in  ivravO^a  nv  ovvaiQSiTai  dg  yttp^oi  ^rproi. 
ovöeTTore  yaQ  dormi]  iviT^rj  f^tovoovlkaßog  ixrpiovel 
TO  ly  olov  %([*  yr/},  rf  yrj,  ei  ovv  iyivero  Tiara  avi»aiQ€aiv  ßot 
ßoiy  efiellev  iyjpioveiaÖ^ai  r^  i,  ottsq  iazlv  aioitov,  v6  yaq  i 
t6t€   ioTiv  avexcpafVTjTOVy    jyvtxa  iarl   ^lexa  ^la^QOv 

(f(OVl^€VTOg.^ 

Was  nun  die  Schreibweise  betrifft,  so  wurde  das  Jota  ur- 
sprünglich nicht  unter  den  langen  Vocal  geschrieben,  son- 
dern immer  daneben,  wie  wir  es  auch  heute  noch  nach 
grofsen  Anfangsbuchstaben  zu  thun  pflegen,  z.  B.  '^idtigy  ^£2i6v: 
es  heifst  auch  immer  iwra  jcQoayeyqa^iitevov  und  steht  in 
guten  älteren  Handschriften,  wie  in  den  oben  erwähnten,  im- 
mer hinter  dem  langen  VocaP).  Nichts  als  Bequemlichkeit  war 


*)  Bei  Philemon  Lei.  techn.  p.  73  (ed.  Osann)  findet  sich  der  Aus- 
druck yjavv  T<^  v7ToyfyQfcfj.u^vqt  /cüt«",  ebendaselbst  p.  04  v/io- 
vQKif  üvrat  und  p.  9a  iv  v7ioy()(i<fj  tov  tüh«;  an  den  beiden 
letzteren  Stellen  besserte  Osann  nqoayodif^ovnu  und  n{)oGyQMpiJ, 
ebenso  p.  93  und  174,  wo  die  Hanoschnften  vnoyiyQUfifx^vov  für 
ngoayeyQttfi/iivov  haben.    Zu  vergleichen  ist  Osann  in  der  Anmer- 


04  «A.  Lit  Roche,  lieber  das  Jota  subscriptuin. 

die  Ursache,  dass  man  es  später  unter  den  langen  Vocal  schrieb, 
damit  man  es  gleich  sehen  konnte,  dass  es  hier  nicht  ausge- 
sprochen werde.  In  schlechten  Handschriften  fehlt  es  meistens, 
weit  seltener  wird  es  untergeschrieben.  In  den  Inschriften  wird 
das  Jota,  wo  es  überhaupt  steht,  Haneben  geschrieben;  in  den 
ältesten  Inschriften  fehlt  es  fast  nie,  dagegen  sehr  häufig  in 
denen  der  römischen  Kaiserzeit,  z.  B.  Nr.  185,  188,  190,  192, 
193,  194,  197,  319,  321—326,  329,  916,  1080,  1122—1125, 
1339,  1359,  1365,  1701,  1710,  1720  u.  ö.  Aufserdem  fehlt  es 
in  Privatinschriften,  z.  B.  auf  Grabmouumenten  häufiger  als  auf 
öflFentlichen.  In  den  Inschriften  aus  der  Zeit  vor  Euklid,  wo 
für  H  und  ß,  deren  Erfindung  dem  Lyriker  Simonides  zuge- 
schrieben wird  (Bekk.  An.  780,  781,  782),  E  und  O  geschrieben 
ward,  welche  beiden  Lautzeichen  auch  noch  die  Diphthonge  El 
und  OY  bezeichneten,  wird  ebenfalls  hinter  diese  beiden  das 
Jota  gesetzt,  so  Nr.  3  EKIIHAMVI  "ETCffdvtq).  Nr.  12  ME20I 
fucaiiK  16  (Olympia)  TOI  Jl  xc}  Jit  22  (Attika)  HOJOl 
odqK  26  FEI  HODOl  FEI  AUniAl  rrj  od(o  zfi  !^7r7ii(f,  in 
welcher  Inschrift  aufser  dem  Lautzeichen  i>,  welches  sich  auch 
in  der  argivischen  Inschrift  Nr.  14  nEBAFOlKOl  furoiTcm 
und  in  der  spartanischen  Nr.  15  EBEDOFA  iörjdojay  in  letz- 
terer sogar  für  P  findet,  auch  noch  die  Interaspiration  in 
ENHODIA  hervorzuheben  ist.  Nr.  27  (Eleusis)  JEMOl  dfifit^, 
29  (Olympia)  TOI  JIFI  rqf  Jit  (lat.  divus,  skr.  devas).  31 
(Olympia)  K0I02  Kijmi;.  34  (Peloponnes)  NIKEI  vUtj.  49 
(Ämyklae)  OFAI  "Oyyv,  wofür  48  OFAEI.  50  JAMATFIAI 
JaftarQiff.  70  a  Z.  9.  c  Z.  20  (Attika)  AFOPAI  TEL  71 
H]AnAEI  anlJj,  EN  TEI  AYAEL  EN  FOI  EAEY2INI0I 
(a  Z.  36  und  38)  HIEPOI  hgijß  (c  Z.  9).  Nr.  76  TEI  BOAEI 
KAI  TOI  JEMOL  TEI  AGENAIAI  rfj  'A^r^vaiff.  Nr.  93, 
Z.  12  und  15  ESEAGEI  e^ü^^,  1313  und  1314  (Sparta)  ZANI 
EJEYQEPIOL  1462  EPMEl  "Eg/ny,  dagegen  14(51  EPMAL 
1689,  Z.  10  (Delphi)  TOI  JINYIVI  t(^  JiovimiK  Es  findet 
sich  auch  in  einigen  Inschriften  HI  und  EI,  ill  und  Ol  neben- 
einander, so  808,  Z.  8  nPilTEI  TTgiort],  2266  JOKHI  neben 
KATAITH^EI  TcaTctacrjaj]. 

Im  folgenden  sind  aie  Fragmente  aus  den  Büchern  der 
*  alten  Grammatiker  über  das   hoTa  7iqoayey^^iiuvov  übersicht- 


knn^  zu  p.  92,  der  als  Belcjir  anführt  Strabo  XIV,  p.  648,  wo  sich 
der  Ausdruck  fniyQaH'ag  findet;  Apoll.  deSynt.  p.  211  nQoaiol- 
aar  tov  t  ygffff^p  und  p.  270  avvyQu^iOfiivov  tov  *.  fiisetns 
zu  Aristoph.  Pax  1160  (tQ/iüxdig  ok  t6  c  ovy  v fTtyqa^'Ti  nJUn 
7i(CQ(yQa(fjr].  In  Betreff  der  Handschriften  bemerkt  Osann,  dass 
das  Jota  erst  in  denselben  seit  dem  zwölften  Jahrhundert  unterge- 
schrieben werde  und  dies  wird  durch  Eustathius  bestätigt,  der  noch 
den  Ausdruck  jrooayQnffitv  gebraucht.  Aber  schon  weit  früher  schrieb 
man  es  gar  nicht,  wie  sich  aus  der  angeführten  Stelle  des  Strabo 
ergibt,  ^ttoXIoI  v«o  x^Q^^  ''ot'  föirn  ytHtffovav  Tug  ^orixng  xul  (x^ 
ßnllovai  6k  to  iChog  tfvffixrjv  aiiUiv  ovx  fx^^'* 


J.  La  MacJie,  lieber  das  Jota  subscriptum.  f)5 

lieh  zusammengestellt  und  für  das  Vorkommen  des  Jota  aus 
Inschriften  und  zwei  Handschriften,  dem  Venetus  zur  Ilias  und 
dem  Laurentianus  zu  Apollonius  Khodius,  nach  der  CoUation 
von  Merkel,  Belege  beigebracht. 

I.  Declinationsformen. 
Das  Jota  in  der  Dativendung  der  ersten  Hauptdeclination 
ist  etwas  so  gewöhnliches,  dass  man  kaum  ein  ausdruckliches 
Zeugnis  dafür  erwarten  kann,  dass  die  Endungen  9,  ij,  r/i  im 
Dativ  Singularis  mit  Jota  geschrieben  worden  seien.  Dieses  wird 
von  den  Örammatikern  überall  als  bekannt  vorausgesetzt.  So 
heilst  es  bei  diesen,  dass  die  Adverbia  auf  n  Jota  hätten,  weil 
sie  Dative  der  erstiön  Declination  seien  una  Schol.  B  4G1  to 
uiaiio  iyravO^a  yeviurg  TCTioaecog  eaziVy  od^ev  ot'x  ex^i  rb  1... 
otiriog  ilqog  iv  rfj  oqd^oyqctwit^c.  ev  yevtxfj  de  avTO  tTihf- 
nrlov  Yxti  x^^Q^S  '^*>^  ^  ^^^  ^0  „erfitelta)  nQia/iioio^  {J  47).  ovriog 
^Hgcodiavog  e.y  rrj  y.aOoXov  xal  IlToXefialog  iv  tot  niqi 
avvalotffTjg,  Et.  Mg.  203,  4  oidtTroTe  yaQ  dorixt]  ivixrj  uovo" 
övXXa[iog  hjfon'el  to  i,  otov  t([)  v(^,  r^  yy.  Cram.  A.  0.  II, 
307,  9  Träaa  dnuKrj  (vr/xuv  re  aal  dvi'yxov  xat  TrlrjSvvTincov  iv 
Tg  iaxccry  avlXaßfj  i'x^i  t6  i,  iav  /niv  ahj  fiara  avfupiovou  xat 
ßqaxio)V  (fiuvrjtvrwvy  i^axotevaiy  rq)  /ntkavi^  rq»  !Axii^i,  toiv 
fiiXavoiVy  Toigjiekaai.  ei  di  fieta  fiaxQov  (piov^rjavfog,  ovx  cx- 

7>a>i'£7rai,  olov  T(?ß  x«A(p,  tiT)  IUqöt),  rolg  Mevilaqßg.  In  den 
nschriften  und  guten  Handschriften  taben  diese  Formen  immer 
das  Jota. 

Die  Endungen  des  Dativ  Pluralis  auf  yat  haben  ebenfalls 
Jota  subscriptum.  Et.  Mg.  1G6,  30  IdTqaidrpij  Qvßyoi,  nvltjOi, 
doTi'Aat  Twv  Trlr^OrvTiTiiov.  txovat  zb  i  7€QOGy€yQaf.iftivov  xara 
Ttjv  naqaliyovaav.  Sie  werden  betrachtet  als  aus  den  Formen 
auf  aig  entstanden,  durch  Epektasis  aioi  %ai  TQOTrij  Vwwxj  t^ai 
Tuxl  fievei  TO  t  TrqoayayQaftfuvov,  Auch  in  Inschriften  findet  sidi 
das  Jota,  so  Nr.  70  b,  Z.  7  (Attika)  EnO]nTEI^lN  £7ro/rrw- 
aiv.  Z.30  EN  T£/[2VM  ^YTESI  iv  rijoiv  aivfjai.  Nr.  3044 
HI^IN  rfjiv;  dagegen  fehlt  es  Nr.  939,  Z.  1  JPHITOIYNHJSL 
948,  Z.  4  OJYNH^L  1907,  Z.  3  TA(DH:SL  2258  MOY!SHn. 
Merkwürdig  ist  die  Dativform  r012  TAMIAIIN  (roig  xa- 
ftiaig)  in  einigen  attischen  Inschriften,  so  Nr.  137,  Z.  2.  138, 
Z.  13  und  24.  139,  Z.  2,  3  und  25.  Auch  die  Dativform  auf  jjg 
hat  dieses  Jota:  dies  erfahren  wir  aus  einer  Notiz  bei  Didymus 
zu  A  66  AoioTaqxog  to  Y,viar^g  Ivnaog  xara  yevixrjv  TUToiatv 
avev  Tov  /,  dieses  avev  tov  l  wäre  sinnlos,  wenn  es  nicht  eine 
gleiche  Form  gäbe  avv  ry  /. 

Der  Nominativ  Pluralis  in  der  attischen  Declination  auf 
(f  wurde  mit  Jota  geschrieben:  Et.  Mg.  616,  32  01  veqo  avv  t(^ 
i.  TiQWTOv  ajib  tov  o\  Mevtlaoi  xai  01  vaoi  yiyove  xaza  tqo- 
nr^v  TOV  o  eig  co,  xal  ^Uvu  to  l  fTQoayeyQafifiivov.  öavreQOv  di 
OTL  Ttäaa  ei'&eia  aqoevixAjjv  t€  xal  &r]li^iov  nli]&vvTiii6iv  eig 


90  J.  La  Roche,  Ueber  das  Jota  siibscriptum. 

won'TjEv  Itjynvaa,  dve/rr/.rarog  y  eJg  i  ly^let  ?Jjy£iv.  In  den  von 
Boeekh  herausgegebenen  Urkunden  über  das  attische  Seewesen 
steht  Nr.  I  a,  Z.  34,  40  und  53  nEPJSEill  als  Plural  von 
7T€giv€tog.  üeber  die  Schreibweise  von  arict)  B323.  i'84.  7  30, 
695.  ß  240.  Tj  144.  z  71.  i//  93  war  man  schon  im  Alterthume 
nicht  einig,  mit  Ausnahme  der  letzten  Stelle,  wo  es  nur  Ad- 
verbium sein  kann,  worauf  gestützt  Buttmann  Lexil.  IL  S.  l 
es  nach  Aristarch  überall  als  Adverbium  fasste  und  demgemäß 
ohne  Jota  schrieb  gegen  die  Autorität  des  Venetus,  der  an  allen 
vier  Stellen  avem  hat,  vgl.  Text,  Zeichen  und  Schollen  des 
Venetus  S.  12.  Die  Zeugnisse  der  Alten  darüber  sind  folgende: 
Apollonius  de  adv.  p.  554  y.at  jriQi  rov  ^!ANEill  äi  öiaifoqa 
Tig  yxcra  vor  ^leQta^ioif  elaty/ero  jrQog  evicoVy  atg  eYr]  uälXoy 
ovoiia  jchjO^ivur/Mv  y  l4rrr/,(üc  y.axhuevovy  oj  loyo)  y,ai  t6  l 
7rQooy.6tiitevoi'.  p.  ooo  ort  fiev  ovv  ovrarai  ovn/na  TikVfd^vvTiy^ov 
ilvai  actqig  M'ret- ,*>€)'.  aXXa   d7]Xov  wg  yctt   IdQiarttqx^l^   >^«^ 

Tolg    ' -'  -'"-'    '' ^  ''^     "      '■' '      "■* 

Xov 

fiarto^n 

nxtjg  7t((QeX(qißav(-T0y  ojisq  nv  jcctgiuieuo  ovofiaai.  y.al  yerorg 
uh  elrca  dic(/.Qirr/,6v,  tan  y.al  jtov  hii  yevi/Sig  fy.froQasi  xo 
Toiovvnv  yyrj  o  antt)  (sie)  dtjy  i](Tto"'  (ih  93),  xca  aaipeg  ori,  et 
tioO-etr]  fj  yQCtffij  ovv  tio  i,  doOeitj  Rv  yxd  ro  (ivofta  tivca  to  ai'eiog, 
Herod. zu /":? 240  (rfr  Tfr;  i  ro  aveo),  evO^ela  tan  irhjO^ivnyfj  d;ro 
rov  aveog,  Schol.  P.  zu  ij  144  amo :  VjOvxoi ,  ida/reg  ftr]  orreg 
Schol.  B  zu  B  323  ro  (U.  livKit  toöe  fiiv  dia  rov  /,  im  de  rov  ^fj 
d'  civeo)  dijv  r.aro"'  ywöic  toi  /,  dafür  hat  Schol.  L  falsch  f7il 


Ir^^iv.  y^Ti/TT  ctrav)  r/frhal>B,^  Zu  vergleichen 
auch  noch  Eustath.  1443,  IJ)  und  Matranga  Anecd.  471.  Spitzner 
zu  ^323.  Wenn  nicht  ?/» 93  civKo  unmöglich  wäre,  so  würde 
gewiss  niemand  auf  den  Gedanken  gekommen  sein,  dies  als  Ad- 
verbium aufzufassen,  da  es  an  allen  übrigen  Stellen  Nom.  plur. 
von  aviofg  sein  kann  und  Fonnen  attischer  Declination  im  Ho- 
mer auch  sonst,  wenn  auch  gerade  nicht  häufig  vorkommen.  Ich 
bin  noch  immer  der  Ansicht,  dass  auf  die  eine  Stelle  nicht  viel 
zu  geben  und  dass  man  nicht  berechtigt  ist  nach  derselben  alle 
übrigen  zu  erklären.  Wie  sehr  Aristarch  bemüht  war,  den  gan- 
zen Homer  zu  uniformieren,  ist  bekannt:  die  Entstehungs weise 
der  Homerischen  Gedichte  aber  muss  uns  abhalten,  dem  Aristarch 
auf  diesem  Gebiete  der  Kritik  zu  folgen,  obwol  die  Analogie 
sonst  im  Homer  ihre  grofse  Berechtigung  hat. 

Ueber  die  Dative  von  yeqagy  denag  und  ähnlichen  haben 
wir  eine  nicht  unwichtige  Notiz  aus  Herodians  'ibcty.rj  jiQoaotdla: 
>i  385  y.iQa  ayXai:  ovv  nTi  i  egya^Ktv  xiveg  ro  yjQ<f  iva  v 
ÖOTty.rj,  oftouog  tfi»   „derra   (jtehr^deog  oYvov^  ;'46;    dort  steht 


J.  La  Boche,  Ueber  Jus  Joti  subscriptuin.  97 

aber  J^Vrac,  d/irof  hingegen  x  310)  xai  y^yrfi(^(  v^io  Xinaqilt'*^ 
(X  130.  il*  283).  oviiog  de  y.cd  doy.ai  ejrr/.Qanlv  r  jiaQaäooic;, 
bh;  yutl  ItkXe'iUov  ctSioi,  Ich  habe  hier  die  Schreibweise  bei  Bekker 
und  Lehrs  beibehalten ,  obgleich  ich  ihr  jede  Berechtigung  ab- 
sprechen muss,  wie  ich  in  diesen  Blättern  (1803,  S.  329)  ge- 
nauer erörtert  habe.  Die  Alten  schrieben  KEP  AI ,  JElJAl 
und  rHPAI  und  so  können  wir  getrost  in  unser  Scholion 
setzen,  denn  avv  rq}  i  bedeutet  nicht  dasselbe  als  tyu  to  i 
7iQoay€yQC(iii^uvov  oder  ovp  rip  i  are7icpco7'rjT(p.  Das  Hauptargu- 
ment gegen  die  Schreibweise  mit  a  ist,  aass  das  Jota  nur  bei 
langem  a  untergeschrieben  werden  Kann,  das  a  im  Stamm  dieser 
Worte  aber  kurz  ist,  ja  sogar  im  Homer  auch  da  manchmal 
kurz  ist,  wo  es  durch  Contraction  aus  aa  entstanden  ist,  wie  in 
x^'cr,  welches  selbst  elisionsiähig  ist,  vgl.  Thiersch  Griech.  Gramm. 
§.  188 ,  13.   Die  Dative  ^^Qt],  rJQot  und  tQ(i)  sind  Metaplasmen. 

IL  Adverbien. 
Die  Adverbia  auf  tj  haben  gröfstentheils  das  beigeschriebene 
Jota,  wenn  auch  der  Grund,  den  die  alten  Grammatiker  dafür 
anfuhren,  weil  sie  nämlich  Dativformen  seien,  nur  theil weise 
richtig  ist.  Die  Zeu^isse  dafür  sind:  Schol.  A  120  allrj:  avv 
uiß  L  ro  aXltj  und  to  de  aXlr]  oiv  T<(i  l  yQarpovaiy.  Schol.  e  71 
ak).vdig  akXrji  to  a?^Xr]  cu^t/a,  oO^ev  ovdi  to  i  nQooyQa7rreov. 
L  138  aXXr:  x^^Q^S  ^^^  ^^r«  ^'^  aXXrjj  offenbar  ein  Beweis  da- 
jfiir,  dass  aas  Adverbium  aXXt]  mit  Jota  geschrieben  wurde. 
Apoll,  de  adv.  625  to  tjj  y.ai  nevaTr/.cüg  to  7r^  xat  Itl  to 
aogtOTiodtoi;  oirrj,  7€QoaTii)-€fiivov  tov  /,  xaO^iog  ymI  i]  Ttaga- 
doaig  o/iioXoyel,  %al  tog  /tiaXXov  tcl  Toiavra  ovficptQSTai  q^iovfj 
Tfj  TiQog  Tag  doTtzag^  log  t^u  ymI  to  t ai tt]  jroQSv^cüfiev, 
Cram.  A.  P.  IV,  9, 1;  Et.  Mg.  78,  26  dsl  yivcja/,eiv  oti  avv  to)  v 
youiparai  (sc.  a/naQTjjj).  tcc  yag  elg  rj  XijyovTa  emQQmiaia  exovCt 
to  i  TTQoayeyQafifievoVy  olov  aXXj],  jrdvTV^  '^Q^^th  <^^^>i'<Js> 
eixj,  oiTfi^  71  f,  elal  de  Tiva  elg  rj  XrjyovTa  eTiiQQrj^tara  firj 
i'rovTci  TO  i  (es  werden  dann  angeführt  ij,  yi},  /«r),  v^,  örj,  ifjy 
(fßij,  rjön,  drjXadrj,  ßfj  das  einzige  Perispomenon  unter  diesen). 
Xiyei  de  6  TexviKog  (Choeroboscus)  to  r^ovxfi  ^ctl  ciXXrj  xcd  7cavry 
y.al  TCt  Toiai'va  dia  Tovro  ovv  TtJ)  t  yQacfeaOat  eireidrj  aico 
doTiKTjg  yeyovev,  oti  yag  ano  doTtyct^g  yeyove  drjXol  to  rarrij. 
loTi  yag  caTr  r  ev^eia.  rj  yevi%Y}  TUVTrg  yat  fj  öovrAri  Tavvt]. 
a  aqa  ovv  Xeyo/ttev  „Ta tTy  aneXirio^iev'^  xaL  ot  Xeyofiev  „arrw 
ctTreXd-wfiev^ ,  dfjXov  oti  ario  doTiycfjg  yeyovev,  ei  de  tovvo  d/ro 
doTixvg  yeyove,  dfjXov  otl  xal  TCt  aXXa  tcc  ixovTct  to  i  oltto 
doTiung  yeyovaaiv.  ovTOjg  6  XoiQoßoaxog  eig  to  ttogottj- 
Tog,  Et.  Mg.  416,  15  ra  elg  rj  Xr/yovTa  eTTtQQTjiiiaTa  ex^i  to  i 
:iQoayeyQafifiivov,  olov  aXXtj,  TQi/rXt]  xofiid^,  aearj^ieuoTai  Trewe^ 
vrj,  firi,  dt),  }]dTjy  dtjXadrj,  dasselbe  Oam.  Epim.  185,  15.  ~ 
Theognost  (Janon.  (Gram.  An.  Ox.  II)  155,  21  rrh  to  eoioTtj/tia" 
xiwvj  xal  avTO  neqiOTtionevovy  xat  avv  %((  i.  Scnol.  zu  Tzetzea 


08  J.  La  Roche^  Ueber  das  Jota  subscriptum. 

Chil.  XII,  51G  ijjdey  irrav^a,  tfjy  ivravO^a,  IniATaaig  zo  de. 
TTQoayQaiparai  de  t6  i^  (in  xa  alg  t]  y,a0^aQa  (?)  eiriQQrjftava 
nQoayeyQafifievov  e'xei  to  i,  ncti'Ttjy  allj],  Ttevraxf],  Ty 
xat  Tcc  of^inia.  Theognost  Can.  160,  28  la  elg  XV  Irjyopra  em^ 
Qij/itaTa  öia  xov  rj  y^cpeiai^  7CQoaxeifuvov  tov  /,  xat  Ttegiana- 

rat.  olov  öixy,  ^p^XJjy  ^J^^Q^XÜ,  cclXaxSy  f^ovax^,  V^^XV'^ 
Schol.  M430  TravTt]  dtj,  so  schrieb  Aristarch;  TvqawUov  de 
ixdex^tai  TO  7j  ijciQQrjiita  co/rixov  xal  7tQoarid'mi  to  i,  Zon. 
Lex.  1487  ovoainy:  avii  tov  ovdafuogy  ixei  de  xo  i  log  aiio 
doxixfg. 

auagxij,  Herodian  zu  E  656  xo  auagxfj  daoiiüg.  neoianq 
oe  YMi  o  Aayial(x)vtxi]c  xar  oi  7tAetoig.n§vvei  oe  o  ^qi- 
axaQxog  ßovXo^ievog  avxo  xoi  afiaQirjdrjy  a/ronexoqyO'ai  y  dio 
xal  xar*  avxov  x^^^  '^^^  '  yeygaipexai»  eic  mgarel  (.livvoi  xb 
TteqLanw^ievov  jcaQcc  xo  ccfia  Kai  xo  aqxiOy  ausfuhrlicher  Eu- 
stathius  zu  dieser  Stelle.  Herod.  zu  O  162  dfnaQxfj:  Tteqta/ca- 
axiov  aal  avv  t^5  l  ygaicxeov  /Mxa  xov  x^Q^'^^^Q^^  ^^^  **?  '^^ 
Xtf/owtov  ejtiQqnhictnov.  xat  dieXiyxei  t]  naqadooig  xov 
l^QiaxaQxo^  ex^ovaa  xo  i.  Cram.  A.  P.  III,  292,  7  afiagt^ 
neQianaxcLL  xal  ovv  xiTi  t  yodqierai,  eaxi  ydg  nagd  xo  df.iaoxo}, 
6  de  l^qiöTCtqx^g  dlxcc  (Cod.  dtd)  xov  £,  a/tb  xov  dfioQXfjdtfv 
leyiov  aTioKtKOcpO^ai  xrjv  It^iv,  ^axcog.  Et.  Mg,  78,  20  dfiaqxrjy 
imQQr^fia.  amiaivei  xo  ofiov  xal  naxd  xb  avxo.  'axxl  o  fiev 
u^giaxagxoc  tx  xov  ditagTT)drjV  leyei  ytaxd  avyyiojrrv  xal  oSvvsi 
((Jod.  ogvverai),  o  oe  Hqcoöiavog  ex  xov  a/tta  Y.ai  xov  aQxo) . . . 
del  yircoaxeiv  otl  aiv  xqf  i  ygdcpexai.  Et.  Gud.  42,  7  d^iagxyi 
imQQijfia  [arjfiaivov]  xb  b/nov,  Kai  wrfliv  L^giaxaQXOQ  ex  xov 
dfiaQxrjdrjv  xax'  a7ioyi07ii]v  d/nagxi]  xai  o^vverai  (sie),  avxixei-' 
Tat  de  avx<i)  t]  Ttagadoöig  (.lexa  xov  icita  oiaa,  b  de^Hgc^dia-- 
vbg  fx  xov  aiia  ycal  xov  aorc3,  a/ia^ reu,  xcct  dfiagxy.  Zon.  Lex.  164 
dfiaQxy:  ofwv  nat  xaxa  xb  avxo.  xai  b  fxiv  !^Qiaraoxo>g  x^- 
Qig  xov  i^  liyei  ygcKpead^ai  avib^  oxi  djtb  xov  d/nagurjonv  xara 
dTvoxoTrrjv.  (ouvi  oi  ovv^dovat  xd  xfjg  Tvagadbaewg,  fj  yag  Tta- 

SddoGig  GW  x(lß  t  olde  ygdcpead^ai  (Cod.  ygdfpeiv)  avxo.  Hgu)- 
tavbg  de  (prjoi  avvd^exov  elvai  djib  xov  a/iia  xal  xb  agzw,  xat 
yivexai  a/io  aficpoxegiov  l/ilggr^^ia^  d/nagxfj  yuxl  bfiagxij.  iaxlov 
de  oxi  xd  aTib  doxinrjg  yivofieva  Ijovat  xb  i,  oiov  xavxn 
em^QTjiiia,  Craui.  A.  P.  IV,  8,  35  dfiagr^y  otj/nalvaL  xb  ouov  i^ai 
Y.aza  xb  avxb  ojxx]  (sie)  xai  itY).  dei  ywofO/^iv  ort  avv  T<j)  l 
ygacpexai.  Bei  Homer  kommt  das  Wort  viermal  vor  E  656. 
2*571.  (/)  162.  X  81,  daneben  die  Variante  bfiagrij:  der  Venetus 
hat  überall  djuagxfj  mit  Jota,  nur  2  571  am  Rand  bfiaqxri.  ^ 

yxi  oder  ^x^-  Schol.  A  zu  -^  607  l^glaxaQx^S  ^o  rxt 
XfJt^glg  TOV  i  yQdq>et  %al  Jiovvaiog.  TTaqaxid^exai  de  6  Jio- 
vvaiog  xovg  Jugielg  Xiyovxag  axt-  Schol.  B  xb  tjxt  xcoglg  xov  i 
xeXetm  ygarpiaO-ai  Jiovvaiog.  Cram.  A.  P.  III,  6,  29  ^giaxagxog 
%ai  Jioviaiog  dixcc  xov  i.  Schol.  A  zu  -^  76  ligloxagxog  X^^^S 


J.  La  Boche,  Ueber  das  Jota  subscriptum.  99 

toi  I  TO  r^x^,  Schol.  y  87  ^qlazaQXO^  öi  to  rjxi  avev  tov  i 
(ffjfsi  xadiXjreQ  icai  to  t]fpL  ßirjcpi. 

Anders  Et.  Mg.  41(3,  12.  Gud.  252,  24.  Gram.  Epim.  185, 13 
jX'  iTtiQQrjfna  T07ny,ov  xai  oaovvazai  nai  nEqiönavai,  eanv  ij 
tnlqqri^m  xai  xar^  hrluLTaaiv  TTji;  x^  TV-  */^^  ^^  ^"^  ^o  i 
n^oayeyQaiitiiiivov.  ra  €ig  t]  Irjyovra  emqqrjfiaTn  ixovai  zo  i 
nqoayeyQaufdvov  u.  s.  w.  wie  oben.  Et.  Mg.  417,  1  lozeov  (in 
TO  Tjxiy  TO  yiv6/n€vov  iitexTaaet  t^  x^  ovXXaßyg,  tog  to  vai\ 
vaixh  Ol  Jioqulg  axt  leyovai  dta  tov  a  „axi  Aixct  ftaya  aa/na^,, 
Tovriaviv  oicov  tov  udixcx  to  /aeya  /nvr^fulov,  aal  „axi  o  ydei- 
vog  ^^fitq'iTQtKovidf^,^  TtoXXaJy  di  IsyovTiov  ovv  Tf/;  i  y^a- 
if€a&ai  xai  ttoXXwv  dvTtXeyovTiov  x^^Q^'S  ^^^  ^>  ^^S 
fiivTOi  Ttaqadoaeiog  ixovar]g  to  /,  dixaiov  ^/oiftaiy  nav- 
rag  TtaQaxQOvacutevog  ti]  iTaqaöoaei  fiovtj  S/read^ai  xat  fir]  dicc 
luvrjg  yQd(feiv,  a  x^fi/a  oim  tan.  Der  Paradosis  folgt  auch  der 
Venetus  und  der  Laurentianus. 

rj  d^ifng  eOTi  oder  Jj.  Lehrs  Qu.  Ep.  p.  44.  Die  Alten 
schrieben  meist  ij  und  fassten  es  als  Adverbium  auf  in  der  Be- 
deutung von  cog  und  oxytonierten  es  zum  Unterschied  von  w  = 
OTTOv.  Apoll,  de  adv.  559  Trjg  avTrjg  avvTa^ecog  exo^evov  eazi 
10  ytfjte  ^eivcov  d^ifiig  iavi^  {i  268)  xai  dixcc  lov  tc  avvöaofiov 
„5  i^ifiig  FaTiv""  (/  33,  276)  iv  loqf  t<(j  wg  O-e^ig  ioTi.  Herod. 
zu  £  73  ^  d^ifiig  ioTi:  to  ij  daavvziov,  ov  yaq  iazi  aiv- 
dea^ogy  aiX  laodvvafiovv  t^)  aig  imQQmia,  1  134  zo  rj  öaavv- 
tiov.  eazi  yag  laodvva^iovv  ztli  ojg,  dio  Ttal  6  t€  TtQooziO^ezai 
aivöeofiiog  TioXXayug.  log  yctg  kiyofiev  „üaTe  yag  ?J  naideg  vea- 
Qoi'^  (iB209),  ovziog  „ij  tb  ^eiviov  S^efug  eotiv"'  (a  268).  Gram.  Ep. 
192,  6  iq  öaavvoinevov  xal  o^vvofuvov  ar]^aivu  Ttivre,  darunter 
auÄ  ayzi  tov  dg  7taqaßolrj  „fj  (Cod.  y)  M^tg  ioTiv  ava^ 
ayo^^  (/  33),  dasselbe  Gram.  A.  P.  III^  301,  16;  dagegen  126, 15 
daavvofievov  öi  aal  TteQiancjfievov  avzl  tov  wg  »i)  cüc?  (sie) 
^€fug  €C7ri."  Im  letzteren  Falle  müsste  es  das  Jota  subscriptum 
haben,  wie  es  sich  auch  findet  bei  Eustath.  1463,  17.  1754,  15 
und  in  den  Ausgaben  bis  auf  Bekker.  Die  Stellen  im  Homer 
sind  B  73.  I  33,  134,  276.  T  177.  ^  581.  ß  652.  y  45,  187. 
i  268.  X  451.  1 130.  lo  286. 

Buttmann  im  Lexilogus  I,  S.  240  und  Spitzner  Exe.  II 
zu  B  73  befarworten  mit  Eecht  die  Schreibweise  rj  ^i/atg  iazi, 
wie  der  Venetus  überall  hat  auch  I,  33,  was  Spitzner,  der  sich 
nach  Villoisson's  Ausgabe  richtete,  nicht  wissen  konnte;  doch 
hat  der  Venetus  (n77  fehlt  dort  ganz)  überall  fj  ohne  Acc^nt, 
aufser  B  73  und  ich  fürchte  beinahe,  dass  er  auch  dort  keinen 
hat  und  ich  es  blofs  übersehen  habe.  Dieses  ij  ist  Relativpro- 
nomen, nicht  Adverb,  vgl.  ui  779  ^elvia  r'  ev  TtaQi^rpuv  o  r« 
^livcjy  ^i^tig  iaTiv,  wenn  nicht  vielleicht  zu  schreiben  ist  /ra^'- 
dr^X '  \  ^*  wiö  i  268  doi'm  dcoTivr^v  ij  tb  ^uvcdv  O'ifug  iarL 
Noch  aeutlicher  wird  die  Sache  durch  w  286  r  (=  avzrj)  yof 
H^ug  ocTig  vnoQ^tii   die,  welche  das  Demonstrativ  nicht  be- 


100  J.  La  JRücJte,  Uober  «las  Jota  subsoriptum. 

tonen,  wie  Bekk.  1.  Dind.,  Ami'is,  sclireil)oii  mit  Recht  t),  wollen 
also  auch  von  einem  Adverb  nichts  wissen.  Hier  konnten  auch 
die  Alten  kein  relatives  Adveib  =  (h ,  sondern  höchstens  ein 
demonstratives  =  üg  annehmen.  Die  alten  Grammatiker  sind 
wieder  einmal  in  ihrem  Bestreben,  alles  zu  sondern  und  zu 
unterscheiden,  zu  weit  gegangen:  J/  ist  überall  Kelativura,  nur 
10  28(j  Demonstrativum. 

i()/^)r,  drj finale^.  Cram.  A.  0.  IV,  333,  1  7riaa  7VT(üaig 
firtQQr^/iiatiyJjv  avvrct^iv  dvade^afuvt]  rrjv  or/.etav  vqacprjv  TrjQei, 
olov  y^wKrog  'AaO^evde  y.al  fjtitfQag  tQya^ov.*^  dio  xai  ro  Idiif 
xal  dr^fioal^e  avv  ro)  i  XQt]  yQmpeiv ^  Fird  a/co  Sorr/ifjg  Tino- 
aecjg  eial  xavia.  Apoll,  de  adv.  p.  5()0  TQUfpwv  q^tjalv  log  ra 
elg  a  Ifjyovra  sitiQQtj/iiava  (iqayjrALtrahfACct  eariv,  ov  y£;'^0€- 
rat  QQce  to  ^IJIA  ytal  JHMO^IA  avv  rot  t.  ApoUonius  wider- 
spricht dem,  indem  er  sagt,  dass  die  Adverbia  bald  auf  kurze, 
bald  auf  lange  Vocale  endigen  wie  r^Ac,  oijfe,  tao),  t^io,  eXXrj- 
viait  mit  kurzem,  ay,oviTi  und  'vaijucoTi  mit  langem  Jota, 
p.  0(51  ^rjTtov  ovv  IriQiii  X6y(t)  yat  naql  yQCuptjg  rfjg  dia  rov  i. 
r)  ano  nov  ovoftauov  aifi7ncf)atg  aig  ra  iiiiQQrjfiaTa^  y.ad^^  ovg 
koyovg  idelSa/iiei'  ev  cJ^x^ft:  (p.  530)  jrdrriog  nerd  nov  //a^- 
TTOfievojv  tx^i  yal  rag  yqaifdg  avvvjraqyovaag^  so  drQ£y,ig^  xa- 
}jov,  €vqv,  y,a)2iaTa,  irvurn.  Wenn  nun,  f§.hrt  Apollonius  fort, 
JHM02:[A  vom  Nominativ  kommt,  so  wird  es  ohne  Jota  ge- 
schrieben, wenn  vom  Dativ  mit  Jota.  Diese  Adverbia  kommen 
aber  vom  Dativ  des  Femininums  wie  ovöcxfijj,  alXn  und  raii}) 
und  tf^ÖBy  denn  wenn  diese  beiden  letzteren  aus  dem  Nominativ  ge- 
bildet wären,  so  müssten  sie  «rrij  und  \]öe  lauten.  didwATai 
aqa  (in  7raQd  öortyceg  ai  roictvzai  fTriQQr^fiariyal  jrqofpoqaL  ei 
de  naqct  öortyag,  öriXov  (og  yxd  yeyQaiffezai  ovv  7(^5  «.  yal  ei 
TOVTO,  yal  TO  idicf  aga  yat  drjfiooiff  Ttaqct  doTty.dg,  nal  ovtiog 
ra  iTCiQQijfiarct  yeygdifßeTai  ovv  TtT)  i,  ovx  cog  <prjOi 
T'Qvcpiov  did  TO  fiay.QOv  a. 

In  den  Inschriften  erscheinen  diese  Adverbialformen  mei- 
stens mit  Jota,  so  UfAI  Nr.  lOo,  Z.  13.  205(5,  Z.  7.  20(51, 
Z.  5.  225(),  Z.  8.  22G7,  Z.  10.  2268,  Z.  (5.  2556,  Z.  6.  3049,  Z.  10. 
JHMO:S£A£  2353,  Z.  6.  KOINAl  2554,  Z.  312.  2555,  Z.  9. 
2556,  Z.  47  und  60.  3049,  Z.  10.  KOINH!  2161,  Z.  5.  2267, 
Z.  10.  2268,  Z.  7.  KOINEf  105,  Z.  16.  o.rrj  findet  sich  in  den 
drei  Formen  Onm  2554,  Z.  56.  01IEI  1844,  Z.  16.  OHAf 
2484,  Z.  22,  3053,  Z.  11.  THU  223(5,  Z.  2;  dagegen  FHJE 
2257,  Z.  13.  EKATEPHI  2556,  Z.  77;  dagegen  dreimal  ohne 
Jota  Z.  20,  26  und  28.  HANTH  in  der  aus  sehr  später  Zeit 
stanmienden  Inschrift  Nr.  1080  B  dreimal.  MHJAMHl  in  der 
Inschrift  bei  Boeckh,  Staatsh.  TT,  S.  :536,  Z.  27.  Im  Venetus  haben 
diese  Adverbien  durchweg  das  Jota. 

Ad^Tjvrjot  y,al  Orjßvoi:  tcl  rotavia  rmQQrifiaTa  otv 
T([i  i  yoarpeTai  Et.  Mg.  25,  13;  dann  weiter  19  yQccfperai  oiv 
tqi  i  6iQ  TO  avve^ineoelv  xaig  xoiavzmg  ^lupixaig  douiuxig.  Aus 


J,  La  Boche,  Ucber  das  Jota  subscricptum.  101 

Bfjßaig  und  durch  Ektasis  Q/jßaioi,  ionisch  Qi^ßfjUL  xal  fuvei 
To  1 7rQooy£yQafuvov.  In  der  bekannten  Inschrift  m.  2374  (Chron, 
Par.)  steht  Z.  51,  52,  53,  54,  57,  00,  21,  62  und  öfter  u4@H- 
NHnN  ohne  Jota. 

ßir^q)i.  Die  durch  m  gebildeten  Adverbia  haben  nach  der 
Lehre  der  Alten  kein  Jota,  doch  stimmen  auch  hier  die  ein- 
zelnen Angaben  nicht  überein.  Apoll,  de  adv.  p.  576  TiQoaXig 
öi  xal  TO  hxßeiv  otl  iv  rq)  r,r]cpi  ßiijrpiv''  ohr/Jkvfiog  tj  itaQa-- 
ytxjfri.  sl  yccQ  av  rj  jraQayiijyi]  ovoixelov  ylverai  mpatQeriKrj,  (og 
int  yevixijg  tov  v,  naaaaXoifi  T^al  xaAxo(/)/v,  (og  iic  alzianxfjg 
rov  Vy  de^iov  de^i6(fiv^  aQiavaQov  aqiaveqmpiVy  dodi^aevai  ort 
xai  xara  tov  hoyov  Tfjg  öoTixrjg  v(piaai  to  t,  y,al  Ta  Ttjg  oq- 
i^oyQaffiag  ovTiog  xaTaaTt]a£Tai  öixa  tov  i  yQa(p6- 
fieva.  y.ai  aaifig  oci  to,  7rQoy.elfi6va,  dytoimtsva  t'xovTa  azoixda^ 
jiQffdrilov  iaxB  xal  ttjV  afpaiQeaiv,  tcc  di  tv  Tfj  öoTiy.Jj  ovyl  i^e- 
qtovu  to  I.  oaqtfg  yovv  rm,  xöv  iXleiil'i]  to  iy  ov  TiQodtjXov 
t?€t  Ttp^  VTtoöToXrjv,  Schol.  V  zu  M  153  to  dißlr^fpi  /w^ic: 
tov  i  eOTiv.  Schol.  y  81  läqiOTaqyog  da  to  r]Xt  OfVei'  tov  i  (prjot 
TUi^anaq  xai  to  rjwi  ßirjfpi.  Theognost  Can.  160,  14  jj  ytaTct 
TtTuaiv  yivofievrj  aig  rpi  ejtexTaatg  dia  roi;  i  yQücpaTat  (d.  h. 
am  Ende,  oder  es  ist  diva  zu  schreiben)  olov  aTagtjq^i,  tovto 
ano  evithiag  am  tov  tTtga.  uno  yiviv.rjg  x^^^-öyi.  tni  doTtxrjg 
(paivofuvmi  „C(5t:  q^grjTQf]  cpQrjTQtjfpiv  aQtjyei  (pvXa  di  qvkoig^ 
(B  363).  Ctara.  Ep.  360,  18  n^.Au4MHl(I)IN:  7CQoayQaff€i  to 
i  ix  TTaQaäoaetog.  So  viel  scheint  gewiss,  dass  einige,  wo  die 
Form  auf  ijoni  statt  des  Dativs  steht,  dieselbe  mit  Jota  ge- 
schrieben haoen:  so  hat  auch  der  Venetus  an  einigen  Stellen, 
z.  B.  /  58  yevefjifpiv.  K  30  yMpaXriupiv,  257  yafpaktjKpiy,  4ü6 
K€(paXrji<fiv.  A  350  yLa^akrufpi,  ß  6üO  qaivo^iavriiffi,  2"  341 
ßir^q^ij  an  den  übrigen  zehn  Stellen  ßirjcpt. 

e§io,  TiQOTaQix).  Et.  Mg.  544,  12  xtxAr^'i  amQgrjfta  To/n- 
%6v .  .  .  ax^t  da  to  i  TfQoayayQaftfiavov  cog  aito  öotr^fjg.  to  ftav- 
TOI  TtoQQio  xal  a^io  xol  afpvw  ov  naqa  (Jonxac.  öio  ovda 
jtQoayayQafiftavov  a'xai  to  i.  Et.  Mg.  663,  21  oooi  to  ayyvriQM 
ymI  ayyvTOTw  xat  tcc  o/nota  avv  Tq)  i  ßovlovrai  ygacratrOai, 
aito  doTtx^g  kayouaiv  avTct  alvai.  /xu  kayai  o  EjcacpQodtrog 
Oll  Tiva  Tuiv  ö^/a/wv  avTiyqa  fpcov  av  t({)  i  aiynv  avca 
yayQaftftava.  HQaJTTOv  da  aaci  x^^Q^^  ^^^  /  Tavrct  ygcapaoO^ai. 
kayai  da  6  Taxvixog  ort  at  Ttg  to  a^io  gvp  t^)  i  ygcKpai  a;taidfj 
Ol  ^vQa'Aovatoi  aSot  Xayoratv,  ovy.  fjnyaiQal  y.ahog.  So  hat  auch 
der  Venetus  an  einigen  Stellen  oirmnoi  Z  352,  450.  N  193. 
7iQOTaQiüL  -2"  387.  ^F490,  526.  aKaaicircoi  Ä  113;  der  Lauren- 
tianus  jcQOTaQcoi  A  ^2^  374.  B  537,  864  und  sogar  Txqoiioioiaa 
/'1288.  7caQoiTaQm  i'686.  lycxqtaQiot  B  Hbp,  vgl.  Schol.  f  1 72. 

Choerob.  Orthogr.  281,  17  otra:  ahv  TtJ)  i  ai'd  tov  ioaaha. 
Et.  Mg.  825,  23  wird  ebenfalls  ijna  (ayai  da  to  i)  aus  (üoaiie 
hergeleitet  a/roßoXfj  tov  a  xal  ycQaaai  Toi  lo  /xd  e  loca,  ebenso 
Cram»  Epim.  446 ,  24  und  Et.  Mg.  822,  50  r/W^  ovv  Tqt  i  au3 


lOB  J.  Ln  Rod^y  lieber  das  Jota  sabtteriptam. 

(oaeiJieQ  durch  Ausstofsung  des  a  und  Contraction,  wobei  dad 
I  bleibt  Es  sind  diese  Notizen  nur  angeführt  als  Belege  dafttr, 
dass  ^r€  und  ^)7r€Q  das  Jota  haben,  weniger  weil  darüber  Zweifel 
erhoben  werden  könnte,  als  der  Vollständigkeit  halber. 

TTw  oder  rr/).  Der  Codex  Venetus  zur  Ilias  hat  mit  Aus- 
nahme der  Stellen,  die  von  zweiter  Hand  geschrieben  sind  (P  340, 
^88,  563.  T  220,  3(K).  ß  428),  überall  rc5  ohne  Jota  und  das 
war  die  Schreibweise  der  Alten.  Schol.  B  373  t<;5:  to  vq)  tcoXUol 
arjfiaivei.  ini  ^lev  tov  roiovrov  jxeqiajiärai  y.ai  to  i  avx  Ijf«. 
Am  ausführlichsten  ist  die  Notiz  im  Et.  Mg.  773,  KJ — 53  tio:... 
TovTO  di  o  /aev  ^iroXkioviog  oHvei ,  o  de  ^Hguöiavog 
TcegiOTT^,  Xiyojv  oci  ovTiog  tx^i  r  jcagadooig  .  .  .  to,  xal 
xar^  kxTaaiv  reo  wg  iv  ^iXiaöog  ß"  (250)  „rio  ovx,  av  ßaoilijag 
ava  OTOiii^  ex^ov  ayoqevoig,^  y.al  itaqiünäiai  xaca  ^HQiodiai'ov^ 
TOVTO  di  TO  TW  orjinalvei  jnvTa  (vgl.  Schol.  B  373)  ovoftay  oq- 
S-Qov,  avTcovvfiiav  ^  avvöea/iov  aiTioloyinoy^  tloI  ^tj^ia. 
Die  angeführten  Stellen  B  250  und  354  dienen  zum  Beweise, 
dass  die  Alten  dieses  tco  für  eine  Conjunction  ansahen  und  es 
nicht  mit  der  Dativform  des  Artikels  oder  Demonstrativums 
identificierten.  Gram.  Epim.  416,  6  Tt^r.  arjfiaivei  to  dio^  tuxI 
TregiOnaTai  y.ccra  ^HQiodiavov.  Wenn  es  aber  weiter  heifst,  es 
sei  aus  to  durch  Verlängerung  des  o  in  o;  entstanden,  so  müssen 
wir  annehmen,  dass  der  Abschreiber  hier  das  Jota  zusetzte, 
denn  wer  tco  aus  to  durch  Verlängerung  herleitet,  kann  es  un- 
möglich mit  Jota  geschrieben  haben.  Phot.  Lex.  450  rc5:  x^*Qk 
TOV  i  avTi  TOV  dio,  tm  TreQtaTtw/niviog  dio,  xat  ovciog  avsv 
TOV  i.  Man  vergleiche  ferner  Suidas  IV,  1183.  Schol.  y  134. 
In  Zon.  Lex.  1758  steht  Tot,  ebenfalls  in  Apoll.  Lex.  156,  9 
und  13.  Bei  keinem  der  alten  Grammatiker  aber  wird  ausdrück- 
lich angegeben,  dass  toj  Jota  subscriptum  habe  und  die  Schreib- 
weise mit  Jota  scheint  nur  dadurch  entstanden  zu  sein,  dass 
man  dieses  Wort  als  Dativ  des  Demonstrativpronomens  betrach- 
tete. Der  Lauren tianus  zum  ApoUonius  hat  Tii)  A  334,  633. 
B  15,  183,  247,  335,  389,  455,  799,  873,  889,  1058,  1203. 
r  5,  428,  525,  601,  978,  1107.  J  307,  368,  670,  700,  802, 
1086,  1168,  1206;  nur  A  113  tw.  Der  Wolfenbüttler  Codex 
zu  ApoUonius  hat  überall  rw,  nur  J  802  und  1086  tu  ohne 
Accent.  Merkel  schreibt  in  der  gröfseren  Ausgabe  tw,  in  der 
kleineren  (später  erschienenen)  tCo  und  das  mit  Hecht.  In  der 
Inschrift  Nr.  911,  Z.  4  steht  Till,  wozu  Boeckh  bemerkt:  „sed 
offendit  tamen  in  hac  sententia  illud  t({)  Vs.  5,  nisi  scripseris 
rov",  sonst  habe  ich  dieses  Wort  in  keiner  Inschrift  gefunden. 

^a.  Apoll,  de  adv.  p.  566  ovdk  fiijv  ixeivo  VaTi  naqa- 
di^aa&at,  log  o^ioiov  eovt  to)  Idii^  xal  drjf^ioal(fy  xa0^6[ov]  avv- 
efiTTiTTTei  ovojiiati,  ica&ajieQ  /xd  tcc  7CQ0'K€ifi€va,  boti  ye  fti]v 
7T€qI  T^g  yQctfffjg  fTrtaTrjaai,  el  nat  aiv  tiT)  i  yeyQctil^BTai 
TO  ^d'ovdi  yao  ^  tojv  avTiyqa(fO)v  7t(tQadoövg  i^co- 
^laXiGTO.  acpoQ^irj  ftiv  ovv  FyiveTo  tov  öi'xcc  tov  i  yQa(fia&ai 


J.  La  Rache,  üeber  das  Jota  sabscriptum.  10t 

TO  frQoy.€ifi€vov  i/riQQrjfta  fj  rnv  ^ia  (n'vaXoiq)rj ^  rov  e  xort  a 
iig  fiaxQoy  a  ai'vrjQmieviov,  rjv  ov  naqadi^aiiAad-*  av  xara  TtQcd- 
rov  fiiv  loyovy  xad^ovL  01)  negiOTtaraiy  xal  na^tog  si7tOfi€v,  ozi 
tm  TtQoad-eaig  scttl  tov  i.  xara  de  devTSQov  diaTtOQrjceielv  av] 
uQy  Ttolqf  Xoyq)  ol  ^loleig  zo  ß  TtQoae^rjxav.  /nTjTtore  ovv 
ygarrTdoy  avv  n^  i, 

qifioi  oder  oj  fiot.  Et.  Mg.  822,  34  oiinoi:  ix  tov  oi'fioi 
nara  ixraaiv  vov  0  elg  10  (pfini.  el  ds  yQccfperai  x^^Q^S  '^^^  h 
ylverai  d/ro  tov  10  (Cod.  10)  cu/iiot.  Choerob.  Orthogr.  281,  16 
({ifiOii  dixiog  fx  TOV  oYftftoi  (sie).  Crara.  Epün.  450,  6  toIwv 
d/ro  tov  0)  oifioi,  aal  to  i  ovx  tyu.  Die  Alten  waren  hierin 
nicht  einig:  der  Venetus  hat  überall  cdi^ioi^  so  auch  öfter  der 
Lauren tianus,  z.  B.  r  674. 

#;J«/.  Choerob.  Orthogr.  281,  1  loiai:  avp  r^5  i  ij  /ra^a- 
doaig.  (ice  oxeThaofiov  ioTiv  emQQrjfia. 

III.  Pronomina. 

Dass  Pronominalformen,  wie  Tf/5,  iij,  g,  avr<i},  avrfj^  av- 
T^i  und  ähnliche,  die  der  Declination  der  rfomina  folgen,  mit 
Jota  geschrieben  werden  müssen,  ist  so  selbstverständlich,  dass 
wir  uns  nicht  weiter  nach  Belegen  dafür  in  den  Schriften  der 
alten  Grammatiker  umzusehen  brauchen:  es  dürfte  sich  auch 
schwerlich  einer  dafür  beibringen  lassen.  In  guten  Inschriften 
und  Handschriften  werden  diese  Formen  durchgehends  mit  Jota 
geschrieben. 

Es  konunen  hier  nur  die  Dualformen  v({)v  und  arpqjv  in 
Betracht,  die  bei  Homer  stets  in  der  Diäresis  erscheinen  notv 
und  atf^üiy:  eine  einzige  Stelle  macht  eine  Ausnahme  d  62  ov 
yoQ  a(f(ov  ye  yivog  diroXcoXe  toxtjcov^  all  (O'dQwv  yevog  eaT€ 
SiOTgeq)€wv  ßaaikrjcov:  dazu  Schol.  H.  M.  yjoQig  tov  i  rj  aipiovy 
(og  ^QiGTaQxog  xai  ^Hgiodutvog,  u4/tollu)yiog  di  ev  T^f  Treqi 
dvTtavv^uüv  (p.  110  A)  ygafpei  avrrjv  fueta  TOt  /,  iV  5  devvtQov 
nQOOiünov  yuxza  atnfaiQsaiv.  dll^  ovx  eavi  jtoTe  naQct  TiTt  :roii]T}j 
yeyixi]  xai  dotixrj  ^irj  sxcpwvovaa  xtI.  Schol.  M.  V.  ovy  t<i)  l 
yQaTrriovy  W  t]  atfüiv  dv'ixiog.  Seh.  E  asarjfienoTat  to  atpiov 
irrl  SevTtQov  nqoawnov  lafißavofuvov.  Die  im  Schol.  erwähnte 
Stelle  aus  Apoll,  de  pron.  lautet  „towUto  d^  m  to  „01?  ydg 
a(pq)y  ye  yevog  d/Tolioie  toxtjiov^,  oiteq  idoxei  iirifiefutrov  alvai 
lüg  TQiTOV  7clr^dvvTixov  dixcc  tov  t  yQaq)6/n€vov^  tov  loyov  ctTrai- 
TOvvTog  öevT€Qov '  Tiqog  yaq  avcovg^  ov  neQi  avuov.  Was  in  dem 
obenerwähnten  Scholion  noch  unklar  sein  könnte,  wird  deutlicher 
durch  eine  Stelle  des  Et.  Mg.  610,  2  tovto  yaq  eitaO^oy  xai  r) 
viüiv  xai  ly  aifwiv  xara  avvaiQtaiv  yevo/nevai  vqßv  xai  afffifv, 
iva  dicc  Tfjg  avvaiqiauog  iSafiavQ(od-?j  rj  Tzaqdloyog  Taaig,  del 
yivixHJxeiv  OTL  l^QtOTaQx^g  TO  „ov  yaQ  O(pcov  dnohole  Toxrjcov^ 
{eari  di  ^OfirjQov)  ycogig  tov  l  d^iol  yqawead^aiy  liyiov  ort  tqi- 
jov  TtQoacjTtov  iari  tiov  nltjdrvTixtVy  rj^icoVy  vfuov^  ocfm\  avci 
öivnQOv  dvixov.  avd  yaQ  tov  Offioiv  xiivai,  all'  tOTiv  eluelv 


104  J.  La  Rodte,  Ucber  das  Jota  subscriptum. 

oFi  x^'^Q^^  ^^^'  '  yqctcfBTaiy  eiieiör  ovSt  iroTB  tfj  ye^ 
viKii  y.ai  dovi'/.t]  rwr  dv'ixiov  y.!yot]iai  o  noirnvhg  ei 
/!?;  x«r«  öiaXvaiv^  xoiv  voitv^  otftoiv  (f)fioiiv.  €i  ovv 
ivtaviha  ro  l  elyav^  (jirpeila  y.cctct  öiccXva iv  cli^at^). 
Hier  haben  wir  den  einzig  vernünftigen  Grund,  der  Aristarch 
bewog  diese  Verse  ixx  verwerfen  und  oben  ist  zu  schreiben  fx- 
(piovovaa  to  t.  Verdorben  ist  auch  das  folgende  ro  yaq  Xeyeiv 
Y.al  (djnou'v  y,al  noöoViv  *  //6ra  rot?  /  Xeyei  öiavllaßioq^  denn 
die  beiden  angeführten  Dualfornien  sind  ja  dreisilbig:  vor  juercr 
muss  offioiv  ausgefallen  sein,  welches  bei  Homer  sonst  nur 
zweisilbig  vorkommt,  und  der  Sinn  ist  „ebenso  wie  die  Gene- 
tive des  Duals  jtoöouv  und  idfioii'v  stets  nur  iv  diaXvou  vor- 
kommen, so  ist  auch  oqKoiv  immer  zweisilbig,  dasselbe  was 
in  dem  anderen  Scholion  ausgedrückt  ist  durch  ro  yaq  afpioiv 
ovx  ^O/arjQiyiidg  fiovoavllaßcog  e^rjvexO^rj.^  Dass  Aristarch,  aufser 
bei  Homer,  die  einsilbigen  Formen  gelten  liefs,  sehen  wir  aus 
den  Worten  „i/iiTt^deg  de  liqlaraQyo^  dO-eroifiivioy  ziov  arix^v 
'Aal  ar€v  xov  i  iXaoe  ttjv  yQCtq^^rjVy  %va  xa«  xovio  noog  zijv 
ad^hrjaiv  Xaftßavrj.*^  Apoll,  de  pron.  p.  113  ai  re  yeviicac  avcüv 
(von  Vi!)  und  aq^io)  exXoycog  dia  rov  l  yQaq^ovrai ,  er/s  TTctvvog 
dvi/Mv  ev&€ia  fiiv  tv  eyei  (pcjvrjiVy  yeviy.ij  öi  dvo^  cor  to  Ö€v- 
T€QOv  i.  aXXa  nal  TreQiOTraod'rjaovTat,  €iye  ra  o^vvova  twv  dvi" 
y^y  [^ovoavlXaßa  ?]  TiegiaTtavai  ytaza  ysnxrjv. 

Auch  die  Formen  des  Nominativs  und  Accusativs  wurden 
von  einigen  mit  Jota  geschrieben.  Et.  Mg.  609 ,  39  yw :  a/ra^ 
iXQ^fi^^i^  Torrrjy  rfi  leSet  o  /lom^irg  iv  TJj  Odvaaeitf  (o  475) 
xcft  iv  Ikiadog  li  (219)  .  .  .  ort  ro  v(o  y.ai  ro  0(po}  avy  Ttiß  i 
Ttvig  ygarpovai,  Xiyovvtg  airn  rnv  vioi  xal  Offtoi'  yiveaO^ai 
xara  acvaiQeaiv  rov  (o  y.ai  i  elg  rrjv  (t)  öUpl>oyyov.  alk^  rj  naqa- 
doatg  ovx,  olde  ro  /  iyxelftevov.  tri  yaq  xara  avptOTifjv 
Xiyovai  x^^Q^^i^  ^^^  '•  «^^«  leyet  6  rfixwxoi;  (Apoll,  de  pron.  112), 
(in  €l  ano  xov  vtxü  y.ai  Oiptoi  ovrexo/rrj^  lofpeile  /regio icccoO-ai. 
alXoi  de  Xtyovaiy  to  vcj  xal  orpco  ov/,  lyivexo  ano  xov  vtoi  xal 
a(piüi\  aX)M  y.ai  xaiia  eregcov  ^e/naxd  eiat,  leyei  de  6  re^fwxosN 
or£  a/ro   roi;  vioi  xal  aipioC  yiyove  y.axa   ot^'xo/riyr  xov  i  xal 

')  Die  ähnliche  Notiz  in  Zonaras  Lexikon  p.  1411  muss  folgender- 
mafsen  gebessert  werden:  „v(;ir  x«i  amlivi  avv  rt^  t,  djid  yao 
Tov  rtatv  x(d  (Tr/wi'r  yiyove  xtcrd  avva(()tat.v  rov  m  xaX  i  etg  n)y 
((t  (Cod.  w)  6{(rd-oyyoVj  aXltog  J^  nnaa  öoTi.xri  i/il  nnvrog  fC(fithuov 
TO  /wr«  ?/«*.  ^QfaTKQ/og  J^  ttko^  'Ourjotij  {Cod.  "Ouij^og' ^t) 
jjfwpJi'  TOV  i  (l^wt  y()(affad-((tf  Xfyon'  (in  tqCtov  TTQOOtojrov 
iarl  T(ov  nXrjO-vvTixüiv  (Cod.  toi«  nooatüTin  tial  xoiv  Jiuihivi- 
xwr),  Vf^fin'j  vuMV,  aifior.  [to  cf^  m/wr]  iarc  i^ftvT^QOv  tfvixov  (Cod. 
iIvtI  Tot»  (fi'o,  (fv'ixor),  xtiiav  [;'«o]  uvt\  tov  orr/wtV.  dXX'  iaxiv  ft- 
neh'  [oTi]  /(oolg  tov  i  y()(((f6Tat. ,  (ntu^  omUnoTi  rtj  yfvtxjj  xnl 
TQ  öoTLxTji  [tü}v  ^vixmv]  xfyQrjrnc  6  TroirjT^g  fi  urj  xrcTtt  SinKvaiVy 
olov  Toiv  Toi'ii'y  (üuoiv  w/iofci'i',  (iXlt'ßoiv  dXli^loüy.  fi  ory  (p* 
Tavd^a  TO  i  tl/jv  (Cod.  f;^6/),  nuelXe  xktcc  övdXvaiv  ilvtu.  Die  An- 
gaben in  dem  Lexikon  des  Zonaras  «ind  vielüach  durch  Abkürzun- 
gen entstellt.  > 


J.  La  Boche,  Ueber  das  J6ta  ätibscriptum  lOS 

o^Lvetai  dvaloyiog.  xai  yaq  %o  ir  Toig  dvinolg  (o  aTto- 
avQiweTai  Ttjv  TteQiafcvD^iivr^v  raaiv,  Apoll,  de  pron. 
p.  110  ai  Idmxat  xctva  Tr^v  ev^siav  o^vroviog  aveyviaa&mop 
Ttofct  %ifi  TTOimn  xal  anaai  TQCcyiTMiig  t€  nat  Tfno^u%oig^  ai  re 

IV.  Conjugationsformen. 

ßo^g,,  ßo^.  Gram.  A.  0.  II,  311,  5  7cav  ^mia  slg  oi  X^ov 
tfu  TO  d€VT€Qov  /iQoawTtov  öicc  diq>d^yyov,  olov  Xiyio  liyeig, 
tojmo  xomag.  mal  %o  ßmo  ovv  tx^i  to  devteQOv  dia  Ttjg  ai 
ßoq^g.  nai  to  iäv  Xiyyg  fiera  tov  i,  xot  to  iav  d(p,  dc/i^,  o^ioiiog, 
dieses  d(fi  ist  nicht  erste,  sondern  dritte  Person.  Der  Grund 
djdur  dürfte  wol  der  sein,  dass  das  Jota  der  ursprünglichen 
Endung  w  zurückgetreten  ist,  wie  in  Teviu}  tbivm^  aj^evUov  a^iBi- 
nay^  iaai  sig^  wrfli  (prjg.  Et.  Mg.  637,  #3  to  ^iv  ovv  ivteleg  tov 
iyeCTWTog  fxXTiv  idij  i^g,  if  ^ieza  tov  i.  tov  Si  TraqaraTixmi 
«Iwy,  €iag,  €ux  ov  fiera  tov  i  .  .  .  ei  di  iveoTcog  iaTiv  aei 
TtiqiaTtmm  tuxI  avv  t(^  i  yQafperai.  Auch  die  zerdehnten  For- 
men des  Indicativs  haben  das  Jota,  oQcufg,  iatf.  Et.  Mg.  201, 46 
ßof  ai)  nuxi  Ttsi^  ov.  €X€i  to  i  nqoay&yqa^^ivov.  to  öi  ßoav 
xoEt  yeXäy  otTtaqi^ffxxra  ovk  exu  to  i  TTQoayeyQa^^ivoy,  (iu 
auo  TOV  TtaQOTOTixov  yiyove  tov  ißoa  nuxt  iyihx^  xctt  6  jcaga- 
tomiKog  ovx  ex^L  to  i  Ttqooyeyqa^i^ivovi  etwas  wahres  ist  daran, 
da  ßoav  nicht  aus  ßocieiv  entstanden  ist,  sondern  aus  ßoai^iev^ 
ßoaev  und  daraus  ßoav  wie  aus  ißoae  ißoa;  denn  wäre  das  i 
in  der  Infinitivendung  wesentlich,  so  müsste  der  Infinitiv  von 
xqvcfo  nicht  x^*aotiv,  sondern  xQ^'^oiv  lauten,  nach  Analogie 
Yon  XC^^^^S  zpvöToI.  Et.  Mg.  419,  53  ra  elg  v  XrjyovTa  ^rj^aza 
nv  ^dXßi  Ixeii'  tiqo  tov  v  tI  avenupiovrjfzov^  olov  ßoav.  Die  guten 
Handschriften  folgen  den  hier  angeführten  Regeln;  in  den  In- 
schriften kommen  derartige  Verbalformen  äufserst  selten  vor,  so 
Nr.  2374,  Z.  64  und  82  TEAEYTAl.  2477,  Z.  24  EnEPQ- 
TAL  3797,  Z.  5  EPEYNAI,  dagegen  1888,  Z.  5  lENNA 
und  2239  E20PA2. 

Cram.  A.  0.  11,  311,  9  nav  ^rjfia  elg  ^tai  Xrjyov  ixei  to 
itvreqov  irQoaümov  elg  i  Xxf/ov  •  oipo^iai  oi/zw,  TVTtTOfiai  tv/vt rj, 
Uyofiai  liyij.  Et.  Mg.  484,  30.  Et.  Gud.  *290,  40  fu^vr^fiai, 
,  liffAvrflai  und  ionisch  ^i^vr^ai,  daraus  durch  Krasis  /if/117?.  xai 
utvei  TO  t  aveyuptjjvrizovy  so  auch  na^vj,  dvvfj  nach  Clioeroboscus. 
Schol.  X  221  dauv^  (ig  miQVf  . . .  daf^vcH^ai  cog  nei^^ai  ytetQ^ 
iuäo  yeqaiÄ^  (ß390)  %ai  ixiptovov/nevov  tov  i  wg  to  övvai 
(Vind.  133  övvif)  rtaf'  'ATTixolg.  Das  ganze  Scholion  ist  ver- 
dorben und  dürfte  das  richtige  kaum  mehr  herzustellen  sein. 

q}^g  und  yijg.  Cram.  A.  0.  II,  311,  11  ovöh  tiov  dg  ^ 
ir^aTwv  fnl  devTtqov  nQoaioirov  exei  to  i  •  Tid^tjfii  rl&ijg ,  öl- 
mgy  TtXijv  TOV  (pvi^u  q^r/g  (nicht  y^$  wie  die  Handschrift  hat, 
denn  das  wäre  Conjunctiv).  Cram.  A.  0.  IV,  349,  10  nai  aito 

Zeitschrift  f.  d.  (Vsterr.Oy ran.  1865.  Tl.  o.  III.  Heft.  8 


108  J*.  Jjn  Boche,  Ueber  das  Jota  sabseripinm. 

rov  ifri^l  de  t6  devregov  nQOGüßnov  gnjg  wweiXey  Avat  X^Hl^ 
%oiv  ij  TQonff  Tov  fii  sig  o,  aXX^  rj  naoaooGtg  üvv  ry  t 
oldev  avTO  yeyQOfifiivoVy  olov  qn^  (Cod.  9^),  tag  iv  vp 
dQd'oyQaq>i{f,  ei  d-ew  tpilov ,  fiadr^uofieS-a ;  ebendaselbst  36^ 
ly  To  9>275  otm  olöev  o  LkTtolXtJviog  avv  t^  i  yey((afifidvaif. 
Tf  fiivTOi  ftaQctdoaig  xal  6  ^Hqodiavog  avv  t^  i  oidev  ctvro 
yeyqafi^ivov ^   wg  h  t^  oqd^oyqawlffy  (og  ^€^  q>iloVy  ua^Tj- 


GOfi€^a.M.  Mg.  791  wyg:  eig  ro  p^.  dal  yinoaxeiv  öri  tö  »91^ 
TOVTO  ycaxiOTOv^  («391)  ivearwc  eari  devriqov  TtQoawnov  %al  cw 
%w  i  yQawerai.  xcd  oaov  xara  avahyyiav  orx  wq>Bikev  e%Biv  ro  «. 
Tcc  yaQ  eig  fii  rgon^  tov  fit  eig  a  to  öevtegov  Ttoiovaiv . . . 
aXka  xara  laTOQiav^  ^ow  xorra  Ttagadooiv^  i%ei  %b  i 
TtQoayeyQafifiivov.  Für  die  Feststellung  des  Begriflfes  der  Para- 
dosis  namentlich  in  ihrent  Verhältnis  zur  Analogie  und  zur 
Schreibweise  der  vomehnftten  Grammatiker  ist  diese  Stelle  von 
grö&ter  Wichtigkeit.  Cram.Ep.  432,  25  g>rig:  t6  q)ig  ov  do^at/u 
o  tex^LTLog  (Apollonius)  avv  t(^  t  yQaq>€iv,  17  ^irtov  Ttaqa- 
doai^  oldev  airvo  avv  t<jJ  i  yqaqK^fiBvov.  eaxi  de  oltzo  Tc3y  üg 
fit.  ov  TceqiaTtoTCLi  yaq,  ta  yaq  ano  Tiov  eig  fit  devTeqa  nq/oo- 
WTca  ivearwTog  xoovov  ov  TtegiaTtärai  (cit.  qnjg  E  473.  eig 
0 150)  TO  de  y^Tcvig  otj  ^]g  noXifiOio  fte^iiiiev^  (Jobl)  TtemaTcm- 
uevov  ^lioviiwv.  Herodian  zu  P  174  og  ri  fie  wrjg:  a^uü  6 
u4axaXü}viTT^g  avayivoKJxeiv  öiaviXaßcjg  (fi^  aqnK;)  int  ao- 
Qiaxov  xQovovy  6  fihroi  l4le^l(av  (lovoavilaßcog  im  ivearw' 
Tog  XQOvoVy  dio  y.al  avv  t(^  i  yQaq>ea'9^ai,  tovto  de  anauä  ^ 
diavoitty  xaycj  de  avy%ai:at lö-eixcii,  dio  h  tv  avwa^u 
iyxXiTeov.  ogvverai  yaq  ini  evearahog  XQovov,  Heroa.  zu  tj  239 
TOfffg  (Cod.  (png)  oze  avv  T<p  i  yQaq^erai,  heaxmog  iavi  wu 
o^verai,  ore  de  avev  tov  t,  Ttagaranyiog  iariv  ^laxiig  (d.  h. 
ohne  Augment)  ix  tov  eq>r)g  yeyovtog  not  TceqiaTtaTai.  Zon,  Lex. 
1805  (pfigi  IkqiOTaQxog  neoian^  iv*  fj  in  xov  eg>T]g.  dio  tuu 
X^Qig  rov  i  yqaq^erai.  atjfiaiveL  de  to  eleyeg  (Cod.  Jieyeig).  ygg 
(Cod.  q)fjg)  avv  Tip  i.  qitjfxty  (pr^g  (Cod.  y^)  ex^i  to  i  xa5 
iaTOQiav  rjyow  xara  Ttaqadoaiv  Tore  yaq  xy  \aToqlif  XQ^ 
^e^a,  TjvUa  ti  xaira  Ttaqadoaiv  yqa(petaiy  äa^eq  to  axeiqwv. 
^qiaxaqxog  de  to  (ffjg  Tteqian^  nai  to  i  ov  yqa(pei.  Xiyei  yaq 
iav  elxe  to  i,  iveOTUig  ljq>eiXev  elvai.  Dies  ist  sicher  aus  Hero- 
dian zu  E  473  geschöpft:  dort  ist  der  Venetus  von  zweiter  Hand 
geschrieben  und  hat  keine  Scholien.  Eustath.  p.  1378,  18  führt 
ebenfalls  cp^  als  Präsens  und  (pvg  als  Präteritum  an,  schreibt 
aber  rj  239  q>yg.  w^fjg  als  Präsens  nahen  also  Aristarch,  Herodian, 
Alexio  und  die  raradosis;  Apollonius  nach  der  Analogie  der 
übrigen  Verba  wTjg  ohne  Jota,  jp^  als  Präteritum  eben&Us 
Aristarch  und  Herodian  und  gewiss  auch  die  anderen,  da  nir- 
gends eine  abweichende  Schreibweise  angeführt  wird.  Bei  Homer 
ist  wfjg  zu  schreiben  E  473.  1]  239.  §  117,  sonst  qmg  J  351. 
fi  265.  P  174.  a  391. 


Jl  La  Batke,  Ueber  das  Jota  sabecriptani.  107 

Augment.  Bekk.  An.  804  nahv  ai^diip&&yyoi  al  Toalg 
HSTOT^ftavcip  elg  tov  jtaQarccTiiioVy  al  de  aXXai  ar^Tttoi  emi. 
(pllAi  di  Ti  ai  diq>&oyyog  '%qinei  yccQTo  a  elg  tl  oiov  alaxvvofiaiy 
fflXwopirpfy  aiSov^ai  ydov/irp^.  atrcS  movv.  tmu  tj^  av  diq>9'o/yog 
tfd7€€i  wxl  avri]  to  a  elg  fj,  otov  ctuMo  mlovv,  avxcS  rjo%o\)v.  mu 
fi  oi  ditp&oyyog  vqinet  to  o  elg  t6  oi,  otov  ojxof^ai  ^OfirrVy  oXyta 
(pyoyj  OiTua  f^ovyy  olxoöofxdi  (inwdofiovv.  cXri^  di  tj  oi  oig>d'oy- 
yog  diq>oqä%aiy  xai  nori  fiiv  qwloTTei  iv  %(fi  TtaQOTotTiTUfi  {xai 
h  rä^  iveajwi)   (ig   to   olvoxoü   olyoxooyp,   oiwvl^ouai 
oUayitiOfÄtiVy  olxovQw  o\%ovqow.  Ttakiv  to  oi^  ovoowy  ovifio^ 
doo^a  (woiodQO^ow^   eiiffio  elQyoVy  ehLovit/u}  eUovit,ay^   elxaKfa 
eixaKop.  Oi  de  lAvuixoc  öia  tov  rj  xcd  tov  i  olov  ^xa^ov.  Gram. 
A.  0.  n,  310^  13  loTiov  ort  Totvra  tcc  ^rj/dccra  ovx  evqexpav  Ttiv 
di€^9i>yyov  avTwv  iv  Tolg  na((ff%riiihoig.  olov  olanl^w  oia- 
^ovj   olovl^ofiaii?)  oloviKofAtp^^  oioi4ai{?)  oiofAfp^y  oivä 
Oivowy  olvi^u  oYviyov,    olfidi  oifxow,   dia  to  i7tig>^Qea&ai 
ipüiv^y  ov  TqtTtei  Ttjv  oi  dltf^&oyyov  iv  TcXg  na^x^^^oig  dia 
to  Tuxxocpojvov.    Am  aosfährlichsten  ist  die  einer  angeblichen 
Schrift  Herodians  (^£Oi  tov  fieyalov  öi^ocrog  entnommene  Notiz 
in  zwei  Wiener  Handschriften  Nr.  172  und  271  noaa  elal  ^y- 
fioira  fAfi  TQinovra  Ttjv  oi  diq>9x)yvov  elg  (fi;  ^vöexa.  olw  (2(1 
lovfÄCUy  d.  h.  ot(n}^ai)  ol(odT.  to  iuovcidT]  {A  401),   oifid  di" 
fifjaep  {(o  538)  to  t^gfimev,  oivü  oivowy  oivi^(o  olvijCov  (H472 
(Äntjorrojy  oiotqü  oi(rTqovVy  olo)vlCofiai  ouoviCofXfjv ,  ol(o- 
voGTuoTcCi  ohavooKonovVy  oloßvoTtokü  olatvOTZolovVy  olaxlC(o 
cicnuCiov,  olanovofiw  olcnwvouovVf  olaxoaTooq>(a  olanoaTQO- 
(fovp.  Tivig  di  TtooCTiS-iaat  xcu  to  oldalvo)  oidaivov,  olxovqd 
(AxovQOw.  olu(oK(o  olu(oKov.  Tuxi  dictTi  TotvTa  ov  Toenovai  to 
Oi  ug  (fi;   fj  Oi    agxavictv  rj  Oi     I(aviw)v  e^og.   Oi  yaQ   lijveg 
TfoXkonug  awaQXOfdivovg  noioikji  Tovg  TiaMfixtj^iivovg  TÖig  Idioig 
iveoTÜai.   Bei  Homer  kommen  folgende  Verba,  die  mit  oi  be- 
ginnen, im  Präteritum  unaugmentiert  vor  oldd^rj  A  401.  ot- 
[ixiae  X  140,  308,  311.  (o  538.  olvil;ovTo  H  472.   ©  546. 
oivoxoei  Ab98.  o  401,  so  Aristarch,  Aristophanes,  Zenodot, 
Antimachus  und  die  Ausgaben  von  Argos  und  Massilia.  oixveaxe 
E  790.  O  640.  Immer  augmentiert  sind  olxi(o  {B  668.  ä  116. 
F218.  i  200,  400),  olxTelQO)  (A  SU.  Hb.  «F534),  olfid^w 
13mal,^o  t ;e  oft a i  40mal.  Et.  Mg.  820, 14  (fiyov  uvv  T(fi  t.  Zon.  Lex. 
1881  (fiy(nf  avv  T(fi  i.  ano  tov  oiyw,  to  avolytOy  eyevero^  xal  TQonß 
TOV  o  eig  (o.  üorteq  oixofiat  (fiX^t^^i^y  ^^^^-^  (fimw^  \oYy(ji}  (fiyov\.  tov- 
TOV  TO  öevregov  jtQocumov  (^eg,  xat  (fiye  to  tqItov.^  Choerob.  Or- 
thogr.  217,  §4  „vofiev  (ig  exelevaccg^  (x  251^  ajtd  tov  eYcj  tov 
noQevofiai  Tqonr)  tov  e  elg  ru  xai  tx^v  xai  to  i  Tt^yeyga^-^ 
fiirov.  Cram.  A.O.  II,  373,  28  ^eaav  xal  nqoaijeaav:  to 
9ifia  eita  dia  Ttjg  ei  di(p&6yyov  xai  dia  tov  i.  ix  tov  ew  to 
noQevofiai  xai  7tXeovaa^(fi  tov  i  eicoj  6  fiilhav  eiao),  6  iiaqa- 
Ttsilievog  «Ixa,   6  fiiaog  ela.  xoivtig  fiiv  diä  di(pdoyyovy  IAtti- 
tüg  de  dta  Tot  t/.  oi  yaq  yitriMol  to  e  T(av  Jta^xw^^^^  ^h 

8* 


110  J.  La  Bodhe^  Ueber  das  Jota  subscriptom. 

da^vfjGij  Sidoniuß  dafivnai.  Et.  Mg.  247,  11  „t(p  dafÄvnai  üti%ag 
avdqütv^  (E  746.  0  390.  a  100)  oltd/viog  (Cod.  ciSrjQog) 
avev  Tov  i,  o  de  l^QiaraQXog  avv  T(p  tj  ro  fiiv  ano  rab 
ia^vri^i  {E  893),  to  ob  ccTto  tov  da^ivw  vnatcncvixov.  Aristardi 
fasste  somit  da^vQOi  an  diesen  drei  Stellen  als  Conjunctiv  auf: 
0  401  kann  er  deshalb  doch  dafÄvrjai  geschrieben  haben ,  wie 
wir  es  auch  an  den  drei  anderen  Stellen  thun,  da  zum  Con- 
junctiv gar  kein  Grund  vorhanden  ist:  der  Venetus  hat  überall 
daixvr^iai.  Et.  Mg.  431,  34  fja^oi:  eariv  oQiaTiyiov  wu  i  oi 
7iQOoyQaq)ovaiv.  ei  de  iaziv  vTtoraxTiTwv  /dera  tov  i  ygifperai... 
YXti  xo  fjg  OTB  fiiv  iariv  o^otiyjov  ov  fC^yQwpetat^ro  £,  ot€ 
di  vnoraxTixoVy  ex^t  %al  xo  i,  ^av  w,  iav  gg,  iav  rjy  xai  xa* 
inev&eoiv  rijg  ai  ovHaßrjg  yivevat  jiai. 

Bei  Homer  kommt  noch  eine  andere  Zerdehnung  dieser 
Coiyunctivformen  vor,  worüber  Spitzner  im  ersten  Excurs  zu 
jB  34  {avrr]^)  gehandelt  hat :  was  dieser  darin  über  die  Lesarten 
des  Venetus  sagt,  ist  nicht  ganz  richtig.  Der  Venetus  hat 
q)avvir^i  mit  doppeltem  Jota  T375  und  Y  64;  av^ttj  B598, 
wo  aber  der  Codex  von  zweiter  Hand  geschrieben  ist;  Swim 
Z  527.  X  257.  ß  529,  sonst  dmTj  H  81,  292,  397.  ©  287. 
/  362.  n  88.  V  661.  fl  531, 581.  Anstarch  schreibt  Ä' 73  qxxpnrK 
das  Scholion  hat  weder  Accent  noch  Jota.  T  27  oaTvim^  Z  432 
^fjfr^i  auf  q>av€iv  ii  417  ist  nichts  zu  geben,  da  dort  der  Codex 
von  zweiter  Hana  ffeschrieben  ist.  Et.  Mg.  787,  26  qfavtjjj: 
A-QiaxaQx^g  ^^^  oi  axQißelg  ygafÄ^axixol  vjtoTCcuTin 
xov  avzo  exovaiv.  b'oti  yaq  ij  fieroxv  gxxveigy  (pavevzog^  iop 
fpccvrj  aal  TtXeovao/iifp  xov  tj  qxxvrjjj.  Seh.  F  436  dafiaad'vg: 
lAQiOTOQxog  da^elrfi^  es  wird  aber'  hier  wol  zu  bessern  sein  oa^ 
^irjTfiy  da  alle  übrigen  Angaben  darin  übereinstinmien ,  dass 
Anstarch  qjrjTj^  ar^T^,  9^^^  ^^^  die  analogen  Formen  mit  zw^ 

3  geschrieben  habe.*  mn  finden  sich  aber  einige  Notizen,  in 
enen  von  einem  zweiten  Jota  die  Bede  ist,  wie  es  auch  der 
Venetus  einigemale  hat  Choerob.  im  Et.  Mg.  73,  43.  Cram.  A.  0. 
II,  344,  33  äXioiri:  del  yivcia^iv  ozi  xo  ak(fir^  ^X^^  ^^  ^S 
TtaQaXr^yovatj  xo  i.  saxi  yaq  f.av  alqi  (sie),  iay  äXi^g^  iav 
aXq),  xal  xaxa  nXeovaa^ov  xov  ?;  yivexat  iav  alf^tj.  e'xo/dev  yoQ 
TcoXka  xoiavxa,  olov  iav  oxy  (sie)  iav  oxf^y  iav  oxfjy  ncal  iop 
Oxrir^j  olov  „oxr:rj  ijt '  coxvqoii)  TtoxaiiKp^  (E  598)  xcrt  Ttaliv  iay 
<jpc5,  iav  (ffjg,  iav  [yw  xat  iav]  qjjr^,  log  na^a  Ttotrp;^  iv  xn 
'Odvöaeia  {X  128.^  xp'ilb)  y^fpm  ad-rjQrjloiyov.*^  dvvaxai  de  xo 
iav  (Coa.  iv)  ahln^  fiij  exeiv  eig  xo  (o  xo  i,  alX^  elg  xo  j,  Tva 
eiTtco^ev  avxo  ano  xQiovllaßov,  olov  aixo  xov  iav  alioio,  iav 
aXwrjgy  iav  aldrj.^  dU.^  iiretÖTj  etat  noUa  iv  xf^  TiaoaXnyovat] 
e'xovxa  xo  t  xai  ano  yrXeovaofiöv  xo  i^,  olov  oxyr]y  qnji],  oeinw' 
xai  oxi  aal  xo  aXi^orj  iv  xf]  naqaXrjfyovarj  exet  xo  i  xal  ano 
nXeovaofiov  iaxi  xo  ry.  Cram.  A.  0.  II,  427,  12  alioiTj  (sie): 
nXeovaoftog  iaxiv  xov  jy,  wg  öfty  dqkjiy  7cXeovaa/noß  xov  rj  dt^ 
oiv.  Aehnlich  wie  im  Et.  Mg.  smd  auch  die  Angaben  bei  Suidas 


J.  La  Bothe,  üeber  das  Jota  BabBoriptiuii.  Hl 

I,  242, 15.  Zon.  Lex.  138  imter  ält^.  Eustath.  zu  «  394,  p.  1545 
to^de  qKxvufi  xtva  %&v  dvTiyQaq)ü)v  iv  dvalv  ^a  yQaa>ovaiv 
&'  g  wayy  wd  xara  Tth^ovacfiov  qfavTjrj  (ohne  Jota).  Et.  1^. 
106,  52  avrjrj:  „wr*  av  ae  fjuXiq>^(av  vjivog  dvriT]^  {B  3^. 
tnjfiaivei  xaTaliTttj.  iariv  avwy  dvg  VTtoraxTixov  ^  TtleovaCfi^ 
%av  fj  cnffpr^.  Dagegen  Cram.  Epim.  2,  4  av^r^Li  „evir'  aV  ae 
fiekiq>QU}v  vnvog  ccyrifj.^  ^Vf^^  inoTOLYxvMv  twv  eig  ^i.  dvcSy 
ctv^j  dvfjj  'Mtl  TtXeovaanifi  xov  tj  7toimiyu5g.  cjg  ro  OTcci,  orfjg^ 
(rn^g.  Yiverai  cmjij.  Cram.  Ep.  430,  17  (pavriTjii  „(og  d'  otav 
doTtaaioq  yfj  vrjxofiivoiai  q>avrifj"^  {tp  233)  .  •  .  iav  cpavy  nuxi 
ftleovaafiip  Tov  Tj.  wg  to  atfj,  OTrjj],  qpd^  vV^VV  o(}€^dfievog^ 
(^805).  Tuxl  ßfjJfißrTj  fiaXa  tovg  ye  (pllei''  (iT94)  . .  .  avx 
im  TQiTOv  di  ^ovov  nqoatanov  tovto  evQiaTierai  „at  xe  fiev 
awa  cxT^j7g"^  (^30).  j^^r  Tidid^  oQqHxvixop  ^^yg^  (Z  432). 
eOTi  Si  yuu  äilo  vttotoktixov  iav  (Jc3,  d^,  d0.  dva  iydvero 
jfdtaf]  DUXfi^onrpf^  (X257)  TCijoaekd'ovTog  tov  tj.  xal  iav  ahp 
akunj,  OTi  di  VTtoTaxTixov  ioTi  t6  dwri  xal  aMirj  d^Xov.  röig 
vmnax^ixöig  nqoaiqx^^^  V  ^^  ovJULaßv  „ix^vg  hg  x«  (fdyifiC*^ 
(<D  127).  „lafiTTQOv  TiafiwaivTjaiv^  {E  o).  yeyovev^  ovv  diarjOiv 
„ai  Tuv  Zevg  ödtjaiv  ^OlvfiTtiog*^  {M  275).  drjXov  ori  vTtacaxzi- 
MV  ioTi.  ^rjzelTat  di  Treql  rot  iwra  tzotbqov  xara 
fiiatjv  Tfjv  li^iv  fj  iTtl  ziXovg  Ganz  unrichtig  ist  Cram. 
A.  0.  IV,  392,  27  a/ro  tov  dog  (sie)  dovrog  yiverai  doirpf  tuxI 
Tuna  exTaaiv  tov  o  dtfiiqv  TiQoayeyQafiuiyov  tov  i  „Sfprj  xvdog 
doiadixi^  (iT88).  Man  sieht,  dass  die  byzantinischen  Gram- 
matiker nicht  mehr  Ynissten,  ob  das  Jota  in  die  Mitte  oder  an's 
Ende  gehöre,  ob  aTrjtj  oder  oti^tj  zu  schreiben  sei:  dass  es  als 
Flexionszeichen  unter  das  letzte  j  gehört,  ist  unzweifelhaft.  Im 
Venetus  herrscht  ebenfalls  diese  ünentschiedenheit.  Die  Stellen 
bei  Homer,  wo  diese  Subjunctivformen  vorkommen,  sind  Z  432. 
JI  96.  X  301,  341.  o  51.  t  403  d'tjr^g  und  ^r/ff.  l  128.  ip  275 

J>^fj,  £598  OTtj^.  P30  OTrjyg/r^töe  dafi^r^g:  M403  hat 
erVenet.  dafxenqL^  ebenso  x'246,  an  letzterer  Stelle  ist  es 
Conjuncüv  und  muss  da^m  geschrieben  werden.  T  375.  Y  64. 
X  73.  ß  417.  €  394.  i// 233  (favrui.  T  27  aaTtrjt].  JT  94 
ifißfjlj.  iT861  g>^firj,  dagegen  ¥^805  (p^^oiv,  so  hat  wenig- 
stens aer  Venetus  und  nach  ihm  die  neuesten  Ausgaben,  in 
Cram.  Epim.  430,  21  lautet  die  Stelle  q>9m  oQs^dfiavog.  diur^ 
aufser  den  oben  erwähnten  Stellen  noch  ^  216.  ^  86.  o  87.  v  29l 
(p  338.  X  253.  aliin  /592.  ä  81.  P  506  (hier  hat  der  Venetus 
alcotr^  von  zweiter  Hand)  und  1 133  als  Variante.  Das  im  Vene- 
tus bei  einigen  Optativformen  beigeschriebene  Jota  hat  keine 
Berechtigung,  so  z.  B.  K  368  cpO'ahji,  JI  568  tu]i.  Y  121  naq- 
aTalfjt.  M  403  daheim.  Q  565  Tlaitji.  H  625  doirjcg.  V  487 
yyoir^ig.  üebefr  die  Opiativformen  diinj,  yv(i)ri,  dlqnj,  /reQiJtaKrn] 
u.  ähnl.  vgl.  Lobeck  zu  Phryn.  S.  344  und  346. 

Von  allen  diesen  Conjunctivformen   kommen  in  den  In- 
sduriften  nur  die  gewöhnlichen  vor,  dabei  steht  meistens  das 


113  J.  La  Roche,  Ueber  das  Jota  sabscriptiun. 

Jota:  SO  Nr.  70  b,  Z.  2  AI^E^QEI  avü&r^.  76,  Z.  7  nFABEI 
nga^tj.  93,  Z.  12  u.  15  ESEAGEL  2155  YnAPXEL  2338,  Z.  4 
SYNTEAEI  avvraL  2353,  Z.  15.  2483,  Z.  14.  2484,  Z.  14 
.yOHE/.  2374,  Z.  34  ASlii2EL  2953,  Z.  2  EHAPEL  Z.  4 
AnOKPYVEL  3044,  Z.  37  KATASEL  Z.  39  nOIHSEL 
2266,  Z.  12  KATA2TH:SEI,  in  derselben  Inschrift  aber 
Z.  6  JOKHL  Z.  15  2YNTEAE2@HL  JOKIMAIBHL  Z.20 
EHANIEIAHL  213,  Z.  13.  2161,  Z.  16  NIKH2HL  1570  a. 
1845,  Z.  114,  140,  143  JOKHL  1118,  Z.  9.  2556,  Z.  29  jBXH/. 
2161,  Z.  13.  3059,  Z.  7  £//IH/.  1570  a  KYPÜBHL  SYNTE- 
AE^GHI.  HL  1118,  Z.  13  HAPEXHL  2161,  Z.  13  EnEPQ- 
THIHL  EniVHOI^HL  2265,  Z.  16  HAPABHL  2554, 
Z.  49  EAQHL  Z.  84.  2555,  Z.  8  JOBHL  2556,  Z.  50  AJl- 
KHIHL  MKA:^HL  Z.  62  TEGHL  3059,  Z.  7  HPOGHL 
EnnFH0I2HL  2569,  Z.  13  TlMAl  Tifi^.  82,  Z.  20  ^/z/fl/. 
2693  e,  Z.  15  AHOJSiL  Ohne  Jota  kommen  vor  Nr.  126,  Z.  33 
JOKIMA^QH.  355,  Z.  19  HQAHIH.  Z.  44  OQPABH. 
1755  0YTEYIH,  ferner  1844,  Z.  16  dox^.  2043,  Z.  8  roil/incjw. 
2060  ^Ar.  2267,  Z.  9  7r«pax«;i^.  2271,  Z.  13  do»ij.  2448, 
Vni  dnaoeix^fj,  dvaygaq^^y  £VQ€&fj.  2525,  Z.  39  fieraHa^fj. 
Z.  94  o()cx^. 

Optativ.  Gram.  A.  0.  II,  353  öel  yntjcneiv  oti  to  ßi(pfi 
l'xce  ev  TJj  TiaMzXrffnvay  to  i.  iart  d«  «t'xrixof  wg  na^  uiqiaxo^ 

favu  (Kan.  177)  „dvaßn^eiv  (sie)  laf  ^cfiliy."  Erklärt  wird  die 
orm  als  von  ßiol  entstanden,  mit  Zusatz  des  i?  ßioirj  und  Ver- 
längerung des  o  in  w  /5f/<jii?.  Ebendaselbst  wird  unrichtig  d(^ 
als  Optativ  aufgefasst  und  ganz  auf  dieselbe  Weise  abgeleitet. 
Gram.  Ep.  93,  25  ßt(pt]v  ixet  t6  Iwra.  eiytTixtj  yaq  iati.  ßioig, 
ßtotvTOgy  ßioifUy  ßioig^  ßioiy  xcd  xard  nXeovaa^iov  rof»  yj  ßioirp^^ 
(ig  TreQiTtOToifu^  neQiTtatöig,  7uqinaxoiy  ncal  xard  ex^aaiv  rov 
o  elg  w,  7T€QinaT(ifrp  xat  doirj,  Sf^rji  ähnlich  Zon.  Lex.  390. 
Herod.  zu  ¥^361  nqo7taQO^vTOvrp:iov  to  fiefnvetpto.  y^dcferai 
öi  ytai  avv  rqi  i  to  (o.  ovtio  de  xai  6  l4axaliüviTTjg  ix  rov 
/iie^veoiTO  Tffoviaevog  avro  slvai.  naqd  ftuvroL  Ssvoqxxtvtt  arev 
rov  «  iüTiv  o  axmccTiOftog  xai  7ip07raQianataL  iv  Kvqov  nai- 
deiag  7tQ(aT(i)  (6,  3)  „dlX^  ore  ta  aQiava  TtQattoiy  xove  ^idhora 
%ov  d-Bov  ^€/uyfpTo."  to  de  dvdXoyov  did  rov  r,  TiQoaxei^tevov 
tov  t  ncLQ^  AQiOTCHpdvei  iv  nXovTtit  SeiTeQM  (992)  „iVa  roü- 
jMOv  iitidziov  q>OQ(üv  f^e^vfjTo  /«oi«."  Sehol.  Par.  ^361  (Cram. 
A.  P.  in,  292,  22)  fi€five(^o  nqojtaqo^vToviog  xai  fiivd  rov  i. 
SBvoawv  de  (xeiivi^xo  avev  tov  e,  Kgativog  de  ^eitivoiTo, 
to  de  dvdXoyov  did  tov  tj  TTQoaxeiiuevov  tov  l  (cit.  Arist.  Plut. 
992).  nivdaqog  de  Jioqixuneqov  did  Ttjg  ai  di(fx>6yyov  iv  ttqO' 
atifdioig  (sie)  „(ne^valaT'  doidf^g.*^  Dasselbe  Et.  Mg.  578, 54,  für 
K^aTlvog  steht  jedoch  dort  KQaTrß :  vgl.  auch  Suidas  III,  777 
unter  /iiefivnTO  und  Zon.  Lex.  1352. 

Zon.  Lex.  1752  TQvy(^  ymi  T^v/Kp:  "O^it^Qog  (i  384)  ^wg 
d^  (k^  Tig  Tqv7t(ii  doqv   vrjiov   ay^.**    to   et'xiixov  TQvydotfit^ 


J.  La  Boche,  Heber  daa  Jota  sabacriptum.  HS 

tfgvyffifUy  JQi^i^  (Cod.  TQvyüoi)  r^y^.  ^ttcos  av  rig  ofufcnux 
r^y^."  orrftig  ÜQog  6  Milriaiogy  vgl.  Et.  Mg.  771,  4.  In 
der  aus  Homer  angeführten  Stelle  liest  man  allgemein  r^i'7r<j>, 
bei  Draco  de  metr.  86,  26  steht  toitt^. 

Es  bleibt  noch  eine  Angabe  übrig  in  BetreflF  der  Parti- 
cipialform  agag  im  Et.  Mg.  38,  17  „f.7rt  d*  laye  laog  omad^ev. 
w^  €i00v  %ov  vexw  ^Qavvag  A%aiovg^  (P  126).  oei  yiviooKSiv 
ort  t6  i  Bxei  TTQoayeyQa/it/iievov  xara  icaqaioaiv.  Dazu 
bemerkt  Choeroboscus,  dass  es  das  Jota  nicht  Imben  darf,  denn 
bei  den  Participien  wird  dasselbe  ausgesprochen,  z.  B.  ^Trjaa 
aitrfjag^  f^axi-va  alaxvvag^  so  auch  g^  aqag  (?).  alX  eneidri 
(fraiv  o  Tf/yfcxoij,  oti  ^  jcagaSoaig  ^xu  ro  £,  ax^jluctriaTiov 
avTo  ovT(og,  asiQiOy  acQio,  ijetga,  aeigag^  xat  x^aei  tov  a  y,al 
€  elg  er  fiay^v  ^Q<x$y  ^'-«^  fnivu  to  i  fiij  Ixmovov^ievov ,  vgl. 
auch  Orsm.  Ep.  3zi\  33  flf.  Also  nicht  als  Pariicipium ,  sondern 
als  aus  aeiMxg  durch  Contraction  entstanden,  hat  es  das  beige- 
schriebene Jota. 

Die  Aoristformen  der  Verba  liquida  am  aiQw  und  aivio 
haben  in  vielen  Ausgaben  und  Handschriften  das  Jota,  so  im 
Laurentianus  zu  Apoll.  ^611  a7rrp^i]vavvOy  im  Venetus  zu  H93, 
185  und  ^^204  avf^vaa&ai  und  dv/jvazo.  ^171.  iT228  xa^j- 
Q€r.  S  270  XTiQ^'^^'  ^  373.  £59.  S510,  515  r/öcrro  und  ivtjQaTO. 
K  499  fj€iQ€v.  Da  dieses  Jota  mit  dem  Verbalstamm  nichts  zu 
thun  hat,  sondern  nur  mit  dem  Präsensstamm,  bei  welchem  es 
am  eine  Silbe  zurückversetzt  wird  (q^av-tio,  (palvo),  x^Q-^^9 
xaiQOßy  wie  x^^'wy,  x^'Q^^^i  d^ev-iojVy  djueivwv),  so  ist  die  Schreib- 
weise mit  Jota  im  Aorist,  der  vom  remen  Stamm  gebildet  wird, 
&lBch.  Unrichtig  haben  auch  noch  drei  andere  Verbalformen  im 
Venetus  das  Jota  0Q(pQ}]  I  610.  Tu^Xf^aiuro  K  300.  o^qro  (D  390. 

V.  Die  K  r  a  s  i  s. 
Cram.  A.   0.  IV,  343,  27  za  tQia  iniv  etdrj  Trß  avva- 
loiqirg   rd  dirla   zavia,    ^xx^Xiiffig^    yigaaigy    avvaiQeaig. 
Dann  neifst  es  weiter,   dass  diese  sowol   einzeln  als  auch  mit 
einander  verbunden  vorkommen,  so: 

1.  t'/,d^XixJ)ig  und  Aqaoig:  zai  iyiOy  -/.dyco.  r/.^fJßetai 
to  I  TOV  ymI  awdeofiov,  ymI  KiQvarai  ro  a  xal  e  elg  a,  drjlo- 

2.  ey&Xixpig  und  avvaiQeaig:  ijnoi  vnoövveiy  ffiov- 
nodvvei.  fKO^X/ßerai  ydo  to  t  Tfjg  oi  diq>6^6yyov,  zfjgovarjg  iv 
rj  ifiol  dvTiüWfii(fy  '/ml  ovvaiQeizai  to  o  xal  to  v  elg  tjjv  ov 
diq^oyyov. 

3.  'AQäoig  und  ovvaiQeaig:  o  alnoXog^  fiJTiolog,  x/o- 
varaL  yccQ  to  o  xai  a  €ig  lo  xat  awatgeiTai  to  lo  xal  to  i  eig 
irjv  f/i  diaOoyyov. 

4.  exS-Xiipigy  TtQaaig  und  avvaiQeaig:  ol  al/rolotj 
(fiitoloi.  ix&UßeTai  yaQ  to  i  tfjg  [oi]  di(piy6yyoVy  xal  xiqvatai 
%o  0  xal  fo  a  dg  lOy  xcri  owat^zai  to  lo  xal  to  i  ügzrv  f(M 


114  J.  Xa  Bod^,  üeber  das  Jota  flübecriptam. 

diq>&oyyov.  Dasselbe  Bekk.  A^.  698,  nur  steht  dort  ipnolog  tmd 
(finoloi  für  (fiTtolog  und  tpTtoloi. 

Et.  Mg.  757,  2iTrjfifj  exet  to  i  Ttava  tip^^  Xiffovaav  xor« 
de  trpf  dqxv^  or,  olov  ^aftqü  di  rot  trjuy  ^olrf^  (/  654).  Icrre 
yaq  vf]  ifxf]y  %ai  in^Ußerai  tov  aQd-QOv  to  i  xal  xiQvarai  to 
r^  Tuxl  e  elg  tj.  ycal  eoxc  Xiaqlg  tov  t  (og  to  „die  MevoiTiaSti 
T(i(A(fi  TLexcLqia^ive  dvfxt^*^  (-^608),  eari  yaqT^  ifi(^  laxl  hu- 
d-Xißetai  TO  i  TOV  t(5  aQ&QOv  xal  Taqvatai  to  w  lutl  to  e  eig 
TO  Wy  xai  yiverai  tco//^  X^Q^  ^^  '>  ähnlich  Zon.  Lex.  1728. 
1 654  hat  der  Venetus  Ttj  ^fxtji,  A  608  tw  ^/uccJ^  beidemale  ohne 
Jota,  aber  nicht  zusammengeschrieben. 

Et.  Mg.  551,  27  xi^yog  avti  tov  xat  oivog  YJOLTa  awa- 
loiwrjVy  o  fiera  tov  l  yQaq)£Tai.  liQiOTOCpdvrjg  BoTQaxoiS  (511) 
„x(itvov  Tcegavw  ylvKVTOTOv."^  avrl  tov  xal  olvov.  Sigog^o  Mt- 
Irjaiog.  Et.  Mg.  816,  34  x4  (^vfiTioTaiy  XV  ovyyevelg^  avtl  tov 
Tuxl  ol  ^ixTtoTaij  Tcat  ol  avYyeveig.  avv  t^  i.  ovro)  yaq  Hyovaij 
TO  fiiv  t  TOV  avvdia^ov  ex^lißovTeg  xal  Ttoiovvceg  nQoaiv  tov 
aoeigTo  w.  xai  TtQoayQwpovai  to  i  t^  dup&6yyov  TQenovreg 
avayxalwg  to  x  eig  Xj  olov  XV  '^vf^TtaviOfioL  ovTtog  evQOv  elg 
Tfjv  OQ9'oyQCLq>iav  'Siqov  tov  Mikrjolov. 

Die  Segeln  über  die  Krasis  sind  hier  so  genau  gegeben, 
als  man  nur  wünschen  kann:  hat  das  erste  Wort  das  Jota^ 
einerlei  ob  untergeschrieben  oder  nicht,  so  wird  es  ausgestofsen, 
hat  das  zweite  das  Jota,  so  bleibt  es  als  Tc^ayeyga^fiivov.  Auch 
der  Spiritus  richtet  sich  nach  dem  zweiten  Wort  und  man  schreibt 
ffiTtoXog  nicht  (^uolog,  so  auch  wkkoi  (Schol.  B  1.  K  l)  wquaTog^ 
iovTog  In  den  Inschriften  finden  sich  folgende  Beispiele  Nr.  8 
KAW  xoy«.  HAI  I0n02  6  Aufw/rog  (yW^roc  nicht  (ocia- 
Tiog).  HAJEA0OI  ol  adehpoL  39  TSinOAASlNL  1845, 
Z.  55  KAYTOL  2134  b,  Z.  22  KAHO  3333,  Z.  3  KArü. 
2554,  Z.  181  KAPTEMIN  nitiUifieixtv.  2953,  Z.  4  KAN 
xal  av.  Eine  Ausnahme  macht  die  Kretische  Inschrift  Nr.  2554: 
dort  finden  wir  Z.  119,  120,  126,  127  u.  ö.  KH2  tüi  xal  ig. 
Z.  135, 136, 167  KHm  für  xai  ejtl.  Ferner  Nr.  11  TOINTAYT 

Tq)    WOftT      für  TWVTaVT^. 

VI.  Wortbildung. 

Die  alten  Grammatiker  achteten  sehr  genau  darauf,  ob 
einem  Worte  seiner  Ableitung  nach  das  Jote  zukomme  oder 
nicht:  ein  gewöhnlicher  Grund  dafar,  dass  ein  Wort  das  beige- 
schriebene Jota  haben  müsse,  war  der,  dass  die  Diphthonge  (f, 
n  (f)  in  der  Diäresis  vorkamen,  so  z.  B.  in  xXrjitio  xXiJ^w,  hoiov 
Mjiov,  (TcjpcSV  a(ftpv,  v/reQcoiov  vTteQqmv.  Auch  wenn  drei  Vocale, 
deren  letzter  Jota  war,  durch  Contraction  zu  einem  Diphthong 
wurden,  führten  sie  dies  als  Grund  an,  dass  das  Jota  dann 
dazu  geschrieben  werden  müsse,  so  z.  B.  bei  ado)  aus  aeido) 
ilfdog  aus  aöMg.  Es  konunen  hier  nur  die  Fälle  in  Betracht* 


/.  La  Bodte,  üeber  das  Jota  snbscriptam.  IIS 

welche  von  den  alten  Grammatikem  überliefert  sind,  deshalb 
ist  von  vornherein  Vollständigkeit  ausgeschlossen. 

Die  abgeleiteten  Verba  auf  i^6>,  deren  Stammwort  langen 
Tocal  hat,  behalten  dieses  Jota:  so  xA^^co,  zerdehnt  xAijtooy 
ans  dem  Attischen  xjl^e^  statt  ydelg  (Homer  hat  nur  xXrfe, 
xkfjidegy  vom  Verbum  xXrfLoev  und  xXrjiaaiy  beides  nur  in  den 
letzten  Büchern  der  Odyssee),  XQIl^^,  ^^^  Homer  XQV^^^  ^  ^9. 
Q  121,  558.  ^  835,  XQV^^  von  x^Si  welches  auch  ohne  Jota 
geschrieben  wird,  g)(p^(a  aus  qx^g  der  Brandfleck,  or^^co  von 
awg  und  7tl(^t(o^  welches  häufiger  in  der  Diäresis  vorkommt. 
Verba,  deren  reiner  Stamm  auf  y  ausgeht,  wie  ol^uaCfa^  x^co^ 
haben  kein  Jota.  Choerob.  Orthogr.  279,  3  x?»?w:  iw«^^  rov  i, 
XQ^t^w  yaq.  Cram,.  A.  0.  II,  312^  22  to  de  XQy^^  dia  tov  rj 
YQäfpercu  xcrt  /tiera  tov  i.  inBidri  aito  tov  xQ^^  yiyove  Xü^^^^ 
xat  xara  Tqonrpf  tov  e  eig  to  t]  xal  cwai^iaat  tov  t  yiyove 
tgüCia.  Theogn.  Can.  142,  8  a&jri^eianai  to  x^Cce>  dia  tov  rj 
ygcupofievov  xat  dia  tov  i  av&^q>wvr[vov»  Et.  Mg.  815,  4.  2iOn. 
Lex.  1858  XQJl^y  tjvUa  arjfnalvei  to  dioficuy  s'xei  to  i  TtQoaye- 
YQcififiivov  .  .  .  oT€  öi  arjfiaivei  to  x^ija/u^dcS,  eoTiv  avev  tov  t 
xaiTTSQ  T&  hv^oXoyiag  ciTTctiTOvar^  avv  ti^  i  yqaq>ea^cti .... 
oiUa  fVQog  avTidiaOToXijv  tov  atifialvovrog  to  dioftai  orx 
^€£  TO  I.  Et.  Mg.  485,  46  tovto  (YxtXrjC^cS)  de  rffovvTat  xccTa 
aryxoTT^v  yeyovivat  xAiJ^cu.  orx  ecTi  de.  ev^iamofiev  yaq 
avTO  avv  T(p  i.  aiX  arto  tov  xXiog  nXetKuß  mal  yXrjt^u)  %ai 
xii^Cfti,  eis  XQ^p^  W«**Tw  W^'^t^  3(ai  xenfw.  Et.  Mg.  741,  27 
af/^co:  TO  amtio  X'^h  ^oi;  t  lAyet  6  Jiöv^og  .  .  .alX  ij 
nagadooig  ex^f-  ^o  #.  to  de  ad^o)  ore  fiev  ylverat  ano  tov 
awog  aauCto,  lagkiTtog  XerciCo)^  aal  naTcc  avyaiQeaiv  OöiCw,  exei^  to 
I.  ^y/xa  Se  ano  tov  accog,  aaoCu)  yjxl  aioKu),  orx  ixet  TTQoaye- 
ygafüfiirov  to  i.  Zon.  Lex.  1706  üu^Cui  ovx,  edet  exeiv  to  i.  rj 
ptevroi  Ttaqadoaig  exet  to  i,  eq>  ooov  kx^c  to  C  ycat  eOTiv 
üneiv,  woireQ  ano  tov  avd'qionog  avd-QomCtOy  ovto  xae  ajto 
TOV  aiiog  ooHtvD  Y,al  ycara  ovvaiqeaiv  at^Ko).  Theognost  Can. 
142,  21  Tcc  elg  Ija  IrjyovTa  .  .  .  Aar  tov  cd  fi€)aXov  yQaqmvTai, 

oiov   ^QCjtlOy   ol/ilOf^COy  ftOTQijtiOj  XQ^^O).    TO    OqJLW,    7tX(i)to)   OVV 

T(p  I,  &L^QrjVTai  yaq  ly  diaigiaei,  acoito),  nhSitit)  TQiovllaßmg. 
Et.  Mg.  677^20  nX(fiKct)  exet  to  i.  arj/naivei  di  to  Tthüttu) .  .  , 
7tho%w  xai  xcrra  uwalgeaiv  nXiflCiOy  wg  xp^/tw  XQV^^-  Et. 
Gud.  571,  42  %^(^tw,  orj^aivet  to  TtXrjaiaCoj.  yiveTai  de  naga 
TO  ^Q(ogy  XQ<^og,  xgcor/^co  (sie)  xar  ^lera  tov  aveKfpwvrjTov  laka 
XfiV^^'  Et.  Mg.  803,  47  ^((pKeiv  avv  t<^  t.  677,  25  jceqHißafievog, 
ovtI  tov  x&iav/iievog,  ajio  tov  (f(pKo),  dg  XQV^^^t  ^^f^^Q  i'xei  to  i. 
Zon.  Lex.  1838  ^x^itw,  to  yMito,  avv  T(it  t,  ^TQarTig  ^aXX'  et 
fiiXXeig  avdgeiiag  qxpKeiv.''  Aus  den  Inschriften  lassen  sich  für 
diese  Worte  nur  wenige  Belege  beibringen,  so  Nr.  231,  Z.  3 
ANASSiIZO[MENOi:S\.  2488  I,  Z.  7  2ÜIZ0MENAI  aipto- 
liiva.  In  der  Urkunde  über  das  attische  Seewesen  bei  Boeckh 
IV  h,  Z.  6  sniZOMENH  und  XXVII  der  Schiflfsname  Jßl- 


116  /.  La  Roche,  lieber  das  Jota  sabscriptam. 

Z0Y2A.  Dagegen  in  der  Inschrift  Nr.  1339  SQZEIN  und 
1794  a  liiZQN,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  beide  Inschrif- 
ten dieses  Jota  nirgends  haben.  2278  JIAIQZE.  175,  Z.  4 
EYKAEIZQN  ivKXrjKüßv,  dagegen  1907,  Z.  3  KAHZETAL 
2483,  Z.  22  XPHIZHL  569,  Z.  7  XPHZONTA. 

Die  durch  die  Ableitungssilben  log  und  «ov  gebildeten  Worte 
behalten  das  Jota,  auch  wenn  das  Stammwort  langen  Vocal  hat, 
so  Mivfjßog  von  Miviog,  fjQ<iiog  von  iJQwg,  tf/Jov  von  Kcig,  V7t€Q(pov^ 
wofür  bei  Homer  auch  vTreQonov  vorkommt.  Et.  Mg.  26,  38 
^"^x^iiog  (sie):  ar^fiaivei  rov  iv  T((f  ^^/i&q)  oq€i  rifidi^ievov.  nuxta 
ax^ißjBiav  de  loq^etlev  i'xeiv  xo  i  %ai  Tcegaanaa^ai ,  Irteiörj  ano 
Tov  !A^iog  xov  OQovg  tyivero.  za  Si  ano  rov  elg  (og  Sia  zov 
loog  naQayitrya  avv  xq)  t  yQaq)exm  v.al  TtegiOTiaxaiy  olov  Mlvfog 
Mtv(^og,  TzcLTQiog  naxQ^og^  ^rjxqcog  ^iflxQqßog,  i^Qvyg  VQ^og, 
avTO)  ytai  Z4-^a}g  A&(i)og  a)q>€ilev  elvai,  aXlba  Ttgoc  avxioiaata- 
A^v  xov  axf^fpog  xov  eni  xov  aKrjfAiov  Aal  xo  t  ajroßaiXei  xal 
TtqoTtaQoivvecaiy  so  Choeroboscus.  Zon.  Lex.  59  xo  xo7iix6v^!/^^ioog 
XfoQig  irov  i,^  dasselbe  Cram.  A.  P.  IV,  96,  20.  Et.  Mg.  26,  23 
ax^qjog  6  äCr}ixiog.  i'x^t  xo  v  in  Ttagadooecogy  ETreidij  «5- 
Qr[vai  ^wirjy  o5g  naga  lÄq-nkoxu}  „wg  d*  av  ae  d^ioiij  laßot,'* 
der  Venetus  hat  N  669  »wiriv.  Gram.  A.  0.  II,  286,  22  xa  öia 
xov  wiog  Tcxrjfnrxt  diq^&oyyq)  TraQaXfjyexai.  Kt^g,  ly^oc:,  Miv({)og, 
xivig  de  xai  xo  oi^og  fAsxa  xov  i  yqaqmvoiv.  Theogn.  Can.  49, 17 
K^og,  irjkol  de  xov  TtoXixriV  x^g  Km.  xovxo  yaq  öia  xrig  mi 
diifd^oyyov  yQd(pexai,  49,  19  ra  oia  xov  qmg  xxr^xixa  dia  x^ 
OK  diqi^oyyov  yodwexaiy  olov  Kqmg^  Mtviltog,  f^Qi^ogy  dvdg^ßogy 
aaxQf^fog,  Tiaxgtpog.  Et.  Mg.  551,  29.  Lex.  Zon.  1275  Kf^pog 
avv  XM  i  ygawaxai  iTteidi]  evQr/xai  xaxa  dtaaxaoiv.  KaXlifiaxog 
„r<^5  ixekov  xo  y^ft^a  xo  Kioi'ov.^  i)  oxi  xa  elg  og  y.xrjxixa  xq) 
i  ^iXet  TTaQalrjyeoS'ai.  eaxioaav  de  naqadeiy^axa  xavxa,  ^Hqo^ 
doxeiogy  AqiaxaQxeiogy  TraxQt^og,  Mii'<poc:(Cod.  ^ijv<j5og),  ^Qq^og, 
ovxiog  ovv  ytal  Kffiog.  Zu  dem  Fragment  des  Kallimachos,  worin 
bei  Zonaras  S.  1275  ygafifAaxelov ,  S.  1276  aber  yga/nfna  steht, 
bemerkt  Tittmann  „suspicor  autem  referri  verba  ex  fragmento, 
quod  servavit  Suidas  v.  ^i^uoviörjQ.  fragm.  Call.  LXXI.  ovde  xo 
yQa^lxaWijdead^t]  xo  leyov,  (i  via  AeojTiQeTrecjg  \\  7ie7ad^ai 
Kioiov  ayÖQa^y  wofür  aber  Suidas  Kmov  hat.  Xay(ü6g  und 
naxQCJog  haben  kein  Jota  nach  Et.  Mg.  26,  34;  Arcadius  42, 
24.  —  Et.  Mg.  630,  12  oqeay.t^og:  OQeoUotog,  xat  y.axa  ovyTto- 
Tifjv  xal  XQOTirw  xov  o  eig  lo  OQeaxqjog,  xal  ftevei  xo  i  nqoa- 
yeyQafi^ievov.  rhilemon  p.  85  ogeaxqßog  ...  oQeaUoiogy  xal 
ovyxo7i;f]  xal  xQOTtfj  xov  o  eig  to  ^teya  OQeoTcqwg,  yal  /iievei  xo 
i  Tz^a'^^eyQaf.ifxevov,  xa  yaq  dia  rov  wo^  VTreg  dvo  avllaßag 
e'x^  xo  L  'Aaxa  xrjv  jTaqaXiffovaav  y.al  7CQ07regia7iäxai ,  olov 
Ax^Xqiogy  Mivqmg^  jcaxQtpogy  i]Q(^ogy  oQeaxqiog.  olg  ovve^rixoXoV' 
d-rfle  5cai  xo  dd^^^pog.  x^Qf^^  ^^^  xoAwoc:,  o  atj/iiatvei  xov  x^oqv- 
ßgv.  Bei  Homer  steht  ogeoKt^og  A  268.  i  155 :  der  Venetus  hat 
das  Jota.   Et.  Mg.  741,  43  xo  de  a^og  {ekeyev  6  Jidvfiog) 


J.  La  Bodie,  Ueber  das  Jota  subscriptum.  117 

avv  r^7  i  ygafperai,  wg  ano  rov  6  atig  tov  gm.  to  yag  ano 
%ov  elg  €og  dia  tov  cjog  [Tragaytaya]  avv  Tip  i  [ygawerai].  Mi- 
vu)g  MivfpoQy  ijQCjg  ^Qt^tog.  741,  54  Sei  de  yinoaiuLv  ort  to  aüog 
avei^  TOV  i  fj  7caQadoaig  olde  ,  . ,  ^  de  avvrjx^tjg  yqaq^  atoog. 
liyei  de  ^Qgog  6  Mikrjciog  exetv  to  t  TtQoayeyQafUfuvov.  Zon. 
Lex.  1703  adßog^  6  vyitfi-  Jidvfjiog  avv  c(p  i  ktyei.  ano  toC 
6  actfe  TOV  ad  (Cod.  atSg)  yivevai  Oipog.  ra  yag  otto  r"y  eig 
(üg  dia  TOV  coog  naqayopieva  avv  tm  i  yQaq>eTaiy  olov  ijoatg 
Wipogy  Miviog  Mivipog.  ovrtog  ovv  xat  awg  aqk)g.  Schmidt,  Di- 
aymus  p.  340.  Philemon  p.  147  aiftog,  6  vyit^^  n^oayeyqaufiivov 
exei  TO  £,  ioaneq  7raTQqßogy  f^^/TQfpog,  aipog^  6  oloxJirjQog,  o  Ttaga 
Toig  !^TTiKoig  atig  Xeyetai^  ^ov,  eipog^  TtOTCTttpog,  orroi  xat 
atpog,  ix  tovtov  xai  aipCwy  o  drj  ymI  TtQoayQacpetai  ^  ttjv  tov 
atpog  TiQoayeyQa^t^uvrjV  TrjQOvv. 

Theogn.  Can.  130,  lö  ra  dicc  tov  wov  öiavlXaßa  anavia^ 
dia  Tfjg  lüi  dt(f^6)yov  y^aq^ofieva^  a/reg  eiiod^e  Tcoilaxig  nci 
diaigeaiv  7iaaxetv  tov  /,  olov  tipov  tmov,  IItwov  Tltmovy  to 
0((og.  to  Kipov,  Ifpov  ov  ^lovoyev^.  ro  poy,  7C€qI  tovov 
diaXla^avj  ttjv  ygaq^ijv  icfvhx^ev.  leyerat  di  xal  ev  dialvaei 
mov  xai  weov  nXeovcLafH{)  tov  e,  loeov  kommt  vor  in  einem 
Fragment  der  Orpbischen  Theogonie,  in  b  bei  Düntzer.  Zon. 
Lei.  1879  f^ov:  txet  to  i,  evQfjTai  yag  yMTcc  äiaaraaiv,  wg  na^ja 
2a7i(poi  jtqxxai  drj  norafLiov  vanivO^ivov  Ar^dav  7U7tv>iad(.uvov 
evgeiv  uiiov,'^  alla  neu  toc  dia  tov  (fiov  ovdiTeqa  fnovoyevrj  -d-i- 
Xovaiv  exeiv  to  i,  olov  C0ov,  v7ieQ<p0Vy  naooTtpoVy  Tteqi- 
GTfpoVy  ÜTtpov  ovofia  oQovg.  ovTOßg  ovv  nat  f^ov,  TtQoaxeiTai 
fiovoyevij  dia  to  OMog,  xai  6  Cciogy  to  Kcjov.  Ta€Ta  yoiQ  ovx 
exovoiv^  OTi  ovx  elai  uovoyevrj  ßaqvrovay  olov  t'ßovy  ÜTipov. 
Äeogn.  Can.  130,  21  ra  dia  tov  wov  VTteQ  dvo  avilaßac  uovo- 
yevrj Tf]  €01  diq}^6yy(i}  TtaqaXrjyerai.  iviore  de  xat  avra  dia 
Tioir/nxijv  XQ^^^^  avaXvovraty  VTteQipov  VTieQaüoVy  TtegiOTipov 
TieqiaTwiov^  Mivipov  Mivaüov  (Cod.  (xrp^ipov  iirjvmov).  Philemon 
p.  92  naTQipov  tov  naTQiTLOv  arjfiaivei  xal  eOTt  ^ttjciimv  ovofia. 
yiveTai  fiiv  ix  Ttjg  TtaTqog  yevixfig  7iaTQo7ogy  o  tov  TtaTgog,  (og 
TtavTog,  TtavTÖiog.  xal  ixTccaei  tov  o  elg  lo  TtavQtpogy  ixlvovTog 
iv  7vQoayqa(ff  tov  iioTa.  ovtü)  di  vmI  to  f^itjcQipog  ylveraty  xai 
TiaTinipog,  fxquovrid-ivTog  di  tov  7rqoayeyQaf.iixivov  iwra  yiverai 
7raTQwiogy  (ir(iQix}iogy  /ia7C7cwiog.  ovt(o  xav  6  Miv(pog  Mivanogy 
Tutl  TO  kipov  hii'ovy  xat  to  vjteQifiov  VTreganoVy  oS^ev  to  VTiegcoi- 
6&ev  (Cod.  VTieQtiid'ev)  7raoa  T(p  Ttoirjrij  (a  328).  Homer  hat 
^tjT^iov  T  410  und  /toTQijiog  B  46,  180.  E  125.  Z  215,  231. 
T387.  r391.  (DU,  a  175,  187,  387,  417.  /?  22,  254,  28Ü. 
fi  136.  V  188,  251.  TT  388.  q  69,  80,  522.  v  336.  x  61 ,  niemals 
die  contrahierten  Formen.  Mivüüog  Hym.  2, 218.  Philemon  p.  174 
VTiegipov  keyerai  to  VTtoxelfievov  oixijfia,  (^  yaq  xara  yltiaaav 
ta  oixfjfiaTa  .  .  .  exei  di  itQoayeyqafx^ivov  to  i.^  Et.  Mg.  665,  1 
TiegioTwov  avv  Tfp  i  yQaq>eTai  ^a^oxT^^^  twv  diä  tov  (^v, 
TtffanoQOSvvBTai.  to  de  nQoaTipov  TtifOffie^naTai.  xai  äq>ei^ 


118  J.  La  Bache,  üeber  das  Jota  subeeriptnm. 

r  xa  dvo  TtqoTiaqionaod^ai  17  va  ovo  Tt^iraQO^vead^ai,  aXX  fj 
TtoQadoaig  to  fiiv  ^  oloe  TtQOTtafo^vroyov ^  to  de  %%eQOi¥ 
TTQOTteQianw/nevov.  Zon.  Lex.  1778  VTtsQ^ov  . .  .  ^  tov  olog 
xot  T^  VTteQ  ftQo&iaecog  V7t€Qoiov^  xai  av^riaet  tov  o  eig  m 
(liya  VTteqifiovy  nai  fiivev  t6  i  TtQoayeyQafjtfievov.  Zon.  Lex.  967 
C^ov^^  nccQa  ro  Cc3,^  rj  oTto  xrjg  tforjg,  y^q>eTai  de  dia  tov  £, 
iTteidij^  evQrjvat  nccra  diaa%aaiv  (og^  Ttaga  2ifx(aviÖ7j.  qmai  yof 
jfTO  d  rfuv  e^Tterov  TiageTtzaro  Ctüi'ov  yLonuatov.^  nat  ota  tot 
XctQCMTijifa  Tiov  (Cod.  tov)  diä  tov  wov.  tcc  yoQ  dia  TOt  ino» 
ovoirsqa  ^ovoy^  -d-ilovatv  exeiv  Sßvxy  Ttaqakrffavarj  oder  Ttqo 
Tikovg\  jtavTOTB  to  t,  olov  TIt^v,  ovofxa  ogovg,  TtegiaT^oVj 
TtqooTw^Vy  vTtBo^ov.  ovtvDg  ow  TO  C(^v  avv  T^  Iura.  Graut 
A.  0.  ll,  371,  23  tt^ov:  yiverat  naQa  t6  Cfjv.  7tQoayQag>eTat 
de  TO  i.  TCC  diQ  TOV  ifiov  ovdeTega  jnovoyevij  exovGt  to  v  7tQO0^ 
yeyga^fiivov  xai  TteoiOTttivTai  Oiov  VTteof^ov,  OTifioVy  Tte^Tffioy. 
Theogn.  Can.  106,  ^4  tu  dia  tov  wa  oiavllaßa  tuu  vTtiq  dvo 
ovXXaßag  dia  Ttjg  wc  ditpdoyyov  ygawovTai^  olov  f^a  fi  /uiyXcori;. 
fjf^ay  Tiqod'vqifia^  vTteQt^a,  Tavra  de  ov  naga  näaiv  e%u 
TO  I,  Kgicia,  ovo^a  drjinov  lAwiiMyVy  xpo&oia  ^  xlHoga.  Et 
Mg.  780,  19  v7t€Q^v  .  .  .  e'xei  xcw  to  i  ngoayeyqafxixivov.  xal 
VTteqiPog  oixog,  ya^r^Timv.  Zon.  Lex.  946  et^ovi  avaroXixoVy  o(h 
d'Qivov.  avv  T^  i,  ytTTivixov  [yaQ]  oltio  t^  edg.  to  di  eoHjq>o^ 
Qog  ovK  exei.  Die  Handschriften  haben  in  den  meisten  oben  an- 
geführten Fällen  das  Jota  (Schmidt  Did.  p.339):  dasselbe  findet 
sich  auch  in  Inschriften:  Nr.  31.  134,  Z.H.  139,  Z.  28.  161, 
Z.  9.  209,  Z.  3  K0102  Kifiog.  1590,  Z.  21  KQ102.  2236,  Z.  3 
KQIAL  2509,  Z.  3.  2512,  Z.  3  KiiliiN.  142,  Z.  4  KOOI.  160, 
Z.  42  Z0Iu4  ^^.  2448  I,  Z.  12  Ziil^.  3538,  Z.  15  OY2IZQI 
QI.  2694  a,  Z.  9.  b,  Z.  10  YJIEPQI0I2,  dag^en  3402  ohne 
Jota.  2448  I,  Z.  14  HPiilOIS,  in  den  späteren  Inschriften  aber 
fehlt  das  Jota,  so  916  (4mal).  1812,  1981,  Z.  3.  1993,  Z.  2. 
2690  (2mal).  3032,  3039,  3282,  3304,  Z.  6.  3359,  3386,  Z.  2 
und  10.  In  Siiii  Nr.  39  fehlt  eben&Us  das  Jota. 

Die  Deminutiva  auf  idiov  haben,  wenn  im  Stammwort  ein 
kurzer  Vocal  vorhergeht,  einen  Diphthong  in  der  drittletzten 
Silbe,  selten  blofses  Jola,  wenn  das  Stammwort  langen  Vocal 
hat,  die  uneigentlichen  Diphthonge  ^,  5,  tp.  Et  Mg.  230,  4 
yrjdiov:  TQiviv  ovriov  tiov  TtounoTvmav y  yf  nat  yaia  real  yiay 
in  Ttoiov  TOVTiav  yeyove  to  yrjdiov;  Xeyei  de  6  Jidvfxogy  Sri 
ioTt  yeq  diä  tov  e.  xat  iTteidrj,  ^vUa  tj  velevTaia  avllaßi]  t^ 
yivinrjc  tov  7€QWTOTV7tov  ano  qxjovrjevTog  aQX^ctt^  ^^^  TtaqaXiffei 
Tffi  e  ri  Tf^  o.  Tore  ylverav  dia  tov  diov  ^  naqaycüryti  nal  Ttffoo* 
igXBTai  Mira  Ttiv  TiaQaXrjyovaav  (sie)  to  t,  oiov  TtQo^etog 
Ttoa^eidtov,  Af^cwg  Xe^eidiovy  ßovg  ßoog  ßotdiovy  voSg 
roog  (sie)  votäiov^  ovTwg  ovv  yla  yeidiov  dia  Tijg  et  di- 
q>^6yyov  xai  xot'  ei^Taaiv  ^ttixtjv  tov  e  elg  rj  yrjdiov  dia  tov 
7]  Tcai  f,  wOTteg  eina^u)  yxa^ov  xal  eideiv  ydeiv,  tcb^  de  tovtov 
^rtu  Hg  TO  nafi  tuttjtixüv  tov  Xoifoßoanov.   1^  Mg* 


J,  La  Boche,  üeber  das  Jota  subscriptam.  IIQ 

486,  \&  yiaX^diov  t6  axoiviov,  avv  t(^  i  ygatperai.  neu  ciq>€i- 
Isv  ävai,  maXidioyf  iTteidri  tj  '^eXevräia  GvlJxxßij  Ttjg  yevixijg  xov 
fCfunoTVTtov  ano  avfiqxavov  agxetai,  olov  TioXog  xaXot;.  rfne 
yao  dia  %6v  idiov  yivetai  ^  TtaQaycjyrjy  olov  yvcofiri  yvmfxidiov. 
a}Xu  awe^tpLoXov&ifjae  t^  kayt^diov,  attpdiov.  Der  Irrthum 
in  dieser  Angabe  ist  augenf&Uig,  es  kann  nicht  xaXidiov  heifsen, 
da  das  nQWTovvTtov  nicht  xaXog,  sondern  yaktog  ist.  Zon.  Lex. 
1161  Tfuxh^iov  ovv*  T^  i  yg  'q>etai,  avve^rjpwhovd^e  yoQ  tif 
Xayi^diovy  OTi^dioVy  Ttt^diov.  arjf^aivei  de  t6  OTfpdiov  %rpf 
OToav,  Philemon  p.  67  Tuxh^diov  ovv  t^  i  yQciq>evai.  avve^Tpuo- 
hn)9rpB  yaq  t^  Xay(^iov,  oti^dtov^  ^  atoa,  xi^diov.  Theogn. 
Cän.  124,  1  TO  dia  tov  mdiov^  oldheqa  f^ovoyev^  7tgo7taQ0§v- 
fwa  dia  tov  t  yQaq>€i  rrp^  nqh  rilovg  nal  trpf  Ttoo  avrrjg  elg 
tip^  loi  diq>d^oyyoVj  olov  tf^öioVj  Ttfpdiov,  nakffioiovy  at(p- 
iiov.  121,  32  %o  (^(fidiov  dia  tfjg  m  6iq>&oyyov.  Choerob. Orthogr. 
216,  5  ^i^iov:  To  fiiv  rb  <Jt  i  (ro  tia  fjifya  dia  tov  i  ?),  wie 
216,  3  c^ov:  ro  t/uijiiya  ovv  t(^  i.  Et.  Mg.  413,  14  ti^iov 
avv  i(p  uSrra,  ineidrj  evQrrrai  xara  diaataaiv,  *Aqatog  (544) 
Jjotdiov  di  €  xvidov  imxXrjaiv  Y.aXiovaiv,'^  r,  ineidv  iazi  Cfpov 
C^ov,  of€€Q  ex^i  TtdoayeyQafi^ivov  to  uora,  xal  STteidi]  t]  TeXevrdia 
avJiXaßij  Tfjg  yevix^  tiav  i/rQorroTvniov  a*rc6  gKovr/evrog  agxerai, 
vi^erai  ^o^idiovy  (og  €Y(fncaiy  tov  i  ano  tov  jrgunoTVTtOfv  ovTog. 
Dies  ist  insofern  nnricntig,  als  das  nqoyroTvnov  nicht  C<^oy, 
sondern  OSg  ist,  davon  ist  l^^v  durch  die  Ableitongssilbe  lov, 
tß^iov  durch  idiov  herzuleiten,  wie  xal(pdiov  von  xaXtog,  layi^h- 
diov  von  layiig.  Zon.  Lex.  1276  niidiov  to  diQpia,  mSidiov 
ykfOVB,  xat  owaiqlau  xi^iov,  tuxI  to  layi^iov  i'xei  to  i,  ori 
ano  TOV  layiüogy  laycDOv  yiyove,  xata  awdfOfAip^  tov  xipdiov 
7UU  OTi^iov.  GTifxaivei  de  Trpf  uixqav  gtoov,  awe^(d((a(jie  Tovroig 
xcd  TO  TfLohydioVy  xal  ex^i  to  t  nqooyeyqafxfxivov.  arjfxaivei  de 
%o  axoiviov.  xcocrg,  das  Yliels,  wird  im  Laurentianus  immer  mit 
Jota  geschrieben  xifkcg  B  211,  871, 1145,  1193.  T  2,  13,  29,  339, 
375  416.  J  102,  1050  u.  ö. 

Nicht  in  eine  Beihe  mit  diesen  Bildungen  sind  zu  stellen 
die  Deminutiva  xletdiov^  Ttaidiov,  difdiov  und  Xrjdiov, 
d^  hier  das  d  zum  Stamme  gehört,  vgl.  Arcadius  p.  119  ov  yag 
dia  TOV  diovy  aXka  dia  tov  lov.  to  yaQ  d  tov  Tt^wrorvTtov 
icriv:  zu  vergleichen  ist  hierüber  Bekk.  An.  793,  über  die  auf 
idiov  Et.  Mg.  142, 13.  Zon.  Lex.  303.  Philemon  p.  27,  68:  die 
letzteren  sind  Proparoxytona,  erstere  meistens  Paroxytona  und 
diese  haben  das  Jota  nur  dann ,  ^  wenn  das  Prototypon  es  hat, 
wie  d<fdiov.  Deshalb  hat  auch  yrjdiov  das  Jota  nicht,  vgl.  Eu- 
stath.  zu  11.^  £  352  naqo^vvea&ai  ^eXrjaag  to  AHIJION  6 
Jidvpiog  aTiooTeqei  avvo  xal  tov  '^aTa  ttjv  naqadoöiv 
TCQoayeyQafAfjievov  i.  f/r«,  (frfii^  X^og  to  TtqioTOTVTtov,  o  JwqieXg 
Xadog  q>aaiVy  lag  lA'h.fxav  „Xadog  ei^ieva  naXov,^  o  lati  Xrpiov 
Medvflirf]  evsidig.  ano  yoiüv  tov  Xijdogf  g>rjalf  (atj  exovTog  i-o 


ICO  J.  La  Rodiej  Ueber  das  Jota  subseriptum. 

t  yayovoc:  ro  krjdiov  ovo  av  avco  l'xoi  zo  i,  dazu  Schmidt  Did. 
p.  341.  Philemon  p.  68  fahrt  yr^diov  ohne  Jota  an. 

Als  Belege  aus  den  Inschriften  führe  ich  an  Nr.  155,  Z.  35 
zm[JlA\  150  A,  Z.  16.  B,  Z.  9.  151,  Z.  7.  153,  Z.  10 
ENiilJIii  Urk.  aber  das  attische  Seewesen  bei  Boeckh  XXVll  b 
KAAaiJlA.  Et.  Mg.  437,  56  "Hq^drji^h^i  %6  i  7r(?oöy«^ 
yoa/tifiivov,  eari  yoQ  ijgiogy  f]Q(oi\  xat  ylverai  nQondrjg  xat  xotra 
avvaiQeoiv  tov  w  xai  i  eig  TTjy  m  diipd-oyyov  aQ(pdrjg.  xai  cä- 
hjjg.  Toc  eig  drjg  TtccTQiaw/ntxa  tj  tvtcov  TtavQwvvfÄinov  d'elei 
E%eiv  TtQO  TOV  d  Itj  t6  i  rj  TO  a,  olov  Ilijkeiöfjgy  JlvXadtjgy  Mi^ 
vtpdng.  Philemon  p.  29  roiog^  rjQcotdrjgy  Tuxt  awaiQtaet  afHfidrfi, 
Auch  'Hoqßdiavog  hat  vielfach  das  Jota,  so  Et.  Mg.  438,  6. 
und  bei  Eustathius.  C.  Inscr.  Nr.  3155,  Z.  5  "HPiilJHS,  da- 
gegen 2502  zweimal  HPiiJH2. 

Aufserdem  finden  sich  für  das  Jota  noch  bei  folgenden 
Wörtern  Belege  in  den  Schriften  der  alten  Grammatiker: 

1.  "Aidr^g.  Et.  Mg.  17,  19  aeidtjgy  aal  x^aaei  tov  a  xai 
€  eig  aX(f<x  i^aKQov  ^drjg.  xal  fxevei  ro  i  TtQoayeyQafAiaivoy.  Homw 
hat  noch  überall  !Afidrfi  mit  kurzem  a,  mit  dem  Verschwinden 
des  Digamma  wurde  das  a  lang  und  Jota  dazu  geschrieben,  wo- 
bei der  Spiritus  asper  als  Ersatz  für  das  Digamma  an  die  Stelle 
des  Spiritus  lenis  trat,  wie  in  ekiaaw,  avdavo),  SaTteQog,  eartawy 
yixco,  %wv(x.  C.  I.  2240,  Z.  10  AUHI.  3333,  Z.  5  AU  AN. 

2.  |dw.  Et.  Gud.  9,  33.  Gram.  Ep.  20,  28  aeidwTuxl  awai- 

qlaet  TOV  ae  eig  a  ^laxqov  ^dco,  Kai  fiivei   t6  i  firj  hupwvotv- 

fievov.  Choerob.  Orth.  281,  11  (^d^i  /uera  tov  i  Tiaq^  to  ^dia^ 

doidt]  xal  (ifötj,  Theogn.  Can.  86,  4  a/ro  yovv  tov  aoidog  yive%ai 

xara  KQaaiv  tov  clo  eig  wf^dog  Sia  Ttjg  (oi  öiipd^oyyovy  fxiveiyaq 

TO  ly  utj  exwcovovfxevov  dia  to  ^eyed^og  tov  cu.  Ta  yovv  fB  avvav 

avyiuif-ieva  oia  Ttjg  loi  diq)d'6yyov  ygaijpovTai^  olov  vf^vtfidog,  /m€- 

Xf^dog^  TQaywdog,  xco/u^do^,  tLaXjLKüdog.  Choerob.  Orth. 

281,  13  7C(ofi(pdogy  ^leki^dog,  ^aif,fqto6g,  avv  Ttp  i  naga  ro  ^^. 

Gram.  A.  0.  II,  308,  8  jtavTa  rar  eig  dog  XijyovTa  aQoevcTta  t^  oi 

naqaXrffOfxeva  /vaga  Ttiv  (pdijv  yivmieva  dia  tov  to  /ueyaXov  (?  dia 

Tfjg  ((}  6iq)&6yyov)  ygag^ovrai,  otov  xco^i^dog,  i//a>l/t£(^o^,  r^- 

y(lfä6g,  ueXiijdog,  Theogn.  Can.  141,  7  ra  Ttaq    ovo^ia  (?  Tiaqw^ 

vvfia)  eig  d(o  Xtffovia  ^^/ara   TieQionwpieva  a7io   rc5v  eig  öog 

6vof,iaT(üv  Tjj  OH  diw^oyyip   naqaXrffoiihiov  yivofAeva    (pvXttrret 

TrjV  (jji  dl(£^oY)'ov  ev  rg  jcqo  TeXovgy  olov  ^eX^idüy  ifAvt^dHy 

TQayipdio,  ähnlich  Et!  Gud.  577,  4.    In  den  Inschriften  steht 

das  Jota  bald,  bald  fehlt  es:  1579,  Z.  4  und  1580  AI  JONTOS, 

dagegen  803  b  AJQN.  3425,  Z.  3  iUON  Nr.  101,  Z.  29.  107, 

Z.  23.  1845,  Z.  21  und  86.  2338,  Z.  6.  2339,  Z.  5.   2374,  Z.  65, 

72,  75.    3088,  Z.  11  TPAiniJQN,  TPAIÜIJIAI  u.  4hnl. 

Dagegen  fehlt  das  Jota  108,  Z.  31.   1584,  Z.  20,  28,  46.   1585, 

Z.  12,  15, 16.  1580,  Z.  24.  2347  c,  Z.  49.  K£eAPi2IJ02  152, 

Z.  18.  1584,  Z.  17;  dagegen  ohne  Jota  1586,  Z.  27.  3088  t,  Z.a 

KQMniJIAI  229,  Z.  2  und  3.  3088,  Z.  10;    ohne  Jota  1584^ 


J.  La  Boche,  Ueber  das  Jota  subscriptum.  121 

Z.  22,  48,  50.  1585,  Z.  13,  14.  1586,  Z.  26.  PAWSiUOS  1584, 
Z.  7.  2214,  Z.  9.  2360,  Z.36;  ohne  Jota  1585,  Z.  10.  1587,  Z.  15. 
AYjiQU02  1584,  Z.  13.  YMNÜJIA^  ohne  Jota  2715,  Z.  7. 
3160,  Z.  7.  3170,  Z.  1  und  16.  Ueber  die  Fonnen  ^ipafvdog, 
M&aQccfvdogy  tfccyaJ^vdog ,  xiofiotj^vdog  in  der  orchomenischen 
Inschrift  Nr.  1583  ist  schon  oben  gesprochen:  die  böotischen 
Inschriften  1585—1587  haben  in  diesen  Wörtern  nie  das  Jota, 
1584  nur  in  drei  Fällen,  in  den  übrigen  vier  nicht. 

3.  dlf^fTi.  Dieses  Wort  hat  im  Cod.  Venetus  überall  das 
Jota  und  es  scheint  dies  auf  alter  Ueberlieferung  zu  beruhen. 
Theogn.  Can.  108,  18  aeamteiarrai  äia  tov  lo  /ueyalov  yQaq>6- 
Heva  t6  iQ(Ofj^  iwrj,  ah^i}  (Cod.  aXt^tj).  tovto  öi  ano  tov  dkoiHi 
Ijma^og  yeyovbg  avv  t^  i  yQctipetai.  Cram.  A.  P.  III,  211,  9  %o 
waag  fiera  Ttoooyeyqaix^ivov  i  yQdq)Ovaiv  oi  7tahxioL  Et.  Mg. 
74,  21  Tia^  To  aXoiw  yivevai  ccXt^rj  fieva  tov  i,  dagegen  74,  25 
üjunj  ar]f4alvei  x^*^S  ''^ot;  i  t6  avfiq>wov  Xiaqiov  nai  avvdevdqov 
tOTtoVy  TtaQa  rrpf  aXaiv  rrjv  (w^rfliv.  aXdio  ovv  dXun]^  X^o^lg 
%ov  iwxa.  Vier  gegen  eins,  denn  der  Venetus  muss  als  voll- 
wichtiges Zeugnis  gelten. 

4.  IdxeXf^og,  Zon.  Lex. 360 i/x«^%^ög>  ^ova^iog liqutadiag, 
ovp  TV  t",  i7T€ioTj  eiQijrai  (besser  wol  evQrjrai)  ytava  didataaiv 
^Ax^Xdiog^  ij  ovv  oi  Boiiorol  (Cod.  Biayreig)  rrp^  w  diq>&oyyov 
ilg  Ol  TgiTtovaiv,  olov  !/4x^^V^S  ^AxeloXoCy  aidfpog  aidolog,  Kifiog 
Kolog,  vgl.  Et  Mg.  181,  10.  Homer  hat  Uxehiiog  (Z)194.  ß616. 
Die  böotische  Inschrift  1590,  Z.  21  hat  Ki2I02,  dagegen  steht 
in  der  Inschrift  Nr.  31  aus  Olympia  KOIOl,  was  sowol  Kt^g  als 
Kiäog  sein  kann. 

5.  dißou).  Bei  Homer  finden  sich  die  Substantivformen 
SrfLOiijffa,  dmorfJTiy  drjiovfitog  (der  Nominativ  kommt  nicht  vor) 
nur  in  der  Diäresis;  bei  den  Formen  des  Adjectivs  drjiog  und 
des  Verbums  drpu)  entscheidet  das  Bedürfnis  des  Metrums.  So 
steht  dort  drjiovy  dtftov,  drjtti}  und  d^ioe  (die  drei  letzten  immer 
vor  Wörtern,  die  vocalischen  Anlaut  haben)  immer  in  der  Diäresis 
als  Dactylus,  dagegen  dvowj  dnotai,  drjwv  und  drpvg  niemals, 
obwol  fast  alle  Herausgeoer  aucn  in  diesen  Formen,  ich  weifs 
nicht  auf  welchen  Qrund  hin,  die  Diäresis  eintreten  lassen:  so 
hat  auch  der  Venetus.  Es  fehlt  zwar  im  Homer  nicht  an  Bei- 
spielen, wo  ein  Diphthong  in  der  Mitte  eines  Wortes  vor  einem 
Vocal  kurz  gebraucht  wird,  so  z.  B.  olog  N  275.  -5105.  v  89. 
viog  Z  130.  H  47  (Thiersch  Gr.  §.  168,  13),  aber  das  ist  bei  rj 
und  io  nidit  der  Fall,  obwol  auch  rj  zu  €  geworden  ist,  z.  B. 
aqy^i  €  128  neben  dqyhi  A  818.  Ein  zweiter  Grund  gegen 
diese  Schreibweise  ist  der,  dass  man  im  Homer  damit  nicht  aus- 
reicht, denn  es  finden  sich  zusammengezogene  Formen,  wenn  auch 
nur  vom  Verbum,  am  Versanfange,  so  6riüv  F  65.  drow  E  452. 
J  71.  M  425.  0  708.  H  771.  dncoaety  I  243.  dr](oaag  B  518. 
1 83.  Die  übrigen  Verbalformen,  bei  denen  man  gleichfalls  keine 

ZdUdirllt  f.  d.  Stier.  Gymii.  1M{5.  IL  v.  Vh  Holt,  9 


122  J»  La  Boche,  üeber  das  Jota  subscriptum. 

Diäresis  eintreten  lassen  kann,  sind  dnud^tt^riüv  J  417,  örjcauag 
&  534,  difjwGavTeg  Tl  158,  örjcooeiv  I  243 ,  dywaj]  Tl  650,  dgw- 
aovaiv  M  227,  dr^waiv  ^416,  dytoaavre  X218,  drjiod'ivjeq 
t  66,  während  andere  nur  in  der  Diäresis  vorkommen,  wie  drfioatv 
P  566.  2  195.  "F  176.  drjiowyveg  A  153.  dijiocoyiro  JV  675. 
drjiofißev  d  226.  Der  Venetus  hat  in  den  zusammengezogenen 
Formen  überall  das  Jota,  mit  Ausnahme  von  E  452,  wo  er  von 
zweiter  Hand  geschrieben  ist.  Herod.  zu  F  65  Syiov:  7t€Qi- 
aTtaazioVy  end  yuxl  ev  heQoig  liyet  xara  Stalgeaiv  avv  T(f  o 
„l/X^i  dviocov"'  {2  195).  yeyove  de  Ttapa  ro  drji'og,^  dio  xat  avv 
T(^  t  ygawevai  to  drjwv.  Zon.  Lex.  46  adrjcoTov:  artOQ&TjTOv.., 
yiverat  de  naqa  ro  örm  to  7toq&€),  tovto  Ttaga  t6  dai(o  ro 
xoitTiOy  rqoTtrj  rov  a  «ig  i^,  tov  i  dveicfpiovmov  ovrog.  Et.  Mg. 
263,  39  drjioaag:  or^fxalvet  t6  öitmoipag,  eaxi  (Cod.  evi)  dalw 
TO  xoTCTü)  fj  Tcauo.  diaXvoev  Tfjg  cci  öiqi&oyyov  ylverav  datg,  yuxl 
ovofxa  drjiog  TQorcy  rov  ahpa  elg  rjfia,  xal  ^^(x(x  Srftwy  i^  ov 
TO  drjtovv.  ytcd  Ttegiancofievwg  Stjuo,  siza  Y^cna  ovvaiqeaiv  djw, 
dißwawy  drjcjaeiv,  aveleiv,  (povevoeiv.  Die  Wurzel  ist  AA,  davon 
d'atg,  dattto,  ionisch  dry-ioc;,  dTjioco  und  zusammengezogen  drpm. 
C.  I.  Nr.  175,  Z.  2  JAlSi^A^:  dc^ioaag  für  das  ionische  dtjioaag. 

6.  6^g.  Im  Homer  kommen  nur  die  beiden  Formen  dai'- 
dag  und  datScov  vor,  der  beste  Beweis,  dass  diesem  Worte  das 
Jota  zukommt.  Et.  Mg.  244,  29  d^deg:  lajuitadeg.  exei  to  e, 
ineidTj  svQrp^ai  xotcc  diaOTaaiv  datöiov.  yiveiai  de  ex  tov  öcuta 
TO  dicmoTVTio  nai  naiio.  6  ^leHior  öaioo).  xat  Xoitcov  in  Toi 
daig,  xal  S^g  (sie)  xaza  awaigeaiv.  e^eive  de  to  i  dvei^qHjjvrTOv, 
Bachm.  Anecd.  I,  435,  12  d^dcov:  tiov  dtföicov.  ly  ev&eia  oatg^ 
dätöogy  w  yeviXTj  tüv  nlrj&uvTixciv  datdiov ,  xai  [xorra]  avvai- 
Q£oiv  d^öwv.  C.  I.  2720,  Z.  4  iA^AUO(DOPOY y  dagegen 
JAJ0YX02  185,  Z.  12.  188  b,  Z.  3.  190,  Z.  34.  192,  Z.  40. 
193,  Z.  28.  194,  Z.  32.  197,  Z.  7.  2388,  Z.  12,  welche  Inschrif- 
ten  sämmtlich  späterer  Zeit  angehören:  so  auch  3123,  Z.  7 
KAHJOYXON, 

7.  d^Kitf],  Der  Venetus  hat  überall  das  Jota,  so  schrieben 
unter  anderen  auch  Aristarch  und  Herodian  nach  Schol.  H.  Vind. 
133  zu  T  121  yg.  dfj(pciv  avv  t^j  i  wt  TreQianwfuvcjgy  d^Xvxov 
yaq  ioTi.  ovTiog  IkQiaTOQXog  yial  ^Hgodiavog.  Did.  zu  T  333 
ovTcog  l4qioTaQxog  ö/nwagy  i'^a)  tov  t  legt  gleichfalls  Zeugnis 
dafür  ab,  dass  das  Femininum  d^iu^tTj  mit  Jota  geschrieben  wurde. 
Auch  das  Femininum  Tgi^ttj  hat  das  Jota.  Et.  Mg.  770,  31 
TQ(pag,  Tcc  ^ev  TQi^i  arjfxaivei  Tag  TQ^inag  rj  ywaiicag  ^ 
Xnnovg  (V' 291).  to  de  diiijmi  Tag  dovlagy  nat  ovtc  ojq>€iXev 
exe IV  TO  t  .  .  .Xeyei  de  6  Texvinogy  ort  e'xei  to  t  iiteidij  «J- 
Qr/vai  xcrra  diaoTaaiv  ^Tquj'iadag  yvvalxag^  {l  139,  281)  xai 
jyljcTtovg  de  (Cod.  Y,ai)  Tqt^ovg""  (^291),  dvri  tov  Tqioixovgy 
?J  avdQag  J?  Xnnovgy  dnoßoXfj  tov  x  TqoSi'ovg  y,ai  awaiqiau 
TQipovg.  Zon.  Lex.  1742  TQüfovgy  tovq  TqoSino'g.  e'xBi  to  i 
7tQoayeYQaf4fievov,    1748   TQtpag^   TQUuTuxg  ywatxag   [ßx^  ^^  * 


<T.  La  Boche,  üelier  das  Jota  subscripium.  l2«i 

TtfoayeyQafifitvovl  e7ut  evQijvat  xata  diaataaiv  ^TQwiadag  yv- 
väixag,*^  So  wird  auch  JE  461  zu  schreiben  sein  TQti^ag  de 
art/ag,  Bekker  TQtfiag;  die  Ausgaben  von  Sinope,  Cypem  und 
Antimachus  TQwiagi?  TQi^ag);  Ptolem.  Ascal.  Eusi^tb.  Schol. 
V  zu  Y  44^  TQwag;  Venet.  A,  Aldin.  2,  Steph.  Schol.  brev. 
Clarke  Tqwcdv;  Ven.  B.  Harl,  Mor.  Cod.  L.  bei  Bentley,  Heyne, 
Crusius,  Bäumlein  TQwag;  Lobeck  Paral.  p.  88,  Wofr,  Bothe, 
Spitzner,  Fäsi,  Dindorf,  Cram.  Ep.  442,  15  To(fiag. 

8.  igofdiog.  Et.  Gud.  210,  58  ^HgcDOtayog  Uyei  oti 
wOTiEQ  ano  Tov  ag^oya  yivetat  aqpiooiogj  ovrct)  xac  ano  tov 
(jpiUüt}  yiverat  ^oidiog  xai  TtXaovaofxtf  tov  e  iqoidiog  xal  tgoTtf 
TOV  o  elg  w  i^iodiog.  xat  i^evei  to  t  itQoayeyQafXfxivov.  Genauer 
noch  ist  die  Notiz  ^im  Et.  Mg.  380,  30,  da  steht  auch  noch  xoti 
liyovoi  Tivag  oVt  uxpeile  ßaqvvBO&OLiy  aber  es  ist  Oiytonon,  wie 
dieübrigen  Vogelnamen  auf  tog,  aiyvmog,  xagadf^iog^  ßofißvhog. 
Cram.  A.  0. 11,  214,  9  eQipdiog:  ro  qw  (xeya  avv  tqi  i.  xat  zo 
dl  i  {?  zb  QU)  dia  tov  i  cf.  216,  5)  tj  itaqadoaig,  al  de  hv- 
lAoloyiat  dia(poqovvvai.  Abgesehen  von  der  Etymologie  steht  so 
viel  fest,  dass  Herodian  nach  derParadosis  ioqtdiog  schrieb:  es 
kommt  vor  K  274. 

9.  ^vaygta.  Did.  zu  ^407  ^£i:a  tov  ito  ^q^ygia  6  liqi- 
ata(fxog.  Schol.  B  fista  de  tov  i,  iTtel  aal  SifxvDvidrjjg  q^rfil 
^6  ^(otüiv  xaxiatov  eKtrp^ai  ßioy,^  vgl.  Et.  Mg.  413,  23  yQctq>e-^ 
tai  de  uerä  tov  teora,  iiceidt]  ^Qr^tai  nata  diaataaiv  yuxi  naga 
Sifiiüvian  j^tod^  rifxiv  egnetov  nagi/ttato  ^diov  xcnuatovy^ 
ebenso  Zon. Lex. 967.  Choerob.  Orth.  216,  2C<^aypia:  rj  Ttaga- 
iooig  —  dabei  fehlt  dia  tov  «.  Kein  Jota  hat  J^u)y(}aq>og  conf. 
Et  Mg.  412,  53 ;  Philemon  p.  64  om  e^ei  de  to  i  irqoayeyqafA" 
(levov  und  Et.  Mg.  413, 2  to  Kb)oyQaa>og  ngdtov  aTtoßalXei  tb  i,  xai 
oStu)  Ttoiu  tr^v  liQaäiv  tov  w  xat  o  eig  (o  xojqig  tov  i.  ^q)ayQia 
kommt  bei  Homer  vor  ^407.  ^462.  Jota  sollte  auch  alCtjog 
haben  (so  der  Venetus  2  418),  da  sich  daneben  auch  die  Form 
ail;7fiog  findet,  z.  B.  P  520.  n  83. 

10.  ^PTjanw.  Im  Venetus  hat  dieses  Wort  das  Jota,  v^l. 
Text,  Zeichen  und  Schol.  des  Ven.  S.  10:  so  nach  der  Paradosis. 
Cram.  Epim.  196, 32  tb  fiivtoi  dyfjamo  xat  fii/uvrjayuo  6  fiev  z/t- 
dvfjiog  avev  tov  iwta,  iy  ^tvtoi  Traqadoaig  ovx  inelad^ 
airttfi  (Cod.  ovrolg),  inel  o\  AloXe'ig  ^aiama  xat  fAvaiawo  Xi- 
yovaiv.^ Et.  Mg.  452,  30  Jidvfiog  /w^g  tov  i. .  .oi  de  Xiyovai 
avv  tif  i ,  OT«.  oi  ^lokelg  ^vaiaxu)  xat  ^ivaiano)  Xeyovai ,  ,  ,  f] 
fiivtoi  Ttaqadoaig  e'xei  tb  i.  Cram.  A.  P.  III,  323,  26  Ttaqa 
tb  &vTjaxa)^  tovvo  naga  tb  ^c3,  ^vrjawy  -d^rjaiuo,  e^ei  de  Tuxt 
tb  i  Ttata  Ttaqadoaiv  Ttqoayeygafx^ivov ^  dXoycog.  fxi^valaiMo 
and  dyaiaiMj  als  seelisch  führt  auch  Herodian  zu  A  799  an.  Die 
Stellen  bei  Homer  sind  A  56,  243,  383.  B  106.  X  355.  Q  734. 
»  526.  X  424.  f4  22.  w  33.  Auch  te&vr^  wird  in  dem  Text 
sowol  wie  in  den  Schonen  des  Venetus  mit  Jota  tednjuig  ge- 
sduieben. 

9* 


124  /.  La  Roche,  üeber  das  Jota  subscriptum. 

11.  ©9^^.  Zon.  Lex.  1051  0^^^,  ©p^fxot;,  i^  ov  /.ai  ro 
y^&orji'Mq  axQOXo^oi^  (z/533),  xal  Kaza  avvaiQeoiv  &Q(f§  xcri 
G^Tceg.  xat  navva  tcc  ott  avraiv  avyxel^ieva  ^rlvna  dia  tat 
Iura  yfaq>ovTai,  olov  Ggriiaoa  yvvrj,  xat  to  Qgifxrj  de  Ix^i  ro 
I,  dasselbe  Et.  Mg.  454,  21.  Bei  Homer  kommen  sowol  aufge- 
löste Formen  vor,  wie  GQrjixeg  B  844.  J  533.  K  434,  4Ä7. 
&Qvixa  B  595.  Qqrjtyuog  K  559.  JV  13,  577.  W  230,  808,  als 
aucn  zusammengezogene  ö^wx^g  ß  234.  Qqrjfmv  J  519,  537. 
£462.  K  464,  470,  506,^518.  JV  4.  S  2^7.  Barpf^aoi  ZI. 
eQpiTjJ222.  N301,  Y4S5.  eQtpcrj&ev  Ib,  12.  QQ^ifjvde  ^3ßl. 
Der  Venetus  hat  überall  das  Jota  mit  Ausnahme  von  £462, 
wo  er  von  zweiter  Hand  geschrieben  ist.  C.  1.  1681  QPAKISIL 
3374  QFAKL  202,  Z.  14  2AM0&PAKE2.  179,  188,  Z.  8 
&PAIKE2.  134,  Z.  20  2AM0ePAIKE2,  195,  Z.  9  [2]^M0- 
0PAIKE2.  215,  Z.  9  2AM0ePA[K[E2].  209,  Z.  5  :?^- 
MO0P-^J[Ä£-S].  145,  Z.  4  [-3^MO0P]^/ä:£J.  202,  Z  3 
ePAIKI02. 

12.  ^Qqfaxo),  ^Q(i)a^i6g.  Der  Codex  Venet.  hat  überall 
S-Qwiayuo  und  x^Qwia^iog^  auch  der  Laurent,  zu  Apoll.  ^  603 
ijci^QciioyLei,  Cram.  Ep.  203,  20  x)^Qiütay,(jü:  avv  rqj  Iwra,  Ji- 
6 V flog  de  x^Q^9  '^^^  Iura,  aiio  ycig  tov  O^oQmco  fuXXovTog 
(prfli  yeyevtjox^ai.  oi  di  aiJkoi  Ttavteg  avv  T(p  lioxa ,  (mvvDg  di 
e'x^i  Tj  TtaQadoaic.  aal  to  d^Q(t)a/iog  avv  t^  leSra,  üiajteQ  wxt 
!^7toXX(jiviog  6  AQxißiov^  eTtd  Ttagä  to  ^o^laxeiv  iarlv. 
Et.  Mg,  456,  49  dno  tov  d^oQÜ,  d^oQTjaiOy  ^OQiaxio,  nai  &QqHJiMa 
yucaa  TQo/rrjv.  ex^t  de  ro  «.  Zon.  Lex.  1056  ^oi^Wxcu  to  Ttrfiio. 
6  fiiv  Jidvfiog  x^Q^S  f^ov  i,  das  übrige  ist  durch  Abkürzung 
verdorben. 

13.  xXij^Qa.  Zon.  Lex.  1220  xXfjd^Qa,  rct  xXeidla,  oltvo 
TOV  xXelg  yiyov€  xX^^Qa,  i^  ano  tov  ^Xeiaio.  to  di  y^Xf^io  oi 
^'Jwveg  dia  tov  t]  xai  i^  yQacpovatv,  iS  ov  ymI  to  xXfj&oa  diä  tov 
tj  xal  i  yQaq^ecai  tiol^  eneivoig.  rj^mg  öi  to  Y.Xfj&qa  Oiq^d'oyyO' 
yQawovfiEv^  d.  h.  xXelO^Qa. 

14.  iioX(i)6g,  Cram.  A.  P.  III,  366,  31.  Cram.  Ep.  220,  22 
xoX(i)6v:  eYQrp^ai  7ioX(i)6g  jraqa  to  xXe5  ^rjfia^  o  arjfialvei  to 
q<ov(i,  aal  yivarai  ^rj^iazi^iov  ovofia  7d(i)6g,  wg  aw  (Cod.  acigf 
vgl.  Zon.  Lex.  p.  1230)  aioog^  xal  ^tXeovaafAqt  tov  o  xoXwbg 
fieva  TOV  avexqKüVYjTOv  t.  iy.  tovsov  iyivero  hoXmco  ^^(icc  oev- 
TaQag  avCvyictg  tcjv  7r€Qia7t(0f.iiv(0Vy  to  öevrcQOv  xoMiß^g,  6  naQa- 
TaTtxog  ixoX(iKf)v  xal  to  tqitov  rAoXoja  (cit.  B  212).  ovvio 
0iX6^€vog.  Auch  der  Venetus  hat  A  blo  yoXfttov  und  J5  212 
ixoX(^a.  Abgesehen  von  der  abgeschmackten  Etymologie  ist  an 
der  Richtigkeit  der  Ueberlieferung  in  Betreff  des  Jota  nicht  zu 
zweifeln.  Theogn.  Can.  148,  14  tovto  UoXiocü)  öi  xal  nqmrfi 
xal  SevTegag  avtvyiag  tvjv  7ieQia7C(0(.dvu)v  iaTtv.  xal  naga 
0iXo^iv(^  avv  Till  I.  Merkwürdig  ist  die  Verschiedenheit  der 
einzelnen  Angaben  in  Bezug  auf  Philoxenus ;  denn  während  es 
in  den  bisher  erwähnten  heifst,  er  habe  das  Jota  geschiieben, 


Jl  Im  Boche,  Ueber  das  Jota  subflcriptam.  125 

steht  in  ^  den  übrigen  gerade  das  Gegentheil,  so  Schol.  A  zu 
Ablb  ano  tov  ytokoiog  iyevero  to  nohi^og,  zov  o  TQanivxog 
üg  %o  io,  dio  xal  to  i  [nQoa]y^(p€Tai.  6  de  Oilo^evag  naQa 
%6  TÜitOy  o  iati  z6  xla^iOy  %ai  oi  nqoay^(fu  ro  t,  das  näm- 
liche Schol.  B.  D.  L.  Et  Gud.  334,  44  xoAn^ov,  namt  xo  xoilotog, 
0  de  Oilo^evog  (Cod.  (OiXoTiovog)  naqa  %o  xXcij  TüLa^w^  ano  tov 
xilctf  xotva  TtaQaytayTfV,  ovde  TtQoayQctq^i  (Cod.  7tQoayQaq>eTai)  z6 
Idrra.  Dass  Philoxenus  ohne  Jota  schrieb,  beweist  seine  Ablei- 
tung von  nlüy  während  die,  welche  dais  Wori;  von  xoXoiogf 
t^nf  zov  o  eig  m  ableiteten,  es  mit  Jota  schreiben  mussten. 
Sonst  ist  noch  zu  vergleichen  Et.  Mg.  525,  53.  Zon.  Lex.  1229 
und  1230,  Et.  Or.  85,  11.  Cram.  Epim.  135,  3. 

15.  IfjazTig.  Zon,  Lex.  1302  ^.rfizrig^  ano  zov  XrjtCfiD^  zo 
jigaideviDy  yiyove  Xrjiazrjg  inai  xaza  avvaiqeaiv  Xfjazfjg,  vgl.  Et. 
Mg.  563,  22.  Et.  Gud.  368,  18.  Bei  Homer  kommen  nur  aufge- 
löste Formen  vor,  so  Irji'dog,  hjiday  Xtjtaaaro,  ^5?iörijy,  Xrjiazoij 
hrjiozfjqeg,  daneben  Xrjiazoqeg  und  Xrjtzidi  K  460.  C.  I.  3612 
AH^THFIA  ohne  Jota. 

16.  k(l>wv,  Zon.  Lex.  1325  Xiol'ov:  -^Qeiaaov,  ßiXziov.  za 
oc  wv  'Aa&aqa  diaiXXaßa  avyxQiziKa  diq>&6yy(it  naqaXriyezai^ 
olov  nXeioßv,  fieiiovy  ^qojv^  Xc^wv.  xal  za  fxev  ovo  hupwvovai 
%o  I,  oloy  nXeiojv,  fieiiov,  za  de  dvOy  olov  ^^coVy  Xi'iKaVy  ov.  yive-' 
tat  de  naqa  zo  XtZ,  zo  »ihoy  vgl.  Et.  Mg.  570,  47.  Et.  Gud. 
376,  10.  Philemon  p.  73.  Cram.  Ep.  263,  6  und  266,  14  za  ek 
btv  xaKhaga  diavXXaßa  avyxqiziY.a  diipd-Syriit  &iXovai  naqaXtj^ 
yeüd-ai,  ziaoaqa  de  elol  zavza.  xat  za  luev  dvo  ix(pa)vovat  zo 
I,  olov  fxeiMVy  7tXei(0Vy  za  de  dvo  avexqxovrjzov  avzo  exovaij 
olov  XiJHovy  ^(x)v.  Bei  Homer  kommen  nur  die  aufgelösten  Com- 
parative  vor,  in  den  beiden  Formen  des  Neutrums  Xatiov  und 
blofs  in  der  Odyssee  {a  376.  ß  141)  XtStzei^v. 

17.  Nrjqndeg.  Zon.  Lex.  1398  NriOrjdegyd^aXaaaioi  dai- 
^oveg,  exet  zo  icjm,  ajco  yaq  rov  iV/;öw*0£c:,  tag  Bqiarjideg  aal 
Xqvatjtdegy  Nijqfideg,  Kad^yjdeg.  Et.  Mg.  604,  54  Ntfif^deg, 
ixei  zo  i,  ano  yaq  zov  Nrjqtjidag  y,al  Bqiarjideg  xat  Xquamdeg 
yLol  Kadf,irjtdeg  awrjqe&i]  Ntjqijdegy  Bqiafjdegy  Xqvafjöegy 
KadfAfjdeg,  C.  I.  1064,  Z.  6  lEPHIJA  Uqfjda. 

*l8.  7rqii}rtv.  Zon.  Lex.  1589  nqt^riv^  exet  zo  t  xaza  zrff 
naqaXtfyovaav,  eozi  yaq  irqajty  ex  zovzov  yivezat  naqdyioyov 
nqdiiog ,  xal  zo  ovdezeoov  nqcoiov ,  wg  xal  6  noirjztjg  (O  470^ 
^tjv  edrfla  nqioiov.^  zovzov  zo  ^tjXixov  i)  nqtota^    fj  alziazixrj 


{j  aiziaziXTj  jcqotavy  xat  exzaaei  zov  o  elg  lo  nqioi'aVy  xav  Iw- 
viTuog  nqwtrp^y  xat  xaza  avvalqeaiv  zov  w  xai  i  eig  zijv  lot 
diq>&oyyov  nqf^rjv.  Cram.  A.  0.  U,  398,  25  nq(pr^:  ex  zov  nqma, 
jtqmav  jJ  alziaztxtj.  xal  zqo7cfj  zov  a  eig  rj  yivezat  nqiotrjv^ 
xal  xaza  avyxonrv  nq(^r]v.  e%ei  de  xat  zo  i.  Et.  Mg.  692,  11 


It6  «71  Jk»  BochCy  üeber  das  Jota  sabscriptam. 

Sei  ovv  yiv(joay.€Lv  ort  to  Tiqi^rpf  avv  t<^  i  yQaq>eTat,  (ig  yivo' 
fxevov  OLTto  Tov  Ttoioty  OTteq  oi  fiev^  noiVjTal  ßaqtvovaiVy  oi  öi 
xoivot  xat  liTTixoL  %al  ^Ax^rpraXoi,  o^ovaiv.  Et.  Gud,  482,  17 
TTQm  daraus  TtQwiogy  TtQwia,  TtQwtaVy  ionisch  nouSirp^^  xal  xata 
awaiQeacv  rov  w  xai  t  elg  ^  7CQ(^r^v.  Der  Venetus  hat  E  382 
TCQifirpf,  il  500  jtQwrjv,  wo  er  von  zweiter  Hand  geschrieben  ist. 

19.  TtQtp^ov,  Et.  Mg.  691,  56  7tq(^tj0v^  orjf^alvei  ro 
TtQOXr^icfivov.  tXBL  To  t .  .  .  oTco  TOV  TtQCjt  yivetm  TVQwitov  wxi 
xara  awaigeaiv  TtotpCßv,  ähnlich  Zon.  Lex.  1585.  Bei  Homer 
findet  sich  die  aufgelöste  Form  ngwi^a  neben  x^i^cf  und  so  wie 
davon  die  adverbiale  Singularform  xx^iCpv  vorkommt,  so  auch 
von  jenem  TiqMitpVy  zusammengezogen  7tq(fiCf>v, 

20.  7tQ(ifQa.  Et.  Mg.  692,  26  nqwqa  avv  np  c. . .  arto  di 
Tfjg  hvfioloyiag  a7to^  tov  nqoUvat  (die  Alten  leiteten  auch  /^ 
von  ievm  ab),  aal  ano  r^g  diaazaaewg,  iTcetörj  €VQrfi;ai  xara 
diaaTaaiv  wg  Tvaga  t(^  noirprH  „xvavoTtQioiQOvg^y'Mxi  TtOQa 
Sifiiondf]  „xvavoTtQwiQav.^  to  de  TtquiiQa  o\  fiiv  dia  tov  i 
Xeyovaiv  cjg  oltzo  tov  nQi^qa  xara  öiaOTaaiv  tov  t  TtQwiQay  6 
de  ^Hgwdiavog  dia  Trjg  et  diw&oyyov  yqacpet  TtQog  tov  xa- 
qanTTJQa  Twv  dia  tov  €iQa,  vgl.  Et.  Mg.  318,  57.  Zon.  Lex.  1581 
7tQ^Q(x,  avv  Tut  i ,  .  .  0V71  a)q)€i)ie  de  ex^tv  to  i  (weil  man  es  von 
TTöoooov  oder  von  TT^  aJoag  ableitet),  dXX^  v  TtaQadoacg  e'x^i 
avTOy  i7T€idrj  naga  to  rcqo'iivai  y.al  ajto  diaaTaaecjg  tov  i, 
wg  TtaQOL  T(p  7toirp:fj  xvavoicQtoiöovg  (Cod.  avtxnqtoiQOvg)  y  aal 
Ttaga  ^i^cjvidy  xvavoTtQf'i'Qav.  Theogn.  Can.  107,  29  TtQWQa: 
TovTo  oi  Ttleiovg  avv  t^  i.  Die  aus  Homer  angeführte  Stelle  kann 
keine  andere  sein  als  y  299,  wo  wir  jetzt  lesen  viag  TcvavoTtqqf- 
Qeiovg:  jedenfalls  beruht  die  Lesart  zvavoTrQcotQovg  auf  guten 
Quellen,  da  auch  Simonides  diese  Form  gebraucht  hat.  Wenn 
nun  Herodian  für  n^dÜQa,  welche  Form  älter  sein  muss  als 
^QVQ<^f  ^^^iQO'  schneb,  und  zwar,  wie  es  scheint,  wegen  der 
unerklärlichen  Länge  des  Jota  (umgekehrt  schrieb  er  QeaTtiav 
flir  Qianeiav  B  498 ;  man  schrieb  auch  neiaea  für  jtiaea,  m- 
ao^ai  fär  viaaofiai,  q)d^€ir]g  für  (fx^i/jg),  so  könnte  er  möglicher- 
weise auch  xvavoTTQioelQovg  geschrieben  haben.  Sonst  steht  bei 
Homer  nur  noch  die  Form  Kvavo7iQ(/)Qoio  immer  am  Versende 
mit  vorausgehendem  vr^g  oder  veog  Ö  693.  H'  852,  878.  i  482, 
539.  X  127.  A  6.  |u  100,  148,  354.  ^311.  x  465,  woför  man 
überall  TcvavonQwtQov  schreiben  könnte.  Dadurch  bekämen  wir 
nur  eine  einzige  Nominativform  ytvavo7[QdiiQogy  während  wir  jezt 
deren  zwei  haben,  nämlich  zvavoTVQiißQog  und  xvavoTCQqßQeiog. 

21.  ^^SSog.Et  Gud.  489,  21  ^^ßdog  „naga  to  ^cj  (sie) 
TO  q>&€iQ(o  exTioXfj  (?)  tov  i  ^äßdog,  TtqoayQacfOfxivov  tov  i. 
489,  23  und  25  ist*  ebenfalls  ^ßdog  geschrieben,  welches  diesmal 
von  ^^ov  abgeleitet  wird.  Auf  das  ganze  Citat  ist  nichts  zu  geben. 

22.  ^(fdcog.  Zon.  Lex.  1606  ^^diov,  ^xoXoVy  ex^i  to  i 
in€idf}  evQTjTat  naTCt  öiaaToaiv  ^rjiöiov.  xat  otl  oltio  tov  ^a 
yiyove  ^eidiov,  xai  tqotv^  tov  b  eig  t)  xai  awaiqiau  (tjtdtov. 


J.  La  Boche,  üeber  das  Jota  sabscriptam.  It7 

OMC  iyevero  ^diov  ano  tov  ^Sog,  ^ov.  Gram.  A.  P.  IV,  16,  23 
^diov :  l'xce  To  I,  iTteidi]  evQmat  xara  diaavaaiv  ^rjtdiov.  Gram. 
A,0.  n,  407,  6  ^Stov:  [i^ct  to]  ^  7tqoay€yqa(.i^ivov  ^  diozt 
evQid^i]  xorra  diaoTaaiv  „^rfidiwg  avvea^e^  {A  114).  Et.  Mg. 
700,  40  TO  de  ^öiov  bxbl  to  i  /vQoayeyQOUfiSvov  y  iTteidij  ev- 
QiaiUTai^  TO  i  xarä  didavaaiv  ^mdiov.  Et.  Gud.  489,  34  ^^dioy 
[Ix^e]  TO  t  TVQoayeyQain^iivoVy  [sitsiörj]  evQ^d^r]  xara  diaOTaaiv 
\ijidiow,  Apoll.  Dysc.  de  adv.  p.  567  naqa  to  ^ea  ^v  tl  ^e'tdiog, 

0  Tta^  TOig  ^'Icjotv  iyivero  ^rjtdiog,  oof  ov  xat  iniqqri^a  ^rfcduog 
wg  (jiaxpidlojg.  aq>*  ov  tniTirev  ex  ixecad^ioe(ag  tov  tj  elg  to  a 
^tdiog  xat  ^aidicogy  aq>*  ov  xorra  awaiqeatv  ^qdiwg. 

Zon.  Lex.  1607  ^(fÖLOvqyilvi  djcoT&v  ...  Ta  TtccQa  to 
(jqdiov  exu  to  v  Ttqoayeyqa^^ivov^  olov  ^(f^vfiog,  ^(f^v^la^ 
i^aTwvfj.  Et.  Mg.  700,  51  Ta  de  7raqd  to  öadiov  exovoi  to  i 
fr^y€yQaf4iievov,  olov  ^q^dv^iog,  ^(fOTiovr].  Et.  Öud.  489, 41  ^diog 
tm,  aTcoßoXy  tov  d  ^iog  xat  avy^onfj  ^aog,  aal  (xivei  to  i  TtQoa- 
yeyiiafjifiivovy  dabei  scheint  es  dem  gelenrten  Grammatiker  ent- 
gsuigen  zu  sein,  dass  aus  ^^diog  durch  Ausstofsung  des  d  ^^iog 
geworden  sein  müsste. 

Et.  Gud.  490, 4  TO  de  ^^ov  exet  to  t  jcQoayeyQafiiiivov , . . 
td  fiev  ovo  ey.cfxüvovai  to  i,  to  fislovy  itkeiovy  Ta  de  ovo  dveK- 
wbnnjiov  cciTo  exovaiVy  olov  ^ov,  X^wv,  vgl.  zu  Xtpcov,  Et.  Mg. 
iOly  1  xai  ^ov  oiioicog  exei  to  i,  ot*  ev^iaiceTai  xai  xaT« 
öidaTaaiv. 

Zon.  Lex.  1603  ^^OTog:  exet  to  i  TTQoayeyQa^t^tevoVy  oti 
nquhov  fniv  ^jqrjfvai  xoTcr  didoTaaiv,  ^rjiOTVjy  rj  oti  ano  tov 
öaov  yeyovB  ^^OTog,  Im  Homer  finden  sich  nur  die  aufgelösten 
Formen  ^rvtdiogy  Comp,  örjkeqogy  Superl.  ^i'TaTog  und  ^rJLOTog 
(6  565).  Die  Wurzel  scheint  FE  zu  sein,  davon  das  Adver- 
bium ^7a. 

23.  Tijttfjg.  Schol.  /  605  Tivig  to  Ttfi^g  dtd  tov  i  yQdq)ov- 
aiVy  ccTto  yaQ  tov  Tifirjetg.  otmog  xal  tyjv  ahcaTixrjv  ä.7te  ,yXai 
Xgvaov  Tif.ihvTfx"'  {2  475).  ymitoi  "koyog  IgtIv  ag  naaa  evS-ela 
aQoevi'Kov  ovojaoTog  iv  TJj  TelevTaitjc  ovo  e'xovaa  q>wvrj€vva  Tavza 
hq)0}vel  /w^ic  tov  @Q(f^.  om  eneiod^r^  de  ij  Tiaqdöoatg,  igt- 
OTUQxog  yctQ  dvev  tov  i.  Aristarch  schrieb  aber  aus  einem  ganz 
anderen  Grund  das  Jota  nicht,  da  er  die  Form  für  den  Genetiv 
von  Tif^iTj  ansah.  Schol.  x  38  aal  Ti^iog  eoTiv:  yq,  xat  Tijtifjgy 
1^01  TifATjeig.  Aber  auch  in  dem  Falle  darf  das  Jota  nicht  dazu 
geschrieben  werden,  da  es  nicht  zum  Wortstamme  gehört,  son- 
dern als  Ersatz  für  die  ausgestofsenen  Gonsonanten  it  einge- 
treten ist.  Philemon  p.  178  vipiTTSTr^g  ßaqvverai  xara  l4qiOT(xQxoVy 
fiQog  diaoToXm  tov  tiffurerrjg,  o  drjXol  zov  i^  vijmvg  Tceaovza, 

01  de  TreQiantJVveg  aino  6x  Toi;  vilUTrerrjeigy  wg  ri/urjeig  Ttf.ir]g 
AloXiTLwgy  aiylrjetg  alvkrjgy  jcid^avcog  f^ev  notovaiv  y  emY.q(nel 
di  ofitog  rj  tov  ^^qiotoqxov  yQaq)rj,  Auch  hier  ist  von  keinem 
dazu  geschriebenen  Jota  die  Kede,  sondern  die  Form  zi^i^g  wird 
emfacn  als  seolische  bezeichnet  und  Philemon  wurde  es  sicher 


128  J.  La  Boche,  üeber  das  Jota  sabscriptaiiL 

nicht  unerwähnt  gelassen  haben,  wenn  das  Jota  in  diesen  Wör- 
tern dazu  geschrieben  worden  wäre. 

24.  (p(pg.  Et.  Mg.  803,  34  qxpg,  wq}d6g  exu  to  i  xai  a^vve- 
tat  wg  d(fg,  dqSog  . .  .  e^et  di  ro  i  STteidrj  leyecai  xai  qKdtdegf 
(og  evQOv  iv  rdig  lA^eat  utiv  ^rfrogcjv.  Xeyu  de  6  Xoi((oßoaxogj 
ort  dicvHaßtog  xal  f.i6vov  Xeyevac  xara  to  nahuovy  ftqooyt- 
yqa^^evov  t(^  (o  tov  l,  Zon.  Lex.  1836  wfpdeg:  ex^i  to  v  ngoa^ 
yeyQa^jüivov.  xo«  zrjg  qxpdog  o^vrovwgy  wg  dtfdog . . .  ixBi  de  to  c. 
cr^ijirat  de  nara  diaa-vaaiv  qxotdeg.  diavXlaßov  de  Xeyei  redigyiog 
6  XoiQoßoo^og.  aal  IdqiaTOipavrjg  ev  JHovr^  (535)  „tvXijv  qxp- 
diov  €x  ßaXaveiov.^  Philemon  p.  193  q)(ig,  ([vdog,  exei  to  i  nud 
o^vevai  (og  d^g,  dtfdog.  eiQrjftai  TcaQCc  to  q>iog,  ojteq  Totvzov  eOTi 
%ij}  tvvqL  Tcal  ar^f.taivei  tcc  iv  Tolg  aTcileat  ytvo^ieva  eiouxvfjiaTa 
OLTto  TOV  TivQog.  kx^i  di  TO  ly  iTceidrj  XeyeTai  nai  qxotdeg. 

25.  ^a.  Et.  Mg.  820,  6  ^a,  ar^uaivev  tJv  avanüiaaiv  tov 
•KoaaTtidov  tov  i^ctriov.  avv  Tip  i  yQaq>eTai,  Choerob.  Orthogr. 
281, 12  (}a  (sie) :  to  tov  x<^c3yog  aycQov.  gieret  tov  t  ij  jtaQadoaig. 
Zon.  Lex.  1879  ^a  (sie),  to  uxqov  tov  i^ioTiov,  ^  o  xalovfiev 
7t€QiTQaxTjhov,  tJtoi  TTeqiaTOfuov  .  .  .  ^  ar  'xAaaig  tov  ifLOOtaTti- 
dov,  '  "  "'  "^  '"  '  "**  ' 
ßo 


HOL 


TO  olg,  o  Gr]f.iaiv€t  to  jtQoßaTOVy  diaXvaei  tov  o  %al  i  oig^  xal 
iTtav^Tjaei  tov  o  eig  o),  xal  to  d^rjkvxov  wa.  fievev  de  to  i. 
TiliveTai  qßOy^  qiag,  Vgl.  Et.  Gud.  575,  44.  Philemon  p.,213.^ 

26.  (^6v.  Et.  Mg.  822,  39  mov:  del  yivioaxeiv  ort  to  (fiov 
TO  i  exet,  OTi  &!)qmai  to  i  xara  diaaTaaiv  Ttaqa  t§  2a7tq>ol 
y^(faai  di)  noTe  Arfitxv  va'Aiv&ivov  nenvxad^iivov  evoelv  mov^^ 
ähnlich  Zon.  Lex.  1879.  Choerob.  Orth.  281,  15  i^v:  to  t^ 
oQvtg  (sie)  avv  Ttp  i. 

Wien.  J.  La  R  0  c  h  e. 


K  Eoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Yergil-Handschriften.       129 


Zur  Kenntnis  und  Beurtheilung  einiger  Vergil- 
Handschriften. 


Die  Fragmente  des  'Codex  Angnstens.* 

Gkheimrath  und  Oberbibliothekar  G.  H.  Pertz  zu  Berlin,  dem  be- 
reits Philologie  und  Geschichte  die  Auffindung  und  Veröffentlichung  manch 
kostbaren  handschriftlichen  Schatzes  verdanken,  hat  neuerdings  in  den  Ab- 
handlungen  der   k.  Akademie   der  Wissenschaften   zu   Berlin  einen  Fund 
bekannt  gemacht*),  der  in  jeder  Weise  geeignet  ist,  das  allgemeinste  In- 
teresse der  philologischen  Fachgenossen  in  Anspruch  zu  nehmen.    Es  sind 
dies  drei  Blatter  eines  Vergil- Codex,  die  unter  wenig  versprechender  An- 
kündigung in  dem  Kataloge  einer  im  Haag  abzuhaltenden  Auction  ausge- 
boten, sich  als  drei  nübergrofse,  doppeltgefaltete  Folioblättcr  von  nie  ge- 
sehener Schönheit  und  Gröfse  der  Capitalschrift**  erwiesen.    Zugleich  er- 
kannte Pertz,   dass  diese  Blätter   Theile  jener  Handschrift  gewesen  sein 
mfissten,  von   der  die  Yaticanische  Bibliothek   noch   eine  Anzahl  Blätter 
besitze.    Zur  Zeit,   als  Mabillon   die  bemerkenswerthesten  Handschriften 
dieser  Bibliothek  durchmusterte,   um   aus  ihnen  Schriftproben  für  sein 
'Corpus  diplomaticum*  zu  entnehmen,  kamen  ihm  auch  die  Beste  eines 
Vcrgil-Codex  zu  Gesicht,  von  dem  er  nicht  zweifelte,  dass  er  dem  1.  Jahr- 
hunderte unserer  Zeitrechnung  angehört  haben  dürfte.  £r  liefs  ein  Facsimile 
der  Verse  302—305  des  IV.  Buches  der  Aeneis  für  sein  Werk  anfertigen. 
Diese  Blätter,  deren  zu  Mabillon's  Zeit  noch  14  waren,  stammten  aus  dem 
Besitze  des  französischen  Rechtsgelehrten  Claude  Dupuy,  und  waren  von 
diesem,  wie  die  Aufschrift  des  ersten  Blattes  zeigte,   dem  Römer  Fulvio 
Orsini   zum  Geschenk   gemacht  worden.    Nach   dem   Tode  des  letzteren 
(t  1600)  gelangten  sie  in  die  Vaticana.    Bei  einem  Brande  dieser  Biblio- 
thek (1768)  giengen  beim  retten  der  Handschriften  zwei  jener  Vergil-Blätter 
verloren;  die  übrigen  zwölf  hatte  noch  Silvestre  1841  in  der  Vaticana  ge- 
sehen, gegenwärtig  aber  finden  sich  nur  mehr  noch  vier  Blätter  vor. 

Hinsichtlich  der  drei  für  die  Berliner  Bibliothek  erworbenen  Blätter 
hat  Pertz  auf  Grund  der  unter  Anwendung  chemischer  Reagentien  auf 
dem  ersten  Blatte  sichtbar  gewordenen  üeberschrift:  'Ex  lihro  primo  Geor- 
gicarum\  darunter  '0.4.3'  von  einer  dem  Ende  des  16.  oder  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  angehörigen  Hand,  den  Schluss  gezogen,  dass  diese  drei 
Blätter  bereits  zu  der  Zeit,  als  die  vierzehn  in  Orsinrs  Nachlass  befind- 
lichen Blätter  in  die  Vaticana  kamen,  als  gesondertes  Bruchstück  existiert 
haben  müssen,   und  nicht  etwa  bei  dem  erwähnten  Brände  der  Vaticana 


•)  Ueber  die  Berliner  und  die  Vaticanischen  Blätter  der  ältesten  Hand- 
schrift des  VirgiL  Von  G.  H.  Pertz.  Aus  den  Abhandlungen  der  k. 
Akad.  d.  W.  zu  Berlin  1863.  Hierbei  3  Blätter  in  Licht-Steindruck, 
Berlin,  1863.  gr.  4. 


180       R  Hoffmemn,  Zur  KenntaiiB  einiger  Vergil-Handschriften. 

aus  dieser  abhanden  gekommen  sein  können.  In  den  Zügen  jener  Ueber- 
schrift  will  Pertz  die  Hand  von  Pierre  Pithou  (f  1596)  erkennen,  wie  diese 
in  ähnlichen  Ueberschriffcen  von  Manuscripten  vorliege,  die  Eigenthnm 
dieses  Rechtsgelehrten  gewesen  seien  '*),  aus  dessen  Besitz  Mabillon,  Rainart 
und  neuestens  noch  Silvestre  im  Widerspruche  zu  der  Aufschrift  des  ersten 
der  Vatikanischen  Blätter  auch  diese  wollten  herrühren  lassen. 

Wie  dem  nun  auch  sein  mag,  immer  ist  es  merkwürdig,  wie  die 
zwei  ersten  Berliner  Blätter  sich  zwischen  die  vier  Vaticanischen  einreihen. 
Der  Inhalt  dieser  sechs  Blatter  ist  nämlich*: 

Vat.  Fol.  I    -  Geo.  I,  v.  41-80. 

Berl.  Fol.  I    -    „     „  v.  81—120. 

Vat.  Fol.  U  -    „     ^  V.  121—160. 

Vat.  Fol.  m  -    „     ,,  V.  161-200. 

Berl.  Fol.  U  -    ^     „  v.  201-240. 

Vat.  Fol.  IV  -    „     „V.  241-280. 
Dazu  noch  Berl.  Fol.  lU  mit  Geo.  III,  v.  181—220. 

Mabillon -Ruinart,  die  Benedictiner  von  St.  Maure,  die  im  IIL  B. 
ihres  Nouveau  trait^  de  diplomatique,  p.  41  Mabillon*s  Schriftproben  wie- 
derholten, zuletzt  Silvestre,  der  in  seiner  Pal^graphie  universelle,  T.  II., 
den  Anfang  des  ersten  Vaticanischen  Blattes  (G.  I,  41 — 49)  nachbildete, 
hatten  übereinstimmend  die  Schrift  der  Vaticanischen  Vergil-Blätter  nicht 
nur  für  die  eleganteste  unter  allen  bis  dahin  bekannten  erklärt,  sondern 
zugleich  auch  in  ihr  den  Charakter  des  höchsten  Alterthums  erkennen 
wollen.  Diesem  ürtheil  tritt  denn  auch  Pertz  in  der  Art  bei,  dass  er  auf 
Grund  der  ausnehmenden  Schönheit  und  GleichmäTsigkeit  der  Schrift,  die 
aus  Quadrat-Capitalen  von  ganz  ungewöhnlicher  Gröfee  besteht  ('%4"  hoch), 
von  einer  Reinheit  der  Form,  die  so  weit  als  möglich  von  den  später  be- 
kannten üncialformen  entfernt  sei,  in  diesen  Blättern  'das  schönste  auf 
uns  gelangte  Erzeugnis  der  vollendeten  Kunst  altrönüscher  Schreiber  er- 
blickt, wie  sie  der  Zeit  des  Augustus  angehörte  und  in  der  Inschrift  des 
Pantheons  ihres  Gleichen  findet.*  Demgemäfs  wählte  denn  auch  Pertz  für 
die  Handschrift,  aus  der  diese  Blätter  stammen,  die  Bezeichnung  *Codei 
Augusteus.'  Wenn  nun  auch  ein  Blick  auf  die  treiFlich  ausgeführten  Facsi- 
mile's  der  Berliner  Blätter  im  allgemeinen  über  das  hohe  Alter  der  Schrift 
keinen  Zweifel  lassen  kann,  so  fehlt  es  doch  für  die  Beurtheilung  von 
Capital-  und  Uncialschriften  bis  in  das  5.  und  6.  Jahrhundert  nach  Chrbtus 
noch  zu  sehr  an  sicheren  Anhaltspuncten ,   um   schon   auf  Grund  der  be- 


')  Pertz  gibt  S.  102,  A.  1  eine  angebliche  Probe  von  Pithou's  Hand- 
schrift aus  einem  jetzt  in  der  k.  Bibliothek  zu  Berlin  befindlichen, 
aus  Pithou's  Besitz  stammenden  Codex.  Vergleicht  man  iedoch  mit 
dieser  Schrift  die  bei  C.  Guil.  Müller  *de  codicibus  Virgilii,  <jui  in 
Helvetiae  bibliothecis  asservantur  (Bemae  1841)*  tab.  II,  addit  ad 
spec.  n,  C,  facsirailierton  Namenszüge  jenes  Rechtsgelehrten,  wie  sie 
sich  auf  dem  ersten  Blatte  eines  Bemer  Codex,  den  Grammatiker 
Cledonius  enthaltend,  finden  (T.  Pithou.*  Darunter  *Emi  Basilia 
1568'),  so  müssen  bei  der  Gänzlichen  Verschiedenheit  beider  Schrif- 
ten wol  Zweifel  entstehen,  ob  in  der  Pertz'schen  Schriftprobe  Pithou's 
Hand  zu  erkennen  sei. 


R  Hoffimmn^  Znr  Kenntnis  einiger  Vergil-Handscliriften.       181 

sonderen  Schönheit  nnd  Gleichmälisigkeit  der  Schrift  zamal  in  einem  Codex, 
bei  dessen  Ansfähmng  es  ohne  Zweifel  auf  ein  ganz  aasnahmsweises  Pracht- 
werit  abgesehen  war,  ein  bestimmtes  ürtheil  über  das  Alter  abgeben  zu 
können.  Den  Mangel  an  Worttrennung  nnd  Interpunction,  so  wie  die  geringe 
Zahl  von  Abkürzungen  theilen  mit  diesen  Vergil-Blättem  bekanntlich  auch 
noch  Handschriften  des  4.  und  5.  Jahrhunderts,  während  umgekehrt  — 
um  von  den  Inschriften  aus  der  Zeit  der  Republik  zu  schweigen ,  wo  die 
Worte  durch  Puncto  getrennt  sind  —  in  dem  herculanensischen  Papyrus 
des  'bellum  Actiacum*  Worttrennung  sich  findet.  Ebenso  erweist  sich  die 
Form  einzelner  Buchstaben  nicht  überall  als  charakteristisches  Merkmal 
des  Alters  einer  Schrift,  da  sich  die  reinste  Capitalform  insbesondere  in 
üeber-  und  Unterschriften  noch  in  spaten  Jahrhunderten  nachweisen  lässt, 
wahrend  umgekehrt  einzelne  Uncialen  schon  in  den  ältesten  Manuscripten 
(z.  6.  die  annähernd  h  und  K  gleichenden  Formen  von  H  in  dem  er- 
wähnten herculanensischen  Papyrus)  sich  finden.  So  zeigen  denn  auch  diese 
Vergil-Blätter  einmal,  wenn  auch  allerdings  nur  am  Ende  der  Zeile  der 
Raumersparnis  wegen,  die  Uncialform  ^  —  G  (G.  I,  234  in  dem  Worte 
IGNI). 

Wenn  Pertz  die  Schrift  der  Vergil-Blätter  för  älter  erklärt  als  das 
Ton  ihm  veröffentlichte  *Livius-Bruchstück*  (bekanntlich  seitdem  als  Frag- 
ment des  IL  B.  von  Sallust's  Historien  nachgewiesen,  ff.  38 — 41  Ed.  Dietsch), 
so  stimme  ich  ihm  hierin  um  so  lieber  bei,  als  ich  das  Alter  jenes  Bruch- 
stückes nicht  so  hoch  ansetzen  möchte,  wie  Pertz  es  that,  der  dasselbe 
dem  1.  oder  doch  dem  2.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  zugeschrie- 
ben wissen  wollte.  Mir  wenigstens  scheint  der  Schriftcharakter  dieses 
Fragmentes  durchaus  derselbe  zu  sein,  wie  ihn  das  Vaticanische  Sallust- 
Fragment  zeigt*),  von  beiden  aber  differiert  kaum  die  Schrift  des  Plau- 
tmischen  Palimpsestes  *),  den  A.  Mai  gleichfalls  in  zu  hoher  Schätzung 
seines  Alters  der  2ieit  der  Antonine  vindicieren  wollte  ^) ,  während  ihn 
Niebuhr  dem  5.,  richtiger  wol  Ritschi  •)  dem  4.  Jahrhundert  zugewiesen 
wissen  wollten. 

Wenn  im  allgemeinen  der  Schriftcharakter  der  Berliner  und  Vati- 
canischen  Vergil-Blätter  sich  als  der  des  strengen  Festhaltens  an  der  regel- 
mä^gen  Capitalform,  d.  i.  an  der  geradlinigen,  den  Initialen  unserer 
Druckschrift  entsprechenden  Gestalt  erweist,  und  wenn   dieser   Schrift- 

*)  S.  die  Copie  in  A.  Mai's  Auctt.  class.  I,  p.  416  ff. 

^  S.  das  Facsimile  bei  A.  Mai,  Plauti  fragmenta  inedita,  p.  35.  Für 
alle  drei  Schriften  ist  charakteristisch  die  Neigung,  für  die  geraden 
Striche  geschweifte  Linien  eintreten  zu  lassen.  S.  insbesondere  A 
(ohne  Querstrich),  M  und  N.  Statt  V  haben  alle  drei  Schriften  ü, 
und  zwar  so,  dass  der  linke  Schenkel  allein  die  Rundung  bildet, 
während  der  rechte  senkrecht  gehalten  und  über  die  Rundung  de« 
linken  nach  unten  verlängert  ist.  —  Ebenso  haben  alle  drei  statt  G 
die  Unciale  Q ,  statt  H  die  Uncialfomien  h  (so  einmal  in  dem  Ber- 
liner Livius-  oder  Sallust  -  Fragment)  und  /T  (so  das  Vaticanische 
Sallust- Fragment  und  der  Mailänder  Plautus-ralimpsest). 

*)  A.  a.  0.  p.  10. 

•)  Plauti  Conioed.,  Vol.  I,  Prolegg.  p.  VIU. 


1SI2       E.  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften. 

Charakter  ohne  Zweifel  als  der  ältere  gegenüber  jenem  erscheinen  rnnss, 
der  bereits  die  Neigung  zeigt,  statt  scharfer  Winkel  Abnmdnngen  und 
statt  gerader  Linien  geschweifte  eintreten  zu  lassen,  so  werden  wir  aaeh 
darin  Pertz  beistimmen  können,  das»  diese  Blätter  älter  sein  müssen  als 
die  drei  in  Capitalen  ausgeführten  Yaticanischen  Vergil- Handschriften  — 
die  Yaticanischen  Fragmente,  Cod.  Bomanus,  und  Palat.  nebst  dem  Floren« 
tinischen  Mediceus,  da  diese  alle  bereits  jenen  jüngeren  zur  Rundung  nei* 
genden  Schriftcharakter  zeigen^. 

Dafür  aber  hätte  Pertz  auf  ein  anderes  Vergil-Fragment  hinweisen 
können,  das  die  entschiedenste  Aehnlichkeit  mit  seinen  Vergil  -  Blättern 
besitzen  dürfte,  nämlich  auf  die  zum  Theil  rescribierten  St.  Gallener  Veigil- 
Blätter.  Dürfen  die  von  C.  W.  Müller  gegebenen  Schriftproben  dieser 
Blätter  ")  als  genau  gelten ,  dann  sind  zwar  die  Capitalen  auf  den  St. 
Gallener  Blättern  minder  kräftig  ausgeführt  als  die  auf  den  Berliner  und 
Yaticanischen  und  differieren  etwa  um  einen  Millimeter  in  der  GröilK  % 
gleichen  diesen  aber  im  übrigen  sowol  hinsichtlich  ihrer  Quadratform  wie 
ihrer  Zeichnung  überhaupt  vollständig.  In  beiden  Fragmenten  ist  die  Schrift 
durchaus  gerade  stehend;  die  Winkel  sind  scharf,  die  geradlinigen  Theile 
der  Buchstaben  ohne  Krümmung  und  Schwingung.  (Auf  den  Pertz*schen 
Blättern  zeigt  T  als  Deckel  eine  leicht  geschwungene  dünne  Linie;  auf 
den  St.  Gallener  Blättern  ist  dieser  Deckel  dagegen  wagrecht  gehalten 
und  endet  auch  in  die  Köpfe,  die  unsere  Druck -Initiale  T  zeigt  Solche 
Köpfe  haben  auf  den  St.  Gallener  Blättern  auch  die  Querstriche  an  EFL, 
während  auf  den  Berliner  und  Yaticanischen  Blättern  diese  Querstriche  nur 


')  In  den  Yat  Prgg.  sowol  wie  im  Cod.  Rom.,  Palat.  und  Med.  tritt 
Y  als  abgerundetes  U  auf,  und  zwar  in  den  Yat.  Frgg.  und  im  Med. 
in  der  in  A.  4  bezeichneten  Gestalt;  im  Rom.  und  ralat.  sind  die 
Homer  des  U  nach  auswärts  umgebogen.  L  und  E  sind  im  Palat. 
und  Rom.  so  gebildet,  dass  der  untere  Strich,  statt  den  Schenkel 
eines  rechten  Winkels  zu  bilden,  sich  als  geschwungene  Linie  unter 
dem  senkrechten  Hauptstrich  hinzieht.  Auch  I  P  T  Y  stehen  auf 
einer  solchen,  nur  kürzeren  geschwungenen  Linie.  Annähernd  gleich 
ist  auch  die  Form  dieser  Buchstaben  in  den  Yat.  Frgg.,  nur  dass 
die  Schrift  hier  ungleich  roher  ist.  Dazu  kommt  noch  in  dieser 
Handschrift  das  unciale  Q;  und  auch  A,  dessen  linker  von  4em 
rechten  weit  überragter  Schenkel  meist  nach  innen  gekrümmt  ist, 
zeigt  die  Annäherung  zur  Unciale.  —  S.  die  Schriftproben  aus  diesen 
Codices  in  dem  Nouveau  traite  de  diplomatique,  t.  ID,  pl.  35. 

•)  C.  Quil.  Mülleri  Analect.  Bern.  P.  Ill:  de  codicibus  Virgilii,  qui 
in  Helvetiae  bibliothecis  asservantur,  Bernae  1841,  tab.  I,  Specim. 
I,  a— e. 

•)  In  Müllers  Schriftproben  wechselt  die  Höhe  der  Buchstaben  zwischen 
5  und  6  Millimeter;  nur  F  und  L  messen  zuweilen  7  Millimeter. 
Wie  Müller's  Messung  zu  verstehen  sei,  der  p.  1  die  Höhe  der  ein- 
zelnen Yerszeilen  auf  ö'"  (?),  den  Zwischenraum  auf  ungefähr  3'" 
angibt,  und  dabei  den  aus  19  Zeilen  bestehenden  Text  einer  Seite 
—  also  doch  [19  X  5]  +  [18  X  3]'"  —  nur  den  Raum  von  8"  2'" 
einnehmen  lässt,  ist  mir  allerdingis  räthselhaft.  Die  Höhe  der  Buch- 
staben auf  den  Beriiner  Yergil- Blättern  variiert  zwischen  6  und  7 
Millimeter;  nach  Pertz  betragen  Zeilenhohe  und  Intervalle  gleich- 
mäffeig  'V«". 


R  Eioffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Yergil-Handschriften.       183 

kurz  and  fl&chtig  gezeichnet  sind.)  V  endet  in  beiden  Schriften  auf  einen 
spitzen  Winkel,  auf  den  Berliner  Blättern  insofern  von  der  gewöhnlichen 
Gestalt  etwas  abweichend,  als  der  rechte  Schenkel  nach  unten  über  den 
Scheitel  hinaus  in  einer  leicht  geschwungenen  dünnen  Linie  verlängert  ist 
A  differiert  insofern  in  beiden  Schriften,  als  es  auf  den  St.  Gallener  Blat- 
tern die  Querlinie  hat,  auf  den  Pertz^schen  Blättern  dagegen  derselben 
entbehrt,  auXser  wo  es  als  grofse  Initiale  am  Seitenanfange  steht.  (Dass 
das  offene  A  nicht  gerade  als  ältere  Form  zu  betrachten  ist,  zeigen  be- 
kanntlich Inschriften  aus  der  Zeit  der  Republik,  wo  A  bereits  wie  in  den 
italischen  Alphabeten  überhaupt,  diesen  Querstrich  hat.)  Von  den  sonst 
noch  charakteristischen  Buchstaben  gleichen  sich  das  spiralförmige  G, 
femer  Y,  so  wie  das  breite  N;  auch  überragen  F  und  L  in  beiden  Schrif- 
ten die  anderen  Buchstaben.  Abkürzungen  kennen  die  St.  Chillener  Blätter 
noch  weniger  als  die  Berliner  und  Vaticanischen.  Erstere  bieten  nur  Q. 
für  que,  während  letztere  aufser  dieser  Abbreviatur  in  der  Mitte  der  Zeilen 
auch  noch  B^  für  hus,  und  am  Schlüsse  in  der  kleineren  Schrift  V  —  um 
bieten.  Was  die  Verbindung  von  Buchstaben  betrifft,  so  finden  sich  auf 
den  St  Gallener  Blättern  nur  NS  und  NT  in  der  Art  verbunden,  dass 
S  und  T  die  Stelle  des  zweiten  senkrechten  Striches  in  N  einnehmen; 
die  Berliner  Blätter  dagegen  zeigen,  allerdings  nur  am  Ende  der  Zeilen 
in  der  kleineren  Schrift,  aufser  der  gleichen  Verbindung  von  NT  auch  die 
Verbindung  von  TB  (über  den  etwas  nach  oben  verlängerten  senkrechten 
Strich  des  R  legt  sich  der  leicht  geschwungene  Deckel  des  T)  und  OS 
(das  0  ist  durch  Schliefsung  des  unteren  Homes  von  S  ausgedrückt); 
femer  tritt  vor  das  verbundene  NT  noch  V  in  der  Art,  dass  der  rechte 
Schenkel  des  V  mit  dem  linken  senkrechten  Striche  des  N  verschmilzt. 
Weiter  findet  sich  in  dieser  kleineren  Schrift  auch  einmal  das  unciale  G 
(a  Anm.  4). 

Nach  dem  gesagten  werden  wir  daher  die  Berliner  und  Vaticanischen 
Blätter  nicht  für  älter  als  die  St.  Gallener  betrachten  können;  über  die 
Zeit  beider  wird  sich  aber  schwerlich  ein  anderes  Resultat  als  das  auf- 
stellen lassen,  dass  beide  für  älter  als  jede  andere  bisher  bekannte  Vergil- 
Handschrift  gelten  dürfen,  und  dass,  wenn  etwa  die  Vaticanischen  Frag- 
mente frühestens  in  das  3.  Jahrhundert  zu  setzen  sind,  jene  Blätter  nicht 
jünger  als  das  2.  Jahrhundert  sein  können.  Wie  weit  sie  jedoch  innerhalb 
dieses  Zeitraumes  nach  aufwärts  zu  rücken  sein  dürften,  wird  wol  unent- 
schieden bleiben  müssen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  Texte  der  Vaticanischen  und  Berliner 
Blätter. 

Hinsichtlich  der  Orthographie  hat  bereits  Pertz  S.  115  darauf  hin- 
gewiesen, dass  der  Accus.  Flur,  der  dritten  Declination  bei  Substantivis 
10  (richtiger  ll)mal  auf  es,  nie  auf  w,  bei  Adjectiven  und  Participien  da- 
gegen ISmal  auf  is,  dreimal  auf  es  ausgehe.  Es  sind  dies  die  Accusative 
der  Substantiva:  vires  (G.  I,  86.  JII,  209,  215),  crates  (I,  95),  messes 
(l  103),  artes  (I,  133),  aves  (I,  156),  arces  (I,  240),  classes  (I,  255),  fruges 
(I,  267),  vepres  (I,  271),  -—  und  die  Accusative  der  Adjectiva  und  Parti- 
cipia:  novoilis  (G.  1,  71),  fra(fil%s  (I,  76),  sterüis  (I,  84),  fHurü  (I,  89), 


1S4       E.  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-UandBchrifben. 

ifiertiis]  (I,  94),  mortdlis  (1, 147),  tenuui  (1, 177),  pinguis  (1, 192),  bicami» 
(I,  264),  ingentis  (lU,  207);  iacetUis  (I,  65),  Äuin^is  (I,  90),  «egH«n<« 
(I,  106),  oZewhs  a,  188),  serenHs  (I,  193),  metuewtis  (I,  846),  TOtonti» 
(m,  181),  soncmtis  (in,  184),  und  diesen  gegenüber  pares  (I,  208),  ^dtce» 
(I,  277),  cmtmtes  (HI,  218),  von  denen  poures  hier  und  Geo.  in,  169  alle 
maJbgebenden  Handschriften  bieten,  ftlices  an  dieser  Stelle  BP,  amcmtcB 
aber  FE  '•). 

Die  Consequenz,  mit  der  sonacb  die  Accusative  von   SubstantiTen 
auf  es,  die  von  Adjectiven  und  Participien  dagegen  auf  is  formiert  sind, 
stiebt  eigenthümlich  ab  von  dem  Schwanken  der  übrigen  Handschriften 
hinsichtlich  dieser  Ausgange,   und  wenn  Wagner  trotz  dieses  Schwankens 
behaupten  zu  dürfen  glaubte  (Tom.  V,  p.  401;  vgl.  p.  395  sq.),  dasselbe 
sei  nicht  sowol  auf  Rechnung  des  Dichters  als  vielmehr  der  Abschreiber 
zu  setzen,  so  dass  nicht  nur  für  die  Accusative  der  Adjectiva  und  Par- 
tidpia,  sondern  auch  für  die  der  Substantiva  die  Endung  is  als  Yergilia- 
nisch  zu  erachten  sei,   so  dürften  die  Blätter  des  Cod.  Aug.,   wie  sie  die 
Endung  is  als  die  normale  für  Adjectiv-  und  Particip-Accusative  entschie- 
den bestätigen,   ebenso  entschieden  die  andere  Behauptung,   dass  dieselbe 
Endung  auch  als  die  normale  für  die  Substantiv-Accusative  zu  betrachten 
sei,  umstofsen.    Uebrigens   zeigt  auch  ein  Blick  auf  die  von  Wagner  V, 
p.  396 — 401  zusammengestellten  Substantiv-Aocusative  der  3.  Declination, 
wie  gegenüber  dem  Vorwiegen  der  Endung  is  bei  Adjj.   und  Participp. 
in  den  maTsgebenden  Handschriften,  die   Zahl  der  Stellen  nur  eine  sehr 
kleine  ist,  wo  diese  Handschriften  in  der  Endung  is  bei  einem  Substantiv- 
Accusative  übereinstimmen  * ').  Gegenüber  dem  Verhalten  von  A  hinsicht- 
lich dieser  Accusativ-Endung  wird  man  es  wol  nur  für  ein  Versehen  des 
Schreibers  betrachten  können,   wenn   zweimal  ein  Nominativ  Plural  der 
3.  Declination  auf  is  sich  findet:   G.  1, 161:  messis  (—  P)  und  I,  215:  pwtris. 
Was  die  Assimilation  der  Präpositionen  in  Compositis  betrifft,  so 
unterbleibt  diese  in  den  Blättern  des  Cod.  Aug.  ebenso  constant  bei  od* 
{adtritus  G.  I,  46;  adsiduis  I,   155;  adfiavU  1,   250;  und  I,  91   weist 
der  Schreibfehler  ABSTRINGIT  ebenfalls  auf  ADSTR.  hin),  wie  sie  bd 
con-  stets  eintritt  (camminus  G.  I,  104;  compositis  m,  192;  coUeäum 


*®)  Zur  Bezeichnung  der  Handschriften  wählen  wir  die  Ribbeck^schen 
Siglen:  F  (schedae  Vatic),  G  (schedae  Sangall.  rescr.),  M  (cod. 
Med.),  P  (cod.  Palat.),  B  (cod.  Rom.),  V  (schedae  Veronens.  resc.), 
y  (cod.  Gudianus  70),  ahc  (codd.  Bemenses  172.  165.  184).  Mit  A 
(cod.  Augusteus)  bezeichnen  wir  nach  Pertz  die  Berliner  und  Vati- 
canischen  Blätter.  —  Die  beigefügten  Zahlen:  1,  2  bedeuten:  von 
erster  oder  zweiter  Hand. 

*')  Am  wenigsten  conseqüent  erweist  sich  (r,  auf  dessen  eilf  arg  ver- 
stümmelten Blättern  sich  im  ganzen  neun  solcher  Accusative  miden : 
aufis  G.  IV,  349  (aures  MP  Bybc),  solis  —  noctis ^A.  m,  203.  204 
(sdes  —  noctes  die  übrigen  Codd.);  dagegen  naues  A".  HI,  4i65  ^noMl 
die  anderen  Codd.) ;  penates  A.  IV.  21  (so  auch  die  Codd.  von  Rib- 
beck). Ferner  sonantis  G.  IV,  364,  fla^antis  A.  I,  710  (beidemal 
-=-  Codd.  Ribb.),  — -  aber  degeneres  A.  IV,  13  und  sublimes  A.  VI, 
720,  an  der  ersten  Stelle  in  üebereinstimmung  mit  allen  l^d- 
schriften  Ribbecks,  an  der  letzteren  mit  MP2  Bbc, 


E.  Moffmtmn,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handflchriften.       185 

I,  114  •»).  Nnr  in  Mabillons  Facsimile  A.  IV,  304  steht  conpeUut.  Dage- 
gen findet  man  in  Bezug  anf  die  Assimilation  von  in  vor  p  m  A  ebenso- 
wenig Conseqnenz  wie  in  3f.  (G.  I,  61  ttipomt,  254  inpdlere  gegenüber 
Ton  I,  99  imperat,  263  impreasat  (sie),  119  impröbus^^,  Vereinzeltsteben 
immundum  I,  81,  wüecebris  TU,  217. 

Gegenüber  der  Form  iandudum,  welche  nach  Wagner  M  constant 
gibt,  und  die  Ribbeck,  jedoch  mehr  wegen  P  überall  aufgenommen  hat  '^), 
hat  ^  G.  I,  213  iaimdudmn.  (So  auch  F  und  G  A.  IV,  1.)  Ebenso  gibt  A 
qHOtanim  I,  198  wie  M  und  P  an  dieser  Stelle.  Bibbeck  schreibt  nach  der 
Mehrzahl  der  Stellen  in  P  constant  guodannia  '^). 

Weiter  kennen  die  Blätter  des  Cod.  Aug.  nur  die  Schreibung  sed, 
haud,  atque^^;  bieten  den  Superlativ  maximus  (G.  I,  199.  244),  und  be- 
wahren e  und  u  nach  v  {inuertant  G.  I,  65;  aduerso  I,  201;  auerso  I,  218; 
uerUx  1,  242;  uacuum  I,  62;  Carduus  I,  152;  diuum  I,  238'^.  Nur  G. 
I,  158  findet  sich  aceruom  (gegenüber  aceruwfn  I,  185)  und  I,  279  saeuom- 
que.  —  G.  I,  98  und  239  bestätigt  A  die  Schreibung  oUicus,  —  I,  70. 105. 
114.  m,  195  harena,  —  I,  70.  100.  114.  117.  142  umor,  umidus,  —  UI,  219 
farmonsa,  — I,  143  lammina,  und  I,  200  sublahsa^*).  In  der  Schreibung 
lyntres  I,  262  stimmt  A  mit  MPR  überein. 

Was  nun  die  kritische  Beschaffenheit  des  Textes  der  Vaticanischen 
und  Berliner  Vergil-Blätter  betrifft,  so  gestattet  zwar  der  Umfang  von  nur 
280,  oder  mit  Hinzurechnung  des  Mabillon'schon  Facsimiles,  284  Versen, 
die  aus  dem  einstigen  'Codex  Augusteus*  übrig  sind,  noch  kein  entscheiden- 
des Urtheil  über  die  Stellung  desselben  zu  den  erhaltenen  Handschriften 
unseres  Dichters,  jedoch  erkennt  man  immerhin  so  viel,  dass  A  bei  man- 
cher Verwandtschaft  mit  3f,  B  und  P  ")  doch  einer  anderen  Textrecension 


:? 


**)  In  G  liej^en  nur  zwei  Fälle  vor,  die  aber  mit  diesem  Verhalten  von 
A  übereinstimmen:  adstUit  A.  DI,  194;  complexu  A.  I,  715. 
In  G  finden  sich  inptdü  G.  IV,  349,  und  inpleuit  A.  IV,  30. 
landudum  gibt  nach  Ribbeck  P  A.  IV,  362.  V,  27.  513.  IX,  186; 
zweifelhaft  ist  die  Schreibart  A.  II,  103  n.  VIII,  153.  Dagegen  steht 
G.  I,  213,  A.  XI,  836.  XH,  217  iamdudum;  A.  I,  580.  fV,  1  ist 
icmdudum  von  zweiter  Hand  in  iamdudum  corrigiert  (Die  Correc- 
turen  der  zweiten  Hand  in  P  entsprechen,  wie  wir  noch  sehen  wer- 
den, meist  der  Leseart  von  A,)  B  gibt  constant  iamdudum. 

'^)  M  gibt  quodannis  nur  A.  VI,  21  und  auch  da  scheint  bereits  die 
erste  Hand  ein  T  Über  D  gesetzt  zu  haben.  —  In  P  steht  quod- 
4Mni8  E.  I,  42.  V,  67.  G.  U,  398.  m,  71.  A.  V,  59.  VI,  21;  quot- 
annis  £.  V,  79.  G.  I,  198.  Dass  der  Schreiber  dieser  Handschrift 
nicht  einmal  in  derselben  Eclo^e  sich  constant  blieb  (s.  £.  V,  67 
u.  79)  spricht  nicht  eben  für  seme  Verlässlichkeit.  —  B  g^bt  quod- 
a$mi8  E.  V,  67.  79.  G.  I,  198.  li,  398.  In  E.  I,  42  ist  cf  (von 
1.  Hand?)  in  t  corrigiert;  an  den  übrigen  Stellen  steht  quotannis. 

»•)  G  gibt  constant  adSte  G.  IV,  347.  406.  409.  A.  I,  389.  687)  und 
ad  (G.  IV,  360.  416.  A.  IV,  1)  für  atque  und  at. 

")  So  gibt  auch  G  diuum  (G.  IV,  347.  358;  flauum  IV,  352;  uoluurU, 
deuduunt  A.  UI,  196.  G.  IV,  349;  uuUus  A.  I,  710.  UI,  216;  uulnus 
A.  IV,  2.  Dagegen  A.  I,  383  conuolsae. 

'•)  G  kennt  nur  diese  Schreibart:  elabaua  G.  IV,  410;  labaa  A.  I,  394; 
labsfu]  A.  m,  225. 

**)  Mit  den  vatikanischen  Fragioanten  {F)  hat  ^  nur  die  34  Verse  G.  lU, 


1S6       E.  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Yergil-HandschrütetL 

angehören  dürften.  Mit  einer  jeden  dieser  drei  Handschriften  theüt  Ä  ge- 
wisse Schreibfehler:  mit  3f  und  P  G.  I,  146  den  Fehler  duris  mrgena  (statt 
urgens);  mit  M  und  R  I,  236  glaciae  (st.  glacie);  mit  i^  I,  159  solauere 
(st.  solabere).  Auf  die  Form  VEIS  (uis),  welche  il  in  G.  I,  198  bietet, 
weisen  auch  die  Züge  V/ IS  in  M  hin. 

Mit  M  und  R  theilt  A  die  Lesarten  G.  I,  60:  aeternaque  (so  auch 
;^  &  c  nebst  Servius  und  Probus) ,  wofür  Ribbeck  dem  einzigen  P  zu  Liebe 
das  für  den  Zusammenhang  der  Stelle  minder  geeignete  dltemaque  auf- 
nahm; I,  203:  ülum  in  praecepn  (INCEPS,  mit  von  jüngerer  Hand  dar- 
über gesetztem  PRE  gibt  B)  gegen  iüum  praeceps  P;  226:  arisüt  gegen 
aiAenia  P;  211 1  Orcus  gegen  Horcus  P;  III,  194:  tum  nocet  (so  auch 
Fyh)  gegen  prouocet  P, 

Mit  M  übereinstimmend  gibt  Ä:  G.  1,  165  Caelei  (st.  Celei);  194: 
[ajmu/rga  {amurcaPR)\  248:  densantur  {denaetUur  PR);  DI,  190:  acces- 

A        8f9 

serü  (acceperü  PR;  OCCEPERIT  F,  'A  manu  satis  ant. ,  S  S  fort,  rec' 
bemerkt  Ribbeck). 

Mit  R  gibt  A  G.  I,  57  das  allein  richtige  miUü  (M  mütai,  PI 
mutet);  femer  I,  155:  terram  (in  R  jedoch  auf  radierter  Stelle)  gegenüber 
herbam  MP;  213:  rastris  gegen  aratris  Ml  PI;  252:  praedicere  gegen 
praediscere  MP;  femer  die  Schreibung  adtrüus  G.  I,  46. 

Ungleich  mehr  Lesearten,  darunter  auch  manches  fehlerhafte,  gibt 
A  übereinstimmend  mit  P.  So  1,  54:  Mnc  st  hie  (in  P  ist  n  radiert); 
157:  unibras  {umbram  MB);  161:  fnessis  (als  Nom.  plur.)    In  v.  174  gibt 

^:  8TIVAQVAEQVE,  P:  STIVAQVE  QVE,  das  übergeschriebene  A  von 
zweiter  Hand.  --  V.  186  steht  in  A  corrupt: 

ATQVEININOPEMETVENVSFORMICASENECTAE. 
Auch  P  bietet  INOPE,  doch  soll  E  zu  I  radiert  sein").  —  V.  208  geben 
A  und  P  die  von  Servius,  Priscian   und  anderen  Grammatikern  bestätigte 
alterthümliche  Genitivform  DIE,  für  welche  sich  in  R  und  M,  in  letzterem 
jedoch  durch  Correctur,  DEEI  findet*').  —  V.  218  haben  A  und  P,  denen 

181—214  nebst  den  4  in  Mabillon's  Facsimile  erhaltenen  Versen  A.  IV, 
302 — 305  gemein;  aber  selbst  auf  so  geringem  Räume  zeigen  sich 
der  Abweichungen  so  viele,  dass  beide  Handschriften  wol  am  wenig- 
sten verwandt  gewesen  sein  dürften.  Vgl.  G.  III,  190:  aceesserit  A 
gegen  occeperü  Fl;  195:  harena  A  —  arena  F;  197:  Memes  A  — 
hiemis  F;  198:  natantes  A  —  natantis  F;  202:  Ate  u4  —  hmc  F; 
204:  aget  A  —  agit  F;  211:  houm  A  —  houom  F 1 ;  ebd.:  citf  -4  — 
quoi  F;  212:  releaant  A  —  religant  F;  A.  IV,  302:  trieterica  Baccko 
A  —  trietherica  JBacchi  (v.  jung.  H.  über  t  ein  o)  F. 
••)  Wahrscheinlich  stand  in  dem  Exemplar,  von  welchem  A,  und  mittel- 
bar P  herstammen,  eine  vielleicht  schon  in  dem  Handexemplar  des 
Dichters  angemerkte  Variante: 

INOPIMETVENSFORMICASENECTAE, 
so  dass  nun  in   den  Abschriften  eine  Vermischung  der  Lesearten 
eintrat. 
*')  Die  erste  Wiener  Handschrift,  von  der  später  die  Rede  sein  wird, 
hat  libra  die^  omnique.  («  ist  durch    ein  Komma   abgetrennt  und 

durch  ein  Häkchen  mit  dem  folgenden  Worte  verbunden.) 


£L  Soffmanmy  Zar  Kenniaiift  einig^er  Vergil-Handflchriften.       187 

sich  B  anschlieM,  anerso,  M  adnerso,  —  V.  222  geben  ÄP  Cnosia,  MB 
Oiwsia^  und  ebenso  stimmen  sie  t.  279  in  der  Schreibung  Typhoea  über- 
ein, während  M  Thyphoea,  B  Thypoea  haben.  —  III,  202  geben  AP  hie, 

N 

M  mC,  1^  Mnc,  —  m,  216  steht  in  AP  neq,  herhae,  in  den  anderen 
nee  herhae,  —  Die  Uebereinstimmong  von  A  nnd  P  in  der  Schreibung 
Mieus,  aeenum  (I,  158),  saeuom  (I,  279)  wurde  schon  oben  bemerkt 

Andere  Lesearten  von  A  finden  wir  in  P  von  zweiter  Hand  einge-* 
tiagen.  So  I,  57:  mitHt  {PI  miUet);  v.  102:  Moesia  (PI  Mysia);  v.  114» 
eoOeetum  (PI  cofüeehm);  v.  181:  iräudwa  (PI  iraudant;  in  A  steht 
wahrscheinlich  nur  durch  ein  Versehen,  das  Simplex  Juäunt);  v.  213: 
rasMs  (PI  aratris);  v.  221:  ahscondafaur  (PI  abscondwntw) ;  v.  238: 
dtutfifi  (PI  diuom).  Beachtung  verdient  wol  auch,  dass  an  den  zahlreichen 
Stellen,  wo  in  P  Schreibfehler  nachträglich  verbessert  worden  sind,  A  die 
richtige,  der  Correctur  entsprechende  Lesart  bietet  So  I,  49  messes  (PI 
meiges);  51:  et  Horium  (PI  etturium);  52:  sü  (PI  sie);  76:  sttuamgue 
(PI  sünmque);  97:  proscisao  (PI  procisso;  101:  puhiere  farra  (PI  pul- 
uera  ferra);  102:  laetus  (PI  laetur);  107:  exustus  (PI  existus);  110: 
scatebrisque  (Pl'^Ml  catebrisque) ;  115 :  amms  (P 1  manis) ;  117 :  umore 
(PI  emare);  127:  m  medium  (PI  immedium)-,  136:  /Ittuu  (PI  fluni); 
145:  ort««  (PI  alU8);  171:  tn  fPl  «i);  180:  fatiscat  (PI  /a%rt);  187: 
nux  (PI  fM>a;);  192:  ptn^  (PI  pingues);  206:  ufdis  (PI  uectua);  228: 
POusiacae  (PI  Pelusaeacae) ;  259:  /r^ftiu«  (PI  tigidus);  276:  ipsa  (PI 
^);  277:  olto  (PI  iOum). 

Anderseits  bietet  A  auch  einige  selbständige  und  allein  richtige  Lese- 
arten. So  G.  1,  114:  didueitf  wo  die  gewöhnliche  Leseart,  quique  paludis 
eoüeetum  umorem  bibula  deducit  arena,  veranlasst  vielleicht  durch  rtuos 
dedticere  v.  269,  worauf  auch  Scrvius  verweist,  seltsamer  Weise  bisher  un- 
angefochten geblieben  ist.  Wer  sumpfigen  Boden  verbessern  will,  indem  er 
durch  aufgefieihrenen  Sand  die  Feuchtigkeit  zertheilt  und  auftrocknet, 
fon  dem  kann  es  nur  heifeen,  diducU  umorem;  dagegen  passt  deducere 
umorem  nur  ftir  das  Ableiten  des  Sumpfwassers  durch  Anlage  von  Qräben. 
G.  1,  135  bestätigt  A  die  (Jonjectur  Wagner's:  Et  aüicis  uenis  ab- 
strusum  excuderet  ignem,  statt  des  von  den  Übrigen  Handschriften  gebo- 
tenen uit.  Mit  Beseitigung  dieses  nachhinkenden  ut  (JuppUer mcdum 

uiruB  serpentibus  addidü  atris  .  .  .  MeUaque  decussit  foliia  ignemque  re- 
mouit,  Et  passim  riuis  currentia  uina  represttit,  l/t  uarias  U8U8  medUando 
extwnderet  artes  Paulatim  et  »ulcis  frumenti  quaereret  herham,  üt  süicisi 
uenis  oMrumm  excuderet  ignem  —)  ist  auch  der  eigentliche  Grund  zu  der 
Verdächtigung  dieses  Verses  behoben;  denn,  dass  er  seinem  Inhalte  nach  für 
diese  Stelle,  wo  von  den  Erfindungen  die  Rede  ist,  zu  denen  unter  Jupiters 
Regiment  Noth  und  Erfahrung  die  Menschen  führte,  durchaus  nothwendig 
ist,  bedarf  kafim  der  Erwähnung.  Die  erste  Erfindung  'sulcis  frument 
quaerere  herbam*  erhielt  ihren  Werth  erst  durch  dos  dem  Kiesel  entlockte 
Feuer;  mit  dem  ^torrere  far'  begann  die  gesittete  Lebensweise,  die  Grün- 
dung des  häuslichen  Herdes,  wie  sich  dies  in  dem  römischen  Herdfeste  der 
ZtUMhrlft  t  d.  ftffterr.  Oymn.  1805.  II.  n.  III.  HeA.  10 


188       E.  Raffimmn,  Zur  KenntnlB  einiger  VergO-HaiidsGlaifteiL 

Fomacalia  Cßufris  torrendi  feriae'  Plin.  H.  N.  JYUl,  2)  ausspricht  Die 
Möglichkeit,  dass  v.  135  ans  Aen.  I,  174:  silici  scintillam  excadit,  und 
VI,  6:  quaerit  semina  flammae  Ahstnisa  in  venis  silicis  —  von  einem  Inter- 
polator  componiert  sein  könnte  (so  Ribbeck,  Lectt.  Verg.  p.  4),  ist  nodi 
kein  Beweis  für  die  Wirklichkeit  dieses  Herganges. 

G.  I,  137  gibt  A  tunc,  wodurch  Senrios'  Leseart  nwnc  begreiflidi 
wird.  Die  übrigen  £bindschriften  haben  tum.  Beächtet  man  den  Zusammen- 
hang: Tunc  (ünoa primum  fluuU  sensere  cauatas;  Nauüa  tum  aUHUa  mh 
meros  et  namina  fecU  Pleiadaa,  Hyadaa  ctaramgue  Lycaama  Arctan;  Tum 
laqueis  captare  feras  cett,  so  ist  klar,  dass  das  anreihende  tum  erst  an 
dritter  Stelle,  wo  der  Dichter  zu  neuen  Erfindungen  übergeht ,  am  Platie 
ist,  während  an  der  zweiten  Stelle,  wo  nur  ein  einzelnes  mit  cur  Erfindung 
der  Schifiiahrt  gehöriges  coincidierendes  Moment  au^flihrt  wird,  au^ 
das  coincidierende  ttmc  besser  passt. 

In  y.  170  könnte  die  Leseart  accepü  in  A  eine  Bestätigung  für  das 
*fort.  recte*  geben ;  was  Bibbeck  zu  der  gleichen  Leseart ,  die  &  1  bietet, 
bemerkte. 

In  V.  175  bietet  A  exptoret  für  explorai.  In  itf  ist  das  e  des  Con- 
junctivs  als  Variante  über  a  gesetzt  (Auch^die  erste  Wiener  Handschrift 
gibt  exploret,)  Obgleich  nun  dieser  Conjunctiv  unter  dem  Einflüsse  des 
vorausgehenden  tarqueat  entstanden  sein  könnte,  so  ist  doch  ebenso  sehr 
auch  die  umgekehrte  Vermuthung  gerechtfertigt,  dass  nur  der  Gleichmftfttig- 
keit  wegen  mit  caeditur  (Caeditur  et  täia  ante  iugo  leuis  aitague  faguä 
Stiuaque  quae  cttrsua  a  tergo  torqueat  imos,  Etsuepensa  focU  exploret 
robora  fwnus)  der  Indicativ  explorat  gesetzt  worden  sei 

V.  183  hat  A  allein  statt  des  gewöhnliehen  federe  effoderei  mU 
oculis  capH  effodere  cubüia  tcdpae.  VgL  effbdere  in  demselben  Sinne  des 
Ausgrabens  einer  Vertiefung  G.  IV,  42:  effossiß  kUehria  8ub  terra  fovere 
larem;  Aen.  I,  247:  Hie  partus  dlii  effodiunt. 

V.  187  gibt  A  statt  der  gewöhnlichen  Wortstellung  cum  se  nux 
plurima  siluis  Induet  in  florem  et  ramoa  curuabU  oUntia,  die  ohne  Zweifel 
nachdrücklichere:  cum  nux  se  e.  q.  8. 

In  hohem  Grade  auffällig  ist  das  Perfect  impreseU,  welches  die  Hand^ 
Schriften  v.  263  bieten ,  da  durchgehends  die  Verrichtungen ,  welche  der 
Landmann  vornimmt,  wenn  Regenwetter  die  Feldarbeit  hindert,  im  Präsens 
aufgezahlt  sind:  durum  procudit  arator  Vomeria  öbtun»  dentem,  cauat 
arhore  lyntres,  Aut  pecori  Signum  out  numeroe  impreaeit  aceruii.  Exa* 
cuunt  alii  vaüoa  e.  q,  a.  Die  Erklärer  begnügen  sidi  impreaaü  als  'aoristi- 
sches' Perfect  zu  bezeichnen,  oder  auf  angebliche  Parallelstellen  su  verweisen. 
Nun  hat  aber  das  lateinische  Perfect  nur  insoweit  Aoristnatur,  als  es  eine 
Handlung,  ein  Sein  schlechthin  als  vergangen  bezeichnet,  also  erzählt,  — • 
einen  Aorist  hingegen ,  der  im  directen  Widerspruche  zu  seiner  Zeitform 
eine  noch  im  Vollzug  begriflfene  Handlung  ausdrücken  könnte  C^^preaaU, 
«o^iffTojg  dictum,  ivfyQa\p€Vy  imprimit*  Heyne),  haben  nur  die  ErUarer  zum 
Zwecke  billiger  Interpretation  erfunden.  Ladewig  verweist  über  impreaaU 
auf  seine  Note  zu  G.  I,  49  (lUa  aegea  demum  votia  reapondet  avari  Agri- 
cölae  bia  quae  aolem^  bis  frigora  aenaU;  HUua  inmenaae  ruperunt  horrea 


JE.  Soffmumn^  Zur  Kenntnis  einiger  Yergil- Handschriften.       189 

»):  Wuperunt,  füllen  bis  zum  brechen.  Der  bei  den  Dichtem  häufige 
GebiftQch  des  Perf.  in  Erfahrungssätzen  —  vgl.  G.  I,  136.  930.  375.  cett  — 
ist  durch  das  Streben  der  Dichter  zu  indiTiduaüsieren  veranlasst*.  Abge- 
sehen nnn  davon,  dass  die  subjectiven  Gründe  ttt  die  Wahl  eines  Perfecta 
an  sich  gkichgiltig  sind ,  indem  es  sich  nur  um  die  objeetive  Natur  des- 
selben und  seine  Berechtigung  nach  MaJfogabe  von  Logik  und  Grammatik 
handeln  kann,  —  abgesehen  auch  weiter  davon ,  dass  Ladewig  in  den  be- 
sfliehneten  Citaten  Peifecte  der  verschiedensten  Art,  rein  präsenüsche  und 
historische  oder  aoristische  unterschiedslos  zusammenwirft**),  hat  jene  An- 


Dass  nßperwnt  G.  I,  49  ein  rein  präsentisches  Perfeet  ist,  habe  ich 
sdion  im  IL  Jahrg.  dieser  Zeitschrift  S.  385  gegen  Wagner,  der 
niperMN^  als  —  'rumpere  solent*  erklärte,  und  dem  Ladewig  in  der 
1.  Aus^.  beipflichtete,  dargethan.  —  Mit  diesem  TwperiMd  stellt  nun 
Ladewig  die  historischen  Perfecte,  mit  denen  Yergil  G.  I,  136  ff. 
die  aOmäligen  Erfindungen  der  Menschen  erzählt,  zusammen: 
Tune  cAnos  prinmm  fkim  sensere  cauatas;  Navita  tunc  steUis 
numeros  et  namina  fecit...;  Tum  laqueis  captcure  feras ...Inven- 
tume.q,8,  —  Umgekehrt  sind  die  Perfecte  G.  1, 830  f.  rein  präsenti- 
8 eher  Art  Der  Dichter  schildert  Gewitterstürme,  wie  sie  oft,  wenn 
sdion  das  (Jetraide  schnittreif  ist,  plötzlich  hereinbrechen,  v.  328  ff.: 
Ime  Pater  media  nimbomm  in  nocte  contsca  F%Hmma  molitur 
aextra,mu>  maxuma  motu  Terra  tremit;  fuger e  ferae  et  mortalia 
cor  da  Per  gentes  humüia  strauit  pauor;  tue  flagranti  Aut  Athon 
aut  äUa  Ceravma  teto  BeicU  e,  q.  8.  Hier  nun  stehen  die  Perfecte  fu- 
gere  und  8travit  in  Beziehung  zu  der  (beliebig  angenommenen)  Ge- 
genwart mMur.  Wann  nun  dieses  mciin  füknina  von  Seiten  Jupiters 
eintritt:  fuaere  ferae,  et  pauor  etrauit  mortalia  corda  —  da  ist 
ff  ef  lohen  das  Wild  (d.  h.  es  hält  sich  ängstlich  versteckt)  und  Furcht 
bat  tu  Boden  geschmettert  die  Herzen  der  Menschen  (d.  h.  sie 
sin  d  muthlos).  —  In  der  letzten  von  Ladewig  citierten  Stelle  G.  I,  375 
haben  wir  es  wieder  mit  historischen  Perfecten  zu  thun:  numyuam  in- 
prudentibus  imber  Ohfuit :  aut  ülum  swrgentem  uaUQms  imts  Aeeriae 
fuger e  grues,  aut  bucula  caelwn  Suspicvens patutie  captauit  nari- 
bu8  auras,  Aut  arguta  lacu8  circumvoUtauit  hurundo  Et  veterem 
fH  Umo  ranae  ce einer e  querelam.  Befremden  könnte  hier  nur,  dass 
die  einzelnen  vorangängigen  Umstände,  auf  welche  sich  das  Urtheil 
oder  der  ErfohrungsBatz  *fmmquam  öbfuit*  sttttzt,  nicht  ihrer  loschen 
Unterordnung  gemäfls  in  der  entsprechenden  relativen  Zeitform, 
d.  L  im  Plusquamperfectum,  sondern  in  selbständiger  Zeitform, 
ooordiniert  gegeben  sind.  In  der  asyndetischen  Form,  in  welcher 
Yergil  die  emzelnen  Prognostika  auffuhrt,  stört  diese  selbständige 
Bemmdlung  auch  weni^r,  als  wenn  dieselben  etwa  durch  ein  be- 

Cdendee  nam  in  strikte  Beziehung  zu  obfuit  gesetzt  wären.  — 
1  zu  Aen.  YII,  690,  wo  die  Bewaffoungsart  der  Pränestiner  u.  s.  w. 
beschrieben  wird,  verweist  Ladewig  auf  seine  Note  zu  G.  I,  49,  wäh- 
rend doch  kein  Zweifel  darüber  obwalten  sollte,  dass  instituere  (^Non 
iUie  omnibue arma,  Nee  dipei  cwrru8ue  sonant; pars-maxuma glan- 
des  Uuentis pluwlbi  8pargit;par8  apicf4ia  gestat  Bina  manu;  ful- 
uasfpte  lupi  de  pelle  goderos  Tegmen  habent  capiti;  uestiaia  nuda 
simstri  Instituere  pedie;  cruäus  tegit  oZ^^rapero')  als  logisches 
Perfeet  ebenso  präsentisch  ist,  wie  sonamt,  spargit,  gestat,  habetit  und 
das  den  Gegensatz  zu  instituere  etc.  bildende  tegit.  Es  kommt  insti- 
tuere  eben  der  passiven  Wendung  vestiaia  sunt  instituta  cett. 
gleich.  —  Wenn  von  Perfecten  in  Errahrungssätzen  die  Rede 
Bein  soll,  so  gehört  dahin  ohne  Zweifel  das  eben  besprochene  'num- 

10* 


140       E,  Hoffmaum,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handsclirifteii. 

merknng  zu  dem  vorliegenden  Falle  überhaupt  keine  Beziehung,  da  eben 
hier  mit  itnpressü  nicht  füglich  eine  Erfahrung  ausgesprochen  sein  kann. 
Es  handelt  sich  um  die  Spocialisierung  des  generellen  Satzes,  *tmiUa  tNO- 
turare  daiwr*  y.  260  f.;  derselben  Zeit  müssen  auch  die  Sätze  angehören, 
in  denen  die  einzelnen  Verrichtungen  aufgeführt  werden,  und  es  kann  nidit 
an  procudü,  cavat  durch  cmt  als  dritte  Art  jener  *muUa,  quae  maturairt 
datur*  das  'imprimere  Signum  pecori  out  nwmeros  aeervis'  in  der  Zeitfaim 
des  historischen  Perfects  angereiht  werden.  Den  Streit  über  diese  Stelle 
beenden  nun  die  Blätter  des  Cod.  Aug.,  indem  sie  für  tmpresm^  dieLeeeart 
impressat  bieten,  die  bereits  Bersmann  und  nach  ihm  Cuningham  aus  dem 
zweiten  Bottendorphianus  und  einer  Handschrift  von  P.  DanieP*)  an^^ 
nommen  hatten.  Allerdings  findet  sich  impressare  weder  sonst  bei  Vergil 
noch  bei  einem  der  älteren  Dichter  oder  Prosaiker;  erst  der  späte  Cresco- 
uius  Corippus  wendet  es  an;  da  aber  das  Simplex  pressare  längst  im  Ge- 
brauch war  (Vergil  hat  es  —  allerdings  nur  in  der  Verbindung  mit  ubera 
gleich  mulgere  —  Ecl.  lU,  99.  Aen.  IIl,  642),  und  da  anderseits  in  Vergil^s 
Wortschatz  sich  gar  manches  findet,  was  sich  sonst  nirgends  oder  nur  noch 
bei  spätem  Schriftstellern  nachweisen  lässt^^,  so  entfällt  jeder  Qrund,  das 
grammatisch  nothwendige  und  von  so  alter  Teztquelle  gebotene  itupresM 
zu  beanstanden. 


quam  imprudentibus  imber  ohfuit,  G.  I,  373  f..  ebenso  G.  I,  84: 
Saepe  etiam  sterüis  incendere  pro/uit  agros;  IIl,  459:  Profuit 
incensos  aesius  auertere  et  inter  Ima  ferire  pedis  salientem  mm-' 
guine  uenam;  ebd.  509:  Profuit  inserto  latices  infundere  comu; 
—  femer  G.  I,  287:  MuUa  adeo  gelida  melius  se  nocte  dedere;  — 
n ,  22  ff. :  Sunt  älii  quos  ipse  uia  sibi  repperit  usus.  Hie  pUmtas 
tenero  absdndens  de  corpore  matrum  Deposuit  suleis,?ii€  stirpes 
ohruit  arv&  u.  dgl.  m.;  aber  gerade  diese  Perfecta  haben  wol  noch 
für  Niemand  etwas  befremdendes  gehabt. 

^^  Ist  diese  Handschrift  des  P.Daniel  identisch  mit  dem  Bemer Codex 
N.  172  (a) ,  der  aus  dem  Besitze  jenes  Gelehrten  stammt  (s.  Müller, 
de  codd.  cet  p.  11)?  Bibbeck  führt  zu  unserer  Stelle  keine  Variante 
aus  dieser  Haiidscnrift  an. 

^^)  Um  nur  einiges  anzuführen,  so  ist  das  Verbum  inspicare  G.  I,  292 
nur  durch  mese  Stelle  Vergil's  belegt;  superoccupa/re  nur  durch 
Aen.  X,  384.  In  G.  III,  560  scheint  abolere  nothwendig  in  der  von 
Wagner  aufgestellten  Bedeutung  *odore  liberare*  genommen  werden 
zu  müssen,  ohne  dass  sich  dafür  ein  anderer  Beleg  beibringen  lässt 
Ganz  vereinzelt  steht  auch  das  causativ  gebrauchte  insoruwe  A.  VII, 
451:  (Aüedo)  verbera  insonuit.  —  Die  Composita  insiraius  (instra- 
tum  cu2»ile  Lager  ohne  Streu),  inexcUus,  trifaux,  finden  sich  gleich- 
falls nur  bei  Verffil  in  je  einer  Stelle  G.  lU,  230.  A.  VU,  623. 
VI,  417.  —  aduetare  A.  V,  246  findet  sich  nur  noch  bei  Lamprid. 
Vit.  Comm.  15;  —  dllacrimare ,  A,  X,  628,  nur  bei  Apuleius;  »w/o- 
bricatus,  A.  IV,  420,  bei  Ennodius  (zu  Ende  des  5.  Jahrb.).  Das 
Freguentativ  imertare  A.  II,  672,  sowie  das  Compositum  perfurere 
A.  IX,  343,  scheinen  gleichfalls  Neuerangen  Vergil's  zu  sein,  die 
dann  bei  seinen  Nachahmern  Silius  und  Statins  Aufnahme  fanden. 
Dasselbe  dürfte  von  immurmurare  G.  IV,  261,  den  Substantiven 
affaius  A.  IV,  284,  assuUus  A.  V,  442,  von  ostrifer  G.  I,  207,  ♦»- 
accessus  A.  VII,  11.  VIII,  195,  inspoUatus  A.  Xt,  594  u.  a.  m.  zu 
gelten  haben. 


K  Hoffmanny  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften.       141 

Wenn  sonach  die  Berliner  und  Vaticanischen  Blatter  auf  so  be- 
schianktem  Baume  eine  Anzahl  besonderer  und  zum  Theil  allein  richtiger 
Lesearten  bieten,  und  wenn  anderseits,  wie  wir  sahen,  gerade  die  charak- 
teristischen Leeearten,  welche  die  einzelnen  der  maf^ebenden  Handschrif- 
ten bieten,  sich  auf  diesen  Blättern  wiederfinden,  so  dass  ihr  Text  gleich- 
sam die  höhere  Einheit  bildet;  so  kann  auch  darüber  kein  Zweifel  sein, 
dass  dieser  Text  auch  höher  hinaufreichen  und  mindestens  um  eine  Stufe 
dem  Urezemplar  näher  gestanden  haben  muss  als  der  der  übrigen  bisher 
bekannten  Yergil-Handschriften.  Eng  verwandt  mit  A  muss  insbesondere 
die  Handschrift  gewesen  sein,  aus  welcher  der  Codex  Palatinus  und  zwar 
Ton  der  Hand  eines  minder  sorgfältigen  Schreibers  herstammt;  nachträg- 
lich aber  mag  letztere  Handschrift  einer  Revision  und  Correctur  auf  Grund 
derselben  Textquelle  unterzogen  worden  sein,  aus  der  unmittelbar  der  ein- 
stige Codex  *Augu8teus'  stammte. 

Zu  wünschen  bleibt  nur,  dass  es  jetzt,  wo  durch  Pertz  die  Vati- 
canischen Blatter  endlich  der  Vergessenheit  entrissen  worden  sind,  bei  ge- 
nauerer Nachforschung  in  jener  noch  so  manchen  ungehobenen  Schatz  ver- 
Bchlie/senden  Bibliothek  gelingen  möge,  wenigstens  die  Blätter  wieder  auf- 
lufinden,  die  noch  zu  Mabillon*s  Zeit  daselbst  vorhanden  waren. 

U. 

Der  Codex  Minoraugiensis. 

Von  den  jüngeren  Vergilhandschriften ,  die  bekanntlich  nach  Hun- 
derten zählen,  ist  nur  der  kleinste  Theil  bis  jetzt  verglichen  und  für  die 
Kritik  nutzbar  gemacht  worden.  So  lange  der  Mediceus  und  in  zweiter  Linie 
der  Romanus  als  ausschliefslich  mafsgebend  für  den  Text  des  Dichters  gal- 
ten, mussten  die  jüngeren  Handschriften  in  der  That  auch  als  ziemlich 
werthlos  erscheinen,  da  es  für  ihr  abweichendes  Verhalten  von  jenen  stimm- 
führenden Handschriften  an  einer  stützenden  Auetoritat  und  ControUe 
fehlte.  Dies  hat  sich  nun  in  der  neuesten  Zeit  geändert,  seit  durch  Ribbeck^s 
sorgfältige  CoUation  sowol  der  Vaticanischen  Fragmente  wie  insbesondere 
des  Palatinus,  die  beide  an  Alter  der  Florentiner  Handschrift  voranstehen, 
die  Auctorität  der  letzteren  erschüttert  und  dem  durch  F  und  P  vertre- 
tenen Texte  als  dem  ursprünglicheren  der  Vorrang  vor  dem  glätteren,  aber 
gerade  darum  absichtlicher  Interpolation  verdächtigen  Texte  von  M  vindi- 
dert  worden  ist  Da  nun  aber  nicht  blof^  F  sondern  auch  P  durch  die 
Ungunst  der  Zeit  vielfach  verstümmelt  ist,  so  gewinnen  selbstverständlich 
die  jüngeren  Codices,  die  sich  nun  nach  ihrem  Verhalten  zu  jenen  älteren 
Textquellen  gruppieren  lassen,  sowol  für  die  Stellen  Bedeutung,  wo  F  und 
P  lückenhaft  sind  '^) ,  wie  auch  für  solche ,  wo  auch  diese  Handschriften 
von  zufälligen  oder  absichtlichen  Corruptelen  nicht  frei  geblieben  sind. 


'«)  Den  Bestand  von  F,  beginnend  mit  G.  III,  1  s.  bei  Wagner,  vol.  V, 
p.  XL  sq.  —  In  P  fehlen,  abgesehen  von  vielen  Stellen,  wo  das  Per- 
gament durchlöchert  oder  die  Schrift  sonst  unlesbar  geworden  ist: 
EcL  in,  71~IV,  52.  G.  I,  322-n,  139.  IV,  461-Aen.  I,  277.  A. 
IV,  116^162.  Vn,  277-645.  X,  463-509.  XI,  646-692.  737-783. 


14C       K  Hcffnumn,  Zur  Kenntnis  einiger  Yergil-HandsohrifteB. 

Zu  diesen  jüngeren  snr  Sippe  von  P  zählenden  Handsclirifton,  deren 
Werth  natürlich  ein  sehr  Terschiedener  ist,  gehört  der  Codex  Minoran- 
giensis,  dessen  zuerst  von  Hafeler  bekannt  gegebene  Varianten*^  Bib- 
beck  bereits  in  seiner  Ausgabe  mit  der  Sigle  m  verzeichnet  hat.  Wenn  wir 
hier  auf  diese  Handschrift  zurückkommen,  so  geschieht  es,  weil  nachtrig- 
lich  eine  genauere  Collation  der  Buoolica  aus  dieser  Handschrift  in  einem 
Programm  des  Gymnasiums  zu  Feldkirch  *^  erschienen  ist,  und  wir  mit 
der  Besprechung  dieses  Programmes  eine  alte  Schuld  an  die  Redaction 
dieser  Zeitschrift  abzutragen  haben. 

Der  Codex,  YergiFs  Buoolica  und  Aeneis  enthaltend,  stammt  aus  der 
oberschwäbischen  Prämonstratenser- Abtei  Weifisenau,  Augia  Minor '") ,  kam 
nach  Aufhebung  derselben  in  Privatbesitz  und  durch  Erbschaft  an  Geoig 
Grafen  von  Waldburg-Zeil,  der  ihn  bei  seinem  Eintritte  in  die  Gesellschaft 
Jesu  mit  den  anderen  Besten  der  WeiTsenauer  Bibliothek  dem  Orden  zum 
Eigenthume  übergab.  Halbier  verglich  diesen  Codex  noch  auf  Schloss  Zeil 
1854;  gegenwärtig  befindet  sich  derselbe  in  der  Bibliothek  des  Ordens- 
hauses  zu  Feldbach. 

HaMer  glaubte  den  Codex  in  das  10.  Jahrhundert  setzen  zu  sollen 
und  wollte  auch  sonst  den  Werth  desselben  ziemlich  hoch  angeschlagen 
wissen;  der  ungenannte  Verfasser  der  Feldbacher  Collation  spricht  sich  da- 
gegen in  beiden  Beziehungen  vorsichtiger  aus.  Zunächst  bemerkt  er,  was 
Hafsler  unerwähnt  liefs,  dass  einige  Blätter  der  Aeneide  (welche?)  von  einer 
späteren  Hand  herrühren,  und  dass  die  Schrift  im  allgemeinen  der  gleiche, 
dde  man  dem  11.  und  12.  Jahrhundert  zuschreibe.  Einen  Beleg  dafür  sieht 
der  Verf.  auch  in  der  Schreibung  obiicienda  E.  3,  7,  inndunt  6,  19, 
sowie  in  der  auch  nur  in  jüngeren  Handschriften  sich  findenden  Leseart 
dimiUere  E.  9,  8^').  Dass  der  Verf.  auch  die  Leseart  ernte  st.  aUe  E. 
6,  80  als  einen  solchen  Beleg  anführt,  beruht  wol  auf  einem  Versehen,  da 
ante  die  Leseart  sämmtlicher  Handschriften,  alte  aber  eine  Emendation 
Ribbeck's  ist'").  —  Anderseits  legt  der  Verf.  darauf  ein  Gewicht,  dass 


Xn,  47-  93,  der  Bestand  von  33  Blättern.  —  M  gibt  von  Ecl.  VI,  48 
den  Text  des  Vergil  vollständig.  —  Ueber  den  Bestand  von  B  s. 
Wagner  V,  p.  XL  H. 

'*)  C.  D.  Hafsler:  Collatio  Codicis  Vergiliani  Minoraugiensis.  Progr.  d. 
Gynm.  zu  Ulm,  1855.  4. 

'^  Varianten  der  Weifsenauer  Handschrift  zu  Viml*s  bukolischen  Ge- 
dichten. —  Programm  des  k.  k.  Gymn.  in  FelcQdrch  für  das  Schul- 
jahr 1860/61.  —  Freiburg  i.  B.,  Druck  von  Herder,  1861.  4. 

')  Im  G^ensatze  zu  Augia  Maior  oder  Dives  Augia  —  Reichenan  am 
Bodensee. 

^  Der  Variante  dimittere  statt  demittere  kann  bei  der  Frage  nach  dem 
Alter  und  dem  Werthe  einer  Handschrift  nicht  füglich  ein  Gewicht 
beigel^  werden,  da  auch  in  den  besten  Codd.  nicht  selten  d«-  statt 
de-  sicn  findet.  So  A.  in,  238,  wo  däapsae  st.  delapsae  auXiser  m 
auch  Py  bieten.  —  Ebenso  geben  A.  X,  475  My2  h  c  wie  m:  va- 
ginaque  caua  fulgentem  diripit  ensem.  —  dimittere  statt  demittere 
gibt  m  E.  4,  6  (mitE);  Aen.  n,  262  (allein);  v.  398  {mitMPyl 
öl  c L);  XI,  595  (mit  h).  —  diriguit  st.  deriguü  A.  m,  260  (mit  a), 
V.  308  (aUein).  —  dissüuü  st.  de^wt  A.  X,  453  (mit  c). 

•")  Bin  ähnlicher  Irrthum  ist  es,  wenn  der  Verf.  zu  der  Leseart  en  quis 


£  Soffmamiy  Zur  Kenntnis  einiger  Veigil-Handsohriften.       14S 

in  don  Codex  die  Nunensform  Vkgüm9  noch  niekt  die  herrschende  ge- 
worden sei,  d»  am  Anfiuige  der  Handschrift  *Vergii€,  am  Ende  der  Aeneis 
*VwgU^  stehe;  aher  die  heiden  Bemer  Handschriften  165.  184  ß.  e),  die 
MtUler  a.  a.  0.  p^  7  seq.  in  das  9.  Jahrhundert  setzt»  gehen,  wo  sich  der 
Name  in  den  üeher-  oder  Unterschriften  der  einzelnen  Bücher  findet,  con- 
stant  'VirgüiC,  —  nnd  der  Gndianns  (y),  an  Alter  and  Werth  diesen  hei- 
den Bemer  Codices  wol  noch  voranstehend,  giht  ahwechselnd  Vergüü 
(Snhscr.  G.  II),  Virgüi  (Sahscr.  G.  lY),  Vir^ii  (Suhscriptt.  G.  HI  n.  A. 
TTT^  an  letztoer  Stelle  von  jüngerer  Hand). 

Wenn  der  Verl  weiter  hemerkt:  *Uns  wollte  sich  immer  die  Meinung 
aufdrängen,  der  Codex  könne  nicht  vor  die  zweite  Hälfte  des  zwölften  Jahr- 
hunderts gesetzt  werden*,  so  steht  ans  hierüher  ohne  Antopsie  kein  ürtheil 
sa;  dagegen  meinen  wir,  dass  derVerfl  sich  ein  bestimmteres  Urtheil  über 
den  Werth  desselben  and  über  sein  Verhalten  zu  den  Handschriften  des 
Bihbeck'schem  Apparates  hätte  bilden  können,  wenn  er  nicht  bloXb  den  Text 
der  Eklogen,  sondern  auch  den  der  Aeneis  berücksichtigt  hätte.  Ziemlich 
oempromittierend  für  m  ist  es,  dass  er  eine  Anzahl  Verse  in  der  Aeneis 
bietet '%  die  in  den  alten  und  malÜBgebenden  Handschriften  fehlen.  Es 
sind  dies: 

A.  II,  76:  lue  haec  deposita  ccff.,  welcher  Vers  in  Pyh  fehlt,  in 
Mab  am  Bande  sich  findet,  in  c  von  zweiter  Hand  auf  radierter  Stelle 
steht,  von  Servias  übergangen  wird.  —  A.  IV,  273:  Nee  super  ipse  tua 
wMrü  kmde  hborem,  fehlt  in  MPylhl;  steht  in  c.  —  A.  VUI,  46: 
Hie  Jocus  wrtU  erü  e,  q.  s.,  —  fehlt  in  MP  yh-^A.  X,  872:  Et  funis 
agitaiua  amar  cett.,  —  fehlt  in  MPBy  b;  steht  in  c,  and  in  y  am  Bande 
von  jüngerer  Hand.  —  A.  XTT,  612  f :  MüUaque  se  incueat  qwi  non  acce- 
pmit  anU  Bardamum  Äenean  generumgue  adaduerü  uUro,  —  fehlen  in 
MPB  y  b;  stehen  in  cjc- 

Ein  Blick  aaf  das  Verhalten  der  Handschriften  hinsichtlich  dieser 
Verse  läset  schon  in  vorhinein  schlieDsen,  dass  Cod.  m  am  meisten  zu  c, 
mit  dem  er  eben  diese  Verse  theilt,  hinneigen  dürfte,  nicht  aber  zu  6,  wie 
der  Verl  S.  4  meint;  and  dies  wird  denn  auch  darch  die  sonstige  Text* 
beschaifenheit  beider  Handschriften  durchaus  bestätigt  Cod.  b  und  c  stehen 
sich  zwar  ziemlich  nahe,  tmd  wo  beide  übereinstimmen,  tichlieXst  sich  ihnen 
auch  meist  m  an;  wo  sie  hing^;en  differieren,  geschieht  es  nur  in  wenigen 
und  auch  sonst  nicht  eben  marquanten  Fällen,  dass  b  und  m  in  einer  ab- 
weichenden Leseart  sich  begegnen,  während  ungleich  öfter  vereinzelte  Lese» 
arten  von  c  in  m  sich  wiederfinden« 

Vgl.  6  —  m:  K  3,  100:  eheu  (heheu  c,  heu  y,  heu  heu  die  übrigen 
Codd.  Ribb.);  3,  101:  exitium  pecori  est  st.  exitium  est  pecori;  6,  40: 
errant  st  errent.  —  A.  I,  414:  discere  st  poscere;  II,  776:  labori  st  do- 


E.  1,  72 bemerkt:  'mit  c  nnd  guten  Ausgaben',  — Ribbeck  notiert: 
'en  quis  cU^*,  und  ihm  bedenkt  die  Sigle  i//  die  Gesammtheit  oder 
Mehrzahl  der  nicht  namentlich  angeführten  besseren  Handschriften 
aus  dem  Apparat  von  Heinsius,  wie  x  die  sr^hlechteren  bezeichnet. 
**)  Wo  Hafner  keine  Abweichung  von  Ladewig's  Text  notiert,  setzen 
wir  natürlich  die  Uehereinstimmung  mit  diesem  voraus. 


144       K  Hoffnumny  Zar  EenntniB  einiger  Veigil-HandscIirifteiL 

lori  (nach  VI,  135);  HI,  543:  est  st  et;  V,  510:  nmpU  (51)  st  mj^i; 
V,  592:  alüer  st.  alio;  VI,  105:  percepi  (51)  st  praecepi;  VI,  294:  dvuer- 
herat  (b  1)  st  diaerberet;  XI,  595:  amissa  st  demissa;  XTT,  452:  titfi  st 
uiro.  Dazu  IX,  580:  rwnpit  st  mpit^  790:  €mm  st  nnda,  beidemale  mit 
X;  und  XI,  93:  Tyrrhenigue  dwses  mit  B  st.  Tyrrh.  omnes;  XII,  7Ö7: 
fragore  (in  h  auf  Rasur)  mit  Codd.  Heins,  st.  tumultu,  nach  IX,  541. 

Dagegen  stimmen  c  undm  überein:  E.  6,  18:  anibos  (cl)  st.  ambo; 
Y.  38:  eadimt  st  cadant;  10,  7:  simiae  (simeae  c)  st  simae;  A.  II,  139: 
ad  poenas  st  et  poenas;  719:  aH^ractare  st  attrectare;  HI,  145:  quem 
fessis  finem  st  quam  f.  f.;  IV,  561:  Nee  te  quae  st  N.  quae  te;  695:  a&- 
solfAcret  st  resolueret;  V, 49:  m  faUor  (c durch Correctur)  st.  nisi  f.;  482: 
effudü  steffundit;  VI,  51:  propiora  (propriora  cl)  st  propiore;  154:  8t^ 
jgios  st.  Stjgis;  438:  fiOa  obstant  st  £as  obstat;  VII,  78:  Hoc  st  Id;  313: 
esto  regnis  st  regnis  esto;  475:  animis  rutulos  (rutulo  m)  st  Rntulos 
animis;  515:  intonuere  st  insonuere;  773:  m  st  ad;  VUI,  402:  potettwr 
st  potest;  IX,  9:  peHuü  st.  petit;  269:  Spondeo  st  Spende;  632:  dapua 
st  adducta;  X,  453:  Bismlmt  st  Desiliüt;  602:  uietor  (in  y  als  Variante) 
st  ductor;  XI,  117:  decuü  mecum  st  mecum  decuit;  781:  incensa  (in  e 
als  Variante)  st  incauta;  784:  CorUcit  (Coniicit  m)  st  Concitat;  881:  /t»- 
giunt  (c2)  st  effogiunt;  XU,  379:  Quem  [Quom?]  st  Cum;  655:  Italum 
airces  st  aroes  Italum;  882:  lam  utoftoli» st.  Immortalis;  926:  Et  medkim 
st  Per  medium.  ~  AuJberdem  mag  man  die  Stellen  vergleichen,  wo  e  und 
m  mit  anderen  Handschriften  übereinstimmend  eine  Ton  b  abweichende 
Leseart  bieten:  £.  3,  84:  quamuis  sü  (mit  /'^)  st.  quaimuis  est;  8,  34: 
proliocaque  barba  (-=»  i/i)  st  promissaqne  b.;  A.  VI,  297:  Cocyti  (cl  w»,  -»/) 
st  Cocyto;  806:  uirtute  exlendere  utres  {=^PB)  st.  uirtutem  eztendere 
fectis  {Mb);  Vni,  680:  Stans  mit  allen  Codd.  Ribb.  auüser  Bb,  welche 
Stai  haben;  IX,  20:  discindere  (=/)  st  discedere;  586:  armis  («»R)"8t 
hastis;  X,  113:  inueniant  (c  1  m  «>  ;/l)  st.  inuenient;  242:  quem  dedU 
ingens  (»  codd.  Pier.)  st.  q.  d.  ipse;  817:  Transüü  (— /)  st.  Tranüit. 
XI,  624:  procumbens  (—  R)  st.  procurrens;  672:  inertem  ('^y)  st.  inermem; 
Xn,  25:  haud  haec  (mit  2  Mentell.  u.  2  Hambuigg.)  st  haec  band;  178: 
Saiumia  Juno  ('^  Ml)  st.  Satumia  coniuux;  245:  praestantius  (— R)  st 
praesentius. 

Trotz  dieser  zahlreichen  Uebereinstunmungen  mit  c  kann  sich  doch 
im  übrigen  Codex  m  an  Werth  selbst  nicht  mit  dieser  Handschrift  messen, 
Wem  er  in '  zahlreichen  anderen  Stellen  gegen  c  mit  der  grollsen  Masse 
der  interpolierten  Handschriften  von  Heinsius  geht,  an  anderen  Stellen,  wo 
er  mit  seiner  Lesart  allein  steht  —  abgesehen  von  Worturastellungen ,  die 
zum  Theil  gegen  das  Metrum  verstoflsen '^ ,  und  abgesehen  von  sinnlosen 


'*)  Der  Verf.  der  Feldbacher  Collation  hat  zu  flüchtig  Ribbeck's  Ann.  crit 
angesehen,  wenn  er  zu  der  Variante  est  in  w  S.  9  fragt,  ob  'allein?' 

•^  Solche  Umstellungen  sind:  Ecl.  1,  4:  Tüyre  tu  lentus,  st  tu,  Titvre, 
lentus;  —  5,  9:  phebum  certet  st.  certet  Phoebum;  —  9,  44:  sotum 
pura  st  pura  solum.  —  A.  1,  278:  metas  nee  st.  nee  metas.  —  301: 
cüus  ae  Libyae  st.  ac  Libyae  citus.  —  513:  ObstupuU  ipse  simul 
percussus  simul  Achates  st  0.  simul  ipse  simul  p.  A.;  --  V,  61: 


K  Hogmatm^  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften.       145 

Tarianten'^  —  theik  willkürliche  Aendemngen  bietet,  theils  durch  in 
den  Text  eingeschlichene  Glossen  oomunpiert  ist 

SteUen  der  ersteren  Art,  wo  m  Lesearten  bietet,  die  nur  in  den 
sehlechteien Handschriften  sich  finden,  sind:  Ecl.  4,58:  Pan  deu8  Arcadiae 
mecom  si  indice  certet  (in  x :  P<^  ^^^  Arcadia)  st :  Pan  eHam  Arcadia 
e.q.8.  —  E.5,  37:  Infelix  loUom  et  steriles  dotntnon^ur  anenae  st  nascnn- 
tor,  mit  den  schlechteren  Codd.  des  Heinsins  nach  G.I,  154.  —  £.  10,30: 
Dec  cythiso  satorantur  ouea  (nach  der  Feldbacher  CoUation  durch  Correctnr 
Ton  jüngerer  Hand)  st  apes,  mit  Cod.  Moret  IV  und  einer  anderen  Hand- 
schrift des  Heinsins.  —  A.  HI,  341 :  Quae  tamen  et  pnero  est  amissae  cura 
paientis  (mit  Cod.  Bottendorph.  I  und  10  schlechteren  Codd.  Heins.)  st 
Eequa  tamen  puero  est  cett  —  A.  III,  378:  Ausonio  possis  consistere  portu 
und  IV,  349:  Qoae  tandem  Ausonia  Teucros  consistere  terra  Inuidia  est 
^  beiden  Stellen  mit  Hamburg.  I)  st  cofaidere.  —  HI,  439  f.:  sie  deni- 
qoe  uictor  Trinacria  fims  Italos  metire  reUcta  'mit  Cod.  Rottend.  IH  {metiere 
b2  c2)  st  mittere.  —  460:  cursusque  dabit  uenerata  sacerdos  (mit  Hamb. 
L  II,  2  Codd.  Moret,  Parrhas.)  st.  secundos.  (sacerdos  war  Glosse  zu  uene- 
lata.)  —  IV,  376:  nunc  atictor  Apollo  (mit  Cod.  Hugenian.),  st  augur.  — 
690:  ter  sese  attollens  cubitoque  irmixa  leuauit  (mit  Cod.  Rottend.  I, 
Hamb.  I)  st  adnixa.  —  V,  733:  campUxtM  pete,  nate,  meos  (mit  Cod. 
Rottend.  L  HL  Leid,  und  drei  anderen  Codd.  Heins.)  st  oongressus.  —  VU, 
214:  uestris  succedere  iectis  (mit  dem  Cod.  Venet  des  Heins.)  st.  terris.  — 
YIII,  373:  dictis  diuinum  iwpirat  amorem  (mit  Heins.  Venet,  Hamb.  H, 
Itarh.,  Dorvill.)  st  adspirat  —  IX,  146:  Sic  uos  elecH  (mit  Cod.  Reg.; 
collect!  DonrilL,  sdecii  MenteL  I  y.  1.  H.)  st  o  lectL  —  189  und  236: 
uinoque  sepuiti  (beidemal  mit  /)  st  soluti.  —  760:  caedisque  infanda  cu- 
pido  (mit  Rottend.  I,  Voss.  U,  Sprot,  Hamb.  I)  st  insana.  —  817 :  accepit 
fuffieniem  (mit  /)  st  uenientem.  —  X,  135:  FUctere  iussa  (mit/)  st.  Ver- 
tere.  —  141:  Maeonia  generöse  domo,  cui  pinguia  culta  Exercentque  uiri 
cett  (mit  Cod.  Lubec.)  st  ubL  —  667:  manus  ad  sidera  tdUü  (mit  x)  »^ 


Troia  uobis  st  uobis  Troia;  76:  medius  magna  st.  ma^na  medius;  — 
636:  per  samnum  Cassandrae  st.  Cass.  p.  s.;  VH,  237:  ac  preamtia 
uerba  st.  ac  u.  d.;  —  VUI,  522:  »wo  cum  tristi  corde  st  suo  tristi 
cum  corde; —  IX,  432:  pectora  Candida  (mitÄ)  st.  Candida  pectora; 

—  7^:  miuUa  ui  st  ui  multa  (oder  wie  Ribb.  nach  M  ediert:  ui 
mania);  — X,  428:  maramque  nodmnque  st.  nodnmque  moramque; 

—  XI,  79:  itibet  praedam  st  pr.  iub.;  —  123  f.:  sie  orm  vicissim 
Ore  refert  st.  sie  ore  uidssim  Orsa  ref.;  —  530:  fertwr  nota  st. 
n.  f.;  XII,  644:  Drancis  dextra  nee  st  dextra  nee  Drancis. 

**)  So  £el.  8,  23:  semper  pastcnrum  ille  (sc.  Maenalus)  audit  honores  st 
amores.  —  A.  I,  77:  mihi  iura  capessere  üas  est  st.  iussa.  —  308: 
(quas  vento  accesserit  oras,)  Qui  timeami  st.  teneant.  —  605:  (di  tibi) 
Praemia  digna  ferant,  quae  te  digna  tulerunt  Saecula  st.  tam  laeta.  — 
U,  204:  immensi  sordtbus  aneues  st  immensis  orbibus.  — <  HI,  323: 
Quae  sortitus  non  impviü  ulks  st.  pertulit.  —  V,  582:  infestaque 
dona  tulore  st.  tela,  letzteres  am  Rande  von  jüngerer  Hand.  — 
X,  723 :  specula  alta  leo  ceu  saepe  peragrans  st.  stabula.  —  XII,  300 : 
oUi  ingens  barba  refluxü  Nidoremque  ambusta  dedit  st.  reluxit.  — 
303:  impressoque  genu  nitens  terrae  inhplicat  ipsura  st.  adplicat.  — 
431:  oditque  moras  hastamque  recumxt  st.  ooruscat. 


140       K  H&tfmatm,  Zur  Kenntak  einiger  Yeigil-HaadMlirilbeii. 

iendit.  —  788:  femore  (mit  x)  st.  femine.  —  XI,  386:  lUico  oonaeiiere 
(mit  6  Codd.  Heins.)  st.  Uli  oder  Olli  connenere.  -^  482:  Et  maesiw  alto 
fundunt  de  pectore  uoces  (mit  x)  st.  limine.  —  518  f. :  ipse  ardua  montis 
Per  deserta  iuga  properam  adnentat  ad  nrbem  (in;if:  iugo  prapermu)  ft 
ingo  snperans.  —  583:  oirginitatis  honorem  Intemerata  colit  (mit  Cod. 
Moret.  I)  st.  amorem.  —  Xu,  444:  tarn  caeoo  uulnere  oampas  MiMetiir 
(mit  Menag.  II)  st.  paluere.  (anlnns  wol  ans  X,  288:  iacta  caecam  daie 
cQspide  nulnos.)  —  675:  Subdideratqae  rotas  pontisqae  instruxerai  altos 
(mit  Cod.  DorrilL ,  Glosse)  st  instraaerat 

Ganz  allein  steht  m  mit  folgenden,  aof  wiUknhrlicher  Aendermig 
beruhenden  Lesearten:  A.  I,  84  f.:  Vir  e  oonspectn  Sicnlae  telloria  in  al« 
tum  Yela  dabai  laeti  et  spnmas  salis  aere  ruebat,  st  Yix  —  dabant  — 
ruebant  —  487:  tendentemqne  manns  Priamom  oonspexit  inertet  st  in- 
ermes.  (Auch  A.  XI,  672  hat  m  —  hier  jedoch  mit  yc  —  dextram  labeaü 
tendit  inertem  st  inermem.)  —  n,  678:  praedam  öbeerMnabümt  st.  adsema- 
bant  — •  m,  194  f.:  snpra  caput  astitit  imber  Noctem  ignemique  ferens 
(wol  mit  Bücksicht  auf  v.  199:  ingeminant  abmptis  nnbibas  ignee)  st 
hiemem.  —  VI,  788:  Huc  geminas  nnnc  flecte  acies,  hk  aspice  gentem  st 
hanc.  —  Vn,  144:  Creditwr  hie  subito  Troiana  per  agmina  nimor  st  Di- 
ditur.  (Deditur  yhc,  und  so  ein  Theil  der  Codd.  des  Heinsint;  die  sdilaoh- 
teren  Didtur,  Editur.)  —  X,  566:  (Aegaeonem)  quinquaginta  «lari&MS  ignem 
Pectoribusque  arsisse  st  oribus.  —  Xn,  19:  quantum  ipse  /'eroeem  üiitnte 
exsu^ras  st  feroci.  —  676:  lam  mos  fata,  soror,  superant  st.  lam  iam. 

Dazu  die  Stellen,  wo  sich  Glossen  in  den  Text  von  m  eingeschlidieD 
haben:  E.  6,  68:  floribus  atque  apio  per  crines  omatus  amaro.  Wie  hier 
die  über  crines  zur  Erklärung  des  Accusativ  gesetzte  Präposition  in  den 
Text  gerathen  ist,  so  die  Präposition  a  in  A.  Vm,  218:  cum  iam  a  stt* 
bulis  saturata  moveret  Amphitiyoniades  armenta.  —  A.  m,  596  gibt  m 
statt  mox  sese  ad  litora  praeceps  cum  fletu  predbusque  tnlit  —  mox  sese 
ad  littora  tendU,  wo  tendit  offenbar  aus  einer  Glosse  zu  sese  tuHt  entstan- 
den ist.  —  IV,  451  ist  das  die  Construction  venrollständigende  üUum  in 
den  Text  gerathen:  mortem  orat:  taedet  üUxm  caeli  conuexa  tueri.  —  VII, 
28:  in  lento  luctantur  marmore  remi  st  tonsae.  —  VUI,  380:  Et  durum 
Aeneae  fleuissem  saepe  dolorem  st  laborcm.  (Vgl.  n,  776  wo  umgekehrt 
m  mit  h  nach  Mafsgabe  von  VI,  135  labori  st.  dolori  hat)  —  In  IX,  28 f.: 
summoque  hausit  de  gurgite  Ijmphas  Multa  orans  pnmus  st  Mnlta  deos 
orans,  dürfte  das  seltsame  pronus  wol  ursprünglich  als  Glosse  über  hausit 
gestanden  haben,  mit  Rücksicht  auf  die  Bemerkung  des  Servius:  *Locus 
autem  iste  est  secundum  augurum  morem,  apud  quos  fnerat  oonsuetudo  ut, 
si  post  acceptum  augurium  ad  aquam  venissent,  i/ndvnaH  aquas  haiwrirent 
exinde  manibus  cett.*  —  IX,  747:  At  non  hoc  telum,  mea  quod  tibi  dextera 
uersat,  Effugies.  Die  Glosse  tibi  hat  das  von  den  übrigen  Handschriften 
gebotene  ui  verdrängt  —  X,  86:  Quid  refercm  exustas  Erycino  in  litore 
classis?  st  repetam.  —  X,  513:  proxima  quaeque  ferü  gladio  st  metit  — 
xn,  235:  uiuasque  per  ora  refertur  st.  feretur,  —entstanden  wahrschein- 
lich aus  der  Glosse  referetur.  (Serv.:  'tanquam  de  uiuo  omnes  loq!iientur') 
^  XII,  749:  Si  guem  ueluti  si  quando  flnmine  nanetns  Cenunn  eett  st 


B,  Boffinavm,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-HandflchrifteD.  ,     147 

Inehunim.  UTspr&nglich  mag  Si  quem  ttber  si  qnando  gestanden  haben, 
Ina  es  daan  an  den  Anfang  des  Verses  gerieth  nnd  Inclnsnm  verdrängte.  — 
Xn,  828:  oocidit  oecideritqae  sine  com  nomine  Troia,  st.  sinas.  Das  sine 
dürfte  als  Variante  über  cum  gestanden  haben  (nach  der  Leseart  des  Cod. 
Vratisl. :  sinas  sine  nomine),  von  dem  Schreiber  des  Cod.  m  aber  als  Vari- 
ante von  sinas  in  den  Text  recipiert  worden  sein. 

SchlieDilich  noch  ein  Wort  fiber  die  Ueberschriften,  welche  einzelne 
Eklogen  im  Cod.  Minoraug.  ffihren.  E.  I,  m,  V  sind  überschrieben:  'Dro- 
maiieon  vd  micUcon\  £.  11  'Caenon  vel  mictican\  ohne  Zweifel  mit  Rück- 
sieht anf  Donat\i  Classification  der  poetischen  Stilarten  (s.  Donati  Vita  P. 
Virg.  §.  107,  Ed.  Wagner  I,  p.  CVI).  Wenn  der  Verf.  der  Feldbacher  Col- 
lation  in  dem  ^Ckienan  vel  mictiieon^  an  der  Spitze  der  IL  Ecl.  Donat*s 
tertinm  genas  'commune  vel  mixtum*  {xotvov  vel  fiucrov)  wiederfindet,  so 
kdnnen  wir  ihm  darin  nnr  beistimmen ,  da  allerdings  diese  Ekloge  in  die 
Gattung  gehört,  *nbi  et  poeta  ipse  loqnitnr  et  introdnctae  personae'.  Ent- 
sprechend ist  die  Ueberschrift  der  11.  Ecl.  im  Cod.  Voss.  'Coinan  vel  mi- 
slon\  sowie  die  Bezeichnnng  der  8  Ecl.  in  den  Schollen  des  Junilius  Fla- 
grins  (oder  Jnnius  Philargyms)  im  Cod.  Bern.  172  (a):  'Hoc  genus  carminis 
eenon  vel  miäon  didtnr* '^).  Was  hingegen  das  barbarische  micticon  an- 
belan^,  das  sich  auch  in  der  Ueberschrift  der  IL  EcL  im  Cod.  Leidens. 
des  Heinsins  findet  'carmen  [durch  Vorsehen,  oder  absichtliche  Aenderung 
für  das  nicht  verstandene  coinon]  vd  micticon\  so  können  wir  dem  Verf. 
mdit  beistimmen,  dass  es  von  ^ixtov  *der  Endung  in  diamaticon  nachge- 
Inldet*  sei  (S.  5).  Wie  würde  dann  dieses  ^micticovk  neben  ^dramaticor^ 
Vax  Bezeichnung  von  EcL  I,  m,  V  gepasst  haben?  Was  der  Ver£  als 
Gnmd  sich  denkt,  dass,  wexm  man  in  Betracht  zog,  dass  in  einem  ä/ramor 
Ucon  unter  einer  der  introdnctae  personae  der  Dichter  selbst  zu  verstehen  sei, 
■an  versucht  war,  die  Ekloge  auch  für  mtc^on  zu  halten',  ist  nicht  stich- 
baltig,  da  die  Eintheilung  in  das  genus  dramaticum,  enarrcctivum  und  mic 
tum  die  allegorische  Natur  des  Gedichtes  und  der  verwendeten  Personen 
durchaus  unberücksichtigt  lasst  und  nur  die  durchgehends  dialogische  oder 
durchgehends  erzfihlende,  oder  bald  dialogisch,  bald  erzahlend  gehaltene 
Form  beachtet**).  Das  micticon  in  der  Ueberschrift  der  zur  rein  drama- 


'•? 


8.  Müller,  de  codd.  Virg.  cett  p.  14. 

Die  Scholiasten  des  Vereil  machen  sich  zwar  viel  mit  der  Erörterung 
des  allegorischen  Charakters  seiner  Eclogen  zu  schaffen,  aber  wenn 
sie  dieselben  sondern  in  *proprie  Imcoluxi  und  ^non  proprie  lmcolica\ 
so  ist  ihnen  dabei  nur  ma&gebend,  ob  überhaupt  die  in  den  ein- 
zelnen Gedichten  auftretenden  Personen  die  Elirtenmaske  tragen, 
gleichgiltig  wer  etwa  hinter  dieser  sich  berge,  oder  ob  der  Dichter 
als  solcher  allein  spricht.  Zu  den  'proprie  httcolicis"  rechnen  sie  daher 
E.  I,  n,  m,  V,  Vn,  Vni,  IX,  zu  der  anderen  Art,  die  zusammen- 
fällt mit  Donaths  zweiter  Stilgattung,  dem  genus  enarrativum,  'quod 
Graeci  ^&fjvriiiitntxdv  appellant*  (in  den  SchoUen  des  Junilius  zu  Ecl.  X 
pftüUer,  ae  codd.  Virg.  Helv.  p.  161  wird  es  genus  exepeticon  vel 
epangelticon  genannt),  gehören  E.  IV,  VI,  X.  ö.  C.  Guil.  Müller, 
u>mmentaria  lunilii  Plagrii,  T.  Galli  et  Gaudentii  in  Virffilii  septem 
priores  eclogas,  nunc  primum  ex  cod.  Bern,  edita  (Rudolphipoli  1847) 
pp.  9.  14.  20.  25.  30.  35.  37  und  dess.  de  codd.  Virg.  Helv.  p.  14, 


148       E.  Hoffnumn,  Zur  Kenntaus  einiger  Vergü-HandBchriftQii. 

tischen  Gattung  zahlenden  Belogen  I,  IQ,  V  kann  daher  nnr  corrompiert 
sein  ans  mieticon  d.  i.  mimetican,  Donaths  'genas  acUtmm  vel  imäatimim* 
ist  daher  nur  die  getrene  Uebersetzong  der  mit  *dramaHcon  vd  mimeUean* 
gegebenen  Classification'^,  und  so  wird  denn  auch  die  zur  rein  dnuna- 
tischen  Qattnng  gehörige  YQ.  Ecloge  in  den  Schollen  des  Bemer  Codex  a 
als  "mimeticon*  bezeichnet").  War  nun  in  der  Handschrift,  ans  welcher 
des  Heinsias  Cod.  Leidensis  und  die  WeiHBenauer  Handschrift  die  dassifi- 
derenden  Ueberschriften  der  Eclogen  entlehnten,  das  mimetioon  als  PriU 
dicat  von  £.  I,  m,  V,  Vn,  IX  in  micUcon  corrumpiert,  so  erklärt  sich 
wol  von  selbst,  wie  dann  dieses  mictican  mit  micton  identifidert  und  statt 
dieses  an  die  Spitze  Ton  £.  11  und  VIII  treten  konnte.  Ob  das  ganz 
nngeheuerliche  nUsticon  in  einer  Randbemerkung  zu  £.  VUI  im  Cod. 
Minoraug.  auf  einem  neuen  Versehen  des  Schreibers  beruht,  oder  ob  es  ein 
beabsichtigtes  Bildungs- Analogen  zu  dem  misverstandenen  micticon  sein 
sollte,  kann  füglich  dahin  gestellt  bleiben. 

Wien.  Emanuel  Ho  ff  mann. 


16.  —  Mit  Unrecht  legt  übrigens  Servius  der  VI.  Ecl.  den  cha/raeter 
mixtus  bei  (*nam  et  poeta  praefatur  et  cantare  Silenus  indudtuf ), 
da  der  Dichter  nur  den  Gesang  des  Silen  dem  Inhalte  nach  refsriert. 

'^  A.  a.  0.  §.  107 :  * . . .  actiuum  Tel  irnüaUmun,  quod  Graed  cT^o^or»- 
xov  appellant,  in  quo  personae  loquentes  introducuntur  sine  poetae 
interlocutione:  ut  sunt  tragoediae  et  comoediae;  cTo^y  enim  graece 
agere  dicitur:  quo  genere  scripta  est  prima  Tityre  et  [nonaj  *<)uo 
te  Moeri  pedes*. 

")  S.  Commentaria  lunilii  Flagrii  cett  ed.  Müller  p.  37:  'Haec,  ecloga 
proprie  bucolicon.  Haec  ecloga  mimeticon  [Cod.  memeticos]  appelk- 
tur.  Hac  ecloga  a  Meliboeo  iudice  conflictus  totus  narratur,  cuint 
personam  Viigilius  scribens  Indult.*  Diese  Worte  geben  zuglddi 
einen  weiteren  Beweis  di^,  dass  die  Grammatiker  darin  noch  kdiie 
Aenderung  des  dramatischen  oder  mimischen  Charakters  einer  Edoge 
erblickten ,  falls  der  Dichter  selbst  sich  mit  einer  seiner  Personen 
identificierte. 

(Fortsetzung  und  Schluss  im  nächsten  Hefte.) 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

Lateinische  Grammatiken. 

Praktische  Anleitung  zum  Lateinschreiben  in  Verbindung  mit 
üebnngsbeispielen  nnd  zusammenhäiigendeB  Aufgaben  in  iwei  Äbthei- 
Inngen  bearbeitet  Yon  K.  Fr.  Sftpfle.  Erste  Abtheilung,  gr.  &  (XYI 
n.  äOS  B.)  Karlsruhe,  Groos,  1862.  —  1  fl.  80  kr.  ö.  ^ 

Wenn  durch  den  Beisatz  'praktisch*  indirect  ein  Unterschied  gegen 
das  bekannte  Buch  von  J.  Ph.  Krebs,  dessen  der  Hr.  Verf.  in  der  Vorrede 
wol  hätte  gedenken  sollen,  angedeutet  sein  soll,  so  müssen  wir  von  Tome- 
hirein  sagen,  daas  uns  das  Uteie  Buch  diesen  Beisatz  mehr  zu  yerdienen 
sdieint.  Der  Hauptfehler  des  Süpfle^schen  Buches  scheint  uns  der,  dass  es 
nicht  nach  einem  festen  Plane  gearbeitet  ist,  mit  genauer  und  steter  Be- 
rfteksichtigung  einer  bestimmten  Alters-  und  ünterrichtsstufe.  Es  sieht 
fiahnehr  aus,  ab  ob  der  Hr.  Verf.  seine  Sammlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Giammatik  und  Stilistik,  die  für  verschiedene  Partien  an  üm&ng  und  B^ 
dfiutong  verschieden  waren,  so  wie  den  nach  und  nach  gesammelten  Vor- 
lath  an  Mustersätzen  aus  lateinischen  Schriftstellern  und  an  zusammen- 
bängenden  Au^ben,  welche  größeren  Theils  lateinischen  Mustern  nach- 
gebildet sind,  yerwerthen  wollte.  Hiedurch  ist  ein  Buch  entstanden,  welches 
zwischen  Grammatik  und  einer  Anleitung  zum  Lateinschreiben  in  der  Mitte 
steht  und  häufig  nach  der  einen,  häufig  nach  der  anderen  Seite  hinschwankt 
Während  die  Congruenz-  und  die  Casuslehre  in  ihrem  theoretischen  Theile 
10  ausfUhrlich  und  mit  Berücksichtigung  so  vieler  Einzelheiten  —  wobei  wir 
gerne  anerkennen,  dass  nicht  wenige  feine  Beobachtungen  und  vielfach 
eiue  entschieden  richtige  Aufhssung  sprachlicher  Erscheinungen  vor  vielen 
dieses  Buch  auszeichnen  —  behandelt  sind,  wie  nur  in  irgend  einer  aus- 
f&hrlicberen  Sprachlehre,  ist  der  Conjunctiv  in  freien  Sätzen  und  die  Con- 
secutio  temporum  nicht  immer  richtig  und  im  ganzen  etwas  dürftig  be- 
handelt Auch  in  Bezug  auf  die  eingereihten,  leider  viel  zu  spärlichen 
stilistischen  Bemerkungen  ist  kein  fester  Plan  sichtbar.  Man  vergleiche, 
wie  §.  123  ff.  fiut  ohne  alle  Veranlassung  Bemerkungen  über  die  Ersatz- 
mittel für  deutsche  SubatanÜTa  oomposita  kommen;  i^Üirend  an  anderen 


160  Lateinische  Grammatiken,  ang.  v.  L,  Vielhaber. 

Stellen,  wo  sich  solcherlei  Bemerkungen  fast  aufdrängen,  keine  stehen. 
Aehnlich  ist  §.  134  Zus.  3  eine  stilistische  Bemerkung  üher  die  Ersetning 
pradicativer  Genit.  possess.  durch  Adjectiva  gegeben,  während  fftr  den  von 
Substantiven  abhängigen  Gen.  possess.  lüchts  ähnliches  gesagt  ist;  vgl 
Nägelsbach  Stilist  S.  62  der  zweiten  Auflage.  Die  Art,  wie  die  Beispiele 
gegeben  sind,  ist  keine  gleichmäfbige.  In  der  Gasuslehre  wird  zuerst  zu- 
sammenhängend der  Casus  behandelt,  dann  folgen  üebungsstücke,  nach 
Beendigung  derselben  ist  eine  Beihe  Nummern  über  sämmtliche  Casus. 
Diese  genügen  im  ganzen,  die  für  die  Zeitbestimmungen  sind  sogar  ver- 
hältnismäflBig  zu  zahlreich  (an  sich  kennen  wir  in  einem  üebongsbuch  kein 
Zuviel);  aber  für  den  Indicativ  und  Conjunctiv  in  freien  Sätzen  sind  ent- 
schieden zu  wenig  (gleichviel  als  über  den  Imperativ),  ebenso  über  die 
Tempuslehre.  Aehnliche  Misverhältnisse  sind  noch  mehrfach  auszustellen. 
Wir  erwähnen  noch,  dass  in  der  vorliegenden  ersten  Abtheilung  die  Con- 
gruenz  und  die  Casuslehre,  die  Lehre  vom  Verb^im  und  seinen  Formen 
behandelt  ist,  also  ungefähr  die  Syntax  des  einfachen  Satzes  mit  Aus- 
schluss des  Adjectivs,  der  Pronomina  und  Participien.  Jedenfalls  darf  Süpfle*8 
Buch  nicht  ignoriert  werden  und  jedem  Lehrer  ist  zu  rathen  ridi  mit 
demselben  bekannt  zu  machen;  für  die  Schüler  und  besonders  für  die  der 
mittleren  Stufe  ist  es  nicht  wohl  verwendbar.  —  Wir  wollen  nodi  ein  par 
andere  Bücher  kurz  charakterisieren  und  dann  an  einer  mä&igen  Partie 
das  zusammenstellen,  was  uns  in  einem  oder  dem  anderen  derselben  nicht 
ganz  richtig  scheint 

Praktische  Sehulgrainmatik  der  lateinischen  Sprache  fSr  alle 
Classen  der  Gymnasien  und  Realschulen  von  Prof.  Dr.  H.  Moiszisstzig. 
Fünfte  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  8.  (VI  u.  398  S.)  Beriin, 
Gärtner,  1863.  -  22%  Sgr. 

Das  allgemeine  Urtheil,  das  wir  bei  der  Anzeige  der  vierten  Auf- 
lage in  dieser  Zeitschrift  XJDL  S.  198  tt,  ausgesprochen  haben,  bleibt  trotz 
mancher  Verbesserungen  auch  für  die  neue  Auflage  bestehen.  Nebst  man- 
chem anderen  Buche  ziehen  wie  ihm  das  folgende  entschieden  vor: 

Dr.  Friedrich  Ellendt*s  lateinische  Grammatik  fOr  die  unteren 
Classen  der  Gymnasien.  Fünfte  verbesserte  Auflage,  mit  völliger  Um- 
arbeitung der  Syntax  zum  Gebrauch  für  die  mittleren  GymnasialclasaeD 
erweitert  von  Dr.  M.  Seyffert  gr.  8.  (Jü  u.  263  S.)  Berlin,  Weid- 
mann, 1862.  —  15  Sgr. 

Diese  zunächst  aus  den  Bedürfhissen  des  Joachimsthal*schen  Gym- 
nasiums hervorgegangene  Umarbeitung  der  Ellendt'schen  Grammatik  reicht, 
wenn  sie  auch  zunächst  für  die  obersten  Classen  (Prima  und  Obersecunda) 
nicht  bestimmt  ist,  dennoch  für  das  ganze  Gymnasium  vollständig  aus, 
insofern  nach  dem  von  Seyffert  an  einem  anderen  Orte  ausgesprochenen 
Grundsatze:  'Der  Schule  thut  eine  Grammatik  noth,  welche  nur  die  all- 
gemeinen und  traditionellen  Typen  der  chissischen  Prosa  Ciesars  und  Cioerot 
und  nichts  weiter  zur  Anschauung  bringt'  (Uebungsbuch  für  Secunda,  S.  VI), 
in  dem  grammatischen  Lehrbuch  nur  der  wirklich  vom  Schüler  tu  leniMidt 


Lftteiiiiflclie  Gninatiken,  ang.  ▼.  L.  Vidhäbef.  151 

Ldintoff  enthBlten  sein  soll,  w&hrend  man  allerdings  daneben  tüchtigen 
SehtUerB  der  zwei  obersten  Classen  oder  tüchtigen  Oberclassen  noch  ein 
gKammatiBdies  Natchschlagebnch  in  die  Hände  geben  kann,  wenn  die  Schü- 
kr  sdbst  Verlangen  darnach  haben,  was  nicht  eben  immer  der  Fall  sein 
dSiftd  *).  Neben  dieser  Beachrftaknng  anf  die  wirklich  classischen  Typen 
irt  et  Tonttgüeh  die  Schärfe  und  Präcision  der  Regeln,  so  wie  die  bekannte 
Ycrtmatheit  des  yerdienten  Heransgeben  mit  Ciceronianischem  Sprachge- 
biMich,  welche  diese  Grammatik  sn  einer  der  besten  Schnlgrammatiken 
■lachen.  Freilich  gibt  sich  hie  und  da  in  erkennen,  dass  dem  Stilisten 
M.  Seyffert  manche  grammatische  üntersnchnngen,  besonders  in  Program- 
BMn  lerstrente,  unbekannt  geblieben,  und  dass  anderseits  die  Grenzen 
iwischen  Grammatik  und  Stilistik  nicht  scharf  genug  gezogen  sind,  vgl. 
1.  R  §.  203  ff.,  so  wie  dass  manche  Partien  der  EUendt*schen  Grammatik 
«ne  nodi  sorgfältigere  und  weitergehende  Ueberarbeitung  bedurft  hätten. 
Doch  mag  man  auch  manche  Ausstellung  erheben  können:  denen,  welche 
dem  ganaen  Lateinunterricht  eine  Grammatik  zu  Grunde  legen  und  sich 
kiebd  nicht  mit  der  kleinen  Grammatik  von  Schultz  oder  Siberti-Meiring 
begnügen,  wären  zunächst  wol  folgende  Grammatiken  zu  empfehlen:  £1- 
kndt-Sejffert,  Berger,  Englmann,  Fromm,  zwischen  denen  die  Wahl  mehr 
foo  änfberen  Umständen  und  der  subfjoctiYen  Ansicht  des  Lehrers  —  so 
kalt  Bich  Seyffert  an  die  Zumpt^sche  Anordnung,  Englmann  und  Berger 
an  die  Krüger*8  und  Kühneres,  Fromm  ist  in  manchem  ganz  eigenthüm- 
lidi  —  abhängig  zu  madMn  sein  dürfte. 

Kl«iBe  lateiniache  Sprachlehre,  zunächst  Ar  die  unteren  und  mitt- 
leren Classen  der  Gymnasien  bearbeitet  ?on  Dr.  F.  Schultz.  Siebente 
Terbesserte  Ausgabe.  (Vm  u.  255  S.)  Paderborn,  Schöningh,  1863.  — 
13'/,  Sgr. 

Litmnische  Sprachlehre,  zunächst  für  Oymnasien  bearbeitet  von 
Dr.  F.  Schultz.  Fünfte  Terbesserte  Ausgabe.  (XYI  u.  692  S.)  Pader- 
born, SchGningh,  1862.  —  1  Thlr.  10  Sgr. 

Beide  Bftdier  sind  in  Oesterreich  so  bekannt,  dass  es  weiterer  Cha- 
lakteriaierungen  nicht  bedarf;  aufeerdem  haben  wir  selbst  die  kleine  Sprach- 
lehre schon  zweimal  in  dieser  Zeitschriffc  besprochen.  Wir  werden  in  dieser 
Anzeige  dieselbe  nicht  besonders  erwähnen,  da  sie  jetzt  mit  der  gröfseren 
quaUtatiT  fibereinstimmt  Die  grOXI^ere  Grammatik  hat  in  dieser  Auflage 


)  Welche  Bücher  man  reiferen  Schülern  empfehle,  ist  an  sich  ziem- 
lich ^leidigÜtig,  nur  ist  es  wol  nicht  gerathen,  Schülern,  welche 
an  die  ZumnVsche  Weise  gewöhnt  sind,  Grammatiken  zu  geben,  die 
mit  mehr  ooer  minder  groDsen  Accommodationen  an's  hergebrachte 
auf  dem  Stendpunct  der  jBecker^schen  Syntax  stehen  und  umgekehrt 
Für  den  einen  Fall  sind  neben  Zumpt  und  Madvig  vor  allen  die 
Grammatiken  Ton  Schultz  und  Meirin^,  für  den  andern  von  Kühner 
und  die  nidüit  ganz  mit  Recht  ziemlich  TerschoUene  von  Weilen- 
bom,  so  wie  für  sehr  vorgerückte  Schüler  die  von  Krüger  als  pas- 
send zu  bezeichnen.  Natürlich  können  auch  manche  der  später  zu 
nennenden  etwas  knapper  gehaltenen  so  verwendet  werden  (von 
FsMun,  Berger,  finglmann). 


15t  Lateinische  Grammatiken,  ahg.  t.  L.  ViMa^', 

manche  weiter  gehende  Aenderongen  erfahren.  So  ist  die  GasnrieliTe  riel- 
£em^  geändert  und  in  Uebereinstimmong  mit  dem  kleineren  Buche  herge- 
stellt u.  a.  Die  wichtigste  Neuerung  ist  die,  dass  der  Verfasser,  der  froher 
als  ein  Vertreter  der  hergebrachten  Orthographie  bekannt  war^  nunmehr 
selbst  sich  zur  Aufnahme  der  durch  die  neueren  Untersuchungen  gewonne- 
nen Resultate  entschloss.  Er  hat  dies  zwar  im  ganzen  mafbvoll  gethan, 
sowol  in  der  Grammatik  als  in  den  anderen  von  ihm  herausg^ebenen  Lfkar- 
büchem,  aber  doch  geht  es  nicht  ohne  einige  Störung  des  ünterridites 
ab,  wo,  was  nicht  zu  Termeiden  ist,  Terschiedene  Auflagen  neben  einander 
im  Gebrauche  sind.  Indessen  das  thut  wenig  zur  Sache.  Ob  indee  der 
Verüasser  in  Zukunft  nicht  noch  manches,  was  er  jetzt  flbr  zweifelhaft  hSH^ 
als  feststehend  betrachten  wild,  das  werden  die  nächsten  Auflagen  zeigen. 
Sehr  dankenswerth  ist  §.  10,  S.  9  ff.  eine  Uebersicht  der  Worte,  deren 
Schreibung  von  der  neueren  Forschung  anders  gestaltet  worden  ist,  nodi 
dankenswerther  würde  sie  sein,  wenn  der  Verfasser  sich  entschlieDien  körnte, 
diesem  gröÜBtentheils  nur  fär  die  Lehrer  bestimmten  Theile  Literatnian- 
gaben  beizufügen,  so  dass  auch  der,  welcher  solche  Untersuchungen  nicht 
selbst  mit  anstellt,  doch  jedesmal  in  den  Stand  gesetzt  wird,  zu  wiesen, 
wo  die  entscheidende  Abhandlung  ist  Baum  wäre  auch  dadurch  leicht  in 
gewinnen,  dass  der  Verfasser  die  Vorreden  der  früheren  Auflagen  etru^e. 
Ueberhaupt  wünschen  wir,  dass  das  Buch  den  Charakter  eines  Lembuoliei 
ganz  abstreife  (Formen  hat  gewiss  noch  niemand  aus  ihr  gelernt)  und  sich 
auch  in  der  Formenlehre  (in  der  Syntax  ist  es  mehr  oder  w^uger  bereite 
geschehen)  zu  einer  Darstellung  des  gesammten  lateinischen  Sprachbaues 
erhebe.  Damit  wäre  natürlich  verbunden,  dass  die  Quellen-  und  Literatif* 
angaben  (natürlich  nur  Angabe  einer  wenigstens  für  jetzt  abechliellienden 
Behandlung)  in  ganz  anderem  Mafsstab  einzutreten  hätten  als  jetzt 

Wir  wollen  nunmehr  an  der  Lehre  von  der  Congruenz  und  den 
Casus  auJfoer  dem  AbL  zu  zeigen  suchen,  was  wir  an  jedem  der  beieicli* 
neten  Bücher  für  verfehlt  oder  fehlend  halten. 

Schultz  §.  240.  Unter  den  Subjecten  sind  die  stellvertretenden  Ne- 
bensätze (vgl.  mit  si  Sali.  J.  65,  2.  85,  10,  mit  cum  Tac  Agr.  2,  guia 
Tac.  A.  2,  43  und  4,  3  nach  der  Ueberlieferung  von  M,  und  PräpoaiticH 
nalsausdrücke  Liv.  22,  31,  5.  43,  23  med.  Heerwagen  zu  22,  41,  2.  24^ 
5,  12  ib.  Fabri  21,  62,  5  Tac.  A.  2,  60)  zu  beachten.  Suet  Ner.  57 
vertritt  ein  gen.  quaL  das  Subject  —  £b.  A.  1.  Die  Auslassung  des  Smb* 
jectes  war  eingehender  zu  besprechen,  man  vergl.  Fälle  wie  Nep.  PeL 
3,  3.  Tac.  A.  3.  62.  11,  14.  11 ,  24  und  Formeln  me  siüa  fert  u.  iL  vgl 
Tac  A.  3,  15.  H.  2,  44.  —  £b.  A.  4.  Auf  die  Ausdrücke  pro  eonsüle, 
pro  praeiore  b]s  Prädicate  war  Rücksicht  zu  nehmen,  Fabri  Liv.  28, 30, 19, 
auf  eben  dieselben  und  besonders  bei  Tac  beliebte  Wendungen^  vgL  A.  2,  3. 
2,  4.  2,  27.  2,  63.  2,  77  wol  auch  2,  73.  1,  27,  war  Rücksicht  bei  der  Ap- 
position zu  nehmen.  Unter  den  Adverbien  verdienten  noch  tatis,  firustra, 
inpune  (Cic  Mil.  12,  31.  Orelli  zu  Tac  A.  1,  72)  erwähnt  zu  werden.  — 
§.  241  A.  3,  4.  Für  die  SynesLs  des  Prädicates  in  Genus  und  Numerus  genügt 
es  für  Anordnung,  da  Genus  und  Numerus  geschieden  und  in  A.  4  doch  wieder 
ineinander  gemengt  sind,  so  wie  für  manche  nicht  richtige  Behauptung 


Lateinische  Grammatiken,  ang.  v.  L.  ViMaber,  158 

anf  dia  Abhandlung  von  Gr&ter:  üeber  die  Sjnens  in  der  lateinischen  und 
gneehischen  Sprache,  Progr.  Ton  Münster  1855,  zn  Yerweisen.  Aa/ii6Tdem 
Badatfib&ffr,  de  Sallustii  dicendi  genere  commentatio,  Programm  des  Friedrich 
inihdms-Gymn.  in  Berlin  1868.  Auch  £11.  §.  133  Anm.  ist  nicht  ganz 
ridrtig,  da  doch  hei  parHm  -^partim  und  selbst  bei  qmsq^te  auch  im  selben 
Satze  Ton  Cic  der  Plnral  des  Piftd.  gebraucht  wird,  s.  Grüter  a.  0.  8. 12 
ind  S&.  —  M.  §.  d5i  A.  *Wenn  die  SnbjectiTe  unpersdnliche  Gegenst&nde, 
gen.  fem.  sind,  so  kann  das  Prftdioat  auch  im  Neutr.  plnr.  stehen.'  Fast 
in  aUen  Grammatiken  stehen  Sätze  wie  honores,  vietoriae  fartuUa  suM 
(Cic).  Labor  whiptaique  . . .  sodetaU  gmdam  mter  ae  wUturaU  8wU 
nmeUi.  —  EIL  137.  *Die  einÜMdiste  Art  einen  Satz  zu  erweitern,  ist  die 
Beiftgnng  einer  Bestimmung  zum  Subjeot  Ist  diese  Bestimmung  ein  Ad- 
jsetiY  (Part  Pron.),  so  heifist  sie  Attribut,  ist  sie  ein  SubstantiT,  so  nennt 
man  lie  Apposition.'  Diese  Erklärung  ist  fiu£nrlich  und  Msch,  da  sie  einen 
■idit  geringen  Theil  der  Attribute  flwnen  Bhenus,  mare  Oeeanus,  hämo 
Qüüms,  tmüier  aneüla,  ohms  saeerdoa  u.  JL  der  Apposition  zuweisen  würde. 
Das  Attribut  macht  das  Genus  zur  Species,  die  prftdicative  Beifügung 
ckankterisiert  einen  Gegenstand  und  hebt  ihn,  ohne  aus  ihm  etwas  an- 
deres zu' machen,  aus  seines  gleichen  heraus,  mües  foriis,  exercitus  prae- 
iak^  ex  90on$  u.  ä.;  die  Apposition  fügt  eine  äulbere  Bestimmung,  statt 
als  Piftpositionalausdruck  oder  Satz  zum  Verb,  zum  Subject  Am  wenigsten 
ist  anch  sonst  die  Verschiedenheit  der  zweiten  Classe  von  der  dritten 
beaehtet;  Seh.  hat  §.  243,  1  die  zweite  und  erste  nicht  geschieden.  — 
8c1l  f.  243  A.  2.  Gut  sind  die  Fälle,  in  denen  Präpositionalausdrücke  erlaubt 
siad,  auseinandergelegt  bei  Grysar,  Theorie  des  lat  Stils,  S.  110  ff.,  vgL 
anch  MIgelsbaeh  S.  201  ff.  —  Eb.  A.  3.  Nicht  auf  gleiche  Linie  sind  zu 
stellen  die  DatiTe  bei  den  VerbalsubBtantiTen  auf  to  und  or  (andere  Ver- 
bindungen 8.  bei  Both  Agr.  Exe.  XI)  mit  den  LocalTcrbindungen,  die  sich 
hänfig  bei  denselben  Worten  finden,  die  Appellati va  mit  Präpos.  haben, 
bezeichnend  ist  Cic.  Sest  63,  131  und  Suet  Ner.  15.  —  Eigenthümliche 
Ablat.  8.SalLJ.  85,  29.  Liv.  23,  37,  5.-Sch.245  A.  2.  Sü.§.45.  Wenig- 
skens  nicht  immer  ist  das  AppeUatiyum  mit  dem  appositiven  Relativsatz 
Tcrbunden,  s.  WeiÜMubom  zu  Liv.  1,  44,  4.  Fabri  LIt.  23,  7,  4.  —  Eb. 
A.  8.  Die  Congruenz  des  Piädicats  mit  der  Appos.  ist  nicht  auf  Städte- 
namen  zu  beschränken,  Tgl.  Cic  Man.  5,  11.  des.  b.  c.  2,  19,  5,  und  wol 
anch  Tac.  A.  8,  21,  ib.  2,  17,  vgl  auch  Cic.  Brut.  75,  262.  —  Eb.  Anm.  4. 
Der  gemachte  Ansatz,  die  partitive  Apposition  einzuführen,  sollte  durch- 
geführt werden;  die  hauptsächlichsten  Angaben  s.  bei  Dietsch  zu  Sali.  J. 
66,  2,  Kirchner  Hör.  Sat.  1,  2,  101,  Schneider  zu  Cas.  b.  g.  1,  53,  4,  Fabri 
lu  SalL  J.  104,  3.  66,  2.  C.  1,  7.  2,  1,  zu  Liv.  23,  49,  2.  24,  10,  4.  Nipp. 
Tac  A.  12,  40.  Ebenso  dürfte  die  Satzapposition  (s.  Madv.  zu  Cic.  de  fin. 
2,  23,  75,  Grysar  Theorie  S.  97,  Fabri  Sali.  or.  Lic  26,  Roth  Tac.  Agr. 
Sic  Vm  Nipp,  zu  Tac.  A.  1,  27)  zu  ergänzen  sein.  —  Ell.  §.  141  und  M. 
|.  361  hätten  die  bekannte  Synesis  ex  eo  numero,  qw  —  erant  erwähnen 
•ollen,  s.  Grüter  a.  a.  0.  S.  18.  Seh.  §.  247  vermisst  man  die  Fälle,  in 
densn  Pxon.  reL  und  demonstr.  im  Neutr.  sing,  oder  plur.  stehen,  in  Be- 
CütMlirUI  r.  d.  öttmr.  QTnii.UM6.  IL  ■.  III.  Holt.  11 


156  Lateiniscbe  Qrammatiken,  ang.  ▼.  L.  Vidhabtf. 

'bezeichnet  der  Acc.  den  (Gegenstand  oder  das  Objeot,  auf  w^lchea  aicli 
die  Thätigkeit  oder  der  Zustand  des  Subjects  bezieht  oder  erstreekt. 
Diese  Beziehung  zwischen  Subject  und  Object  ist  entweder  eine  Uolk 
äoTserliche  zufällige,  oder  das  Object  bezeichnet  einen  solchen  Gegenatand, 
der  aus  einer  Thätigkeit  henrorgebt,  die  Wirkung  oder  das  Pioduet  der- 
selben? Das  'Object'  ist  in  einem  eigenthümlichen  Dämmerlicht  iwiadieB 
der  logischen  und  grammatischen  Bedeutung  gehalten;  durch  das  EIb- 
schiebsei  'der  Zustand*  soll  offenbar  das  innere  Object  und  der  Acc.  der 
Ausdehnung  in  die  Definition  aufgenommen  werden,  aber  mit  den  Wortes 
'bezieht  oder  erstreckt'  kehrt  S.  wieder  zur  gewöhnlichen  Auffassung,  wie 
sie  sich  bei  M.  findet,  zurück.  Die  Beziehung  endlich  zwischen  Subject  und 
Object  ist  immer  eine  zu&llige^  denn  auch  beim  effectiven  Object,  Ar  daa 
passendere  Beispiele  beigebracht  werden  konnten  —  foedus  ferire,  foeden 
iwngere,  castra  viam  munire,  roffore  camuleB,  misericordiam  permcvert, 
numare  picem ,  sttdare  scmguinem  ^)  u.  ä.  —  ist  das  Zustandekommen  dei 
Objectes  nicht  davon  abhängig,  dass  das  bestimmte  Subject  diese  oder 
jene  Thätigkeit  vollzieht  Die  Bezeichnung  Schultzen's  ist  ein  nicht  yob 
Bedenken  freier  Vermittelungsversuch  zwischen  der  ideellen  und  der  sinn- 
lichen Auffassung  der  Casus.  —  S.  49  führt  aufser  dem  bekannten  iuvare  eta 
noch  manche Verba  auf,  die  im  latein.  transitiv  sind,  im  deutschen  intranaitiT. 
Manche  darunter  sind  jedoch  nicht  immer  transitiv,  so  desperare.  Über  daa 
vergl.  Hildebrand  Progr.  Dortmund,  1854,  S.  5  ff.  Seh.  hat  dieses  §.  261 
neben  anderen  zusammen,  die  eigentlich  intransitiv  sind,  aber  transitlT 
gebraucht  werden.  Leider  ist  die  Ordnung  dieses  Paragraph  eben  nicht  die 
beste.  So  ist  von  Anfang  an  zusammengestellt  desperare  rem,  nuimere  aU- 
quem,  properare  rem,  queri  aliquid  u.  ä.  mit  ludere  borwm  civem,  moli- 
Ham  olere,  classes  loqui.  Von  da  wird  in  A.  2  übergegangen  zu  tnare  am' 
Indare,  scelus  anhelare,  dtdce  ridere,  resonare  luco8  ccmtu,  mcmare  mdla, 
triumphare  gentem.  Endlich  A.  3  zu  den  eigentlichen  inneren  Objecten,  deren 
Schluss  aetatem  vivere  u.  ä.  Wendungen  machen,  die  von  Dichtem  auch 
passivisch  gegeben  werden  —  eine  Beschränkung,  mit  der  vgL  Oaa.  b.  g. 
5,  39,  4  gegen  2,  6,  1  u.  Su.  58  A.a  Besser  ist  der  bei  Seh.  beabsidi- 
tigte  Gang  von  den  gewöhnlichen  Obj.  zu  den  inneren  bei  M.  §.  369  n. 
£.  156,  157 ,  welche  auch  darin  richtiger  thaten ,  dass  sie  nicht  mitten 
zwischen  gewöhnlichen  Obj.  hinein  die  inneren  setzten ,  wie  Seh.  Sü.  be- 
handelt diese  Partie  §.  54  ff.  ausführlich  freilich  mit  manchen  Mängeln. 
Warum  wird  unter  den  zulässigen  Verbindungen  nicht  schon  S.  65  servir 
tutem  servire  aufgeführt?  s.  Cic.  Mur.  29,  61  Tischer.   Auf  ölere  vimm 


Gut  ist  dieser  Theil  behandelt  von  H.  Schreier  im  Programme  von 
Olmütz  1862/68.  Es  ist  dort  für  den  Acc.  u.  Dat.  (Nom.  u.  Voa 
zählen  nicht  mit)  der  Versuch  gemacht,  die  Darstellung  der  griechi- 
schen Grammatik  von  G.  Curtius,  welche  trotz  ihrer  VerstäncUichkeit 
wissenschaftlich  ist,  für  die  lateinische  Grammatik  anzuwenden.  Ge- 
lungen ist  das  beim  Acc. ;  beim  Dai  will  uns  an  sich  die  Curtius'ache 
Darstellung  nicht  recht  befriedigen.  Schreier  hat  sie  zwar  etwas  ver- 
bessert aber  nicht  ganz  geändert.  Jedenfalls  ist  zu  wünschen,  da» 
die  Fortsetzung  bcud  folge,  und  besonders  die  Darstellung  des  Gen. 
ebenso  gelinge  als  die  des  Acc. 


LateiiiiBche  Grammatikeii,  ang.  ▼.  L,  VieXh/aher.  167 

lU^  dk  Reetion  der  Stftdtenamen,  mare  (mhuhre,  noetes  vigüarej  dann 
Mk€ere  se,  i$Uerpanere  <e  o.  &.,  dann  wieder  Curios,  ck^es  loqwi,  clamare 
mduB  Aomtnw,  audire  Labeonem  (wovon  schon  §.  49  die  Bede  war),  end- 
lidi  wird  znm  abBolnten  und  intransitiven  Gebrauch  der  transitiva  fortge- 
gangen. Nach  nnseror  Anf^issnng  des  Acc.  ist  das  sogenannte  innere  Object 
die  Gmndbedentnng  desselben,  alle  anderen  Gebranchsweisen  sind  ans  dieser, 
der  Angabe  des  Inhaltes  des  Seins,  entstanden. 

Wir  können  im  folgenden  schon  des  Raumes  wegen  es  nicht  ver- 
suchen, eine  vollständige  Darstellung  des  Accus,  von  dieser  Grundlage  aus  zu 
geben,  sondern  wollen  nur  an  ein  paar  Fällen  zeigen,  dass  auch  die  schein- 
bar disperatesten  Verbindungen  sich  ganz  wohl  aus  dieser  Grundbedeutung 
erklären  lassen.  Was  besonders  bei  Schreier  §.  11—15  schon  als  inneres 
Object  aufgeführt  ist,  wollen  wir  unerwähnt  lassen,  uüam  Nestoris  uiuere 
ist  nach  bekannten  Analogien  geworden  zu  Nestora  uiuere;  mit  ersterem 
ist  dem  Sinne  und  der  Construction  nach  vollkommen  gleich  uüam  mül- 
tofwfii  annarum  uiuere ,  aus  dem  durch  denselben  Gang  entsteht  midtos 
mmo8  uiuere,  natum  esse,  discedere  transuermm  unguetn  ist  soviel  als 
äiicedere  diaeeaeionem  transuersi  unguis.  Von  ire  üionem  Eomae  (oder 
PApositionalverbindung,  vgl.  Ces.  b.  c.  1,  4,  5  daselbst  die  Erklärer)  zu 
ire  Bamam  (einen  Bomgang  machen  vgl.  das  volksthümliche  'Mariazell- 
gehen*) bleibt  man  durchaus  innerhalb  der  sonstigen  Analogien.  Ebenso 
ist  es  in  Wendungen  wie  uenhs  maria  onmia  uecti  (»  uecHones  maritimas 
ueeti).  Nicht  selten  sind  Wendungen  wie  inüium  oritur,  nascitur  s.  Fabri 
zu  Liv.  24,  47,  7.  Kraner  zu  CJas.  b.  g.  5,  26,  1.  Nägelsbach  Stil.  S.  138 
•ftdHHfi  inehoare  Liv.  32,  29,  5.  Tac.  G.  30,  indieium  patefacere  s.  Dietsch 
u.  Fabri  zu  SalL  J.  73, 1,  in  denen  offenbar  dieselbe  Vollständigkeit  ist  durch 
die  Angabe,  dass  das  im  Genit.  oder  sonst  abhängige  der  Inhalt  des  Verbs 
sei,  wie  in  den  anderen  fallen  des  inneren  Objects.  Daraus  entsteht  nun 
rem  inehoare,  caniuraiionem  patefacere  ganz  so  wie  aus  fiiytt  xp^vSoq 
ipiv^ertu  wird  fjiiya  xp^v^itm.  Ebenso  wird  von  factionem  facere  (man 
erlaube  diese  Verbindung)  und  dictionem  dicere  fortgeschritten  einerseits 
durch  facHonem  facinoris  f,  zu  facinus  facere  y  anderseits  zu  facere  und 
dicere  mit  einfachen  äullseren  Objecten.  Dasselbe  zeigt  deutlich  das  Be- 
stehen der  selteneren  Constructionen  audire  diiquem  s.  Nipperd.  zu  Tac. 
A.  4,  23.  narraflte  (diquem  Virgil.  Ae.  2, 549.  Ov.  M.  14,  731.  narra/re  miror 
cvda  u.  a.  neben  den  gewöhnlichen  Constructionen,  sowie  die  Verschieden- 
heit (fcr  Construction  bei  purgare  excusare,  defendere  u.  a.  Wie  manche 
Verba  doppelte  Construction  zulassen,  so  kann  es  sein,  dass  der  Inhalt  einer 
Handlung  sich  nach  zwei  Seiten  offenbart  (flagitare  flagitationem  frumen- 
tariam  u.  fl,  fi.  Haedtwrum  —  Haeduos  frumentum  flagitare)  oder,  dass 
ein  (Gleichsein  oder)  Gleichmachen  zweier  verschiedener  Inhaltsformen  den 
dnzigen  Inhalt  des  Verbs  bildet,  wo  dann  eben  die  beiden  im  Verhältnis 
Ton  Object  und  Prädicat  zum  Verb  treten.  Uniueraus  popülm  dedarauii 
dedarationem  Oceronis  und  dedarationem  consxdarem,  so  dass  die  zweite 
an  die  Stelle  der  ersten  tritt,  dafür  Ciceronem  w.  p.  canstdem  dedarauit. 
Dies  mi^  genügen  um  die  Ansicht,  dass  der  Accusativ  ursprünglieÜ  niohti 
war  ab  die  Form ,  durch  die  man  den  Inhalt  einer  J^dlung  üiinM 


158  LateiniBche  Grammatiken,  ang.  t.  L,  Vielhaber, 

(nominal),  und  dass  von  dieser  Ansicht  aus  sich  alle  Erscheinungen  er- 
klaren lassen,  was  hei  anderer  Auffassung  nicht  zu  sein  scheint,  wenigstens 
zum  Theil  zu  begründen.  In  den  vorliegenden  Büchern  kann  mit  Aus- 
nahme Seh.  freilich  von  einer  solchen  Entwickelung  keine  Bede  sein.  Sie 
müssen  vielmehr  den  gerade  umgekehrten  Weg  gehen  und  die  verhUi- 
nismäfsig  ferne  liegende  und  nur  in  nicht  zahlreichen  Besten  übrige  Q^ 
brauchsweise  an  den  Schluss  der  Darstellung  verweisen ,  das  jüngste  und 
darum  eben  zahlreichste  Product  des  Sprachgeistes^  die  äulseren  Objecte 
voranstellen,  ein  Unterschied,  der  zwischen  wissenschaftlichen  und  den  nur 
praktischen  Zwecken  dienenden  Darstellungen  ja  Begel  ist.  —  Sü.  §.  61.  Es 
ist  wol  zu  scheiden,  wo  eine  grammatische  Nichtbezeichnung  des  ans  dem 
coordinierten  oder  subordinierten  zu  ergänzenden  Objectes  stattfindet,  wo 
das  Object  ohne  solche  Gründe  fehlt,  weil  kein  Misverstandnis  möglich  ist, 
und  wo  kein  Object  steht,  weil  eben  keines  zu  setzen  möglich  wäre,  aufser 
allenfalls  das  allgemeinste  'etwas'  oder  'welche'.  Für's  erste  bedarf  es  keiner 
Beispiele,  da  von  Grammatikern  und  Stilisten  allgemein  darüber  gehandelt 
wird.  Nur  der  Gebrauch  von  de  statt  eines  Obj.  s.  Fischer  Bectionslebre 
bei  Csßsar  I,  Programm  von  Halle  1854,  S.  12.  Kraner  C»s.  b.  g.  1,  42,  1. 
4,  13,  5.  Badstübner  de  Sallustii  dicendi  genere  commentatio.  Berlin,  Pro- 
gramm des  Friedr.  Wilh.  Gymn.  1863,  S.  12,  Pabri  zu  Sali.  3,  2,  u.  Fabri 
zu  Liv.  23,  38,  9;  die  Phrase  res  postulal,  resposcU  J.  Sali.  J.  12,  3.  70,  3 
und  Wendungen  wie  die  von  Fabri  zu  Sali.  C.  5,  9  und  Nipperd.  zu  Taa 
A.  4,  59  besprochenen,  verdienten  Erwähnung.  Wichtig  ist  die  zweite  Art, 
zu  der  neben  mauere  ducere  u.  ä.  auch  facere  (opfern)  proßeri  (namen) 
iubscribere  mereri  (stipendia),  curare  (commandieren),  petere  (magistrcstum), 
adpeüere  (landen),  ferre  (vom  Wind  u.  ä.)  gehören.  Zur  dritten  Art  rechnen 
wir  agere  und  agitare  im  Sinne  von  esse  s.  Fabri  SalL  G.  6,  5.  Tac  A.  1,  68. 
1,  49  u.  a.  turbare  revoltieren,  vgl.  Tac.  A.  1,  20.  tdercure  eb.  susUnere  s. 
Gudend.  zu  Csbs.  b.  g.  2,  25,  1.  his  pawtibus  pabukUum  fnütebat  Csbs.  b.  c 
1,  40,  1.  Fabri  Liv.  21,  48,  9.  dabat  et  famae  Tac.  A.  1,  7,  wo  Nipperdey 
nicht  ganz  mit  Becht  die  zur  ersten  Art  gehörigen  Stellen  Caes.  b.  g.  1, 13,  5, 
Cic.  fam.  13,  9  citiert  audere  Tac.  H.  1,  35,  5, 13  u.  Kritz  zu  Agr.  15fin.  — 
Sü.  §.  62.  Unter  den  in  eigentliche  Intransitiva  übergehenden  Transitivis 
war  indinare  zu  erwähnen,  s.  Fabri  zu  Liv.  23,  33,  4.  mutare  Liv.  3, 10,  & 
Taa  A.  12,  29.  deflectere  u.  flectere  s.  Cic  Coel.  12,  40.  Andere  s.  bei 
Haase  zu  Beisig  Anm.  319.  Kühner  Gr.  §.  108,  2.  —  Seh.  §.  240.  Anm.  4,  E. 
§.  159.  Anm.  M.  §.  372.  Die  bekannte  Unterscheidung  zwischen  aemulari 
mit  Dat  u.  Acc.  ist  zu  unsicher,  um  aufgenommen  zu  werden,  s.  Haase 
a.  a.  0.  Anm.  544.  —  Seh.  §.  251,  E.  §.  156.  Als  Transitiva  konnten  ange- 
führt werden  süere  Cic.  Mil.  7,  18.  Liv.  27,  10,  7  (con)solari  Nipp,  zu  Tac 
A.  3,  24.  —  E.  §.  158  behandelt  den  Accus,  bei  Compositis  am  besten,  be- 
sonders sind  die  Verba  des  Uebertreffens  nach  dem  besten  Sprachgebrauch 
festgestellt.  Zu  erinnern  ist,  dass  bei  Csesar  cmtecedere  auch  in  tropischer 
Bedeutung  nur  mit  dem  Accus,  b.  g.  3.  8,  1.  7,  54,  4.  b.  c  3,  82,  5,  an- 
teire  nur  absolut ,  dass  egredi  nur  mit  fines  munüiones ,  was  auch  Seh. 
§.  25,  2.  AnuL  4  anführen  sollte ,  sonst  mit  ex  extra  oder  blofsem  Abi. 
vorkömmt.  M.  §.  370  durfte  nicht  egredi  wbem  als  regelmäflsige  Construc-, 


LateimBche  Grammatiken,  ang.  ▼.  L,  Vidhaber,  159 

tbn  hiittielleii,  ebenso  wenig  das  erst  Livianische  (WeiTbenborn  zu  1,  29,  6. 
2,  37,  8w  Fabri  xn  23,  1,  3)  excedere  isuriMn.  Bei  Cesar  steht  excedere  nur 
mit  dem  AbL  mit  oder  ohne  ex,  —  Sü.  §.  53  hätte  die  Composita  mit  awtCy 
dreum,  per,  praeter  ron  den  andern  sondern  sollen,  femer  war  kein  Grund, 
die  Composita  mit  irans  dann  adigere  aiiqiAem  iusctirandumy  animttm  aduerto 
rem  wegen  der  zwei  Aocns.  von  hier  weg  zu  den  Verben  des  Fragens  zn 
stellen.  Dasselbe  ist  gegen  Seh.  §.  257,  Anm.  2  zn  bemerken,  der  femer 
aätke  aüquem  nicht  §.  252,  2,  Anm.  5,  wie  M.  §.  400  anf  die  tropische 
Bedentang  beschrftnken  durfte.  Auch  E.  §.  158  zieht  eine  nicht  gerecht- 
fertigte Unterscheidung  s.  C»s.  b.  g.  2,  7,  3.  3,  7,  1.  3,  11,  1.  4,  20,  2. 
4,  21,  8.  6,  35,  6.  b.  c  3,  85,  2.  3,  102,  6.  3,  103,  1.  —  Sü.  §.  65,  5.  M. 
§.  370  Anm.  2  fehlt  amms  tnUectua  u.  ä.,  für  Sü.  beachtenswerth  waren 
Stellen  wie  C«bs.  b.  c  1,  40,  4.  Lir.  21,  56,  8  u.  9.  —  Seh.  §.  253.  Nicht 
blofs  follü  me  war  zu  erwähnen,  sondern  auch  der  Livianische  Gebrauch, 
dass  ein  prädicatives  den  Uauptbegriff  enthaltendes  Partie,  zum  Subject 
tritt:  nee  fefeUit  ueniens  Tuactäanum  ducem  Liv.  2,  19, 7  das.  WeiX^enbora, 
YgL  Fabri  zu  21,  48,  5.  An  eine  directe  Entlehnung  aus  dem  griechischen 
ist  hier  ebenso  wenig  zu  denken  als  sonst. 

M.  §.  379.  S.  §.  65,  2.  Die  Yerba  des  Forderns  und  Bittens  werden, 
wie  es  Seh.  gethan  hat,  am  besten  darnach  geschieden,  dass  zu  den  ersten 
dia  Saehobject,  zu  den  zweiten  das  Personenobject  das  nächste  ist.  Da- 
duth  kommt  man  auch  mit  der  passiven  Constmction  am  einfachsten  zu- 
recht. Sft.  hätte  3  die  Wendung  populum  (plebem)  rogare  magistratum 
z.  B.  Liy.  3,  65,  4.  6,  42,  14  erwähnen  sollen.  Ferner  dürfte  von  Seh. 
§.  858  auch  precari  erwähnt  werden.  Denn  neben  deosprecari  findet  sich 
preeari  detüB  hoc  Lucan.  2, 699,  precari  aiiquid  ah  aiiquo  Nep.  Timol.  5,  3, 
fgL  Cic  LaeL  17,  56  und  den  blofäen  Sachaccusativ  Tac.  A.  2,  26.  —  Seh. 
§.  257.  Auch  eonsulere  aiiquem  mit  neutr.  Pron.  war  zu  erwähnen  s.  Tischer 
zn  Cic.  Mur.  13,  28.  Sowol  Seh.  als  M.  g.  382,  A.  3,  sollten  den  Gebrauch 
der  neutralen  Accus,  weiter  ausdehnen,  vgl.  E.  §.  157  b.  Nur  ist  noch  eine 
Scheidung  zu  machen.  Manche  dieser  Neutra  sind  die  einfachsten  Formen 
dee  Inhaltsobjectes,  man  vgl.  mit  muUa  deos  aurasque  pater  testatus  inanis 
Wendnngoi  mit  plurimum  Sali.  J.  99,  1.  Liv.  24,  20,  13;  aliquid  Liv.  21, 
12,  4;  Fabri  zu  23,  13,  4  und  zu  21,  52,  4;  mit  inmensum  Tac.  A.  4,  27. 
12,  28.  3, 30.  3, 20;  dagegen  sind  die  meist  angeführten  id  laetor,  id  moneo, 
id  eogo,  quid  ueniat.f  iUud  quidem  addi$ci  nan  possum  Cic.  fin.  1,  5,  14, 
wozu  Madvig,  id  indignor  Liv.  24,  8,  17  dazu  Fabri,  endlich  Fälle,  wie 
qmd  missus  huc  sum  u.  ä.,  wenn  auch  auf  das  innere  Object  zurückzu- 
führen, doch  schon  eine  Weiterbildung  dieses  Sprachgebrauches.  Darauf 
führt  auch  Haase  bei  Reisig  Anm.  559.  —  Ell.  §.  193.  Beim  Acc.  der  Aus- 
dehnung wäre  die  Art,  wie  Caesar  das  Entfemungsmafis  angibt,  wenn  der 
Ansgangspnnct  nicht  gegeben  ist,  s.  Kraner  zu  b.  g.  2,  7,  3,  zu  erwähnen. 
M.  §.  384.  A.  4  hätte  neben  crassus  auch  magfitisvLnäprofundus  erwähnen 
sollen.  £b.  A.  5  u.  Sü.  §.  68  Zusatz  ist  zuviel  behauptet.  Denn  bei  all- 
gemeiner Mafsangabe  sagt  Csesar  auch  magnum  spaHum  abesse  b.  g.  2, 
17,  2.  — -  M.  386  bespricht  die  Constmction  der  Städtenamen  in  Verbin- 
duBg  mit  A4ject.  u.  Pronom.  Da  die  zusammengesetzten  Alba  Longa,  Äscfih 


160  lAteüuBcbe  Grammatiken,  ang.  t.  L,  Vidkaber. 

lum  Apulum  n.  ä.  ausgeschieden  sind ,  bleibt  flur  die  Proea  wenig  übrig; 
dagegen  übrigens,  dass  das  wohin  nur  durch  den  blol^n  Aco.  ansgedrOckt 
werde,  s.  Kühner  §.  116,  A.  2.  -  Eb.  §.  388.  Seh.  §.  259.  A.  5.  Nicht  bloA» 
dami  cHienae,  sondern  auch  dorn/um  regiam  SaU.  J.  76,  6,  also  wol  ühet- 
haupt  bei  Adj.  possess.  —  Seh.  A.  6.  httmo  'vom  Boden*  steht  aolber  bei  Dich- 
tem auch  Sali.  J.  79,  6.  A.  8.  Die  besprochene  Pragnanx  (Num  qmd  üo- 
ffiant  vis  u.  ä.)  ist  vor  allen  in  den  von  Weiüsenbom  und  Fabri  sn  liv.  22, 
11,  3  besprochenen  Verbindungen  mit  edkere  und  indicere  wichtig.  ^  St. 
§.  144,  A.  2  will  die  Ländernamen  im  Acc.  auf  die  Fälle  beschränken,  wo 
man  zur  See  in  das  betreffende  Land  gelangt  Indessen  s.  Cic  Mar.  16^  84. 
Nep.  Dat  4,  1.  Etwas  vorsichtiger  gibt  WeilÜB^born  Gramm.  §.  28L  A.5 
und  zu  Liv.  10,  37,  1  dieselbe  Bemerkung,  dass  vorzugsweise  Küstenländer 
so  construiert  wurden:  indessen  wie  viele  der  von  den  Römern  häofigw  er- 
wähnten Länder  waren  denn  nicht  Küstenländer?  —  Seh.  §.  259,  A.  6  verdient 
orbi  terrarutn ,  s.  Halm  zu  Cic.  Verr.  4 ,  38 ,  82  Erwähnung.  Nicht  ni- 
wichtig  femer  ist  die  Bemerkung  Teipel's  Anl.  I,  S.  19,  dass  von  Sinope 
der  Locativ  Sinopae  lautet,  Cic  d.  leg.  agr.  2,  20,  53.  —  Sü.  146.  YlrMn- 
dungen  wie  Syracusis  in  foro  sind  nicht  Ausnahme  sondem  Regel,  s.  Halm 
Cic  Verr.  4,  29,  67;  Wei&enb.  Liv.  21,  49.  3.  —  Seh.  §.  260,  A.  a  Wenn 
quo  mihi  forttmatn  elliptisch  ist,  wie  Seh.  selbst  mit  Recht  angibt,  so  kann 
es  nicht  zum  Acc.  des  Ausrufes  gehören.  —  Seh.  262  hat  unter  dem  sog. 
griech.  Acc  manches  nicht  dahin  gehörige.  So  ist  das  VirgiL  ne  tamkk 
animia  adsuescUe  heUa  s.  auch  Liv.  21,  33,  4  Fabri  gar  nicht  verschiaden 
von  manchen  anderen  sich  findenden,  die  nach  der  Constmction  von  eir- 
cttmdare  gebildet  sind,  so  circumferre  Yirg.  A.6,  229.  adotere  ib.  1,  704. 
7,  71  s.  Wagner  zu  4,  500.  Ebenso  ist  magimm  agri  niodum  censeri  mie 
einfache  Fortbildung  des  Inhaltsobjectes  vgl  Hör.  £p.  2, 3,  383  praeserHm 
cenaus  equestrem  summam.  Uebrigens  hätte  vicem,  reUqua,  cetera  u.  ä.  s. 
Sü.  §.  73.  Erwähnung  verdient,  ebenso  wrüe  accus  s.  Suet  Oci  44.  Nipp« 
Ta.  A.  4, 62.  —  Sü.  §.  72.  Für  den  Medialgebrauch  mancher  Passiva  mit  Obj. 
ist  vor  allen  bezeichnend  Yirg.  G.  3, 499.  —  So  lange  Seh.  §.  215, 1  die  A^j. 
auf  hundus  eben  als  Adj.  behandelt,  sollte  beim  Acc.  den  mit  Acc  verbun- 
denen uitabundus  Liv.  25,  13,  4;  conHonabundm  Liv.  347,  3  o.  pcpukh 
bwndus  Gell.  11,  15,  7  ein  Platz  eingeräumt  werden. 

Der  Dativ  ist  sowol  was  Anordnung  als  Sorgfalt  der  Ausföhrung 
betrifft,  am  besten  beiSü.  behandelt,  nur  liegt  es  noch  dem  Wesen  dieses 
Casus  und  der  Häufigkeit  der  Anwendung  näher,  mit  dem  Dativ  beim 
Intransitivum  und  zwar  dem  allgemeinsten  esse  zu  beginnen.  Für  eine 
Definition  des  Dativs  hat  wol  Sü.  selbst  die  Worte  des  §.  75  nicht  geben 
wollen,  die  vorläufige  Uebersicht  über  die  Grebrauchsfälle  stimmt  mit  der 
weiteren  Darstellung  nicht  ganz.  E.  steht  Sü.  näher,  während  M.  den  bei 
Seh.  eingeschlagenen  Gang  im  ganzen  festhält.  Bezeichnend  für  So.  ist, 
dass  der  Dativ  bei  Yerbis  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Deutschen  bei 
Seh.  den  kurzen  §.  263  ausfüllt,  während  Sü.  dazu  über  zwei  Seiten  ver- 
wendet, kaum  zum  Yortheil  der  'praktischen  Anleitung'.  —  Seh.  §.  264^ 
A.  1.  E.  §.  166,  A.  5.  Bei  proprius  kann  kaum  von  einer  Abhängigkeit 
des  Gen.  gesprochen  werden,  denn  dass  proprius  die  Gen.  YerbindujQg  wm 


Lateuusehe  Gnunmatiken,  ang.  y.  L.  Tielhaber.  161 

ferdeatlielit  (vgl.  communis  z.  B.  Cic.  Sest.  3,  8,  Mar.  27,  55,  Mil.  8,  21.) 
ingen  recht  deutlich  die  Stellen ,  wo  statt  des  Genitivs  oder  Dativs  des 
FenonalprDiioiiieiis  daa  Possessiv  eintritt;  s.  Sü.  §.  131  G.;  Kraner  Cibs. 
h.  e.  3,  20,  3;  vgl  Haase  bei  Reisig  Anm.  529.  —  Seh.  A.  4.  Der  Da- 
tintB  ethieuB  gehOrt  nicht  zum  Dativ  bei  den  Adjectiven,  sondern  bei 
Yeibia,  ferner  stehen  quid  tifn  vis  ?  o.  ä.  dem  ethischen  Dativ  weit  femer 
als  der  von  Sü.  §.  85  Anm.  nach  Seyffert  Schol.  lat  I,  S.  134  angeführte 
Qebnmch  bei  Ehiwürfen,  da  an  Stellen  wie  Cies.  b.  g.  1,  44,  8.  quid 
tibi  vdki  cwr  tn  mos  possesmnes  venirel  s.  Liv.  24,  47,  4  Fabri  der 
Dativ  recht  eigentlich  ein  Dat.  comm.  ist.  Anderes,  was  mit  ebenso  viel 
Recht  hätte  angeflkhrt  werden  sollen,  ist  von  Seh.,  weil  in  seinem  Schema 
kein  rechter  Platz  war,  übergangen,  so  der  freilich  anch  für  Cic.  in  seiner 
Ausdehnung  nicht  recht  bestimmte  Fortschritt  vom  gewöhnlichsten  Dativus 
commodi  einerseits  zu  den  fast  pleonastischen  Formen  sanare  sibi  ipsos 
Cic  Gal  2,  8,  17  Halm,  und  suus  sibi  Seyffert  zu  Cic.  Lael.  13,  45,  S.  303. 
Haaae  bei  Reisig  Anm.  387 ;  anderseits  zu  dem  Dat.  zur  Angabe  eines  Ur- 
teilenden Sü.  §.  83,  a,  liberum  fingenti  s.  Weif^enbom  zu  Liv.  26,  38,  10 
a.  ft.;  bei  geographischen  Angaben  bei  Partie.  WeiXisenbom  zu  Liv.  1,  8,  5, 
Fabri  zu  21,  38,  5  u.  &.  —  £.  §.  166,  Anm.  4.  Der  Accus,  beim  Adjectiv 
propioT  proodmus  auch  in  eigentlicher  Localbedeutung  ist  mit  dem  beim 
Adverb  in  Bezug  auf  Häufigkeit  nicht  auf  gleiche  Linie  zu  stellen.  S.  Fabri 
8alL  C.  11,  1.  Nipp.  Tac.  A.  15,  15.  Bei  Gas.  ist  der  Accus,  wol  auXiser 
der  angeführten  Stelle  nur  noch  3,  7,  2.  Aehnlich  steht  es  bei  Sallust.  s. 
Badatülmer  a.  a.  0.  S.  20  f.  —  Nach  M.  §.  392  kann  §.  393  nur  als  An- 
■Mrkung  gegeben  werden.  394.  Zu  sagen  igfni  simüis  und  ignis  s.  sei  gleich 
gut,  ist  keinesfiidls  richtig,  man  kann  nur  sagen  igni  s.  sei  immer  zulässig, 
nicht  aber  so  ignis  «.,  s.  überhaupt  Haase  bei  Reisig  Anm.  550.  -  üeber 
vmdere  aiicui  rem  bilden  die  vorliegenden  Bücher  eine  interessante  Reihe. 
M.  §.  397  lässt  es  im  Activ  unumschränkt  zu,  Sü.  77,  2  fast  ebenso,  Soh. 
%  265,  A.  1  findet  es  seltener,  so  auch  Schreier ,  welcher  das  längst  ge- 
inderte  Cic  IHisc  3,  2,  8  anführt.  E.  §.  165  A.  verwirft  es  ganz.  Und 
diesdbe  Unsicherheit  zeigen  alle  Grammatiken.  Seit  der  Accus.  mehrÜEU^ 
dem  AbL  in  den  Texten  gewichen  ist,  scheint  aulVer  der  bekannten  Stelle 
()nintiL  9,  3,  1,  wie  es  sich  auch  immer  mit  dessen  Behauptung  verhalten 
mag,  es  bis  nur  jetzt  aus  Dichterstellen  nachgeifviesen  zu  sein.  Jedenfalls  hätte 
Seh.  daneben  mit  Süpfle  auch  invidere  alicui  in  re  s.  Cic.  Mur.  40,  88.  de 
or.  2,  56,  228.  pro  Flacc.  29 ,  70  neben  invidere  alicui  re  s.  Weifbenbom 
zu  Liv.  %  40,  11.  Nipperd.  Tac.  A.  1,  22  aufnehmen  sollen.  ~  Seh.  265,  4, 
M.  403.  Die  Bedeutung  von  moderari  aiiquid  ist  viel  zu  beschränkt,  vgl. 
die  von  Dietsch  zu  Sali  J.  73,  4  angefahrten  Stellen.  Das  richtige  s.  bei 
E.  §.  169.  —  E.  §.  170.  Insistere  war  mit  seinen  verscliiedenen  Rectionen 
anxoführen.  So  steht  bei  Csbs.  neben  dem  Dativ  auch  in  mit  Abi.  b.  g.  4, 
33,  3  in  localer,  der  Accus,  b.  g.  3,  14,  3,  in  mit  Acc.  b.  g.  6,  5,  1  in 
übertragener  Bedeutung.  —  Seh.  §.  267  konnte  zu  donare  etc.  auch  noch 
iMmerare(i)  stellen;  vgl.  Cic.  Dei.  6,  17  mit  Inv.  2,  1,3.  — M.  406.  Ueber 
den  Unterschied  zwischen  esse  mit  Dativ  und  habere  s.  Sü.  $.  79;  neben 
inesH  in,  esse  in  (das  statt  des  mangelnden  Perf.  von  inesse  eintritt)  war 


16t  Latemische  Grammatikeii,  ang.  v.  L.  VieOiaber, 

anch  der  Qnalitätsablativ  zu  nennen.  —  Seh.  §.268,  A.2.  Am  emfidigtai 
ist  der  Unterschied  zwischen  patri  domus  est  und  domm  est  patris,  wenn 
wir  nicht  irren  von  Jacob's  in  seiner  Abhandlung  über  die  Casus  so  ge- 
fasst,  dass  im  ersten  domus,  im  zweiten  patris  betont  ist  Neben  der  Ar 
Cic.  geltenden  Bemerkung  Ober  die  Casus  bei  namen  est  (bei  Cnsar  findet 
sich  die  Wendung  nicht)  konnten  Seh.  §.  268,  A.  3,  Sü.  §.  79  das  für  Tac 
geltende  Gesetz  s.  Nipperdey  zu  A.  2,  16  anführen.  —  SIL  §.  80.  Eine 
'Wirkung*  drückt  der  Dat.  der  Bestimmung  nicht  aus,  und  die  Einsicht  in 
die  Bedeutung  des  Casus  wird  dadurch,  dass  man  Bedeutungen,  die  in  den 
einzelnen  Worten  als  solchen  liegen,  auf  die  granunatische  Form  übertiigt^ 
nur  verhindert;  s.  Haase  bei  Reisig  A.  546.  —  Seh.  §.  270.  Die  Natur  des 
Dat.  graec.  zeigen  recht  deutlich  Cic.  Mil.24,  64.  Tac.  A.  4,  48;  beachtens* 
werth  femer  ist  er  bei  einem  im  Sinne  eines  Passivs  gebrauchten  Aettv 
Tac  A.  1,  59. 

Seh.  §.  271.  Sü.  §.  115.  E.  §.  143.  M.  §.  408.  Für  Grammataken, 
welche  nur  dem  Bedürfnis  der  Schüler  dienen  wollen,  hat  die  Aofetellmig 
einer  Grundbedeutung  des  Genitivs  keinen  Werth,  da  sie  jedenfidls  so  weit 
sein  muss,  dass  für  den  Lernenden  die  Möglichkeit,  selbst  eine  jedesmal 
charakteristische  Einreihung  zu  treffen  oder  sie  auch  nur  zu  fiissen,  vsr* 
loren  geht.  Definiert  man  ihn,  wie  es  mehr  oder  minder  klar  alle  vier 
Bücher  thun,  als  den  Casus  der  substantiellen  Subordination,  so  ist  dandt 
zunächst  nur  eine,  vollkommen  richtige  und  allein  zulässige,  formelle  Er- 
klärung gegeben,  welche,  wenn  man  streng  darnach  eine  Gliederung  dse 
Genitivgebrauches  aufstellt,  die  Schüler  eher  verwirrte  als  forderte.  Kon 
in  Schülergrammatiken,  was  aui^r  Seh.  alle  drei  übrigen  sein  wollen,  mnss 
bei  diesem  Casus  nur  der  praktische  Gresichtspunct  maCsgebend  sein.  Da- 
mit ist  natürlich  nicht  gesagt,  dass  entschiedene  Unrichtigkeiten  vorkom- 
men dürfen.  So  soll  nicht,  wie  es  gewöhnlich  geschieht,  der  Genit.  expbe. 
unter  den  subjectiven  im  engeren  Sinne  eingereiht  werden.  Unrichtig  ist 
femer,  wenn  Seh.  £  und  M.  die  Eintheilung  in  den  Grenit  subject  nnd 
objectiv.  so  ti'effen,  als  wollten  sie  in  diese  zwei  Rubriken  den  ganzen  Um- 
fang des  Genitivgebrauches  unterbringen,  im  weiteren  aber  diesen  gemach» 
ten  Aulauf  ganz  ignorieren.  Hier  ist  nur  zweierlei  möglich:  entwederman 
muss  die  Eintheilung  durchaus  zur  Geltung  bringen,  wie  es  am  entschie- 
densten Fromm  gethan  hat,  oder  sie  gar  nicht  als  eine  angeblich  umfas- 
sende voranstellen.  Wir  wollen  im  Folgenden  ein  Schema  aufteilen,  das 
zwar  nicht  den  strengen  methodischen  Grang  einhält,  aber  doch  mit  Gon- 
cessionen  an  die  Praxis  eine  rationelle  Behandlung  zu  vereinen  sacht 

L  (jenitivus  possessivus.  Die  3  ersten  Gmppen  lassen  sich  auch  in 
einen  'Genitiv  des  Angehörens'  vereinigen,  ähnlich  wie  es  bei  der  VL  ge- 
schehen ist.  1.  Bei  Substantiven  (dazu  natürlich  auch  Apicata  Seiani  n.  ä.); 

2.  bei  Adjectiven  (proprius,  communis,  cHienus,  s.  später);  3.  prädieatiT: 
a)  bei  esse  und  ähnlichen;  b)  bei  interest  und  refert. 

II.  Genitivus  subjectivus. 

II I.  Genitivus  objectivus:  1.  bei  Substantiven;  2.  bei  Adjectivis  relai; 

3.  prädicatiw  bei  sum;  4.  bei  den  Verbis  impersondlibus,  der  Gtemüthsstim- 
mung;  5»  bei  den  Verbis  crimwuis;  6.  bei  den  Verbis  memoriae. 


Lateiiusche  Grammatiken,  ang.  y.  L.  VielMber,  108 

rV.  Oenitiv  des  Ganzen  (des  Umfanges?)  1.  Der  Classe,  a)  bei  Sahst, 
b)  bei  esse;  2.  der  partitivns,  a)  bei  Subst.,  b)  bei  Adject.,  c)  prädicativ 
bei  esse;  3.  Genii.  partitivus:  a)  bei  Substant.  u.  neutr.  Adject ,  b)  bei 
A^iect  (sammt  Numerale  a.  Pronomen),  c)  pradicativ. 

V.  Grenitiv  der  Art:  1.  eigentlicher  Gen.  generis  (auch  bei  Adject 
0.  pradicativ  dotis  dare  u.  ä.);  2.  genit.  quantit:  a)  bei  Substant.,  h)  bei 
snbstant  Adject.  neutr. ^),  c)  bei  anderen  Adject,  d)  pradicativ  bei  esse 
and  seinen  Factitivis. 

VI.  Genitiv  des  Inhalts:  1.  eigentlicher  Genitiv  des  Inhalts  bei  Sahst, 
and  substantivierten  neutralen  Adjectiven  sowie  pradicativ;  2.'  Genit.  expli- 
eativus;  3.  Grenit  qualit:  a)  bei  Substant  (auch  ohne  Begens),  b)  bei  Ad- 
jectivis.  Hieher  gehören  auch  der  sogenannte  Genit  des  Zweckes  bei  Subst 
Adject  und  im  pradicativen  Gebrauch;  4.  Genit  pretii:  a)  bei  Subst. ,  b)  bei 
Adject,  c)  bei  den  Verbis  ciestimandi  und  emendi;  5.  Genitiv  des  Stoffes: 
a)  bei  Subst,  b)  bei  Adject  der  Fülle  und  des  Mangels,  c)  bei  Verbis. 

Manches  seltenere,  besonders  was  den  pradicativen  Gebrauch  und 
mehiDach  den  bei  Adjectivis  betrifft,  habe  ich  hier  nur  der  Vollständigkeit 
wegen  angenommen.  Bei  einer  praktischen  Durchführung  hängt  natürlich 
vieles  von  dem  Umfange,  den  man  dem  Buche  geben  will,  ab. 

Wir  gehen  zur  Darstellung  der  uns  vorliegenden  Bücher  über.  Unter 
den  gen.  subject.,  den  aber  M.  §.  408  a  nicht  schlechthin  dem  possess. 
gleichsetzen  durfte,  haben  Seh  E.  M.  den  Genit  explic,  M.  §.  409  auch 
den  bei  causa  eingereiht  Sü.  hat  §.  120  unter  dem  *  Genitiv  des  Stoffes 
oder  vielmehr  des  Inhaltes'  (sie)  aufgeführt  den  genit.  materiae,  qualitatis, 
expUc.  partit  (quantit)  Im  wesentlichen  richtig,  nur  ist  für  einen  Theil 
dieser  Gruppe  die  von  Madvig  §.  28ö  vorgeschlagene ,  von  Seh.  §.  274  IL 
nur  für  den  quantit.  gebrauchte  Name  Genit  generis  noch  richtiger.  Femer 
sollte  noch  weiter  gegangen  sein.  Es  gehören  nämlich  hieher  die  Fälle,  in 
denen  der  Genit.  die  Classe  bezeichnet,  zu  der  jemand  gehört.  So  Tac. 
H  1,  31.  Tribunorum  Subnum  et  Cerium  vgl  A.  6,  12.  Suet  Claud.  24, 
CstB.  52.  Er  ist  dem  partit  sehr  nahe  s.  Cic.  Brut.  26,  99  u.  Fabri  Ldv. 
22,  40,  6;  pradicativ  erscheint  er  Gc.  Tusc  1,  18,  42.  Nep.  Att.  6,  1.  An 
ihn  schlieM  sich  der  gen.  partit ,  dann  der  eigentliche  Genit  generis.  Da' 
hin  gehören  cimctas  senatorii  ordinis  SalL  J.  62, 4.  93,  4.  Tac.  A.  2,  74.  s. 
Fabri  Liv.  22,  11,  4  vgl  Caes.  b.  g.  5,  35,  7.  b.  c.  2,  34,  2.  1,  3,  1  u.  s. 
Haase  a.  a.  0.  Anm.  530;  nihü  hominis  s.  Kühner  zu  Cic.  Tusc.  3,  32,  77. 
quid  hominis  Cic.  Verr.  2,  2, 134;  monstrum  liominis  u.  ä.  Grüter  Programm 
von  Münster  1855,  S.  4,  Anm.  3,  wol  auch  das  bekannte  tUigines  pallidum 
Tac.  A.  1,  17  u.  ä.  muUa  duritiae  ueterum  Tac.  A.  3,  34,  vgl  3,  55.  cHia 
hanorum  Tac.  A.  1,  9.  3,  52.  5,  8.  tcUenta  uiginti  dotis  dare  (auch  prädic. 
ohne  Begens).  An  ihn  schliefst  sich  der  quantit.  Endlich  dci  Genitiv  des 
Inhaltes  Pecoris  et  mancipiorum  praedas  Sali.  J.  44,  5.  praemia  pecuni(te 
des.  b.  c.  3,  85,  5  vgl.  3,  59,  2.  1,  86,  1.  Nep.  Phoc.  1,  3.  Tac.  A.  2,  86. 
praesidifim  fortissimorum  uirorum  Cic.  Mur.  26,  52  s.  Kraner  zu  Csbs.  b.  c. 
1,  42,  3  u.  g.  5,  47,  5.  Weifsenbom  zu  Liv.  25,  1,  4.  airo  nubium  gloho 


')  Sonst  sind  die  substant.  Adject,  unter  den  Substant  mitb^griffen. 


164  LateiiUBche  Grammatiken,  ang.  v.  L,  Vidhaber, 

Tac.  A.  2,  3.  lequm  aera  Cic  Catil.  3,  8,  19  vgl.  Tac  tt  4, 40.  PiÄdicati? 
erscheint  er  Cic.  fin.  4,  14,  39.  An  ihm  schlieiÜBen  sich  der  explicat  qnalii, 
mit  welchem  der  genit.  pretii  nahe  verwandt  ist,  und  der  des  Stoffes  an. 
vgl.  Haase  a.  a.  0.  Anm.  533.  —  Seh.  §.  272,  Anm.  2  handelt  von  der  Ver^ 
bindnng  zweier  Genitive  mit  einem  Regens.  Wenn  man  das  überhaupt  in 
die  Grammatik  *)  zu  setzen  hat,  während  es  doch  eigentlich  in*s  Gebiet  der 
Stilistik  gehört,  so  moss  es  vollständiger  geschehen,  namentlich  sind  diejeni- 
gen Fälle,  wo  ein  Genitiv  vom  anderen  abhängt,  nicht  zn  übergehen.  Feiner 
ist  dabei  auf  die  Stellang  Rücksicht  zu  nehmen.  Für  Caesar  hat  Fischer: 
Die  Rectionslehre  bei  CsBsar  IL  §.51,  Programm  von  Halle  1854,  S.  29 
alles  Materiale  zusammengestellt,  der  nur  darin  mangelhaft  ist,  dass  er 
auf  die  Fälle  keine  Rücksicht  nimmt,  in  denen  der  eine  Gen.  mit  dem 
Regens  eine  Begrüfeeinheit  bildet,  von  der  der  andere  abhängt  s.  b.  g.  6, 
47,  5.  3,  17,  1.  b.  c  2,  11,  2  und  die  nicht  seltenen  Verbindungen  wie 
HantdtMn  müia  hotninum  XXIY.  b.  g.  1,  31,  10  s.  das.  Eraner.  AuHserdem 
vgl.  Sali.  C.  2,  5.  Liv.  praef.  3.  Nep.  Ep.  5,  5.  Cic.  Off.  1,  4,  14  (s.  EeL 
Cic.  S.  358.  3.  Aufl.)  Reisig,  Vorles.  S.  609  ff.  —  E.  §.  143,  b.  A.  2.  Es 
war  aufzunehmen,  dass  besonders  in  Verbindungen  mit  Personsubstantiven 
z.  B.  accusator  und  mit  iniuria  u.  ä.  das  Pron.  poss.  an  Stelle  des  gen.  obj. 
eintritt  s.  Haase  Anm.  540.  Für  die  Anordnung  innerhalb  der  Lehre  vom 
Genit.  ist  nicht  unwichtig  das  von  Madv.  citierte  Beispiel  des  prädic  gen. 
obiect  Cic.  de  or.  2,  7,  30.  Femer  würden  unsere  Schulgrammatiken  wohl 
thun,  wenn  sie,  dem  Winke  TeipeFs  Anleitung  zum  Lateinschreiben  L 
S.  227  der  zweiten  Auflage  folgend,  nicht  blofs  vom  Pron.  poss.  als  Ver- 
treter des  gen.  subj.  redeten,  und  in  gewissen  Fällen  auch  des  obj.  spHI- 
eben,  sondern  auch  die  Adject.  heranzögen.  Besonders  Sü. ,  der  doch  §.  134, 
Zus.  3  eine  gute  ähnliche  Bemerkung  hat,  hätte  sich  diese  Gelegenheit, 
eine  nicht  unwichtige  stilistische  Bemerkung  passend  anzufügen,  nicht  ent- 
gehen lassen  sollen,  s.  Nägelsbach  Stil.  S.  62  der  zweiten  Auflage.  Als 
typisch  können  gelten  hostiUa  cadaaera  SalL  C.  61,  3  neben  metus  hostOii 
Sali.  J.  41,  2.  —  Seh.  §.  272,  A.  4.  Sü.  §.  122.  Seh.  macht  mit  Unrecht 
den  Unterschied  zwischen  attrib.  Substant.  und  Gen.  explic  allein  von  der 
deutschen  Uebersetzung  abhängig.  Denn  es  stehen  in  Suet.  Vesp.  5  bas 
arcUor  und  Ärbor  cupressua  grammatisch  sich  ganz  gleich,  femer  mnss 
im  weiteren  Seh.  selbst  zu  deutschen  Compositis  Tannenbaum*  greifen,  Utest 
man  aber  diese  zu,  so  ist  seine  Theilung  falsch.  Nach  ihm  müsste  auch 
statt  phüosophi  senes  (Cic.  Cat.  m.  7,  22)  uictor  exercUus^  fmüier  ancSOa 
u.  ä.  eine  Genitivverbindung  gesetzt  werden  können.  Richtiger  ist  bei  Sü. 
das  Verhältnis  von  genus  und  species  verwendet,  womit  er  jedoch  das  Ver- 
hältnis des  Inhaltes  nicht  gleichsetzen  durfte),  ohne  jedoch  von  verwand- 
ten Gebrauchsweisen  s.  ob.  genau  zu  scheiden.  Ferner  behauptet  Scb.  zu 
viel,  dass  ein  Fluflsname  nie  so  vorkomme,  s.  Liv.  8,  13,  5  Astti^ae  flumen 
vgl.  43,  4-   Endlich  ist  das  Gebiet  viel  weiter  als  gewöhnlich  angenommen 


*)  Sü.  macht  natürlich  jedenfalls  eine  Ausnahme.  Solche  Berühmngs- 

Suncte  zwischen  Grammatik  und  Stilistik  hätte  sich  der  Verfasser 
uiduivs  nicht  entgehen  lassen  sollen. 


Lateinische  Grammatiken,  ang.  v.  JL.  Vielhaber.  166 

wird,  da  anch  tanta  onera  nauium  Cass.  b.  g.  3,  16,  3  vgl  4,  22,  2  miU- 
tum  robora  Liy.21,  54,  3  das.  WeiX^nborn;  24,  46,  2.  22,  6,  2.  23, 16,  8 
0.  i. ,  communis  ßii  pignore  Saat  Tib.  7  dazu  gehören.  Femer  konnte  Seh. 
entweder  hier  oder  im  §.  462  eligendi  optio  Cic.  de  fin.  1,  10,  33  das.  Madv. 
anfthien,  woraus  vielleicht  Cas.  b.  c.  2,  16,  3  spatio  propinguitoHs  zu  er- 
kUuren  ist  —  Seh.  §.  272,  A.  6.  M.  410,  A.  3  erwähnen  die  Ellipsen  des 
Benehiuigswortes  des  Gen.  possess.   Es  ist  fast  auffallig,  dass  Seh.  auf  die 
topographischen  Bezeichnungen  Äctium  Carcyrae,  Leucopetra  Tarentinarum 
s.  Sü.  §.  118,  Zus.  2  nicht  geachtet  hat   Zu  Sü.  vgl.  noch  Aßparagium 
Dyrrhachinomm  C«s.  b.  c.  3,  30,  7.  —  Seh.  §.  273.  Sü.  §.  121.  E.  §.  193. 
M.  §.  411.  Die  beiden  letzten  geben  nicht  ausdrücklich  an,  dass  die  Gen. 
quaUt  in  der  besten  Zeit  selten  unmittelbar  mit  einem  nouL  propr.  ver- 
bunden wird.  Für  die  unmittelbare  Verbindung  übrigens  sollte  Seh.,  der 
den  gen.  generis  vom  quäl,  nicht  scheidet,  auch  Cses.  b.  g.  5,  35,  7  an- 
führen.  Bei  Auüstellung  des  Unterschiedes  zwischen   gen.   und  abl.  <}'uaL 
icheint  zu  wenig  auf  die  Verschiedenheit  des  attribut.   und  prädicat.  Ge- 
Inancbes  geachtet  zu  sein.  Während  man  am  meisten  findet  forti  animo 
esse,  ist  hämo  magni  animi  u.  ä.   das  fast   regelmässige.   Das  dient  voll- 
kcnnmen  zur  Bestätigung  des  am  klarsten  von  Krüger  §.  398,  A.  1  aufge- 
ftellten  Unterschiedes.  M.  hat  §.  449  Krüger  eben  nicht  sehr  klar  ausge- 
schrieben. —  Seh.  §.  274.  Sü.  §.  126—130.  E.  §.  145.  M.  §.  411-417.  Die 
übrigen  Grammatiken  auJDser  £.  unterscheiden  zwischen  Genit  partit.  und 
quantit  Sü.  wenigstens  der  Sache  nach.   Aber  nicht  genug  diese  wichtige 
Scheidung  nicht  durchgeführt  zu  haben ,  ist  die  Aufzahlung ,  die  E.  von 
den  Wortarten,  die  einen  gen.  part  oder  quant  bei  sich  haben,  gibt,  sehr 
maagelhaft   Es  fehlen  für  den  gen.   part   die  Substant  wie  pars  und 
manche  andere  mit  Aclject  verbundene,  wuments,  modus,  und  die  Super- 
latiTe  der  Adverbien,  z.  B.  maxime,  ceierrifne.  Das  sonderbarste  jedoch  ist, 
dass  für  den  quant  die  Substant  copia,  multüudo,  aceruus,  medimnus  u.  ä. 
gani  übersehen  sind.  —  Seh.  274, 1.  A.  1,  uterque  mit  einem  gen.  substant 
irt  auch  Suet  Tib.  4.  Femer  scheint  uteruis  ebenso  construiert  zu  werden, 
wenigstens  steht  ecrum  utrwmM  Cic.  de  fin.  1,  17    56  und  mit  uestrum 
Ck.  Cat  m.  10,  33.  Andere  Stellen,  an  denen  utertUs  ein  Substantiv  oder 
Pronomen  bei  sich  hat,  sind  mir  nicht  bekannt  —  Eb.  Anm.  4.  CaBsar  hat 
nicht  hloh  bei  Eintheilungen  in  verschiedene  Classen,  s.  ob.  den  Gen.  bei 
mms,  sondern  auch  ohne  solchen  Grund  beim  echten  gen.  partit.  s.  b.  g. 
7,  35,  3.  Für  Liv.  s.  Weifsenbom  und  Fabri  zu  24,  28, 1.  E.  §.  145,  A.  1, 
durfte  mindestens  den  Gen.  der  Classe  bei  unus  nicht  übergehen,  s.  Sü. 
{.  126,  Bem.  4,  Hildebrand,  Progr.  v.  Dortmund,  1854,  S.  a   Femer  soll- 
ten auch  £.  Sü.  M.  mit  Seh.  a.  a.  0.  A.  1,  aufmerksam  machen,  dass  zu 
nos  omnes  der  Gen.  heiM  omnium  nostrum,  Sü.  §.  126  führt  auch  einen 
Gen.  part  bei  gewissen  Adj.   im  Neutr.  sing,  oder  plur.  an.    Sein  erstes 
Beispiel  jedoch  reUqua  superioris  lu^ri  passt  nicht   Zu  den  von  Giysar 
Theorie  des  lat  Stils  S.  119  der  zweiten  Auflage  angeführten  Beispielen  s. 
tdiquum  diei  Fabri  zu  Liv.  24,  14,  10  und  zu  22,  15,  1  und  21,  33,  7; 
l^immque  noctis  Fabri  Sali.  J.  21,  2,  vgl.  auch  eb.  78,  4,  102,  9  medium 
oNcdMim  u.  S.  Fabri  Liv.  22,  32,  1  Badstübner  de  SalL  dicendi  genere 


166  Lateinisclie  Grammatiken,  ang.  v.  X.  Vielhoiber, 

S.  24  u.  Haase  bei  Reisig,  Anm.  530.  Nägelsbach  Stil.  S.  78.  Heimchen 
S.  87.  ea^remum  diei  und  die  Fälle,  in  denen  ein  Partitivgen.  von  einem 
Relativ  abhängt.  WeiTsenb.  Liv.  2,  15,  6  Fabri  zu  24,  40,  5,  wenn  auch 
die  meisten  der  zur  letzten  Classe  gehörigen  Beispiele  vielmehr  einen  gen. 
quantit  enthalten.  Vgl.  Fischer  die  Rectionslehre  bei  Cffisar  ü,  8.  30  ft 
Selbstverständlich  gehören  die  neutralen  Superl.  und  auch  manche  Podtive 
der  späteren  ebenfalls  hieher.  Seh.  hätte  femer  den  dichterischen  Gen. 
rerum  bei  Superlativen,  besonders  die  Personen  bezeichnen,  erwähnen  sollen, 
s.  Heindorf  Hör,  Sat.  1,  5,  88  und  1,  9,  4.  Roth  Exe.  XVm  zu  Tac.  Agr. 
S,  192.  Prädicatsstelle  vertritt  der  gen.  partit.  Hör.  Od.  8,  18,  13  dam 
Obbarius  s.  Fromm.  Gramm.  §.  143.  Bei  dem  eigentlichen  gen.  quantit., 
dem  Stl.  nicht  die  Wendungen  eo  loci  u.  ä.  hätte  wegnehmen  sollen,  hätte 
Seh.  die  von  Haase  bei  Reisig  530  erwähnten  Verbindungen  qwidquid 
deorum  est  vgl.  Fabri  Liv.  23,  9,  3  und  «uet.  Oct.  49.  Tib.  11.  Oth.  10. 
Vit.  10.  u.  ä.  nicht  übergehen  sollen,  nur  hat  man  bei  den  von  Esase  Im 
weiteren  der  Anmerkung  angeführten  Wendungen  wol  zu  sehen,  ob  man 
eigentliche  Gen.  quant  oder  genit.  des  Genus  oder  des  Inhaltes  vor  sich 
hat.  Sü.  140.  Zus.  2  läugnet  unrichtig,  dass  auf^er  ad  id  loci  und  ad  mut- 
tum  diei  substantiviert«  Neutra  mit  Genit.  von  Praepos.  abhängen,  s.  Haase 
a.  a.  0.  —  Seh.  274  H,  A.  4  führt  eine  Reihe  von  Adjectiven  neutr.  sing, 
und  plur.  auf,  die  substantiviert  den  Gen.  bei  sich  haben,  und  scheint  da- 
bei anzunehmen,  dass  sämmtliche  derlei  Fälle  sich  unter  den  Gen.  quant 
und  partit.  einreihen  lassen.  Doch  ist  das  unrichtig.  Denn  das  zum  Snbai 
gewordene  Adjectiv  kann,  wie  es  an  sich  schon  wahrscheinlich  ist,  in  all* 
den  Verbindungen  mit  einem  Gen.  erscheinen,  in  denen  ein  echtes  Snbst 
erscheint,  s.  auch  Haase  a.  a.  0.  Anm.  524.  Wir  wollen  an  einigen  Bei- 
spielen, die  wir  theils  eigenen  Sammlungen,  theils  dem  Lex.  Tacit.  S.  35  £ 
und  Roth  Exe.  XVIII  zu  Tac.  Agr.  entnehmen,  den  Beweis  hiefllr  zu  lie- 
fern suchen  %  Ganz  klar  sind  die  gen.  poss.  Cic.  Mil.  quid  simile  Müonia. 
Liv.  30,  5,  1  omnia  hosHutn  vgl.  Tac.  A.  2,  38.  Tac.  A.  1,  62  ctmcta  prin- 
cipum  vgl  1,  72.  Sali.  J.  113,  3  occulta  pectoris,  Tac.  A.  1,  77  dicta  eiu8 
vgl.  2,  53.  2,  39.  2,  59.  Tac.  A.  2,  65.  sacra  regni  das.  Nipp.  Tac.  A.  2,  36 
arcana  itnperU  vgl.  1,  6.  2,  59.  H.  1,  85.  Virg.  A.  7,  404.  deserta  ferarum. 
Tac.  A.  2,  68  auia  saUuum  vgl.  2,  15.  2,  23.  Tac.  A.  1,  78.  media  mann 
tiam  et  pcHudum  Tac.  A.  1,  64  vgl.  Virg.  A.  1,  310.  Eb.  2,  26.  advena 
muri  vgl.  6,  36.  2,  69.  Tac.  A.  1,  8.  de  extremis  Äugusti,  proximae  sedir 
tionis  male  constüta;  und  auch  Liv.  26,  2,  2  soUemne  auspicatorwn  comt- 
Horum,  Liv.  4,  72,  7  bono  causae.  Femer  incerta  beUi  Tac.  A.  4,  23  vgL 
11,  20.  H.  1,  26.  2,  77.  inania  belli  Tac.  K  2,  69.  A.  2,  76.  4.  58.  idonea 
prouindarum  Tac.  A.  4,  5.  deridiculo  corporis  Tac.  A.  12,  49  u.  ä.  Ein 
Gen.  quäl,  ist  in  älia  huiusce  modi  Taa  A.  2,  30  u.  a.  Die  zahlreichsten 
und  auffalligsten  Gebrauchsweisen  dieser  Art  gehören  unter  den  Genitiv 
des  Gknus  und  des  Inhaltes.  Ein  Genitiv  des  Genus  ist  Tac.  A.  3,  36 
cuncta  curartm  vgl.  14,  60.  H.  5,  10.  Sali.  J.  93,  4.  Sali.  J.  48,  4 


*)  Seh.  §.  306,  3  ist  Cses.  b.  g.  6,  26,  2  unrichtig  verstanden,  ab  eiui 
summa  bezieht  sich  natürSch  auf  das  Hom. 


Lateinische  Grammatiken,  anfjf.  v.  L,  Vielhaber,  167 

wido  atque  arenoso  Tac.  A.  *1 ,  61.  humido  paludum  vgl.  1 ,  65.  6 ,  49. 
H.  1,  79.  2,  88.  Liv.  5,  34,  4  in  aequo  campi.  Ov.  M.  14,  814  in  caertda 
codi  das.  Bach.  Tac.  A.  1,  50.  ohstaniia  süuarum  vgl.  1,  55.  Tac.  A.  1,  17, 
Mieutta  moniium,  Tac.  A.  1,  61  occulta  scdtuum.  Tac.  A.  2,  65  subjecta 
«aOtMin.  Wahrscheinlich  auch  in  solchen  Stellen  wie  Oy.  M.  8,  693  ardua 
munUia.  Tac  A.  3,  5  asperrimo  hiemis,  Tac.  2,  16.  prominentia  montium 
fgL  1,  53.  Endlich  gehören  eigentlich  hieher  zahlreiche  Genit.  von  Snhst. 
nach  neutralen  Pronom.  Ueherhlickt  man  die,  soviel  ich  sehe,  vollständige 
Sammlung  aus  Cäsar  bei  Fischer  Bectionslehre  £1,  S.  30  ff. ,  so  sieht  man 
bald,  das8  quod  ntmium,  quantum  praesidii  u.  ä.  dem  eigentlich  quanti- 
tativen, quidquid  circuäuSf  qtHdnam  propositi  u.  v.  a.  dem  Genitiv  des 
Genua  angehören,  vgl  auch  Haase  bei  Reisig  Anm.  530.  Ein  Gen.  des  In- 
haltes ist  in  soiefrme  ludarum  Liv.  33,  49,  6.  vgl.  7,  3,  8.  Tac.  A.  15,  74 
oeeuUa  comuratumia  vgl.  H.  3,  65.  Tac.  A.  4,  41  iacita  suspiUonum,  Tac 
A.  4,  50  ambigua  sonitm,  Hör.  C.  4, 12,  20  aimara  curarum.  Zu  den  eigent- 
lich quantitativen  Genitiven  gehören  Liv.  5,  37,  5  imniemum  loci  vgl.  21, 
33,  7.  exiguum  spatii  Liv.  22,  24,  8  das.  Fabrl  Für  den  prädicativen  Ge- 
brauch des  quantitativen  Genitivs  s.  Liv.  5,  33, 1  n  quidquam  iMtnanorum 
iteri  esty  welche  Stelle  WeiX^nb.  und  Süpfle  §.  130 ,  Zus.  2  unrichtig  be- 
handeln, und  nihü  reliqui  facere  (Tac  A.  1,  21).  Endlich  scheinen,  wäh- 
rend der  gewöhnliche  6ren.  pretii  auf  den  qualit.  zurückzuführen  ist,  die 
Wendungen  non  facere  flocci,  mhü  pensi  habere  u.  ä.  an  den  quantit. 
sich  anauschlieJben,  s.  M.  §.  416.  Vergleichbarer  ist  der  Gebrauch  des 
Gen.  quani  als  Obj.  Tac.  G.  15,  A.  15,  53  (Nipperdey  unrichtig),  Hör. 
8.  2,  6,  83  s.  Gronov  und  Weishaupt  zur  Stelle  der  Germ.  Sü.  §.  131 
nennt  an&ngs  den  Gen.  bei  Adj.  überhaupt  einen  gen.  object. ;  in  der  Ein- 
theilnng  der  Adject  hat  er  unter  f)  simUis  dissimüis,  g)  proprius  und 
eomitmmis,  contrariys,  h)  pienus  refertus  inops.  Der  Gen.  bei  den  letzten 
ist,  wie  besonders  die  Yerba  indigere,  egere,  impiere,  complere  zeigen,  ein 
G^  materiae,  der  bei  proprius  und  communis,  wozu  auch  sacer  gehört, 
Cic  Verr.  II,  1,  18,  45.  Legg,  2,  18,  48  ein  possessiver.  E.  §.148,  Anm.l, 
führt  inanis  an,  das  die  drei  anderen  unberücksichtigt  lassen.  Die  uns  be- 
kannten Stellen  Ciceros  haben  dadurch  weniger  Gewicht,  dass  an  beiden 
(Cic  de  Gr.  1,  9,  37.  Mur.  12,  26)  inanis  in  ausdrücklichem  Gegensatz  zu 
pienus  steht.  Bei  Cssar,  Sallust,  Nepoi  ist  inanis  nur  absolut  gebraucht. 
M.  §.  420  ist  über  die  Bection  von  refertus  ungenau.  Am  besten  s.  Seh. 
g.  293,  Anm.  3.  Seh.  §.  275,  A.  3  berücksichtigt  die  weite  Ausdehnung, 
wekhe  der  Gebrauch  des  Gen.  bei  Adj.  in  der  poetischen  und  späteren 
Sprache,  besonders  des  Tacitus,  gefunden  hat.  Doch  thut  er  dieses  ohne 
die  nöthige  Ordnung.  Man  vergleiche  z.  B.  2ae/u«  ammi  Tac.  A.  2,  26 
mit  Virg.  A.  1,  440.  Lucus,, .  lattisaimus  umbrae,  mens  interrita  leti  Ov. 
M.  10,  616  mit  territus  tmimi  Liv.  7,  34,  4;  incerta  aUionis  Tac.  A.  2,  75 
und  öfter  so  bei  Liv.,  certus  relinquendae  uitae  Tac.  A.  4,  34,  Nipp,  zu 
12,  66.  eonsün  certus  Tac  H.  2,  46.  incertus  cMimi  Tac.  H.  3,  55.  modicus 
uolupUUum  Tac.  A.  2,  73,  modictis  originis  A.  6,  39,  pecwniae  modicus 
A.  3,  72,  modkus  uiirkm  Yell.  1,  12,  3,  immodicus  amrni  Tac.  H.  1 ,  53 
Q.  a.,  um  KU  sehen,  daia  alle  (j^mtmerhÜtniMe,  die  beim  Subatantivum 


108  Lateinische  Grammatiken,  ang.  v.  L.  Vidhäbtr, 

eintreten  können,  auch  beim  Adj.  möglieh  waren.  Doch  ist  die  Vertheilnng 
der  einzelnen  Fälle  schwierig.  Man  möge  alä  einen  Versuch,  die  wichtigeroR 
Fälle  einzureihen,  folgende  Zusammenstellung  beachten,  bei  der  jeckicli  tad 
irgend  eine  Vollständigkeit  keine  Rücksicht  genommen  ist  Ein  genit 
possess.  ist  bei  proprio,  cornmuniSf  sacer,  äUenua  s.  Fabri  SalL  C  40»  & 
ex8ul  Ou.  M.  6,  189,  Hör.  C.  2,  16,  19.  profugua  regni  Tac.  A,  15,  1.  «m- 
tinuus  principis  Tac.  A.  6,  26'').  par,  aequalia,  amüia,  dMmäis  (n<m  «^ 
simüis),  diuersus  Tac.  A.  1,  48.  Ambiguua  pudoris  oc  mehu  Tac.  A.  2,  4(X 
Dem  Qen.  quäl,  gehören  nebst  vielen  anderen  die  sehr  zahlreichen  VerbiB- 
dungen  mit  animi  an.  Lateremus  animi  ist  nicht  möglich,  wol  aber  wenn 
die  allgemeine  Qualitätsbezeichnung  animi  beschrankt  wird  durch  ein  A<y. 
LaUranus  (homo)  magni  animi.  Diese  Beschrankung  kann  auch  dadorch 
eintreten,  dass  das  Regens,  hier  das  Nomen  proprium  eine  näher  bestim- 
mende Bezeichnung  erhält,  und  so  sagt  Tac  A.  15,  53  Lateranus . . .  animi 
ualidus  et  corpore  ingem,  vgl.  Wagner  Virg.  G.  4,  491;  daas  im  «wei- 
ten Gliede  der  Abi.  steht,  ist  in  dem  Tacit.  Streben  nach  Wechsel  be- 
gründet, es  könnte  ebensogut  der  Genit.  stehen.  Ein  Genit.  des  Stoffes  ist 
bei  den  Adject.  der  Fülle  und  des  Mangels,  wozu  auch  sattahta  s.  Badi  m 
Ov.  Met.  7,  807,  laetissimus  umbrae  bei  Virg.  A.  1, 441,  libercdia,  prafums 
Fabri  Sali.  C.  5,  4  u.  S.  gehören.  Ein  genit  generis  ist  bei  den  AdjectiTen 
der  Theilnahme  und  des  Gegentheiles,  zu  denen  auch  das  Sallust  popukuri» 
s.  Fabri  zu  Cat  22,  1  zu  rechnen  ist.  Ein  ganz  eigentlicher  purtit  ist 
bei  mediti8  s.  Held  zu  Csbs.  b.  g.  1,  34,  1.  Ein  gen.  quantit  dürfte  »a 
suchen  sein  in  modicus  pecuniae  Tac  A.  3, 72,  nimim  sermonia  Tac  H.  3^  75 
V.  1,  35,  ingens  rerum  Tac  H.  4,  66.  Für  den  gen.  object.  endlich  bedarf 
es  keiner  weiteren  Bemerkung.  Seh.  hätte  hier  schon  Erwähnnng  thiu 
sollen  des  Genitivs  bei  potior  und  vielleicht  auch  des  taciteischen  adipitei 
8.  Walther  zu  Tac  A.  3,  55  und  Boetticher  S.  216.  Auch  der  Gen.  bei 
mirari  s.  Forbiger  zu  Virg.  Ae.  11,  126  u.  ä.  schlieM  sich  an  onsera 
Genitive  an,  s.  Wagner  a.  a.  0.  -  Seh.  §.  277.  E.  162.  Sü.  §.  133 1  Seh. 
und  E.  lassen  die  activen  Verba,  die  einen  Genit  possess.  als  Frädicat  bei 
sich  haben,  ganz  unberücksichtigt.  Wenn  man  auch  manches  spatere  ent- 
behren kann  und  bei  E.  Standpunct  bleiben  muss  (einiges  ist  in  dem  IX. 
Excurse  von  Roth^s  Agrioola),  so  sollten  Wendungen  wie  Sali.  J.  85,  34 
neque  ^oriam  meam,  laborem  iUorum  fadam  vgl.  102,  15,  tmae  dkiama 
facere  s.  Fabri  zu  Liv.  21,  53,  5  und  zur  verwandten  Stelle  21,  44,  5 
nicht  fehlen.  Sü.  scheint  Krüger  §.  343  vor  Augen  gehabt,  ihn  aber  mis- 
verstanden  zu  haben.  Krüger  stellt  nämlich  voran,  dass  jeder  attributive 
Genitiv  auch  durch  Distraction  prädicativ  gebraucht  werden  kann,  i^onn 
er  ganz  Recht  hat,  aufser  in  dem,  dass  er  meint,  der  Gen.  des  Stoffes  werde 
nicht  so  gebraucht,  vgl.  Liv.  21,  60,  8  dazu  Heerwagen.  Wenn  nun  Krüger 
dann  weiter  abtheilt  in  Gen.  poss.  u.  s.  w.,  so  ist  das  ganz  in  Ordnung; 
nicht  so  aber,  wenn  Sü.,  der  den  präd.  Gen.  von  vorneherein  als  possess. 
bezeichnet,  §.  133,  dann  scheidet  §.  134  in  den  Gen.  der  Classe,  der  nach 


^)  Warum  Nipperde^  die  Aenderung  von  Heinsius  prindpi  auijg^nom- 
men,  ist  nicht  leicht  abzusehen,  s.  auch  Roth  Agrie.  S.  264. 


Lateinische  GtamiAatikeD,  ang.  v.  X.  Vielhabet  169 

seiner  sonstigen  Darstellung  als  qualitat.  bezeichnet  sein  sollte,  etc.  Dass 
wir  mit  der  Theilung  selbst  einverstanden  sind,  braucht  nicht  erst  gesagt 
in  werden.  Gut  ist,  dass  Sü.  ebendaselbst  den  sogenannten  Gen.  des 
Zweckes  hier  einreiht.  Das  gewählte  Beispiel  extremus  dies  elepfui^Uorum 
fwt  Cic  fiun.  7,  1,  3  in  Vergleich  mit  C»s.  b.  g.  5,  8,  6  und  4,  17,  10 
xeigt  recht  deutlich  die  Entstehung  dieses,  auch  bei  Cic.  nicht  fehlenden, 
bei  Sali,  noch  wie  bei  Cssar  sich  mehr  ans  gewöhnliche  haltenden,  bei  Liv. 
und  Yor  allem  bei  Tac.  häufigen  und  weitgehenden  Gebrauches,  vgl.  Haase 
bei  Reisig  Anm.  588  und  Boetticher  Lex.  Tac.  S.  217  ff.  E.  —  §.  149.  M. 
$.  426.  Vielleicht  ist  es  nicht  ganz  nutzlos,  auch  an  mentionem  facere  rei, 
de  re  (oder  auch  Inf.)  zu  erinnern.  —  Sü.  §.  135,  2  konnte  erinnern,  dass, 
wie  res  überhaupt  mehrÜEUih  die  Construction  neutraler  Pronomine  erleidet. 
Sali.  J.  79, 1  sagt  eam  rem  nos  loctM  admanuit  —  M.  §.  373,  A.  1  Gen.  bei 
impeiBon.  Die  Accusative  und  auch  Nominative  id  hoc  etc.  sollten  erwähnt 
sein.  Tgl.  Weißjenbom  Schulgramm.  §.  232  Anm.  Krüger  §.  350,  A.  1  u.  2.  — 
Seh.  §.  280.  Sü.  §.  137.  Unter  den  Verbis  criininis  fehlt  notnen  deferre  vgl. 
Cic.  Verr.  2,  2,  28,  08.  Nach  £.  §.  151  ist  pecuniae  damtiari  classisch. 
Sind  dem  Herrn  Herausgeber  wirklich  andere  Stellen  vorgelegen  als  die 
von  Seh.  §.  280,  Anm.  2  ganz  richtig  anders  erklärten?  Die  Verbindungen 
noh'  damnari  liberari  (uoti  compos)  haben  ebenso  etwas  formelhaftes,  wie 
die  Ton  Sü.  §.  137,  Anm.  mit  der  Bemerkung  'gehören  dem  Kanzleistil  an' 
sehr  mit  Unrecht  bei  Seite  geschobenen,  von  Seh.  nicht  erwähnten  satis  dare 
tHtttrioriM»,  protnütere  damni  infecti,  condicere  Weifsenb.  Liv.  1,  32,  11. 
Eben  deshalb  aber  sind  sie  ebenso  wichtig,  ja  wichtiger  als  das,  was  der 
Willkühr  eines  einzelnen  Schriftstellers,  und  wäre  es  auch  Cicero,  beliebt 
hat  Seh.  hat  A.  4  die  Adject.  reus,  ^loxius,  manifestus^  campertus  (vgl. 
auch  innocetis  Tac  A.  4,  34.  suspectus  Liv.  24,  9,  10.  Tac.  A.  3,  29.  3,  60) 
mit  Recht  erwähnt,  nur  gehören  sie  nicht  am  Ende,  sondern  an  den  An- 
lang: crimen  auaritiae  ueneficii  u.  ä.  iudicium  falsi  Tac  A.  2,  55,  maie- 
iUais  ib.  1,  72,  lex  mcUestcUis  Tac.  A.  1,  72  sind  die  einfachsten  Formen 
des  Gen.  object,  als  gen.  ehm.  auf  Personen  angewendet,  mussten  als  ver- 
mittelnde Begriffe  die  bezeichnete  Adjectiva  eintreten ,  durch  deren  Distrac- 
tion  {accuao  «-  reum  facio  u.  ä.)  der  gewöhnlich  sogenannte  gen.  crim.  ent- 
stand. —  Seh.  §.  281.  Sü.  §.  138.  Für  die  Auffassung  des  Gen.  pretii  sind 
wichtig  Stellen,  wie  SalL  J.  85,  39  pluris  preti  cocum  quam  uUicwn 
XL  Liv.  21,  60,  8  Ceterum  praeda  oppidi  parui  pretii  rerum  fuü, 
welche  den  Uebergang  vom  Gen.  qualit.  recht  deutlich  zeigen.  —  Seh.  §.  282, 
Anm.  2.  £.  §.  154.  Sü.  macht  §.  139  gut  darauf  aufmerksam,  dass  Cic. 
Att  3,  19,  1  den  Gegenstand,  auf  den  es  einem  ankommt,  im  Nomin.  ge- 
geben hat.  —  Seh.  eb.  Anm.  2  in  Bezug  worauf,  wofür,  es  irgendworau  ge- 
legen sein,  gibt  Csßs.  b.  g.  2,  5,  2  auch  durch  den  Gen. ,  wozu  Kraner  Cic. 
tun,  4,  10,  2  citiert.  Freilich  lassen  sich  beide  Stellen  auch  durch  eben 
nicht  auffallige  Personification  erklären. 

Wien.  Leopold  Vielhaber. 


Zttluebrifl  f.  d.  Mlcrr  Gymn.  1865.  li.u.  III.  Beft.  12 


170     A,  Thumwald,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  r.  J.  Peüen. 


Lehrbuch  der  mittelhochdeutschen  Sprache  für  Gymnasien.  Von 
A.  Thurnwald.  199  S.  8.  Prag,  P.  Tempsky,  1864.  —  1  fl.  ö.W. 

Welche  Gründe  den  Herrn  Verfasser  bestimmt  haben,  seine  AiWt 
ein  Lehrbuch  der  mittelhochdeutschen  Sprache  zu  nennen,  darüber  bleibt 
er  uns  den  Aufiichluss  schuldig;  nach  den  ersten  Zeilen  des  Vorwortee  wiie 
der  Titel  Lesebuch  zu  erwarten  gewesen.  Der  Hr.  Verf.  erklärt  uns  nim- 
lich,  dass  er  'bereits  längere  Zeit'  mit  dem  Plane  umgegangen  sei,  'ein 
mhd.  Lesebuch  abzufassen,  dessen  ganzer  Schwerpunct  im  Nibelungen- 
liede und  in  der  Gudrun  liege  (läge?)',  und  fährt  also  fort:  *Da  schrieb 
Herr  Professor  Pfeiffer  in  der  Zeitschrift  für  österreichische  Gymnasien 
p.  723,  1862  [eine  seltsame  Art  zu  eitleren!]  eine  Recension  über  die 
2.  Auflage  von  dem  mhd.  Lesebuche  Weinholds,  worin  er  zugleich  andeutet, 
wie  er  ein  mhd.  Lesebuch  abge&sst  wünsche.'  Die  von  Prof.  Pfeifiiv 
ausgesprochenen  Ansichten  sthumten  mit  denen  unseres  Hm.  Verf.'8  so  voll- 
ständig  überein,  dass  sich  letzterer  bewogen  fühlte,  seinen  Plan  zu  *rea]i- 
sieren.*  Wir  wollen  nun  sehen,  in  welcher  Weise  sich  der  Hr.  Verf.  seiner 
Aufgabe  entledigt  hat. 

Dem  (unpaginierten)  Vorworte  und  luhaltsverzeichnisse  folgt  als 
'Einleitung*  zur  Laut-  und  Formenlehre  ein  kurzer  Abschnitt  unter  dem 
Titel:  'Name  und  Eintheilung  der  Germanen.'  Diese  kurze  Eil- 
leitung ist  nicht  so  beschaffen,  dass  sie  ein  günstiges  Vorurtheil  für  das, 
was  ihr  folgen  soll,  zu  erwecken  vermöchte.  Es  sei  dem  Ref.  gestattet,  die 
ersten  zwei  Sätze  dieser  Einleitung  in  einen  zusammenzuziehen,  nm  kkr 
zu  machen,  dass  die  sprachwissenschaftlichen  Grundlagen  unseres  Lehr- 
buches etwas  schwankender  Natur  sind.  Das  Ergebnis  der  ersten  Sfttie 
lautet:  Die  nach  Europa  eingewanderten  Stämme  desUrvolkes 
der  indischen  Arier  nennt  man  den  indogermanischen  oder 
indoeuropäischen  Volksstamm.  Das  klingt  allerdings  überraschaid 
neu ;  bisher  ist  es  kaum  einem  Sprachforscher  oder  Ethnologen  von  Bedeo- 
tung  eingefallen,  'indische  Arier'  in  einem  anderen  Sinne  als  'Inder' 
oder  wol  gar  gleichbedeutend  mit  'Indogermanen '  zu  gebrauchen  und  den 
Namen  'Indogermanen'  auf  die  indogermanischen  Volkerstamme  Eu- 
ropas einzuschränken.  —  Mit  dem  falschen  Satze:  *Kein  Volk  hat  sich  den 
Namen  selbst  gegeben '  (die  alten  Inder  und  Perser  z.  B.  nennen  sich  selbst 
Arier),  kommt  der  Hr.  Verf.  auf  den  Namen  der  Germanen  zu  spredien 
und  gibt  die  Erklärung  desselben  aus  dem  Celtischen.  Hieran  schliefet  sieh 
die  Aufzählung  der  germanischen  Stämme,  aus  welcher  der  Schüler  lemen 
kann,  dass  Ulfilas  ' J.  400  n.  Ch.'  eine  Bibelübersetzung  fEir  die  Qothen  ge- 
liefert hat,  die  (damals?)  im  Osten  Germaniens  an  der  Weichsel  sesshaft 
waren.  Wenn  Schleicher,  dessen  'Deutsche  Sprache'  an  so  vielen  Stellen 
unserem  Hm.  Verf.  zur  Vorlage  diente,  in  seinem  für  die  weitesten  Leser- 
kreise geschriebenen  Werke  eine  genauere  Zeitangabe  für  Ulfilas  für  pas- 
send erachtet  hat  (S.  91),  so  scheint  einer  solche  gewiss  für  ein  Lehr- 
buch der  mhd.  Sprache  Bedürfnis  zu  sein,  sobald  von  Ulfilas  einmal  die 
Bede  ist. 


Ä.  ThumuHdd,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  &ng.  v.  /.  Petters.     171 

Die  nöthige  Klarheit  der  Darstellung  vermisst.  der  Leser  bei  dem 
FolgendeD:  Als  zweiter  Stamm  der  Germanen  werden  die  Angeln  und 
Sachsen  in  Norddentschland  angeführt.  Als  den  dritten  Stamm  hat  sich 
der  Schüler  vermnthlich  die  in  ihrer  'Urheimat'  verbliebenen  Sachsen 
in  denken;  die  werden  aber  nicht  geradezu  als  solcher  bezeichnet  und  der 
Dmck  hilft  auch  nicht  durch  ein  neues  Aliena  mit  zum  Verständnisse, 
sondern  der  folgende  Abschnitt  spricht  schon  von  dem  vierten  Stamm,  den 
•Altnorden',  für  welchen  sprachwidrigen  Namen  Skandinaven,  Skandier 
oder  Nordländer  passender  gewesen  wäre.  Ueber  vier  zählt  der  Hr.  Verf. 
nicht  weiter  und  der  Schüler  bleibt  im  Zweifel,  ob  er  jeden  der  weiter 
genannten  Stämme  (Baiem,  Alemannen  und  Franken)  besonders  oder  alle 
drei  als  einen  Stamm  zu  zählen  hat. 

Die  Perioden  der  deutschen  Sprache  sind  unrichtig  mit  den  Jahren 
1150  und  1500  abgegrenzt  J.  Grimm  sagt  mit  vollem  Reclite  (Wörterbuch 
1.  Band  XVDI):  *Erst  mit  dem  Jahre  1500,  oder  noch  etwas  später  mit 
Luther's  Auftritt  den  nhd.  Zeitraum  anzuheben  ist  unzulässig,  und 
Schriftsteller  wie  Steinhöwel,  Albrecht  von  Eib,  Niclas  von  Wile,  ja  Keisers- 
berg,  Panli  und  Brant,  die  doch  schon  ganz  seine  Farbe  tragen,  würden 
ihm  damit  entzogen*.  Wenn  unser  Hr.  Verf.  diese  Stelle  aus  dem  Wörter- 
bache in  Betracht  zieht,  so  muss  er  erkennen,  zu  welchen  irrigen  Vorstel- 
lungen die  Schüler  durch  seine  Worte  verleitet  werden  können,  wenn  er 
kurx  zuvor  sagt:  'Bei  diesen  Veränderungen  (an  der  Sprache)  wird  man 
auf  Momente  stoßen,  wo  jene  so  zu  sagen  mit  einem  Schlage  sich  ein- 
stellten'. —  Welches  Moment  die  plötzliche  Umgestaltung  des  Ahd.  zum 
Mhd.  hervorgerufen  hat,  überlässt  der  Hr.  Verf.  dem  Schüler  zu  ergründen. 
—  Dass  das  Mittelhochdeutsche  nach  altem  Brauch  noch  die  schwäbische 
Xundart  heifet,  daran  ist  Prof,  Pfeiffer,  dessen  Ansichten  sonst  mit  denen 
des  Hm.  Verf. 's  zusammenstimmen,  jedenfalls  unschuldig;  Pfeiffer's  Be- 
hauptung, dass  jene  Meinung  als  eine  irrige  hinfort  aufgegeben  werden 
müsse,  scheint  trotz  allen  erheblichen  Gründen  doch  noch  nicht  völlig  ge- 
nchert  zu  sein.  —  Uebler  ergeht  es  aber  unserer  jetzigen  hochdeutschen 
Sprache.  Weil  Luther  selbst  die  Erklärung  abgegeben  hat,  er  rede  nach 
der  äLchsischen  Kanzlei  (Tischreden  Ausg.  v.  1723  S.  699  a) ,  so  sagt  unser 
Hr.  Verf.:  'Die  nhd.  Sprache  ist  eine  im  Bureau  aus  der  Mischung  der 
verschiedensten  Mundarten  entstandene  Sprache,  nicht  eine  lebendige 
Weiterbildung  des  Mittelhochdeutschen'.  Damit  ist  jedenfalls  Schleicher 
(D.  Spr.  107),  die  Vorlage  unseres  Hm.  Verf.'s,  bedeutend  überboten,  der 
doch  nur  von  einer  *auf  dem  Papier'  entstandenen  Sprache  und  von  einer 
Ifischung  von  Mundarten  spricht,  unter  denen  das  Oesterreichische  eine 
hauptsächliche  Rolle  spielt.  Ob  mit  solcher  üebertreibung,  die  zugleich  die 
wirrsten  Bilder  von  Sprachmengem  der  kurfürstlichen  Kanzlei  in  Sachsen 
hervorrufen  kann,  der  Schule  eine  fruchtbare  Belehrung  gegeben  werde, 
darüber  ist  kanm  zu  streiten;  unserem  Hrn.  Verf.  schien  dies  das  rechte 
Verfahren  zu  sein,  seinen  Schülern  mit  der  Verachtung  der  nhd.  Bureau- 
Mischsprache  die  volle  Begeisterung  für  das  reine  Mittelhoch- 
deutsch einzuflöXisen,  das  nun  —  nach  der  leider  völlig  entbehrlichen 
Leitung  —  zur  Darstellung  kommen  soll. 

12* 


172     A,  Thnrmcald,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  v.  I.  Petien. 

Die  entschieden  scli wachste  Partie  des  'Lehrbuches*  ist  die  Laut- 
lehre. An  ihr  ist  recht  augenfällig  zu  erkennen,  wie  der  blinde  Zufall 
die  einzelnen  Theile  zusammengewürfelt  hat.  Schleicher  und  J.  Grimm 
würden  sich  in  ihrer  Verbindung  gewiss  so  ziemlich  vertragen,  wenn  die 
Verbindung  nur  etwas  geschickter  vorgenommen  wäre  und  wenn  der  Hr. 
Verf.  nicht  hie  und  da  etwas  mit  in  die  Mischung  gegeben  hätte,  was  nur 
ihm  allein  angehören  kann. 

Mit  einigen  Allgemeinheiten  kommt  der  Hr.  Verf.  zur  'Trilogie'  im 
Vocalismus,  'von  der  die  Bildung  aller  Vocale  ausgieng\  Die  Darstellung 
ist  eine  derart  freie  Erweiterung  der  Lehre  Schleicher's,  dass  wir  über  die 
Trilogie  des  gutturalen  a,  des  dentalen  t  und  labialen  u  hinaus  in  das 
fernste  Alterthum  einer  vocalischen  Einheit  geführt  werden,  die  der  ürlaut 
a  ist;  denn  H.  Thumwald  sagt:  'Von  den  drei  Urkürzen  a,  t,  u  ist  a  der 
ursprünglichste  Laut*  (der  'vocalischste  der  Vocale,  der  Vocalissimus*,  wie 
bei  Schleicher  D.  Spr.  134).  Einen  Schritt  weiter  kam  der  indische  Arier^ 
oder  Indogermane  von  der  ürurkürze  zu  den  drei  Urkürzen;  weil  er  aber 
mit  ihnen  die  ganze  Declination  (und  Conjugation)  nicht  bestreiten  konnte, 
so  war  er  bald  darauf  'bedacht',  seinen  kleinen  Vocalvorrath  'durch  gewisse 
Veränderungen  zu  vermehren*.  Das  gab  nun  die  Lautumwandlung,  die 
der  Hr.  Verf.  'mit  dem  schon  üblichen  Ausdrucke*  erste  Steigerung  be- 
zeichnet und  man  hatte:  a,  i,  u,  aa(ä)f  ai,  au,  'Doch  auch  damit  reichte 
man  bald  nicht  aus*  und  es  kam  zur  zweiten  Steigerung.  Nach  einigen 
kleinen  Abänderungen  hatte  nun  die  deutsche  Grundsprache  die 
Reihe  a,  i,  u;  ä,  et,  iu(ü);  ö,  ai,  au.  Mitten  in  die  Entwickelung  dieser 
Urzustände  hat  der  Hr.  Verf  (oder  der  Setzer?)  eine  Tabelle  gestellt,  die 
den  Leser  mit  mehreren  leeren  Fächern  und  der  Angabe  überrascht,  dass 
die  deutsche  Grundsprache  noch  mehr  besessen  hat,  als  auf  S.  11 
gesagt  ist,  nämlich  aufser  jenen  Vocalcn  noch  e  und  o.  Schleicher  hat 
gewiss  mit  gutem  Rechte  die  deutsche  Grundsprache,  die  Mutter,  nicht 
jünger  gemacht  als  das  Gothische,  die  Tochter,  welche  kurz  e  und  o 
nicht  kennt;  nach  S.  11  unseres  Buches  liefse  sich  vermuthen,  auch  der 
Gothe  habe  e  und  o  gehabt  und  diese  Laute  nur  'äufserlich'  als  'Ver- 
bindung von  a  und  t,  ai  und  u'  mit  ai  und  aü  bezeichnet;  die  Striche 
seien  auch  in  den  Handschriften  zu  finden,  wie  mhd.  e  (das  gebrochene) 
als  e  geschrieben  werde. 

Weiter  gibt  der  Hr.  Verf.  auf  S.  12  die  Erklärung  der  Brechung 
und  des  Umlautes.  Dabei  erhalten  wir  eine  weitere  Ausdehnung  des  Be- 
griffes für  den  sog.  Rückumlaut:  vollen,  ahd.  vaüamis  soll  mit  veJUst, 
ahd.  vellis  zusammengehalten,  den  Rückunilaut  zeigen.  Was  bleibt  bei 
einer  solchen  Erklärung  der  ursprüngliche  Vocal,  wenn  wir  einmal  den 
Umlaut,  das  anderemal  den  Rückumlaut  haben? 

Was  der  Hr.  Verf.  weiter  als  'Besonderes*  über  den  Vocalismus 
bringt,  ist  trotz  der  guten  Vorlagen  von  Grimm  und  Schleicher  nicht  frei 
von  Irrthümem  und  Ungenauigkeiten.  Dass  a  mit  e  und  o  bei  mitteldeut- 
schen Dichtem  wechseln  kann,  ist  der  erste,  für  das  vorliegende  Lesebuch 
rein  überflüssige  Satz;  unpraktisch  ist  die  Aufführung  eines  vierfachen  e, 
darunter  e,  unter  den  kurzen  Vocalen;  von  %  wird  überaus  seltsam  bemerkt: 


A,  Tkurmoaid,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  v.  J.  Fetten,    178 

*•  findet  sich  im  sing,  praes.  gewisser  starlser  Zeitwörter  und  im  Nomi- 
naÜT  gewisser  Substantiva^  -  in  anderen  Redctheilen  wäre  also  kein  % 
la  finden?  -  Für  den  Umlaut  ü  scheint  dem  Hm.  Verf.  ein  Beispiel  aus 
Waltber  nöthig  zu  sein:  der  Dümge  hluome  (Thuringorum  flos);  femer 
erseheint  unter  d  zur  genauesten  Unterscheidung  ein  überflüssiges  a  und 
die  ahd.  Formen  sälida,  sälida  in  bester  Eintracht  mit  mhd.  rät,  rät,  wa^, 
wd^  incognito  beisammen;  wo  d  nicht  durch  Contraction  entsteht,  da  ist 
es  'wurzelhaft*  —  eine  überaus  störende  Ungenauigkeit!  Eine  besondere 
Bedeutung  misst  der  Hr.  Verf.  dem  —  d  von  neinä ,  gtiddd  u.  s.  w.  bei 
fsehr  zu  beachten  für  die  mhd.  Sprachdenkmäler')  und  gibt  aus  Zingerle^s 
Aufsatz  in  Pfeiffer*s  Germania  einen  kleinen  Auszug,  der  entweder  für  unser 
Lesebuch  rein  entbehrlich  war  oder  doch  nicht  in  die  Lautlehre  gehörte.  — 
Das  Vorartheil,  dass  lange  Vocale  durch  Contraction  entstehen,  welches  uns 
bei  ä  kommen  konnte,  glaubt  der  Hr.  Verf.  bei  ö  und  u  abweisen  zu  müssen ; 
'nie',  sagt  er,  'wird  lohet  und  tobet  zu  16t  oder  töt\  Wir  fragen:  Wer  ver- 
langt denn  das  von  o?  —  Vom  Umlaute  tu  bemerkt  der  Hr.  Verf.,  er  ge- 
bore erst  der  mhd.  Sprach periode  an;  aus  Grimmas  Grammatik  l^  112  ist 
jedoch  zu  ersehen,  dass  dieser  Umlaut  auch  schon  bei  Notker  zu  finden  ist. 
—  Von  tu  heilet  es:  'Es  findet  sich  in  der  Wurzel  von  Substantiven  und 
starken  Zeitwörtern:  kliuhe,  kirne,  ftpriu,  fiur\  Wählt  der  Hr.  Verf.  nicht 
klub,  kus  für  die  Wurzeln?  Wurzel  und  Stamm  sind  zwei  Begriffe, 
deren  Sonderung  dem  Hm.  Verf.  nicht  geläufig  sein  kann,  denn  er  ver- 
wechselt sie  an  mehreren  Stellen. 

ImConsonantismus  nimmt  der  Hr.  Verf.  mehrfach  Bezug  auf  das 
Nhd.,  was  im  Vocalismus  nicht  der  Fall  war,  dort  aber  gewiss  eher  wün- 
achenswerth  gewesen  wäre.  Bei  Gelegenheit  geschieht  ein  Seitenhieb  auf 
unsere  beutige  Orthographie,  so  bei  /»  und  ;,  im  Einklänge  mit  Schlcicher's 
Werk,  dem  auch  die  Beispiele  genau  bis  auf  engl,  wäter  (D.  Spr.  204)  nach- 
geschrieben werden.  Dass  die  auch  von  unserem  Lchrbuche  aufgestellte 
Regel  über  ß  zwecklos,  inconscquoht  und  unpraktisch  ist,  hat 
Rumpelt  (Deutsche  Grammatik  S.  284)  vollkommen  richtig  dargestellt.  Von 
der  Wiedereinführung  des  ß,  d.  h.  des  mhd.  %  (vorausgesetzt,  dass  %  unserem 
I  im  Laute  vollständig  gleich  war,  was  noch  dahingestellt  bleibt)  Vman- 
dpiert'  der  Hr.  Verf.  nur:  es,  das  kurz  vorher  daß  wegen  plattd.  dat), 
was,  blindes,  weil  hier  'bereits  im  14.  Jahrb.  das  15  zu  s  geschwächt  war'  — 
was  thatsächlich  unrichtig  ist  und  nur  als  Ausnahme  gelten  kann.  —  Bei 
den  Spiranten  hätten  wir  die  einer  Schulgrammatik  gewiss  wenig  dienliche 
Bezeichnung:  hauchend,  sausend,  jehend,  wehend,  wenngleich  sie 
von  J.  Grimm  herrührt,  bei  Seit«  gelassen.  Als  wehender  Laut  ist  hier  t? 
angesetzt,  von  welchem  auf  der  nächsten  Seite  schon  gesagt  werden  muss, 
dass  es  im  Mhd.  nicht  als  Spirans  gilt.  —  Eine  lächerliche  Verwirrung 
herrscht  in  den  folgenden  Regeln:  Im  Auslaute  wird  Ä  durch  ch  vertreten; 
wird  dieses  di  wieder  inlautend,  so  tritt  wieder  h  ein  ein  Seiten- 
gtBck  zum  oben  erwähnten  Rückumlaut.  —  Bei  j  ist  unnützerweise  erst  ein 
Beweis  geführt,  dass  trotz  den  Handschriften  j  und  i  im  Laute  scharf  zu 
sondern  sind ;  ie  werden  in  i  contrahiert,  nie  aber  je  —  wir  fragen,  wie  viel 
Beispiele  stehen  denn  hier  dem  Hm.  Verl.  auTser  KrMiilt  neben  Kriemfiüt 


174     Ä,  Thurnwäld,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  v.  L  Pet$en, 

(wenn  man  mit  Grimm  1',  188  hier  von  einer  Contraction  sprechen  will) 
zu  Gebote'?  — Bei  Schwalbe,  gelb,  gärben  ist  bemerkt,  dass  hier  b  gani 
wie  w  ausgesprochen  werde;  stammt  diese  Kegel  vielleicht  aus  Schmeller^i 
bairischer  Grammatik  ?  Auch  Schleicher  gibt  sie  S.  208  u.  210.  —  Unrichtig 
heifst  es:  l  wechselt  häufig  mit  r  und  n;  wie  viel  Beispiele  für  den 
zweiten  Wechsel  kennt  der  Hr.  Verf.?  Als  Beispiel  für  den  ersten  wird 
auch  aufgeführt:  'Im  Ahd.  heifst  e«  noch  smielaHy  im  Mhd.  schon  smielen 
und  smieren.  Ist  ahd.  smieran  undenkbar?  Erscheint  nicht  ursprüng- 
liches r  so  oft  in  l  erweicht?  —  Mit  der  hierauf  folgenden  Behauptung, 
n  sei  überhaupt  nur  eine  Abschwäch ung  von  w,  steht  der  Hr.  Verfl 
im  Widerspruch  mit  der  vergleichenden  Sprachforschung  wie  mit  der 
Physiologie  der  Laute,  vgl.  Schleicher's  Compendium  §.  1.  Die  Regel  über 
n  im  Auslaute  an  der  Stelle  von  m  und  m  im  Inlaute  ist  im  vollen  Ein- 
klänge mit  der  oben  erwähnten  Regel  über  h  und  di.  Von  n  ist  bemerkt, 
es  falle  inlautend  oft  aus,  besonders  im  Genit.  des  Infinitivs :  meldea  statt 
meldem.  Im  Mhd.  Wörterb.  lesen  wir  dagegen  (2,  282):  'Ausnahmsweise 
scheint  es  im  Gen.  des  Inf.  fortzufallen,  sterbes,  meldes,  trinkes,  s.  Lachm. 
zu  Nib.  910,  8'.  —  Ebenso  unrichtig  ist  die  Angabe,  r  falle  inlautend 
hä  uf  ig  aus  und  werde  auslautend  apokopiert  —  allemal?  —  Bei  den  Mutis 
hält  der  Hr.  Verf.  für  nöthig,  seine  schon  vorher  von  allen  (3onsonantai 
gegebene  falsche  Erklärung,  dass  sie  ohne  Vocal  nicht  tönen  können, 
nochmals  vorzuführen.  —  Hierauf  spricht  der  Hr.  Verf.  von  der  Lautab- 
stufung und  Lautverschiebung.  Letztere  ist  nicht  ohne  einige  Ver- 
sehen dargestellt;  das  ärgste  ist,  dass  bei  den  labialen  Lauten  die  theore- 
tische Umwandlung  auch  als  wirklich  ohne  jede  Störung  geschehen  ange- 
setzt ist,  obschon  z.  B.  vorher  gesagt  wird,  dass  die  goth.  Labialspirata(?) 
pf^CO  sich  oft  im  Ahd.  der  Verwandlung  in  b  widersetze.  Schlecht  ge- 
wählte Beispiele  der  Lautverschiebung  sind  —  ohne  nähere  Besprechung  — 
(frJQ  (warum  nicht  »^  »?(>?),  fera,  diiis  und  ;^^w,  gitUa,  kiux».  —  Nach  S.  23 
wären  werch,  marschalcfi  die  regelmäfsigen  Formen,  nicht  werc,  marsahaic 
—  Vom  organischen  ch  ist  gesagt,  dass  es  niemals  abfalle;  das  Lesebuch 
gibt  selbst  im  Widerspruche  damit  rUick  für  ricfdich. 

Die  Formenlehre  ist  im  ganzen  freier  von  den  Mängeln,  die  wir 
an  der  Lautlehre  gefunden  haben:  die  Darstellung  ist,  Einzelheiten  ausge- 
nommen, klar  und  übersichtlich  und  weniger  durch  überflüssige  Zuthaten 
gestört.  Bei  der  Eintheilung  der  Verba  stofsen  wir  auf  den  schon  oben 
gerügten  Misbrauch  der  Vermengung  von  Wurzel  und  Stamm.  Von  den 
reduplicierenden  Verben  ohne  AbLaut  sind  nach  altem,  für's  Mhd.  jedenfalls 
geltungslosem  Brauche  vier  Classeu  aufgestellt  mit  den  Wurzelvocalen 
gothisch  a,  ai,  au,  e  —  ist  die  Wurzel  von  skaidan  nicht  skid,  von  depan 
nicht  slap  ?  Gleichbedeutend  gebraucht  der  Hr.  Verf.  bei  der  5.  und  6. 
Classe  der  Verba  Grundvocal  (für  Stammvocal).  Die  gothischen  Verba 
laian,  saian,  vaian  haben  jedoch  nicht  ai,  sondern  d  in  der  Wurzel,  s.  Leo 
Meyer's  Aufsatz:  'Einige  deutsche  Wurzelformen  auf  d'  in  Kuhn'»  Zeit- 
schrift 8,  245  if.  (Schleicher  lässt  im  Compendium  2,  565  der  Wurzel  kurzes 
a  zukommen).  —  Unrichtig  steht  ld%e,  g.  leta,  nicht  neben  greta,  die  Prae- 
terita  lauten  doch  gleichmäfsig  mit  Steigerung  gaigrot,  laitöt  —  Bei  den 


Ä.  ThumtoM,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  v.  J.  Petters,    175 

folgenden  Verbaldassen  (7>-12)  lässt  der  Hr.  Verf.  uns  vollständig  in  Un- 
gewissheit,  welcher  Yocal  der  Ablautsreihen  die  Eintheilung  bestimmt;  der 
WorzelvoGal  der  7.,  10.,  11.  und  12.  Classe  ist  a,  der  8.  Classe  t,  der  9. 
n.  —  Die  dem  Schema  der  Conjugation  vorangeschickten  Sätze  der  allge- 
meinen  Sprachwissenschaft,  was  unter  Conjugation  überhaupt  zu  verstehen 
sei  und  daas  die  Personalendungen  ursprünglich  Pronomina  sind,  scheinen 
ii  uBiierem  kurzen  Abrisse  der  mhd.  Grammatik  entbehrlich;  vollständig 
klar  lieflse  sich  das  letztere  ohnedies  ohne  Herbeiziehung  der  indogermani- 
schen Grundformem  gar  nicht  machen.  —  Ueberraschend  ist  bei  dem  Muster- 
verbam  das  Participium  genumen,  das  S.  31  nochmals  ausdrücklich  mit  u 
erscheint;  H.  Thumwald  gibt  nämlich  dort  die  Regel :  *Die  auf  m  auslau- 
tenden Verba  der  11.  Coiq.  haben  Part.  Praet.  u:  genumtn\  Welche  Er- 
klärung hat  denn  dann  der  Schüler  für  den  Beim  komen :  he^wmen  im 
Nibelungenliede  (in  unserem  Lesebuche  Str.  145)?  Die  Verwirrung  greift 
noch  weiter,  denn  unmittelbar  nach  unserer  Regel  steht  wieder  das  Part. 
lomen  fUr  gequomen,  nicht  kumen.  —  Dass  die  Formen  quam,  quatnen  nur 
im  Reime  erscheinen,  ist  unrichtig;  Beispiele  gibt  das  mhd.  Wörterbuch, 
fierüiold  t.  Regensbnrg  (Pfeiffer)  38,  20.  56,  7  u.  s.  w.  Was  S.  30  und  31  an 
Bemerkungen  zum  Schema  der  Ck)njugation  gegeben  wird,  ist  im  Drucke 
nicht  genug  im  Einzelnen  gesondert;  so  stehen  z.B.  in  einem  Absätze  die 
diei  Sätze  beisammen:  'Ueber  den  Wechsel  von  h  und  g  vgl.  p.  16.  Das 
Praes.  zu  stuont  ist  stän.  Im  Nhd.  ist  demnach  [weil  der  Inf  in.  stdn 
lautet?]  das  Praeteritum  stund ,  stütide"  —  Wenn  vorher  bemerkt  wird, 
daw  man  nhd.  zu  sagen  habe:  ich  lud  den  Wagen,  aber  ich  ladete  zu 
(faste,  80  ist  dabei  völlig  übersehen,  dass  die  Vermischung  der  Formen 
schon  im  Mhd.  zu  finden  ist,  s.  Mhd.  Wörterb.  1,  927  z.  B.  der  ritter 
der  in  luot  Lanz.  2483.  ein  vuhs  ein  slorken  luot  Bon.  57,  1.  ich  hdn 
den  übelen  tiufel  heim  ze  hm  geladen  im  Reime  Nibel.  (Holtzm.)  654,  2. 
Weigand's  Wörterb.  2,  5.  —  Die  vom  Auxiliar  der  schwachen  Verba  S.  32 
angegebenen  Urformen  stehen  in  schlechtem  Einklänge  mit  dem  gothischen 
Auslantsgesetze  und  den  von  Schleicher  im  Compendium  S.  634  construier- 
ten  Formen.  Unser  Ei.  Verf.  erschliefst  mit  gröfserer  Sicherheit  als  Schlei- 
cher die  Formen:  dad,  dost,  dad.  Sollte  für  die  Schule  nicht  die  Bemer- 
kung vollständig  ausreichen ,  dass  die  alten  Formen  im  Singular  eine 
wesentliche  Verkürzxmg  erfifthren  haben  und  nur  im  Plural  noch  deutlich 
lu  erkennen  sind?  —  S.  37  kommt  der  Hr.  Verf.  mit  dem  Satze:  'Wie  es 
nur  einerlei  Personalendungen  gibt,  so  gibt  es  auch  nur  einerlei 
CSasusendnngen*  in  Widerspruch  mit  der  vergleichenden  Sprachforschung, 
die  schon  für  die  indogermanische  Ursprache  eine  Verschiedenheit  der  Per- 
sonalendnngen  (primär  und  secundär)  gelten  lassen  muss  (Schleicher'» 
(}ompendium  S.  680—685).  —  S.  39  hat  Schleicher  (D.  Spr.  246)  mit  den 
Beispielen  für  die  Mischung  der  weiblichen  a- Stämme  und  n- Stämme,  wo- 
bei eine  Angabe  unrichtig  ist,  Anlass  zu  weiterer  Irrung  gegeben.  Scblei- 
eher  stellt  Heide,  mhd.  heide  st.  f.,  unrichtig  zu  den  72 -Stämmen  und 
K  Thumwald  stellt  dem  'Roslein  auf  der  Heiden'  als  analoge  Können 
Flaue nhandschuh  (Schleicher:  Frauenschuh)  und  Zungenspitze  zur  Seite. 
In  den  beiden  letzteren  Worten  allein  sind  alte  n- Stämme  bewahrt  — 


176     A.  Thumtonld,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  t.  I.  PetUr»» 

Pluralfonnen  auf  -er  bei  Masculinis,  S.  40  blofe  als  neuhocbdeutscb  mnf- 
gefuhrt,  sind  auch  im  Mhd.  schon  vereinzelt  zu  linden,  z.  B.  geister,  ab' 
gotety  manner  s.  das  mhd.  Wörterb.  und  Weigand  1,  406.  2,  99.  —  Un- 
passend erscheint  für  die  weiblichen  i- Stämme  als  gothisches  Muster  anA» 
da  der  Plural  im  Gothischen  nicht  zu  belegen  ist.  Schleicher  hat  im  Com- 
pendium  als  passendes  Muster  mahts  gewählt  —  Warum  verschmäht  der 
Hr.  Verf.  S.  45,  für  die  Gradation  der  Adjectiva  gothische  Beispiele  xu 
liefern  um  den  Satz  zu  erläutern,  dass  der  Charakter  des  Comparaüvs  #, 
des  Superlativs  st  ist,  und  erscheint  ihm  der  ganze  Absatz  so  unwichtig, 
dass  er  von  der  Gradation  nur  in  einer  Anmerkung  spricht?  —  Die  ahd. 
und  mhd.  Beispiele  der  Gradation  mussten  aus  Schleicher's  Buch  entlehnt 
werden ;  konnte  der  Hr.  Verf.  nicht  so  weit  selbständig  sein ,  um  in  voll- 
kommener üebereinstimmung  mit  ahd.  höhiro ,  frötoro  auch  mhd.  hoeher 
und  vrtwter  nicht  truter  (wie  Schleicher)  anzusetzen? 

Im  Anschlüsse  an  die  kurze  Grammatik  stehen  hierauf  in  einem  Um- 
fange von  dreiS(iten  'Grundzüge  der  mittelhochdeutschen  Metrik'.  Einen 
besonderen  Werth  können  wir  denselben  nicht  zuschreiben  und  müssen  so- 
gar auf  einige  grobe  Verstofse  aufmerksam  machen.  Wenn  der  Hr.  Verf. 
sagt:  'Jeder  Vers  besteht  aus  einer  Anzahl  von  betonten  und  unbe- 
tonten Silben',  so  kann  der  Schüler  in  einiger  Verlegenheit  sein,  wenn 
er  in  einem  Verse  zufällig  nicht  eine  Anzahl,  sondern  nur  eine  oder  sogar 
keine  unbetonte  Silbe  findet,  z.  B.  in  den  Proben  aus  Freidank  in  unserem 
Lesebuche:  gel,grü€ne,  w^Mi'n  oder  gar:  vröeli'ch  ärmüot.  Die  Regel  sollte 
also  nothwendigcrweise  das  Wörtchen  gewöhnlich  einschalten.  —  Für  den 
stumpfen  und  klingenden  Reim  sind  die  Verse  243  u.  244,  249  u.  250 
aus  Iwein  gewählt;  wie  konnte  dem  Hm.  Verf  nur  einfallen,  sagen ikU^ 
gen  als  klingenden  Reim  hinzustellen?  Das  heifst  doch  flüchtig  arbeiten! 
Die  Schüler  werden  nach  einer  solchen  Vorschrift  den  zweiten  Reim  der 
ersten  Strophe  im  Nibelungenlied  unbedenklich  für  einen  klingenden  er- 
klären! —  Wenn  uns  nicht  alles  täuscht,  so  hat  Prof.  Pfeiffer  durch  seine 
Kritik  über  Weinhold's  Metrik  einen  lächerlichen  auf  natürliche  Weise  rein 
unerklärlichen  Fehler  unseres  Lehrbuches  hervorgerufen.  Prof.  Pfeiffer 
tadelte  nämlich  (Zeitsohr.  1862,  S.  730),  dass  Weinhold  an  der  Lachniann*- 
schen  Lehre  festhält,  dass  die  erste  Hälfte  jedes  Nibelungen verses  drei 
Hebungen  mit  klingendem  Schlüsse  habe,  weil  dieser  Ansicht  das  unläug- 
bare  Vorkommen  von  viermal  gehobenen  Halbversen  widerstreitet;  unser 
Hr.  Verf.  glaubt  nun  das  Richtige  damit  gegeben  zu  haben,  dass  er  sagt: 
'Jede  Langzeile  fd.  i.  jeder  Nibelungen vers  mit  Ausnahme  des  vierten]  be- 
steht aus  zwei  Halbzeilen  zu  je  vier  Hebungen,  wobei  die  vorderen  Halb- 
zeilen klingend  schliefsen,  die  hinteren  aber  stumpf  reimen'.  Wie  wunder- 
bar ist  hier  Lachmann's  Theorie  nach  Pfeiffer's  Kritik  durch  unsem  Hm. 
Verf.  in's  Reine  gebracht!  Wie  liest  denn  unser  Hr.  Verf  beispielsweise 
Str.  12r).  1  seiner  Auswahl  aus  den  Nibelungen:  Onch  irns  diu  selbe  tarnhüt 
oder  Str.  13B,  3:  heJuibt  er  des  die  mmsi erseht ft  ?  Da  hilft  uns  weder 
seine,  noch  Lachmann's  Theorie  aus  der  Verlegenheit.  —  Eine  Revision 
wird  jedenfalls  auch  die  Lehre  von  den  durch  die  Pause  hinter  jedem  Verse 
der  Nibelungenstrophe  vollzählig  gewordenen    acht  Hebungen  bedürfen; 


Ä.  ThrnmoM,  Lehrbuch  d.  mhd  Sprache,  ang.  v.  J.  Pettera.     177 

fom  letzten  Verse  der  Strophe  helfet  es:  Die  achte  Hebung  der  vierten 
Langzeile  fallt  in  keine  Panse,  weil  mit  ihr  die  Strophe  zu  Ende  ist  und 
T<m  selbst  Ruhe  eintritt'.  Könnte  der  Hr.  Verf.  nicht  für  den  letzten  Vers 
conseqnenter  zehn  oder  besser  eilf  Hebungen  ansetzen,  weil  wir  doch  bei 
den  meisten  Strophen  zum  Schlüsse  einen  solchen  Ruhepunct  finden,  dass 
wir  auch  zwei  Tacte  aushalten  können? 

So  viel  denn  über  den  Theil  unseres  Buches,  der  allein  das  Recht 
hatte,  sich  ein  'Lehrbuch  der  mittelhochdeutschen  Sprache'  zu  nennen,  der 
aber  nach  allem  oben  Angeführten  keinesfalls  ein  zweckmäfsiges 
Lehrbuch  für  Gymnasien  abgeben  darf. 

Haben  wir  an  mehreren  Stellen  der  Grammatik  bemerken  können, 
dass  dem  Hm.  Verf.  ein  fester  Standpunct  mangelt,  um  das  Allgemeine 
von  dem  Besonderen,  das  Noth wendige  von  dem  Uoberflüssigen  zu  trennen, 
so  er&hren  wir  auch  sofort  an  den  Lesestücken,  dass  der  Hr.  Verf.  ohne 
die  nöthige  Sicherheit  der  Methode  zu  Werke  gieng:  die  umfangreiche 
(nach  dem  Vorwort  umfang s reiche)  Auswahl  aus  den  Nibelungen  schlieM 
sich  der  Theorie  Holtzmann's  an  und  gibt  den  Text  nach  Zamckc's  Aus- 
gabe, die  Auswahl  aus  Gudrun  folgt  der  Theorie  Lachmann's,  indem  nur 
echte  Lieder  nach  MüllenhofTs  Kritik  aufgenommen  sind.  Die  Ungleichheit 
der  Behandlung  der  'deutschen  Ilias  und  Odyssee'  zeigt  sich  auch  darin, 
dass  beim  Nibelungenliede  von  den  Handschriften  die  Rede  ist,  von  der 
Handschrift  der  Gudrun  keine  Erwähnung  gemacht  wird,  femer,  dass  mit 
eingeigter  Erzählung  dem  Schüler  ein  fast  vollständiger  Ueberblick  der 
Nibelungen  möglich  gemacht  wird,  die  'deutsche  Odyssee'  aber  mit  einem 
vorangeschickten  dürftigen  Abriss  der  Handlung  des  2.  und  3.  Theiles  ab- 
gefertigt ist  Vom  Nibelungenliede  sind  im  Ganzen  520,  von  der  Gudrun 
aber  nur  106  Strophen  aufgenommen;  davon  abgesehen  erscheint  uns  die 
Auswahl  im  ganzen  gut  getroffen,  wenn  auch  zuweilen  derUebergang  von 
eine  Strophe  zur  andem  etwas  gewaltsamer  Natur  ist,  z.  B.  bei  Str.  377 
und  378,  zwischen  welchen  zwei  Strophen  (C  1970  u.  1977)  ausgefallen 
sind.  —  Ein  ziemlich  grofser  Lrthum  ist  in  der  Inhaltsangabe  der  ersten 
echten  Gudmnlieder  zu  finden ;  der  Hr.  Verf.  sagt  nämlich :  'Hetel  Hess  bei 
Hagen  um  die  Hand  seiner  Tochter  Hilde  anhalten'.  Das  sieht  fast  ans 
wie  ein  Misverständnis  des  mhd.  werben  und  steht  im  Übeln  Widerspruche 
mit  den  Strophen  202  und  254  (des  vollständigen  Textes),  wo  es  zuletzt 
heifst:  gevreischet  er  da%  werben,  so  kamen  wir  hirte  sorcliche  dannen! 
—  Im  modernen  Stil  gehalten  ist  die  Stelle  des  Abrisses:  'Endlich  ist  in 
Tenelant  ein  neues  Geschlecht  herangewachsen;  man  hat  wieder  Sol- 
daten, um  sich  an  Hartmut  rächen  zu  können'.  Der  Schüler  mag  sich 
denken,  dass  im  alten  Dänemark  nur  nach  einem  langen  Zwischenräume 
eine  neue  Rekratierang  stattfinden  konnte,  weil  die  Burschen  gar  zu  lang- 
sam bis  zum  NormalmaTs  heranwuchsen !  —  Die  Auswahl  aus  Walther  gibt 
nur  drei  Lieder  (von  denen  überdies  das  zweite  neuerdings  Walthem  ab- 
gesprochen und  seinem  Nachbarn  Leutold  von  Seven  zugeschrieben  wird) 
und  drei  Sprüche  —  für  den  herrlichen  Dichter  gewiss  eine  sparsame 
Auswahl.  Wir  wünschten  dieselbe  vorzüglich  um  solche  Stücke  vemiehrt, 
die  die  Lebensschick-sale  Walther's  betreffen,  z.  B.  die  Klage  um  Keinmar^s 


178     Ä,  nwrnuxüd,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  y.  J.  Patten. 

Tod,  einen  Spruch  auf  den  Wiener  Hof,  Ich  hau  mn  Uhen^  das  lUTer- 
gleichliche  Owe  toar  sitU  verswunden. 

lieber  die  noch  folgenden  Lesestücke  aus  Freidank  (der  Titel  lautet 
fehlerhaft:  'Aus  Vridank'8  Bescheidenheit')  und  Berthold  von  Begenabiirg 
ist  nichts  zu  bemerken;  nur  wäre  uns  aus  pedagogischen  Gründen  bdi 
Letzterem  eine  kleine  Streichung  i^assend  erschienen,  dort  nämlich,  wo  der 
strenge  Sittenprediger  von  dem  Ungemach  und  Schrecken  der  'Nftscher* 
und  Ehebrecherinnen  spricht  (Z.  432  ff.)- 

Wir  kommen  zum  Glossar  (S.  179—199).  Der  Hr.  Verf.  hat  im 
Vorworte  ausdrücklich  erklärt,  dass  er  die  Ueberzeugung  besitze,  'dass  dem 
Texte  beigefügte  Noten  der  grofseren  Zahl  der  Schüler  mehr  schaden  als 
nützen,  indem  sie  in  der  Meinung,  die  vom  Lehrer  gegebene  Erklftrang 
könnten  sie  zu  Hause  in  den  Noten  nachlesen ,  häufig  mit  sehr  getheilter 
Aufmerksamkeit  dem  Unterrichte  folgen*;  deshalb  habe  er  dem  Texte  keine 
Anmerkungen  beigefügt.  Die  Bedeutung  solcher  Noten  wird  jedenfüls  nach 
der  Ansicht  des  Ref.  wesentlich  vom  Verhalten  des  Lehrers  abhangig  sein; 
wo  der  Lehrer  dem  Schüler  nicht  mehr  zu  geben  weifb  als  was  (nach 
Rückert)  'in  den  Noten  wird  gekleckst',  da  halten  wir  es  für  rathsam,  den 
Schülern  den  blofsen  Text  vorzulegen,  vorausgesetzt,  daas  ihnen  keine 
Uebung  aufser  der  Schule  zur  Aufgabe  gemacht  wird  und  die  Verhältnisee 
so  gestaltet  sind,  dass  die  Schüler  alles  Nöthige  unmittelbar  in  den  Schul- 
stunden selbst  sich  aneignen  können.  In  einem  solchen  Falle  dürfte  auch 
ein  Glossar  im  Lesebuche  überflüssig  sein;  Reichel  ist  bei  seinem  Leao- 
buche  v(m  dieser  Ansicht  ausgegangen  und  sagt:  *Ein  Glosaar  ist  nicht 
beigefügt,  weil  dadurch  die  Trägheit  des  Schülers  unterstützt  und  er  lom 
Nachschlagen,  während  er  zuhören  sollte,  leicht  verlockt  wird*.  Wie  gut 
die  Gründe  auch  sein  mögen,  die  gegen  ein  Glossar  vorgebracht  werden, 
uns  will  doch  Ein  Grund  so  gewichtvoll  scheinen,  dass  alle  andern  Beden* 
ken  weichen  müssen :  bei  einem  Lesebuche  ohne  Glossar  und  Noten  ist  dem 
guten  Schüler  die  Gelegenheit  entzogen,  das  lebhafte  Interesse,  welches  die 
Bekanntschaft  mit  der  mhd.  Sprache  und  Literatur  hervorruft,  durch  eigenea 
Streben  zu  befriedigen.  Das  Interesse  des  Schülers  nimmt  sichtlich  ab, 
wenn  ein  lücken-  oder  gar  mangelhaftes  Glossar  den  Lesestücken  beigege* 
ben  ist  und  wenn  er  bei  einer  häuslichen  Präparation  dieses  und  jenes  Wort 
erst  nach  langem  Herumtappen  vielleicht,  vielleicht  auch  nicht  errathen  kann. 
Beschränkt  sich  femer  das  Glossar  auf  eine  künuuerliche  Verdeutschmig  der 
Worte  ohne  jede  nähere  Auskunft  über  syntaktische  Verhältnisse,  wie  dies 
auch  bei  unserem  Lesebuche  der  Fall  ist,  so  müssen  Noten  vorhanden  sein, 
die  die  Lücken  des  Glossers  ausfüllen;  wenn  z.  B.  im  Glossar  steht:  jehen 
st.  V.  bekennen,  sagen,  zugestehen,  so  ist  es  sehr  fraglich,  ob  der  Schüler 
damit  für  Str.  2385  der  Nib. :  wem  fnan  des  besten  müge  jehen  hinreichend 
gerüstet  ist.  oder  wenn  das  Glossar  auch  überflüssigerweise  toort  aufhinunt 
(unser  Glossar  hat  es  nicht),  gibt  es  damit  auch  das  Verständnis  für  das 
bei  Berthold  so  häuflge  den  Worten  da% . .  ? 

Bei  allem  hier  und  da  bemerkbaren  Fleifse  entspricht  unser  Qloesar 
dennoch  nicht  allen  billigen  Forderungen;  der  Raum,  den  manche  über- 
flüssige Worte  wie:  aU,  hoch,  bant,  harke,  berc,  bereiten,  binden,  bUmn, 


Ä.  ThumwM,  Lehrbuch  d.  mhd.  Sprache,  ang.  v.  J.  Fetters.     17  S 

(otMS  hikräey  edel,  entrinnen,  erbiten,  ere,  ertrenken,  ewecheü  u.  s.  w.  ein- 
nehmen, konnte  besser  benützt  werden.  Wir  wollen  —  um  unsere  ohnedies 
schon  in  die  Breite  gerathene  Recension  nicht  über  alles  Mafs  auszudehnen 
—  nur  einige  der  wichtigsten  Wörter  aufführen,  die  im  Glossare  fehlen: 
ane  adj.  (Berth.  Z.  248) ,  bejcufen  (Freidank  m.  Stück  V.  14) ,  bekennen 
(Berth.  Z.  87),  bresten,  brechen  (Gudrun  Str.  24),  bunt  (punt  Nib.  Str.  26), 
cirkel  (Walther  V,  22),  dne  danc  (Nib.  387),  end^haft  (Berth.  Z.  149;  einem 
Misverstandnisse  sicher  ausgesetzt),  erkiesen  (Nib.  449),  ertrahten  (Berth. 
22),  verkiesen  (Nib.  258),  vlie%en,  schwimmen  (Gudr.  6),  für  da^  Berth.) 
234.  294),  gahes  (Nib.  315),  gedienen  (Nib.  99),  gerdien  (Nib.  419),  gestri- 
chen  (Freid.  II,  46),  geware  (Berth.  183),  glänz  (Nib.  370),  her  (Nib.  280), 
Mme  (Berth.  421),  jdnierleich  (Berth.  165),  kint  (Nib.  380),  leic  (Berth.), 
lop  als  st  m.  (Nib.  385),  meistic  (Berth.  178),  minner  bruoder  (Berth.  204), 
muoten  (Gudr.  79),  iV  netnen  (Berth.  407),  nescher  (Berth.  257.  432),  tut 
(Nib.  144),  nitlich  (Nib.  375),  rificvertecUche  (Berth.  110),  riuwe  als  schw. 
m.  (Berth.  331),  schalten  (Freidank  V,  57  in  der  Stelle:  der  tot  liep  van 
liebe  scheÜ,  wo  auch  im  mhd.  Wörterb.  2,  121  nach  unserer  Ansicht  irrig 
schdn  angenommen  ist),  selde  (Gudr.  106),  sint  (Nib.  449),  tiicke  (Berth. 
436),  tugent  (Nib.  89),  unde  als  Relat.  (Nib.  414),  üppikeü  (Berth.  152; 
ein  sicheres  Misverständnis),  wange  als  st.  n.  (Freid.  I,  54),  toeittn  (Freid. 

IV,  5),  wünsch  in  wunsdies  gewalt  (Berth.  70),  zentrinc  (Rerth.  154)  u.  s.  w. 
An  Sparen  flüchtiger  Arbeit  fehlt  es  auch  im  Glossar  nicht;  wir  wollen 
nur  einige  der  gröbsten  Versehen  anfuhren:  ertvigen  ist  als  Part,  zu  er- 
wegen  statt  erunhen  eingesetzt  (Mhd.  Wörterb.  3,  650),  verwerinne  (Berth.) 
soll  Malerin  heifisen!  statt  gttec  steht  gitege,  die  erste  Bedeutung  von 
herberge  ist  *Hütte\  von  her  'feindliche  Schar*,  kemendte  ist  ursprünglich 
'steinernes  Haus' !  maisterschaft  zuerst  Leitung,  Gewalt,  dann  erst  Meister- 
schaft, offenliche  heifst  an  der  betreffenden  Stelle  nicht  öffentlich,  sondern 
frei  und  offen,  sere  ist  nicht  adverbieller  Dativ,  sondern  —  ahd.  sero; 
wi^en  (so  ist  statt  wi^en  zu  lesen)  heifst  nicht  wahrnehmen,  sondern  vor- 
werfen, strafen  u.  s.  w. 

Auf  die  Correctheit  des  Druckes  hat  der  Hr.  Verf.  keine  glcich- 
mafsige  Sorgfalt  verwendet.  Ein  Verzeichnis  von  Druckfehlem  ist  nicht 
vorhanden ;  wir  wollen  daher  eine  kleine  Reihe  von  Verbesserungen  liefern : 
S.  VI,  Z.  3  V.  u.  lies  thiuda.  S.  12,  Z.  1  1.  o  st.  on,  Z.  10  1.  ex^ent  st. 
n%en,  Z.  12  1.  hulfumes.  S.  15,  Z.  15  1.  e.  S.  17,  Z.  17  v.  u.  1.  Fisch  st. 
Visch,  S.  18,  Z.  11  V.  u.  1.  halja.  S.  23,  Z.  1  1.  den.  S.  26,  Z.  14  1.  schiet. 
Z.  5  V.  u.  1.  stoxan.  S.  27,  Z.  5  1.  blasen.  Z.  15  v.  u.  1.  staig.  S.  30,  Z.  9 

V.  u.  1.  buk,  büke.  S.  48,  Z.  10  1.  gröx.  Z.  14,  1.  michelr  u.  michel(e)me. 
Z.  22  1.  marcgrdoe.  Z.  25  1.  e%  wuohs,  Nibel.  Str.  18,  2  1.  vli%en.  Str.  38,  3 
ü%.  Str.  67,  2  het.  Str.  83,  2  hän.  Str.  93,  4  komen.  Str.  118,  4  so.  Str. 
132,  4  gevarn.  Str.  137,  1  stein.  Str.  141,  4  stouf.  Str.  164,  1  sprach.  Str. 
168,  4  döne.  Str.  174,  3  tuot.  Str.  199,  1  nach  wem  Komma.  Str.  211,  3 
Spehtsharte.  Str.  233,  1  geborn.  Str.  258,  2  hat.  Str.  2a5,  4  wiseste.  Str. 
292,  4  ja.  S.  99,  Z.  2  v.  u.  wdfen.  Str.  318,  1  got.  Str.  3  3,  1  beJiben.  Str. 
407,  4  dö,  Str.  411,  2  verwi^^en.  Str.  419,  1  begdn.  Str.  422,  1  fnarcgrdve, 
Str.  430,  1  mimu.  Str.  439,  2  stt.  Str.  459,  1  wtle.  Str.  476,  1  hinter  man 


160       8t,  Zarahskiy  Weltgeschichte  n.  s.  w.,  ang.  v.  Fr,  Kronei. 

Komma.  Gudrun  Str.  15,  1  l.  w^.  Str.  27,  4  hi€%.  Str.  34,  1  sax  Str.  84,  4 
in,  Str.  86,  1  w?.  Str.  96,  2  difi^e.  Str.  103,  1  urnbedö^.  Walther  VI,  1  L 
swelher.  4  1.  zunmeere.  Freid.  1,9  1.  Salden.  Berth.  93  L  fierzedichen. 
101  u.  102  tilge  ofeo  —  niht.  184  gewinnen,  214  Ä«i?ef.  237  fli^ediche,  250 
dai(.  282  ^nen.  290  J9pi8<?.  445  in  st.  m.  453  aZ7e  tug.  464  2«&en.  Im  Gloesar 
1.  aber,  conj.  adv.  —  aham  conj.  ad?.  —  unter  beruntien  1.  berinnen  st 
rinnen.  —  bri  schw.  m.  —  t?a7wi  st.  vdJia.  Aufser  vähen  ist  irrthümlich 
auch  vangen  als  st.  t.  eingetragen.  ~  Unter  vient  1.  fien.  —  varhte  ist 
ein  st.  f.  —  Unter  gtsel  1.  geisel.  —  Unter  heime  1.  heim  st.  n.  —  Unter 
heweschrecke  1.  schricken.  —  marc  st.  m.  ist  zu  tilgen.  —  mort  ist  ein  st 
ra.  —  pfant  ist  ein  st.  n.  —  raten  lies  statt  raten.  —  rechen  st.  ▼.  —  «S 
zehant  st.  .sd  zechant.  —  Unter  ^  ist  u.  n.  zu  tilgen.  —  sam  ist  Adr.  o. 
Conj.  —  «fetZ  ist  st.  n.  —  stvannen  und  sioar  sind  keine  Conjunctionen — 
doch  das  mag  nicht  zu  den  Druckfehlem,  sondern  zu  den  Schreihfehlern 
gehören.  Was  schlicfslich  noch  den  Druck  betrifft,  so  haben  wir  zu  tadehi, 
dass  die  a  und  es  nicht  gleichmäfsig  im  ganzen  Buche  zu  finden  sind;  in 
der  Grammatik  steht  häufig  cw,  oe,  der  Setzer  scheint  erst  beim  Nibelon- 
genliede  durch  die  gedruckte  Vorlage  auf  ee  und  et  geführt  worden  zu  sein; 
im  Glossar  stehen  die  Buchstaben  verbunden  und  unverbunden.  Einem  auf- 
merksamen Leser  muss  diese  Ungleichheit  stören,  wenn  einmal  draejen, 
verwaenen,  loesen,  schoene,  ein  andermal  erlasen,  lobebtere  geschrieben  wird. 
Leitmeritz.  Ign.  Petters. 


St.  Zaranski,  Weltgeschichte  in  Annalen-,  Chroniken-  und 
Historienweise,  mit  einer  sinnbildlich  chronologischen  und  geographi- 
schen Geschichtskarte.  II.  Bd.,  umfassend  die  Zeit  v.  J.  1000  bis  1500 
der  christlichen  Aera.  Wien,  Zamarski  u.  Dittmarsch,  1865.  IV  u.  540  S. 
gr.  8.  (5  Geschichlskarten.)  -  5  fl.  25  kr.  ö.  W. 

Der  Geschichtsunterricht  auf  Grundlage  der  Geschichts- 
schreibung. Wien,  ebend.,  1865.    39  S.   gr.  8.  —  50  kr.  ö.  W. 

Im  Jahre  1856  veröffentlichte  Hr.  Zaranski  den  1.  Band  seiner  Welt- 
geschichte, worin  er  den  Zeitraum  der  Jahre  1  —  1000  nach  Chr.  in  „drei 
Stadien"  —  „annalistisch,  chronistisch  und  synchronistisch-historienmafsig" 
darzustellen  bemüht  war.  Seither  sind  8  Jahre  verflossen  und  wenn  wir 
jetzt  erst  dem  2.  Bande  dieses  Werkes  begegnen,  so  führt  uns  dies  auf  die 
Vermuthung,  dass  einerseits  die  Masse  des  zu  bewältigenden  Stoffes,  ander- 
seits die  Schwierigkeit,  mit  der  neu  erfundenen  Methode  für  sich  und 
andere  in's  Reine  zu  kommen,  dem  Verfasser  eine  so  lange  Pause  auf- 
nöthigen  mochte.  In  dieser  Vermuthung  bestärkt  uns  die  oben  genannte 
Abhandlung,  die  unter  dem  Titel  „Der  Geschichtsunterricht"  et<;.  gewisser- 
mafsen  als  begleitendes  Vorwort  des  Buches  zu  grlten  bot.  Ihre  Abfassung 
entsprang  dem  unläugbaren  Bedürfnis,  die  Methode  des  Verfassers  vor  den 
Männern  der  Schule  und  der  Wissenschaft  ausführlich  zu  erörtern  und  zu 
vertreten.  Wir  geben  zunäclist  eine  gedrängte  Inhaltsangabe  des  Buches 
und  der  Abhandlung,  um  sodann  auf  die  Würdigung  der  Methode  ein- 
zugehen. 


8L  Zara^ski,  Weltgeschichte  u.  s.  w.,  ang.  t.  Fr,  Krones.       181 

Der  vorliegende  ü.  Band  der  Weltgeschichte  umfasst  die  Jahre 
1000—  1500  der  nachchristlichen  Aera,  um  des  Verf/s  Eintheilangsweise 
beizubehalten.  Der  geschichtliche  Inhalt  jedes  Jahrhunderts  erscheint,  in 
Üebereinstimmung  mit  der  Anlage  des  ersten  Bandes,  nach  drei  Ge sieht s- 
pnncten  gegliedert  oder  in  ebenso  viele  ,,Theile''  zerlegt,  welche  auch 
durch  den  Druck  unterschieden  werden.  Den  Anfang  macht  der  „chronol. 
annalist**  Theil,  dem  als  Uebergangscapitel  zum  2.  Theil  ein  „geogr.  Ge- 
sammtbild*  angehängt  ist.  Sodann  folgt  der  „ethnogr.  chronist.''  Theil, 
der  die  Staatenbildungen  in  ihrer  geographischen  Reihenfolge  von  W.  nach 
0.  bebandelt,  und  zwar  Italien,  Spanien,  Frankreich,  England,  Skandi- 
navien, Deutschland,  Böhmen,  Vorderslaven,  Polen,  Russland,  Ungarn,  Süd- 
slaven, Bjzanz,  mohamedanische  Welt.  Den  Schluss  bildet  der  „synchron, 
histor.*  Theil  mit  den  Abschnitten:  Religion,  Politik,  Verfassung,  Finan- 
zen, Kri^swesen,  Rechtswesen,  Ackerbau,  Handel  und  Gewerbe,  Bildungs- 
anstalten, Poesie,  Philosophie,  Naturwissenschaften,  Geschichte,  schöne 
Künste. 

Die  fünf  beigegebenen  Geschichtskarten,  als  Fortsetzung  der 
zehn  früheren,  die  dem  I.  Bd.  angehängt  waren,  zerfallen  je  in  100  kleine 
Gevierte,  von  denen  die  meisten  mit  symbolischen  Zeichen,  Miniaturbild- 
nissen oder  ganzen  Scenen  —  im  kleinsten  Mafsstabe  ausgeführt  —  reich- 
lichst versehen  erscheinen.  Ein  verticaler  Strich  scheidet  je  5,  ein  horizon- 
taler je  50  Jahre.  Jeder  dieser  mnemotechnischen  Tafeln  ist  ein  kleines 
coloriertes  Kärtchen  eingefügt. 

In  der  Abhandlung  legt  uns  der  Hr.  Vf.  eine  durchgängige  Reform 
.des  Geschichtsunterrichtes  auf  Grundlage  der  Geschichtschreibung''  an's 
Herz.  Er  will  uns  lehren,  wie  man  Geschichte  für  den  Unterricht  schrei- 
ben, wie  man  sie  lehren  soll  Er  thut  dies  mit  jenem  Ernst,  der  Achtung 
einfiöfst  und  beweist,  wie  sehr  es  dem  Hrn.  Vf.  um  die  Sache  zu  thun  sei. 

Zunächst  behandelt  er  die  geläufigen  „Methoden  des  Geschichts- 
unterrichtes** (S.  4—7),  sodann  geht  er  über  zur  Analyse  der  „Geschicht- 
schreibung" als  Entwickelungsganzen  (S.  7—12)  und  stellt,  auf  Grundlage 
dieser  Erörterung,  die  „annalistische'',  „chronikenartige"  und  „historien- 
mälsige"  Geschichtsbehandiung  für  den  Unterricht  in  der  Art  dreier  „Stadien" 
hin,  denen  je  eine  „Altersstufe" :  Kind ,  Knabe  (12.-16.  Lebensjahr)  und 
Jüngling  entspräche  (S.  12—20.).  Das  erste  „chronologisch  -  annalistische 
Stadium"  soll  gewissermafsen  die  sinnlich-anschauliche  Seite  der  Geschichte 
darbieten;  das  zweite  „ethnographisch  -  chronistische"  dem  Schüler  die 
„grÖMmöglichste  Masse  der  Begebenheiten  beibringen" ;  dass  dritte  Stadium 
endlich,  das  der  „Historie",  soll  dem  Schüler  die  „philosophische  Ergrün- 
dang  des  Geistes  der  Geschichte"  ermöglichen.  Dem  „Historienschüler" 
soll  sich  erschliefsen :  „das  stille,  innere  Leben  und  Weben  geschichtlicher 
Individuen",  das  Ergebnis  „der  geistigen  Bethätigung"  der  Völker,  „der 
stufenweise  Gang  von  deren  Entwickelung  in  den  verschiedenen  Zeit- 
epochen." —  Das  Lehrbuch  (S.  20—21)  möge  in  seiner  mechanischen  Ein- 
richtung alle  drei  „Stadien"  in  sich  fassen  und  „alle  drei  Stadien"  sollen 
sich  in  der  Erreichung  des  fernen  Zieles  wechselseitig  unterstützen.  —  So- 
dann (S.  21 — 24)  ergeht   sich  der   Vert".   in   einer  Polemik  gegen  die  üb- 


188       St.  Zaranski,  Weltgeschichte  u.  s.  w.,  ang.  v.  Fr.  Kranes, 

liehe  Einthcilang  der  Geschichte,  indem  er  die  in  eine  vorchristliche  nnd 
christliche  Aera,  mit  der  inneren  Gliederung  nach  Jahrhunderten,  vorrieht, 
erwägt  das  Verhältnis  zwischen  Geographie  und  Geschichte  (S.  24 — 2G)  und 
rechtfertigt  (S.  26— 63)  die  Idee  mnemotechnischer  Geschichtstableanx,  in- 
dem er  sich  dem  Verfahren  Jazwinski's  angeschlossen  zu  haben  erklärt  — 
S.  33—38  wird  das  „Alter  des  Schülers"  behandelt,  im  Verhältnis  zu  jenen 
drei  Geschichtsstadien  und  mit  einem  Worte  an  die  Lehrer  (S.  38 — 39)  ge- 
schlossen. Es  wird  diesen  an's  Herz  gelegt  „mit  Vermeidung  des  f5rm- 
lichen  Moralisierens  in  der  Geschichte  dem  Schüler  den  von  oben  her 
lenkenden  Gottesfinger  erschauen  zu  lehren"  und  die  Vaterlandsliebe  des 
Schülers  zu  fördern.  So  viel  zum  üeberblick  des  Inhaltes;  versuchen  wir 
nun  die  vom  Verf.  empfohlene  und  durchgeführte  Methode  zu  würdigen. 

Die  Parallelisierung  der  annalen-,  chronikeu-  und  historienmäflsigen 
Geschichtschreibung  mit  der  Kindheit,  dem  Knaben-  und  Mannesalter  der 
Völker  lässt  sich  keineswegs  für  den  modernen  Geschichtsunterricht  in  der 
Weise  fruchtbringend  machen,  dass  man  „Annalen"  für  Kinder,  „Chroniken* 
für  Knaben,  „Historien"  für  Jünglinge  und  Männer  schreibt.  Was  bei  der 
Geschichte  der  Historiographie  organische  Entwickelungsstufe  ist,  wird  hier 
zur  hohlen  Nachkünstehing,  zum  Experimente.  Halten  wir  nur  das  erste 
sogenannte  „annalistische  Stadium"  mit  den  auch  vom  Verf.  richtig  er- 
kannten Bedürfnissen  des  Kindesalters  zusammen,  so  wird  sich  der  Wider- 
spruch zwischen  beiden  recht  fühlbar  herausstellen.  Wenn  der  Verf.  in 
seiner  Brochure  (S.  34)  dem  Kindesalter  Erzählungen  zuweist,  die  dessen 
„Gefühlsseite"  anregen  sollen,  anderseits  aber  zur  Hauptaufgabe  des  ersten 
Stadiums  „die  Uebung  des  Gedächtnisses"  macht;  denn  „das  Gedächtnis 
sei  des  Kindes  ganzer  Verstand"  —  so  müssen  wir  ihm  vollkommen  Recht 
geben.  Dann  crwä<*hst  jedoch  für  ihn  auch  die  Forderung,  in  dem  „anna- 
listischen Stadium"  und  den  dasselbe  begleitenden  „Geschichtskarten"  Ge- 
fühl und  Gedächtnis  des  Kindes  heilsam  und  fruchtbringend  zu  nähren 
und  zu  beschäftigen.  Das  kann  jedoch  nicht  der  Fall  sein,  wenn  das  Ver- 
schiedenartigste um  der  Gleichzeitigkeit  willen  im  Bildertexte  sowol  als  in 
dem  „annalis tischen"  Commentar  zusammengewürfelt  wird.  Man  opfert  da 
dem  problematischen  Gewinne  einer  synchronistischen  Einprägung  des  an 
sich  zusammenhanglosen,  persönlich,  örtlich  und  sachlich  grundverschie- 
denen, den  sicheren  Erfolg  einer  allmählichen  Bekanntmachung  des  Kindes 
mit  dem  Nacheinander  des  wahrhaft  bedeutenden,  Einbildungskraft 
und  Gefühl  anregenden,  innerhalb  eines,  möglichst  eng  abgegrenzten,  Qe- 
schichtskreises. 

Geben  wir  Belege  für  das  gesagte  aus  dem  Buche  des  Ver&ssers. 
S.  1.  (Geschichtskarte  11,  1)  finden  wir  aneinandergereiht:  „1017  Erste 
Niederlassung  der  Normannen  in  Unteritalien.  1018  Der  griechische  K. 
Basil  II.,  mit  dem  Beinamen  des  Bulgarenwürgers,  macht  die  Bulgarei  für 
168  Jahre  zur  byzantinischen  Provinz.  Dasselbe  Los  wird  auch  Serbien, 
doch  nur  für  25  Jahre,  zu  Theil.  1018  Tod  des  berühmten  Chronisten 
Dithmar,  Bi.  v.  Merseburg,  dessen  Chronikon  besonders  fBr  die  Geschichte 
der  Vorderslaven  und  Polen  von  groJfeer  Wichtigkeit  ist."  —  Oder  für  das 
12.  Jahrhundert  S.  101  (Geschichtsk.  12,  II):    „1180  Tod  des  arabischen 


8L  ZaraMti,  Waltgeschichte  u.  s.  w.,  ang.  t.  Fr,  Krtmes,       18S 

Geographen  AI  Edrisi.  —  Erster  polnischer  Landtag  zu  Lenczyczi^  u.  s.  w. 
—  Philipp  Augnst  besteigt  den  Thron  von  Frankreich.  1182  Tod  des 
Phüoiophen  Johann  von  Salisbury.  1183  Tod  des  Geschichtsschreibers  Bi. 
Wilhelm  von  Tyrus.**  —  Diese  Proben  mögen  genügen.  Was  soll  der  Lehrer 
damit  beginnen?  Kann  er  sich  wol  mit  dem  bloXson  Einlernen  des  Wort- 
teifeea  begnügen;  kann  er  befriedigt  sein,  wenn  der  kindliche  Schüler 
die  bexüglichen  mnemotechnischen  Zeichen :  Krönchen,  Bildchen,  Fähnlein, 
gekrenxte  Schwerter,  Blatter  mit  Namenszeichen,  Globus,  Wage,  Buch  mit 
leuchtender  Ampel  und  Namenszeichnong,  Pergamentblatt  mit  Aufischrift  — 
seinem  Gedächtnisse  sich  einprägt?  Gewiss  nicht;  anch  der  Verf.  wäre  da- 
mit nicht  zufrieden  gestellt  Wie  soll  aber  der  Lehrer  darin  passende  An- 
haltspnncte  zu  gemüthnährenden  Erzählungen  finden?  Was  kann  er  dem 
Kinde  g^enüber  mit  dem  Bulgarenwürger,  dem  Chronisten,  mit  dem 
polnischen  Landtage,  mit  dem  Philosophen  und  Geschichtschreiber  be- 
ginnen? Wie  wird  er  in  dem  Kopfe  des  Schülers  das  Chaos  auseinander- 
halten und  dem  Verständnisse  zuf&hren? 

Das  sind  gewichtige  und  ernste  Bedenken.  Gesteht  der  Verf.  doch 
selbst  (Brochure  S.  7),  dass  gerade  die  synchronistische  Methode 
keine  eigentliche  Unterrichtsmethode,  sondern  eine  „Methode  zur  Anlegung 
geschichtlicher  Tabellen**  etc.,  dass  „die  Synchronistik  die  natürliche  Folge 
eines  ausdauernden  Studiums  sei."  Verzeichnisse  und  Tabellen  dienen  aber 
nur  inr  Verbindung  und  Festhaltung  des  im  einzelnen  gelernten  und  ver- 
standenen. Das  „annalistische  Stadium**  und  die  „Geschichtskarten**  des 
Verf/s  halten  wir  demnach  dem  Kindesaltcr  gegenüber,  gelinde  gesagt,  für 
verfirflht.  Ja  auch  dem  Knabenalter  werden  sie  nicht  viel  nützen,  denn  der 
„Chionikenschüler'*  ist  ebenfalls  nicht  reif  für  synchronistische  Stoffbe- 
heiTschang  und  wird  vieles  von  dem  Gebotenen  unverstanden  aufnehmen 
müssen.  Der  Jüngling  endlich,  der  „Historienschüler**,  wird  wenig  Lust 
bexeugen,  die  von  ihm  als  Kind  und  Knabe  abgegriffenen  Geschichtskarten 
zu  studieren,  er  wird,  wenn  kein  Freund  mnemotechnischer  Experimente, 
das  „Spielzeug**  bei  Seite  schieben.  Eher  wird  er  zu  dem  Factenverzeich- 
nisse  des  „annalistischen  Stadiums**  als  Wiederholungsmittel  seine  Zuflucht 
nehmen.  So  erscheint  denn  Text  und  Bild  des  annalistischen  Stadiums 
einerseits  als  ein  Hinterstzuvörderst,  anderseits  als  ein  Lehrmittel,  zu  ernst 
für  ein  blo/ses  Spiel  und  zu  viel  Spiel  für  den  Ernst  des  reiferen  Alters. 
Wie  sorgfältig  und  scharf  die  Bildchen  auch  ausgeführt  sein  mögen,  Gefühl 
und  „Schönheitssinn**  können  dabei  doch  unmöglich  ihre  Nahrung  finden. 

Auch  die  Brauchbarkeit  der  geographischen  Kärtchen  wird 
beeinträchtigt  durch  deren  winzigen  Umfang,  wobei  ein  Farbenfleck  in  den 
andern  verschwimmt  Zudem  fragen  wir  einen  jeden  Pädagogen,  was  der 
„Ännalenschüler** ,  ja  auch  der  „Chronikenschüler**,  Kind  und  Knabe  mit 
historischer  Geographie,  nach  Jahrhunderten  gegliedert^  anfangen 
solle;  er,  der  erst  in  die  Geographie  der  Jetztzeit  eingeführt  werden  muss? 

Was  der  Verf.  das  „chronistisch  -  ethnographische  Stadium**  nennt, 
ist  doch  im  Grunde  nichts  anderes  als  die  gewöhnliche  pragmatische 
Geschichte  nach  Völkern  und  Staaten  und  nach  Jahrhunderten  geglie- 
dert —  mit  Ausschluss  der  Culturhistorie  im  weitesten  Sinne. 


184        St,  Zaranskiy  Weltgeschichte  ü.  s.  W.,  atig.  v.  Fr,  Kronti. 

Es  ist  uns  nun  schier  unmöglich  einzusehen,  wie  der  Verf.  die  geeammie 
politische  Geschichte  dem  Knabenalter  überweisen  und  deren  gründ- 
liche Kenntnis  fdr  das  dritte  Stadium  bereits  voraussetzen  könne,  da  dock 
erst  der  J&ngling  für  das  gründliche  Verständnis  des  einzelnen  und  den 
sicheren  Ueberblick  des  ganzen  das  nothwendige  Urtheilsvermögen  mit  sich 
bringt,  also  erst  jetzt  recht  an  deren  Studium  übergehen  kann.  Knaben 
und  Jünglinge  müssen  die  politische  Geschichte  zweimal  lernen,  wenn  sie 
selbe  recht  lernen  wollen.  Der  Knabe  hat  GcniÜths-  und  Gedächtnisem- 
drücke  des  wichtigsten  dem  Jünglinge  entgegenzubringen  und  dieser  selbe 
zu  ergänzen,  zu  verbinden  und  mit  gereifterer  Einsicht  zu  durchdringen.  — 
Entschieden  in  Abrede  stellen  müssen  wir  jedoch  die  Möglichkeit,  daas 
der  „Historienschüler''  das ,  was  der  Verf.  dem  „dritten  Stadium*'  zuweist, 
nämlich  die  Culturgeschichte  im  weitesten  Sinne,  im  einzelnen  ihrer  viel- 
aitigen  Erscheinungen,  Volk  für  Volk,  gründlich  auffassen  und  syncbio- 
nistisch  beherrschen  lerne.  Selbst  der  hochschulmäfsig  gebildete  Fach- 
studierende wird  diese  Aufgabe  bei  dem  angestrengtesten  Fleifse  nur  höchst 
bruchstückweise  lösen  und  der  gereifte  Fachmann  nicht  allseitig  bewälti- 
gen. Wir  fürchten  sehr,  dass  der  „Geist  der  Geschichte",  den  der  Historien- 
schüler in  dieser  Weise  „erfassen"  soll,  ein  trügerischer  Wahn,  ein  gefahr- 
liches Ergebnis  unvermeidlicher  Selbsttäuschung  wird.  Denn  was  ihm  der 
Verf.  da  zum  Studium  bietet,  ist  trotz  aller  Materialfalle  an  sich  selbst 
lückenhaft  und  oberüächlich,  wie  dies  bei  der  compendiarischen  Beschafien- 
heit  des  Buches  und  den  äufserst  ungleichen  Vorarbeiten  über  mittelalter- 
liche Culturgeschichte  auch  nicht  leicht  anders  sein  kann.  Man  ziehe  nur 
beispielsweise  die  Rubriken:  Finanzen,  Rechtswesen,  Ackerbau, 
Handel,  Philosophie  u.  s.  w.  in  Betracht.  Muss  es  da  nicht  dazu 
kommen,  was  der  Verl  selbst  anderen  Lehrbüchern  gegenüber  (Brochure 
S.  19)  befürchtet,  dass  man  „im  vorhinein  alles  Yerallgcmeincnid,  mit  ab- 
stracten  Phrasen  und  allgemeinen  Ueberblickcn  den  Inhalt  der  schönsten 
aller  Wissenschaften  schon  zu  erschöpfen  gedenkt."  „Eine  solche  Darstel- 
lungswcise  muss  allerdings  den  Schüler  zu  dünkelhafter  Ueberschätzung 
seines  Wissens  und  damit  zur  Oberflächlichkeit  führen." 

Die  Scheidung  des  Stoffes  nach  Jahrhunderten,  wie  sie  der  Vf. 
durchführt,  hat  manche  gewichtige  Nachtheile  wider  sich.  Sie  zerreiTst 
das  zusammengehörige,  stört  den  Gesammtüberblick  und  führt  zu  raum- 
verstellenden Wiederholungen,  wie  dies  alles  namentlich  in  den  geogra- 
phischen Uebersichten  und  culturgeschichtlichen  Abschnitten  grell 
zu  Tage  tritt. 

Der  Standpunct  des  Vf.'s  ist  der  kirchliche  und  nationale.  Wir  wollen 
dessen  individuelle  Berechtigung  nicht  befehden,  müssen  aber  gegen  den- 
selben Einsprache  erheben,  wo  er  uns  nicht  als  richtige,  wanngefühlte 
Ueberzeugung,  sondern  als  Irrthum  oder  auffallende  Verkennung  des  that- 
sächlichen  entgegentritt.  Urtheile,  wie  sie  uns  die  Brochure  z.  B.  über 
Bossuet  (S.  11)  und  die  neuere  Geschichtschreibung  bietet,  wobei  der  Vt 
den  gesammten  Fortschritt  der  deutschen  Historiographie  seit  Her- 
der (!)  einfach  ignoriert,  müssen  wir  um  so  lebhafter  bedauern,  je  öfter 
uns  sonst  die  vielseitige  Belesenheit  und  das  durchgebildete  Wissen  des 


A.  Z(mmhi,  Weltgeschichte  n.  s.  w.,  ang.  v.  Fr.  Krones,       185 

Vü's  ZOT  Anerkennung  nöthigt  Ebenso  wenig  würden  wir  Anschauungen 
das  Wort  reden,  die  uns  das  Geschichtsbuch  unter  anderem  von  den  Bettel- 
orden (S.  287),  von  P.  Boni&z  VIII.  (S.  289)  aufdrängen  will,  und  sie  be- 
fromden  xob  um  so  mehr,  sobald  wir  damit  z.  B.  die  humane  und  Tor- 
irtheikfreie  Charakteristik  Gir.  Savonarola's  (S.  435)  zusammenstellen.  Wir 
dtbrfeii  anderseits  das  Bestreben  des  Vf/s  billigen,  der  Slavengeschichte 
gerechter  zn  werden,  als  dies  gemeinhin  der  Fall  ist,  und  doch  nicht  da- 
mit ei]iT«rstanden  sein,  dass  der  Vf.  dem  universalhistorischen  Gesichts- 
pfonde  nun  Trotz  der  polnischen,  besonders  aber  der  russischen  Geschichte 
licht  selten  einen  Umfang  verleiht,  der  mit  der  Behandlung  des  Geschichts- 
lebeiiB  der  Weströlker  in  gar  keinem  Verhältnisse  steht.  Nirgends  tritt 
dies  greller  zu  Tage,  als  z.  B.  S.  269—70,  wo  sämmtliche  Grofsfürsten  von 
Kiew  ans  dem  Hanse  Burik  und  alle  Gewaltherrcn  von  Susdal  innerhalb 
der  J.  1U3— 1241  n.  1157—1363  angeführt  erscheinen. 

Endlich  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  gerade  den  schulmäfsi- 
gsB  Qebranch  des  Buches  der  völlige  Abgang  aller  geneulogichen 
Tabellen  und  Quellen-  oder  Literaturnachweise  erschwert. 
Erstere  sind  fUr  manche  Partie  der  mittelalterlichen  Geschichte  dem  Schüler 
durchaus  nnentbehrlich,  letztere  mindestens  dem  weiterstrebenden  gleich- 
wie dem  Lehrer  höchst  willkommen  und  sollten  am  wenigsten  in  einem 
Bache  fehlen,  dessen  Verf.  so  viel  Gewicht  auf  das  „Quellenstudium''  des 
Historienschülers  legt  (Brochure  S.  37). 

Als  Schlussergebnis  unserer  Besprechung  stellen  wir  somit  die 
Uebenengong  hin,  dass  Hm.  Zaraöski's  mit  grofsem  Fleiüise  und  anerken- 
mingswerther  Sorgfalt  gearbeitetes  Geschichtswerk:  zufolge  seiner  zweck- 
widrigen Anlage  für  den  öffentlichen  Unterricht  als  Schulbuch  nicht 
verwendbar  sei.  In  dieser  Ueberzeugung  festigt  uns  auch  ein  doppeltes 
infserliches  Moment.  Einerseits  hat  nämlich  der  Verf  seine  com- 
pendiarische  Darstellung  der  Weltgeschichte  mit  der  christlichen  Acra  be- 
gonnen und  die  Bearbeitung  der  antiken  Universalhistorie  einer  späteren 
Zeit  vorbehalten,  also  gerade  die  naturgemäfs  vorangehende  als  Bildungs- 
dement  wichtige  Partie  der  orientalisch -hellenischen  und  römischen  Ge- 
schichte umgangen;  anderseits  überschreitet  schon  der  präliminierte  Um- 
kog  des  Werkes  (2  Bde.  1—1500  v.  Chr.,  2  Bde.  verehr.  Zeit  und  gewiss 
2  Bde.  nenere  Geschichte,  Summa  an  6  starke  Bände)  die  Maximalleistung 
der  Mittelschule.  Der  Privatunterricht  kann  jedoch  aus  dem  Buche  vicl- 
Kitigen  Nutzen  ziehen,  besonders  aber  der  gebildete  Autodidakt  sich  mit 
Vortheil  desselben  bedienen.  Endlich  findet  auch  der  Lehrer  darin  vieles 
fördernde. 

Da  die  eigentliche  Aufgabe  unserer  Besprechung  in  der  Kritik  der 
Methode  liegt,  so  glauben  wir,  Berichtigungen  der  einzelnen  Data  nur 
auf  die  strengste  Auswahl  beschranken  zu  sollen,  indem  wir  nochmals 
die  Sorgfalt  des  Vf  s  anerkennend  hervorheben.  Wir  wählen  dieselben 
Tonugsweise  aus  der  vaterländischen  Geschichte,  indem  der  Vf.  (Brochure 
8. 39)  den  vaterländischen  Standpunct  des  Lehrers  als  Verptlichtung  seines 
Berufes  betont 

Zduehtitt  t.  cI.  ö«ter  Oymn.  I)j6&.  U.  u.  III.  Ucfi.  13 


186       St.  Zaramki,  Weltgeschichte  tu  s.  w.,  ang.  v.  Fr.  Kranei. 

S.  9  wäre  die  Scheidung  einer  „Mark  ad  Rapam  und  Celeja*  xidi- 
tiger  mit  der  Bez.  obere  und  untere  Kärntner -Mark  zu  vertauschen.  ~ 
S.  10  (vgl  S.  50).  Die  f&r  das  Verständnis  der  Senioratserbfolge  Ton  106& 
unentbehrliche  Angabc  der  mahrisch-(böhmischen)  Theilhenogthümer  fehlt 

—  S.  11  (vgl.  S.  107,  168).  Bei  der  Ossolinski^schen  Coigectur  eines  slld- 
karpatischen  Königreiches  Galics,  der  der  Yf.  blindlings  folgt,  hätte  be- 
merkt werden  sollen,  dass  sie  zunächst  auf  einer  verworrenen  Stelle  der 
Cronica  Hungarorum  (Endl.  Mon.  Arp.  S.  71—72,  cap.  7)  beruht  und  deren 
topographische  Unklarheiten  ausbeutet.  Das  Gleiche  gilt  von  der  Hypo- 
these, die  in  Ruscia,  Ruzia  das  alte  „Rugilant**  findet.  Kroatien  und  üb- 
gam  schied  nicht  die  Save,  sondern  die  Drau.  —  S.  38  fehlt  die  wichtige 
Beziehung  Islands  zu  Scandinavien  und  die  nonnänn.  Colonis.  N.  Amerilrai, 

—  S.  47.  Die  Einsetzung  der  Babenb.  in  die  Ostmark  ist  noch  immer  996 
(und  Otto  m.  st.  Otto  n.)  statt  976  datiert  —  S.  63  fehlen  die  entsehei- 
denden  Kämpfe  Stefans  zur  Ausdehnung  der  Reichsgrenze  nach  Süden, 
namentlich  gegen  Achtum,  Fürsten  von  Csanad.  Desgleichen  wird  dee  Ein- 
flusses des  h.  Gerhard  auf  die  kön.  Familie  und  des  wichtigen  liber  S. 
Steph.  regis  de  niorum  institutione  nicht  gedacht  —  S.  85  fehlt  die  An- 
gabe von  der  Ausscheidung  eines  besonderen  Reichstheiles  in  der  Zeit  An- 
dreas L,  Salomons  und  später  zu  Gunsten  arpadischer  Agnaten.  —  S.  109 
wird  zum  12.  Jahrhunderte  von  einem  „Herzogthume**  Trient  gesprodMB. 

—  S.  104  lässt  der  Verf.  die  Görzer  Grafen  für  das  12.  Jahrh.  in  den  Be- 
sitz der  „Kärntner  Mark«"  treten.  —  S.  105  (vgl.  S.  150).  Die  factische  Er- 
werbung der  Steiermark  durch  die  Babenberger  gehört  zum  J.  1192,  nicht 
1186.  —  S.  114.  Für  die  richtigere  Beurtheilung  Heinrichs  VL  a.  d. 
Hohenst  H.  wäre  eine  Rücksicht  auf  AbeFs  und  Ficker^s  Arbeiten  forder- 
lich gewesen.  —  S.  168  fehlt  die  Erörterung  der  ungarischen  Thronfrige 
vom  Standpuncte  der  ungar.  und  byzant  Anschauung.  —  S.  181  ist  die 
Bedeutung  der  Donauländer  für  den  Handel  zufolge  der  Kreuzzüge  üher- 
sehen  (vgl.  Heeren,  Hüllmann,  Beer).  —  S.  247  lässt  der  Yert  die  Bahen- 
bergerin  Margaretha  zum  J.  1246  im  Kl.  zu  Würzburg  verweilen,  statt  lU 
Heimburg  in  Oesterr.  —  S.  249  blieb  für  die  „Olmützer  Mongolensclüacht*^ 
SchwammeFs  Arbeit  unberücksichtigt  —  S.  371  ist  keine  Rücksicht  auf 
K.  Johanns  von  Böhmen  innere  und  äussere  Politik  genommen.  —  S.  411 
fehlt  jede  Andeutung  über  das  innere  Wesen  der  Prager  und  Wiener  Uni- 
versität —  S.  491  ignoriert  der  Verf.  K.  Georg  Podiebrad's  Bestrebung^ 
um  die  deutsche  Krone.  —  S.  505  wird  der  Krieg  Matthias  Eorrinus'  um 
Böhmen  mit  dessen  natürlichem  Sohne  Johann  in  Verbindung  gehradit» 
was  chronologisch  jedes  Einklanges  enthehrt. 

Graz.  Fr.  Krones. 


DommeriA,  Lehrb.  d.  vergl  Erdkunde,  an^.  v.  M.  Wretschko.    187 


Ldurbuch  der  vergleichenden  Erdkunde  f&r  Gymnasien  und  andere 
Mhere  üntenriditBanstalten,  in  drei  Lehrstnfen,  von  Dr.  F.  Do  mm  e- 
rieb,  Lebier  am  Gymnasiom  zn  Hanau.  Herausgaben  von  Dr.  Th. 
Flatbe,  Oberlebr^  am  k.  Gymnasium  lu  Plauen.  1.,  2.  und  3.  Lehr- 
itofe.  Leipsg,  Teubner,  19ß2/eS,  —  2  Thlr.  9  Sgr. 

In  den  meisten  geographischen  Lehrbüchern  der  neueren  Zeit  wird 
den  Thatiaehen  auf  dem  Gebiete  der  Thier-  und  Pflanzengeopraphie,  ihrem 
gewtimiMgen  und  ursachlichen  Zusammenhange  ein  gröDserer  oder  ge- 
ringenr  Spielraum  gegönnt.  Dies  findet  auch  im  ausgedehnteren  Ma&e  in 
den  drei  Lehrstufen  des  vorliegenden  Lehrbuches,  namentlich  in  der  zwei- 
ten Lehistufe,  statt  Da  jedoch  Thier-  und  Pflanzengeographie  Disciplinen 
ifakly  die  sidi  genetisch  am  besten  als  Zweige  der  Naturgeschichte  ansehen 

nnd  fkctiaeh  aoeh  meist  von  Zoologen  und  Botanikern  cultiviert 
so  ist  eine  kritische  Sichtung  des  Materiales  für  den  Geographen 
nm  Fach  keine  kleine  Au^bel  Es  wird  mir  gestattet  sein,  in  Kurzem 
darftber  in  beriehten,  wie  der  Hr.  Verf.  dieselbe  gelöst  hat 

Der  betreifende  Abschnitt  ist  in  jedem  Theile  als  Geographie 
der  Producte  überschrieben  und  wird  nach  den  drei  Capitelu:  Geographie 
te  Mineralien,  der  Pflanzen  und  der  Thiere  behandelt  in  der  Art, 
da»  in  der  ersten  Lehrstnfe  die  wichtigsten  Thatsachen  gegeben  werden, 
wlliTOid  die  zweite  und  dritte  sie  ergänzt  und  erweitert,  und  ihren  Causal- 
nszu  besonders  betont  Was  zunächst  die  Geographie  der  Mineralien  be- 
tilit,  ao  ist  da  nur  auf  einige  wenige  in  gewerblicher  Beziehung  bedeut- 
«me  Arten  Rücksicht  genommen  und  sind  die  ergiebigeren  Fundorte  der- 
i  angeführt  worden.  Diesem  Abschnitte  gegenüber  muss  hervorgehoben 
bss  eine  Geographie  der  Mineralien  derzeit  nicht  existiert  und 
überbaopt  wahrscheinlich  nie  existieren  wird,  da  die  Yertheilung  organi- 
leber  Prodnete  in  der  Erdrinde  keiner  Gesetzm&Tisigkeit  unterworfen  tu 
sein  adieint  Wir  billigen  das  Weglassen  dieses  Capitels  in  der  dritten 
Lehntnfe,  würden  sie  auch  in  der  zweiten  schon  gerne  vermissen.  Die 
Angabe  der  Fondorte  ist  mitunter  mangelhaft,  wie  bei  Eisenspath,  Granat, 
Wbet  (zweite  Lehrstufe),  und  zu  unbestimmt,  denn  durch  Bemerkungen, 
wie  Tupfer  konmit  in  Oesterreich,  Blei  in  Nordamerika  vor",  wird  man 
wenig  belehrt 

Am  botanischen  Theile  haben  wir  auch  einiges  auszustellen.  Das 
Moos  an  den  ttumen  ist  kein  passendes  Beispiel  einer  Schmarotzerpflanze. 
Bei  der  Besprechung  der  Verschiedenheiten  der  Vegatation  in  den  einzelnen 
Erdtheilen  heillrt  es  im  Puncte  2:  „Die  Zahl  der  Arten,  Gattungen  und 
Funilien  nimmt  von  den  Polen  nach  dem  Aequator  hin  zu,"  während  dies 
nur  von  den  Phanerogamen  gilt,  von  den  Kryptogamen  hingegen 
das  entgegengesetzte.  Bei  der  Aufzählung  der  Pflanzenregionen  (zweite 
Ldmtnfe  S.  81)  hatte  der  gröl^ren  Deutlichkeit  wegen  die  geographische 
Breite  angegeben  werden  sollen,  für  welche  diese  Stufenfolge  gilt. 

Bezüglich  des  Thierreiches  sind  zwei  Unrichtigkeiten  hervorzuheben: 
in  der  Fanna  tersdiiedener  Zonen  (erste  Lehrstufe)  werden  der  Scorpion 

13  ♦ 


188        E,  Desor,  Der  Gebirgsbau  der  Alpen,  ang.  v.  R  8u$fiL 

und  die  Tarantel  unter  die  Insecten  gerechnet,  was  kein  neues  System 
mehr  thun  kann,  und  der  Laternenträger  wird  als  Fenerfliege  anige- 
führt,  was  nach  neueren  Beobachtungen  falsch  ist. 

Im  ganzen  genommen  darf  die  Wahl  und  Anordnong  des  Stoffes, 
so  wie  die  nach  den  Lehrstufen  zunehmende  AosfÜhrlichkeit  in  der  Be- 
handlung desselben  als  ziemlich  gelungen  angesehen  werden;  dMS  neuere 
Resultate  nicht  genug  berücksichtigt  wurden,  ist  zwar  zugegeben,  Itot 
sich  jedoch  dadurch  entschuldigen,  weil  dieselben  zerstreut  in  Terschiedenen 
Schriften  und  Werken  und  fast  gar  nicht  in  Gompendien  zusammengesteUt 
vorkommen. 

Laibach.  Dr.  M.  Wretschko. 


E.  Desor:  Der  Gebirgsbau  der  Alpen.  150  S.  8®.  Mit  einer  Karte 
in  Farbendruck  und  12  Holzschnitten.  Wiesbaden.  Kreidel,  1865.  — 
1  Thlr. 

Ein  Fachmann  von  bedeutendem  Rufe  hat  es  in  diesem  kleinen  Buche 
unternommen,  das  anerkannt  schwierigste  Problem  der  straügraphiteheii 
Geologie  in  fasslicher  Weise  darzustellen  und  zwar,  wie  die  Vorrede  sagt, 
zum  Gebrauche  der  Lehrer  der  Geographie  an  den  höheren  Lehranstalten 
der  Schweiz.  Je  seltener  heutzutage  noch  ähnliche  Versuche  sind,  mit  im 
so  grösserem  Interesse  werden  sie  angenommen,  und  Refl  gesteht,  dMi 
auch  er  mit  groiüser  Spannung  an  die  Leetüre  dieser  Schrift  gegangjsn  kt 
Die  Enttäuschung  war  eine  vollständige.  Wenn  auch  der  Hr.  Ver£  seUwl 
zugibt,  „es  dürften  namentlich  die  ihm  weniger  bekannten  östlichen  Tkiile 
der  grol^n  Kette  mancherlei  zu  wünschen  übrig  lassen,  und  sei  jede  finennd- 
liche  Berichtigung  um  so  willkommener**,  so  ist  doch  die  Zahl  und  die  Art 
der  Irrthümer,  welche  in  Bezug  auf  die  östlichen  Alpen  hier  ausgestochen 
sind,  so  auiüserordentlich,  dass  eben  nur  die  Achtung  vor  dem  Rufe,  wel- 
chen der  Hr.  Verf.  auf  anderem  Gebiete  sich  erworben  hat,  überhaupt  nur 
Richtigstellung  eines  Theiles  derselben  Veranlassung  geben  kann.  Man  tränt 
in  der  That  seinen  Augen  kaum,  wenn  man  auf  der  beigeschlossenen  Karte 
die  Mürz  als  Leitha  bezeichnet  sieht,  oder  wenn  wiederholt  von  den 
Adompter  Alpen  (S.  49  u.  66)  die  Rede  ist,  unter  welchen  wahrschein- 
lich die  Umgegend  des  Stiftes  Admont  (ad  montem)  zu  verstehen  isi^ 
oder  wenn  gar  S.  123  unter  den  Alpen-Seen  „in  Niederösterreich  dar 
Neusiedler-See,  südlich  von  Wien**  angeführt  wird.  Lassen  wir  je- 
doch solche  Verstörte  bei  Seite  und  wenden  wir  uns  dem  wesentlichen  In- 
halte des  Buches  zu. 

Es  umfasst  dasselbe  fünf  Abschnitte,  unter  den  Aufschriften:  L  Oror 
graphie;  2.  Geologie;  3.  Beziehungen  zwischen  Geologie  und  Orographie^ 
4.  Erratische  Erscheinungen  in  den  Alpen  und  5.  Deutung  der  Alpen-See^n. 

Das  Wort  „Orographie**  ist  hier  keineswegs  in  dem  üblichen  Sinne^ 
nämlich  als  eine  Schilderung  der  äufseren  Gestaltung  des  Bodens  genommen; 
mindestens  findet  sich  im  ersten  Abschnitte,  der  dieses  Wort  als  lieber- 
Schrift  trägt,  ein  ganz  anderes,  allerdings  nicht  minder  interessantes  Ca- 
pitel  der  Alpen-Geologie  besprochen.  Die  42  Seiten ,  welche  derselbe  m- 


SL  Dtsar,  Der  G«birg8l)an  der  Alpen,  ang.  v.  E.  Suefs,       180 

CuBi,  sind  gani  der  Feststellimg  des  Begriffes  nCentral-Masse**  tind  der 
SchüdeniBg  der  einzelnen  Massen  gewidmet.  Der  Hr.  Verf.  führt  die  Central- 
Musen  hier  beil&nfig  im  Sinne  B.  Stader*s  auf,  vermehrt  jedoch  ihre 
Auahl  tbeils  doreh  Anerkennung  der  Selbständigkeit  mehrerer  kleinerer 
Massen  im  Westen  nnd  theils  dadnrch,  dass  er,  die  gerechtfertigte  Vorsicht 
Stader*B  bei  Seite  setzend,  durch  die  ganzen  Ost-Alpen  hin,  bis  Wien  und 
bisWarasdin,  neue  Central-Massen  ausscheidet  und  benennt— ein  Versuch, 
der,  wie  leicht  einzusehen  ist,  nur  bei  gründlichster  Kenntnis  der  neuesten 
vorU^^den  Arbeiten  und  nach  einer  speciellen  Untersuchung  des  Gebirges 
selbst  einige  Aussicht  auf  Erfolg  hätte  haben  können.  So  treffen  wir  denn 
hier  auf  zahlreiche  Misgriffe;  so  ist  gleich  unter  den  ersten  Beispielen 
(S.  11)  der  Venediger  als  ein  Lappen  von  Sedimentgestein  zwischen  den 
Massen  der  Tauem  nnd  der  Drau  angeführt,  während  gerade  dieser  Berg 
SOS  Centralgneis  besteht,  wie  der  Hr.  Verf.  selbst  bei  dem  Niederschreiben 
fon  8.  38  gewnsst  zu  haben  scheint,  und  ebenso  sind ,  um  von  der  Art  der 
Ausscheidung  nicht  zu  sprechen,  die  Benennungen  der  meisten  östlichen 
Massen  auf  etne  sonderbare  Weise  veigriffen.  Der  Ortles  besteht  aus  jün- 
gerem Sedimentgestein  und  kann  niemals  einer  Centralmasse  den  Namen 
geben,  welche,  wenn  sie  als  selbständig  anzusehen  ist,  den  Namen  der 
Zufall-  oder  Veneziamasse  tragen  sollte;  jene  Centralmasse,  welche  hier 
unter  dem  ganz  vagen  Namen  der  Masse  der  Tauem  angeführt  wird,  ist 
Sturms  Oentralmasse  des  Hochnarr;  weder  die  Spitze  des  Ankogels  noch 
Semmering  bestehen  aus  den  Gresteinen  der  Centralmassen.  Die  höchst 
wichtigen  gemeinschafilichen  Arbeiten  von  Stur,  Peters  und  Lipoid,  welche 
im  Jahrbuohe  unserer  geologischen  fieichsanstalt  für  1854  veröffentlicht 
wurden,  und  welche  einen  auf  thatsächliche  Beobachtungen  gegründeten 
Vemich  zur  Gliederung  der  Centralmassen  in  dem  weiten  Gebiete  vom 
Venediger  bis  zum  Hoch-Golling  enthalten,  scheinen  dem  Hm.  Verf.  un- 
bekannt geblieben  zu  sein. 

Wie  schwankend  übrigens  auch  im  Westen  die  Ansichten  des  Hm. 
Verf.*s  sein  mögen,  geht  aus  den  Wandelungen  hervor,  welche  das  Buch 
selbst  erkennen  lässt  S.  11  wird  gesagt,  Studer  habe  19  Centralmassen 
ontersdueden,  der  Hr.  Verf.  aber  glaube  ihrer  36  unterscheiden  zu  können. 
Die  fidgende  Detaübeschreibung  führt  nur  bis  Nr.  35,  weil  es  S.  36  nicht 
gewagt  wurde,  die  Porphjrmasse  „derTrientiner  Alpen**  den  anderen  Central- 
Blassen  als  gleichwerthig  anzureihen ;  es  erscheint  dieselbe  daher  unter  XXVI, 
bis,  gleichsam  als  ein  Anhang  zur  sogenannten  „Centralmasse  des  Ortles". 

Im  Schlnssverzeichnisse  der  Centralmassen  (S.  150)  dagegen  ist  die 
Oentralmasse  der  „Trientiner  Alpen"  dennoch  mit  selbständiger  Nummer 
angeführt  und  nichts  destoweniger  hier  die  Gesammtsumme  nur  auf  33 
«bradit,  welche  noch  dazu  in  anderer  Ordnung  aufeinander  folgen.  Die 
gsringere  Anzahl  aber  rührt  daher,  dass  ohne  weitere  Angabe  eines  Grun- 
des die  Ifassen  V  (der  Sesia),  VIII  (der  Vannoise)  und  XXIV  (die  Stilfser- 
masse)  hinweggelassen  sind.  —  Will  man  endlich  die  Ziffern  der  Ueber- 
sichtskarte  benützen,  so  zeigt  sich,  dass  diese  nicht  mit  dem  unmittelbar 
tontehenden  Sehlussverzeichnisse ,  sondern  mit  dem  früheren  Texte  über- 


100        E.  Desor,  Der  Gebirgsbau  der  Alpen,  ang.  t.  E.  iS^/k 

Der  zweite  Abschnitt,  unter  der  Ueberschrift  n^eologie",  gibt  dk 
Gliederung  der  geschichteten  Grebilde  der  Alpen  an.  Er  ist  in  Belüg  anf 
die  Ostalpen  nicht  minder  unglücklich  abgefiu»t,  als  der  erste.  So  trifit 
man  schon  in  dem  ersten  Absätze  (S.  47)  die  Kalke  der  Umgebong  won 
Gratz  zur  silurischen  Epoche  gezählt  (ebenso  S.  88),  obwohl  sie  Ton  deTO- 
nischem  Alter  sind.  Bei  Besprechung  der  Steinkohlenformation  aind  offea- 
bar  die  pflanzenführenden  Schiefer  der  Stangalpe  übersehen  wcnrden,  welche 
doch  80  grofse  Aehnlichkeit  mit  jenen  der  Tarentaise  besitzen,  und  «m  die 
sonderbare  Ansicht  zu  widerlegen,  dass  die  Ostalpen  in  Bezug  anf  die  Ent» 
Wickelung  der  Ereidefomiation  minder  begünstigt  seien,  reicht  ee  wohl  hin, 
dass  man  an  den  Karst  und  Istrien  erinnere,  oder  an  die  Gosanbildnngen 
am  Nordgehänge,  deren  reiche  Fauna  bereits  für  sich  allein  eine  Literatur 
besitzt,  welche  jedoch  hier  (S.  60)  nur  ganz  beiläufig  und  zwar  auf  Gtmbd^t 
Autorität  hin  im  Turonien  erwähnt  werden.  —  In  Bezug  auf  die  jüngeren 
Tertiär -Ablagerungen  steht  der  Hr.  Verf.  auf  einem  Standpuncte,  der  in 
Wien  als  ein  lange  überwundener  angesehen  wird,  und  das  Lob,  welches 
am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  unserer  geologischen  Beichsanatalt  ertheilt 
wird,  lässt  den  Leser  nur  um  so  mehr  staunen,  warum  denn  die  Arbeiten 
dieser  Anstalt  nicht  häufiger  zu  Rathe  gezogen  wurden. 

Im  dritten  Abschnitte  ist  die  Structur  der  Alpen ,  soweit  sie  die 
Centralmassen  betrifft,  erläutert.  Hier  ist  es,  wo  man  in  der  Gruppienmg 
der  drei  concentrischen  Kreise  der  westlichen  Massen  den  heryorragendsten 
Theil  der  Schrift  findet;  kein  Fachmann  wird  diese  Seiten  ohne  Intereew 
lesen,  und  niemand  wird  läugnen,  dass  ee  eine  grofte  und  kühne  Idee  ist, 
welche  der  Hr.  Verf.  ausspricht^  indem  er  (S.  84)  diese  Reihen  von  Central« 
massen  als  ebensoviele  gleichzeitig  entstandene  Faltungen  ansieht ,  analog 
den  Faltungen  unserer  Nebenzonen.  Befriedigen  wird  diese  originelle  An- 
sicht allerdings  nur  wenige,  denn,  abgesehen  von  der  petrographisdifln 
Verschiedenheit  der  Massen,  drängt  sich  sofort  die  Frage  anf,  wo  denn 
dann  die  eigentliche  Hebungsaxe  liege,  von  wo  denn  der  anfiMrordentliche 
Seitendruck  ausgegangen  sei,  welcher  solche  Stauungen  hervorzubringen  im 
Stande  war. 

Einige  der  allerwichtigsten  Capitel  über  den  Bau  der  Alpen  sind 
aber  ganz  mit  Schweigen  übergangen.  Der  Leser  erfährt  nämHcfa  von  dem 
Baue  der  grofsen  Nebenzonen,  von  ihren  parallelen  Faltungen,  welche  ins- 
besondere für  die  ganzen  nordöstlichen  Alpen  so  bezeichnend  sind,  so  wie 
von  der  eigenthümlichen  Vertheilung  der  Kreidebildungen  in  den  Bruch- 
linien nicht  ein  Wort.  Die  grossen  Querlinien  des  Rbeinthales  und  von 
Wien,  welche  in  den  Karpathen  an  der  Hemad  ihr  Analogon  finden,  sind 
gar  nicht  erwähnt  und  über  die  Beziehungen  vulkanischer  Gebilde  zn  den 
Centralmassen  trifft  man  auch  nicht  die  geringste  Andeutung.  Ja  ni^ 
einmal  die  anticlinale  Linie  (oder  stellenweise  Doppellinie)  der  Molaase  iiSt 
genannt  Dieser  wichtigste  Abschnitt  des  Buches  enthält  also  zwar  einen 
gewagten  Gedanken  in  Bezug  auf  die  gegenseitigen  Beziehungen  der  west- 
lichen Centralmassen,  ist  aber  im  übrigen  höchst  unvollständig. 

Die  beiden  letzten  Abschnitte  besprechen  Erscheinungen,  welche  mit 
dem  Gegenstande,  den  der  Titel  des  Buches  nennt,  nur  in  untergeoirdBeter 


L,  Wkae,  Das  preoüs.  Schulwesen,  ang.  t.  F.  Hoehegger,       191 

oder  in  gar  keiner  Yerbindiing  stehen.  Es  genüge  hier  erwähnt  zn  hahen, 
da»  die  Darstellung  der  erratischen  Erscheinungen  eine  sehr  gelungene 
ist,  wie  dies  ehen  nicht  anders  Ton  einem  Manne  zu  erwarten  war,  der 
selbst  80  grolke  Verdienste  um  die  Lösung  dieses  RSthsels  sich  erworhen 
hat  In  Bezog  auf  die  Bildung  der  Seen  sind,  wie  der  Hr.  Verf.  selbst 
nigeBteht,  die  Meinungen  noch  ziemlich  getheilt  und  mdchte  sich  Ref.  hier 
lieber  auf  die  Seite  B.  Studer*s  stellen. 

Im  ganzen  muss  also  mit  aufrichtigem  Bedauern  wiederholt  werden, 
dass  diese  Schrift  durch  ihren  Inhalt  nicht  dem  Maf^stabe  entsprochen  hat, 
den  man  an  die  Schriften  des  berühmten  Autor*8  zu  stellen  gewohnt  ist, 
und  dass  dieselbe  wegen  der  zahlreichen  Unrichtigkeiten,  welche  sie  in 
Bezug  auf  die  östlichen  Alpen  enth&lt,  für  den  Gebrauch  österreichischer 
Lehrer  nicht  empfohlen  werden  kann. 

Wien.  E.  Suefs. 

Das  höhere  Schulwesen  in  Preufsen.  Historisch-statistische  Dar- 
stellung, im  Auftrage  des  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medidnal- Angelegenheiten  herausgegeben  von  Dr.  Ludwiff  Wiese, 
Geh.  Ober-Bc^erunesrath  u.  s.  w.  Berlin,  Wiegandt  u.  Grieben,  1864. 
XX  u.  740  S.  Mit  äner  üebersichtskarte.  —  4Thhr.lOSgr. 

Selten  dürfte  Lesern,  die  sich  einen  genauen  Einblick  in  den  Zustand 
des  höheren  Unterrichtes  in  einem  durch  die  Pflege  der  Schule  seit  langer 
Zeit  herronagenden  Staate  verschaffen  wollen ,  ein  Werk  von  so  reichem 
ud  so  belehrendem  Inhalte  geboten  worden  sein ,  als  die  oben  genannte, 
aus  amtlichen  Quellen  geschöpfte  übersichtliche  Darstellung  des  gesamm- 
ten  höheren  Schulwesens  in  Preufsen.  Aber  auch  nur  selten  dürften  dem 
HienHisgeber  eines  solchen  Werkes  so  umfusende,  das  einzelne  erschöpfende 
Materalien  zu  Gtobote  gestanden  und  in  ihm  zugleich  sich  alle  jene  Eigen- 
sdiaften,  die  zu  Bewältigung  eines  so  massenhaften  Stoffes  unentbehrlich 
sind,  Tereinigt  haben,  wie  dies  bei  vorliegendem  Werke  und  dessen  Ver- 
gaser, Herrn  Dr.  Ludw.  Wiese,  der  Fall  ist  Jahrelange,  auf  den  ver- 
schiedenen Stufen  des  Lehramtes  gewonnene  Erficihrung  im  Schulwesen, 
eiagehendes  Studium  der  historischen  Entwickelung  des  preuf^ischen  Unter- 
riditswesens  im  Zusammenhange  mit  der  Entwickelung  des  preufsischen 
Staatsorganiamus  überhaupt,  endlich  eine  einflussreiche  Stellung  in  der 
ünterrichtaverwaltung,  von  der  aus  ein  freier  Ueberblick  über  die  Gksammt- 
beit  des  betreffenden  Gebietes  und  zugleich  Einsicht  in  manche  sonst  weni- 
ger zugingliche  Theile  desselben  gewonnen  werden  kann,  diese  Eigenschaf- 
ten sind  es  vornehmlich,  welche  dem  Hm.  Vf.  bei  Ausarbeitung  des  vor- 
hegenden  Werkes  so  sehr  zu  statten  kamen.  Und  wie  das  Werk  seinem 
guizen  Inhalte  nach  Zeugnis  ablegt  von  der  hohen  Stufe,  die  das  höhere 
Sdralweaen  in  PreuHsen  erreicht  hat,  so  legt  es  ebenso  vollgiltiges  Zeugnis 
ab  von  der  innigen  Vertrautheit  des  Hm.  Vf.'s  mit  seinem  Gegenstande, 
ehier  Vertrautheit,  die  es  ihm  allein  möglich  machte ,  den  massenhaften 
Stoff  zu  beherrschen,  ihn  zu  sichten  und  zu  ordnen  und  auf  diese  Weise 
dem  Leser  ein  ebenso  genaues  ah  klares  Bild  von  dem  Zustande  des  preufsi- 
Kbeo  ünteiriohtBwesens  vor  das  Auge  zu  führen. 


me       £.  Wiese,  Das  preullä.  Schulwe«en,  ang.  ▼.  F.  übe^^ifsf««*. 

Der  enge  Baum  dieser  Anzeige  gestattet  es  nicht,  auf  den  übenuu 
reichen  Inhalt,  den  das  fragliche  Werk  bietet,  hier  im  einsefaien  eiim- 
gehen:  ohnehin  wird  sich  bei  wiederholten  Anlassen  Gelegenheit  genug 
bieten ,  besonders  wichtige  Partien  desselben  in  diesen  Blattern  in  be- 
sprechen. Wir  beschränken  uns  daher  Torlaafig  darauf,  erstlich  eine  ge- 
drängte Uebersicht  über  dessen  Inhalt  und  seine  Gliederung  zu  geben,  dann 
einige  Puncte,  die  zu  Vergleichung  mit  unseren  heimischen  Schulxostiiidaii 
besonders  auffordern,  kurz  lu  berühren. 

Das  ganze  Werk  zerfallt  in  sechs  Abschnitte  und  einen  Anhang. 
Der  erste  Abschnitt,  „Die  Unterrich  tsver  waltun  g**  (S.  1—16),  gibt 
eine  gedrängte  Uebersicht  der  Entstehung  so  wie  der  Gliederung  der  gegen- 
wärtig bestehenden  staatlichen  Leitung  des  höheren  Unterrichtsweseas  in 
Preofsen.  Interessant  zur  Vergleichung  ähnlicher  Verhältnisse  in  Oester- 
reich  ist  der  geschichtliche  Nachweis,  dass  eine  das  gesamrote  Schnlweeen 
des  Staates  umfassende  Centralverwaltung  in  Preufsen  erst  in  diesem  Jahr- 
hunderte gegründet  worden  ist,  während  früher  theils  die  gesetzlichen  Or- 
gane der  Kirche,  theils  jene  tou  Provinzen,  Gemeinden  oder  anderen  Cor- 
poraiionen  einen  maligebenden  Einfluss  auf  Schulangelegenheiten  ausübten. 
Wichtige  Vergleichungspuncte  bietet  femer  die  Darstellung  der  Provincial- 
verwaltung  des  höheren  Schulwesens  (S.  5  ff.),  insbesondere  die  freilich  sehr 
gedrängte  Darlegung  des  Bestandes  und  Wirkungskreises  der  acht  Pro- 
vinciulschulcollegien  (vgl.  S.  16  fi.  die  namentliche  Aufzählung  sämmtlicher 
Provincial  -  Schulbehörden) ,  deren  Einrichtung  in  mancher  Beziehung  an 
jene  der  Landesschulbehörden  erinnert,  wie  sie  in  Gestenreich  vor  dem 
J.  1854  bestanden. 

Der  zweite  Abschnitt,  „Die  verschiedenen  Arten  der  höhe- 
ren Schul  en'^  (S.  20—49),  handelt  von  der  Einrichtung  und  Lehrver- 
fassung der  Gymnasien,  Progymnasien,  Realschulen,  höheren  Bürgerschulen 
und  Alumnate.  Die  beigefügten  Normallehrpläne,  für  Gymnasien  vmn 
J.  1856 ,  für  Realschulen  vom  J.  1859,  bezeichnen  nur  im  allgemeinen  die 
Richtung,  welche  beide  Gattungen  von  Schulen  zu  nehmen  haben,  um  das 
ihnen  gesteckte  Ziel  zu  erreichen ;  sie  sind  aber  nicht  in  der  Absicht  fest- 
gesetzt, um  für  die  einzelnen  Lehranstalten  in  allem  und  jedem  als  nnab- 
änderliche  Vorschrift  zu  gelten,  sondern  innerhalb  ihres  Rahmens  eeU  der 
lebendigen  Entwickelung  des  Schulwesens  je  nach  provinciellen ,  loealen 
und  individuellen  Bedürfiiissen  der  freieste  Spielraum  gelassen  werden.  So 
finden  wir  denn  auch  vornehmlich  hei  den  Realschulen  die  mannigfaltig- 
sten Abstufungen.  Denn  neben  den  Realschulen  erster  Ordnung  mit  8 — ^9- 
jähriger  Cursusdauer  und  obligatem  Latein  bestehen  Realschulen  zweiter 
Ordnung  mit  6— Tjähriger  Cursusdauer  und  nur  ÜEbCultativem  Lateinonter- 
richt,  aufserdcm  höhere  Bürgerschulen  mit  noch  kürzerer  Cursusdauer  und 
ohne  Latein,  jedoch  mit  stärkerer  Betonung  der  Realien  und  modernen 
Sprachen.  Endlich  findet  sich  noch,  namentlich  in  der  Rheinprovinz,  nicht 
selten  die  Combination  von  Gynmasium  und  Realschule  oder  höherer  Bür- 
gerschule, eine  Einrichtung,  die  jener  der  bei  uns  in  jüngster  Zeit  gegrün- 
deten Realgymnasien  entspricht,  indem  in  der  Regel  die  Schüler  beider 
Abtheilungen  in  den  zwei  untersten  Classen  duxchw^  gemeinsam,  von  der 


L,  Wiese,  Das  preu/b.  Schulwesen,  ang.  v.  F.  Hodtegger.       lOS 

dritten  Classe  an  theilweise  getrennt  nnterrichtet  werden.  (Vgl  S.  30  den 
Plan  der  Lehranstalt  in  Neuwied.)  Diese  Mannigfaltigkeit  der  Gestaltung 
des  Realachulwesens  selbst  in  einem  Staate  wie  Preufsen,  dessen  Cultur* 
und  Spradiverhftltnisse  doch  unendlich  gleichartiger  sind,  als  z.  B.  jene 
Oesteneichs,  liefert  den  deutlichsten  Beweis,  dass  auf  diesem  Gebiete  des 
UnterrichteB  die  Durchführung  eines  gleichförmigen  Lehrplanee  nur  in  sehr 
beschranktem  MsHae  möglich  ist,  weil  eben  die  Ansprüche  jener  Classen 
der  Bev^emng,  welche  die  grölkte  Zahl  von  Schülern  für  solche  Schulen 
liefern,  je  nach  den  besonderen  Anforderungen  von  Stadt  und  Land  sehr 
versehiedea  sind.  Ein  allznstarres  Festhalten  an  einem  gleichförmigen 
Lehrplane,  zumal  in  einzelnen  Puncten,  wie  z.  B.  in  der  allgemeinen  Vor- 
schrifi  einer  8~9jährigen  Cursusdauer  oder  des  obligatorischen  Latein- 
unterrichtes  für  alle  Schüler,  könnte  am  Ende  erfiahrungsmäf^ig  nur  die 
Folge  haben,  gar  mancher  Realschule  einen  namhaften  Theil  ihrer  Schüler 
zu  entziehen  und  so  einige  Classen  derselben  verödet,  andere  ziemlich 
achwach  besucht  zu  machen.  Einige  Belege  hiefür  liefert  der  statistische 
Ausweis  über  die  Frequenz  der  preufiBischen  Realschulen,  auf  den  wir 
weiter  unten  werden  zu  sjHrechen  kommen. 

Der  dritte  Abschnitt  enthält  «historische  Nachrichten  über 
das  höhere  Schulwesen  der  verschiedenen  Provinzen  nebst  Angaben  über 
den  gegenwärtigen  Bestand  der  einzelnen  Lehranstalten.  **  Dieser  Abschnitt 
ist  unstreitig  der  umfangreichste  (S.  50 — 410),  so  wie  auch  der  reichhal- 
tigste und  geschichtlich  belehrendste  des  ganzen  Werkes.  Der  Gang  der 
Eatwiekelung  des  gesammten  höheren  Schulwesens  in  PreuXten  tritt  dem 
Leser  durch  die  genaue  Darstellung  der  Entstehung  und  Fortbildung  der 
einzelnen  Schulanstalten  in  den  einzelnen  Landestheilen  dieses  Staates 
lebendig  vor*8  Auge.  Besonderen  Dank  verdient  hiebei  die  fleifsige  Angabe 
der  Quelloi,  aus  denen  der  Hr.  Vf.  für  seine  Darstellung  schöpfte,  so  wie 
die  Anfzfthlung  der  Directoren  und  namhaftesten  Lehrer,  die  an  den  ein- 
seinen Lehranstalten  seit  ihrer  Gründung  wirkten.  Man  begegnet  darunter 
Namen,  die  zu  den  glänzendsten  in  Schule  und  Wissenschaft  gehören. 
So  I.  R  Herder,  Lehrs,  Ijachmann  in  Königsberg;  Spitzner,  Nitzsch,  Lo- 
beek  in  Wifctenbeig;  Franeke,  Niemeyer,  Wachsmuth,  Eortüm,  Peter,  Voigt, 
Drumann,  Stallbaum,  Seyffert,  Beigk,  Keil  u.  a  m.  in  Halle;  Gedike,  Spal- 
ding,  Spilleke,  Zumpt,  Passow,  Krüger,  Fr.  A.  Wolf,  Meineke,  Böckh  u.a.m. 
in  Berlin,  und  kaum  dürfte  sich  unter  der  grossen  Zahl  der  aufgeführten 
Lehranstalten  eine  einzige  finden,  die  nicht  auf  den  einen  oder  den  an- 
deren ihrer  Lehrer  mit  gerechtem  Stolze  hinweisen  könnte.  In  der  That- 
sadie  eines  aolchen  Beichthumes  an  vorzüglichen  Lehrkräften  liegt  eben 
der  Grund  jener  hervorragenden  Stellung,  die  Prenfben  in  Bezug  auf  höhe- 
les  Untefriohtswesen  unter  den  Culturstaaten  Europas  unbestritten  ein- 
mmmt  Aber  auch  die  nachhaltige  Sorgfalt,  die  man  dort  der  Heranbildung 
and  Erhaltung  eines  tüchtigen  Lehrstandes  seit  langem  gewidmet  hat, 
verdient  allüberall  wetteifernde  Nachahmung.  Wir  verweisen  in  dieser 
Hinsicht  sogleich  auf  den  sechsten  Abschnitt  des  vorliegenden  Werkes, 
„Die  Lehrer  und  das  Lehramt"  (S.  525—597).  Dort  finden  wir  die 
Sinriditang  nnd  den  Bestand  der  Lehrerseminarien  an  den  Hochschulen 


104       L,  Wiese,  Das  preoD».  Schulwesen,  ang.  y.  F,  Hoekegger. 

zu  Königsberg,  Berlin,  Greifswald,  Breslau,  Halle,  Münster  und  Bonn  kun 
angegeben,  mit  Bezeichnung  der  an  jeder  einzelnen  derselben  bestehenden 
besonderen  Abtheilungen.  Wir  erfahren  hiebei,  dass  die  philologische  Ab- 
theilung nirgends  fehlt,  die  historische  nur  zu  Berlin,  Halle  und  Münster, 
dass  aber,  zum  Unterschiede  von  den  gleichartigen  Anstalten  in  Oester- 
reich,  nicht  nur  zu  Berlin,  sondern  auch  zu  Königsberg,  Halle  und  Bonn 
auch  mathematisch-naturwissenschaftliche  Seminarien  existieren.  Ans  der 
Masse  berühmter  Namen  von  Männern,  denen  die  liOitung  dieser  Anstalten 
anyertraat  war  und  theilweise  noch  ist,  heben  wir  nur  einige  hervor,  wie 
z.  B.  Lobeck,  Herbart,  Lehrs,  Jakobi,  Schubert  in  Königsberg;  Buttmann, 
Bemhardy,  Lachmann,  Haupt,  Böckh,  Schellbach,  Herrig  in  Berlin;  Schd- 
mann,  Herz,  Schäfer,  Grunert  in  Greifewald;  Haase,  Stenzel,  Bolbbach  fai 
Breslau;  Wolf,  Bergk,  Schweigger,  Knoblauch  in  Halle;  Welcher,  Ritsdü, 
Jahn,  Nees  von  Esenbeck,  Treviranus,  Bischof,  Nöggerath,  Schacht  in 
Bonn,  und  schon  diese  Namen  mögen  eine  Vorstellung  davon  geben ,  was 
mit  solchen  Kräften  für  die  Pflege  und  Hebung  des  wissenschaftlichen 
Geistes  im  Lehrstande  der  Mittelschulen  geleistet  werden  kann. 

In  Bezug  femer  auf  die  Lehramtsprüfung  ist  zu  bemerken,  dass 
die  Vertheilung  der  Prüfungsgegenstände  in  drei  Hauptgruppen,  classische 
Philologie,  Mathematik  und  Naturwissenschaften,  Geographie  und  Ge- 
schichte, auch  nach  dem  preufsischen  Prüfungsgesetze  die  Regel  bildet, 
dass  aber  hinsichtlich  der  deutschen  Sprache,  abweichend  von  der  bezüg- 
lichen Norm  in  Oesterreich,  für  die  philologischen  LehramtsCandidaten  die 
Bestimmung  gilt:  n^er  nicht  so  viel  Kenntnis  der  deutschen  Sprache  und 
Literatur  besitzt,  dass  er  in  jeder  Classe,  selbst  der  höchsten,  mit  Nutzen 
in  der  deutschen  Sprache  zu  unterrichten  vermöchte,  kann  auf  die  unbe- 
dingte facultas  dooendi  (d.  h.  die  Befilhigung  zum  Unterrichte  für  das 
ganze  Gymnasium)  im  philologischen  Fach  keinen  Anspruch  machen.**  Nicht 
minder  wird  von  jedem  Candidaten  ohne  Ausnahme  hinreichende  Kenntnis 
in  der  französischen  Sprache,  dann  in  der  Logik,  Psychologie  und  Ge- 
schichte der  Philosophie,  so  wie  in  der  Pädagogik  verlangt  AuDBerdem 
besteht  noch  eine  eigene  Prüfungsnorm  für  Lehrer  der  neueren  Spra- 
chen und  für  jene  der  Zeichnungsfacher.  —  In  Betreff  der  Amtspflich- 
ten der  Lehrer  aber  erwähnen  wir  hlotü  den  Umstand,  dass  über  die 
Zahl  der  wöchentlichen  Unterrichtsstunden,  zu  welcher  ein  Lehrer  ver- 
pflichtet werden  kann,  eine  allgemein  verbindliche  Norm  zwar  nicht  auf- 
gestellt ist,  dass  es  aber  als  Regel  gilt,  ein  Director  habe  wöchentlich 
12—16,  ein  Oberlehrer  20—22,  ein  ordentlicher  Lehrer  22—24  Stunden 
zu  lehren,  vorausgesetzt,  dass  die  Frequenz  der  Classen  nicht  über  das 
Marimum  (40—50  Schüler)  hinausgehe  und  hiedurch  zu  viele  seitraubende 
Correcturen  veranlasse.  Diese  Anforderungen  an  den  Zeit-  und  Kraftauf- 
wand des  Lehrstandes  sind  allerdings  bedeutender  als  jene,  die  an  die 
Lehrer  in  unseren  Mittelschulen  gesetzlich  gestellt  werden.  Aber  es  ist 
hiebei  auch  anzuerkennen,  dass  in  Preufsen  ungetheilte  Classen  mit  60—70 
Schülern  doch  zu  den  Seltenheiten  gehören,  mit  einer  Anzahl  von  80—100, 
ja  130  Schülern  gar  nicht  vorkommen.  Einen  lehrreichen  Ueberblick  über 
die  Classenfrequens   und  die  Classencötns   (PanOleldassen)   •&  den 


Xb  Wime,  Das  prenft.  Sohulweaen,  ang.  y.  Ä.  Hodtegget.       105 


preuüriseheii  Mittelsehnleii  gewähren  die  statistischen  Tabellen 
fCB  8.  40^-^71,  ans  welchen  m  ersehen  ist,  dass  nur  ein  paar  nnge- 
theilte  Claasen  mit  70—^  Schülern  sich  vorfinden,  hingegen  mitunter 
sehom  Claasen  von  nnr  etwas  über  50  Schtdem  in  zwei,  von  noch  mehr 
Sdiftkfii  oft  in  drei,  ja  selbst  in  vier  Cotns  abgetheilt  erscheinen.  (Man 
TgL  hiein  beispielsweise  die  Classenfreqnenz  an  den  Berliner  Gymn.  S.  467.) 
Eine  Veigleiehnng  dieser  Schülenrerhiltnisse  mit  jenen  in  Oesterreich  föllt 
natOrlich  nidit  in  Gkinsten  der  letzteren  ans,  nnd  es  kann  nicht  oft  genng 
nnd  nicht  nachdr&ckfich  genng  wiederholt  werden,  dass  eine  mäfeige  Classen- 
freqneni,  im  Dnrdischnitte  von  höchstens  40—50  Schülern,  eine  Hanpt- 
bedingnng  flir  die  gedeihliche  Entfaltung  unseres  Mittelschulwesens  ist. 
Denn  wahr  ist  nnd  bleibt  der  Ausspruch,  zu  dem  sich  der  erfahrene  Verf. 
vorliegenden  Werkes  in  der  Vorrede  (8.  IV)  gedrungen  fühlt:  ^Die  Ueber- 
füllnng  der  meisten  öffentlichen  Lehranstalten  gehört  zu  den  grollten  Hin- 
dernisaen  einer  gesunden  Entwickelung  des  Schulwesens.  —  Die  podago- 
gisehe  Kunst  scheitert  an  der  Behandlung  dieser  Schülermassen  und  ein 
individualisierender  Unterricht  wird  dabei  unmöglich.**  Wenn  nun  solche 
Klagen  über  zu  groAc  Frequenz  schon  hinsichtlich  der  preufsischen  Mittel- 
idinlen  laut  weiden,  was  soll  man  erst  zur  abnormen  UeberfÜUung  vieler 
UBseier  Gymnasien  nnd  Bealschulen  sagen?  Man  könnte  sich  billiger- 
weiae  nnr  darüber  wundem,  wenn  in  solchen  Anstalten  unter  solchen  Ver- 
MltiiiflBen  überhaupt  noch  etwas  geleistet  wird,  nicht  aber  darüber,  wenn 
in  den  meiaten  FUlen  zum  groXton  Verdruflse  der  Lehrer  und  zum  noch 
gröterea  Nachtheile  der  Schüler  das  voigezeichnete  Lehrziel  auch  nicht 
entfernt  erreieht  wird. 

Die  Darstellung  der  Besoldungss&tze  für  die  Lehrer  an  den 
preoDriadiai  Mittelachnlen  bietet  ebenfiüls  einige  beachtenswerthe  Ver- 
gleichnngspnncte  mit  unseren  heimischen  Zuständen.  Zwar  besteht  auch 
hl  PrenDaen  für  die  aus  Staatsmitteln  ganz  oder  theilweise  erhaltenen  An- 
stalten nach  den  Standorten,  an  denen  sie  sich  befinden,  die  Abstufnng 
nach  drei  Gehaltsclassen,  so  dass,  mit  Ausnahme  von  Berlin,  wo  durchweg 
hMiere  Gehalte  normiert  sind,  zur  ersten  Classe  9,  zur  zweiten  34,  zur 
dritten  66  Stidte  mit  ihren  Mittelschulen  gerechnet  werden.  Auch  ist  für 
diese  derart  rangierten  Anstalten  ein  Normal  -  Besoldungsetat  aufgestellt, 
der  beispielswoise  von  dem  Minimum  der  Besoldung  eines  Lehrers  an  einem 
Gymnaainm  dritter  Classe  mit  500  ThL  jährlich  bis  zum  Maximum  der 
Besoldung  eines  Directors  an  einem  Gymnasium  erster  Classe  mit  1800  Tbl. 
jährlich  stufenweise  emporsteigt  Aber  dieser  Normaletat  ist  keineswegs 
durchw^  streng  eingehalten,  und  es  gibt  Anstalten,  an  denen  theilweise 
unter  die  normalen  Ansätze  herabg^gangen,  andere  hinwieder,  wo  darüber 
hinausgegangen  wird.  So  besteht  denn  fitctisch  an  den  preuTsischen  Mittel- 
adiulen  eine  sehr  groAw  MannigfiEdtigkeit  der  Besoldungssätze,  was  in  so 
fem  nicht  vom  Uebel  ist,  als  dadurch  ein  gewisser  Wetteifer  unter  dem 
Lflhrstande  genährt  wird  mit  dem  Ziele,  sich  durch  thätige  Verwendung 
im  Lehramte  und  wissenschaftliche  Arbeiten  eine  eintraglichere  Stellung 
IQ  erringen.  Dabei  ist  auch  folgender  Umstand  nicht  zu  unterschätzen. 
Die  BosoldiaigBaätae  für  erste  Anstellungen  im  lichramte  sind  im  Durch« 


IM       L.  Wiese,  Das  preuXb.  Schalwesen,  «Bg.  v.  F.  Bodi^ggdt. 

schnitte  an  den  prenßiischen  Mittelschulen  nicht  höher  bemessen  ab  aa 
den  österreichischen;  aber  die  Aussicht,  nach  längerer  verdi6n8t?<dler  LdB«- 
thätigkeit  zu  einem  TerhältnismäXsig  lohnenden  Auskommen  su  gelaageli, 
sind  dort  gröfser  als  hier.  Und  dies  scheint  uns  rin  gro/iser  Vonug  des 
prcufsischen  Besoldungssystemes  zu  sein.  Denn  will  man  den  Lehrstaad 
der  Mittelschulen  dauernd  heben,  was  vornehmlich  dadurch  zu  eneichea 
ist,  dass  man  talentvolle  junge  Männer  aus  den  wohlhabenderen  Stäadea 
dafiir  gewinnt,  so  handelt  es  sich  nicht  so  sehr  darum,  vor  allem  die  an» 
teren  und  mittleren  Stufen  des  Dienstes  gut  zu  dotieren,  sondern  danun» 
durch  eine  anständige  Dotierung  einer  ausreichenden  Anzahl  oberer  Stdko 
strebenden  Kräften  die  Aussicht  auf  ein  Ziel  zu  eröffnen,  das  zu  ermchea 
der  Mühe  werth  ist.  In  so  lange  aber  den  Lehrern  an  Mittelschulen  keine 
Aussicht  eröffnet  ist,  in  ihrem  Berufe  eine  halbwegs  ähnlich  lohnende 
Stellung  erlangen  zu  können,  wie  sie  f&r  Männer  von  gleichen,  ja  oft  Toa 
minderen  Studien  in  den  übrigen  Zweigen  des  Staatsdienstes  erreichbar 
ist,  in  so  lange  wird  ihr  Stand  als  solcher  unter  einem  Drucke  leiden, 
dessen  nachtheilige  Einwirkung  auf  das  Mittelschulwesen  überhaupt  sicll 
nur  zu  sehr  fühlbar  macht. 

Wir  wollen  zum  Schluss  nur  noch  einige  Blicke  auf  den  viertea 
Abschnitt  werfen,  „Statistik  der  Schulen  und  Schülerfreqaens" 
(S.  412- -476),  dann  auf  jenen  Theil  des  Anhanges,  der  eine  üebeiridit 
gibt  „von  den  Schulunterhaltungskosten*'  und  „den  gegenwärtig  geltendea 
Schulgeldsätzen"  (S.  599—616).  Eine  kurze,  nur  einige  Hauptmomente  be- 
rührende Vergleichung  mit  den  statistischen  Nachweisen  über  unsere  Mittel* 
schulen  fahrt  zu  folgenden  Ergebnissen.  —  Nehmen  ¥rir  als  Basis  der  Ver- 
gleichung nur  den  Umfang  und  die  Bevölkerung  der  deutsch  -  slavischen 
Länder  Oesterreichs,  mit  Ausschluss  von  Ungarn,  Siebenbürgen,  Oroatienf 
Dalmatien  und  I^mbardovenetien,  so  gelangen  wir  für  das  Schuljahr  1868 
beiderseits  zu  folgenden  Ansätzen  in  runden  Zahlen.  PreuÜBen  beeafii  aaf 
einen  Flächenraum  von  5100  geogr.  Quadratmeilen  mit  18,500.000  Ein- 
wohnern eine  Anzahl  von  255  höheren  Schulen,  nämlich  144  Gymnasien, 
28  Progymnasien,  47  Realschulen  erster,  17  zweiter  Ordnung,  19  höhere 
Bürgerschulen  und  sonstige  Reallehranstalten,  somit  1  höhere  Lehranstalt 
auf  20  Q.  M.  und  71.000  Einwohner.  Oesterreidh  hingegen  im  oben  an- 
gedeuteten Gebietsumfang  besafis  auf  etwas  über  5800  Q.  M.  mit  beiläufig 
18,900.000  Einwohnern  eine  Anzahl  von  126  Mittelschulen,  nämlich  89  Gym- 
nasien und  37  Realschulen,  somit  1  Mittelschule  auf  41  Q.  M.  und  150.000 
Einwohner.  Es  ist  somit  ziffermäTsig  feststehend,  dass  in  Prenfiien  auf 
den  gleichen  Flächenraum  und  die  gleiche  Bevölkerungszahl  doppelt  so 
viele  Mittelschulen  entfielen  als  in  Oesterreich,  nach  dem  oben  angedeute- 
ten Gebietsumfang.  Vergleichen  wir  femer  die  Frequenz  der  beiderseitigen 
Mittelschulen,  so  ergibt  sich  fßr  die  172  Gymnasiallehranstalten  in  Preoilnn 
im  Schulj.  1863  eine  Zahl  von  45.400  Schülern,  für  die  83  Reallehnmsial- 
ten  eine  Zahl  von  20.700  Schülern,  somit  an  255  höheren  Schulen  efai* 
Gesammtzahl  von  66.100  Schülern.  In  Oesterreich  hingegen  waren  in  dem- 
selben Schuljahre  die  89  Gymnasien  von  28.300,  die  87  Bealachnkn  von 
nahezu  9000  Schülern  besucht,  somit  liauntliche  126  Mitiekdknlea  ?«a 


L,  W%€B$y  Das  preuTs.  Schulwesen,  äng.  ▼.  F.  Hochegger,       197 

37.000  Schülern.  Demnach  ist  die  relative  Frequenz,  d.  h.  das  Verhältnis 
der  Schülenahl  zn  der  Gesammthevölkerong,  an  den  Mittelschulen  PreuTisens 
bedeutend  gröXIser  als  an  jenen  Oesterreichs:  es  entfällt  nämlich  in  runder 
Zahl  in  Preufisen  je  1  Gymnasial-  oder  Realschüler  auf  je  280,  in  Oester- 
leicfa  auf  je  500  Einwohner.    Aber  die  einzelnen  Lehranstalten  sind  dort 
bei  weitem  nicht  so  überfüllt,  eben  weil  deren  Zahl  eine  doppelt  so  grotae 
ist  als  bei  uns;  und  der  Ueberfrequenz  einzelner  Classen  wird  dort  nicht 
nur  durch  die  häufige  Anwendung  der  Classencötus  abgeholfen,  sondern 
sie  wird  Yon  vornherein  schon  dadurch  vermindert,  weil  in  PreullMn  die 
Curausdauer  der  Mittelschulen  durchschnittlich  länger  bemessen  ist  als  bei 
uns,  also  die  G^esammtzahl  der  Schüler  einer  Lehranstalt  sich  auf  mehr 
Clasaen  vertheilt  als  nach  unserer  Lehreinrichtung.  —  Vergleichen  wir 
ferner  die  Frequenz  einzelner  Classen  an  den  preuXbischen  Mittelschulen 
unter  einimder,  so  ergeben  sich  wieder   einige  Gesichtspuncte,  die  der 
Beachtung  wol  werth  sind.   Während  nämlich  die  Abnahme  der  Schüler- 
zahl  an  den  Gymnasiallehranstalten  von  den  mittleren  gegen  die  oberen 
Classen  zu  eine  ziemlich  regelmäfisige  Reihenfolge  bietet,  so  findet  sich  bei 
den  Reallehranstalten  ein  merklich  auffälliger  Abstand  zwischen  der  Fre- 
quenz in  n.  gegen  jene  in  HL,  ein  Abstand,  der  noch  auffälliger  zwischen 
L  und  n.  zu  Tage  tritt  (die  Classen  L,  ü.  etc.  von  der  obersten  an 
gezählt).   Allerdings  zeigt  sich  ein  bedeutender  Unterschied  zwischen  der 
Frequenz  in  L  und  U.  auch  an  den  preuTsischen  Gymnasien;  aber  doch 
bei  weitem  kein  so  starker,  wie  an  den  Realschulen.  Auch  von  III.  zu  II. 
ist  der  Abstand  der  Frequenz  im  Verhältnis  zur  Gesammtzahl  der  Schüler 
an  den  Realschulen  viel  gröfber  als  an  den  Gymnasien.   Demnach  ergibt 
■ich  aus  diesen  Zahlen  erstens  die  auch  anderwärts  constant  gemachte  Er- 
fiihrang,  dass  die  bedeutendste  Abnahme  der  Schülerzahl  an  Realschulen 
legelmäXIsig  nach  absolvierter  Tertia  (unsere  IV.  — V.  Classe)  stattfindet; 
zweitens  die  Thatsache,  dass  die  Erstreckung  der  Cursusdauer  an  Real- 
lehnnstalten  über  das  siebente  Jahr  hinaus  nur  in  den  seltensten  Fällen, 
unter  den  allergünstigsten  Voraussetzungen  den   Erfolg  einer  lohnenden 
Frequenz  aufweisen  kann.    Während  nämlich  beispielsweise  (S.  465)  die 
Schülenahl  der  L  an  172  Gymnasiallehranstalten  in  Preuften  im  Schul- 
jahre 1863  doch  4653  betrug,  erreichte  sie  an  Sd  Reallehranstalten  daselbst 
noi  den  Betrag  von  723  Schülern,  so  dass,  nach   einfacher  Berechnung, 
auf  eine  Gymnasialprima  doch  21,  auf  eine  Realprima  nur^  Schüler  ent- 
fiilkn  wären.    In  der  That  zeigen  auch  die  Ausweise  über  die  factische 
Fiequeos  der  obersten  Classen  S.  466  ff.,  dass  die  Prima  an  den  Gymnasien 
PreuAena  im  Durchschnitte  über  20  Schüler  zählt,  nämlich  für  ein  Drittel 
der  Anstalten  20-~d0,  für  das  zweite  30—60,  für  das  dritte  10—20,  wäh- 
rend die  Prima  der  Realschulen   nach   der  S.  470  befindlichen  Tabelle, 
welche  jedoch  nur  jene  34  Anstalten  L  Ordnung  aufführt,  die  über  200 
Schüler  zählen,  also  relativ  gut  besucht  sind,  nur  an  vier  Orten,  nämlich 
ZI  Danzig,  Elbing,  Bresku  und  Köln  über  20  Schüler  zählt,  in  den  mei- 
sten Fällen  aber  unter  die  Zahl  von  20,  ja  10  Schülern  herabgeht,   in 
einigen  Orten  endlich  gar  nur  6,  5,  3  Schüler  beträgt,  wie  in  DüXIseldorf, 
Strafannd,  Elber&ld.  Wenn  nun  schon  in  gut  bevölkerten  und  Industrie« 


tOO       L,  Wiese,  Das  preufs.  Schulwesen,  ang.  v.  R  Hock^§gef, 

geldsätze  an  ihnen  gering  hemessen  sind.  Im  Gegentheile ,  in  allen  dnreh 
Bildung  hervorragenden  Staaten  finden  wir,  dass  diese  Satze  im  VerWÜt- 
nisse  zur  Entwickelung  des  Schulwesens  fortwährend  gestiegen  und  duxdi- 
schnittlich  höher  bemessen  sind  als  bei  uns  in  Oesterreich.  So  aneb  in 
PreuX^n.  Wie  die  auf  S.  610  ff.  enthaltenen  Tabellen  zeigen,  wechselt 
dort  der  Ansatz  des  Schulgeldes  nach  Provinz  und  Stadt  bedeutend.  Mui 
g^eng  von  der  Ansicht  aus ,  dass  es  nicht  räthlich  sei ,  die  Mittebchnlen 
zum  Behufe  der  Bemessung  des  Schulgeldes  etwa  ähnlich  wie  bei  nna  in 
zwei  oder  drei  Kategorien  einzutheilen ,  sondern  erachtete  es  fts  zwecl:- 
mäfsig,  auch  in  dieser  Beziehung  nach  MaDsgabe  localer  Verhältnisse  einer 
gröJRseren  Mannigfaltigkeit  ungehindert  Raum  zu  geben.  Demnach  findet 
sich  denn  auch  an  den  preufirischen  Mittelschulen  eine  ganze  Stufenleiter 
von  Schulgeldsätzen  von  6  Thlr.  jährlich  angefangen  bis  zum  höchsten  Satze 
mit  56  Thlr.  jährlich.  Betrachtet  man  diese  Stufenleiter  naher,  so  ergibt 
sich  folgendes.  Die  niedersten  Schulgeldsätze  von  6,  8,  10  Thlr.  jährlich 
finden  sich  nur  vereinzelt  an  den  Lehranstalten  einiger  kleineren ,  weniger 
wohlhabenden  Städte,  wie  z.  B.  Wittstock,  Lübben,  Gleiwitz,  Leobschütz  u.  a. 
Fast  ebenso  vereinzelt  finden  sich  die  höchsten  Ansätze  von  36,  40,  42  bii 
66  Thlr.  jährlich,  wie  in  Brandenburg,  Elberfeld,  Barmen,  Buhrort,  Mfthl- 
heim,  Rofiileben  u.  a.,  und  zwar  meistens  mit  der  Ausnahme,  dass  diese 
hohen  Sätze  nicht  durchweg  von  allen  Schülern  gefordert  werden.  Im 
ganzen  aber  gilt  an  dem  einen  Theile  der  preufiBischen  Mittelschulen  ein 
Schulgeldansatz  von  12,  14,  16,  18  bis  20  Thlr.  jährlich,  an  dem  anderen 
Theile  ein  Ansatz  von  20,  22,  24,  26  bis  30  Thlr.  jährlich,  so  dass,  wenn 
man  20  Thlr.  als  mittleren  Ansatz  nimmt,  sich  beide  Theile  so  ziemlich 
die  Wage  halten.  Speciel  in  Berlin  z.  B.  beträgt  das  Schulgeld  25—30  Thlr. 
jährlich,  in  Königsberg  24  Thlr.,  ebenso  theilweise  in  Breslau  und  Stettin, 
in  Halle  24'/,  Thlr.,  in  den  meisten  Städten  der  Rheinprovinz  20—30  Thlr. 
u.  s.  w.,  und  selbst  in  kleinen  Städten,  wie  z.  B.  Heiligenstadt  mit  5000  E., 
Schleusingen  mit  3000  E.,  Rheine  mit  3400  E.,  Landeshut  mit  4600  E. 
u.  a.  m.  beträgt  das  Schulgeld  12-  20  Thlr.  jährlich.  Diese  Zahlen  liefern 
den  unwiderleglichen  Beweis,  dass  in  Preufsen  die  Ueberzeugung,  ein  guter 
Unterricht  in  den  Mittelschulen  lasse  sich  nur  dann  erwarten,  wenn  man 
diesen  Unterricht  anständig  bezahle,  diese  Zahlung  zu  leisten  sei  aber  vor 
allem  Pflicht  derjenigen,  die  diesen  Unterricht  geniei^en,  dass  also  die 
Ueberzeugung  von  der  Nothwendigkeit  ausreichender  Schulgeldsätze  dort 
weit  mehr  Wurzel  gegriffen  und  auf  die  Praxis  eingewirkt  hat  als  bei  uns 
in  Oesterreich. 

Wir  können  diese  Anzeige  nicht  schlief^en,  ohne  den  lebhaften 
Wunsch  auszusprechen,  es  möge  das  Beispiel,  das  Preul^n  in  Hebung  und 
Pflege  seines  höheren  Schulwesens  gegeben  hat,  in  unserem  Yaterlande  in 
vieler  Beziehung  Nachahmung  finden.  Insbesondere  aber  wfinschen  wir, 
man  möge  in  dieser  Angelegenheit  nicht  immer  alles,  oder  doch  das  meiste 
vom  Staate  erwarten,  sondern  im  Gegentheile  wetteifernd  selber  Hand  an- 
legen, um  unsere  Mittelschulen  durchweg  auf  jenen  Standpunct  zu  heben, 
der  sie  den  besten  des  Auslandes  gleichstelle.  An  den  Vertretungen  der 
Gemeinden,  der  Königreiche  und  Länder  unseres  großen  Taterlandes  ist 


Literarische  Notizen.  tOl 

68,  ant  dieecm  Felde  energisch  d\e  Initiative  zu  ergreifen,  und  sie  werden 
ihren  berechtigten  Einflnss  auf  die  Gestaltung  unseres  öffentlichen  Schul- 
wesens am  nachdrücklichsten  dadurch  geltend  machen  und  auf  die  Dauer 
befestigen,  wenn  sie  daftb*  sorgen,  dass  durch  Gemeinde-  und  Landesmittel 
eine  genfigende  Ansahl  von  Lehranstalten  gegründet  und  erhalten  werde, 
die  ihrem  Zwecke  Yollkoramen  entsprechen.  Die  rühmlichen  Beweise  opfer- 
f^udiger  Bereitwilligkeit,  welche  in  dieser  Hinsicht  gerade  in  jüngster  Zeit 
an  nelen  Orten  zu  Tage  traten,  lassen  mit  vollem  Rechte  hoffen,  dass  man 
nicht  bei  den  Anfängen  stehen  bleiben,  sondern  wetteifernd  sich  bestreben 
werde ,  für  die  heranwachsende  Jugend  Oestcrreichs  vor  allem  das  zu 
schaffen,  dessen  sie  am  meisten  bedarf:  Schulen  tüchtigen  Wissens  und 
edler  Gesittung. 

Wien.  F.  Hochegger. 


Literarische  Notizen.  Neue  Auflagen. 

Homer" 8  lUade,  erklärt  von  J,  A,  Fast.  Erster  Band.  Vierte  be- 
nchtigte  Anfla^.  Berlin,  Weidmann,  1864.  443  S.  8.  —  1  Thlr. 

Man  dan  dem  Vf.  unbedingt  Glauben  schenken,  wenn  er  auch  die 
vierte  Auflage  seines  verdienstlichen  Buches  als  eine  „berichtigte"  bezeich- 
net Die  Berücksichtigung  der  reichlichen  Beitrage,  welche  die  letzten 
Jahre  der  eindringenden  Erklärung  und  der  Texteskritik  Homer's  gebracht 
haben,  lässt  sich  hier  und  da  ausdrücklich  bemerken,  z.  B.  zu  /  477.  Im 
wesentlichen  aber  ist  Text  und  Erklärung  ein  eben  nur  an  einzelnen 
Stellen  revidierter  Wiederabdruck  der  vorij^en  Auflage,  ohne  dass  der  Vf. 
in  der  einen  oder  anderen  Hinsicht  eingreifendere  Aenderungen  vorgenom- 
men hätte.  Wir  wollen  in  dieser  Hinsicht  nur  an  zwei  Puncto  erinnern« 
Es  kann  niemandem  einfallen,  den  kühnen,  und  doch  kaum  zur  Hälfte 
aosgeführten  Versuch,  den  Bekker  in  seiner  zweiten  Homerausgabe  gemacht 
hat,  in  der  Wiederherstellung  des  Textes  hinter  die  Zeit  der  Alexandriner, 
Hl  wol  selbst  der  ersten  Autzeichnung  zurückzugreifen,  zum  Vorbilde  für 
Schnlaosgaben  zu  machen;  aber  in  den  Inhal tvoUcn  „Bemerkungen  zu 
Homer*,  durch  welche  Bekker  die  Gründe  seiner  Neuerungen  dargelegt  hat, 
in  den  Reoensionen,  welche  die  Bekker'sche  Ausgabe  von  fi^ndlichen  For- 
schem erfikhren  hat,  sind  manche  evidente  Ergebnisse  niedergelegt,  denen 
sich  anch  eine  Schulausgabe  nicht  verschliefsen  darf,  z.  B.  dass  nicht 
£u^vxQiiwp,  €v^v(^wvy  sondern  getrennt  (vqv  »(tiitovy  €vqv  ^itav  zu  schrei- 
ben iat,  u.  &.  In  solchen  Beziehungen  ist  die  vorliegende  Auflage  auf  keine 
wesentliche  Aenderung  im  Vergleich  zu  den  früheren  eingegangen.  —  Auch 
in  Betreu  der  Erklärang  mag  ein  Gesichtspunct  allgemeinerer  Art  Erwäh- 
nnns^  finden.  Ein  Erklärer  Efomer's  kann  unmöglich  in  denjenigen  Fällen, 
wo  aer  Znsammenhang  der  Dichtung  als  einer  einheitlichen  Composition 
XU  Zweifeln  Anlass  gibt,  einen  naiven  Standpunct  einnehmen,  sondern  muss 
in  dem  Eingehen  auf  die  aufgeworfenen  und  vielseitig  discutierten  Schwie- 
rigkeiten zu  einer  bestimmten  Ueberzeugung  gelang  sein;  durch  diese, 
und  in  einer  Sdiulausgabe  noch  überdies  durch  die  Kücksicht  auf  das  Be- 
düilfiiis  der  Schüler,  ist  die  Behandlung  von  Stellen  der  bezeichneten  Art 
bedingt  Nun  hat  Fäsi  in  der  seiner  Odysseeausgabe  vorausgeschickten  allge- 
meinen Einleitung  solche  Ansichten  über  die  Entstehung  und  Fortbildung 
da:  Homerischen  Gedichte  ausgesprochen ,  dass  er  hierdurch  in  der  Erklä- 
rung freie  Hand  behielt  und  nicht  genöthigt  war,  über  jede  Unebenheit 
and  CoUision  durch  Mittel  der  Interpretation  hinüberzuführen.  Von  dieser 
Freiheit  macht  Fäsi  in  den  einleitenden  Worten  zu  A'  Gebrauch;  an  an- 
Zdtochrllt  r.  d.  IViUrr.  Gymv.1866.  IL  a.  lU.  Uoft.  14 


20t  Literarische  Notizen. 

deren  Stellen  dagegen,  z.  B.  A  611,  B  2,  H  69,  92  u.  ft.  wird*  die  Coi* 
tinuitat  des  Zusammenhanges  durch  gewaltsame  Mittel  aufrecht  erhaltw. 
Man  kann  in  einer  Schukusgahe  grundsätzlich  in  solchen  FftUen  achw«!- 
gen,  und  es  dadurch  dem  Lehrer  tfherlassen,  oh  er  üherhaupt  Anlaae  findet» 
auf  die  hetxeffende  Frage  einzugehen ;  aber  auch  durch  die  Auf^pabe  dbMr 
Schulausgabe  Homer's,  deren  eip^nthümliche  Schwierigkeit  nicht  zu  TerkeuMB 
ist,  wird  es  nicht  gerechtfertic^,  wenn  die  angewendeten  Mittel  die  aonet 
anerkannten  Grenzen  einer  unbefangenen  Exegese  überschreiten.  Auf  einige 
Beispiele  dieser  Art  hat  Bef.  bei  einem  anderen  Anlasse  (Ueber  den  Urspttug 
der  Homer.  Gedichte.  2.  Auflage.  Anm.  79—85)  hin^wicsen;  wenn  der 
Herausgeber  sich  durch  die  dort  geltend  gemachten,  ihm  überdies  aehon 
sonst  hinlänglich  bekannten  Gründe  au<£  in  dieser  erneuerten  Anflage 
nicht  zur  Aenderung  eines  Wortes  hat  bestimmen  lassen,  so  Itat  eiäi 
darin  die  Festigkeit  seiner  Ueberzeugung  nicht  verkennen;  aber  ooose- 
quent  kann  man  es  schwerlich  finden,  dass  der  Vf.  an  eini£^  Stellen,  i.  B. 
iV  345  ^erst  seit  der  dritten  Auflage),  77  1  den  g^en  die  ursprOniirli^ 
Einheitlichkeit  der  Composition  sprechenden  Grün&n  wenigstens  theil- 
weise  nachgabt,  an  anderen  dagegen,  wie  an  den  beispielsweise  erwlho- 
ten,  unzulässige  Künste  der  Exegese  gegen  dieselben  aufbietet 

a  B. 

"Havyiog.  Hesyckii  Älexandrini  Lexiean  post  loannem  Alberhm 
recensuü  Mauricius  Schmidt  lenae  8umptüfU8  tV,  McntkU,  1858— 1864, 
IV  Voll   i\  (Vol,  IV.  P.  II:  Quaestfones  und  Indices,)  —  21*^  Thlr. 

Hesychii  Älexandrini  Lexicon,  Edüionem  minorem  euravU Mmi' 
ricius  Schmidt  lenae  8umpHl>u8  Fr.  Maukii.  1864.  4*  808  8.  (Zweiter 
Titel:  AiX(ov  /tuy)'fV€u<vov  IT(Qiigyon^vnT€s.  Ex  recognü.  M.  Senmiät) 
-  6%  Thlr. 

Unter  den  umfangreicheren  Werken  des  letzten  Jahrzehnts,  welche 
deutschen  Philologen  und  Verlegern  zu  besonderer  Ehre  gereichen,  nehmen 
diese  zwei  Ausgaben  eine  hervorragende  Stelle  ein.  Bereits  nach  dorn  Er- 
scheinen der  ersten  Lieferung  der  ^f^eren  Ausgabe  hat  diese  Zeitschrift 
(1856.  S.  841  ff.)  auf  die  Wichtigkeit  des  Unternehmens  hingewiesen  nnd 
die  Einrichtung  der  Ausübe  bezeichnet  Nach  der  Beendigung  des  ganien 
Werkes  erscheint  es  als  Pflicht,  von  neuem  über  dasselbe  Bericht  zu  er- 
statten, und  dies  um  so  mehr,  da  es  in  seinem  G^esammtinhalte  erheblidi 
mehr  darbietet,  als  im  Be^ne  desselben  zugesagt  war. 

Während  nämlich  die  ersten  drei  Bände  den  Text  mit  dem  kritisch- 
exegetischen  Ck)mmentare  in  der  Art  vertheilt  enthalten,  dass  VoL  I  a^if, 
U  f  X,  111  X—Q  umfiftssen,  zerfällt  der  vierte  Band  in  zwei  Hälften,  deren 
erste  die  Glossen  a— m  bietet,  die  zweite  aber  erstens  auf  192  Seiten  nnter 
dem  Titel  Quaestiones  Hesychianae  sehr  sor^ltige  und  in  ihren  Resul- 
taten überzeugende  Forschungen  über  das  Verhältnis  des  Hesydiins  za 
seinen  Quellen  Pamphilus  und  Diogenianus,  über  die  Zeit  des  Hesydiins  *), 
über  seine  Interpolationen  und  Interpolatoren  anstellt,  sowie  zweit^  einen 
vollständigen  Realindex  von  beinahe  gleicher  Seitenzahl  liefert,  in  dem 
die  Auffindung  der  einzelnen  Materien  durch  strengen  Anschlnss  an  ^ 
Haasc'sche  Gliederung  der  philologischen  Disciplinen  erleichtert  ist  Es 
beginnt,  in  sich  wieder  alpnabetisch  geordnet,  ein  geographischer  Index, 
dann  folgen  rerum  divinarum  liber  (M^hologie,  Cultus,  Feste)  und  renim 
humanarum  libri  duo  (Staats-  und  Pnvatalterthtimer) ,  darauf  das  wenige, 
was  Hesychius  über  Kunst  und  Künstler  berührt,  endlich  der  reiche  StcdT 

')  Zu  Quaest  p.  CLXXXIX  könnte  sich  noch  einiges  nachtragen  lassen, 
was  der  Alexandrinischen  Gräcität  angehört,  zSer  für  den  Philologen 
weniger  Interesse  hat  als  für  den  Theologen;  z.  B.  avviX^att 
s.  V.  avvm,  xuTineaav  s.  v.  xarf Tro^ijaar,  vgl.  Vol.  11.  p. 446,84, 
tnia  s.  v.  ninfana.  Auch  oiav  —  iariv  ist  Hesjrchisch,  wie  ÖL 
6,  133;  gewöhnlich  hat  Mnsurus  ovi  oder  ^  corrigiert. 


Literarische  Notizen.  tOS 

tm  den  fia^miata  (Zoologie,  Botanik,  Mineralogie,  Medicin,  Mathematik, 
Ailronomie,  Cnronologie).  GleicherwOnyBchte  Beilf^n  sind  ein  Index  histo- 
rieus,  ein  Index  übo:  aie  ethnischen  Glossen,  der  den  Lin^isten  und 
Beaibeiteni  der  griechischen  Dialekte  besonders  willkommen  sem  wird,  ein 
Index  acriptonun.  Diese  Andeutungen  werden  genügen  die  Wichtigkeit  des 
dudi  die  nnennüdliche  Th&tigkeit  des  Hm  Prof/s  Schmidt  glücklich 
YoUendeten  Werkes')  in*s  Licht  zu  stellen  und  diejenigen  PriYaten  und 
Ldnanrtalten,  denen  es  ihre  Mittel  erhiuben,  zur  Anscnaffang  desselben 
sa  Teiaolassen. 

In  Anbetracht  aber,  dass  nicht  Allen  gleiche  Mittel  zu  Gebote  stehen, 
taum  man  es  der  Verlagshandlung  nur  Daiuc  wissen,  dass  sie,  auf  die  Ge- 
fiüir  hin  dem  gitteren  Werke  Öoncnrrenz  zu  bereiten,  durch  Yeröffent- 
lichnng  einer  kleineren  kritischen  Textausgabe  alle  Bedürfnisse  zu 
decken  sich  entschlossen  hat  Doch  dürfte  eine  soMe  Concurrenz  nicht  zu 
fikrditen  sein;  denn  in  der  kleineren  Ausgabe  vermissen  wir  nicht  nur 
veaentlichen  Vorzüge  der  grölten,  sondern  haben  zugleich  ein 


nns  aelbständiges  Weric  Ton  eigenem  Werthe  empfangen,  so  c&ss  seine 
Erwerbung  nidit  einmal  durch  den  Besitz  der  gröfseren  Ausgabe  auu^« 
ichlossen,  dem  Gelehrten  sogar  zu  empfehlen  ist  Der  Hr.  Herausgeber  hat 
sich  über  Plan  und  Anordnung  seiner  Editio  minor  in  einem  Epilog  klar 
ansgesprochen.  Es  ist  bekannt,  dass  Hesychius  nicht  der  Name  des  Ver- 
ÜMsers  des  in  Bede  stehenden  Lexikons,  sondern  der  Name  eines  Schrei- 
bers {Tayvygaifog)  ist,  welcher  seine  Abschrift  des  von  Diogenianus  ver- 
ikssten  Auszuges  aus  dem  groflsen  Glossare  des  Pamphilus  einem  gewissen 
EulogioB  zum  Geschenk  bestimmte;  femer  dass  sich  Hesychius  seinem  eigenen 
Geständnis  zufolge  allerdings  j^estattet  hat  den  Diogenianus  um  Homerische 
Glossen,  Erklärang  von  Spnchwörtem  u.  a.  zu  bereichem,  eine  ebenso 
groIlM  wo  nicht  gröXbere  Masse  von  Zusätzen  aber,  namentlich  aus  dem 
Spachschatae  der  heili^n  Schrift,  dem  Gre^rius  von  Nazianz,  dem  £u- 
npidea,  lange  nach  Bfesychius  huieingearbeitet  ist,  endlich  dass  der  ur- 
sprüngliche Glossenfonds  an  streng  alpnabetische  Folge  gebunden  war.  In 
der  ffrOüKren  Ausgabe  konnte  diesem  Sachverhältnis  auf  die  kritische  Be- 
hanfiong  des  Stoffes  nur  insoweit  ein  Einfiuss  gestattet  werden,  als  die 
StOronff  der  alphabetischen  Reihenfolge  durch  bestimmte  Zeichen  markiert 
ist  nna  unechte  Glossen  mit  geringerer  Sorgficdt  behandelt  sind.  In  der 
kleineren.  Ausgabe  dagegen  galt  es  eine  Form  zu  finden,  durch  welche 
gerade  dieses  SachverniUtnis  zur  Anschauung  gebracht  würde,  d.  h.  der 
^üezandrinische  Bestand  der  Glossen  und  die  späteren  Zusätze  mit  Leich- 
tigkät  im  Zusammenhang  überschaut  werden  könnten,  ohne  dass  die  Zahl 
und  Ordnung  der  Glossen  von  Hesychius  abwiche.  Um  diese  Aufj^be  zu 
Ifisen,  fthrt  der  Hr.  Herausg.  auf  dem  oberen  Theile  ieder  Seite  (in  zwei 
Colnnmen)  die  Alexandrinischen  Glossen  in  streng  alphabetischer  Ordnung 
fort,  auf  aem  unteren  Theile  ohne  weitere  Scheidung  die  Interpolationen 
des  Hesychius  und  seiner  Fortsetzer,  deutet  aber  im  Texte  des  Diogenia- 
nus die  ausgeschiedenen  Eindringlinge  durch  Zahlen  an,  welche  der  Zah- 
lung in  der  Bubrik  HEo.  entspre<men.  Beide  Theile  sind  durch  einen 
Streiüsn  geschieden,  der  die  Abweichungen  des  Alexandrinischen  Textes 
vom  Codex  Marcianus  enthält,  damit  der  Henutzer  jedes  Nachschlagens  der 
Sdiow^Bchen  Supplemente  oder  der  größeren  Ausgabe  überhoben  werde. 
Sie  Spnria  aber  (HES.)  sind  genau  nach  dem  Codex  Marcianus  mit  allen 
Schreihfehlem  abgedmckt:  ein  Verfahren,  welches  klaren  Einblick  in  den 
Ursprung  und  den  Werth  dieser  Zuthaten  verschafft  und  das  Urtheil  über 
den  groinen  Unterschied  zwischen  dem  Gehalt  der  Alexandrinischen  und 

*)  Es  sei  hier  auf  eine  Coiqectur  Müller's  zu  xaQxfvoi  s.  v.  KaßnQoi 
auhnerksam  gemacht,  welche  der  Herausgeber  noch  nicht  berück- 
sichtigen konnte.  Vgl.  Alois  Müller  Esmun;  ein  Beitr.  z.  Mythol. 
d.  onent  Alterth.  fSitzungsber.  d.  phil.-hist  Classe  d.  k.  Akad.  d. 
Wiss.  1864,  Maihefl]  Wien,  1861  S.  6  f. 

14* 


toi  Literarische  Notizen. 

der  interpolierten  Glossen  erleichtert.  Hierbei  ist  dafür  gesorgt,  dass  nicht 
einmal  die  Emendation  jener  Monstra  erhebliche  Schwierigkeiten  bereitel, 
indem  das  gröbste  in  [1  oorrigiert  ist,  die  richtige  SchreiDang  der  Gloase 
aber  sich  aus  der  beigeragten  Stelle  des  berücksichtigten  Antors  ffewinnen 
lasst.  Wir  bedenken  noch  eines  Moments.  Auf  dem  von  Hm.  Seh.  eingie- 
schlagenen  Wege  wird  man  sich  ohne  sonderliche  Mühe  ans  der  Rnwik 
HES.  ein  Glossar  zn  Homems,  Eoripides,  der  heiligen  Schrift  und  Gm- 

forios  V.  Naz.  (besonders  diese  vier  werden,  wie  schon  oben  erwfthnt,  in 
en  Znsatzen  berücksichtigt)  reconstruieren  können.  Der  Werth  dieser  Glos- 
sare für  die  Kritik  der  Texte  wird  freilich  erst  zn  ermitteln  sein.  Das 
Homerische  sehr  sorgföltig  gearbeitete  verr&th  intime  Vertrautheit  mit 
Aristarch^s  Paraphrasen;  das  Enripideische  ergibt  wenigstens  das  negatire 
Resultat,  dass  Uesychius  für  den  Text  des  Euripides  mit  ftuberster  Voiv 
sieht  zu  gebrauchen  ist  *). 

üeberhaupt  erblicken  wir  das  Hauptverdienst  beider  AnM;aben  des 
Hesjchius  in  dem  unermüdlichen  Streben  des  Herausgebers  muck  Kiiften 
der  Gefahr  vorzubeugen,  dass  mit  diesem  Glossar  fernerhin  der  seitherige 
Unfug  getrieben  werde.  Selbst  wenn  dem  Diogenianus  einmal  eine  edne 
Glosse  genommen  sein  sollte,  würde  dieser  Schaden  ^rin^er  sein  als  die 
fortgesetzte  Verwendung  unechter  Glossen  für  die  Kritik  der  ChuBiker. 
Wir  wissen  jetzt,  Dank  den  Bemühungen  des  Hm.  Herausg.*s,  welche  Glossen 
der  classischen  Gracität  angehören,  und  welche  Autoren  es  sind,  für  deren 
Kritik  sie  allein  vcrwerthet  werden  dürfen.  Wir  wissen  es  durdi  seinen 
von  aller  Spreu  gesichteten  Diogenianus.  Vorsichtig  folgt  der  Text  dessel- 
ben dem  M!arcianus  in  allen  irgend  zweifelhaften  Fällen;  im  Texte  steht 
die  Emendation  der  Glosse  und  ihrer  Erklärung  nur,  wenn  sie  gegen  jeden 
Zweifel  sicher  gestellt  ist.  Verdächtige  Formen  und  schwere  Corruptelen 
sind  durch  f  markiert,  damit  jeder  Täuschung  über  die  Auffieussung  des 
Editors  vorgebeugt  werde.  Der  Fundort  der  Glosse  ist  unmittelbar  hinter 
derselben  in  ( )  angegeben,  auf  gleiche  Weise  auch  der  Dialekt  (kjprlseh, 
kretisch  u.  s.  w.)  angedeutet ,  wenn  er  mit  annähernder  Sicherheit  ans  der 
Form  erschlossen  werden  kann.  Beziehen  sich  die  verschiedenen  EtkUbrnn- 
gen  einer  Glosse  auf  verschiedene  Classikerstellen,  so  sind  diese  hinter  den 
zutreffenden  Erklärungen  in  Klammem  beigefü^:  was  namentlich  bei  den 
Homerischen  Glossen  (selbst  sub  HES.)  mit  löblicher  Conseqnenz  durch- 
geführt ist.  In  Fällen,  wo  eine  Glosse  auf  mehrere  Stellen  mit  gleidiem 
Kechte  bezogen  werden  könnte,  sind  die  Schollen  zu  den  Autoren  mab- 
^ebend  ^wesen,  und  dieses  Verfahren  ist  durch  schol.  bezeichnet.  Glossen 
im  Nommativ  hat  Hr.  Seh.  gewöhnlich  ohne  Angabe  des  Fundortes  b^> 
lassen,  offenbar  weil  sie  nach  seiner  Ansicht  nicht  aus  Glossaren,  sondern 
aus  Onomasticis  geflossen  sind.  Zweifel  an  der  Echtheit  einer  Glosse,  sei  es 
weil  sie  das  Alphabet  störte,  sei  es  weil  sie  Euripideisch  ist,  sind  durch  ? 
ausgedrückt  Echte,  durch  Irrthum  des  Schreibers  von  ihrer  Stelle  rer- 
schlagene  und  gehörigen  Ortes  wieder  eingereihte  Glossen  sind  Ton  Klam- 
mem ( .)  umschlossen ,  mit  Verweisung  auf  ihre  frühere  Stellung  im 

Hesychius.  Unter  derselben  Form  sind  Glossen  eingereiht,  welche  He- 
sYchius,  der  Orthographie  seiner  Zeit  folgend  oder  wefl  er  über  die  gütige 
Schreibung  im  unklaren  war,  an  falscher  oder  mehreren  tischen  Stellen 
bietet.  Man  hat  sich  also  zu  hüten,  solche  Glossen  für  Interpolationen  des 
Herausgebers  zu  halten :  es  sind  echte  Glossen  in  richtiger  Schreibart,  von 
unbedenklicher  Verwendbarkeit.  —  Fragen  wir  nach  den  Autoren,  fQr  deren 
kritische  Bearbeitung  Hr.  Seh.  nach  seinen  sorgfaltigen  Untersuchungen  die 
Ausnutzung  des  Glossars  gestattet,  so  sind  es  folgende:  Homerus,  Hesio- 
dus,  Antimachus,  Callimachus,  Nicander,  Theocntus  (aber  nicht  Aratus, 

*)  Besonderen  Dank  werden  Fragmentensammler  Hm.  Seh.  für  seine 
Entdeckung  der  Gregorianischen  Glossen  wissen,  da  dieselben  in  der 
That  darnach  angethan  sind,  durch  ihre  AehnHchkeit  mit  Frag 
menten  classischer  Dichter  zu  täusdien. 


Literarische  Notizen.  j|05 

OpinaBiis  u.  a.  Epiker),  —  Archilochus,  Hipponax,  —  alle  Lyriker  anßser 
Pttdanis,  —  die  drei  gro!&en  Tragiker  nebst  Ion  and  Achäus,  •—  Epichar- 
mas,  Sophio,  Dinolochos,  Bläsitt,  die  attischen  Komiker,  —  Herodotns, 
ThQCjdiaea,  Xenophon,  Hecatäns,  Ctesias,  Theopompos,  —  Demoeritns,  Hera- 
GÜtiia,  Plato,  Aristoteles,  Theophrastus,  —  die  attischen  Redner,  —  Hippo- 
eratet.  Hr.  Seh.  schärft  in  den  Qnaestiones  ausdrücklich  ein,  dass  der  WerÜi 
des  Hflsyehins  für  Sophokles  ^ä^ser  sei  als  für  Aeschylns  und  Eoripides, 
mid  daas  die  Philoeophen  Aristoteles  and  Theophrastas  wegen  des  Sach- 
lichen, dagegen  Plato  and  Democritos  w^en  ihrer  UU*i  citiert  seien. 

NoGn  ein  Wort  über  die  Bubrik  COD.  Sie  enthält  allerdings  haupt- 
saehlich  die  Varianten  des  Codex  Mardanos  *);  doch  hat  der  Hr.  Heraasg. 
sehr  wohlgethan,  dass  er  hin  and  wieder  aach  Abweichangen  anderer 
Zeogen  vcm  Belang  in  derselben  Rabrik  notiert  and  in  sehr  vereinzelten 
Fälkn  ingeiii5fie,  aber  nicht  hinlänglich  sichere  Emendationen  neaerer  Ge- 
lehrten mittheili 

So  scheint  uns  denn  der  Hr.  Heraasg.  in  seinem  Diogenianas  oder, 
wie  wir  zur  Vermeidang  von  Misverständmssen  lieber  sagen  wollen,  in 
seiner  kleineren  Teztaus^abe  des  Hesychias  alles  bedacht  and  ge- 
leistet zu  haben,  was  man  billigerweise  verlangen  kann.  Die  umfiEtssende 
oad  mühselige  Arbeit,  zu  deren  Abschlass  wir  mm  Glück  wünschen,  wird 
gewiss  den  £rfolg  haboii,  dass  die  Benützung  des  Hesychias  zur  Erklä- 
ning  und  Tezteskritik  einen  erheblich  höheren  Grad  von  Sicherheit  zu  ge- 
winnen yermag.  C.  0. 

Das PrMem der  &^ache und  seine  Entwidcelungin der  GesMchte. 
Von  Konrad  Hermann,  Dr.  ph.  u.  a.  o.  Professor  an  der  Universität  Leipzig. 
DiesdeiL  Rudolf  Kuntze,  1865.  IV.  a.  115  S.  —  20  Ngr. 

«l)ie  wesentliche  Natur  der  Sprache**,  heüfiit  es  S.  92  der  vorliegen- 
den Schrift^  «ist  überall  die  eines  Mittels  für  die  Bezeichnung  des  Denkens 
ind  sie  tritt  in  der  That  immer  mehr  in  die  Stellung  eines  blofton  die- 
nenden Instrumentes  für  dieses  letztere  ein,  während  sie  zu  Anfang  aller- 
dmgB  mehr  in  der  Eigenschaft  eines  freien  künstlerischen  Selbstzweckes 
ans  der  schaffenden  Thätigkeit  des  Volks^eistes  entsprang**.  Vgl.  S.  87  und 
S.  97:  aJedes  Wort  der  Sprache  ist  an  sich  ein  Werkzeug  für  die  Vertre- 
tung oder  Bezeidinung  eines  bestimmten  Begriffes*^.  Da  der  Hr.  Verf.  keinen 
unterschied  zwischen  Bezeichnungsmittel,  Werkzeug,  Instrument  macht  — 
wie  sollte  er  auch?  —  so  wird  uns  hier  gesagt:  die  Sprache  ist  nicht  das, 
was  ihre  wesentliche  Natur  ist,  sondern  sie  tritt  nur  in  dasselbe  immer 
Biehr  ein.  Sie  entsprang  aber  zu  Anfang  (I)  mehr(!)  in  der  Eigenschaft  von 
etwas,  was  nicht  ihre  wesentliche  Natur  ist  —  Doch  wir  woUen  uns  nicht 
auf  dieser  Stelle  festheften,  sondern  uns  von  dem  Hm.  Verf.  auf  den  Kern 
seiner  Ansiditen  hinführen  lassen.  Er  sagt  S.  1:  „Der  Mensch  und  die 
Sprache  sind  beides  eine  lebendige  Synthese  von  geistigem  Inhalt  und  sinn- 
Ucher  Wirklichkeit  oder  Form;  aucn  bei  der  Sprache  aber  ist  die  innerste 
^uptfitage  die  nach  dem  be^Un^enden  Grunde  des  in  ihr  gegebenen  Bei- 
sammen dieses  doppelten  verschiedenen  Principes**.  DasheiTst,  dünkt  mich: 
die  Hauptfrage  ist  die  nach  dem  Ursprung  der  Sprache.  Aber  was  er- 
&hren  wir  darüber?  Die  Sprache  ist  durch  einen  Act  der  freien  und  genialen 
Sdidpftuy  des  Volkes  entsprunffen  wie  das  Kunstwerk  durch  einen  solchen 
des  ernsten  Künstlers  (S.  4).  Der  Mensch  hat  sich  nicht  bloflB  die  Sprache 
als  das  äuAere  Bezeichnungsmittel  der  Gedanken,  sondern  eben  in  der- 
sdben  zugleich  mit  sein  eigenes  Denken  ursprünglich  aus  sich  heraus  er- 
sc^aifen  (S.  60).  Die  erste  Erschaffung  der  Sprache  ist  für  den  Menschen 
der  Act  eines  umfassenden  Begreifens  oder  einer  groJDsartigen  Erleuchtung 
seines  Inneren  über  den  ganzen  Umfeuig  der  ihn  amschliefsenden  Dinge 
gewesen  (S.  61).  Doch  S.  102  wird  uns  gesagt,  es  handle  sich  in  der  Gegen- 
wart gar  nicht  mehr  um  die  Beantwortung  der  Frage  nach  dem  Ursprung 

^  Ein  Facsimile  desselben  bietet  die  gr.  Ausg.  Vol.  IV.  P.  II  zu  p.  XJiX, 


tOO  Literarisclie  Notizen. 

der  Sprache:  denn  das  ist  ohne  Zweifel  an  dieser  Stelle  mit  der  MAnfliöfUif 
oder  Erklärung  des  ahstracten  Problems  der  Sprache  an  sich*  gemoiiii 
Mithin  handeH  es  sich  —  felis  ich  den  Hm.  Verf.  richtig  verstaadeo  habe, 
dessen  ich  freilich  nicht  sicher  bin  —  in  der  Gegenwart  nicht  mehr  um  die 
innerste  Hauptfrage  der  Sprache.  Aber  keineswegs,  weil  sie  heraus  gelM 
wäre.  Vielmehr  sei  ihre  Lösung ,  versichert  der  Hr.  Verf. ,  eheBsowwig 
möglich,  als  der  Naturwissenschaft  vergönnt  sei  „das  Gras  seihet  imdmm 
zu  sehen"  (S.  102).  Nichtsdestoweniger  haben  wir  den  Hm.  Verf.  selbfi 
eine  Meinung  über  den  Ursprung  der  Sprache  äufsem  hören,  welche  M* 
Uch  weder  .vollkommen  genau  erschöpfend**  noch  „rein  natorwisMUchaft- 
lich  exact**  ist.  —  Die  Ansicht  des  Eßm.  Verf.'s  vom  Wesen  der  SpndM 
ist  an  die  Spitze  dieser  Anzeige  gestellt  Vielmehr:  eine  Ansicht,  dena  er 
hat  deren  mehrere.  S.  75  sagt  er,  seiner  wissenschaftlichen  ÄuffiitBiiiig  dar 
Sprache  liege  die  „Gesammtanschauung  ab  von  einem  gleichsam  nator- 
gemaTs  sich  entfaltenden  Organbmus**  zum  Grunde.  Und  S.  76  beseiduMt 
er  als  die  charakteristische  Anschauung  seiner  Sprachwissenschaft,  dass  in 
ihr  der  Gedanke  als  die  innere  Substuiz  und  aie  Sprache  ab  seine  im« 
trennbare  äuftore  Form  zu  einer  sich  or^nisch  entwickelnden  LcbeOMm- 
heit  zusammenge&sst  werde.  Dieser  Ansicht  stellt  er  zwei  andera  Amidi- 
ten  gegenüber,  welche,  meint  man,  nicht  die  seinigen  seien.  Aber  die  eine 
ders^Mn  von  der  Sprache  ab  dem  kunstmaAdff  erfundenen  Zeichen  Ar  das 
Denken  äuüsert  er  selbst,  wie  wir  eesehen  haben,  an  anderen  Orten.  Und 
von  der  zweiten  Ansicht,  die  Sprache  sei  das  von  sich  aus  bedingende  und 
gestaltende  Organ  für  die  Ausbildung  des  inneren  Denkens,  sai^  er  un- 
mittelbar, nachdem  er  sie  angeführt  hiat,  es  werde  durch  sie  &r  wesen- 
hafte Kern  des  Verhältnisses  von  Denken  zu  Sprechen  noch  genauer  (ab 
durch  seine  eigene  Ansicht)  getroffen.  Sofort  ernalten  wir  dann  eine  neoe 
Belehrung  über  das  „wahre  Verhältnb  des  Denkens  zur  Sprache",  worin 
—  offenbar  unbewusst  —  alle  drei  Ansichten  durcheinander  gemengt  wer- 
den. So  viel  wenigstens  stellt  sich  klar  heraus:  der  Hr.  Yen.  ist  Mi  dm 
Dualismus  Sprechen  und  Denken,  yXäaaa  und  loy^  stehen  sebUeben. 
Soll  aber  dabei  stehen  geblieben  werden,  so  ziehen  wir  noch  Heräsr's  Ans- 
führaneen  in  den  Fragmenten  denen  der  gegenwärtigen  Schrift  bei  weitem 
vor.  —  Die  eigentliche  Absicht  des  Hm.  Yerf.^s  geht  übrigens  dahin:  ge- 
genüber der  vergleichenden  Sprachwissenschaft,  welche  ihm  lediglich  ab 
Glossologie  erscheint,  den  Standpunct  des  Loffos,  den  der  Philologie,  wie 
er  sas^,  zu  betonen.  Aber  in  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  selbet 
ist  sehr  bald  nach  der  Begründung  ihrer  Etymologie  die  Nothwendi^Mit 
einer  Bedeutungslehre  hervorgehoben  worden:  durcn  Ag.  Benary.  Um  an 
der  Absicht  eine  solche  zu  liefern,  haben  die  vergleichenden  Sprachforscher, 
G.  Curtius  vor  allen,  fesl^halten.  Blofii  mit  den  Lauten  zu  operieien  ist 
keinem  je  eingefallen.  Die  Auffassung  der  Sprachwissenschaft  ab  Natur- 
wissenschaft und  ab  Glottik,  welche  der  Hr.  Verf.  bekämpft,  ist  ganz  alkdn 
von  Schleicher  ausgegangen  und  hat  fast  bei  niemand  Beifall  gefunden. 
Wenn  der  Hr.  Verf.  voDends  sich  ab  Grammatiker  den  Elymolosen  ent- 
gegensetzt, so  ist  er  einfEMsh  daran  zu  erinnern,  dass  die  vergföchende 
Spradiwissenschaft  mit  der  Grammatik  b^^ann,  und  dass  aUe  Welt  cburüber 
einig  bt,  die  Vergleichung  müsse  sich  künftig  auch  auf  die  Syntax  er- 
streocen.  Den  Vorwurf  nur  darf  man  der  vergleichenden  Sprachwissen- 
schaft vielleicht  machen:  dass  sie  allzuoft  bei  den  Erscheinungen  stetoi 
bleibe  und  nicht  tief  genug  das  Bedürfnb  ihrer  Erklärang  empfindei 
Hier  aber  gerade  tritt  Steinthars  Wirksamkeit  ein,  und  ich  wüsste  lücht, 
wo  in  der  gesammten  Sprachwissenschaft  nun  noch  ein  anderer  Standpnnet 
Platz  fönde ,  der  weder  nbtorisch  noch  philosophisch  in  Steinthal*s  Sinne 
wäre ,  es  müsste  denn  ein  philosophischer  im  Sinne  Becker*8  sein.  Einen 
modificierten  Becker  kann  man  den  Hm.  Verf.  in  der  That  nennen.  Und 
wunderbar  bt  die  Naivctät,  mit  der  er  in  seinem  17.  Abschnitte  S.  56--56 
über  Logik  und  Grammatik  spricht,  als  ob  es  so  ein  Buch  wie  SteinthaVs 
„Grammatik,  Logik  und  Psychologie**  gar  nicht  gäbe.  Für  den  Hm.  Ytd, 


Literarische  Notizen.  207 

duurakteristiflcli  ist  dabei,  wie  er  in  einem  Atbein  nj^de**  Gramtuatik  eine 
besondere  Art  Qnd(!)  weitere  Ergänzung  der  Logik  liennt,  dann  wieder 
pbiloloffiache  oder  besondere  und  philosophische,  oder  allgemeine  Grammatik 
imtencneidet  und  die  letztere  als  eine  „verbindende  B^ion**  zwischen  die 
entere  und  die  Logik  stellt,  in  welcher  alles  ooncrete  Denken  der  Sprache 
auf  das  abstracte  Denken  der  Logik  zurdckzufUhren  sei.  Dieses  Zurück- 
fthren  bezeichnet  er  dann  anderwärts  als  die  philologische  Hermeneutik 
oder  als  die  «geordnete  oder  rationelle**  Erklärung  der  sämmtlichen  Sprach- 
eneheinungen  im  einzelnen,  und  setzt  es  der  SteinthaFscheu  Sprachbetrach- 
tiiiiffentff^;en,  als  welche  das  abstracte  Problem  der  Sprache  an  sich  oder 
das  W  ie  des  Entstehens  der  Spracherscheinun^n  zu  erklären  strebe.  Das  hin- 
dert ihn  jedoch  nicht  zuzugeben  (S.  101) ,  mcht  auf  logischem,  sondern  nur 
auf  psychologischem  Wege  könne  die  Sprache  in  dem,  was  sie  ist,  wahr- 
haft Ton  uns  erklärt  werden,  und  die  llichtu|^  eben  auf  diese  Erklärungs- 
weise Laams  und  Steinthal  zuzuschreiben.  Was  det  Hr.  Verf.  für  die  Auf- 
gabe der  phüoBophischen  Grammatik  hält,  zeigt  dann  —  wahrscheinlich 
seine  mir  unbekannte  «philosophische  Grammatik**  (1858)  und  —  der  32.  Ab- 
schniftt  der  vorlieffenden  Schnft  noch  näher,  der  eme  „Theorie  des  Satzes** 
gibt  und  jeden&Us  einen  interessanten  Beleg  daf&r  bietet,  was  sich  in  der 
Sprache  mit  der  Kategorie  des  Ansichseins  alles  ausrichten  lässt. 

Ich  erwähne  noch  einige  Einzelheiten.  Der  Titel  verspricht  eine 
Darstellnng  der  Entwickelung  des  Problems  der  Sprache  in  der  Geschichte, 
und  diese  erhalten  wir  in  der  That  Nur  der  Anfiaiiigs-  und  Endpunct  seien 
heransjegriifen:  Abschnitt  3  über  die  Physiker  und  Thetiker  des  Alter- 
thumes  und  Abschnitt  13  über  Herder,  Wh.  Humboldt,  Jacob  Grimm.  In 

rm  werden  wieder  die  neuesten  Forschungen  ignoriert.  Das  unsichere 
Ueborlieferungen  ist  dem  Hm.  Verf.  nicht  unMkannt,  aber  nach  ihm 
liegt  s.  B.  die  Lenre,  die  Sprache  sei  ffvaet,  im  Geiste  der  Denkweise 
Hmklits.  Ich  denke,  wovon  sich  zeigen  lässt,  dass  es  nach  dem  ganzen 
Stendponct  einer  Lehre  unmöglich  sei  7vgl.  Steinthal,  Geschichte  der  Sprach- 
wiasenschaft  bei  den  Griechen  und  Römern  S.  171),  das  wird  doch  wohl 
nicht  im  Geiste  dieser  Lehre  liegen  können.  —  Was  soll  man  dazu  sagen, 
wenn  der  Hr.  Verf.  S.  48  Wh.  Humboldt  mit  Schelling,  Jacob  Grimm  mit 
HmmI  parallelisiert  Gibt  man  auch  zu,  dass  in  der  ersteren  ParaUele  eine 
hatoe,  übrigens  nicht  neue  Wahrheit  liegt  (vgl.  Haym,  Humboldt  S.  111  ff.) : 
so  irt  doch  die  zweite  so  schief  als  möglich  (die  Trichotomien  findet  der 
Bi.  Verf.  sogar  bei  Jacob  Grimm  wieder!),  und  beide  Gleichungen  wird  nur 
sti^aieren,  wer  nicht  weiA,  dass  die  Naturphilosophie  ihren  eigenen  eprach- 
wissenschafUichen  Vertreter  an  A.  F.  Bemhurdi,  das  H^ersche  System  an 
K  Hejrse  i^efhnden  hat.  Ebenso  ist  dem  Hm.  Yerf«  S.  102  die  Sprachwissen- 
schaft Steinthal*s  nichts  anderes  als  die  Anwendung  der  Herbart  sehen  Philo- 
soplde  s^  das  Problem  der  Sprache,  während  sie  doch  nur  die  Ueberzeugung 
enuiält,  welche  heute  von  vielen  getheilt  wird,  die  im  übri^n  nicht  zu  den 
Anhängern  Herbart's  gerechnet  w^en  können,  dass  die  einzige  wissenschaft- 
liche Psychologie  die  äerbart*sche  sei  und  dass  auf  diese  zurückgegangen  wer- 
den müsse,  wo  irgend  von  Psychologie  ein  wissenschaftlicher  Grebrauch  ge- 
macht werde.  —  Der  S.  25  aufgestellte  Unterschied  zwischen  Philologie  und 
Geschichtswissenschaft  ist  mir  unverständlidi.  Diese  soll  .was  es  überhaupt 
von  Cnltur  auf  der  Erde  gibt**  nur  nach  seinem  materiellen  oaer  thatsächlichen 
(behalte,  jene  auch  nach  seiner  geistigen  Denkform  und  seinem  unmittel- 
buen  leben^Ugen  Fühlen  für  uns  ver&eten.  Folgt  S.  35  eine  teleologische 
Ansteht  der  Geschichte.  —  S.  72  steht  zu  lesen:  rJ^t  von  Anfang  an  alle 
Spndie  allerdingB  wohl  aus  einer  onomatopoetischen  Nachschaffung  des 
Wirklichen  durch  Anschluss  an  das  eigene  Tönende  und  sich  Bewegende 
in  demselben  entstanden,  so  hat  dann  freilidi  der  Zufall  oder  die  Con- 
vention den  Lautsusammensetzungen  oft  eine  ganze  Reihe  anderweiter, 
ihran  eigentlichen  Wesen  fremder  Bedeutungen  zugetheilt**.  Diese  Stf'lle 
mit  Ansrnfnngs-  und  Fn^^zeichen  zu  versehen,  überfisse  ich  dem  Leser.  — 
Dass  in  den  neueren  Sprachen  der  Abfall  der  Flexionen  den  Accent  auf 


t08  Literarische  Notizen. 

die  Silben  des  Stammes  zurückwerfe,  wie  S.  89  behauptet  wird,  ist  doppdt 
unrichtig.  Denn  keineswegs  haben  alle  neueren  Sprachen  den  Accent  auf 
der  Stammsilbe.  Und  im  Deutschen,  wo  dies  alleraings  der  Fall  ist,  war 
umgekehrt  die  Zurückziehung  des  Accentes  die  Ursache  nicht  des  Ab&lks, 
aber  der  Vocalschwächung  der  Flexionen.  — Ich  bin  nicht  fertig,  aber  ich 
breche  ab.  Das  £igenthümlichste  an  der  Torliegenden  Schrift  ist  ihre  sehr 
sonderbare  Interpunction. 

Wien.  W.  Scherer. 

Änfangsffründe  der  Physik  för  den  Unterricht  in  den  oberen  Glaeeen 
der  Gymnasien  und  Realschulen,  sowie  zur  Selbstbelehrunj^,  von  Kari 
Koppe,  Professor  und  Oberlehrer  am  königl.  preuA.  Gymnasium  zu  Soest 
Mit  329  in  den  Text  eingedruckten  Holzschnitten  und  einer  Karte.  Achte, 
verbesserte  und  vermehrte  Auflage.  Essen,  G.  D.  Bädeker,  186i. 

Das  vorliegende  Lehrbuch  aer  Physik  wurde  bereits  im  zwölften  Jahr- 
gange dieser  Zeitschrift  ausführlich  angezeigt.  Es  erscheint  daher  nur 
nöthig  darauf  hinzuweisen,  dass  der  Hr.  Verf.  die  damals  vom  Referenten 
in  Beziehung  auf  eine  consequentere  Durchführung  der  mathematisch -ex- 
perimentalcn  Methode  ausgesprochenen  Wünsche  mit  groiüser  Sorgfidt  zu 
befriedigen  gesucht  hat.  Dadurch,  dass  der  Hr.  Verf.  jene  Theile  der  rhysik, 
welche  zu  ihrer  Endlichen  Behandlune  der  Mathematik  bedürfen,  mit  der 
gehörigen  Rücksicht  auf  die  mathemi^sche  Deduction  umgearbeitet  ha^ 
ist  die  neue  Auflage  seines  Lehrbuches  im  Verhältnis  zu  den  früheren  Auf- 
lagen eine  thatsächlich  verbesserte  und  vermehrte  geworden.  Es  ist  daher 
mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  das  Buch  in  seiner  neuen  Form  nicht  nur 
seine  alten  Freunde  behalten,  sondern  sich  auch  neue  Kreise  erüffiien  werde. 
Ref.  kann  das  Buch  sowol  was  Lihalt  als  was  Ausstattung  betrifft,  seinen 
Ck)llegen  auf  das  beste  empfehlen. 

Wien.  Dr.  Jos.  Krist 

lüustriertes  Thierleben.  Eine  allgemeine  Kunde  des  Thierreiches, 
von  Dr.  A.  E.  Brehm,  Director  des  zoologischen  Gartens  in  Himiburg. 
Hildburghausen,  Bibliographisches  Institut,  1864. 

Es  liegen  uns  die  Hefte  7  —  15  dieses  mit  Recht  vielgepriesenen 
Werkes  vor;  sie  enthalten  die  Ordnung  der  Raubthiere  mit  Ausnahme  der 
Katzenfamilie,  die  bereits  vorangieng.  Von  interessanten  und  belehrenden 
Einzelheiten  lesen  wir  in  diesen  Heften  in  dem  Grade  Aehr,  als  der  Stoff 
in  seinem  Detail  nach  und  nach  aufhört,  allgemeiner  bekannt  zu  sein. 
Brehm  ist  selbst  in  dem  durch  Trockenheit  und  Einförmigkeit  so  häufig 
ermüdenden  beschreibenden  Theile  ein  so  bedeutender  Meister,  dass  seine 
Thierbeschreibungen  fast  ausnahmslos  durch  Kürze  und  Bestimmtheit  des 
Ausdruckes,  durch  die  Einfachheit  seiner  wo  nur  möglich  vergleichenden 
Darstellung,  durch  häufiees  Einflechten  von  Beziehungen  zwischen  den 
Merkmalen  und  Lebensbedingungen  der  Thiere  den  Leser  so  weit  zu  fesseln 
vermögen,  dass  er  sie  gerne  zu  Ende  liest.  Der  Schwerpunct  liegt  jedoch 
auch  hier  nicht  in  der  beschreibenden  Partie,  sondern  m  den  geistvollen 
Schilderungen  des  Lebens  der  l'hiere.  In  dieser  Beziehung  wäre  aus  dem 
vielen  guten  besonders  hervorzuheben :  die  Darstellung  der  Haupttrpen  des 
Hundes  (Windhund,  Dogge,  Jagdhund  u.  s.  w.),  des  Ichneumon,  der  Hyä- 
nen, des  Dachses,  des  Plermelins,  Wiesels,  des  Bären  und  des  Maulwurfs. 

Durch  dieses  Werk  wird  nicht  nur  der  geistige  Gesichtspunct  des 
liesers  erweitert  und  so  eine  Bereicherung  seines  Wissens  erzielt,  sondern 
auch  das  Gemüth  eines  halbwegs  wahr  fühlenden  Menschen  kann  bei  der 
Reichhaltigkeit  psychischen  wie  Verstandes-Lebens,  das  ihm  in  der  Thier- 
welt  entgej^entritt,  grofsartigcr  Eindrücke  ebenso  wohl  wie  einer  gewissen 
zur  Bescheidenheit  mahnenden  Stimmung  sich  nicht  erwehren.  Insbeson- 
dere treten  da  die  hundert  und  abermals  hundert  Verbindungsfäden,  durch 
welche  der  Mensch  an  die  Thierwelt  geknüpft  ist,  lebhaft  in  den  Vorder- 
grund,  und  dadurch  wird  ein  hübsches  Stück  Menschengeschichte  vorge« 


Literarische  Noüzen.  SM 

fthrt,  deren  Phasen  durch  thierische  Wesen  mitbedingt  werden,  die  mensch« 
licherseits  wol  eine  gröf^re  Achtung,  als  ihnen  gewöhnlich  zu  Theil  wird, 
▼erdienen  möchten.  Lehrreich  sind  die  in  neuerer  Zeit  vielfältig  erreichten 
Eniehnngsresultate  selbst  an  Thieren  der  wildesten  Art,  z.  B.  Fischotter, 
Hyine  u.  s.  w.;  der  Mensch,  der  Herr  der  Schöpfung,  erobert  täglich  ein 
grölheres  Gebiet,  das  er  zu  seinen  Zwecken  ausbeutet,  und  sieht  mit  Er- 
weiterung seiner  Kenntnisse  über  die  Thierwelt  immer  deutlicher  ein, 
welche  unendÜiche  Wichtigkeit  für  ihn  in  der  Eigenschaft  der  Thiere  liegt, 
nicht  blofs  ,,in8Ünctmäfl9ig*'  zu  handeln,  sondern  durch  Unterricht  sich 
zu  dnem  höheren  oder  niedrigeren  Grade  der  Verständigkeit  auierziehen 
zu  lassen. 

Wenn  auch  zuweilen  bei  den  Biographien  etwas  zu  sehr  in*8  minu- 
tiöse gegangen  wird,  mehr,  als  zur  Auffassung  des  betreffenden  Thier- 
chanüners  notiiwendig  ist,  wenn  Ausdrücke,  wie:  Barry,  der  „Heilige**  u.  dgl. 
auf  Rechnung  einer  von  Bewunderung  zu  sehr  ein^nommenen  Phantasie 
und  somit,  wie  selbstverständlich,  im  figürlichen  Sinne  zu  nehmen  sind, 
so  müssen  wir  doch  gestehen,  dass  der  L  Band,  der  nun  vollendet  ist,  in 
jeder  Hinsieht  mit  groflser  Meisterschaft  durchgeführt  wurde;  das  Werk 
verdient  nicht  blofii  in  den  Schul-  und  öffentlichen  Bibliotheken,  sondern 
im  gebildeten  Publicum  die  gröflite  Verbreitung. 

H.  Stahl.  Die  Wasser  weit,  vom  Standpuncte  der  neuesten  natur- 
wiasenschaftliohen  Anschauung.  2.  Aufl.  8.  Leipzig,  1864. 

Wir  halten  dieses  Buch  für  ein  verfehltes.  Bei  276  Seiten  Text  ent- 
hält es  190  Holzschnitte,  4  Steindrucktafeln  und  2  Karten.  Einzelne  von 
diesen  Illustrationen,  wie  jene  vom  Nordlichte,  gehören  Theilen  des  Textes 
an,  welche  kaum  irgend  ein  Leser  in  einem  Buche  über  das  Wusser  suchen 
wird,  während  z.  B.  das  gewiss  wichtige  Capitel  von  den  Gletschern  und 
ihren  Moränen  ohne  eine  belehrende  r^fui  geblieben  ist  Das  Bild  auf 
S.  189  leigt  keinen  einzigen  der  wesentlichen  Charaktere  eines  Gletschers. 
Dafür  stelten  nicht  weniger  als  7  gröTsere  Holzschnitte  groteske  Erosions- 
formen von  Felsen  dar,  abo  Erscheinungen,  an  welche  sich  gar  kein  tieferes 
Interawe  knüpft.  Im  Texte  finden  wir  keine  Stelle,  an  welcher  von  der 
aotiaefa  Bolle  die  Bede  wäre,  welche  dem  Wasserdampfe  bei  vulcanischen 
Eruptionen  zukommt,  keine,  an  welcher  der  ^fflobulöse'*  Zustand  des  über- 
hitzten Wassers  geschildert  wäre.  Ja  auch  der  gröfstc  Gedanke,  der  in 
den  letzten  Jahren  in  Bezug  auf  die  kosmische  Bedeutung  des  Wassers 
ausgesprochen  wurde,  nämlich  Saemann*s  Hypothese  von  dem  Vertrocknen 
der  Oberfläche  der  Himmelskörper,  ist  dem  Hrn.  Verf.  unbekannt  geblieben. 
Wer  überhaupt  durch  Anhäufung  von  Holzschnitten  und  durch  zahlreich 
in  den  Text  gestreute  Verse  eine  dauernde  Zunei^ne  zu  irgend  welchem 
Zweige  der  exacten  Forschung  hervorzurufen  hont,  der  ist  auf  falschem 
Wege  und  verräth  zugleich  wenig  Zutrauen  zu  der  fesselnden  Kraft  seiner 
Feder.  Der  Leser  wird  nur  dort  festgehalten  und  erwärmt,  wo  aus  einer 
klaren  Schreibweise  die  Reife  deii  Uitheiles  und  die  persönliche  Liebe  des 
Autors  zu  seinem  Gegenstande  hervorblickt.    Alles  übrige  stört. 

E.  S. 

Globus,  Ulustricrtc  Zeitschrift  für  Länder-  und  Völkerkunde.  Chronik 
der  Reisen  und  geograplüsche  Zeitung.  In  Verbindung  mit  Fachmännern 
nnd  Künstlern  herausgegeben  von  Karl  Andree.  Hildburghausen,  Bibliogra- 
phisches Institut,  1863  u.  1864  [Nr.  1—17].  (Preis  des  Bandes  zu  12  Lie- 
ferungen 3  Thlr.) 

Der  Gedanke,  durch  eine  geographische  Zeitung,  „die  an  wissenschaft- 
licher Unterlage  strenge  festhält,  aur  geschmackvolle  Darstellung  Werth 
legt,  und  auf  Manni^mltigkeit  der  Mittheilungen  Rücksicht  nimmt,  der 
mssenschaft  neue  Ficunde  im  Kreise  des  gebildeten  Pablicums  zu  ge- 
winnen, und  deren  Theilnahme  für  die  Länder-  und  Völkerkunde  anzuregen,** 


tlO  Literarische  Notiien. 

erwies  eich,  wie  wir  schon  in  den  früheren  Bespfechnngen  (Jahrg.  18^ 
S.  884  and  1863.  S.  486)  hervorhoben,  als  ein  sehr  glücklicher.  Seither 
sind  wieder  drei  Bände  erschienen,  und  sie  bezeugen  den  gedeihlichen  Fort- 
schritt des  Unternehmens.  Die  Anzahl  der  Originalseichnungen  hat  sii^ 
bedeutend  gehoben,  auDser  den  Holzschnitten  sind  Stahlstiche  und  Karten 
zur  Illustarierung  des  Textes  hinzugetreten;  die  Erzählungen  und  Nachrich- 
ten suchen  immer  vollständiger  das  weite  Gebiet  der  geographischen  und 
ethnographischen  Forschungen  zu  umfassen.  Nicht  allein  kühne  Beiaende 
erzählen  uns  von  den  fernen  Wundern  und  Bäthseln  des  Inneren  von  Afrika 
oder  Chinas,  sondern  auch  unsere  nahe  Heimat  wird  uns  in  anmuthigen 
Bildern  vorseführt  wie  z.  B.  das  Harzgebirge  B.  V.  S.  257  ff.,  Nflmimg, 
B.  Yl.  S.  389  ff.  Auch  die  Ausgrabungen  verfallener  Städte  und  ihn 
Resultate  wurden  nicht  vergessen;  so  Ninive  B.  lY.  S.  390,  und  die  aa»> 
führliche  bis  zur  neuesten  Zeit  hinaufreichende  Beschreibung  der  Ausgra- 
bungen zu  Pompeji  (B.  YII.  S.  1  ff.).  Das  cultnrhistorische  Fach  ist  ver- 
treten durch  recht  schätzbare  AuMtae,  unter  denen  wir  «die  Weinrebe  als 
Culturpflanze  und  den  Wein  als  Getränk  bei  den  verschiedenen  Yölkem* 
B.  VL  S.  172  hervorheben.  Neben  diesen  um&ssenderen,  meist  mit  zahl- 
reichen Illustrationen  bej^leiteten  AufiBätzen  laufen  lehrreiche  statiatiaGhe 
und  ethnographische  Notizen  ^Aus  allen  Erdtheilen",  welche  selbst  für  den 
Lehrer  viel  neues  und  interessantes  bringen.  Wir  können  wol  am  leich- 
testen denUmfEUiff  und  die  Mannig&ltk^keit  dieser  Zeitschrift  kennzeichnen, 
wenn  wir  die  Nachrichten  und  Beschreibungen  erv^nen,  welche  Oesterreich 
betoeffen,  das  für  eine  Zeitschrift,  die  vom  ganzen  Erdballe  erzählen  will, 
doch  nur  ein  kleines  Stückchen  Land  ist.  Cahin  gehören  unter  mehreren 
anderen  insbesondere  die  schön  illustrierten  Au&ätze  von  Kanitz :  '  Yon  am 
Ostküste  des  adriatischen  Meeres'  B.  Y.  S.  S21  ff.  'Bagusa  in  Dalmalte' 
B.  YL  S.  10  ff  *Die  Boka*  B.  YL  S.2d2  ff  *Die  hoheTatra  und  ihre  Be- 
wohner* B.  YH.  S.a2  ff.,  *£ine  Besteigung  des Grofliglockner*  B.  YL  66ff 
nach  Dr.  A.  v.  Ruthner*s  *Aus  den  lauern*  und  die  mit  genauer  Local- 
kenntnis  und  grofber  Unpartheilichkeit  geschriebenen  'Briefe  über  Böhmen* 
B.  lY.  S.  28  ff.  In  dieser  Weise  bringt  die  Zeitechrift  über  alle  ErdtheUe 
vielfache  Kunde.  Wie  sie  für  Familien  ein  lehrreiches  und  unterhaltencks 
Buch  ist,  so  zweifeln  wir  nicht,  dass  sie  in  der  Schule  dem  Lehrer  oftmals 
nützlich,  dem  Schüler  aber  ein  liebes  Buch  sein  wird,  welches  ihm  die  oft 
leblose  und  kalte  Karte  durch  Erzählung  und  Bild  belebt,  und  die  An 
schauungen  des  geographischen  Unterrichtes  vertieft 


Dritte  Ab  th  eilung. 

Zar  Didaktik  und  Psedagogik. 

Zar  Reform  der  Mataritätsprflfang. 

Der  Vondüag  des  Hrn.  Directors  Hochegger  bezüglich  einer  nenen 
Fom  in  der  Abbaltnng  der  Matnrit&tBprtlfting  ist,  was  das  pro  und  contra 
MrUR^  to  mbeitig  discntiert  worden,  dass  es  schwerlich  ein  erhebliches 
MoBMUt  geben  wiid,  wekhes  nicht  seine  Würdigung  gefunden  hatte.  Auch 
die  entfernteren,  mehr  mittelbaren  Rückwirkungen  des  be- 
treffenden Vorschlages  auf  die  Prosperität  des^  Schulunter- 
riektee,  die  wir  in  den  folgenden  Zeilen  näher,  aufzeigen  wollen,  sind 
in  dem  verigen  Jahrgange  dieser  Zeitschrift  am  Schlüsse  der  „Ent^^eg- 
aung*  des  Hm.  Dhr.  Hochegger  (18t)4,  8.906)  bereits  angedeutet  worden. 
Wir  kalten  jedoch  gerade  diese  secundaren  Wirkungen  der  vorgeschlagenen 
Xodifealion  illr  so  wichtig,  dass  wir  uns  nicht  enthalten  können,  die  Be- 
dentnng  des  Hochegger*schen  Vorschlages  unter  diesem  Qesichtspuncte  be- 
sonden  zu  beleuchten. 

Für  derlei  secundäre,  d.  h.  nicht  unmittelbar  beabsichtigte,  darum 
aber  nicht  minder  bedeutungsvolle  Wirkungen  des  gedachten  Reformvor- 
schlages  erachten  wir:  1.  die  Hinüberrichtung  der  gesammten  Unterrichts- 
thätigkeit  von  dem  Formellen  auf  das  Essentielle,  von  dem  momentan  auf- 
genommenen Vielen  auf  das  bleibend  zu  erfiMsende  Eine;  und  2.  die  durch 
die  projectierte  IfaAnregel  ermöglichte  gröfbere  Autonomie  der  einzelnen 
ünterrichtsanstalten,  so  wie  die  Befreiung  derselben  von  lästigen  Gontrol- 
and  Uniformierungsmaltoegeln. 

Zu  1.  Dass  die  auf  die  Universität  oder  in*s  Leben  hinübergeretteten 
Früchte  des  Gymnasialunterrichtes  dem  riesigen  Apparate,  womit  derselbe 
arbeitet,  nicht  entsprechen,  wird  deijenige  gerne  zugestehen,  der  ferne  von 
jeder  Selbsttäuschung  die  Dinge  in  ihrem  natürlichen  Lichte  zu  sehen  ge- 
wohnt ist.  Es  ist  geradezu  erstaunlich,  mit  welcher  Geschwindigkeit  die 
dnreh  verschiedene  Prüfnngsacte  constatierten,  durch  mitunter  glänzende 
Zengnisttoten  doenmentierten  Wissensresultate  abfidlen,  sobald  der  erste 
Windhaudi  über  sie  dahingeht  Sie  sind  bis  auf  einen  sehr  bescheidenen 
Gmndstoek  materieller^enntnisse  und  auf  eine  durch  sie  gewonnene,  mehr 
oder  weniger  ekstische  formale  Gewandtheit  des  Geistes  in  kurzer  Zeit 


212  O,  Lindner,  Zur  Beform  der  Matnritätsprüfong. 

dahin.  —  Die  Ursache  dieser  nicht  leicht  hinwegzulängnenden  Erscheinang 
besteht  darin,  dass  die  ünterrichtsthätigkeit  der  Schale  mehr  die  nächsten 
als  die  entfernteren  Ziele  des  Unterrichtes  im  Auge  behalt  und  dass 
sie  sich  in  Fällen,  wo  ein  wirklicher,  die  Schulzeit  überdauernder  Erf<dg 
nicht  erreicht  worden  ist,  mit  dem  täuschenden  Scheine  desselben  be- 
gnügt. Täuschender  Schein  ist  es  nämlich,  wenn  man  das  geläufige  Wieder- 
geben eines  gedächtnismäfsig  aufgerafften  Wissensmaterials  für  einen  wirk- 
lichen Erfolg  nimmt,  und  nur  auf  diese  Weise  ist  es  zu  erklären,  wie  sich 
Individuen  durch  alle  acht  Classen  bis  zur  Maturitätsprüfigiff  hindurch- 
ziehen, die  Ton  Leotion  zu  Leetion,  von  Semester  ku  Semester  ihre  Sachen 
leidentlich  machen,  um  am  Ende,  wo  sie  über  das  Ganze  Bed*  and  Ant- 
wort geben  sollen,  als  völlige  Ignoranten  dazustehen.  Diese  Erscheinang 
ist  um  so  gewöhnlicher,  je  mehr  gewisse  Einrichtangen  der  Schale  geeignet 
sind,  die  mechanische  Aufnahme  des  Lehrstoffes  auf  Unkosten  der 
productiven  Selbstthätigkeit  und  eigenen  UrtheilsÜhigkeit  des 
Schülers  zu  begünstigen,  das  mtUtay  sed  non  muUum  als  Devise  des  Unter- 
richtes hinzustellen. 

So  lange  es  Examen  und  ExaminAnden  gibt,  wird  »für  die  Fr  1^ 
fang**  gelehrt  und  gelernt  werden.  Die  Art  and  Weise,  wie  die  Pvflfiuig 
vorgenommen  wird,  kann  also  nicht  verfehlen,  ihre  bestimmende  Sota- 
wirkung  auf  den  Unterricht  auszuüben.  Wo  man  versichert  ist,  an  den 
Lehrer  auch  den  Examinator  vor  sich  za  haben,  wird  man  bestftndig 
versucht,  nicht  so  sehr  die  Sache,  als  den  Lehrer  zu  Edieren.  JMier 
der  nahezu  panische  Schrecken,  der  vor  dem  (bedanken  einhergeht/  die 
Functionen  des  Lehrers  und  des  Examinators  zu  trennen.  Bequemer  ftr 
Lehrer  und  Schüler  ist  allerdings  die  Vereinigung  dieser  Fanctioneo. 
Für  das  Ziel  des  Unterrichtes  jedoch  ist  ihre  Trennung  bei  der  MatarititB- 
prüfung  von  wesentlichem  Belange.  Ja  wir  gehen  so  weit^  zu  behaupten, 
dass  nur  durch  diese  Trennung,  wie  sie  der  Hochegger*sohe  Befonnvor- 
schlag  involviert ,  die  Maturitätsprüfung  wahrhaft  Sinn  und  Bedeutung 
erlange. 

Bei  der  gegenwärtigen  Form  der  Matoritätsprüfung  ist  die  Lehr- 
anstalt in  das  Interesse  an  der  Prüfung  so  lu  sagen  mit  hineingih 
zogen;  sie  hat  durch  die  von  ihr  im  vorhinein  censurierte  Durdischnitts- 
leistung  des  Abiturienten  den  künftigen  Erfolg  gleichsam  prigudiciert,  and 
abgesehen  von  den  Begangen  des  Wohlwollens,  die  für  den  Examinuiden 
allenfaUs  wirken,  liegt  der  Lehranstalt  mehr  oder  weniger  daran,  dass  der 
Erfolg  der  Prüfung  nicht  schlechter  ausfalle,  als  derselbe  nach  einem  mehr- 
jährigen Durchschnitte  von  ihr  prognosticiert  wurde.  Kurz,  sie  steht  als 
Bichterin  da  über  Leistungen,  die  doch  zum  grofsen  Theile  nicht  aikin 
von  der  Yerwejdung  des  Candidaten,  sondern  auch  von  dem  UmsUade 
abhängen,  wie  sie  ihre  eigene  Aufgabe  erfüllt  hatte.  In  diesem  Veriialt^ 
nisse  liegt  nun  gewiss  eine  sehr  grofse  Verlockung  zur  Milde  dtf  Beor- 
theilung.  Indem  verschiedene  Lehranstalten  dieser  Verlockung  ongkich- 
mäf^ig  nachgeben ,  erklärt  sich  die  horrende  Ungleichmäfisigkeit  in  den 
Prüfungsergebnissen  der  verschiedenen  Gymnasien  und  Kronländer  —  eine 
Ungleichmäfbigkeit,  welche  auf  die  Verschiedenheit  da:  natürii^e«  Bedmr 


B.  iLMh^,  Znr  Beform  der  Mataritltsprttfang.  tlS 

gangen  das Bildungserfolgcs  allein  nicht  leicht  zurückgeführt  werden  kann. 
Schhgen  wir  die  statistischen  Tafeln,  deren  Veröffentlichiing  wir  der 
rerehrl.  Redaction  dieser  Zeitschrift  verdanken,  nach,  so  finden  wir  für  das 
Schuljahr  1863,  dass  in  den  Kronlftndem:  Küstenland,  Dalmatien, 
Kroatien  nnd  Slavonien  and  in  der  Militärgrense  nitM  ein  ein- 
ziger Abiturient  bei  der  Matnrit&tsprüfnng  geworfen  wurde,  während  das 
im  Centnun  des  Reiches  gelegene  NiederOsterrmch  mit  den  Gymnasien  der 
Reichsmetropole  nicht  weniger  als  14  Procent  der  angemeldeten  Abiturien- 
ten für  unreif  erklärte  und  an  einem  Gymnasinm  Wiens  allein  ebenso  viel 
Reprobationen  Ton  Matnrit&tsprüfongscandidaten  stattfimden ,  als  an  allen 
17  stark  frequentierten  Gymnasien  Böhmens  zusammengenommen.  Diese 
Züilen  sprechen  mit  grofter  Beredsamkeit  für  eine  Reform  der  Maturi- 
tittsprüfüng. 

Wirerachtendas  Interesse  der  Schule  an  dem  schliefslichen 
Erfolge  ihrer  mehrjährigen  Thätigkeit  für  ein  naturgemäAes  und 
gerechtfieTtigtes,  meinen  aber,  dass  eben  bei  dem  Vorhandensein  dieses  In- 
teresses ein  anderer  Factor  als  die  Schule  selbst  über  die  Erfolge,  die  sie 
oreieht  bat,  urthdlen  sollte.  Dann  wird  dieses  Interesse  die  Schule  an- 
treiben, ihre  didaktische  Thätigkeit  auf  die  Herbeiführung  Ton  UnterrictAs- 
etfblgen  zu  richten,  die  sich  vor  jedem  Examinator  bewähren  und  eine 
?eigleichung  mit  den  durchschnittlichen  Erfolgen  anderer  Lehranstalten 
aushalten.  Dies  kann  aber  nicht  anders  geschehen,  als  dadurch,  dass  sich 
die  Lehrthätigkeit  von  der  Form  hinweg  auf  das  Wesen  der  Sache  richte, 
daas  anstatt  des  mechanischen  das  judiciöse  Gedächtnis  zur  Erfas- 
sung des  Unterrichtsstoffes  herangezogen  werde,  dass  man  sich  entschliefiBe, 
tnstatt  des  zerstreuenden  und  momentan  aufgenommenen  Vielen  blof^ 
Welliges  beizubringen,  allein  dieses  Wenige  in  Saft  und  Blut,  in  aticcum 
ä  8img%tinem  der  Schüler  zu  veiwandeln. 

Wir  geben  auch  zu,  dass  die  Prüfung  vor  einem  flremden  Prüfnngs- 
forum  für  die  Schüler  schwieriger  sein  werde;  wahrhafte  Schwierig- 
keiten wird  sie  aber  nur  für  jene  Schüler  mit  sich  führen,  die  gewohnt  • 
sind,  auf  bestimmt  fbrmuUerte  Fragen,  die  mit  den  Anfängen  der  Para- 
gnphen  des  Lebri)uches  übereinstimmen,  zu  antworten  —  auf  Fragen,  die 
an  das  funose:  „Wer  lachte  über  Griechenland",  erinnern.  Diese  Schwierig- 
keiten werden  aber  nicht  für  einen  Schüler  bestehen,  der  gewöhnt  worden 
ist,  bei  der  Beantwortung  der  an  ihn  gestellten  Fragen  auf  das  Wesen 
der  Sache  einzugehen,  und  dasjenige,  was  er  über  dieselbe  an  verschiede- 
nen Stellen  des  Unterrichtes  sich  anzueignen  Gelegenheit  hatte,  in  freier, 
ungezwungener  Weise  wiederzugeben.  Denn  nicht  die  Producierung  eines 
von  groilKr  Vielwisserei  zeugenden  reichen  Details,  sondern  das  gedanken- 
mäfkige  Erfieusen  der  f^indamentalen  Elemente  der  Bildung  ist  es,  welches 
durch  die  Maturitätsprüfung  constatiert  werden  soll. 

Zu  2.  Das  Gedeihen  des  Unterrichtes  ist  von  einer  gewissen  „Au- 
tonomie" der  Lehranstalten  abhängig;  denn  die  Unterrichtsverhaltnbse 
sind  nicht  einmal  an  zwei  Lehranstalten  vollkommen  gleich.  Es  ist  daher 
einer  der  Vorzüge  unseres  Organisationsentwurfes,  dass  er  sich  von  dem 
Yenuche  einer  Uniformierung  der  Lehranstalten  bis  in's  kleinste  Detail 


tl4  O.  LMmt,  Zar  Reform  der  ICatarlttttq^rMiBff. 

fernhftlt  und  durch  „Instructionen"',  die  sich  an  das  didakiiselie  Qe- 
wisüen  der  Lehrer  kehren,  zu  erreichen  sucht,  was  durch  „Ordoimanien* 
schwer  zu  erroichen  wäre.  In  unserem  Yaterlande  wird  man  sich  aber 
ganz  besonders  mit  dem  Gedanken  einer  grOÜMren  Autonomie  der  eimelnen 
iiohranstalten  Tertraut  machen  müssen,  da  die  provindellen  und  iiatk»a- 
len  Unterschiede  hier  schwer  in*s  Gewicht  üülen,  und  zu  den  Tom  Staate 
in's  Leben  gerufenen  Lehranstalten  auch  jene  der  Corporationen,  QeaMin- 
den  und  Privaten  hinzutreten.  Wir  würden  es  aber  geradem  ftr  ein  üi- 
glück  halten,  wenn  man  darauf  bestehen  wollte,  die  Gjmnaiien  alle  Badi 
einerlei  Schablone  eingerichtet  zu  wissen,  weil  durch  diesen  Unifomkm^fi» 
zwang  die  freie  Bewegung  des  Unterrichtes  leiden  würde  und  dem  didak» 
tischen  Fortschritt  ein  Hemmschuh  angelegt  wire.  Wenn  es  nimfidi  w«kf 
ist,  dass  wir  mit  der  Organisation  unserer  LehranstaHen,  mit  unsereB  Lebr» 
methoden,  LehrpUnen  und  Lehrmitteln  noch  nicbt  bei  dem  Ideale  der 
Vollendung  angelangt  sind,  so  mOge  jeder  Versuch,  hierin  einen  Sdinftt 
nach  Torwarts  au  thun,  mit  Freude  begrüM  werden.  Derlei  Ej^erinMote^ 
welche  eine  Corporation  oder  ein  Private  mit  seiner  Lehranstalt  laicht  for- 
nehmen  kann»  lassen  sich  aber  mit  simmtlichen  Gymnasien  elnea  weiten 
Kci^erreiches  nicht  leicht  anstellen.  Gerade  in  diesem  Angenblidce  tntsB 
solche  concreto  BeformTorsuche  der  Organisatiim  der  Gymnasien  und  Beal- 
schulen  hervor  und  man  muss  es  dankbar  annehmen,  dass  die  Commune^ 
welche  neue  Lehranstalten  in*s  Leben  rufen,  dieselben  mit  den  mittler- 
weile fortgeschrittenen  Bedürfnissen  der  Gegenwart  in  Kinklang  in  brin- 
gen trachten.  Diese  Versuche  wären  aber  sehr  unsicher,  wenn  der  Staat 
das  Oeffentlichkeitsrecht  von  einer  besonderen  ihm  genehmen  Einrich- 
tung dieser  Anstalten  abhängig  machen  wollte.  Dai^ige,  was  man  also 
gegen  die  projectierte  Verweisung  der  Maturitätsprüfung  vor  das  Foram 
der  Hochschule  anführt,  dass  alsdann  die  Goncessionierang  einzdner  Lehr- 
anstalten durch  Verleihung  des  Oeffentlichkeitsrechtes  als  überflüasig  er- 
schiene —  scheint  uns  für  dieselbe  zu  sprechen.  Viele  Wege  führen  in  dem 
einen  ffiele,  welches  das  Gymnasium  anstrebt  und  dessen  Eneichnng  dnrdi 
die  Maturitätsprüfiing  oonstatiert  werden  soll,  und  man  kann  getrost  die 
verschiedenen  Lehranstalten  ihre  Wege  zu  diesem  Ziele  gehen  lassen, 
vorfiusgesetzt,  dass  sie  nicht  offenbare  Abwege  oder  Lrwege  sind.  Ob  nach 
diesem  oder  jenem  Studienplan,  ob  durch  Zugrundelegung  dieser  oder  jener 
Lehrbücher,  ob  nach  dieser  oder  jener  Methode  das  Lehr-  oder  Lemiiel 
erreicht  wird,  bleibt  gleichgiltig,  wenn  es  nur  erreicht  wird.  Andern  Er- 
folge mag  die  didaktische  Arbeit  gemessen  werden,  ohne  dass  ea  nüthig 
wäre,  ihren  Fortgang  bei  jedem  Schritt  zu  controlieren  und  ihr  dadurch 
die  eigentliche  Lebensbedingung  ihres  Wirkens,  die  Freihdt  der  Bewegung 
zu  verkümmern.  Zu  diesem  Behufe  braucht  man  aber  einoi  abaolnten 
Werthmesser  des  Erfolges  und  einen  solchen  soll  die  projectierte  Beton 
des  Maturitätsezamens  an  die  Hand  geben. 

Cilli.  Gustav  Lindner. 


J.  IPblf,  llktlirUiAsprttAiiig  wb  der  Oefldiiehte  etc.  tl6 


Ueber  die  MaturitätsprAfung  aus  der  Geschichte  und 
Oeographie. 

Bd  jeder  PrOAmg  handelt  es  sich  emmal  um  das  Ifaüi  der  Anfor- 
tenngen,  die  an  den  Eiaminanden  su  stellen  sind,  und  sodann  um  die 
Art  nnd  Weise,  in  der  M  dem  Pr&ftmgsacte  vorzugehen  ist;  mit  einem 
Wort,  es  kommt  darauf  an ,  was  und  wie  geprüft  wird.  —  Als  das  MaDi 
der  Anfoidenuigen  in  der  Geschichte  und  Geographie  heieiohne(  der  Org. 
Entw.  fikr  die  MaturititsiMilfung  im  allgemeinen  die  Lehran^g^abe  des  Ober- 
gjmnaainma.  Demnadi  sollte  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  was  Gegen- 
stand der  genannten  PrAliing  zu  sein  habe  und  was  nicht  In  Wirklich- 
keit aher  ?erhilt  sich  die  Sache  ganz  anders. 

um  inent  Ton  der  Geschichte  insbesondere  zu  reden,  so  ist  es  eine 
bekamle  Saelie,  dass  das  für  diesen  Gegenstand  aufgestellte  Lehrziel  keines- 
w^  so  gsnan  fixiert  ist,  um  nicht  da  und  dort  ein  mehr  oder  weniger 
m  goatatten,  ganz  abgesehen  von  der  so  Torschiedenartigen  Behandlung 
ud  Gettaltang,  die  das  in  den  Unterricht  gezogene  geschichtliche  Material 
dem  betreffendmi  Lehrindividuum  erlaubt  Gab  es  doch  eine  lange  Zeit,  in 
wdeber  die  Geschichte  ÜMt  nichts  weiter  bot  oder  bieten  durfte,  als  die 
Beikaifolge  der  unterschiedlichen  Regenten  eines  Landes  und  die  Kriegs- 
die  nacheinander  da  und  dort  vorfielen.  Der  Menschheit  wurdei 
kein  weiteres  gemeinsames  Interesse  zugemuthet,  als  die  g^gen- 
aeitigt  Beraubung  an  Gut  und  Blut,  ja  die  gegenseitige  Vertilgung  vom 
Mhoden,  nnd  die  Weltgeschichte  nahm  sich  somit  aus  wie  ein  efaiziges 
pohm  Sdüachtgemllde,  angesichts  dessen  man  sich  verwundert  fragen 
nodite,  wie  der  Mensch  denn  trotzdem  noch  Zeit  und  Gelegenheit  fznd  zu 
den  so  gewaltigen  Fortschritten  auf  allen  Gebieten  des  geistigen  und  ma- 
taridlen  Lebens.  Es  ist  diese  Art  der  Geschichtsschreibung  ttbrigens  noch 
bevte  sieht  ganz  Überwunden.  Man  blättere  nur  eine  Anzahl  beliebiger 
Oesduditswarke  und  besonders  Lehrbücher  der  Geschichte  durch  und  man 
wird  finden ,  dass  allenthalben  noch  das  wechselseitige  Abschlachten  der 
Vülker  intereinander  den  Hauptgegenstand  der  Darstellung  bildet 

Dem  gegenüber  gewinnt  indessen  eine  ganz  andere  Art  der  Geschichts- 
bshaiidlnng  immer  mehr  Kaum.  Dieselbe  zieht  nfanlich  gleichmäßig  alles 
in  den  Bereich  ihrer  Darstellung,  was  nur  jemals  unter  der  Sonne  von  Men- 
sohen  gehegt  und  gepflegt  wurde.  Sie  verbreitet  sich  über  die  Dogmen  und 
die  litnigie  der  verschiedenen  Religionen,  über  die  Pflege  aller  Künste  und 
Wissenschaften,  über  die  Entwickelung  von  Handel  und  Gewerbe;  sie  schil- 
dert die  Tempel  der  G^^tter,  die  Pattste  der  Herrscher  und  die  Behausun- 
gen der  Menge,  beschreibt  Gerithschaften  und  Eleidertiacht  und  berichtet 
mwisscnhsft  über  alle  Gq>flogenheiten  des  Öffentlichen  und  privaten  Zu- 
«unmenlabens.  —  Kein  Zweifel,  dass  all*  dies  in  Geschichtswerken  an  seinem 
Ort  ist  nnd  anch  in  Lehrbüchern  der  Geschichte  Beachtung  finden  muss. 
Aber  wie  yi«!  davon  der  geschichtliche  Unterricht  z.  B.  im  Obergymna- 
sinm  zn  venurbdten  und  wie  viel  somit  Gegenstand  der  Maturitflytq[irüfiing 


flft  X  Wolf,  MatniMtsprUfniig  ans  der  Geediiclite  etc. 

zu  bilden  hat,  das  ist  wol  nicht  so  leicht  zu  beantworten.  Die  bezüglichen 
Normen  geben  darüber  nur  ganz  allgemeinen,  um  nicht  zu  sagen  unbe- 
stimmten Au&chlnss,  wenn  sie  eine  üebersicht  Aber  die  Hanptbegeban« 
heiten  der  Weltgeschichte  in  ihrem  pragmatischen  Zusammenhange  und 
eine  genauere  Kenntnis  von  der  geschichtlichen  Entwickelung  der  Griechen 
und  Römer  sowie  des  österreichischen  Vaterlandes  'verlangen.  Dekn  wbb 
heilet  üebersicht,  was  genauere  Kenntnis?  Ich  habe  es  in  diesen  BUlltem 
bereits  einmal  ausgesprochen,  dass  darüber  kaum  ihrer  zwei  ganz  derBelbes 
Meinung  sein  werden,  und  doch  ist  eine  gewisse  Uebereinstimmnng  hier 
im  Interesse  der  allen  Gymnasien  gleichmäTsig  gestellten  Lehranllsibe  ge- 
boten. Wie  nun  zu  dieser  üebereinstimmung  gelangen? 

Mancher  wird  wol  diese  Frage  ebenso  schnell  und  entsdliiedra  dahin 
beantworten,  dass  sich  einfach  an  das  für  das  Obergjmnasium  bestiiiiiiite 
Lehrbuch  zu  halten  sei.  Hierüber  sehe  ich  aber  den  einen  Teriehtikb 
Iftcheln,  den  anderen  dagegen  bedenklich  die  Achseln  zucken.  Und  beide 
haben  ihren  guten  Grund.  Ich  denke  mir  u&mlich  das  zumeist  gebfinolK 
liehe  Lehrbuch  von  Pütz.  Ein  Schüler,  dessen  historische  Kenotnia  über 
den  Inhalt  dieses  Buches  nicht  hinausgienge,  würde  nicht  zu  denen  gezihlt 
werden  dürfen ,  die  das  geschichtliche  Lehrziel  am  Gymnasinm  erreieht 
haben.  Dem  genannten  Lehrbuche  fehlt  n&mlich,  wie  das  auch  nicht  anden 
sein  kann,  die  geistige  Verarbeitung  des  aufgenommenen  Lehntoffee,  ea 
bietet  nichts  weiter  als  ein  Skelett,  welches  Fleisch  und  Blut  erst  bekmn- 
men  rouss.  Anderseits  aber  würde  wieder  ein  Schüler  berechtigtes  Eistaumn 
erregen,  der  alles  das  wüsste,  was  in  dem  erwähnten  Lehrbuche  entlialten 
ist,  denn  es  finden  sich  darin  eine  Menge  Daten,  welche  festznhalteii  wol 
dem  Papier,  aber  nicht  dem  menschlichen  Gedächtnisse  gegeben  i9t.  —  Dm 
Lehrbuch  an  und  für  sich  wird  also  nicht  den  Maftetab  abgeben  kGnnen 
zur  genauen  Fixierung  des  dem  Gymnasium  gesetzten  geschichtlichen  Jjehi^ 
Zieles,  und  doch  wird  das  Lehrbuch  hiebei  nicht  anü^  Acht  gelasaen 
werden  dürfen. 

Das  Gymnasium  hat  nämlich ,  und  dies  ist  wohl  zu  beachten ,  nicht 
Geschichte  überhaupt  zu  lehren,  sondern  lediglich  in  das  Studium  der  Ge- 
schichte so  weit  einzuführen,  dass  der  Schüler  endlich  im  Stande  sei,  auf 
dem  betreffenden  wissenschaftlichen  Gebiete  sich  einigermaßen  selbständig 
fortzubewegen.  Um  nun  dieses  Ziel  zu  erreichen,  ist  es  hier  ebensowenig 
wie  in  einer  anderen  Disciplin  gleichgültig ,  welcher  Weg  eingeschlagen, 
welche  Art  und  welche  Menge  wissenschaftlichen  Materials  verarbeitet 
werde.  Da  aber  geschichtliche  Kenntnisse  nicht  anders  als  durch  oftmalige 
Wiederholung,  oder  wenn  man  will,  Wiederverarbeitung  zum  geistigen 
Eigenthum  gemacht  werden  können,  so  ist  es  durchaus  erforderlidi ,  dass 
der  Schüler  in  der  Lage  sei,  diese  Wiederholung  so  oft  als  notiiwendig 
vorzunehmen.  Und  hiezu  bedarf  es,  da  sowol  Dictate  als  sogenannte  Ezplir 
cationen  verpönt  sind,  jedenfalls  eines  Lehrbuches  und,  insofern  dasselbe 
theils  zu  wenig  und  theils  zu  viel  bietet,  diesbezüglicher  von  dem  Schüler 
eigens  angefertigter  Notizen.  —  Sind  nun  aber  einmal  dem  geschichtlichen 
Unterrichte  derartige  Schranken  gesetzt,  so  hat  man  sich  innerhalb  dieser 
Schranken  natürlich  auch  bei  der  Maturitätsprüfting  zu  halten,  d.  h.  es 


J.  Wolf,  Maturitätsprüfung  aus  der  Geschichte  etc.  817 

hat  nichts  Gegenstand  der  Maturitätsprüfung  zu  sein,  was  nicht  früher 
Gegenstand  des  Unterrichtes  gewesen  ist. 

Aber  bei  der  Maturitätsprüfung  kommt  es  ja  doch  weniger  auf  die 
Erprobung  der  d'em  Gedächtnisse  eingeprägten  positiven  Kenntnisse 
als  auf  die  Prüfung  der  graduellen  geistigen  Beife  an.  Es  handelt 
sich  somit  weniger  um  das,  was  geprüft  werden  soll,  als  um  das  Wie  des 
Prüfens,  um  die  Mittel  und  Wege,  die  graduelle  gebtige  Reife  des  Schülers 
lur  Offenbarung  und  Anschauung  zu  bringen.  —  Die  erste  Frage,  die  sich 
hiebe!  anfdrftngt,  ist  natürlich:  Welche  Bolle  haben  nun  die  positiven 
Kenntnisse  bei  der  Maturitätsprüfung  zu  spielen?  —  Da  es  weniger  auf 
diese  selbst  ankommt,  so  ist  vielleicht  mancher  geneigt,  dafür  zu  halten, 
dass  sie  mehr  oder  minder  auflser  Acht  gelassen  werden  können,  ja  dass 
man  am  Ende  gar  nicht  darnach  zu  fragen  brauche.  Das  letztere  bedarf 
freilieh  keiner  Widerlegung,  man  müsste  denn,  anstatt  Geschichte  zu  prü- 
fen, nach  dem  Grade  der  speculativen  Erkenntnis  eines  Schülers  forschen 
oder  überhaupt  seine  geistige  Capacität  erproben  wollen.  Aber  auch  das 
Boiebr  oder  minder  AnCserachtlassen  der  positiven  Kenntnisse  wird  nicht 
Platz  greifen  können.  Ich  bemerke  dies  nicht  ohne  guten  Grund. 

Man  pflegt  nämlich  häufig  und  insbesondere  in  der  Geschichte  den 
positiven  Kenntnissen  ein  nur  ganz  geringes  Gewicht  beizulegen,  um  so 
höher  dagegen  die  Fähigkeit  anzuschlagen,  über  vorliegende  concrete  Daten 
gewisse  abstracto  Erörterungen  anzustellen.  Geschichtliche  Daten  -—  Ge- 
dichtnissache!  So  fertigt  man  das  positive  Wissen  vornehm  ab  und  ver- 
langt daf^  ürtheily  Baisonnement ,  Würdigung  von  diesem  und  jenem 
Stuidpnncte  und  dergleichen  mehr.  Man  glaubt  damit  in  den  obersten 
Regionen  der  Wissenscnaffc  sich  zu  bewegen,  während  man  doch  in  der 
Regel  nur  in  der  Luft  hängt,  in  Einbildungen  schwebt,  die  man  freilich 
alleieit  um  so  weniger  aufgibt ,  je  mehr  einem  die  Kenntnis  der  Wirklich- 
keit abgeht  —  üebrigens  fällt  mir  nichts  weniger  bei,  als  etwa  vorer- 
wähnte abstracto  Erörterungen  überhaupt  zu  verpönen,  nein,  denn  wo  ich 
die  Kenntnis  der  positiven  Daten  voraussetzen  kann,  dort  werden  mir  der- 
artige Erörterungen  sogar  willkommen  sein.  Im  Gymnasium  jedoch  kann 
von  einer  solchen  Voraussetzung  keine  Rede  sein  und  ist  daher  ein  Yor- 
gehoi  unter  dieser  Voraussetzung  nicht  am  Platze.  Ja  eine  derartige  Ge- 
schichtsbehandlung könnte  nicht  laut  und  derb  genug  gerügt  werden.  Denn 
sie  setzt  jene  seichten  Schwätzer  in  die  Welt,  die  über  alle  geschichtlichen 
Begebenheiten  lu  reden  und  zu  schreiben  wissen,  ohne  den  eigentlichen 
Sachverhalt  zu  kennen,  jene  Zmigenhelden ,  die  über  alle  geschichtlichen 
Persönlichkeiten  ein  jederzeit  fertiges  ürtheil  besitzen,  ohne  von  irgend 
einer  mehr  zu  wissen,  als  den  allbekannten  Namen  und  höchstens  einige 
armselige  Anekdoten.  Und  sie  sind  erschrecklich  häufig  diese  Leute ,  dUe 
da  beispielsweise  den  Namen  eines  Napoleon  nicht  hören  können  ohne  so- 
fort entweder  in  die  tiefste  Entrüstung  oder  in  die  höchste  Bewunderung 
SU  gerathen,  denen  aber  von  dem  Manne  im  Grunde  nichts  weiter  im  Ge- 
dächtnis haftet,  als  dass  er  ein  gro/ser  Kaiser,  ein  noch  gröfiserer  General, 
aber  der  allergröfste  Hinwürger  der  Menschheit  war,  wofür  er  denn  auch 

Z«UMbrifl  t  d.  fttUrr.  Oymn.  18(>&.  H.  u.  lii.  lien.  15 


tl9  J.  Wolf,  Maturitätsprüfung  aus  der  Geschichte  etc. 

auf  St.  Helena  büfsen  musste.  —  In  keinem  Falle  also  irgend  ein  Absehen 
von  den  positiven  Kenntnissen,  ja  ich  nehme  keinen  Anstand  zu  behaupten, 
dass  ihre  Darlegung  von  Seite  des  Schülers  ein  Haupterfordemis  bei  der 
Maturitätsprüfung  sei.  Es  steht  dies  in  keinem  Widerspruche  mit  dem 
Satze,  „bei  der  Maturitätsprüfung  komme  es  weniger  auf  die  Erprobung 
der  dem  Gedächtnisse  eingeprägten  positiven  Kenntnisse  als  auf  die  Prü- 
fung der  graduellen  geistigen  Reife  an",  denn  es  kann  auf  eine  Sache 
weniger  ankommen,  die  deshalb  doch  unerlässlich  ist  üeberhaupt  kann 
der  eben  erwähnte  normierende  Passus  in  Bezug  auf  die  Maturitätsprüfung 
aus  der  Geschichte  keine  andere  Bedeutung  haben  als  die,  dass  der  Sehükr 
nicht  bloHs  eine  gedächtnismäfsige  Kenntnis  der  historischen  Daten,  son- 
dern auch  deren  richtiges  Verständnis  darzulegen  habe.  Um  dieses  richtige 
Verständnis  zu  prüfen,  ist  es  nicht  nöthig,  das  Gebiet  der  faistorisdien 
Thatsachen  zu  verlassen  und  dafür  in  eine  Art  von  „Philosophie  der  Ge- 
schichte*' einzutreten,  wenn  die  Fragen,  die  an  den  Schüler  gerichtet  wer- 
den, nur  eingehend  und  umfassend  sind. 

unter  solch'  eingehenden  Fragen  verstehe  ich  natürlich  nicht  Fragen, 
die  ein  Eingehen  erheischen  auf  unwichtige  Specialitäten.  Ich  werde  daher 
niemals  von  einem  Abiturienten  verlangen,  dass  er  mir  den  Verlauf  eines 
Krieges  erzähle  und  dabei  aller  Hin-  und  Hermärsche,  aller  Schlachtoi 
und  Scharmützel  Erwähnung  thue^  die  da  vorfielen.  Auch  werde  ich  nicht 
darnach  fragen,  wie  viel  Pariser  Fuft  die  einzelnen  Pyramiden  roaflsen,  wie 
die  dreifsig  Tyrannen  hiefsen  oder  wie  sich  die  deutschen  Beichsstände  in 
die  zehn  Reichskreise  vertheilten.  Dies  alles  nicht,  denn  als  eingebende 
Fragen  gelten  mir  nur  Fragen ,  die  den  Gefragten  nöthigen ,  einingehoi 
auf  das  eigenthümliche  Wesen,  auf  die  entscheidenden  Puncte  oder,  wenn 
man  will,  auf  den  Kern  der  historischen  Objecto.  —  Desgleichen  verstehe 
ich  unter  umfassenden  Fragen  nicht  Fragen,  die  eine  Anzahl  beliebiger 
historischer  Daten  umfassen,  nicht  Zusammenstellungen  von  Daten,  die 
z.  B.  nur  das  äui^ere  Bindemittel  der  Gleichzeitigkeit  oder  der  Aufeinander- 
folge gemein  haben.  Umfassend  nenne  ich  jene  Frage,  die  eine  Anzahl 
bestimmter  positiver  Daten  umfasst,  zwischen  denen  eine  innere  Verwandt- 
schaft und  Zusammengehörigkeit  besteht,  eine  wechselseitige  Bedingung, 
so  dass  sie  entweder  Wirkungen  derselben  Ursache,  oder  Ursachen  derselben 
Wirkung  sind.  Ist  ein  Schüler  im  stände ,  in  der  bezeichneten  Weise  auf 
einzelne  historische  Objecto  einzugehen  oder  mehrere  historische  Daten  zu- . 
sammenzustellen,  dann  hat  er  nicht  allein  historische  Kenntnisse,  sondern 
auch  historisches  Verständnis,  er  hat  diejenige  geistige  Reife,  auf  deren 
Prüfung  es  bei  der  Maturitätsprüfting  vornehmlich  ankömmt 

Was  immer  der  Schüler  indessen  gefragt  werden  möge,  die  Frage 
muss  so  beschafPen  sein,  dass  sie  einestheils  alles  umfasse,  was  zu  ihrer 
Beantwortung  gehört,  anderentheils  aber  auch  alles  ausschlie&e,  was  in 
ihrer  Beantwortung  nicht  gehört.  Dass  aber  diese  Grundregel  einer  rich- 
tigen Fragestellung  nicht  immer  beobachtet  wird,  sondern  manchmal  hik^hst 
seltsame  Fragen  an  die  Schüler  gerichtet  werden,  dies  lässt  sich  nach  eini- 
gen Beispielen,  die  hierüber  vorliegen,  nicht  wohl  bezweifeln.  Und  mag  auch 
die  Fama  einzelne  solcher  Fragen  etwas  anekdotenhaft   zugespitzt  haben, 


J.  Weif,  Matoritätsprüfiing  aus  der  Geschichte  ete.  810 

die  Thatsache  steht  fest,  dass  man  sich  in  Bezng  auf  die  Fragestellung  nicht 
selten  einem  Schlendrian  üherlässt,  der  zu  boshaften  Deutung  nur  zu  leicht 
Aolass  geben  kann«  Es  pflegt  solches  insbesondere  dort  üblich  zu  sein,  wo 
Lehrer  und  Schüler  in  Folge  mehrjährigen  Verkehres  nach  und  nach  dahin 
gelangten,  in  der  gegenseitigen  Ausdrucksweise  jene  Umständlichkeit  fallen 
SU  lassen,  die  unter  einander  noch  nicht  naher  bekannten  geboten  ist.  Der 
Schüler  mag  unter  solchen  Umständen  allerdings  auf  eine  leichte  Andeu- 
tung hin  wissen ,  was  er  zu  sagen  habe ,  aUein  ist  ein  solcher  Vorgang 
ichon  an  und  för  sich  nicht  zu  billigen,  so  ist  er  vollends  tadelnswerth 
bei  der  Maturitätsprüfung,  wo  von  der  Frage  und  ihrer  Beantwortung  so 
viel  abhängt  und  wo  überdies  die  Gegenwart  Dritter  die  möglichste  Deut- 
lichkeit und  Objectivität  im  Ausdruck  erheischt.  -^  Uebrigens  scheint  es 
mir  angezeigt,  dass  der  Lehrer  die  Fragen,  die  er  an  die  Abiturienten  zu 
stellen  beabsichtigt,  sich  vorher  zurecht  richte,  denn  derartige  Fragen  lassen 
sich  nicht  in  beliebiger  Menge  gleichsam  aus  dem  Aermel  schütteln,  son- 
dern wollen  immer  wohl  überlegt  sein.  Gerne  würde  ich  einem  Vorgehen 
das  Wort  reden,  welches  dem  Gefragten  gestattete',  über  die  Beantwortung 
der  Frage  eine  leitlang  ungestört  nachzudenken,  allein  diese  Praxis  ist 
eben  nicht  durchführbar  ohne  mancherlei  Uebelstände.  DafEbr  dürfte  es 
jedoch  gerathen  sein,  den  Schüler  zur  Antwort  wenigstens  nicht  zu  drängen. 

Mit  der  Fragestellung  ist  natürlich  die  Mitbetheiligung  des  Lehrers 
am  Prüfdngsacte  nicht  abgethan.  Diese  Mitbetheiligung  wird  indessen 
allezeit  eine  wohl  überlegte  sein  müssen.  —  Vor  allem  wird  zu  beachten 
lein,  dass  die  Maturitätsprüfung  für  den  Lehrer  nicht  der  Ort  ist,  sein 
eigenes  Wissen  auszukramen  in  Form  eingehender  Belehrung  des  Schülers 
über  Dinge,  bezüglich  welcher  dieser  sich  entweder  schlecht  oder  gar  nicht 
onterrichtet  zeigt  Es  pflegt  dergleichen  von  Seite  des  Lehrers  nicht  selten 
in  der  Absicht  zu  geschehen,  um  darzulegen,  dass  die  Unkenntnis  des 
Sdiülen  ihren  Grund  nicht  habe  in  der  mangelhaften  Kenntnis  oder  Mit- 
theilnngBgabe  des  Lehrers.  — -  Desgleichen  wird  der  einsichtige  Lehrer  mit 
der  Nachhilfe,  die  er  dem  Schüler  angedeihen  lässt,  so  sparsam  sein,  als 
nur  immer  möglich,  insbesondere  dort,  wo  die  Linie,  welche  die  Beant- 
wortung einzuhalten  hat,  nicht  mathematisch  genau  vorgezeichnet  ist  Die 
Nachhilfe  hat  aber  vollends  keinen  Sinn,  wenn  man  einmal  überzeugt  ist, 
dass  der  Schüler  über  den  Gegenstand  der  Frage  nicht  gehörig  unter- 
richtet ist  —  Kleinerer  Unrichtigkeiten  wegen  pflege  ich  niemals  einen 
Schüler  in  seiner  Darlegung  zu  unterbrechen.  Etwas  anderes  ist  es  jedoch, 
wenn  der  Befragte  in  seiner  Antwort  von  dem  Gegenstande  der  Frage  ab- 
schweift Alsdann  hat  unbedingt  die  Intervention  des  Examinators  einzu- 
treten, wie  es  denn  überhaupt  die  vornehmste  Obliegenheit  des  letzteren 
ist,  darüber  zu  wachen,  dass  der  Schüler  auf  dem  durch  die  Frage  ihm 
vorgezeichneten  Gebiet«  sich  in  angemessener  Weise  bewege. 

Die  Mitbetheiligung  eines  Dritten  an  dem  Examen  dürfte  bei  keinem 
Gegenstände  so  viel  Tact  und  Vorsieht  erfordern^  wie  bei  der  Geschichte. 
Den  geschichtlichen  Daten  fehlt  nämlich  ein  für  allemal  das  stereotype 
Gepräge,  den  geschichtlichen  Lehren  der  dogmatische  Charakter  und  nichts 
ist  daher  leichter,  als  dass  bei  Betheiligung  eines  Dritten  an  der  Prüfung 

15* 


tfO  J.  Wolff  Maturitätsprüfung  aus  der  Geschichte  etc. 

dieser  in  Collision  geräth  mit  den  Anschauungen  des  prüfenden  Lehren. 
Solch*  ein  Vorkommnis  hat  nun  an  sich  nichts  aufßüliges  oder  gar  geftlur- 
liches,  aber  innerhalb  der  Schule  ist  es  doch  aus  vielerlei  Gründen  Tom 
Uebel.  Dergleichen,  wenn  auch  noch  so  geringfügige  CoUisionen,  yeifehlen 
nämlich  niemals  eines  bedenklichen  Eindruckes  auf  die  Gemüther  der 
Schüler,  welche  darin  jederzeit  nicht  etwa  einen  einfachen  Widerstreit  der 
Meinungen,  sondern  vielmehr  eine  Art  Bencontre  zwischen  den  betheiligten 
Persönlichkeiten  erblicken. 

Von  dem  Abiturienten  wird,  abgesehen  von  der  Geschichte,  auch 
eine  Bekanntschaft  mit  den  gegenwärtigen  Uauptverhältnissen  des  Vater- 
landes  verlangt.  Was  unter  diesen  Hauptverhältnissen  zu  verstehen,  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen.  Einmal  werden  nämlich  die  phjsikaliBeheii 
Verhältnisse  damit  gemeint  sein,  sodann  aber  auch  die  sogenannten  stati- 
stischen Verhältnisse,  betreffend  die  Religion,  Nationalität  und  Vertheihmg 
der  Bevölkerung,  Verkehrsmittel,  Industrie  und  Handel,  die  geistige  Cnltur, 
so  wie  die  Grundzüge  der  politischen  Verfassung.  —  AlF  dies  pflegt  den 
Abiturienten  keine  grofse  Schwierigkeit  zu  bereiten ,  da  die  Vaterlands- 
künde  bekanntlich  Gegenstand  des  Unterrichtes  im  letzten  Semester  des 
Obergymnasiums  ist  und  die  Zeit  vollauf  hinreicht,  den  Gegenstand  er- 
schöpfend zu  behandeln. 

Granz  anders  verhält  es  sich  jedoch  in  dieser  Beziehung  mit  der 
Geographie.  Es  pflegt  dieser  Gegenstand,  so  weit  meine  Kenntnis  von  der 
Sache  reicht,  bei  der  Maturitätsprtlfung  eine  sehr  untergeordnete  Bolle  sa 
spielen,  wenn  er  nicht  gar  ganz  aufser  Acht  gelassen  wird.  Ursache  hievon 
ist  der  Umstand,  dass  man  sich  thatsächlich  mit  dem  geographischen  Unter- 
richte am  Gymnasium  blutwenig  befasst.  Dass  für  diese  Unterlassung  der 
bestehende  Lehrplan  nicht  verantwortlich  gemacht  werden  dtürfe,  darüber 
habe  ich  mich  bereits  einmal  ausgesprochen*).  Es  ist  daher  auch  kein 
Grund  vorhanden,  den  Anforderungen  nicht  gerecht  zu  werden,  welche  der 
Org.  Entw.  in  Bezug  auf  die  Greographie  an  die  Abiturienten  stellt  Diese 
Anforderungen  sind  nämlich:  Kenntnis  der  Hauptpuncte  der  mathemati- 
schen und  physischen  G^graphie  und  die  politische  Geographie  in  so  weit, 
als  sie  mit  den  für  die  Geschichte  bezeichneten  Forderungen  nothwcndig 
zusammenhängt  Als  Hauptpuncte  der  mathematischen  und  physischen  Geo- 
graphie aber  müssen  nothwendig  angesehen  werden  die  Lehren  über  Gestalt, 
Stellung  und  Bewegung  des  Erdkörpers  im  Weltenraume,  über  den  Wechsel 
der  Tages-  und  Jahreszeiten,  über  Beschaffenheit  und  Bewegung  der  Luft 
und  des  Wassers,  über  Klima  und  Pioducte,  Oro-  und  Hydrographie,  end- 
lich über  die  Vertheilung  und  Eintheilung  der  Menschen  im  Allgemeinen.  — 
Wie  viel  Kenntnis  der  politischen  Geographie  gefordert  werden  soll,  dar- 
über liefhe  sich  vielleicht  streiten.  Indes  wird  von  jedem  Abiturienten  ver- 


*)  Ich  habe  mit  einiger  Befriedigunj^  wahrgenommen,  dass  in  dem  Lehr- 
plane, der  von  dem  Vereine  ^Mittelschule*'  für  ein  Bealfinrmnasium 
entworfen  wurde,  des  Unterrichtes  aus  der  Geschichte  und  Geographie 
mit  Bücksicht  auf  meinen  diesbezüglichen  im  IV.  Hefte  der  Gymn. 
Ztschr.  1862  erschienenen  Aufsatz  und  theilweise  mit  meinen  eigenen 
Worten  gedacht  ist. 


J.  Wolf,  Matnritatsprüfang  aas  der  Geschichte  etc.  SSI 

lugt  werden  dürfen,  dass  er  Kenntnis  habe  von  der  Lage  und  Begrenzung 
aller  gegenwärtigen  Staaten,  von  ihren  bedeutendsten  Orten ,  von  den  poli- 
tischen and  socialen  Hauptverhältnissen,  von  der  Religion,  Sprache  und 
Nationalität  der  Bewohner. 

Möglich,  dass  mancher  dies  alles  mehr  oder  minder  für  Gedächtnis- 
stehe  und  daher  nicht  fttr  geeignet  hält,  Gegenstand  der  Maturitätsprüfung 
lu  sein.  Gedächtnissache  allerdings!  Aber  es  gibt  eben  gar  mancherlei 
Gedächnissache.  Wenn  jemand  im  stände  ist,  eine  grofbe  Menge  von  Zahlen 
oder  Namen  sofort  von  vorne  nach  rückwärts  und  von  rückwärts  nach  vorne 
herznsagen  —  so  ist  dies  Gedächtnissache.  Gedächtnissache  ist  es  auch,  wenn 
jemand  den  ganzen  Inhalt  der  Bibel  oder  sämmtliche  Gesetze  eines  Landes 
im  Kopfe  hat,  so  dass  er  jederzeit  über  dies  sein  geistiges  Eigenthum  be- 
liebig zu  verfügen  vermag.  Hier  und  dort  also  Gedächtnissache  und  doch 
welch^  ein  unterschied!  Hier  ein  unschätzbares  geistiges  Eigenthum,  eine 
beständige  Quelle  geistigen  Vermögens,  dort  eine  wohlfeile  Errungenschafb^ 
eine  momentane  Fertigkeit  Man  hat  von  grofsen  Gelehrten  und  von  tüch- 
tigen lOnnem  überhaupt  oft  erwähnt,  dass  sie  in  ihrem  Streben  durch 
ein  anfterordentliches  (Gedächtnis  unterstützt  wurden.  Und  dabei  liefb  man 
merken,  als  ob  dies  aufserordentliche  Gedächtnis  etwas  angeborenes  und 
somit  gar  kein  Verdienst  seines  glücklichen  Besitzers  gewesen.  Es  ist  dies 
aber  eine  ganz  üedsche  Ansicht  Wol  mag  die  Gabe  des  Gedächtnisses  nicht 
jedem  in  gleichem  MadM  vom  Hause  aus  zugemessen  sein,  aber  gewißs  ist 
diese  Gabe  bei  jedem  Menschen  einer  Ausbildung  und  Ausdehnung  fähig, 
welche  genau  dem  Mafira  der  Arbeit  entspricht,  die  man  darauf  verwendet, 
um  aber  wieder  zu  unserem  Gegenstande  zurückzukehren,  so  mag  aller* 
dinga  nicht  viel  darauf  zu  geben  sein,  wenn  einer  im  stände  ist,  die  Namen 
derFlflsBe,  Ctebirge  und  Städte  eines  bestimmten  Landes  aufzuzählen.  Dar- 
auf wild  es  indessen  auch  bei  der  Maturitätsprüfung  nicht  ankommen, 
sondern  es  wird  sich  darum  handeln,  ob  und  in  wiefern  der  Schüler  mit 
der  Erdoberfläche  und  ihren  wechselnden  Verhältnissen  inniger  vertraut, 
ob  und  in  wiefern  er  auf  der  ganzen  Erde  zu  Hause  sei,  beziehungsweise 
in  dieselbe  sich  hineingelebt  habe,  um  letzteres  zu  prüfen,  werden  die 
Fragen  von  ähnlicher  Beschaffenheit  sein  müssen,  wie  die  Fragen  aus  der 
Gesdiichte.  Nicht  gerade  unerlässlich  aber  doch  zweckmäfbig  dürfte  es 
sein,  den  Schüler  seine  geographischen  Kenntnisse  an  einer  Wandkarte 
darlegen  in  lassen,  welche  die  physikalischen  Umrisse  der  Erdoberfläche 
zeigt,  denn  einmal  unterstützt  ein  derartiger  Anhaltspunct  Einbildungs- 
kraft und  Gedächtnis  und  dann  mag  es  auch  nicht  gerade  überflüssig  sein, 
zu  erproben,  ob  der  Schüler  mit  Landkarten  überhaupt  umzugehen  und 
lieh  auf  denselben  zurecht  zu  finden  verstehe,  was  wol  vorausgesetzt  wer- 
den könnte,  aber  nicht  kann. 

Eger.  Josef  Wolf, 


Vierte  Abtheilung. 


Miscellen. 


Zu  Sophokles*  Aias  vs.  15. 

Vs.  14 — 17:  „w  <p&fyfji'  H&dvagj  tfiltarfig  i/nol  d^ov, 
tag  €vf>ia&ig  <Tou,  xav  anontoq  ^g  S/nag, 
(ftovTjfji*  ttxovco  xal  '^waQ7rdC(o  (pQBvl 
Xalxoarofiov  xtaStavog  tag  Tvgarivtxrig,^ 

Zn  dieser  Stelle  bemerkt  der  Scholiast  über  die  Worte  cS  if>$-fyfi* 
!A&avag  folgendes:  „Kai  rovro  äotara  mnolriTM'  tp&fyfia  ydQ  ilnüf,  tif 
fi^  ^eaadutvog  avti^v '  irjXov  y«^,  mg  ovx  elSev  avrnv  ix  tov,  mSv 
anoTiTog  r^g  outjg,  jovriariv  doQccTog.  Tfjg  ^k  tfiowijg  uovijg  aia&av^TOi, 
(og  i&d^og  avt^  ovarjg '  iari  /nivroi  Inl  Trjg  axtjvijg  ti  lA&tiva  *  «fe*  yaq 
TouTo  YttQiCfO^i'  tf  t^farj  •  nqod^iQantvH  Sk  t^v  d-tov  6  *09vaaivg,  xtu 
oSro»  JikyH  T«  AtavTog.^ 

Diese  Erklämnff  des  Scholiasten  nun  scheint  fast  alle  Über  die  oben 
angef&hrte  Stelle  gegebenen  späteren  Erklärungen  hervorgerufen,  wenigstens 
den  ruhigen  Blick  der  Erklarer  beeinträchtigt  und  auf  eine  falsche  Spni 
gelenkt  zu  haben.  So  hält  Wunder  jene  Erklärung  mit  Brunck  fttr  die 
richtige,  und  auch  Schneidewin  war  aer  Ansicht,  dass  Odysseus  zwar  die 
Stimme  der  Gröttin  h6rt,  sie  selbst  aber  ihm  unsichtbar  bleibt.  Denn 
in  der  Einleitung  sum  Ajax  (3.  Aufl.)  Seite  8  in  der  Anmerkung  heilM 
es:  ^Da  nacb  dem  allgemeinen  Glauben  die  den  Menschen  schützend  zur 
Seite  stehenden  Götter  nur  aus  ganz  besonderen  Gründen  leibhaftig  er- 
scheinen, so  musste  es  den  Zuschauem  ganz  natürlich  vorkommen,  dass 
dem  Odysseus  verborgen  blieb,  was  ihnen  vor  Auffen  stand.** 

Schon  Lobeck  in  seiner  Ausgabe  des  Ajax  hat  unsere  Stelle  richti- 
ger erklärt,  indem  er  es  als  völlig  unbegründet  nachweist,  anzunehmen, 
dass  die  Göttin  dem  Odysseus  verborgen  sei,  während  doch  die  Zuschauer 
sie  deutlich  sehen.  Er  zeigt  femer,  dass  anoTtrog  von  demjenigen  ge- 
braucht wird,  ,,quod  e  longinquo  oonspicitur  vel  clare,  si  in  ezoelso  ^ 
vel  obscure,  si  longo  intervallo  distat.**  Dieser  Erklärung  stimmte  auch  0. 
Hermann  fed.  IV)  dcL 

In  aem  Streben  mit  mir  selbst  über  diese  Stelle  in*s  klare  zu  kom- 
men, habe  ich  nun  folgendes  gefunden. 

Was  zunächst  den  Satz  xav  anontog  ng  betrifft,  so  bedeutet  der- 
selbe wol  nichts  anderes  als:  ,,auch  wenn  au  unsichtbar  sein  solltest,* 
d.  h.  es  wird,  wie  Krüger  Gramm.  6. 54, 12  es  ausdrückt,  die  Bedingung 
als  objectiv  möglich  hingestellt.  Damit  ist  aber  keineswegs  gesagt,  dass 
sie  im  gegenwärtigen  Falle  als  wirklich  stattfindend  zu  denken  sei 

Denken  wir  uns  übrigens  lebendig  in  die  Situation  hinein,  so  wer- 
den uns  die  Worte  des  Odysseus  vollkommen  klar.  Whr  müssen  uns  näm- 


MiaceUeu.  2S8 

lieh  den  Odysseas  yorstellen  ganz  vertieft  in  sein  Spähgeschäft  (ndXtu 
xwny^^ovvTa  xai  fjLktQovfAiPov  ixvtj  Ttt  xiCvov  veoxd^ax^*  etcj,  vor- 
sichtig in  das  Zelt  des  Ajax  hineinblickend  (vs.  11:  ^xa£  a*  ov^iv  itato 
TtjaSi  nantalvHv  nvXtjg  ?t*  ioyov  lat(v*^).  Die  Göttin  hat  während  dieser 
Zeit  den  Odysseos,  ohne  von  ihm  bemerkt  zu  werden,  schon  längst  beob- 
achtet (vs.  äß;  ^Jidlai  (fCXa^  ißtjv  —  rjf  aj  noo^vfjiog  eis  odöv  xwayCt^) 
und  spricht  ihn  erst  nach  einer  Weile  an.  Das  erste  aJso,  was  aiu  der 
Bühne  vorgeht,  ist  reine  Handlung  ohne  Worte. 

Nach  den  ersten  Worten  der  Athene  wendet  Odjsseus,  welcher  nicht 
mit  dem  Gesichte,  sondern  mit  der  Seite  den  Zuschauem  zugewendet 
zu  denken  ist,  erstaunt  und  hocherfreut  sein  Gesicht  der  Stelle  zu,  von 
welcher  er  die  Stimme  der  Göttin  vernimmt;  daher  erklärt  es  sich,  wa- 
rum er  zunächst  von  dem  spricht,  was  auf  ihn  den  ersten  Eindruck 
machte,  d.  h.  dass  er  die  Worte  gebraucht  „cj  (p&iyfi*  Iddtivag.*^  Gerade 
in  dieser  Anrede  lieft  viel  Leben. 

Was  den  Ausdruck  anonrog  betrifft,  so  ergibt  sich  aus  unserer  Be- 
trachtung der  Situation  wol  ohne  Schwierigkeit,  was  Odysseus  sagen  will. 
Mögen  wir  ihn  nun  .dem  Blicke  fem**  oder  „entrückt**  oder  „unsichtbar'* 
übersetzen:  Odysseus  will  nur  sagen,  dass  er  die  Gegenwart  der  Athene 
zuerst  und  allein  durch  ihre  imn  bekannte  und  liebe  Stimme,  also  mit 
dem  Sinne  des  Gehörs  erkannt  habe,  während  sein  BUck  von  ihr  abge- 
wendet, anderen  Gegenständen  zugekehrt,  sie  nicht  bemerken  konnte.  Dieser 
Sinn  wird  aber  durch^  die  nachfolgende  Ver^leichung  um  so  klarer  ge- 
macht. Er  sagt:  ^tog  ivuad-ig  aov  —  tfotvfifx*  axovto  xal  ^(wagnaCo)  tfQivi^ 
tag  {fpwij/jia)  raXxoOToiLiov  xtodtavog  TvQarjvix^g*^  {axovto  xal  fpgevl  iv- 
roQnd^i,  Oolysseus  vergleicht  die  Stimme  der  Göttin  mit  der  Stinüne 
der  Tyrrnenisdien  Drommete,  insofern  er  beide  an  ihrem  —  ihm  wohlbe- 
kannten —  Klange  erkennt  Er  will  also  sagoi:  „Ebenso  wie  ich,  sobald 
ich  den  Ton  der  Tvrrhenischen  Drommete  vernehme,  sogleich  erkenne, 
wober  derselbe  rührt,  wenn  ich  auch  die  Drommete  selbst  für  den  Augen- 
blick nicht  sehe:  ebenso  brauche  ich  blofs  deine  Stimme  zu  hören,  um 
soffleich  SU  wissen,  dass  du  zu  mir  sprichst,  auch  wenn  ich  dich  nicht 
sMen  sollte." 

Um  endlich  noch  einmal  auf  die  Ansicht  zurück  zu  kommen,  dass 
die  Göttin  dem  Odysseus  unsichtbar  sei,  so  ist  nicht  zu  übersehen,  dass 
wir  dann  annehmen  müssten,  sie  werde  auch  spater  von  Ajax  nicht  ee- 
"      *  ' icnt. 


Denn  wenn  Odysseus  sie  nicht  sehen  darf,  wiewol  er  mit  ihr  spricht, 
warum  sollte  gerade  Ajax  sie  erblicken?  Dieser  aber  muss  sie  sehen; 
denn  von  ihm  lässt  sich  wol  nicht  annehmen,  dass  er  sie  auch  an  der 
Stimme  erkennt,  da  er  mit  ihr  nicht  so  häufig  verkehrt,  als  Odysseus. 
Müssen  wir  aber  annehmen,  sie  sei  dem  Ajax  sichtbar,  so  möge  sich  der 
geneigte  Leser  die  komische  Situation  ausmalen:  Die  Zuschauer  sehen  die 
Athupne,  den  Odvsseus  und  den  Ajax,  müssen  sich  aber  vorstellen,  dass 
Ajax  zwar  die  Athene  aber  nicht  den  Od^seus,  dieser  zwar  den  Aiax  aber 
nicht  die  Athene  sieht.  Wozu  dieses  Blindekuhspielen  ?  (Vgl.  Lobeck 
auctnarinm  adnott  ad  SophocL  Ajacem  in  seinen  raralipp.  gramm.  gr. 
8.  664  %.) 

Olmütz.  Leopold  Dvofäk. 

Zu  L  i  V i u s. 

Exegetische  Bemerkungen. 

1.  Pr»f  §.  5.  Zu  den  Worten  ^dwn  prisca  tota  üla  mente  repeto'* 
bemerkt  Weiftenbom:  „Die  Wortstellung  ist  bei  L.  oft  freier  als  bei  den 
früheren  Prosaikern,  mehr  dichterisch.**  So  richtig  diese  Bemerkung  an  sich 
auch  ist,  so  wenig  passt  sie  nach  meiner  Meinung  auf  die  vorliegende 
Stelle.  Ans  dem  vorangehenden  haec  nova  ist  man  keineswegs  zu  folgem 
berechtigt,  dass  auch  priaoa  iUa  unmittelbar  zu  verbinden  seL  So  wenig 


ttt  Miscellen. 

wie  nova  der  zusätzlichen  Bestimmung  haec  entbehren  konnte,  so  wenig 
bedarf  prisca  des  Beisatzes  von  iüa.  Vielmehr  steht  es  zunächst  ftkr  mm 
allein:  „dum  prisca  ...  repeto*^,  und  dann  will  der  Schriftsteller  mitNaöh- 
druck  hinzusetzen  „und  zwar  tota  mente,^  Das  gewöhnliche  nun  hieftr 
wäre  et  ea  quidem  t  m.;  aber  da  das  Pronomen  hier  zugleich  ^Träger 
eines  Gegensatzes**  ist  (vgl.  Näeelsbach  Stilist.  §.  93),  so  steht  Uta,  und 
nicht  ea,  Aehnlich  auch  z.  B.  bei  Cic  Phil.  7,  4:  JErat  tune  aecuaatio 
oppressis,  misera  illa  quidem,  sed  tarnen  iusta;  nunc  nüUa  est.  Sodann 
ist  das  zur  nachdrücklichen  Hervorhebung  des  vorangehenden  Namens  die- 
nende, anscheinend  pleonastische  tOe  zu  vergleichen  in  Stellen  wie 
Hör.  rV,  9,  51:  non  ilte  pro  caris  amicis  out  patria  timidus  perire,  oder 
Yirg.  Aen.  V,  467:  nunc  dextra  ingeminans  tctus,  nunc  itle  simstra, 
oder  gleich  zu  Anfang  I,  8  multum  ille  et  terris  iactatus  et  <ütOj  wo  an 
der  Participialconstruction  festzuhalten  sein  dürfte,  vomehmHeh 
we^en  des  relati vischen  ,^enus  unde  Latinum'^,  das  mit  qui  primus  ab 
ons  auf  einer  Linie  steht. 

2.  1, 11,  7.  Accepti  ohrutam  armis  necavere,  seu  ut  m  capta  pctim 
arx  videretur,  seuprodendi  exempli  causa,  ne  quid  usquam  fiäiim  praäir 
tori  esset,  WeiXäenbom  sagt  mit  knapper  Kürze:  „statt:  damit  erkannt 

würde,  dass *  und  führt  drei  Beispiele  an,  die  aber  bei  genauer 

Prüfung  auf  das  vorliegende  kein  genügendes  Licht  werfen.  Die  Stelle  ist 
doch  wol  nicht  so  zu  verstehen,  als  ob  es  ausdrücklich  der  (bedanke  und 
die  Absicht  der  Sabiner  gewesen  wäre,  durch  die  Tödtung  der  Verrätherin 
Tarpeia  den  allgemeinen  Satz  zu  beweisen  „nihü  w/^quam  proä^icri 
fidwm  esse*^;  sie  statuieren  vielmehr  nur  in  Gemäfsheit  dieser  allge- 
meinen Wahrheit  im  besonderen  Falle  ein  warnendes  BeispieL  Der 
Satz  jne  quid  usquam  fidum  proditori  esset**  scheint  mir  daher  nicht  so- 
wol  abhän^g  als  appositiv,  nicht  aus  dem  Sinne  der  Sabiner,  sondern 
aus  dem  Sinne  des  Schriftstellers  (oder  der  waltenden  Grottheit)  zu  nehmen: 
„oder,  um  ein  warnendes  Beispiel  aufzusteUen,  auf  dass  überhaupt  nirgend 
der  Verräther  Treue  finde**,  d.  h.  „damit  auch  hier  die  allgemeine  Kegel  sieh 
bestätig.*'  Aehnlich  sagen  auch  wir  z.  B.:  „er  zog  nach  Palästina,  um  nim- 
mer heimzukehren**  i.  e.  und  kehrte  nimmer  heim,  so  dass  er  n.  heimkehrte. 

3.  I;  17,  5.  Ita  rem  int  er  se  centum  patres  decem  decurüs  f actis 
singulisque  in  singulas  decurias  creatis,  qui  summae  rerum  praeessent^ 
consociant.  Diese  Worte  hatte  Weif^nbom  nicht  richtig  ffe&sst  Nach 
seiner  Deutune  wären  erst  „zehn  Decurien  gebildet  und  dann  die  Mitglieder 
derselben  wieder  in  zehn  Abtheilungen  (also  andere!)  gebracht,  welche 
das  imperium  führen  sollten.**  Dann  wären  also  an  die  Stelle  der  ersten 
zehn  Decurien  ÜEu^tisch  zehn  neue  getreten,  und  man  fragt  billig,  wozu 
die  ersten  überhaupt  gedient  haben.  Dies  liegt  aber  auch  gar  nicht  in  den 
Worten,  sondern  Liv.  spricht  nur  von  zehn  ein  für  allemal  ^bildeten 
Decurien,  aus  denen  zehn  Senatoren,  und  zwar  je  einer  auf  jede  i)e- 
curie  (denn  das  hoifbt  siriguiis  in  svngtdas  decurias.^  gewählt  werden, 
qui  (nicht  quae!)  summae  rerum  praeessent.  Dieses  qui  und  die  Phrase 
swigulis  in  singulas  dec.  er,  hat  WeiXsenb.  nicht  genug  erwogen.  Wenn 
Liv.  sinmdis  e  singulis  decuriis  er,  geschrieben  häUe,  so  wäre  das  Mis- 
verstlncmis  nicht  entstanden;  aber  die  vielen  Ablative  sind  absichtlich 
vermieden.  Uebrigens  ist  dieses  destributive  in  ('*  xora,  dg,  auf)  gar 
nicht  selten  (vgl.  Schultz  Gramm.  §.  211) ;  auch  hat  es  Lange  (röm.  Alter- 
thümer  L  S.  ^)  richtig  verstanden,  wo  er  sagt:  „Liv.  lässt  zehn  Ver- 
treter seiner  zehn  Decurien,  Dionysius  dagegen  die  zehn  Mitglieder 
einer  Decurie  der  Reihe  nach  interreges  werden.**  Weifsenbom  confundiert 
diese  beiden  abweichenden  Darstellungen. 

4.  I,  19,  3.   Quod  nostrae  aetati  dii  dederunt  ut  videremus.  Dazn 
merkt  Weiften b.  an:    „u^  videremus  ist  erklärender  Zusatz  zu  quod.  Das 
Subject  ist  nach  nostrae  bestimmt.**    Mir  will  doch  scheinen,  dass  dieses 
eher  griechische  als  lateinische  Constructionsweise  wäre,   und  dass  quod  • 
vielm^r  Object  zu  videremus  als  zu  dederunt  ist. 


Miscellen.  2t5 

5.  ibid.  §.  4:  Ommum  primum  rem  ad  muUitudmem  imperiUm  et 
QU»  MecuUs  rudern  efftoacisaimam,  deomm  metum  iniciendwn  ratus  est. 
So  Weiftenborn.  Da  der  Yorangestellte  Be^fF  rem  efftatcissimam  offenbar 
die  Apposition,  deorum  metum  aber  das  nnmittelbare  Object  ist,  so 
ffehdrt  nach  omnvwm  wrimwn  ein  Komma.  In  dieser  Beziehung  lassen  über- 
haupt die  Aasgaben  aes  geehrten  Verf/s  manches  zu  wünschen  übrig,  ab- 
gesehen von  den  Principien  einer  mehr  oder  minder  sparsamen  Interponction. 

6.  I,  ^6,  1.  ifbi  inluxü  etc  «Bei  Cicero  noch  nicht  imnersonal*', 
sagt  W.  Ich  stimme  dem  Verf.  bei,  dass  das  Yerbnm  hier  wol  eoenso  gut 
nnpeisönlich  stehe,  wie  anderwärts,  z.  B.  n,  65.  YII,  14,  9  etc.;  aber  <£n- 
noäi  wase  an  unserer  Stelle  trotz  der  mangelnden  relativischen  Anknüpfung 
dM  peirsdnliche  Construction  denkbar,  da  unmittelbar  vorhergeht  „m  diem 
potterum.* 

7.  y,  2S.  CamiUus  •  .  .  cum  in  urbem.  rediaaet,  tacUe  eius  vere» 
amdiam  nan  tulU  senatus,  quin  sine  mora  vati  liberaretur.  Wenn  Wei/b. 
erid&rt:  «sie  fühlten  sich  durch  das  rücksichtsvolle  Benehmen  des  C. 
(in  Bezog  auf  das  Votum)  aufgefordert,  ihn  sogleich...**,  so  sehe  ich  nicht, 
wdcher  Zusammenhang  zwischen  dem  Vordersätze  Com,  meliore  muUo 
laude  quam  . . .  itwiffms  . . .  cum  in  urbem  redisset  und  obigem  Nachsatze 
stattfindet  Dieser  wird  aber  sofort  klar,  sobald  man  eius  nicht  als  sub- 
jecüven,  sondern  als  objectiven  Gen.  fasst,  verecundia  also  vom  Senate 
selbst  verstanden  wird:  „da  gestattete  ihm  seine  Hochachtung  vor  Cam., 
nicht ...  oder  aus  Hochachtung  vor  G.  konnte  der  Senat  da  nicht 
omhüi,  ihn  unverzüglich  seines  Gelüodes  zu  entbinden.**  Dafür  spricht  auch 
deatlicli  der  sonstige  Gebrauch  von  verecundia  bei  Livius,  z.  B.  I,  6.  II,  36. 
IV,  45.  X,  13  u.  s.  w.  aetatia  —  maiest(ai8  —  nee  ordinis  huius,  nee  rei 
pMiem  —  leaum  etc, 

Fulda.  Ed.  GoBbeL 

Bemerkungen  zur  Mythologie. 

1.  2€iQTivi£  und  2€Urjvoi, 

Die  Zusammengehdrigkeit  dieser  beiden  Wörter  haben  zuerst  Legerlots 
MtMhr.  t  vgL  Sprachf.  Vfil,  126  ff.  und  Christ  Grundz.  d.  ^.  Lautlehre 
8.  857  erkannt,  wo  auch  das  Nähere  über  Ableitung  und  Bildung  ange- 
geben ist  Sie  stammen  nämlich  von  der  Sanskritwurzel  evr  (guniert  svar, 
v^  mwra  Ton,  Stimme),  welche  Tönen,  Beden  bezeichnet,  und  bedeuten 
demnach  .die  Tönenden".  Mit  Zeilrivos  hat  Preller  passend  das  lat  silanus 
(der  Fl&tBchemde,  der  Springbrunnen)  zusammengestellt;  femer  gehören  zu 
dem  gle]dien*Stamme  Zilriviat  Vorgebirge  auf  Sakmis  Aesch.  Pers.  303, 
Sdft  Stadt  in  Thessalien  Liv.  36,  18  und  vielleicht  auch  sHaus  Wassereppich 
PHn.  N.  H.  26,  a 

Dagegen  ist  es  nicht  begründet,  wenn  Legerlotz  die  Sirenen  als  „die 
Singenden*'  aufiasst  und  weiterhin  bemerkt,  dass  die  Musik  auch  ein  stark 
hervortretendes  Moment  in  der  Sage  von  den  Silenen  sei,  die  oft  als  Er- 
finder der  Svrinffen-  und  Flötenmusä  bezeichnet  werden.  Vielmehr  wird  die 
Bedentnnff  aes  Namens  und  das  Wesen  dieser  mythologischen  Figuren  durch 
folgende  knne  Erörterung  klar  werden. 

An  den  Klippen,  &e  sich  stark  zerklüftet  in  das  Meer  hinabsenken, 
enengt  dasselbe,  zumal  wenn  es  vom  Winde  erregt  wird,  helle  Klänge,  die 
mit  dem  Bauschen  des  Windes  zu  eigenthümlichen  Melodien  verschmelzen. 
Ifan  darf  sich  hiebei  nur  an  die  UhLwd'schen  Verse  erinnern : 
Der  Wind  und  des  Meeres  Wellen, 
Gaben  sie  frischen  Klang? 

Das  sind  die  hellen  Stimmen,  die  den  Schiffer  an  das  Ufer  locken, 
•0  dass  er  nicht  achtend  der  Klippen  zu  landen  versucht  und  dieses  Wagnis 
mit  seinem  Leben  bezahlt.  Das  ist  die  Grundlage  des  Mythos  von  den 
Sirenen.  Sie  sind  die  Bilder  der  rauschenden  Wellen  und  Winde,  wie  sie 
sich  an  den  Klippen  des  Meeres  brechen.  Unter  solchen  Verhältnissen  kann 


280  MiscoUen. 

es  nicht  befremden,  wenn  die  Sirenen  zuweilen  ganz  ähnlicli  den  Harpyien 
gebildet  werden  (vgl.  Müller ,  Archawl.  3.  Aufl.  8.  632),  wenn  sie  als  ein« 
Art  Todesgöttinen  gelten ,  Töchter  der  Erde  heiXIsen  (x&ovog  x6(hu  Eur. 
Hei.  168)  und  mit  Persephone  in  der  Unterwelt  weilen.  Die  Sage,  wonach 
«ie  Töchter  des  Acheloos  gewesen,  erklärt  man  gewöhnlich  so,  dass  Acbeloos 
hier  in  der  allgemeinen  Bedeutung  von  Wasser  erscheine  (vgl.  Pauly  Realene. 
I,  8.  77,  2.  Aufl.).  Wir  sehen  hierin  die  Andeutung  einer  besonderen  Eigen- 
thümliohkeit  dieses  Flusses.  An  seiner  Mündung  finden  sich  nämlich  viele 
Klippeninseln,  die  sogenannten  Echinaden,  deren  Name,  von  ix^vog  herzu- 
leiten ,  ihre  Beschaffenheit  hinlänglich  andeutet  Schon  im  Alterthume 
waren  durch  die  Anhäufung  von  Schlamm  in  der  Mündung  mehrere  mit 
dem  Festlande  vereinigt  worden,  und  seitdem  ist  noch  anderen  das  gleiche 
Schicksal  widerfehren  (vgl.  Dodwell's  Reise  1,  S.  141  ff".).  Bei  den  vielen 
Klippen  nun,  die  das  Meer  bedeutend  einengen,  musste  man  die  oben  be- 
zeichneten Erscheinungen  häufig  bemerken;  kein  Wunder  daher,  wenn  man 
die  Sirenen  in  diese  Gegenden  vorsetzte  und  diesen  Ort  als  ihre  Geburts- 
stätte  betrachtete. 

Die  Silenen  hingegen  sind  die  Bilder  des  tönenden  Wassere,  wie  es 
in  den  Quellen  und  Bächen  dahingleitet.  Es  verhalten  sich  also  ursprüng- 
lich die  Sirenen  und  SUene  ähnlich  zu  einander,  wie  die  Nereiden  zu  den 
Nymphen.  In  der  weiteren  Entwickelung  aber  haben  sich  diese  Anschauun- 
gen merklich  verschieden  ausgebildet. 

2.  Zu  Platon's  Symposion  189,  e. 

Bekanntlich  erzählt  Aristophanes  jn  dem  Mythos,  welcher  den  Ein- 
gang seiner  Bede  bildet,  dass  es  dereinst  drei  Greschlechter  der  Menschen 
gegeben  habe ,  nämlich  neben  dem  männlichen  und  weiblichen  noch  ein 
drittes,  das  mannweibliche,  das  aus  beiden  zusammengesetzt  war.  Dieses 
Geschlecht  besaüs  eine  unbändige  Kraft  und  Stärke  und  war  stolzen  Sinnes, 
so  dass  es  sich  sogar  an  die  Gtötter  wagte.  Die  Quelle  dieser  Sage  ist 
offenbar  das  phrygische  Märchen,  welches  man  am  vollständigsten  bei  Ar- 
nobius  adv.  nationes  Y,  5  (ed.  Oehler)  erzählt  findet.  Zeus  will  die  aus 
dem  Felsen  Agdos  entsprungene  Erdgöttin  auf  dieser  Anhöhe  selbst  um- 
armen, aber  bei  ihrem  Widerstreben  vergieM  er  den  Samen  auf  den  Felsen-» 
grund.  Daraus  dringt  nun  im  zehnten  Monde  unter  lautem  GebrüUe  der 
unterirdischen  Klüfte  ein  Wesen,  namens  Agdestis,  an*s  Licht.  ,,Huic  robur 
inuictum  et  ferocitas  animi  fuerat  intractabilis,  insana  et  furiaus  Ubido  et 
ex  utroque  sexu;  ui  raUda  diuastare,  disp^ere  immanitas  quo  animi 
duxerat;  non  deos  curare,  nonhomines,  nee  praeter  se  quicquam  poten- 
tius  credere;  terras,  coelum  et  sidera  contemnere".  Aehnlicn  bmchtetPau- 
sanias  VII,  17,  10,  dass  Zeus  im  Schlafe  seinen  Samen  auf  die  Erde  &lle& 
lieüis,  f,Ttjv^  ^k  ttvä  XQovov  avetvai  ^a(uova  ^inlä  txovra  atdola,  tiI 
fikv  dvSQOs,  Ta  Sk  avTWf  ywiuxog  *  ovofxa  6k  ^AydiOxw  avxf  Ti&€VTtu. 
d-iol  6k  ^Idydiattv  SriOavTig  ra  atSold  ol  tä  avogog  dnonoTtxovatv.  Be-' 
zeichnend  ist  auch  die  Benennung  ^jlxif  för  dieses  Wesen  bei  Diodor  V,  49, 
worunter  Preller  griech.  Myth.  1,  509  (2.  Aufl.)  eine  Uebersetzung  des  phry- 
gischen  Namens  Agdistis  vermuthei 

Gratz.  Karl  Schenkt 

Erklärung. 

Ein  buchhändlerisches  Circular  der  Yerlagshandlung  C.  Gerold's  Sohn 
in  Wien  nennt  mich  als  den  Uebersetzer  der  vom  Kaiser  Napoleon  ver&ssten 
Geschichte  Julius  Csesar's.  Diese  Angabe  ist  ohne  mein  Wissen  und 
Wollen,  und  gegen  die  Wahrheit  gemacht,  wenn  auch  ohne  Herrn  Gerold's 
Schuld.  Ich  habe  nur  die  Bevision  der  von  anderer  Hand  gefertigten  Ueber- 
setzung übernommen. 

Bonn,  Januar  1866.  Friedrich  Ritsehl. 


Fünfte  Abtheilung. 


Verordnungen  für  die  österreichischen  Gymnasien  und 

Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

(Vgl.  Jahrg.  1864,  Hft  IX.,  8.  699  ff.) 

Erlässe. 

Erlass  des  k.  k.  Staatsministerinms,  Abtheilang  für  Cultns 

und  Unterricht,  vom  24.  J&nner  1865,  Z.  300,  betreffe  der  Yomk.k. 

5.  Mnsemn  für  Eanst  and  Industrie  zu  beziehenden  Zeichnnngsvorlagen. 

Das  Österreichische  Museum  f&r  Kunst  und  Industrie  ist  zufolge  der 
ihm  Allerhöchst  Yorgezeichneten  Statuten  verpflichtet,  bei  Erzeugung  von 
Gegenst&nden  ili  den  diesem  Museum  ang[ef&gten  Hilfsanstalten,  nämlich 
der  photographischen  Anstalt  und  Gypsgiefiserei,  auch  auf  das  Bedürfiiis 
nach  geeigneten  Vorlagen  in  dem  Bereiche  der  Kunst-,  Beal-  und  Gewerbe- 
schulen Bficksicht  zu  nehmen. 

Diesen  Gesichtspunct  hat  auch  die  DirecÜon  bei  der  Auswahl  der 
durch  die  Photographie  bis  nun  Terrielfältigten  Objecto  im  Auge  behalten 
und  insbesondere  ihr  Augenmerk  auf  die  Beproduction  von  Handzeichnun- 
gen  berühmter  Künstler,  wie  such  der  als  ^ichenrorlagen  mnstergiltigen 
Sdimazer'sdien  Kreidezeichnungen  gerichtet. 

Die  k.  k.  Statthalterei  (Landesbehörde)  erhält  sonach  den  Auffcrag, 
die  in  ihrem  Bereiche  befindlichen  Mittel-  und  Gewerbeschulen  unter  Zu* 
sendon^  je  eines  der  in  der  Anlage  mitfolgenden  Verzeichnisse  auf  diese 
Torzügliehen,  auch  durch  Billigkeit  der  Preise  ausgezeichneten  Vorli^en 
aufmerksam  zu  machen  und  ihnen  bei  diesem  Anlasse  zu  eröffiien,  dass 
die  Diiection  des  Museums  in  jedem  einzelnen  Falle  bereit  ist,  dem  yon 
derlei  Anstalten  an  sie  gerichteten  Wunsche  wegen  Zusendung  eines  voll- 
ständigen Exemplars  der  bis  nun  angefertigten  Photographien  zum  Zwecke 
der  näneren  Einsicht  und  Auswahl  zu  entsprechen. 

Auch  hat  die  Direction  dieses  Museums,  welches  im  Besitze  einer 
Beihe  der  kostbarsten  und  seltensten  Lehrmittel,  welche  sich  auf  den  Kunst- 
unterricht in  Mittel-  und  Gewerbeschulen  beriehen,  sieh  befindet,  ihre  Be- 
reitwilligkeit ausgesprochen,  diese  Lehrmittel  sowol  den  Schulen,  als  auch 
den  Lehrern  unter  den  nöthigen  Vorsichten  zur  Disposition  zu  stellen,  zu 
welchem  Zwecke  sieh  diesell^n  unmittelbar  an  die  Museumsdirection  zu 
wenden  haben. 

Das  Staatsministerium  muss  schliefslich  den  Wunsch  aussprechen, 
dass  es  der  geeigneten  Einflussnahme  der  k.  k.  Statthalterei  (Landesbebörde) 
gelin^n  werde,  dass  die  hiemit  den  bezeichneten  Schulen  gebotene  Ge- 
legenneit,  in  den  Besitz  gediegener  und  sehr  billiger  Bildungsmittel  zu 
gelangen,  in  entsprechender  Weise  benützt  werde. 


2£8  Personal-  und  fcJchnlnotizen. 

Personal-  und  Schulnotizen. 

(Ernennungen,  Versetzungen,  Beförderungen,  Auszeich- 
nungen u.  s.  w.)  —  Der  a.  o.  Professor  an  der  Wiener  Universität,  kaia. 
Bath  Alexander  Bitter  von  Pawlowsky,  zum  Ministorialsecretar;  der 
disponible  Statthaltereisecretar,  Dr.  Hermann  Buriän,  zum  Ministerial- 
concipisten,  mit  dem  Titel  und  Bang  eines  k.  k.  Ministorialsecretars;  der 
Stattnaltereiconcipist,  Johann  Ambroi^.  zum  Ministerialconcipisten  im  k. )l 
Staatsministerium,  und  die  Officiale  desselben  Ministeriums,  Abtheilung 
für  Gultus  und  Unterricht,  Karl  Szlavik  und  Bernhard  Heinz,  zu  Direc- 
tionsadjuncten  der  Hilfsämter  dieser  Abtheilung. 

Der  6|Tmnasiallehrer  zu  Spalato,  Dr.  Jakob  Pongrazi,  zum  Lehrer 
am  OG.  zu  Znaim;  der  Tamower  Gymnasialdirector ,  Schulrath  Andreas 
Oskar d,  zum  wirklichen  Schulrath  und  Inspector  für  Mittelschnlen  im 
Krakauer  Yerw.  Gebiete;  der  Supplent  am  kön.  G.  zu  Szathmär,  An- 
ton Gyurits,  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  dortselbst,  und  die  Welt- 
priester und  geprüften  Gymnasialsupplenten  am  OG.  zu  Yicenza,  Angeb 
Bonvicini,  Bemardo  Morsolin  und  Lorenzo  Salin,  zu  wirklichen  Gym- 
nasiallehjrem  für  die  lombardisch-venetianischen  Staatsgymnaaien. 

Der  proY.  Lehrer  an  der  ÜB.  zu  St  Leopold  in  Wien,  Johann 
Seyreck,  zum  wirklichen  Lehrer  daselbst;  der  Assistent  am  kön.  ungar. 
Josephs-Polytechnicum  zu  Ofen,  Joseph  Pörszäsz,  zum  wirkl.  Lehrer  an 
der  städt.  ÜB.  zu  Sze^edin;  der  Privatschullehrer  Franz  Bi&hter,  zum 
Lehrer  an  der  selbstäno.  ÜB.  zu  GroTs-Kikinda,  und  der  prov.  Lehrer 
an  der  ÜB.  zu  Udine,  Pietro  Scarpa,  zum  wirkl.  Lehrer  alldort 

Der  Gymnasiallehrer  zu  Zengg,  Anton  Schwarz,  zum  Lehrer  für 
classische  Philologie  am  Landes-BG.  zu  St  Polten. 

Der  Privatdocent  Dr.  Ludwig  Schlager  zum  a.  o.  Professor  der 
Psychiatrie  an  der  k.  k.  Universität  in  Wien;  der  bisher,  a.  o.  Professor 
der  Chemie  an  der  Lemberger  Universität,  Dr.  Leopold  von  Pebal,  und  der 
ehemaL  a.  o.  Professor  der  Geschichte  an  der  Bechtsakademie  in  Kaschau, 
Dr.  Franz  Krön  es,  zu  ordentL  Professoren  dieser  Lehrfächer,  so  wie  der 
Adjunct  der  fürstcrzbischöfl.  Seckauer  Ordinariatskanzlei,  Dr.  theoL  Frani 
Klinger,  zum  Professor  der  Pastoraltheologie  an  der  theoL  Facultät  der 
k.  k.  Universität  zu  Graz;  der  Weltpriester  und  Dooent  der  Pastoral- 
theologie, Anton  Beinwarth,  zum  ordentl.  Professor  desselben  Faches 
an  der  Präger  Universität;  der  Studienpräfect  im  giiechisch-kathol.  Ge- 
neralseminanum  zu  Lemberg,  Dr.  Joseph  Delkiewicz,  zum  Professor 
der  Kirchengeschichte  an  der  theol.  Facultät  der  dortigen  Universität,  und 
der  a.  o.  Professor  der  polnischen  Sprache  und  Literati^  an  der  Lember- 
ger Universität,  Dr.  Anton  Mafecki,  zum  ordentL  Professor  dieses  Fa- 
ches ebendort;  der  Adjunct  und  Bibliothekar  der  PrefSsburger  kön.  Bechts- 
akademie, Dr.  Emerich  Hajnik,  zum  a.  o.  Professor  der  Geschichte  und 
Statistik  an  der  kön.  Bechtsakademie  zu  Grofswardein,  und  der  bis- 
herige a.  0.  Professor  der  Chemie  an  der  Universität  zu  Padua,  Dr.  Frans 
Filipuzzi,  zum  ordentl.  Professor  desselben  Faches  ebendort;  femer  der 
Bevident  bei  der  Direction  für  administrative  StastistiMn  Wien,  Gustav 
Schimmer,  zum  Hofconcipisten  bei  derselben;  der  Director  der  Akademie 
der  Gesellschaft  patriotischer  Kunstfreude  in  Prag,  Eduard  Engerth,  zum 
Professor  der  allgemeinen  Malerschule  an  der  k.  k.  Aademie  der  bildenden 
Künste  in  Wien,  und  der  ordentl.  Bath  der  Akademie  der  schönen  Kunst« 
zu  Venedig,  Dr.  Johann  Baptist  Cecchini,  zum  Secrctär  derselben. 


Personal-  und  Schalnotizen.  82U 

Se.  Hochw.  dem  Generalgrorsmeistcr  des  ritterlichen  Kreuzherren- 
ordens mit  dem  rothen  Sterne,  Dr.  Jakob  Beer,  Vorstände  der  Gymnasial- 
Lehramts-Candidaten-Prüfunescommission  in  Böhmen,  ist,  in  Anerkennung 
seines  vieljähri^en  ausgezeichneten  Wirkens  für  Staat  und  Kirche,  der  Or- 
den der  Krone  2.  Cl.  taxfrei;  dem  ordentl.  Professor  an  der  Universität  zu 
Innsbruck,  Dr.  Heinrich  Hlasiwetz,   in  Anerkennung  seiner  ausge- 
zeichneten lehramll.  Thätigkeit  und  seiner  Verdienste  um  die  Wissenschaf- 
ten; dem  Professor  der  Ornamentik  an  der  Akademie  der  schönen  Künste 
in  Venedig,   Ludovioo  Cadorin,   und   dem   k.   k.   Hof  Schauspieler,   Karl 
Fi  cht  n  er,  in  Anerkennune  seiner  ausgezeichneten  k&nstlerischen  Leistun- 
gen,  gelegentlich   seines  Scheidens  vom  k.  k.  Hofburgtheater  in  Wien, 
das  Ritterkreuz  des  Franz  Joseph-Ordens;  femer  dem  jubiL  Professor  an  der 
Pesther  Universität,  Franz  Vizkelety,  in  Anerkennung  seines  vieljähri- 
een  erspriefslichen  Wirkens  im  Lehrfache  tailrei  der  Titel  eines  Hofrathes ; 
aem  oraentl.  Professor  an  der  Wiener  Universität,  Dr.  Franz  Xaver  Hai- 
merl,   in  Anerkennung  seiner  vieljährigen  Thätigkeit  im  Lehramte,  der 
Titel  und  Charakter,  und  dem  Vorstände  der  AUerhöchsten  Privat-  und 
kaiserlichen  Fideicommissbibliothek,  Leopold  Khloyber,  taxfrei  der  Titel 
eines  Begienmgsrathes;  dem  ö.  o.  Professor  der  Geschichte  an  der  kön.  ungar. 
Universität  zu  Pesth,   Dr.  Johann  Reisinger,   aus  Anlass   seiner  Ver- 
setzung in  den  bleibenden  Buhestand,  in  Anerkennung  seiner  vieljährigen 
treuen  und  ausgezeichneten  Dienste,  taxfrei   der   Titel  eines  kön.  Rathes, 
und  dem  Director  der  geolog.  Reichsanstalt,  Hofrathe  Wilhelm  Haidinger, 
als  Ritter  des  Leopold-Ordens,  den  Ordensstatuten  gemäfs,  der  Ritterstand 
des  Csterr  Kaiserstaates  Allergnädij^t  verliehen;  endlich  dem  Regierungs- 
rath  und  Director  der  k.  k.  administr.  Statistik,   Dr.  Adolf  Ficker,   den 
kais.  russischen  St.  Stanislaus-Orden  3.  Gl. ;  dem  Docenten,  Primarärzte  Dr. 
Leopold  Dittel,  das  Ritterkreuz  1.  01.  des  kön.  bayer.  St  Michael- Verdienst- 
ordens; dem  pens.  Ministerialsecretär,  Dr.  Johann   Bolza,   das  OfQciers- 
kreuz  des  kais.  mexican.  Quadalupe  -  Ordens ;   dem  Professor  an  der  k.  k. 
Akademie  der  bildenden  Künste  in  Wien,   Peter  Johann   Geiger,   das 
Bitterkreaz  dieses  Ordens;  dem  Schriftsteller  Dr.  L.  Aug.  F  ran  kl  in  Wien, 
den  kön.  preufs.  Kronen-Orden  4.  Gl.,  und  dem  Schulrathe  in  Krakau, 
Dr.  Andreas  Macher,  das  Ritterkreuz  des  päpstl.  Gregor-Ordens  anneh- 
men und  tragen  zu  dürfen  Allergnädigst  gestattet  worden. 

Se.  Hochw.  der  Spiritualdirector  des  theoL  Centralseminariums  zu 
Zara,  Ehrencano&icus  Spiridion  Radisiö,  ist  zum  Domherrn,  und  Se. 
Hochw.  der  Professor  der  Theologie  und  Rector  Georg  Markiö,  zum  Ehren- 
domherm  des  dortigen  Metropoutancapitels ;  der  k.  1.  Hofbuchhändler  Wil- 
helm Braumüller  in  Wien,  in  Würdigung  seines  ausgewählten  undgrofs- 
artiji^  wissenschaftlichen  Verlages,  so  wie  in  Anerkennung  seiner  viel- 
seitigen Verdienste  und  patriotischen  Leistungen,  von  Seite  des  Universi- 
tätsconsistorinms  in  Wien,  zum  k.  k.  Universitätsbuchhändler;  der  magya- 
rische Dichter,  Johann  Arany,  Professor  am  helv.  G.  zu  Nagy-Körös,  zum 
Secretftr  der  kön.  ung.  Akademie;  der  Porträt-  und  Historienmaler,  Frie- 
drich Amerling  in  Wien,  sowie  der  Zeichnenlehrer  Johann  Dwofaöek, 
an  der  Lidnstrieschule  zu  Steinschönau,  und  der  Zeichnenlehrer  Joseph 
Geyling  an  der  OR.  in  Linz,  sind  zu  Correspondenten  des  k.  L  ö.  Museums 
ftr  Kunst  und  Lidustrie;  der  k.  k.  GubemiaLrath  und  emer.  Professor  der 
Chemie  an  der  Prag  er  polytechn.  Lehranstalt,  Dr.  Karl  August  Neu- 
mann, zum  a.  0.  Mit^liede  der  kÖn.  böhm.  Gesellschaft  der  Wissenschaf- 
ten; der  Obergespan  Johann  Kukuljeviö  von  Sokcinski  in  Agram,  zum 
wirkL  Mitglicäe  des  Archieologen- Vereines  in  Moskau;  Professor  Oppolzer, 
flo  wie  die  Professoren  Scanzoni  und  Schuh  zu  Ehrenmitgliedern  des 
Vereines  der  Aerzte  in  Krain,  und  Freiherr  von  WüUerstorff  zum  Ehren- 
mitgliede  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Emden  (bei  Gelegenheit  der 
am  29.  December  v.  J.  abgehaltenen  50jährigen  Jubelfeier)  ernannt  worden. 


290  Personal-  und  Schnlnotizen. 

Die  Wahl  des  ordentl.  Professors  Karl  Kor istka  zum  Rector  des 
polytechn.  Institutes  zu  Prag  für  das  Studienjahr  1864/65  ist  vom  k.  k. 
Staatsministerium  bestätigt. 

Dem  Franz  Grafen  v.  Meran,  Baurath  Essenwein,  Major  Ritter 
von  Frank  und  anderen  ist  die  Bewillieung  zur  Gründung  eines  st  eier- 
märkischen Vereines  zur  Beförderung  der  Eunstindnstrie, 
unter  Genehmigung  der  vorgelegten  Statuten  desselben,  Allergnädigst  er- 
theilt  worden;  der  Hr.  Graf  von  Meran  hat  das  Präsidium  des  steieri- 
schen Eunstvereines  übernommen. 


Graf  Alfred  Chris  tallnig  hat  seinen  regen  Sinn  für  F^Vrdenmg 
künstlerischer  und  wissenschaftL  Bestrebungen  und  gemeinnütziger  Zwecke 
durch  ein  namhaftes  Geschenk  sehr  werthvoller  Bibliothekswerke  für  das  G. 
zu  Hall  (Tirol)  neuerdiuM  bethätigt,  und  der  verstorbene  Gutsbesitzer 
fenaz  Erzeczunowicz  für  2  Stipendien  in  der  agronomischen  Schale  la 
Dublany  den  Betrag  von  8000  n.  legiert. 

(Erledigungen,  Concurse  u.  s.  w^  Graz,  technische  Hochsehnle 
am  landschafbl.  Joanneum,  Lehrstelle  für  figuren-  und  Landschaftszeicb- 
nen,  Jahresgehalt  800  fl.  ö.  W.  Termin:  Letzter  März  1.  J.,  s.  AmtsbL  i. 
Wr.  Ztff.  V.  22.  Jänner  1.  J.,  Nr.  18;  femer  am  k.  k.  G.,  Lehrstelle  für 
die  altclassischen  Sprachen,  Jahresgehtdt  735  fl.,  eventuel  840  fl.  ö.  W., 
nebst  Anspruch  auf  Decennalzulagen,  Termin:  Ende  März  L  J.,  s.  AmtsbL 
z.  Wr.  Ztg.  vom  16.  Februar  1.  J.,  Nr.  38  und  v.  1.  März  L  J.,  Nr.  49.  — 
Lemberg,  k.  k.  OR.,  Lehrstelle  für  die  deutsche  Sprache  in  den  oberen 
Classen  äs  Hauptfech,  Gehalt  630  fl.,  eventuel  840  fl.,  1050  fl.  und 
1260  fl.  ö.  W.  termin:  Ende  März  1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  vom  10. 
Februar  1.  J.,  Nr.  33.  —  Tarnopol,  k.  k.  vollst.  ÜG.,  Lehrstelle  für 
Freihandzeichnen  und  Schönschreiben,  Gehalt  630  fl.,  eventuel  840  fl.  und 
1050  fl.  ö.  W.  Termin:  Ende  April  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  10.  Fe- 
bruar 1.  J.,  Nr.  33.  —  Salzburg,  G.  und  OR.,  Lehrstelle  für  den  Unter- 
richt in  der  italienischen  Sprache ,  mit  der  iährL  Remuneration  von  600  fl. 
ö.  W.,  für  nöthigenfalls  20  wochentL  Stunden.  Termin:  Ende  Juni  L  J., 
s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  vom  15.  Februar  L  J.,  Nr.  37.  —  Innsbruck, 
k.  k.  OR.,  Lehrstelle  für  Naturgeschichte  als  Hauptfach  und  für  deutsche 
Sprache  oder  Geographie  mit  Geschichte  als  Nebenfach,  Jahresgehalt  630  fl., 
eventuel  840  fl.  ö.  W.  und  Anspruch  auf  Docenn^zuhigen.  Termin:  20.  März 
1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  28.  Februar  1.  J.,  Nr.  48.  —  Wr.  Neustadt, 
St  Polten,  Erems,  n.  ö.  Landes-OR.,  in  ersterer  Stadt  Lehrstelle  für 
deutsche  Sprache  als  Hauptfach  und  Geographie,  dann  für  Physik  und 
Mathematik,  in  beiden  letzteren  gleichmäßig  für  Naturgeschichte  als  Haupt- 
fach, daim  für  Mathematik  und  darstellende  Geometrie,  Jahresgehalt  800  fl., 
eventuel  1000  fl.  und  Anspruch  auf  e.  zweimalige  Decennalzuiage  von  Je 
200  fl.  5.  W.,  so  wie  auf  Pension  eines  Landesbeamten.  Termin :  31.  Mäiri 
1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  vom  25.  Februar  L  J.,  Nr.  46. 

(Todesfälle.)  Am  30.  November  1864  zu  Hamburg  Frau  Wilhel- 
mine  Sostmann,  geb.  Blumenhagen,  eine  auf  dem  Felde  der  Novellistik 
vortheilhaft  bekannte  Schriftstellerin,  im  Alter  von  79  Jahren,  und  in 
Sierra  Leone  auf  seiner  Rückreise  nach  Englüid,  nach  sechsjähriger  Durch- 
kreuzung des  Inneren  von  Africa,  der  bekannte  Reisende  Dr.  Baikie  (geb. 
zu  Arbrooth  in  Schottland),  im  Alter  von  kaum  40  Jahren. 

—  Am  1.  December  1864  der  ungarische  Schriftsteller  Emil  Beniczky 
nnd  zu  Cöslin  Professor  Auinist  Leopold  Bucher,  durch  50  Jahre  als  Lehrer 
der  (beschichte  zuerst  am  Psedagogium  zu  Jenkau  bei  Danzig,  dann  am  Gym- 
nasium zu  Cöslin  thäti^,  im  S.  Lebensjahre. 

—  Am  4.  December  1864  John  Fowler,  der  Erfinder  des  Dampf- 
pfluges, und  zu  Warschau  Professor  Dr.  Janikowski  (geb.  zu  Pilzno  in 


Personal-  und  Schulnotizen.  {^l 

Qaliiieii  1799),  Sanitatsrath ,  als  Gründer  der  dortigen  pharmaceutiscben 
Schule  hochyerdient. 

—  Am  5.  December  1864  auf  Schlofs  Howard  (Yorksbire)  Earl  George 
William  Frederic  Howard,  J.  Earl  von  Carlisle,  Viscount  Howard  of 
Morget  (geb.  zu  London  am  [15.  nicbt  am]  18.  April  1802),  Vicekönig  von 
Irland,  enensoeebr  durcb  seine  Bildung  als  durcb  seine  Gewissenhaftigkeit, 
Unermüdlicbkeit,  Unparteilichkeit  und  Popularität  bekannt,  zugleich  zu  den 
höheren  literarischen  Zierden  Englands  („Scraps  on  Italy''  u.  m.  a.)  gehörig. 
(VgL  A.  a.  Ztg.  vom  9.  December  1864,  Nr.  844,  S.  5689,  und  vom  10.  Do- 
cember  1864  Nr.  345,  8.  5605.) 

—  Am  6.  December  1864  zu  Dresden  der  Geschichtsmaler  Johannes 
Zumpe,  ein  Schüler  Schnorr*s,  einer  der  befähigtesten  unter  den  jüngeren 
KüntÜem  Dresdens 

—  Am  8.  December  1864  zu  Linz  Sr.  Hochw.  Domcapitular  Augustin 
Rechberger,  wirkL  Gonsistorialrath ,  Begens  des  bischöfl.  Priestersemi- 
nariums  alldort  n.  s.  w.,  im  65.  Lebensjahre;  zu  Bembuxg  M.  Dr.  Karl 
Behr ,  herzogL  Anhalt'scher  Reg.  Medicinalrath,  als  Arzt  und  Schriftsteller 
mchatzt,  und  zu  Leipzig  Prof.  Wieck,  von  1822—1855  Director  des 
Domgymnasiums  zu  Merseburg,  geschätzter  Psedagog. 

—  Am  9.  December  1864  zu  Paris  der  Cabinetschef  und  Privatsecretär 
des  Kaisers  Napoleon  UL,  Constant  Mocquard  (geb.  am  11.  Nov.  1791 
zu  Bordeaux),  auch  durch  literarische,  namentlich  dramatische  Arbeiten  (vgl. 
A.  a.  Ztg.  Nr.  348)  bekannt  (vgl  Ebond.  Nr.  352). 

—  Am  10.  December  1864  zu  Eger  der  Gesanglehrer  am  dortigen 
k.  k.  Ofjmn.,  Wenzel  Göttl,  Be^enschori  an  der  Deciuiatskirche,  ein  tüch- 
tiger Dirigent  und  Musiklehrer,  im  61.  Lebensjahre. 

—  Am  11.  December  1864  im  Bade  Wartenbeiv  in  Böhmen  der 
k.  k.  Hof-  und  Kammersänger  Alois  Ander  (geb.  am  10,  Au^st  1821  zu 
lieÜtii  in  Böhmen),  als  ausgezeichneter  Repräsentant  musikalischer  Kunst- 
woke  weithin  bekannt. 

—  Am  12.  December  1864  zu  Wien  Sr.  Hochw.  P.  Matthias  Maver, 
Piaziaten-Ordenspriester,  emer.  Hauptschuldirector  und  Professor,  im  Alter 
von  61  Jahren. 

—  Am  15.  December  1864  verschwand  aus  Wien  der  talentvolle 
Journalist  Hermann  Hildebrandt  (geb.  am  12.  Juli  1823  zu  Magdeburg), 
in  den  Jahren  1846 — 1848  Lehrer  an  einer  höheren  Mädchenschule  in  seiner 
Yaterstadt,  seit  1856  in  Wien  als  Schriftsteller  thätig. 

—  Am  16.  December  1864  in  Wien  der  akad.  Maler  Karl  Wilhelm 
Gostav  ▼.  Tornsu  (geb.  zu  Magdeburg  am  12.  Februar  1820),  als  Land- 
schafts-  und  ThiermiJer,  so  wie  durch  treffliche  Radierungen,  bekannt, 
und  zo  Dresden  Karl  Christian  Spar  mann  (geb.  1805),  ehemaliger  Lehrer 
des  Kaisers  Napoleon  UL  (seit  1824),  als  Landschaftsmaler  geschätzt. 

—  Am  18.  December  1864  zu  Brüssel  Pierre  Albert  Roberti,  belg. 
Maler  und  Professor  an  der  kön.  Akademie  der  Künste  alldort 

—  Am  19.  December  1864  zu  Karlsruhe  der  Geh.  Hofrath  a.  D. 
Karl  Friedrich  Yierordt,  gew.  Director  des  dortigen  Lyceums,  und  zu 
Brüssel  Frln.  Anna  Justine  Guillery,  franz.  Schnftstellerin ,  Dichterin 
und  Dame  von  dassischer  Gelehrsamkeit. 

—  Am  20.  December  1864  zu  Prag  der  blinde  Joseph  Proksch 
(geh.  m  Reichenbeig),  Inhaber  und  Director  der  berühmten  Musikanstalt 
in  Prag,  auch  als  Fachschriftsteller  durch  sein  Schulbuch:  »Versuch  einer 
rttionellen  Unterrichtsmethode  im  Pianofortespiele  mit  Anwendung  des 
Handldters**  und  vielfache  Gompositionen  bekannt,  im  71.  Lebensjahre. 

—  Am  21.  December  1864  in  Wien  um  10%  Uhr  nachts  während 
des  Schlafes  Sr.  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Erzherzog  Ludwig 
Joseph  (geh.  zu  Florenz  am  13.  December  1784),  Mitbegründer  und  Ehren- 
mitglied aer  kais.  Akademie  der  Wissenschaften,  u.  s.  w. ,  der  grofsen  Maria 
Theresia  letzter  Enkel. 


S82  Personal-  und  Schulnotizen. 

^  Ära  22.  December  1864  zu  Pesth  Se.  Hochwürden  P.  Johann  Hai- 
Yänyi,  Piaristen-Ordenspriester,  Director  des  dortigen  Blinden-Institutea, 

—  Am  23.  Decemoer  1864  zu  Greifswalde  Dr.  tn.  u.  ph.  Hasert, 
a.  0.  Professor  an  der  philos.  Facultät  alldort  und  Pastor  zu  St.  Nikolai 

—  Am  26.  December  1864  in  Wien  Louis  La  Combe,  Sprachlebier 
am  k.  k.  Theresianum,  durch  grammatische  Schriften  aber  die  nranzduBche 
Sprache  bekannt,  im  Alter  von  74  Jahren. 

—  Am  28.  December  1864  zu  Breslau  der  Buchhändler  Philipp  Ader- 
holz,  Curator  des  Maria-Magdalena-Gjmnasiums  u.  s.  w.  alldort 

—  Am  30.  December  1864  zu  Gera  der  Oberforstmeister  Ludwig  foh 
Vof  s,  als  forstwissenschaftlicher  Schriftsteller  in  weiteren  Kreisen  be&nnt 

—  Am  31.  December  1864  zu  Berlin  Prof.  August  v.  Elöber,  Mit^ 
glied  des  Senats  der  Akademie  der  bildenden  Künste,  als  talendvoller  Bild- 
hauer bekannt,  im  74.  Lebensjahre. 

—  Anfangs  December  1864  zu  Berlin  Graf  Franz  Gotthardt  Schaf- 
^otsch  (geb.  am  11.  Mai  1816),  wegen  seiner  wissenschaftl.  Yerdienste  von 
der  dortigen  Universität  durch  die  Doctorwürde  ausgezeichnet. 

—  In  der  1.  Hälfte  des  December  1864  zu  Genf  Prof.  Picot-Mallet, 
Yerfasser  einer  Geschichte  von  Genf,  im  Alter  Ton  88  Jahren. 

—  Mitte  December  1864  in  Poligny  Constant  de  Rebecque,  Prä- 
sident des  Vereines  für  Ackerbau,  Wissenschaft  und  Kunst  alldort. 

—  In  der  zweiten  Hälfte  des  Decembers  1864  Dr.  Adolf  Bernays, 
vorm.  Professor  der  deutschen  Literatur  am  Kings-College  in  London. 

—  In  der  letzten  December-Woche  1864  zu  Paris  Bouillet,  Ehren- 
rath  der  paris.  Universität,  Generalinspector  des  öffentlichen  Unterrich- 
tes u.  s.  w. 

—  G^en  Ende  December  1864  zu  Kalocsa  der  Director  des  dortigen 
Jesuitenconvictes  Liptaj,  Professor  am  kathol.  OG.  daselbst 

—  Ende  December  1864  zu  München  der  quiesc.  kön.  Geheimiath 
V.  Mehr  lein,  bis  1853  nahezu  30  Jahre  lang  Referent  im  Cultusministerinm 
für  Unterrichtsgegenstände,  81  Jahre  alt,  und  zu  Hamburg  der  frühere 
Advocat  in  Meisdorf  Stange,  als  Bedacteur  verschiedener  Zeitschriften 
(„Melsdorfer  Wochenblatt",  „Der  Gemeinnützige**,  „Altonaer  Nachrichten", 
„Schleswig-Holsteinische  Zeitung"),  so  wie  als  Schriftsteller  bekannt,  im 
kräftigsten  Mannesalter. 

—  Am  1.  Jänner  1.  J.  zn  Rom  Fortunato  Pio  Castellani,  der  eigent- 
liche Wiederhersteller  der  modernen  römischen  Goldschmiedekunst  alldort 

—  Am  2.  Jänner  L  J.  zu  Marburg  der  Director  und  Inhaber  der 
dortigen  Handels-  und  Bürgerschule,  Anton  Aufrecht,  im  35.  Lebensjahre; 
zu  Wien  der  Landschaftsmaler  Ludwig  Breitenbach,  73  Jahre  alt,  und 
zu  Dresden  der  als  polnischer  Dichter  bekannte  Graf  Gustav  Olisar  (in 
Volhynien  geboren  und  erzogen)  in  hohem  Alter. 

—  Am  3.  Jänner  1.  J.  zu  Innsbruck  Sr.  Hochw.  Martin  Hub  er  (geb. 
zu  Satteins  in  Vorarlberg  am  17.  November  1818),  Weltpripster  und  Lehrer 
an  der  k.  k.  OR.  zu  Innsbruck,  auch  tAa  Schriftsteller  geschätzt.  (Vgl. 
Oest  Wochenschrift  1865,  V.  Bd.,  Nr.  4,  S.  120,  121);  zu  Lüttich  Peter 
Kersten,  der  Senior  der  belgischen  Presse,  fast  bis  zum  letzten  Moment 
seines  Lebens  an  der  Redaction  des  von  ihm  im  Jahre  1834  gegründeten 
„Journal  historique  et  litt^raire"  thätig,  und  zu  Rom  der  convertierte  ge- 
lehrte Rabbi  Paul  Louis  Drach  aus  Strafsburg,  durch  lange  Zeit  Bibbo- 
thekar  der  Propaganda. 

—  Am  4.  Jänner  1.  J.  zu  Moskau  der  geh.  Rath  Dr.  Alexander 
Auvert,  in  der  medicin.  Welt  durch  sein  Prachtwerk  „Selecta  praxis  me- 
dico-chirurgicae",  die  Frucht  17jähriger  Arbeiten  und  Beobachtungen  be- 
kannt, im  61.  Jahre  seines  Lebens. 

—  Am  6.  Jänner  L  J.  zu  Berlin  Sigismund  Fränkel,  Lehrer,  durch 
seine  englischen  und  französischen  Sprachlehren  bekannt,  und  zu  Tilsit  der 
Director  der  dortigen  Realschulen  Dr.  Tagmann. 


Personal-  und  Schulnotizen.  £88 

—  Am  7.  Jänner  1.  J.  zu  Nürnberg  Dr.  Johann  Wilhelm  Sturm 
(geb.  ebcndort),  Naturforscher,  namentlich  ar^  dem  Gebiete  der  Inschrei- 
benden  Botanik  und  Abbildung  deutscher  Pflanzen  um  die  Wissenschaft 
Terdient,  im  56.  Lebensjahre. 

—  Am  8.  Jänner  1,  J.  zu  Prankfurt  a^M.  der  Prof.  Dr.  Heinrich 
CasBian  (geb.  zu  Hanau  1823),  Lehrer  an  der  höheren  Bür^rschule  all- 
dort,  als  Psdag^und  Schriftsteller  namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Erd- 
kunde und  der  Weltgeschichte,  geschätzt 

—  Am  9.  Jänner  L  J.  zu  Pesaro  der  italienische  Schriftsteller  Fi- 
lippo  üffolino,  YerfBflser  geschätzter  geschichtlicher  und  sprachwissen- 
schaftlicher Werke. 

—  Am  10.  Jänner  L  J.  zu  Kassel  der  unter  dem  Schriftstellcmamen 
„Karl  Mario"  bekannte  Professor  Winkelblech. 

—  Am  11  Jänner  L  J.  in  Wien  Sr.  Excellenz  der  ehemalige  Staats- 
und Conferenzminister  Beichsgraf  Franz  de  Paula  Hartig  (geb.  am  5.  Juni 
1789),  als  ^innungstüchtiger  Staatsmann  ausgezeichnet,  auch  als  Schrift- 
steller (.Die  Genesis  der  Bevolution  in  Oesterreich")  bekannt.  (Vgl  Beil. 
z.  A.  a.  Z.  vom  28.  Jänner  L  J.  Nr.  28  u.  s.  f.) 

~  In  der  Nacht  Tom  11.  zum  12.  Jänner  1.  J.  zu  Bonn  der  ordent- 
liche Professor  der  romanischen  Sprachen  und  ihrer  Literatur  Karl  Bonnard 
(seb.  zu  Bern  1790),  durch  seine  Üebersetzung  und  Fortsetzung  der  Johannes 
Mftller*schen  Geschichte  der  schweizerischen  Eidgenossenschaft  in  weiten 
Kreisen  bekannt  (Vgl.  Beil.  zur  A.  a.  Ztg.  v.  24.  Jänner  L  J.  Nr.  24.) 

—  Am  12.  Jänner  L  J.  zu  Würzburg  der  Domcapitular  Dr.  Andreas 
Maller  (geb.  am  27.  Jänner  1793),  Senior  des  Domcapitels  und  bischöfl. 
Official,  durch  sein  .Lezi^on  des  Kirchenrechtes**  und  andere  kirchenrecht- 
liche Schriften  bekannt,  und  zu  Karlsruhe  Dr.  theoL  Karl  Uli  mann  (geb. 
am  15.  März  1796  zu  Epfenbach  in  der  Pfalz),  Prälat  und  Director  des 
e?.  Obeikirchenrathes,  als  thäUger  Fachschriftsteller  geachtet  (Vgl.  BeiL 
z.  A.  a.  Ztg.  T.  31.  Jänner  L  J.  Nr.  31  u.  ff.) 

—  Am  13.  Jänner  1.  J.  zu  Lemberg  der  in  der  polnischen  Literatur 
wohlbekannte  Bomanschrifksteller  Joseph  Dzierzkowski  im  Alter  von 
58  Jahren. 

~  Am  14  Jänner  1.  J.  zu  Mtbichen  der  Med.  Dr.  Johann  Bapt  von 
Weifsbrodt,  geh.  Bath,  Obermedicinalrath,  quiesc.  ordentL  Professor  an 
der  Ludwigs-Maximil ians-üniversität  in  München,  ein  ausgezeichneter  Arzt 
und  Fachschrifbsteller,  im  Alter  von  86  Jahren;  zu  Wiesbaden  der  Ober- 
medicinalrath Dr.  Joh.  Bapt  von  Franqu^,  tcchn.  Mitglied  der  Landes- 
regierung für  das  Medidnalwesen,  als  Vertreter  der  Wissenschaft,  wie  als 
fiounter  hochgeachtet;  in  Cimbritshamn  (Schweden)  der  Zollinspector  And. 
Joh.  Afzelius,  dessen  lyrische  Dichtungen  (unter  dem  Namen  „Afze**) 
giote  Yerbreituns^  gefunden  haben,  und  zu  Melmedy  Frl.  Maria  Anna 
Libert,  wegen  ihrer  ungewöhnlichen  naturwissenschaftlichen,  archsBolo- 
gisehen  und  historischen  Kenntnisse  bekannt,  im  Alter  von  83  Jahren. 

—  Am  15.  Jänner  L  J.  der  Präfect  der  Arvaer  und  Lithavaer  Herr- 
schaft Joaeph  Cziruly,  als  Archivar  des  grofsen  Thurocz'schen  Archivs 
durch  seine  genaue  Urkundeukenntnis,  sowie  auch  als  Förderer  der  ungari- 
sehen  Elementarschule  zu  Alsö-Yaralja^  bekannt,  im  61.  Lebensjahre. 

—  Am  16.  (18.)  Jänner  L  J.  zu  Stockholm  der  bekannte  Roman- 
schriftsteller Magnus  Jacob  Crusenstolpe  im  Alter  von  nahezu  70  Jahren. 

—  Am  18.  Jänner  L  J.  in  Wien  der  Schriftsteller  Joh.  C.  Metzger, 
im  66.  Lebensjahre. 

—  Am  19.  Jänner  L  J.  zu  Paris  Pierre  Joseph  Proudhon  (geb. 
1809  zu  Besan^on),  der  bekannte  sociaiistische  Agitator  und  Schriftsteller. 
(VgL  BeiL  z.  A.  a.  Ztg.  v.  7.  Februar  1.  J.  Nr.  38  ff.) 

—  Am  20.  Jänner  L  J.  in  der  Krankenanstalt  zu  Neuendettelsau 
(Baiem)  Joh.  Karl  Christian  Helfe  rieh,  pens.  kön.  Director  der  land- 
wirthscbaftlichen  Centralschule  zu  Weihenstephan  bei  Freysing,  im  48. 
Lebenssjahre. 

Zcitwhrift  f.  d.  «tUr  Oymn.  IHßi.  IL  a.lll.  n«rt.  16 


284  Personal-  und  Schulnotizen. 

—  Am  21.  Jänner  1.  J.  zu  Villa-Novello  bei  Genua  der  ausgezeich- 
nete enfflische  Kupferstecher  William  Humphrjs  (geb.  zu  Dablin),  71 
Jahre  alt. 

—  Am  23.  Jänner  1.  J.  zu  Pesth  der  als  Arzt  in  weiten  Kreisen 
bekannte  Dr.  Johann  Nepomuk  Totb,  Docent  an  der  k.  ungarischen  Uni- 
versität alldort,  im  32.  Lebensjahre;  zu  Berlin  der  RegieruncB-  und  Bau- 
rath  Altgelt,  gerühmt  wegen  seiner  Verdienste  um  das  TelegraDhea« 
Wesen,  in  der  Blüte  seiner  Jahre;  zu  Paris  Jos.  Desir^  Court  (geD.  su 
Ronen  1797),  Director  des  Museums  seiner  Vaterstadt,  als  Hi^rienmaler 
(„Tod  Cflssar^s",  „Boissy  d' Anglas**  u.  a.,  auch  Porträte)  bekannt;  zuNttm- 
berg  der  (^uiesc.  Gymnasialprofessor  Dr.  Joachim  Meyer,  bekannt  durch 
seine  Arbeiten  zur  kritischen  Feststellung  xmd  Verbesserung  des  Textes  der 
Schiller'schen  Werke,  im  Alter  von  63  Jahren;  zu  Paris  X.  Saintine, 
eigentlich  Jos.  Xavier  Boniface  (geb.  zu  Paris  am  10.  Juli  17d8),  Officier 
der  Ehrenlegion,  Ehrenpräsident  der  „Sociäte  de  gens  de  lettres**,  als  frudit- 
barer  Dramatiker  und  Romanschriftsteller  („Voyage  autour  de  ma  chambre**, 
„Picciola**  u.  v.  a.)  vortheilhaft  bekannt,  und  zu  Basel  Jean  Baptiste  Adolphe 
Charras  (geb.  am  7.  Jänner  1810  zu  Pfalzbur^  in  Lothringen),  als  Soloat» 
energischer 'Ge^er  Louis  Napoleons  und  Scnriftsteller  („Histoire  de  la 
Gampagne  de  l81ö,  Waterloo"  u.  a.)  bekannt 

—  Am  26.  Jänner  1.  J.  zu  Salzburg  Sr.  Hochw.  P.  Karl  Thur- 
wieser,  geistl.  Rath,  Professor  des  Bibelstiidiums  alten  Bundes  und  der 
Orient.  Dialekte,  Senior  der  theoL  Facultät  und  Jubelpriester,  Ritter  des 
Franz  Joseph-Grdens  u.  s.  w.,  als  Gelehrter  und  Alpenfreund  (Besteiger 
des  Grofsgfockner)  bekimnt  und  allgemein  geschätzt,  im  Alter  von  &t 
80  Jahren;  zu  Prag  der  Oberpedell  der  dortigen  Universität  Thomas  Zim- 
mermann, eine  weeen  ihrer  Freundlichkeit  und  Dienstfertigkeit  in  Uni- 
versitätekreisen  beliebte  Persönlichkeit,  im  Alter  von  73  Jahren;  zu  Paris 
Baron  v.  Bazancourt,  als  Militärschriftsteller  („L' Expedition  de  Crim^" 
1857,  Ja  Gampagne  d'Italie"  1860-1862,  früher  .rmstoire  de  Sicile  sous 
la  domination  des  Normands*'  u.  a.  m.),  sowie  durch  zahl-  und  bänder- 
reiche Romane  bekannt,  im  Alter  von  54  Jahren ,  und  zu  Moneglia  (einem 
kleinen  Dorfe  an  der  Riviera  di  Levante  des  Golfs  von  Genua),  seinem 
Heimatdorfe,  der  Dichter  Feiice  Romani,  Verfasser  der  besten  Opemtexte 
(„Norma",  «^Sonnambula**  u.  v.  a.)  für  die  neueren  italienischen  Componisten. 

—  Am  27.  Jänner  1.  J.  zu  Münschen  Jean  Cornelius  Mali  (geb.  zu 
Weilheim  u.  T.  in  Würtemberg),  Landschaftsmaler,  im  36.  Lebensjahre,  und 
zu  Leipziff  der  Senior  der  Junstenfacultät  an  der  dortigen  Universität  Dr. 
Friedr.  Adolf  Schilling,  Professor  des  römischen  Rechtes,  auch  des  Natur- 
und  philosophischen  Staats-  und  Völkerrechtes,  im  Alter  von  72  Jahren. 

—  Am  28.  Jänner  1.  J.  zu  Budweis  der  Piaristenordenspriester  und 
Vicerector  des  dortigen  CoUeglums,  Sr.  Hochw.  P.  Willibald  Schörner, 
im  71.  Lebensjahre,  und  zu  Sjel  der  ordentl.  Professor  der  (^teschichte  an 
der  dortigen  Universität  Dr.  W.  Junghans  (geb.  zu  Lüneburg,  am  3.  Mai 
1834),  seit  1862  in  Kiel  angesteUt. 

—  Am  29.  Jänner  L  J.  zu  Wien  der  Mitarbeiter  der  Consi  österr. 
Ztg.,  Doctorand  der  Medicin  Wilhelm  Bock,  als  Journalist  geachtet,  im 
42.  Lebensiahre,  und  zu  Klagenfurt  Sr.  Hochw.  der  Domcapituiar  und  Con- 
sistorialrath  des  Gurker  Bistnums,  Heinrich  Hermann  (geb.  am  1.  Nov. 
1793  zu  KlM^enfurt),  Professor  der  Pastoraltheologie  an  der  Dioecesan-Lehr- 
anstalt  zu  St.  Andii  (Lavant) ,  als  Geschichtsschreiber  seines  Vaterlandes 
und  namentlich  seiner  Vaterstadt,  sowie  überhaupt  um  die  heimische  Ge- 
schichtsforschung, rühmlichst  bekannt,  als  Priester,  Lehrer,  Schriftsteller 
und  Mensch  al&emein  geachtet.  (Vgl  Gest.  Wochenschrift  1865.  V.  Bd. 
Nr.  7.  S.  215  ff.) 

~  Am  31.  Jänner  l.  J.  zu  Wien  Eugen  Eiserle,  Schriftsteller  und 
Journalist,  im  Alter  von  39  Jahren. 

—  Anfangs  Jänner  1.  J.  zu  Lemberg  der  polnische  Dichter  Johann 
Gabriel  Sciborski;  Jos.  Lies,  einer  der  talentvollsten  Maler  der  Ant- 
werpener Schule ,  und  zu  Mautem  (Steiermark)  der  Rector  der  Redemptori- 


Personal-  und  Schnlnotizen.  $85 

sten-Congregation  P,  Anton  Pöter,   Professor  des  Eirchenrechtes ,  im  33. 
Lebensjahre. 

~  In  der  1.  Halffce  Jänners  l.  J.  in  Zürich  der  Maler  Rudolf  Leh- 
man n ,  ein  nicht  unbedeutendes  Compositionstalent ,  im  Alter  yon  52 
Jahren. 

—  Jm  Jänner  L  J.  in  Schottland  Leitch  Kitchie  (geb.  zu  Anfang 
dieses  Jahrhunderts  in  Greenock),  vormals  Herausgeber  yon  „Cbamber^s 
Journal**,  als  Novellist  (^Wearyfoot  Common**)  bekannt,  und  zu  Paris  Victor 
Texier,  der  älteste  aller  französischen  Kupferstecher,  durch  Ueberfahren, 
im  87.  Lebensjahre. 

—  Nachrichten  aus  Brasilien  zu  folge  Dr.  Antonio  Oon9alyes  Dias 
(geb.  1823  zu  (Nachlas  in  der  Provinz  Maranhäo),  einer  der  bedeutendsten 
Dichter  und  Schriftsteller  Brasiliens. 

—  Ende  Jänner  L  J.  zu  Laibach  Elias  Beb it seh,  emer.  k.  k.  Gym- 
nasialpräfect ,  im  81.  Lebensjahre;  zu  London  J.  B.  Neilson,  auf  dem 
Gebiete  der  Industrie,  namentlich  des  Bergwesens,  insbesonders  aber  als 
Erfinder  des  heifsen  Gebläses  (bot  blast),  weithin  bekannt;  zu  Brüssel  D. 
F.  J.  Meulenbergh,  geschätzter  bel^scher  Maler;  zu  Luzem  Probst 
Leu,  einer  der  bedeutendsten  Lehrer  an  der  dortigen  theologischen  Facultftt, 
und  in  den  Yereinsstaaten  der  Senator  Everett  (geb.  1794  im  Staate 
Massachussetts),  seinerzeit  Professor  der  griechischen  Literatur  an  der  Uni- 
versität zu  Boston,  zugleich  Redacteur  der  „North  American  Rewiew**,  als 
Lehrer,  Redner  und  Congressmitglied  bekannt. 

—  Am  2.  (?)  Februar  1.  J.  zu  Prefsburg  Alexander  v.  N^meth, 
Professor  der  ungiar.  Sprache  am  dortigen  evang.  Lyceum. 

—  Am  3.  Februar  L  J.  zu  Erakau  Sr.  Hochw.  der  Probst  der  h. 
Kreuzkirche  u.  s.  w.,  Ehrendomherr  des  Kielcer  Domcapitels,  Dr.  Theol. 
Franz  Ser.  Piatkowski,  pens.  Katechet  am  OG.  zu  St.  Anna  dortselbst. 

—  Am  5.  Februar  1.  J.  zu  Prag  der  J.  ü.  C.  Franz  Bozd^ch,  ein 
eifriger  Schüler  des  Botanikers  Opitz,  der  ihm  zu  Ehren  zwei  neue  Pflan- 
zenarten  nach  seinem  Namen  benannt  hat,  im  Alter  von  27  Jahren. 

—  Am  8  Februar  L  J.  zu  Dresden  der  im  Gebiete  der  Stenographie 
bekannte  Professor  Heinrich  Ratz  seh,  Verfasser  eines  geschätzten  Lehr- 
buches der  Stenographie,  xmd  zu  Haag  der  kön.  niederländ.  Hofcapellmeister 
Johann  Heinrich  Lübeck,  Director  der  Musikschule,  ein  durch  Talent  und 
Thätigkeit  ausgezeichneter  Musiker,  im  66.  Lebcnsiahre. 

—  Am  11.  Februar  L  J.  zu  München  der  begabte  Historienmaler 
Muhr,  und  zu  Rom  der  geh.  Rath,  Professor  Lenz,  Mitglied  der  kais. 
Akademie  in  Petersburg,  vielleicht  der  bedeutendste  Physiker  Russlands. 

—  Am  12.  Februar  1.  J.  zu  Wien  der  pens.  k.  k.  Professor  Franz 
Kolari,  im  Alter  von  72  Jahren. 

—  Am  13.  Februar  L  J.  zu  Pesth  der  Zeitun^edacteur  Stephan 
Tor  kos,  als  üebersetzer  (Schiller's  „DreiTsigjähri^er  Kneg**,  Weber's  „Welt- 

feschichte**  u.  m.  a.),  so  wie  als  dramatischer  Dichter  („Jänos  vitäz**  nach 
*etöfi  u.  a.)  bekannt,  im  33.  Lebensjahre. 

—  Am  13.(?)  Februar  L  J.  zu  Mährisch- Aussee,  Leopold  Wegsehe i- 
der,  Professor  an  der  mährisch-schlesischen  Forstschule. 

—  Am  14.  Februar  1.  J.  zu  Rom  der  emer.  Professor  der  Anatomie, 
Albites,  Primarchirurg  am  St.  Jacobsspital  alldort,  im  72.  liebensjahre. 

—  Am  15.  Februar  L  J.  zu  Maria  Zell  der  Jubelpriester  und  Senior 
des  Benedictinerstiftes  Admont,  Sr.  Hochw.  P.  Wolfgang  Engel,  im  84. 
Lebensjahre;  im  Dorfe  Heiden  (Appenzell -AivfserrhMien)  Sr.  Hochw.  der 
Kapuziner-Pater  Theodosius  Florentini  (geb.  zu  Münster  im  Engadiner- 
thale,  am  22.  März  1808),  derzeit  Generaivicar  des  Bisthums  Chur,  als 
Eanzelredner,  religiöser  Schriftsteller,  Theologe,  insbesondere  als  Begrün- 
der gemeinnütziger  Anstalten  (Spital  in  Chur,  Gymnasium  in  Schwyz,  land- 
wirthschaftL  Schule  in  Graubünden  u.  v.  a.)  bekannt,  und  zu  London  Sr. 
Eminenz  C!ardinal  Nikolaus  Wiseman  (geb.  zu  Sevilla  am  2.  August  1802), 
als  I[anzelredner  und  Schriftsteller  gleiche  gschätzt.  (Vgl.  A.  a.  Ztg.  vom 
17.  Febr.  l.  J.  Nr.  48.  S.  765,  u.  Beif  zu  Nr.  51  vom  20.  Febr.  1.  J.  S.  824, 

IG* 


236  Personal-  and  Schulnotizen. 

zu  Nr.  52  vom  21.  Febr.  1.  J.  S.  840.  u.  Nekrolog  in  d.  Beil.  zur  A.  a.  Ztg. 
vom  27.  Febr.  1.  J.) 

—  In  der  Nacht  vom  16.  zum  17.  Februar  L  J.  zu  Breslau  Med. 
Dr.  Jul.  Wilh.  Betschier,  kön.  preuft.  Medidnalrath,  Professor  an  der 
medicin.  Facultät  der  dortigen  Universität;  zu  Paris  einer  der  bedeutend- 
sten franzosischen  Naturforscher  Gratiolet,  Assistent  der  Zoologie  (Aide- 
naturaliste)  an  der  Pariser  Facultät,  und  zu  Brunn  der  slavische  Schrift- 
steller Franz  Jaroslav  Eubiöek  (geb.  zu  Smriitz  nächst  Proi^nitz  in 
Mähren),  im  27.  Lebensjahre. 

—  Am  18.  Februar  1.  J.  zu  Salzburg  der  Gärtner  Sebastian  Bosen- 
egger,  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  als  furstl.  Schwarzenberg^scher 
Gärtner  bei  der  Amage  des  von  Alois  Weifsenbach  besungenen  Parkes 
von  „Aigen"  betheili^,  im  Alter  von  d4  Jahren ,  und  zu  Eönigsbeii^  der 
Pfarrer  Dr.  Eduard  Heinel,  als  Verfasser  einer  populären  Grescmchte 
Preufeens  und  als  Dichter  bekannt,  im  67.  Lebensjahre. 

—  Am  20.  Februar  L  J.  in  Wien  Franz  Schierer,  Gemeinderath, 
als  Vorstand  und  eiMger  Förderer  des  Wiener  Männergesangsvereines  in 
weiten  Kreisen  bekannt,  im  Alter  von  46  Jahren,  und  zu  Prag  der  SecretSr 
des  dortigen  Magistrate«,  Johann  Hlavat^,  als  böhmischer  Schriftsteller, 
sowie  als  Gustos  der  archseolc^ischen  Abtheüung  des  böhmischen  Museums 
verdient. 

—  Am  21.  Februar  1.  J.  Sr.  Hochw.  der  Weltpriester  Ignaz  Ali>hons 
Stelz  ig,  Zcitungsredacteur  und  Schriftsteller,  als  Seelsorger,  Missionär 
und  Lehrer  geachtet,  im  42.  Lebensjahre;  zu  Prag  der  jub.  k.  k.  Guber- 
nialrath  u.  s.  w.  Wenzel  Ritter  Weber  von  Ebennof  (geb.  am  25.  Sep- 
tember 1781  zu  Eben  im  Bezirke  Schüttenhofen),  Bitter  des  k.  Ö.  Leopold- 
Ordens,  seiner  Zeit  Gymnasialdirector  in  Leitomischl,  durch  seine  Wirk- 
samkeit für  Schulanstalten,  Armen wesen,  Straf senbau  u.  s.  w.  bekannt;  zu 
Bo^mital  der  fursterzbischöfl.  Forstingenieur  Wilhelm  Vetter,  als  Fach- 
schrifksteller  bekannt,  und  in  Erakau  der  Official  der  Staatsbuchhaltong 
C.  Pich  1er,  als  Schriftsteller  geschätzt. 

—  Am  24.  Februar  1.  J.  zu  Marburg  (Steiermark)  Sr.  Hochw.'^der 
inful.  Dompropst,  Ehrendomherr  des  Metropolitemcapitels  zu  Salzburg,  Frans 
Fridrich,  Consistorialdirector ,  Bitter  des  Leopold  -  Ordens ,  Vicedirector 
der  Dioecesanlehranstalt,  im  77.  Lebenqahre. 

—  Am  25.  Februar  1.  J.  zu  Dresden  Otto  Ludwig  (geb.  am  11 
Februar  1813  (181 2)  zu  Eisfeld  im  Meiningen'schen),  als  dramatischer  Dich- 
ter („Der  Erbrorster",  „Die  Makkabäer"),  so  wie  als  Novellist  („Zwischen 
Himmel  und  Erde",  „Heitereitei")  ausgezeichnet  und  zu  den  gröfsten  Hoff- 
nungen berechtigend. 

—  Am  26.  Februar  1.  J.  zu  Laibach  Dr.  Johann  v.  Zhuber,  eraerii 
k.  k.  Professor  der  Medicin,  Besitzer  des  goldenen  Verdienstkreuzes  mit 
der  Krone  u.  s.  w. 

~  Anfangs  Februar  1.  J.  zu  Paris  der  geschätzte  Historienmaler 
Dßveria. 

—  Im  Februar  L  J.  zu  Twickenham  Samuel  Hunter  Christie 
(geb.  zu  London  1784),  seiner  Zeit  Professor  der  Matiiematik  an  der  kön. 
Artillerieschule  zu  London,  Mitglied  der  kön.  Societät  der  Wissenschaften, 
einer  der  besten  Mathematiker  Englands;  zu  Eemi  bei  Montone  William 
ßamsay  (geb.  zu  Edinbui^  1806),  von  1831—1863  Professor  der  Philologie 
(Humanity)  in  Glasgow,  zuletzt  mit  einer  kritischen  Ausgabe  des  Plautns 
beschäftigt;  zu  Paris  der  als  genialer  Mechaniker  bekannte  Techniker 
Gustav  Froment,  im  Alter  von  50  Jahren,  und  zu  Kassel  der  durch 
seine   historischen  Forschungen  bekannte  Archivrath  Dr.  Georg  Landau. 


Diesem  Doppelhefte  ist  eine  literarische  Beilage  beigegeben.) 


Erste  Abtheilung. 


Abhandlungen. 

Die  Ereignisse  der  Jahre  1303—1305  im  ungarischen 
Thronkampfe  der  Premysliden  und  Anjous. 

(FortBetimig  und  Schlags  v.  J.  1863.  Hft.  Vm  n.  DL  S.  689  ff.) 

Es  darf  uns  durchaus  nicht  wundern,  wenn  die  Bulle: 
„Spedaiar  amnium^  der  Sache  Karl  Robertos,  den  Boni&z  YIII. 
als  reditm&fsigen  König  ansah  und  in  der  ErfQUung  seiner  Be- 
gentoipflyichten  bestärkte '),  weniger  Nutzen  brachte,  als  in  des 
Papstes  Absicht  lag,  —  wenn  sie  eine  Verstimmung,  ein  Mis- 
trauen  der  betreffenden  Partei  hervorrief),  und  gegen  die  An- 
sdiauungsweise  ihres  hohen  Verbündeten  lauten  oder  stillen 
^derspmch  erweckte.  Weit  günstigere  Bürgschaft  bot  fär  EarVs 
Sache  der  erstarkte  geistliche  Anhang,  zu  welchem  der  Kalo c- 
saer  Erzbischof  Ste&n,  der  Agramer  Bischof  Michael  (späte- 
stens seit  Novemb.  Grauer  Erzbischof)'),  femer  die  Bischöfe 
Ton  Fünfkirchen,  Baab,  Veszprim,  Neutra,  Bosnien 
und  Csanäd  f?)  sohlten  und  trotz  des  baldigen  Bücktrittes 
Benedict's  von  Veszprim  die  entschiedene  Majorität  geistlicher 
Beidisstibide  darstellten.   Der  verhasste  Graner  Adimnistrator 


•)  S.  Ram  IX  Nr.  37  z.  J.  1808  und  PejÄr  VÜI.  1,  130-31.  Daa 
päpstliche  Bnndschreiben  an  Karl  Robert  vom  10.  Juni.  Die  Urkk. 
b.  Thdner:  Hon.  Hang.  L  S.  400-406. 

*)  YgL  Feasler  m,  8.  22  u.  26.  Benedict  trat  nämlich  spater  zu  Otto 
▼OB  Bakm  aber,  dessen  Partei  theilweise  die  pfernyslidische  ersetzte. 

*)  Drai  Kalocsaer  Erzbi  wnrde  in  einer  eigenen  Bolle  ▼.  J.  1303  (Pray 
Hier.  11,  427,  Katona  VÜI,  55  und  Fef^r  YIII,  1,  136/7.  und  in 
einer  zweiten:  Feg^r  Vm,  1,  137—38)  seine  Amtsgewalt  bemessen 
nnd  Volbittcht  in  der  Patarenersache  and  in  der  Bückforderang 
entfremdeter  Eirchengüter  ertheilt.  Michael  tritt  als Qraner 
ErzbL  im  J.  1303  seit  dem  November  auf.  Das  Bistham  Agram 
erhielt  der  Dominicaner  Gazotti.  Die  bezüglichen  Urkk.  bei  Thei- 
ner  L  c.  395-%;  406—7;  409—10. 
aMlMkrllt  r.  d.  Ofttrr.  O71BBM.  1816.  IV.  H«lt.  1 7 


238     F.  Kranes,  Der  Tbronkampf  d.  PiPemjsliden  n.  Anjons  ete. 

Gregor,  im  Frühsommer  noch  an  der  Verkündigung  jener  Bulle 
in  Siebenbürgen  betheiligt*),  verschwindet  bald  aus  Ungarns 
Geschichte  und  geht  seinem  Verhängnisse  entgegen.  Kroatien, 
Slavonien  und  Dalmatien,  wo  überall  £e  Bulle:  Spectator 
onmium  verkündet  worden  ^) ,  erkannten  ohnehin  E^arl  Bobert 
als  König  an  % 

Schwach  war  noch  immer  sein  Anhang  unter  den  welt- 
lichen Beichsgrofsen  Ungarns  zu  nennen,  da  diesen  der 
Inhalt  obiger  Bulle  am  wenigsten  behagen  mochte.  Ebenso  scheint 
die  Geldunterstützung  von  Sicilien  aus  den  WSnschen  und 
Bedürfiiissen  Karl  Bobert*s  wenig  entsprochen  zu  haben  ^. 

Der  nützlichste  Verbündete  Karl  Robert's  war  jedoch  einer- 
seita  der  wachsende  Hang  zur  thatenlosen  Schlenmierei,  der  in 
seinen  pfemyslidischen  Mvalen  emporwucherte  und  jeder  Ent- 
wickelung  echt  königlicher  Thatkraft  und  Selbständigkeit  im 
Wege  stand,  anderseits  die  Entfernung  des  BölmienkönigeB  yam 
Herrschersitze  seines  Sohnes  und  namentlich  der  nnersätUiche 
Eigennute,  die  schamlose  Ländergier  jener  P^rteigänpfer,  welche 
gerade  durch  Macht  und  Ansehen  berufen  waren:  die  uneigen- 
nützigen, vorwurfsfreien  Stützen  Ladislaus  V.  und  seines  König- 
thums  zu  bilden.  Im  Waaggebiete  hauste  der  Trencsiner  Graf:  Ma- 
thftus  Gsik,  der  Todfeind  des  Neutraer  Bisthums,  der  Schredcen 
des  Graner  und  Waizner  Sprengeis,  und  begann  weithin  die 
Grenzen  seiner  oligarchischen  Herrschaft  auf  Kosten  der  Schw&- 
cheren  zu  erweitem,  so  dass  jenes  Flussgebiet  bis  an  den  Ski- 
lauf von  ihm  her  den  Namen  „Mätyusföld'^,  „das  Land  des 
Mathäus''  bis  auf  die  jüngsten  Tage  bewahrte  ®).  Ihm  eifisrten 
nach  die  lange  her  als  schlimme  Nachbarn  berüchtigten  Ofls- 
singer  Grafen:  Johann  (Ivan)  Heinrich  und  Demetrius, 


*)  FejÄr  Vm,  1,  13a^,  Katona  Vm,  59  s.  1.  s.  d.  a.  a.  1803. 

*)  VgL  die  Urk.  bei  Lucius  de  r.  dalm.  b.  Schwmtner  IV,  X,  90i, 
daraus  Fej^  Vm,  1.  136;  ferner  Katona  YIU,  55—56  imd  F^ 
Yin,  1,  183—35;  endlich  das  Schreiben  des  Ealocsaer  und  Agxamer 
an  den  Papst  D.  Vasca  in  Diöc.  Zagrab.  V.  Idus  Sept  (9.  Sept) 
Katona  VÜI,  57.  Theiner  1.  c.  404-5. 

•)  Urk.  Austug  b.  Farlati  Hl.  sacrurn  m,  293,  b.  Fejör  Vm,  1,  157; 
PM  Spalatro  z.  J.  1303  XX.  Oot 

^  Der  in  Urkundendatierungen  überhaupt  höchst  unTerUailiche  Fcj^r 
^VnX,  1,  156—57)  schiebt  eine  dem  Inhalte  und  der  Indictio  nach 
in  das  Jahr  1294  gehörige  Urkunde:  eine  sicilische  Geldsen- 
dung von  Seiten  KKarFs  an  seinen  ^primogenitas*  Karl 
Martell  betreffend,  in  d.  J.  18031,  als  habe  sie  dem  Enkel, 
Karl  Bobert,  gegolten.  Ueberdies  steht  am  Ende  der  Urkunde:  Data 
Neapoli  per  maeistros  Palatinales  die  XIL  Martii  septimae  indic- 
tionis.  Nun  aber  fäUt  auf  das  Jahr  1303  die  indictio  prima,  da- 
gegen auf  1294  die  ind.  VII.  s.  Pilgram:  Calendarium  1781.  Vien- 
nae.  4^  S.  20  (21),  was  auf  das  richtige  Datum  klar  hinweist 

*)  Eine  der  frühesten  Erwähnungen  von  Matyusföld  findet  sich  in  dem 
Reichsdecrete  v.  1445,  s.  Kovachich  Sylloge  decretorum  u.  s.  w.  L  8. 98. 


R  Xroneif  Der  ThToskampf  d.  Premjaliden  n.  Anjons  etc.     ttft 

Hauptfeittde  der  Agramer  und  Granor  Kirche  ^ ;  „Palatin'^  '^ 
Stephan,  Sohn  des  Ban  £rnei;  der  gewesene  Graner  Schloss- 
haaptmann:  Scylans  von  Mesyth,  der  die  Capitelgüter  an 
sidi  zog  <')  nnd  noch  mehrere,  von  deren  bezQglichen  Thaten 
die  ürknnden  schweigen. 

Es  ist  nun  an  der  Zeit  jene  diplomatischen  Verhältnisse 
in's  Aoge  zu  fieusen,  als  deren  Ergebnis  eine  völlige  Ver- 
ständigung zwischen  dem  päpstlichen  Stuhle  und 
der  Habsburger  Albrecht  I.  zuGunsten  seines  anjoua- 
nischen  Neffen  gegen  den  Böhmenkönig  erfolgte  und 
entscheidend  sich  herausstellte'^.  Der  Mangel  einer  fruchtbaren 
Verständigung  mit  dem  französischen  Hofe  löste  bald  die 
eine  Zeit  lang  eifrig  gepflogenen  Unterhandlungen  Albrecht's  I. 
mit  demselben.  Je  mehr  diese  Entfremdung  vorwärts  schritt, 
desto  näher  räckte  anderseits  die  Möglichkeit  eines  Vergleiches 
mit  dem  päpstlichen  Stahle,  der  noch  immer  mit  der  A^nerken- 
nnng  Albrecht's  als  römischen  König  zauderte.  Begreiflicherweise 
setzte  Boni&z  VIÜ.  selbe  zum  Preise  für  den  dienstwilligen  Ge- 
horsam des  Habsburgers  in  der  ungarischen  Thronfrage,  nnd  Al- 
bredit's  L  lebhafter  Wunsch  ihrer  theilhaftig  zu  werden ,  traf 
mit  den  politischen  Ansichten  dieses  Herrschers  gegen  Böhmen 


Der  Papst  tauschte  zunächst  die  Anerkennung  Al- 
brecht's als  „gewollten  römischen  Königes"  '^  mit  dessen 
Obedienzerklärung'^)  ans,  worauf  er  dann  in  einem  denk- 
wfiidigen  Breve  den  hateburgischen  Regenten  von  allen  gegen 
ihre  wediselseitige  üebereinkunft  getroffenen  Verbindlich- 
keiten frei  sprach'^)  und  ihn  schlielslich  durch  das  Send- 


^  S.  die  Banobolle  von  1305  wider  sie  b.  Katona  VUI,  99—101.  Fej^r 
188—191,  TgL  Eerchelich  hist  ep.  Zagrab  S.  99  über  das  Treiben 
dendben. 

!•)  Sine  häufig  nur  als  Titel  anfro&ssende  Beseicbniing. 

>^  a  die  bei.  Urk.  Katona  Vm,  85—38  nnd  Fej^r  11*^-121.  In  der 
enteren  eneheiBt  Ladislans  V.  znPiztnh  (Päsztö  im  Heweser  Com.) 
den  5.  Mai  1808. 

'*)  Die  beiftglichen  interessanten  Aetenstücke  finden  sieb  in  dem  in- 
haltieifiben  f^Formelbacbe"  E.  Albredit^s  L,  das  Cbmel  in  dem 
n.  B.  des  Archivs  £  E.  5.  G.  8. 211—307  tbeilweise  Terßffentlichte, 
mit  voUstlndiger  Mittbeilnng  des  Index.  Benfltzt  wnrdc  dasselbe 
frtther  aebon  Ton  Pa lackt  in  seinen  ^Formelbüchem*'  (Abb.  der 
bft.  G.  d.  W.  V.  Folge  2.,  5.  Bd.),  Lichnowski  (Birk)  nnd  Böh- 
mer in  s.  Berc.  des  Eaiserr.  1246—1818  (184^  8. 199  drückte  den 
Wunsch  na^VerOffentUcbnng  ans.  Vgl  Kopp  lU.  2.  8.  839  f. 

'^  n.  "0  8.  Formelbucb  Nr.  8  (1308,  80.  Apnl,  Lateranj  und  Nr.  9 
(TgL  lichn.  B^.  II,  28).  Die  Abtretung  Tbusciens  (Nr.  7). 

»«)  Formdbiich  Nr.  5,  8.  288-84  (Lichn.  Be«g,  ü,  24): 

^  absolutione  conföderationis  Begis  Alberti,  si  quas  fecit  contra 
sUtnta.« 

—  Not  Tolentes  omne  ab  eo  super  boc  obstaculum  summouere,  per 
Quod  actui  eins  in  postemm  circa  dominia  et  ipsins  ecdesiae  bene- 

17* 


£40     F.  Kranes,  Der  Thronkampf  cL  Pfemysliden  vu  Aigoiu  etOw 

schreiben  vom  11.  Juni  zur  Hilfeleistung  mahnte ^^):  „damit 
die  Königin  (Maria  von  Sicillen)  und  der  König  von  Ungarn 
an  der  Macht  seines  Armes  sich  mit  Becht  zu  eit-euen  hfttten, 
und  in  der  SüTsigkeit  innigerer  Liebe  gegen  ihn,  seine  Yerbfln- 
deten  und  ünterthanen  sich  erheben  könnten.^ 

Gleichzeitig  trat  K.  Albrecht  in  einen  schriftlichen  Ver- 
kehr mit  den  Bischöfen  von  KarVs  Partei,  und  zugleich  mit 
den  Beichsgrofsen  desselben  Anhanges.  Er  schrieb  an  sie:  sie 
möchten  durch  Bath  und  That  auf  Karl  einwirken,  dass  er  so- 
bald als  möglich  seine  Truppen  mit  dem  Heere  Herzog  Budolf  8  L 
von  Oesterreich  zum  Kampfe  gegen  den  Böhmenkönig  vereinige  *^. 

Anderseits  baten  jene  Bischöfe,  den  Grofswardemer 
an  der  Spitze'®),  in  einen!  schriftlichen  Gesuche  an  den  deut- 
schen König  um  dessen  hilfereiche  Unterstützung^'). 

So  schürzte  sich  immer  mehr  der  Knoten  eines  Krieges, 
worin  Karl  Bobert  um  den  Alleinbesitz  des  ungarischen  ThroneSf 
seine  Verbündeten,  die  Habsburger,  um  den  Preis  der  Sdiwir 
chung  Böhmens  das  Schwert  führten.  Der  Böhmenkönig  aber 
durcUiieb,  wie  wir  sehen  werden,  selbst  diesen  Ejioten,  und 
brachte  die  stockenden  Ereignisse  in  den  entscheidenden  Fluse. 
Zuvor  jedoch  müssen  wir  auf  sein  Verhältnis  zu  dem  franzö- 
sischen Hofe  und  auf  die  Vorßllle  im  Kirchenstaate  Bttd[- 
sieht  nehmen. 

Die  Bulle  „Spectator  omnium^  machte  den  Bruch  zwischen 
der  Kurie  und  dem  Böhmenkönige  zu  einer  entschiedenen  That- 
sache.  An  Nachgiebigkeit  von  Seiten  des  Letzteren,  wodurdi  er 
eine  jahrelang  mit  Mühe  und  kostspieligen  Opfern  erkaufte  Sac^ 
aufgegeben  hätte,  war  ebenso  wenig  zu  denken,  als  an  eine 
Sinnesänderung  des  unbeugsamen  Papstes.  Philipp  der  Schöne 
von  Frankreich,  Bonifaz'  VIII.  fturchtbarster  und  glücklichster 


placita  prosequenda  miDus  liberi  redderentur,  omnes  co Haider a- 
tiones  colli^ationes  societates  vel  compagnias  et  con- 
ventiones  initas  factas  yel  habitas  hactenus  inter  ipsom 
et  alium  seu  alios  quoscunque,  cuiuscnnque  dignitatiB  ordinis  oon- 
ditionis  ac  status  ecclesiastici  vel  mtmdani  etiamsi  Regali  sen  quauis 
alia  praefalgeant  dignitate  auoconque  tempore  uel  modo  snb  quooia 
nomine  uel  Yocabnlo,  uel  sud  quacunqae  yerbomm  ezpressio&e  pro- 
cesserint,  etiamsi  fnerunt  jnramentorum  et  penarnm  ad- 
jectione  vel  alio  qnouis  yincnlo  roborate,  omnino  dis- 
solnimns  et  carere  decernimns  omni  robore  firmitatis... 

»•)  Rayn.  IX,  Nr.  37.  Fejer  Vm,  1,  130^.  Anagniae  DI.  nonas  Junü 
anno  IX  (1303);  vgl  den  pä.  Brief  an  Maria,  BaTn.  Nr.  38. 

'^  S.  das  Formelbnch,  und  aen  Abdruck  in  Palacl^^s  Formelbüchem 
I,  325,  Nr.  122. 

»•)  S.  Fej^r  aus  Chmel's  ö.  Geschichtsforscher  II.  3.  Hft  S.  400  s.  L  e. 
d.  z.  J.  1303.  Der  Grofswardeiner  Bi.  Emerich  gehörte  frftber  su 
WenzeFs  HL  Partei. 

*")  Ich  wäre  dem  Zusammenhans^e  der  Ereignisse  gem&fä  geneigter 
diese  Correspondenz  in  den  Schluss  des  Jahres  1303  oder  in  daa 
Jahr  1304  zu  setzen. 


F.  Kranes,  Der  Thronkampf  d.  Pfernyslideii  n.  Anjons  etc.     C41 

Oe^er,  erschien  somit  als  natürlicher  Verbündeter  des  Böhmen- 
königes  und  in  der  That  kam  es  zu  dem  Abschlüsse  einer  „Eon- 
ffideoration^,  die  zunächst  ^egen  den  Habsburger  Äl- 
brecht  I.  gerichtet,  auch  wol  ein  gemeinsames  Handeln  wider 
den  Papst  zum  Zwecke  hatte.  Unterhändler  war  Wenzel's  11. 
gewandter  Kanzler  Feter  Aichspalter ,  nachmals  Erzbischof  von 
Mainz  ^.  Noch  beunruhigender  als  des  Papstes  feindseliger  Sinn 
war  f&r  den  Böhmenkönig  der  habsburgische  Plan:  im  Bunde 
mit  Karl  Bobert  neben  der  Verdrängung  seines  Sohnes  aus  Un- 
garn —  die  Trennung  Meifeens  und  Egers  von  Böhmen,  die  Ent- 
fremdung der  polnischen  Krone,  und  die  Einräumung  der  Kut- 
temberger  Erzgruben  oder  die  Theilung  ihrer  Silberausbeute  zu 
erzwingen.  Im  Hintergrunde  mochte  auch  die  GeMr  einer  Ent- 
tilironung  der  Pfemysüden  in  Böhmen  durch  die  Habsburger 
immer  drohender  auftauchend^)  und  jene  Forderungen  als  blofse 
Maske  benützen. 

Da  war  es  Philipp's  des  Schönen  offene  Gewaltthat,  die 
den  Böhmenkönig  eines  bedeutenden  Gegners  entledigte.  Das 
Haupt  der  Golonna,  Cardinal  Sciarra,  der  Todfeind  Boni&z'  Vm., 
und  Philipp^s  Machtbote  No^et  warfen  den  zu  Anagni  weilen- 
den Papst  in  den  Kerker.  Die  Anagnesen  befreiten  wol  ihren 
Herrn  and  Boni&z,  und  der  hohe  Greis,  den  vor  dem  Tode  nur  sein 
würdevolles  Benehmen  errettet,  wurde  von  den  Cardinälen  Orsini 
nadi  Born  gebracht,  wo  er  aus  Gram  (nach  den  Aussagen  seiner 
Gegner  jedoch  durch  Selbstmord  aus  Wahnsinn)  den  11.  Octo- 
bcnr  des  J.  1303  aus  der  Welt  schied  ^^).  Den  bekannten  Graner 
(und  Stnhlweifsenburger)  Administrator  Gregor,  Boni&z'  VIII. 
Mtigstes  Werkzeug  in  Ungarns  AngelegenheitiBU ,  ereilte  das 
Verhängnis  zu  Anagni,  wohin  er  aus  Ungarn  sich  zurückgezogen; 
er  fiel  unter  dem  Mordstahle  der  Colonna*s  *^). 

Bald  darauf,  den  22.  October,  gieng  aus  dem  Conclave  der 
gewesene  Gartä^all^t,  Bischof  von  Ostia  und  Velletri:  Nicolaus 
Boccasini  aus  Treviso,  als  Papst  Benedict  XI.  hervor,  ein  völ- 


»•)  S.  Palack^'s  Formelbücher  I,  322,  Nr.  118.  Confoederatio  Wenceslai 
Bohemiae  regis  cum  Phüippo  re^e  Franciae  contra  Albertum  Ro- 
manoinm  regem;  Nr.  119  Schreiben  diesfalls  an  den  Grafen  von 
Ferrara,  vgl.  Lichnowski  L  Anhang  Nr.  26  a.  a.  1303.  Vermittler 
war  der  Graf  von  Pfirt,  s.  Böhmer:  Regg.  Albrecht's  I.  z.  J.  1304 
(20.  Anglist).  . 

'*)  VgL  die  officiellen  Forderungen  in  Böhmen  und  Albrecht's  I.  Knegs- 
erklining  vom  August  130£ 

'*)  Vgl  Fessler  m,  &  f.  Bonvenuto  de  Imola  nannte  Bonifaz  „einen 
giofsmüthigen  Sünder.**  Nach  Dante  Inferno  XIX,  S.  54—55  er- 
wartet Nicolaus  m.  den  P.  Bonifaz  VIII.  in  der  Hölle.  \g\.  Mura- 
tori  serr.  IX.  1003.  Die  Urtheile  seiner  Gegner.  8.  S.  Vertheidigung 
bei  Pagi  in  s.  Breviarium  romanum  z.  J.  1303.  Vgl.  ti.  d.  Vorgänge 
Papencord's  Gesch.  Roms  i.  M.  A.  h.  v.  Höfler  1857.  S.  336—^. 

»•)  S.  Madius  bei  Schwantner  scrr.  r.  hung.  III,  638.  Dominus  electus 
strigoniensis,  nomine  Gregoriosy  oodditor  a  filiis  de  Columna. 


SM      F.  Kranes,  Der  Tfaronkampf  d.  Pfemysliden  n.  Ab}0O8  elc» 

liger  Gegensatz  zu  seinem  Vorgänger  Bonifiea.  Dieser,  hocUUf^ 
gend  in  seinen  Entwürfen,  rast-  und  rücksichtslos  in  den  FUimb 
seines  kirchlichen  Ehrgeizes,  und  gewaltig,  unbeugsam  im  Han- 
deln; Benedict  XI.  b^cheiden,  bifiig,  zurückhaltend  in  seinoi 
Bestrebungen,  ruhig  im  Handeln  und  maa&voll*^).  Nicht  mit 
Unrecht  bemerkt  fefsler^^),  Bonifeus  Vlll.  yerUnsiniBTOlleB 
Ende  habe  für  Karl  Bobert's  Sache  „günstigere  Aussichten*  er- 
schlossen. Denn  in  Hinsicht  des  Zweckes  blieb  sieh  die 
päpstliche  Politik  Ungarn  gegenüber  gleich;  das  neue 
Oberhaupt  der  Kirche  enthielt  sich  jedoch  aller  henuisforderi- 
den,  dem  Selbstbewusstsein  der  Nation  unleidlichen,  Einmieehmig, 
verschonte  das  Beich  mit  Legaten,  die  den  einheimisdum  E£- 
chenhäuptern  meist  ein  Dorn  im  Auge  waren,  und  überliefi 
die  Angelegenheiten  der  Thronfirage  mehr  der  eigenen  Ent- 
wickelung. 

Unstreitig  gestalteten  sich  mit  dem  Jahre  1303—4  die 
ungarischen  Parteiverhältnisse  immer  ungünstiger  für  den  Pfe- 
mysliden  Ladislaus  Y.  Seine  geistlidien  Anhänger  waren  sof 
den  Waizner(?),  Erlauer**)  und  etwa  noch  auf  den  Siebenbfbf^ 
ger  (Peter  Apor)  Bischof  herabgeschmolzen.  Die  weltUdien  Beicfae- 
grofsen  seines  Anhanges  verfolgten  nur  den  eigenen  YorfiieU, 
giengen  ihren  oligarischen  Oelüsten  nach,  und  krilnkten  dadurdi 
die  schwächeren  Unterthanen  und  Anhänger  ihres  FarteikdiiigiB, 
deren  Blicke  sich  darum  um  so  sehnsüditiger  der  Oegenpartei 
zuwandten.  Selbst  in  Ofen,  wo  früher  der  Eifer  für  Wenzel  g  DL 
Sache  mit  der  Abneigung  ge^en  die  Curie  auf  gleicher  Hohe 
stand,  kam  mit  dem  Stadtrichter  Ladislaus,  dem  Sohne 
Wer nher's,  die  anjouanische  Partei  empor,  so  dass Ladislaus  Y. 
seinen  Aufenthalt  daselbst  immer  mehr  gefUirdet  &nd,  und  die 
Gefahr  einer  Belagerung  vor  Augen  haben  musste.  Ladislaus, 
Wemher*s  Sohn,  Hauptgegner  des  pfemyslidischen  Parteif&hrers 
Petermann,  war  keine  moralisch  reine  PersdnUdikeit,  durdiaue 
kein  Mann  von  echtem  bürgerlichen  Sinne,  denn  an  seinen  und 
des  Yaters  Händen  klebte  das  Blut  des  gewesenen  SUdtrichters 
Walther*').   Um  so   gefährlicher  wurde   eine  so  gewaltthätige 

")  Vgl  über  die  Wahl  Benedicts  XI.  Raynald  Nr.  XIV  a.  a.  1803.  - 
Das  Chron.  Claustroneob.  Pez  I,  475,  Pertz  XI,  660  a.  a.  1803.  — 
Das  Chron.  Poson.  IH,  1,  §.  5,  Thur.  n,  86  setsen  die  Wahl  in 
ihrer  Erzählung  nach  statt  vor  den  Zne  WenzePs  IL  nach  ünsam. 

"j  Fessler,  m,  27.  * 

^^  Der  Tod  des  Erlaner  BL  Andreas,  in  dem  Spätsommer  d»  J.  1304 
(wahrscheinlich)  &llend,  änderte  die  Sachlage.  Im  Not.  (VTfl,  l,  169) 
scheint  das  Erlaner  Capitel  bereits  die  jpf emjslid.  Partei  Terlassen 
zn  haben.  Das  Zipser  Capitel  that  dies  schon  1302  (Fed^  YIIL 
1,  107-110).  ^    ^ 

^')  (Fej^r  Vni,  1, 199.)  Andreas,  der  Sohn  des  Walther,  wurde  der  Güter 
'  beraubt:  per  comitem  Wemerium  quondam  oomitem  Budenaem  et 
Ladislaumüliumejusdeminterfectores  et  homicidasComiti« 
Waltheri  bonae  memoriae  patris... 


F.  Krmim,  Der  Thronkampf  d.  Pfemyaliden  o.  Aigous  eto.      t4S 

Natur  an  der  Spitse  einer  Partei,  die  dem  jungen  Könige  ge- 
genüber sich  XU  fühlen  begann. 

Es  nahte  der  groüse  Wendcponct  f&r  die  Sache  der  Pf e- 
myaliden  in  Ungarn.  Wenzel*s  UI.  Gestirn  sank,  es  hob  sich 
die  Sonne  Karl  fiobert's,  der  sich  nnn  so  manches  Auge  selbst- 
flSohtig  zuwandte.  Mochte  auch  noch  immer  die  Entecheidung 
zweifelhaft,  das  Ansehen  der  beiden  Gegenkönige  im  Lande 
and  ihre  Eronmacht  auf  ziemlich  gleicher  Stufe  sich  befin- 
den^, so  waren  doch  KarFs  Aussichten  ungleich  günstiger. 
Der  n^Uditige  Beichsderus,  die  Curie,  der  deutsche  König  stan- 
den auf  seiner  Seite  und  was  noch  mehr  galt,  der  jugendliche 
Pifttendent  überwog  seinen  Gegner  weit  an  ThatkrafL  Der  Knabe 
Karl  reifte  viel  mher  zum  Manne  heran,  als  der  jugendliche 
Premyslide.  Mit  schweren  Sorben  überschaute  dessen  Vater,  der 
Böhmenkönig,  die  Lage  der  Dinge,  wie  selbe  sich  gegen  den 
Sommer  des  Jahres  1304  hin  gestaltete. 

Albrecht  L  sandte  zngleidi  mit  der  p&pstlichen  BuUe  vom 
31.  Mai  1303  eine  Beihe  überspannter  Foraerungen  in  der  Fas- 
sung eines  Ultimatums  an  ihn,  die  Wenzel  II.  als  Mann  und 
König  zurückweisen  musste**) ;  H.  Budolf,  des  deutschen  Königes 
Sobn,  hatte  bereits  das  Bündnis  mit  Karl  Bobert  eingdeitet  und 
zu  gleiohem  Zwecke  waren  Unterhandlungen  mit  Baiern  und 
Kumten  im  Zuge^®).  Wie  schwierig  auch  der  Versuch  einer 
genauen  chronologischen  Ordnung  der  Ereignisse  sidi 
Mfansstellt ,  so  ist  d^  soviel  gewiss,  dass  spätestens  im 
Monate  Juli  —  August  des  Jahres  1304  Wenzel  11.  den  foke- 
schweren  Kriegszug  nach  Ungarn  unternahm,  um  seinen  Sohn 
imd  die  Krone  des  Kelches  in  sichern  Gewahrsam  zu  bringen  ^^). 

^  Thuioczy  n,  c  80.  Postea  rege  iam  dicto,  quem  Hungari  Lftdislanm 
Tocanenm^  in  Boda  degente,  nulluni  casikrum,  nulla  protenüa,  seu 
potestas,  nullum  ius  regale  sicut  Carole  Puero,  ex  parte  baronum 
festituuntor:  sed  una  pars  regni  Garolum,  altera  Ladislaum:  legem 
appellabant,  nomine  tantum,  sed  non  re  vel  effectu  regiminis  seu 
polestatis. . . . 

**)  Ueber  diese  Forderungen  vgl  Palack^  G.  Bö.  11,  858: 

1.  Wenzel  sollte  die  Königreiche  Ungarn,  Polen  und  Krakau  her- 
ausgeben. 

2.  If  eOlsen  und  Eger  auflassen. 

3.  Die  Knttenberger  Silbergruben  (mit  ihrer  groTsartigen  an  4000 
Hark  betrag.  Jahresausbeute)  ihm  entweder  auf  seohs  Jahre  über- 
lassen oder  80.000  Mark  S.  f&r  den  dem  Reiche  gebührenden 
Metallzehend  erlegen. 

'*)  Eine  ürk.  des  Bündnisses  vor  diesem  Jahre,  zwischen  Karl  Robert 
und  Rudolf  L  abgeschlossen,  ohne  näheres  Datum  findet  sich  bei 
Katona  Vm,  79—80  und  Fejör  Vm.  1,  158-160  aus  Fröhlich: 
Diplom,  styriae  I,  2da  Die  »chlussüDereinkunft  geschah  1804  den 
34.  Aug.  zu  PreJÜBburg. 

")  Katona  Vm,  70  f.  und  Fessler  m,  32—33  versetzten  diesen  Kriegs- 
zug erst  in  den  Spätsommer  und  letzterer  stellt  ihn  hinter  das  Bünd- 
nis zu  Prel^burg  Yom  24.  Aug.  1304.  G.  Wenzel  in  s.  Budai  rege- 
stak a.  a.  1303  richtet  sich  nach  der  Angabe  des  Chron.  Pos.  HI,  1. 
f.  a  und  Thur.  II|  85,  die  allerdings,  aber  unrichtig,  die 


144     F.  Kranes,  Der  Tbionkampf  d.  Pf emysliden  u.  Anjoni  ete. 

Mit  einem  Heere  zog  er  die  Donau  hinab,  übersetzte  die  Pir^ 
k  inj  er  Furt  (Eoküth) '^) ,  überrumpelte,  Ton  den  GüBsipmn 
unterstützt,  die  Stadt  Gran,  aus  welcher  Erzbisdiof  Michael 
fliehen  musste;  plünderte  die  Eirchengebäude ,  yemiditete  die 
Freiheitsbriefe  der  Oraner  Kirche  und  liels  allen  Feindseliffkri- 
ten  freien  Lauf.  Nach  diesen  Oewaltthaten,  deren  AufetKliuig 
wir  allerdings  von  Seite  der  hievon  betroffenen  Gegner  hin«- 
nehmen  müssen  ^^),  rückte  Wenzel  II.  an  dem  linken  Donsa* 
strande  hinab  und  lagerte  bei  Alt-Pest^). 

Hieher  liefe  er  sich  unter  geschickten  Yorwftnden  seinen 
Sohn  im  vollen  Erönungsanzuge  schaffen ,  und  beide  sdilosseii 
sich  „weinend  vor  Sehnsucht  und  Freude'^  in  die  Arme.  Sodum 
brachte  der  Böhmenkönig  die  Führer  der  anjouanischen  Pkfftei, 
voran  Ladislaus,  Wernher*8  Sohn '^),  in  seine  Gewalt,  und 
führte  sie  als  Gefangene  mit  sich  nach  Prag,  wohin  er  selbst 
mit  dem  Sohne  und  den  Beichsinsignien  eilte,  um  seinen 
im  Anmärsche  gegen  Böhmen  begriffenen  Gegnern  zuvorzukom- 
men. Zum  Oftaer  Stadtrichter  setzte  er  den  getreuen  Peter- 
mann ein. 

„Inzwischen  aber  verwüstet  schon  der  Herzog  von  Oester- 
reich'^  (nadi  vorhergegangener  Kriegserklärung'^)  „mitBaubimd 
Brand  alles  an  Oeste^eich  grenzende  böhmisch-mährische  Land. 
Unter  solchen  Umständen  steht  dem  Böhmenköniee  kaum  dar 
Weg  aus  Ungarn  offen ,  während  Mann  und  Boß  überm&big 
hergenonmien  und  ermüdet  sind"*  '^).  Dies  sind  die  Eingangs- 


■•? 


Jahreszahl  13Q3  ansetzen.  Denn  die  gleichzeitigen,  anstühr- 
licheren  österr.  Chroniken  (s.  w.  n.)  setzen  das  Ji^r  1904  an  und 
zeigen  im  Zusammenhange,  dass  noch  während  Wenzel  U.  ans 
Ungarn  heimeilte,  cue  Verbündeten  Kegen  ihn  den  Feldzng  sdion 
begonnen  hatten,  nnd  dieser  Feldzng  kann  nicht  vor  den  August 
des  J.  1304  gesetzt  werden. 

Kakut-rev.  Eine  alte  Donaufurt  von  geschichtlicher  Berfthmtheit 
Sie  findet  sich  in  dem  bezüglichen  Proteste  des  Graner  Capitels  vom 
1.  November  1304,  den  Probst  Theophil  (nicht  Thomas,  wie  Fessler 
III,  33  ihn  nennt)  „G^ermek  puer**  nach  dem  Tode  Erzbi.  Mi- 
chaeTs  in  einer  ummngroichen  Urkunde  bei  dem  Erlauer  C^pitel 
einlegte  (Pray:  Hierarchia  regni  Uung.  II,  170;  Eatona  VIII,  74—76; 
Fej^r  VIIl,  i,  169—171).  üeber  die  Theilnahme  der  Güssinger  an 
diesen  Vorgangen  s.  die  Bannbulle  wider  sie  v.  J.  1305  (Fej^r  VUI, 
183—190),  woselbst  auch  der  „Kriegszug^  Wenzel's  n.  nach  Ungarn 
mit  den  schwärzesten  Farben  ausgemalt  erscheint  Den  Hauptgewinn 
machten  wol  die  Güssinger  (S.  188)  „quod  et  ipsi  reliquias  terrarum 
eiusdem  eoclesiae  restantes  a  faucibus  draconum  huiusmodi 
BoSmorum  sicut  escam  panis  crudeUter  devorantes** . . . 

»0  S.  Chron.  Pos.  lU,  1,  §.  4  schweigt  darüber;  Thur.  VI,  85:  et  iuxta 
Danubium  circa  Pest  (im  (jegensatz  zu  Buda  »-  Neu-Pest,  s.  o.). 

**)  Chr.  Pos.  1.  c.  und  Thur.  „et  liadislaura  filium  Wemheri,  rectorem 
seu  indicem  Budensem  (et  alios  cives  burgenses  non  nobiles:  Chron. 
Pos.,  also  Nichtpatrizier)  <»piens,  in  suum  regnum  revertitur  in  paoe.** 

»•)  K.  Albrecht  beauftragte  Bferzog  Rudolf  (IIL)  von  Oe.  mit  derselben, 
vgl.  Palack^,  G.  Bö.  II,  2,  S.  358. 

*0  £^e  vorangehenden  Ereignissefinden  sich  im  Chron.  Cknstroneob. 


F.  Atmet,  Der  Thronkampf  d.  PfemyBliden  n.  Aujohb  eio.      t45 

w«rte,  mit  denen  die  ausführlidiste  zeitgenössische  Quelle:  die 
Klostornenbnrger  Chronik  ihren  Bericht  über  die  Kriegsereignisse 
des  Herbstes  eröflhet^^).  „Als  diese"*  (die  Böhmen)  —  mhrt  unsere 
Quelle  weiter  fort  —  „heimgezogen ,  vergalten  sie  gleich  nach 
Möfflichkeit  dem  österreichischen  Lande  das  (erlittene)  Böse. 
Karl,  der  Sohn'*)  des  sidlischen  Königes,  in  derHofihung  das 
Bddi  Ungarn  zu  gewinnen  und  die  Reichskleinodien  wieder  zu 
eriudten,  und  gestützt  auf  die  Hilfe  gewisser  ^fser  Grafen  und 
der  Eumanen,  rückte,  ein  noch  zarter  Jüngling,  mit  mehr  als 
Zwanagtausenden  in  die  Nähe  von  Znaim^. 

Urkunden  besagen,  dass  zum  Sammelplatz  der  deutschen 
und  ungarischen  Scha^n  das  Lager  bei  „Podwevns''^^):  Po- 
diwin  0.  Eostel  in  der  Nähe  Lundenburgs  in  Sßlhren,  oder 
Budweis  in  Böhmen ^^)  ausersehen  war.  Letzteres  scheint  nach 
der  Biditung  des  Zuges  wahrscheinlicher.  Lassen  wir  obige 
CShronik  weitenr  sprechen :  „Die  Eumanen,  in  Böhmen  und  Mähren 
nadi  ihrer  Art  bansend,  schleppten  Menschen  und  Vieh  als 
Beute  fort,  schonten  weder  des  Gesdüechtes  noch  des  Alters  und 
übten  besonders  ^en  die  Frauen  die  schamlosesten  Verbrechen. 
„Um  Geburt  Mana^  (den  8.  Septb.)^*)  kam  der  römische  Eönig 
(Albrecht  I.)  aus  den  oberen  Gegenden  nach  Linz,  und  nach- 
dem er  alle  Seinigen  dort  versammelt^'),  rückt  er  mit  einem 
gewaltigen  Heere  ^en  „Freis  tadt^  an  die  böhmische  Grenze ^^) 
vor,  woselbst  zu  ihm  der  ö  st  er  r.  Herzog,  der  Bischof  Eonrad 
von  Passau,  der  Erzbischof  von  Salzburg  mit  einem  seiner 

Pez.  Berr.  I,  475.  Pertz  Monum.  XI,  660  f.  als  Cont.  Zwetl.:  —  „rcx 
Romanoram  Albertus,  missis  duci  Anstriae  Badolfo,  filio  suo,  nun- 
cÜB,  praecepit,  nt  pacis  diffidalionem  ac  ooniaradictionem  regi  Bohe- 
miae  demandaret.    Quo  facto,  rex  Bohemiae,  inconsnmmatis  ne- 

fociis  atqne  imperfectis  propere  exire  parat  Yngariam, 
abens  tarnen  regalia.**  (2.  richtigere. Lesart:  acoelleraMt  exire 
üngaiia.) 

■•)  Qaellen  dieses  Krieges:  Chron.  Claustroneob.  (Cont.  ZwetL) 
[Cbron.  Zwetl.  (Annales  Zwetl.)  Pez.  I,  534;  Pertz  Xt  660,  680  ff. 
Ann.  Altah.  (wo  1303  statt  1304  steht;  Cbron.  anstr.  Pez  I,  725 
(Cont  Sancmc.  b.  Pertz  XI,  733)  ],  am  weitläufigsten  bei  dem  Beim- 
chion.  Ottokar  (III,  724  f.  Pez),  aber  vielfacb  unrichtig.  Ueber  die 
bö.  Quellen  Tgl.  Palack^  U,  2,  362.  üeberdies  zu  vgl.  Böhmer's 
Rege,  der  Wittebbacber  und  Albrecht's  L  z.  J.  1304.  Kopp  m,  2. 347  f. 

'*)  Lrnhtmlich  filius  statt  nepos  regia  Siciliae. 

*^  S.  die  Urkunde  des  WitteLsbacbers  Rudolf  I.  „des  Stammlers"  v. 
Sept.  d.  J.  1304  bei  Chmel  die  Handschr.  der  Wiener  Hofbibl.  II, 
371  und  in  Palack^'s  Formelbücher.  Auszug  in  Böhmer*s  witteis- 
bach.  Regesten,  die  ^Podweyns**  als  Podiwin  bei  Lundenbuig  in 
Uhren  auffasst. 

*")  S.  Palack^  Gesch.  Bö.  II.  2,  361.  Derselbe  erkl&rt  „Podweyns"*  wol 
als  Budweis. 

Vgl.  Palack^  und  Böhmer  a.  a.  0. 

Zu  ihm  stieDsen  die  Baiemherzoge  Rudolf  und  Otto  über  Neubarg 
und  Schürding  ziehend,  woselbst  ihnen  eine  Schlappe  beigebracht 
wurde.    In  Linz  erhielten  sie  Geldanweisungen. 

*^  Der  Weg  von  Freistadt  (libera  ciyitas)  führt  unmittelbar  gegen 
Badifeis. 


:? 


tM     F.  Kranes,  Der  Thronkunpf  d.  PfemjaUdeii  xu  Ajojoim  ete, 

Sufiragane  und  der  yoigenannte  Herr  Karl  mit  Ungarn  und 
Eumanen  stiefsen.  Indem  sidi  diese  Alle  zwisdien  Weitra 
und  Gmünd  zusammenschaarten  und  die  Verpflegung  des 
Eriegszuges  vorbereiteten,  sollen  sie  an  50.000  Slrat^  (?)  ge- 
zählt haben;  und  dort  wütheten  die  Kumanen  und  ün^ara, 
schon  durch  die  tägliche  Beute  und  das  Ein&ngen  von  Ginsten- 
knaben,  was  ihnen  der  Herzog  an  Soldesstatt  überlassen  haben 
soll(?),  nur  allzusehr  bereich^t,  ohne  alle  Scheu  vor  jemandem 
derart  unerträglich  wider  idle,  dass  der  Christen  gewaltiges  Ge- 
schrei den  römischen  König  bewog,  die  Loslassung  der  Geflui* 
genen  von  ihnen  zn  begehren.  Als  sie  dies  zu  thun  sich  wei- 
gerten, durch  Aufschub  der  Antwort  Zeit  gewannen  und  vmnr 
ten  einen  genügenden  ^rie^gewinn  erzielt  zu  haben,  benben 
sich  des  Nachts  7000  von  ümen  auf  die  Flucht  Der  JEforiog 
(von  Oesterreich)  schickte  jedoch  nach  Kenntnisnahme  von  die- 
sem Yorrathe  die  flinkesten  (Beiter)  von  den  Seinen  nadi:  an 
4000  Mann,  welche  sie  (die  Kumanen)  zwischen  Yanuel  (das 
heutige  Oroszvär?)  und  Altenburs  ereilten  und  am  Si  Leode* 
gariustage,  Samstag  (2.  Octbr.)  mrer  400  niederwarfen;  die 
Einen  verfolgten  sie  dann  gegen  Eggenburg  und  Kunring, 
die  Anderen  hinwieder  tödteten  sie  auf  der  Flucht  in  anders 
Ölenden;  die  ganze,  unermefsliche(!)  Beute  an  GeEuif[«ien, 
Knaben  und  Weibern,  Männern  und  Gegenständen  ward  m  der 
Gegend  um  Altenburg  befreit^. 

An  diesen  etwas  überschwänglichen  Bericht,  dem  wir,  aus 
Mangel  ungarischer  Quellenbelege^^)  keine  andere  Dar- 
stellung prüfend  entgegenhalten  können,  schliefet  sich  die  wei- 
tere Erzählung  von  dem  Zuj^e  g^en  Kuttemberg,  dessen  Er- 
oberung durch  die  Tapferkeit  Heinrich's  von  lippa,  Johannes  von 
Strai  und  der  Bergknappen^^),  nach  der  Angabe  unserer  CSironik 
jedoch  zumeist  durch  die  verrätherische  Einsprache  Herzoff  Otto's 
von  ßaiern  vereitelt  wurde*').  Dieser  liefe  sich  nämlich  von 
dem  Böhmenkönige  zum  Bundesgenossen  und  Heerführer 
erkaufen  **). 

Diese  (spätere)  Thatsache  ist  auch  von  anderer  Seite  ver- 
bürgt. Die  Verbündeten  trennten  sich  nadi  der  mislungenen 
Bestürmung  Kuttembergs  den  27.  October  bei  „Bednitz^.  Karl 
Robert  zog  mit  den  Ungarn  durch  Mähren  der  Marcfa  entlang 
heim,  während  Albrecht  über  die  „Iglach'^  (Igl&va)  unter  Frost 


^^)  Das  Chron.  Poson. ,  Thuroczy  und  die  anderen  Gompilat  fibeigeben 
den  Krieg  mit  Stillschweigen. 

*^  S.  Palacb^  a.  a.  0. 

^^  (Chron.  Clanstron.)  1.  c.  Hoc  antem  dnds  oonsilinm  stupeGtom  fiiit 
per  oonseqnens  ÜEkctnin  Fertz  Cent  ZwetL  IH  XI.  S.  661. 

**)  Chr.  Claostron.  L  c.  . Dncem  Bavariae  (Ottonem)  datis  mnltii 

marcamm  millibas,  sibi  confoederat:  looo  sui  capitaneom  belli  oon- 
stitoit:  cni  omnes  barones  BohemiAe  at^ue  MoisTiae  fldelitalis  et 
obedientiae  sacramentnm  praestare  oportoit"  (Perti  L  c  661). 


F.  Krwui,  Der  Tluonfaunpf  d.  P^ernyslideii  il  Aigous  eixx      24? 

ond  HunffersnOth^  nadi  Oesterreich  zurückzog,  woselbst  er  um 
den  1.  November  anlangte^'). 

Aber  auch  von  anderer  Seite  sahen  sich  die  Premysliden 
bedroht  Ihre  Gegner  untergruben  gleichzeitig  von  Ungarn  aus 
die  böhmische  Herrschaft  in  Klein  polen. 

Wladislaus  Lokietek,  der  bannbelegte,  heimatflüch- 
tige Piast,  dem  1299  der  mächtige  Oligarche  Palatin  Amadeus 
Aba  sein  gastfreies  Haus  zu  Göncz  im  Abanjvarer  Komitate, 
unweit  von  Easchau,  erschlossen  und  dem  Verlassenen  Schutz 
und  Sdiirm  gewährt  hatte,  ward  in  den  Tagen  seiner  Verban- 
nung mit  dem  aiyouanischen  Hofe  allmälich  immer  inniger  be- 
freundet, zog  um  das  Jahr  1304,  von  Aba's  Schaaren  mit  Karl 
Bobert*s  Zustinmiung  b^leitet,  über  die  Earpathen,  eroberte  die 
festen  Plätze:  Wislicza,  Pelcziska  und  Lewow,  und  brachte  ein 
bedeutendes  Gebiet  Kleinpolens  zur  Huldigung^®). 

So  hatten  denn  die  Ereignisse  des  Jahres  1304  die  Pfe- 
myslidenherrschaft  in  Ungarn  aus  den  Angeln  gehoben.  Die 
Entführung  der  Beichskleinodien  wurde  von  der  Mehr- 
heit der  Stände  Ungarns  als  Baub  an  dem  Lande  betrachtet, 
die  Eroberung  Orans  als  feindliche  Oewaltthat  angesehen; 
endlich  die  Mitnahme  Ladislaus  V.  für  den  deutlichsten 
Beweis  gehalten:  der  Böhmenkönig  verzweifle  an  der  Sache  seines 
S(^eBy  wolle  dessen  Partei  ihrm  Schicksal,  das  Land  Ungarn 
neuen  Wirren  preisgeben,  und  doch  anderseits  durch  BücUialt 
der  heüi^ren  Krone  Stephan's  die  Bechte  seines  Sohnes  auf  Ungarn 
pfimdweise  sicherstellen. 

Man  darf  nicht  verkennen ,  dass  Wenzel  II.  nur  Zeit  und 
Mittel  gewinnen  wollte,  WenzeFs  HI.  Herrschaft  in  Ungarn 
wieder  herzustellen,  und  dass  in  dem  Ver&hren  mit  Sohn  und 
Krone  eine  einseitige  Berechtigung  liege,  die  väterliche  Besorgnis 
nämlich  um  den  rath-  und  thatlosen  Sohn  inmitten  offener  und 
geheimer  Feinde,  umlagert  von  Kriegsnoth  und  Verrath^'). 

In  der  Prefsburger  Versammlung  am  St.  Bartho- 
lomäustage, traten  als  Verbündete  Karl  Bob^'s  unter  Vorsitz 
des  neuen  Erzbischofes  Michael  von  Gran,  folgende  Bischöfe  und 
Magnaten  zusammen:  Der  Kolocsaer  Metropolit  Stephan,  die 
Bischöfe  von  Neutra,  Baab,  Bosnien  und  Siebenbürgen^^),  so- 
dann Mag.  ^  Ugrin  (S.  des  Pous  a.  d.  0.  Csäk)  Palatin  Omod^, 

Vgl  Böhmer's  Rege.  Albrecht's  z.  J.  1304,  27.  Oct 
Dlngoss  Eist  Pol.  1  IX,   S.  902.    Der  Hauptsitz  Omod^  war  bei 
Göncz,  wo  sich  die  Erinnerung  an  Omodevär  noch  bis  heutigen  Tag 
erhalten  hat 

")  S.  d.  Chron.  Poson.  m,  1,  §.  4:  Bei  Wenceslas  pater  eins  (Ladis- 
laiy.)con8ideran8  palleatas  Tersncias  et  non  sanam  par- 
tem  Hnngarornm  anno  Dom.  MCCCm  (statt  1904)  cnm  multi- 
tndine  exerdtus  pannoniam  est  ingressns. 

'*)  S.  die  ürknnde  D.  et  actum  Posonii  in  f.  b.  Barth.  Ap.  anno  Dom. 
MOCaV  bei  Katona  VIII,  77-79  und  Fej^r  VIU,  1.  160--61. 

**)  Der  Titel  „Mtfiater*',  JMeiater'*  kommt  sehr  häufig  als  Magnaten- 
piidicat  Tor,  onne  dasa  seine  atrenge  Bedeutung  klar  wire. 


^ 


t48      F.  Kranes,  Der  Thronkampf  d.  PfemyBllden  iL  Anjoiui  eto. 

Pal.  Borand  (Boland,  Loranz),  Ban  Eopaz,  Mag!  Leakas,  S.  des 
Mag.  Laurenz,  Ban  Theodor,  Mag.  Stephan,  S.  des  Mark,  PalatiB 
Opour  (Apor?),  Wojwode  Peter,  Wojwode  Laurenz,  Mag.  Eokoe 
und  Mag.  Johannes,  Sohn  des  Thomas.  Sie  alle  gelobten:  „eid- 
lich zusammenzuhalten  in  einheitlicher  Oesanuntanstrengang 
wider  alle  Ungetreue,  Aufruhrer  (Bebellen),  Friedensstörer  und 
jene,  welche  die  Grenzen  des  Bechtes  und  Besitzes  überschreiten 
würden"**).  Unmittelbar  auf  dieses  Schutz-  und  Trutzbündnis 
folgte  der  Krieg  mit  Wenzel  11.,  dessen  Wechselftlle  wir  einer 
geengten  Betrachtung  bereits  unterzogen  haben. 

Mit  derselben  feindseligen  Entschiedenheit,  welche  äist 
Graner  Erzbischof  Michael  durch  Zustandebringung  jenes  Bünd- 
nisses gegen  Wenzel  IL  an  den  Tag  legte,  wandte  er  sich  im 
Herbste  des  Jahres  1304  auch  wider  die  kirchenfeindliche  Stadt 
Ofen,  woselbst  in  Folge  Wenzel's  II.  Vorkehrung  die  pfemjB- 
lidische  Partei  neuerdings  am  Buder  stand  unter  der  Führung 
Petermann*s,  des  neuen  Stadtridbters,  des  Sekelmeisters  Mar- 
tin („des  Slaven''),  des  Bathsgeschwornen  Hermann  Mark 
und  des  Leutpriesters  Ludwig,  Männer,  die  mit  ihrer  Partei 
zum  Aeufsersten  entschlossen  waren.  Unter  solchen  Umständen 
brach  das  Graner  Interdikt  den  starren  Trotz  der  mächtigen  und 
aufgeregten  Bürgergemeinde  ebensowenig,  als  dies  der  Bwnflnch 
seines  Vorgängers  und  die  Drohung  des  Gardinallegaten  yermodit 
hatte.  Ihre  oben  genannten  Führer  wurden  erst  später  Opfer 
eines  halb  verschuldeten  halb  grausamen  Verhängnisses**). 

Kehren  wir  nach  dieser  Episode  zu  den  Pf  emysliden  zurück. 
K.  Wenzel  11.  hatte  den  Baiernh erzog  Otto  zu  seinem  Ver- 
bündeten und  Feldherrn  gewonnen  und  rüstete  mit  aller  Macht 
zu  einem  grofsartigen  Bachekriege,  zunächst  gegen  die  Habsburger. 
Es  liegt  nahe,  dass  der  Witteisbacher,  als  Enkel  Bela's  IV.,  so- 
mit Ärpäde  mütterlicher  Abkunft,  gleich  damals  den  Ge- 
danken einer  Bewerbung  um  den  Thron  Ungarns  mit  zuversicht- 
licher Hoflftiung  pflegte,  und  anderseits  die  entschiedenen  Gegner 
Karl  Bobert's,  die  Güssinger  vor  Allen,  ihre  Blicke  von 
Wenzel  III.  ab-  und  dem  baienschen  Otto  zuwandten.  Wenzel  n. 
war  alt,  gebrechlich,  und  sein  Sohn,  der  lange  schon  die  un- 
sichere Stellung  in  Ungarn  satt  haben  mochte,  dessen  Sorglosig- 
keit und  Neigung  zum  Trünke  alle  besseren  Eigenschmen^ 
weit  überwog,  schien  leicht  zu  einem  Verzichte  auf  Ungarn  be- 
stimmbar. 


^*)  ...  et  inoasores  mrium  et  terraram  infra  terminos  et  extra  sui  do- 

minii  et  principatus. 
**)  üeber  die  Entsetzung  Petermann's  zum  Stadtrichter  gibt  Tburoczy 

II,  86  Aufschluss;  über  das  sonstige  der  Udvarder  Synodalbeschlass 

vom  J.  1307  (nicht  1309,  wie  Fejlr  angibt)  Vm,  1,  326  ff.  —  Die 

bewnsste  Katastrophe  fällt  in  das  Jahr  1307. 
^«0  S.  Palack^  U,  2,  S.  368.    Chronisten   schüderten   ihn  als:  gesund. 

schön,  gutherz^,  begabt,  und  viererlei  Sprachen :  böhmisch,  £ut8ch, 

ungaiiflch,  lateuiisch  mit  Fertigkeit  sprechend. 


Jl  JTrofMf^  Der  Thronkampf  d.  Pfernysliden  n.  Ai^us  etc.      249 

1305  den  21.  Juni  starb  Wenzel  IL,  der  prachtliebende 
„sUberreiche^  König  mitten  in  seinen  Rüstungen  und  niemand 
ahnte  wol,  wie  bald  nach  ihm  das  alte,  mächtige  Haus  der 
Pfemysliden  im  Mannesstanmie  erlöschen  würde,  das  Haus, 
welchem  eine  volksthümliche  üeberlieferung  ewige  Dauer 
sicherte  ^"O. 

Als  nun  der  sechzehnjährige  Wenzel  m.  den  väter- 
lichen Thron  besti^,  musste  er  und  seine  Bathgeber,  den 
Kanzler  Peter  üchspalter  an  der  Spitze,  die  üeberzeugung  ge- 
winnen, dass  der  sid^ere  Bestand  des  pfemyslidischen  Thrones 
grolse  und  schwere  Opfer  erheische,  und  dass  das  Naheliegende 
dem  FemegeltBgenen  vorgezogen  werden  müsse.  So  kam  es  zum 
Nürnberger  Frieden^^  mit  Albrecht  I.,  dessen  Opfer  von 
Seiten  WenzeFs  m.  nur  aus  jenem  Gesichtspuncte  erklärlich 
sind,  und  die  baldige  Yermälun'g  mit  Viola  von  Teschen, 
dem  sdiönen  Kinde  eines  machtlosen  Fürsten,  wodurch  die  Ver- 
lobung mit  der  Tochter  des  letzten  Axpäden  thatsächlich  gelöst 
wurde**),  war  ein  deutlicher  Fingerzeig,  wie  sich  in  der  ungari- 
schen Frage  Wenzel  in.  benehmeii  werde.  Erfallt  von  dem  ein- 
zigen Ge£mken:  die  polnische  Herrschaft  der  böhmi- 
schen Krone  wieder  herzustellen,  überzeugt  von  der  ün- 
halfbarkeit  seines  Königthumes  in  Ungarn,  und  zu  sehr  Feind 
der  Aiyous,  als  dass  er  seinem  Bivalen  Karl  Bobert  die  Allein- 
herrschaft Ungarns  gönnen  mochte,  verkaufte  (?)^®)  er  des  Lan- 
des EjTone  und  mit  ihr  seine  Ansprüche  dem  44jänrigen,  „kah- 
len und  listigen,  tapfem  und  kriegerischen^  ^^)  Herzog  Otto  von 
Niederbaiem  -  LandE^ui 

Andreas  HI.  Tochter,  die  weltverlassene  Elisabeth,  ver- 
lebte ihre  Tage  in  den  Mauern  des  Katharinthaler  Klosters  im 
Schweizerlwde,  als  Aebtissin  desselben  (f  1338)**). 

So  hätten  wir  einen  reichhaltigen,  vielbewegten  Zeitraum 
von  nahezu  fünf  Jahren  —  aus  dem  greisen  Zwischenreiche  Un- 
garns (1301—1312)  —  durchmessen  und  stehen  an  der  Schwelle 
jenes  zweiten,  den  die  Jahre  1305  und  1312  begrenzen  und  wel- 


*^  Palaek^  a.  a.  0.  Die  Prophezeiung  ewiger  Dauer  erwähnt  das  Chron. 
Claustioiieob.  I,  478  b.  Pez,  b.  Pertz  XI,  662  z.  J.  1306. 

»»)  PaUwk^  n,  2,  369-870. 

*^  Das  Beilager  mit  Viola  wurde  den  2.  October  gefeiert.  Palack;^  II, 
2,  371. 

**)  Das  Chron.  Salisb.  Pez  1,  402;  Pertz  Monum.  Als  Ann.  S.  Rud- 
berti  Cont.  Weichh.  de  Polheim  XI  (810-^18);  ad  a.  1305:  Circa 
lestum  Michaelis  Otto  dui  Babariae  mtrauit  Bohemiam ,  datis  sibi 
a  Wenzeslao,  rege  Bohemiae,  insigniis  regni  Vngariae,  scilicet  Corona, 
tunica  S.  Stephani  regis,  diademate  et  sceptro,  contra  voluntatem 
regia  Bomani  Alberti  et  ducis  Anstriae  Ruaolphi  (Pertz  XI,  S.  817). 

*')  S.  charakterisiert  ihn  der  baierische  Chronist  Suntheim  b.  Oefele 
II,  337  serr.  rer.  boic.  (Katona  VIII,  92)  „natus  est  anno  domini 
MCCLXI  et  fuit  caluus  et  astntus,  strenuus  et  bellicosus,  et  fuit 
du  inferioris  BaTariae  Tidelicet  vnius  parüs,  et  resedit  in  Lanzhuef 

**)  S.  Horrith  M.  tM.  IL  &  14. 


tSO     F,  Kronen,  Der  Thronkampf  d.  Pirernysliden  n.  Anjoas  e(e. 

eher  den  Abschluss  des  gewaltigen  inneren  Kampfes  zwisdien 
den  Thronparteien  zunächst,  sodann  aber  zwischen  Oligarchie 
und  Monarchie  in  grellen  Zügen  vorffihrt  Die  JSaat  der 
Drachenzähne'',  bereits  langeher  keimend,  gewahrten  wir  anter 
der  Herrschaft  zweier  knabenhafter  Gegenkönige  in  voller  Blflte. 
Mit  ihr,  der  gewaltigen  Yielherrschaft,  hatte  dann  der  frfih  |e- 
prflfte  zum  li&nne  gereifte  Karl,  nach  Beseitigung  des  wittds- 
bachischen  Nebenbuhlers  einen  Kampf  auf  Leben  und  Tod  zii 
bestehen.  Aber  er  siegte,  da  der  vielköpfige  Feind  sich  sdbet 
aufreiben  half  durch  seinen  unersättlichen  Eigennutz  und  die 
Verhöhnung  alles  menschlichen  und  göttlichen  Bechtes. 

Leider  boten  uns  die  einheimischen  Quellen  viel  zu  wenig 
Einzelstoff.  Urkunden  und  ausländische  Zeitgeschichten,  Währ- 
scheinlichkeitsschlüsse  und  begründete  Yermuthungen  mnssteii 
verknüpfen  xmd  ergänzen  helfen.  So  kam  ein  MosaikgemUde  zii 
Stande,  dessen  einzelne  Farbenstellen  bald  heller  und  schärfer, 
bald  dunkler  und  unbestimmter  dem  wohlwollenden  Auge  des 
Geschichtsfreundes  ein  möglichst  getreues  Spiegelbild  vielbeweg^ 
ten  Völkerlebens  vorhalten  sollen,  worin  auch  Licht  und  Sdiattm, 
das  Becht  und  unrecht,  und  leider  das  letztere  weitaus  über- 
wiegend, durcheinander  schwankt. 


Excnrs  über  die  angebliche  Krönung  Karl  Robertos  i  J.  IBQl. 

Während  die  älteren  Historiker  Ungarns:  Pray,  Eatou, 
Engel  und  auch  Mailäth  von  drei  Krönungen  Karl  Bobeit*s  in 
den  Jahren  1300,  1309,  1310  sprechen,  und  auch  Fejfr  in  sei- 
nem Codex  diplomaticus  dieser  Annahme  gelegentlich  beipflidb- 
tet««),  behaupten  Fessler  (in,  13,  78)  und  M.  Horväth  (2.  A.  II, 
6,  25)  V  i  er  solcher  Acte,  deren  zweiter  in  das  Jahr  1301  fiele. 
Ja  Szalay  (II,  124,  140)  nimmt  (freilich  ohne  alle  n&here  Be- 
gründung) fü n f  Krönungen  an,  und  betrachtet  die  fraglidie 
V.  J.  1301  als  die  dritte«*). 

Die  Existenz  einer  Krönung  KarVs  im  J.  1301  (kurz  vor 
der  Krönung  WenzeVs  m.)  wird  auf  eine  ürkundenstelle 
gebaut,  die  sich  in  der  gro&en  Bulle :  „Spectator  onmium*  findet. 
Hier  heilst  es  nämlich  (1301, 29.  Mai,  Fejfr  C.  D.  VIII,  1,  S.  123): 


")  Fejer  C.  D.  Hang.  Vm,  1^  339  note  (z.  J.  1809):  Altera  iamfoit 
haec  Caroli  Boberti  coronatio;  prima  per  Gregoriom  A.  EpiBoopnm 
Strigoniensem  electnm  absque  legali  consenBu  est  peracta  (ocmf  Bayn. 
a.  a.  0.  1801.  Nr.  VII). 

*^  Szalaj  rn,  2,  12^,  .Erzbischof  Gregor  eilte  mit  Karl  laeh  Gran, 
wo  das  13jährige  Kind,  jetzt  schon  zum  drittenmale  (harmad 
izben),  al>er  auch  jetzt  nicht  mit  der  Beichskrone  gekrönt  wurde.** 
Die  (nnbegprUndete)  Combinntion  von  Gregorys  und  äurFs  Aufenthalt 
in  Gran  luit  auch  M.  Horväth  II,  6,  2.  A.  Aolterdem  nimmt  dieser 
eine  Flucht  Gregorys  und  KarFs  nach  Wien  an,  in  Folge  des 
Graner  Handstreiches  Johannas  (Inm^s)  von  Gfifringon. 


F.  Xrmm,  Der  Thioiikampf  d.  PFemjBliden  u.  A^jons  etc.     tSl 

«wesslialb  er  auch  (Karl  Robert)  dem  altnngarischen 
Gebrauche  gemäfs  durch  eine  taugliche  Person  das 
k.  Diadem  erhielt  (de  quo  etiam  in  Strigoniensi  ecclesia  iuxta 
ritom  antiqumn  Vngariae  per  personam  indoneam  regale  susce* 
pemt  diadema)  in  der  Oraner  Kirche. ** 

Allein  schon  Eerchelich  ^^)  hat  nachgewiesen ,  dass  diese 
Stdte  auf  einem  Irrthume  des  Schreibers  dieser  Bulle  beruhe, 
indem -wol  die  ErGnune  zu  Stuhlweifsenburg,  nie  aber  eine 
zu  Oran  als  „nach  altungarischem  Gebrauche''  bezeichnet  wer- 
den dOrfe.  Unter  der  „persona  idonea„  sei  der  Oraner  Erwählte 
gemeint,  das  ganze  somit  nur  eine  fehlerhafte  Beziehung  auf  die 
erste  Krönung  zu  Agram  im  J.  1300. 

Ich  erlaube  mir  noch  weitere  Gründe  gegen  die  An- 
nahme dieser  Krönung  anzuführen:  1.  Bechnet  Karl  Bobert  seine 
Begierungsjahre  als  König  von  Ungarn  von  der  ersten  Ejrönung 
oder  V.  dem  Jahre  1300  an  ••).  —  2.  Wozu  wfire  eine  zweite 
&Onung  im  J.  1301  nöthig  gewesen?  Vielleicht  darum,  weil 
man  die  erste  als  ungenügend  oder  ungiltig  ansah?  Gegen 
das  letztere  spricht  der  vorhm  angefahrte  Grund,  wider  das  erstere 
der  Umstand,  dass  die  h.  Krone  Stephan's  in  fremden  Händen 
war,  Gran  nicht  als  yer&ssungsmäfsiger  Krönun^ort  galt;  eine 
zweite  Krönung  hierorts  somit  auch  nur  eine  Nothkrönung 
gewesen  wäre.  —  3.  Gran  selbst  fiel  um  die  Zeit  der  Krönung 
Ladislans  Y.  d.  i.  Wenzels  III.  in  die  Hände  der  Güssinger. 
Diese  Thatsache,  welche  in  den  Monat  September  des  Ji&es 
1301  fallen  mochte,  findet  sich  ausführlich  in  der  Bannbulle 
Yom  Jahre  1305^"^  erörtert,  ohne  dass  nur  mit  einem  Worte  von 
der  zu  Gran  unmittelbar  vorher  stattgehabten  Krönung,  oder 
von  dem  Aufenthalte  Karl  Bobert's  und  E.  Gregorys  daselbst 
Erwähnung  geschieht.  Auch  wäre  der  Aufenthalt  der  Beiden  in 
dem  damals  von  der  G^enpartei  zunächst  bedrohten  Gran  nicht 
sehr  r&thUch  gewesen.  —  4.  Eine  geheime,  nur  den  vertraute- 
sten Anhängern  bekannte,  Nachkrönung  zu  Gran  anzunehmen, 
wäre  in  Anbetracht  des  Krönungszweckes  noch  weniger  statt- 
haft. —  5.  Air  dem  zufolge  ersdieint  somit  obige  Urkundenstelle 
vom  Jahre  1303  als  eine  blofse  Verballhomung  der  ersten 
Krönung  vom  Jahre  1300,  deren  eine  zweite  päpstliche  Bulle 
vom  16.  Octbr.  1301  ausdrücklich  gedenkt,  denn  es  heifst  hier*^: 
(Carolus)  per  dilectum  filium  Strigoniensem  electum 
et  administratorem  auctoritate   nostra  in   spirituaJibus  et 


*^)  Notitiae  praeliminariae  in  hist.  Croatiae,  Slayoniae  et  DaUnatiae, 

rs  m.  ä.  230. 
B.  Urk.  V.  1302  Pej^r  Vm,  1,  95:  Regni  autem  nostri  anno  se- 
cundo.  Urk.  von  1307  F.  Vm,  1,  226-27:  regni   nostri  similiter 
anno  aeptimo  n.  s.  w. 
•5  a  FqAr  vm,  1,  183-191. 
^  Feger  Ym,  1,  S.  63-^ 


SfiS      F.  Kranes,  Der  Tlironbunpf  d.  PfemyBliden  n.  Aigou  ete.  •. 

temporalibus  Strijgoniensis  ecclesiae  constitutum  in  eiusdem 
regni  Hungariae  regem,  fuisset  antea  coronatus. 

Es  ist  also  unter  der  persona  idonea  der  Qraner  Erwfllilte 
(Gregor),  dessen  Person  und  Name  der  ungarischen  Cteisüidi- 
keit  verhasst  war,  zu  verstehen,  und  nicht  die  Stelle  der  Bulle 
von  1303,  sondern  die  von  1301  ist  ma&gebend.  Die  angeb- 
liche zweite  Krönung  des  Jahres  1301  fällt  aber  mit.d^  Rich- 
tigkeit der  ersteren;  ist  somit  unmöglich  oder  im  gelindesten 
Falle  mehr  als  unwahrscheinlich. 

Or&tz.  F.  Krone 9. 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

Zar  Homerliteratur. 

1.  Homers  Odyssee,  erklärende  Schalausgabe  von  Heinrich 
Düntzer.  Paderborn,  P.  Scböningb,  1863—64.  1.  Heft  VÜI  u.  252  S. 
2.  Heft  239  8.  3.  Heft  256  S.  —  2  Tblr. 

Diese  Ausgabe,  welcbe  ,,der  an  HeUenischem  Geiste  sieb  heranbilden- 
den deutschen  Jngend**  gewidmet  ist,  bezeichnet  der  Herausgeber  selbst 
als  ein  Resultat  von  mehr  als  dreifbigjäbriger  liebeyoUer  Beschäftigung  mit 
don  Dichter,  Usst  also  jedes&Us,  wenn  man  dazu  noch  die  nicht  unbe- 
deutenden Verdienste  Düntzer*s  um  Homer  in  Anschlag  bringt,  etwas  gutes 
erwarten.  Wir  können  aber  nicht  anders,  als  offen  gestehen,  dass  wir  uns 
in  dieser  Erwartung  getäuscht  haben ;  weder  die  Tezteskritik  noch  die  Er- 
Uäning,  auf  welche  bei  einer  Schulausgabe  das  Hauptgewicht  zu  legen  ist, 
haben  uns  sonderlich  befriedigt. 

Der  Dfintzer*sche  Text  macht  gewiss  keinen  Anspruch  darauf  als 
selbetändige  Recension  gelten  zu  wollen:  seine  Grundkge  ist  der  Bekker'sche 
Text  (1843),  doch  weicht  er  in  yielen  Fällen  und  oft  nicht  unerheblich 
da?on  ab,  oft  nicht  mit  Unrecht.  So  geben  wir  den  Lesarten  nolvffQova 
«  83,  vmitot^fis  a  404,  r^ritotai  lix^atSiv  «  440,  Sim  xuvig  ß  11,  XQ^a 
T*  y  33,  noifiiva  y  469,  die  sich  thdls  bei  Ameis,  theils  in  der  zweiten 
B^er'schen  Ausgabe  schon  finden,  entschieden  den  Vorzug  vor  den  seither 
ftblichen  Satip^ova,  rtuitttovatig,  r^firots  lix^caaiv,  xvvsg  nodag  u.  s.  f 
Handschriften  scheint  D.  nicht  benutzt  zu  haben,  obwol  er  sie  oft  erwähnt 
und  zwar  in  einer  Weise,  dass  man  versucht  sein  könnte  an  eine  Be- 
nutzung derselben  zu  glauben.  Ich  will  einige  FäUe  hier  anführen,  damit 
man  sich  von  der  geringen  Zuverlässigkeit  derartiger  Angaben  überzeugen 
kann.  So  heüst  es  zu  x  243  „in  einigen  Handschriften  folgt  hier 
noch  der  Vers  Tiv/ev  Sk  xvxidi  XQ^^^V  <^^^«'  otpQa  n(oiev.^ 
Diese  Handschriften  sind  Ambros.  Q,  HarL  Vrat.  Vind.  50  und  133,  sie 
haben  aber  den  genannten  Vers  nicht  nach  243,  sondern  nach  233,  und 
nrar  haben  alle  Sintu,  einige  sogar  noch  mit  den  beiden  Puncten  auf  dem 

Zdtsehrllt  f.  d.  Ssttr.  Oymn.  1865.  IV.  Iltft.  18 


254  H.  DünUser,  Homers  Odyssee,  ang.  y.  /.  La  Eodie. 

Jota,  womit  jedoch  nicht  die  Diärese  bezeichnet  wird;  die  drei  zaletit  ge- 
nannten haben  auch  nicht  r^vx^v  ^k,  sondern  tivx^  ^^  ^^'  *  ^^  heiftt  es 
„in  manchen  Handschriften  fehlt  253,  doch  ist  er  nnentbehr- 
lich«":  er  fehlt  bei  Eosthatios,  im  Harl.  Ang.  Vrai  Vind.  56,  Meerm.  Stattg. 
steht  im  Marcianos  613  am  Rande  und  was  das  wichtigste  ist,  er  fehlt 
bei  Apollonios  Dyscolns  de  Fron.  pg.  108  B  und  an  seiner  Stelle  steht  dort 
der  Vers,  den  wir  x212  in  unseren  Ausgaben  haben.  „x265  findet  sieh 
nur  in  jungen  Handschriften**:  er  fehlt  im  Harl.  Vrat.  Vind.  5,50, 
133,  Meerm.  Stuttg.  und  bei  Eusthatius ,  steht  in  M  am  Bande  und  im 
Texte  des  Vind.  56  und  Augustanus:  die  jüngsten  Mss.  sind  jedenfidls  die 
drei  letztgenannten  nicht,  noch  weniger  aber  gehören  sie  zu  den  schleeh- 
teren  Handschriften ;  es  wäre  also  wol  eher  zu  schreiben  gewesen  ,|felilt  in 
den  meisten  Handschriften.**  x  425  ohne  Gewähr  und  schlecht  ist 
die  Lesart  6TQvv€a&\  tva  fnoi  —  inrja&e.^  Ohne  Gewähr  ist  diese 
Lesart  nicht,  denn  so  haben  Vind.  50,  Vrat  Marc,  und  in$ü(k€  haboi 
Eustath.,  2.  man.  Vind.  133;  inota&e  2.  man.  HarL  „»  430.  Der  Vers 
findet  sich  erst  in  einer  Handschrift  des  13ten  Jahrhunderts.* 
Dieser  Vers  steht  in  der  Stuttgarter  Handschrift,  femer  im  Marc  am  Band 
und  ist  im  Harl.  später  zugesetzt:  denselben  nur  etwas  verändert  hat 
Vind.  133  xai  aifttg  dfinßofnvog  tma  TrreQosvra  n^otfr^v^a,  „«475—479. 
Die  Verse  fehlen  in  den  besten  Handschriften*:  sie  fehlen  bei 
Eustathius,  im  Vrat  und  Vind.  50;  im  HarL  stehen  sie  am  Bande,  da* 
gegen  stehen  sie  im  Texte  zweier  der  besten  Handschriften  des  Maxe  613 
und  des  Vind.  133,  auTserdem  in  Vind.  5,  56  und  Statt«:.  Hr.  DfintMr 
würde  besser  gethan  haben  dieses  gelehrte  Beiwerk  ganz  wegralaaseB: 
kundigen  imponiert  er  damit  nicht  und  der  „am  Hellenischen  Geiste  aiek 
heranbildenden  deutschen  Jugend*  ist  damit  kein  Dienst  erwiesen. 

Auf  dem  Gebiete  der  Hom.  Textkritik  bewegt  sich  Hr.  D.  dnrehans 
nicht  mit  der  Sicherheit,  die  dazu  erforderlich  ist:  ein  solches  Unteneh- 
men  ist  immer  gewagt,  wenn  kein  ausreichender  kritischer  Aj^paiat  zu  Ge- 
bote steht  und  man  irrt,  wo  man  es  am  wenigsten  glaubt  So  scbxeibt  D. 
a  41  ^ßfiaci  T€  xal  ijs  und  bemerkt  dazu,  „des  Digammas  wegen  verlangt 
man  lifirfCei  (so  schrieb  Aristarch,  nicht  vfin^^v)  ^'^  ^^^-^  fißnO€^  hat  mir 
Eustathius,  nßnor^  haben  HarL  M,  Vind.  50,  56,  307,  Vrat,  ^ßn9€u  TvA.  5 
und  lißrianm  die  Stuttgarter  Handschrift,  welches  itadatisoh  ^ßnom^  r< 
sein  könnte.  Nun  hat  man  aus  Schcl.  H  fAillovta  dvtl  Iv&srwog  linf- 
yayi  schlieüBen  wollen,  dass  i^ß^aH  die  Aristarchische  Schreibweiae  aei, 
indem  man  annahm,  diese  Bemerkung  könne  nur  von  Aristonioas  sein. 
Man  wird  aber  in  den  Schollen  zur  llias  nach  einer  Bemerkung  wie  i} 
dmlii  Br^  fiiXkovra  avtl  iviatünos  vergeblich  suchen,  und  wenn  Aristaich 
diesen  Vers  notiert  hatte,  so  geschah  es  wegen  der  Verkürzung  des  Modoa- 
vocals  in  Ifni^nai,  Darauf  geht  auch  die  Bemerkung  bei  Lesbonax  d^r«- 
xoig  yä^  XQ*^^"^*'  «y^*  vTioraxTixurv  f  wff  t6  „öjrjroT*  av  ^ßriciTM  xml  ^g 
ifi€£^£T(ti  atrig.*^  Man  vgl.  übrigens  Sengebusch  Aristonicea  pg.  29  und 
Eiiyser  de  versibus  aliquot  Homeri  Odysseae  I,  pg.  13.  Ob  wol  Hr.  D. 
^/}ij(7ci  xal  ^i  oder  i^g  geschrieben  haben  würde ,  wenn  ihm  bekannt  ge- 
wesen wäre,  dass  re  im  Augustanus  und  Vind.  307  fehlt?  —  «88  hat  Hr.D. 


H.  Düntier^  Homen  Odyssee,  ang.  y.  J.  La  Rodte.  255 

das  bandschriftlich  schlecht  begründete  ^I&axffv  iatltvaoftui  mit  Recht 
nicht  an^nommeo  und  dafür  mit  M  flarl.  Aug.  Vind.  50,  Vrai  Meerm.  und 
Snst  *I^xfiv^'  geschrieben,  welches  die  Aristarchische  Lesart  gewesen  sein 
dürfte:  die  Utere  und  bessere  Lesart  aber  ist  *I^xfiv  ^k  (kevaofiai  und 
nicht  ohne  handschriftliche  Gewähr.  Richtig  ist  (fjaiv  a  168,  dagegen  ist 
212  statt  der  yulgata  l/ni  xeTvos  aus  metrischen  Gründen  mit  Vind.  50 
und  Aug.  XU  schreiben  ^^*  ixi^vog,  a  414  schreibt  D.  ayyeXftfi  mit  den 
mosten  Handschriften  (drei  haben  dyyelitis),  welche  Schreibweise  auch 
Kajser  a.  a.  0.  S.  16  befürwortet  Die  gewöhnliche  Schreibweise  mit  dem 
erlaubten  Hiatus  haben  Vind.  50,  307  und  M  am  Rande  yg.  dyytUtji  ijn- 
ntOfifiM.  a  428  hätten  wir  statt  der  Tulgata  xidp'  tidvia  lieber  analog 
den  meisten  übrigen  Fällen  xt^vä  iSvlu  geschrieben  gesehen,  ß  55  haben 
gute  Handschriften  tU  riiLieriQov  statt  r^fA^jfqov  und  aus  Schol.  M  zu  un- 
serer SteUe  und  SchoL  n  301  könnte  sogar  geschlossen  werden,  dass  Ari- 
itarch  so  geschrieben  habe.  Nun  ist  aber  doch  zwischen  ^U  ^i^aaxcikov 
und  tts  ^fiiriQov  ein  bedeutender  Unterschied,  denn  das  Possessivpronomen 
rertritt  ja  schon  die  Stelle  des  Genetivs,  der  nur  beim  persönlichen  Pro- 
nomen möglich  ist  So  gut  wir  nun  neben  efg  ^'Ai6og  ^'Aiöog  ^i  haben, 
ebenso  ist  neben  i^/^ire^ov  6(  nur  üg  rjtd^rfQov  denkbar,  und  wenn  wir  die 
elHptische  Ausdrucksweise  ergänzen,  sehen  wir  es  noch  deutlicher,  denn 
so  wie  wir  eig  "ui&dog  äti  oder  ^iiiLia  sagen,  so  wird  es  doch  niemanden 
einfallen  ilg  ^ftiT^Qov  ^uifia  zu  sagen,  sondern  tfg  iifihiQov,  Gegen  ttg 
ifiiriQov  erklärt  sieh  auch  Kayser  im  Phflologus  IX,  S.  310.  ß  105  ist 
in^  besser  begründet  als  iml,  no&ri  aber  {ß  126)  statt  no^i^v  steht  nur 
in  einer  einsigen  Handschrift  und  bei  Apollonius  de  Pron.  101  C.  Die 
Lesart  niQiStUv  y  205  bt  doch  nicht  so  ganz  schwach  vertreten  wie  D. 
meint,  denn  sie  steht  im  Codex  M  von  1.  Hand  und  im  Schol.  EQ  zu 
y  217:  Ameis  und  Bäumlein  haben  sie  daher  mit  Recht  aufgenommen. 
Mit  den  neueren  Herausgebern  zieht  auch  D.  die  volleren  Versausgänge 
vor,  setzt  daher  überall  das  paragogische  v  am  Versschlusse  (da  nach 
jetzt  üblicher  Annahme  auf  die  Handschriften,  die  das  r  in  der  Regel  nur 
dann  haben,  wenn  der  nächste  Vers  mit  einem  Vocal  beginnt,  nicht  viel 
in  halten  ist)  und  gibt  den  Pluralformen  vor  den  Dualformen  den  Vorzug : 
nun  haben  iwar  die  meisten  Handschriften  <r  33  qayovngy  nicht  (fnyom, 
^282  aber  haben  wiederum  die  meisten  oQfiti&itTf  entsprechend  dem  i'm 
dfiipoTiQüf  und  dem  darauf  folgenden  hf^itut,  und  wenn  einerseits  der  Dual 
leicht  in  den  Plural  umgeändert  werden  konnte,  wie  dies  bei  Eustathius 
sehr  häufig  der  Fall  ist  (er  schreibt  auch  hier  a^^^rc(>o«  und  Ufiivovg), 
so  war  der  umgekehrte  Fall  schon  deshalb  nicht  möglich,  weil  in  der  Zeit, 
ras  welcher  unsere  Handschriften  stanunen,  der  Dual  in  der  griechischen 
Sprache  fieurt  gänzlich  verschwunden  war  und  Aristarch  hat  schon  vi&lfaeh 
da  den  Plural,  wo  Zenodot  und  Aristophanes  noch  den  älteren  Dual  in  ihren 
Ausgaben  hatten.  Nach  dem  gewiss  richtigen  Grundsatz,  dass  das  gewöhn- 
üchere  nicht  in  das  ungewöhnlichere  geändert  wurde,  sondern  umgekehrt, 
müssen  wir  uns  daher  in  diesen  Fällen  mit  Alirens  ^de  hiatus  Homerici 
legitimis  quibusdam  generibus*'  pg.  13  für  den  Dual  entscheiden.  So  ziehen 
wir  f  227  fAirwtc,  *  292  ^vvTi^ivji,  x  334  fuyivn,  l  211  ßaXovn  (auch  D.), 

18* 


t56  H,  Düntier,  Homers  Odyssee ,  ang.  ▼.  J.  La  Bo^. 

<p  90  hnovTi,  ip  223  ßulovre  den  Pluralformen  vor  und  haben  dafftr  flbenll 
handschriftliche  Gewähr  für  uns.  Auch  Aristarch  scheint  am  YerBSclihias 
die  Tolleren  Formen  nicht  vorgezogen  zu  haben;  das  Gegentheil  wäre  ent 
noch  zu  erweisen.  <f  567  ist  D.  wieder  auf  nveiovrag  zurückgekommen, 
nachdem  schon  Ameis  aus  sehr  guten  Quellen  nv^lovrog  geschrieben  hatte, 
und  schreibt  auf  die  schwache  Gewähr  von  yg,  Sr^lrifiovig  in  £  und  Yind. 
193  ^riliifiovig  statt  des  in  allen  Handschriften  überlieferten  C^Jlj/corfc» 
desgleichen  ovST^^aau  €  334  und  ov^tiivriov  C 125  statt  ttv^i^iaaa  und  «v- 
6riivTtaVf  C  29  am  ßa(vn,  welches  wenigstens  ava  ßa(vH  betont  werden 
müsste,  1}  86  iXfiliSar*,  ti  110  iarov  rex^^aaai  anstatt  des  richtigeren 
und  gut  begründeten  tartov,  ri  239  tp^g  statt  ifrjs,  ^  307  dyeXaarit  fBat 
yelaara,  ^  394  doliia,  diesmal  richtig  für  teollies,  i  326  ano^vata,  «  881 
nenaldx^M  für  das  Aristarchische  mnaXda^ai,  i  377  ävaSvfi  richtig  für 
ceiWi/i},  i  387  Ifxovres,  i  388  lovxa,  x  19  dtixi  fioi,  x  30  iavng,  x  48 
rdde  dioxe,  welches  nicht  Aristarchisch,  wie  D.  behauptet,  ^  243  yfdfif$^ 
xvaviri.  Diese  StcUen  dürften  genügen,  um  eine  richtige  Einsicht  in  die 
kritische  Verfahren  Düntzer^s  zu  bekommen:  ein  yiel  gröf^rer  üebeUtuid 
bei  dieser  Ausgabe,  die  doch  für  die  Schule  bestimmt  ist,  ist  aber  der, 
dass  D.  nicht  selten  den  festen  Boden  der  Ueberlieferung  verUsst  und  sein 
Schifflein  den  unsicheren  Wogen  der  Gonjecturalkritik  preisgibt.  Wir  sind 
principiel  gegen  die  Zulassung  von  Conjecturen  in  einer  Schulausgabe,  et 
müssten  denn  derartige  Emenc|^tionen  sein ,  wie  die  bekannte  von  Lipdui 
zu  Tacitus  An.  1,  5  gnarum  id  Gaesari  statt  G.  Navum  id  Gaesari,  die 
nicht  einmal  eines  Beweises  bedürfen,  sondern  mit  der  vollen  Kraft,  welche 
der  Wahrheit  innewohnt,  uns  von  ihrer  Richtigkeit  überzeugen.  Dieser  Art 
sind  die  Düntzer'schen  Gonjecturen  nicht  und  es  sind  ihrer  gar  nicht 
wenige.  Uns  sind  aus  der  ersten  Hälfte  der  Gdjssee  folgende  aufge&llen: 
a  404  dnoQQttCaH*  für  dnoqqataH,  wol  des  Hiatus  wegen,  ß  264  rdS^  für 
T«  dk,  y  175  tdfjiviiv  f.  T^fivetv,  ^  435  dvadvaa  f.  vnoSvaay  6  546  xa\ 
f.  xiv,  d  613  S^Qov  f.  StoQtav  (mit  Bekker),  S  740  log  f.  oV,  1 166  o,  wel- 
ches doch  zunächst  nur  auf  olvov  bezogen  werden  könnte  für  « ,  c  275 
aiil  für  o^  [Not.  €  490  und  493  atatav  und  6uaniviog  für  atoC^m^  nnd 
Svanorioq],  C  87  vmxnqoQUv  f.  vntxjiQOQ^ei,  *  396  avros  f.  aviov,  «  28 
r^;  f  ijf,  X  10  ncQiariVttxi^it*  doi&j  f.  neQ^aTerax^C^Ttu  avlij^  x  851 
ofT€  aXads  f  ot  r"  tfg  uladi,  l  607  tl^^v  f.  ^;faw. 

Auch  in  Betreff  der  Orthographie  hat  der  Düntzer^sche  Text  viele 
Eigenthümlichkeiten:  so  finden  wir  mit  grof^n  Anfangsbuchstaben  ge- 
schrieben und  somit  als  nomina  propria  betrachtet  Movaa  {a  1)  lAf^i^ 
if<iVTriq  (a  38),  ^Htoq  (ß  1),  *Eqivvs  (ß  135).  Femer  finden  wir  zusammen- 
geschrieben oaxf  («  52,  282),  ovri,  («  75),  oye  («  4),  ^ro*  («  155,  394,  400), 
iXniQ  («  167),  oatig  («  229,  280),  ov7T(a  (ß  118),  «niQ  {ß  156),  ln%idn 
(d-  131),  ohne  dass  man  dafür  einen  zwingenden  Grund  anführen  könnte. 
In  den  Fällen  darf  für  Homer  noch  keine  Sjnthesis  angenommen  werden, 
wo  noch  andere  Worte  dazwischen  gefunden  werden,  wie  z.  B.  ov  ydg  n», 
tjTtl  ovv  (fi?,  ov  fx(v  TTO)  T»  {o  36),  ^Lt]  fioi  Ti',  of  Ti^Q  TS,  lu  dcu  andeTcn 
Fällen  ist  «s  zwar  möglich,  wir  können  es  aber  nur  da  befürworten,  wo 
das  eine  der  beiden  Worte  nicht  mehr  für  sich  allein  im  Homer  vorkommt, 


H,  Düntger,  Homers  Odyssee,  ang.  v.  J.  La  Boche,  857 

wie  68  z.  B.  mit  vavüixlvrog  der  Fall  ist,  welches  die  Alten  als  Syntheton 
betnchteten,  weil  im  Homer  der  Dativ  Plural  stets  vfivai  lautet,  dagegen 
schrieben  sie  ^ovqI  xXvtos  und  mit  Recht.  Wer  iireiSii  schreibt,  muss  wol 
such  mit  Aristarch  6rc6ii  schreiben,  obgleich  auch  diese  Worte  getrennt 
Torkommen.  Die  Alten  schrieben  auch  nicht  orav  und  oTtorav,  sondern 
getrennt  St*  av  nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  des  Apollonius  und 
Herodian.  Die  getrennte  Schreibweise  von  xaQfi  xofiowvng  ist  durch  om&ev 
xofiovms  nnd  xoQfi  ^ttv&og  hinlänglich  begründet,  ebenso  die  von  ßccQu 
9T&mxwf  durch  das  dazwischentretende  <r/,  tvgv  ^^tav  durch  (vqv  ^üi  und 
iv^v  xgeiwv  durch  die  Analogie  des  vorhergehenden,  denn  dass  xq^twv 
Paiticip  ist,  beweist  das  Femininum  xQstovaa.  Gegen  die  Schreibweise 
^axifv  x^^^  (ß  ^)  hätten  wir  nichts  einzuwenden ,  nur  müsste  man  rotg 
und  nicht  rov  schreiben,  da  der  Genetiv  wol  von  dem  Syntheton  abhängen 
kann,  ein  ^dxgv  x^f^v  nvog  (Thränen  um  jemanden  vergieHsen)  uns  aber 
schlechterdings  undenkbar  ist.  olxov  Sä  trennten  die  Alten,  die  neueren 
aber  sehieiben  es  zusammen,  meistens  mit  zwei  Accenten  olxovSe:  die 
Sehreibweise  otxMi,  die  D.  von  Bekker  entlehnt  hat,  lässt  sich  durch 
nichtB  rechtfertigen,  ig  perispomeniert  ("sie!)  D.  nach  xa\  und  ovSi  nach 
dem  Vorgänge  der  Alten,  lässt  hingegen  das  demonstrative  o,  ^'  tonlos. 
Die  zweite  Person  von  itfiC  eig  ist  enclitisch,  wie  ich  in  meinen  kritischen 
Bemeriningen  zur  Odyssee  nachgewiesen  habe:  D.  betont  a  170  itg,  schreibt 
dagegen  <f  371  viiniog  itg,  mql  in  der  Bedeutu^ig  von  ntQtaamg  betonten 
die  Alten  mit  Ausnahme  des  Ptolemaeus  von  Ascalon  auf  der  letzten  Silbe, 
D.  (/9  88,  116  n.  a.)  auf  der  ersten.  Nach  D.  erleidet  die  elidierte  zwei- 
silbige Präposition  keine  Anastrophe,  trotzdem  steht  ^  135  vn\  Zu  a  116 
ist  bemerkt,  ^fiiv  schrieb  Aristarch  in  der  Enklise,  Hfiiv  nur,  wo  i  ent- 
schieden lang  war:  dag^en  lässt  sich  nur  das  eine  einwenden,  dass  kein 
Bewds  dafikr  beizubringen  ist,  denn  nur  zu  einer  einzigen  Stelle  {A  214) 
ist  flberliefert,  dass  Aristarch  ^fiiv  schrieb,  was  er  A  579  geschrieben 
habe,  wird  ans  dem  Scholium  bei  Gram.  An.  Par.  HI,  6,  27  nicht  recht 
klar.  Wenn  Lehrs  Quaest.  Ep.  pg.  124  sagt  „qt^ando  tifAiv  scripserint  apud 
Homenun,  qnando  rifiiv,  de  hoc  vellem  plura  haberemus  testimonia**,  so 
dtbfßn  wir  schon  glauben,  dass  die  Sache  nicht  so  klar  und  ein&eh  ist, 
als  D.  de  hier  darstellt.  Zu  n  175  bemerkt  D.,  in  der  Doppelfrage  schreibt 
die  beste  Ueberlieferung  im  ersten  Gliede  ^,  im  zweiten  j:  dies  ist  aber 
nur  halb  wahr,  denn  es  gilt  nur  für  die  indirecte  Frage,  nicht  aber  für 
die  directe,  denn  dann  hat  f  jedesmal  den  Gircumflex.  «T^^ij  schreibt  die 
beste  ueberlieferung  mit  Jota  subscriptum,  D.  schreibt  es  ohne  dasselbe, 
L  B.  a  147,  dag^en  hat  roi  in  der  Bedeutung  darum  kein  Jota  sub- 
Bcriptum,  es  fehlt  auch  im  Venetus  A  an  allen  Stellen,  wo  die  Handschrift 
von  erster  Hand  geschrieben  ist.  Die  Form  fttyt^yg  ist  nicht  Homerisch, 
denn  der  Optativ  kann  kein  Jota  subscriptum  haben  und  der  Gonjuuctiv 
batet  fi^iffSt  wie  i^^gc,  ^^i^^t  H^vr^r^y  aanrii^  und  ähnliche.  Die  Formen 
yirofnu  und  yivioaxof  finden  sich  zwar  fast  ausschliefslich  in  den  Hand- 
schriften nnd  Kayser  hat  deshalb  auch  im  Homer  so  zu  schreiben  befür- 
wortet: wenn  wir  aber  alle  die  Schreibweisen  aufnehmen  wollten,  die  die 
Hehnahl  der  HandBohriften  bietet,  so  kämen  wir  nicht  über  den  Text  der 


258  H'  Düntzer,  Homers  Odyssee,  ang.  v.  J.  La  Roche. 

xoivni  hinaus.  Eine  solche  Ausgabe  böte  gar  keine  Schwierigkeiten  und 
lielbe  sich  mit  Hilfe  des  Eustathins  und  einiger  Handschriften  ohne  Tiek 
MS  he  herstellen.  Warum  räumt  man  denn  gerade  in  diesem  Pnncte  den 
Handschriften  eine  solche  Bedeutung  ein,  wenn  man  sich  in  Tielem  an- 
deren von  der  Autorität  derselben  ohne  groAe  Bedenken  entfernt?  wanun 
setzt  denn  Hr.  D.  überall  am  Yersschlusse  das  paragogische  v,  waram 
schreibt  er  nicht  mit  denselben  Handschriften  r^d-vniogy  xdxitrog,  tlarijxH^ 
rj^€i  und  vieles  andere?  Auch  für  iaraong  (6-  380)  am  Yersanfuige  hduki 
Hr.  D.  noch  eine  Lanze,  ebenso  schreibt  er  mit  Bekker  Hom.  BL  8.  828 
X  141  T€&vrixv{tjg  statt  rt&vijvtrig,  a  34  und  35  vnkQ  fioQov  statt  vjtiQ' 
fioQov  gegen  die  beste  Ueberlieferung.  Wer,  wie  D.,  ivfiMtfv  (y  400), 
tSfusfv  (x  448),  vnodt^aaaa  (x  296),  ai^nx^g  («  74)  schreibt,  der  dai^ 
wenn  er  nicht  den  Vorwurf  der  Inconsequenz  auf  sich  laden  wül,  nidit 
schreiben  ^mQQtttaa  {ß  49).  uniqQlyaffi  (ß  52)  oder  dnolX^Ui«^  (A  ^^)f 
denn  man  schreibt  entweder  so,  weil  diese  Schreibweise  die  Aristarchiflcihe 
ist,  oder  man  hält  die  Länge  des  f  in  HSitaiv  wegen  des  Digamma  und 
die  des  v  in  ain^tx^g  wegen  des  oonsonantischen  Anlautes  von  ^«  fBr  ge- 
rechtfertigt, dann  schreibe  man  aber  auch  mit  Anerkennung  desselben 
Digamma  iln^Qlyum  (frigus,  frieren),  fign^a,  (Qayriv  (fregi,  Wrack)  nnd 
vieles  andere.  Richtig  schreibt  Hr.  D.  d&goog  {a  43)  und  d^ivog  (a  92), 
nicht  n&Qoog  und  nSivog,  aber  diese  wenigen  Vorzüge  des  Textes  entsddU 
digen  uns  doch  nicht  für  die  Masse  von  Unrichtigkeiten,  die  in  demsdben 
vorkommen,  und  wenn  wir  über  den  uns  vorliegenden  Text  ein  verwerfen- 
des Urtheil  fallen,  so  kann  man  dasselbe  zwar  vielleicht  streng,  aber  nicht 
ungerecht  nennen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  der  Erklärung  und  sehen  wir,  wie  Hr.  D. 
den  zweiten,  für  eine  Schulausgabe  ungleich  wichtigeren  Theil  seiner  Auf- 
gabe gelöst  hat.  Wir  verkennen  keineswegs,  dass  vieles  richtig  und  theil- 
weise  auch  besser  als  in  manchen  anderen  Schulausgaben  erklärt  ist,  das 
soll  uns  aber  doch  gegen  die  Mängel  dieser  Ausgabe  nicht  blind  machen. 
Mit  Vorliebe  behandelt  Hr.  D.  in  den  Anmerkungen  seine  Theorie  von  den 
stehenden  Beiwörtern:  die  stereotype  Formel  „stehendes  Beiwort*  findet 
sich  in  den  Noten  unzähligemal,  so  z.  B.  »  122,  126,  330,  336,  365;  ^  100, 
166,  340,  344,  377,  386,  395,  432;  y  3,  5,  66,  83,  115,  117, 180,  248,  811, 
381,  420,  453,  475,  480,  492;  <r  2,  12,  41,  63,  98,  100,  143,  184,  197,  229, 
318,  359,  425,  429,  456,  473,  477,  489,  506,  509,  556,  660,  798,  841;  f  56, 
175,  230,  279,  295,  467,  478,  492;  C19,  26,  102,  316;  ij232;  *40,  111, 
392;  *  12,  56,  241,  364;  x  50,  158,  417,  491;  1 19,  128,  220,  327,  865,  894, 
430,  433,  449,  585;  ^  47,  62,  228,  284,  357.  Dafür  wird  auch  der  Aus- 
druck beständige»  0^3,  66;  C81;  tj  164),  stetes  (^311)  oder  häufiges 
{t  34)  Beiwort  zuweilen  gebraucht,  dagegen  sind  die  hebenden  («  138) 
oder  bezeichnenden  (ji  369)  Beiwörter  nur  selten  erwähnt.  AuAer  den 
Beiwörtern  wird  auch  noch  manches  andere  als  stehend  bezeichnet:  so 
haben  wir  gefunden  stehende  Verse  OJ405;  <f  579;  «89),  stehende 
Umschreibung  0' 142),  stehende  Schilderung  (^3  388),  st  Formel 
iß  382;  y  140,  204),  st.  Gebrauch  0*265),  st.  Versschluss  (y  161;  «r492), 
st  Ausdruck  (^^ 340;  ^362),  st.  Verbindung  («T  207),  st  Bezeichnung 


H,  Dünüier,  Homers  Odyssee,  ang.  t.  J,  La  Boche,  259 

((f4dO,  599,  dafür  auch  <f  511  bestandige  Bezeichnung),  st.  Redeweise 
((TSfiT;  cd6),  st  Redensart  (€240;  C2ö;  17266;  (»36),  st.  Schwur- 
formel (€  184)  und  stehendes  <f  ^  ((^400).  Diese  stehenden  Beiwörter  und 
was  sonst  noch  alles  als  stehend  bezeichnet  wird,  boten  dem  Dichter  ein 
ganz  besonderes  Mittel  metrischer  Bequemlichkeit  (Einl.  S.  16)  und 
da  dies  auch  in  den  Anmerkungen  oft  genug  henrorgehoben  und  an  ein- 
lelnen  FÜlen  praktisch  dargelegt  wird  (z.  B.  y  69,  386,  456;  cT  90),  so  wer- 
den wir  wol  Hm.  D.  nicht  unrecht  verstanden  haben ,  wenn  wir  annehmen, 
dass  er  von  der  Ansicht  ausgehe,  dass  nur  metrische  Rücksichten  für  den 
Dkditer  bei  der  Wahl  zwischen  diesen  yerschiedenen  Beiwörtern  maX^ebend 
WBxen.  Hit  dieser  Ansicht  sind  wir  durchaus  nicht  einverstanden,  man 
laubt  damit  der  Homerischen  Poesie  ihren  schönsten  Schmuck  und  wie 
sollte  die  am  Hellenischen  Geiste  sich  heranbildende  deutsche  Jugend  für 
solche  Poesie  begeistern  können,  wenn  man  ihr  metrische  Noth  (ß  75; 
il  72;  ^  74,  208,  313;  Yersnoth  x  82)  als  bestimmend  für  die  Wahl  eines 
Ansdmokes  bezeichnet.  An  der  echten  Homerischen  Poesie  ist  nichts  ge- 
künsteltes, nichts  gemachtes:  dass  der  Dichter  in  Versnöthen  gewesen  sei, 
können  wir  uns  gar  nicht  denken,  er  hätte  dann  wahrscheinlich  die  Muse 
angenifen,  wie  er  das  auch  sonst  thut,  wo  er  ihrer  Hilfe  bedarf.  Man  denke 
sieh  mur  unseren  Gcethe  oder  Schiller  so  erkläit:  würde  sich  nicht  unser 
Gefühl  dagegen  strauben?  Wir  sehen  auch  den  Zweck  solcher  Bemerkungen, 
wie  sie  wiederholt  vorkommen,  gar  nicht  ein;  denn  was  ist  damit  für  dos 
Yecsttndnis  des  Dichters  gewonnen,  wenn  man  zu  ^  335  erfährt:  „Den  Vers 
■it  der  UoDKn  ehrenvollen  Anrede  des  Hermes  auszufüllen  war  dem 
Dichter  bequem**?  —  nichts. 

Was  uns  im  einzelnen  aus  den  12  ersten  Büchern  besonders  aufge- 
fidlen  ist)  ist  folgendes:  a  103  „nQod-vQo^g,  der  Plural  deutet  ursprünglich 
auf  die  Wei^  des  Thores**  —  zunächst  ist  doch  an  die  beiden  Thorflügel  zu 
denken,  wie  überhaupt  Wörtern  dieser  Art  (rdfa,  vätUy  xqia,  ^vla,  nQfiaja^ 
castia^  anna)  der  Mehrheitsbegriff  zu  Grunde  liegt.  Dass  (poqfny^  von  (fOQfiiCo' 
kommt  (« 153),  das  Primitivum  von  dem  Derivativum^  verstöM  gegen  den 
obeisten  Grundsatz  der  Wortbildungslehre:  die  Verba  auf  «C<u  nnd  ttC(o  sind 
ÜMt  siBimtlich  abgeleitet:  so  ariC^f  av^C^ta,  ilniCf»»*  thx^C(o,  fiaxaqiCto  u.  a. 
(Tol  ff"  alfoy  tcxai  dfiotß^^  a  318  heifst  weder  „und  es  wird  die  Erwie- 
demng  Dir  werth  sein**,  noch  bedeutet  es  „ich  werde  es  werth  halten  es 
Dir  zu  erwiedem",  wo  man  dann  nach  Düntzer's  Ansicht  wirklich  eher 
ifAol  statt  aol  erwartete,  sondern  es  heifst  „für  Dich  wird  es  der  Erwie- 
dsmng  werth  sein**.  Athene  meint,  Telemach  solle  nur  ein  recht  schönes 
Gastgeschenk  aussuchen ,  dass  es  sich  verlohne  es  ihm  zu  erwiedem.  Die 
Stelle  »320  o^tg  ä*  wg  avontua  (oder  dvonalu)  SUTiraro  hat  ihre  beson- 
deren Schwierigkeiten;  Ameis  übersetzt  „aber  wie  der  Vogel  Anopaea  eilte 
sie  hindurch*^,  durch  was  sie  aber  eilte,  darüber  bleiben  wir  im  unklaren, 
imd  wenn  der  Vogel  (nach  D.)  davon,  dass  er  gerade  aufwärts  fliegt,  seinen 
Namen  hat,  so  muss  man  denn  doch  an  ein  Verschwinden  nach  oben  den- 
ken. Für  die  adverbiale  Bedeutung  von  dvonala  (aufwärts  durch  den  Kamin 
oder  Baucbfang)  spricht  vor  allem  die  Stellung,  und  der  Vergleich  o^viri 
äg  dient  dazu,  um  uns  die  Raschheit  des  Verschwindens  zu  veranschau- 


£60  H,  Düntzer,  Homers  Odyssee,  mg.  v.  J.  La  Bodie. 

liehen.  Die  Raschheit  des  Verschwindens  bezeichnet  auch  der  Aorist  9Unrvto 
niasch  wie  ein  Vogel  war  sie  nach  aufwärts  Yerschwunden**,  wobei  wir  ins 
die  Athene  durchaus  nicht  in  ihrer  damals  angenommenen  Gestalt  za  den- 
ken haben.  Das  schnelle  Enteilen  an  und  für  sich  w&re  ja  noch  kein 
Wunder  und  an  ein  solches  müssen  wir  doch  denken,  denn  darauf  fhlnt 
Vers  323  &ttuftfjatv  xara  ^vfiov' oCaaxo  y^Q  &€6v  eJvai,  Zu  /}  1  erftlirai 
wir,  dass  iJQty^veut  adverbial  zu  fassen  sei  in  der  Bedeutung  „Mh*,  wie 
nuvvi'/ioi :  dafür  gebraucht  aber  Homer  ^egiti .  ^Qiy^veuc  heiHst  auch  nielil 
früh,  sondern  im  Dunkel  (v^Qi)  entstanden  oder  geboren,  weil  vnmitfeelliar 
nach  dem  Dunkel  die  Morgendämmerung  antritt  So  heiHst  es  bei  Soplioldet 
Trach.  M  vom  Helios  „or  ai^la  vv^  iva^Cofiiva  r(xtiC^  und  wie  die  Nabbl 
die  Sonne  oder  den  Tag  gebiert,  so  gebiert  die  Morgendämmenmg  das 
Frühroth.  Xx%i  ß  28  helfet  nicht  ntrifft**,  sondern  ,,hat  getroffen*,  ^  i 
Wort  Perfectbedeutung  hat.  Zu  ß  13  bemerkt  D. ,  dass  Xaoi  Volk  von  . 
(wovon  In^Ao)  herkomme,  und  den  Mann  von  Seiten  seines  Willens 
nun  haben  aber  die  XaoC  keinen  Willen,  sondern  dnd  Unterthanen,  Hdrig«, 
darum  ist  die  Ableitung  von  xXvm  hören,  wahrscheinlicher,  vgl  Aatemietti 
zu  All.  Zu  ^156  haben  wir  die  Note  *tfiiUov  nicht  ^fitXXev  amSebhnss 
des  Verses* :  darum  aber  setzte  Aristarch  den  Plural  nicht ,  sondern  wefl 
Homer  mit  Vorliebe  zum  Neutrum  Plural  auch  das  Prädicat  in  den  Plnial 
setzt.  Die  Bemerkung  zu  /9  250  avxov,  hierselbst;  es  heiM  nie  ^auf  der 
Stelle**  ist  gegen  Ameis  gerichtet,  der  als  Beleg  0349  anÜUirt;  analog 
ist  der  Gebrauch  von  avT66^ov  &  449.  ivUvai  heüüst  weder  ß  295  noch  ft,  S96 
fahren,  sondern  in  Verbindung  mit  evQ^t  novri^  (das  offene  Meer)  „anf  die 
hohe  See  steuern**,  wörtlich  auf  die  hohe  See  bringen.  Zu  ß  194  ißAiiam^ 
XvyQov  oXe^Qov  haben  wir  die  merkwürdige  Notiz  „fiaUalhu,  hier  nicht 
suchen,  sondern  ersinnen,  so  dass  das  Ersonnene  zur  AusfÜhmng  gelangt^ 
schaffen".  Nun  hat  aber  fiaiofAM  (vgl.  fitufiaio)  im  Aorist  ifiMsaifAifv^  nad 
ifnqaaro  ist  Aorist  von  fnido/^ai.  Wenn  Hr.  D.  nicht  /l908,  x^^  *"* 
Z  157  als  Parallelstellen  anführte,  so  würden  wir  hier  gerne  ein  Ven^en 
annehmen,  so  aber  ist  es  ein  für  eine  Schulausgabe  nicht  zu  Teneihender 
Irrthum.  y  269  kann  fiiv  nicht  auf  Aigisthos,  sondern  nur  anf  Efytai- 
muestra  bezogen  werden,  y  304  wird  bemerkt  ^SfSfi'Hfiat  in  praesenÜscber 
Bedeutung  gehorchen  (r  189),  wozu  aber  vno  nicht  wohl  stimmt**.  Safjinvm 
171 6  TvvL  (vgl.  Beobachtungen  über  den  Gebrauch  von  vno  S.  16)  heillit 
zwar  gewöhnlich  von  jemandem  bezwungen,  getödtet  werden,  doch  ist  die 
Bedeutung,  welche  es  hier  hat,  aus  der  Grundbedeutung  ebenso  leicht  ab- 
zuleiten (vgl.  r  159):  es  heiXist  wörtlich  „unterworfen,  unterjocht  sein**  und 
dabei  ist  die  regelmäfsige  Constructionsweise,  die  mit  vno,  die  mit  dem 
blofsen  Dativ  (wie  *AxtXfji  &afji(ig  statt  vn'  *Ax^tiog  oder  l4x^Xfi%)  die  sel- 
tenere. Zu  y  378  wird  xQtroyivHtt  mit  drittgeboren  erklärt,  mit  metrischer 
Verlängerung  des  »,  wofür  Hr.  D.  den  Beweis  schuldig  geblieben  ist:  die 
bisher  übliche  Erklärung  vdrd  durch  die  Beinamen  der  Athene  Tqnwftg 
und  TQirtavtag  bestätigt.  Zu  <f  39  Xvaav  vno  Cvyov  wird  bemerkt  „bei 
vno,  von,  schwebt  die  Vorstellung  vor,  dass  das  Joch  über  den  Thieren 
liegt.  Aehnlich  ^vfo&at  vno  jtvoq,  von  einem  befreien".  Die  Bemerkung 
musste,  wenn  sie  einen  Sinn  haben  sollte,  lauten  „v^ro  (vyov,  unter  dem 


H.  DünUer,  Homen  Odyssee,  ang.  ▼.  J,  La  Boche.  Ml 

Jodie  herror,  weil  das  Joch  über  den  Thieren  liegt**.  Mit  ^vta&m  vno 
nvog  kann  der  vorliegende  Fall  znn&chst  nicht  yerglichen  werden.  <f  412 
xtfiTtaaifirm:  dazn  D.  „die  Zahl  der  Robben  war  durch  fllnf  theilbar**:  es 
heilM  aber  gewiss  nichts  weiter  als  zahlen,  weil  man  sich  dazu  der  f&nf 
Finger  bediente.  So  werden  yon  Hm.  D.  nicht  selten  mit  einer  Sicherheit 
Behanptongen  an^esteUt,  die  sich  gar  nicht  beweisen  lassen,  z.  B.  zu  435, 
daas  Eidothea  vier  Robben  getödtet  habe,  um  sich  ihrer  Felle  zu  bedienen, 
wibiend  es  doch  bloDs  helfet  riaaaqit  ipmxnw»  ix  novrov  d^Qf^ar*  Ivtixe. 
iißSt  heiftt  nn  ^vfnpfidaaajo  ßovlag  hat  mit  dir  Rath  gepflogen,  ebenso 
wie  A  540,  nicht  „hat  den  Rath  dir  ersonnen".  Zu  «  190  wird  ni(Hßa(veiv 
eildtrt  „eigentlich  Tom  Pferde,  das  man  besteigt",  während  negißatniv 
im  Homer  eine  ganz  andere  Bedeutung  hat  Dass  der  Dichter  Rhianus 
<8S8  inffYWflStaff^v  geschrieben  habe,  ist  blofee  Vermuthung;  unrichtig 
iit  Mich  daa  zn  c  888  %v^  Svti  vvxtng  Svo  r'  ijfiaTa  xvftan  nijy^  nlaCfto 
ytemerkte,  dass  die  Tage  eigentlich  voranstehen  sollten,  dass  aber  hier  das 
Metnim  entsehieden  habe.  Die  Orientalen  zählen  bekanntlich  nicht  vom 
Tage,  sondern  von  der  Nacht  an  und  rechnen  von  Sonnenuntergang  bis 
wieder  Sonnenuntergang,  so  auch  die  Griechen,  daher  auch  immer  bei  Homer 
9vxT«f  Ti  «al  ^lüftQ  £490;  X432;  £1  73;  ß  Mb,  auch  wenn  schon  vorher 
eine  andere  Zeitbestimmung  steht,  wie  z.  B.  ivvrjfiaQ  x  28,  i^ijfiaQ  x  80,  o  476« 
fgL 2:840;  ja744;  ^74; He8.Op.383; Theog.724;  ApolLRhod.lU,  1078;  Quin- 
tas  ¥11,  148;  X,  14.  Selten  nur  steht  tifitern  voran,  wie  </a85;  x  142.  — 
C8  lasen  andere  nicht  «T  h  JS^iQ^n^i  sondern  <f  *  iw  £x^q(^.  Zu  ti  211  ist  be- 
jB6rkt  ^MltvOi  hat  im  fehlenden  v  die  Spur  des  Digammas  von  fo  erhal- 
ten': ixiltvffi  ist  aber  blo/to  Go^jectur  oder  Verbesserung,  wenn  man  will, 
VM  BddLer,  denn  alle  Handschriften  haben  ixilfvffev:  erhalten  hat  sich 
denmach  hier  nichts.  S  78  erfahren  wir ,  was  wol  längst  als  abgethan  zu 
Mrachten  ist,  dass  Srt  elidiert:  Aroeis  und  Bekker  schreiben  mit  Recht 
5  r*  — i  8t$  t§.  Nach  der  Note  zu  S  380  bezeichnet  vno  eigentlich  die  all- 
näbliehe  Vollendung,  dann  aber  das  vollendete  Eintreten  der  Handlung,  wie 
in  vnoStiSHv,  vnodiixvwai{Bicl),  virofiifiviiffxtadtu:  da  die  Widerlegung 
dieser  Izrthftmer  zu  viel  Raum  erfordern  würde,  so  verweise  ich  blofis  auf 
OMine  Beobaehtungen  über  vno  (Wien,  1861)  S.  5,  19,  46.  —  « 19  wird 
nSai  ia  Sf  nwfi  66Xoiaiv  dp&fHanoiai  fiilto,  zu  avd-Qtonotai  bezogen,  wo- 
fegen  sdion  die  Stellung  spricht:  näat  hat  dieselbe  Bedeutung  wie  ^4b 
otmwoiffi  tt  nä4f$  und  kann  nur  mit  Soloiaiv  verbunden  werden,  i  60  heifst 
es,  n^bMS  von  jedem  der  zwölf  Schiffe  sechs  Gefährten  umkamen  ist  wört- 
lidi  in  verstehen,  nicht  im  Durchschnitte,  vgl.  159  f  Das  wäre  denn  doch 
etwas  zu  wunderbar  und  mehr  als  zufällige  Gleichheit.  Zu  153  d^avfjta^ovtfQ 
bemeri^t  D.  „über  die  Oede  und  den  Reichthum  an  Gemsen^.  Die  Gemsen 
gehören  bekanntlich  nicht  zur  Fauna  der  Inseln  und  Küsten  des  Mittel- 
meeres, und  anderswo  dürfen  wir  uns  die  Insel,  auf  welcher  Odysseus  lan- 
dete, nicht  denken;  schon  die  Menge  der  erlegten  Thiere  (118)  hätte  darauf 
anfoierksam  machen  sollen,  dass  hier  keine  Gemsen  gemeint  sein  können, 
ebenso  die  Leichtigkeit  der  Jagd  und  der  umstand,  dass  die  Thiere  nicht 
bloA  mit  Pfeilen,  sondern  auch  mit  Wurfspiei^en  erlegt  wurden.  Mit  den 
täyif  dfftcx^  können  nur  wilde  Ziegen  gemeint  sein,  wie  sie  jetzt  noch 


MC  -fi.  Dünlzer,  Homers  Odyssee,  ang.  v.  J.  La  Boche. 

auf  dem  Kaukasus  and  in  Persien  vorkommen,  die  sogenannten  Bewini^gai 
^capra  aegagros),  die  früher  auch  auf  den  Gebirgen  der  Mittelmeerioselii 
einheimisch  waren,  und  nach  dem  Zeugnisse  des  Aelian  Yar.  Hirt.  I,  10 
{rag  alyag  in  äxQoig  vtfiofiivag  toTg  oQeatv)  in  Kreta  vorkamen.  MaB 
wird  hierbei  an  den  Irrthum  norddeutscher  Touristen  erinnert,  die  vnaerB 
zahmen  nJyas  oQiaxtpovg  auch  nicht  selten  f&r  Gemsen  ansehen.  Hingesw 
dürfte  unter  dem  wilden  Geisbock,  den  Pandaros  erlegte  (z/  105)  und  ms 
dessen  Hörnern  er  sich  seinen  Bogen  verfertigen  lieft,  nichts  anderes  als 
ein  Steinbock  zu  verstehen  sein.  Zu  x  268  awv  wird  bemerkt,  wAiistsieh 
fasste  es  als  Acc.  von  adig,  wofür  Homer  aoov  braucht**.  Anstsreh  sdirielb 
auch  A  117  adiv,  entsprechend  dem  aüg  NllS,  e  905.  Man  kdnnte  swir 
fast  überall  die  Formen  auflösen  (nur  X  338  nicht)  und  an  einigen  SteUea 
(H310,  77252,  ^  344,  £  531,  <r  98)  sind  die  oontrahierten  Fennen  geraden 
unmöglich,  das  berechtigt  aber  doch  nicht  zu  der  Annahme,  dass  Homer 
nur  aoov  brauche.  1 134  steht  im  Texte  ü  äXog,  in  der  Note  aber  wird 
$ittXos  erklärt  und  i(  alog  als  unrichtig  zurückgewiesen.  X  584  wird  mivn 
ton  dem  Diaskeuasten  in  der  Bedeutung  von  „stand**  gebraucht,  während 
es  sonst  die  Bedeutung  „Miene  machen,  sich  anstellen,  verBicbem*  hai 
Düntzer  behauptet  nun  hier  könne  es  nur  „schmachtete**  heilten,  und  da 
sich  das  nicht  stützen  lässt,  so  schlagt  er  vor  &tuTo  (»  diviro)  an  schrei- 
ben und  fasst  es  in  der  Bedeutung  von  „leiden".  Dazu  kommt  nun  noeh 
folgende  höchst  merkwürdige  Notiz,  „wozu  der  Genetiv  des  G^gensteades 
tritt,  weshalb  wir  leiden**.  Si\fßd(av  gilt  demnach  als  Genetiv  Plural  von 
dCiffa  „er  litt  von  Durst**,  nicht  als  Partidpium  von  ^ttpdv,  denn  sobbI 
wäre  dieser  Zusatz  sinnlos,  fi  47  heif^t  es  in  der  Note  ^tX$nS4a^  stehen- 
des, auf  den  Honiggeruch  deutendes  Beiwort**.  Hätte  der  Dichter  den 
Zucker  gekannt,  so  würde  er  jedenMls  gesagt  haben  „zuckersüDier  Wdn*, 
so  aber  kennt  er  nichts  süTseres  als  Honig  und  bezeichnet  danun  den 
süfsen  Wein  durch  dieses  Beiwort;  oder  sollen  wir  annehmen,  dass  auck 
die  süTse  Frucht  des  Lotos  nach  Honig  duftet,  oder  dass  Diomedes  dem 
Bhesos  das  nach  Honig  duftende  Leben  nahm,  oder  dass  dem  Odyssens  die 
Heimkehr  so  süfis  duftet  als  Honig?  Zu  fi  209  wird  bemerkt  „ungeschickt 
ist  die  Leseart  InHy  das  nicht  wol  drängen  heilÜBen  kann**;  aber  noch  un- 
geschickter ist  die  Leseart  tm  mit  der  sonderbaren  Verlängerung  des 
kurzen  Endvocals,  und  auTserdem  handsohriitlich  schlecht  begründet  An 
Hm.  D.'s  Stelle  hätten  wir  wenigstens  tnn  geschrieben ,  das  sich  rechtfer- 
tigen lässt  und,  obwol  anscheinend  Coi^ectur,  doch  urkundlich  besser  ge- 
stützt ist  In  Betreff  der  Erklärung  von  linH  genügt  es  auf  Ameis  zu 
verweisen. 

Der  schwächste  Theil  des  ganzen  Buches  ist  die  grammatische  Er- 
klärung; wir  finden  da  Behauptungen  aufgestellt,  die  man  nach  dreißig- 
jähriger liebevoller  Beschäftigung  mit  dem  Dichter  nicht  für  möglich  halten 
sollte.  Einige  Beispiele  mögen  genügen,  a  313  ola  (x€ifiriXM)  dergleichen, 
oder  adverbial.  ^50  ^rixiqi  fioi  fivijaT^gfg  iTr^/Qaov:  fiot^  Dativ  des 
Vortheiles.  ß  261  x^iQag  viipafievog  noXt^g  dXog:  der  (Genitiv  von  dem  bei 
der  Handlung  betheiligten  Gegenstande,  y  69  vvv  Sij  xdXXiov  iart  ftiraX' 
Xfiaat  xal  iQ^a&ai  ^e/i^ot/;,  oVuvig  iiaiv:  xdXXiov.  Dieser  Comparativ  steht 


H.  Dünlser,  Homers  Odyssee,  ang.  t.  J.  La  Boche.  tOS 

bei  Hoaier  oft  gendeza  für  xalov^  ohne  nähere  Beziehung,  vgl.  ^  159.  Ur- 
gprüBglieh  (wann?)  ward  freilich  bei  ähnlichem  Gebrauch  die  Vergleichnng 
gedacht,  aber  metrische  Bequemlichkeit  liefs  den  Dichter  die  Formen  auch 
neben  ««itoy,  aya^ov  ganz  in  gleicher  Bedeutung  brauchen,  y  86  aXlovg 
fikp  ya^  xartas,  oaoi  TQfoalp  noXif^iCov,  7iivd-6fji€d'\  i^i  exctarog  dnoh- 
lao  Ivy^  6l^&^:  äXXovg,  Aoc.  der  Beziehung.  (Dann  ist  wol  auch  in 
TvSiiSfiv  ov*  ap  yvoitjs  noxiQoiai,  fme(fj  Beziehungsaccusativ  anzu- 
nehmen.) Ebenao  heiiüit  es  zu  <f  832  ii  d*  äye  fnoi  xal  xeivov  oiCi'Qov  xata- 
U^ov^  ij  nov  h$  (itf€^ :  xardL  mit  dem  Acc.  der  Beziehung,  vgl.  836.  y  231 
f€t«  ^iof  y^  id'ütav  xal  triko&iv  av^qa  att(oa(u:xal  riflo&ev  ävSga  auch 
einen  weit  entfernten,  weit  verschlagenen  Mann,  y  235  cuJlc^*  vn*  AI- 
yttf^fHO  Solif^  xal  rig  dloj^oioivTi*  Alyiad-oio ,  wie  cuJlfarc  d-vfxov  vif 
iSxtoqttg  P  ^%,  neaitif,  ^afitjvfu  vno  rivog  neben  vtto  SovqX  Sa/Ltijvat  u.  ä.  — 
HXip  doreh  List  wie  a2%.  ß  106.  308,  nie  mit  einer  Präposition  bei 
Homer,  (vgl  Beobachtungen  über  vno  Sr.  18).  y459:  der  Wechsel  in  den 
Zeitfonnen  ist  ohne  wesentliche  Bedeutung  (hier  am  wenigsten).  <f  586 
tt^imro$,  toi  fi*  mxa  iptktfp  ig  naxQl^^  tn€fA\pav :  Hjnfitfßap,  bringen  woll- 
ten, au  a  57  (also  auch  ein  conativer  Aorist),  e  173  alXo  n  Sr^  av,  &id, 
r6i€  fifiSiiu :  ro^t,  mit  Bezug  auf  dieses,  was  du  eben  sagst,  hierbei  {roät 
kt  Object,  ällo  ist  Prädicat).  «412:  beide  Perfecta  sind  präsentisch  (als 
ob  es  nicht  jedes  Perfectum  wäre),  rj  152  &äaaov:  bei  Homer  hat  es  die 
CSompaiativbedeutung  ganz  verloren  (es  heif^t  aber  doch  Je  eher  je  lieber**). 
^  1^  xoviowTis  n€^(oio:  wo  der  Genetiv  eigentlich  das  Oertlichkeitsver- 
hältnis  beieichnet  (gewiss  sehr  deutlich!).  ^  343  tv  dk  yil(og  toQt'  d&avd- 
toi0t  ^eoiatv :  unter  den  d&.  ^ioZaiv  kann  hier  nur  Apollon  allein  ver- 
standen werden  (vgl.  326.  Der  Plural  also  wol  aus  metrischer  Noth).  1 135 
lail  fidla  ntuQ  ^n^  (sie)  ovSaginluQ  hier  adjectivisch  als  Neutralform 
neben  n£mf¥,  nUiqa,  gleich  dem  spateren  nutQov,  Wollte  man  vfio  als 
Piip.  mit  ov^ag  verbinden,  so  musste  wol  ovdet  stehen  (vgl  Beobacht  über 
vjio  S.  8  f.).  »457:  eliteZv  Inf.  der  Absicht  (soll  helfben  Folgeinfinitiv). 
^266  fAimtfi'fAov  r*  ^xovaa  ßotiv  avhCofiivdoiv  oiüv  t€  ßXfixw  •  bei  dxovHv 
steht  hier  einmal  der  Gen.,  dann  der  Acc.;  der  erstere  hebt  bestimmter 
hervor,  da  das  BindeigebrüU  das  bedeutendere  war.  —  Ich  glaube,  das 
ist  genug. 

Auch  über  die  zahlreich  in  Anwendung  gebrachten  Athetesen  lieflBe 
sich  viel  sagen,  wenn  Raum  und  Zeit  nicht  so  kostbar  wären.  Ich  will 
nur  einige  anführen,  der  Leser  mag  selbst  urtheilen:  «23,  24;  29—31; 
185^  86;  199;  293—302;  374—380;  434,  35;  ß  132,  33;  170—176;  226,  27; 
251;  382-892;  yd;  15, 16;  18;  24;  94,  95;  120-125;  146,  47;  163;  304; 
310;  316;  494-96;  iT  94-96;  158—160;  163—67;  231,  32;  607,  608; 
*197;  199;  240-43;  260,61;  436,  37;  C18,  19;  31-35;  52-55;  77,  78; 
112—14;  266,  67;  273,  74;  318;  325,  26;  328—31.  Dabei  sind  nur  die 
wirklichen,  im  Texte  ersichtlich  gemachten  Athetesen  berücksichtigt,  dazu 
kommt  aber  noch  eine  beträchtliche  Zahl  solcher,  die  in  den  Anmerkungen 
empfohlen  werden. 

Druckfehler  haben  wir  im  ganzen  wenige  bemerkt,  darunter  aber 
onige  die  sinnstörend  sind  wie  «  35  (Not)  0  r  e  s  t  statt  Aigisth,  oder  wie 


M4  L,  Dcederlein,  Homeri  Uias,  ang.  t.  /.  La  Boche. 

Hr.  D.  zu  schreiben  pflegt  Aegisthos  (y  260,  269)  analog  mit  Aegyptiot 
(ßlb,  33),  Piraeos  ((>  52)  and  Euniaeos.  Not.  1604  Here  statt  Hebe; 
a  403  nnavQ^v;  ß  383  (ü/cto.  In  der  Note  zu  /9  206  schreibe  man  ^768 
statt  673,  der  Irrthum  ist  auch  im  Dmckfehlerrerzeichnis  bemerkt,  aber 
es  steht  auch  dort  673.  f  413  schreibe  man  im  Texte  Haxi  nicht  iatC  « 301 
steht  im  Text  x^^Q*  üi  der  Anmerkung  x^W*  äbnlich  k  134.  « 486  (Net) 
schreibe  man  Sk  f&r  61,  1 518  ^  fdr  ga,  X  211  setze  man  in  der  Note  tor 
223  fp  (21.  Buch),  ^  127  schreibe  man  im  Text  re  statt  r^. 

Kai  av  fjikv  oviio  X"^'^^* 
öiv  S*  iyia  ttQ^nfAitos  /dtraßi^aofiai  aklov  U  Vfirov. 

2.  Homeri  Ilias,  emendavit  et  illustravit  D.  Ludovicas  Doeder* 
lein.  Lipsiae,  Dörffling  u.  Franke,  1863—1864.  2  Theile,  der  letiftere 
besorgt  von  Dr.  G.  Autenri^th.  —  2  Tbk.  24  Sgr. 

Diese  nicht  sowol  fOr  Fachgenossen  als  f&r  Dilettanten  bestimmte 
Ausgabe  der  Ilias  (cf.  Pars  posterior  pg.  327  finxi  mihi  lectores,  qui  poeBeos 
Graecae  et  Homeri  amantes,  diligentiae  Tero  Uli  quae  philologis  propria 
esse  dicitur  si  non  infesti  at  incuriosi  essent)  entzieht  sich  dadurch  jeder 
strengeren  Kritik :  gleichwol  aber  darf  sie  schon  deshalb  nicht  übergangeii 
werden,  weil  wir  es  mit  der  Arbeit  eines  Mannes  zu  thun  haben,  dessen 
Verdienste  um  Homer  sehr  bedeutend  sind.  Das  Hauptgewicht  hat  der 
Herausgeber  nicht  auf  die  Texteskritik,  sondern  auf  die  Erklärung  gelegt: 
der  Text  ist  mit  unerheblichen  Aenderungen  der  erste  Bekker*sche.  üna 
sind  nur  folgende  Abweichungen  aufgefallen  A  14  arififia  r'  (Bk.  ortfi" 
fittt*),  A  59  nakiv  nlayx^'^VTag  {nalifinlayx^^vraf) ,  A  124  ovif*  tth 
{pvH  xC),  A  168  lnr\v  xixttfjiio  (in%C  xt  xcc/u oi),  r  215  et  xal  (f  xal), 
A  384  inl  {(fni),  E  6  nttfAifaCvtiat  {na^tfaCvyOi) ,  E  59  Tixiovof  (jtxto-' 
vos)f  Z  456  vifmlvr^q  {wfa(voig)  Die  zweite  Bekker*sche  Ausgabe  ist  fiwt 
gar  nicht  berücksichtigt,  ebenso  wenig  sind  die  neueren  Leistungen  auf  dem 
Gebiete  der  Homerischen  Textkritik  in  Betracht  gezogen  worden.  Con- 
jecturen  haben  wir  hier  und  da  in  den  Anmerkungen  gefunden,  gewöhn* 
lieh  mit  einem  „suspicor**  angeführt,  so  £  487,  Z  465,  IT  39,  91,  472, 
B  506,  546,  im  ganzen  selten.  In  der  Orthographie  haben  wir  kein  be- 
stimmtes Princip  zu  entdecken  vermocht  Als  Nomina  propria  werden  be- 
trachtet A^vQOTO^og  (A  37),  "ExrjßoXog  {A  %),  K^^s  (A  97),  ^fiQalv 
(A  268),  'Exaroio  (A  385),  'ExacQyov  (A  474),  OvQttrCiovef  (A  570),  Mov 
aaojv  {A  604),  ''Oaaa  (B  93),  Norog  (B  395);  dagegen  werden  ab  Appel- 
lative aufgefasst  nfitfiyviius  (A  607),  oveiQog  (B  6.  8),  wie  ausdrücklich 
in  der  Note  bemerkt  ist,  obwol  dagegen  B  IQ  ßfj  S*  nQ*  ovet^g,  i^el 
Tov  fAv&ov  tixovaev.  xaqnaXCfAtog  iT  txavi  und  die  folgenden  Yerba  /l^, 
ix^xtuvev,  arijj  nQoanftovee  zu  sprechen  scheinen.  xtJQag  als  Appellativum 
haben  wir  gefunden  z/  11,  (cQtjg,  in  der  Bedeutung  „Kampf,  ist  mit  Recht 
klein  geschrieben,  z.  B.  B  381.  Eines  der  schwierigsten  Capitel  in  der 
Homerischen  Orthographie  ist  die  Frage,  wo  man  Sjnthesis  anzunehmen 
habe  und  wo  nicht:  consequent  lässt  sich  hier  kaum  ein  bestimmtes  Princip 
durchführen,  aber  doch  wenigstens  consequenter  als  es  in  der  vorli^geiiden 


L.  DctderUm,  Homeri  Ilias,  ang.  v.  /.  La  Boche.  MS 

Aoflgmbe  geschebeii  ist.  So  finden  wir  geschrieben  ja  tplloq  {A  74),  aber 
Biciit  'ji^iis  ifUof,  wie  es  consequenter  Weise  geschrieben  werden  müsste : 
lii«r  igt  die  Tiemiang  am  allerwenigsten  nothwendig,  sie  veranlasst  sogar 
Zweideutigkeiten,  vgl.  Bekker  Hom.  Blätter  S.  %  nnd  180.  Zusammen- 
gesehrieben  ist  iv^vx^ifw  (A  102,  355),  ivQVQitav  (B  849  und  an  den 
übrigen  Tier  Stellen),  e^mofiivo^  (^  164,  Ä  138),  Shxqvx^w  (A  357), 
tmqv9T%yuxw  {A  364,  während  es  an  den  übrigen  sieben  Stellen  mit  Recht 
getrennt  ist,  vgl.  Hom.  Stnd.  §.  36),  IvMti/^tvog  {B  501):  die  Trennung 
dieser  Worte  hat  hier  am  allerwenigsten  Schwierigkeiten  und  ist  in  eini- 
gen Fällen  sogar  geboten,  wie  in  ivqv  ^iurv  und  xkqti  xofiotovrtg,  welches 
D.  ebenfalls  zusammenschreibt,  z.  B.  B  11,  51,  65. 

So  haben  wir  femer  gefanden  tanQtiTtt  (A  6  mit  Wolf),  S  yi  (A  65, 
68,  E  685,  673),  dagegen  otyi  {A  261),  oye  (A  281);  itn^Q  (A  81),  da- 
gegen of  ncQ  (A  236),  tw  mg  (I  498);  ovxi  (A  153),  oms  (A  88),  aber 
ov  T»  (A  416,  511,  ^  286,  /  115),  ov  w  {E  665,  Z  16),  fi^  ti  (A  550, 
J  42);  TTMOTi  (A  154),  ovjrort  {A  134),  dagegen  tt  nore  (A  340);  ofrc 
(A  237);  fjtntt  (e  7),  aber  oi  n  (JE  5),  ug  tt  (r  381);  Inn^  (A  156), 
Uff  {A  365),  aber  in fl  ^  {J  56)  und  iml  Jj)  (Z  178),  welches  sonst 
überall  inttärj  geschrieben  wird;  ou^k  (Z  444  u.  o.),  ov  ifk  {J  127,  477, 
Z  417);  5  TT/  xtv  {B  361,  E  421),  hingegen  5  tt«  xtv  (A  294)  und  o  u 
tiv  {A  527):  auch  die  Alten  schrieben  otr(  x(v,  nach  dem  Grundsatz, 
dass  ein  Paroxytonon  mit  trochäischem  Rhythmus  bei  nachfolgender  En- 
ditica  noch  einen  Acut  auf  die  letzte  Silbe  bekommt,  aber  diesem  folgt 
D.  sonst  nicht,  er  muss  also  tri  für  ein  selbständiges  Wort  halten,  ob- 
gleich es  kein  Wort  gibt,  das  mit  doppeltem  Zahnlaut  beginnt.  A  66 
idueibt  D.  xvfaatis,  A  460  xy/crj,  A  384  narrn.  E  495  Trarry,  r  370 
/ifayov  nicht  fitayov,  vielleicht  mit  Recht,  r  158  ^eys,  nicht  &iaTg,  wie 
es  seit  nralten  Zeiten  im  Homer  geschrieben  wurde,  nQtoriv  {E  832)  ohne 
Jota  adscriptum  gegen  die  Vorschriften  der  alten  Grammatiker.  Dagegen 
richtig  xoXi^  {A  575).  In  der  Schreibweise  xal  äg  und  ovd"  tig  ist  D. 
B^ker  gefolgt,  ebenso  in  iijog  (A  393),  welches  nach  der  Lehre  der  Alten 
dfln  Spiritus  asper  hat,  schreibt  aber  niQi  (/  53,  100),  wo  es  Adverbium 
ist,  während  es  die  besten  alten  Granmiatiker  auf  der  Endsilbe  betonten. 
Am  Versende  erscheint  überall  das  paragogische  v,  femer  stets  der  Acut, 
auch  wenn  gar  keine  Interpunction  auf  das  Schlusswort  folgt,  dagegen  steht 
A  275  iw  vor  einem  Komma. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Erklärung.  Die  Worterklärung,  soweit  sie 
iof  der  Etymologie  beruht,  wollen  wir  hier  übergehen ,  da  wir  nur  wenig 
neues  gefiinden  haben  und  das  meiste  ohnehin  aus  dem  Glossarium  des 
Herausgebers  bekannt  ist  A  31  wird  3Jx^^  gleich  Imov  von  Ino^xofiivriv 
und  nidit  von  dvrtotaaav  abhängig  gemfM^ht,  weil  letzteres  Verbum  zufällig 
im  Homer  sonst  nicht  mit  dem  Accusativ  verbunden  wird ,  aber  gram- 
mitiBch  ist  diese  Structur  möglich,  und  was  das  auch  nicht  weiter  bei 
Homer  vorkommende  X^x^  ino(x€0&ai  bedeute,  erfahren  wir  nicht.  A  131 
wird  fifj  ff*  filr  fci)  drj  genonmien;  <fi}  aber  elidiert  bekanntlich  seinen 
Schlnssvocal  nicht,  sondern  verschmilzt  ihn  mit  dem  folgenden  zu  einem 
lAut,  daher  /iij  <fij  hätte  geschrieben  werden  müssen.  6d6v  il^iTv  A  151 


Md  L.  Daderlem,  Homeri  Ilias,  ang.  v.  J.  La  Bw:h%, 

wird  sonst  allgemein  in  der  Bedeutung  von  MdQuv  iX^ilr  geüust,  D. 
nimmt  es  in  der  Bedeutung  von  iUfi(nv  il^(iv,  de  legatione.  In  ^Um 
(Av^T^aaa^i  A  291  soll  ov^iSia  Ac^jectiv  sein  gleich  6vt^tut:  diese  Aar 
nähme  ist  aber  durchaus  nicht  ndtbig,  da  fiv9^€ia&{u  sowol  mit  SabitiA- 
tiven  als  mit  Ac^ectiven  verbunden  wird,  vgl.  Hom.  Stud.  §.  94,  Si  Im" 
B  2  wird  bemerkt,  dass  das  Imperfect  xa^iv^e  A  611  die  Bedentimg  de» 
Aorists  habe  (also  er  gieng,  legte  sich  schlafen),  da  xa9-€v&€w  Ireiiw 
Aorist  habe:  durch  diese  Annahme  lässt  sich  jodesüalls  der  Beweis  der  SiM- 
heit  der  beiden  ersten  Bücher  nicht  herstellen,  denn  das  Schlafengeheii 
liegt  ja  in  dem  Aorist  dvaßaq  —  Ir^*  dvißri  »al  xad^ev^e,  dahinein  legte 
er  sich  (momentan)  und  schlief  (dauernd).  Der  andere  Beweis,  der  in  den 
ovx  ix^  liegt,  ist  wenigstens  sprachlich  nicht  zu  bestreiten.  B  2G9  soU 
äxQit<nf  in  der  Redensart  dxQuov  i^wv  Masculinum  sein,  B  356  wird  der 
Genetiv  'EJJvrjs  mit  Aristarch  als  objectiver  aufgefasst:  diesmal  hatten 
aber  die  Ghorizonten  ein  viel  richtigeres  Sprachgef&hl  als  Aristarch.  B  376 
soll  das  Präsens  ßdllet  die  Bedeutung  von  objicere  solet  haben,  B  485 
Uytüfjiid^a  die  von  dutUyio/ntd-a:  beides  dürfte  schwer  zu  erweisen  sein. 
Zu  B  576  wird  bemerkt:  ruiv  pronomen  est,  simul  cuni  rijoly  ex  nQX^i^ 
suspensum  ut  586.  Eis,  et  centum  quidem  navibus,  Agamemno  praefnit 
(doch  wol  praeerat).  Der  Genetiv  rarv  —  rovratv  (nämlich  der  Bewohner 
der  vorhergenannten  Städte)  hängt  aber  von  vritav  ab,  wie  auch  der  Fkra- 
phrast  richtig  übersetzt.  B  772  wird  dnofiriv(aag  mit  dnnav  xal  fiifviaat 
erklärt,  damit  ist  doch  wol  zu  viel  in  die  Präposition  hineingelegt;  B795 
wird  die  unhaltbare  Lesart  fi€r^<fti  statt  ngoadtfiti  erklärt  als  prägnanter 
dictum  pro  IlqCa^ov  ngoa^fdg  ^ixitpn  ir  roTg  ofjifjytQ^eaaiv:  daas  /aiw 
nicht  reflexiv  sein  kann  und  demgemäfs  nicht  auf  hiaa^^vn  belogen  wer- 
den darf,  muss  doch  wol  den  Ausschlag  geben  für  die  Wahl  der  Schieib- 
weise nQoai(frif  die  im  Codex  Venetus  A  steht,  vgL  Hom.  Stud.  8.  209. 
Zu  r  57  erfahren  wir,  dass  Idtvov  x^^^t*  taaaaO-ai  auch  von  einer  Ein- 
sperrung in  eine  Felsenhöhle  verstanden  werden  könne  und  r  40  wird 
dyovos  passivisch  aufgefasst  in  der  Bedeutung  non  natus,  das  rc  wird  dann 
in  der  Bedeutung  aut  genommen,  als  ob  es  sich  so  ohne  weiteres  mit  f 
verwechseln  liefiae.  r  83  wird  der  Etymologie  von  anuro  zu  Liebe  die 
Conjectur  Bothe*s  zu  iL  584  gebilligt,  r  109  wird  oIs  als  Masculinum,  nicht 
als  Neutrum  genommen  und  r  220  soll  avrios  die  Bedeutung  von  m^^lf 
haben,  dabei  erwarteten  wir  dann  aber  nicht  atf^ova,  sondern  eher  das 
Gegentheil,  wie  auch  in  dem  Lateinischen  male  sanus  und  ähnl.  Zu  A  11 
wird  die  Construction  dfivvHv  xl  nvog  geläugnet  und  avrov  von  »tjoac 
abhängig  gemacht:  in  meinen  Hom.  Stud.  S.  190  kann  man  für  die  ange- 
gebene Construction  weitere  Beispiele  finden.  J  31  tC  vv  as  Hgiafioe 
nQidfAow  TS  natdtg  xoaaa  xaxd  ^^Covatv  vermögen  wir  keine  Vermischung 
zweier  verschiedenen  Constructionsweisen  zu  erkennen,  da  der  doppelte  Ac- 
cusativ  nach  ^^C«  nnd  ähnlichen  Verben  bei  Homer  etwas  ganz  gewöhn- 
liches ist  ^  155  wird  der  epexegetische  Accusativ  erklärt  causam  mortis, 
die  dazu  angeführte  Parallelstelle  (Soph.  Oed.  Col.  529)  ist  mit  unserer 
Stelle  auch  nicht  im  entferntesten  zu  vergleichen.  ^  359  werden  vButi^at 
und  xelitKo  als  Coiyunctive  betrachtet,   wozu   nicht  der  mindeste  Grund 


L.  DadeHem,  Homeri  Dias,  ang.  v.  J.  La  Boche.  %V1 

rorliandeD  ist  und  J  Ui^  wird  oQ^i  als  instrumentalia  au^eiasst,  wäh- 
rend es  dock  mit  ttgaoHU,  mit  welchem  es  durch  xai  yerbuiiden  ist,  auf 
4enelbeii  Stofe  steht:  fUr  die  Verbindung  nH&o/u^ivot  xal  dgtiayj,  obwol 
Bkht  ohne  Analogie  (vgl  X  247  &  (pa^ivn  xal  xi^Soauvt^  i^yiiaar  Id^n), 
gibt  es  an  unserer  Stelle  keinen  swingenden  Grund.  ^  4€S  spricht  schon 
die  Hanptoasur  des  Verses  dagegen,  dass  nuq^  danCdog  zu  xvilmvri  ge- 
h&re:  es  ist  auch  bisher  von  allen  Erklarem  zu  iUifaav^ri  gezogen  worden. 
Der  GenetiT  Ulov^ivog  *£lxHtvolo  (E  6)  soll  von  einem  in  UXovfiivos  ent- 
haltenen losTQois  abhängen,  wie  auch  Z  508  (und  O  265,  4>  560,  vgL 
n  679):  wie  soll  denn  aber  der  Genetiv  /<r^f  vulfdfuevog  noi^ijs  dXog 
(/t  261)  erklärt  werden?  wir  glauben  doch  nach  Analogie  von  C224  avrä^ 
o  ix  noTttfiov  x^  viCiTo.  £  33  soll  der  indirecte  Fragesatz  von  einem 
zu  ergänzenden  d/Atkovvti  abhängen,  mit  welchem  Auskunftsmittel  man 
bei  den  zahlreichen  übrigen  Stellen  nicht  ausreicht:  es  ist  yielmehr  in  Ge- 
danken ein  „um  zu  sehen ,  um  zu  versuchen*'  zu  ergänzen ,  vgL  J  88, 
X  56,  -2^  143,  199,  322,  457,  601,  X  196,  419,  */'40,  82,  v  182,  ^  118  u.  v. 
Diss  ^utfATttQk  E 112  nicht  als  Adjectiv  zu  fassen  sei,  sondern  adverbial, 
beweisen  die  von  mir  Hom.  Stud.  S.  44  angeführten  Stellen.  Der  Genetiv 
rn^ioio  (E  222,  Z  1 ,  B  106)  wird  an  diesen  drei  Stellen  als  von  ^v^a 
m^  ip^  abhängig  betrachtet:  was  soll  dann  aber  mit  den  übrigen  Stellen 
geachriien,  wo  kein  Adverbium  dabei  steht?  Dass  dieser  Genetiv  partitiv 
Ml,  glaube  ich  Hom.  Stud.  S.  180  erwiesen  zu  haben,  vgl.  auch  Bekk.  Hom. 
BL  8.  210.  Dass  dXto  E  494  nicht  von  dem  früher  genannten  Sarpedon, 
loideni  von  dem  zuletzt  genannten  Hektor  zu  verstehen  sei,  beweist  die 
Fdlge  der  Erzählung,  denn  von  Sarpedon  hht  erst  E  629  wieder  die  Bede, 
es  ist  also  kein  Grund  einzusehen,  weshalb  er  vom  Wagen  springt  und 
die  aehwankende  Schlacht  wieder  zum  Stehen  bringt,  was  doch  Sache  des 
ObeilMfehlshabers  ist,  von  welchem  auch  früher  als  von  Sarpedon  im  Fol- 
genden die  Bede  ist  Auch  Z  104  und  A  2i\  werden  dieselben  Verse  ge- 
teandit  nnd  dort  ist  es  ganz  klar  ersichtlich,  dass  sie  nur  auf  Hektor  be- 
aogeii  werden  k5nnen.  o^'  imßaiti  E  666  heifbt  doch  wol:  damit  er  auf- 
traten, sich  auf  seine  FüXIm  stellen  könne,  woran  ihn  der  Speer  hinderte, 
der  noch  in  seinem  Schenkel  steckte:  D.  ergänzt  dazu  ttav  liv  ox^tov  und 
ttait  den  Absichtssatz  von  aniv^orrtav  abhängen  „keiner  der  Kampfge- 
noasevi  hatte  daran  gedacht,  ihm  den  Speer  aus  dem  Schenkel  zu  ziehen, 
da  sie  eilten,  damit  er  auf  den  Wagen  steigen  könne**  (mit  dem  Speer  im 
Schenkel?).  Bichtig  übersetzt  es  der  Paraphrast  „^al  tovto  ovdilg  iax^xf/cero 
oM  iwoiiasv,  ix  TOP  fi^gov  iUXxvaai  ro  66qv  t6  Ix  fitX^ag,  tva  ^wtj&y 
m^nmtfitftUt  anov^aCovrmf  avitüv*^,  keiner  hatte  in  der  Eile  (eigentlich 
keiner  der  eilenden)  daran  gedacht,  ihm  den  Speer  aus  dem  Schenkel  zu 
liehen,  damit  er  auf  seinen  FüXlsen  stehen  könne.  E  827  wird  zu  ro  yi 
hinzu  ergänzt  noUiv:  ro  yt  ist  Beziehungsaocusativ,  vgL  Hom.  Stud.  S.  81. 
Z  71  soll  wtxQovg  nicht  von  avXiiaeri  (über  den  doppelten  Accusativ  vgL 
Hom.  Stud.  S.  236)  abhängen,  aus  dem  Grunde,  weil  bei  avXdto  ein  per- 
sönliches Object  nicht  stehen  könne,  sondern  von  einem  daraus  zu  ent- 
nehmenden avX€vovT€s,  was  denn  doch  der  Sprache  Gewalt  anthun  heilet. 
ft&raific  Z  164  toll  potentialis  sein  anstatt  des  Futurums ,   nicht  Optativ 


298  L.  Dcßderlein,  Homeri  Dias,  ang.  ▼.  /  La  l?ae^. 

statt  des  Imperativs,  y^tpag  z  169  soll  wörtlich  zu  verstehen  sein  (saa 
literis  ad  talem  epistolam  opus  erat);  aber  schon  Aristarch  hatte  wieder- 
holt darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  yQtt<ff€&y  bei  Homer  noch  nldrt 
schreiben,  sondern  ritzen  bedeute.  Zu  fi^fivtifXM  Z  222  wird  erglmt 
^Btvov  Bell€QO(p6vTov  yiyevijff^i,  damit  stimmt  aber  der  gloch  daint 
angefahrte  Grund  nicht,  denn  wenn  auch  Diomedes  seinen  Vater  iiidrt 
gekannt  hatte,  da  er  noch  ein  Kind  war  als  er  vor  Theben  fiel,  so  hindert 
das  doch  nicht,  dass  er  seine  Erlebnisse  so  gut  wie  die  seines  Groflmiten 
Oineus  wusste.  Wahrscheinlich  war  der  bei  fjtffivfifiai  selten  vorkommeiide 
Accusativ  der  Grund,  welcher  zu  dieser  neuen  Erklärung  veranlasste.  H 19 
gab  die  Verbindung  otfQa  nvQog  fte  leldxt»oi  Anlass  zu  der  Bondeihara 
Bemerkung  rt^vQog  ex  lax€i  pendet,  quod  nomen  ex  Ula/wriy  antidpan- 
dum:"  überhaupt  zeigt  D.  eine  grotae  Vorliebe  dafür,  überall,  wo  es  nv 
möglich  ist,  Ellipsen  anzunehmen.  H 120  erklärt  D.  Traginiurev  mit  fni§9t 
naqu  r^y  ßovltiaiv  Xiyatv,  deterruit  a  consilio,  währ^d  diese  CompoBila 
mit  naQa  doch  gerade  das  Gegentheil  bezeichnen,  denn  noQwpvifAi^  nv^^ 
TToy  helJÜBt  vielmehr  zureden,  nicht  abreden,  ebenso  7ra^;r</^cfty  diupoh 
üeberzeugung  auf  seine  Seite  bringen,  üeber  H  239  vgl.  Hom.  Stud.  8. 74. 
Der  Dativ  x^Qf^V  ^  ^^  bedeutet  nicht  dg  x^QMV^f  sondern  ist  ebenao 
wie  /ift/jj  und  vafihi^  bei  Wörtern  des  Eämpfens  zu  erklären:  es  gibt 
keinen  Dativ  des  Zweckes;  vgl.  auch  //  218,  S  513.  Die  Behauptung,  die 
H  320  aufgestellt  wird,  dass  ^evea&en  auch  mit  dem  Accusativ  verbundoB 
werde,  ist  irrig,  ov^^  ti  dairog  (nulla  boni  epuli  parte  indigebant)  gehört 
nicht  zusammen :  n  ist  Beziehungsaccusativ  und  dturog  ist  Objectsgenetiv. 
Der  Genetiv  nvQog  f^fiX^aaijusv  ^410  wird  wiederum  durch  die  Annahne 
einer  Ellipse  des  Nomens  fiEilly^iati  erklärt  und  zu  H  424  j|f«JU;ri5c  ^ 
(es  gieng,  hielt  schwer)  ist  bemerkt  x^^^^^^  P^  adjectivo,  als  ob  clfc/ 
mit  einem  Adverbium  etwas  so  ungewöhnliches  wäre.  Mit  den  Bemeriran* 
gen  zu  O  171  fiaxn^  atj/aa  conjungendum,  et  brachylogiae  more  aiifitUimm 
ex  arjfitt  Ti&i{g  mutuandum,  unde  vfxijv  pendeat  und  O  190  ^  iftoi  ae. 
aiTovy  quod  ex  cognata  notione  ttvqov  assumendum,  wird  sich  kaum  jemand 
einverstanden  erklären  können:  die  Homerische  Ansdrucksweise  ist  im 
höchsten  Grade  einfach  und  will  einfach  erklärt  sein,  ohne  jede  Künstelei, 
des  Dichters  geflügelte  Worte  mussten  auch  von  den  Hörern  im  Finge 
verstanden  werden  können,  ohne  dass  sie  darüber  lange  nachzugrübeln 
brauchten,  was  der  Dichter  wol  gemeint  haben  mochte.  Den  Vers  B  364 
will  D.  tilgen,  da  er  nichts  mehr  neues  enthält,  und  den  Dativ  ^nj  auf 
öXlvfi^vüry  bezichen:  dazu  ist  er  aber  zu  weit  von  diesem  Verbum  entfernt 
und  eben  um  dieses  Zusatzes  willen  war  die  Wiederholung  dieses  Verboms 
nochmals  geboten.  Solche  Pleonasmen  des  Ausdruckes  sind  im  Homer  so 
häufig,  dass  man  sich  nicht  daran  stoHsen  sollte  (Bekk.  Hom.  BL  S.  185): 
ich  erinnere  nur  an  ^  65  atSiad^rin  niQixrtovag  drd^mnovg,  oV  tt«^»- 
vai€Tttovai,  Sb21  xvvag  xriQtaaiffOQtitovgf  ovg  x^Qig  (pogiovOt, 
IT  105  ni^Xri^  ßalXofiivri  xttvccxijv  ?/f,  ßakktro  «f*  tttit,  £221  &ai6~ 
ftsvüv,  t6  ^"  l^dttii,  und  an  die  häufigen  Epanalepsen.  /2  heifkt  es 
(fvCa  non  fuga  est  (ea  cnim  (f6ßog  dicitur)  sed  vociferatip  perterritomm  et 
(ffv  clamantium:  dass  tfvCtt  mit  (foßog  nicht  synonym  sein  kann,  beweist 


L.  Dcederlein,  Homeri  ilias,  ang.  v.  J.  La  Rodie.  SS9 

jft  unsere  Stelle,  wo  es  heulst  tpoßov  xqvoivrog  ha/grjf  dass  es  aber  auch 
nicht  „Angstgeschrei"  bedeuten  kann,  erhellt  aus  den  übrigen  Stellen  und 
ans  (pvCuxtvjs  iXatpoiaiv  {N  102).  /  77  wird  zur  Erklärung  von  r/?  av 
r«<r«  yriO-riaHev  die  Ellipse  von  t^tov  zu  Hilfe  genommen:  dies  ist  der 
glfteklicherweise  langst  überwundene  Standpunct  der  Alexandriner  (Utnei 
x6  o^mv),  gegen  welchen  schon  im  Alterthum  Widerspruch  erhoben  wurde 
(SchoL  BL).  /115  ist  ipfv^o^  Prädicat,  und  von  keinem  aus  xarfXi^ag  zu 
entnehmenden  l^ytav  abhangig.  /327  soll  av^Qaat,  in  dv&Qaat  fia^va/LUvo^ 
oagttv  l^vixfc  atfiTiontüv  Dativus  commodi  und  von  Agamemnon  und  Mene* 
laos  zu  verstehen  sei  „in  gratiam  maritorum  pugnans  propter  eorum  uxores.^ 
/d78  wird  fiiv  auf  Jcooa  bezogen,  wie  qS12  auf  ^(OfiuTa:  es  ist  aber  doch 
ein  kleiner  Unterschied  zwischen  beiden,  denn  ötüfMara  ist  seiner  Bedeu-» 
tung  nach  kein  Plural,  sondern  blofs  grammatisch,  und  da  stand  dem  Dich- 
ter die  Wahl  zwischen  beiden  Numeris  frei,  gerade  wie  umgekehrt  bei 
CoUectivbegriffen  der  Plural  steht,  auch  wenn  der  grammatische  Numerus 
der  Singular  ist.  a6(^  T  424  wird  als  Optativ  aufgefasst,  nicht  als  Con- 
jonctiv  und  /  470  soll  iivavvxfi  Plural  sein,  nicht  Adverbium,  für  das  es 
seither  immer  gegolten  hat.  Nach  Ctkl"  on  wird  bei  Homer  der  Nachsatz 
gewöhnlich  mit  xal  ron  eingeleitet,  welche  beide  Conjunctionen  von  ein- 
ander nicht  getrennt  werden  können:  es  kann  deshalb  nur  auf  einem  gänz- 
lichen Verkennen  des  Homerischen  Sprachgebrauches  beruhen,  wenn  man 
/  475  »al  tot'  iyto  d-aXafxoto  d'iQcig  nuxtvaig  itQaQv^ag  ($17 ^<x;  l^ijXd-oP 
dieses  xal  in  concessiver  Bedeutung  zu  douQvCag  beziehen  will.  Das  Par- 
tidpiam  kann  auch  ohne  xai  concessiv  sein  und  hier  ist  diese  Annahme 
nicht  einmal  noth wendig.  /  645  ist  ndvta  Object  zu  fivS-riöaad'ai,  nicht 
adverbial  (omni  ex  parte)  und  iial  1  688  ist  nicht  gleich  olol  t*  daC,  so 
wenig  als  ovx  eart  gleich  ovx  olor  t'  iarL 

Nicht  wenige  Neuerungen  haben  wir  auch  auf  dem  Gkibiete  der  In- 
terpnnction  gefunden,  wobei  nicht  selten  dem  Vers  Gewalt  angethan  wiid^ 
Einige  mögen  hier  ihren  Platz  finden: 

r  185  hf&a  tSov  TTldarovg  *pQvyaCf  dv^gag  H  afoXonaiXovg  (so  Ven.  A). 
E  98    xal  ßdX*  inataaovT((f  rv/tüv  I]  xard  dt^iov  dfiov^ 

&toqf\xog  yvaXov.  Da  Tv/atv  zu  ßdXi  gehört,  so  darf  es  von  ihm 

nicht  getrennt  werden:  der  Yen.  A  hat  bis  yvaXov  keine  Inter-' 

punction. 
£588  wfQ^  Xnnio  nXrj^a^ti  /afial  ßdXov  iv  xovd^iVt  \ 

Tovg  (^'  tfiaa'  UvT^Xoxog,  gewöhnlich  setzt  man  nach  xov£ya$i^ 

einen  Punct. 
£759  /Lid^,  draQ  ov  xard  xoafJOVf  Ifiol  cT'  axog;  oi  dk  flxtjXoi 
Z91     äygiov,  «//^i^^v  I  x^rtTf^oy,  fiYiOrwqa  (poßow, 
Z  194  xal  fiiv  ol  Avxioi  ri/biivog  jdfjLOV  f^o/ov  dXXtov. 

xaXoVf  ipvraXtfjg  xal  ce^i'^ij;',  6(fQa  v^/uoito. 
Z221  noXXol  fnkv  yuQ  Ifxol  Tqmg  xXtnoC  t'  inixovQoi, 

XTiivHv  OV  xi  d^eog  y€  noQtji  xal  noaal  xix^tto, 
Z  229  noXXol  6^  av  aol  uixaioi,  ivav(^^fiiv  |  ov  xe  dvvrjai. 
Ztitaebrift  f.  d.  ött«rr« Qtibb.  IWa.  IV.  H«fl.  \9 


t70     Hoffmann,  21.  u.  22.  Buch  der  Ilias,  uig.  v.  /.  La  Boche. 

Z  477  {ßoTi  yeviad-M)  nal^^  i^ov,  tag  xul  iyto  nnQ^  dqtnQ^nia  T^iMaat>v\ 
tuSe,  ßlviv  r'  dyad-ov,  xal  *IUov  J<fit  dvdaaeiv. 
ms — 75  v/uiv  J*  —  Iv  yuQ  taaiv  dQiarfjeg  ITavaxtuciv'  .  .  .  cT/y  — 
76  wJf  <f^  fAv&4ofiai, 
H  171  xAiJpy  vvv  nenaXccad-e  dutLtniqig'  og  xe  laxi^iv  —  (sc  /Jj^^/r«.) 
HSlb  xal  J^  TocF*  iini^ivai,  nvxtvov  J^nog' atx^  f&iXcjaiv 

navaaad-ai,  noX^fjioto  cFi-aij/^of,  dasselbe  i/394. 
S  340  /(7//a  T€  ylovTovg  t€  |j  khaaofxtvov  t€  6oxevei,  wo  sämmtlicho 

Accusative  von  ^oxevet  abhängen  sollen. 
/  129  Ataßi^ag,  «V,  ort  A^aßov  h'xxiu4vriv  llfVy  avrog  \\ 

iUXofjLTjv,  dasselbe  /  271. 
/  197  /«/^eTov*^  (f>{lot  ävdQig  Ixdvtrov,  ^  r»  fxdla  /^€ai, 
/  520  ttv6 Qag  6h  Xiaaead-cu  Iningoirixtv,  dqlaxovg  \ 

XQtvd/nevog  xard  Xaov  l^xauxoVf 
I  525  i^Qtoonf  •  ÖTB  xiv  r*y    Ini^^ifiXog  xoXog  txoi, 

6(OQi\To(  Tt  niXovTO  TtaQdQQTiTol  r'  in^taaiv. 
Man  vergleiche  noch  K  100,  356,  418,  482,  ^  658,  669,  789,  817,  M  49. 
333,  438. 

Der  Druck  ist  correct:  Druckfehler  sind  uns  im  ganzen  nur  wenige 
aufgefallen,  so  ^  342  oXo  jai  f.  oXoijai;  430  (not.)  ij  t  rj;  B  214  (n.) 
ifi^anCtag  f.  ififian^tog;  278  Wvaaevg  f.  V^vaatvg;  E  5  (n.)  v.  508  f. 
Z  508;  370  (n.)  Vcnere  natu  f.  Venere  nata;  845  iudog  f.  ^AiSog;  Z  222 
(n.)  216  f.  222;  329  rod  f.  rocF';  H  109  ovdi  tI  as  f.  ov  6i  r*  ai,  vgl. 
not.  sie  flcripsi  pro  ov6i  x(  ae  xQn ;  348  (not.)  348  f  339  {nvXag);  1 378  (n.) 
*  312  f.  (»312;  ui  211  £xTü)(>  f.  "ExTtoQ;  697  (n.)  correptio  f.  productio. 
Wir  scheiden  von  diesem  Buche,  wobei  wir  den  Wunsch  nicht  unterdrücken 
können,  dass  es  der  von  uns  persönlich  gekannte  und  hochgeschätzte  Her- 
ausgeber lieber  nicht  veröffentlicht  hätte  —  denn  zu  seinen  groXisen  Ver- 
diensten um  Homer  hat  er  dadurch  kein  neues  hinzugefügt. 
nag  av  tnm^  ^O^vafjog  iyto  &€toio  Xad-ot/nriv; 

3.  Einundzwanzigstes  und  zweiundzwanzigstes  Buch 
der  llias.  Nach  Handschriften  und  den  Scholien  herausgegeben  von 
Carl  Aug.  Julius  Hoff  mann.  1.  Abtheilung  Prolegomena.  IX  u.  315  S. 
2.  Abtheilg.  Text  und  Varianten.  102  S.  Clausthal,  Grosse,  1864.  — 
2  Thlr. 

Herr  Director  Hoffmann  .hat  bei  der  vorliegenden  Ausgabe  einen 
doppelten  Zweck  vor  Augen  gehabt:  erstens  wollte  er  jungen  Philologen 
einen  Ueberblick  über  dasjenige  geben,  was  in  der  niederen  Kritik  bei 
Homer  in  Frage  kommt;  andemtheils  wollte  er  damit  einen  Beitrag  xa 
einer  kritischen  Ausgabe  der  llias  liefern.  Diesen  doppelten  Zweck  hat  der 
Herausgeber  unseres  Erachtens  vollkommen  erreicht,  denn  er  hat  den  Be- 
weis praktisch  geliefert,  dass  trotz  der  grofsen  Verdienste  eines  F.  A.  Wolf 
und  Im.  Bekker  um  die  Homerische  Texteskritik  noch  gar  manches  rar 
Reinigung  und  Sichcrstelluag  des  Textes  geschehen  kann  und  hat  sich  nicht 
\AoCs  jüngere  Philologen,  sondern  auch  Kenner  Homers  zu  grofsem  Danke 
verpflichtet,  denn  es  enthalten   namentlich   die  Prolegomena  so  viel  in- 


Hoffmann,  21.  a.  22.  Buch  der  Rias,  ang.  y.  J,  La  Roche.      271 

teressantes  und  lehrreiches,  dass  sie  niemand  unbefriedigt  aus  der  Hand 
legen  wird.  Die  Prolegomena  zerfallen  in  vier  Abschnitte,  deren  drei  erste 
die  Handschriften  und  der  letzte  die  Scholien  zu  4>  und  X  behandeln. 
Handschriften  hat  Hoffmann  acht  benützt,  darunter  einige  der  besten:  es 
sind  der  Syrische  Palimpsest,  die  beiden  Veneti  (A  und  B),  zwei  Lauren- 
tianiy  zwei  Yindobonenses  (5  und  117)  und  der  Lipsiensis,  von  diesen  sind 
die  beiden  Laurentiani  bisher  nicht  bekannt  gewesen.  Das  handschriftliche 
Material  ist  vollkommen  ausreichend,  denn  es  kommt  nicht  darauf  an  eine 
wie  gro/se  Anzahl  von  Handschriften,  sondern  wie  dieselben  benützt 
worden  sind,  und  wenn  Heyne  sein  handschiiftliches  Material  zu  ver- 
werthen  gewusst  hätte,  so  bedürften  wir  wahrscheinlich  nicht  so  dringend 
einer  neuen  kritischen  Ausgabe  der  Ilias.  S.  3—55  erhalten  wir  eine  detail- 
lierte Beschreibung  der  einzelnen  Handschriften,  nach  17  verschiedenen 
Gesichtspuncten  (Aeufseres,  Accentuation,  v  i(f€lxvanx6v,  Gemination,  Zu- 
sammenschreibung und  Trennung,  Jota  subscriptum,  Elision,  Apokope  etc.), 
wodurch  allein  eine  richtige  Beurtheilung  derselben  ermöglicht  wird.  Im 
zweiten  Abschnitte  S.  59—86  werden  die  einzelnen  Handschriften  classi- 
ficiert:  es  werden  daselbst  zusammengruppiert  Lipsiensis  und  Vindob.  5, 
der  Laurentianus  A  und  der  Venetus  B  und  als  Mittelglieder  zwischen 
beiden  Gruppen  der  Laurentianus  B  und  der  Vindob.  117.  Für  sich  allein 
stehen  der  Syrische  Palimpsest  und  der  Venetus  A,  doch  steht  ersterer 
der  Florentiner  Gruppe  (Laur.  A.  u.  Ven.  B)  ziemlich  nahe,  während  der 
Yenetns  A  dem  Laur.  A  näher  steht  als  dem  Ven.  B.  Der  dritte  Abschnitt 
8.  89 — 186  behandelt  in  systematischer  Zusammenstellung  die  Interpunc- 
tion,  ZnsammenschreibuDg  und  Trennung,  Dialektisches  und  endlich  die 
Aooentoation  in  den  Handschriften.  Der  vierte  Abschnitt  S.  139 — 315,  der 
bedeutendste  und  umfangreichste  des  ganzen  Buches,  behandelt  die  zu  den 
beiden  Büchern  überlieferten  Scholien.  Es  würde  zu  weit  fuhren,  wenn  wir 
uns  über  alle  diese  Einzelheiten  verbreiten  wollten:  wir  rathen  jedem,  das 
Buch  selbst  durchzustudieren,  das  keiner,  der  sich  mit  Homer  beschäftigt, 
unbeachtet  lassen  kann,  und  wollen  nur  einzelnes  hervorheben,  was  wir  an 
diesem  Buche  niöht  etwa  auszustellen  haben,  denn  das  ist  äußerst  wenig, 
sondern  was  wir  noch  gerne  hinzugefügt  gesehen  hätten.  Der  Hr.  Verfasser 
möge  uns  nicht  misverstehen ,  denn  wir  gehören  nicht  zu  denen,  die  von 
einem  Buche  das  fordern,  was  nicht  zu  leisten  beabsichtigt  war,  sondern 
wir  benrtheilen  das  gegebene,  und  wenn  wir  glauben,  noch  etwas  hinzu- 
fügen zu  müssCT,  so  ist  das  kein  Vorwurf  für  den  Verfasser,  sondern  ge- 
lehieht  im  Interesse  derer,  die  das  Buch  benützen. 

Einen  Vorwurf  müssen  wir  aber  dem  Hm.  Director  Hoffmann  doch 
machen,  es  ist  der  einer  übergroften  Bescheidenheit,  die  sein  Buch  in 
einem  Theil  beeinträchtigte.  Als  uns  nämlich  Herr  H.  ersuchte,  ihm  eine 
genaue  Abschrift  der  Zwischenscholien  des  Ven.  A  zu  übersenden,  glaubten 
ivir,  es  handle  sich  nur  um  eine  kritische  Ausgabe  der  beiden  Bücher  der 
lüaf ,  wozu  diese  Scholien  allerdings  nicht  entbehrt  werden  können.  Von 
dem  Plan  des  ganzen  Buches  und  namentlich  von  dem  Umstände,  dass 
dam  diese  werthvollen  Prolegomena  gefügt  werden  sollten  und  eine  genaue 
Beschreibung  der  Handschriften  gegeben  werden  sollte,  hatten  wir  keine 

19* 


fn     Hofftnanti,  21.  u.  22.  Buch  der  Ilias,  ang.  t.  /.  La  Bodte. 

Ahnung,  wir  hätten  sonst  Hm.  H.  ein  sehr  schätzbares  Material  liefern 
können,  namentlich  in  so  weit  es  die  beste  aller  Handschriften,  den  Yen.  A 
betrifft.  Denn  dass  dieser  bei  H.  gegen  die  übrigen  Handschriften  zu  knrs 
gekommen  ist,  wird  jedem  auffallen.  Als  wir  im  Jahre  1861  den  Ven.  A 
collationicrten,  wollten  wir  denselben  mit  allen  seinen  Eigenthümlichkeiten, 
natürlich  ohne  die  Schollen ,  Buchstabe  für  Buchstabe  abdrucken  lassen 
und  richteten  danach  unsere  Collation  ein.  Allein  dieser  Plan  stieili  aof 
unüberwindliche  (besonders  technische)  Schwierigkeiten,  deshalb  standen 
wir  davon  ab  und  veröffentlichten  bloft  die  bekannte  Schrift  „Text,  Zeichen 
und  Schollen  des  Yenetus  A**^  wobei  die  Interpunction  und  einiges  andere 
gar  nicht  berücksichtigt  werden  konnte.  Wir  haben  aber  jede  Diastole, 
jedes  v(f>iv,  jeden  Punct  und  jeden  Accent,  wie  er  sich  in  der  Handschrift 
findet,  in  unserem  Exemplar  verzeichnet  und  damit  lässt  sich  noeh  man- 
ches för  die  Kritik  und  Erklärung  leisten.  Wir  hätten  mit  Yeignügen 
unsere  Collation  Hm.  H.  übersendet  oder  ihm  eine  Abschrift  davon  ge- 
geben —  nun  ist  es  nicht  mehr  möglich,  deshalb  wollen  wir  im  folgen- 
den einiges  nachtragen,  damit  der  Yenet.  A  den  anderen  Handschriften 
nicht  nachstehe. 

In  unserer  Schrift  über  den  Yen.  A  haben  wir  die  Abweichungen 
der  Schreibung  von  der  vierten  Auflage  der  Dindorf  sehen  Ausgabe  ange- 
geben: wo  keine  Abweichungen  angegeben  sind,  stimmt  die  Handschrift 
mit  der  Dind.  Ausgabe  tiberein,  aber  nicht  mit  Bekker,  wenn  derselbe  Ton 
Dindorf  abweicht,  was  öfters  überselien  ist.  Deshalb  hat  die  Handschrift 
X  109  xttTttXTiCvavra,  nicht  xKraxT^havTi  (vgl.  S.  109  und  182),  *  279 
h(}a(f\  nicht  honq"  (S.  19G),  *  110  iaavuivtag,  nicht  aanaaCtag  (S.  16i 
und  172);  kleinere  Abweichungen,  wie  z.  B.  das  fast  nie  betonte  demon- 
strative (og  und  das  apocopierte  hq  vor  vocalisch  anlautenden  Wörtern,  sind 
absichtlich  übergangen. 

S.  14  heifst  es  bei  H.,  „dagegen  wird  vielleicht  noch  einmal  m 
prüfen  sein,  ob  nicht  manche  Diastole  als  wirkliches  Interpunctionszeichen 
anzusehen  ist:  unter  den  von  La  Roche  angeführten  Fällen  haben  wir 
allerdings  nichts  der  Art  bemerkt."  Eine  nochmalige  Prüfung  dieser  Sache 
ist  nicht  nöthig,  denn  die  Diastole  findet  sich  sehr  häufig  als  Interpunc- 
tionszeichen, wir  haben  aber  absichtlich  nur  solche  Fälle  angeführt,  wo 
die  Diastole  Trennungszeichen  ist,  wie  ^/*.  vi^^vfjog  u.  ä.  S.  14.  „Wann 
am  Yersende  der  Acutus  steht,  ist  von  La  Roche  nicht  angegeben.**  S.  1B2 
„Ueber  den  Ya  gibt  uns  die  Collation  von  La  Roche  keine  genügende 
Auskunft."  ~  Wir  wollen  diese  Auskunft  für  die  beiden  Bücher  *  und  X 
geben  und  auch  die  jedesmaligen  Interpunctionszeichen  am  Yersachloase 
sufhgen. 

*  2  Zevg,  —  7  cf^  —  20  dnxrjg  —  29  vfßgovg'  —  35  arrog  — 
89  axMivg'  —  49  dx^XXfvg,  —  51  It^Qtag  —  64  TfO^rjTtbjg.  —  67  dxüiXtv^ 
—  76  (IxT^v  —  83  naTQl,  —  91  JovqC-  —  97  vtog  —  110  x^ariuii'  — 
116  oiv,  —  122  üJTfiXrjv  —  152  vfog'  —  159  (f^ai  —  161  «xMev^  — 
162  ufjL(f)kg  —  164  StanQo  —  166  ;^f*oof  —  198  xfQawov,  —  205  /tt^to- 
xo^vardg,  —  211  d^illivg,  —  215  avrol'  —  222  «jjftJUfiJf  —  226  tov  — 
229  ßovldg  -  235  vixQovg  —  236  dx^Uw'  —  243  x^Q^^^  —  ^^  ^^^  — 


HoffmoM»,  21.  a.  22.  Buch  der  Uias,  ang.  «r.  /.  La  Boche      87S 

251  ^^ft»i)y.  —  254  ;^«Axof  —  255  Uaad^iXg  —  265  a/aAfi)?  —  272  ivqvv' 
^  282  avtpoQßov,  —  289  «///ir  —  292  avTog'  —  299  ^(^«r/i^  —  318  a«5- 
fojr  —  320  «j^ttiol  —  322  ;re«<*'  —  330  vlov  —  331  y«^  —  333  noXXnv, 

—  340  cTj)  —  343  vexQovg  —  344  d/iXltus'  —  346  aXfoiriv  —  348  vexQovg 

—  359  dxiXXivi  —  366  ttiir/Lirj  —  378  viov  —  387  ;^^cüV  —  388  Civg  — 
401  xiQawog'  —  413  d/aiovg  —  415  tfauvta'  —  428  oiQoyyol  —  437  äfia- 
Xnrl  —  442  dfxipl  —  444  tvcaifTov  —  483  ywcn^l  —  492  oiaroi-  —  498 
yctQ  —  511  xtXtt^tiv^'  —  515  iQrjV  —  520  d/^XX^vg  —  528  tlXxri  —  530 
jtvXataQovg'  —  531  Xaol  —  532  d/tXXevg  —  547  avTog  —  552  &v/li6v'  — 
562  S^vfjiog'  —  586  etf^h'  —  600  iocxtog  —  608  ixrog  — 

Der  Gravis  steht,  wenn,  am  Versschlusse  keine  Interpunction  gesetzt 
ist,  80  X  3,  16,  27,  77,  115,  131,  141,  147,  149,  172,  197,  244,  268,  312, 
319,  335,  365,  370,  408,  438,  455,  505;  femer  vor  der  Diastole  X  1,  90, 
376,  418;  vor  dem  Punct  unten  X  33,  94,  116,  205,  229,  262,  306,  310, 
318,  323,  353,  500,  ausnahmsweise  der  Acut  X  102,  138,  327,  375.  Der 
Acut  steht  regelmäfsig  vor  dem  Punct  oben  X  14,  37,  55,  69,  107,  122, 
137,  182,  188,  198,  225,  227,  260,  267,  269,  292,  311,  3l6.  326,  330,  336, 
344,  357,  364,  385,  428,  448,  501,  507 ,  ausnahmsweise  der  Gravis  X  87. 
Diese  seltenen  Ausnahmen  beruhen  auf  einem  Versehen  des  Abschreibers 
lud  ein  festes  Princip  lasst  sich  hierbei  nicht  verkennen.  Auch  in  der 
Mitte  des  Verses  ist  dasselbe  Princip  zur  Anwendung  gebracht.  ^  407 
(8.  17)  hat  der  Ven.  A  ausnahmsweise  t{rj,  nicht  ri  rj.  Das  schliefslich 
(&  85)  über  die  Handschriften  gegebene  Urtheil,  dass  sie  sämmtlich  zu 
den  Moivalg  gehören  und  wir  in  keiner  derselben  die  Aristarchische  Recen- 
don  haben,  ist  richtig  und  gilt  nicht  nur  für  diese,  sondern  überhaupt  für 
alle  Homerhandschriften. 

Was  die  Interpunction  des  Venetus  betrifft,  so  dient  die  Diastole 
vorwiegend  zur  Trennung  von  Wörtern,  die  grammatisch  oder  dem  Sinne 
Baeh  nicht  zusammen  gehören,  der  Punct  oben  ist  die  stärkere  Interpunc- 
tion und  vertritt  auch  die  Parenthese  und  das  Fragezeichen,  der  Punct 
anten  ist  die  schwächere  Interpunction,  weshalb  davor  auch  der  Gravis 
mid  nicht  der  Acut  steht:  er  vertritt  sowol  unser  Kolon,  als  das  Komma, 
i  B.  y  127 

arifi^Qov'  varfQov  avrs  tu  mCffeTm.  claaa  ol  alaa 
yuvofiivt^,  in^pijae  XCvtp,  oje  /uiv  t^x€  /lh^ti^q- 
Nach  Vocativen  wird  in  der  Regel  keine  Interpunction  gesetzt,  doch  ist  hier 
and  da  davon  abgewichen,  so  in  der  Regel,  wenn  die  Anrede  voransteht, 
wie  *  99,  288,  448,  462,  X  229,  233,  239,  261,  331.  u.  o.  Nach  cS  ttotto* 
X  168,  297  steht  das  Kolon.  <P  150  ist  im  Ven.  A  interpungiert  r^g  n6&€V 
i»f,  äv^Qwy.  [6  fAtv  trXrig  dvT(og  iX&eiv    Wir  wollen  noch  eine  gröXisere 
Stelle  mit  der  vollständigen  Interpunction  hinschreiben  4>  99 — 113 
vr^n^'  fXTI  fioi  änot^va  TiKfavaxeo.  fxrid*  dyoqive 

100  nqlv  f^kv  yd()  7idT()oxXov  im  annv  alatftov  ijftocQ. 

TQtaonf  xal  noXXovg  Cf^ovg  tXov,   17 cF'  IniQaaa' 
vvv  <r*  ovx  (ad-*  oang  d-dvazov  (fvytii,  ovxt  ^togyt 
iXiov  TfQondgo^iv  ifAW  iv  X^QOl  ßdXfiuSi' 


874      Hoffmann,  21.  u.  22.  Bach  der  Uias,  ang.  t.  /.  La  Bocke. 

105  xol  TTavTtav  TQ(o(av.  ne^i^*  al  n^taf^otoye  naC^tov* 
ttlXa,  (pdog,  d-avs  xal  av'  ri  rj  6Xo(pvQBat  ovTfog' 
xard-avi  xal  nargoxlog.  Stibq  aio  noXXov  dfiitvttv' 
ovx  OQuaigf  olog  xay<ü  xaXogre.  /Lifyasre' 
naiQog  <f*  *?a'  dyad-olo'  d-tä  6ifjif.  ysCvaro  /iiiri;^* 

110  dX)^  knl  TOI  xal  i/nol  (idvaiog  xal  juoiQa  x^aTtui^' 
taamu  ri  i^ojg,  rj  ^((Xrig.  tj  /u^aov  rjf^ccQ, 
onnotirirg  xal  ifXHOf  aQrjt  ix  &vjli6v  l^XrjTtu, 
^  oye  (fovQl  ßaX(0Vf  Ij  diro  vevQrjtftv  o'iaTtii' 

Mit  Vb  hat  der  Va  die  Diastole  gemein  *  23,  80,  120,  487,  X  1,  47,  872, 
dagegen  hat  er  dieselbe  4>64  nach  ^it^e,  <j^362  mit  Vc  nach  C^r,  ^  112' 
nach  f/nfto,  und  hat  das  Kolon,  wo  der  Vb  die  Diastole  hat  X  52,  61, 
146,  362,  ebenso  X  292,  456,  femer  die  Diastole  mit  Lp  zu  X  68,  70, 
113,  dagegen  fehlt  X  97  jedes  Unterscheidungszeichen.  So  viel  zum  Be- 
weis, dass  auch  in  dieser  Beziehung  der  Yen.  A  jede  andere  Handschrift 
übertrifft. 

Zu  dem  vorzüglichsten  in  dem  ganzen  Buche  Hotoann's  rechnen 
wir  den  Abschnitt  über  die  Scholien:  was  dort  über  die  ZwischenschoUen 
und  ihre  Bedeutung  für  die  Texteskritik  gesagt  ist,  ist  richtig  und  dies 
ist  um  so  mehr  anzuerkennen,  als  Hm.  H.  nur  die  ZwischenschoUen  ni 
^  und  X  vollständig  zu  Gebote  standen.  Wir  werden  in  kurzer  Zeit  die 
Sache  ausführlicher  behandeln  als  es  hier  möglich  war  und  können  uns  in 
Bücksicht  darauf  kurz  fassen.  Athetesen  (S.  140)  werden  in  den  Zwischen* 
scholien  selten  erwähnt:  B  669,  J  149,  9  164,  189,  370,  /  23,  416,  M360, 
8  307,  O  56,  147,  231,  /7  140,  261.  Aus  Herodian  und  Nicanor  finden  sieh 
in  den  ZwischenschoUen  nur  wenige  Bemerkungen  (S.  140),  der  Name 
Herodians  kommt  nur  vor  ^  41,  J5  330,  J  308,  E  118,  909,  Z  266, 
H  171,  /  203,  X  546,  ^  754,  H  241,  249,  P  110,  V'  137,  öfters  in  Ver- 
bindung  mit  Aristarch,  selten  kommen  andere  Namen  in  den  Zwischen- 
schoUen vor.  Der  Strich  hinter  ovt(o  atfs^av  <P  542  (S.  153)  ist  kein  Accent, 
sondem  eine  nur  hier  nachlassig  bezeichnete  Abkürzung  der  Endung  oir, 
denn  dass  atfe^avcüv  auch  im  Zwischenscholion  zu  lesen  ist,  ist  aus  oürm 
ersichtUch,  welches  auf  den  Text  zurückweist,  und  in  diesem  steht  deut- 
Uch  atfidavtav  und  so  schrieb  auch  Aristarch.  X  129  (S.  164)  steht  in 
dem  Zwischenscholium  deutlich  h  aXXt^:  wo  dieses  abgekürzt  erscheint, 
haben  wir  es  in  unserer  CoUation  immer  genau  bezeichnet;  überhaupt  findet 
sich  kein  mit  h  (iXXoig  beginnendes  Scholium  unter  den  ZwischenschoUen. 

üeber  die  mit  ^ix^g  beginnenden  Scholien  gibt  Hoffmann  eine  aus- 
fÜhrUche  Erörterang  S.  177—187,  die  namentlich  gegen  unsere  Did.  S.  6 
aufgesteUte  Ansicht  gerichtet  ist.  Wir  haben  die  Sache  nochmals  einer  bis 
in's  kleinste  gehenden  Prüfung  unterworfen,  schon  ehe  uns  die  Prolego- 
mena  von  Hoffmann  vorlagen,  und  weichen  auch  jetzt  noch  von  unserer 
Annahme  nicht  im  geringsten  ab.  Wir  wollen  hier  nur  die  Resultate 
unserer  Untersuchung  geben,  um  nicht  später  noch  einmal  den  ganzen 
Beweis  wiederholen  zu  müssen.  Dass  dem  Didymus  nur  der  allergeringste 
Theil  des  kritischen  Apparates  der  Alexandriner  zu  Gebote  stand,  lisst 


Heffmannf  21.  n.  22.  Buch  der  llias,  ang.  t.  J,  La  Boche.     275 

rieh  ans  ihm  selbst  zur  Evidenz  beweisen:  er  hatte  von  den  älteren  Aus- 
gaben gar  keine  Kenntnis,  aufser  aus  den  Schriften  Aristarchs  und  seiner 
SchtQer,  ebenso  wenig  kannte  er  die  beiden  Becensionen  des  Aristarch, 
wir  meinen  die  eigenen  Exemplare  Aristarchs  (die  beiden  ^lOQ^toaivg 
jigiaraQxov) ,  ihm  standen  blofs  ix^oaetg  liQiaraQxoVf  al  liQiajttQ^ov  zu 
Gebote,  das  sind  Exemplare  der  Aristarchischen  Kecension,  die  wahrschein- 
lich von  Aristarcheem  herstammten  und  theils  nach  der  ersten,  theils  nach 
der  zweiten  Aristarchischen  Recension  copiert,  auch  wol  nach  den  Com- 
mentaren  des  Meisters  stellenweise  verbessert  sein  mochten.  Wo  Didymus 
die  MQa  toh  HgiffTttg/flün'  anführte,  hat  er  aus  den  Schriften  der  Ari- 
starcheer  seine  Kenntnis  geschöpft,  darunter  vor  allem  aus  der  bekannten 
Schrift  des  Ammonius  mgl  rrjg  iTKx^od-etaijg  ^toQ&waecjg.  Das  mehrmals 
bei  Didymus  vorkommende  ^iiillaTTov  al  Hqiotuqxov  bezieht  sich  auf  die 
Verschiedenheit  der  Exemplare  der  Aristarchischen  Recension:  dafür  nur 
gebraucht  Didymus  bei  weitem  häufiger  sein  cFi/cü^  *AQ(aTttQxog  und  ent- 
sprechend dem  ouTbjg  l4Q(aTaQxog  und  dem  blofsen  ovnog  auch  das  bloflie 
cfijfoiff,  wozu  man  HQ^arao/og  oder  al  ^AQvardQxov  zu  ergänzen  hat.  (fe/wf 
bezieht  sich  auf  keinen  anderen  Grammatiker  als  auf  Aristarch,  6ixoig  hat 
nirgends  die  Bedeutung  von  „unentschieden**  und  in  keinem  einzigen 
Falle  lasst  sich  beweisen,  dass  wo  von  einem  di/oig  in  den  Schollen  die 
Rede  ist,  eine  der  beiden  Schreibweisen  nicht  die  Aristarchische  gewesen 
sei,  wol  aber  das  umgekehrte.  6tx^g  vnrd  aber  auch  ein  paarmal  gebraucht, 
wo  es  sich  um  die  Prosodie  handelt;  diese  Fälle  sind  auszuschlief^en,  denn 
hier  kommt  nur  dasjenige  Stxoig  in  Betracht,  womit  uns  zwei  verschiedene 
Lesarten  angeführt  werden;  die  mit  6ix^g  beginnenden  Schollen  der  an- 
deren Handschriften  verdienen,  wo  sie  von  den  Schol.  A  abweichen,  gar 
keinen  Glauben.  Das  ist  in  kurzem  unser  Urtheil  über  die  Schollen  mit 
(ff/ofc,  welches  wir  uns  auf  Grund  sorgfältiger  Untersuchungen  gebildet 
haben.  Wir  hofi'en,  noch  im  Verlauf  dieses  Jahres  eine  Schrift  über  die 
Homerische  Textkritik  veröffentlichen  zu  können,  in  der  wir  dasselbe  be- 
gründen werden.  SchlicX^lich  wollen  wir  noch  erwähnen,  doss  auch  Aristo- 
nicus  (S.  192)  keine  genaue  Kenntnis  der  Aristarchischen  Lesarten  hatte, 
80  wenig  in^  Didymus,  und  dass  er  die  Ausgabe  Zenodots  nicht  gehabt 
bat  (S.  198),  was  schon  Pluygers  im  Leydener  Programm  vom  Jahre  1843 
nachgewiesen  hat.  Auf  die  von  Hoffmann  gegebene  Textesrecension  wollen 
wir  uns  hier  nicht  einlassen  und  nur  kurz  anführen,  dass  sie  eine  sehr 
gründliche  und  sorgfältige  ist  und  fast  überall  unsere  Zustimmung  ge- 
fiinden  hat  Die  Vergleichung  des  Textes  zweier  Bücher  (1126  Verse)  mit 
dem  der  Bekker'schen  Ausgabe  erfordert  nicht  sehr  viele  Mühe,  so  dass 
wir  sie  dem  Leser  überlassen  können.  Wo  von  Bekker  abgewichen  ist,  wird 
man  finden,  dass  es  nicht  ohne  Grund  geschehen  ist.  Dass  dieses  Buch  in 
uns  das  Bedauern  zurücklässt,  dass  uns  nur  eine  Recension  zweier  Bücher 
der  Hias  nnd  nicht  die  eines  gröfseren  Theiles  derselben,  wenn  schon  nicht 
die  der  ganzen  geboten  ist,  wollen  wir  nicht  verschweigen.  Möge  Hr.  Dir. 
Hoflinann  noch  Zeit  und  Kraft  finden,  uns  den  gewiss  von  allen  getheilten 
Wünsch  zu  erfüllen,  wenigstens  noch  einige  Bücher  der  Hias  in  dieser 
Weise  zu  bearbeiten.  Wir  sind  indiscret  genug  zu  verrathen,   dass  wir 


270    C.  F,  V.  Nägelabach,  AnmerkuDgeu  z.  llian,  ang.  ▼.  /.  La  Boche. 

noch  eine  kritische  Bearbeitung  der  beiden  letzten  Bücher  der  Utas  n 
erwarten  haben. 

^vv  ttv  Tovg  äXXovg  Inulaofiaif  ov  x€  xix^Cto. 

4  Carl  Friedr.  v.  Nägelsbach's  Anmerkungen  zur  Ilias. 
Dritte  vielfach  vermehrte  Auflage,  bearbeitet  von  Dr.  Georg  Auten- 
rieth.  XXll  u.  474  ö.  Nürnberg,  Geiger,  1864.  —  4  fl.  50  kr. 

Das  schon  in  seiner  zweiten  Auflage  (18Ö0)  vortreffliche  Buch  hat 
durch  die  neue  Bearbeitung  von  Autenrieth  noch  bedeutend  gewonnen,  ui» 
dem  die  neueren  Leistungen,  die  an  und  für  sich  schon  wegen  ihres  Um- 
fanges  schwer  zu  übersehen  sind,  mit  anerkennenswerther  Sorgfalt  benfltrt 
und  verarbeitet  und  theilwcise  auch  durch  eigene  Zuthaten  nicht  nner^ 
heblich  bereichert  sind.  Hr.  A.  zeigt  in  grammatischen  Dingen  gründliche 
Kenntnis  und  ein  gediegenes  Urtheil,  und  was  dem  Buche  am  meisten  la 
statten  gekommen  ist,  ist  die  stete  Bücksich tnahme  auf  die  etjmologi- 
iKjhen  Forschungen  der  Neuzeit  Wir  könnten  damit  unsere  Anzeige  schon 
Bchliefsen,  wenn  wir  uns  nicht  vorgenommen  hätten  auf  einzelne  Puncte 
naher  einzugehen  und  darunter  auch  einiges  hervorzuheben,  wo  wir  an« 
derer  Ansicht  sind. 

Per  Plan  ist  derselbe  geblieben,  wie  in  der  zweiten  Auflage,  daa 
war  auch  nicht  anders  möglich,  wenn  das  Buch  überhaupt  noch  die  An- 
merkungen Nägelsbach*s  enthalten  sollte.  Den  Fragen  der  höheren  Kritik 
war  seit  jeher  in  diesen  Anmerkungen  eine  bedeutende  Stelle  eingeräumt 
und  Hr.  A.  hatte  wohl  daran  gethan  diese-  Erörterungen  nicht  noch  um 
ein  bedeutendes  zu  vermehren,  wie  es  bei  gehöriger  Berücksichtigung  der 
neueren  Literatur  hätte  geschehen  müssen:  er  hat,  um  den  Umfang  dei 
Buches  nicht  allzu  sehr  zu  vergröfiseni ,  ein  näheres  Eingehen  auf  diese 
wirklich  brennende  Frage  vermieden  und  in  Kürze  auf  die  neueren  Lei« 
stungen  verwiesen.  Wir  gestehen  offen,  dass  uns  die  rein  subjective  Be« 
handlung  dieser  Frage  in  den  Nägelsbach'schen  Anmerkungen  gar  nicht 
zusagt }  so  lange  die  Homerische  Frage  nicht  entgiltig  entschieden  ist,  ist 
jeder  Standpunct  parteiisch,  und  da  wir  es  hier  mit  keiner  Parteischrift 
SU  thun  haben  sollen,  so  dürfte  mehr  als  ein  rein  objectives  Referat 
der  verschiedenen  Ansichten  in  diesem  Buche  nicht  gegeben  werden:  es 
war  ja  nach  der  Idee  des  verstorbenen  Verfassers  hauptsächlich  zum  Ge- 
brauche für  angehende  Philologen  und  jüngere  Lehrer  bestimmt.  Dieser 
Tadel  trifft  auch  die  Ausgabe  Fäsi's,  während  Ameis  mit  richtigem  Tact 
eine  Erörterung  dieser  Frage  vermieden  hat. 

Der  diesen  Anmerkungen  zu  Grunde  gelegte  Text  ist  der  ältoe 
Bekker'sche:  die  neuere  Ausgabe  Bekker*s  ist  wenig  berücksichtigt  und 
überhaupt  auf  die  Textkritik  kein  zu  bedeutendes  Gewicht  gelegt  —  und 
das  mit  Recht,  denn  diese  Anmerkungen,  als  Hilfsbuoh  für  das  Verständnis 
des  Dichters,  haben  es  ja  eigentlich  nur  mit  der  Erklärung  zu  thun.  Wäre 
dies  nicht  der  Fall,  so  hätte  z.  B.  ^  8  die  bestbeglaubigte  Schreibweiae 
tag  ihre  Berücksichtigung  finden  müssen,  während  r*  äg  in  den  Anmer> 
kungen  erklärt  ist.  Wo  auf  die  Kritik  Bezug  genommen  ist,  können  wir 


C.  F.  V,  Nägelsbachj  Anmerkungen  z.  Uias,  ang.  v.  /.  La  Boche.    211 

uns  duichaus  nicht  mit  allem  einverstanden  erklaren :  so  wird  z.  B.  A  W2 
gegen  die  Trennung  von  svqv  xQiforv  polemisiert  und  bemerkt,  auf  die 
Handschriften  sei  in  solchen  Dingen  nicht  das  mindeste  zu  geben,  auch 
lü  A  119  heLTst  es,  dass  in  solchen  Fragen  auf  die  Handschriften  nicht 
in  hauen  seL  Wir  erlauben  uns  die  Frage,  worauf  denn  sonst  etwas  zu 
geben  sei,  wenn  jede  weitere  Ueberlieforung  mangelt?  Aristarch  scheint 
allerdings  ivQvxQtltav  als  Syntheton  geschrieben  zu  haben,  die  Analogie 
aber  fordert  die  Trennung,  ebenso  wie  in  xa^ri  xo/notovTfg,  welches  zu  B 11 
empfohlen  wird  und  in  ßccQv  aTiviixfov,  welches  gar  keine  Zusammen- 
schreibnng  zulässt,  während  ^ax^v/^av  noch  yertheidigt  werden  kann. 
Die  Handschriften  schwanken,  der  YenetusA  trennt  meistens,  aber  unsere 
Avsgaben  schreiben  schon  seit  der  Florentina  mit  wenigen  Ausnahmen  zu- 
Hunmen  und  solcher  Erbfehler,  die  sich  seit  der  Florentina  in  unseren 
Homerischen  Ausgaben  Bürgerrecht  erworben  haben,  werden  noch  manche 
n  tilgen  sein,  ehe  wir  einen  gereinigten  Text  der  Homerischen  Gedichte 
bekommen  werden.  Dagegen  wird  B  468  mit  Eayser  die  Schreibweise  //^o- 
/Atti  und  y(vtoaxfa  als  die  bestbegiaubigte  herzustellen  vorgeschlagen,  auch 
nur  auf  Grund  der  Handschriften,  auf  die  man  dann  in  diesem  Puncte 
etwas  geben  soll.  Der  Text  der  xo^val  ist  allerdings  leicht  herzustellen, 
da  schreibe  man  aber  auch  iiXxm»^  ttaxrixuy  no^iSaXcg,  tj^ttf  xdxnvog, 
u^€ulßs  o.  a.  Entweder  sind  die  Handschriften  zuverlässig  oder  nicht  — 
dass  sie  aber  nur  in  manchen  Fällen  zuverlässig  sein  sollen,  in  anderen 
wieder  nicht»  ist  Willkür.  Für  die  Orthographie  muss  überhaupt  noch  viel 
geschehen:  dass  dies  auf  Grundlage  der  Handschriften  möglich  ist,  dafür 
sprechen  Schreibweisen,  wie  ijifl  ^,  «ttTf,  otxov  Je,  cF/uy»},  TQ(f)i],  ci&goog, 
TU  (dann),  eig  und  etg,  nicht  £?;,  h'&a  xtv,  die  sich  aus  den  Schriften 
der  alten  Grammatiker  als  die  zur  Zeit  der  Alexandriner  üblichen  noch 
erweisen  lassen.  Der  Bemerkung  zu  A  107,  dass  die  Notiz  des  Didymus 
aus  einem  anderen  Codex  in  den  Ven.  A  gekommen  sei,  worin  oire  —  ovre 
gestanden  haben  soll,  können  wir  nicht  beistimmen :  ovTayg  in  den  Scholien 
des  Yen.  A  steht  in  der  engsten  Beziehung  zum  Texte  desselben ,  es  ist 
überhaupt  die  Frage,  ob  das  ovriog  von  Didymus  ist  und  nicht  von  dem 
librariuB,  denn  es  fehlt  jedesmal  (mit  ungemein  seltenen  Ausnahmen),  wenn 
im  Texte  eine  andere  Lesart  steht.  Yiel  eher  ist  anzunehmen,  dass  das 
ouTt  im  Scholion  auf  einem  Irrthum  beruht,  so  hat  auch  Schol.  BL Y  ro 
owfi  dl^  Uyofxevov.  Wir  haben  auch  guten  Grund  zu  bezweifeln,  dass 
der  librarius  des  Yen.  A  seine  Scholien  aus  einem  anderen  älteren  Codex 
der  nias  genommen  habe.  Die  Schreibweise  TlriUldfi  iO^eXe  A211  können 
wir  nicht  gutheifsen,  der  Grund,  dass  ^iXo)  nicht  homerisch  sei,  ist  nicht 
stichhaltig;  Aristarch  hat  es  zwar  behauptet  und  auch  überall  i&^X(o  ge- 
sdirieben,  sogar  örr  *  i&^Xoav  —  es  kommt  nur  darauf  an,  ob  man  es  ihm 
glaubt,  und  wir  sind  so  &ei  mit  J.  Bekker  es  ihm  nicht  zu  glauben.  Dass 
Aristarch  A  314  Xvfiaja  ßaXXov  geschrieben  oder  belassen  habe,  lässt  sich 
nicht  beweisen  und  ist  nicht  einmal  wahrscheinlich,  denn  er  zog  am  Vers- 
ende Trochäus  und  Bacchius  vor  und  liefs  blofs  bei  viersilbigen  Formen, 
wie  ifpiXfjaa,  inaaavto,  das  Augment  fallen.  Die  Bemerkung  des  Schol.  BL 
'/fww  di  ioTt  t6  fläXXov  x«ia  aTtoxoniiv  kann  nicht  auf  Didymus  zurück- 


278    C.  F,  v.  Nägelsbadi,  Anmerkungen  z.  Ilias,  ang.  t.  /.  La  Bodte. 

geführt  werden,  sondern  ist  späteren  Ursprunges.  Der  Venet.  A  hat  mft 
anderen  Handschriften  Xv^ar'  tßaXXov  und  so  schrieb  Bekker  mit  Recht 
Dass  Aristarch  A  424  xara  Saira  geschrieben  hat,  wird  ganz  deutlich  in 
dem  Zwischenscholium  l4.Q(öTaQxog  xara  daTra  gesagt,  die  Lesart  ^;r) 
Sttixa,  die  Schol.  L  dem  Aristarch  zuschreibt,  beruht  auf  einem  Misver- 
standnis  der  Erklärung  Aristarchs  ^ro  ^k  xara  daUa  dvil  tov  Inl  daira^ 
und  neben  xara  existierte  nur  noch  die  Lesart  /nera,  die  man  dem  Zenodoi 
zuschreibt,  weil  in  der  Tabula  lliacA  Parisiensis  inerd  daTxa  (die  xo»n) 
ttvciyvtaaig)  steht.  Erweisen  lässt  es  sich  nicht,  wer  die  mo*  waren,  die 
nach  Didjmus  furd  schrieben:  wäre  es  Zenodot  gewesen,  so  hatten  wir 
im  Venetus  wahrscheinlich  die  Diple  periestigmene.  B  1  schrieb  Zenodoi 
nicht  älkoi,  sondern  tokXoi^  und  B  36  lässt  sich  nicht  nachweisen,  ob  die 
Aristarchische  Schreibweise  i/jfXXov  oder  der  Singular  If/nfXXi,  welchen 
Schol.  L  dem  Zenodot  zuschreibt,  besser  begründet  sei:  man  ist  aber  ge- 
wohnt dem  Zenodot  jede  mögliche  Willkür  zuzuschreiben,  daher  mnss  er 
geändert  und  die  Sprache  des  Sängers  in  die  Grammatik  seiner  Zeit  ge- 
zwängt haben.  Warum  blofs  o  =»  ovrog,  und  nicht  auch  ot  und  at  —  ovro«, 
avTcei  betont  werden  sollen  (B  85),  vermögen  wir  nicht  einzusehen,  leider 
fehlt  es  uns  darüber  an  Zeugnissen,  aber  in  den  Handschriften  werden  die 
Demonstrative  o,  ?,  ol',  «r  bald  betont,  bald  nicht. 

Was  unsere  CoUation  des  Venetus  betrifft,  so  scheint  ihr  Herr  A. 
keinen  rechten  Glauben  beizumessen:  dagegen  haben  wir  auch  nicht  das 
mindeste  einzuwenden,  denn  es  muss  jedermann  freistehen  zu  glauben,  was 
und  wem  er  will.  Dagegen  aber  müssen  wir  protestieren,  dass  man  uns 
die  Angaben  bei  Bekker,  Spitzner  und  Lange  entgegenhält,  von  denen 
keiner  den  Venetus  collationiert  hat:  der  einzige  von  den  dreien,  der  die 
Handschrift  in  Händen  gehabt  hat,  Bekker,  hat  nur  das  erste  Buch  ver- 
glichen (Rom.  Bl.  S.  297),  und  wo  sie  Lesarten  aus  dem  Venetus  A  an- 
führen, haben  sie  dieselben  nach  der  Villoisson'schen  Ausgabe  citiert;  diese 
ist  aber  kein  Abdruck  des  Ven.  A,  sondern  eine  eklektische  Ausgabe.  Das 
ist  zwar  manchen  bekannt,  scheint  aber  noch  nicht  allgemein  geglaubt  zu 
werden.  Abgesehen  von  orthographischen  Dingen,  z.  B.  rib  InaXXriXoiaiv 
(nicht  In"  nXXrjXoioiv,  wie  Vill.),  r  61  vnctv^Qog,  72,  93  ofxftcT*  110  ^«- 
ta/LiffOTiQOKn,  151  olVf,  160  ^i)  J\  178  fv()v  XQtian',  180  ffTror',  220  «5- 
TO)?,  279  0Ttgx\  400  tiqot^qo),  405  rovvsxa,  414  fxi&iCmy  J  88  i(pevQo$f 
E  514  u(.r  VffTttTo,  598  ar^iri,  832  nQmrjv,  wo  der  Vill.  Text  überall 
von  dem  des  Venetus  A  abweicht,  und  von  den  fehlenden  Aocenten  wollen 
wir  nur  folgendes  bemerken.  Wo  der  Venetus  zwei  Lesarten  hat,  hatVil- 
loisson  immer  nur  eine ,  und  zwar  die  von  erster  Hand  r  99  [TtiTroad^e), 
295  (utpvaad/jivot),  270  {^xtvuv),  262  (ßija(To)  und  so  meistens;  doch 
auch  die  von  zweiter  Hand,  wie  ^  542  (aiV«o),  E  216  {SutxXaaaag),  697 
dfATTvvvd-ri.  Wirkliche  Versehen  und  Irrthümer  im  Texte  der  Handschrift 
hat  Villoisson  sehr  oft  in  seinen  Text  aufgenomm<*n ,  doch  ist  dies  nicht 
tiberall  der  Fall,  wie  z.  B.  r2ö9  Mqoi,^  (httiQoig),  E  365  tßcav^v  417  <fi 
X^Iq,  390  igt4€(M,  450  «,  466  €ia6x\  489  IxiriQaovaiVy  537,  wo  dov^X 
fehlt,  706  TQrJxov  t6vt\  782  tiXotfifvot,  783  ot'  xaXanaSvov,  Wesentlich 
andere  Lesarten  als  im  Venetus  haben  wir  bei  Vill.  nicht  gefunden,  doch 


C  F.  V.  NägeUibaeh,  Anmerkimgen  z.  llias,  aog.  y.  /.  La  Roche,    870 

einiefaie  immerhin  erhebliche  Abweichungen ,  wie  6t€  iqX&ov  f&r  ortr* 
nl^or  r  189,  yiyvnat,  f.  yiCv^rtu  J  245,  xijJf«  £  156  f.  xn^i'i,  E  352 
dTrtßfjaoTo  t  djreßi^aito,  E  375  (piXo/tifietörig  f.  (fiXo/uftSrig,  E  498  o^cf* 
kpopfid-sv  f.  oiW  (f-oßrj&ev,  E  572  ^«fe  Jyo  f.  fJ«  Jüw,  ^  900  naaaont  f. 
nracracr.  Die  Verse  £  438  und  439,  die  im  Ven.  A  fehlen,  stehen  bei 
YilloiBson  und  E  783,  784  stehen  bei  ihm  in  derselben  Ordnung  wie  wir 
ne  in  unseren  Ausgaben  lesen  ^  im  Venetus  aber  in  umgekehrter.  Die 
Schreibfehler  ^vq^tiv  r  364  und  aiurjvfv  ^  129  stehen  im  Venetus  nicht. 
Diese  Collation,  wenn  man  sie  noch  so  nennen  darf,  will  man  der  unsrigen 
gegenüberstellen !  Nun  zur  Sache.  Zu  B  137  ist  bemerkt  „nach  La  Boche 
TZS.  S.  33  könnte  es  scheinen,  als  ob  im  cod.  Ven.  noTiS^y^tvai  stünde 
(was  ein  CoUator  am  Rande  dort  auch  verlangte);  doch  steht  dem  Spitz- 
ner*8  and  Lange's  Angabe  entgegen.  **  Vill.  hat  allerdings  nQoriSeyftevai 
und  es  steht  jedem  frei  zu  glauben,  dass  auch  der  Ven.  so  hat:  auch  in 
dem  Zwischenscholium  (von  keinem  Collator)  steht  nottdiy^svat  —  wozu 
soll  das  ^  auch  dienen?  Zu  r  12  helDst  es,  „die  Trennung  l7i\  levaast 
hat  schon  cod.  Ven. ,  wenn  La  Roche  TZS.  S.  35  recht  berichtet.**  Wir 
haben  aber  darüber  gar  nichts  zu  berichten  gehabt,  denn  der  Venetus  hat, 
wie  Dindorf,  inilfvaaei,  und  der  ganze  Vers  lautet  in  der  Handschrift 
Toaaov  tCot^  intUvaaei'  oaovr'  intlaav  trjaiv.  B  28  „der  Venetus  hat 
<f'  ix€lev€  nach  Lange  und  Bekker,  nach  La  Roche  TZS.  aber  a'  ixiXfvat,^ 
Der  Venetus  hat  weder  a*  fxtkeve  noch  xaQtixofxowvrag ,  so  hat  Villois- 
son,  und  B  95  hat  der  Venetus  auch  nicht  cf'  iarfva/CCiro ,  sondern  <fl 

In  Betreff  der  Erklärung  haben  wir  nur  sehr  wenig  zu  bemerken: 
A  8  verbinden  wir  ^qi^i  mit  jutixfaO^at,  nicht  mit  ^wirixe,  weil  wir  im 
Homer  bisher  noch  keinen  Dativ  des  Zieles  in  der  Weise  gefunden  haben, 
denn  x^^Q  mdli^  nia^  ist  Dativ  der  Annäherung,  vgl.  Zeitschr.  f.  österr. 
Gymn.  1864,  S.  561.  A  24  wird  &vfAm  mit  Recht  local  aufgefasst,  da- 
lagen gehört  der  Dativ  ToXai  A  58  nur  zu  /i^r/c/i/.  Zu  A  39  wird  die 
längst  über  Bord  geworfene  Schreibweise  xXviX  yiot,  angeführt,  roaaov 
A  64  haben  wir  nicht  als  Accusativ  der  Beziehung  erklärt  (vgl.  Hom.  Stud« 
8.  49),  sondern  o  r*  ist  Acc.  der  Beziehung,  es  ist  auch  S.  81  mit  ge- 
sperrter Schrift  gedruckt.  A  117  wird  dagegen  polemisiert,  dass  bei  Homer 
das  Neutrum  des  Adjectivs  im  Plural  nicht  prädicativ  gebraucht  werde: 
man  kommt  dabei  so  ziemlich  über  alle  Stellen  nothdürftig  hinaus;  die 
Sache  ist  jedoch  noch  einmal  einer  genaueren  Untersuchung  werth.  In 
h\ia  x€xlijy(6g  ist  allerdings  eine  Abweichung  in  dem  Gebrauch  zu  er- 
kennen, wenn  man  die  Stelle  mit  den  beiden  anderen  M  125  und  P  88 
vergleicht.  Dass  ^Idofitnvg  ursprünglich  anlautendes  Digamma  gehabt  habe, 
darf  aus  dem  dreimaligen  Hiatus  {B  405)  nicht  gefolgert  werden :  hätten 
wir  die  ursprüngliche  Form  dieser  Gedichte,  so  könnten  wir  allerdings 
^en  sicheren  Schluss  ziehen.  Bei  dem  Eigennamen  'EXivri  sprechen  viel 
mehr  Stellen  dafür,  dass  es  ursprünglich  consonan tisch  (entweder  mit 
IKgamma  oder  mit  a,  man  vergleiche  "ElXoi.  und  ZiXXoi)  anlautete  und 
doch  lisst  sich  r  70,  91,  161,  282,  426,  H  401  und  Sl  761  das  Digamma 
flicht  herstellen  und  in  dem  Masculinum  *'EX(vng  fordert  keine  einzige  Stelle 


t^    C.  F.  V.  NägeUbach,  AnmerkungeD  z.  nias,  ang.  t.  /.  La  BoAe. 

das  Digamma.  Wir  haben  es  demnach  entweder  mit  Gedichten  Yerschie- 
dencr  Zeiten  zu  thun,  oder  müssen  annehmen,  dass  sich  dieselben  im  Laufe 
der  Zeit  so  veränderten,  dass  in  einer  groPsen  Anzahl  von  Stellen  auch 
keine  Spur  eines  früheren  Digamma  mehr  zurückblieb,  oder  müssen  endlich 
dem  Hiatus  ein  viel  weiteres  Feld  einräumen;  denn  dass  bei  demselben 
Dichter  dasselbe  Wort  bald  consonan tischen  Anlaut  gehabt  haben  soll, 
bald  nicht,  scheint  uns  völlig  undenkbar.  Bei  den  Gleichnissen  B  455 — 488 
haben  wir  keine  Athetesc  versucht,  sondern  darin  sogenannte  Doppelfonnen, 
d.  h.  Variationen  über  dasselbe  Thema  erkannt,  die  nach  verschiedenen 
Richtungen  ausgeführt  sind :  überhaupt  sind  wir  ein  abgesagter  Feind  von 
Athetesen,  und  stofsen  grundsätzlich  nur  solche  Verse  aus,  die  sich  in  den 
besseren  Handschriften  nicht  finden,  r  176  haben  wir  t6  nicht  als  Acc 
des  Inhaltes,  sondern  als  Bezichungsaccusativ  aufgefasst.  Dass  7^396 — 418 
von  Aristarch  obelisiert  wurden,  beweisen  die  Obcli  im  Venetus,  desgleichen 
die  Bemerkungen  des  Aristonicus  zu  unserer  Stelle  und  zu  J  208,  wo  statt 
€lxoai  zu  schreiben  ist  tfxoai  jQHSt  und  Schol.  cT  12.  Zu  Jr438  haben  wir 
die  Bemerkung  gefunden,  dass  wir  diese  Stelle  und  3  104  in  unseren 
Hom.  Studien  übersehen  hätten  —  das  wäre  allerdings  unverzeihlich,  aber 
die  beiden  Stellen  sind  nicht  übersehen,  sondern  stehen  S.  229  und  231, 
wovon  sich  jeder  überzeugen  kann. 

Dass  die  wenigen  Ausstellungen,  die  wir  machen  zu  müssen  geglaubt 
haben,  dem  Werth  des  Buches  keinen  Eintrag  thun,  brauchen  wir  wol 
kaum  zu  erwähnen :  wo  wäre  denn  auch  ein  Buch ,  mit  dem  sich  jeder  in 
jeder  Hinsicht  einverstanden  erklären  könnte?  Das  Buch  ist  rein  und  sorg- 
faltig gedruckt,  wir  haben  nur  drei  Druckfeliler  gefunden,  die  sich  kaum 
noch  als  solche  bezeichnen  lassen. 

Schliefslich  bringe  ich  noch  eine  Bitte  vor,  die  meine  Person  be- 
trifft Ich  habe  nämlich  einen  Doppelgänger,  Herrn  Paul  La  Roche  auB 
München,  der  sich  auch  mit  Homer  beschäftigt,  mit  dem  ich  schon  öfters 
verwechselt  worden  bin,  so  auch  in  diesem  Buche  S.  100  und  S.  114:  da 
ich  in  dem  Buche  sehr  oft  erwähnt  werde  und  P.  La  Roche  nur  an  diesen 
beiden  Stellen,  aber  ohne  Vorname,  so  könnte  man  glauben,  die  beiden 
hier  namhaft  gemachten  Athetesen  seien  von  mir:  es  ist  mir  aber  nie  ein- 
gefallen an  diesen  beiden  Stellen  Anstofs  zu  nehmen  und  ich  wünsche 
darum,  dass  man  für  solche  Fälle  meine  Person  nicht  mit  einer  anderen 
verwechselte.  Auch  Hrn.  Düntzer  ist  dies  in  seiner  Schrift  „Aristarch**  be- 
gegnet: und  nachdem  er  mich  in  der  Person  meines  Doppelgängers  ordent- 
lich zurecht  gewiesen  hat,  gibt  er  mir  den  Rath,  mich  nicht  mit  den  Fra- 
gen der  höheren  Kritik  zu  befassen,  weil  ich,  wie  ich  es  mir  in  ehrliches 
Deutsch  übersetze,  davon  nichts  verstehe  und  mich  lieber  mit  der  Erfor- 
schung des  Homerischen  Sprachgebrauches  abzugeben,  worin  ich  noch  etwas 
XU  leisten  im  Stande  seL  Herr  Düntzer  mag  von  seinem  Standpnncte 
nicht  so  unrecht  haben,  denn  ovx  itfjut  navra  &€ol  Soaav  avS-^notcw 
sagt  der  Dichter.  Das  wird  mich  aber  doch  nicht  abhalten,  nächstens  anf 
einem  anderen  Gebiete  einen  Versuch  zu  machen,  auf  welchem  sich  Herr 
Düntzer,  wie  seine  Ausgabe  der  Odyssee  beweist,  keine  Lorbeeren  ge- 
sammelt  hat. 


G,  Ahlhory,  Zur  Erkl&rang  griech.  Clasriker.  281 


5.  Zur  Erklärung  griechischer  Classiker.  Von  6.  Ah  1- 
bory.  16  S.  Greifiwald,  K.  Scharff,  1863.  —  4  Sgr. 

In  diesem  kleinen  Schriftchen  werden  auch  vier  Stellen  aus  Homer 
besprochen,  zuerst  y  91  fjivTjaTiJQiaatv  ae&Xov  KKUTm',  wo  das  Epitheton 
in  der  Bedeutung  «unverletzbar,  unantastbar",  d.  h.  unausfechtbar 
gefjAsst  wird,  indem  durch  denselben  die  Aufgabe,  welche  in  ihm  gestellt 
wird,  nicht  gelöst  ist.  Hätte  Antinoos  dies  sagen  wollen,  so  hätte  der 
Dichter  tf-  96  nicht  hinzusetzen  dürfen,  dass  Antinoos  die  Hoffnung  hegte 
selbst  den  Bogen  zu  spannen  und  so  die  Aufgabe  zu  lösen.  Unter  den 
V.  91  genannten  Freiem  meint  eben  Antinoos  alle  übrigen,  nur  nicht  sich 
selbst,  und  gerade  ihm  wurde  der  Wettkampf  zuerst  verderblich,  wie  der 
Dichter  V.  97  bemerkt.  Darin  liegt  aber  die  Ironie  der  ganzen  Stelle, 
dasB  dem  Antinoos  zuerst  das  widerföhrt,  was  er  den  anderen  Freiem, 
wenn  auch  nicht  in  dieser  Weise,  zugedacht  hatte.  Der  Schaden  für  die 
anderen  Freier  ist  eben  der,  dass  sie  den  Bogen  nicht  werden  spannen 
können  und  somit  auch  die  Penelope  nicht  zur  Gattin  erhalten.  Unschäd- 
lich ist  der  Kampf  für  die  Freier  nicht,  dagegen  spricht  schon  das  be- 
gründende ynQ  (denn  ich  meine,  es  wird  nicht  leicht  sein,  den  Bogen  zu 
spannen).  VieUeicht  lässt  sich  daarov  in  der  Bedeutung  „verderblich,  un- 
heilvoll" etymologisch  begründen,  ich  weifs  keine  andere  Deutung,  die 
dem  Sinne  dieser  SteUe  anzupassen  wäre,  und  auch  zu  dem  Wasser  des 
Styi  passt  dieses  Epitheton.  Herr  Ahlbory  meint  freilich,  dass  alle  anderen 
etwa  noch  aufser  Buttmann  und  Voss  „achmählich  geirrt  hätten"  — 
nur  von  sich  meint  er  es  nicht,  da  dürfte  es  aber  am  ehesten  der  Fall 
lein.  —  Die  zweite  besprochene  Stelle  ist  das  bekannte  xQrjrfJQccg  (niaT^ipavro 
TfOToio  und  xQrjTfj()ag  i7i€aT€(f^ag  oTvoto.  Wir  erfahren  hier  nicht  mehr, 
als  wir  ohnehin  schon  wissen,  dass  das  Verbum  die  Bedeutung  von  InXri- 
(KüaavTo  habe  (so  auch  Fäsi  und  Ameis  zu  u  148),  die  Deutung  des 
SehoL  BL  zu  ^470  und  die  Erklärung  des  Paraphrasten  zu  dieser  Stelle 
,bifl  zum  üeberlaufen  füllen"  ist  schon  längst  als  abgethan  zu  betrachten. 
Darauf  folgt  die  Erklärang  einer  bekanntlich  sehr  schwierigen  Stelle  *  126 
d-^axwv  tig  xara  xv/lik  jti^Xcctvav  (fQix*  vTiat^n,  (oder  inalv^u)  fx^ve, 
OS  x£  (f^yr^ai  Avxaovog  aQyirn  drjjuov.  Herr  A.  beginnt  dieselbe  mit  den 
Worten:  „Da  meine  Vorgänger  sämmtlich  meines  Erachtens  sich  selbst 
widerlegen,  so  möge  hier,  kurz  und  einfach,  nur  meine  Auffassung  der 
Stelle  gegeben  sein."  Parturiunt  montes  —  nun  folgt  eine  Erklärung,  welche 
allerdings  noch  keinem  der  Vorgänger  des  Herrn  A.  in  den  Sinn  gekom- 
men ist,  denn  so  viel  Griechisch  verstehen  sie  alle,  dass  ihnen  so  etwas 
nicht  einfaUen  kann.  Es  wird  nämlich  verbunden  &QO)ax(ov  virakii^fi  (denn 
W)  muss  geschrieben  werden)  und  xard  nicht  blofs  zu  xv/na^  sondem  auch 
la  if'Qtx^  bezogen,  oder  vielmehr  noch  einmal  davor  wiederholt  und 
übersetzt : 

Hüpfend  wird  durch  Gewoge,  durch  schwärzliche  WaUung  entweichen 
Mancher  Fisch,  der  genof«  von  Lykaons  weitelichem  Fette. 


S8S  Ä,  Kcifbe,  De  suffizo  d'iv  etc.,  ang.  t,  J.  La  Boche» 

Wir  möchten  bloJTiB  das  eine  wissen,  warum  der  Fisch  gerade  hfipfend  ent- 
weicht? Wird  d-QvjGxonf  v7talv^€i  als  ein  Begriff  gefasst,  so  moss  ver- 
bunden werden  vnalv^€i  xard  xvfia,  dies  kann  sprachlich  nicht  bedea- 
ten  nwird  durch  Gewoge  entweichen**,  d;  x€  if-ayi^oi  kann  wol  mchti 
anderes  bedeuten,  als  der  (=  wenn  er)  gefressen  haben  wird ,  wie  überall 
der  Coi^unctiv  des  Aorists  mit  uv  nach  vorausgegangenem  Futurum,  so 
dass  das  (fayeiv  der  Zeit  nach  früher  stattfindet  als  das  vnataanv  oder 
vnaXvaxHv,  Vielleicht  wird  Herr  A.  sich  wenigstens  der  Schwierigkeiteii 
dieser  Stelle  bewusst  werden,  wenn  er  das  in  meinen  Hom.  Stud.  S.  123 1 
bemerkte  aufmerksam  durchliest:  wir  haben  offen  gestanden,  dass  wir  die 
Schwierigkeiten  nicht  zu  beseitigen  im  Stande  sind  und  zur  Athetese  ge- 
rathen,  wovon  wir  aber  wieder  zurückkommen,  denn  dass  wir  die  Stdle 
nicht  verstehen,  ist  noch  kein  Grund  sie  zu  verwerfen,  auch  wenn  das  « 
in  vncCtUi'  hier,  wie  sonst  nirgends,  kurz  ist.  Zur  Belehrung  empfehlen 
wir  Heim  A.  auch  das  neuerdings  von  Hoffmann  zu  dieser  Stelle  bemerkte, 
wo  wir  aber  die  Auffassung  von  og  x€  (pnyriat  „um  zu  verzehren**  nicht 
billigen  können.  —  Die  vierte  Stelle  */'871  schreibt  A.  ihaQ  Srj  oiarov  ?/«y 
naXttf  wV  r»^«^'*i'  und  erklärt  „aber  den  Pfeil  hielt  er  längst  (in  Bereit- 
schaft) ;  SO  (solchergestalt,  solchem  nach,  so  gerüstet  und  vorbereitet)  rich- 
tete er  (ihn,  den  Pfeil),  zielte  er."  Ein  solches  uig  findet  sich  bei  Homer 
nicht,  es  müsste  dann  ^TiHTa  stehen.  Wir  haben  auTserdem  zwei  Varian- 
ten zu  dieser  Stelle,  die  in  Betracht  gezogen  werden  müssten.  Es  folgen 
noch  Erklärungen  einiger  Stellen  aus  Aeschylus  und  Sophokles,  wogegen 
sich  auch  Bedenken  erheben  liefsen  —  doch  wir  haben  es  hier  nur  mit 
Homer  zu  thun. 

6.  De  suffixi  d-ev  usuHomerico  commentatio,  scripsit 
Dr.  Alexander  Kolbe.  56  S.  Greifswald,  R.  Scharff,  1863.  —  '/,  Thlr. 

Diese  Schrift  enthält  in  sieben  Abschnitten  die  Untersuchung  über 
die  Grundbedeutung  dieses  Suffixes,  über  die  Form  desselben  {&€v  und  ^<), 
über  die  Bildung  dieser  Formen  und  die  Aufzählung  der  mit  ^ev  gebil- 
deten Nominal-  und  Adverbialformen.  Der  achte  Abschnitt  enthält  das 
Endresultat  der  Untersuchung.  Das  Suffix  &€v  (Sanscr.  tas,  Lat.  tus)  be- 
zeichnet das  Woher,  das  Ausgehen  von  etwas,  und  die  mit  demselben  ge- 
bildeten Formen  sind  Ablative.  Andere  fassen  sie  als  Genetive,  indem  sie 
damit  fälschlich  den  local  gebrauchten  Genetiv  zusammenhalten,  wie  ^ 
ovx  "l^ijyeog  ^(v  oder  niö(oto  ^mxi/u€v  u.  ähnl.  Diese  Ansicht  wird  von 
Eolbe  mit  Recht  zurückgewiesen,  aber  dabei  vermögen  wir  doch  eine  ge- 
wisse Einseitigkeit  nicht  zu  verkennen,  wie  sie  jedes  allzu  strenge  Fest- 
halten an  einem  bestimmten  Princip  mit  sich  bringen  muss.  Es  g^bt  näm- 
lich Stellen,  wo  die  mit  &tv  gebildeten  Formen  weiter  nichts  als  Genetive 
sind,  so  ist  "Mrjd^ev  fxeS^m'  =  7^1??,  wie  schon  Aristarch  erklärte,  analog 
dem  KvXXrivrig  ^€^iovTa  Hymn.  XVDI,  2.  Desgleichen  müssen  wir  in  nQVfxvri- 
^ev  Xdßev  O  716  einen  Genetiv  erkennen,  ka^ßdvHv  mit  nno  oder  ^x  ist 
nicht  griechisch  und  damit  lässt  sich  auch  die  Construction  mit  Ix  bei 
Verben  des  Hängens  oder  Anbindens  nicht  vergleichen,  während  die  Ver- 
bindung ganz  analog  ist  mit  XnßfTv  oder  ^x^iv  nv«  ;^f ^oc.  Auch  ^M^ev  ist 


A.  KMe,  De  soffixo  <^tv  etc.,  ang.  t.  J.  Xa  Roche,  f8S 

nichts  anderes  als  temporaler  Genetiv  gleich  iiovg,  welches  ebenfalls  bei 
Homer  Torkommt  Die  Pronominalformen  ifiid^Bv,  a^d^tv  und  l^^y  sind  gans 
Genetive  geworden  ^d-tv  efvexa,  Ifiid-^v  ^vvig,  itkka  fioi  alvov  ä^og 
ai^iv  iaatrcu,  xQsCaaatv  dg  i/n^&ev.  Und  warum  sollten  denn  nicht  die 
Formen  auf  ^<r  ebenso  gut  zu  Genetiven  geworden  sein ,  da  dieser  Casus 
im  Griechischen  zur  Hälfte  an  die  Stolle  des  alten  Ablativs  getreten  ist? 
denn  das  causale  Verhältnis,  wofür  die  Lateiner  den  Ablativ  gebrauchen, 
bezeichnet  der  Grieche  mit  dem  Genetiv.  Deshalb  ist  zwar  ein  xQtfaaofv 
ift^d'iv  noch  ursprünglicher  als  ifiov  und  ebenso  dno  TQoirj&tv  ursprüng- 
licher als  dno  TQoirjg^  aber  bei  Homer  sind  beide  Formen  schon  Genetive. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  a^&€v  «^fy/^w,  denn  der  causale  Genetiv  ist 
eigentlich  ein  Ablativ,  ebenso  ist  oi&ev  xrajuivoio  /wAo;^*/'?  causaler  Gene- 
tiv, der  die  Stelle  des  ursprünglichen  Ablativs  vertritt.  Die  Sache  wird 
noch  deutlicher  durch  den  Vergleich  lateinischer  und  griechischer  Aus- 
drucksweisen ,  z.  B.  mutare  aliquid  aliqua  re,  (t/netßeiv  rC  xivog,  dignus 
aliqna  re,  a^i^og  rivog^  gaudere  aliqua  re,  /a{Q€iv  xivog^  mirari  de  aliqua 
•re,  ^vfiaCiiv  Ttvog,  abundare,  carere  implere  aliqua  re,  y^/udv,  ivnoQuv^ 
itiv,  OTTttv^Cftv,  nXriQov^'  Ttvog,  abstinere  aliqua  re ,  aTi^/fa&ai  rtvog, 
melior  patre,  nargog  a fit  (von;  und  auch  der  griechische  Genetiv  absolutus 
ist  in  den  meisten  Fällen  causal  und  entspricht  dem  lateinischen  Ablativ. 
Wir  bleiben  also  dabei,  dass  die  Formen  auf  i^iv  ursprünglich  Ablative 
waren,  theilweise  aber  im  Laufe  der  Zeit  zu  Genetiven  geworden  sind,  und 
lihlen  dazu  auch  schon  alle  Stellen,  wo  eine  Präi)osition  (meist  ^|  oder 
ano)  bei  diesen  Formen  steht,  welche  S.  14  und  15  aufgezählt  sind.  Etwas 
dürftig  ist  die  Behandlung  derjenigen  Stellen  ausgefallen,  an  denen  das  v 
des  Suffixes  wegfallt:  es  war  dem  Verfasser  wol  auch  nicht  möglich  diese 
Frage  gründlicher  zu  erörtern,  wegen  Mangel  eines  ausreichenden  kritischen 
Apparates:  es  kommen  hier  namentlich  zwei  Stellen  in  Betracht  ü.  492 
Tqo£n&€  fioXovra,  wo  der  von  zweiter  Hand  geschriebene  Ven.  A  TQotrj&ev 
hat  und  ovQavod^ev  nqovtfaivs,  wozu  wir  das  wahrscheinlich  Didymeische 
Scholium  x^Q^^^  ^^^  ^  ^^  ovQuvoS-ev  haben,  denn  dass  Aristarch  ovgavod-c 
geschrieben  haben  kann ,  beweisen  seine  Schreibweisen  xo/niae  xQot'  3  456, 
^QX^  llQo^og  B  756  und  viele  andere,  die  Did.  S.  13  angeführt  sind.  Aus 
Eustathius  ist  für  diese  Frage  nichts  zu  gewinnen,  noch  weniger  aus  sei- 
nem Schweigen  etwas  zu  schlieüsen,  denn  uns  stehen  bekanntlich  viel  bessere 
Hilfsmittel  zu  Gebote,  als  sie  der  Erzbischof  von  Thessalonice  gehabt  hat, 
und  von  der  Ueberschätzung  des  Eustathius,  wie  sie  im  vorigen  Jahrhundert 
•tattgefunden  hat,  sind  wir  glücklicherweise  abgekommen. 

Diese  wenigen  Ausstellungen  sollen  übrigens  den  Werth  dieser  Ab- 
handlung nicht  im  mindesten  herabsetzen.  Die  Schrift  ist  correct  gedruckt, 
nur  müssen  wir  bei  dieser  Gelegenheit  bemerken,  dass  das  S.  28  und  29 
an  die  Stelle  des  griechischen  Z  gesetzte  lateinische  C  in  CxvXlri  ein  an 
den  griechischen  Druck  gewöhntes  Auge  empfindlich  beleidigt. 

Wien.  J.  La  Roche. 


284     LaUmann  o.  MiOler,  Lat.  Grammatik,  ang.  ?.  L,  Vielkaber. 


Lateinische  Grammatik  für  alle  Classen  des  Gymnasiums,  von 
Dr.  J.  Lattmann  und  H.  D.  Müller.  Zweite  vermehrte  nnd  Ter- 
besserte  Auüage  des  von  Dr.  Lattroann  herausgegebenen  Lembachea. 
XVI  u.  320  S.   Göttingen,  Vandenhoek  u.  Ruprecht,  1864.  —  %  Thir. 

Indem  wir  über  zwei  die  vorliegende  Grammatik  begleitende  Bücher 
abgesondert  sprechen  werden,  sehen  wir  davon  ab,  dass  sie  in  eine  thefl- 
weise  Beziehung  zu  Lattmann's  lateinischem  Lesebuche  gesetzt  ist;  xomal 
diese  Beziehung  ohnehin  so  äufscrlich  ist,  dass  sie  das  Wesen  der  Gram- 
matik nicht  im  mindesten  berührt,  und  gehen  für  jetzt  bloDs  an  die  Be- 
sprechung der  latcinisclien  Grammatik. 

Die  Behandlung  der  Formenlehre  ist  wegen  ihrer  vernünftigen  Be- 
schränkung zu  loben;  was  sich  irgend  aus  derselben  der  Syntax  zuweisen 
liefs,  ist  seinem  eigentlichen  Platze  wieder  gegeben,  aus  dem  das  Streben 
anderer  gleich  beim  Erlernen  der  Formen  mancherlei  syntaktische  Begriffe 
mitzunehmen  es  entfernt  hatte.  In  wie  weit  das  neueste  Werk  Über  latei- 
nische Formenlehre  von  Neue  ')  benutzt  ist  oder  hätte  benutzt  werden 
sollen,  kann  Koferent  nicht  angeben,  da  er  dasselbe  erst  nach  der  inhalt- 
reichen  Anzeige  von  C.  F.  Müller  in  den  Jahrbüchern  für  Philologie  und 
Pädagogik  XCl.  S.  45—54  kennen  lernte. 

Die  Darstellung  der  Syntax  ist  von  der  gewöhnlichen  Weise  weit 
abweichend.  Die  Verfasser  sind  bemüht  gewesen,  die  wissenschaftlichen 
Forschungen  nicht  blofs  insofeme  zu  verwerthen,  dass  die  Facta  richtig 
angegeben  sind,  sondern  sie  haben  besonders  in  der  Darstellung  der  Bection 
des  Verbums  und  der  abhängigen  Sätze  auch  eine  strenge  Methode  durch- 
zuführen versucht.  Wir  sind  die  letzten,  die  einem  solchen  Versuch  sich 
entgegenstellen,  aber  die  Art  der  Durchführung  will  uns  nicht  Überall  ge- 
fallen. Wir  werden  im  folgenden  an  einigen  auffalligen  Beispielen  zeigen, 
dass  die  noth wendige  Umgestaltung  der  wissenschaftlichen  Entwickelangen, 
wie  sie  in  den  Anmerk-ungen  Haase's  zu  Rcisig's  Vorlesungen,  die  noch 
immer  das  bedeutendste  auf  diesem  Gebiete  sind,  oder  in  der  bekannten 
Abhandlung  Hoffraann's  über  die  Zeitpartikel  vorgeführt  werden,  in  die 
dogmatische  Schulsprache  noch  nicht  gelungen  ist.  Aus  diesem  Grunde 
halten  wir  das  Buch,  so  sehr  wir  es  sonst  schätzen  und  jedem  Lehrer 
empfehlen  möchten  sich  mit  demselben  vertraut  zu  machen,  für  den  G^e- 
brauch  der  Schüler,  wenigstens  unserer  Gymnasien,  vorläufig  für  an- 
geeignet. Doch  werden  in  den  folgenden  Auflagen  wol  die  Herren  Verfasser 
diesen  Uebelstand  entfernen. 

Das  Schema  der  Syntax  ist  folgendes:  I.  Einfacher  Satz:  1.  'Ueber- 
sichtliche  Lehre  vom  einfachen  Satz*  enthält  Erkläningen  der  grammatischen 


*)  Formenlehre  der  lateinischen  Sprache  von  Friedrich  Neue.  Zweiter 
Thcil.  Mitau,  1861.  Der  erste  Theil  (Declination  der  Substantive 
und  die  Elementarlehre)  und  ein,  wie  es  scheint,  beabsichtigter  dritter 
über  Wortbildungslehre,  sind  noch  nicht  erschienen.  Dieses  wichtige 
Buch  ist  den  Gymnasialbibliotheken  angelegentlichst  zu  empfehlen. 
Die  Benutzenden  mögen  jedoch  früher  die  oben  genannte  Recenslon 
von  C.  F.  W.  Müller  zur  Hand  nehmen. 


LaUmann  u.  MuUer,  Lat.  Grammatik,  ang.  y.  L.  Vidhaber,    t8S 

Beieichnongen  für  die  Anfänger  berechnet,  während  das  meiste  wieder 
ausflihrlich  in  der  Congmenz-  nnd  Casuslehre  vorkommt.  Der  Absatz  scheint 
nnndthig,  da  die  nöthigen  Vorkenntnisse  der  Unterricht  im  Deutschen  zu 
vermitteln  hat  Es  folgt  2.  Acc.,  Dat.,  Gen.,  Abi.  3.  Congruenz,  Nominales 
Prftdicat,  darunter  die  Lehre  vom  Infin.  und  Accus,  c.  inf.,  Gerund.,  Supin., 
endlich  Grenera  VerhL  —  II.  Der  zusammengesetzte  Satz:  1.  Begriff  von 
Coordination  und  Subordination,  Eintheilung  der  Satzglieder  nach  dem 
Gedankenverhältnis,  die  nicht  weiter  verwerthet  wird  und  darum  überflüssig 
ist  2.  Tempora.  3.  Consec.  tempor.  4.  Modi,  enthält  Ind.  Conjunct  in 
Hauptsätzen,  in  Nebensätzen,  woran  sich  die  Behandlung  der  einzelnen 
Satzarten  reiht:  Fragesätze,  Orat.  obliqua,  Final,  Consecutiv,  Causal,  Re- 
lativ, Temporalsätze,  Sätze  mit  cum,  Bedingungssätze,  Concessivsätze,  Yer- 
gleichsätze.  Als  Anhang  erscheint  ähnlich  wie  in  manchen  gpriechischen 
Grammatiken:  Eigenthümlichkeiten  im  Gebrauch  des  Pronom.  relat.  und 
der  Negationen.  Dass  die  Verfasser  alle  die  verschiedenen  Anhänge,  die 
sich  sonst  finden,  Metrik,  £[alender,  Metrologie,  Abkürzungen  u.  s.  w. 
weggelassen  haben,  ist  an  sich  richtig  und  consequent;  doch  kennen  lernen 
soll  der  Schüler  diese  Dinge,  und  wenn  er  sie  nicht  im  Lexikon  oder  in 
der  Grammatik  zusammenhängend  dargestellt  findet,  muss  er  sie  in  einem 
eigenen  Buch  kaufen,  das  ihm  noch  einige  Jahre  sonst  unbenutzt  ist 
Geradexn  verfehlt  ist  es,  dass  die  Verfasser  die  Prosodik  ganz  ausge- 
schlossen haben.  —  Auch  ein  Index  wäre  wünschenswerth.  Denn  erstens 
gerade  einer  so  vielfach  vom  gewöhnlichen  Geleise  abweichenden  Grammatik 
wird  sich  nicht  blofs  der  Schüler,  sondern  auch  der  Lehrer  bedienen,  und 
wamm  wollen  wir  selbst  dem  sich  auf  die  Leetüre  vorbereitenden  Schüler 
nicht  erlauben,  Einzelheiten,  die  oft  unter  verschiedenen  Rubriken  stehen 
können,  mittels  des  Index  schneller  zu  finden?  Was  er  ohne  dies  Mittel 
vk  finden  weiXk,  sucht  er  gewiss  nicht  mittels  des  Index.  Die  Verfasser 
mOgen  also  nur  ihr  S.  V  gegebenes  Versprechen  halten. 

Wir  wollen  nunmehr  kurz  bezeichnen,  was  uns  in  der  Congrueni 
und  Casuslehre  aufilllig  gewesen,  um  etwas  länger  bei  der  Lehre  vom 
Verbum  (wir  gebrauchen  der  Kürze  wegen  die  geläufigen  für  dieses  Buch 
eigentlich  nicht  passenden  Bezeichnungen)  verweilen  zu  können.  §.  28,  s. 
EUendt-Sejffert  S.VI  ff.  —  §.  30.  'Regel*  ist  es  nicht,  dass  Adjectiva  ab- 
hängige Nomii\a  im  Genitiv  haben,  man  denke  an  den  Dativ.  —  §.  35. 
Der  Genit  quant  ist  vom  partit.  rieht  geschieden.  ~  §.  35  e,  Anm.  2. 
Dass  statt  des  Gen.  part  (eigentlich  der  Classe  bei  Eigennamen)  ex  stehen 
muss,  ist  nicht  richtig,  vgl.  unsere  Bemerkung  in  dieser  Zeitschrift  1865, 
S.  163  t  Merkwürdig  ist,  dass  in  einem  so  auf  systematische  Form  be- 
rechneten Buche  interest  und  refert  vom  Gen.  hinweg  in  einem  der  Casus- 
lehre nachgestellten  Nachtrag  'Construction  einiger  Impersonalia  mit  ver- 
schiedenen Casus'  §.  62  verwiesen  ist.  Wir  sehen  nicht  einmal  einen  prak- 
tischen Zweck.  —  Für  den  Ablativ  sind  die  VerfaHser  wenigstens  theilweise 
Localisten  S.  111.  Er  soll  zunächst  bedeutet  haben  das  Wo?  Woher?  Wo- 
mit? Der  erste  Gebrauch  soll  auf  die  Zeit,  der  zweite  auf  Ursprung  und 
MaAi,  der  dritte  auf  Art,  Qualität  und  Mittel  übertragen  sein,   aus  allen 

ZctIMlirift  t  d.  öfterr.  Gymo.  lW&.  IV.  Heft.  20 


t80     LaUntann  u.  MäUer,  Lat.  Grammatik,  ang.  ▼.  L,  Vielhaber. 

drei  Grandbedeutungen  soll  der  Abi.  causae  hervorgehen  nnd  fthnlich  ra 
jedem  Abi.  ein  prädicatives  Attribut  treten  können ,  Abi.  absoL  Das  letit« 
ist  sehr  richtig  bemerkt;  aber  sollte  denn  nicht  gerade  die  den  VerfiMsem 
nicht  entgangene  Universalitat  des  Abi.  c&us.  den  Wink  geben,  dass  die 
Bezeichnung  der  cansa  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  die  Gmndbedeataiig 
des  Ablat.  ist?  Damach  wtlrde  sich  nattirlich  die  ganze  Anordnung  indem. 
—  §.  59  Anm.  Es  ist  nnr  zu  sagen:  Tor  te  steht  auch  abs'  —  §.  74 
Es  war  wol  ipse  und  quisque  innerhalb  eines  Abi.  absol.  oder  eines  Genind. 
zu  erw&hnen,  vgl  Nägelsbach  Stil.  S.  263.  —  Eine  sehr  beachtenswerühe 
Partie  ist  §.  75.  Tr&dicatives  Attribut  und  pradicative  Apposition*,  niir 
ist,  wenn  man  auch  sonst  übereinstimmt,  in  Sätzen  wie  Darium  regem 
saiutant  nicht  eine  pradicative  Apposition,  sondern  förmliches  Nominal- 
prädicat  Denn  während  in  Hercules  ceruam  uiuam  cepit  die  Hiischknh 
nicht  durch  das  Fangen  zur  uiua  wird,  wird  Darius  erst  Eonig  durch  das 
scUut^tre  der  Grofsen,  vgl.  §.  74,  1.  Femer  haben  wir  nirgends  die  parti- 
tive  Apposition  erwähnt  gefunden.  —  Wenn  §.  77  vom  Partie,  als  piidicft- 
tivem  Attribut  gehandelt  ist,  so  sollte  §.  78  nicht  vom  Part  prfts.  bei  den 
Verbis  des  Sehens  und  Hörens  allein  die  Rede  sein,  sondern  auch  habere, 
tenere  u.  a.  mit  Partie,  perf.,  ebenso  von  ueUe  cupere,  ferner  vom  Partie. 
fut  pass.  bei  tradere  u.  ä.  ebenfalls  hier  gehandelt  sein,  vgl.  §.  90  e. 
Eigcnthümlich  wird  der  Infinitiv  behandelt.  Zuerst  wird  §.  79  fL  der  In- 
finitiv als  Prädicat',  d.  h.  der  anf^s  Subject  bezogene  Nominativus  com 
infin.  und  der  auf's  Object  bezogene  Accus,  cum  infin.  behandelt,  dann 
erst  §.  86  kurz  der  Infinitiv  an  sich  behandelt,  fast  nur  durch  Yerwei- 
sungen.  Die  hier  versuchte  Form  den  Infin.  zu  erklären,  trägt  die  Zeichm 
des  fehlerhaften  schon  in  sich.  So  wenn  unter  den  *Infin.  als  Piildicat* 
eingereiht  werden  muss  'Accus,  cum  infin.  als  Subject*,  §.  85,  worauf  jeden- 
fiills  §.  86  a  zu  beziehen  war.  Femer  sind  die  Verfasser  mit  sich  selbst 
im  Widerspruch.  §.  4  scheinen  sie  den  Infin.  mit  verbis  auxüar.  ftr  einen 
Begriff  zu  nehmen,  §.  86  b  fassen  sie  denselben  Infinitiv  als  Object;  §.80 
den  doch  sicher  ganz  gleichen  bei  uideri  als  auf's  Subject  bezogenes  Pri* 
dicat  Alle  unvollständigen  Verba  bilden  mit  ihrem  Infinitiv  einen  Pri- 
dicatsbegriff,  in  welchem  die  Aussage  in  denjenigen  Theil  gelegt  wird, 
welcher  die  Modification  des  Seins  angibt.  Das  gilt  von  uincere  cnpio  to 
gut  als  von  uincere  uideor,  von  diesen  ebenso  als  von  cupio  uictor  esse 
und  uideor  uictor  esse,  und  zwar  deshalb,  weil  nur  die  Modification  des 
Seins  es  ist,  welches  die  Art  der  Aussage  ändert.  Es  unterscheidet  sicii 
also  der  Nomin.  cum  infin.  nicht  im  geringsten  von  der  Bection  der  an* 
deren  unvollständigen  Verba.  Da  femer  unter  der  Modification  des  ge> 
wünschten,  noth wendigen ,  angeblichen,  negierten  Seins  ebenso  Identität 
zwischen  Subject  und  Prädicatsnomcn  sein  muss,  wie  beim  einfachen  Sein, 
so  erscheint  auch  bei  diesen  Verben  allen  das  nominale  Prädicat  im  Nomi- 
nativ mit  dem  Subjecte.  Beim  Accus,  cum  infin.  ist  nicht  eine  Aussage 
mit  einem  zusammengesetzten  Prädicatsbegriff,  sondem  zwei  Aussagen. 
Man  vergleiche  zum  Beispiel  die  nur  von  den  Dichtem  gebrauchte  Con- 
strnction  quia  retttdü  Aiax  esse  louis  pro  nepos  (Ov.  M.  13, 141,  data  vgl 
Krüger  §.  564,  2)  mit  den  gewöhnlichen  se  esse  louis  pronepotem.  Während 


LiMmtt/iMi  u.  Mütter,  Lat  Grammatik,  ang.  y.  L,  Vielhaber,    287 

die  ente  sagt,  Aiax  ist  nach  seiner  Angabe  ein  Urenkel  des  L,  enthält 
die  zweite  zwei  Aussagen,  von  denen  die  zweite  den  Inhalt  der  ersten  bildet. 
Dm  Yerb  der  zweiten  mnss,  da  das  Urtheil  nicht  selbständig  ausgespro- 
dien  wird,  in  dem  Modus  stehen,  der  nur  die  Möglichkeit  der  Aussage 
beiflichBei,  im  Infinitiv,  das  Subjeot  kann  nicht  mehr  im  Nominati?  blei- 
ben, welcher  der  Casus  des  Subjectes  ist,  von  dem  factisch  etwas  ausge- 
sagt wird,  sondern  es  tritt  in  den  Casus,  der  den  Inhalt  des  Seins  be- 
leieknet,  den  Aocusativ  und  mit  ihm  das  nominale  Pradicat.  Ist  kein  be- 
tümmtes  Subject  gesetzt,  so  steht  das  Prädicatsnomen  doch  ebenfalls  im 
AoeosatiY.  Bei  den  activen  Verben  der  Aussage  hat  der  römische  Sprach- 
geiet  im  allgemeinen  streng  zwischen  dem  Subjecte  der  Aussage  und  dem 
dee  ausgesagten  Inhalts  geschieden  und  nur  die  Dichter  haben  diese  übri- 
gens in  der  Analogie  des  Lateinischen  ganz  wohl  begründete  Construction 
des  Nom.  cum  inü  sich  erlaubt,  anders  war  es  bei  den  passiven.  Da  das 
PassiTum  die  Th&tigkeit  auTserhalb  des  natürlichen  Subjectes  bezeichnet, 
ist  leicht  einzusehen,  wie  das  Verbum  passivum  nur  mehr  als  eine  Modi- 
ficaüon  der  Inhaltsaussage  gefasst  werden  konnte.  Dagegen  hat  das  Latei- 
die  doppelte  Construction  bei  den  Verben  des  Wollens  u.  iL.  zuge- 
nnd  hiedurch  eine  sehr  bezeichnende  Verschiedenheit  des  Gedankens 
Beglich  gemacht  —  §.  97.  Der  Begriff  eorrelativer  Sätze  und  ihr  Unter- 
Klued  von  gewöhnlichen  Nebensätzen  war  (auch  schon  hier)  festzustellen, 
da  ftr  die  von  den  Verfassern  nicht  ganz  mit  Recht  sogenannte  Attraction 
des  Modus  eben  dieser  Unterschied,  wie  Meiring  widerspruchslos  gezeigt 
bat,  allein  entscheidend  ist  —  §.  97,  II,  Anm.  1.  Allerdings  i^t  der  Rela- 
tivsatx  dort  angewendet,  wo  man  ein  anderes  Gedankenverhältnis  (das 
sdversfttive  durfte  nicht  fehlen)  erwartet,  aber  ein  bestimmtes  Verhältnis 
ist  doch  auch  durch  ihn  bezeichnet  £s  ist  eben  das  der  attributiven  Be- 
fltimmiuiig.  —  §.  98.  Die  Bezeichnung  actio  infecta  möchte  trotz  ihres 
Alten  ebenso  au  meiden  sein,  wie  der  Ausdruck  'dauernd*,  als  Bezeichnung 
des  Status  einer  Handlung.  Wie  möchte  etwa  actio  crescens  im  Sinne  von 
*sich  entwickelnd*,  *vor  sich  gehend*  sagen.  —  $.  99,  1  Anm.  Wenn  lau- 
datams  sum  die  actio  instans  in  der  Gegenwart  bezeichnet,  so  kann  es 
nidit  bedeuten,  'dass  die  Handlung  in  der  Gegenwart  begonnen  wird,  aber 
ihre  Ansfbhrung  in  die  Zukunft  sich  hineinzieht*,  sondern  zunächst,  dass 
die  Handlung  des  Lebens  jetzt  eine  bevorstehende  ist,  sodann  mit  Be- 
liehnng  auf  das  Subject,  dass  das  Subject  jotzt  im  Begriff  ist,  sie  zu 
vollbringen,  s.  Neue  Formenl.  S.  281.  Für  den  ersten  Fall  mag  mau  non 
«A  t^NTta  Cic  Cat  2,  7,  lö.  Cic  Mil.  2,  6.  Mur.  39,  85,  wo  Zumpt  und 
TisdMr  gegen  Halm  Recht  haben,  Ball.  J.  95,  8.  Tac  A.  1,  28  und  be- 
MHidefs  Fälle,  wie  Cio.  MiL  18,  47,  »i  üle  obmam  ei  ftUurus  mnnino  nan 
erai,  d.  h.  wenn  er  gar  nicht  in  den  Fall  kam  u.  s.  w.  und  eb.  18,  48 
quamam  fuiU  in  Albano  tnamurus  mit  Halm's  Bemerkung  vergleichen. 
Die  erste  Bedeutung,  welche  das  Bevorstehen  objectiv  betrachtet,  das  Sub- 
ject mvx  als  den  Vollbringer,  während  in  der  zweiten  die  Disposition  des 
bibjeotes  hervorgehoben  wird,  unterscheidet  sich  vom  Futur  ähnlich,  wie 
das  Perfect  vom  Imperfect  Wie  es  in  vielen  l'ällen  im  Belieben  des  Dar- 
■tellen  steht,  eine  vergangene  Handlung  als  vollendet  vorliegend  oder  als 

20* 


288    Lattfnann  u.  Müller,  Lat  Grammatik,  ang.  y.  L.  Vidhäber. 

in  der  Vergangenheit  sich  entwickelnd  zu  hetrachten,  so  kann  auch 
künftige  Handlang  als  eine  jetzt  hevorstehende  oder  als  eine  in  der  Zu- 
kunft sich  entwickelnde  hetrachtet  werden.  —  §.  102.  Nicht  billigen  köniMii 
wir  die  Darstellung  des  Perfectum  prasens,  Perfectum  logicum,  8.  ebu  8» 
Anm.  1,  weshalb  auch  besonders  §.  123,  3  in  den  alten  Fehler  Yerf&llt, 
den  wir  durch  unsere  Darstellung  in  dieser  Zeitschrift  1861,  S.  214,  die 
für  die  Verfasser  mafsgebend  gewesen  zu  sein  scheint,  abweisen  woUtaB* 
Das  Perfect  prasens  wird  überhaupt  gefasst  als  das  die  in  der  Gegenwart 
vollendet  vorliegende  Handlung  bezeichnende,  das  Perfect  logic  scheint 
ein  absolutes  Perfect  ohne  ausdrückliche  Beziehung  auf  die  Gegenwart  sein 
zu  sollen.  Bei  dieser  Auffassung  wird  die  Regel  über  die  Consecatio  tem- 
porum  §.  118  so  bestimmt,  dass  auf  ein  Perfect  präs.  folgen  Präsens  und 
Perf.,  natürlich  muss  §.  123,  3  gesagt  werden,  dass  auf  ein  Perf.  pifts. 
'sehr  häufig*  Imperf.  und  Plusquamp.  folgen.  Wir  fassen  das  Verhtitnis 
so:  die  eigentliche  Bedeutung  des  Perfect  ist  die  Bezeichnung  der  in  der 
Gegenwart  vollendeten  Handlung.  Es  bezeichnet  also:  jetzt  ist  die  Hand« 
lung  eine  geschehene.  In  der  Tempusform  an  sich  liegt  durchaus  nicht, 
dass  die  'fortdauernde  Wirkung'  (nie  die  'Vollendung*)  in  die  Gegenwart 
fallt,  auch  nicht,  dass  sie  in  der  Gegenwart  oder  in  der  Zukunft  nidit 
mehr  vorgehen  kann  (als  eine  zweite),  sondern  das  wird  durch  den  Za- 
sammenhang  gegeben.  Das  Perfect  des  Erfahrungssatzes,  ein  dixi  am  Schlnaa 
der  Bede  oder  im  Uebergang,  ein  Fuimus  Troes  sind  vollkommen  gleich. 
Nur  einige  Verba  von  inchoativer  Bedeutung  machen  insofeme  eine  Ana» 
nähme,  als  der  Sprachgebrauch  ihren  Perfecten  geradezu  die  Bedeutung 
eines  Präsens,  das  den  aus  der  vollendeten  Handlung  resultierenden  Zu- 
stand bezeichnet,  gegeben  hat,  vgl.  dppenkamp  de  usu  temporum  quaeatio- 
nes  grammai  Programm  v.  Düsseldorf  1861 ,  S.  5  ff.  Für  diese  Auffassung 
ist  bezeichnend,  dass  von  einigen  solchen  Verbis  in  der  classischen  Zeit 
(s.  Neue  Formenlehre  S.  477  f.)  gar  keine  Präsensformen  üblich  sind,  fenfter» 
dass  nicht  nur  das  Präsens  von  an  sich  künftigen  Handlungen  gesetzt  wird» 
s.  Fabri  zu  Liv.  21,  41,  15.  Herzog  zu  Gas.  b.  g.  2,  32,  3.  Lora  zu  Or. 
Trist.  4,  6,  40,  sondern  auch  das  Perfect  (uiciimAS  «-  uidores  swmus),  vgL 
Fabri  zu  Liv.  21,  43,  3  und  Fromm  Lat.  Gr.  §.  356,  Anm.  2,  sowie  über- 
haupt der  Gebrauch  des  Präsens  zur  Bezeichnung  eines  Zustandes:  ecbmi«« 
parewtei  8uwtj  dant  —  datores  Bunt,  disco  «-  docta  sum  u.  ä.,  8.  Teuffei 
zu  Hör.  Sat.  2,  5,  60.  Wagner  und  Forbiger  zu  Virg.  £cl.  8,  43  und  za 
Ae.  1,  99  und  Uppenkamp  a.  a.  0.  S.  10,  wozu  auch  zu  stellen  ist  manere  •■ 
sich  erhalten  haben,  vorhanden  sein,  s.  Fabri  Sali.  J.  14,  16.  Heraus  zu 
Tac  H.  1,  20.  Während  also^eine  rationelle  Grammatik  die  von  unseren 
Verfassern  geschiedenen  Arten  §.  102,  1  und  §.  102,  2,  Anm.  2  nicht  schei- 
den darf,  müssen  die  präsentischen  Perfecta  §.  106,  1  als  Unterart  ausge- 
schieden werden.  Am  Namen  liegt  wenig,  doch  ist  es  am  gerathenaten, 
Perfectum  logicum  als  generellen,  Perfectum  präsens  als  Specialnamen  zu 
gebrauchen.  Um  gleich  die  weitere  Consequenz  zu  ziehen,  so  darf  nur  für 
unser  Perf.  präsens  die  präsentische  Tempusfolge  aufgestellt  werden,  für 
das  Perl  log.  gilt  im  allgemeinen  die  der  anderen  Präsentia.  Wir  können 
hiefnr  auf  unsere  Erörterung  in  dieser  Zeitschrift  1861,  S.  217 


Zcrffmotm  u.  Mütter,  Lat  Grammatik,  ang.  y.  L,  Vidhäber.    289 

Ffir  die  dort  gegebene  Anffassnng,  dass  wo  bei  Prateritis  prasentiscbe  Con- 
«ecntio  sich  finde,  dieses  eine  Art  absoluter  Zeitgebnng  oder,  was  dasselbe 
ist,  die  Nebenbandlnng  nnr  zur  Aussage  der  Haupthandlung,  nicht  zur 
Handlang  selbst  in  Beziehung  gesetzt  sei,  sind  besonders  beweisend  Stellen, 
wie  Ot.  Trist  3,  4,  21.  Cic.  Phil.  1, 15,  36.  Tac  A.  15, 16.  SalL  J.  85,  26. 
Ygl.  Nipperd.  Quast  Csbs.  p.  82  ff.,  wo  beide  Arten  beisammen  stehen  und 
eolehe,  wie  Just  2,  10,  wo  von  einem  Plusquamperf.  ein  ConsecutiTsatz 
im  eigentlichen  Perfect  abhängt  (die  nach  Plusqpf.  öfter  sich  findenden 
Consecutivsfitze  mit  Perfect.  historic,  z.  B.  Liv.  1,  3,  4.  21,  61, 10.  Tac.  A. 
2,81.  4,51,  und  nach  Ritters  von  Baiter  und  Nipperdey  angenommenen 
Schreibung  1,  3.  Suet  Galb.  4  vgl.  auch  Cses.  71,  sind  einfacher). 

Neu  eingeführt  haben  die  Ver&sser  die  Lehre  über  die  relative  in- 
dieativische  Zeitgebung,  die  sie  nach  den  Gesichtspuncten  der  Congruenz 
Anteeedenz  und  Coincidenz  abtheilen.  So  sehr  wir  es  billigen,  dass  dieser 
wichtige  Theil  Aufnahme  gefunden,  so  sind  wir  mit  einigem  nicht  einver- 
standen. Das  erste  ist  die  Aufnahme  der  Coincidenz  (Gleichheit,  wenigstens 
logische,  der  Subjecte  und  Prädicate)  in  die  Schulgrammatik,  da  die  Ver- 
schiedenheit derselben  von  der  Congruenz  f&r  Schüler  schwer  fassbar  und 
ohne  rechten  Gewinn  ist.  Das  zweite  sind  die  Namen.  Es  ist  doch  sehr 
die  Frage,  ob  Bezeichnungen,  die  in  einer  wissenschaftlichen  Abhandlung, 
wie  der  dieser  Partie  zu  Grunde  liegenden  von  Prof.  E.  Hoffmann  über  die 
Zeitpartikeln,  vollkommen  berechtigt  sind,  für  die  Schule  passen.  Man 
vgL  die  Worte  Berger^s  in  der  Vorrede  zur  fünften  Auflage  seiner  Gram- 
matik S.  rV  ff.  Endlich  hätten  wir  eine  andere  Behandlung  gewünscht 
Es  ist  nämlich  hier  die  wissenschaftliche  Untersuchung  noch  nicht  in  die 
dogmatischen  Regeln  umgesetzt,  die  wir  nun  einmal  in  der  Schule  haben 
münen,  und  der  Schüler  wird  auf  die  ihm  zunächst  liegende  Frage:  Was 
für  ein  Tempus  muss  ich  in  diesem  Satze  anwenden?  kaum  sicn  die 
Antwort  finden  •).  Wir  möchten  mit  dem  Begriff  der  relativen  indicati- 
visehen  Abhängigkeit  beginnen  und  feststellen,  dass  Präsens  Imperf.  und 
Fut  I  Gleichzeitigkeit,  Perf.  Plusquampert  Fut  U  Vorzeitigkeit  zu  einer 
gegenwärtigen,  vergangenen,  künftigen  Handlung  ausdrücken,  dann  die 
einzelnen  Tempora  nach  der  Art  der  Sätze,  in  denen  sie  so  vorkommen, 
durdigehen,  endlich  die  Fälle  zusammenstellen,  in  denen  Nebensätze  voll- 
kommen unabhängig  vom  Hauptsatz,  was  das  Tempus  des  Pradicats  be- 
trifft, dastehen.  Dabei  würde  einer  Satzart  mehr  Beachtung  zuzuwenden 
sein,  nämlich  den  hypothetischen  Sätzen,  als  den  durchsichtigsten  Vertretern 
der  sehr  wichtigen  Correlativsätze. 

Nicht  einverstanden  sind  wir  mit  der  §.  110  gegebenen  Auffassung 
der  Infinitive  und  Participien.  Wir  finden  nicht  eine  Abschwächung  der 
actio  infecta  zum  blof^n  Ausdruck  der  Gleichzeitigkeit,  der  actio  perfecta 
XTir  Vorzeitigkeit,  sondern  dass  sobald  z.  B.  das  Vorsichgehen  einer  Handlung 


^  Dasselbe  gilt  ebenso  von  dem  Abschnitt  über  die  Temporalsätze 

L159  ff,  die  auf  Hoffmann 's  Abhandluns^  beruhen.  Wir  meinen, 
la  für  die  Schule  sich  leicht  eine  einfache  Form,  die  doch  den- 
selben wissenschaftlichen  Grehalt  behalt,  durch  das  Ausgehen  von  der 
Bestimmung  des  Modus  finden  lieflse. 


290    Lattmann  n.  MüUer,  Lat.  Grarainatik,  ang.  y.  L.  Vietkaiber. 

nicht  mehr  zur  blofiseii  Aussage  bezogen  wird,  vol  aber  zn  einer  iweiten 
Handlung,  das  Vorsichgehen  der  Nebenhandlung  während  der  dnich  dit 
Haupthandlung  ausgefüllten  Gegenwart  gar  nichts  anderes  sein  kann,  all 
Gleichzeitigkeit  mit  der  Haupthandlung,  dass  also  die  Verhalformen ,  die 
nur  der  abhängigen  Zeitbezeichnung  dienen,  nichts  als  die  Verhältniase  der 
Gleichzeitigkeit,  Vorzeitigkeit,  Nachzeitigkeit  bezeichnen  können.  I>a88elbe 
gilt  von  Conjunctiven,  sobald  sie  abhängig  gebraucht  sind,  nur  dass  hier 
gröCserer  Reichthum  an  Formen  ist  und  dass  nicht  wenige  ConjanctiTe 
dem  Tempus  ganz  unabhängig  nach  vom  Hauptsatze  stehen.  Die  Aser- 
kennung  dieses  Verhältnisses  hätte  die  nicht  recht  klare  Anmerkung  zu 
§.  115  überflüssig  gemacht  —  Der  Umstand,  dass  zwei  Conjonctive  rar 
Bezeichnung  gleichzeitiger  Handlungen  vorhanden  sind  (Präs.  nnd  Impl) 
und  ebenso  zwei  zur  Bezeichnung  vorzeitiger,  führt  dazu,  dass  iwei  ver« 
schiedene  Arten  der  oo^junctivischen  Abhängigkeit  unterschieden  werden, 
deren  eine  der  relat.  indicat.  Zeitgebung  gleich  gesetzt  wird  (bezogene 
Zeitbezeichnung),  die  andere  (abhängige)  dort  stattfinden  soll,  wo  sie  *im 
Anschluss  an  ein  tempus  futurum  den  Conjunctiv  fut.  oder  fut.  exacti  ve> 
treten/  §.  116  A.  Die  Richtigkeit  dieser  Scheidung  angenommen,  ist  die 
'abhängige  Zeitbezeichnung'  viel  zu  beschrankt  gefasst.  Es  gehören  Final» 
Sätze  und  was  an  sie  sich  anschliefst,  dazu,  so  wie  die  Heischesätie  nnd 
die  Sätze  mit  immanenten  tU;  in  manchen  Fällen  Sätze  mit  quin  nach 
fiofi  duhüo  u.  ä.,  und  zwar  nicht  blofs,  wenn  das  Regens  ein  Futor  ia^ 
sondern  auch  nach  Präsentien,  falls  in  ihnen  oder  in  der  Gonstruction  selbet 
(tUy  ne)  eine  Andeutung  der  Zukunft  liegt,  vgl.  Cses.  b.  g.  1,  31,  15:  Haec 
si  enufUiata  Ariovisto  sint  non  dubitare,  quin  de  omnibus  obgidibuM  gra* 
vissimum  supplicium  sutnat,  vgl.  Neue  S.  263.  Und  hiermit  gerathea 
wir  gleich  in  Mitte  der  Schwierigkeiten.  Was  ist  zu  machen  mit  Sätzen, 
wie  Haud  dulna  res  uisa,  quin  per  inuia  circa  nee  trita  antea  quammU 
longo  ambitu  circumduceret  agmcn  Liv.  21,  36,  4,  Tac.  A.  1, 14,  8.  auch 
die  von  Fabri  dazu  citierten  Stellen.  Und  wenn  man  auch  solche  Stellen 
einreiht:  wo  lieg^  der  Unterschied  von  der  gewöhnlichen  Bedeutung?  Nicht 
im  Tempus  des  Nebensatzes,  sondern  sicher  darin,  dass  ein  dtüfium  non 
csA,  quin  futurum  sit  %U  Ariovistus  grauissimum  supplicium  sumeU  oder 
haud  dubia  res  tUsa  est  quin  futurum  esset,  ut  . ,.  circumduceret  agpnen 
durch  eine  ganz  ähnliche  Kürze  wie  das  bekannte  Nam  iüud  quidem  ad^ 
duci  vix  possum  ut  ea  qiute  senserü  iUe,  tibi  non  uera  uideantwt 
Cic  de  fin.  1,  5,  15,  s.  Madvig  zu  2,  3,  6  und  Taa  A.  16, 16  Neque  aliam 
defensionem  ab  ia,  quibus  ista  noscentur,  exegerim^  quam  ne  oder  im 
tarn  segmter  pereuntes  zu  dem  geworden  ist,  was  Cas.  und  Taa  geschrie- 
ben haben.  Femer  definieren  die  Verfasser  die  bezogene  Zeitbezeicbnung 
so,  dass  das  Präsens  auXser  der  Angabe  der  Gleichzeitigkeit  noch  *in  selb- 
ständiger Bedeutung'  die  Zeitsphsre  der  Gegenwart  bezeichnen  *kann.« 
Kann  ist  nicht  Muss;  diejenigen  Conjunctive  mit  'bezogener  Zeitbezeich- 
nung*, welche  nicht  selbständige  Bedeutung  haben,  werden  aber  dann  ganz 
gleich  denen  mit  abhängiger  Zeitbezeichnung  Und  das  ist  das  richtige.  Der 
Unterschied  ist  eben  nicht  vorhanden.  Es  sind  noch  diejenigen  Sätae  übrig, 
welche  die  Verüasser  in  der  Anmerkung  zu  116  A  anführen :  *Scr%bQ  aüquid; 


n.  MiOUr,  Lat  Grammatik,  ang.  y.  L.  Vidkaher.     201 

WIMS  eognosces  quid  seriham  (was  ich  jetzt  schreibe)'  u.  ä.  Wenn  auch 
•oldie  Sfttse  nemlich  selten  sein  dürften,  da  in  den  meisten  ähnlichen 
fUlen  wol  ein  Belativ-,  nicht  ein  Fragesatz  stehen  wird,  and  auch  scripse- 
vim  angewendet  werden  kann,  so  ist  ihre  Möglichkeit  nicht  zn  läugnen. 
Aber  es  ist  derselbe  Fall  wie  in  Folgesätzen  n.  ä.,  nämlich  temporale 
Unabhängigkeit  vom  Regens:  hier  um  so  leichter,  als  das  scribo  aiiquid 
fonn^eht 

g.  117.  Dafür,  dass  der  Lateiner  das  Imperfect  der  unerfüllten  Be- 
dingung als  Tempus  der  Gegenwart  fühlte,  war  vor  allem  daranf  hinzu- 
weisen, dass  davon  abhängige  Sätze  mit  präsentischer  Consecutio  sich  fin- 
den. SalL  C.  7,  7.  Cic.  MiL  33,  90.  —  Die  Polemik  wegen  ttc  Tusc.  I,  90 
gi^drt  keinesfalls  in  die  Schnlgrammatik,  znmal  sowol  die  Erklärung  der 
Ynhaaei,  wenn  sie  den  Conj.  der  deliberativen  Frage  auch  aus  dem  Po- 
tentialis  entstehen  lassen,  s.  §.  133,  als  die  von  uns  in  dieser  Zeitschrift 
1861,  S.  849  aufgestellte  möglich  ist.  —  §.  120.  'Consecutio  temporum 
nach  nominalen  Verbalformen."  Erstens  wäre  es  wünschenswei-th,  dass  auf 
die  Fälle,  wo  ein  Satz  von  einem  Verbalsubsantiv ,  z.  B.  metu  abhängt, 
mit  einem  Wort  hingewiesen  würde,  zweitens  kommt  die  Regel  mit  der 
ersten  Anmerkung  in  ein  sonderbares  Verhältnis.  Während  die  Regel  sagt, 
dass  durchaus  das  Tempus  des  regierenden  Satzes  für  das  Tempus  des  in- 
diract  abhängigen  Nebensatzes  entscheidend  sei,  muss  die  Anmerkung  gleich 
all  Ausnahme  hinstellen,  dass  ein  Inf.  perf.,  wenn  auch  von  Präs.  abhän- 
gig, das  Verb  eines  Nebensatzes  des  zweiten  Grades  im  Imperf.  oder  Plus- 
quamperf.  verlange.  Praktisch  sollen  die  Fälle  coordiniert  sein  und  selbst 
wissenschaftlich  liefse  die  Gleichstellung  sich  sehr  wohl  rechtfertigen.  — 
§.  121.  Es  läge  im  Sinne  des  Planes  dieser  Grammatik  als  Ueberschrifk  zu 
aetian:  'Bewahrung  der  absoluten  Zeitgebung  in  Conjunctivsätzen  * ;  nur 
wäre  dann  auch  zu  erwähnen,  dass  die  späteren  über  die  Gonsecutivsätze 
kmana  den  Coigunctiv  des  histor.  Perfects  anwenden,  s.  Dräger  Programm 
vm  Güstrow  1860. 

§.  134.  Gegenüber  der  Sorglosigkeit,  mit  der  die  meisten  Gram- 
matiken alle  Conjunctive  in  Nebensätzen  gleich  behandeln,  ist  es  gut,  dass 
hier  einmal  versucht  ist,  die  verschiedenen  Arten,  den  des  Willens  und 
den  Potentialis,  auch  in  den  Nebensätzen  nachzuweisen.  Nur  ist  die  Durch- 
führung nicht  ganz  gelungen.  Den  Verfassern  war  wol  der  Conjunctiv  der 
Fragesätze  Anlass  zur  Aufstellung  eines  abgeschwächten  Conjunctivs  'der 
UoÜBen  Unterordnung',  der  auch  in  den  Sätzen  mit  cwn  narratiuum  und 
dem  ähnlichen  Gebrauch  von  anteguam  (dum)  sein  soll;  ebenso  wird  der 
iteralivus  so  gefasst  Ein  potentaler  wird  gefunden  in  gewissen  Consecutiv- 
(beschaffenheitli^hen)  Relativsätzen,  in  den  mit  quin  (beiden  Arten?)  und 
den  Potentialen  Bedingungssätzen.  AuXserdem  wird  der  Conjunctiv  der  ob- 
Uq^fü  Beziehung  aufgestellt;  in  keine  der  aufgestellten  Arten  schickt  sich 
Tscht  cum  causale,  und  um  den  von  Meiring  als  Conjunctiv  der  indirecten 
Abhängigkeit  bezeichneten  nur  anfuhren  zu  können,  muss  §.  143  zu  einer 
Auf^ohnung  der  Attractio  modorum  gegriffen  werden.  Den  Hauptfehler 
dievor  Partie  erblidpei»  wir  in  folgendem:  Allerdings  erscheint  der  latei- 
nische Conjunctiv  in  den  zwei  Formen  des  Potentialis  und  des  Conjunctivs 


tut    LaUmann  o.  MüUer,  Lat.  Grammatik,  ang.  y.  L.  Vieihaber. 

des  Willens,  und  es  ist  kein  Zweifel,  dass  letzterer  in  den  Final-  und 
Ueisches&tzen,  so  wie  in  den  finalen  Relativ-  und  Temporalsätzen  und  in 
abhängigen  deliberativen  Fragen  verwendet  ist,  sowie  dass  beide  Arten 
öfters  noch  ganz  deutlich  selbst  in  solcher  Verbindung  erscheinen,  die  an 
sich  schon  den  Conjunctiv  des  Prädicats  erfordert  *),  s.  diese  Zeitschr.  1861, 
8.  845  ff.,  vgl.  auch  Blume  Prakt.  Schulgr.  §.  542.  Ebenso  ist  nach  nnserer 
Auffassung  der  Conjunctiv  der  hypothetischen  Vordersätze  aus  potentialem 
nnd  finalem  hervorgegangen.  Aber  wenn  die  Lateiner  dieselbe  Form  flir 
Potentialis  und  Conjunctiv  des  Willens  haben,  so  muss  es  eine  allge- 
meinere Bedeutung  geben,  aus  der  beide  Arten  sich  entwickeln  konnten. 
Wenn  wir  nun  abhängige  Conjunctive  finden,  die  sich  nicht  auf  eine  der 
beiden  Arten  zurttckf&hren  lassen,  wie  den  bei  Consecutivsätzen ,  den  er- 
zählenden bei  cum,  antequam,  den  von  den  Verfassern  leider  nicht  be- 
rührten bei  u<  «•  in  der  Weise,  der  Art,  der  Bedingung,  dass  (auch  bei 
ne  s.  Tac.  A.  2,  29.  14,  7  und  Fabri  zu  Liv.  22,  61,  5),  womit  enge  das  ex- 
plicative  %U  und  der  Conj.  beim  Relativ  der  Beschaffenheit  zusammenhängt^ 
endlich  der  in  den  immenenten  ut-sätzen  (facere  %U,  fit  ut  u.  s.  w.),  so 
wird  zuerst  zu  fragen  sein,  ob  hier  nicht  die  ursprüngliche  allgemeine  Be- 
deutung des  Conj.  vorliege.  Hieftir  kann  auf  die  scharfsinnigen  £r5rte- 
mngen  Meiring's  in  Programmen  vom  Jahre  1858,  1859  und  die  gedrängt 
Darstellung  in  dessen  Grammatik  §.  640,  §.  666  ff.,  §.  716  verwiesen  wer- 
den. Im  einzelnen  wollen  wir  nur  folgendes  bemerken,  dass  der  Coigunct. 
iterativns  aus  dem  Potentialis  ganz  klar  abzuleiten  ist,  s.  in  dieser  Zeit- 
schrift 1861,  S.  847  f. 

§.  135.  Von  der  Frage  zu  sondern,  ist  der  Ausruf,  welcher  durch 
dieselben  Formen  wie  die  Frage  eingeleitet  ist.  Die  demonstrativen  Aus- 
rufsätze (mit  tantiM  s.  Wex  Prolegomena  zu  Tac.  Agr.  S.  110.  Cic  Cat  m. 
2,  4  Tac.  A.  11,  37,  mit  Adeo  Tac.  H.  1,  37  u.  ä.;s.  Wagner  Virg.  Ecl.  1,  12 
nnd  Ladewig  zu  Ae.  5,  414) ,  die  in  der  Regel  causale  Bedeutung  haben, 
zeigen  deutlich  den  Unterschied  von  der  rhetorischen  Frage.  Man  vgl.  Virg. 
Ae.  l,  11  Tantae^ie  animis  aielestibus  irae  ?  und  1 ,  33  Tafttae  molis  erat 
romanam  condere  gentem.  Wie  hier  der  Satzfrage  der  Ausruf,  steht  der 
Begnriffsfrage  der  durch  die  Fragewörter  eingeleitete  Ausruf  gegenüber.  Man 
Tgl.  Virg.  Ae.  9, 36  Quis  globus,  o  ciues,  caligine  tioluUur  atra  ?  (wo  die  fol- 
genden Verse  zeigen,  dass  Wagner's  Ausrufzeichen  falsch  ist)  mit  ib.  6, 694. 
Quas  ego  te  terras  et  quanta  per  aequora  uectum\\Accipio!  quantis 
iactatum  nate  periclis!  0  Quam  metuij  ne  quid  Libyae  tibi  regna  noce- 
rent!  vgl.  auch  Cic  Mil.  5,  12.  Häufig  sind  in  solchen  (directen  und  in- 
directen)  Sätzen  ut  und  quam;  für  ersteres  s.  Obbarius  und  Dillenburger 

»)  So  sind  deliberative  Fragen  abhängig  Cic.  Vat.  2,  5.  Sali.  J.  49,  1. 
74,  1.  109,  1.  Tac.  A.  2,  So,  s.  auch  Cic.  Mil.  21,  55.  Abhängiger  Po- 
tentialis: in  Relativsätzen  Plaut.  Trin.  437.  Cic.  Mur.  38,  83.  Sali.  J. 
85,  3.  Tac.  Agr.  42;  46.  A.  11,  24.  11.  1,  50.  Cic.  Plane.  41,  97;  in 
Finalsätzen  s.  Nipperdey  Tac.  A.  6,  22.  14,  53;  in  Folgesätzen  Cic. 
Brut  22,  87.  Tac.  A.  1,  32.  Agr.  22;  in  Vergleichungssätzen  Liv.  22, 
60,  5.  Cic.  Mil  9,  23.  Mur.  17,  35.  Sest.  31,  67.  Tac.  A.  1,  52.  13, 1. 
Als  Potentialis  fasst  Kritz  zu  Tac.  Agr.  25  auch  den  bei  potius  quam 
(8.  Fabri  SalL  J.  106,  3.  Weifsenbom  Liv.  2, 15,  2). 


XottMonn  a.  Müüer,  Lat  Grammatik,  ang.  ▼.  L,  Vielhaber.     298 

sa  Hör.  Od.  1,  9,  1,  und  Lahmeyer  zn  Cic.  Cai  m.  8,  26,  welche  richtiger 
als  in  vorliegendem  Buche  geschieht,  demselben  die  Bedeutung  der  Art 
und  Weise  beilegen;  besonders  deutlich  Virg.  Ae.  6,  855.  Tac.  H.  1,  37. 
Die  Bedeutung  des  Grades  liegt  in  quam,  wof&r  vgl.  Cic.  Cat  m.  7,  22. 
lliL  16, 43.  SaU.  J.  31,  2.  Liv.  22,  49,  3,  dazu  WeiTsenbom,  Tac.  A.  15,  51. 
15,  54.  —  §.  137,  AnnL  4.  Die  vielbesprochene  Frage,  ob  nescio  an  auch 
'ich  weift  nicht  ob'  heilVen  könne,  hätte  erwähnt  werden  sollen. 

§.  138.  Die  Grenzen  zwischen  oratio  obliqua  und  obliquer  Beziehung 
(*  indirecter  Darstellung)  sind  nicht  scharf  gezogen.  So  sind  die  Sätze 
§.  138,  2  a  u.  b  mit  Ausnahme  des  letzten,  der  echte  Or.  obl.  enthalt,  und 
des  ans  Cic  Tusc.  I,  98  genommenen,  der  zur  indirecten  Abhängigkeit,  oder 
wie  die  Verfasser  sagen  attractio  modorum,  gehört,  sämmtlich  solche  mit 
obliquer  Beziehung.  Im  übrigen  ist  die  Lehre  von  der  Oratio  obliqua  gut 
geschieden  nach  Modus,  Tempus,  Wechsel  des  Pronomens.  Nur  hätte  die 
Begel  über  die  Modi  der  Hauptsätze  sich  wol  besser  so  geben  lassen :  Aus- 
sagende Hauptsatze  treten  in  den  Acc.  c.  inf.,  Frage-  und  Heische-  (Im- 
perativ) Sätze  in  den  Conjunctiv.  —  Im  §.  140  war  Conjunctiv  Imperf. 
und  Plnsquamperf.  nicht  dem  Präs.  und  Perf.  völlig  gleichzustellen;  denn 
Bolche  Präsentien  wie  die  in  den  Beispielen  angeführten,  dicit  u.  ä.,  wenn 
Aussprüche  von  Schriftstellern  u.  s.  w.  citiert  werden,  sind  an  sich  dem 
Priteritum  nahe  verwandt  Femer  haben  die  Verfasser  gleich  darauf  das 
Piis.  und  Perf.  durch  eine  gelungene  Aufstellung  ganz  bestimmter  Kate- 
gorien zu  rechtfertigen  versucht.  —  Nicht  unerwähnt  bleiben  sollten  die 
Nebensätze  mit  potius  quam  s.  Fabri  SalL  J.  106,  3;  femer  die  mit  nisi 
forte  und  cum  interim,  vgL  Weifeenbom  Gr.  §.  475,  2.  —  §.  141,  1.  In 
Bezug  auf  die  Vertauschung  der  Pronom.  ist  zu  bemerken,  dass  ipse  auch 
ein  tu  der  directen  Bede  vertritt,  s.  Csbs.  b.  g.  5,  36,  2.  7,  20,  3.  1,  20,  7. 
7,  66,  6.  Taa  A.  1,  55;  femer  war  zu  bemerken,  dass,  wie  Mc  und  iste 
nach  der  Begel  sich  ändem,  ebenso  alle  mit  hie  zusammenhängenden  For- 
men^  z.  B.  adhuc,  vgl.  Cses.  b.  g.  1, 14,  4.  b.  c.  1,  24,  5,  natürlich  oft  auch 
bleiben,  s.  Fabri  Liv.  21,  63,  2,  dass  mehrfach  der  Name  statt  des  Be- 
flezivs  oder  Demonstrativs  eintritt,  vgl.  Csbs.  b.  g.  1,  13,  3.  1, 14,  4.  1,  20,  4« 
1, 36,  4.  1, 36,  6.  Sali.  J.  70,  5  (uir).  Bei  tum  statt  nunc  war  zu  erinnern, 
dass  nunc  öfter  gar  nicht  verändert  werden  kann ,  vgL  Qss.  b.  g.  2,  4,  7. 
5, 27,  7.  b.  c  1, 84,  4. 1,  85,  5  u.  11.  3,  10,  9;  öfter  auch  ohne  solchen  Grund 
steht,  s.  Fabri  SalL  J.  81,  1.  Liv.  21,  35,  9.  Wenigstens  wünschenswerth 
ist  eine  Erwähnung,  dass  die  Pronom.  der  ersten  Person  angewendet  wer- 
den, wenn  der  Berichterstatter  sich  einschliefst,  vgl.  für  noster  C»s.  b.  g. 
1, 11,  3.  1,  17,  5.  1,  40,  7.  1,  44,  8.  2,  1,  2.  5, 29,  3.  —  In  der  Darstellung 
der  Nebensätze  mit  obliquer  Beziehung  und  der  'Attraction  der  Modi  in 
Nebensätzen*  (besser  bezeichnet  Meiring  letzteres  mit  'Indirecter  Abhängig- 
keit') ist  manches  nicht  ganz  genau.  So  kann  erstens  oblique  Beziehung 
auch  in  Nebensätzen  eines  einfachen  Infinitivs  stattfinden,  z.  B.  Cic  Vat 
3, 9.  MiL  11,  31.  1,  2.  Ferner  ist  Nep.  Cim.  5  vidisset  nicht  ein  Conjunctiv 
der  obliquen  Beziehung,  sondern  der  indirecten  Abhängigkeit;  der  aller- 
dings durch  eine  echte  Attractio  modomm  entstandene  Conj.  bei  Verbis 


t04     Laänumn  u.  MiiBer,  Lat  Grammatik,  ang.  T.  L.  VieOuSber. 

dioendi  eto.  nach  quod,  qucmtwn  etc.  §.  143,  3  gehört  doch  als  in  Folge 
falscher  Analogie  gebildet  zu  der  der  obliquen  Beziehung  §.  142. 

§.  145  ff.  Die  Finalsatze  werden  eingetheilt  in  'Zweckafttse*  nad 
*finale  Ergänzungssätze."  Zu  den  letzteren  werden  die  abhängigen  Hdaehe- 
sätze  und  die  von  'machen,  bewirken  *  u.  ä.  abhängigen  Sätze  gezählt  Dock 
wird  diesen  eine  Zwischenstellung  zwischen  Final-  und  ConsecutiTsfttieB 
eingeräumt,  zunächst  wegen  der  Möglichkeit  %it  non  zu  braudien.  Das 
scheint  nun  nicht  sehr  stichhaltig,  da  an  den  Stellen,  wo  tU  non  erscheint, 
ein  ganz  specieller  Grund  nachzuweisen  ist.  So  ist  Cic.  de  fin.  2,  8,  24. 
Cat.  3,  3,  7.  Verr.  n,  1,  8,  22  der  Gegensatz  nicht  zu  verkennen,  Cie.  de  fin. 
2,  5,  15.  4, 12,  30  ad  Att.  11,  21,  1  bilden  Negation  und  Verb  einen  BegM, 
und  so  auch  in  den  anderen  Stellen,  die  Krüger.  Gramm.  §.  572, 1  anfährt 
Man  vgl.  ut  non  in  verschiedenen  Absichtssätzen,  's.  Zumpt  §.  847  Anm> 
Ueberhaupt  haben  Haase  bei  Reisig  Anm.  479,  Weiflsenbom  §.  405  «nd 
Fromm  §.  404  vollkommen  richtig  diese  Art  von  u^- Sätzen  von  den  in- 
deren  abgetrennt ;  nur  hat  der  letzte  zu  vielerlei  unter  die  Nebensätze  der 
Wirkung  aufgenommen.  Unter  die  Fälle  des  immanenten  tä  (nach  Haase) 
sind  zunächst  zu  rechnen  die  Sätze  nach  fU^  accidit,  evenü,  zu  den  eni» 
sprechenden  Aotivis ,  und  die  auffälligen  nach  mancherlei  prädicativen  Ad- 
jectivis,  nahe  verwandt  sind  sunt  qui,  nemo  (quis)  est  gfut,  faeere  non 
posswn,  fieri  non  potest,  kurz  alle  Nebensätze,  die  nicht  einen  Hauptsati, 
der  einen  Gedanken  vollständig  oder  bis  auf  ein  Satzglied  (Object)  voll- 
ständig enthält  (Final-  und  Heischesätze),  bestimmen  oder  ergänzen,  son* 
dem  die  selbst  erst  den  Gedanken  enthalten,  zu  dem  der  Hauptsatz  nur 
die  Aussage  fit  tU,  sunt  qui  oder  eine  adverbielle  Bestimmung  casu  fU 
Cic  Mil.  31,  86  u.  ä.  fQgt.  Es  ist  femer  klar,  dass  solche  Sätze  am  streng- 
sten an  die  Gesetze  der  Consecutio  temporum  gebunden  sind.  Nep.  Milt 
5,  2  ist  valuent  aus  dem  Daniel,  von  Nipp,  in  ualeret  geändert  —  Im 
übrigen  ist  zu  §.  196a  zu  bemerken,  dass  %U  ne  doch  nach  eanere  vor- 
kommt, s.  Lahmeyer  Cic.  LsbI.  26,  99;  zu  §.  147,  1  konnte  an  imperam 
erinnert  werden,  Eraner  C»8.  b.  g.  5,  1,  3.  —  Gut  ist  die  Behandlang  der 
Bedingungssätze  gegenüber  der  gewöhnlichen  Darstellung,  wenn  wir  aneh 
gegenüber  dem  Versuche,  den  Conjunctiv  des  Willens  im  Vordersätze  übeFsU 
als  potentialis  zu  fassen,  an  unserer  Darstellung  in  dieser  Zeitschrift  1861, 
S.  845  ff.  festhalten  zu  müssen  glauben.  Ebenso  hat  uns  §.  180, 8,  Anm.  2 
nicht  überzeugt,  dass  der  sogenannte  Conjunctivus  iteraüvus  vom  Tem- 
poralsatz ausgehend  auf  den  hypothetischen  Satz  übertragen  sei,  anstatt 
umgekehrt.  Der  Anhang  'Eigenthümlichkeiten  im  Gebrauche  des  Prono- 
men relativum'  war  wol  unter  der  Lehre  vom  Relativum  §.  155  unter- 
zubringen, femer  dürfte  §.  193  viel  klarer  werden  durch  Voranstellung 
des  §.  194. 

Wien.  Leopold  Vielhaber. 


Geschichte  Julius  Csesars.  Erster  Band.  295 


668chiehte  Julius  Caesars.  Vom  Verfasser  autorisierte  XJeber- 
•etiung.  Erster  Band.  Vin  u.  396  8.  8.  Wien,  Carl  Gerold's  Sohn, 
1866.  —  4  fl.  öü  kr.  ö.  W. 

Ohne  für  jetzt  eine  eingehende  Würdigung  dieses  neuen  Werkes 
gehen  zu  vollen,  die  hesser  his  zur  Vollendung  des  Ganzen  aufgespart 
bleiht,  heeilt  sich  die  Bedaction  dieser  Zeitschrift  ihren  Lesern  von  dem 
Fhin,  der  Art  und  dem  Inhalt  der  'Geschichte  Ciesars*  eine  vorläufige  all- 
gemeine Kunde  zu  bringen. 

*Das  Ziel  dieser  Geschichte',  sagt  die  vom  20.  März  1862  datierte 
Vorrede,  *ist  zu  beweisen,  dass  die  Vorsehung,  wenn  sie  Männer,  wie  Cssar, 
Xarl  den  Grofsen,  Napoleon,  hervorbringt,  damit  den  Völkern  die  Bahn, 
welche  sie  verfolgen  sollen,  vorzeichnen,  mit  dem  Gepräge  ihres  Genies 
eine  neue  Aera  bezeichnen,  und  in  wenigen  Jahren  die  Arbeit  von  Jahr- 
hunderten vollenden  will.'  Caesar  insbesondere  anlangend  kam  es  darauf 
an,  für  seine  einflussreichen  Bestrebungen  die  staatsmännischen  Triebfedern 
aufzudecken  und  in  dem  Entwickelungsgange  des  römischen  Staates  selbst 
den  Grund  aufzuweisen,  der  Csesars  Eingreifen  bedingte  und  seine  um- 
fusenden  Pläne  hervorrief.  *Die  Aufgabe  besteht  darin*,  sagt  die  Vorrede 
an  einer  anderen  SteUe,  *das  lebenskräftige  Element  aufzusuchen,  welches 
die  Stärke  der  Einrichtung  ausmachte,  sowie  die  beherrschende  Idee,  welche 
die  Handlungen  des  Mannes  leitete.* 

Den  vorgezeichneten  Plan  verfolgt  der  vorliegende  erste  der  drei 
prcgectierten  Bände  mit  Consequenz.  In  dem  ersten  der  beiden  Bücher,  die 
derselbe  nmfasst,  wird  die  Entwickelung  des  römischen  Staates  von  seinen 
kaBkagea  bb  auf  Caasars  erstes  Auftreten  dargelegt.  Von  der  Eönigsherr- 
Bchaft»  unter  welcher  die  dauernden  Grundlagen  der  römischen  Institutionen 
gelegt  wurden,  verfolgt  der  Geschichtschreiber  Caesars  die  römische  Staats- 
entwickelung durch  die  consularische  Bepublik  und  den  innem  Verfassungs- 
kampf hindurch  bis  zur  Vollendung  der  Eroberung  Italiens.  Galt  es  vorher 
in  den  Verfassungsformen  und  Beformen  die  Bedingungen  der  Gröfse  Boms 
sowie  die  Keime  der  Verderbnis  nachzuweisen,  so  war  hier  die  Stellung 
mid  Abstufung  zu  bezeichnen,  in  welcher  die  unterworfenen  italischen 
Völkerschaften  in  den  Verband  der  römischen  Bepublik  aufgenonmien  wur- 
den, and  somit  die  Grundursachen  zu  Ansprüchen  und  Bedürfnissen  der- 
aelben  aufzuweisen,  welche  für  Bom  verhängnisvoll  wurden.  Bevor  sich 
sodann  die  Darstellung  zu  den  römischen  Eroberungen  jenseits  der  Gren- 
zen Italiens  wendet,  wird  eine  detaillierte  Schilderung  entworfen  von  dem 
Wohlstande  der  Beiche,  die  wie  in  einem  Gürtel  rings  das  Mittelmeer 
umgaben,  und  der  Beihe  nach  als  Unteijochte  oder  Bundesgenossen  in 
die  grofse  römische  Völkerfamilie  aufgenommen  werden  sollten.  Aus  den 
zerbröckelten  Notizen  oder  darauf  gebauten  Combinationen  über  die  Be- 
völkerungszahl, die  Truppenmacht  und  die  Flotten,  den  Beichthum,  die 
Erzeugnisse  des  Bodens  und  die  Producte  der  Industrie  und  des  Kunst- 
iieUlsee  wird  musivisch  ein  Bild  zusammengefügt  über  den  Bestand  der 
iberiachen,  africanischen,  griechischen,  kleinasiatischen  Völkerschaften,  die 


N6  Geschichte  Jalius  Csesars.  Erster  Band. 

in  der  Folge  Borns  Oherhoheit  anzuerkennen  gezwangen  wnrden.  Diew 
Schilderung  schlieM  mit  den  für  den  kaiserlichen  Geschichtschreiber  charak- 
teristischen Worten:  *  Diese  gedrängte  Beschreibung  der  Küsten  des  mittel« 
ländischen  Meeres,  wie  sie  zwei-  oder  dreihundert  Jahre  vor  unserer  Zeit- 
rechnung waren,  lässt  den  Blütezustand  der  verschiedenen  Völker,  die  sis 
bewohnten,  genugsam  hervortreten.  Die  Erinnerung  an  solche  Gröfte  flöftt 
einen  sehr  natürlichen  Wunsch  ein,  den  nämlich,  dass  die  Eifersucht  der 
Grofsmächte  den  Orient  nicht  mehr  hindern  möge,  den  Staub  von  xwanzig 
Jahrhunderten  abzuschütteln  und  aufzuerstehen  zu  Leben  und  Civilisation.* 
Doch  hat  diese  Darstellung  auch  ihre  Bedeutung  für  den  ferneren  Gang 
der  römischen  Herrschaft  selbst.  Die  aus  jenen  Reichen  in  Rom  eindrin- 
gende Cultur,  literarische  und  künstlerische  Bildung,  neue  Ideen  und  An- 
schauungen, welche  mit  dem  römischen  Wesen  contrastierten  nnd  eng- 
herzige Vorstellungen  der  Römer  durchbrachen,  Reichthum  und  Ueppigkeit 
und  mit  beiden  verbunden  Lockerung  der  alten  römischen  Sittenstrenge 
im  Krieg  und  im  Frieden,  die  aus  jenen  Eroberungen  erwachsenden  neuen 
Zielpuncte  für  die  Habgier  und  Willkür  der  Feldherren  und  Provindal- 
statthalter  werden  zu  ebenso  viel  Momenten  der  Verderbnis  der  römischen 
Republik,  die  mit  der  Ausbreitung  des  Reiches  gleichen  Schritt  hielt 

Hieran  schliefst  sich  die  Erzählung  von  den  Eroberungen  selbst, 
die  punischen,  spanischen,  macedonischen,  syrischen  Kriege,  wobei  nicht 
minder  mit  militärischem  Interesse  die  strategischen  Gesichtspuncte  der 
römischen  und  fremdländischen  Kriegführung  aufgesucht,  ihre  Vortheile 
und  Nachtheile  gegen  einander  abgewogen,  als  mit  staatsmännischein  Blick 
die  politischen  Motive  Roms  bei  seinen  Eroberungen  dargelegt  werden. 
Als  ein  schlagendes  Ezempel  einer  auf  Gewinnung  groflser  Popularität  be- 
rechneten Maflsregel  wird  die  Freierklärung  Griechenlands  durch  Flami- 
ninus  hingestellt,  unter  wörtlicher  Benutzung  des  Berichtes  des  Livins,  der 
mit  den  Worten  schliefst:  'Es  gab  also,  sagte  man  (nämlich  die  befreiten 
Griechen),  ein  Volk  auf  Erden,  das  auf  seine  Kosten,  um  den  Preis  von 
Mühen  und  Gefahren,  den  Krieg  für  die  Freiheit  selbst  von  Völkern  führte, 
die  seinen  Grenzen  und  seinem  eigenen  Länderbestande  fem  lagen;  es 
durchzog  die  Meere,  auf  dass  in  der  ganzen  Welt  keine  einzige  ungerechte 
Herrschaft  mehr  bestehe  und  das  Recht,  die  Billigkeit,  das  Gesetz  überall 
die  Oberhand  gewinnen.'  Dabei  unterlässt  es  jedoch  der  Verfasser  nicht, 
hier  wie  sonst  auf  das  Geschick  hinzuweisen^  womit  die  Römer  jederzeit 
es  verstanden,  ihre  ehrgeizigen  und  eigennützigen  Pläne  hinter  der  Maske 
der  edelmüthigsten  Beweggründe  zu  verbergen. 

Jetzt  rückt  die  Darstellung  ihrem  eigentlichen  Ziele  immer  näher. 
Im  Lauf  jener  Eroberungen  und  als  Consequenz  aus  ihnen  war  sowol  die 
Verkommenheit  des  römischen  Senates  und  die  Entsittlichung  der  Aristo- 
kratie, die  den  Stolz  auf  ererbte  Vorrechte  ohne  jedes  persönliche  Verdienst 
bewahrte,  unaufhaltsam  fortgeschritten,  als  auch  anderseits  die  Verarmung 
des  römischen  Volkes  und  die  Bedürfnisse  und  Ansprüche  der  italischen 
Bevölkerungen,  die  von  den  Lasten  der  römischen  Republik  gedrückt,  von 
dem  Vollgenuss  ihrer  Rechte  ausgeschlossen  waren,  immer  höher  gestiegen. 
Daher  die  wiederholt  aufgenommenen   Versuche,   durch   neue  Mal^regeln 


Geschichte  Julius  Csesars.  Erster  Band.  207 

dem  Druck  der  ärmeren  Classe  des  römischen  Volkes  abzuhelfen  und  die 
gerechten  Wünsche  der  Italiker  zu  erfüllen.  Die  Misstände  selbst  und  die 
▼ersuchten  Mittel  ihrer  Abhilfe  werden  in^s  Licht  gestellt  und  den  Gründen 
nachgespürt,  aus  denen  diese  zeitgemäfsen  Bestrebungen  dennoch  scheiter- 
ten. Auf  jenes  Ziel  giengen  die  Bemühungen  der  Gracchen,  denen  aber 
die  genügende  Macht  fehlte,  ihre  wohlgemeinten  Plane  glücklich  zu  Ende 
zu  führen;  dahin  das  Streben  des  Marius,  der  von  neuem  sich  zum  Ver- 
treter der  Sache  des  Volkes  machte,  aber  durch  unmotivierte  Grausamkeit 
seine  populären  Bestrebungen  verdarb  und  den  aristokratisch -despotischen 
Bückschlag  des  Sulla  möglich  machte.  Hier  war  der  Punct,  auf  dem  Cesar 
einzugreifen  berufen  war,  der  umsichtiger  und  leidenschaftloser  als  die 
Gracchen,  und  mit  weniger  Kauheit  und  Grausamkeit  als  Marius  zu  Werke 
gieng  und  sein  Ziel  glücklicher  erreichte. 

So  hat  das  erste  Buch  den  Boden  zurechi  gemacht,  auf  dem  nun 
die  Darstellung  Csesars  selbst  sich  erheben  kann.  Mit  den  ersten  Lebens- 
jahren Cesars  wird  das  zweite  Buch  eröffnet.  Unter  Benutzung  der  kleinen 
Züge,  dergleichen  Sueton  und  Plutarch  überliefern,  wird  dem  Leser  die 
Persönlichkeit  Ciesars,  seine  äufsere  Erscheinung,  sein  liebenswürdiges  und 
doch  würdevoDes  Wesen  nahegerückt,  seine  sorgfältige  Erziehung  und  viel- 
seitige Bildung  in's  Licht  gestellt  und  nachgewiesen,  wie  Csesar  in  lang- 
samem Fortschritt,  durch  wohlberechnete  Proben  (wie  die  von  ihm  ge- 
haltene Leichenrede  auf  seine  Tante  Julia,  die  Wittwe  des  Marius,  die 
Wiederaufstellung  der  Trophäen  des  Marius,  sowie  der  von  Cssar  veran- 
lasste Process  gegen  Rabirius  a.  a.)  sich  allmählich  als  den  echten  Mann 
des  Volkes  enthüllte,  von  dem  einst  die  römischen  Bürger  und  die  Pro- 
vinzialen  Abhilfe  ihrer  drückenden  Lage  erwarten  konnten,  und  wie  er, 
ohne  ungesetzliche  Wege  zu  betreten  und  in  hochverrätherische  Pläne  sich 
XU  verstricken,  die  Spuren  der  Sullanischen  Reaction  zu  vertilgen  und  die 
Macht  der  Aristokratie  und  des  Senates  in  ihren  Grundfesten  zu  erschüt- 
tern unternahm. 

Anschaulich  werden  die  Männer  gezeichnet,  welche  in  dieser  ersten 
Epoche  von  CsBsars  Laufbahn  im  Vordergrund  der  politischen  Bühne  stehen 
und  entweder  in  Gemeinschaft  mit  Csesar  oder  gegen  ihn  agieren.  Pom- 
p^uB,  der  glückliche  Feldherr,  der  allemal  zu  rechter  Zeit  kam,  *um  zu 
seinem  Ruhme  die  Kriege  zu  beendigen,  die  nahe  daran  waren,  zum  Ruhme 
Anderer  beendigt  zu  werden',  der  Staatsmann,  der  die  Partei  der  Aristo- 
kratie nicht  aufgab,  aber  um  der  Volksgunst  willen  es  angemessen  fand 
gelegentlich  populäre  Gesetzesanträge  zu  unterstützen,  der  aber  auXser  dem 
eigenen  Ruhme  und  seiner  Eitelkeit  keine  Ziele  mit  staatsmännischer  Con- 
sequenz  verfolgte,  bis  Csesar  ihn  für  lange  Zeit  an  seine  Ideen  zu  fesseln 
verstand.  —  Crassus,  der  liebenswürdige  Lebemann,  der  seine  reichen  Schätze 
zu  seinem  und  seiner  Freunde  Bestem  und  des  Volkes  Belustigung  ver- 
brauchte, der  anfangs  keiner  der  beiden  widerstreitenden  politischen  Par- 
teien ganz  angehörig  zwischen  beiden  lavierte,  dann  aber  aus  einem  Gegner  zu 
einem  Verbündeten  und  wegen  seiner  Ungeheuern  Beichthümer  sehr  brauch- 
baren Werkzeug  Ctesars  ward.  —  Ihnen  gegenüber  Cicero,  der  von  Haus 
aus  zum  Mann  des  Volkes  berufen,  in  Folge  seiner  selbstgefälligen  Eitel- 


t98  Geschichte  Julius  Caesars.  Erster  Band. 

keit  und  weibischen  Gespensterfurcht  sich  zum  Hort  des  mehr  und  mehr 
dahinschwindenden  Senates  und  der  Aristokratie  aufwarf,  ohne  doch  andi 
hei  ihr  lange  Einfluss  und  Ansehen  zu  genie/^en.  Deutlich  tritt  hervor 
wie  der  'berühmte  Redner*  bei  aller  Ehrlichkeit  und  Rechtschaffenheit  ein 
grundschlechter  Staatsmann  war,  der  ohne  feste  üeberzeugungen  tn  ver- 
schiedenen Zeiten  die  widersprechendsten  Grundsätee  verfocht,  und  den 
Staat  gerettet  und  eine  verderbliche  Partei  völlig  vernichtet  sn  haben  sich 
rühmte,  w&hrend  er  nur  ein  kleines  Häuflein  Verschworener  mit  nngeseti- 
licher  Strenge  aus  dem  Wege  geräumt  hatte.  —  Cato  endlich,  der  starrar 
als  Cicero,  aber  in  seiner  verblendeten  Hartnäckigkeit  das  vermeintliche 
Staatswohl  mit  eben  denselben  Mitteln  untergrub,  mit  denen  er  es  la 
sichern  glaubte.  —  Unter  ihnen  vertrat  Caesar  allein  ein  Princip,  das  sich 
aus  den  thatsächlichen  Verhältnissen  des  römischen  Staates  ergab,  dasselbe 
Princip,  das  die  Gracchen,  das  Marius  verfolgt  hatten,  die  unabweislichen 
Forderungen  der  Armen  Roms  und 'der  italischen  Unterthanen  zn  befrie- 
digen. Dieses  Ziel  streng  im  Auge  haltend  und  jeden  Moment,  es  za  för- 
dern, klug  benutzend,  wusste  Caesar  Pompejus  und  Crassus  für  sich  la 
gewinnen,  des  Cicero  und  Cato  aber,  da  sie  sich  gutwillig  nicht  fügten, 
sich  zu  entledigen. 

Zwei  Momente  aus  diesem  Theile  der  Geschichte  seien  noch  insbe- 
sondere hervorgehoben :  die  Beurtheilung  der  Catilinarischen  Verschwörung 
und  Caesars  Ackergesetze.  In  der  Darstellung  jener  setzt  der  Verfasser  der 
von  staatsmännischem  Geiste  eingegebenen  Rede,  womit  nach  Sallnst^ 
Bericht  Caesar  die  stürmisch^  Senatsversammlung  vor  überstrengem  Eifer 
gegen  die  Catilinarier  warnt,  die  utrierten  und  leidenschaftlichen  Dech^ 
mationen  des  Cicero  entgegen,  welche  damals  Viele  betäubten  und  noch 
lange  das  Urtheil  über  jene  Verschwörung  und  ihre  Tlieilnehmer  bestimm- 
ten. Der  Geschieh tschrciber  Caesars  sucht  die  Würdigung  der  hochver- 
rätherischen  Pläne  des  Caülina  auf  ihr  rechtes  Mafs  zurückzubringen,  und 
wie  Caesar,  ohne  das  Unternehmen  zu  billigen,  den  Personen,  die  an  der 
Spitze  desselben  standen,  gerecht  zu  werden.  Der  damals  gegen  Cesar  in 
Folge  seiner  abmahnenden  Rede  im  Senat  erhobene  Verdacht  der  Theil- 
nahme  und  Mitwissenschaft  an  der  Verschwörung  wird  in  den  Boreich  der 
von  politischem  Parteihass  eingegebenen  Verleumdungen  verwiesen.  Obwci 
zuzugeben,  dass  die  Bestrebungen  der  Catilinarier  in  gewissem  Betracht 
einige  Verwandtschaft  mit  den  Plänen  Caesars  hatten,  so  war  doch  Casart 
ganzes  Wesen  nicht  danach  angethan,  sich  in  ein  solches  Complott  einin- 
lassen,  und  zudem  hatte  er  keine  Veranlassung  ungesetzliche  Wege  ein- 
zuschlagen, so  lange  die  Aussicht  mit  erlaubten  Mitteln  zum  Ziele  in 
gelangen  nicht  verbaut  war. 

Die  Ackergesetze  aber,  die  Caesar  erlieiÜB,  waren  die  erste  groAe  That 
seines  Consulates:  sie  waren  im  Grunde  nur  die  Wiederaufnahme  der  frühe- 
ren von  Cicero  in  blindem  Eifer  bekämpften  Anträge  des  Rullus,  und  zeig- 
ten deutlich,  wie  richtig  Caesars  Scharfblick  die  Bedürfnisse  des  romischen 
Staates  an  seinem  wundesten  Flecke  erkannte,  und  dass  er  mit  sicherem 
Griff  die  rechten  Mittel  in  Gang  zu  setzen  wusste,  ihnen  abzuhelfen.  Die 
Ackergesetze,  sowie  eine  Reihe  anderer  in  Caesars  erstem  Consultat  durch- 


A.  Graf,  Wandkarte  der  Planigloben,  ang.  v.  A,  Steinhauser,    290 

gelffacfaten  Gesetzesanträge,  alle  bestiiiimt,  längst  fühlbaren  Uebelständen 
des  Staates  (wie  insbesondere  in  der  Provincialverwaltung)  abzuhelfen, 
waren  nur  die  Ausföhrung  des  von  Cessar  seit  lange  bei  sich  festgestellten 
politiaehen  Programmes. 

Bis  hierher  hat  Gtosar,  unter  dem  heftigen  Widerspruch  seiner  Geg- 
ner, die  sr  seinerseits  durch  versöhnliches  Entgegenkommen  zu  gewinnen 
unablässig  bemüht  war,  seine  Zwecke  erreicht:  auch  die  anfänglich  ver- 
sagte, folgenreiche  Statthalterschaft  der  beiden  Gallien  ward  ihm  beim 
Absdiluss  seines  Consulates  doch  noch  zu  Theil,  und  mit  dieser  Verwal- 
taAg  beginnt  eine  neue  Phase  in  Cssars  Leben,  deren  Darstellung  dem 
zweiten  Bande  vorbehalten  ist 

Diese  flüchtige  Skizze  mag  genügen,  um  vorläufig  Plan  und  Gesicht- 
poncte  der  Geschichte  Cnsars  zu  bezeichnen.  Sie  ist  zumeist  im  Ton 
schlichter  Erzählung  gehalten,  die  nur  hier  und  da  durch  zusammenfas- 
sende Betrachtungen  unterbrochen  wird.  Häufiger  sind  in  dieselbe  längere 
und  kürzere  classische  Stellen  aus  den  alten  Autoren  wörtlich  eingewebt, 
wie  der  angeführte  Bericht  des  Livius  über  Flamininus,  die  Bede  Csesars 
im  Soiat  bei  Sallust,  anderes  aus  Cicero,  Dio  Cassius,  Plutarch  u.  s.  w. 
Andere  Belegstellen  werden  schrittweise  in  den  zahlreichen  Anmerkungen 
dtiert  oder  ausgeschrieben,  und  verleihen  dem  Ganzen  auch  äufserlich 
mehr  den  Charakter  einer  urkundlichen  Geschichte  als  eines  publicistischen 
Ra&Bonnements.  Ohne  durch  besondere  Neuheit  der  Aufschlüsse  oder  über- 
nsohende  Combinationen  und  Parallelen  mehr  zu  blitzen  als  zu  erhellen, 
geht  das  Werk  den  gemessenen  Gang  einer  gleichmäMg  durchgeführten, 
anschaulichen,  Personen  und  Verhältnisse  mit  freiem  Blick  beurtheilenden 
Geschichtsdarstellung. 

Dem  ersten  Bande  sind  beigegeben  vier  Karten,  vom  Gebiete  der 
Stadt  Born  zur  Zeit  der  Vertreibung  der  Tarquinier,  eine  Generalkarte  des 
alten  Italiens,  eine  Karte  des  Mittelmeerbeckens  und  eine  von  der  Insel 
Peuche  an  der  span. sehen  Küste. 

Die  Uebersetzung,  um  auch  von  ihr  ein  Wort  zu  sagen,  erfüllt,  so 
weit  dies  möglich,  zugleich  die  Forderung  der  Treue  ohne  dem  Bechte  der 
deutschen  Sprache  etwas  zu  vergeben.  Druck  und  Ausstattung  sind  bril- 
lant und  einem  Werke  von  kaiserlicher  Hand  entsprechend. 

Schulkarten  des  Weimarer  geographischen  Institutes. 

1.,  2.'*')  Oestlicher  und  westlicher  Planiglob,  zum  Schulgebrauche 
bearbeitet  von  Ad.  Graf.  Zweierlei  Ausgaben:  a)  physikalische, 
b)  politische.  Jeder  Planifflob  zu  4 Blättern  in  Far Mndruek  22 '/,  Sgr., 
auf  Leinwand  z.  Zusammenlegen  27 '/,  Sgr.,  mit  Stäben  2  Thlr. 

Die  überraschend  guten  Erfolge,  welche  durch  des  ersten  Bahn- 
brechers im  Schulwandkartenfache  E.  von  Sydow  erzielt  wurden,  haben  viele 

*)  üeber  diese  beiden  Planigloben  ist  von  einem  anderen  Ref.  im  vorigen 
Jahrgange  S.  53B  f.  Bericht  erstattet;  die  Red  trägt  kein  Bedenken 
in  der  vorliegenden  übersichtlichen  Anzeige  neuerer  Publ  cationen 
auch  diesen  mit  der  früheren  Anzeige  zusammentrefifenden  Theil  auf- 
zunehmen, da  der  Ref.  grorsentheils  andere  Gesichtspuncte  geltend 
gemacht  hat.  A.  d.  Red. 


800    Ä,  Graf,  Wandkarte  der  Planigloben,  ang.  v.  A,  Steinhau9er. 

ähnliche  Unternehmungen  hervorgerufen,  welche  fast  dnrchgebendB  in  dem 
Grundsätze  übereinstimmen,  durch  nüchternen  Inhalt,  durch  ansprechende 
Farbengebung,  durch  Reducierung  der  Beschreibung  auf  ein  geringstes  M^iy 
eine  wohl  verstandliche  Auffassung  der  elementaren  Karten  bilder  bei  An- 
fängern zu  erzielen.  Auch  die  vorliegenden  16  Sectionen  der  physikalischen 
und  politischen  Planigloben  zeigen  im  allgemeinen  das  Festhalten  am  ge- 
nannten wohlerprobten  Principe.  Sie  unterstützen  das  sichere  Erkennen  der 
Gestaltung  der  Erdoberfläche  durch  grelle  Farbentöne,  die  den  Hauptkarten- 
elementen  üblich  zukommen:  braun   für  die  Erhabenheiten,  blan  für  die 
Gewässer,   grün  und  lichtbraun  für  das  Tiefland;   sie  enthalten  entweder 
gar  keine  Angaben  (z.  B.  für  Länder,  Inseln,  Ströme,  Gebirge)  oder  nv 
kurze  Abbreviaturen  (für  Wohnorte),  an  Grenzen  nur  das  nöthige,  nnd  leichnen 
sich  sonach  durch  klare  Uebersicht  vorthcilhaft  vor  manchen  analogen  Yer- 
suchen  aus.  Da  bei  solchen  Erddarstellungen  nur  das  Bedürfnis  des  ersten 
Unterrichtes  in's  Auge  gefasst  werden  kann,  und  das  Materiale  bei  diesem 
nothwendig  ein  sehr  beschränktes  sein  muss,   so  kann  man  von  der  Aus- 
lassung von  Namenskürzungen  absehen,  besonders  in  dem  Falle,  wenn 
die  Karten,  die  der  Schüler  zu  seinem  häuslichen  Gebrauche  benützt,  die 
Wiederholung  auf  der  Wandkarte  entbehrlich  machen.    Die  Gebirge  sind 
in  Kreidemanier  ausgeführt,   und   es  dürfte  gegen  die  Art,  wie  Hr.  Chtf 
seine  Aufgabe  crfasst  hat,  nichts  einzuwenden  sein.  Die  Zwecke  deutlicher 
Erkennbarkeit  aus  der  Feme  erfüllt  die   Karte  im   ganzen  gut,   nnr  die 
Umrisse  der  Flüsse  erweisen  sich  dabei  als  unzulänglich,   so  dass  es  ftst 
gerathener  erscheint^  wenn  dieselben  lieber  der  schwarzen  Platte  vorbe- 
halten worden  wären.  Dies  würde  auch  den  Yortheil  gewährt  haben,  alle 
bei  Verschiebung   im  Drucke   nicht   selten   vorkommenden  Veränderungen 
der  Ortslagen  bestens  zu  vermeiden.   Es  braucht  bei  einem  Institute,  wie 
das  Weimar'dche,   kaum  versichert  zu  werden,   dass  die  Darstellung  dem 
Tage  des  Erscheinens  gemäfs  ist.  Die  Grundlage  beider  Ausgaben  ist  voll- 
kommen gleich ;   sie  unterscheiden  sich  nur  dadurch ,  dass  auf  der  politi- 
schen Ausgabe  die  Farbe  für  das  Tiefland  fehlt,   und  dagegen  jeder  Erd- 
theil  (nebst  den  darin  vorkommenden  Grenzen)  verschiedenfarbig  gerindert 
erscheint  Man  kann  sagen,   dies  sei  zu  viel  und  zu  wenig,  je  nach  dem 
Stand  puncto  der  Anforderung  von  Seite  der  Schule.  Die  Erdtheile  sind  so 
geschieden,  dass  sie,  selbst  Europa  nicht  ausgenommen,  einer  eigenthüm- 
lichen  Farbe  ganz  entbehren  können.    Begnügt  man  sich  überdies  mit  der 
rothen  (deutlich  von  den  übrigen  gebrauchten  Farben  abstechenden)  Be- 
grenzung, so  erscheint  die  separate  politische  Ausgabe  fast  als  ein  üeber- 
fluss.  Legt  man  jedoch  ein  besonderes  Gewicht  darauf,  die  staatliche  Con- 
figuration  vorherrschend  zur  Anschauung  zu  bringen,  so  hätte  statt  einer 
Farbe  eine  ganze  Suite  von  Farben  in  Anwendung  kommen  müssen,  die, 
um  nicht  in  Conflict  mit   den   zum   physischen  Bilde  gebrauchten  zu  ge- 
ratheq,   eine  andere   Unterlage   des  Naturbildes  nöthig  gemacht  hätten« 
Diese  Bemerkung  lässt  sich   auch   so  ausdrücken:   Die  rothen  Linien  der 
Staatenbegrenzung  stören  das  physische  Bild  so  wenig,  dass,  wenn  sie  sor 
Andeutung  ausreichen,  die  zweite  Ausgabe  entfallen  konnte;   erachtet  sie 
die  Lehrerpraxis  für  nicht  ausreichend,  um  dem  Schulzwecke  zu  genfigen, 


C  Hergt,  Karte  yon  Palästina,  ang.  v.  A.  Steinhauaer,         801 

80  würde  eine  Ton  der  ersten  Ausgabe  unabhängige  Bearbeitung  der  zweiten 
fomnehen  gewesen  sein.  —  Die  Planigloben  haben  nahe  drei  Schuh  Durch- 
messer und  sind  in  Babinet's  Protection  entworfen,  einer  Entwurfsgattung, 
welche  durch  Gleichheit  der  Flächenraume,  durch  horizontale  Breitenkreise 
einige  entschiedene  Vortheile,  durch  Yerziehung  der  Umrisse  jedoch  leicht 
ersichtliche  Nachtheile  in  sich  trägt,  so  dass  die  Frage  noch  als  offen  be- 
trachtet werden  kann,  ob  sie  PSa  die  Schule  der  gewohnten  stereographi- 
sehen  Projection  vorzuziehen  sei,  indem  es  noch  viele  Lehrer  gibt,  welche 
die  Bichtigkeit  der  Umrisse  als  Hauptsache  der  Entwerfungsart  obenan- 
stellen.  Nebenprojectionen  (z.  B.  Nordpol,  Südpol  u.  s.  w.)  enthalten  die 
Weimar^schen  Schulplanigloben  nicht;  sie  hatten  nur  dann  guten  Platz 
finden  können,  wenn  beide  Planigloben  zu  einem  Ganzen  wären  vereinigt 
worden.  Wichtiger  wäre  für  den  Standpunct  des  Elementarunterrichtes  das 
Entstehen  einer  anderen  Ausgabe  von  Planigloben,  welche  die  AuffiEissung 
der  Oceane  ebenso  gut  vermittelten,  wie  die  bisherigen  das  Erkennen  der 
Linder  Verhältnisse.  Eine  Halbkugel  müsste  dem  atlantischen,  die  andere 
dem  groXIsen  Oceane  gewidmet  sein,  beide  getrennt  behandelt  werden« 
weil  sie  sich  gegenseitig  nicht  ergänzen,  wie  die  östliche  und  westliche 
Halbkugel  Für  die  Eismeere  würde  die  Zeichnung  bis  zum  60"  Grad  der 
Breite  genügen;  dann  erst  würden  diese  Behelfe  jene  Vollständigkeit  er- 
reichen,  um  den  Globus  so  weit  zu  ersetzen,  als  Flachzeichnungen  dies 
überhaupt  zu  leisten  vermögen. 

3.  Karte  von  Palästina,  gezeichnet  und  dem  Sophienstift  in 
Weimar  gewidmet  von  C.  Bergt.  In  4  Blättern  in  Farbendruck.  — 
2  Thlr. 

Wenn  der  Lehrer  der  Volksschule,  welcher  die  biblische  Geschichte 
beider  Testamente  vorzutragen  hat,  bereits  Schüler  vorfindet,  welche  Karten 
in  ihren  allgemeinsten  Umrissen  zu  verstehen  gelernt  haben,  so  vrird  er* 
gewiss  einen  sehr  guten  Gebrauch  von  einer  Karte  machen  können,  welche 
iiidit  nur  das  Auge  anspricht  und  das  nothwendigste  enthält,  sondern  auch 
die  sonstigen  Eigenschaften  einer  guten  Schulwandkarte:  Deutlichkeit,  Sicht- 
barkeit ans  der  Feme  u*  s.  w.  in  sich  vereinigt.  Zu  dieser  Classe  kann  man 
die  Torgenannte  Karte  zählen,  indem  sie  das  heilige  Land  in  allgemeiner, 
aber  klarer  Charakteristik  seiner  Bodenerhebung  darstellt,  eine  mäüsige, 
doBi  Unterrichte  der  unteren  Stufe  entsprechende  Anzahl  von  Orten  ent- 
bilt,  nnd  auch  der  gewöhnlichen  Beigaben  (Plan  von  Jerusalem,  Karte  der 
12  Stämme)  nicht  entbehrt.  Die  gelungene  Ausführung  in  Farbendruck 
gewählt  eine  leichtverständliche  Uebersicht  des  Hoch*  und  Tieflandes,  in 
welches  letztere  jedoch  nicht  blofs  ein  Streifen  des  Jordanthaies,  sondern 
Mich  die  Küsten  des  todten  Meeres  einbegriffen  sein  sollten«  Gewiss  war 
es  die  Abeicht  des  Autors,  das  Verständnis  der  gewaltigen  Depression  dieser 
Eidstelle  durch  zwei  Profile  bestens  zu  befördern,  allein  dieselben  zeigen 
ein  nicht  wohl  überlegtes  Vermengen  von  geometrischem  Profil,  oro- 
mphischem  Anfriss  und  perspectivischer  Zeichnung,  theilweise  selbst  mit 
Formen,  die  der  Landschaftszeichnung  angehören,  so  dass  die  beabsichtigte 

Muehrift  f.  d.  ^ttcrr  Oyonn.  \Mi5.  IV.  H*fi.  21 


SM      C,  Oräf,  Orogpraphische  Karte  etc..  ang.  y.  Ä.  Steinhäuser, 

Wirkimg  vereitelt  wird  und  selbst  der  Kenner  sich  erat  hineinfinden  i 
Ein  reines  Festhalten  am  geometrischen  Profile  in  Verbindung  mit  der 
Horizontallinie  des  Niveaus  des  mittelländischen  Meeres  würde  einfiuslier 
und  dem  Anfanger  verstandlicher  sich  erprobt  haben.  Die  starke  Ueber» 
höhung  der  verticalcn  Abstände  ist  ein  viel  kleineres  üebel  als  die  dordi 
die  vorgenannte  nicht  glückliche  Combination  verursachte  Unklarheit  Für 
den  Fall  einer  Erneuerung  würde  vielleicht  angezeigt  sein,  die  zwei  Profile 
mit  halber  (aber  gleicher)  Ueberhöhung  unter  einander  anzubringen  and 
sich  rein  auf  den  wahren  Durchschnitt  zu  beschränken.  Die  beiden  Profile 
bilden  den  unwichtigsten  Theil  der  Karte,  daher  ihr  Misglücken  den  Werth 
und  die  Gebrauchsfähigkeit  der  Karte  nicht  beeinträchtigt.  Die  äutteie 
Ausstattung  ist  des  Weimarer  geographischen  Institutes  würdig  und  die 
Karte  hat  in  dieser  Beziehung  einen  Vergleich  mit  der  grofsen  Eiepert*- 
schen  Wandkarte  nicht  zu  scheuen. 

4.-8.  Karten  der  deutsch-österreichischen  Kronländer  in  ihren 
hvdro-  und  orographischen  Verbältnissen.  4.  Nieder-  und 
Oberösterreich  mit  Salzburg.  —  5.  Steiermark,  Kärnthen,  Krain,  Küsten- 
land. —  6.  Tirol.  —  7.  Böhmen.  —-  8.  Mähren  und  Schlesien.  Im  MaAe 
1 :  600000.  Bearbeitet  von  C.  Graf.  Terrain  von  V.  Geyer,  ä  V,  Thh. 

Die  lobenswerthe  und  separate  Ausführung  des  Terrains  in  den 
anerkannt  guten  Karten  des  Weimar'schen  grofsen  Atlas  über  die  deutsdi- 
österreichischen  Kronländer  veranlasste  den  Schreiber  dieser  Zeilen  den 
Wunsch  auszusprechen,  dass  das  Weimarer  geogr.  Institut  sich  möge  bereit 
finden  lassen,  auf  Verlangen  auch  Separatabdrücke  des  Terrains  auszufol- 
gen. Das  Institut  hat  selbst  gefühlt,  dass  in  solchen  Separatabdrücken  ein 
gewaltiges  Element  für  das  nähere  Studium  der  Bodenverhältnisse  liegt, 
es  hat  aber  auch  gefunden,  dass  ohne  das  Flussgerippe  und  einige  Anden« 
tungen  von  Ortslagen  dem  noch  Lernenden  die  Orientierung  im  nackten 
Terrain  Schwierigkeiten  bereiten  werde;  sie  hat  das  reine  Terrainbild  durch 
Hinzufügung  des  Gewässernetzes  und  weniger  Ortsangaben  zum  vollen 
physikalischen  Bilde  umgewandelt,  und  damit  jenen  Zwecken  des  Unter- 
richtes, welche  eifrige  und  verständige  Lehrer  der  Geographie  mit  ähn- 
lichen Mitteln  bestens  zu  fördern  verstehen,  ein  gewiss  willkommenes  Ma- 
teriale  geschafi'en.  Die  leeren  Räume  der  Karten  sind  einem  theils  ergän- 
zenden, theils  wiederholenden  Texte  gewidmet,  um  einerseits  den  Inhalt 
zu  steigern,  anderseits  zu  zeigen,  wie  von  der  Karte  abgelesen  werden  solL 
Die  Beschreibung  beschränkt  sich  auf  Abbreviaturen  von  Ortsnamen,  auf 
die  Namen  ausgezeichneter  Gipfel  und  der  meisten  Flüsse  und  Thäler.  D% 
in  £.  von  Sydow*s  Schulatlas  und  einigen  im  Principe  theilweise  ihm 
nachgeahmten  Atlanten  keine  Karten  österreichischer  Kronländer  in  lo 
grofsem  Mafsstabe  vorkommen,  dass  sie  einer  mäfsig  ausgedehnten  Vfttei^ 
landskunde  zum  ausreichenden  Bebelfe  dienen  könnten,  so  bietet  das  Wei- 
marer Institut  mit  dieser  Suite  von  fünf  Karten  den  österreichischen  Lehi^ 
anstalten  für  die  höhere  geographische  Unterrichtsstufe  ein  sehr  biftQcli- 
bfures  Hilfsmittel,  dem  man  nur  noch  eine  stellenweise  Erweiterung  wün- 
schen möchte,  um  sie  zum  Zwecke  der  physischen  Landeskunde  noch  ent- 


A.  Steinhäuser,  Qeogr.  Sohul-Atlas,  ang.  v.  /.  PtasOinik,       SOS 

fprechender  and  auf  allen  Pancten  gleich  tauglich  za  machen.  Die  Original- 
kBrten  dea  AUas  hatten  als  praktische  üehersichtsblätter  nicht  die  Nöthi- 
gong,  ao  weit  im  Terrain  über  die  Landesgrenze  hinauszugehen,  um  den 
Zoaammenhang  entfernterer  Bergmassen  und  Ketten  sichtbar  vor  Augen 
in  bringen.  Die  Terrainzeichnung  schloss  zwar  nicht,  wie  es  leider  öfter 
▼orkommt,  hart  mit  der  Grenze  ab,  erstreckte  sich  aber  nicht  immer  so 
weit»  bis  wenigstens  die  nächsten  grofsen  Längenthäler  einen  natürlichen 
Abecbnitt  darboten.  Freilich  ündet  sich  der  fehlende  Theil  auf  der  Karte 
des  anstolkenden  Landes,  aber  die  geistige  Uebertragung  der  Supplemente 
ist  nicht  jedermanns  Talent.  Der  politischen  Karte  hätte  der  kleine  Ueber-^ 
grüf  nicht  geschadet,  und  der  physischen  wäre  er  zu  gute  gekommen. 
Hypsometrische  Daten  finden  sich  auf  den  Karten  nicht;  bei  einiger  Voll- 
itindigkeit  würden  sie  dazu  kaum  ausreichen ,  so  z.  B.  würden  auf  der 
Karte  Ton  Tirol  allein  aus  dem  eben  zu  publicierenden  Verzeichnisse  der 
Hdhenmeasnngen  der  Catastral Vermessung  über  12.000  Zahlen  einzutragen 
Mini  Der  oben  besagte  Umstand  des  etwas  zu  frühen  Abechliefsens  der 
Terrainseichnung  scheint  auch  einer  zweiten  Umwandlung  dieser  physika- 
Uachen  Karten  in  Schichtenkarten  einigermafsen  hinderlich  zu  sein;  jeden« 
fiüls  würde  eine  solche  spätere  Bereicherung  des  orographischen  Elementes 
die  Karten  als  Mittel  zur  Landeskunde  noch  bedeutend  höher  stellen.  Allein 
lehon  jetzt  werden  sie  gute  Dienste  leisten  können,  wenn  die  Lehrer 
onaerer  Mittelschulen  über  den  Kreis  ihrer  Wirkung  und  Verwendung  klare 
Ansichten  werden  gewonnen  haben. 

Wien.  Anton  Steinhäuser. 

Atlas  flbr  die  erste  Stufe  des  geographischen  Unterrichtes  in  den 
österreichisch -deutschen  Schulen,  entworfen,  bearbeitet  und  mit  Text 
versehen  von  Anton  Steinhauser,  k.  k.  Rath.  2.  Heft,  Karten  zur 
Yaterlandskunde :  7.  Oesterreichischer  Kaiserstaat  (Politische  Ueber^ 
sieht);  8.  Oesterreichischer  Kaiserstaat  (jflöhen- Verhältnisse) ;  9.  Oester- 
reich  und  Salzburg;  10.  Steiermark,  Kärnthen,  Krain,  Görz,  Triest, 
Istrien;  IL  Tirol  und  Vorarlberg ;  12.  Böhmen;  13.  Mähren  und  Schle- 
sien; 14.  Jjombardo-Venetien;  15.  Galizien,  Bukowina,  Un^m,  Sieben- 
bürgen, Croatien-Slavonien,  Militärgrenze,  Dalmatien  (Doppelblatt). 
Wien,  Artaria  &  Comp.,  1865.  —  1  fl.  40  kr.  (Einzeln  Nr.  7—14  jede 
Karte  15  kr.,  Nr.  15:  20  kr.) 

Dieses  Heft  liefert  bereits  ein  Material  für  eine  höhere  Stufe  der 
Sntwickelnng.  In  der  That  werden  die  Schüler  nach  den  vorausgegangenen 
Uebnngen  im  1.  Hefte  in  Stand  gesetzt,  die  Karten  9—15  mit  £rfo]g  za 
lesen  nnd  an  verstehen.  Dieselben  enthalten  die  einzelnen  Königreiche  und 
Uuftder  des  österreichischen  Kaiserstaates  mit  einer  ausfuhrlichen  Oro-  und 
Hydrogpmphie ,  nebst  Angabe  der  Communicationsmittel  und  der  einzelnen 
Orte.  Wie  reichhaltig  die  Topographie  hier  vertreten  ist,  ergabt  sich  aus 
dem  Umstände,  dass  zur  Bezeichnung  der  Orte  nach  der  Gröfse  ihrer  Be^ 
Tölkening  acht  verschiedene  Schriftzeichen  gewählt  sind;  aiifiserdem  findet 
naa  Zeichen  für  Dörfer,  Schlösser,  Abteien,  Wallfahrtsorte.  Diesem  Vor* 
gutge  liegt  die  Idee  zn  Grunde,  jede  Karte  eines  Kronlandes  so  auszustatten, 
4mb  aie  zugleich  für  ein  specielles  Studium  die  nöthigen  Anhaltspunete 

21* 


804       Ä.  Steinhauier,  Geogr.  Schul-Atlas,  ang.  y.  J,  Piam^mk 

biete.  Bei  all  dieser  Reichhaltigkeit  des  Stoffes  wusste  der  Hr.  Yerf.  die 
Klippen  za  umschiffen,  an  denen  ein  solcher  Vorgang  leicht  Schaden  nehmen 
konnte;  dadurch  nämlich,  dass  die  Plastik  des  Reliefs  als  Basis  gewählt 
und  die  oro-  und  hydrographischen  Verhältnisse  in  den  Vordergnmd  gatteUt 
wurden,  trat  die  Topographie  selbst  in  zweite  Linie  zurück,  und  indem 
der  Hr.  Vf.  bei  diesen  Karten  vor  allem  darnach  strebte,  die  Lage  eines 
jeden  Ortes  genau  und  deutlich  zu  charakterisieren,  wurden  doieh 
diesen  Zweck  selbst  die  Schranken  geschaffen,  deren  Beobachtung  die 
üebersicht  und  Deutlichkeit  des  Objectes  erfordert.  Die  Karten  9  —  16, 
die  sich  mit  Bezug  auf  die  Darstellung  des  Objectes  an  die  Karte  Ton 
Palästina  anschliefsen,  sind  daher  durchwegs  leicht  lesbar- und  bieten  doroh 
ihre  gute  Ausflihrung  einen  geeigneten  Stoff  zur  Erweiterung  der  Kouit- 
nisse  der  Schüler  in  Bezug  auf  die  erdkundlichen  Momente  des  Oeteneichi- 
schen  Kaiserstaates.  Die  Karten  7  und  8  verfolgen  specielle  Zwecke.  Gleidi- 
wie  nämlich  die  Karte  2  des  1.  Heftes  eine  Art  Einleitung  in  das  Karten- 
lesen überhaupt  enthält,  so  ist  auch  die  Karte  7  als  Einleitung  zur  Vater» 
kndskunde  zu  betrachten.  Sie  enthält  im  Buntdruck  auf  hjdrographisdier 
Basis  eine  Üebersicht  der  politischen  Eintheilung  des  Staates  nach  seinen 
Kronländem.  In  den  Begleitworten  zu  dieser  Karte  beschäftigt  sich  der 
Hr.  Vf.  mit  den  Mitteln  zur  anschaulichen  Darstellung  des  GröXtonTerhäli- 
nisses  mit  Bezug  auf  den  Flächenraum,  auf  die  Bevölkerung,  Nationali- 
täten und  Religion.  Die  hier  gemachten  Vorschläge  beschränken  sich  dar- 
auf, dass  das  numerische  Gröflsenverhältnis  in  einer  entsprechenden  geo- 
metrischen Figur  räumlich  dargestellt  werde. 

Die  Karte  8  stellt  in  Schichtenlinien  die  Höhenverhältnisse  des  Bo- 
dens im  österreichischen  Kaiserstaate  dar,  und  zwar  von  0 — dOCV,  300 — 500* 
600—1000',  1000— 2000-  2000-4000',  4000— 9000^.  Wie  die  Höhenscala 
zeigt,  war  es  dem  Hm.  Vf.  nicht  um  die  blofto  Anwendung  einer  neaen 
Darstellungsform  für  das  Terrain  zu  thun,  sondern  er  gieng  einen  Schritt 
weiter  und  bediente  sich  dieser  Form,  um  zu  versuchen,  was  sich  mit 
diesen  Mitteln  darstellen  lässt  Der  vorliegende  Versuch  hat  bereits  ein 
erfieuliches  Resultat  zur  Folge;  denn  abgesehen  davon,  dass  eine  solche 
Karte  feste  Anhaltspuncte  zu  ein^  schnellen  und  sicheren  Orientierung  bei 
der  Bestimmung  der  M.  H.  für  die  Bodenerhebung  bietet,  so  wird  durch 
dieselbe  «lamentlich  die  Üebersicht  des  Culturlandes,  die  genauere  Unter- 
scheidung des  pioduotiven  Bodens  von  dem  unproductiven  wesentlich  er- 
leichtert, und  wenn,  wie  dies  auf  dieser  Karte  der  Fall  ist,  die  specielle 
Terraindarstellung  mit  der  Hydro-  und  Topographie  (ohne  Beisetzung  der 
Namen)  in  Verbindung  steht,  so  lassen  sich  auf  einer  solchen  Karte  geo- 
graphische Leseübungen  nach  verschiedenen  Gesichtspuncten  erfolgreidi 
vornehmen. 

Der  Hr.  Vf.  widmet  dieser  Karte  eine  eingehende  Erklärung  und 
wir  haben  «ur  den  Wunsch  beizufügen,  der  Hr.  Vf.  möchte  nach  denselben 
Grundsätzen  eine  Wandkarte  zum  Gebrauche  für  die  Gymnasien  entwerfen. 
Wir  zweifeln  nichts  dass  eine  solche  Wandkarte  wesentlich  zur  Erfüllung 
jenes  Wunsches  beitragen  würde,  den  der  Hr.  Vf.  in  seinem  Begleitworle 
den  Schülern  an*B  Hen  legt,  indem  er  sagt:   «Wenn  ihr  solche  Hebungen 


C  Neumofm,  Die  magnetische  Drehung  etc.,  ang.  ▼.  J,  Stefan.    SOS 

▼efstliidig  unternehmet  und  sie  auszuführen  nicht  ermüdet,  werden  die 
guten  Frttchte  nicht  lange  auf  sich  warten  lassen.  Ihr  werdet  auf  diese 
Weise  dahin  kommen,  die  Geographie  eines  Landes,  so  weit  sie  von  der 
Karte  abgelesen  werden  kann,  selbst  zu  machen,  und  dies  wird  euch 
mi^^eh  gröilseren  Nutzen  bringen,  als  jedes  noch  so  fleifsige  Aus- 
wendiglernen aus  einem  Buche.  Um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  musa 
euer  Bestreben  zuerst  dahin  gehen,  eine  Karte  richtig  lesen  zu 
lernen.** 

Wien.  J.  Ptaschnik. 


Die  magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichtes. 
Versuch  einer  mathemat^hen  Theorie,  von  Carl  Neumann.  HaUe, 
Waisenhausbuchhandlung,  1863.  —  20  Sgr. 

Wilhelm  Weber  vollbrachte  die  kühne  That  und  vereinigt  die  An- 
ziehung und  AbetoDsung  der  ruhenden  Elektricitäten,  der  von  elektrischen 
Strömen  durchflossenen  Leiter  und  die  Erscheinungen  der  Induction  unter 
der  Herrschaft  eines  einzigen  Gesetzes,  des  Gesetzes,  wonach  die  Wechsel- 
wiiteng  zwischen  zwei  elektrischen  Massen  nicht  nur  abh&ngig  ist  von 
ihrer  Distanz,  sondern  auch  von  der  Geschwindigkeit  und  der  Beschleuni- 
gung ihrer  relativen  Bewegung.  Diese  grofse  Leistung  Weber*s  bildet  den 
Ausgangspunct  für  die  in  dem  vorliegenden  Werkchen  enthaltene  Theorie. 
Der  Hr.  Vf.  geht  von  der  Hypothese  aus,  dass  in  der  durchsichtigen  Sub- 
stani,  welche  zwischen  die  beiden  Magnetpole  gebracht  wird,  elektrische 
Strüme  um  die  einzelnen  Molecüle  erregt  werden,  Ströme,  wie  solche  von 
Amp^  zur  Erklärung  des  Magnetismus,  wie  solche  auch  zur  Erklärung 
des  Diamagnetismus  angenommen  wurden.  Die  in  diesen  Strömen  circu- 
lierenden  elektrischen  Theilchen  wirken  auf  die  Theilchen  des  Lichtsthen 
mit  Kräften,  welche  abhängig  sind  von  der  Distanz  und  zugleich  von  der 
idatiyen  (Geschwindigkeit  und  Beschleunigung  der  wirkenden  Theilchen. 
Das  Wirkungsgesetz  unterscheidet  sich  vom  Weber'schen  dadurch,  dass  die 
Function,  welche  die  Abhängigkeit  von  der  Distanz  ausdrückt,  nicht  wie 
bei  Weber  das  reciproke  Quadrat  der  Distanz  ist,  sondern  unbestimmt  ge- 
lassen und  an  sie  die  Bedingung  geknüpft  wird,  dass  sie  nur  für  sehr 
kleine  Distanzen  einen  von  Null  zu  unterscheidenden  Werth  habe,  eine 
Bedingung,  welcher  man  auch  aUe  sogenannten  Molecularkräfte  bisher  un- 
terworfen hat. 

Aus  dieser  Hypothese  wird  die  Wirkung  eines  Stromelementes,  dann 
eines  geschlossenen  Stromes  auf  ein  Aethertheilchen ,  dann  die  Wirkung 
der  in  einem  magnetischen  Körper  vorhandenen  Molecularströme  auf  den 
Lichtether  abgeleitet  Dadurch  ist  alles  zur  Aufstellung  der  Bewegungs- 
gleichungen für  einen  so  afficierten  Aether  vorbereitet,  welcher  Aufstellung 
der  Hr.  Vf.  noch  sehr  bemerkenswerthe  Betrachtungen  über  die  Undula- 
tionstheorie  des  Lichtes  im  allgemeinen  voranschickt.  Die  Untersuchung 
der  Bewegungsgleichungen  liefert  drei  Gesetze:  Der  Drehungswinkel  ist 
der  Dicke  der  Substanz,  der  auf  den  Körper  einwirkenden  magnetischen 
Kiaft,  dem  Cosinus  des  Winkels,  welchen  die  Richtung  dieser  Kraft  gegen 


SOS  Literarincbe  Notiseu. 

die  BichtuDg  der  LichtstrahleB  bildet,  proportionftl  Geaetse,  die  Mkn 
sclion  auf  experimentellem  Wege  gefunden  worden  waren.  Noch  in  andoMi 
Folgerungen  erweist  sich  die  Theorie  mit  der  £rfahrung  Übereinstimmeod. 

Ich  begnüge  mich,  hiemit  auf  diese  ausgeieichnete  Arbeit  mm 
der  bedeutendsten  jüngeren  Mathematiker  Deutechlands  hingewieMB  «U 
»ie  allen  Freunden  mathematischer  Wissenschaft  zum  Studium  einplohkü 
%u  haben. 

Wien.  J.  StefaiL  . 


Literarische  Notizen.  Neue  Auflagen. 

Materialien  zum  Uehersetzen  aus  dem  Deutschen  tn*s  Oriechiaehe, 
mit  AnsMuss  an  die  anomalen  Verha,  von  G.  A.  Weiske,  Oberlehrer 
an  der  latein.  Hauptschule  zu  Halle.   Halle,  1864.  266  S.  8. 

Es  ist  unglaublich,  wie  weit  die  Ansichten  der  Fachmänner  aus- 
einander gehen.  Während  ein  Verfasser  von  üebungsbüchem  die  üeber- 
setzunff  in*s  Griechische  für  überflüssig  erklärt,  meint  ein  anderer,  dan 
wol  schwerlich  der  Yorrath  an  üebungsbüchem  zu  grofs  sein  könne,  und 
lasst  über  die  Yerba  anomala  aUein  ein  deutsch-griech.  Uebersetzungibuck 
von  16 '/j  Bogen  erscheinen.  Kann  man  die  erstere  Ansicht  nicht  billigen, 
so  muss  man  auch  von  dem  so  entgegengesetzten  Verfahren  behanvten, 
dass  bei  weitem  zu  viel  des  Guten  geschehen  isi  Schon  die  der  EinüDnBg 
dieser  Verba  zugemessene  Zeit  reicht  bei  weitem  nicht  hin,  nm  so  Ti« 
Stoff  zu  verarbeiten.  Auch  ist  die  Grammatik  hauptsächlich  im  Anachlnase 
an  die  üebersetzung  aus  dem  Griech.  einzuüben;  die  Sätze  können  von 
dem  Lehrer  so  viel  als  es  nothwendiff  ist  variiert  werden,  damit  alle  For- 
men zur  Anwendung  kommen.  Ein  Material  zur  Uebersetzung  in*8  Grieefa. 
ist  allerdings  nothwendig  zur  selbständigen  Uebung  des  Schülers,  abw  6i 
soll  aus  dem  Wortvorrathe  der  bereits  durchgenommenen  griech.  Les^ 
stücke  bestehen,  damit  das  zeitraubende  Nachsuchen  dem  Schüler  erspart 
werde,  und  braucht  keineswegs  ausgedehnter  zu  sein,  als  das  griechische. 
Die  FüUe  des  Stoffes  dient  zwar  sonst  zur  Empfehlung  eines  Buches,  aber 
bei  Uebersetzun^fsbüchem,  welche  nur  zu  einem  gewissen,  genau  bestimm- 
ten Zwecke  und  für  eine  gewisse  Zeit  dem  Schüler  in  die  Hand  gegeben 
werden,  und  zu  welchen  er  nicht  wieder  zurückzukehren  braucht,  soll  der 
gröfste  Theil  derselben  zur  Verwerthung  kommen,  weil  sonst  der  Verfasser 
gprolisentheils  umsonst  gearbeitet  und  der  Schüler  grofsentheils  umsonst 
sein  Geld  ausgegeben  hat.  Ein  solches  Buch  ist  aber  das  vorliegende;  denn 
obgleich  der  Titel  die  Möglichkeit  eines  ausgedehnteren  Gebrauches  anzu- 
deuten scheint,  so  kann  man  es  in  der  That  nur  zur  Einübung  der  ano- 
malen Verba  gebrauchen,  aufter  man  wollte  planlos  Uebungen  yomehmen. 

Was  die  Qualität  betrifft,  so  besteht  das  ganze  Buch  aus  einselneii 
unzusammenhängenden  Sätzen.  Die  Sätze  sind  den  griechischen  Autoiea 
entlehnt  Unter  dem  Deutschen  sind  zahlreiche  lexikalische  Anmerkungen, 
bestimmt  das  Wörterbuch  möglichst  zu  ersetzen;  dann  häufige  Angaben 
des  zu  setzenden  Casus,  Tempus  und  Modus.  Auf  die  Grammatik  wird 
verhältnismäfsig  selten  hingewiesen;  wo  es  geschieht,  werden  die  Gram« 
roatiken  von  Buttraann  und  von  Krüger  (1^)  herangezogen.  Unter  den 
Sätzen  gibt  es  manche,  welche  wegen  ihres  Inhaltes  rar  den  Knaben  un- 
passend sind,  z.  B.  S.  78.  Man  sagt ,  dass  die  Perser  nicht  mit  den  Ehe- 
rttinnen,  sondern  mit  den  Kebsweibem  sich  zusammen  betrunken  hittea. 
96.  Als  Camillus  Censor  war,  drohte  er  die  Hagestolzen  mit  den  tei^ 
wittweten  Frauen  zu  verheiraten.  Sachlich  unrichtig  sind  z.  B.  S.  69.  Jh 
möchtest  wol  nicht  leicht  und  nicht  vieles  finden,  was  dem  Lernenden 
mehr  Mühe  darbietet,  als  die  Arithmetik.  S.  89.  Das  gröfste  Unglück  flir 
einen  Staat  ist  es;   wenn   tenstattet  ist,   sein   ganzes  Eigenthnm  ra  ?er- 


Literarische  NotisEen.  807 

kaufen.  Bei  dem  Streben  möglichst  treu  aus  dem  Griech.  die  Sätze  zu 
tbertngen,  wurde  nicht  selten  der  deutschen  Sprache  Gewalt  angethan; 
I.  B.  S.  9.  Hera  stellte  den  Argos  zur  lo,  welcher  sie,  die  eine  Kuh  war, 
weidete,  indem  er  schlaflos  war.  8.  40.  Die  Ehren  der  lebenden  Eltern 
•ollen  die  gröfsten  sein,  denen  die  ersten  und  grölbten  schuldigen  Wohl- 
thaten  zu  vei^elten  recht  ist  Schwerlich  wird  der  Knabe  Sätze  verstehen 
wie  S.  77.  Ein  trunkener  Steuermann  und  jeder  Verwalter  einer  Sache 
wendet  alles  um  {dvaTQ^Tno) ,  seien  es  Fahrzeuge  oder  Wagen  oder  Heere 
oder,  was  das  von  ihm  Gelenkte  sein  möge.  S.  66.  Alle,  welche  dem  fibufen 
ge&llen  wollen,  tadeln  die  Philosophen.  Das  Subject? 

Wien.  A.  Fleischmann. 

Kleine  Sehulgrammatik  der  lateinischen  Sprache,  mtt  einem  Lexi- 
kon für  die  in  der  Sy^ntax  vorkommenden  Sätze ,  von  Dr.  A.  H.  Fromm. 
Berlin,  1863.  208  S.        18  Sffr. 

Der  Titel  sagt  so  ziemlich  alles.  Es  ist  nämlich  das  Buch  ein  f^ 
die  untere  und  mittlere  Stufe  des  lateinischen  Unterrichtes  berechneter 
AuMBUg  aus  des  Verfassers  Schulgrammatik  (s.  unsere  Becension  in  dieser 
Zeitschrift  1861,  S.  198  f.).  Im  wesentlichen  stimmen  die  beiden  Bücher 
llberein,  nur  dass  in  der  kleineren  Grammatik  alles,  was  von  der  Normal- 
ffraromatik  abweicht,  weggelassen  ist,  manches  Raisonneraent  der  gröfseren 
fehlt,  die  B^isoiele  ohne  Stellenangabe  angesetzt  sind  u.  ä.  Dieselben  Vor« 
füge,  welche  aie  Schulgrammatik  auszeichnen,  sind  auch  an  der  kleinen 
anxuerkennen;  so  dass  dieselbe  neben  ähnlichen  Büchern  wie  F.  Sdiults, 
I^berti-Meiring,  Meiring,  Ellen  dt -Sej£fert  u.  dgl.  sich  seine  Stelle  vexw 
■diaffen  wird.  Der  Lehrer  wird  jedoch  die  Schulgrammatik  daneben  be- 
■ütcen  müssen,  was  der  Verfasser  dadurch  erleichtert  hat,  dass  in  der 
tiyntaz  die  Para^phe  derselben  beigesetzt  sind. 

Hiemit  sei  das  Buch  den  österreichischen  Schulen,  die  mit  demselben 
übrifKns  Tiuch  für  die  obere  Stufe  ebenso  gut  ausreichen  werden,  wie  mit 
SAultz  u.  ä.,  bestens  empfohlen. 

Lateiniitche  GhrammcUik  für  den  Unterricht  auf  Gymnasien  und 
Ftogymnasien,  von  Dr.  E.  Berger.  Fünfte  verbesserte  Auflage.  Celle, 
Oipann-Karlowa,  1864.  VI  u.  355  S.  -  1  Thlr. 

Das  ffünsti^e  Urtheil,  das  wir  über  die  vierte  Auflage  in  dieser  Zeit- 
schrift 1862,  S.  38  ff.  ausgesprochen  haben,  gilt  auch  von  dieser  im  ganzen 
wenig  Teränderten  fünften  Auflage.  Die  Abweichungen  von  der  früheren 
Gestalt  sind  wenige  und  meistens  nur  in  einzelnen  Worten  gegeben;  die 
bedeutendsten  Zusätze  sind  in  der  Darstellung  der  substantivischen  Decli* 
latton,  2,  B.  über  die  ursprüngliche  Zweizahl  der  lateinischen  Declina- 
tioiien,  über  den  Accus.  Flur,  auf  ia.  Zu  manchen  Umstellungen  im  Qe« 
liete  der  Syntax,  auf  die  wir  in  der  angeführten  Becension  hingewiesen 
haben,  hat  sich  der  Herr  Verfasser  nicht  entschlossen. 

Elementargrammatik  der  lateinischen  Sprache,  mit  eingereihten  la- 
teinischen und  deutschen  üehersetzungsauf gaben  u.  s.  w.,  von  Dr.  Baphael 
Kühner.  Für  die  unteren  Gymnasialclassen.  Fünfandzwanzigste  verbesserte 
Auflage.  Hannover,  Hahn,  1864.   X  u.  381  S.  —  1  Thlr. 

Das  Urtheil,  das  wir  über  die  einundzwanzigste  Auflage  (1861)  in 
dieser  Zeitschrift  S.  853  ff.  ausgesprochen  haben,  gilt  auch  im  ganzen  für 
die  fünfnndswangzigste,  trotz  mancher  Aenderungen ,  über  welche  das  Vor- 
wort B.  VI  ff.  Auskunft  gibt.  An  den  zur  Aenderung  von  uns  empfohlenen 
Stellen  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  nichts  geändert  worden,  so  steht  z.  B. 
Boeh  immer  S.  70  dar  Satz:  Pugyia  fuit  atrocissima,  jpropterea  quod  utrius- 
l«e  txereitus  müites  fortissimi  fuerant  und  S.  237  Themistokles  suchte 
einen  Engpass  u.  s.  w.  So  ist  S.  247  wieder  behauptet,  dass  bei  ac  si  die 
Oonaeeutio  temporum  genau  beobachtet  wird,  fehlt  S.  250  noch  immer  die* 
jenige  Form  der  disjunctiven  Frage,  die  im  ersten  Gliede  keine  Fragepar« 


SOS  Literarigche  Notizeu. 

tikel  enthält,  ist  S.  252  noch  immer  nicht  ang;e^eben,  was  in  oxat.  obliaua 
ans  Fragesätzen  der  directen  Rede  wird.  Lobenswerth  dagegen  sind  die 
sosammenhängenden  Lesestücke  S.  254—310.  Sie  enthalten  Fabeln,  (be- 
spräche, kürzere  dieta  aus  Cicero,  einen  Abriss  der  römischen  (beschichte 
bis  Augustas  nach  Eutropius,  die  Perserkriege  nach  Justin  mit  Benützung 
des  Nepos,  einige  Stücke  aus  Curtius,  endlich  einige  längere  Erzählungen 
aus  Cicero.  Dieser,  wenn  wir  nicht  irren,  auch  allein  verkäufliche  Tbeil, 
bietet  für  diejenigen,  welche  nun  einmal  statt  Nepos  durchaus  eine  Chresto- 
mathie wollen,  einen  ganz  passenden  Stoff. 

Wien,  Leopold  Yielhaber. 

Aucassin  und  Nicolette.  Altfranzösischer  Roman  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert, übersetzt  von  Pr.  Wilhelm  Hertz.  Wien,  C.  Schönewerk,  1865. 
—  20  Sgr. 

Helmbrecht  von  Wernher  dem  Gärtner.  Die  älteste  deutsche  Dorf- 
geschichte übertragen  von  Dr.  Carl  Schröder.  Wien,  C,  Schönewerk, 
1865.  —  20  Sgr. 

Zwei  zierliche  kleine  gleich  ausgestattete  Bändchen,  die  wir  allen 
Freunden  mittelalterlicher  Literatur  auf  das  beste  empfehlen  können.  Wil- 
helm Hertz  in  München  bewährt  seine  ausgezeichnete  Befähigung  für  Ar- 
beiten dieser  Art,  welche  schon  dem  französischen  Rolandslied,  dem  Hugdie* 
trieb  und  anderem  zu  gute  kam,  auch  an  der  reizenden  Erzählung  von 
Aucassin  und  Nicolette,  welche,  wie  wenige  mittelalterliche  Dichtungen, 
ffeeignet  ist,  bei  modernen  Lesern  auf  unmittelbare  Theilnahme  zu  stofisen. 
Ob  es  im  Interesse  dieser  Leser  wohlgethan  war,  die  sonderbare  Mischung 
von  gebundener  und  ungebundener  Rede,  wodurch  das  französische  Originu 
sich  auszeichnet,  beizubehalten,  lassen  wir  dahin  gestellt  Jedenfalls  wird 
alles,  was  den  kleinen  Roman  so  anziehend  macht:  der  Geist  der  feinsten 
Ironie,  der  ihn  durchweht;  die  greifbarste  Realität  mit  Hirten  und  Bauern 
neben  der  phantastischen  Verkehrtheit  der  Leute  von  Torelore,  wo  die 
Männer  in  den  Wochen  liegen,  während  die  Weiber  in  den  Krieg  siehen: 
der  weibische  Junker  Aucassin  gegenüber  der  männlich  energiscnen  una 
klugen  Nicolette  —  in  seiner  Wirkung  nicht  wesentlich  durch  die  unge- 
wöhnliche Form  beeinträchtigt  werden ;  insbesondere  da  die  trefflichen  Erläu- 
terungen, welche  der  Uebersetzung  angehängt  sind,  das  volle  Verständnis 
der  merkwürdigen  Dichtung  erleichtem  hellen. 

Auch  für  den  Helmbrecht  möchten  wir  zu  bedenken  geben,  ob  nicht 
prosaische  Nacherzählung  eine  richtigere  Methode  der  Emeuung  gewesen 
wäre,  als  diese  nicht  immer  anmuthigcti  Verse,  die  manchmal  an  den  Ton 
Gellert^scher  Fabeln  erinnern.  In  ricntiges  Neuhochdeutsch  sein  Original 
zu  kleiden,  bat  sich  der  üebersetzer  allerdings  fast  durchweg  mit  Erfolg 
bemüht.  (Zeile  380  „Und  mein  gehört  die  ganze  Welt"  fällt  wol  dem  Setzer 
zur  Last.)  Fast  durchweg:  denn  die  Ausdrücke  „bei  Hofe,  zu  Hofe"  zum 
Beispiele  muss  der  heutige  Leser  nothwendig  misverstehen,  und  was  mittel- 
alterliche „Zucht"  sei,  kann  er  nur  ahnen.  Ueber  gevrisse  EinbuXton,  die 
das  alte  Gedicht  in  der  Bearbeitung  erfahren,  wäre  gleichfalls  zu  rechten. 
Die  „älteste  deutsche  Dorfgeschichte"  selbst  hat,  seit  man  sie  kennt,  die 
lebhafteste  Bewunderung  gefunden,  und  Gustav  Freytag's  „neue  Bilder**, 
die  einen  Auszug  daraus  gaben,  werden  zur  Befestigung  ihres  Ruhmee 
beigetragen  haben.  Nur  allzu  weit  darf  man  in  der  Bewunderung  dieses 
seiner  innersten  Absicht  nach  satirischen  Gedichtes  nicht  gehen.  Den 
„gewaltigen  Eindruck  einer  Tragoedie"  empfangen  wir  davon  so'wenig,  als 
von  irgend  einer  Jeremias  Gotthelf  *schen  Geschichte,  welche  etwa  die  ver- 
heerende Macht  des  Branntweins  zum  Gegenstande  hat.  Und  wenn  man  es 
als  etwas  ganz  aufserordentlichcs  und  einziges  preist  und  von  seinem  leuch- 
tenden Vorgange  spricht,  der  nur  der  Nachfolge  bedurft  hätte,  um  unserer 
ganzen  Literaturgeschichte  ein  anderes  Gesicht  zu  geben:  so  wäre  doch 
erst  zu  beweisen,  dass  wir  Ursache  haben  unserer  Literaturgeschichte  ein 
anderes  Gesicht  zu  wünschen.    —    Was  die   Einleitung  über  das  GedicJit 


Literariscbe  Notizen.  800 

und  den  Dichter  beibringt,  ist  zum  gröfsten  Theile  durch  die  seitherigen 
höehft  erfreulichen  Entdeckungen  des  Herrn  Friedrich  Eeinz  in  München 
schnell  antiquiert  worden.  Den  Beinamen  des  Dichters  gibt  der  Ueber- 
•etzer  mit  Unrecht  durch  „Gärtner"  wieder.  Die  Ableitung  des  alten  Gar- 
tenaere  von  dem  Verbum  garten  „vagieren**  ist  formel  bedenklich  (gartaere 
mflsste  man  erwarten^,  und  dieses  Verbum  selbst  ist  wahrscheinuch  erst 
im  15.  oder  16.  Jahrnundert  aus  dem  Verbum  heimgarten,  einer  Ablei- 
tung von  dem  Masculinum  heimgart ,  gefolgert,  so  dass  es  bei  der  frühe- 
ren Auffassung  des  Namens  als  „Gärtner**  schon  aus  rein  sprachlichen 
Gründen  bleiben  muss. 


Für  die  Lehrer  der  Geographie  dürfte  die  Mittheilung  nicht  ohne 
Interesse  sein,  dass  der  Stieler'sche  Schul -Atlas  (Justus  Perthes.  Gotha 
und  Wien)  in  einer  neuen  Auflage  vorbereitet  wird.  Wie  durchgreifend  die 
Umarbeitung  angelegt  ist,  beweist  der  Umstand,  dass  15  Karten  durch 
neue  ersetzt  wurden,  und  zwar:  5.  Europa  (orographische  Karte);  6.  Europa 
(politische  Uebersicht);  7.  Spanien  und  Portugal;  ö.  Frankreich;  9.  Italien; 
10.  Die  britischen  Inseln  und  die  Nordsee;  13.  Deutschland,  Niederlande, 
Belgien  und  Schweiz  (orographische  Karte);  14.  Deutschland  (Uebersicht 
der  Staaten  des  deutschen  Bundes);  15.  Nordwestliches  Deutschland,  Nie- 
derlande und  Belgien;  16.  Nordöstliches  Deutschland;  17.  Südwestliches 
Deutschland  und  Schweiz;  18.  Südöstliches  Deutschland;  22.  Euronaische 
Tüikei,  Griechenland  und  Ionische  Inseln;  23.  Asien  (orographische  Karte); 
21  Asien  (politiBche  Uebersicht).  Nach  den  vorliegenden  Proben  zu  schlieTlsen 
(8  sind  bereits  fertig,  die  12  anderen  im  Stiche  vollendet),  geht  der  Atlas 
einer  Verbesserung  entgegen,  die  ihm  nicht  blofs  die  alten  Freunde  er- 
halten, sondern  auch  neue  gewinnen  wird.  Auch  dem  Wunsche  nach  einer 
Karte  des  „Alpenland**  und  „Palästina**  soll  entsprochen  werden.  Der  Preis 
wird  nicht  geändert. 

Ergählungen  aus  der  alten  detUschen  Welt  für  Juna  und  AU, 
von  K.  W.  Osterwald.  Erster  Theil:  Gudrun.  Dritte  Au^e.  Halle, 
Waisenhausbuchhandlung,  1865.  (Jugendbibliothek  des  griechischen  und 
deutschen  Alterthums,  herausgegeben  von  F.  A.  Eckstein.  Band  VII.) 

Zu  der  Zeit,  als  die  Wissenschaft  der  altdeutschen  Philologie,  in  dem 
Sinne,  in  welchem  wir  sie  heute  verstehen  und  ihr  dienen,  nur  als  ein 
ferne  vorschwebendes  Ziel  in  dem  Herzen  weniger  Männer  erst  existierte, 
imd  ein  übermässiger  Eifer  sich  kundgab,  die  alten  deutschen  Poesien  dem 
Publicum  in  einer  Gestalt  aufzudringen,  welche  lediglich  durch  die  Ver- 
indemng  der  auffallendsten  sprachlichen  Seltsamkeiten  sich  dem  Bedürf- 
nisse des  modernen  Lesers  an beauemte :  plaidierte  Wilhelm  Grimm  in  ver- 
schiedenen Recensionen  der  Heiaclberger  Jahrbücher  für  prosaische  Bear- 
beitungen der  romantischen  Dichtungen  des  Mittelalters  oaer  für  selbstän- 
dige l^udichtungen,  wie  sie  Fouque  damals  mit  der  nordischen  Nibelungen- 
saee  versuchte.  Es  scheint  uns,  als  ob  diese  Forderung  auch  heute  noch 
erhoben  werden  dürfte,  obgleich  einerseits  eine  ausgebreitete  Uebersetzungs- 
literatur  sich  gebildet  hat  und  anderseits  eben  jetzt  der  Versuch  gemacnt 
wird,  ob  vielleicht  durch  ein  Verfahren,  das  bei  Litei-aturdenkmälem  des 
16.  Jahrhunderts  gewiss  berechtigt  ist  und  seinen  Zweck  erreichen  muss, 
auch  die  Literatur  des  13.  Jahrhunderts  unseren  Zeitgenossen  in  den  Ori- 
ginaltexten nahe  gebracht  werden  könnte.  Aber  weicher  äufserer  Erfolg 
auch  solchen  Unternehmungen  zu  Theil  werden  mag :  dass  in  nahezu  wört- 
lichen Uebersetzun^en  oder  in  der  Ursprache  die  mittelalterlichen  Dich- 
tangen  sich  die  wahre  und  unverstellte  Liebe  eines  wirklich  grofsen  Publi- 
eoms  zu  erringen  vermöchten,  werden  wir  uns  so  leicht  nicht  überzeugen. 
Dennoch  sind  sie  diese  Liebe  ohne  Zweifel  werth,  und  möchte  man  unserer 
Zeit  es  gönnen,   dass  sie  in  die  frischen  klaren  Wellen  der  alten  Poesie 


tlO  Litetarische  Notizeu. 

mancUmal  ihre  Glieder  tauche.  Es  wäre  so  undankbar  als  ungerecht  woUtn 
wir  Simrocks  grofse  Verdienste  gering  schätzen^  aber  wenn  ea  sich  «m  die 
würdigste  Erneuerung  des  Nibelungenliedes  handelt,  so  müssen  wir  Hehbd 
den  Preis  zuerkennen.  Aus  diesem  Gesichtspuncte  begrüfsen  wir  aach  mit 
aufrichtiger  Freude  jeden  Versuch  einer  prosaischen  Nachdichtong,  dem 
das  niDSs  eine  solche  Bearbeitung  natürlich  stets  sein  und  sein  wollen, 
wenn  sich  gleich  bei  näherer  Betrachtung  zeigen  sollte,  dass  sie  den  höchstea 
Forderungen,  die  an  sie  gestellt  werden  können,  nicht  so  yoUständig  gi^ 
nügt  als  man  wünschen  möchte.  Wir  verlangen  die  Bearbeitung  so  poe- 
tisch als  möglich  und  so  modern  als  mö^^licn.  Der  Verfasser  der  gegen- 
wärtigen hat  zwar  nicht  seiner  Gudrun,  wie  Hr.  J.  Scherr  dem  Nibelungen- 
liede, das  schimmernde  Mäntelchen  einer  affectierten  Alterthümlicnkeit 
der  Sprache  umgehängt;  doch  hat  er  sich  auch  von  dem  altdeutschen 
Uebcrsetzeijargon,  der  in  poetischen  Uebertragungen  noch  leichter  eh  ent- 
flohuldigen  ist,  nicht  völlig  losgemacht,  und  gunz  zwecklose  wörtliche  Bei- 
behaitung  des  Ausdruckes  verführte  ihn  zu  mancher  Wendung,  lu  manchem 
Wortgebrauch,  der  aus  dem  lebendigen  Neuhochdeutsch  längst  verschwand. 
Der  poetische  Gehalt  der  vorliegenden  Bearbeitung  erscheint  uns  nur  ge- 
rade so  grof^,  als  der  dos  Gedientes  selbst  für  einen  modernen  Geschmack, 
wenn  man  den  Beiz  der  gebundenen  Form  und  die  Naivetät  der  alten 
Sprache  sich  wegdenkt.  Die  andeutende,  karge,  zuweilen  etwas  magere  Weiie 
der  Behandlung  lassen  wir  uns  in  modemer  Poesie  ganz  wohl  geialkn, 
und  eine  Reihe  von  Gudrunromanzen  wäre  vielleicht  die  Gestalt,  in  welcher 
der  Geist  des  alten  Gedichtes  am  liebsten  unter  uns  wieder  auferstünde.  Aber 
in  Prosa  verlangen  wir  bei  aller  Einfachheit  der  Erzählung  doch  vollstia- 
digerc  Motivierung  und  gröfsercn  Reiohthum  an  Details.  Dem  G^edichte 
diesen  Reich thum  zu  geben,  dazu  fordert  so  vieles  darin  auf.  Auch  hat 
das  der  gegenwärtige  ikarbeiter  gefühlt,  wenigstens  hie  und  da.  In  dem 
13.  Capitel  der  eigentlichen  Gudrun  waschen  die  beiden  Jungfrauen  Gudrun 
und  Hildburg,  „dass  ihnen  die  schönen  Hände  starrton  von  der  Kälte  des 
Wassers  und  der  Märzluft. "  Der  Vogel,  der  zu  ihnen  geschwommen  kommt, 
wird  näher  beschrieben  als  ein  Thier  „von  wunderbar  schönen  Farben  und 
seltsamer  Gestalt.*^  Aber  was  soll  das?  Wenn  wir  hier  eine  Weiteraus- 
bildung des  überlieferten  verlangen,  so  wäre  es  höchstens  die  Wahl  und 
Nennung  eines  bestimmten  Vogels.  Dann  nach  der  Anrede  des  Vögele 
durch  Grudrun  wird  ein  Schulexercitium  über  den  Frühling  eingeschaltet^ 
beginnend :  „Wer  von  uns  hätte  es  nicht  schon  erlebt,  dass  er  nach  langen 
bangen  Wintertagen**  u.  s.  w.  und  das  ^anze  zur  Schilderung  der  Stim- 
mung, in  welcher  Gudrun  den  Vogel  „dahurschweben"  sah.  Das  musste 
doch,  falls  es  überhaupt  kommen  sollte  (denn  man  möchte  glauben,  diese 
Gefühle  wären  durch  die  Kälte,  welche  ihnen  die  Hände  starren  machte, 
bedeutend  ermäfsigt  worden),  vor  der  Anrede  kommen,  da  auf  diese  dar 
Vogel  sogleich  antwortet.  Aber  auch  so  möchte  es  hingehen,  wenn  der 
Sinn  von  Gudrun's  Frage  dadurch  klarer  würde,  der  einer  Verdeutlichung 
dringend  bedarf.  Das  ist  aber  keineswegs  der  Fall.  —  Wir  können  unmög- 
lich auch  nur  das  13.  Capitel  in  dieser  Weise  Punct  für  Punct  kritisierend 
durchgehen.  Genug,  dass  die  Zusätze  des  Bearbeiters  dem  Gedichte  nicht 
immer  zum  Vortheil  gereichen,  und  dass  er  fast  kein  einziges  von  allen 
den  ungemein  fruchtbaren  poetischen  Motiven  benutzt  hat,  welche  die  Sitnir 
tion  zweier  vornehmer,  von  ihrer  Heimat  getrennter,  mishandelter,  am 
Meeresstrande  einsam  waschender  Frauen,  welche  von  einer  Erscheinung 
überrascht  werden,  die  ihr  innerstes  Empfindungsleben  aufregt,  mit  Noth- 
wendi^keit  in  der  Phantasie  eines  aufmerksamen  Lesers  erwecken  muB& 
Wir  sind  nicht  der  Meinung,  dass  der  Bearbeiter  durch  seine  Zusätze  und 
Ausf&brungen  das  alte  Gedicht  zu  einem  Roman  hätte  aufschwellen  sollen, 
dazu  felilt  der  specifisch  moderne  Inhalt.  Aber  so  wie  die  Bearbeitung  jetit 
ist,  sieht  sie  stellenweise  wie  theils  zu  breite,  theils  zu  magere  Exoerpte 
eines  Romanes  aus.  Kein  anderer  Stil  scheint  uns  dafür  so  tiefflioh  n 
passen,  als  die  Weise  altitalienischer  und  spanischer  Novellisten,  die  Weiae 


Literarittche  Noüzeu.  811 

nngetfthr,  welche  unter  den  Deutschen  Heinrich  von  Kleist  geübt  hat: 
lai^,  reichgegliederte  Sätze,  die  auch  über  die  erregteste  Scene  epische 
Buhe  breiten;  indirecte  Rede  sogar  bei  vielen  Gelegenheiten;  eine  über- 
fliegende Masse  des  Details  in  ganz  karge  Worte  zusammengedrängt ;  über 
die  SeelenbeweguDgen  entweder  mit  der  Sicherheit  eines  Herzenskündigen 
geradesn  genrtheilt  oder  —  und  in  den  gröXisten  und  wichtigsten  Momen- 
ten dies  am  allermeisten  —  mit  dem  Zweifel  des  unbetheiligten  Zuschauers 
ohne  Scheu  hervorgetreten. 

Wenn  wir  so  auf  der  einen  Seite  die  üeberlieferung  erweitem  und 
bereichern  möchten,  um  ihr  volle  Wirkung  in  der  Gegenwart  zuzusichern : 
80  wünschten  wir  sie  auf  der  anderen  Seite  für  einen  wahrhaft  geläuterten 
Geschmack  durch  Weglassungen  und  Einschränkungen  genieiÜBbarer  zu 
machen.  Es  versteht  sich  natürlich,  dass  der  Bearbeiter  um  die  Resultate 
der  höheren  Kritik  sich  ganz  und  gar  nicht  zu  bekümmern  braucht,  sofeme 
eine  poetisch  wirksame  Stelle  durch  dieselbe  mit  Verwerfung  betroffen 
wäre,  wie  denn  dergleichen  Interpolationen  auch  ihm  selbst  ohne  weiteres 
gestattet  sein  sollen.  Aber  wo  die  Gestalt  des  Gedichtes,  welche  die  höhere 
Kritik  ihm  gegeben  hat,  zugleich  eine  poetische  Verbesserung  ist,  da  scheint 
es  die  Pflicht  des  Bearbeiters  zu  sein,  deren  Resultate  sich  anzueignen. 
So  ist  es  in  dem  eben  besprochenen  18.  Capitel  poetisch  unwahr,  dass 
Gudrun  nach  der  Erscheinung  des  Vogels  die  Hildburg  zuerst  anredet  und 
lieht  gleich  in  athemloser  Spannung  um  ihre  Verwandten  fragt.  Femer 
i»,  man  möchte  fast  sagen  rationalistische  Verwandlung  des  Vogels  in 
einen  veilcappten  Engel.  Dann  das  lächerliche  Versteckspielen  des  Vogels, 
der  wie  der  coupletsingende  Schauspieler  einer  Possen oühne  hinter  den 
Coulissen  verschwindet,  ehe  er  zu  Ende  ist,  um  sich  durch  die  Bitte  des 
Publicnras  erst  den  Schluss  entlocken  zu  lassen.  Endlich  die  fehlerhafte 
Aufzählung  der  Personen,  nach  denen  sie  fragt:  die  Nennung  des  ganz 
gkidigiltigen  Irold  und  Momng  vor  Horand,  Wate  und  Frute.  Das  alles 
hat  unser  Bearbeiter  beibehalten,  nur  dass  er  den  Vogel  nicht  geradezu 
mm  Engel  nennt,  sondem  die  Bezeichnung  „Gottesbote^  nur  im  uneigent- 
liehen  Sinne  auf  ihn  anzuwenden  scheint. 


Verbesserungen. 

In  der  Anzeige  von  Thurnwald's  Lehrbuch  der  mhd.  Sprache 
1865,  Hft  U  u.  m  ist  zu  lesen :  S.  171,  Z.  6  v.  o.  Alinea.  S.  172,  Z.  15 
V.  u.  a  u.  M.  S.  173,  Z.  6  v.  o.  wa^.  Z.  20  Hält  st.  wählt.  Z.  2  v.  u.  werde, 
&  174^  Z.  22  V.  u.  Labialaspirata.  Z.  1  v.  u.  laiföt  S.  176,  Z.  13  v.  o.  hosher. 
Z.  23  vr<slich.  Z.  26  dagen.  S.  177,  Z.  19  v.  u.  einer.  S.  178,  Z.  9  v.  u.  Glos- 
soi.  S.  179,  Z.  12  V.  0.  lei«.  Z.  18  tücken.  Z.  21  ^erth.  Z.  25  gitige.  Z.  6 
V.  n.  Blouf.  Z.  3  V.  u.  Str.  381  st.  318.  S.  180,  Z.  9  v.  o.  Geisel  Z.  19  Einen. 
8. 177,  Z.  4  V.  0.  sind  die  Worte:  oder  besser  eilf  zu  streichen.  Z.  19  v.  u. 
Tor  Str.  377  Nib.  einzusetzen. 


Fünfte  Abtheilung. 


Verordnungen  fär  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 


Personal-  und  Schulnotizen. 


AuBseieh» 


(Ernennungen,  Versetzungen,  Beförderunp^en,  Aubs« 
nungen  u.  s.  w.)  —  Der  Gymnasiallehrer  Joseph  Accurti  zu  Capo  d'lrtri» 
am  k.  k.  G.  in  Tri  est;  der  Adjunct  an  der  nj<^^P^^^®^  Anstalt  ra 
Triest,  Dr.  Gustav  Werner,  zum  Lehrer  am  k.  k.  G.  alldort;  der  Suj^ 

Slent  am  k.  k.  G.  zu  Capo  d'Istria,  Fidel  Mähr,  zum  wirkl.  Lehrer  $m 
ieser  Anstalt;  der  Gymnasiallehrer  zu  Hermannstadt,  Theodor  Pantke, 
der  Gymnasialsupplent  zu  Olmütz,  Alois  Goldhache r,  der  GymnasiaUehiar 
zu  Teschen,  Dr.  Karl  Wallnöfer  und  der  Präfect  an  der  k.  k.  Theresiani- 
schen  Akademie  in  Wien,  Joseph  Mich,  zu  Lehrern  extra  statum  am  Q. 
zu  Troppau  und  der  ordentliche  Lehrer  am  kathol.  GG.  zu  Eneriea.  Emü 
Röfzav,  zum  ordentlichen  Lehrer  für  Naturgeschichte  am  katnoL  OG.  n 
Prersburg. 

Der  Supplent  an  der  k.  k.  OR.  zu  Laihach,  Matthias  Haini,  som 
wirkl.  Lehrer  an  dieser  Lehranstalt. 


Der  gewesene  Assistent,  Rudolf  Ritter  von  Grimburg,  zum  Ad« 
juncten  bei  der  Lehrkanzel  des  Maschinenbaues  am  k.  k.  polytechn.  In- 
stitute in  Wien;  Dr.  Johann  Schnitzler  zum  Docenten  für  Brustkrank- 
heiten  an  der  Wiener  Universität;  der  Professor  der  Nationaloekonomie 
an  der  Wiener  Handelsakademie,  Dr.  Franz  Neumann,  zum  PrflfiuigB- 
oommissär  der  staatswissenschaftl.  Staatsprüfungscommission  in  Wien;  a«r 
Hofconci^ist  bei  der  kön.  croatisch-slavon.  Hofkanzlei,  Johann  JurkoYiö, 
zum  zweiten  Schulinspector  für  Croatien  und  Slavonien,  und  das  ordentL 
Mitglied  des  Istituto  de  scienze,  lettere  ed  arti  in  Venedig,  AbateNobik 
Pietro  Canal,  zum  Vicepräsidenten  an  diesem  Institute. 

Der  unlängst  verstorbene  Johann  Falvay  (vormals  Gaunersdorfer), 
Besitzer  der  im  Ofnergcbirge  liegenden  Realität  „Zur  schönen  Schäferin*, 
hat  ein  Drittel  seines  Vermögens  dem  Pesther  Josephinum  und  100  fl.  dem 
Juristen-Ünterstützungsvereine  vermacht. 

Dem  Generalkriegscommissär  Valentin  Streffleur  ist,  in  Anerken- 
nung seiner  hervorragenden  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  geodätischen 
Wissenschaften,  taxfrei  der  Orden  der  eisernen  Krone  3.  Gl. ;  dem  ReligionB- 
lehrer  am  kath.  G.  zu  Teschen,  fürsterzbisch.  Consistorialrath  JoBeph 
Bitta,  in  Anerkennung  seiner  Verdienste  im  Lehramte  und  Beiner  n 
Gunsten  dieser  Lehranstalt  bethätigten  Opferwilligkeit,  so  wie  dem  Kail- 


Personal-  und  Schulnotisen.  81 S 

flUdter  Banal  -  GrenEscholendirector  Stephan  Miholek,  in  Anerkennung 
seiner  durch  unermüdliche  Thätigkeit  und  Ausdauer  im  Unterrichtswesen 
erworbenen  Verdienste,  das  goldene  Verdienstkreuz  mit  der  Krone  verliehen ; 
femer  dem  Professor  an  der  Wiener  Universität,  Dr.  Ernst  Brücke,  den 
kais.  russischen  Stanislaus- Orden  2.  Cl.;  dem  Professor  an  der  medicin. 
chir.  Lehranstalt  in  Salzburg,  Dr.  Jul.  Kolb,  den  kais.  russ.  St.  Annen- 
Orden  3.  CL;  dem  Schriftsteller  Friedr.  Uhl  das  Ritterkreuz  1.  CL  dos 
kön.  baier.  St.  Michael- Verdienst-Ordens;  endlich  dem  in  München  domiciL 
Schriftsteller,  Dr.  Alexander  Volpi,  das  Bitterkreuz  des  herzogL  Braun- 
sehweig'schen  Ordens  Heinrichs  des  Löwen,  annehmen  und  tragen  zu  dürfen 
AUergnädiffst  gestattet  worden;  auch  wurden  der  Lehrer  der  Theologie 
and  erzabUiche  Secretär  des  Benedictiner-Ordens-Conventes  zu  Martinsb^g 
(Ungarn),  Se.  Hochw.  Domian  Petheö,  zum  Abte  B.  M.  V.  de  Dömölk; 
der  ordentL  öffentl.  Professor  der  Moraltheologie  an  der  Lembergcr  Uni- 
Tersit&t,  Dr.  Ludwig  Malinowski,  dann  der  Religionslehrer  am  2.  OG. 
in  Lemberg,  Dr.  Ludwig  Ritter  von  Jurkowski,  zu  Domherren  des  Metro- 
politancapitels  rit.  lat.  zu  Lemberg;  der  Director  der  k.  k.  Universitäts* 
Mbliothex  in  Wien,  Joseph  Diemer,  wirkL  Mitglied  der  kais.  Akademie 
der  Wissenschaften  u.  s.  w. ,  als  Auffinder  und  Herausgeber  der  Vorauer 
Eyidschrift,  von  der  philos.  Facultät  zu  Tübingen,  in  Anerkennung  seiner 
Verdienste  um  die  altdeutsche  Literatur,  zum  Ehrendoctor;  der  in  Ruhe- 
stuid  versetzte  k.  k.  Schulrath  Dr.  J.  Czermak  zum  Advocaten  im  Sprengel 
des  böhm.  Ober-Landesgerichtes,  und  der  Oberbaurath  und  Dombaumei^r 
^edr.  Schmidt  zum  Ehrenmitgliede  der  Akademie  der  Künste  in  Urbino, 
ernannt.  

Dem  steierm.  Vereine  zur  Förderung  der  Kunstindustrie  sind 
Due  k.  Hoheiten  die  Herren  Erzherzoge  Karl  Ludwig  und  Heinrich 
ili  Gründer  beigetreten. 

Bei  der  am  30.  März  1.  J.  vorgenommenen  Wahl  der  Professor  der 
raridisehen  Facultät  Dr.  Julian  Dunajewski  zum  Rector  der  Krakauer 
Universilät. 

Der  Hochwürdigste  Hr.  Abt  des  Benedictinerstiftes  Qöttweig  in 
N.  Gest.  hat  sich  bereit  erklärt,  zur  Erhaltung  des  G.  zu  GroTs-Kanizsa 
ftr  das  Schuljahr  1864/&5  eine  Summe  von  1000  fi.  beizutragen  und  diese 
Unterstützung,  günstigen  Falles,  auch  für  künftige  Jahre  zu  gewähren, 
ja  wenn  die  nragliche  Schule  zu  einem  Haupt-G.  umgestaltet  werden  sollte, 
Ngsr  SU  erhöhen. 

(Erledigungen,  Concurse  u.  s.  w.)Pe8th,  Professorsstelle  für  Bo- 
tuiik,  mgleichl^itung  des  botanischen  Gartens,  Jahresgehalt  1365 fl.  ö.  W.,  mit 
dem  Vonrflckungsrecht  in  die  höheren  Gehaltsstufen.  Termin :  10.  April  1.  J., 
I.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  vom  5.  März  L  J.,  Nr.  53.  —  Prag,  Polytechn.  In- 
stitut des  Königreiches  Böhmen,  2  ordentliche  Lehrstellen,  1.  für  otrassen- 
und  Wasserbauunde  mit  deutscher,  2.  für  denselben  Lehrgegenstand  in 
böhmischer  Unterrichtssprache,  Jahresgehalt  2000  fl.,  eventuel  2500  und 
800O  fl.  ö.  W.  Termin :  Binnen  6  Wochen  vom  24.  Februar  1.  J.  an,  s.  Amtebl. 
I.  Wr.  Ztg.  V.  10.  März  L  J.,  Nr.  57;  femer  Bibliothek  -  Scriptorsstelle, 
Jahresgehalt  600  fl.  ö.  W.  und,  insolange  die  Bibliothecarstelle  nicht  be- 
setzt ist,  eine  Personalzulage  jährl.  200  fl.  ö.  W.  Termin:  30.  April  L  J., 
8.  AmtsbL  1.  Wr.  Ztg.  vom  28.  März  L  J.,  Nr.  70.  —  Iglau,  k.  k.  G., 
Lehrstelle  für  Lateinisch  und  Griechisch,  Jahresgehalt  S40  fl.,  eventuel 
^fl.  ö.  W.  und  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  15.  April  L  J., 
a  AmtsbL  %,  Wr.  Ztp.  v.  23.  März  L  J.,  Nr.  68.  -  Olmütz,  k.  k.  OB., 
Lehrstelle  fUr  deutsche  Sprache  als  Hauptfach,  Jahresgehalt  630  fl.,  even- 
tael  840  iL  ö.  W.  und  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  15.  April  L  J., 
a  'AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  vom  29.  März  L  J.,   Kt,  72.   —  Spalato,  k.  k. 


PelsOlm^-  und  Schulnotiwtü. 


lOÖ.^  twei  LehTateUen,   die  eine  (fkr  die  cksaiMhen  Spmchen,   die 
fftr  dentsclie  Sprache  nnd  Literatur,  Jahresgfthalt  73Ö  fl,  ö.  W.,  mit  dem 
Yorrückusigar^clite   in    die   höheren  Gehaltsstufen    und  dem  Anapruch  aiif 
[Pecennahu lagen,  Termin:  15*  April  L  X,  s,  AmtabL  z.  Wr.  Ztg.  v*  29.  Märi 
i,,  Nr.  72.  —  Tegchen,  k.  L  kath.  G.,  Lehrerstelle  für  Geschichte  und 
aphie,  Jahresgehalt  735  Ü.,  eventud  840  ±  ö.  W, ,  uehst  Ansprööj' 
'^fT)eceiiiialzulag-en,    Termira:   15.  Mai  h  J.,  s,  ÄmtübL  a.  Wr,  Ztg,  von 
a  April  1.  J,,  N,  bl. 

(Todesfälle.)  Aid  23  Jänner  l  J.  tu  Kecakemet  der  AdTocat  WH 
helTD  Hady,  aach  als  Scliriftsteller  bekaDüt 

—  Ende  Jänner  l.  J.  zn  Pestb  der  Junge  Dichter  Dioiijs  Tama«i 
im  20.  Lebenitjahre. 

—  Am  9.  Februar  L  J.   7U  Washington  der  bekannt«  Afitronomeg 
Lieutenant  zur  See  a.  I>.  J.  ÄL  Gillifs,  Öcliöpfer  der  dortigen  Stern wa 
fDepot),  im  Alter  von  54  Jahren. 

—  Am  22.  Februar  L  J,  2u  Schönfeld  bei  Bunzlau  (SchleBien) 
dortige  Pfarrer  Sr  Ehrw.  Karl  Gottlieb  Weber,  &\ä  Dichter  bekannt. 

—  Am  23,  Februar  l.  J.  zu  Strafsburg  Georg  Theodor  Klein«  » 
cretar  der  dortigen  AsüefuruiiE-Geöellachaft  ^jLa  Mutuelle*»  einer  der  leUb 
wenigen   Vertreter  dea  deutschen  Elemcntt^s  im   Ebni^ti,  als  Dichter  uu4 
eifriger  Mitarbeiter  an  der  von  Fr,  Ütte  in  Müblhausen  redigierten  Wttehen 
achrift;  „Elsä^sisebes  Samatagblatt''  HO.  Jahig,}«  vortheilhaft  bekannt, 
44.   Lebensjahre, 

—  Am  25.  Februar  l.  J.  zu  Rom  Dr.  Felix  Kunde,  Verf,  eines  ge^ 
Bchätzten  Handbuches  über  Rom. 

*"  Am  2il  Febrnar  L  J.  va  Malapane  bei  Qppelii  djer  k.  Bergratl^H 
und  Dirigent  des  dortigen  k.  Hüttenamtöa  Ludwig  Wa^shter,  ein  nm  dlfH 
Geschichte  und  Statistik  der  Bchle^ißchen  Eisenhüttenwerke  hochverdient^  ^ 
Befttote,  im  Alter  von  67  Jahren. 

—  Am  27,  Februar  L  J.  zu  Dreuden  Baron  Nikolaus  Jöaika  (gebw  ^ 
zu  Thorda  in  Siebenbürgen,  am  28,  September  1796),  der  ausgezeichn^t^H 
ungarische  Roman tjehriftstelleT,  auch  als  Dranmtiker  bekannt.  ^H 

—  In^  Februar  \.  J,  zu  Haag  Joh,  Heinrich  Lübeck,  kon.  nieder- 
länd.  Hofcapellnieister,  Director  der  dortigen  Musikschule. 

—  Am  1.  März  L  J,  zu  Prag  Med/Dr.  MatthUs  Popel,  k.  k,  Batb 
o.  ö,  Professor  der  Stiatsarzüeikundö  u.  &.  w. ,    einerit.  Prodecan,  Eecti 
und  Prorector,  ordentL  Mitglied  der  et&ndigen  Medioinal  -  Commission  ' 
der  k,  k.  Statthajterei. 


—  Am  5.  März  1.  J.  zu  SebÖnbrunn  bei  Wien  der  k.  k.  Hofi 


Dr., 


deri 


und  Menagerie -Director,  Ritter  des  Franz  Joseph  -  Ordens  u.  s,  w., 
Heinrich  Schott  (geb.  zu  Brunn,  am  7.  Jänner  UM),  corr.  Mitglied 
kais.  Akademie  d^r  Wissenschnften ,  durch  treffliche  bctauideho  Abband*» 
lungcn.  30  %ie  durch  seine  werthvollen  Sammlungen  bekannt  (vgL  Wr«! 
Ztg.  T,  19,  März  1.  J.  Nr.  65.  S.  Ö49  f.),  und  zu  Florenz  der  alw  Agronom.! 
und  Naturforscher  bekannte  Marchese  Coeimo  R id o If i ,  Begründer  der  erstea*  J 
Ackerbauschule  in  Italien,  seiner  Zeit  Professor  der  Agronomie  an  de»? 
Universität  zu  Pisa  and  PrÄsddent  der  ^Societa  dei  Georgofili*^  u.  8,  w*  ( 
(VgL  BeiL  jur  A.  a.  Ztg.  y.  19,  März  l  J„  Nr.  78.)  J 

—  Am  ö.  März  l  J.  zu   Berlin  der  kbn.   pr.  Major  a.  D.  Wilbtlnb| 
Ritter  von  Luck,    als  militärischer  Schriftsteller  bekannt,   im   70* 
bensjahre. 

—  Am  7.  März  L  J*  zu  Wien  Dr,  phiL  Jok  Heinr.  Schramm  (geb»J 
in  5Bterr,  Schlesien),  grofsherzogl.  ^chs,  Weimar 'scher  Professor  und  Hof^ 
maler,  56  Jahre  alt,  und  zu  Arzl  (bei  Imst  in  Tirol)  der  durch  seine  Kauzelr«! 
voftr&ge,  seine  tlieoiogi^ehen  imd  poetischen  Arbeiten  bekannte  Cooperator^  [ 
Sr.  Hochw.  Franz  Groben. 

—  Am  8.  MÄTÄ  L  J.  zu  Prag  Sr.  Hocbw.  P.   Erwin   Anton  Wey» 
JTÄiich  fg»b.  lu  Prag,  am  30.  f^eptemher  1803>,  Chorherr  and  Biblieiht^ 


Peraoiml-  und  Sehulnotiien.  315 

des  PrilinoiratrateiiBerstiffces  Strahof,  emer.  Director  der  Realschule  in  Bei* 
ehenberg  u.  s.  w.,  auch  als  Schriftsteller  („Geschichte , und  Beschreibung 
der  kön.  Stift  Strahofer  Bibliothek"*  1858,  „Geschichte  des  kön.  Prämon- 
fintenaei-Ohorherrenstiftes  Strahof*  1863  u.  a.)  bekannt. 

—  Am  9.  März  1.  J.  zu  Prag  der  k.  k.  Forstrath  Frz.  X.  Smoler 
(geh.  1802  zu  Goldegg  in  Nieder -Oesterreich),  als  Redacteur  der  böhnu 
Forstvereinszeitschrift  und  Fachschriftsteller  bekannt,  und  zu  Lembeig 
der  k.  k.  Schulrath  und  Gjmnasialinspector  Eduard  Linzbauer,  im  59. 
Lebensjahre. 

—  Am  10.  März  1.  J.  der  Bittergutsbesitzer  auf  Metgethen  bei 
Königsberg  Victor  August  v.  Stägemann,  als  Schriftsteller  auf  dem  Ge- 
Mete der  Philosophie  („Die  Theorie  des  Bewusstseins  im  Wesen*"  u.  a.) 
bekannt,  und  zu  Paris  Charles  Auguste  Louis  Joseph  Herzog  von  Morny 
fgeb.  am  23.  October  1811),  Halbbruder  Kaisers  Napoleon  III.;  Präsident 
des  gesetzgebenden  Körpers  u.  s.  w.,  auch  als  dramatischer  Schriftsteller  unter 
dem  Namen  Saint-Bcmy  („Mr.  Choufleury**  u.  m.  a.)  bekannt. 

—  Am  11.  März  1.  J.  in  dem  Maison  de  sante  in  Schönberg  bei 
Berlin  der  bekannte  Beisende  Sir  Robert  Hermann  Schomburgk  (geb.  zu 
Freibor^  an  der  ünstrut,  am  5.  Juni  18()4.),  zuletzt  englischer  ('onsul  in 
Slam,  aurch  seine  Bcisen  und  umfassenden  Forschungen  in  Südamerica, 
namentlich  als  Verpflanzer  der  prachtvollen  Blume  „Victoria  regia"  nach 
Europa  bekannt. 

—  Am  12.  März  1.  J.  zu  Prag  der  Professor  am  dortigen  Conser- 
Tatorinm  Moriz  Waener,  als  Violoncellist  ausgezeichnet;  zu  Neu-Anid 
der  Seideninspector  des  Temeser  Comitates  PMdolin  Trumauer,  bekannt 
durch  die  Herausgabe  von  Specialkarten  der  Comitate  Temes,  Krasse,  To- 
rontal  und  Arad,  und  zu  Prag  der  akadem.  Maler  und  Photograph  Karl 
Wangberg,  durch  ausgezeichnete  Gemälde  bekannt,  im  49.  Lebensjahre. 

—  Am  13.  März  1,  J.  zu  Wien  der  talentvolle  Schriftsteller  Wil- 
helm von  Che  ZV,  ein  Sohn  der  bekannten  Dichterin  Chr.  Helmine  v. 
ChezY,  geb.  y.  luenke,  Enkelin  der  einst  vielgenannten  Louise  Karschin, 
auf  dem  Gebiete  der  Belletristik  und  Journalistik  vielfach  thätig,  vor  kaum 
erreichten  60.  Lebensjahre. 

—  Am  15.  März  1.  J.  zu  Florenz  der  berühmte  Epigraphist  Prof. 
Luigi  Mnzzi  v.  Prato,  corr.  Mitglied  der  „Accademia  della  Crusca*", 
auch  als  Dante-Erklärer  bekannt,  im  Alter  von  90  Jahren,  und  zu  Würz- 
boigDr.  A.  Förster,  Professor  der  Anatomie  an  der  dortigen  Universität. 

—  Am  15.  (?)  März  1.  J.  zu  Laibach  Joachim  Oblak,  Lehrer  an 
der  dortigen  k.  k.  OB. 

—  Am  16.  März  1.  J.  zu  Augsburg  der  lanfflährige  Chef-Bedacteur 
der  Angsburger  allgemeinen  Zeitung  Dr.  Gustav  Äolb,  im  67.  Lebens- 
jahre (ygh  A.  a.  Z&.  V.  23.  März  1.  J.  Nr.  82),  und  zu  Bomans  in  Frank- 
reich der  bekannte  Wetterprophet  Mathieu  de  la  Dröme  (geb.  zu  St 
Christophe  bei  Bomans,  am  7.  Juni  1808). 

—  Am  18.  März  1.  J.  zu  Wien  der  Prediger  der  israel.  Gemeinde 
in  Wien  Isaak  Noa  Mannheimer  (geb.  zu  Kopenhagen,  am  17.  Octo- 
ber 1793);  ebendaselbst  Dr.  Job.  N.  Kaiser,  emer.  Bector  Magnificus  der 
Wiener  Universität,  Bitter  des  k.  ö.  Franz  Joseph-Ordens,  emer.  Professor 
der  allgemeinen  Weltgeschichte  an  der  genannten  Hochschule,  Ehrenbürger 
der  k.  k.  Beichs-Haupt-  und  Besidenzstadt  Wien  u.  s.  w. ,  im  74.  Lebens- 
jahre, und  zu  Berlin  der  Hofarchitekt  geh.  Oberbaurath  Dr.  Frdr.  S tu  1er 
(geb.  zu  Mühlhausen,  im  J.  1800). 

—  Am  20.  März  1.  J.  zu  St.  Lambrecht  der  Stiftsconventuale  Se. 
Hochw.  Friedrich  Neumann,  wegen  seines  eifrigen  Wirkens  als  Lehrer 
und  seine  Verdienste  um  Volksbildung  geschätzt. 

—  Am  21.  März  1.  J.  zu  Beriin  Felix  Henry  du  Bois-Beymond, 
kön.  prenXb.  geh.  Beg.  Bath,  als  Verfasser  mehrerer  philosophischer  Werke 
bekaimt 

—  In  der  Nacht  zum  21.  März  L  J.  zu   Hamburg  F.  Niebour, 


Slfl 


Pen^nftl-  sttid  SchnlfiotifPU. 


frülieT  als  Redftcteur  der  „ Literarischen  und  trit Sachen  Blätter  der 
haue*  in  wtjjten  Kreisen  bekannt,  Im  Ältor  von  82  Jahren, 

—  Am  21  März  L  J.  m  Berlin  der  treffliche  Bildhauer  Pro£  Au* 
puirt  Kif«  (geb.  1802  au  Plefa),  der  Schöpfer  der  AmasoneiigTuppe» 

^  Am  26,  MiLrz  1.  j,  zu  Berlin  der  durch  seine  aus^e zeich netdVtH 
Leistungen  aU  Medailleur  bekannte  Karl  Fischer,  ordenti  Mitflied  dd^fl 
Berliner  Akademie,  und  zu  Leipzig  C*  0.  Buln  he  im,  Diiector  der  eista^S 
dortigen  Bürgerss^ihule. 

—  Ain  2».  (?)  März  l  J.  m  Frankfurt  a^.  der  Bedactenr  Br.  Eduard 
Sattler,  wegen  »einer  öffentlichen  Wirkiarakeit  ttllgemein  geschätrl 

—  Am  29.  März  L  J.  zu  Teschen  der  achleaische  Seniur,  Landtag 
Abgeordnete  und  Pfarrer  Se.  Ehrw*  Andreas  Älik,  Eeligionalehrer  am  L  k. 
erang.  G.  alldort,  im  63.  Lebenajahre, 

—  Am  3L  März  l  J.  tu  Wien  der  hochverdiente  k.  k.  ordentL  Pro-j 
fesfior  der  Physik  an  der  Wiener  Umvereitat  Dr.  Augiiat  Kunzek  Edle 
7.  Lieh  ton  (geb,  am  28.  Jännei  1795  zu  Königsberg  in  Schlesien),  Ritte 
des  groffiheriügl  badischen  Ordern?  vom  Zähringer  Löwen,  corr.  Mitglia 
der  Kais.  Akademie  der  Wissenßcbatten ,  enicrit  Universität»- Rektor  un 
Decan  n,  s,  w.,  als  Fachachriftätelkr  rühmlichst  bekannt,  und  zu  Klagenfun 
Friedrich  Kok  eil,  als  Naturforscher  und  insbesondere  Conchjliologe,  we' 
Über  seine  Heimat  hinaus  bekannt,  im  Alter  von  64  Jahren. 

—  Anfangs  März  L  J.  zu  Stuttgart   der  Kaiizlcirath  Krieg^   Vor 
stand  des  Württemberg.  GabelsbeiigefBchen  Stenographenvereine« ,   im  63Ll 
Lebensjahre,   nnt  Hinterlflssung  einer  noch  unvollendeten,  actenmäfsigöni 
Üeschichte  der  wiirttembergischen  Verfassung  \x.  s,  w. 

—  Im  März  1.  J.  KU  Baden  bei  Wien  der  pens.  k,  k.  OberBtlientenant 
M&x  Ritter  von  Thielen,  Verf.  mehrerer  gediegener  kriegsgeschichtlicberj 
Werke,  im  85*  Lebensjahre;  zu  Hamburg  der  Schriftsteller  Carsten  Rungen 
KU  Dresden  der  Frivatgelehrte  Aug*  Heinrich  v.  Weyrauch,  der  auf  liB 
gnistischein  Gebiete  werthvolleä  geleistet  loid  auch  als  ComponiBt  und  Poe 
sich  versucht  hat,  und  zu  London  Sir  George  RichoUa,  nm  die  AnoeD 
gesetzgebuTi^  verdient  und  Verfiwiser  einschfüiifiger  Werke. 

—  Mitt^  März  L  X  ^u  Paris  Graf  Arthur  Beuguot,  Mitglied  d« 
französ.  Institut^eö, 

—  Gegen  Ende  5Iärz  L  X  zu  Paria  C.  Trojon  (geb.  1813  m  Sevr« 
bei  Paris) ^  als  Landschaftsmakr  hochgeschätzt. 

—  Ende  März  L  J-  zu  Neu-Sandec  der  Gymnasiallehrer  Franz  Xava 
Nowotny-,  auch  ab  SchTiftsteller  nicht  unbekannt,   im  GO.  LehensjahretJ 
und  auf  seinem  Gut  Ubien  bei  Leiuberj^  der  Erbe  der  tmgedruckten  Sehr  ~ 
des  polnischen  Dichters  Julius  Slowacki,  Theophil  Januszewski. 

—  Laut  im  Mbfz  1.  J,   eingetroffenen  Nachrichten   in  Sierra  Leon* 
dtr  Reisende  Dr.  W.  Balfour  Baikie,  der  sich  u.  a.  auch  die  Erforschung J 
des  unteren  Strom laufs  des  Niger  zur  Aufgabe  gestellt  hatte. 

—  Am  1.  April  L  1  Dr.  Johann  Dvofacek,   Hof-,  Gerichts-  unil 
Militär-Advocat,    Vorstand   und   Förderer   des   slavischen  Singvereinea 
Wien,  57  Jahre  ajt, 

—  Am  2  April  1.  J.  lu  Graz  im  besten  Mannesaiter  0n  George J 
Bandhaai,  Prof^sor  der  deutschen  Reichs-  und  Eachtsgfiachichte  andgff 
dortigen  Hochschule. 


(Diesem  Hefte  sind  fwd  literarische  Beilagan  beigegehen,) 


Erste   Abtheilung^. 


Abhandlungen. 

Untersuchungen  über  die  Entstehung  der  Odyssee. 

U. 

(Portsetzung  v.  J.  1864.  Hft.  VII,  S.  473-502.) 

In  der  ersten  Abtheilung  dieser  Abhandlung  (Jhrg.  1864, 
S.  475  d.  Ztschr.)  machte  ich  auf  die  innige  Beziehung  und  Zu- 
sammengehörigkeit der  von  Odysseus  bei  den  Phseaken  erzälilten 
Abenteuer  aufmerksam,   wie  von  Schritt  zu  Schritt  eine,  was 
sich  wol  kaum  läugnen  liefse,   bewusste  künstlerische  Absicht 
immer  klarer  zu  Tage  tritt.  Doch  nicht  in  der  uns  überlieferten 
Gestalt  der  Erzählungen  liegt  ein  solcher  Organismus  wohl  er- 
halten vor  uns.  Wir  fanden  und  erkannten  ihn  erst,  nachdem  wir 
bedeutende  Stücke  der  üeberlieferung  ganz  bei  Seite  gelegt  hatten. 
Die  folgenden  Untersuchungen   sollen  die  an  dieser  Stelle  der 
Odyssee  durchgeführte  Ei-weiterung  nach  denselben  Gesichtspunc- 
ten  verfolgen,  die  uns  bei  obigen  der  Telemachie  gewidmeten 
Betrachtungen  leiteten.   In  welchem  umfange  sind  Erweitemn- 
gen  der  Selbsterzählung  des  Odysseus  anzuerkennen?  Verräth  die 
Art  und  Weise  der  Hinzufügung  selbst  den  fremden  Ursprung? 
Brachte  vielleicht  die  nicht  unbedeutende  Erweiterung  Aende- 
rangen  in  der  Anlage  des  Gedichtes  selbst  hei  vor?  Diese  Fra- 
gen sollen  uns  der  Reihe  nach  beschäftigen.  —  Die  Scheidung 
des  echten  und  unechten  liefse  sich  mit  gröfster  Evidenz  durch- 
fuhren, wenn  Kirchhofes  These  (Vorw.  p.  X)  feststeht,  dass  die 
in  i  565  —  l  332,  l  353  —  //  440  enthaltenen  Abenteuer  des 
Odysseus  ursprünglich  in  der  dritten  Person  erzählt  waren  und 
dass  folglich  die  uns  vorliegende  Fassung  als  die  Umarbeitung  einer 
älteren  Gnmdlage  betrachtet  werden  muss,  während  /  16—564 
gleich  ursprünglich  in  der  ersten  Person  gedichtet  war  und  in 
einer  anderen  Form  früher  nicht  existiert  hat.  Der  von  Kirch- 
hoff zur  Begründung  seiner  These  geführte  Beweis  (Rh.  Mus.  XV. 
S.62fr.)  hat  von  manchen  Seiten  inzwischen  Angritte  erfahren,  es 
dürfte  also  eine  genauere  Prüfung   desselben  wol  zunächst  an- 
gezeigt sein. 

Zcitachrift  f.  d  O^torr.  Gymim«.  1865.  V.  Heft.  22 


818  üeber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  TT.  HcuieL 

Die  kenntlichste  Spur  eines  solchen  rein  äufserlichen  üeber- 
tragungsprocesses  fand  KirchhoflF  ^u  374—390.  Odysseus  wollte 
auf  Anrathen  des  Teiresias  X 104—110  und  der  Kirke  fi  127—141 
an  der  Insel  des  Sonnengottes  vorüberfahren,  um  seine  Gtenossen 
der  lockenden  Versuchung  zu  entziehen,  an  die  heiligen  Binder 
des  Gottes  frevelnd  ihre  Hand  zu  legen;  denn  dafür  sollte  seine 
Genossen  der  Tod,  ihn  aber  unglückliche,  späte  Heimkehr  strafen. 
Als  dies  Vorhaben  an  dem  Eigenwillen  seiner  Genossen  schei- 
terte, verpflichtete  er  sie  durch  einen  Eid,  die  Rinder  nicht  an- 
zugreifen. Bei  langem  Vonv'eilen  auf  der  Insel  brechen  sie  in 
Odysseus'  Abwesenheit  auf  Eurylochus'  Antrieb  ihr  ViTort  und 
schlachten  die  Binder.  Odysseus  merkt,  da  er  zu  den  Schiffen 
zurückkehrt,  aus  dem  Fettdunst  des  gebratenen  Fleisches,  was 
die  Genossen  gethan  und  klagt,  dass  ihm  die  Götter  so  ver- 
derblichen Sclilaf  gesendet.  Inzwischen  erfahrt  auch  Helios  im 
Himmel  von  dem  Frevel  und  verlangt  unter  Drohungen  von  Zeus 
Genugthuung,  die  ihm  Zeus  zusagt,  indem  er  das  Schiff  zu  zer- 
schmettern verspricht  Odysseus  kommt  zum  Schiffe,  schilt  die 
Frevler  und  als  sie  endlich  die  Insel  verlassen,  ereilt  sie  auf 
der  See  Zeus'  strafender  Arm. 

Sehr  auffällig  ist  es  nun,  wenn  Odysseus  die  Erzählung 
des  selbsterlebten  durch  Schilderung  jener  Vorgänge  im  Olymp, 
die  nicht  eben  summarisch  ei-wälmt  werden,  an  einer  Stelle  unter- 
bricht, wo  kein  Buhepunct  oder  Abschluss  der  Handlung  gege- 
ben ist.  Noch  auflßllliger  und  wahrhaft  abgeschmackt  ist  aber 
die  Motivierung,  wie  Odysseus  von  jener  Olympischen  Scene 
Kunde  erhielt  /i  389 : 

TavTK  iyotv  rjxüvau  KuXv\lf ovg  tjvxojuoio' 
t)  J*  f(fii  ^EofikUto  öutxr6{iüv  «i/rij  uxovaai. 

Nicht  durch  Athetese  der  ganzen  Stelle  lässt  sich  nach  Kirch- 
hoflTs  Ansicht  dem  abhelfen,  wie  Aristarch,  der  die  Schwierig- 
keit wol  fühlte,  vorschlug;  denn  dadurch  gienge  ein  Element 
verloren,  wodurch  das  innerliche  Verhältnis  der  beiden  Hand- 
lungen des  Bindermordes  und  dos  Sturmes  als  Ursache  und  Folge 
klar  gemacht  werden  sollte.  So  bleibt  nur  die  Annahme  übrig, 
dass  die  Erzählung  ursprünglich  vom  Dichter,  also  in  dritter 
Person  erzählt  wm-de,  dass  durch  die  Umwandlung  in  die  Selbst- 
erzählung des  Odysseus  per  accidens  jene  Schwierigkeiten  sich 
einstellten.  Denn  der  Dichter  allein,  den  die  Muse  gelehrt  hat, 
„weifs  nicht  nur,  was  auf  Erden  vorgieng  und  vorgeht,  sondern 
ist  auch  in  die  Geheimnisse  des  Lebens  und  der  Vorgänge  am 
Sitze  der  seligen  Götter  eingeweiht,  und  hat  nicht  nöthig  von 
den  Quellen  seiner  Kenntnis  ängstlich  Bechenschaft  abzulegen, 
selbst  wenn  sie  sich  auf  Kleinigkeiten  des  Details  wie  zeitliches 
Verhältnis  der  einzelnen  Vorgänge  zu  einander  u.  s.  w.  zu  er- 
strecken scheint;  er  kann  darum  die  Gruppiening  der  einzelnen 
Acte  mit  einer  Freiheit  bewerkstelligen,  die  Jiio  unbegrenzt  ist, 
als  sein  Wissen.**  S.  G9. 


üelwr  die  Entateliung  der  Odyssee,  v.  Dr.  TT.  Hartel  819 

Spuren  dieses  Redactionsverfahrens  sucht  und  findet  Kirch- 
hoflF  noch  mehrere;  doch  schreibt  er  ihnen  eine  beweisende  Kraft 
nnr  zu,  wenn  man  die  eben  dargelegte  Betrachtung  als  richtig 
festhüt  So  befremdet  /u  339  flf.  die  Art  und  Weise,  wie  die  Vor- 
gänge bei  dem  Schiffe,  die  Unterredung  der  Genossen  und  das 
Stieropfer  geschildert  werden,  was  Odysseus  doch  nur  vom  Hören- 
sagen kennen  konnte ;  solche  blofs  von  anderen  vernommene  Er- 
eignisse sollten  in  des  Selbsterzählers  Munde  fuglich  eine  etwas 
andere  mehr  smnmarische  Behandlung  erfahren,  als  selbsterlebtes 
und  erfahrenes.  —  Eine  nicht  minder  aufföllige  Detailierung  des 
blofs  durch  Hörensagen  erfahrenen  zeigt  x  208  If.  Da  Odysseus 
mit  gröfster  Ausführlichkeit  erzählt,  wie  es  der  auf  Kunde  aus- 
gescUckten  Schaar  ergangen,  was  sie  einzeln  gesprochen  (224  If.); 
ja  er  eizählt  die  Verwandlung  der  Genossen  durch  die  Zauber- 
künste der  Kirke,  von  denen  er  durch  den  der  Gefahr  entgan- 
genen Führer  Eurylochos  vor  der  Hand  nichts  erfahren  liaben 
konnte  (259).  —  Gleiche  Spuren  bewahrt  x  78—132  das  Aben- 
teuer bei  den  Lsestrygonen,  das  mit  den  eben  berührten  Partien 
Anlehnung  an  Motive  eines  gleichen  fremden  Sagenkreises  ge- 
mein hat  Um  nun  des  Odysseus  Kunde  von  den  Schicksalen 
der  ausgesandten  zu  erklären,  nimmt  der  Erzähler  zu  der  nach 
V.  115  sehr  unmotivierten  und  die  innere  Glaubwürdigkeit  der 
weiteren  Eraälüung  störenden  Fiction  seine  Zuflucht,  dass  von 
den  drei  Kundschaftern  zwei  den  Händen  des  Antiphates  ent- 
rinnen und  zu  den  Schiffen  gelangen.  —  Nicht  anders  verhält 
es  sich  mit  dem  Abenteuer  bei  Aeolus  (x  1  —  76),  in  dem 
das  von  den  Genossen,  während  Odysseus  schlief,  verhandelte 
mit  einer  für  den  Erzähler  gleich  unpassenden  Ausführlichkeit 
berichtet  wird  (438—45). 

Dies  sind  in  gedrängter  Uebersicht  die  Erwägimgen,  welche 
Eirchhoff  zu  der  Annahme  veranlassten,  dass  die  betreffenden 
Apologe  ursprünglich  in  dritter  Person  abgefasst  waren  und  erst 
nach  einer  mechanischen  Umwandlung  und  üeberarbeitung  in 
die  erste  Person  offenbar  zu  dem  Zwecke,  einem  bestehenden 
Ganzen  einverleibt  zu  werden,  mit  jenen  Mängeln  und  Schwierig- 
keiten behaftet  wurden.  Und  sicher  fühlte  sich  jeder  geneigt 
beim  ersten  Anblick  ihnen  ganz  und  gar  beizustimmen,  zumal 
audi  andere  AuflSUigkeiten  unter  dieser  Voraussetzung  ver- 
schwinden ;  ich  kann  eine  Bemerkung  der  Art  nicht  unterdrücken : 

Als  Odysseus  der  Behausung  Kirke's  zuschreitet,  begegnet 
ihm  Hermes  x  277: 

lQ^OfAiv<p  /¥(t6g  StäfAtt,  rtrjvfij  icrifol  ioixtoi;   ' 

TtOtÜTOV    VTlTlVr^TtJl,  TOl'    TtfO  /{((tlffJTKTtl    fjßrj' 

belehrt  ihn  über  das  Schicksal  seiner  Genossen  und  sagt  ihm, 
wie  er  den  Zauberkünsten  zu  ))egegnen  habe.  Hierauf  entfernt 
er  sich  307: 

22* 


820         Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  ▼.  Dr.  TT.  HmM. 

also  nicht  in  einer  Weise,  wie  sonst  Götter  zu  thun  pfl^ran, 
wenn  sie  sich  doch  zuletzt  dem  blinden  Auge  der  Sterblidien 
verrathen  wollen  (vgl.  a  320,  y  372);  denn  wol  kennen  die 
Götter  einander  e  79: 

ou  ydg  dyvutTti:  ^fol  iliinioiai  niXovrai 
(t&icvaroij  ovS*  it  ng  uttotiqo&i,  ^(Ofiartt  r«/«  '), 

nicht  aber  besitzen  Sterbliche  diese  Gabe,  v  312: 

agyaktov  a€,  S-ite,  yvöüvai  ßfJOTtp  itVTtaaam 

xal  fxdX*  iniaTaLiivf^'  al  ydg  «iJtijv  navxl  iiaxeis 

aufser  es  ist  ein  bevorzugtes  Geschlecht  von  Menschen,  die  der 
Götterwelt  näher  stehen,  wie  die  Phäaken  f]  199  ff. 

Wie  soll  nun  Odysseus  hier  Hermes  auf  den  ersten  Blick 
erkennen?  Ameis  sucht  auch  hier  unseren  Zweifel  zu  bannen, 
indem  er  bemerkt:  „Hermes  erscheint  hier  in  derjenigen  Gestalt, 
unter  welcher  das  Homerische  Zeitalter  ihn  sich  vorstellte,  da^ 
her  wird  er  von  Odysseus  ohne  weiteres  erkannt."  Dann  lief  in 
der  Homerischen  Zeit  fürwahr  jeder  Jüngling,  dem  das  Barthaar 
kam,  Gefahr  für  Hermes  gehalten  zu  werden.  Jedenfalls  ist  es 
bedenklich  aus  dieser  einen  Stelle  dies  zu  folgern,  zumal  ii  347 
sofort  diese  Annahme  umstöfst;  hier  erscheint  derselbe  Gott 
Priamus : 


xovgqi  aiavfivttTTJQi  ioixtü^'f 
TiofÜTov  vjifiVfiTri,  Tov  n€Q  /aQi^arttTfj  fjßrj, 


ohne  dass  dieser  ihn  erkennt.  Man  müsste  also  zu  der  Annahme 
seine  Zuflucht  nehmen,  Odysseus  habe  später  die  Begegnung 
mit  dem  rettenden  Gotte  der  Kirke  erzählt  und  von  ihr  erfah- 
ren, dass  es  wol  Hermes  gewesen  sei,  mit  dem  sie  nach  x331 
häufigen  Umgang  gehabt  zu  haben  scheint.  Das  ist  aber  in 
demselben  Grade  auflSUig,  als  in  den  oben  von  Kirchhoff  be- 
rührten Fällen  die  etwa  zu  ergänzende  Motivierung,  dass  Odys- 
seus von  dem  in  seiner  Abwesenheit  vorgefallenen  so  genau 
Bescheid  wusste.  Denken  wir  uns  auch  hier  den  Dichter  als 
Erzähler  und  es  schwindet  alles  auffällige.  —  Dies  also  könnte 
uns  nur  noch  mehr  bestimmen,  Kirchhoff's  Ansicht  beizutreten 
und  die  Abfassung  dieser  Partie  der  Apologe  in  dritter  Person 
als  Erzählung  des  Dichters  für  die  ursprüngliche  zu  halten. 
Einen  besonderen  Werth  liätte  aber  das  für  die  Entscheidung 
der  von  uns  begonnenen  üntei-suchung  erst  dann,  wenn  sich 
weiter  zeigen  liefse,  dass  der  andere  Theil  der  Apologe  gleich 
ursprünglich  als  Selbsterzählung  des  Odysseus  abgefasst  war  und 
durchaus  keine  Spuren  einer  derartigen  Ueberarbeitung  und  üeber- 
setzung  aus  der  dritten  Person  in  die  erste  aufweist. 


')  Vgl.  das  Schol.  zu  der  Stelle ;  ov  yd(f  r^  /rQotütouxivai,  dXkd  xarm 
Tiva  !f-6(av  Svvauiv  iyrio^iaev  t^ovaa  rj  KaXvim  tov  *E{iuriv. 


üeber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  W,  Hartel  821 

Eirchhoff  entgieng  es  in  richtiger  Abschätzung  seiner  ein- 
zelnen Gründe  nicht,  dass  alle  übrigen  an  dem  einen  Haupt- 
argomente,  welches  der  olympischen  Scene  //  374  —  390  ent- 
nommen ist,  ihre  Stütze  haben,  mit  ihm  stehen  oder  fallen; 
so  erklärt  er,  da  er  von  der  Erzählung  des  während  Odysseus' 
Abwesenheit  bei  den  Schilfen  vorgefallenen  spricht,  S.  73 :  „Ich 
würde  es  mir  unter  anderen  Umständen  schon  gefallen  lassen 
müssen,  wenn  man  diesen  Fehler  auf  Rechnung  der  naiven  Un- 
beholfenheit alterthümlicher  Dichtweise  bringen  wollte:  nach 
allem  aber,  was  oben  ermittelt  worden  ist,  halte  ich  mich  för 
berechtigt,  diese  Entschuldigung  oder  Erklärung  auch  hier  zu- 
rückzuweisen^ (vgl.  S.  74).  Nun  hielte  ich  jenes  Hauptargument 
für  unumstöfslich  und  den  ganzen  Beweis  far  evident,  wenn  die 
Olympische  Geschichte  als  ein  organischer  Theil  der  Erzählung, 
der  sich  schlechterdings  nicht  wegdenken  liefse,  und  an  einer 
anderen  Stelle,  von  der  sie  ohne  Nachtheil  nicht  verrückt  wer- 
den könnte,  erschiene.  Ersteres  hat  Kirchhoff  behauptet,  ohne 
es  zu  beweisen;  letzteres  zwar  gefühlt,  aber  geglaubt,  es  hin- 
reichend entschuldigen  und  erklären  zu  können.  Nachdem  durch 
Teiresias  und  Kirke  warnend  vorausgesetzt  worden  war,  was  für 
eine  Strafe  Odysseus  und  seine  Genossen  treffen  werde,  wenn 
sie  die  Binder  des  Gottes  nicht  unberührt  lassen,  war  es  wol 
den  Zuhörern  leicht  in  den  Wunderzeichen,  die  an  den  Stücken 
und  Häuten  der  geschlachteten  Thiere  sich  zeigten,  ^  394  ff., 
die  Vorboten  göttlicher  Strafe  für  dieses  Vergehen  zu  erkennen, 

394  roTaiv  *f*  avrW*  tfTriiret  &€ol  r^Qua  nQOvtfaivov 

und  sie  mochten  wol  ohne  Zweifel  trotz  des  xorra  ro  auojtm- 
fisvov  es  nicht  auffeilend  finden,  dass  Zeus  in  dem  nun  fol- 
genden Sturm  405  ff.  dem  zunächst  allein  beleidigten  Sonnen- 
gotte  seinen  strafenden  Arm  leihe.  Ist  ja  auch  sonst  Zeus,  wenn 
ein  anderer  Gott  oder  Göttin  beleidigt  wird  und  zürnt,  stets  als 
Bächer  bei  der  Hand,  so  y  130  (vgl.  160). 

xnl  tOTf  Srj  Ztvg  Ivygov  Ivl  (f'Qtal  /njd^ro  voatov 

und  zwar  135: 

firjt'tog  i^  oXoijg  ykavxtoniSog  OfißQi/nonaiQrig  (vgl.  «  372). 

Und  was  auch  Sinn  und  Grund  der  Verse  i  551—555  sein  mag, 
worüber  später  soll  geredet  werden,  Odysseus  sieht  hier  in  Zeus 
den  Kächer  und  Vollfuhrer  der  Strafe,  um  deren  Erfüllung  der 
gekränkte  Poseidonsprofs  seinen  Vater  gebeten  und  Erhörung  bei 
diesem  und  nicht  bei  Zeus  gefunden  hatte.  Sollte  nun  aber  des 
näheren  gezeigt  werden,  wie  es  komme,  dass  Zeus  für  Helios 
eintrete  —  eine  Erklärung,  die  mau  ja,  wenn  sie  da  wäre,  sich 
gerne  gefallen  liefse  —  so  müsste  d^r  Erzähler,  wer  es  auch 
sei,  für  eine  passende  Anordnung  und  Gruppierung  des  im  Him- 
mel und  auf  der  Erde  vorgehenden  soigen.  Ja  wir  sind  dies  vom 
Dichter  geradezu  zu  fordern  berechtigt,  da  es  nur  einer  Nach- 
ahmung und  Wiederholung  eines  anderwärts  bereits  geschickt 


388  Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  TT.  HarM. 

durcli  geführten  derartigen  Scenenwechsels  bedurfte.  Da  nämlich 
Odysseus  von  dem  Phaeakenschiffe  in  die  Heimat  geleitet  wird, 
wodurch  der  racheschnaubende  Poseidon  auf  das  tiefste  sich  ver- 
letzt ffihlt,  geht  er  in  des  Dichters  Darstellung  nicht  gleich,  da 
dies  geschah  zu  Zeus,  um  Beschwerde  zu  führen,  sondern  diese 
Unterredung  lässt  der  erzählende  Dichter  erst  eintreten,  da 
Odysseus  sammt  seinen  Schätzen  glücklich  an's  Land  gerettet 
und  das  Schiff  auf  der  Heimfahrt  begriffen  ist;  das  ist  an  der 
Stelle,  da  ein  passender  Abschnitt  und  Buhepunct  sidi  darbot 
Man  versuche  es  hier  einmal  an  eine  andere  Stelle  der  Erzäh- 
lung diese  Scene  zu  rücken,  ohne  die  ganze  Anordnung  empfind- 
lich zu  stören,  um  sich  des  Unterschiedes  zwischen  der  C!om- 
position  in  v  und  jener  in  jn  lebhaft  bewusst  zu  werden;  denn 
allerorts  liefse  sich  die  olympische  Scene  passender  einfügen  als 
gerade  dort,  wo  sie  wirklich  eingefligt  ist. 

Soll  man  das  etwa  damit  entschuldigen,  dass  man  sagt: 
Der  Dichter  ordnete  die  Begebenheiten  in  der  Erzählung,  wie 
er  wusste,  dass  sie  in  der  Wirklichkeit  einander  folgten;  er 
weifs  nicht  blofs,  was  im  Himmel  und  auf  der  Erde  geschieht, 
er  weifs  auch,  wann  es  geschah.  Aus  diesem  unbegrenzten,  auf 
jegliches  Detail  sich  beziehenden  Wissen  resultiert  die  cfarono- 
lo^sche  Gruppierung  der  Thatsachen  in  beiden  Fällen.  Ich  glaube 
mit  nichten.  Eine  derartige  Entschuldigung  scheint  aber  Kirch- 
hoff zu  meinen,  wenn  ich  anders  recht  den  Sinn  seiner  Worte 
fasse,  wenn  er  sj^t  (S.  66):  „Laufen  zwei  Handlungen  in  der 
Weise  in  der  Wirklichkeit  neben  einander  her,  dass  der  Anfong 
der  einen  in  den  Verlauf  der  anderen  einschneidet,  so  kann  dem 
Erzähler  freilich  das  Eecht  nicht  bestritten  werden,  vorausge- 
setzt, dass  ihm  dieses  zeitliche  Verhältnis  beider  zu  einander 
bekannt  ist,  eben  dies  far  die  Darstellung  zur  Grundlage  der 
Anordnung  zu  machen;  also  ohne  Bücksicht  auf  den  organischen 
Zusammenhang,  die  eine  Erzählung  durch  die  andere  da  zu  unter- 
brechen, zugleich  aber  auch  gewissermafsen  fortzusetzen,  wo  in 
der  Wirklichkeit  die  erzählenden  Ereignisse  zeitlich  zusammen- 
trafen", und  an  einer  anderen  Stelle  (S.  69) :  „Der  Dichter . . . 
hat  nicht  nöthig  von  den  Quellen  seiner  Kenntnis  ängstlich 
Bechenschaft  abzulegen,  selbst  wenn  sie  sich  auf  Kleini^eiten 
des  Details,  wie  zeitliches  Verhältnis  der  einzelnen  Vorgänge 
zu  einander  u.  s.  w.  zu  erstrecken  scheint,  er  kann  darum  die 
Gruppierung  der  einzelnen  Acte  mit  einer  Freiheit  bewerkstelli- 
gen, die  so  unbegrenzt  ist,  wie  sein  Wissen." 

Die  Fiction  so  unbegrenzten  Wissens  entechuldigt  nach 
meiner  Ueberzeugung  die  Freiheit  in  nichts,  von  weldier  der 
Dichter  einen  wenig  überlegten  Gebrauch  gemacht  haben  müsste. 
Ich  glaube  demnach  wahrscheinlich  gemacht  zu  haben:  Auch 
wenn  wir  uns  diese  Partie  in  ft  nicht  als  Selbsterzählung  des 
Odysseus,  sondern  als  Bericlit  des  Dichters  denken,  verliert  jener 
Vorgang  im  Olymp  durch  die  Art  und  Weise,  wie  er  in  die 


Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  W.  Hartel,  82 

übrige  Darstellung  verwebt  ist,  nichts  von  seiner  Auffälligkeit. 
Da  fiese  auf  ein  mechanisches  Verfahren  hinweist,  sind  die  Verse 
/u  374 — 390  als  ein  fremdartiger  Bestandtheil  anzusehen  und 
auszuscheiden,  dies  um  so  mehr,  als  der  Fortgang  der  Erzäh- 
lung dadurch  nicht  irgendwie  lückenhaft  oder  gestört  wird.  Dieser 
Mechanismus  des  Verfahrens  steigert  sich  nur  noch  in  den  un- 
wahren Motiven  der  Verse  389—390,  die  wol  dem  Urheber  der 
Interpolation  gehören,  der  doch  irgendwie  die  Kunde  des  Er- 
zählers von  überirdischen  Dingen  begründen  musste  und  dabei 
eine  Abgeschmacktheit  an  den  Tag  legte,  wie  sie  einem  selbst 
mittelmäfsigen  Dichter  nicht  wohl  anstünde.  Die  Angabe,  dass 
Odysseus  von  Kalypso  und  diese  von  Hermes  die  betreffende 
Nachricht  erhielt,  ermangelt  der  von  poetischen  Fictionen  wol 
zu  fordernden  inneren  Wahrscheinlichkeit  und  steht  mit  That- 
sachen  des  anderen  Theiles  der  Odyssee  in  einem  Widerspruch, 
der  nur  aus  sehr  oberflächlicher  Kenntnis  dieser  entspringen 
konnte;  denn  nach  e  79  und  88 

TlKQOg   yE  fJlkv   OVTl   &ttfl(^Hg 

war  Hermes  zum  ersten  Male  bei  Kalypso  erschienen  und  Odys- 
seus nennt  sie  duvii  d^eog,  rj  246,  ov6e  Tig  avr^  jniayerai  ovre 
9e(üv  ovre  dyr/rcoy  avO^QconMv.  Eine  Mittheilung  der  Art  ward 
aber  weder  während  seiner  Anwesenheit,  noch  im  Verkehr  zwi- 
schen Odysseus  und  Kalypso  auch  nur  mit  einem  Worte  ange- 
deutet. Dies  bemerkte  übrigens  auch  schon  Aristarchos,  nach  dem 
Schol.  zu  €  79  zu  schliefsen:  ifjevöerai  (ovv)  ^Odvaae'g^  orctv 
Uyrj  *  ravra  d'  fyatv  rjy.otaa  Kalviltovg  r^r/.6uoio  '  rj  d*  ecpt]  ^Eq- 
fteiao  dioTCTOQOv  avrri  a-Aoroat,  Noch  andere  Schwierigkeiten  fand 
wol  auch  er  in  der  Stelle,  wie  die  Schol.  zu  /i  374  zeigen.  Viel- 
leicht waren  dies  nicht  die  einzigen  Gründe,  die  ihn  zur  Athe- 
tese  der  Verse  374—390  bestinunten  (vgl.  des  Aristarchos  Be- 
merkung zu  /'277).  Indessen  bedarf  es  nicht  der  Autorität  dieses 
respectablen  Kritikers,  wo  alle  Thatsachen  so  laut  sprechen. 

Entfernen  wir  aber  diese  Verse  aus  dem  ui-sprünglichen 
Text  des  Heliosabenteuers,  dann  ist  auch  das  wichtigste  Argu- 
ment für  Kirchhoff's  These  gefallen.  Sehen  wir  nun,  was  an 
sich  die  anderen  bedeuten. 

Wie  in  /t  388—389  sich  die  deutlichste  Spur  zeigen  sollte, 
die  auf  eine  Umarbeitung  der  Erzählung  weise ,  ebenso  soll  es 
sich  in  der  La3strygonie  mit  x  116—117  verhalten:  sie  dienten, 
erklärt  Kirchhoff,  dem  Zwecke,  wahrscheinlich  zu  machen,  dass 
Odysseus  von  dem  Schicksale  seiner  auf  Kundscliaft  ausgeschick- 
ten drei  Gefährten  wissen  konnte.  Nach  V.  115  og  drj  lolaiv 
i^^aoTo  Xv/Qov  oXa^Qov  folge  sehr  unerwartet: 

„Diese  genauere  Bestimmung**,  sagt  KirchhotF  (S.  77),  „kommt 
offenbar  viel  zu  spät,  als  dass  sie  dem  Hörer  oder  Leser  eine 
unvermeidliche  Täuschung  ersparen  k'^^nnto.   Anderseits  ist  diese 


SS4  Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  TT.  Härtd. 

Fiction  eine  sehr  ungeschickte,  weil  sie  den  einfachen  und  sach- 
gemäfsen  Zusammenhang  der  Ereignisse  stört,  also  der  äulflefen 
Wahrscheinlichkeit  die  innere  Gkubwürdigkeit  der  Erzählung 
zum  Opfer  bringt.  Die  Flotte  des  Odysseus  wird  vernichtet, 
weil  es  den  Wilden  gelingt,  sie  zu  überfallen;  die  Möglichkeit 
eines  Ueberfalls  bleibt  unbegreiflich,  wenn  die  Bedrohten  vorher 

Sewarnt  wurden,  wie  dies  doch  geschehen  musste,  wenn  die 
üchtigen  Kundschafter  vor  den  Angeifern  die  Schiffe  erreich- 
ten." Ich  halte  diese  Bemerkung  nicht  für  durchaus  richtig: 
die  Sache  lässt  sich  auch  anders  fassen,  ohne  dass  etwas  in  dieser 
übrigens  sehr  summarisch  gehaltenen  Erzählung  widerspräche. 
Gende  dass  zwei  Leute  dem  Menschenfresser  entwischen,  ist 
der  Grund,  dass  er  schreiend  durch  die  Stadt  den  Fliehenden 
stets  fest  an  den  Fersen  bis  zum  Meere  gelangt,  und  bleibt  der 
Angriff  immer  ein  üeberfall  und  von  der  Glaubwürdigkeit  der 
Erzählung  wird  nichts  geopfert.  Wenn  er  aber  vor  der  Hand 
nur  einen  schlachtete,  so  widerspricht  dies  nicht  V.  115,  indem 
er  auch  gewiss  sie  zu  verspeisen  gedachte,  also  auch  ihnen 
iftrjaaTo  Ivyqov  oXe&Qov;  er  geht  eben  mit  dem  köstlichen  Frafee 
fein  haushälterisch  zu  Werke,  wie  sein  edler  Gesinnungsgenosse 
Polyphemos.  Dass  übrigens  nicht  an  eine  listig  vorbereitete 
Ueberrumplung,  sondern  vielmehr  an  einen  rasch  und  plötzlich 
aus^efülirten  Angriff  zu  denken  ist,  dürfte  auch  schon  wegen  118 
avrag  6  revxs  ßotjv  öia  aazeog '  oi  d  diovreg  q)oiTtJv . . .  fivQioi 
anzunehmen  sein. 

Dass  also  zwei  Genossen  zu  den  Schiffen  sich  retteten  und 
Kunde  von  dem  bei  den  Lastrygonen  vorgefallenen  bringen  konn- 
ten, ist  wol  möglich.  Ja  es  lässt  sich  auch  zeigen,  dass  sie 
diese  Kunde  wirklich  brachten.  Da  nämlich  auf  der  Kirke-Insel 
Odysseus  eine  neue  Kundschaft  abzusenden  sich  gezwungen  fühlt 
und  den  Genossen  diesen  Vorschlag  macht,  heilst  es  x  198 : 

roXaiv  6k  xaTfxlaa&t}  (f(Xov  r^ioq 
fivtjaafi^vois  tQytav  AntOTQvyovog  livTKfArao. 

Verräth  das  nicht  ganz  eine  unzweideutige  Bekanntschaft  der 
Genossen  des  Odysseus  mit  den  Voilällen  im  Hause  des  Anti- 
phates,  ob  wir  nun  diese  Verse  aus  dem  Munde  des  Odysseus 
oder  des  erzählenden  Dichters  vernehmen?  Kirchhoff  entgiengen 
die  Verse  nicht,  doch  sucht  er  ihre  gegen  seine  Ansicht  spre- 
chende Beweiskraft  durch  eine,  wie  mir  scheint,  unzulässige 
Deutung  zu  schwächen.  Er  interpretiert  S.  78 :  „Das  Herz  brach 
ihnen  beim  Gedanken  an  die  Thaten  des  Laestrygonen  Antipha- 
tes",  vom  Dichter  gesagt,  heifst  nicht  nothwendig  „sie  verloren 
den  Muth,  indem  sie  der  Behandlung  gedachten,  die,  wie  ihnen 
bekannt  war,  der  Lsestrygone  ihren  GefS-hrten  hatte  angedeihen 
lassen",  es  kann  sehr  wohl  auch  heifsen  „beim  Gedanken  an 
das  Schicksal  ihrer  Gefährten,  das,  wie  ich  und  ihr  Hörer  sehr 
wohl  wisst,  ein  Werk  des  Lsestrygonen  Antiphates  war."  Man 
beachte  dabei  die  zwar  unscheinbare ,  aber  nicht  unwesentliche 


Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  TT.  Hartel  8(5 

Vertausdiiing  der  Wörtchen  „Thaten"  und  ^Schicksale."  Aller- 
dings an  Schicksale  und  wenn  auch  nur  muthmafsliche  Schick- 
sale ihrer  nicht  wieder  zurückgekehrten  Genossen  mochten  sie 
sich  haben  erinnern  können,  aber  an  Werke,  Thaten  so  gewiss 
nicht  als  man  sich  an  das,  was  man  nie  wahrgenonmien  hat, 
nicht  erinnern  kann.  Es  ist  uns  besonders  wichtig,  dass  sich 
überzeugend  darthun  lässt,  dass  jene  zwei  Verse  x  116—117 
unbeschadet  des  Verlaufes  der  Erzählung  sich  nicht  wegdenken 
lassen;  denn  augenscheinlich  dienten  sie  dem  Zwecke  zu  moti- 
vieren, wie  Odysseus  später  zur  Kunde  dessen  kam,  was  er  in 
lebendiger  Selbsterzählung  vorweggenommen  hatte. 

In  Bezug  aber  auf  die  anderen  Fälle  ist  es  von  Kirchhoflf 
nicht  in  Abrede  gestellt  worden,  dass  sie  durchaus  von  der  Art 
sind,  dass  Odysseus  wol  nachträglich  die  genaueste  Kunde  zu 
empfangen  in  der  Lage  war.  So  ei-zählt  uns  Odysseus  x  210 — 244 
was  der  unter  Eurylochos'  Führung  abgehenden  Rotte  begegnet, 
was  Eurylochos  gesellen  und  erfahren,  bis  dieser  allein  zurück- 
kehrte. Das  aber,  was  er  so  vorweg  erzählt,  könnte  er  eben  von 
ihm  gehört  haben.  Docli  er  erzählt  mehr  als  was  Eurylochos 
zunächst  zu  berichten  vermochte,  nämlich  der  Genossen  Ver- 
wandlung im  Hause  der  Kirke,  die  dieser  nicht  sah.  Doch  er- 
fahr Odysseus  ja  bald  von  Hermes,  was  den  Genossen  wider- 
fehren  282  ff.,  sah  selbst,  welche  Künste  die  Zauberin  gegen 
ihn  versuchte  316  If.  und  was  er  sonst  noch  an  Detail  dazugibt, 
hatte  er  wol  volle  Gelegenheit  von  den  zurückverwandelten  Ge- 
nossen und  der  bekehrten  Zauberin  zu  vernehmen.  Wenigstens 
liegt  nichts  unwahrscheinliches  noch  gekünsteltem  darin,  wenn 
wir  durch  eine  derartige  Fiction  die  Möglichkeit,  dass  Odysseus 
das  nicht  selbst  gesehene,  sondern  erst  später  anderwärts  ver- 
nommene erzählen  konnte,  motivieren  oder  von  dem  Hörer  des 
Erzählers  motiviert  denken.  Das  gleiche  gilt  von  dem  genauen 
Berichte  dessen,  was  zweimal  vorfiel,  während  er  schlief,  das 
eine  Mal  auf  dem  Schifte  x  31  ft\  und  das  andere  Mal  auf  der 
Heliosinsel  fi  339—365.  Dass  Odysseus  die  Genossen ,  die  ihn 
durch  eigene  Schuld  in's  Verderben  brachten,  wol  mag  zur  Rede 
gestellt  und  bei  diesem  Anlasse,  was  er  berichtet,  erfahren  ha- 
ben, ist  ja  zu  natüi'lich.  Bei  einer  Gelegenheit  wird  ein  solches 
Verhör  auch  angedeutet.  ^  392: 

vf{x€ov  aXXot^iv  filXov  IntniaSoVy  ovdi  rt  ^rj^og 

(vgl.  Nitzsch.  Beitr.  S.  120).  Also  das  mag  als  ausgemacht  gel- 
ten, dass  in  Bezug  auf  die  berührten  Berichte  Odysseus  sich 
wohl  unterrichten  konnte  oder  richtiger:  für  den  Hörer  oder 
Leser  hat  die  Beantwortung  der  Frage,  woher  Odysseus  wisse, 
was  er  nicht  mit  eigenen  Augen  sah  oder  eigenen  Ohren  hörte, 
nicht  die  mindeste  Schwicnngkeit  und  die  Erzählung  desselben 
im  Munde  des  Odysseus  entbehrt  nicht  der  psychologischen 
Wahrheit. 


SSO  Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  W,  Hartd. 

Aber  vielleicht  die  Art,  wie  er  erzählt?  Es  scheint  im 
vorhinein  die  Forderung  des  kritischen  Beobachters  ganz  ein- 
leuchtend und  natürlich,  dass  wol  ein  Unterschied  zu  madien 
war  zwischen  der  Erzählung  des  selbsterlebten  und  des  von 
anderen  vemonunenen,  dass  das  letztere  mehr  summarisch  ge- 
halten werden  sollte  und  sich  nicht  auf  Detail  erstrecken  könne, 
wie  dies  hier  thatsächlich  geschieht,  indem  Verhandlungen  und 
Keden  wörtlich  referiert  werden,  als  ob  stenographisdie  Auf- 
zeichnungen zu  Grunde  lägen,  Vorgänge,  z.  B.  die  Opferhand- 
lung fj,  356  if.  bis  in  die  genauesten  Einzelheiten  geschildert 
werden,  ja  auch  x  108  der  Name  einer  weiter  interesselosen 
Oertlichkeit,  der  Quelle  Artakia  (vgl.  Schol.  z.  d.  St.  x  108) 
unterläuft;  hierin  scheint  doch  eine  Verwechslung  der  Rollen, 
ein  Aufgeben  des  von  dem  Dichter  durch  selbstgewählte  Fiction 
angenommenen  Standpunctes  sich  vorzufinden. 

Bis  zu  einem  gewissen  Grade  lässt  sich  dies  Verfahren, 
wie  ich  meine,  wol  entschuldigen.  Das  meiste  kommt  auf  Bech- 
nung  der  eigenthümlichen  epischen  Erzählungsweise,  die  man 
mit  dem  Namen  „Breite"  bezeichnet.  Was  zunächst  die  detailier- 
ten  Vorgänge  bei  der  Opferhandlung  betriflTt,  so  sind  dieselben 
im  Munde  des  Odysseus  um  so  weniger  auflSllig,  als  bei  diesem 
Opfer  nahezu  dasselbe  geschieht,  was  sonst  der  Sitte  gemäfs  ist 
und  was  die  Zuhörer  bei  ähnlichen  Gelegenheiten  zu  vernehmen 
gewohnt  waren.  Was  aber  die  Reden  betriflFt,  in  welcher  Form 
sollten  diese  aufgenommen  sein,  um  för  summarisch  zu  gelten? 
Etwa  in  indirecter  Rede?  Zu  diesem  Grade  der  Abstraction  war 
aber  die  auf  Anschaulichkeit  und  lebhafte  Vergegenwärtigung 
abzielende  homerische  Darstellung  noch  nicht  gelangt  Wenn 
aber  die  directe  Form  dem  Dichter  nur  möglich  war,  was  be- 
stimmt dann  den  Grad  der  Ausführlichkeit  ?^)  Uns,  die  wir  über 
mannigfaltigere  Mittel  der  Darstellung  verfugen  und  die  wir  oft 
Mühe  haben,  uns  in  die  einfache  Art  des  allüberall  liebevoll 
verweilenden,  nichts  übereilenden  Erzählers  zu  finden,  mag  es 
unangemessen  erscheinen,  wenn  Odysseus  seine  Erzählung  in 
einer  Weise  anlegt  und  durchfuhrt,  wie  sie  der  stilgerechte 
Epiker  angelegt  und  durchgeführt  hätte.  Ich  kann  mich  daför, 
dass  der  veränderte  Standpunct  des  Erzählers  auf  die  Breite  und 
Anlage  einer  Ei-zählung  ohne  Einfluss  blieb,  auf  einen  ganz 
analogen  Fall  aus  der  Odyssee  berufen;  ich  meine  die  Selbst- 
erzählung des  Eumaeus  in  o  390-485.  Dieser  kam  als  unmün- 
diges Knäblein  zu  Laertes,  wo  er  mit  der  Tochter  des  Hauses 
KUmene  r]  363  aufwuchs,  er  war  aber  durch  Phönikier  seinem 
Vater  geraubt  worden,  denen  seine  von  den  Phönikieni  verführte 
Kindsfrau  behilflich  war.  Das  Einvei-ständnis  zwischen  dem  Weibe 
und  ihren  Verführern  wird  nicht  etwa  nur  mit  einigen  Worten 


^  Vgl.  Bonitz,   Ueber  den  Ursprung  der  Hom.  Ged.   2.  Aufl.  I86i 
S.  56.  Anm.  95. 


üeber  die  Entstehung  der  Odyssee,  ▼.  Dr.  TF.  Hartel  8£7 

summarisch  angedeutet,  sondern  breit  und  ausführlidi  dargelegt; 
zunächst  wie  es  entstanden  420: 

;rili/roi»(yi;  rig  nQiout  fi(yri  xodri  naQU  vrjl 
evvj  xal  (f'UoTrjTc 

und  was  sie  hierauf  gesprochen  und  wie  sie  die  Flucht  und  den 
Eindesraub  verabredet.  Auch  hier  ergeben  sich  wol  dieselben 
Schwierigkeiten,  wollte  man  peinlich  die  Gewähr  dieser  Ueber- 
lieferung  prüfen,  ja  noch  gröfsere;  denn  zwischen  der  Zeit  des 
Ereignisses  und  der  Erzählung  lag  ein  langes  Menschenalter, 
die  schuldige  Magd  starb  noch  auf  der  Fahrt;  dass  sie  oder  ein 
anderer  dem  unvernünftigen  Kinde  über  die  Vorgänge  Bericht 
erstattet,  ist  so  unwahrscheinlich  als  unangemessen  die  An- 
nahme, dass  die  unschuldige  Einfalt  des  Knaben  hatte  alles  be- 
greifen und  behalten  können.  Und  sollten  wir  in  Erwägung 
dessen  die  Hypothese  Kirchhoifs  auf  diese  Partie  ausdehnen 
wollen?  Das  hiefse  der  Kleinliedertheorie  bedenklichen  Vorschub 
leisten.  Es  ist  schlechterdings  nicht  glaublich,  dass  diese  Er- 
zählung des  Sauhirten  je  einmal  ein  Lied  für  sich,  vom  Dichter 
erzählt,  gewesen  sei,  sondern  augenscheinlich  für  diesen  Zu- 
sammenhang, also  als  Selbsterzählung  Eumaeus'  ursprünglich 
concipiert.  Der  Dichter  aber  glaubte  sicherlich  nichts  Unange- 
messenes zu  thun,  wenn  er  ihn  in  ebenderselben  Breite  mit  epi- 
scher Detailierung  erzählen  licfs,  wie  etwa  er  selbst  erzählt 
haben  würde. 

Wir  können  demnach  zwischen  i,  das  die  Abenteuer 
bei  den  Kikonen,  Lotophagen  und  Kyklopen  enthält  und  dem 
folgenden  Theile  der  Apologe  nicht  jenen  Unterschied  hinsicht- 
lich ihrer  anfänglichen  Gestalt  erwiesen  finden,  wie  Kirchhoff 
dies  annahm,  und  können  nicht  darauf  eine  Scheidung  des  ur- 
sprünglichen von  dem  später  hinzugekommenen  gründen.  Ja 
auch  diese  Theile  bieten  dieselben  Eigenthümlichkeiten  der  Dar- 
steUung,  dasselbe  Hinübergreifen  in  die  Vorrechte  des  erzäh- 
lenden Dichters,  dasselbe  Wechseln  der  EoUen  und  Aufgeben 
des  einmal  gewählten  Standpunctes  dar,  wodurch  Kirchhoff  seine 
These  zu  begründen  meinte.  So  erzählt  Odysseus  von  dem  Volke 
der  Kyklopen.  In  voller  Anschaulichkeit  entrollt  er  vor  dem 
Blicke  der  Hörer  ein  Bild  der  von  dem  Einflüsse  menschlicher 
Cultur  noch  unberührten  Natur  und  ihren  gigantischen  Bewoh- 
nern: sie  wissen  nicht,  was  Sitte  und  Gesetz,  sie  kennen  nicht 
den  Staat  und  seine  Gemeinschaft.  Wild  und  grofsartig  gleicht 
ihnen  der  Boden,  den  sie  bewohnen,  nicht  aber  bebauen,  soviel 
Ertrag  er  auch  verspricht;  wie  sie  den  Verkehr  unter  einander 
in  wilder  Abgeschlossenheit,  wohnend  in  rauhen  Felsenhöhlen, 
selbst  Felsen  ähnlich,  meiden,  verschmähen  und  vormögen  sie 
es  nicht,  die  völkerverbindende  Strafse  des  Meeres  zu  wandeln, 
um  in  regem  Wetteifer  von  anderen  zu  lernen,  an  vorgeschritte- 
nen sich  zu  bilden.  Wer  fühlte  sich  nicht  befriedigt  von  der 
lebensvollen  Schilderung  des  Dichtere?  und  wer  dankte  es  ihm 


S28  Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  y.  Dr.  W.  Hartd. 

nicht,  dass  er  Odysseus  von  der  Fülle  seines  Wissens  mehr  ver- 
lieh, als  der  kritisch  den  Gehalt  seines  Berichtes  prüfende  w- 
warten  möchte  und  ihn  so  um  der  Hörer  willen  zum  Dichter 
werden  liefs?  Denn  in  der  Erzählung  selbst  liegt  nicht  eine 
ausreichende  Begründung,  wie  und  woher  Odysseus  so  zuver- 
lässig und  genau  wusste,  was  er  sagte;  denn  gänzlich  unbekannt 
ist  ihm  das  Land  und  seine  Bewohner;  da  er  gelandet,  heilst 
es  {i.  174): 

IXS-iov  Ttiv  cf '  ttvSQm'  neiQi^aofiai,  ot  riveg  tlaCv, 
«  (»*  ot  Y*  vß^iOTtti  re  xtel  ayQioi  oiiSk  i^lxatot 
fis  (f'iXo^Bivoi  xaC  a<f>iv  voog  iaxl  ^eovSijs. 

Im  weiteren  Verlaufe  verkehrt  er  nur  mit  Polyphemos;  dass 
noch  andere  Männer  wie  dieser  die  Insel  bewohnen,  konnte  er 
aus  275  ff.  401  ff.  entnehmen.  Wie  aber  diese  unter  einander 
lebten,  wann  und  woher  erfuhr  er  das? 

Dieselbe  Bemerkung  drängt  sich  an  einer  anderen  Stelle 
derselben  Erzählung  auf,  da  der  geblendete  Riese  zu  seinem  Vater 
Poseidon  um  Rache  und  Bestrafong  des  Odysseus  betet:  er  ver- 
wehre ihm  die  Rückkehr  in  die  Heimat;  wenn  es  aber  doch  das 
Schicksal  wolle,  dann 

534  01/;^  xitxwg  ?Adot,  oXiaag  tino  ndvxag  kxafQovg 
VTjog  in*  ftkXoTQiyjgy  (vqoi,  *f*  iv  n^fiaxa  ofxtp 

und  hierauf  erzählt  Odysseus  weiter: 

wg  t(fUT*  €v/6jLttvog,  tov  Sk  xXv€  xvttvoxafTtjg, 

An  den  Versen  531 — 535  nahm  ausser  „Meister  Phil.  Vin. 
1  ff.'^,  der  „in  dem  Eingehen  in  alle  Einzelheiten  der  Sage 
einen  offenbaren  Verstofs  gegen  den  Charakter  des  Kyklopen* 
erblickt,  so  viel  mir  bekannt  ist,  niemand  Anstefs  und  woUte 
man  die  Verse  tilgen,  so  erzeugte  man  nur  neue  Schwierigkeiten 
an  Stelle  der  alten.  Wenn  aber  die  Stelle  keine  weiteren  Kenn- 
zeichen einer  Interpolation  bietet,  so  verdient  auch  sie  allen 
obigen  von  Kirchhoff  benützten  beigezählt  zu  werden;  denn 
woher  wusste  Odysseus,  dass  Poseidon  die  Bitte  seines  Sohnes 
erhört?  Dass  aber  dies  der  Sinn  des  Wortes  sei,  erhellt  aus  der 
zwingenden  Analogie  von  Fällen,  wie  A  43,  218,  453,  457, 
E  121,  n  249,  y  385,  d  767,  t  328.  Man  wird  leicht  die  Er- 
klärung zu  finden  meinen,  indem  man  sagt:  in  dem  Moment, 
da  Odysseus  erzählt,  hatte  er  einen  guten  Theil  seiner  Leiden 
hinter *^ sich,  den  Verlust  seiner  Genossen  und  Schiffe,  vor  sich 
die  Aussicht,  auf  fremdem  Fahrzeug  in  die  Heimat  zu  ^elan^n. 
Allerdings  einen  guten  Theil,  aber  nicht  alle.  Was  ihn  in  semer 
Heimat  erwarte,  konnte  er  nicht  wissen.  Doch  vielleicht  ahnen? 
in  banger  Gewissheit  ahnen,  nachdem  alle  anderen  Forderungen 
Polyphem's  erfüllt  worden  waren?  Allein  er  verräth  noch  in 
anderer  Beziehung  eine  allzu  genaue  Kenntnis  der  geheimsten 
Absichten  des  zürnenden  Gottes,  als  dass  er  sie  blos  aus  den 
folgenden  Ereignissen  geschöpft  haben  könnte  oder  nadi  der 
gegenwärtigen  Lage  der  Dinge  als  eintretend  befürchten  durfte. 


üeber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  W.  Hartel         SS9 

Denn  das  „otpi  Tuxxaig  iXd^elv*^  tritt  ja  nicht  ein,  wie  es  nach 
Poseidons  eigensten  Willen  eintreten  sollte;  sondern  durch  der 
Götter  Gnade  wird  dies  von  ihm  abgehalten,  wie  aus  £  376, 
V  131  ff.  erhellt  Ja  er  weifs  sogar  noch  mehr  von  den  Vor- 
igen im  Olymp,  wie  551  ff.  zeigt  ^).  Indessen,  wenn  auf  die 
KyUopie  sofort  der  Untergang  der  Schiffe  folgte  und  nur,  wenn 
dies  der  Fall  war,  lielse  sich  auch  diese  Bekanntschaft  mit  dem, 
was  im  Himmel  geschieht,  einigermafsen  erklärlich  finden. 
Doch  —  und  hierin  liegt  die  Gleichheit  der  Darstellung  mit 
jenen  von  Kirchhoff  hervorgehobeneu  Fällen  der  späteren  Apo- 
loge  —  ein  Unterschied  der  Erzählung  von  selbst  erlebtem, 
klar  bewusstem  und  blos  vermuthetem,  späteren  Ereignissen  ent- 
nommenem, ist  auch  hier,  wo  feinere  üeberlegung  ihn  forderte, 
nicht  gemacht. 

Also  auch  diese  Partie  der  Apologe  bietet  solche  Eigen- 
thümlichkeiten  der  Darstellung,  von  denen  sich  eben  sowol 
auf  ursprüngliche  Abfessung  derselben  in  dritter  Pei*son  schliefsen 
liefse,  wie  in  der  anderen,  wenn  dieser  Schluss  eine  Berechti- 
gung hätte,  was  wir  ablehnen  zu  müssen  glaubten.  Die  Naive- 
tät  oder  wenn  man  will  Unbeholfenheit  alterthümlicher  Dicht- 
weise brachte  es  wol  mit  sich,  dass  der  Erzähler,  wer  es  auch 
war,  beim  Erzählen  das  Vorrecht  genofs,  zum  Dichter  zu  werden 
und  Eingebungen  der  Muse  zu  empfangen,  die  alles  zu  lehren 
und  zu  sagen  weifs  und  so  die  von  nüchterner  Reflexion  ge- 
steckten Grenzen  seines  Wissens  überschritt.  Ist  ja  die  home- 
rische Poesie  bei  aller  Naturwahrheit  der  Beschreibung  in  ihren 
Motiven  auch  sonst  recht  naiv  und  märchenhaft  unpsychologisch. 
Um  von  mehrerem  einiges  zu  erwähnen:  Odysseus  geht  zu  den 
Kyklopen,  mit  sich  tragend  den  wunderbar  kräftigen  Wein  aus 
dem  Kikonenlande,  mit  dem  er  später  zu  seinem  Frommen  die 
Sinne  des  Riesen  umnebelt.  Ein  glücklicher  Zufall!  Doch  nein, 
so  wünscht  es  der  Dichter  nicht  angesehen,  wenn  er  i  213 
Odysseus  sagen  lässt: 

uvT(xtt  yoLQ  fioi  6(auTü  b^vfioi;  (iy^r(a() 

ttV^Q*  inelfvaead-ai  /nfyitXrjv  ^jmiuivov  tllxijv, 

äy^iov,  ovre  Sixag  li>  itöora  ovt€  d^ifiiartti. 

^Niemand"  gibt  er  dem  Kyklopen  als  seinen  Namen  an,  dass 
dieser  später  den  herbeigerufenen  Genossen  sage  408  ouvig  fiß 
xielvei.  Einen  solchen  märchenhaft  naiven  Zug  möchte  ich  nun 
audi  in  der  oben  besprochenen  Begegnung  zwischen  Odysseus 
und  Hermes  erblicken. 

Da  wir  also  auf  diesem  Wege  ein  sicheres  Kriterium  des 
ursprünglichen  und  später  hinzugefügten  nicht  gefunden  haben, 
gilt  es  nach  anderen  Spuren  zu  suchen.  Augenscheinlich  hat  die 
&yklopie  in  dem  Organismus  der  Odyssee  einen  bestimmten 
nicht  zu  verkennenden  Zweck,  nämlich  den  Zorn  des  Poseidon, 

>)  Vgl  Bonitz  a.  a.  0.  S.  56.  U  Roche  Ost.  Gymn.  Z.  1863.  S.  194. 


380         üeber  die  Entstehung  der  Odyssee,  ▼.  Dr.  TT.  Harid. 

der  für  den  Helden  die  Quelle  aller  Unfälle  wird,  zu  motivieren. 
Nachdem  er  Polyphemos,  des  Poseidons  Sohn,  geblendet  und 
mit  frevelnden  Worten  vielleicht  den  Gott  selbst  beleidigt  i  525, 
zeichnet  das  Itachegebet,  das  der  Gott  erhört  i  534: 

oiffi  xaxüig  lil^oi,  oliaaq  ano  navtag  haiqovg, 
vrjog  in'*  dXXoTQCi\g,  evQOi  <f*  iv  m^/LiaTa  oixif} 

die  leidenvolle  Bahn  vor,  auf  der  er  mühsam  in  die  Heimat 
gelangen  soll.  Die  Erzählung  ist  in  jeder  Beziehung  vollständig 
und  genügend,  den  Verlust  seiner  Schiffe  und  Genossen,  so  wie 
seine  lange  Entfernung  von  der  Heimat  zu  erklären.  Ist  es  aber 
anzunehmen,  dass  ein  Dichter  das,  was  er  mit  Verstand  und 
Absicht  begonnen,  auf  halbem  Wege  unvollendet  liefs,  dass  er 
uns  vom  Ursprünge  des  Zornes  erzähle,  aus  dem  die  Leiden  und 
Mühen  des  Dulders  folgen  sollen  und  doch  keine  aus  ihm  fol- 
gen lasse?  Das  aber  geschieht,  wenn  wir  annehmen,  dass  die 
folgenden  Apologe  mit  den  vorhergehenden  einheitliche  Con- 
ception  eines  Dichters  seien.  W^enn  wir  nach  den  Andeutungen 
im  letzten  Theile  de^  Buches  i  53G  und  553  ff.  die  Strafe  als 
nahe  bevorstehend  erwarten  und  zu  erwarten  berechtigt  sind, 
föUt  im  folgenden  nicht  nur  nichts  vor,  was  dieser  Ahnung 
genügte,  wol  aber  vieles,  was  uns  Poseidon's  Zorn  vergessen 
lässt.  Alle  verhängnisvollen  Ereignisse  haben  andere  Motive  als 
die  Rache  des  Gottes.  Dass  Aeolus'  wohlgemeinte  Gabe  nicht 
zum  Ziele  führte,  das  gieng,  wie  Odysseus  selbst  sagt  x  68, 
nicht  von  Poseidon  aus.  Bei  den  Laestrygonen ,  wo  Odysseus 
alle  Schiffe  und  Genossen  bis  auf  sein  eigenes  Schiff  verliert, 
hat  weder  Poseidon  noch  ein  anderer  Gott  seine  Hand  im  Spiele. 
Das  Heliosabenteuer  aber  begründet  den  Verlust  von  Schiff  und 
Genossen  auf  eine  ganz  neue  Weise  mit  der  Rache  des  Sonnen- 
gottes. Dieselben  Ereignisse,  die  wir  schon  hinlänglich  motiviert 
glaubten,  werden  auf  ein  gi-und verschiedenes  Motiv  zurückgeführt. 
So  weissagt  ihm  Teiresias  für  den  Fall,  dass  er  oder  seine  Ge- 
nossen an  die  heiligen  Rinder  Hand  anlegen  Ä  114: 

(jilft  y.uxoi^  VH(U,  oX^aag  uiru  ndviug  krad^ovg 
ri](ig  hl '  dlXüT(}{t}g '  i^rffti  cJ"  h'  7n]fjittru  otxtp 

und  in  Ucboreinstimmung  damit  Kirko  /£  141.  Das  müsste  ein 
schlechter  und  vergessliclier  Poet  sein,  der  ohne  Noth  zweimal 
dasselbe  thate,  zweimal  eine  Erzählung  erfände,  die  ein  und  das- 
selbe motivieren  sollte.  Offenbar  haben  wir  es  liier  mit  den 
Erfindungen  zweier  verschiedener  Dichter  zu  thun,  die  zufällig 
dasselbe  Sujet  behandeln,  aber  deren  jeder  die  Erzählung  airf 
eine  andere  Grundlage  zu  stellen  sucht;  dem  einen  ist  die  Quelle 
der  Irrfahrten  und  späten  Heimkehr  die  Rache  des  Poseidon, 
dem  anderen  der  Zorn  des  Helios.  Welche  dieser  Erzählungen 
gehört  nun  ursprünglich  der  Odyssee  an?  welche  ist  die  später 
hinzugefugte?  Ohne  Frage  ist  die  Kyklopie  die  ursprüngliche, 
denn  die  Motive  derselben  ziehen  sich  wie  ein  rother  Faden 
durch  das  Ganze  hin  und  zeigen  sich,   wo  sie  zu  Tage  treten, 


üeber  die  Entstehong  der  Odyssee,  v.  Dr.  W,  Hartel.         SSI 

was  man  auch  sagen  möge,  so  tief  in  der  Dichtung  wurzelnd 
and  aus  ihr  organisch  herausgewachsen,  dass  an  eine  künstliche 
Einpfropfung  von  aulsen  schlechterdings  nicht  zu  denken  ist. 

Nicht  anders  als  Poseidon  und  Helios  verhalten  sich  Ka- 
lypso  und  Kirke  in  der  Dichtung,  nur  verräth  sich  hier  das 
fiqpäter  hinzugekommene  in  seinem  Unterschiede  von  dem  echten 
alten  in  nocn  stärkeren  bedeutungsvolleren  Zügen.  Was  die  Ge- 
stalt der  Kalypso  in  der  Geschichte  des  Vielgeprüften  zu  be- 
deuten habe,  spricht  deutlich  aus  den  Begebenheiten  und  wer 
die  Sprache  nicht  vernimmt,  dem  deutet  es  der  Dichter  selbst 
an:  Odysseus  gelaugt  schiffbrüchig  an  die  Insel  der  einsamen, 
von  Menschen  und  Göttern  gleich  gemiedenen  Göttin;  sie  die 
stolze  wird  dem  armen,  hilflosen,  von  allerlei  Unglück  heim- 
gesuchten Lebensretterin  €  130  ff.  und  will  ihm  noch  mehr  sein : 
was  nur  eine  Gottheit  dem  sterblichen  zu  geben  vermag,  Un- 
sterblichkeit und  ewige  Jugend,  das  soll  ihm  werden  um  den 
einen  Preis,  dass  er  Weib  und  Kind  vergesse  und  sich  bei  ihr 
zu  bleiben  entschliefse,  auf  der  Insel,  die  durch  liebliche  An- 
muth  selbst  einen  Gott  bezaubert  «  73 ;  er  aber  sitzt  am  Strande 
unempfänglich  gegen  die  grofsen  Verheifsungen  und  sehnt  sich 
nach  dem  steinigen  Ithaka.  Zeus  muss  seinen  unabänderlichen 
Beschluss  ihr  zu  Wissen  thun ,  bevor  sie  Odysseus  zu  entlassen 
geneigt  wird.  Mit  stolzem  Bewusstsein  kann  er  bei  den  Phäaken 
an  die  hier  bewiesene  Selbstbeherrschung  und  Ausdauer  erin- 
nern I  29: 


Wie  unebenbürtig  erscheint  aber  in  dieser  Gesellschaft  Kirke 
und  wie  wenig  reclitschaften  ist  es  von  Odysseus,  wenn  er  ein- 
fliefsen  lässt: 

äs  avTtog  KiQxr/  xccrtQi^Tvfv  iv  /ntyaQuiGtv 
j4ia{fj  ^oXoiaaa,  XikatoiA^vr]  noan'  ilvai. 

Allerdings  weilt  auch  Odysseus  bei  dieser  Göttin  geraume  Zeit, 
doch  was  fesselt  ihn  an  sie?  Nicht  ist  sie  seine  Retterin,  wo- 
durch sie  des  edlen  Dankbarkeit  sich  hätte  erwerben  können, 
sondern  eine  ihm  feindliche  Gottheit,  die  seine  Genossen  zu  ver- 
derben gestrebt  und  gegen  deren  furchtbare  Gewalt  ihn  nur  die 
Götter  gewaffnet;  und  dennoch  bleibt  er.  Aber  nicht  am  Strande 
des  Meeres  sehen  wir  ihn,  in  Sehnsucht  sich  grämend,  sondern 
in  den  Armen  der  Göttin.  Ja  er  ist  ein  so  ganz  anderer,  dass 
seine  eigenen  Genossen  über  das  Säumen  und  Zögern  unwillig 
ihn  zum  Aufbruch  mahnen  müssen.  Und  wie  nimmt  seine  Er- 
klärung Kirke  auf? 

firixiTi'  rvr  u^xotia  iutit  M  fiffivm  ofxio. 

Das  sind  die  Worte,  mit  denen  ihm  die  gefühllose  den  Ab- 
schied gibt.  Schlagender  als  alle  Widersprüche,  die  man  in  Ein- 


BSC         Ueber  die  Entstehoiig  der  Odyssee,  v.  Dr.  W.  HarM. 

zelheiten  der  Erzählung  gegen  die  einheitliche  Conception  der 
Dichtung  aufgedeckt  hat,  ist  diese  Gharakterverschiedenheit  des 
Odysseus  in  den  beiden  Erzählungen.  Die  Phantasie  des  Dich- 
ters von  £,  der  mit  so  lebenswarmen  Farben  das  Bild4des  Man- 
nes entworfen,  in  jeden  Zug  eine  so  wahre  Bedeutung  zu  legen 
verstand,  kann  nicht  die  verblasste  und  verwasdiene  Copie  der 
Kirkesage  geschaffen,  sich  selbst  so  unglücklich  wiederholt  haben. 
Der  Dichter  dieses  Theiles  muss  demnach  ein  anderer  sein  als 
der  des  fontlen  Buches,  d.  i.  des  älteren  echteu^Bestandtheiles 
der  Odyssee; 

Eine  gewisse  Beziehung  jedoch  zwischen  beiden  lässt  sich 
nicht  verkennen.  Wer  die  Begegnung  Odysseus'  mit  der  Zau- 
berin Eirke  besang,  der  kannte  die  Erzählung  von  Odysseus* 
Aufenthalt  bei  Kalypso,  wie  aus  der  unverkennbaren  Aehnlich- 
keit  zwischen  beiden  hervorgeht.  Der  früheren  Dichtung  entnahm 
er  zum  Theil  den  StoiF'*);  indem  er  den  Geist  nicht  er&sste, 
verräth  er  sein  rein  äusserliches  Verhältnis  zum  Muster.  Die 
Gestalt  der  Kirke  selbst  gehörte  ursprünglich,  wie  Kirchhoff 
(Vorm.  XI.  und  Monatsber.  der  Berl.  Akademie  1861,  S.  563  ff.) 
bemerkt,  einem  ganz  anderen  Sagenkreise  an.  Sie  ist  die  wenig 
veränderte  Medea  der  Argonauteiisage.  Sie  heifst  Aeetes  Schwester 
und  stammt  mit  dieser  von  Helios  und  der  Okeanide  Perse. 
Auch  die  in  Buch  (.i  erzählten  Abenteuer  mit  den  Sirenen,  den 
Flankten,  der  Scylla  und  Charybdis  und  die  Vorfälle  auf  Thri- 
nakia,  welche  ein  wohl  zusammenschliefseudes,  widerspruchloses 
Ganze  bilden,  weisen  auf  jenen  fremden  Sagenkreis,  aus  dem 
sie  in  die  Nostendichtung  augenscheinlich  übertragen  sind.  Diese 
Entlehnung  ist  auch  nicht  im  mindesten  verdeckt,  wenn  es 
1.1  69  ff.  bei  Erwähnung  der  Flankten  heifst: 

oHi]  rfi}  xiivrji  y€  7i(cot'/ikü}  TToPTonoQO^  vifvg 
l4Qy(a  Tiaai  fidovaa")  tucq'  AirJTito  nUovau. 
xa(  vv  xt  TTp'  b'S^*  (oxn  ßctkfi'  uiyakui  norl  nix^uQ 
du,' '^JlQrj  7Uc()^7i€fHpiVy  fnt)  (fiXog  ^tv  7ija(or, 

Wie  sich  Kirke  zu  Kalypso,  so  verhalten  sich  die  riesigen, 
menschenfressenden  Laestrygonen  zu  den  Kyklopen.  In  dem 
Flaue  des  Dicliters,  welchem  die  Kyklopie  gehört,  fanden  die 
Laestrygonen  keine  passende  Stelle  mehr.  Zudem  bietet  auch 
diese  Partie  dieselben  Anklänge  an  die  Argonautensage.  So  be- 
merkt Kirchhoff  a.  a.  0.:  ^Was  dem  Odysseus  und  seinen  Ge- 
fährten bei  den  Laestrygonen  passirt,  hat  eine  merkwürdige 
Aehnlichkeit  mit  den  Erlebnissen  der  Argonauten  bei  Kyzikus 
und  ihren  Kämpfen  mit  den   Riesen  und  Dolionen,   und  die 


*)  Auch  ein  Motiv  der  Lotophagie  fand  seine  Verwerthung:  x  235 
mischt  Kirke  (fnQuuxu  in  die  Speise  J'r«  nuy/v  lad^ofuro  TruTQtäog 
((Yrji,  vgl.  i  94  flf. 

^)  Vgl.  Bäumlein  „Die  Factoren  des  gegenwärtigen  Bestandes  der  Ho- 
mer. Gedicht«."  Jahn.  Jahrb.  Bd.  81.  S.  532-543.  Henning's.  81. 
S,  803.  Groto.  Gesch.  Griech.  I.  S.  195. 


üeber  die  EntstehuDg  der  Odyssee,  v.  Dr.  W,  Härtet  SSS 

Aehnlichkeit  ist  keine  zufällige,  denn  die  Ereignisse  sind  in  bei- 
den Dichtungen  an  dasselbe  Local,  die  Quelle  Artakia,  ge- 
knüpft^ Es  ist  demnach'  kein  Zweifel,  dass  auch  die  Laßstary- 
gonie  jener  Bearbeitung  angehöre,  welche  das  Eirke-  und  Helios- 
abenteuer und  was  nut  diesen  unzertrennlich  zusammenhängt, 
li  39—261  umfesste. 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  diesen  in  sich  wohl  zusammen- 
hängenden Complex  von  Erzählungen,  so  erkennen  wir  in  ihr 
eine  Odyssee  in  der  Odyssee,  eine  jüngere  Dichtung,  in  der  sich 
der  Oang  und  die  Motive  der  älteren  Dichtung  unverkennbar 
widerspiegeln.  Wie  das  Heliosabenteuer  beweist,  durch  welches 
hier  die  weiteren  Schicksale  des  Helden  in  dem  2ome  des  He- 
lios ihre  Begründung  finden,  wie  durch  den  Groll  des  Poseidon 
in  der  Kyklopie,  hatte  auch  sie  eine  Fortsetzung,  die  dem  Gange 
&r  uns  vorliegenden  Odyssee  ähnlich  war.  Welches  aber  im 
einzelnen  ihr  Verlauf  gewesen,  das  zu  entscheiden  liegt  aufser 
der  Macht  der  an  verständigen  Argumenten  haltenden  Kritik, 
80  bereitwillig  sich  die  Phantasie  dieser  Frage  bemächtigen 
möchte.  Ebensowenig  lässt  sich  mit  Sicherheit  bestimmen,  wo- 
hin das  Mährchen  von  Aeolus  zu  setzen  sei,  so  unerschütterlich 
das  n^ative  Besultat  der  Untersuchung  feststeht,  dass  es  der 
Uteren  Dichtung  ferne  steht;  denn  die  Idee  und  Grundlage 
dieser,  der  Zorn  des  Poseidon,  tritt  innerhalb  desselben  selbst 
da  nicht  zu  Tage,  wo  der  Dichter,  im  Falle  er  ihm  klar  bewusst 
war,  eine  Andeutung  nicht  vermeiden  konnte  noch  durfte.  Man 
betrachte  nur  die  Situation,  da  Odysseus  durch  den  Windschlauch 
80  nahe  an  die  Küste  des  Heimatlandes  gelangt  x  29  ff.,  ohne 
dass  Poseidon  eine  Hand  rührt  und  erinnere  sich  an  des  Gottes 
stürmende  Wuth  b  282  ff.,  da  Odysseus  dem  Phaeakenlande 
nahe  kommt,  wo  er  das  Ende  seiner  Mühen  finden  soll.  Man 
bemerke,  dacs  Aeolus,  wo  es  so  nahe  lag,  nicht  mit  einem  Worte 
der  Feindschaft  Poseidon's  gedenkt,  indem  er  x  64  sagt:  xig 
%oi  TLomog  exQcce  daifiov  und  in  Odysseus  nur  einen  gottver- 
hassten  sieht  V.  73  ff. ;  wie  Odysseus,  den  doch  die  Furcht  vor 
der  eben  beleidigten  Gottheit  lebhaft  erfallen  musste,  in  natür- 
lichen Ursachen  die  Quelle  seines  Unglücks  findet  4G8: 

aetaav  fi*  kraQol  n  xaxoi,  n{i6g  roiaC  te  vnvog 

(vgL  X  27).  Indessen  durch  eine  Combination  mehrerer  Indicien 
läät  sich  die  Vermuthung,  dass  dieses  Abenteuer  mit  der  Er- 
zählung von  der  Kirke  verbunden  war,  zu  jenem  Grade  von 
Wahrscheinlichkeit  erheben,  der  überhaupt  in  solchen  Fragen 
zu  erreichen  ist.  Aus  den  Versen  &  443  ff.,  von  denen  etwas 
später  die  Rede  sein  wird,  ergibt  sich,  dass  Arete  die  Erzählung 
von  Aeolus  kannte.  Diese  konnte  sie  aber  doch  nicht  für  sich, 
sondern  nm*  in  der  Reihe  anderer  Erzählungen  Odysseus'  ver- 
nommen haben.  Nun  gehört  aber  dieser  Theil  von  0^  jener 
jüngeren  Dichtung  an,  welcher  wir  eben  die  besprochenen  in  x 

XfiUchrilt  f.  d.  öat«rr.  Oymn.  1865.  V.  U«ft  23 


8S4         üeber  die  Entstehung  der  Odyssee,  t.  Dr.  W.  HcurUL 

und  /<  enthaltenen  Apologe  zugewiesen  haben,  eine  Hypothese 
EirchhofTs,  auf  die  ich  noch  zurückkomme.  Es  war  demnaefa 
wol  X  1 — 76  mit  dem  Laestrygonen-,  Kirke-  und  Heliosaben- 
teuer  verbunden  und  hatte  unter  diesen  dieselbe  Stelle,  die  es 
jetzt  noch  behauptet,  vor  der  Laestrygonie. 

Wenn  wir  gestützt  auf  solche  üeberlegungen  die  Beiba 
der  Apologe  von  x — fi  aus  der  älteren  Dichtung  ausscheiden^ 
so  kann  uns  hierin  durchaus  nicht  der  umstand  beirren,  dast 
in  derselben  auf  die  ältere  Dichtung  öfter  Bezug  gen<»nmen  ist 
Denn  gelegentlich  der  Einfügung  liefs  es  der  Bearbeiter  an  aus* 
gleichenden  Zuthaten  sicherlich  nicht  fehlen  und  überall  lassen 
sich  diese  klecksartigen  Aufsätze  oft  nur  zum  Vortheile  der 
Dichtung  mit  Leichtigkeit  wegheben:  so  x  200,  x  435 — 437, 
/u  209-— 212.  An  einer  Stelle  tritt  aber  der  Zorn  Poseidon's  •) 
so  bedeutsam  hervor  und  die  Erwähnung  desselben  trägt  so 
wenig  die  Spuren  einer  blofs  äufserlichen  Hinzufögung,  dass  die 
Annäme  nicht  abzuweisen  scheint,  dass  wir  es  hier  mit  einem 
Beste  der  älteren  zu  thun  haben ;  ich  meine  die  Bede  des  Teire- 
sias  in  der  Nekyia  l  100  ff.  Allerdings  wird  auch  104 — 120 
des  Heliosfrevels  und  zwar  recht  ausführlich  gedacht  Allein  da 
bei  der  offenbar  hier  beabsichtigten  Verklitterung  beider  Motive 
das  eine  nur  ursprünglich  sein  kann,  werden  wir  dasjenige, 
welches  uns  in  einem  aus  allerhand  Stücken  zusammengeflickten 
Gewände  erscheint,  als  das  von  aufsen  hinzugebrachte  beträch* 
ten  müssen;  nichts  als  ein  Cento  aber  sind  die  Verse  104^120. 
Ich  kann  demnach  Kirchhoff  nur  beistimmen,  wenn  er  seine 
ursprüngliche  Ansicht,  wonach  er  die  Scene  im  Hades  „mit  völli- 
ger Zuversicht  als  gänzlich  freie  und  willkürliche  DichtuQg  des 
Bearbeiters,  zu  der  er  die  Veranlassung  und  das  wesentlichste 
Motiv  aus  einer  beiläufigen  Andeutung  der  älteren  Bedaction 
der  Odyssee  entnahm",  bezeichnete,  neuerdings  (Phil.  XV, 
p.  116  ff.)  aufgab  und  die  echten  Bestandtheile  derselben  für 
einen  Best  des  alten  Nostos  hält.  Doch  fehlt  es  nach  meinem 
Dafürhalten  bei  der  Art,  wie  die  ursprüngliche  Erzählung  zu- 
sammengestrichen und  erweitert  wurde,  um  in  diesen  Zusam- 
menhang zu  passen  und  zur  vorliegenden  Nekyia  zu  werden, 
an  jedem  Anhaltspuncte,  die  Stelle  und  den  Zusammenhang  zu 
bestimmen,  wo  und  in  welcher  die  alte  Odyssee  Odysseus'  HöUen- 
fahi-t  erzählte.  Keineswegs  aber  lässt  sich  verkennen,  wie  die 
hier  in  die  Zukunft  gelegte  Versöhnung  des  zürnenden  Gottes, 
dadurch  dass  Odysseus  den  Cult  Poseidon's  verbreiten  wird,  in 
die  Dichtung  passe,  wie  dieser  Friedensblick  in  die  Zukunft  zu 
dem  Tone  des  Epos  stimme.  Ohne  sie  bliebe  eine  Dissonanz, 
die  um  so  fühlbarer  wäre,  wenn  der  alte  Nostos,  wie  Eirchhoff 
annimmt,  mit  einer  Bachethat  des  Poseidon  schlofs  v  125—184. 


«)  Das  Geg^nthcil  behauptet  K<)chly,  de  Odysseae  carminibns  disseri 
1.  p.  10. 


üeber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  W.  Hartel.         885 

Ohne  indessen  auf  diese  Frage  hier  einzugehen,  kann  ich 
Aber  diese  Episode  eine  Bemerkung  nicht  unterdrücken,  indem 
Meister  (PhiL  VIII  3—5)  nicht  ohne  Grund  einige  anfällige 
Widersprüche  innerhalb  derselben  dargel^  hat.  Ihr  Inhalt  ist 
nnsefiUir  folgender:  Poseidon,  gegen  dessen  Willen  Odysseus 
mit  Sdifttzen  beladen  die  Küste  seiner  Heimat  erreichte,  zürnt 
den  Phseaken,  die  ihn  dahin  geleiteten.  Zeus,  vor  dem  er  über 
die  Nichtachtung  seines  Willens  sich  beklagt,  erklärt  ihm  mit 
den  Worten  v  145: 

Hq^ov  Sntos  ^S^^s  xai  toi  q)(Xov  tnXtto  O-v/n^ 

freie  Hand  zu  lassen  (vgl.  n  67,  w  481,  J  37,  X  185)  in  der 
Bestrafimg  derer,  die  ihn  beleidigt.  So  will  jener  denn  das 
Fhseakenschiff  auf  der  Heimfahrt  zertrümmern  und  einen  grofsen 
Ben?  vor  ihre  Stadt  legen.  Zeus  aber  räth  ihm,  das  Schiff  nur 
in  Stein  zu  verwandeln,  der  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Schiffe 
bewahre  und  einen  Berg  vor  die  Stadt  zu  legen. 

ta  ninoVf  äs  fjilv  l/u^  ^fi^  6oxt7  ilvat,  aQiora 
dTTTtoTi  xev  Srj  nnvreg  ilawoin^vfjv  n^otStovrai 
hioi  ano  Ttroliogy  &€Tvai  U&ov  lyyvd-i  yaitjg 
yrit  ^5  liulov,  Iva  ^av/idC(oaiv  unartig 
äv^Qtanoi,  fiäya  ^i  atfiv  OQog  noXei  tt/i(fixaXvi}fai. 

Posddon  geht,  verwandelt  das  Schiff  in  einen  Stein  und  entfernt 
sich  wieder,  ohne  die  Drohung  mit  dem  Berge  ausgefölirt  zu 
haben.  Da  die  Phseaken  am  Ufer  die  Verwandlung  sahen,  er- 
innert sich  ihr  König  einer  alten  Weissagung  seines  Vaters, 
dass  Poseidon  einst,  weil  sie  alle  Menschen  in  die  Heimat 
führten,  ein  Schiff  zerschmettern  und  einen  Berg  ihnen  vor  die 
Stadt  legen  werde.  Damit  letzteres  nicht  eintrete,  bringen  sie 
dem  Gotte  Opfer. 

Das  auflEälligste  ist  wol  in  dieser  Erzählung,  dass  Po- 
seidon sich  entfernt,  ohne  den  zweiten  Theil  seiner  Drohung  zu 
erfollen  und  wenig  befriedigt  Ameis'  Erklärung  (s.  Anhang  zu 
y  164):  'Von  der  angedrohten  Strafe  ist  der  zweite  Theil  (152 
158),  den  Poseidon  nicht  gleichzeitig  mit  dem  ersten  auszu- 
führen brauchte,  hier  unterblieben,  um  das  Sühnopfer  episch 
zu  motivieren,'  die  selbst  O.  W.  Nitzsch  (Beiträge  S.  415  Anm.) 
'unstatthaft  und  gar  nicht  homerisch'  nennt.  Dsäurch  sollte  woi 
nur  Meister's  Frage,  warum  die  Phaeaken  noch  opfern,  nach- 
dem Poseidon  sich  doch  schon  entfernte,  beantwortet  werden. 
Doch  dieser  fragt  weiter:  warum  fehlt  die  bei  Opfern  übliche 
Angabe,  ob  der  Gott  die  Bitte  erhört  V  warum  theilt  überhaupt 
Poseidon  nach  erhaltener  Vollmacht  seinen  Plan  dem  Zeus  mit? 
was  bedeutet  die  kleinliche  Correctur,  die  Zeus  an  diesem  Plane 
vornimmt? 

Die  Lösung  liegt  nahe:  Zunächst  besagen  die  Worte  154 
0^  fiiy  ifiifi  xh}fif^  öonei  elvai  aqiata^  dass  Zeus  die  Absicht 
des  Poseidon  zu  amendieren  sich  veranlasst  fühlte  und  der  wei- 
tere Verlauf,  dass  Poseidon  sich  dem  höheren  Befehle  gefügig 

23* 


S86  lieber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  W,  HarteL 

zeigte.  Wenn  dieser  nun  unterlägst,  einen  Berg  vor  die  Stadt 
zu  legen,  so  ist  die  Folgerung  zwingend,  dass  Zeus  die  Aiu- 
führung  dieser  herben  Absicht  nicht  billigte,  oder  der  Vers  158 
ist  aus  dem  Texte  ab  eine  Widerholung  des  V.  152  zu  streichelt 
Zeus  mildert  beide  Theile  der  Drohung  Poseidon's:  aus  derZer- 
trünunerung  des  Schiffes  wird  die  Verwandlung  desselben  in 
Stein  und  das  schiffahnliche  Steingebilde  soll  Poseidon  genügen 
für  den  gi'ofsen  Berg,  womit  er  den  Hafen  sperren  wollte.  Die- 
ser Gedanke  lässt  die  von  Aristophanes  von  Byzanz  vorgeschla- 
gene Conjectur  158  statt  itiiya  itirj  zu  lesen,  wofür  sich  Nitzsch 
(a.  a.  0.)  entscheidet,  als  minder  zweckmäfsig  erscheinen. 

Eine  weitere  Frage  ist  nun,  ob  die  bedeutende  Erweite- 
rung der  Apologe  nicht  andere  Störungen  im  Organismus  des 
GecBchtes  nach  sich  gezogen  habe.  Dem  ist  allerdings  so  und 
die  Störungen  sind  derartige,  dass  sie  sich  schlechterdings  nur 
leicht  und  ungezwungen  erklären  lassen,  wenn  wir  nicht  ein- 
zelne Lieder,  sondern  ein  umfangreiches  Ganze,  eine  Odyssee 
voraussetzen.  Die  Erweiterungen  sprengten  den  Zusammenhang, 
ohne  jedoch  alle  Spuren  der  Zusanmiengehörigkeit  zu  verwischen. 

Zunächst  wird  kein  vonirtheilsfreier  Forscher  mehr  be- 
haupten wollen,  dass  die  Apologe  an  der  Stelle  ursprünglich 
eingereiht  waren,  wo  wir  sie  jetzt  finden ;  denn  dies  setzte  eine 
Dauer  des  Aufenthaltes  bei  den  Phaeaken  voraus,  die  in  unver- 
kennbarem Widerspruche  mit  anderweitigen  Voraussetzun^n 
des  Gedichtes  steht.  Ich  lasse  den  conservativen  Fäsi  für  mich 
sprechen,  der  (Einl.  p.  XXXVIII)  mit  löblicher  Offenheit  erklärt: 

„Der  Aufenthalt  des  Odysseus  bei  den  Phseaken  dauert 
einen  ganzen  Tag  länger,  als  zuerst  iy  317  angekündigt  war 
und  als  auch  die  von  Alkinoos  ^  34—39  sogleich  angeordneten 
und  48—56  vollzogenen  Vorbereitungen  versprachen.  Freilich 
stellt  Alkinoos  nachher  X  351  während  des  Apologes  das  An- 
suchen an  Odj^sseus,  dass  er  noch  einen  Tag  länger  bleibe  und 
wol  eben  darum  werden  ihm  auch  die  Geschenke  verwehrt; 
aber  jener  Wunsch  kommt  eigentlich  unnütz  hinten  nach,  da 
Odysseus  ohnehin  schon  tief  in  seiner  Erzähhmg  und  doch  lange 
nicht  zu  Ende  ist,  so  dass  es  kaum  überhaupt  noch  möglidi 
wäre,  den  zuerst  angenommenen  Termin  der  Abreise  festzahal- 
ten.  Auch  hat  sich  Odysseus  schon  X  331  fg.  durch  tj — i^'  avvov 
gleichsam  proprio  motu  dafür  erklärt,  die  Nacht  hier  zuzubrin- 
gen. Das  Einpacken  der  Geschenke  ^  424—448  deutet  auf  eine 
nahe  bevorstehende  Abfahrt  und  die  wechselseitige  Begrüfsnng 
der  Nausikaa  und  des  Odysseus  ^  457 — 468  wäre  als  Abschieds- 
scene  gedacht  höchst  anmuthig  und  bedeutungsvoll,  jetzt  nimmt 
sie  sich  etwas  sonderbar  aus,  zumal  da  nach  der  gegenwärtigen 
Gestaltung  des  Verfolges  bei  der  wirklichen  Abreise  Nausikaa 
gar  nicht  mehr  zum  Vorschein  kommt,  obgleich  der  ganze  Tag 
vor  der  Abfahrt  nach  dem  oben  Bemerkten  leer  an  Ereignissen 
und  für  Odysseus  sogar  langweilig  ist  V.  18—25/ 


ücber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  TT.  Hortet.  887 

Wenn  nnn  so  ein  ganzer  Tag  hinzukam,  kann  auch  das 
als  Inhalt  dieses  Tages  in  der  Erzählung  gegebene  nicht  dem 
Dichter  der  alt^n  Odyssee  angehören.  Die  Widersprüche  und 
Eigenthumlichkeiten  desselben  sind  allseitig  anerkannt  und  lassen 
es  ausser  Zweifel,  dass  hier  ursprünglich  fremde  Bestandtheile 
in  einander  gearbeitet  wurden ').  Nachlässig  oder  schonend,  wie 
der  Ueberarbeiter  und  Ordner  mit  den  einzelnen  überkommenen 
Bestandtheilen  umgieng,  liefs  er  aber  Stellen  unberührt,  die  un- 
verkennbar auf  eine  ganz  andere  Anordnung  der  Theile  hin- 
weisen. Köchly  hat  zuerst  (de  Odysseae  carminibus  diss.  III, 
p.  31)  auf  einen  dieser  Puncte  aufmerksam  gemacht. 

*  443-445  fordert  Arete  den  Odysseus  auf: 

avTog  vvv  fcff  ndua^  d^ooig  ^*  inl  Siauov  tijXov, 
fiTi  Tig  TOI  xa^^  odov  ^rilriafTai,  oirnor*  uv  avre 
ivSrjfl&a  ylvxi'V  vnvov  Itav  iv  rrjl  f^fktuviß. 

Wie  quält  sich  Ameis  mit  dem  avze  (über  dessen  Bedeutung 
Tergl.  Nägelsbach  IL  I  202).  ^avre  —  so  bemerkt  er  —  wieder, 
wieder  einmal.  Indem  Arete  auf  den  wieder  zu  erwartenden 
sülBen  Sdilaf  hinweist,  wird  ungesucht  das  prophetisch  ausge- 
sprochen, was  dem  Odysseus  bei  der  Heimfahrt  begegnet." 
Wozu  bedarf  es  da  einer  Prophetie,   wenn  Arete  des  Schlafes 

Sedenkt,  in  den  Odysseus  wieder  fallen  wird:  so  wenig  als  wenn 
lUdnoos  sagt  tj  317  ff.: 

no/inriv  lg  tocF'  iy(o  TiXfjLa(Qo^ai,  6(fQ*  iv  «/Jjjif 
avQiov  eg'TTJjLtog  o^  av  filv  SsSfirifjiivog  vnvt^ 
X^^eaif  ol  (T*  ilotoai  yaXi^vrjv  xtX. 

Und  nicht  auf  den  Schlaf  kommt  es  an,  als  darauf,  dass  nicht 
wieder  der  Schlaf  während  der  Fahrt  Odysseus  Schaden  bringe. 
Wer  so  spricht,  muss  wissen,  dass  der  Schlaf  während  der  Fahrt 
Odysseus  schon  einmal  Schaden  gebracht  habe;  Arete  muss 
also,  indem  sie  darauf  scherzend  anspielt,  schon  wissen,  was 
erst  X  28  ff.  von  Aeolus  Geleite  erzählt  wird  oder  die  Apologe 
wurden  an  einer  Stelle  vor  ^  443  erzählt. 

Unter  diesem  Gesichtspuncte  wird  auch  die  gleichfolgende, 
f&r  eine  vorgreifende  Ankündigimg  zu  knappe  Erwähnung  der 
Kirke  d-  448  genügen,  wo  zu  den  Worten:  ov  nore  (nämlich 
deafiov)  ftiv  öedae  (pgeat  7c6cna  KiQycrj  die  Schollen  bemerken: 
fdida^ev '  hrei  nQOTSQov  oi  Itolqoi  eXvaav  tov  aay,ov.  Hierin 
hegt  das  richtige  Verständnis  jener  Anspielung.  Es  wäre  dem- 
nach nicht  zu  billigen,  wenn  man  mit  H.  Anton  (a.  a.  0. 
S.  440 — 441)  442—448  streichen  wollte;  es  hiefse  dies  uns 
einer  sehr  bedeutungsvollen  Spur,  welche  auf  die  Genesis  des 
Gedichtes  untrüglich  hinfuhrt,  berauben. 

^  Heer,  Klotz  „Betrachtan.i^cn  über  die  Odysse."  1854.  S.  28  ff.  und 
S.  79.  Au^st  Jacob  „üeber  die  Entstehung  der  Ilias  und  Odyssee.** 
1856.  S.  §98  ff.  Nitzsch  Anm.  in  der  Einleitung  zu  dem  8.  Gesang, 
femer  „Sagenpoesie**  1852.  S.  147,  „Bemerkungen  zum  8.  Buche 
der  Odyssee,**  von  H.  Anton.  Rhein.  Mus.  XIX.  S.  228  -  242  und 
410-441. 


8S8         Ueber  die  Entsteliiing  der  Odyssee,  t.  Dr.  W.  Hartd. 

Noch  eine  andere  Auffälligkeit  erledigt  sich  unter  dieser 
Voraussetzung.  ^  219  ff.  erzählt  Odysseus  von  seiner  Vergan- 
genheit in  einer  Weise 

olog  (fif  u€  4uXoxTnTtig  anixatvvxo  ro^ 

die  zu  der  bis  dahin  bewahrten  Fiction,  dass  er  unerkannt  unter 
den  Phaeaken  weile,  schlechterdings  nicht  stimmt,  ja  sie  zer- 
stört. Denken  wir  uns  die  Selbsterzählung  vorausg^angen^  so 
ist  diese  Anspielung  ganz  an  ihrem  Platze.  Auch  Mer  haben  die 
Bedenken  die  H.  Anton  (a.  a.  0.  S.  438—439)  gegen  212—233 
vorbringt,  wenig  zu  bedeuten. 

Endlich  ist  die  Art  und  Weise,  wie  in  der  gegenwärtigen 
Gestalt  des  Gedichtes  die  Selbsterzählung  des  Odysseus  in  zwei 
Theile  und  auf  zwei  Stellen  vertheilt  ist,  in  hohem  Grade  un- 
künsüerisch  und  der  jedesmaligen  Situation  widersprechend. 
Tj  240  ff.  erzählt  er,  was  der  an  ihn  gestellten  Fra^  237  ff.: 
Tig  n6&€v  eTg  avÖQwv  xtL  nur  zum  Theil  entspndit®)  und 
ju  451  ff.  bricht  er  die  Erzählung  mit  einer  Verweisung  auf 

S244  ff.  ab,  ohne  zu  berücksichtigen,  dass  er  in  einem  weiteren 
örerkreise  erzähle,  der  doch  gewiss  seine  Geschichte  lü<^enlo8 
erhalten  wollte  und  musste. 

Wenn  demnach  das  negative  Besultat  unerschütterlich  fest- 
steht, dass  die  Apologe  an  die  Stelle,  wo  wir  sie  jetzt  finden, 
erst  durch  einen  Ueberarbeitungsprocess  gerückt  worden  sind, 
so  lässt  sich  die  Frage,  wo  sie  m  der  Composition  der  echten 
Odyssee  ihren  Ort  hatten,  nicht  mit  solcher  Sicherheit  ins  reine 
bringen.  Eirchhoff  nimmt  an,  dass  die  Erzählung  jenen  engeren 
Kreis  von  Abenteuern  umfassend,  die  wir  oben  als  der  alten 
Odyssee  zugehörig  nachwiesen,  in  v  eingefügt  waren  und  zwar 
zwischen  242  bis  251.  In  seiner  Odyssee  S.  27  bezeichnet  er 
zwischen  diesen  Versen  eine  Lücke  und  fugt  in  der  Anmerkuiu[ 
bei:  „In  der  durch  die  spätere  Bearbeitung  veranlassten  und 
nur  nothdürftig  und  ungeschickt  verklebten  Lücke  nannte  Odys- 
seus unzweifelhaft  seinen  Namen  und  erzählte  seine  Abenteuer 
bis  zu  dem  Sturme,  der  ihn  als  Schiffbrüchigen  nach  Ogygia 
brachte.  Wenn  ich  nicht  irre,  ist  diese  Erzäilung  zwar  versetet, 
aber  ziemlich  unversehrt  und  wenig  geändert  oder  erweitert  in 
demjenigen  Theile  der  durch  den  späteren  Bearbeiter  redigierten 
Apologe  enthalten,  welcher  die  Verse  i  16 — 564  um&sst  Nur 
die  Beschreibung  des  Sturmes  fehlt  vielleicht."  Eine  weitere 
Ausfuhrung  bietet  die  eben  genannte  Abhandlung  in  den  Monats- 
berichten. 

Gegen  diese  Annahme  erheben  sich  nicht  unwesentliche 
Bedenken.  Der  Theil  der  Antwort,   der  die  Frage  zunächst  be- 


•)  Vgl  Kirchhoff  üher  eine  Lücke  im  7.  Buche  der  Odyssee.  Monatsber. 
der  königl.  preofs.  Akad.  der  Wiss.  in  BerUn  1861.  S.  579. 


üeber  die  Entsteliimg  der  Odyssee,  v.  Dr.  TT.  HarUl         880 

röhrt  f}  251—297,  steht  nicht  ganz  in  Einklang  mit  der  vor- 
ausgehenden Erzählung  rj  289: 

dvatto  r'  f^iliog  xal  fH  ylvxvg  vnvog  ttvrlx€V 

steht  in  nnverkennbarem  Widersprach  mit  C,  da  es,  als  Odyssens 
erwachte  (vgl.  321  mit  117),  noch  Tag  war.  Der  Widerspruch 
entgieng  den  alten  Commentatoren  nicht;  einige  erklärten  das 
dvaero  für  elg  övaiv  hlLvero  (vgl.  Sehol.  z.  d.  St.).  Aristarch 
zog  dieser  unrichtigen  Erklärung  die  Conjectur  daileTo  vor*). 
D^selbe  wiederholt  sich,  wenn  man  tj  296: 

xal  Xova*  iv  7roTa/Li(p,  xaC  fiot  ra^e  (ffiar^  ^&(ox(v 

mit  t  210—216  vergleicht.  Diese  Differenzen  zeigen,  dass  dem 
Dichter  dieser  Partie  die  Situation  aus  ^  nur  in  ihren  allge- 
meinen Umrissen  vorschwebte.  Dieselbe  Hand,  die  in  iy  296  der 
Nausikaä  etwas  beilegt,  was  sie  nicht  that,  scheint  sich  gleich 
wieder  tj  304  ff.  zu  verrathen,  indem  Odysseus  erzählt,  dass 
Nausikaa  ihn  folgen  hiefs,  er  aber  aus  freiem  Entschlüsse 
zurückblieb. 

Zwar  weifs  ich,  wie  wunderbar  schön  manche  diese  Lüge 
fenden  und  finden;  so  lautet  das  Schol.  z.  d.  St.:  ^Idiov  rrjv 
fviap.rpf  Tov  ßadiXfwg  f/rri  ro  cpihxv&QWTtOTBQOv  ^Qjtovaav,  af.i' 
(foreqa  TtqaTTBi.  t^v  fiev  ^ag  TtQOvoiav  Trjg  Ttagd'ivov  i^idio- 
noidraiy  Trjv  de  q>ihxvd'Qa)mav  exc/vi/g  ovy.  aifaiqeiTai  und  ähn- 
liches bringt  Ameis  vor.  Doch  wozu  bedarf  es  der  Lüge,  wenn 
das  wahre  Verhalten  der  klugen  Jungfrau  nur  löblich  war  und 
dem  Vater  gewiss  gefallen  musste  ?  Sollten  hier  nicht  vielmehr 
die  Beweggrund«  den  Besitzer  gewechselt  haben  ?  das  was  Nau- 
sikaa bedachte  unter  der  Hand  des  Bearbeiters  zu  Erwägungen 
des  Odysseus  geworden  sein?  Es  ergibt  sich  aber  aus  dieser 
Anordnung  des  Stoffes,  wie  sie  Kirchhoff  vermuthete,  sofort  eine 
weitere  XJnangemessenheit:  der  folgende  Tag,  an  dessen  Abend 
die  Abfahrt  vor  sich  geht  (bei  Kirchhoff  y  18  ff),  hat  nahezu 
keinen  Inhalt.  Wie  Köchly  in  seiner  II.  diss.  p.  15  treffend 
bemerkt:  „post  accuratam  illam  de  priore  die  narrationem  .  . . 
quae  haec  est  quaeso,  paupercula  brevitas,  qua  alterius  diei 
facta  usque  ad  solis  occasum  undecim  versibus  comprehenduntur 
v.  18 — 28,  quibus  ieiunius  nihil  aut  cogitari  aut  fingi  potest, 
sive  Phaeacum  festinationem  spectas  et  domum  et  ad  naves  et 
ad  Alcinoi  dapes  ruentium  singulis  versibus  17,  19  et  23  com- 
prehensam  sive  Alcinoum  gravissimo  coUocandorum  tripodum 
n^otio  per  tres  versus  20—22  tam  studiose  intentum  sive  sacra 
cum  dapibus  suis  atque  delectatione  tribus  versibus  24 — 26 
addito  TeQTiofuvoi  absoluta,  quorum  versuum  medius  in  love 
rite  noncupando  consumitur,  sive  Deiuodocimi  populo  honoratum 
totum  per  diem  nescio  quid  uno  et  dimidio  versu  canentem 
27,  39.« 


•)  Vgl.  J.  La  Roche,  Ost.  Gymn.  Z.  1863,  S.  191  und  1859,  S.  220. 
Köchly  n.  diss.  p.  18. 


840  Ueber  die  Entstehung  der  Odyssee,  v.  Dr.  W,  Hartek 

Durch  solche  Ueberlegungen  bestimmt  suchte  Köchly  nadi 
einer  anderen  Stelle,  wo  sich  die  Erzählung  Odysseus'  schick- 
lich eingefugt  denken  liefse.  Es  gibt  kein  natürlicheres  und 
mehr  poetisches  Motiv,  Odysseus'  Selbsterzählung  einzuleiten, 
als  das  Lied  des  Demodokos.  Dass  der  edle  Dulder  bei  der  Er- 
innerung an  das,  was  er  im  Verein  mit  edlen  Helden  gethan 
und  gelitten,  in  Thränen  ausbricht,  ist  eben  so  wahr  gäacht, 
als  dass  Alkinoos,  der  allein  diese  Thränen  bemerkt,  von  un- 
gewisser Ahnung  ergriffen  nach  des  Gastes  Herkunft  fragt  Nun 
aber  findet  sich  dieses  Motiv  zweimal  ^  73  ff.  und  474  ff.  und 
nur  an  erster  Stelle  erweist  es  sich  als  Original,  an  zweiter  als 
Nachdichtung.  Dort  singt  Demodokos  aus  freiem  Antrieb  ein 
Lied  aus  dem  troischen  Sagenkreise,  in  welchem  Odysseus  die 
Hauptrolle  spielt  V.  75: 

veTxog  ^O^vaaiiog  xal  TlrjXttJeü)  l/f^dtjog. 

Hier  beschenkt  erst  Odysseus  den  Sänger  mit  einem  Stück  Fleisch 
und  dann  lässt  er  sich  'eines  aufepielen'  und  natürlich  ein  sol- 
ches, worin  auch  des  Odysseus  gedacht  sei  492: 

Xnnov  xoa^ov  unaor 
SovQttrioVf  Tov  *Enu6g  inofrjafv  ^vv  !/id-i^vn 
ov  not*  ig  l/fxQonoXi^v  d6X(^  tjyaye  ^Tog  ^Oovffasvg, 

damit  er  durch  seine  Thränen  Alkinoos'  Auge  auf  sich  lenke 
und  er  erzähle,  was  ihn  zu  erzählen  gelüstet.  Doch  mit  der 
Durchfahrung  dieses  Motives  verhält  es  sich  umgekehrt:  sie  ist 
an  erster  Stelle  ebenso  verworren  und  unwahr  (vgl.  V.  83 — 95) 
als  an  zweiter  einfach  und  natürlich.  Bichtig  urtheilt  darüber 
H.  Anton  (a.  a.  0.  S.  432—434).  Es  dürfte  demnach  nicht 
zweifelhaft  sein,  dass  die  Erzählung  an  erster  Stelle  ursprüng- 
lich stand  oder  dass  auf  V.  83  unmittelbar  522  folgte.  Eine 
ähnliche  Vermuthung  hegte  schon  Nitzsch^"),  indem  er  die  Frage 
aufwirft:  „Sollte  nicht  in  der  ursprünglichen  Gestalt  des  Ge- 
dichtes Odysseus  gleich  nach  dem  ersten  Gesänge  vom  Zwiste, 
den  er  mit  Achill  gehabt,  den  Demodokos  um  den  zweiten  ge- 
beten und  dieser  ihn  dann  in  die  Eührung  versetzt  haben,  die 
des  Alkinoos  Aufmerksamkeit  erregte?  Oder  geschah  dies  gleich 
nach  V.  82?"  Die  Widerkehr  derselben  Situation  gefiel  auch 
Nitzsch  nicht  (vgl.  Anm.  zu  ^  532):  hingegen  nahm  Welcker 
(Ep.  Cyclus  I,  p.  293  Anm.)  keinen  Anstoß,  indem  er  sagt: 
„Wenn  die  ersten  Thränen  schön  sind,  waren  die  anderen  noth- 
wendig"  und  G.  Herrmann  (de  iteratis  apud  Homerum  p.  6) 
hält  die  Widerholung  derselben  Verse  ^  93  ff.  und  532  ff,  für 
nothwendig  und  natürlich. 

Soweit  stimme  ich  mit  Köchly  überein.  Doch  kann  idi 
mich  nicht  seiner  Ansicht  anschliefsen,  wenn  er  dieselbe  Zer- 
theilung  der  Selbsterzählung,  wie  wir  sie  jetzt  in  dem  Gedichte 


"0  n^lan  und  Gang  der  Odyssee  nebst  muthma&l.  Nachweis,  der  gröAe- 
ren  Interpolationen",  Anm.  II.  S.  48. 


üeber  die  Entstehung  der  Odjrsaee,  t.  Dr.  W,  Haßrtel,         S41 

finden,  beibehält  nnd  der  gröfseren  zweiten  Hälfke  nnr  eine  an- 
dere Stelle  nach  ^  97  anweist  (vgl.  diss.  I,  p.  22  mit  27). 
So  wird  denn  ij  240  iF.  als  echt  von  ihm  beibehalten,  trotz- 
dem die  Antwort  des  Odysseus  anf  die  Frage  der  Arete  r^  238: 
Tiq  Tto&ev  eXg  avögciv  vermisst  wird  nnd  nm  die  Partie  mit  ^ 
einigermaCsen  in  Einklang  zn  bringen  298  diiXero  statt  dvaero 
gesdirieben,  was  um  so  auffälliger  ist,  als  Köchly  dies  (diss. 
n,  p.  18)  richtig  als  eine  Correctur  Aristarch's  bezeichnet. 

Ich  denke  mir  also  den  Gang  der  alten  Odyssee,  etwa  in 
der  Art,  dass  Odysseus  gemäfs  Nausikaa's  Weisung  —  ohne 
Geleit  der  Athene  —  sich  in  den  Palast  des  Alkinoos  verfugte, 
dort  gastlich  aufgenommen  und  bewirthet  zur  Buhe  gieng  und 
erst  am  folgenden  Tage,  nachdem  die  Vorkehrungen  zu  seiner 
Heimfahrt  getroffen  waren,  vor  den  im  Hause  des  Königs  ver- 
sammelten Phseaken  beim  Male  seine  Abenteuer  erzählte;  ver- 
zichte aber  darauf,  hie  und  da  Verse  herauszugreifen  und  durch 
ihre  Zusammenfögung  einen  lückenlosen  Zusammenhang  her- 
zustellen; denn  zu  einer  beruhigenden  Sicherheit  werden  solche 
Versuche,  mögen  sie  auch  noch  so  geistvoll  durchgeführt  wer- 
den, wie  dies  von  Erchhoff  und  Köchly  geschah,  doch  nicht 
Ähren,  Nirgends  bieten  sich  aber  so  grofse  Schwierigkeiten, 
die  zerrissenen  Theile  der  Erzählungen  zusammenzufinden,  als 
im  Bereiche  der  Bücher  i;  und  ^.  Es  scheint  nämlich  zweifel- 
los, dass  dem  Ordner  des  heutigen  Gedichtes  eine  doppelte 
Odyssee  vorlag  oder  zwei  Gedichte  ziemlich  ähnlichen  Inhaltes 
nna  ähnlicher  Anlage,  die  sich  deshalb  für  eine  Contaminierung 
besonders  eigneten.  Das  eine  ältere  tüchtigere,  dessen  Bestand- 
theile  wir  im  obigen  suchten,  bildete  die  Grundlage,  aus  dem 
anderen  wurde  herübergenommen,  was  immer  nur  taugte.  Dahin 
lässt  sich  mit  Bestimmtheit  zählen  der  oben  ausgeschiedene 
Theil  der  Apologe,  ein  grofser  Theil  von  &  und  Theile  in  rj 
wie  123—131. 

Vergleicht  man  diese  zwei  Dichtungen,  so  weit  eben  ihre 
stark  überarbeiteten  Reste  noch  Vergleichungspuncte  bieten,  so 
zeigen  sie  in  der  Hauptanlage  grofse  Aehnlichkeit,  in  den  min- 
der wichtigen  Puncten  differierende  Züge.  So  kam  ohne  Zweifel 
in  beiden  Dichtungen  Odysseus  zu  den  Phaeaken  und  erzählte 
daselbst  seine  Abenteuer.  In  der  älteren  Dichtung  war  es  Nau- 
sikaa,  die  den  Fremdling  zur  Stadt  führte  und  ihm  den  Weg 
in  den  väterlichen  Palast  angab;  in  der  jüngeren  übernahm 
Athene  in  fremder  Gestalt  selbst  das  Geleite  ^^).  Dort  gelangte 
Odysseus  nach  Sonnenuntergang  zur  Stadt  (t  321) :  hier  musste 
es  noch  Tag  sein,  wenn  er  all'  die  Herrlichkeiten  iy  303 — 331 
sehen  konnte,  wenn  nicht  etwa  dieses  Stück  an  einem  anderen 

")  Vgl.  ij  18—83,  worin  Kirchhoff  Verse  des  Bearbeiters  sieht,  vgl. 
PhiL  XV.  S.  7.  Anm.  5. 


Mt         Ueber  die  Entetehnng  der  Odyssee,  ▼.  Dr.  W,  HarUL 

Orte  verwendet  war.  Dort  lag  das  königliche  GmndstQck  an&er- 
halb  der  Stadt  ^  293  ff.: 

Toaaov  dno  ntohog  otraov  t€  yiymv^  ßo^aas, 

hier  in  nächster  Nähe  des  Palastes  (vgl.  tj  112—131).  Und 
vielleicht  noch  andere  Divergenzen  des  Inhaltes  stammen  ans 
dieser  doppelten  Quelle,  wie  etwa  das  17  30  ff.  über  den  un- 
gastlichen Sinn  des  Volkes,  das  3;  75  ff.  über  die  Gynaikoloratie 
der  Arete  gesagte,  verglichen  mit  der  weiteren  Erzählung  oder 
das  rj  190  ff.  über  die  Versammlung  des  folgenden  Tages  an- 
gedeutete zusammengehalten  mit  der  Ausführung^'). 

Der  Gedanke,  dass  alle  diese  umfangreichen  oder  kleine- 
ren Stücke,  die  sich  mit  dem  Inhalt  und  Gang  des  alten  Nostos 
nicht  vertragen,  auf  den  Bearbeiter  als  Autor  zurückzufuhren 
sind,  ist  durchaus  abzuweisen,  indem  schlechterdings  nichts 
sich  vorfindet,  was  ihn  zu  solcher  Interpolation  hätte  bestim- 
men können.  So  urtheilt  auch  Kirdihoff'^):  „Idi  vermuthe,  dass 
es  vom  Bearbeiter  zwar  eingeschoben,  aber  nicht  gedichtet  wor- 
den ist,  da  dazu  keine  denkbare  Veranlassung  vorlag,  sondern 
betrachte  es  als  ein  Bruchstück  eines  älteren  Liedes  von  den  Lr- 
fahrten  des  Odysseus,  welches  der  Bearbeiter  auch  sonst  benütst 
und  stark  interpoliert  weiter  unten  fast  vollständig  eingefügt 
(er  meint  löGb-^l  232,  l  353  —  u  446).  Den  Schluss  dessd- 
ben,  Odysseus*  Aufenthalt  bei  den  Fhasaken  und  Heimkehr  nach 
Ithaka  konnte  er  nicht  verwenden,  liefs  ihn  deshalb  fort  und 
benützte  nur  Einzelnes  zu  Zusätzen,  wie  unser  Bruchstück,  oder 
zu  Motiven  eigener  Ausführung  wie  in  1^  7 ,  tj  298  —  i  15," 
Obwol  die  Benützung  stellenweise  eine  wörtliche  zu  sein  sdieint, 
gab  doch  Eirchhoff  mit  gutem  Grunde  den  Versuch  auf,  die 
älteren  Bestandtheile  auszuscheiden.  Indessen  eine  Stelle  hätte 
er  aus  dieser  Partie  doch  ausnehmen  sollen  ^  457—468,  die 
Abschiedsscene  zwischen  Odysseus  und  Nausikaa.  „Molestissi- 
mum  et  plane  divinum  illum  Ithaci  bellatoris  atque  r^ae  vir- 
ginis  congressum,  qui  comparatus  cum  poetillae  interpolatorum- 
que  fontibus  illo  in  libro  obviis  quasi  purpurae  lacinia  splen- 
descit  sordidae  mendiculi  paenulae  adsutus,^  wie  Eöchly  (diss. 
II,  p.  19)  sie  treffend  charakterisiert.  Unpassender  konnte  diese 
Begegnung  nicht  eingefugt  werden  und  sie  scheint  ganz  im 
Geiste  und  Sinne  des  älteren  Nostos  gedichtet  zu  sein. 

Wien.  Wilhelm  Hartel. 


")  Vgl  darüber  Köchly  diss.  L  p.  30. 


Zweite  Abt h eilung. 


Literarische  Anzeigen. 

Cornelius  Tadtus,  erklärt  von  K  Nipper dey.  1.  Band.  Ab 
excessn  diyi  Augusti  I— VL  4.  Auflage.  1864.  2.  Band.  XI  -XVI. 
2.  Auflage.  1857.  Berlin,  Weidmann.  —  \%  Thlr. 

Das  vorliegende  Buch  ist  allen  philologischen  Lesern  der  Zeitschrift 
ans  eigenem  Gebrauche  hinlänglich  bekannt  und  in  seinem  hohen  Werthe 
allgemein  anerkannt;  es  würde  also  überflüssig  sein,  durch  eine  Anzeige 
Kunde  von  demselben  geben  zu  wollen.  Ref.  beabsichtigt  vielmehr  durch 
die  nachfolgenden  Erörterungen  auf  Anlass  insbesondere  der  neuesten  Auf- 
lage des  Nipperdey'schen  Tacitus  eine  Anzahl  von  Stellen  zu  behandeln, 
an  denen  er  von  der  Erklärung  oder  Texteskritik  des  verdienten  Heraus- 
geben glaubt  abweichen  zu  sollen  und  hiedurch  wo  möglich  an  seinem 
Theile  einen  Beitrag  zur  Erklärung  dieses  Schriftstellers  zu  geben.  Berück- 
sichtigt ist  dabei  durchweg  auch  die  neue  Ausgabe  Ritter 's:  P.  Comelii 
Taciti  opera  ex  uetustissimis  cödicibus  a  se  denuo  coUatis,  glossis  seclusis 
tiiendis  oorrectis  rec.  Fr.  Ritter  1864,  so  wie  für  zwei  Stellen  der  Historien 
die  Schulausgabe  von  Dr.  C.  Heraus.  I.  Band.  Leipzig,  Teubner,  1864. 

A 1,  8.  Condamawt  patres  corpiks  ad  rogum  umeris  senatorum  feren- 
dum.  Remisit  Cäsar  adroganti  moderatione;  populumque  edido 
manuit  ne,  tU  quondam  nimiis  studiis  funus  ditii  lulii  turhassent,  ita 
Ävffustum  in  fero  potius  quam  in  campo  Martis,  sede  destinata,  cremari 
ueÜent,  Nipperdey  versteht  remisU  mit  andern  von  der  Ablehnung  des 
Tiberius  'er  crliefs  es*  und  findet  die  adrogans  moderatio  darin,  dass  es 
von  dem  Kaiser  anmaräend  war,  durch  diese  Ablehnung,  die  scheinbar  eine 
Häi^igung  war,  zu  zeigen,  dass  er  die  für  Augustus  beabsichtigte  Ehre 
als  eine  dem  Principat  also  mittelbar  ihm  dargebrachte  Huldigung  ansehe. 
Er  nimmt  also  einen  Widerspruch  des  taciteischen  Berichtes  mit  Sueton 
Aug.  100  und  Cassius  Dio.  56,  34  u.  42  an,  die  das,  was  nur  beabsichtigt 
gewesen  sei,  als  wirklich  geschehen  berichtet  hätten.  Es  handelt  sich  hie- 
bei  erstens,  ob  remittere  in  der  Bedeutung  'gestatten'  sich  nachweisen  lässt 
und  zweitens,  um  die  Auffassung  der  adroga^^s  moderatio,  remittere  in 
dem  bezeichneten  Sinne  lässt  sich  zwar  nicht  durch  Caes.  b.  g.  7,  21,  7 
(ähnlich  b.  c.  2,  32,  14),  auch  nicht  durch  Suet.  Claud.  35  erweisen;  aber 


844    Gorndins  Tacitns,  erkl.  v.  K.  Nijoperdey,  ang.  t.  L.  Vielhaher. 

wol  durch  folgende  Stellen.  Den  Uebergang  von  der  Bedentang  'aufgeben ', 
'nachgeben'  zeigt  deutlich  Liv.  6,  36,  3.  Die  Tribunen  lassen  durch  ftnf 
Jahre  keine  curulischen  Wahlen  zu  c,  35,  10.  Die  von  den  Velitemen  be- 
drängten Tusculanen  verlangen  Hilfe,  remittentibus  tribunia  pUbi$ 
comitia  per  interregem  sunt  habita,  crecUique  trämni  müüum  L.  Fufim 
c.  q.  s.  Hier  ist  remitiere  -»  *den  Widerspruch  aufgeben,  nachgeben',  b. 
Weifsenborn.  Wenn  femer  Virg.  Ae.  11,  359  Cedat:  ius  proprium  regi 
patriaeque  re mittet  zurNoth  noch  als  'zurückgeben*  gefasst  werden  kann 
(Tgl.  auch  Suet.  Aug.  17) ,  so  ist  Ov.  Met.  11,  375  8ed  mora  damnosa  est, 
nee  res  dubitare  remittit  ganz  zweifellos.  Ebenso  die  von  Roth  ange- 
führte Stelle  Cic.  Rep.  1,  4,  7.  Wenn  nun  aber  remitiere  diese  Bedeutung 
haben  kann,  so  ist  gegenüber  der  bestimmten  Nachricht  des  Sueton  und 
Dio  zumal  in  einer  solchen  Sache  die  Appellation  an  den  'unbefangenen 
Leser'  ohne  Bedeutung.  Die  adrogans  moderatio  hat  mittelbar  schon  Wolf 
richtig  erklärt:  quod  nee  iraperabat  nee  prohibebat  (so  recht  nach  Tiberins 
Weise),  indem  eine  MäXisigung  darin  liegt,  dass  er  das  Begehren  der  Sena- 
toren nicht  auch  seinerseits  als  etwas  dem  Augustus  ab  Kaiser  gebüh- 
rendes mit  bestimmten  Worten  annahm,  nach  seiner  Art  sogar  höchst 
wahrscheinlich  sie  abmahnte,  um  ihnen  zum  Schluss  freie  Wahl  zu  lassen ; 
anmafsend  aber  war,  dort,  wo  die  Senatoren  ihren  Gefühlen  gegen  Au- 
gustus Ausdruck  geben  wollten,  überhaupt  nur  durchblicken  zu  lassen,  dan 
es  in  seiner  Macht  stehe,  dem  Verstorbenen  diese  Ehre  erweisen  zu  lassen 
oder  nicht  Vgl.  auch  die  Bemerkung  Orelli-Baiters. 

A.  1,  10  abducta  Neroni  uxor  ei  cmxsvMi  per  ludibrium  pontificei 
an  concepto  necdum  edito pariu  rüe  nubereique  tedii  et  uedii  poU 
lionis  luxus:  postremo  Liuiae  grauis  in  rem  publicum  mater,  grauia 
domui  Casarum  nouerca.  So  M,  nur  dass  im  Texte  adducta  steht,  wäh- 
rend der  Band  abducta  hat.  In  den  verdorbenen  Worten  qu>e  tedii  hat  man 
sonst  einen  Namen  gesucht,  am  meisten  scheint  Wolf 's  Vorschlag  Q,  Pedü 
(so  auch  Ritter)  Beifall  gefunden  zu  haben.  Sehr  geistreich  ist  Nipperdey*ji 
Vorschlag  (zuerst  in  der  dritten  Auflage):  qwie  edito,  nämlich  partu  rite 
nuberet,  was  N.  so  erklärt,  dass  an  die  Pontifices  die  Frage  ganz  allgemein 
ohne  Nennung  der  Person  gestellt  worden  sei.  Gegen  eine  solche  Aende- 
rung  spricht  jedoch  folgendes.  Cassius  Dio.  sagt  48,  M:  nv&ofiivov  rmv 
7tovTi(ftx(ov  et  oi  oatov  iv  yita:Ql  i;(ouaav  avrijv  tlyay^a&ai  hff,  dn€- 
XQlvavTo  ort  ti  fikv  iv  ufXifiß6X(p  t6  xvTjfia  ^r,  ttrctßlrjd-ijvat  xov  yafiov 
iXQfiVf  ouoloyovfiivov  ök  avtov  ov^lv  xtoXvct  rj^rj  avTov  yevia&tu  setzt 
also  eine  Frage  mit  Nennung  der  Personen  voraus.  Und  wenn  man  hierauf 
nicht  besonders  Gewicht  legen  will,  so  ist  es  nicht  wohl  glaublich,  da» 
die  Tadler  des  Augustus  ebenso  allgemein  gesprochen  haben,  im  Gegen- 
theil  sie  würden  die  allgemeine  Frage  gewiss  speciel  widerholt  haben. 
Ein  Beweis  für  dieses  ist  auch  die  Verbindung,  in  welche  dieser  Credanke 
zu  abducta  Neroni  uxor  durch  et  gesetzt  ist,  während  wir  bei  Nipp.  Textes- 
gestaltung vielmehr  statt  der  drei  Glieder  vier  erwarten  müssten.  Endlich 
hat  Wolf 's  Urtheil:  'malae  linquae  uulgi  unum  exemplum  luxuriae  satia- 
facere  non  potuisse*  nur  dann  keine  Bedeutung,  wenn  des  allein  angeführ- 
ten Vedius  Pollio  Ausschweifung  als  eine  ganz  auTserordentUche  chaiak- 


CcHTBeliiiB  Tacitns,  erkL  t.  K,  Nipperäey,  ang.  t.  L,  VUHhäber.    845 

tarisiert  wird.  Eine  solche  Andeutung  würde  durch  qiMtUo  odio  gegeben, 
TgL  Cic.  Farn.  12, 10,  3  und  Verr.  Act  I,  14,  42.  Auarufsatze  mit  quantui 
nnd  bei  Tac  nicht  selten,  s.  A.  14,  11.  15,  59.  13,  19.  Agr.  15;  für  den 
DatiT  des  Zweckes  vgl  H.  1,  7,  wenn  man  nicht  lieber  wie  an  der  ange* 
führten  Stelle  Cic.  Verr.  einen  Abbl.  quäl,  nach  der  von  Dietsch  Sali  J. 
57,  0.  Nipperdey  Nep.  Dion.  2,  4  u.  a.  besprochenen  Art  annehmen  will, 
TgL  Tao.  A,  2,  34.  H.  1,  48.  A.  16,  31.  Für  den  Wechsel  der  Conatruction 
ist  zu  TgL  A.  1,  47  mit  Wolfes  Bemerkung  1,  69.  2,  83  und  Böfcticher  im 
Lexicon  Tadteum  S.  LXVI  ff.  Roth  Exe.  XXXUI  zu  Agricola.  Wegen  des 
fehlenden  Verbum  siehe  Nipperdey  zu  A.  1,  7,  Heraus  zu  H.  1,  21  und 
besonders  A.  1,  61.  2,  63.  Um  den  Gedanken  angemessen  zu  finden,  erin- 
nere man  sich,  daas  Augustus  selbst  nach  dem  Tode  des  Vedius  der  öffent- 
lichen Meinung  Rechnung  zu  tragen  sich  veranlasst  sah  dadurch,  dass  er 
dessen  Haus  demolierte  und  ein  öffentliches  Gebäude  an  die  Stelle  setzte, 
8.  Panly's  Realencyklopsedie  s.  v.  Vedius  Pollio. 

A.  1,  21.  lüi  ohnäi  tnüientibua,  prensare  circumstantium  genua^ 
äere  modo  nomina  ainffulorum  modo  centurican  quisquCy  cuius  mampM- 
lahs  erat,  coJu>rtem  legionem  eadem  onmibua  imminere  damitantes,  Nip- 
perdey meint,  der  Manipel  werde  nicht  angerufen,  'weil  das  Hinzukommen 
der  zweiten  Centurie  keine  bedeutende  Hilfe  war.'  Aber  warum  werden 
die  singulif  warum  die  centuria  angerufen?  Der  Grund  liegt  vielmehr 
darin,  dass  der  Manipel  keine  tactische  Theilung  mehr  ist;  s.  Rüstow 
Heerwesen  und  Eri^fuhrung  C.  Julius  Osars  S.  15,  welche  Erörterung 
Rüstow's  auch  gegen  die  von  Nipperdey  adoptierte  Ansicht,  dass  die  1, 18. 
1,  34  erwähnten  sigtia  cohortium  die  drei  Manipelzeichen  der  Cohorten 
nicht  Gohortenfahuen  seien,  entschieden  den  Vorzug  verdient. 

A.  1,  25.  Tiberius  sagt  in  seinem  Schreiben  an  die  pannonischen 
Legionen :  Ubi  primum  a  luctu  requiesset  animus,  acturum  apiU  patrei 
de  pottükttia  eorum;  miaisse  vUerim  füium,  ut  sifie  cunctatione  conce» 
deretf  quae  sUUim  trümi  possetU;  cetera  aenatui  seruanda,  quem 
neque  gratiae  neque  seueritatia  expertem  habere  par  esset, 
}(ipperdey  fässt  lioberi  ^  für  etwas  halten :  'den  es  sich  zieme  weder  der  Gnade 
noch  der  Strenge  für  baar  zu  halten.'  Dagegen  spricht  folgendes.  Dass  der 
Kaiser  allein  den  militärischen  Oberbefehl  mit  dem  Recht  zu  strafen  und 
XU  verzeihen  habe,  wussten  die  Legionon  sehr  gut,  s.  c  26;  eine  unbe- 
dingte Verweisung  an  den  Senat  würde  ihnen  als  eine  noch  ärgere  Spiegel- 
fechterei erschienen  sein,  als  wenn  er  erklärt,  er  finde  es  gerathen,  den 
Senat  an  der  Berathung  Theil  nehmen  zu  lassen  (non,,, expertem  haberi). 
Femer  ist  c.  26  in  den  mismuthigen  Worten  der  Soldaten  nur  von  einem 
eonsuLere  senatum  die  Rede.  Der  gewöhnlichen  Deutung,  dass  non  exper- 
tem  habere  «-  'theilnehmen  lassen'  heilst,  s.  Dübner  bei  Orelli,  steht  nichts 
im  Wege.  Wenn  agere  apud  patres  A.  1,  77  so  gesagt  ist,  dass  von  einer 
vollständig  dem  Senat  zustehenden  Berathung  die  Rede  ist  (übrigens  ist 
dort  das  Passiv  zu  beachten),  so  sagt  Suet.  Tib.  54  egit  cum  senatu,  non 
debere  Udia  praemia  tribui  nisi  expertis  et  aetate  provectis  und  A.  2,  71 
ErU  uobis  locus  querettdi  apud  senatum  vgl  auch  Nipperdey  zu  A.  13, 22 
Für  eji^^a  vgL  A.  6,  8;  für  haberi  A.  15,  36  a.  E.  14,  40. 


S46    Gomelius  Tadtas,  erkL  v.  K  Nipperdey,  ang.  t.  L.  Vidhaber. 

A.  1,  36.  Ät  8i  auxüia  et  sodi  adversum  abseedentis  Uffianet  wt* 
fftor^ntur,  dwXe  &eO«f»  m»d]^  Perictdosa  setierüas,  flagüiasa  largüiot 
seu  nihä  müüi  sude  omnia  concedentur,  in  ancipUi  res  pMiea,  Um 
concedetUuir  gegen  die  von  Bekker,  Orclli,  Ritter,  Halm  aufgenommene 
Aenderang  des  Rhenanus  concederentur  zu  halten,  erklärt  Nipperdegr  mwh 
Walther  die  Worte:  Periculosa  —  publica  ftlr  einen  Ausruf  des  ScihiiA- 
stellers:  *Hiezu  ist  das  Fräs,  hist  est  zu  denken,  und  der  Schriftsteller 
gibt  seine  Schilderung  der  Lage.  Dass  die  überlegenden  dieselben  Ge- 
danken hatten,  versteht  sich  von  selbst  c.  41.  XV,  5.*  Aber  c  41  ist  nieht 
so,  sondern  vielmehr  nach  der  Art  zu  erklären,  wie  Nipperdey  selbst  1, 10 
abducta  Nerani  uxor  etc.  rechtfertigt;  15,  ö  ist  eine  ganz  ein&che  Er- 
zählung mit  unvermitteltem  Uebergang  in  oratio  obliqua.  An  unserer  Stelle 
ist  das  Präsens  hist,  das  Nipperdey  setzen  will,  unbegreiflidi,  da  entweder 
Präs.  logicum  oder  Imperfect  stehen  könnte,  noch  weniger  begreiflich  aber 
die  Möglichkeit,  damit  ein  Futur  zu  verbinden.  Gerade  N.*s  ErUänmg 
führt  nothwendig  auf  cancedebantwr  oder  concederentur.  Indessen  ist  die 
Stelle  allerdings  ohne  Aenderungen  zu  halten,  wenn  man  nur  von  Peri- 
aüosa  an  einen  Uebergang  in  directe  Rede  annimmt  (also  das  zu  eigln- 
zende  Präsens  ein  logicum  ist).  Solche  üebergänge  s.  2,  77.  An  festinamm 
cum  Qemumici  cineribus  eidpellere,  und  durch  inquü  vermittelt  16,  22; 
vgL  Bötticher  Lex.  Tac.  p.  LXXTT.  Fabri  zu  Liv.  21,  10,  4.  Tischer  C^ 
Tusc  4,  10,  24.  Weifsenbom  Grammat  §.  481. 

A.  1,  39.  Pauidos  et  conscientia  uaecordes  inirat  metua:  ueni$$e 
patrum  iussUy  qui  writo  facerent,  quae per  sedüionem  expreaseranU 
Nipperdey:  uenisse  —  expreaaera/nt  'Rede  und  Gedanken  der  Soldaten,  wo- 
durch sie  ihre  Furcht  motivieren.'  Hiefür  lässt  sich  allerdings  A.  2,  2  u.  I. 
anführen ;  aber  Nipperdey  hat  es  unterlassen,  zu  erklären,  woher  dann  der 
Indicativ  expressermU  kömmt.  Es  bleibt  wol  nichts  übrig  als  uemese  etc. 
.  unmittelbar  von  intrett  metus  abhängen  zu  lassen  (—  ne  uenerint  nadi 
Cic.  Sest  49,  105  u.  o.).  Für  den  Acc.  c.  inf.  vgl.  Hist  1, 28  (bei  metuo). 
Fabri  Liv.  22,  32,  3  und  Weif^nbom  zu  Liv.  3,  22,  2  (metua  erat), 

A.  1,  52.  Nuntiata  ea  Tiberium  laetüia  curaque  adfeeere,  Oaude' 
bat  oppresaam  aedUionem;  eed  quad  largiendis  pecuniia  et  miseiane  fati' 
natafauorem  miUtum  quaesiuissety  bellica  quoque  Oermanici  ghriae 
angebatwr,  Nipperdey  denkt  als  Subject  zu  quaeaiuisset  den  Tiberius,  da 
Germauicus  in  seinem  Namen  gehandelt  und  er  dessen  Zugeständisse  habe 
bestätigen  müssen.  Das  passt  wenig  zu  dem  argwöhnischen  Charakter  des 
Tiberius,  vgl.  2,  26,  und  zum  Schluss  des  Capitels  cunetaqiUf  quae  (7er- 
manicus  itidulserat,  seruauit  eiiam  aptiJt  Pawnomcoe  exercitu».  Ferner 
kommt  bei  solcher  Beziehung  das  zweite  Glied  bellica  quoqne  Oermamci 
gloria,  noch  dazu  mit  dieser  Wortstellung,  ganz  gegen  die  Erwartung. 
Man  muss  bei  der  gewöhnlichen  Deutung  bleiben,  nach  der  aus  dem  zwei- 
ten Gliedo,  das  nach  bekannter  Weise  des  Tacitus  in  anderer  Form  gege- 
ben ist  (vgl  A.  1,  58.  2,  42  und  H.  1,  7.  1,  26),  für  das  erste  das  Subject 
Oermamcus  zu  entnehmen  ist.  Wegen  dieser  poetisierenden  Stellung  einea 
gemeinsamen  Wortes  im  zweiten  Gliede  s.  A.  2,  48.  2,  60.  6,  29.  IL  1, 88. 
-^  A.  1,  8.  2, 10.  —  H.  2, 44.  2,  76,  und  für  das  Subjeot  in  sokher  Stdlang 


Cornelius  Tacilus,  erkl  t.  K,  Nipperäey,  ang.  v.  L,  VieViaber.    847 

Fabri  Sali.  C.  36,  5;  vgl.  auch  Nägelsbach  Stilist.  S.  244  und  Obbarius 
n  Hör.  Od.  1,  9,  16.  Dass  auch  bei  Wechsel  des  Snbjectes  dies  erst  im 
sweiten  Glied  bezeichnet  ist,  ist  nm  so  weniger  auffallend,  weil  Tacitus 
oft  «ach  ganz  ohne  Bezeichnung  die  Subjecte  wechselt;  vgl.  A.  1,  77. 1,  69. 
2,  41.  8,  15.  3,  67.  2,  30,  s.  Roth  Anmerkung  zu  A.  8,  16  hinter  seiner 
Uebersetinng. 

A.  2,  a  Die  Beschreibung  der  Flotte  des  Germanicus  l&sst  sich  durch 
eine  andere  Interpunction  als  die  der  neuesten  Herausgeber  Baiter,  Halm, 
Hasse,  Nipperdey,  Ritter  klarer  machen.  Ich  glaube  so  schreiben  zu  müssen: 
Mille  naues  mtfficere  uime  properataeque :  aliae  breues  tmgustapuppi 
proraque  et  lato  utero,  gwo  facüius  flitctus  tcHerarent,  quaedam  pUmae 
earinis,  ut  sine  noxa  siderent;  plures  adposüis  utrimque  gubemaculis, 
eonueno  ut  repente  remigio  hinc  uel  iUinc  adpeUerent ;  multae  pontibuB 
Btratae,  super  quas  tormenta  lAeJierentur ,  fdmul  aptae  ferendis  equis  out 
eommeatui:  uelis  liabües  citae  remis  augehantur  cüicritate  müitum  in 
spedem  ae  terrorem,  —  aiiae  —  commeatui  ist  partitive  Apposition  zu 
male  naues,  und  zwar  dreigliedrig  und  so,  dass  das  erste  Glied  derselben 
selbst  wieder  getheilt  ist  cdiaCy  quaedam^  das  zweite  (plures)  und  das  dritte 
(multae)  ohne  ausgedrückten  Gegensatz  (reliquae)  stehen,  udis  —  remis  ist 
einfBM^he  Apposition  zu  dem  in  augebantur  liegenden  Subject  (alle  Schiffe) 
—  *indem  sie . . .  waren.'  In  ähnlicher  Weise  tritt  nach  der  Theilung  das 
ganze  abschliefsend  ein  c.  13.  in. 

A.  2,  8  lcu!U8  inde  et  Oceanum  usque  ad  Ämisiam  ftumen  secunda 
nauigatione  peruehitur,  Classis  Ätnisiae  relicta  laeuo  amne,  erratum" 
qite  in  eo,  quod  non  subuexit  transposuit  militem  dextras  in  terras 
iturum;  ita  plures  dies  efficiendis  pontibus  äbsumpti.  Et  eques  qui- 
dem  ac  Ugiones  prima  aestuaria,   nondum  adcrescente  unda,  intrepidi 
transiere:  postremum  auocüiorufn  agmen  Batauique  in  parte  ea,  dum  in' 
Sidtemt  ciquis  artemque  nandi  ostentatU,  turbati  et  quidam  hausti  sunt. 
Nipperdej  streicht  Amisiae  und  subuexit,  versteht  unter  pontes  Brücken 
über  die  Ems,  und  glaubt,  Tacitus  tadle  den  Germanicus,  weil  er  statt 
auf  Schüfen  auf  Brücken  die  Ems  überschritten  habe,  nach  seiner  Ansicht 
mit  Unrecht,  da  dies  eine  Vorsichtsmafsregel  für  einen  etwaigen  Rückzug 
gewesen  sei.  Ritter  setzt  nach  Amisiae  ein:  in  aiueOy  nicht  unrichtig  dem 
Sinne  nach,  und  nimmt  Wurm's  Vermuthung  subuexit  aut  transposuü 
mit  Halm  auf;  während  Baiter  und  Haase  subuexit  halten  und  transposuit 
streichen.  Nach  meiner  Ansicht  ist  der  Wahrheit  am  nächsten  Lipsius  ge- 
kommen. Es  ist  nämlich  kaum  glaublich,  dass  Germanicus  sich  mit  dem 
Ban  einer  Flussbrücke  aufgehalten,  da,  wenn  er  sie  überhaupt  für  nöthig 
gehalten  hätfce  (c.  11.  Gses.  b.  g.  4,  16,  1  mit  Eraner's  Note),  er  die  Mann- 
schaft am  rechten  Emsufer  landen  und  durch  die  zurückbleibende  Schiffii- 
inannschaft,  so  vrie  ein  zurückgelassenes  Deckungscorps  in  aller  Ruhe  wäh- 
rend seines  Vormarsches  die  Brücke  aufführen  lassen  konnte.   Femer  war 
selbst  im  Angesicht  eines  verfolgenden  Heeres  die  Schwierigkeit  des  Ein- 
Bchiffens  kaum  so  grofs,  als  die  des  Uebergangs  über  die  nach  Nipperd.*8 
Meinung  dämm-  und  brückcnlosen  aestuaria  s.  A.  1, 63.  Lipsius  hat  voll- 
kommen Recht,  die  2^0^^^^^  (°^°  beachte  auch  den  Plural)  von  einem 


848    Conieliiu  Tacitas,  erkL  t.  K.  Nipperdey,  ang.  v.  L.  ViMabat. 

Knüppelweg  ähnlich  den  pontes  langi  A.  1,  63.  1,  61,  vgl.  anch  A.  4,  78 
nnd  C»s.  b.  g.  8, 14,  4  durch  die  aestuaria  anf  dem  rechten  Ufer,  aaf  dem 
die  Flotte,  aber  nahe  an  der  Mündang,  landete,  zu  vorBtehen.  Ja  Tadtoa 
selbst  hat  ganz  klar  angezeigt,  dass  er  die  pontes  so  jerstanden  wintii 
wollte.  An  die  Angabc,  daßBpofites  gebaut  wurden,  schlieM  sich  nn  mittel" 
bar  an,  dass  das  Gros  der  Armee  sicher  Über  die  prima  aestuaria  ni 
Zeit  der  Ebbe  hinüberkam,  der  Nachtrab  aber  von  der  eindringenden  Fluth 
überrascht  wurde,  und  zwar  ist  diese  letzte  Sache  durch  et  ( —  qmdem) 
angefügt  an  piures  dies  effidetidis  pontHnis  cibsumpH,  welche  Partikel  hier 
nur  die  weitere  Ausführung  des  im  vorigen  angedeuteten  bedeuten  bum, 
8.  Sejffert  schol.  lat  L  S.  11  ff.  Wenn  femer  Nipperdey  ans  dem  Schick- 
sale des  Nachtrabes  und  dem  Treiben  der  Bataver  zu  schliefsen  scheint, 
dass  über  die  aestuaria  keine  Brücken  geschlagen  wurden,  so  ist  erstellt 
zu  bemerken,  dass  insuUare  einen  höheren  Standpnnct  voraussetzt,  rtM 
dem  aus  die  Bataver  in's  andringende  Wasser  springen,  was  eben  nur  die 
pontes  sein  können,  und  dann  die  Natur  solcher  Knüppelwege  zn  beachten. 
Es  sind  eben  einfach  oder  in.  rostartigen  Lagen  auf  dem  Boden  gelegte 
Baumstämme,  die  zunächst  den  Zweck  haben,  auf  dem  durchweichten  Bo- 
den festen  Fuiüs  fie^scn  zu  lassen;  dnrch  das  Andringen  der  Fluth  aber 
werden  sie  ebenso  gut  unter  Wasser  gesetzt  als  der  Übrige  Boden.  Wenn 
also  die  Sache  so  steht,  so  muss  der  Tadel,  den  Tacitus  über  (rermaniciii 
ausspricht,  vielmehr  darauf  gehen,  dass  er  nicht  entsprechend  den  Erwi- 
gungen,  die  ihm  c.  ö  am  Ende  von  Tacitus  beigelegt  sind,  noch  tiefer  in 
die  Ems  hineingeÜEihren  ist,  wobei  er  wenigstens  über  die  den  Wirkungen 
der  Fluth  ausgesetzten  aesttuiria  hinausgekommen,  und  da  Tacitus  sich 
wol  die  Ems  viel  starker  in  ost-westlicher  Richtung  dachte,  noch  tiefer  in 
den  Osten  Germaniens  eingedrungen  wäre  (dextras  in  terras).  Nach  dieser 
Erwägung  sind  zunächst  sowol  subttehi,  vgl  A.  2,  60.  —  15, 18.  Suet.  CaL  16, 
als  auch  transponere  nothwendig  und  ist  Wurm's  Conjectnr  subuexit  aui 
transposuä  sicher  falsch.  Man  kann  sowol  sutmexU  et  trcmsposuit  ab 
suhuectus  transposuit  schreiben,  da  in  beiden  Fällen  sich  die  Entstehong 
der  Corruptel  leicht  erklärt  Am  Anfang  der  Stelle  ist  ÄnUsiae  jedenfüls 
echt,  nur  hat  Ritter  reclit  den  Ausfall  eines  Wortes  anzunehmen;  dem 
Sinne  wie  der  Möglichkeit  des  Ausfallens  nach  ist  are  am  nächsten  liegend, 
vgl  für  dieses  Wort  A.  2,  5.  2,  6.  H.  5,  7.  5,  23.  relinqui  mit  bloltom  AbL 
ist  ähnlich  wie  sistere  H.  2,  9.  A.  15, 18,  s.  auch  Nipperdey*8  Bemerkung 
zu  A.  3,  61.  Ob  laeuo  amne  als  in  den  Text  gerathene  Randbemerkung 
eines  Lesers,  der  die  Stelle  nach  dem  Ausfall  von  ore  falsch  verstanden, 
auszuscheiden  ist,  oder  ob  die  Worte  durch  folgende  Erklärung  zn  halten 
sind,  wage  ich  nicht  bestimmt  zu  entscheiden.  Wenn  nämlich  Tadtns  sich 
den  Lauf  der  Ems  in  entschiedenerer  est -westlicher  Richtung  dachte,  so 
kann  der  obere  (östlich  gelegene)  Lauf  derselben  dexter  amnis  (s.  die 
dextrae  terrae),  der  untere  (weiter  nach  Westen  liegende)  laeuus  amma 
genannt  werden;  so  dass  der  nach  Syracusis  in  foro  u.  ä.  gebildete  Aus- 
druck besagte:  Die  Flotte  wurde  in  der  Mündung  der  Ems  in  dem  west- 
lichsten Puncto  des  Flusses  gelassen,  statt  auf  demselben  möglichst  weit 
(östlich  durch  tieferes  Hineinfahren  vorzudringen. 


GnneliiiB  Tacitnfl,  erkl.  y.  K,  Nipperdey,  ang.  ▼.  L.  Vielhaber.    849 

A.  2,  44.  Vit  nattonum,  uirtus  ducum  in  aequo;  sei  Maroboduum 
regt»  namen  inuisum  aput  populäres,  Arminium  pro  libertaie  bellan- 
tem  fauor  habebat.  Nipperdey  erklärt  unter  Berufung  auf  2,  88:  'Ar- 
fluniuB  stand  in  Gunst  und  diese  be¥rirkte,  dass  man  glaubte,  er  kämpfe 
für  die  Freiheit.  Tacitus  glaubte  dies  nicht,  sondern  nalim  bei  ihm  da- 
mals (denn  nur  von  diesem  Kriege  ist  die  Hede)  eigennützige  Absichten 
an.'  C^erade  c.  88  beweist  das  Gegentheil,  da  dort  ausdrücklich  angegeben 
ist,  dass  AnniniuB  erst  nach  Marbod*s  Vertreibung  nach  dem  Throne  ge- 
strebt habe.  Und  dazu  führt  er  an  unserer  Stelle  als  Grund  des  Krieges 
aosdrücklich  an  gentis  admetudine  et  tum  aemulatione  gloriae.  Damit 
ftllt  aber  Nipperdey*s  ganze  Deutung.  —  Fasst  man  belUnitem  nicht  prädi- 
catlv,  wie  Nipperdey,  sondern  attributiv  =  bellatorem,  vgl  defenaorem 
A.  2,  52,  wie  oft  bei  Tacitus  Partie,  präsent ia  scheinbar  ff^T  perfecta  stehen 
(s.  A.  2,  2.  2, 88.  3, 84.  13, 18.  Suet  Ces.  73  und  die  sehr  ähnUche  Stelle 
Sali.  J.  15,  1  Adherbalem  ultro  bellum  inferentem,  postquam  supera- 
tus  sit,  queri,  quod  iniuriam  üeu^ere  nequiuisset) ;  habebat  ferner  im  Sinne 
von  tenebat  s.  Forbiger  zu  Virg.  Ecl.  7,  40.  Ae.  4,  581  und  Freund  Lex. 
t,  T.  habeo  lAc  £nde;  endlich  inuisum  als  neutrum  zu  nomen:  regia 
Domen  inuisum  apud  barbaros,  so  erhält  man  folgenden  Sinn:  An  Marbod 
haftete  der  bei  seinen  Landsleuten  verhasste  Königstitel,  an  Arminius  da- 
gegen, den  (gewesenen)  Kämpfer  für  die  Freiheit,  die  Zuneigung  (seinsr 
Landsleute). 

A.  2,  47.  Sedisse  inmensos  inontes,  uisa  in  arduo,  quae  plana 
fuerM,  effulsisse  inter  ruinam  ignes  menwrant.  Nipperdey  hat  Heinsina 
sehdne  Conjectur  enisa  in  arduom  aufgenommen,  weil  'kein  Gegensatz  sei 
iwiBchen  dem  ebenen  und  dem  auf  dem  steilen,  sondern  nur  zwischen  dem 
ebaien  und  dem  steilen  oder  dem  auf  dem  ebenen  und  dem  auf  dem  slsi- 
kn.'  Indessen  hat  man  in  Gebirgsländern  oft  genug  Gelegenheit,  die  Mög- 
lichkeit des  von  Nipperdey  verworfenen  Gegensatzes  einzusehen.  Oft  liegt 
ein  kleines  grünes  Plateau  so  auf  steil  abschüssigen  Felswänden  (in  arduo), 
dass  von  der  Seite  angesehen,  es  unwillkürlich  den  Eindruck  macht,  als 
sei  droben  ein  Stück  Erde,  das  früher  Ebene  (plana)  war  und  mit  dem 
aus  der  Ebene  auftauchenden  Berge  gehoben  wurde. 

A.  2,  80.  Hinc  müitumy  inde  locorum  asperitaa,  sed  fion  ammui 
non  ttpes,  ne  tela  quidem  nisi  agrestia  aut  aubitum  usum  properata. 
Nipperdey  ändert  aut  in  o^  (»  €ul),  und  Haase  ist  ihm  gefolgt,  während 
andere  mit  Welfscnbom  lesen  aut  ad  subUum  oder  mit  Döderlein  (htt 
tiMum  in  usum,  so  Orelli-Baiter,  Ritter.  Da  properare  nur  bedeuten 
kann:  'eilig  machen',  nicht  *eilig  herbeischaffen*,  wie  manche  Erklärer  lu 
Hör.  Od.  2,  8,  24  wollten  (s.  die  Taciteischen  Stellen  bei  Bötticher  Lex. 
Tac  s.  V.  und  Nipperdey  zu  A.  13,  13,  vgl  auch  Forbiger  Virg.  Ae.  4, 170), 
so  wäre  bei  N/s  Leseart  ein  Umarbeiten  der  tela  agrestia,  und  zwar  wie- 
der ein  unvollkommenes  bezeichnet.  Wozu  das?  Denn  die  tela  agrestia  als 
Ackerwerkzeuge  zu  fassen,  dürfte  sich  an  sich  kaum  erweisen  lassen,  auch 
durch  Cic.  LeL  17,  61  nicht,  und  würde  hier  eine  unerträgliche  Doppel- 
deutigkeit des  Wortes  tela  bewirken.  Werden  aber  die  tela  agrestia  um- 
geschmiedet, so  hören  sie  auf  agreatia  zu  sein.  Aut  ist  vollkommen  richtig. 
Zaliaohrlft  t  a.  Otitrr.  Qysuu  186».  Y.  H«lt  24 


850    Cornelius  Tacitns,  erkl.  v.  F.  Nipperdey^  ang.  v.  L,  Viähaber. 

Es  sind  zwei  Classon  von  Waffen  genannt,  solche,  wie  sie  Landleute  im 
gewöhnlichen  Leben  benutzen,  und  solche,  die  Piso  in  der  Eile  verfertifm 
lässt  Am  wahrscheinlichsten  ist  mir  Döderlein^s  Einschaltang. 

A.  3, 19.  Itfiniafuü  ulciscenda  Germanici  morte,  nanmoio 
aput  iOos  hamines,  qui  tum  agehant,  etiatn  aecutis  iemporüms  uario  fu- 
fnore  iactata,  Adeo  maxima  quaeque  ambigtia  8unt,  dum  älii  quoquo  modo 
audita  pro  conpertis  haibent,  (üii  uera  in  contrarium  uertuni,  H  jjßmü 
utrumque  pasterüate.  Ät  Druaus  urbe  egressua  repetendis  autpieiii  moce 
ouans  ifUroiit.  Nipperdey  erkUlrt  unter  Bemfung  auf  A.  14,  4  (wozu  noch 
anzuföhren  sind  A.  11,  32  »  15,  69  nnd  13, 11):  'durch  die  Bache  ftlr  den 
Tod  des  Germanicus  war  dies  das  Ende;  d.  h.  zu  diesem  Ende  ftlbrte  die 
Rache.'  —  Aber  14,  4  prosequitwr  äbewntem,  artius  oculis  et  peetari  Am- 
renn,  siue  explenda  aimulatione  seu periturtne matris supremus agpee- 
tus  quamuis  ferum  animum  retinebat  ist  explenda  simulatione  einfacher 
Abi.  caus.  mit  dem  Partie,  präsent,  passivi  (s.  Haase  bei  Beisig  Annu  589  * 
*in  Folge  der  Vervollständigung  der  Heuchelei',  vgl.  Sali.  J.  103,  2  Tum 
rur8U8  Boechus  aeu  reputando  quae  sQn  duobus  proelüs  uenerani^  neu 
admonüus  ab  cum  amicis ,  ,.ex  omni  copia  necessoHorum  quinque  deUgU. 
An  solchen  Stellen  ist  einer  an  sich  schon  vollständig  ausgedrückten  Hand- 
lung die  Angabe  ihres  Grundes  beigefügt.  An  unserer  Stelle  müsste  nadi 
der  Auffassung  Nipperdey's  der  unvollständigen  Aussage  is  finis  fuü  durch 
den  Ablat.  eine  Ergänzung  gegeben  werden,  also  der  Ablativ  nach  der 
in  deutschen  Grammatiken  herrschenden  Terminologie  eine  Art  Object  sein. 
-Mir  scheint  die  richtige  Erklärung  der  Stelle  davon  abzuhängen,  dassman 
mit  dem  Satze:  Is  finis  fuü  uidscenda  Germanici  morte  in  Verbindimg 
setzt  die  Worte:  Ät  Drusus  —  introiit.  Durch  is  finis  fuü  ist  gesagt: 
diese  Angelegenheit  fand  ihr  Ende  durch  die  Rache  (ulciscenda  ist  scharf 
zu  nehmen  —  dadurch,  dass  die  Rache  ausgeführt  wird)  für  den  Tod  des 
Germanicus:  Drusus  dagegen  zog  im  kleinen  Triumph  in  die  Stadt  Dem 
Unglück  des  Germanicus  wird  das  Glück  des  Drusus  entgegengestellt,  vgl. 
11,  35  a.  E.  Nipperdey.  Einl.  XXVII.  Dazwischen  ist  eine  Betrachtung  fast 
parenthetisch  eingeschoben  nofi  modo  —  postentate.  Dann  lässt  sich ,  da 
die  Vervollständigung  des  Begriffes  finis  (is  finis  »  eius  rei  finis)  durch 
das  vorige  und  den  Satz  mit  Ät  gegeben  wird,  ulciscenda  Oermanici  morte 
als  einfftcher  Abi.  Instrument,  fassen. 

A.  3,  37.  Neque  luxus  in  iuuene  prusus)  adeo  disptiee^fot:  hue 
potius  intenderet,  diem  aedificationibus,  noetem  conuiuiis  traherei, 
quam  solus  et  nuUis  uoluptatibus  auocatus  maestam  uigikmtiam  et 
euras  exerceret.  Nipperdey  folgt  der  Handschrifb  (ebenso  Ritter,  nur 
dieser  sehr  unnöthig  ut  nach  quam  einschaltet),  ohne  dass  dadurch  die 
sehr  starken  Gründe,  mit  denen  schon  Lipsius  und  neuerdings  Halm  im 
Programm  von  Speier  1846  die  handschrifbliche  Leseart  bekämpfen,  wider- 
legt sind.  Wenn  aber  die  üeberlieferung  nicht  zu  halten  ist,  so  ist  es  noch 
immer  am  geeignetsten,  die  Stelle  Dios  57,  14  zur  Grundlage  der  Emen- 
dation  zu  nehmen.  Mit  dessen  Worten  nun  roTg  on/rjaTaTg  ovt»  nQoai' 
X81TO  tüaT€  x«^  fTTftawCftv  «(/TotV  e.  q.  8.  stimmt  wol  am  besten  folgen- 
der auch  den  Schriftzügen  nach  vom  überlieferten  nicht  sehr  abweichend^ 


OoDieKiis  Taeitns,  erkl.  v.  K,  Nipperdey,  anp.  v.  L,  Tidhaber.    S51 

YofBohlag:  ludiorum  facHonihus^  so  dass  dem  DriiRiis  wenigstens  ähnliches 
zageschrieben  wird,  wie  dem  Caligula  bei  Sueton  Cal.  55  Profiinae  fac^ 
tümi  ita  addictus  et  deditwi^  ut  caenaret  in  stalndo  assidue  et  maneret, 
nur  in  Bezug  auf  die  Pantomimen,  vgl.  A.  13,  25  Ludricam  qiioque  licen- 
iißm  et  fautores  histrionum  uehul  in  proelia  conucrtit  inpunitate;  0.  29, 
wo  unter  den  propria  und  pectdiaria  uitia  Roms  histrionaiis  fauor  et 
gbdiatorum  studia  an  erster  Linie  stehen,  vgl.  auch  A.  1,  77.  1,  54.  Suet 
Ner.  26.  Allerdings  ist  ludius  und  ludio  bei  Tacitus  nicht  sonst  ange- 
wendet, sondern  pantomimuSf  JUstrio,  aber  es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  gerade  hier,  wo  eine  uox  populi  angeführt  wird,  der  echt  lateinische 
Ausdruck  für  das  angebliche  Fremdwort  vgl.  Liv.  7,  26  angewendet  ist. 
Das  Wort  factio  wird  von  Festus  s.  v.  ebenso  mit  histrionum  wie  mit 
quadrigariorum  verbunden  und  erscheint  in  einer  ähnlichen  Bedeutung 
Suei  Nero  20. 

A.  3,  54.  Tot  a  maioribus  repertae  leges,  tot  quas  diuus  Au- 
guäus  ttdü,  HHae  obliuione,  hae,  quod  flagäiositts  est,  contemptu  tdxh 
htae  securiarem  luxum  fecere,  Nam  si  ueJis,  quod  nondum  uetitum  est, 
iimeas,  ne  uetere ;  at  si  prohibita  inpune  transcenderis,  neque 
metus  uUra  neque  pudor  est.  Nipperdey  schreibt  unter  Bitter's  Beistim- 
mung  at  si  in  prohibita  inpune  transcenderis,  weil,  wer  etwas  verbotenes 
thue,  es  nicht  überschreite,  sondern  es  begehe,  auf  ein  verbotenes  Feld 
sich  begehe.  Dieser  Grund  ist  doch  nur  ein  scheinbarer.  Man  sagt  iransr 
cendere  fines  iuris,  transire  finem  aequitatis,  transgredi  mensuram  u.  ä. 
Wenn  man  nun  hier  construiert  at  si  prohibita  (sc  trcmscendi)  inpune 
transcenderis  (—  quae  transcendere  legibus  prohiheris),  so  sind  die  pro- 
JUbüa  eben  die  Grenzen,  welche  die  Gebiete  des  erlaubten  und  unerlaubten 
scheiden,  also  beiden  Gebieten  zugleich  angehören,  welche  überschritten 
werden  müssen.  Aehnliche  Ergänzungen  A.  2,  4  Ariobarzanen  uolentibus 
Armenüs  praefecit.  1,  72.  2,  60  Germanicus  Nilo  siibuelhebatur ,  orsus 
oppida  a  Canopo  und  schon  au£[alliger  H.  1,  36  ut  non  contenti  agmine 
et  corporibus  in  suggestu . . .  medium  inter  Signa  Othonem  uexiUis  circum- 
darent,  vgl.  Krüger  Gramm.  §.  665,  Anm.  1  und  Madvig  §.  478,  Anm.  3 
und  §.  400  Anm. 

A.  3,  55.  Nachdem  Tacitus  angegeben ,  dass  der  Tafelluxus  von  An- 
gostus  bis  Galba  in  höchster  Blüte  gestanden,  von  da  an  allmählich  ab- 
genommen, fährt  er  fort:  Causas  eius  nmt^itionvi  quaerere  übet,  DUes 
oHm  famüiare  nobüium  aut  claritudine  insigfies  studio  magnificentiae 
prohbebantur.  Nam  etiamtum  plebem  socios  regna  cokre  et  coli  lici" 
tum;  ut  quisque  ofdbus  domo paratu  speciosus,  per  nomen  et  clientelas 
inlustrior  hdbebatur,  Post  quam  caedibus  saeuitum  et  magnüudo  famae 
exitio  erat,  ceteri  ad  sapientiora  conuertere.  So  hat  die  Handschrift  und 
80  interpungieren  die  meisten  Herausgeber.  So  viel  mir  bekannt  ist,  fassen 
alle  den  Satz  ut  —  habebatur,  dem  vorigen  7iam  —  licitum  coordiniert, 
Nipperdey,  der  bis  zur  dritten  Auflage  die  Worte  ut  ■—  hdbebatur  ent- 
whieden  falsch  verstanden  hat,  deshalb,  weil  er  1ud)ebatur  im  Sinne  von 
gelten*  statt  'sein*  (s.  Emesti's  Bemerkung,  vgl.  A.  2,  52.  Agr.28)  fasst^, 
hat  iü  der  neuesten  Auflaufe  durch  die  an  sich  schöne  Conjectur  at  quisque 

24* 


S5S    Cornelina  Tacitns,  erkl  v.  K,  Nipperäey,  ang.  v.  L.  ViMeAer. 

opihus  domo  paratu  speciosus,  par  nomen  et  cUentelas  inlu8trior€$ 
habebat  dieser  seiner  falschen  Anffassung  und  einer  sonstigen  Schwierig- 
keit auszuweichen  gesucht  Darin  hat  nun  freilich  Nipperdey  recht ,  daiB 
wenn  ut  —  speciosus  als  Vordersatz  zu  per  nome^i  —-  hahebatur  genomnMB 
wird,  per  nennen  nicht  zu  erklären  ist;  indessen  ist  das  kein  Gnind  n 
ändern,  so  lange  die  Worte  eine  andere  Construction  zulassen.  Ich  schieihe: 
Nam  etiam  tum  (unter  Augustus,  theilweise  Tiherius)  piebem  sodoi  reyiM 
colere  et  coli  Ucäumy  ut  quisgite  opibus  dotno  paratu  spedosvi,  per  nomem 
et  dieiUelas  inlustrior  habebatur.  Der  Nebensatz  ut  —  habebatur ,  in  wel- 
chem iU  quisque  heilet  'je  nachdem'  (s.  Tac.  H.  1,  11 ,  mit  üa  correspoii- 
dierend,  1,  26.  1,  57.  1,  41.  Sali.  J.  41,  8.  44,  5.  60,  4.  93,  7.  Cat  4,  2.  16, 4, 
wofür  Tacitus  auch  sagt  prout  qtiisque  Agr.  37  und  ut  quis  A.  2,  73.  2, 88; 
etwas  anders  2,  24.  1.  69,  4,  23.  4,  36)  gibt  die  Bedingung  an,  unter  wel- 
cher das  colere  und  coli  licitum  (natürlich  nicht  im  strengen  Sinne  H.  4,75) 
war.*  Es  gehörten  dazu  nämlich  zwei  Dinge,  Keichthum  (opibus  domo 
paratu  specioswi),  hohe  Geburt  (notnefi  von  der  Heriranfk  wie  Cic.  Plane. 
6, 15  nee  contendat  cwm  praetorio  nomine  equtster  locus,  Tac.  H«  1 ,  84 
itmenis  magtio  nomifie)  und  zahlreiche  dienten,  sowol  in  altem  Sinne  s. 
Lange  fiöm.  Altertli.  I.  S.  193  f.,  als  in  dem  der  Kaiserzeit  s.  A.  16,  32. 
Or.  3,  9.  A.  4,  2.  13, 19.  14,  61.  Marquardt  VI.  8.  212  ff.,  so  wie  um  %mh 
wärtigc  Fürsten  in  Schutz  zu  bekommen,  schon  auswärtige  Clientschafteil 
(s.  0.  3,  36)  da  sein  müssen,  haberi  ist  im  Sinne  von  esse  zu  fassen,  tti- 
lustrior  mag  man  mit  'noch  bekannter*  Übersetzen;  wegen  des  Asyndetoni 
endlich  ist  Wex  Prolegomena  zu  Tac.  Agr.  S.  70  ff.  vergleichen. 

Der  berühmte  Schluss  des  Capitels  lautet  in  der  Handschrift:  Nisi 
forte  rebus  cmidis  hiest  qu\ä<m  ui:lut  orbis,  ut  quem  ad  modum  tempO' 
rum  wfce»,  ita  morum  uertaniur;  tiec  omnia  aput  priores  meliara,  sed 
nostra  quoque  aetns  mülta  laudis  et  artium  imitanda  tülit  Verum  haee 
iiobis  maiores  certamina  ex  honesto  maneant,  Nipperdey  nimmt 
den  Ausfall  von  nox  vor  iiobis  an,  um  den  an  sich  schönen  Gedanken  n 
erzielen:  Verum  haec  nos;  nobis  maiores;  certamina  ex  honesto  maneant» 
Doch  scheint  mir  die  auch  palasographisch  sehr  leichte  Aendemng  unn- 
lässig.  Denn  einerseits  enthält  dieser  Gedanke  eine  Hindeutung  anf  die 
Zukunft,  die  Tacitus  wol  nicht  beabsichtigen  konnte.  Anderseits,  sobald 
haec  nicht  zu  certamina  gehört,  muss  maneant  voranstehen,  ebenso  wie 
an  der  ähnlichen  iStelle  15,  21  man  cat  irrouinciaübus  potentiam  suam 
tali  modo  ostentandi  (an  welcher  Ritter  glaubte  potestas  einschalten  za 
müssen,  wie  er  auch  15,  o  und  13.  26  auf  diese  allerdings  bequeme  Weise 
die  grammatische  Schwierigkeit  beseitigte).  Von  den  Conjecturen,  in  makh 
res  maiora,  Annahme  einer  Lücke  vor  oder  nach  maiores  genügt  keine; 
den  kräftigsten  Gedanken  stellen  Haase  und  Bitter  her,  die  mit  Sehnelde- 
win  maiores  streichen.  Es  mochte  als  Erklärung  des  ix)eti8chen  priorti 
an  den  Rand  geschrieben  sein. 

A.  3,  71.  Et  quoniam  de  relujionibus  tra€t4d}atur ,  dilatwn  nuptr 
respansum  aduersus  Semium  M(duginen8em ,  flaminem  Diaiem,  prompmt 
Cäsar  recitauitqiie  decretum  pmitificum,  quotiens  ualitudo  aduersa 
flaminem  Dialtm  incessisset,  nt  pontificia  maximi  arbitriQ 


OoneliQS  Tacitns,  erkL  v.  K.  Nipperdey,  ang.  v.  L.  Vielhaber.    S5S 

plus  quam  binociium  abesset,  dum  ne  diebus  publici  aacrificii  neu 
soipius  quam  bis  eundem  in  annum;  quae  principe  Äugusto  constiMa 
saus  wUndebant  annuam  absentiam  et  provinciarum  administrationem 
DiiMus  nou  cancedi,  Nipperdey  wendet  gegen  die  Leseart  der  Handschrift 
eia,  dass  man  die  durch  Krankheit  erzwungene  Abwesenheit  des  flamen 
DiaUt  weder  von  der  Erlaubnis  des  Pontifez  mazimus  abhängig  machen« 
iK>di  auf  bestimmte  Zeit  beschränken  konnte  und  setzt  nach  quotiens  mit 
Haase  non  ein,  während  es  Ritter  vor  incessifset  einschaltet.  Mir  scheint 
die  Ueberlieferung  der  Handschrift  vollkommen  richtig.  Die  erste  Bestim- 
mung war:  flamini  Diali  noctem  unam  mattere  extra  urbem  nefas  est 
Liv.  5^50, 13,  eine  zweite  muss,  wie  aus  Tacitus  Worten  hervorzugehen 
leheiDt,  die  Erlaubnis  gegeben  haben,  zwei  Nächte  abwesend  zu  sein,  viel- 
leicht mit  ähnlichen  Beschränkungen,  wie  die  dritte  unter  Augustus  ge- 
gebene. In  dieser  war  nach  den  Worten  des  Mediceus  erlaubt,  zweimal  im 
Jahie  im  Falle  von  Erkrankungen  nach  specieller  Erlaubnis  des  Pontifex 
maiimns  länger  als  zwei  Nächte  außerhalb  der  Mauern  Roms  zu  bleiben, 
anÜBer  an  den  Tagen  eines  Opfers  für  das  Volk.  Darin  ist  nichts  nnglaub- 
hclieB,  da  das  römische  Formelwesen  Mhcr  von  der  Bestimmung  nicht 
snrfickgeschreckt  war,  dass  der  flamen  Dialis  keine  Nacht  ausserhalb  Roms 
bleiben  dürfe,  da  femer  nach  der  gewöhnlichen  Bestimmung  über  die  zwei 
Nächte  nicht  überschreitende  Abwesenheit  des  Dialis  keine  so  grofise  Ent- 
feninng  desselben  zumal  bei  der  processionsartigen  Langsamkeit  der  Rei- 
sen römischer  Grofsen  möglich  war,  dass  er  nicht  im  Nothfalle  hätte 
zurückgetragen  werden  können,  vgl.  auch  Gell.  10,  15,  3,  und  endlich  nach 
c.  58  nur  seine  Anwesenheit  in  der  Stadt  noth wendig  war,  die  Opfer  da- 
gegen im  Nothfall  auch  durch  den  Pontifez  verrichtet  werden  konnten. 

A.  4,  3.  Ceterum  plena  Caisarum  domus,  iuuenis  filius,  nepotes 
aduliU  maram  cupitis  adferebant,  et  quia  ui  tot  sivitd  corripere  intutum^ 
dolus  itUeruaUa  scolerum  poscebai,  Placuit  tarnen  occultior  uia  et  a 
Druso  incipere,  in  quem  recetUi  ira  ferebatur.  Während  frühere  Erklärer 
an  dem  tamen  sich  stielten,  haben  Nipperdey  und  Baiter  das  et  vor  quia 
gestrichen,  so  dass  quia  —  poscebat  Causalsatz  zu  ceterum  . .  .  adferebant 
wird.  Aber  auch  wenn  man  et  lässt,  kann  quia  —  posceb<U  zusammenge- 
nommen die  Stelle  eines  zweiten  den  Substantiven  plena  —  aduUi  coordi- 
nierten  Subjectes  vertreten,  wie  an  der  sehr  ähnlichen  Stelle  2,  43  Tiber- 
ius  ut  proprium  sui  sanguinis  Drusum  fouebat.  Germanica  alienatio 
pairui  amorem  aput  celeros  ätucerat  et  quia  claritudine  materni  generis 
mUeibai,  Die  ersten,  substantivischen,  Snbjecte  geben  im  allgemeinen  den 
Gegenstand  an,  der  die  Verzögerung  hervorrief,  'der  Umstand,  dass  .  .  . 
war'  (vgL  A.  1,  36.  2,  43.  4,  12) j  durch  quia  —  poscebat  wird  mittels  et 
nach  einer  bei  Tacitus  nicht  seltenen  Coordination  die  Erklärung  hinzu- 
gefügt. Man  vgl  A.  2,  44  Nam  discessu  Botmtno^r^im  ac  uacui  extemo 
metu  .  .  .  arma  in  se  uerterant,  1,  11  Plus  in  oratioM  dignitatis  quam 
fidei  erat;  Tiber ioque  etiam  in  rebus,  quas  non  occideret,  suspensa  sem- 
per  et  obscura  uerba,  tunc  uero  nitenti^  ut  sew^is  suos  penitus  abderet^ 
in  itteertum  et  ambiguuui  VMgis  mplicab<iHtur ;  s.  auch  4, 12  (ferox  «ceie* 
rum),  i,  28  (iaedio  eurtirum),  1, 65  (enkneque),  Kritz  sa  0.  10,  8.  Dir 


$54    Cornelius  Tacitus,  erkl.  v.  K.  Niifperäey,  ang.  v.  L,  VkUuAer* 

Satz  mit  tarnen  ist  nur  an  den  letzten  dolus  —  poscehat  angefügt' (wi« 
z.  B.  A.  2,  80  ein  Satz  mit  mm  nur  einen  Satztheil  begründet,  vgl  A.  2, 68); 
und  auch  dieser  steht  nicht  ausdrücklich  im  Verhältnis  der  Conoenion  sA 
ihm  —  s.  Kritz  zu  Tac.  Agr.  3  —  sondern  ist  wol,  wie  es  auch  an  der 
oben  citierten  Stolle  ist,  ohne  Rücksicht  auf  den  folgenden  angelegt  Im 
übrigen  dürfte  hier  tarnen  mit  *denn  doch*  zu  übersetzen  sein,  s.  Bremi 
zu  Suei  Oct.  91.  Der  Comparativ  occiütior  ist  sehr  gut  von  Nipperdey 
gerechtfertigt. 

A.  4,  12.  Neque  spargi  ucnenum  in  tres  poterat,  egregia  CHStodmn 
fide  et  ptidicUia  Agrippifxae  inpenetrabüi,  Igitur  cantumaciam  inuB  in- 
sectari,  uetus  Augustae  odium  recentem  Liuia^  canscientiam  exagUare^ 
ut  8uperhiam  fecunditate  suhnixam  popidaribus  studiis  inMare  domif 
fuUioni  apud  Camrem  arguerent  Atque  haec  callidis  criminatorir 
bus,  inter  qms  delegerat  luliiim  Postimium  per  aduUerium  MiUiUa€ 
Priscae,  itUer  intimos  auiae  et  consiliis  suis  peridoneum,  ^ficta 
Prisca  in  animo  Augiistae  ualidaj  apium  suapte  natura  potentiae  anximü 
insodabüem  nurui  efficiehat  Dass  superbiam  richtig  in  superbam  geändert 
ist,  haben  auläcr  Roth,  der  durch  Annahme  eines  metonymischen  G^brau* 
ches  (s.  dessen  Excurs  V  zu  Agricola  S.  121  ff.)  das  Substantiv  halten  will, 
alle  neueren  Herausgeber  zugegeben.  Die  Schwierigkeiten  der  Stelle  liegen 
einerseits  in  atque  Mec  callids  criiniiuUoribus,  wozu  man  thcils  agere  ver- 
steht (Ritter  hat  commisit  nach  callidis  direct  in  den  Text  gesetzt),  wäh- 
rend Orolli  und  Haase  mit  Walther  atque  liaec  (»  xai  javxa)  im  Sinne 
von  *und  zwar'  lassen,  andere,  wie  Emesti,  Bekkcr,  atque  haec  -■  adque 
haec  construiercu,  endlich  Roth  nach  älteren  luxec  als  fem.  sing,  von  der 
Li  via  versteht  und,  wie  im  obigen  ist,  interpungiert,  damit  als  Prädicat 
efficiebat  verbindet,  tirährend  quia  —  ualida  zu  consiUis  suis  peridoneum 
bezogen  wird.  Nipperdey  stöfst  sich  ferner  an  uUer  intimos  auiae  et 
cansüiis  suis  peridotieum,  weil  dann  Julius  Postumus  die  Augusta  hätte 
selbst  aufreizen  können  und  seine  Brauchbarkeit  nicht  allein  in  dem 
Einfluss  der  Prisca  auf  die  Augusta  bestanden  hätte,  und  schreibt  inter 
intimos  auiae,  consiliis  suis  peridoneum,  was  Roth  zu  billigen  scheint 
Endlich  ändert,  ohne  dass  der  Grund  abzusehen  ist,  Ritter  auiae  in  Liuiae. 
Die  Aenderung  Nipperdey's  scheint  mir  unmöglich,  weil,  wenn  Postnmus 
blofs  durch  die  Prisca  brauchbar  ist,  er  kaum  mehr  criminator,  geschwelge 
caUidus  criminator  zu  nennen  ist  und  inter  intimas  auiae  neben  Prisca  in 
anitHO  Augusta  ualida  tautolog  wäre.  Eine  nähere  Betrachtung  der  Stelle 
wird  die  Zulässigkeit  der  handschriftlichen  Leseart  darthun  und  zugleich 
zeigen,  dass  die  Auffassung,  wonach  Juiec  von  der  Livia  gesagft  ist,  die 
der  Stelle  angemessenste  ist.  —  Sejan  will  durch  Livia  und  die  Augusta 
auf  Tiberius  einwirken.  Auf  diese  beiden  braucht  er  nicht  durch  crtmi- 
tiatores  zu  wirken,  da  er  mit  der  Livia  ja  alles  vereint  hat,  c3:  Hanc.,\ 
ad  adulterium  (so  Nij^perdey  statt  adalterio,  vielleicht  unnöthig,  s.  Roth*« 
XII.  Excurs  zu  Agricola  S.  161  f.)  pcllexit;  et  postquam  primi  flagitii  po* 
titus  est . , ,  ad  coniugii  spem,  consortium  regni  et  necem  mariii 
impulit.  Es  kann  also  durch  crimiiuUores  nur  auf  die  Augusta  gewirkt 
werden,  denn  an  anuüttelbaro  Einwirkung  derselben  auf  Tiberio»  ift,  da 


Cornelius  Tacituä,  erkl  v.  K,  Nipptrdeyy  ang.  v.  L.  Vielhaber.    S55 

nach  der  Stauung  der  Sätze  haec  sich  nur  au  die  Werte  uetm  Äugustae 
odktm  recenUm  Liuiae  conscienHam  exagäare  anschliersen  kanu,  nicht  zu 
denken.  Sejan  geht  offenbar  so  vor.  Er  selbst  wirft  bei  Tiberius  nur  Worte 
über  die  cotUumacia  der  Agrippina  hin,  vgl.  1,  69  (selbst  4,  59  geht  er 
noch  ni^t  direct  vor),  die  schwereren  Vorwürfe  gegen  Agrippina  und  ihre 
Kinder  sollen  von  anderer  Seite  kommen.  Am  passendsten  dazu  ist  die 
Mutter  des  Kaiser»,  die  allein  noch  gröfseren  Einfluss  als  er  selbst  hatte, 
8. 5,  3.  Er  will  sich  persönlich  nicht  blorsstellen  und  will  nur  indirect  auf 
die  Augusta  wirken.  Und  zwar  leitet  die  Intriguo  Livia,  welche  durch 
allerlei  Verleumder  die  Agrippina  bei  der  herrschsüchtigen  alten  Kaiserin 
(TgL  4f  67)  des  Strebens  nach  der  Gewalt  für  ihre  Söhne  beschuldigen  lässt. 
Einer  der  bedeutendsten  dieser  Intriguanten  war  Julius  Postumus,  der  die 
Pläne  der  Livia  und  des  Sejan  deshalb  am  besten  fördern  konnte,  weil  er 
einerseits  selbst  zu  den  Vertrauten  der  Augusta  gehörte,  anderseits  seine 
Einfl&sterungen  noch  bekräftigt  werden  konnten  durch  die  bei  der  Kaiserin 
Mutter  einflussreiche  Mutilia  Prisca,  mit  der  er  im  ehebrecherischen  Ver- 
hiltiüsse  stand,  idanei  wären  auch  andere  inter  intinws  auiae,  peridaneus 
ist  Postumus  durch  sein  Verhältnis  zur  Prisca.  Die  Worte  quia  —  uaUda 
sind  also  Erklärung  des  peridaneum,  per  aduUerium  MiUüiae  Friscae  ge- 
hört zu  ddegerai  im  causalen  Sinne,  vg].  A.  15,  71.  H.  1,  25  und  die  von 
Bötticber  s.  v.  2)  angeführten  Stellen  A.  3,  14.  14,  50.  Wegen  der  Tren- 
nung der  Apposition  von  ihrem  Beziehungswort  s.  Seyffert  zu  Cic.  L»L 
1,  4.  S.  20. 

A.  4,  25.  Infensus  mües  ttheitwria  laborum  et  adoersum  elu- 
deniia  tatiem  optatae  pugtiae  se  quisqite  tdtione  et  sanguine  explebant. 
Nipperdey  läset  aduersum  eludentis  von  dem  nach  et  («-'unddas')  wieder- 
holt zu  denkenden  laborum  abhängen.  Aber  für  die  Soldaten  ist  es  ziem- 
lich gleich,  ob  der  die  Anstrengungen  verursachende  Feind  Tacfarinas  oder 
ein  anderer  ist,  genug  dass  sie  dieselben  zu  ertragen  haben;  dagegen  er- 
wartet man  eine  Bezeichnung  der  Gemüthsstimmung  der  Soldaten  gegen 
die  Feinde,  die  ihnen,  so  oft  sie  auch  dieselben  in  Händen  zu  haben  glaub- 
toi,  immer  entkommen  waren,  vgl.  Agr.  27  a.  A.  32,  34  u.  ö.  Diese  wird 
bezeichnet,  wenn  man  ciduersum  eludentes  dem  infensus  coordiniert  fasst 
nach  dem  bei  Tacitus  sehr  häufigen  Gebrauch  so  zu  construieren ,  als  ob 
äv  (6vfH)  da  stünde.  Vgl.  A.  2,  3  perfugium  Amvenia  fuü,  tiacua  tunc 
inter que  Parthorum  et  Eomamaes  opes,  infida  ob  scelus  Antoniiy  qui 
ArUmasden,. .  interfecerat,  2, 4.  1,  41.  1,  53.  1,  64.  Sali.  J.  105,  4  quippe 
uictoribua  et  aduersum  eos,  quos  saepe  uiceratU,  welche  letztere  Stelle 
zugleich  denselben  Gebrauch  von  ciduersum  zeigt,  wie  unsere,  vgl  hiefÜr 
auch  noch  Nep.  Ham.  2,  2.  Tac.  A.  2,  59.  Agr.  12.  Also:  'der  Soldat  er- 
bittert durch  die  Erinnerung  an  seine  Mühsale  und  sich  denen  gegenüber 
sehend,  welche  so  oft  ausgewichen,  sättigte  sich'  u.  s.  w. 

A.  4,  32.  Non  tatnen  sine  usu  fuerü  introspicere  iUa  primo  aspectu 
lema,  ex  quia  magnarum  saepe  rerum  motus  oriutUur.  Nipperdey 
erklärt:  'grofse  Dinge  werden  in  Bewegung  gesetzt',  kaum  verständlich. 
Der  Zusammenhang  fordert  die  Deutung:  'es  entstehen  Bewegungen,  aus 
denen  giotse  Dinge  hervorgehen,'  Der  Genetiv  steht  ähnlich  wie  A.  1,  59 


SSd    Cornelias  Tacitus,  erkl.  v.  K.  Nipperdey,  aog.  v.  L,  VkMber. 


Segestem  flagitiosae  seruiiutis  ducem  und  1,  55,  wo  die 
cariUUis  ein  Band  bezeichnen,  das  Liebe  hervorruft.  An  solchen  Stellei 
steht  der  Gen.  zum  regierenden  Nomen  genau  im  selben  Verhftltnis  wie 
das  effective  Object  zum  Verb. 

A.  13,  15.  Nero  inteUeda  inuidia  odium  UUendit:  urgeniibutfite 
Agrippinae  miniSy  quia  niUlum  crimen  neque  iubere  caedem  fratris  ptiam 
awiehctff  occulta  molitur  pararique  uenenum  itibet  ministro  Poüiane  /«NO, 
praetoriae  cohortis  (nbuvo,  chUis  cum  attinehatur  damnata  uensfidi  no- 
mine Locttsttty  multa  scelervin  fama.  Nam  ut  proximus  qu%$que 
Britannico  neque  fas  neque  fidem  pensi  haheret,  olim  prth 
nisum  erat.  Frimum  uenenum  ah  ipsis  educatoribtis  aecepii 
tramisitque  ejcsoluta  aluo  jxirum  ualidum,  siue  temperamefitwfi  inerai,  ne 
siatim  saeuiret.  Die  Stellung  des  Satzes  Nam  —  proudsum  erat  ist  aif- 
fUlig.  Nipperdey  und  Eaiter  suchen  die  der  Handschrift  so  zu  vertheidi- 
gen,  dass  der  Satz  die  Erklärung  dafür  abgeben  sollo,  dass  nur  das  Gift 
herbeizuschaffen,  nicht  auch  Jemand  von  der  Umgebung  des  Britanniens 
zu  gewinnen  war.  Wenn  das,  so  ist  der  folgende  Satz  überflüssig  und  be- 
sonders ab  ipsis  educatoribus  auffallig.  Femer  setzte  eine  solche  Stellung 
voraus,  dass  auch  der  zweite  Gifb'ersuch  durch  die  nächste  Umgebung  des 
Britanniens  ausgeführt  wurde,  was  nicht  ist.  Der  richtige  Plats  dieses 
Satzes  scheint  mir  eine  Zeile  weiter  nach  unten,  nach  accepü  zu  sein. 
Nam  wäre  dann  als  Einleitungspartikel  der  Parenthesis  gebraucht,  wie  oll, 
z.  B.  A.  2,  51.  H.  1,  19.  1,  27.  1,  41;  vgl.  A.  1,  79.  16,  30. 

A.  15,  35.  Isdem  quippe  Ulis  diebus  Torquatus  Silanus  mori  ad- 
igitur  . . ,  lussi  accusatores  obicere  prodigum  largitionUHts ,  neque  tdiam 
spem  quam  in  rebus  nouis  esse,  qni  ne  innobiles  habere,  quos  ab 
epistulis  et  lUjellis  et  nUionibus  appeUet,  nomina  summae  curae  et  med^ 
tamenta.  Tum  intimus  quisque  libertorum  uincti  abreptique.  Der  Schlnsa- 
satz,  so  wie  die  16,  8  berichtete  Anklage  gegen  den  Neffen  des  Torqnatns: 
Ipsum  dehinc  Silanum  incre2mit  isdem  quibus  patruum  eius  Torqua- 
tum,  iamqtmm  disponeret  iam  imperii  curas  praeficeretque  raiionibus 
et  libellis  et  episttdis  Hb  er  tos,  so  wie  die  Folgerung,  die  der  Ankläger 
zieht,  zeigen  ganz  deutlich,  dass  Gronov  und  die  Bipontiner  unbediurt 
richtig  die  verdorbenen  Worte  unserer  Stelle  (nach  Ritter  ist  so  im  Medi- 
ceus  q  ne  \  In  nobües)  so  emendiercn  wollten,  dass  die  liberti  ausdrück- 
lich erwähnt  werden.  Wol  nur,  weil  der  Gronov'sche  Vorschlag  quin  eum 
domi  libertos  den  ungehörigen  Begriff  domi  enthält,  der  der  Bipontiner 
quin  eum  libertos  palieographisch  sich  nicht  erklärt,  hat  man  in  neaerer 
Zeit  allerlei  andere  Conjecturen  vorgebracht.  So  will  Kitter  sehr  matt: 
quin  eum  igjwbües,  Nipperdey:  quin  ne  occultet,  Halm:  quin  eum  in  uiU 
lis  u.  a.  Mir  scheint  nach  beiden  Richtungen  am  besten  zu  passen :  quin 
et  inter  libertos  habere,  quos  e.  q.  s. 

H.  1,  31:  Die  Handschrift  hat:  Dilapsis  spectdatoribus  cetera  cohon 
non  aspernata  contionantem ,  ut  turhidis  rebus  euentior  te  magi$  et 
non  nullo  adhuc  cansüio  par  aigna,  quod  postea  creditum  est  im- 
sidiis  ac  simuMione.  Dass  parat  und  euenü  forte  richtig  hergestellt  sind, 
ist  zweifellos.  Dagegen  wird  entweder  mit  Freinsheim  quam  Tor  quod^  so 


K  Berger,  Griech.  Grammatik,  ang.  v.  Ä.  Fleischmann,        857 

taeh  HeräoB  und  Bitter,  oder  mit  Kiefsling  non  eingeschaltet,  und  das 
Mon  vor  nuüo  gestrichen;  nur  Beroaldas  und  Walther  behalten  sowol  non 
«¥Mo,  als  sie  vor  quod  nichts  einsetzen,  schreiben  jedoch  timore  tnagis 
Ritter  endlich  in  seinem  Streben,  aus  Tacitus  einen  Quintilian  zu  machen, 
seilt  et  nach  contionantem  ein.  Nach  meiner  Ansicht  kann  man  nach 
Anfoahme  von  eueitU  forte  und  parat  bei  der  Ijeseart  der  Handschrift 
bleiben,  non  nuüo  aithuc  consUio  ist  im  Gegensatz  zu  c.  41,  wo  die  wach- 
habende Pratorianercohorte  beim  Anblick  der  anderen  Pratorianer-  und 
Legionarsoldaten  fast  willenlos  sich  ebenfalls  für  Otho  erklärte.  Es  heilet 
also:  *mehr  durch  Zufall  und  doch  noch  mit  einigem  (eigenen)  Entschluss*, 
so  dass  consüium  subjectiv  gebraucht  ist,  wie  in  den  Wendungen  uir 
maximi  consüti  Nep.  Timoth.  4,  5  (nach  der  neueren  Abtheilung),  consüii 
plenus  Nep.  Ale.  1,  2,  inops  comäü  Suet.  Nero  34,  und  Tac  A.  11,  32 
pKunguam  res  aduerme  consüium  eximerent.  —  magis  hat  nicht  seinen 
Gegensati  in  it^sidiis  ac  Simulationen  sondcra  es  steht  ohne  ausgedrücktes 
Vergleichungsglied  wie  oft  Comparative  A.  2,  35.  2,  56.  2,  25,  s.  Kritz  zu 
Agr.  19.  Bei  creditum  est  fehlt  der  Iniinitiv  factum  esse,  ähnlich  wie  c  .29 
Sextne  dies  agititr  commüitones,  ex  quo . . .  Ctesar  adscitus  sum,  quo  do- 
mus  nostrae  aut  rei  2)uhlicae  fato,  in  uestra  manu  positum 
esif  vgl.  für  Ellipsen  von  facere  (agerc)  auch  H.  1,  36.  1,  32.  A.  16.  19. 
Agr.  22.  Wex  und  Kritz  zu  Agr.  19.  Noch  leichter  ist  diese  Ergänzung 
hier,  wo  aus  dem  Verb  des  Hauptsatz  eiu  Infinitiv  in  den  Relativsatz  zu 
erganzen  ist,  s.  Fabri  zu  Liv.  21,  62,  7  und  zu  Sali.  J.  75,  7.  49,  2.  Sind 
diese  Erwägungen  richtig,  so  lässt  sich  demnach  die  handschriftliche  Leseart 
so  übersetzen:  'Obgleich  die  Ordonanzsoldaten  sich  fortgemacht,  wies  die 
übrige  Cohorte  den  Redner  nicht  zurück  und  begann,  wie  es  in  unruhigen 
Momenten  zu  gehen  pflegt,  mehr  durch  Zufall  imd  noch  mit  einigem 
eigenen  Entschluss  um  die  Feldzeichen  sich  zu  sammeln,  von  welcher 
Handlung  man  in  der  Folge  geglaubt  hat,  sie  sei  in  böser  Absicht  und 
zun  Scheine  geschehen.' 

H.  1,  45.  Mium  crederes  senatumy  idium  poptdum:  ruere  cuncti  in 
eatlra,  anteire  proximos,  certare  cum  praecurrentibus,  incre- 
pare  Gndbam,  laudare  militum  iudiciwn,  exosculari  (Hlwnis  manum.  Die 
Worte  anteire  —  jmtecwrreit^ifei«  scheinen  mir  so  zu  fassen:  'eilen  den 
nachstvorgehenden  voran,  zanken  mit  den  Vorlaufenden',  so  dass  das  erste 
vom  Standpunct  des  Vorlaufenden,  das  zweite  von  dem  dessen,  dem-  einer 
vortauft,  gesagt  wird.  Für  certare  ist  zu  vergleichen  A.  1,  29.  2,  30.  Für 
proximus  genügt  es  an  den  Ausdruck  iiroximus  lictor  zu  erinnern. 

Wien.  Leopold  Vielhaber. 

Griechische  Grammatik  für  den  Unterricht  auf  Gymnasien,  nebst 
einem  Anhange  vom  Homerischen  Dialekte,  von  Dr.  E.  Berg  er,  Rector 
am  Gymnasium  zu  Celle.  Dritte  verbesserte  Auflage.  34(.)  S.  8.  Celle, 
Capaun-Karlowa,  1865.  -  1  Thlr. 

Nachdem  die  lateuiiscbe  Grammatik  desselben  Hrn.  Vf.'i>  in  weiteren 
Kreisen  Beifall  gefunden,  verfasstc  er  nach  derselben  Methode  die  vor- 
liegende griechische,  von  der  Ueberzeugong  ausgehend,  dass  die  Erlernung 


S68       E,  Berger,  Griech.  Grammatik,  ang.  v.  Ai  FUisdimanH. 

der  beiden  classischen  Sprachen  wesentlich  erleichtert  und  gefördert  werde, 
wenn  der  grammatische  Unterricht  in  ihnen  möglichst  in  ■  Einklang  ge- 
bracht wird.  Der  Erfolg  beider  Grammatiken  (die  lateinische  ist  bereits 
in  4.  Aafl.  erschienen)  zeugt  von  der  Brauchbarkeit  derselben  und  von  der 
Zweckmäfsigkeit  der  üebereinstimmung  in  der  Einrichtung  und  Methode 
beider.  Die  vorliegende  ist  f&r  das  ganze  Gymnasium  bestimmt,  will  abelr 
den  Stoff  auf  das  dem  Schüler  nöthige  Mafs  beschränken.  In  letzterer  Be- 
ziehung geht  sie  aber  in  dem  Anhange  vom  Homerischen  Dialekte  zu  weit; 
es  fehlt  darin  die  Belehrung  über  manche  nicht  gerade  vereinzelt  stehen- 
den Erscheinungen,  wie  z.  B.  über  die  Formen  eines  Aor.  L,  in  denen  die 
Bindevocale  und  zum  Theile  auch  die  Endungen  eines  Aor.  IL  erscheinen; 
über  nicht  wenige,  durchaus  nicht  seltene,  aber  scheinbar  sehr  unregel- 
mafsige  Formen.  Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  rationel  und  übersichtlieh ; 
besonders  verdienen  in  dieser  Hinsicht  die  Abschnitte  über  die  Aeoent- 
veränderungen,  die  Apposition,  über  den  Gebrauch  des  doppelten  AccusatiTa, 
des  prädicativen  Partidps  hervorgehoben  zu  werden.  Auch  der  Druck  trigt 
zur  üebersichtlichkeit  bei  Die  Regeln  zeichnen  sich  durch  Kürze  und 
Klarheit  aus;  nur  in  äuTserst  seltenen  Fällen  ist  die  Kürze  übertrieben, 
wie  §.  275.  A.  6.  „Der  Aor.  steht  bei  Absendung  von  Personen  und  Brie- 
fen.** Ausdrucksweisen,  welche  vom  Deutschen  abweichen,  werden  wo  mög- 
lich durch  Vergleichung  mit  dem  Lateinischen  erläutert. 

Neben  diesen  Vorzügen  des  ganzen  Buches  finden  sich  manche  in 
der  Besprechung  der  einzelnen  Theile  anzuführenden  Einzelheiten,  die  in 
einer  3.  Auflage  befremden  müssen.  Die  Darstellung  der  Declination  schlielM 
sich  wesentlich  an  die  von  Gurtius  an.  Abweichend  von  diesem  ist  die 
logisch  unrichtige  Eintheilung  der  oonsonantischen  Stämme  in:  1.  liquid*-, 
2.  muta-,  3.  doppeloonsonantische,  4.  synkopierte  Stämme.  §.  53.  5.  B  wer- 
den die  in  einer  solchen  Grammatik  gar  nicht  anzuführenden  Aco.  FL 
ßoas  und  yQnag  an  erster  Stelle  angeführt  und  mit  diesen  ßovs  und  y^ut 
durch  das  Gleichheitszeichen  verbunden,  als  wären  diese  aus  jenen  dorch 
Contraction  zu  erklären.  §.  53.  7.  werden  die  Wörter  auf  ttg,  Genit  •»?, 
wie  fjorng,  &i6s;  ebenso  die  auf  tag  und  a>,  Genit.  ovt;,  wie  n/JoK»  ntt^ 
auf  Sigmastämme  zurückgeführt,  im  Widerspruch  sogar  mit  dem  von  Ber^ 
ger  und  Heidelberg  früher  herausgegebenen  Uebungsbuch.  —  Im  Yerbum 
ist  eine  genauere  Behandlung  der  Stämme  wünschen^wörth.  Die  Verstirb 
kung  der  Stämme  durch  £  ist  wol  zu  unterscheiden  von  der  durch  i  oder 
eigentlich  j.  Wenn  es  nun  §.  100.  b  heifst:  „der  ursprüngliche  Stamm  wird 
verstärkt  durch  Einschiebung  eines  e  oder  »,''  so  wird  der  Schüler  nicht 
begreifen,  warum  der  Stamm  von  U^jito  Xm ,  von  aneCqta  aber  amg  ist 
Der  weit  reichende  Einfluss  des  j  ist  überhaupt  nicht  berücksichtigt,  dadurch 
aber  die  Einsicht  in  die  Präsens-  und  die  Wortbildung  der  Guttural-, 
Dental-  und  Liquida-Stämme  beeinträchtigt.  §.  104  wird  behauptet,  dass 
viele  zweisilbige  Verba  muta  mit  dem  Stamm vocal  e  im  Aor.  IL  den  Ab- 
laut annehmen;  es  sind  aber  wol  nur  die  fünf:  TQinto^  ajQiffto,  rqdfm^' 
xXiTTtta,  nUxto,  Auch  verlangt  die  Einheit  der  Methode  hier,  wie  im  §.  112, 
von  einsilbigen  Stämmen  und  nicht  von  zweisilbigen  Verben  zu  sprechen. 
Mit  den  Stämmen  hat  sich  der  Hr.  Vi  nicht  vollkommen  befreundet  Nach 


K  Berger,  Griecb.  Grammatik;  ang.  v.  A,  Fleischmann,        850 

§;  168  gehen  die  Stammd  der  Adjectiva  wie  aXfi&i^s  auf  €  aus,  während  sie 
lach  §.  53.  6  b  richtig  als  auf  f^  ausgehend  angegeben  werden.  In  der 
Wortbildung  wird  meist  von  Stämmen  gesprochen,  aber  nicht  immer  darauf 
mrftckgegang^;  z.  B.  §.  170  werden  die  Verba  desiderativa  auf  attio  aus 
dem  Fat  der  Stammwörter  gebildet,  §.  177  wird  zu  der  Regel  (von  der 
Zannmi6n«)etzung  von  Nominibus  und  Verbis)  „der  blofse  Stamm  des  ersten 
Wortes  wird  dem  zweiten  ohne  Bindevocal  vorgesetzt**  als  Beispiel  auch 
fOfi^a^XI^  angefahrt,  wo  die  Bemerkung  nicht  fehlen  darf,  dass  das  o 
des  Stammes  vor  Vocalen  ausfällt;  dann  wird  ohne  Noth  als  ein  besonde- 
rer Fall  angeführt:  „Wörter  auf  k  nnd  vg  stofsen  das  (T  ab,  wie  TroXi- 
itoff&os,  vau-fiax^Uf*^  Beispiele,  die  gerade  die  angeführte  Regel  beweisen. 
Ebenso  muss  der  Schüler  irre  werden,  wenn  zu  der  zweiten  Regel:  „der 
Stamm  des  Wortes  wird  vermittelst  eines  o  angefügt  ,**  ohne  weitere  Be- 
merining  das  Beispiel  rjfjKQ-o^QOfAog  angeführt  wird,  als  ob  i)fc€^  der 
Stamm  wäre.  Sonderbar  und  abweichend  von  dem  in  der  Declination  ge- 
ngten  ist  das  Beispiel  xgeonpayog  zu  der  Bemerkung:  Wörter  der  attischen 
Dedination  haben  meist  (o  statt  o. 

Für  die  Tempuslehre  wird  der  Grundsatz  aufgestellt:  jede  Hand- 
lung . . .  kann  vorgestellt  werden  entweder  als  dauernd  (unvollendet)  oder 
als  vollendet.  Demnach  wird  dem  Aor.  die  in  der  Vergangenheit  vollendete 
Handlang  beigelegt.  Aber  wie  verträgt  sich  damit  §.  281 ,  nach  welchem 
die  Nebenmodi  des  Aor.  in  Haupt-  und  verschiedenen  Nebensätzen  die 
Handlang  als  zeit-  und  dauerlos  hinstellen  und  das  blo/se  Eintreten  der- 
selben bezeichnen?  —  Von  diesen  Mängeln  abgesehen,  ist  das  Buch  sehr 
bnuchbar.  Wir  bemerken  noch,  dass  die  Beispiele  in  der  Syntax  durchaus 
dassisch  und  interessant  sind.  Eine  gute  Beigabe  ist  die  Erklärung  einiger 
grammatischer  Eigenthümlichkeiten,  UnregelmäTsigkeiten  und  grammati- 
sehor  Figuren. 

üebimgsbüeher  zu  der  griechischen  Grammatik  von  E.  Berg  er. 
in  drei  Cursen  herausgegeben  von  Dr.  Ernst  Berg  er,  Rector,  und 
Heinr.  Heidelberg,  Oberlehrer.  Erster  Gursus:  Anleitung  zum 
üebersetzen  aus  dem  Griechischen  in*s  Deutsche  und  aus  dem  Deutschen 
in's  Griechische,  für  Quarta  bearbeitet.  Zweite  völlig  umgearbeitete 
Auflage.  131  S.  15  Sgr.  Zweiter  Cursus:  Anleitung  zum  Üeber- 
setzen aus  dem  Deutschen  in's  Griechische,  für  Tertia  bearbeitet 
Als  Anhang:  Einzelne  syntaktische  Regeln.  92  u.  ö6  S.  (3elle,  Schulze, 
1863.  -20  Sgr. 

Die  Hrm.  Vf.  haben  es  unternommen,  in  drei  auf  einander  folgen- 
den Cursen  den  für  die  drei  ersten  Jahre  des  griech.  Unterrichtes  zur  Ein- 
Qbung  der  griech.  Sprache  erforderlichen  Stoff  zusammenzustellen,  zunächst 
mit  Rücksicht  auf  diejenigen  Anstalten,  an  denen  die  griech.  Grammatik  von 
£.  Berger  eingeführt  ist,  in  der  Voraussetzung,  dass  ihnen  üebungsbücher, 
die  sich  dem  Gange  dieser  Grammatik  anschliefisen ,  erwünscht  sein  dürf- 
ten, dann  auch  mit  Rücksicht  auf  andere  Anstalten,  weil  gerade  bei  sol- 
chen Büchern  ein  häufiger  Wechsel  wünschenswerth  sei.  Von  den  zwei 
vorliegenden  Bändchen  enthält  das  erste  nicht  nur  griechische  und  deutsche 
Sitee  mit  den  d|uu  gehörigen  Vocabeln,  die  jedem  Absätze  vorangeschickt 


SCO        E,, Berger,  Griech.  Grammatik,  ang.  y.  A.  FleitchmafUL 

werden,  zur  Einübung  des  für  unsere  dritte  Classe  Torgeüchriebenen  gram- 
matischen Lehrstoffes,  sondern  auch  deutsche  Sätze  zur  Einübung  der  YeilNi 
auf  ^i  und  der  am  häufigsten  vorkommenden  unregelmäfsigen  Verba,  fer- 
ner S.  71  —  96  den  Argonautenzug  und  den  Mythus  vom  Herakles  nach 
Apollodor,  als  eiste  Leetüre  und  Uebungsstoff  für  die  unregelmaAigen 
Verba  und  die  auf  ^tit,  endlich  die  Präpositionen,  ein  Wörterbuch  mm 
Lesebnehe,  ein  griechisches  und  ein  deutsches  WortreglBter.  —  Der  ftr 
das  zweite  Jahr  bestimmte  Cursus  schliefst  sich  in  Methode  und  Anord« 
nung  dem  ersten  Cursus  genau  au,  enthält  also  wieder  Beispiele  über  alle 
Redetheilc  von  der  A-Declination  angefangen,  da  es  die  Hauptaufgabe  dieeer 
Classe  sei,  die  Formenlehre  in  umfassenderer  und  ausfülürlicherer  Weise 
dem  Schüler  einzuprägen;  aber  es  enthält  nur  Beispiele  zum  Uebersetsen 
aus  dem  Deutschen  in's  Griechische,  weil  der  Schüler  dieser  Classe  schon 
zur  Leetüre  der  leichteren  Schriftsteller,  wie  Xenophons  Anabasis  hinge- 
führt werde ;  deshalb  solle  derselbe  jetzt  auch  schon  mit  den  allgemeineren 
und  wichtigeren  Regeln  der  Syntax  wenigstens  gelegentlich  vertrant  ge- 
macht werden.  Zu  diesem  Zwecke  ist  den  Uebungon  ein  Abriss  der  grieoh. 
Syntax  beigegeben  und  darauf  in  den  Anmerkungen  verwiesen.  Durch  diesen 
Anhang  soll  der  Gebrauch  der  Uebuugen  auch  an  jenen  Anstalten  möglich 
gemacht  werden,  wo  die  Grammatik  von  £.  Borger  nicht  eingeführt  ist 

Aus  dieser  Inhaltsanzeige  ist  ersichtlich,  dass  die  Uebungsbttcher 
für  unsere  Gynmasieu  nicht  verwendbar  sind,  weil  bei  uns  der  Lehrstoff 
zwischen  die  zwei  entsprechenden  Classen  anders  vertheilt  ist;  denn  wenn  anoh 
der  üebungsstoff  beider  Bändchen  zusammen  dem  Lehrstoff  unserer  dritten 
und  vierten  Casse  entspricht,  so  wäre  doch  eine  Combination  der  beiden 
Bücher  nicht  durchführbar,  weil  schon  die  ersten  Beispiele  des  zweiten 
Bändchens,  obgleich  auch  zur  ersten  Declination  gehörig,  ganz  andere  Vor- 
kenntnisse voraussetzen.  An  sich  aber  ist  diese  Eintheilung  und  Methode 
zu  billigen.  Kef.  hält  es  für  möglich,  den  von  dem  Uebungsbuche  für  das 
erste  Jahr  vorausgesetzten  Lehrstoff,  nämlich  den  Grundriss  der  gnnien 
Formenlehre,  einer  nicht  überfüllten  Classe  beizubringen  und  das  Uebungs- 
buch  durchzuarbeiten.  Daraus  würden  aber  bedeutende  Vortheile  resultie- 
ren. Man  könnte  schon  gegen  den  Schluss  des  ersten  Jahres,  sobald  die 
Verben  auf  /li&  eingeprägt  wären,  den  Schülern  die  Uebung  an  einielnen 
griechischen  Sätzen  ersparen  und  sie  in  die  zusammenhängende  Lectikie 
einführen,  wozu  der  aus  Apollodor  gebotene  Stoff  wie  geschaffen  ist;  man 
könnte  schon  im  ersten  Semester  des  zweiten  Jahres  die  Leetüre  von  der 
Anabasis  Xenophons  beginnen ,  der  bei  uns  oft  nur  im  ersten  Semester  der 
fünften  Classe,  also  in  zu  geringem  Umfange,  gelesen  wird ;  daneben  mftsrte 
aber  flelTsig  aus  dem  Deutschen  in's  Griechische  übersetzt  werden.  Denjenigen 
Anstalten  also,  die  nach  dieser  Methode  vorgehen  können,  sind  die  Büdier 
zu  empfehlen.  Die  Beispiele  sind  meist  historischen,  mythologischen,  nator- 
geschiohtlichen  Inhaltes.  Im  ersten  Theile  scheint  die  Zahl  der  jedem  Ab- 
schnitte vorausgeschickten  Vocabeln  zu  grol^  zu  sein;  es  kommen  darin 
auch  solche  Wörter  vor,  welche  aus  der  Grammatik  bekannt  sein  mfiiseB, 
manches  Wort  wird  zu  oft  angeführt  Im  zweiten  Theile  ist  der  Anhnng 
einzelner  syntaktischer  Regeln  (56  S.)  jedesfiEdls  überftüisig.  Entweder  wird 


/m.  SccHigeri  potmata  etc.,  an^.  v.  K,  tSchenkl  Ml 

der  Oebnudi  der  Grammatik  von  E.  Berger  vorausgesetzt  oder  nicht.  Im 
enteil  Fdl  können  die  Regeln  gleich  aus  der  Grammatik  gelernt  werden> 
im  anderen  Falle  wäre  der  Gebrauch  dieses  Anhanges  noch  weniger  zweck« 
m&Mg,  weil  der  Schüler  die  Sjntaz  in  allen  Classen  nach  einem  System 
und  einer  Fassung  lernen  und  an  denselben  Beispielen  festhalten  soll 
Wien.  A.  Fleischmann. 


Josephi  Scaligeri  po€f>iata  omnia.  Ex  maseo  Pdri  Scriverii. 
editio  altera,  BeroÜni,  A.  Bath  (Müllers  Sortimentsbuchhandlung), 
MDCCCLXIV.  412  S.  8.  -  1'/,  Thlr. 

Es  ist  gewiss  eine  sehr  erfreuliche  Sache,  dass  sich  in  der  neuesten 
Zeit  die  Aufinerksamkeit  der  gelehrten  Welt  wieder  denjenigen  grof^n  Phi- 
lologen des  15.  und  16.  Jahrhundertcs  zuwendet,  die  man  eine  Zeit  lang 
nicht  nach  Gebühr  gewürdigt,  ja  oft  geradezu  ganz  vemachlässigt  hatte. 
Die  trefflichen  Monogmphien  über  Gelehrte  dieser  Art,  welche  in  der  jüng- 
sten. Zeit  erschienen  sind,  liefern  nicht  blofs  ein  treues,  durch  keine  Partei- 
leidenschaft  getrübtes  Bild  dieser  Männer,  sondern  legen  auch  die  Grund- 
steine zu  einer  gerechten  Anforderungen  entsprechenden   Geschichte  der 
classischen  Philologie,  die  uns  bisher  noch  immer  mangelt.    Es  genügt, 
nuitfJ  für  den  Zweck  der  vorliegenden  Anzeige,  auf  die  treffliche  Biographie 
des  Joseph  Justus  Scaliger  von  J.  Bcmays  (Berlin  1855)  zu  verweisen,  wel- 
ehes  Bach  eine  wahre  Ehrenrettung  dieses  grofsen  Charakters  gegenüber 
den  Verleumdungen  enthält,  die  mehr  als  drei  Jahrhunderte  eine  richtige 
Wüidigong  des  Mannes  unmöglich  gemacht  hatten.    Begreiflicher  Weise 
wendet  sidi  auch  gegenwartig  das  Interesse  wieder  den  Schriften  dieses 
Gelehrten  zu,  deren  man,  da  sie  lange  Zeit  nicht  gelesen  wurden  und  da- 
her nur  in  den  alten  Ausgaben  vorhanden  sind,   ofk  nur  schwer  habhaft 
werden  kann.  Man  wird  es  somit  nur  gerechtfertigt  finden,  wenn  man  von 
wichtigen  Schriften,  deren  alte  Ausgaben  gegenwärtig  sehr  selten  gewor- 
den sind,  neue  Auflagen  veranstaltet,  und  von  diesem  Standpuncte  aus 
mnas  man  das  vorliegende  Buch,  eine  neue  Ausgabe  der  Scaliger*schen 
(Gedichte  (Originale  und  Uebersetzungen)  nur  willkommen  helfen.   Frei- 
liÄ  iat  dasselbe  nichts  anderes,  als  ein  getreuer  Abdruck  der  Sammlung, 
die  Petras  Scriverius  veranstaltet  und  1615  zu  Leyden  (ex  officina  Plan- 
tinian»  Baphelengii)  herausgegeben  hat  (vgl.  Bemays,  Scaliger  S.  901  ff.). 
Oiea  besagt  auch  cÜe  kurze  Notiz  am  Schlüsse  des  Buches  p.  411:   rtQui 
fiagulairum  carrigendarum  onus  in  we  mscepi,  testor  hca  in  hoc  wZt*- 
wme  äliqmt  iwoemri  desperata  et  quae  ni9i  Scaligeri  mmm  mspecta  non 
videamhir  tanari  passe,    His  igUur  medehuniur  qui  se  passe  confident 
Q%»od  M  interdum  antiquo  U9u  valere  iusso  eam  quam  nunc  sequimur 
•eribendi  eansuetudinem  intulisse  deprehenstts  era,  spera  fore  ut  ab  iis 
txemur,  qm  mea  cura  effeetum  esse  meminerint,  ut  non  modo  cammode 
legi  Über  possit  antea  sordibiis  Raplielengii  squalens,  sed  omnino  ut  legi 
pomt  qui  vix  inveniebatur,*^   Nur  hie  und  da  findet  sich  in  Klammern  ein 
fehlendes  Interpunctionszeichen  oder  die  Verbesserung  eines  Druckfehlers 
beijSvftIgt,   wobei  aber  der  Corrector  nicht  immer  das  richtige  getroffen 


Mt  Jos,  Sealigeri'  poemata  etc,,  ang.  v.  K.  StimKL 

bat.  So  ist  z.  B.  in  dem  aTQtafjitnfvg  nKQOtfu&v  ififiirQmr  p.  154, -L  15 
statt  Trpo  nicht  TrQo^,  sondern  thqC  zu  schreiben  (Tgl.  Zenob.  lY,  100), 
eben  daselbst  1.  29  statt  v&x^  nicht  vixii,  sondern  ri»^  o.  dgL  Ebenso  in- 
oonsequent  ist  auch  die  Schreibweise:  S.  249 ,  1.  18  steht  x^r  (d.  L  Mtl 
ittv),  S.  251,  4  xriv;  S.  249,  81  xccnoro^o^  rlg  axova^,  S.  250, 15  tpows 
<f^  (statt  (f>6t)a^€)y  während  in  anderen  Fällen  die  richtige  Betonung  her- 
gestellt ist  u.  dgl.  Da  nun  der  Druck  in  der  Ausgabe  des  Scriverius  äobent 
incorrect  ist  und  in  der  neuen  Auflage  so  wenig  zur  Verbesserung  dar 
Fehler  geschehen  ist,  so  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  weni^  wir  fast 
auf  jedem  Blatte  Fehler  linden,  die  sich  mit  der  leichtesten  Mflhe  h&tteii 
verbessern  lassen.  Denn  dass  daran  nur  der  elende  Drucker,  nicht  aber  Sca- 
liger selbst  die  Schuld  trägt,  unterliegt  keinem  ZweifeL  So  steht,  z.  B.  in 
der  Uebersetzung  der  Disticha  Catonis,  S.  248,  1.  1  ipQaaafievog  statt 
if-gaaadfisvos,  S.  249,  1.  7  lari  statt  iariv,  L  17  fj&ea  r*  statt  ^S^id  t\ 
L  24  ilviiQ  statt  ttviiQ,  L  29  cuV  xal  statt  tos  xal,  S.  250,  L  8  «vr^  statt 
avT^,  1.  33  aitov,  wofür  man  wol  ontav  schreiben  muss  u.  dgL  Und  w» 
finden  sich  überall  Fehler,  besonders  auch  in  der  Abtheilung  der  Wörter 
und  der  Interpunction,  z.  B.  S.  290,  1.  3  in  dem  Epigramme  des  Hege- 
sandros  Planipedatque  lucernitui  statt  Planipedfxtgue  lucemitm  (griechiseh 
nvTjhnoxtußUnÜaioi  Athen.  IV,  162,  a),  S.  292,  v.  41  des  Aias  Lorarios : 
Achiüia  arma,  addicta  tion  sibi  ddet,  wo  der  Beistrich  nach  arma  fehlen 
sollte,  S.  293,  t.  77  Frustra  vereria,  non  mr  idem  est  qui  prius. ,  wo  am 
Schlüsse  vielmehr  ein  Fragezeichen  zu  setzen  ist,  u.  dgl.  m.  Man  sieht 
aus  dem  gesagten,  dass  bei  dem  neuen  Abdrucke  die  Hand  eines  tüchtigm 
Philologen  hätte  thätig  sein  sollen,  um  das  schwere  Unrecht  gut  in  machen, 
das  in  der  Ausgabe  von  Scriverius  an  der  Scaliger'schen  Muse  verftbt 
worden  war. 

Die  vorliegende  Sammlung  zerfallt  in  zwei  Haupttheile,  deren  erster 
die  Originalgedichte  Scaligers,  der  zweite  die  Uebersetzungen  in*s  Grio* 
chische  und  Lateinische  enthält  Die  eigenen  Gedichte  Scaligera  sind 
mMstentheils  Gelegenheitspoesien:  Epithalamien,  Genethliaken,  Widmnngsn, 
sogenannte  Enoomia  libromm,  die  man  sich  nach  der  damaligen  Sitte  um 
seinen  Freunden  erbat,  um  sie  als  eine  Empfehlung  an  die  Spitze  Beiner 
Werke  zu  stellen,  Briefe,  satirische  Ergüsse.  Daran  schliefen  sich  gWH 
mische  Gedichte,  Epigramme  verschiedener  Art,  Paraphrasen  und  Parodüen 
von  antiken  Dichtungen,  Endlich  findet  sich  hier  noch  eine  Sammlimg 
von  griechischen  Sprichwörtern  in  verschiedenen  Versmafben  xnaammen« 
gestellt  unter  dem  Titel:  £TQWf4aTevs  nnQoifitwv  i/^/^ir^ary,  die  von  den- 
jenigen, welche  sich  mit  dieser  Literatur  beschäftigen,  wohl  beachtet  wer^ 
den  sollte  (vgl.  Bemays  Scaliger  S.  225).  Alle  diese  Gedichte  beweisen  die 
tiefe  Vertrautheit  des  groX^n  Philologen  mit  Sprache  und  Stil  der  Alten 
und  zeichnen  sich  durch  treffenden  und  kräftigen  Ausdruck,  durch  elegtnt« 
Darstellung  imd  durch  die  Meisterhaftigkeit  aus,  mit  welcher  die  Metra 
behandelt  sind.  Denn  die  Metrik  ist  auch  eines  der  Gebiete,  auf  denea 
der  Genius  von  Scaliger  machtig  hervortritt  (vgl.  Bemays  S.  110).  Dir 
gegen  fehlte  es  Scaliger,  um  ein  wahrer  Dichter  zu  sein,  offenbar  an 
)Mh5pferischer  Phantasie,  und  man  wird  daher  dem  Avssj^che  Baitl9% 


Jos.  Setdi^  poemaia  etc.,  ang.  v,  K.  Schenkl,  SM 

der  ihn  a  very  great  poet  nennt  (opp.  ed.  Lips.  p.  Ib5),  schwerlich  bei- 
gtunmen  können.  In  der  vorliegenden  Ausgabe  sind  8.  46  und  47  die  un- 
gemein herben  Skazonten  auf  Rom,  die  Scaliger  bei  seinem  Abschiede  von 
dieser  Stadt  im  Jahre  1566  dichtete,  aufgenommen  worden*).  Scriverius 
hatte  sie  in  seiner  Sammlung,  getreu  seinem  Grundsatze  die  acerbiora 
nicht  n  herücksichtigen,  ausgelassen.  Auihahme  hätten  wol  noch  verdient 
die  Verse,  welche  Scaliger  an  die  Gattin  des  Marquard  Freher,  Margarita, 
richtete  (vgl.  epp.  p.  487,  Bemays  S.  184  ff.)  und  das  kynische,  aber  witzige 
Epigramm  auf  den  simia  Thomas  Lydiat  (Bemays  S.  180). 

Was  die  Uebersetzungen  anbetrifft,  so  finden  wir  hier  griechische 
Uebertragung^n  von  einer  ziemlichen  Anzahl  der  Epigramme  des  Martial, 
der  Sprachsammlung,  die  unter  dem  Namen  des  Publius  Syrus  geht,  der 
Disticha  des  Dionysius  Cato  und  einzelner  Stücke  verschiedener  lateinischer 
Dichter.  Darunter  sind  die  Uebersetzungen  des  Syrus  und  Cato  am  meisten 
gelungen.  Viel  interessanter  sind  aber  die  Uebertragungen  griechischer 
Schriftwerke  in*s  Lateinische,  wie  der  Kasandra  des  Lykophron,  der  soge- 
aannten  Orphischen  Hymnen  und  des  Aias  des  Sophokles,  wobei  Scaliger 
Mine  Kenntnis  des  alten  Latein,  die  er  in  seineu  Arbeiten  über  Varro 
und  Festos  so  glänzend  bewährt  hat,  entfaltet  Dazu  kommen  noch  Nach- 
bildungen vieler  Epigramme  der  griechischen  Anthologie.  Was  den  Aias 
Loiarins  anbetrifft,  so  bemerkt  Bemays  (S.  121),  dass  diese  Uebersetzung 
auch  wol  einen  Werth  für  die  Kritik  habe  und  es  somit  der  Mühe  werth  wäre, 
aus  Scaligers  Latein  die  von  ihm  befolgten  griechischen  Lesearten  zu  er- 
mitteln. Ohne  uns  nun  an  ein  solches  Unternehmen  zu  wagen,  für  welches 
auch  hier  kaum  der  geeignete  Ort  wäre,  können  wir  doch  durch  einige 
Beispiele  beweisen,  dass  diese  Bemerkung  nicht  ungerechtfertigt  ist.  So 
ftbersetit  Scaliger  v.  208  und  209  t(  J'  htiXkaxtia  r^g  äfjuqlag  vvf  fj^i 
ßdQo^:  Quod  praeterita  nocte  quietem  mutavit  onus,  scheint  also  hier 
ein  Wort  wie  li^ififas,  was  Thiersch,  oder  iltQifxlagy  was  Bergk  vorge- 
schlagen hat,  statt  des  allerdings  unhaltbaren  ÄfitQlag  in  den  Text  gesetzt 
sa  haben;  v.  887  gibt  Scaliger  in  seiner  Uebersetzung:  Meorum  o  atavum 
pater,  woraus  wir  ersehen,  dass  er  mit  Triclinius  Ito  Ztv  nQoyovwv  nanQ 
gelesen  hat  Er  verwarf  also  mit  Becht  das  hier  seltsame  n^nutfOQ, 
das  Triclinius  in  mtieQ  emendiert  hatte  (ol  yQMpovrts  nqoyoviuv  nQo- 
ndttif^  ovx  laaai  ra  n^ql  twv  f^iTQWV,  <fft  ovv  natig  ygafpeiv  tag  tmX  Ir 
ny»  TÜv  ßißX{ä>v  eügriToi).  Und  man  wird  wol  Nauck  beistimmen,  dass 
ngonärm^  dem  vorausgehenden  nQoyovanf  seinen  Ursprung  zu  ver- 
danken hat 

Qräx.  KarlSchenkL 


*)  Bemays  S.  133  sagt:  ,,Diese  Skazonten  sollen  auch  in  der  ersten 
Ausgabe  des  Svmmachus  von  Juretus  zu  I,  24  angeführt,  in  den 
späteren  Aussahen  jedoch  weggelassen  sein.**  An  der  genannten  Stelle 
findet  sich  aber  blol^  eine  Anspielung,  ohne  dass  Scaliger  genannt 
wird.  Nachdem  nämlich  Juretus  die  frühere  Pracht  Roms  geschil- 
dert und  hiefür  mehrere  Stellen  beigebracht  hat,  fügt  er  hinzu: 
yfNunc  vero  nominis  sui  decoctrix  %acet  et  est  nihil  aliud  otiom 
suae  venustatis  pristinae  spurcum  eadarer,^  Das  Gedicht  Scafigers 
beginnt  aber  mit  den  Worten:  Spurcum  cadaver  pristinae  venustatis. 


iM4  W.  Wagner,  Rom,  ang.  t.  H.  F%d:er. 

Wilb.  Wagner.  Itom.  2.  Band.  Mit  G  Tonbildern  nach  Original- 
zeichnungen  vou  Deimline,  Leutemann  o.  a.,  sowie  mit  110  ia 
den  Text  gedruckten  Abbilaungen  nebst  einem  Plane  von  Rom  (YI  c 
394  S.  8.).  Leipzig,  Spamer,  1863.  —  1  Thlr.  15  Sgr.,  geb.  1  Thlr.  2öS|gr. 

3.  Band.  Mit  5  Tonbildern . . .,  sowie  mit  170  in  den  Tot 

fedruckten  Abbildungen  (VIII  u.  420  S.  8.).  Leipzig,  Spamer,  1864.  — 
Thlr.  15  Sgr.,  geb.  1  Thlr.  25  Sgr. 


Wir  haben  vor  einiger  Zeit  in  der  Gymnasialzeitschrift  (Jahig. 
7.  Heft.  S.  557)  den  ersten  Theil  dieses  Buches  angezeigt  und  berufen  nna 
im  allgemeinen  auf  das  damals  ausgesprochene  ürtheil.  Der  zweite  Band 
reicht  vom  Beginne  der  punischen  Kriege  bis  auf  Caesars  Tod,  der  dritte 
schliefst  mit  dem  Untergange  des  abendlandischen  Reiches.  Die  Vertheilimg 
des  historischen  StolTes  ist  keine  ebenmäl^ige;  während  fHiher  die  oft  an- 
bedeutenden und  einförmigen  Fehden  der  Römer  in  den  ersten  Jahrhnnderteft 
der  Republik  mit  grofser  Ausführlichkeit  behandelt  wurden,  ist  die  Perlode 
von  den  Gracchen  bis  zu  der  Katastrophe  der  Märziden  des  Jahres  44  ▼.  Chr., 
welche  in  gleicher  Weise  durch  die  Grofäartigkeit  des  sich  in  ihr  voll- 
ziehenden politischen  Processes  und  durch  ihre  hervorragenden  Ghankktsn 
von  jeher  das  Interesse  der  Nachwelt  in  hohem  Grade  gefesselt  hat,  und 
von  der  uns  zum  Theile  in  den  Berichten  der  Zeitgenossen  und  Mitban- 
delnden  eine  unmittelbare  Anschauung  erschlossen  ist,  auf  wenig  mehr  ab 
hundert  Seiten  zusammengedrängt.  Dagegen  hätte  in  der  Kaisergeschichte, 
besonders  der  späteren,  gröfsere  Beschränkung  eintreten  sollen;  an  dk 
Namen  und  Schicksale  der  zahllosen  Usurpatoren  kn&pft  sich  meist  kein 
höheres  Interesse,  und  es  ist  gewiss  ein  Misverhältnis ,  wenn  dem  wüsten 
Treiben  eines  Commodus  oder  Garacalla  ebenso  viel  Raum  zugemeBsen  ist, 
wie  dem  Cajus  Gracchus  und  seinen  Reformen.  Eine  gewisse  FlQchtigkdt 
in  der  Behandlung  des  Gegenstandes,  die  wir  schon  Mher  gerügt,  tritt 
auch  in  den  vorliegenden  Abschnitten  zu  Tage  und  hat  nicht  wenige,  mit- 
unter erhebliche  Irrthümer  verschuldet.  Wir  begnügen  uns,  einige  Beispiele 
herauszugreifen.  So  soll  das  festländische  Tyrus  durch  Nebukadnezar  zer- 
stört und  an  seiner  SteUe  erst  damals  die  Inselstadt  begründet  worden 
sein,  die  doch  schon  seit  vielen  Jahrhunderten  bestand  (IL  S.  4).  Ganz 
falsch  ist  es,  dass  die  Gründung  Karthagos  gewöhnlich  in  das  Jahr88d v.Chr. 
versetzt  werde  (S.  5),  und  ebenso,  dass  seit  der  Wiedereroberung  durdi 
Belisar  die  Stadt  mehrere  Jahrhunderte  in  der  Hand  der  Oetrömer  ge- 
blieben sei  (S.  201).  In  der  Geschichte  des  ersten  punischen  Krieges  fehlt 
(S.  24)  die  Seeschlacht  am  hennäischen  Vorgebirge.  Von  den  legitimen 
Söhnen  des  Masinissa  war  Gulussa  nicht  der  älteste,  und  der  dritte  hieHi 
nicht  Hiempsal,  sondern  Mastanabai  (S.  193  f.).  Scipio  Aemilianus  wird 
S.  194  der  Adoptivsohn  des  Siegers  von  Zama  genannt,  während  früher 
(d).  179)  das  Verhältnis  richtig  angegeben  wurde.  Noreja  darf  doch  gewiss 
nicht  bei  Görz  gesucht  werden  (S.  282).  Der  Redner  Crassus  war  bei  sei- 
nem Tode  erst  neunundvierzig  Jahre  alt,  also  noch  kein  Greis  (S.  290).  Die 
für  den  Bürgerkrieg  zwischen  Sulla  einerseits,  Marius  und  Cinna  ander- 
seits gewählte  Bezeichnung  eines  ersten  Triumvirats  (8.  295  n.  a.)  vrider- 


fr.  Wägner,  Rom,  ang.  v.  H.  Fideer. 

Bprieht  ganz  dem  Begriffe  des  Wortes  und  findet  weder  in  der  Verbindung 
Ctmn  mit  Pompejus  und  Crassne,  noch  in  der  selbstgeschaffenen  Wfirde 
der  TrinmTiri  reipublicae  constituendae  eine  Analogie.  Der  Hr.  Verf.  will 
SWBT  den  Ausdruck  selbst  nur  als  einen  uneigentlichen  und  streng  ge- 
onnchtigen  angesehen  wissen  (S.  302, 336) ;  aus  der  letzteren  Stella 
man  aber  schlieXten,  dass  er  schon  bei  den  Alten  auf  jenes  Yer- 
bftltnig  ftbertragen  worden  sei.  Verres  wird  bloüs  flüchtig  erwähnt  (S.  319), 
sein  ProcesB  ganx  übergangen.  Die  Bezeichnung  des  Yarro  als  eines  römi- 
•ehoi  Aristoteles  (S.  393)  Termögen  wir  kaum  als  ernst  gemeint  anzu- 
leheiL  Pansa  fiel  nicht  in  dem  Treffen  bei  Forum  Gallorum  (IIL  S.  11); 
er  wurde  allerdings  tödtlich  verwundet,  starb  aber  erst  nach  der  Haupt- 
idilacht  bei  Mntina,  den  Hirtius  überlebend.  Von  den  Annalen  des  Tacitus 
ist  doch  nicht  blo/lB  der  kleinere  Theil  erhalten  (S.  178).  Mehrfacher  Be- 
richtigung bedarf  die  Geschichte  der  dacischen  Kriege  Trajans  (S.  190  ff.); 
die  Inschrift  der  Tr^janstafel  in  der  Nähe  des  eisernen  Thores  ist  unvoll- 
stiiidig  mitgetheilt;  ganx  unbegreiflich  ist  die  Annahme  zweier  stehender 
Donanbrftcken ,  von  welchen  beiden  üeberreste  vorhanden  seien;  dass  Ha- 
diiaii  die  Zerstörung  des  kühnen  Baues  geboten,  blieb  unerwähnt.  Alexan- 
der SeveruB  wird  einmal  irrthümllch  der  Neffe  Heliogabals  genannt  (S.  266). 
Der  Qnirinal  war  schon  in  die  servianische  Mauer,  nicht  erst  in  die  au- 
reliftnische  einbezogen,  wie  S.  289  im  Widerspruch  mit  L  S.  90  angedeutet 
ist  Die  Behauptung,  dass  die  Zeit  nach  Diocletian  den  Kaisermord  durch 
Yenr&iher  und  Soldaten  nicht  mehr  kenne  (S.  313),  muss  einige  Einschrän- 
kung erleiden.  Wenn  es  ebendaselbst  (S.  312)  von  der  politischen  Organi- 
liitlc»!  dieses  Kaisers  heiJßit  „Consuln,  Ccnsoren  und  Tribunen  kamen  unter 
den  Beichsbeamten  nicht  mehr  vor**,  so  konnte  der  Leser  daraus  folgern, 
dasB  die  bexeichneten  Würden  jetzt  auch  dem  Namen  nach  erloschen  seien; 
dies  ist  nun  bezüglich  des  Consulats  und  Tribunats  bekanntlich  unrichtig, 
die  Censur  dagegen  hatte  schon  längst  aufgehört,  wie  auch  S.  275  ange- 
geben ist  Sisda,  das  croatische  Sissek,  sucht  der  Hr.  Verf.  (S.  336)  „ober- 
halb Laibach  in  Kärnten.**  Die  Schilderung  der  römischen  Katakomben  als 
Zufluchtstätte  der  Christen  hat  er  gegen  seine  eigene  Intention  der  Ge- 
adiiehte  Julians  des  Abtrünnigen  eingeflochten  (S.  343  ff.),  da  er  doch  aus- 
drücklich hervorhebt,  dass  der  Kaiser  keine  Verfolgung  angeordnet,  die 
Uebergriffe  einzelner  Beamten  aber  und  die  Excesse  des  Pöbels,  die  er 
duldete,  nicht  mit  den  Schrecken  der  früheren  Zeit  verglichen  werden 
können.  Ueber  die  Behandlung  der  Yer&ssungszustände  sei  nur  im  allge- 
meinen bemerkt,  dass  wir  sie  eingehender  und  klarer  gewünscht  hätten. 
Die  Jahreszahlen  fehlen  mitunter  oder  sind  unrichtig,  üncorrect  in  gram- 
matischer oder  orthographischer  Beziehung  sind  z.  B.  die  Isara,  Addua, 
Atiiesis  u.  a.,  die  Namensform  Herculanum,  Alisa  statt  Allifä,  Ceriatis 
für  CerealiB,  Osyris,  Kitharrhöde  oder  Kitharhöde,  die  Verwechslung  des 
IT  mit  M  (wie  schon  im  ersten  Theile  bei  Curius  Dentatus).  Verschiedene 
Stellen  wären  in  einem  besonders  für  die  Jugend  bestimmten  Buche  aus 
pädagogischen  Gründen  besser  weggeblieben ,  so  die  Scene  aus  der  Andria 
(U.  S.  250  f.),  der  Triumphalvers  auf  Cäsar  (U.  S.  376)  u.  a.  Anstoto  er- 
Zritsclirtfl  f.  a.  Oftm.  OTmn.  18<6.  V.Helt  25 


W.  Wdgner,  Rom,  ang.  v.  H.  Ficker. 

regt  auch  nach  Schildennig  der  Geburt  Christi  die  Bemerkung :  „So  er- 
zählen die  Urkunden  unserer  Beligion,  deren  Kritik  wir  biUig  Andini 
überlassen,  da  wir  es  nur  mit  den  Begebenheiten  zu  thun  haben*  (ID. 
S.  GO).  Zuweilen  gestattet  der  Hr.  Verf.  seiner  Phantasie  zu  fireien  Spiel- 
raum, so  bei  Schlacht scenen ,  bei  der  übrigens  recht  ansprechenden  Erridi- 
lung  des  Alponübcrganges  Hannibals  (II.  S.r>8if.);  die  Natnrbewnndemiig, 
welche  er  durch  die  erhabenen  Bilder  jener  (rebirgswelt  bich  in  der  Seele 
des  Feldhcrm  und  seiner  Krieger  entzünden  lässt,  ist  wesentlich  ein  Plo> 
duct  der  modernen  Bildung;  ein  Grauen  vor  den  fremdartigen,  dimoniedies 
Gewalten  mag  wol  eher  jene  rauhen  afrikanischen  und  hispanischen  Minner 
beherrscht  haben.  III.  S.  S^X)  «ird  in  einer  gesuchten  Ideenverkettong  von 
der  Beschreibung  der  römischen  und  türkischen  Bäder  durch  das  MediAB 
eines  Bades  im  Blieino  zu  einer  Aftostrophe  auf  Deutschlands  Grölbe  in 
Vergangenheit  und  Zukunft  abgesprungen. 

Die  Sprache  des  Buchet»  ist  hjiulig  nicht  so  einfach,  wie  es  gerade 
der  jugendlichen  Natur  zuträglich  ist;  der  Hr.  Verf.  liebt  zu  kühne  Bilder, 
wie  wenn  er  die  numidischcn  Reiter  schnell  wie  die  wechselnden  Gedan- 
ken über  das  Blachfeld  brausen  lässt;  anderseits  möchten  wir  triviale  Aus- 
drücke geni  vermieden  sehen,  wie  „Lotterbett**,  „Lotterbuben",  „Schranzen* 
(wie  die  bt-iden  vorigen  ein  Lieblingswort  des  Hm.  Verls,  welchem  wir 
allein  in  der  Gesoliichte  Constantins  II.  dreimal  begegnen),  „Speichellecker*, 
„ritterschattlicho  Ocldbäcke",  „Plasirrath*.  „antiquarischer  Quark**,  „hudeln", 
„den  Bockzipfel  entern",  oder  das  ironische  „die  hohe  Obrigkeit",  »das 
löbliche  deutsche  Beich."  Die  Citate  aus  deutschen  Dichtem  sind  nicht 
immer  glücklich  angebracht;  so  ist  die  III.  S.  318  erzählte  Flucht  des 
Armeniers  Tiridates  über  den  Euphrat  zu  unwichtig,  um  durch  einige 
Verse  aus  <lem  „Taucher"  verherrlicht  zu  werden.  Ebenso  sind  die  vm- 
ficierten  Mottos  nicht  durchgehen ds  zu  loben. 

Die  sehr  zahlreichen  Dlustrationen  sind  zum  Theile  recht  zweck- 
mäfsig,  besonders  die  Abbildungen  von  Gemälden,  Statuen  und  mannig- 
fachen Objecten  aus  dem  häuslichen  und  öffentlichen  Leben  der  Römer, 
Waffen,  Geräthschaften,  ocbmuckgegoustilnden,  die  Plane  und  Bilder  dei 
römischen  Hauses,  der  Bäder,  des  Lagers,  wodurch  die  einschlägigen,  ziem- 
lich ausgedehnten  Partien  des  Buches  die  oft  unentbehrliche  Erläuterung 
erfahren.  Die  Aufnahme  historischer  Scenen  ist  im  Priucip  nicht  au  ver- 
werfen, da  man  zugeben  muss,  dass  sie  vorzugsweise  geeignet  sind,  das 
Interesse  der  Jugend  zu  wecken,  wenn  ein  bedeutsamer  Moment  glücklich 
erfasst  und  in  künstlerischer  Form  zur  Anschauung  gebracht  wird,  ond 
hier  möchten  wir  gelungenen  Nachbildungen  von  Kunstwerken,  wie  der 
Horatier  David*s,  der  Constantinsschlacht  Kafaers  den  Vorzug  geben ;  alleia 
viele  der  vorliegenden  Bilder  nind  doch  gar  nicht  charakteristisch,  so  dasa 
sie  verschiedene  Unterschriften  vortrügen,  ixler  entsprechen  nicht  ganz  dem, 
was  sie  <larzustcllon  bestimmt  sind.  So  »oll  \m*  II.  S.  43  die  Landung  der 
Karthager  in  Spanien  vorgeführt  werden;  aber  das  ganze  Bild  macht  den 
Eindruck,  als  ob  es  sich  um  ein  von  Fremden  nie  oder  selten  betretenes 
Gestade  handle;  es  war  jedoch  die  mit  phönicibchen  Niederlassungen  be» 
deckte  und  wenigstens  mittelbar  von  Karthago  abhängige  TarsiskÜste,  wo 


K.  Damheek,  Mathemat.  Geographie,  aeg.  ▼.  J,  Frisc/muf.      SflT 

HanrilVar  an*8  Land  stieg;  dazu  kommt  noch  das  zweite  Bedenken,  dass 
wir  in  der  Landsehaft  eine  Banane  nnd  eine  Palme  gewahren.  Hannihal 
idH  bei  dem  Schwnre  ewiger  Feindschaft  gegen  die  Bdmer  vor  dem  Altan 
stehen  nnd  denselben  erfassen;  die  Scheosale  der  GMterbilder  im  Hinter- 
gnmde  sind  nnhistorisch  (ü.  S.  47).  Der  Pratorianeranfstand  gegen  die 
Senatsfadser  Mazimos  nnd  Balbinns  (IIL  S.  273)  ist  in  jener  stümdsehen 
Zeit  kein  so  henrorragendes  Ereignis,  nm  Anspmch  auf  eine  bildliche  Bln- 
stration  zn  haben;  diese  ti^gt  denn  anch  kein  bestimmtes  Gepiftge  an  sich, 
so  dass  sie  jede  Shnfiehe  Empörung  ebenso  gnt  vorstellen  könnte.  Bei 
solchen  Büdem  mag  es  Hbrigen^  dem  Beschaner  anheimgestellt  bleiben, 
n* sondern,  was  der  Conception  des  Zeichners  angehört;  wenn  ihm  hin* 
gegen  das  alte  Enna  (IL  S.  42),  Cicero's  Tnscalannm  (S85),  die  Gärten 
des  Saunst  (894)  vor  Angen  gestellt  werden,  so  liegt  die  Illasion  nahe^ 
dase  entweder  Schilderungen  der  Alten  oder  vorhandene  Uebeneste  m 
dner  solchen  Reconstruction  berechtigen.  Diese  wenigen  Beispiele  Halben 
sich  unschwer  vermehren;  sie  genügen  aber,  um  eitennen  su  lassen,  daie 
die  Auswahl  und  Ausführung  der  bildlichen  Beigaben  nicht  stets  von  der 
söthigen  Vorsicht  geleitet  wurde. 

Fassen  wir  nun  alle  diese  Bedenken  zusammen  und  halten  ihn» 
den  auf  die  Ausstattung  verwendeten  Aufwand  entgegen,  so  mttssen  wir 
den  Wunsch  aussprechen,  dass  bei  einer  zweiten  Auflage,  welche  die  weite 
Verbreitung  der  Spamer'schen  Bücher  nicht  bezweifeln  lässt,  der  Hr.  Y£ 
die  Mflhe  einer  durchgreifSenden  Revision  nicht  schenen  möge,  um  seil» 
Arbeit  erst  recht'  nutzbar  zu  machen. ' 

Wien.  H.  Ficker. 


Methodisdies  Lehrbuch  der  mathematischen  (Geographie  und  Astro- 
nomie. Fflr  mittlere  Classen  der  Gymnasien  und  Eealschulen  und  obe- 
ren (Hassen  der  Bürger-  und  gehobenen  Volksschulen,  von  Karl  Dam- 
beck. Mit  10  Figurentafeln.  128  S.  8.  Halle,  H.  W.  Schmidt,  1864. 
—  22  Sgr. 

Die  mathematische  Geographie  und  Astronomie  pflegen  an  nneeren 
Gymnasien  nicht  die  Beachtung  zu  finden,  welche  ihnen  im  Zosammesr 
hange  des  gesammten  Unterrichtes  unzweifelhaft  gebührt  Der  Anlafls  hieraa 
Uegt  znnftehst  darin,  dass  dieser  Gegenstand  an  zwei  andere  angelehnt  iat^ 
bei  denen  er  gelegentlich  mit  behandelt  werden  soll,  an  die  Gkogiaphie 
imd  an  die  Physik.  Nun  fehlt  es  in  der  untersten  Classe,  in  welcher  die  Geo- 
graphie selbständig  behandelt  wird,  an  denjenigen  mathemaitischen  Kennt- 
mssen  der  Schüler,  die  selbst  zu  dem  elementarsten  Verständnisse  der 
mathematischen  Geographie  unerlässlich  sind,  und  in  der  obersten  Classe 
wiederum,  wo  die  mathematische  Geographie  und  Astronomie  den  Ab- 
ichluss  der  Physik  bilden  soll,  fshlt  es  gewöhnlich  an  der  Zeit,  um  auf 
diesen  Gegenstand  mit  einiger  Aussicht  auf  Erfolg  eingehen  zn  köunen. 
ffienra  kommt  noch  überdies,  dass  die  Ansicht  ziemlich  verbreitet  ist,  ea^ 
heften  sich  die  Grundzttge  der  mathematisdien  Geographie  und  Airtroaem»» 
inelit  behandehü,  wenn  man  nidit  die  Kenntnis  der  sphfihschte  Tiigone- 

25* 


808     R.  Dmn^fick,  Mathemai  Geographie,  ang.  v.  J.  Friidimif» 

metrie  voraussetzen  könne,  eine  Ansicht,  welche  der  ernstlichen  Betreihuif 
dieses  Gegenstandes  erhehlichen  Eintrag  thut,  und  doch  ganz  unbegründet 
ist  Allerdings  wer  sich  mit  praktischer  Astronomie  beschäftigen  wiU,  kau. 
der  sphnrischen  Trigonometrie  so  wie  noch  manch  anderen  Apparates  mathe- 
matischer Kenntnisse  nicht  entrathen;  aber  nm  die  Erscheinungen  der 
täglichen  und  jahrlichen  Bewegungen  der  Erde  und  der  Planeten,  des  Mon- 
des u.  s.  w.»  die  Wirkungen  der  Kräfte  in  unserem  Sonnensysteme  in  Tir- 
stehen,  also  um  die  Aufgabe  zu  Iteen,  welche  das  Gymnasium  sich  stellt 
und  zu  stellen  hat,  ist  die  Kenntnis  der  spherischen  Trigonometrie  toU- 
kommen  unnöthig;  Ref.  hat  Gelegenheit  gehabt,  diese  Uebeneogong  dnrdi 
hinlängliche  Versuche  in  dem  Unteirichte  auf  diesem  Gebiete  xn  bewähren. 

Es  mag  für  jetzt  genügen,  auf  diese  Uebelstände  mit  einem  Worte 
hingewiesen  und  dadurch  den  Wunsch  ausgedrückt  zu  haben,  dass  der 
mathematischen  Geographie  und  Astronomie  in  der  Ausführung  des  Gym* 
nasialunterrichtes  diejenige  Bedeutung  wirklich  gewahrt  werde,  welche  der 
Lehrplan  ihr  zu  geben  beabsichtigte.  Die  Nothwendigkeit  dieses  Unter- 
richtes wird  recht  deutlieh  erwiesen  durch  die  sehr  reichhaltige  Schul- 
literatur,  welche  dieses  Gebiet  bereits  hat  und  die  in  stetem  Zuwachse 
begriffen  ist  Die  vorliegende  Schrift  indes  kann  Ref.  nicht  als  einen  glüd[- 
lichen  und  gelungenen  Beitrag  zu  dieser  Literatur  betrachten.  Da  in  Wer- 
ken dieser  Art  es  für  jeden  mit  der  Sache  gründlich  vertrauten  —  und  nur 
dieser  hat  ein  Recht,  ein  Schulbuch  abzufassen  —  sehr  leicht  ist,  voll- 
ständige Richtigkeit  des  Inhaltes  zu  erreichen,  so  sollte  die  Kritik  billiger- 
weise sich  nur  der  Form  zuzuwenden  haben,  also  der  Begrenzung  und  An- 
ordnung des  Stoffes  und  der  Klarheit  der  Darstellung.  Leider  macht  die 
vorliegende  Schrift  es  nöthig,  von  diesen  formellen  Puncten  noch  ganz  ab- 
zusehen; die  Menge  von  Unrichtigkeiten,  von  schief  und  verworren  ausge- 
sprochenen Sätzen  reicht  an  sich  schon  vollkommen  aus,  über  die  Brauch- 
barkeit des  Buches  ein  Urtheil  zu  gewinnen.  Aus  der  groXiMn  Zahl  der- 
selben mögen  einige  Beispiele  herausgehoben  werden,  die  sich  kurs  be- 
zeichnen lassen. 

S.  14  wird  vom  Himmelsäquator  gesagt:  „die  Seefahrer  nennen 
ihn  die  Linie.**  —  S.  25  heilet  es  von  den  Sternen:  «An  einzelnen  Stellen  ver^ 
einigt  sich  ihr  Glanz  zu  einem  weif  suchen  Schimmer;  dies  sind  Nebel- 
flecke . . .  Ein  weif^licher  Schimmer  wird  sich  vor  den  andern  durch  seine 
Ausdehnung  auszeichnen.  Er  erstreckt  sich  durch  den  Horizont  fast  durch 
den  Scheitelpunct  bis  wieder  zum  Horizont;  es  ist  dies  der  grüfiite  und 
heif\it  die  Milchstrafto.**  Also  die  Milchstrafise  geht  immer  durch  das 
Zenith.  ~  S.  25.  Zu  den  schönsten  in  Deutschland  sichtbaren  Stembil- 
dem  rechnet  der  Verfasser  auch  Cepheus,  Drache  und  Fische,  während 
der  prachtvolle  Schlangenträger,  Schütze  und  Wasserschlange  ausgelassen 
sind.  —  S.  25.  Zu  den  schönsten  Sternen  erster  Gröfse  mit  Namen  rech- 
net der  Verfasser  noch:  Gemma  in  der  Krone,  Algenib  im  Perseus,  Sir- 
rah in  der  Andromeda  und  Alcyone  in  den  Plejaden.  Letztere  ist  doch 
von  der  dritten  Gröflse,  die  übrigen  genannten  Sterne  sind  nur  von  der 
zweiten  Gröfbe.  —  S.  26  heifst  es  von  den  Sternschnuppen :  „Besonders  viel 
erschehien  sie  im  Februar  und  November,  im  Sommer  weniger/  Doch  sind 


JBl  Dambeck,  Mathemat  Geographie,  ang.  y.  /.  Frisckomf.     SOtf 

die  Stavsehniippen  im  Sommer,  namentlich  in  der  ersten  ffllfte  des  Angut^ 
am  hlnfigaten.  —  8.  28  heiM  et  vom  Monde:  „Am  folgenden  Tage  geht 
er  beinahe  eine  Stnnde  spftter  anf  nnd  ehenütdls  eine  Stande  spater  unter; 
am  zweiten  Tage  nach  dem  Vollmonde  geht  er  noch  eine  Stande  später 
anf  mid  anter  ^  and  zwar  vollzieht  er  heides  an  jedem  Tage  eine  Stande 
spftter  als  am  vorhergehenden.**  Aaf-  and  Untergang  eines  Gestirns  hangt 
ideht  Ton  der  Bectascension  allein,  sondern  auch  von  der  Deelination  ab, 
beim  Monde  kann  es  daher  auch  kommen,  dass  er  nar  am  wenige  Minaten 
spftter  als  am  vorhergehenden  Tage  aaf-  und  untergeht,  and  nicht  regel- 
mülrig  eine  Stande  spftter.  —  S.  30.  Nachdem  die  Phasen  des  Mondes  he* 
schrieben  sind,  heiTlit  es:  «Der  Mond  ist  selten  ganz  hell,  gewöhnlich  theila 
heu,  theils  dnnkel,  oft  ganz  dnnkol;  er  ist  hierin  der  Erde  ahnlich,  worauf 
66  ja  auch  zuweilen  hell  und  zuweilen  dunkel  ist.  Wie  Tag  und  Nacht  auf 
der  Erde  mit  einander  abwechseln,  so  auch  auf  dem  Mond.**  Aus  den  Mond« 
phasen  sdieint  also  der  Ver&sser  auf  einen  Wechsel  zwischen  Tag  und 
Nacht  auf  dem  Monde  selbst  zu  schliefben.  —  8.  32.  „Die  aufgegangenen 
Sterne  erheben  sich  in  einem  Bogen  von  Stunde  zu  Stunde  mehr,  erreichen 
im  Meridian  ihre  grö/lste  Höhe,  senken  sich  von  da  gegen  Westen,  bis  sie 
am  Morgen  am  westlichen  Horizonte  untergehen,  wenn  die  Sonne  im  Be- 
griffe steht,  am  östlichen  Himmel  auftugehen.**  Der  Verfasser  scheint  der 
Ansicht  zu  sein,  wenn  die  Sonne  aufgeht,  gehen  alle  Sterne  unter.  — * 
8.  60—62.  Hinsichtlich  der  jährlichen  Bewegung  der  Erde  um  die  Sonne 
lit  der  Verfasser  der  Meinung,  dass  die  Erde  am  Beginne  jeder  Jahreszeit 
in  einem  Scheitelpuncte  ihrer  elliptischen  Bahn  sich  befinde  und  in  jedem 
Vierte^ahre  ein  Viertel  des  Umfanges  der  Ellipse  durchlaufe.  —  S.  66—68. 
Der  Ver&sser  verwechselt  fortwährend  Zeichen  mit  Sternbilder,  im  Winter- 
anfang, Ymtei  es,  die  Sonne  rückt  in  das  Sternbild  des  Steinbockes  u.s.w. 

—  S.  76.  «Die  ganze  Ifasse  des  Mondes  beträgt  Va  ^^^  ISx^e,  genauer  49.6.** 

—  8.  77  heiM  es  vom  Monde:  „dass  er  in  27  Tagen  7  Stunden  43  Minuten 
durch  jödes  Sternbild  in  entgegengesetzter  Richtung  wie  die  Sonne  ge- 
gangen ist,  so  dass  es  also  scheint,  als  ob  der  Mond  den  Thierkreis  rftok«< 
wftrta  durchläuft;  er  hat  also  seinen  Umlauf  um  die  Erde  in  dieser  Zeit 
Tolkndert,  dieses  ist  die  periodische  (Jmlaufszeit.**  Hätte  der  Ver&sser  den 
Mimd  nur  an  zwei  aufeinander  folgenden  Tagen  beobachtet,  so  hätte  er 
sidi  V0B  dem  Ckgentheil  der  angegebenen  Richtung  überzeugen  können; 
Die  Bewegongsrichtung  aller  Planeten  und  Trabanten  ist  doch  eine  recht« 
läufige  um  den  Gentndkörper.  —  S.  78  beweist  der  Verfasser,  dass  in  einem 

sjnodischen  Monate  —  29  12  44  der  Wechsel  von  Tag  und  Nacht  auf 
dem  Monde  stattfindet,  es  heifst  nämlich :  „Während  er  um  die  Erde  sicli 
schwingt,  beleuchtet  ihn  die  aufser  dem  Kreise  seiner  Bahn  stehende  Sonne 
einmal  von  allen  Seiten.  Er  hat  sich  also  in  dieser  Zeit  einmal  um  sich 
selbst  oder  um  seine  Achse  gedreht,  diese  Achse  aber  liegt  nicht  in  ihm 

T      h      fh 

selbst,  sondern  in  der  Erdachse.  In  29   12  44    wechselt  einmal  Tag  und 

T    k      m 

Nacht  auf  dem  Monde.*"  Der  Mond  dreht  sich  in  27  7  43  einmal  um  seine 
Achse;  dieses  Resultat  wurde  aus  der  Beobachtung  der  Mondesoberfläche 
abgeleitet  und  steht  in  gar  keiner  Beziehung  zu  den  Mondesphaseo.  ^ 


170  , .     .  Literariflche  Notümi.  ... 

8.101  wird  hiniidhtlidi  der  Kometenbahnen  behauptet:  JQire  Bahaea  bil* 
den  langgestieokte  Ellipsen  von  geriogrem  oder  ungeheuerem  Um&ag»;  die 
meisten  scheinen  sich  indessen  in  Parabeln  und  Hyperbeln  zu  bewegen 
und  diese  sind  dann  nie  zu  erwarten,  vielleicht  nach  Milliarden  Ton  Jahren.*'. 
—  S.  111.  „Die  Gravitation  ist  also  die  gegenseitige  Anziehung  verschieb 
dener  Weltkörper,  ihre  ßtirke  verhält  sich  wie  die  Entfernung  und  dia 
Masse  der  sich  anziehenden  Körper.  —  S.  113.  „Sind  die  Pendel  aber  von  ob« 
gleicher  Lange,  so  ist  ihre  Schwingungsseit  verschieden,  und  zwar  schwingt 
das  kürzere  schneller  aU  das  längere,  weil  das  kürzere  einen  ikleiaecea 
Bogen  beschreibt  als  das  längere.*"  Unmittelbar  vorher  wurde  aber  gesagt, 
daas  bei  kleinen  8chwingungsbögen  die  8chwingungsdaner  von  der  GrOÜBa 
des  Bogens  unabhängig  ist  —  S.  Il6.  „Der  Punct,  welchen  ein  Körper 
«nter  dem  Einfluss  zweier  Kräfte  erreicht,  lässt  sich  auch  finden,  wenn 
man  die  Zeit,  in  welcher  sie  wirken,  in  zwei  gleiche  Theile  theilt  und 
annimmt,  dass  in  der  ersten  Hälfte  ausschlieXlBlich  die  eine  Kraft,  in  der 
zweiten  nur  die  andere  Kraft  wirkt"  Nun  hängt  aber  die  Wirkung  jeder 
Kraft  auch  von  der  Zeitdauer  ab,  ist  z.  B.  die  eine  der  beiden  Kräfte  die 
Schwerkraft,  so  wird  der  Körper  unter  dem  Einflüsse  derselben  nur  den 
vierten  Theil  des  Weges  in  der  halben  Zeit  zurüddegen.  —  8.  118.  ^Bei 
der  kreisförmigen  Bewegung  findet  folgendes  VerhältniB  statt:  Die  Tan- 
gentialgeschwindigkeit  —  der  Weg,  mit  sich  selbst  mulüplioiert  •-  Quadrat, 
moss  gleich  sein  dem  Halbmesser  des  Kreises,  multiplidert  mit  der  Central- 
geschwindigkeit**  Das  dürfte  der  Verfasser  wol  allein  verstehen. — S.  120—127, 
enthaltend  die  Keplerischen  Gesetze,  ist  aus  Mädler  abgeschrieben.  8ieha 
Mädler*6  Populäre  Astronomie  8.  88—95. 

Ref.  musste  sich  beschränken,  aus  den  zahlreichen  8telleny  die  er 
sich  bezeichnet  hatte,  nur  einige  wenige  herauszuheben,  und  zwar  haupt* 
sächlich  solche,  bei  denen  es  unnöthig  war,  an  die  8telle  des  füschen  oder 
schieien,  das  sich  im  Buche  findet,  die  erforderliche  Corrector  an  setzen. 
Schon  die  kleine  Auswahl  von  Stellen  wird  hinreichen,  dem  mit  dem  Gegen« 
Stande  bekannten  Leeer  das  Buch  zu  charakterisieren,  und  das  zu  bestäti- 
gen, was  im  Eingange  gesagt  wurde,  dass  zwar  zum  Yerständniase  der 
mathematischen  Geographie  und  Astronomie  eine  nur  mälkige  mathema* 
tbche  Kenntnis  erfordert  wird,  dass  aber  zu  diesem  Verständnisse  durch 
eine  elementare,  prädse,  klare  Darstellung  einzuführen  nur  dsngenigen 
gelingen  kann,  der  mit  der  Wissenschaft  selbst  gründlich  vortnat  tat 
Die  Leetüre  des  vorliegenden  Buches  kann  vielleicht  durch  manche  Sonder- 
barkeiten den  Fachmann  erheitern,  aber  dem  Anfänger,  für  den  es  be- 
stimmt ist,  klare  und  richtige  Vorstellungen  zu  vermitteln,  ist  es  nicht 
geeignet 

Wien.  Dr.  J.  Frischauf. 

Literarische  Notizen.  Neue  Auflagen. 

GöUinger  Festreden  von  £rnst  Curtius.  Berlin,  W.  Hertz,  1864. 
254  S.  8.  -  1  Thlr.  12  8gr. 

Bei  Universitätsfesten  pfie^  die  Rede  eines  Universitätslehrers  den 
Mittelpunct  der  Feierlichkeit  an  bilden.  Diese  löbliche  Sitte  gibt  deft-fjejK 


Lii  rariflche  Notizen.  S71 

rem  der  Hocbschole  Anlass,  zu  einem  weiteren  Kreise  zu  sprecben,  alsav 
den  sonst  ihre  wissenschaftlichen  Vortrage  gerichtet  sind,  indem  nicht  nur 
die  Jttnger  ihres  speciellen  Fachen,  sondern  Studierende  aus  allen  Facul- 
täten  und  überdies  gebildete  Männer  aus  den  verschiedensten  Lebenskreisen 
nm  sie  rersammelt  sind.  Dass  die  allgemeine  Verständlichkeit  nach  Stoff 
und  Form,  die  Popularität  im  edlen  JSinne  des  Wortes,  welche  hierdurch 
ab  Forderung  au  aiese  Festreden  sich  erhebt,  dem  C'harakter  akademischer 
Vortrtge  keinerlei  Eintrag  zu  thu;i  braucht,  erweisen  zahlreiche  llcden,  welche 
durch  den  Druck  einem  weiteren  liescrkreise  zugänglich  gemaoht  und  er- 
balten worden  sind;  es  genüge  an  die  Böckh'scnen  Festreden  zu  erinnern 
(gcsaromplt  im  Band  I  u.  II  seiner  „Kleinen  Schriften"),  welclie  mit  einem 
unerschöpflichen  Reichthume  scharf  ausgeprägter  Gedauken  und  in  uner- 
schütterlicher F<»8tigkeit  der  Gesinnung  die  Beziehungen  der  Wissenschaft 
zu  den  verschiedenen  Seiten  des  Stiiatslebens  und  zu  den  wccliüclnden  Strö- 
mungen der  Zeit  behandeln;  iede  dieser  Reden  macht  auf  den  Leser,  wie 
einst  auf  den  Hörer,  den  Eindruck,  dass  durch  sie  die  Universität  als  die 
Pflegestätte  wiBsenschaftlicher  Forschung  ihre  Vertretung  gefunden  hat. 
Denselben  Charakter  tragen  auch  die  vorliegenden  Reden  bei  wesentlich 
verschiedener  Wahl  des  Stoffes;  der  Stoff  ist  nämlich  durchweg  derjenigen 
speciellen  Wissenschaft  entlehnt,  der  der  Verfasser  sfine  geistige  Kraft 

ridmet  hat,  der  Philologie  (Rede  2.  „Das  Mittleramt  der  Philologie**. 
,Wort  und  Schrift")  und  aus  ihr  insbesondere  der  P^rforschung  der  Ge- 
schichte und  Cultur  Griechenlands  (1.  „Der  Wetlkampf."  3.  „Der  Welt- 
rang der  griechischen  Cultur.**  5.  „Die  Bedingungen  eines  glücklichen 
Staatslebens.**  6.  „Die  Idee  der  Unstcrbliolikeit  bei  tlen  Alt^n.**  7.  „Das 
alte  und  neue  Griechenland."  8.  „Die  Freundschaft  im  Alterthum**);  aber 
jeder  dieser  Gegenstände  ist,  ohne  dass  der  wissenschaftlichen  Strenge  und 
Höhe  irgend  ein  Nachtheil  er^'üchse,  von  jener  Seite  dargestellt,  durch 
welche  er  mit  dem  allgemeinen  Culturleben  in  deutlichem  Zusammenhange 
steht  und  auf  das  lnt<;resso  aller  Gebildeten  einen  begründeten  Anspruch 
hat.  —  Diesen  üniversitatsreden  sind  zwei  Vorträge  angereiht,  welche  bei 
anderen  Anlassen  gehalten,  sich  denselben  angemessen  anschliefsen,  „die 
Kunst  der  Hellenen**  und  „zum  Andenken  Schillers.**  —  Diese  kurze  An- 
deutung der  behandelten  GegenstÄnde  wird  hinreichen,  die  Leser  der  Zeit- 
sdirift  auf  dieses  treffliche  Büchlein  aufmoi-sam  zu  machen ;  das  Interesse, 
welches  bei  jedem  Leser  die  geistvolle  Behandlung  der  Gegenstände  her- 
vornift,  wird  noch  durch  die  aus  Curtius'  sonstigen  Schriften  schon  be- 
kannte Meisterschaft  in  Beherrschung  der  Sprache  gehoben. 

Prum2>tmrium  senteuUnrwn  ex  veterum  scri2ftoruni  B(nnanvrum 
Uhri$  camessit  J£.  F,  Wue  sie  mann,  E^litio  altera  emendatior  et  auctior, 
curavit  ÄL  Seyffertus.  Nordhusae,  F.  Fujrstcmann,  1864.  XLII  u.  215  S. 
kl.  8.  (22%  Sct.,  auf  Sclireibpapi?r  1  Thlr.) 

F.  A.  Wolf  erwähnt  unter  den  Momenten,  durch  welche  die  Stellung 
and  Bedeutung  der  antiken  Literaturen  bestimmt  wird,  „die  Priorität  selbst, 
die  einmal  den  zuerst  schreibenden  Völkern  durch  Gunst  des  Schicksal» 
tu  Theil  geworden  ist.  Auch  der  geistvolle  Schriftsteller,  der  mehreren  in 
derselbigen  Gattung  nacharbeitet,  findet  sich  in  der  Wahl  von  Gedanken 
und  Ausdrucksarten  beengt;  er  sielit  das  Rechte  und  Schöne  häutig  vor- 
weggenommen, und  für  sich  Bemühungen  übrig,  die  allzuleicht  in  Fehler 
ferleiten,  worunter  noch  der  geringste  'die  Fehlerlosi^keit  der  Nachahmung 
ist.  Denn  welche  Knnsfr  der  Copie  könnte  je  das  frische  geniale  Gepräge 
ersetzen,  worin  der  gediegene  Gedanke  und  die  kräftig  ausgesprochene  Em- 
pfindung zum  erstenmale  hervortreten**  (Museum  der  Alt.  Wiss,  1.  114). 
Dieser  Gesichtsnunct,  dem  Wolf  für  die  antiken  Literaturen  überhaujit  die 
gebührende  Beaeutung  zuweist,  gilt  in  besonders  hohem  Grade  in  Be- 
ziehung auf  Sentenzen ,  in  denen  Gesinnungen  und  Ueberzeugungen .  Le- 
bensgrundsätze und  Lebenserfahrungen  ihren  präcison  und  treöVnden  Aus- 
drad  gefanden  haben;  gerade  auf  diesem  Gebiete  gewährt  der  eiamal 


S7S  Literaiiache  Notizen. 

Slficklich  fi'ctxofienen  Fonn  des  Gedankens  die  Priorit&t  einen  YocUneily 
er  sich  schwer  ersetzen  lässt.  Sammlungen  von  Sentenzen  ans  griechiachtt 
nnd  noch  mehr,  in  Folge  der  ungleich  weiter  auscebreiteten  BekanntMhaft 
mit  römischer  Literatur,  aus  römischen  Schriftstdlem  sind  daher  in  aUn 
Zeiten  beliebte  Bücher  gewesen.  Indem  dieselben  aus  dem  unendlich  iMbm 
Schatze  der  antiken  Literatur  nur  eine  Auswahl  m  beschränktem  Mate 

Sehen  können,  so  tragen  sie  einen  zweifachen  Charakter,  den  der  Nation, 
er  Zeit,  des  Verfassers,  welchen  sie  ursprünglich  angehörten,  nnd  den  das 
Sammlers,  der  aus  vielen  andern  gerade  sie  glaubte  herauswihlen  zu  sdDaB. 
Eine  Sammlung,  ausgewählt  mit  dem  treffenden  Urtheile,  das  an  Wüste» 
mann's  Arbeiten  anerkannt  ist,  und  in  liebeyoller  Pflege  dniofa  einelaqgü 

ihlgeordneten  Ganzen  gruppiert,  hat  De» 


Reihe  von  Jahren   zu  einem  wo! 

sondern  Anspruch  darauf,  das  Motto  zu  tragen, 

setzt  ist: 

Te  longinqua  petens  comitem  sibi  ferro  viator 
Ne  dubitet:  j^arvo  pondere  multa  vehis. 
Wie  schnell  das  Büchlein  Ausbreitung  gefunden,  zeigt  die  Thatsache^ 
dass  nach  der  1856  erschienenen  Auflage  oereits  eine  zweite  erfozdetli^ 
geworden  ist  Ueber  Inhalt  und  Einrichtung  ist  beim  Erscheinen  der  entea 
Auflage  in  dieser  Zeischrift  1857.  S.  166  ff  genaue  Nachricht  gegeben,  lo 
dass  es  gentigt,  auf  lene  Anzeige  zu  verweisen.  Die  Bevision  oenoft  dei 
erneuten  Abdruckes  hatte  nach  Wüstemann's  Tode  nicht  leicht  in  geeigw 
netere  Hände  gelegt  werden  können,  als  in  die  des  jetzigen  Heransgebm. 
Wie  derselbe  seine  Aufgabe  gefasst  und  gelöst  hat,  können  wir  uns  nidit 
enthalten,  mit  Seiffert's  eigenen  Worten  (p.  XLf.)  zu  bezeichnen:  «Nam 
cnm  facile  factu  esset  nuraeium  sententiarum,  quam  habet  superior  editie^ 
novis  augere  atque  cumulare  atque  ita  ex  tenui  libello  grandem  laoen, 
tamen  omissa  hoc  ipsa  exiguitate,  quae  praesertim  summum  haberet  ei 
deligendi  iudicium  et  discribendi  soUertiam,  magnopere  verendnm  videb»- 
tur,  ne  vel  prudentissimi  viri  deliberatum  consuium  arbitratu  meo  per- 
verterem  vel  de  lepore  modicique  apparatus  elegantia  multum  detndiereai 
vel  ipsius  libri  ut  ambitum  ac  pretium  augerem  ita  aditum  ad  perrul* 
gandum  deminuerem  minusc[ue  eum  vendibilem  redderem.  Nunc  et  partiani 
descriptio,  in  qua  ille  non  inmerito  gloriabatur,  tota  servata  est  nee  qnio- 
quam  additum  nisi  quod  ipse,  dum  vivebat,  nitidissima  mann  tamqnam 
addendum  perscripserat,  quae  ad  nos  transmissa  suo  auid(]^ue  looo  inserenda 
curavimus;  paucissima  numero,  quae  minus  oommooa  videbantur,  delevi- 
nius.  Ipsi  omnium  raaxime  id  unnm  egimus,  ut  scriptorum,  qnibos  ille 
usus  erat,  locis  iterum  conferendis  et  ad  optima  ezemplaria  oomponendis 
qnic^uid  in  verbis  numerisve  peccatum  esset,  quae  quidem  nescio  quo  pecto 
plurima  esse  invenimus,  dihgenter  corrigeremus ,  ^uem  laborem  vedü 
plenissimum  amicissimi  viri  memoria  ac  recordatio  mirifice  mitigavit.*' 

Demosthenea  der  Staatsmann.  Ein  populärer  Vortragr  gehalten  in 
Brunn  den  17.  März  1864  von  Theodor  Gomperz.  Wien,  C.  Gerold*a  Sohn. 
36  S.  gr.  8.  -  60  kr. 

Populäre  Vorträge  über  Gegenstände  des  classischen  Alterthums  haben 
im  allgemeinen  eine  schwierigere  Aufgabe,  als  Vorträge,  die  sich  auf  neuero 
Geschichte  und  Literatur  oder  auf  das  naturwissenschaftliche  Gebiet  sich 
beziehen.  Die  kurze  Zeit,  welche  einem  derartigen  Vortrage  zugemessen 
zu  sein  pflegt,   reicht  nicht  hin,   das  Interesse  des  Zuhörerkreises  erst  zu 

gewinnen,  sondern  der  Vortrag  muss  mit  raschen  Schritten  seinem  eigent- 
chen  Gegenstande  zusteuern;  und  während  för  neuere  Geschichte  und 
Literatur  das  Interesse  der  Zuhörer  dem  Vortragenden  entgegenkommt, 
und  bei  Naturwissenschaften  gern  der  Täuschung  lUium  gegeben  wird,  dast 
das  der  Anschauung  zugängliche  auch  dem  Verständnisse  nahe  liege,  tritt 
den  Gegenständen  aus  dem  classischen  Alterthume  leicht  das  VomrÜiefl 
entgegen,  dass  das  der  Zeit  nach  entferntere  auch  unserem  Verständniase 
ferner  liege  nnd  als  fremdartig  auf  unser  Interesse  geringeren  Ansprndi 


Literarische  Notizen.  S78 

babe^  Das  Yorartheil:  denn  daa  all^mein  menschliclie,  wahr  dargestellt, 
bleibt  uns  über  die  Trennung  der  Zeiten  hinaus  gleich  nahe,  and  politische 
Znst&nde  und  Verhältnisse  finden  nicht  selten  in  weit  getrennten  Zeiten 
•eUagendere  Analogien,  als  in  der  unmittelbarsten  Nähe.  In  schwer  be- 
difaigter  Zeit  Deutschlands  yeröffentlichte  bekanntlich  Niebuhr  eine  freie 
üebmetzung  der  ersten  philippischen  Rede  des  Demosthenes,  um  zu  seinen 
Z^traiossen  über  die  Gefahren  der  Gegenwart  und  die  Mittel  der  Abhilfe 
dura  die  Worte  des  groDsen  Redners  zu  sprechen.  In  der  Vorrede  zum  zwei- 
ten, kurz  Yor  seinem  Tode  erschienenen  Abdrucke  dieser  Uebersetzung 
schreibt  Niebuhr:  „Demosthenes  hat  vieles  gesprochen,  was  eine  andere 
sbhwer  gefährdete  Zeit  für  sich  vernehmen,  sich  daran  erbauen  und  da- 
durch belehren  sollte.  Wenn  das  nicht  geschieht,  so  haben  wir  in  diesem 
Jahrhundert  die  philologischen  Studien  nutzlos  ausgebreitet  und  die  Ver- 
vielfältigung in  Hunderttausenden  von  Exemplaren  klagt  unsere  Zeit  nur 
an,  dasa,  was  sie  schafft,  ganz  äuXlserlich  bleibt.**  Man  darf  in  diesen  Be- 
ziehnngen  das  Thema  des  vorliegenden  Vortrages  gewiss  als  glücklich  ge- 
wählt nlr  einen  weiteren  Hörerkreis  betrachten:  Demosthenes,  nicht  als  Red- 
ner, sondern  als  Staatsmann,  also  eine  Skizze  der  politischen  Lage  Athens 
und  Griechenlands  im  Zeitalter  Philipps,  und  des  Kampfes,  den  die  sitt- 
liche GrüAe  und  die  durchdringende  Einsicht  des  Demosthenes  gegen  die 
dem  Vaterlande  drohenden  Gefahren  führte.  Der  Vortrag  selbst  zeigt,  dass 
der  Verfasser  nicht  aus  abgeleiteten  Hilfsmitteln,  sondern  aus  den  Quellen 
lelbst  geschöpft  und  durch  Vertiefung  in  die  Werke  des  Demosthenes  eine 
lebend&e  Anschauung  des  grofscn  Mannes  und  seiner  Zeit  gewonnen  hat. 
Daher  die  frische  Färbung,  welche  dem  so  oft  behandelten  Gegenstande 
den  Beis  der  Neuheit  gewährt;  frei  von  leeren  Phrasen  lehnt  sich  die  Dar- 
stellung häufie  in  treffendster  Weise  unmittelbar  an  die  Worte  des  Demosthe- 
nes an.  Der  Vortrag  gewinnt  daher  ein  besonderes  Interesse  für  Leser, 
welche  mit  Demosthenes'  Reden  und  mit  den  Ereignissen  bereits  bekannt 
find.  —  Als  Anhang  sind  einige  Anmerkungen  beigefügt,  nicht  um  im 
dnielnen  die  Beziehungen  der  gegebenen  Darstellung  zu  den  Quellen  zu 
erweisen,  sondern  nur  um  Auffassungen  zu  rechtfertigen,  welche  von  den 
horkönunlichen  abweichen.  Besonders  beachtenswerth  ist  in  dieser  Hinsicht 
die  nm^ueende  Anmerkung  über  die  Theorika  und  über  die  Stellung, 
welche  Demosthenes  zu  dieser  Einrichtung  einnimmt 

1.  B.  Kozenn's  oro-hydrographischer  Atlas  in  9  Karten.  Wien  und 
Obnüti,  Eduard  Hölzel,  1864  ~  80  kr.,  einzelne  Karten  10  kr. 

Wenn  man  die  vorliegenden  9  Karten  (Europa,  Asien,  Amerika, 
Mittel-Europa,  Alnenländer  (Doppelblatt),  böhmisch-mährisches  Hügelland, 
gftdwestl.  Deutschland,  Karpatemänder^  mit  den  entsprechenden  Terrain- 
karten im  Schulatlas  vergleicht,  so  zeigt  sich  ein  erfreulicher  Fortschritt 
in  der  Vervollkommnung  der  Terraindaxstellung.  Es  ist  das  vorhandene 
nicht  einfach  benützt,  sondern  verbessert;  ganz  neu  ist  die  Karte  der  Kar- 
patenländer, eine  Zugabe,  welche  für  die  heimischen  Bedürfhisse  willkom- 
men erscheint.  Durch  sorgfältige  Zeichnung  und  zwcckmäTsige  Auswahl 
der  Farbentönc  hat  die  Terraindarstellun^  wesentlich  gewonnen.  —  Die 
ZwecbmäJOsigkeit  von  Terrainkarten,  wie  die  vorliegenden  es  sind,  für  den 
Schnlgebrauch,  ist  al^emein  anerkannt;  sollen  dieselben  aber  eine  prak- 
tische Bedeutung  für  den  Unterricht  in  einiger  Ausdehnung  erreichen,  so 
ist  eine  Ermäfeigung  des  Preises  unerlässlich. 

2.  J5.  Kozenn's  Gnindzüge  der  Geographie  sind  in  demselben 
Verlage  in  3.  Auflage  erschienen.  —  40  kr. 

3.  Geoarapkischer  Leitfaden  für  die  Elementarclassen  der  Gymnasien 
*uid  Realschulen,  von  Gustav  Adolph  von  Klöden.  Zweite  verbesserte  und 

vermehrte  Auflage.  Berlin,  C.  G.  Lüderitz'sche  Verlagsbuchhandlung,  A. 
Charisins,  1865.  kl.  8.  108  S.  —  8  Sot. 

In  dieser  Auflage  hat  der  Hr.  Vf,  auf  den  Wunsch  einiger  Lehrer 


S74  Literarische  Kotizen. 

die  ^088-  und  Gebirgsnamcn  Deutschlands  in  gröfserci  Ausfahrlichkeit 
behandelt.  Der  zu  diesem  Zwecke  beigcfägto  Anhang,  so  wie  die  Verbesse- 
rungen rechtfertigen  die  Bezeichnung  ^vermehrte  und  verbesserte  Auflc^" 

4.  Von  DanieV»  geographischen  Lehrbüchern  (Halle,  Waiaenlumi- 
buchhandlung,  1864)  ist  das  Lehrbuch  in  14.  (Va  Thlr.),  der  Leitfiideii  in 
25.  Auflage  (V«  Thlr.)  erschienen.  AuTser  den  noth wendigen  Zusätzen  oiid 
Verbesserungen  hat  das  Lelirbuch  namentlich  in  seinem  zweiten  Buche  eine 
vortheilhafte  Umarbeitung  erfahren. 

Atlas  des  Hinwiels  wid  der  Erde  für  Schule  und  Baus  in  41  Karten. 
Bearbeitet  von  Adolf  Graf.  Weimar,  Geographisches  Institut.  1.  und  2. 
Lieferung.    Subscriptionspreis  für  den  vollständigen  Atlas  5  Thlr.  14  Sgr. 

8owol  der  Mafsstab  der  Karten  (z.  B.  Schweiz  1:800.000;  Thüringer- 
land 1:600.000)  als  auch  ihr  Format  (in  der  Gröfse  von  16'/,  zu  20  Pa- 
riser Zoll)  zeigt ,  dass  dieser  Atlas  in  die  Beihe  der  gröfteren  Atlanten 
gehört,  wofür  auch  noch  der  Umstand  spricht,  dass  27  Karten  der  Staaten- 
kunde Europas  gewidmet  sind.  Diese  reiche  Auswahl  setzte  dem  Hm.  Vf. 
in  stand  ein  möglichst  ausführliches  Bild  von  den  einzelnen  Staaten  in 
entwerfen,  wovon  bereits  Proben  in  den  beiden  Lieferungen  vorliegen. 

Dieselben  enthalten  Nr.  1.  Der  nördliche  Sternenhimmel;  Nr.  4.  Erd- 
karte in  zwei  Planigloben  mit  Beikärtchen  (eine  Darstellung  der  politi- 
schen Verhältnisse  der  Erde  nebst  einer  ethnographischen  Uebersicht  der 
Zonen,  Wärmelinien) ;  Nr.  6.  Europa  (politische  Karte  1 :  16,000.000) ;  Nr.  10. 
Kaiscrthum  Oesterreich  (1:3,500.000),  Nr.  3.  Erdkarte  in  zwei  Planis^loben 
mit  mehreren  Beikärtchen  in  Mercators  Projection  (eine  oro-hydrographische 
Darstellung  der  Erde  nebst  Beigabe  einiger  für  die  Physik  der  Erde  be- 
sonders wichtiger  Momente);  Nr.  23.  Die  Königreiche  Scnweden  und  Nor- 
wegen (1 : 4,000.000) ;  Nr.  24.  Königreich  Dänemark  und  die  Herzogthümer 
Schleswig-Holstein  und  Lauenburg  (1:1,250.000);  Nr.  30.  Die 'europäiche 
Türkei  (1:3,000.000).  Ihre  Ausführung  verdient  lobende  Anerkennung:  man 
findet  nicht  blofb  die  Forschunpcn  der  Wissenschaft,  sondern  aucn  alle 
politischen  Veränderungen  berücksichtigt.  Die  Zeichnung  ist  oorrect;  eine 
ganz  besondere  Sor^alt  ist  der  Terrainzeichnung  gewidmet,  wovon  der  Be- 
weis nicht  so  sehr  m  der  Zahl  der  beigegebenen  oro-  und  hydro^phischen 
Karten  als  vielmehr  in  dem  Umstände  liegt,  dass  auf  den  politischen  Kar- 
ten überall  die  Terraindarstellung  gebührend  berücksichtigt  wurde.  Die 
Karten  sind  daher  instructiv  und  bei  aller  ihrer  Keichhaltigkcit  leicht  les- 
bar, wozu  wesentlich  die  zwischen  der  Terrain  Zeichnung  und  Schriftbe- 
zeichnung herrschende  Harmonie  beiträgt,  ein  Resultat,  welches  durdb 
zweckmäfsige  Anwendung  des  Kupferstichs  für  die  Situations-  und  Schrift- 
zeichen in  Verbindung  mit  der  Lithographie  fiir  die  Terrain darstellung 
erzielt  wurde. 

Entsprechend  dem  inneren  Werth  der  Karton  ist  auch  für  die  äuAere 
Ausstattung  alle  Sorgfalt  angewendet  und  damit  die  Ausführung  eines 
Werkes  begonnen,  das  wegen  seiner  Güte  und  Preiswünligkeit  der  Beach- 
tung empfohlen  zu  werden  verdient. 

Anleiiuna  zum  Einmmmeln,  Präparieren  und  Untersuchai  der 
Pflanzen  y  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Kryptogamen.  Im  Anschluss 
an  den  Elementaren rsus  der  Kryptogamenkunde  von  Conrector  W.  0.  Hel- 
mert  und  Dr.  L.  Raben  hörst.  Herausgegeben  von  J.  Nave.  Mit  einen 
Vorwort  von  Dr.  L.  Rabeuhorst  Nebst  9  in  den  Text  gedruckten  Holz- 
schnitten. Dresden,  H.  Burdach,  1864.  gr.  8.  94  euggeilruckte  Seiten. 

Der  Algologe  Nave  in  Brunn  hat  in  tliescm  Buche  nicht  nur  die 
dem  Titel  entsprechende  Anleitung,  sondern  auch  Belehrungen  Ober  die 
Einrichtung  und  Onservienmg  der  Herbarien,  über  die  bestehenden  Tausob- 
yereine  und  Pflanzenverkaufsanstalten,  so  wie  über  die  verkäuflichen  Pflan- 
zensammlunjjfen,  endlich  über  die  Prüfung,  den  Gebrauch  und  die  Erhal- 
toBg  der  MikTOBkope  gegeben.  Die  eigentuche  Anleitung  zum  Einsammeb, 


Literarische  Notizen.  STB 

Mptrieren  und  untersuchen  der  Pflanzen  behandelt  in  abgesonderten  Ab- 
schnitten die  Algen,  Pilze,  Flechten,  Moose,  dann  in  einem  gemeinsamen 
Abschnitte  die  (kflMiTptoganien  nnd  Phanerogamen.  Von  den  67  Seiten, 
welche  diesen  Abschnitten  gewidmet  sind,  fallen  46  ani  die  Algen,  12  auf 
die  übrigen  S^llenpflanzen,  18  auf  die  GefSfsvflanzen,  entsprechend  der 
Minoren  oder  nröAseren  Schwierigkeit  der  Behandlung  und  wol  auch  der 
Y<»rliebe,  so  wie  den  zahlreicheren,  detaillierten  ErfiEJirungen  des  Verfassers 
auf  dem  alg^ologischen  Gebiete.  Der  Abschnitt  über  die  Algen  behandelt 
zuerst  diese  im  allgemeinen,  dann  insonderheit  die  Diatomaceen,  Desmidia- 
oeen,  fadenförmigen  Algen,  Oscillariaceen,  hautartigen  Algenlager,  krusten- 
fi^migen,  angewachsenen  Arten,  schleimigen  und  gallertigen  Algen,  stein- 
trtigen  Algen,  Characeen,  endlich  Algen  mit  zusammengesetztem  Thallus. 
Die  Abhandlung  über  die  Diatomaceen  enthält  nach  Winken  über  die 
Wohnorte  dieser  Gebilde  und  die  Ausrüstung  des  Diatomaceensammlers  die 
Behandlung  der  nicht  parasitischen,  dann  die  der  parasitischen  Arten  bei 
deren  Sammlung  und  Präparierung,  endlich  eine  ausführliche  Darstellung 
der  Methode  zur  Bestimmung  der  Arten  und  zur  Anfertigung  von  Probeoh- 
ieeten  von  Diatomaceen.  Die  ganze  Arbeit  ist  mit  grofser  Deutlichkeit  und 
Einsicht  geschrieben  und  wird  nicht  blolV)  dem  An^nger  die  besten  Dienste 
leisten,  sondern  auch  dem  geübten  Sammler  manches  Neue  bieten.  Der 
gednmp^ene  Stil  läset  nicht  wohl  einen  Aoszug  zu:  wir  machen  daher 
aar  beispielsweise  auf  mehrere,  besonders  praktische  oder  interessante  An- 
deutungen aufmerksam,  welche  in  diesem  Buche  reichlich  enthalten  sind. 
Das  Wasser,  in  dem  die  nach  Hause  gebrachten  Algen  bis  zur  Präpa- 
rieroBg  aufEubewahren  sind,  muss  weich  sein.  Rabenhorst's  Kryptogamen- 
ilora  äichsens  enthält  in  ihrem  ersten  (und  einzigen,  bis  jetzt  erschienenen) 
Bande  die  Charaktere  der  meisten  Gattungen  der  mitteleuropäischen  Süfs- 
waaaeralgen  und  ist  daher  jedem  Anfänger  in  der  Algenkunde  ein  unent- 
behrliches Handbuch;  denn  ohne  einen  bildlichen  Begriff  der  Gattungen 
ti  haben,  kann  er  an  das  Untersuchen  der  Arten  nicht  gehen,  und  zu 
diMem  Zwecke  g^bt  es  nur  die  Wahl  zwischen  dieser  Flora  und  der  in  so 
Tielan  anderen  Büchern  und  Heften  zerstreuten  Literatur.  Küstenbewohner 
können  Diatomaceen  bedeutender  Meerestiefen  durch  Untersuchung  der  Ein- 
mwaide  ton  Fischen  und  anderen  Seethieren  erlangen.  Die  Diatomaceen 
it/t  Oselllarienrasen  müssen  durch  Kochen  dieser  Rasen  in  Mineralsäuren 
gewonnen  werden,  indem  die  Kieselpanzer  der  Diatomaceen  davon  unzer- 
tfiBrt  bleiben.  Beim  Schlämmen  des  Wassers,  in  welchem  Diatomaceen  ent- 
halten sind,  beziehungsweise  beim  langsamen  AbgieDsen  dieser  Flüssigkeit 
aoB  einem  Glasgefafto  in  das  andere,  bestreiche  man  den  Band  des  vollen 
Glaaea  mit  Talg,  damit  das  Wasser  nicht  an  der  Aultenseite  ablaufe  und 
•e  Diatomaceen  verloren  gehen.  Mehrere  Diatomaceen,  insbesondere  die 
Navienlaoeen  und  Nitzschien,  d.  h.  solche  Arten,  welche  sich  kräftig  be- 
wegen ,  kdnnen  mit  Benützung  ihres  Dranges  nach  Licht  rein  darg^tellt 
wwden  ;  das  nähere  über  diese  Methode  des  Mikroskopikers  Beinik  siehe 
8.  IL  Auf  der  folgenden  Seite  ist  Gerstenberger's  Anleitung ,  die  Diato- 
maceen in  züchten,  mitgetheilt.  Algen,  an  weläien  Diatomaceen  |)arasitisch 
vorkommen,  erkennt  man  an  der  rothbraunen  Farbe.  Man  vermeidet  in 
erodieren  angefeuchteten  Diatomaceen  die  Luftblasen,  wenn  man  sie  vor 
oer  Anfeuchtnng  durch  Wasser  behufs  der  mikroskopischen  Untersuchung 
nüt  einem  Tropfen  Weingeist  benetzt.  Wenn  Sphagna  in  Torfmooren  schlei- 
miff  sind,  sind  sie  voll  Desmidiaceen,  welche  am  reinsten  aus  dem  Wasser, 
wdehes  beim  Waschen  dieser  Sphagna  abläuft,  gewonnen  werden.  Zu  diesem 
Ende  nimmt  man  die  ganzen  Polster  in  Kautschukumschlägen  nach  Hause 
und  liest  dann  das  abgewaschene  Wasser  in  einem  Glase  seinen  Inhalt 
absetzen.  Der  Hantz^scho  Liqueur  für  Diatomaceenpräparate  ist  allen  andern 
SU  dieeem  Zwecke  angewendeten  Flüssigkeiten  vonuzienen.  Copulierte  Zygne- 
iiaceen  findet  man  am  ehesten,  wenn  man  die  loseren  und  fahl  gefärbten 
Basen  snr  Untersuchung  auswählt.  Die  Schwärmsporen  der  Ulatricheen  in 
(Mogonien  schlüpfsn  gewöhnlich  in  den  ersten  Morgenatundeo  aus,  und 


S70  literarische  Notizen. 

dieser  Yorffang  kündigt  sich  durch  die  Bildang  eines  grfinen  Anivget  i 
Wasserranae  (ini  Glase)  an.  Um  die  Lilien  der  Schwärmsporen  sa  seil 
lahme  man  deren  Bewegung  durch  einen  Tropfen  Jodtinctor.  Den  Bihatt 
der  Zellen  vieler  Gladophoren,  Conferven  and  Oedogonien  moss  maa  d»> 
durch  aufquellen  machen,  dass  man  dem  Wasser  etwas  Salzsäure  oder  Aeti- 
kali  zusetzt  Um  Algen  oder  Lichenen  mit  den  Steinen  zu  gewinnen,  anf 
welchen  sie  als  Kruste  aufsitzen,  niuss  man  bei  flachen  Felswänden  zaeiit 
einen  Spitzmeisel  anwenden,  um  einen  Angriffispunct  zu  orlan^n,  wo  maa 
dann  erst  den  breiten  Meisel  anwendet  Ziegelsteine  sind  wegen  ihrer  Gleich* 
förmigkeit  und  der  daraus  folgenden  gleichen  Vertheilung  des  Dmekas 
anderen  Schwersteinen  beim  Pflanzen trockuen  Yorzuziehen;  der  Beinliöhkeit 
wegen  scUage  man  sie  in  Papier  und  versehe  sie  mit  einer  Schnur,  die 
zur  bequemeren  Handhabung  in  eine  Schlinge  auslauft.  Die  sehr  leichte 
Bereitung  des  Stearinpapiers,  um  beim  Trocuien  der  Algen  das  AnJkleben 
zu  hindern,  ist  auf  &,  z9  mitgetheilt.  Es  ist  gut,  wenn  der  Alkohol,  in 
dem  das  Quecksilbersublimat  zur  Bewahrung  gewisser  Pflanzen  vor  In* 
sectenfraf^  gelöst  wird,  sehr  fuselreich  ist  —  Diese  beispielsweison  An- 
führungen mö^en  hinreichen,  um  die  praktische  Brauchbarkeit  dieses  Buchet 
zu  charakterisieren  und  zur  Benützung  desselben  einzuladen.  Leider  ist  der 
Verfasser  dieser  Anleitung,  dem  Mähren  eine  in  dem  zweiten  Bande  der 
Schriften  des  naturforschenden  Vereines  in  Brunn  erschienene  Abhandlung 
über  die  vaterländische  Algenflora  verdankt,  den  15.  November  ▼.  J.  hn 
Alter  von  31  Jahren  einem  Brustleiden  erlegen.  ▼.  Heu  f  1er. 

Monatshlätter  zur  Förderung  des  Zeichenur^errichtes  an  Senden, 
Herausgegeben  von  Hugo  Troschel,  Kupferstecher  und  Zeichenlehrer  an 
der  Dorotncenstädtischen  Realschule  zu  Berlin.  Berlin,  Nioolai'sche  finch« 
handlung.  Erster  Jahrgang.  Nr.  1.  April  1865.  (Monatlich  IV,  bis  2  Bogei. 
Abonnementspreis  vierteyanrlich  '/,  Tnlr.) 

Der  Unterricht  im  Zeichnen  nimmt  an  unseren  Realschulen  eine  sehr 
bedeutende  Stelle  in  dem  Ganzen  des  Lehrplanes  ein ;  an  den  neu  gegrlkn- 
deten  Realgymnasien,  welche  sich  die  Aufgabe  stellen,  ihre  Schüler  n 
dem  Eintritte  sowol  in  die  Oberrealschulen  als  in  die  Obergymnasien  zi 
befähigen,  ist  derselbe  mindestens  für  zwei  Classen  ein  idlgemein  oblinter 
Lehrgegenstand  geworden ;  an  unseren  Gymnasien  ist  er  zur  Zeit  noch  ein 
freier  Nebengegenstand ,  aber  es  ist  kaum  wahrscheinlich ,  dasa  er  anf  die 
Dauer  in  dieser  unbestimmten  Stellung  verbleibe.  Man  roaf  mit  Recht 
Bedenken  tragen,  den  Schülern  unserer  uvnmasien  noch  irgend  einen  neuen 
Lehrgegenstand  zur  Pflicht  zu  machen,  aber  man  kann  sich  dadurch  nicht 
abgehalten  sehen  zu  befürworten,  dass  der  Zeichenunterricht  an  unseron 
Gymnasien,  soweit  die  Ausführung  irgend  möglich  ist,  eine  bestimmtem 
Einrichtung  erhalte,  durch  welche  er  etwa  mr  zwei  Classen  des  Unter- 
gymnasiums ein  obligater,  für  alle  übrigen  Classen  ein  freier,  aber  von  der 
Lehranstalt  ohne  besonderes  Entgelt  dargebotener  Unterrichtsge^nstand 
würde.  Etwas  eigentlich  neues  würde  hiedurch  in  unsere  Gymnasien  nicht 
gebracht,  indem  fast  an  allen  Lehranstalten  das  Zeichnen  gelehrt  wird, 
nur  so,  dass  fgr  sämnitliche  Classen  die  Theilnahme  daran  der  freien  Wahl 
der  Schüler  oder  ihrer  Eltern  überlassen  bleibt  und  nicht  einmal  die  ele- 
mentarsten Kenntnisse  und  Uebungen  auf  diesem  Gebiete  als  ein  Erfor- 
dernis seitens  der  Schule  betrachtet  werden.  Der  genaue  Zusammenhang, 
in  dem  die  Elemente  des  Zeichnens  mit  derjenigen  Entwickelung  der  Auf- 
fassung räumlicher  Gestalten  stehen,  welche  unsere  Gymnasien  aJs  eine 
wesentliche  Aufgabe  des  geometrischen  Unterriches  betrachten;  die  erheb- 
liche Erleichterung,  welche  einige  Uebung  im  Zeichnen  dem  Unterrichte 
in  den  Naturwissenschaften  bringt ;  die  Förderung  endlich,  welche  eine  ans 
dem  gewonnenen  eignen  Interesse  fortgesetzte  Uebung  im  Zeichnen  der 
Ausbildung  einer  wichtigen  Seite  des  Geschmackes  zu  geben  vermag:  alles 
dies  spricht  dafür,  dass  der  Unterricht  im  Zeichnen  an  unseren  Gymnaaien 
eine  bestimmte  Stelle  in  der  ganzen  Lehreinrichtung  einnehmen  tolltii 


Literarische  Notizen.  S77 

Aber  nnerlftssliche  Bedingung  hierfür  ist,  dass  durch  Feststellung  eines 
methodischen  Lehrplanes  und  durch  Bestimmunfi^  über  die  an  die  Lehrer 
la  stellenden  Forderungen  der  Erfolg  des  Unterrichtes  insoweit  gesichert  sei, 
als  sich  dies  durch  Einrichtungen  überhaupt  erreichen  lässt.  Diese  Einrich- 
tmiffen  xweckm&fsig  zu  treffen,  dass  ebenso  sehr  der  Natur  des  Gegenstandes 
tls  dem  verschiedenen  Charakter  der  Mittelschulen  Rechnung  getragen  werde, 
ist  eine  keineswegs  leichte  Aufgabe.  In  Preui^en,  wo  seit  geraumer  Zeit 
das  Zeichnen  in  einigen  Classen  der  Gymnasien  einen  obligaten  Lehree^en- 
itand  bildet,  ist  erst  vor  kurzem  (vgl.  in  dieser  Zeitschrift  1863,  HeftXH 
S.  VU)  ein  ^Lehrplan  für  den  Unterricht  im  Zeichnen  auf  Gymnasien  und 
Realschnlen  und  Instmction  für  die  Prüfung  der  Zeichenlehrer**  amtlich 
publidert  worden;  wenn  durch  diese,  unverkennbar  aus  vielseitiger  Erwä- 
gung hervorgegangene  Publication  die  Fortscbritte ,  welche  die  Methodik 
des  Zeichenunterrichtes  in  neuester  Zeit  gemacht  hat^  zum  besten  des 
Schulunterrichtes  verwerthet  sind,  so  kann  dieselbe  einen  vollständigen  Er- 
folg erst  dadurch  erhalten,  dass  die  Fragen  Über  Methodik  von  den  zur 
AosftUming  berufenen  Lehrern  eingehenc^  Erörterung  finden  und  die  er- 
forderlichen Lehrmittel  entsprechend  dazu  hergestellt  werden.  In  dieser 
Bichtung  zu  wirken,  setzen  sich  die  in  der  Ueberschrift  genannten  „Monats- 
Uitter  xnr  Aufgabe;  da  dieselben  einen  Gegenstand  hehandeln,  der  bei 
nna  eben  in  Fr^e  steht,  so  halten  wir  uns  verpflichtet,  unsere  Leser  auf 
diese  Zeitschrift  aufmerksam  zu  machen. 

Der  Heransgeber  bezeichnet  in  dem,  die  Einleitung  dieser  ersten 
Nummer  bildenden  „Prospectus**  seine  Ansicht  fol^endermafsen :  ^Unser 
Zweck  ist  es  vor  allem:  dem  Zeichenunterricht,  welcher  so  lange  und  in 
10  hohem,  unverdientem  Grade  damiedorgelegen ,  alle  nur  irgend  mögliche 
Unterstützung  an^edeihen  zu  lassen,  ihn  zu  einer  energischen  Regsamkeit 
fofnirichten,  damit  er  die  ihm  gebührende  Stellung  als  ebenbürtiger  Factor 
IE  der  Erxiehung  und  Bildung  der  Jugend  zu  gelten,  nicht  allein  erringe, 
Mmdem  auch  dauernd  behaupte.*'  Als  Leserkreis  erwartet  der  Herausgeber 
ranichst  nur  „die  Zeichenlehrer  und  diejenigen  Schuld irectoren  oder  Lehrer 
anderer  Fächer,  welche  dem  Zeichenunterrichte  ein  allgemeines  oder  speciel- 
les  Interesse  zuwenden."  Diese  werden  in  der  neuen  Zeitschrift  eine  Dis- 
eaarion  der  allgemeinen  und  der  einzelneu  Fragen  der  Methodik  und  eipe 
Kritik  der  neu  erschienenen  Lehrmittel  findcu,  und  sind  eingeladen,  die- 
selbe als  Organ  zu  benützen,  um  ihre  eigenen  Ueberzeügungen  und  Erfah- 
rungen in  cferselben  rückhaltslos  niederzulegen. 

In  der  vorliegenden  ersten  Nummer  lassen  zwei  Aufsätze  des  Heraus- 

Sibeis  die  Ueberzeügungen  desselben  über  die  für  Mittelschulen  angemessene 
ethodik  des  Zeichenunterrichtes  in  ihren  Grundzügen  erkennen.  Der  erstere 
«Zur  Geschichte  des  Zeichenunterrichtes**  bezeichnet,  nach  kurzer  Erwäh- 
nung der  Verdienste  anderer  Männer,  das  Charakteristische  der  Dupuis*- 
aehen  Methode  und  zugleich  die  Beschränkung  und  Modification,  welche 
dieselbe  im  Schulunterrichte  zu  erfahren  habe.  Ein  zweiter  „Ueber  Wand- 
tafeln* erörtert  die  Zweckmäfsigkeit  dieses  Lehrmittels,  mit  dessen  Her- 
stellnnff,  wie  aus  einer  dem  Blatte  beigelegten  buchhändlerischen  Anzeige 
lu  ersehen  ist,  der  Herausgeber  so  eben  beschäfti^^  ist  Ein  anderer  kurzer 
Anilnta  „Ueber  den  Zeichenunterricht  bei  den  Gnechen*'  sucht  neben  den 
historischen  Nachrichten,  welche  er  ^ibt,  auf  den  bildenden  Einfluss  hin- 
luweisen,  welchen  der  Zeichenuntemcht  schon  nach  den  Ueberzeügungen 
der  einsichtigsten  Denker  bei  den  Griechen  sich  zur  Aufgabe  zu  machen 
habe.  Auf  sp^elle  Fragen  gehen  die  Aufsätze  ein  „Der  geometrische  und  der 
Zddiennnterricht  an  Töchterschulen*'  und  „Der  Nachmittags-Unterricht.'* 
Hoffentlich  werden  die  nächsten  Nummern  aufser  Aufsätzen  auch 
Kritiken  über  Lehrmittel  für  den  Zeichenunterricht  geben;  denn  es  ist 
„zur  Förderung  des  Zeichenunterrichtes  an  Schulen"  sehr  wichtig,  dass 
man  über  fdle  neuen  Erscheinungen  der  Schulliteratur  auf  diesem  Gebiete 
erienüert  sei,  insbesondere  wenn  hierüber  Mittheilungen  von  Männern  ge- 
geben werden,  welche  die  fraglichen  Lehrmittel  durch  eigenen  Gebrauch 
geprüft  haben. 


Dritte  Abtheilung« 

Zur  Didaktik  und  Psedagogik. 
Zur  Beform  der  Realschule. 

Die  ziemlich  einmüthige  Forderung  der  Lehrerwelt  nach  Befomm 
im  Gebiete  des  Bealschulwesens  ist  gewiss  eine  erfrenliche  Erscheinuilg 
and  verdient  die  unbedingteste  Anerkennung.  Die  Erfahrungen,  welche  man 
seit  Gründung  dieser  Lehranstalten  bei  uns  in  Oesterreich  gemacht,  Uefen 
ein  genugsam  reichhaltiges  Materiale  für  die  Beurtheilung,  ob  diese  game 
Gattung  von  Mittelschulen  den  Anforderungen  und  Bedürfnissen  der  Gegen- 
wart in  vollstem  Ma/ise  entspricht,  und  fachkundige  Stimmen  haben  in 
Zeitschriften  und  Broschüren  mit  grofser  Sachkenntnis  auf  Mingel  mnl 
Uebelstände  hingewiesen,  die  einer  Abhilfe  dringend  bedürfen.  Auch  rind 
die  kritischen  Stimmen,  weiche  in  der  letzten  Zeit  laut  wurden,  ganz  an- 
derer Art,  als  diejenigen  Angriffe,  welche  das  Bealschulwesen  in  der  ersten  Zdl 
seines  Entstehens  zu  erfahren  hatte.  Die  einen  fanden  die  humaniatl«te 
Richtung  viel  zu  wenig  berücksichtigt,  die  andern  betonten  unanfhOrliciiy 
die  Realschulen  sollten  praktischer  eingerichtet  sein.  Die  Schroffheit,  nüt 
der  sich  diese  beiden  Richtungen  gegenüberstanden,  hat  sich  ausgeliehen 
und  man  ist  sich  gegenwärtig  über  die  Grenzen  der  Wirksamkeit  der  Real- 
schulen ,  über  ihre  Ziele  und  Tendenzen  weit  klarer,  und  über  einige  Fta- 
gen  wenigstens  dieses  vielbestrittenen  Gebietes  herrscht  im  GroAen  und 
Ganzen  Einmüthigkeit  der  Ansichten.  Eine  mehr  als  dreizehiy&hrige  Sr- 
fahrung  bot  Gelegenheit  die  Mängel  und  Uebelstände  zu  erkennen  nnd 
blofszulegen,  und  es  scheint  ein  wahrhaftes  Bedürfnis,  die  Resultate  der 
gemachten  Erfahrungen  und  Beobachtungen  zu  verwerthen. 

Die  Behauptung,  dass  die  gegenwärtige  Organisation  des  Realsdhal- 
wesens  eine  Umgestaltung  dringend  heische,  involviert  durchaus  keinen 
Tadel  gegen  jene  Bestimmungen,  welche  dieser  Gattung  von  Mittelschulen 
zu  Grunde  liegen.  Man  wird  unbedingt  zugeben  müssen,  dass  es  g^n- 
wärtig  weit  leichter  ist  eine  Aenderung,  und  sei  sie  noch  so  eingreifender 
Natur,  zu  treffen,  als  es  vor  mehr  als  einem  Decennium  war,  derartige  An- 
stalten zu  schaffen.  Das  ziellose  Experimentieren,  Nichtbeachtung  der  anden- 
wo  gemachten  Resultate  sind  im  Erziehungswesen  von  den  schädlichsten  Fol- 
gen. In  der  That  zeigt  auch  das  Beispiel  anderer  Länder,  dass  man  fOn 
der  richtigen  Ansicht  durchdrungen  ist,  dass  in  diesem  Zweige  dee  Sihml« 


A,  Beer,  Zur  Refonn  der  Realschule.  S79 

wewuo  vou  Zeit  zu  Zeit  die  Bodürfnisiie  und  Erfordernisse  einer  eingehen- 
den Pr&fniig  unterzogen  werden  müssen.  Das  Realschulwesen  steht  mit 
der  frischen  pulsierenden  Gegenwart  in  einem  innigen  Zusammenhang  und 
kann  sich  gegen  das  Fortschreiten  des  ernsten  vielbewegten  Lebens  nicht 
in  starrer  Weise  abschlief sen. 

Bei  uns  in  Oesterreich  stellt  sich  die  Noth wendigkeit,  unser  Beal- 
schulwesen  einer  eingehenden  Prüfung  zu  unterziehen,  um  so  unbedingter 
heraus,  als  unsere  polytechnischen  Schulen  theilweise  schon  umgestaltet 
vorden  sind,  theilweise  einer  einschneidenden  Reform  entgegensehen,  und 
die  Rücksidit  hierauf  muss  jedenfalls  die  Frage  als  berechtigt  erscheinen 
lassen,  ob  die  Bildung,  welche  unsere  Realschulen  in  ihrer  dermaligen  Or- 
ganisation gewähren,  die  entsprechende  Vorbereitung  fär  die  technische  Hoch- 
schule biete.  Es  ist  der  Zweck  dieser  Zeilen,  die  Hauptgesichtspuncte^ 
welche  bei  einer  etwaigen  Reform  unseres  Realschulwesens  Berücksichtigung 
zu  Tcrdienen  scheinen,  zu  erörtern  und  es  soll  späteren  Aufsätzen  über- 
lassen bleiben  manches  eingehender  zu  begründen. 

Die  Realschulen  bezwecken  gegenwärtig  auTser  einer  allgemeinen 
Bildung,  welche  sie  ohne  Benützung  der  alten  Sprachen  zu  geben  suchen, 
8OW0I  einen  mittleren  Grad  von  Vorbildung  für  die  gewerblichen  Geschäfts- 
zweige als  auch  eine  Vorbereitung  für  die  technischen  Lehranstalten.  £b 
bt  ein  nicht  abzuläugncndcr  Fehler  unserer  Organisation,  dass  auf  diese 
Weise  durch  eine  Verquickung  verschiedener  Ziele  in  einer  und  derselben 
Lehranstalt,  die  Wirksamkeit  derselben  ungemein  beeinträchtigt  wurde. 
Es  ist  eine  schwierige  Aufgabe  für  eine  Schule  mehreres  mit  denselben 
lütteln  zu  gleicher  Zeit  anstreben  zu  wollen;  eine  Schule  kann  nicht 
vielerlei  Aufgaben  zu  gleicher  Zeit  lösen,  sie  wirkt  genug,  wenn  ihr  die 
Erreichung  einer  einzigen  zugewiesen  wird.  Der  Erfolg,  den  unsere  Gym- 
nasien im  Grofscn  und  Ganzen  aufzuweisen  haben  ^  beruht  nicht  zum  ge- 
ringsten Theile  in  der  Beschränkung  auf  ein  Ziel. 

Der  dritte  Jahrgang  der  Unterrealschule  befriedigt  nach  keiner  Rich- 
tung, steht  mit  dem  Organismus  und  der  Schule  in  keinem  Zusammen- 
hange. Die  Vorträge  über  Baukunst,  Zoll-  und  Monopolordnung  u.  s.  w. 
repräsentieren  die  sogenannte  praktische  Richtung.  Es  liefse  sich  gegen 
die  Aufnahme  derartiger  Lehrgegenstände  in  eine  Schule,  welche  ein« 
unmittelbare  Vorbereitung  für  das  praktische  Leben  anbahnen  soll,  nicht 
das  geringste  einwenden,  und  man  mag  es  dahin  gestellt  lassen,  ob  diejeni- 
gen, welche  nach  absolvierter  Unterrealschule  in's  praktische  Leben  eintreten, 
einen  erklecklichen  Nutzen  aus  jenen  Disciplineu  ziehen.  Aber  auch  diejenigen, 
welche  die  Oberrealschule  zu  absolvieren  beabsichtigen,  werden  ein  Jahr 
lang  mit  Dingen  beschäftigt,  welche  für  ihre  spätere  Studien  durchaus 
nicht  nothwendig  sind.  In  dieser  Beziehung  hat  der  Lehrplan  vom  J.  1849 
das  Richtigere  getroflEi?n,  wenn  er  diese  sogenannten  praktischen  Fächer  in 
einen  eigenen  Jahrgang  na<:h  der  dritten  Unterrcalclasse  verlegt,  ohne  die 
Absolvierung  desselbon  für  diejenigen  zur  Pfücht  zu  machen,  welche  auch  die 
Oberrealschule  zu  frequentieren  beabsichtigen.  Auf  diese  Weise  war  wenig- 
stens ein  organisch  gefugter  Lehrplan  möglich,  uiid  die  Realschule  konnte 
sich;  vi«l  eher  die  eigentlich  wissenschaftliche  Vorbildung  für  die  höheren 


880  A,  Beer,  Zur  Reform  der  Realschale. 

Berufsgattungen  zur  Hauptaufgabe  machen,  auch  nebenbei  den  nmniUel- 
baren  Forderungen  des  praktischen  Lebens  Rechnung  tragen,  so  lange  nklit 
durch  besondere  Fachlehranstalten  diesem  dringenden  Bedürfoisse  abgt- 
holfen  werden  konnte. 

Man  darf  gegenwärtig  wol  auf  allgemeine  Zustimmung  rechnen,  wenn 
man  den  Realschulen  die  Aufgabe  zuweist,  dass  sie  Yomehmlich  f&r  dio 
höheren  btlrgerlichen  Kreise,  welche  specielle  Universitätsstudien  nicht  er- 
fordern, vorbilden  und  vorbereiten  sollen.  Die  Realschulen  sind  Mittelschu- 
len und  haben  mit  einer  bestimmten  Fachbildung,  welche  anderen  Lehr- 
anstalten überlassen  bleiben  muss,  nichts  gemein.  Bei  der  Auswahl  dar 
Bildungsstoffe,  welche  sich  am  meisten  für  eine  allgemeine  Mittelflchn]» 
eignen,  hat  man  nicht  den  unmittelbaren  Nutzen  zu  berücksichtigen  und 
darf  das  gesammte  Lehrmaterial  nicht  mit  Bezugnahme  auf  die  Pnzlf 
zuspitzen,  sondern  muss  vorzugsweise  in's  Auge  fassen,  inwiefern  der  Bil- 
dungsstoff ftür  die  Ausbildung  des  Geistes  und  die  Entwickelung  des  Cha- 
rakters sich  als  brauchbar  erweise. 

Die  Aufnahme  der  praktischen  Disciplinen  in  die  Realschule  befrie- 
digte auch  keine  Partei.  Diejenigen,  welche  die  Realschule  als  eine  höhere 
Mittelschule  organisiert  wissen  wollten,  betrachteten  jene  Gtegenstftnde,  wie 
Buchhaltung,  Zoll-  und  Monopolordnung  u.  s.  w.  als  hemmenden  Ballast, 
und  wiesen  auf  den  in  der  That  geringfügigen  Nutzen  hin,  den  YortrSge 
solcher  Art,  in  dieser  Ausdehnung  gegeben,  der  Jugend  bringen.  Anderen, 
und  dies  war  in  den  ersten  Jahren,  nachdem  unsere  Realschulen  in*8  Le- 
ben gerufen  worden  waren,  keine  kleine  Partei,  erschien  die  Organisation 
zn  wenig  das  Gepräge  des  Praktischen  an  sich  zu  tragen.  Sie  hatten  in- 
sofern Recht,  als  die  aufgenommenen  Gegenstände  den  Standpunct  der  all- 
gemein bildenden  Schule  verrückten  und  im  gröfseren  Publicum  über  die 
Wirksamkeit  der  Schule  Illusionen  vörbreiteteii,  welche  nur  zu  bald  schwin- 
den mussten.  Ein  Realschüler  soll,  so  hiefs  es,  zu  Allem  brauchbar  sein; 
nach  absolvierter  dritter  Classe  soll  er  im  gewerblichen  oder  geschäft- 
lichen Leben  verwendet  werden  können.  Die  einen  sahen  in  der  so  organi- 
sierten Unterrealschule  eine  Gewerbeschule,  die  anderen  eine  Handelsschule, 
und  die  Oberrealschule  sollte  weifs  der  Himmel  welche  specielle  Richtung 
verfolgen.  Noch  jetzt  sind  die  falschen  Vorstellungen,  welche  man  von  den 
Realschulen  überhaupt  hatte,  nicht  ganz  geschwunden.  Man  lese  nur  den 
letzten  Bericht  der  Reichenberger  Handelskammer,  nach  deren  Ansicht  die 
Realschule  eine  zu  ideale  Tendenz  habe  und  praktischer  eingerichtet  wer- 
den solle. 

Diese  Forderung  ist  insofern  eine  unbedingt  berechtigte,  als  neben 
den  Realschulen  auch  besondere  Gewerbeschulen  gegründet  werden  sollen 
und  müssen.  Sie  ist  anderseits  ein  deutlicher  Beweis,  dass  unsere  Real- 
schulen den  streng  gewerblichen  Anforderungen  wenig  genügt  haben.  Die 
Gewerbe  haben,  so  scheint  es  wenigstens,  durch  unsere  Realschulen  nicht 
so  viel  gewonnen,  als  man  anzunehmen  gewillt  war,  und  es  wäre  ihnen 
durch  Specialschulen  eine  intensivere  Förderung  zu  Theil  geworden.  Durch 
die  in  verhältnismafsig  geringem  Umfange  gelehrten  Disciplinen  im  dritten 
Jahrgang  der  Unterrealschule  konnte  wol  eine  allgemeine  gewerbliche  Tor- 


Ä.  Beer,  Zur  Reform  der  Realschale.  t81 

tnldungy  aber  keine  Fachbildung  gewählt  werden,  welche  gerade  bei 
dem  Stande  der  österreichischen  Industrie  ein  unbedingtes  Erfordernis  ist 
Ueberdies  werden  unsere  Realschuien  von  denjenigen,  welche  sich  einem 
Gewerbe  widmen  wollen,  nicht  durch  drei  Jahie  besucht,  sondern  diese  be- 
gnügen sich  meist  mit  der  Frequentation  zweier  Jahrgänge.  Für  diese  Be- 
hauptung liefern  die  statiBtischen  Tabellen  eines  jeden  Jahres  die  nöthigen 
Belege.  Der  Knabe  ist  nach  zurückgelegter  Volksschule  viel  zu  jung,  um 
in  die  liehre  gegeben  zu  werden,  und  um  die  Zeit  auszufüllen,  wird  er 
ein  oder  zwei  Jahre  lang  in  eine  Bealschule  geschickt  Für  diese  grofiM 
Classe  müsste  durch  einen  specifisch  anderen  Unterricht  gesorgt  werden,  ak 
dies  gegenwärtig  der  Fall  ist  Auch  die  Erfahrungen,  welche  man  in  anderen 
Landern  gemacht  hat,  bestätigen  das  Gesagte.  In  Baiern  z.  B.,  dessen  Ge- 
werbeschulen gewissermafsen  die  Vorbilder  unserer  Kealschulen  gewesen 
sind,  sah  man  sich  in  neuester  Zeit  genöthigt,  den  Uebelstanden  abzu- 
helfen,  welche  daraus  erwuchsen,  dass  die  Gewerbeschulen  zu  gleicher  Zeit 
zum  Nutzen  für  die  Gewerbe  und  zur  Vorbereitung  für  die  polytechnische 
Schule  dienen  sollten.  Fast  einstimmig  sprachen  sich  die  gewiegtesten 
Schulmänner  dahin  aus,  dass  diese  Gewerbeschulen  ihrer  Doppelstellung  ent- 
ledigt und  ihrer  ursprünglichen  Bestimmung  wiedergegeben  werden  müs- 
sen, nämlich  bloDse  Vorbereitungsanstalten  für  das  Gewerbe  zu  sein,  und 
dass  die  Vorbildung  für  die  technischen  Schulen  und  die  anderweitigen 
bürgerlichen  Kreise  auf  anderem  Wege  erzielt  werden  müsse.  Einen  ähn- 
lichen Process  machten  die  Realschulen  überall  durch,  wo  man  ihnen  An- 
fangs eine  DoppelsteUung  vindicierte.  Die  Unsicherheit  in  der  Organisation 
der  Realschulen,  welche  Anfangs  fast  aller  Orten  vorhanden  war,  wo  man 
an  die  Organisierung  derartiger  Lehranstalten  gieng,  schwindet  allmählich, 
und  man  hat  sich  überzeugt,  dass  das  Mafs  der  allgemeinen  Bildung  bei 
der  Verschiedenartigkeit  der  Kreise,  für  welche  die  Schule  vorarbeiten  solle, 
unmöglich  ein  gleiches  sein  kann,  so  wie  auch  die  Fachbildung  eine  ver- 
schiedene für  die  verschiedenen  Lebensberufe  sein  muss.  In  PreuXsen  orga- 
nisierte man  neben  den  Bürgerschulen  und  Realschulen  aller  Art  Gewerbe- 
schulen, indem  man  von  dem  richtigen  Grundsatze  ausgieng,  dass  es  hier 
von  Anfang  an  zu  scheiden  gilt,  was  nicht  zusammengehalten  werden 
kann,  und  nur  durch  Manniglaltigkeit  der  Schulen  den  mannigfachen  Bil- 
dungsbedürfnissen abgeholfen  werden  könne. 

Man  wird  bei  aufmerksamer  Prüfung  unserer  Realschulnormen  sich 
leicht  die  Ueberzeugung  verschaffen,  dass  die  Art  und  Weise,  wie  der  Lehr- 
stoff vertheilt  ist,  in  der  Zuweisung  verschiedener  Aufgaben,  welche  eine 
und  dieselbe  Schule  lösen  soll,  wurzelt.  Eine  ausführliche  Darlegung 
dieser  Mängel  scheint  nicht  mehr  nothwendig,  da  die  Ueberzeugung  fast 
Gemeingut  aller  ist,  welche  sich  die  Mühe  gegeben  haben,  den  Organis- 
mus unserer  Realschulen  einer  sorgfältigen  Prüfung  zu  unterziehen.  Bei 
den  mangelhaften  Vorkenntnissen,  welche  unsere  Volksschulen  den  angehen- 
den Gymnasiasten  und  Realschülern  mitgeben,  wird  den  letzteren  zu  viel  anx- 
gemuthet,  wenn  in„der  ersten  Classe  schon  Naturgeschichte  und  Physik  zu 
gleicher  Zeit  vorgetragen  werden  sollen.  Dies  steht  in  dem  Realschulwesen 
DeutschlandB  beispiellos  da,  wo  doch  die  Volksschule  eine  höhere  Stuf» 

ZeltKchrlft  f.  d.  Sttcr  Gymn.  1965.  T.  n«fr.  26 


S8S  A,  Beer,  Zur  Beform  der  Realschule. 

der  Ausbildung  und  Entwickelung  orlangfc  hat,  als  bei  uns  in  Oesterreieh. 
Es  wird  niemand  in  Abrede  stellen  und  die  Lehrerwelt  hat  es  fast  ein- 
stimmig anerkannt,  dass  der  physikalische  Lehrstoff  selbst  in  dem  Aos- 
niafse,  wie  er  an  ünterrealschulen  vorgetragen  werden  soll,  eine  gröfisere 
Reife  des  Geistes  erfordert,  als  die  Schüler  in  der  Regel  mitbringen,  ab- 
gesehen davon,  dass  eine  gleichzeitige  Einführung  in  ünterrichtsgebiete, 
wie  Naturgeschichte  und  Physik,  schon  didaktisch  nicht  zu  rechtfertigen 
ist.  Hier  ist  ein  nacheinander,  nicht  ein  nebeneinander  dringend  geboten. 
Man  sah  sich  zu  dieser  Einrichtung  bestimmt,  weil  man  in  die  dritte  Classe 
der  Untcrrealschule  die  Chemie  aufgenommen  wissen  wollte,  und  zwar  auch 
in  einem  Umfange,  der  für  diese  Altersclasse  wenig  passend  ist.  Man  be- 
rücksichtige femer  die  Stundenzahl.  Naturgeschichte  wird  durch  awei  Stan- 
den im  ersten  Jahrgange  und  durch  ebenso  viel  Stunden  im  ersten  Semester 
des  zweiten  Jahres  gelehrt,  eine  gleiche  Stundenzahl  wurde  der  Physik 
in  den  drei  ersten  Semestern  zugewiesen,  im  vierten  Semester,  wo  die  Na- 
turgeschichte entföllt,  erhält  Physik  vier  Stunden.  Die  Klagen  der  Lehrer, 
dass  sie  mit  diesem  Stundenausmafs  bei  den  vollgefüllten  Classen  nur  ge- 
ringe Resultate  erzielen  können,  sind  nur  allzu  gerechtfertigt.  Mit  zwei 
Stunden  in  der  Woche  vortragen,  wiederholen,  prüfen,  um  die  Leistungen 
nur  einigermafsen  richtig  beurtheilen  zu  können,  ist  selbst  bei  der  gesetz- 
lich normierten  Schülerzahl  von  50  eine  factische  Unmöglichkeit.  Und  nun 
bedenke  man  erst  80—100,  ja  manchmal  noch  mehr  Schüler  in  einer  Classe 
und  frage  sich,  ob  selbst  der  tüchtigste  und  geübteste  Lehrer  am  Ende 
eines  Semesters  nur  mit  einiger  Beruhigung  einen  nur  oberflächlichen  Ueber- 
blick  über  die  Leistangsfähigkeit  seiner  Schüler  erlangen  kann.  Dasselbe 
gilt  natürlich  vielleicht  in  verstärktem  Mafse  von  der  Physik,  wo  die 
Experimente  einen  grofsen  Theil  der  Zeit  ausfüllen  müssen,  wenn  bei  dieser 
Altersclasse  etwas  erspriefsliches  geleistet  werden  soll.  In  der  dritten  Classe 
der  Unterrealschule  wird  der  vcrhältnismäfsig  noch  unreife  Schüler  mit 
Chemie  allzusehr  überbürdet.  Das  Ziel,  welches  der  bestehende  Lehrplan 
der  Unterrealschulc  zuweist,  ist  mit  dieser  Altersclasse  nicht  zu  erreichen, 
da  nach  dem  Urtheile  einsichtiger  Schulmänner  ein  befriedigendes  Resultat 
in  diesem  Wissenszweige  eine  gröfsere  Reife  des  Geistes  erfordert,  als  die 
Schüler  des  dritten  Jahrganges  in  der  Regel  besitzen. 

Was  den  geschichtlich-geographischen  Unterricht  anbelangt,  so  müsste 
die  Realschule  sich  dieses  Bildungsmittels  in  weit  ausgedehnterem  Maß- 
stäbe bedienen,  als  dies  gegenwärtig  geschieht  Der  geschichtliche  Lehr- 
stoff, auf  den  unteren  Lehrstufen  unbedingt  wichtig,  liegt  ganz  brach. 
Die  Erzählungen  biographischen  Inhaltes,  welche  nach  dem  Lehrplane  von 
1851  bei  den  Vorträgen  über  Geographie  eingeflochten  werden  sollen,  sind 
für  einen  geregelten  Geschichtsunterricht  nur  ein  äufserst  problematisches 
Ersatzmittel.  Dagegen  wird  Zeichnen  in  den  drei  unteren  Classen  mit 
25 — 26  St  gelehrt,  ein  Stundenausmafs,  welches  in  einer  Gewerbeschule 
ToUkominen  gerechtfertigt  ist,  für  eine  Mittelschule  als  zu  hoch  gegriffen 
bezeichnet  werden  muss. 

Diese  Bemängelungen  treffen  allerdings  blofs  die  Unterrealschule.  Aber 
auch  die  oberen  Classen  einer  vollständigen  Realschallehranstalt  kdimen 


Ä,  Beer,  Zur  Reform  der  BealBohole.  t8S 

den  strengen  Anforderangen  der  Didaktik  nicht  entsprechen.  Maschinen- 
kunde und  technische  Chemie  gehören  in  eine  Fachschule,  die  Yerthei* 
hing  der  Mathematik  unterliegt  gegründeten  Bedenken  und  einzelne  Lehr* 
instalten  hahen  in  der  That  theils  selbständig,  theils  mit  Bewilligung  der 
Torgesetiten  Behörden  Modificationen  darin  vorgenommen.  Der  Schwerpunct 
der  Mathematik  ist  in  die  vierte  Classe  verlegt  und  hei  dem  massenhaften 
Stoff,  der  abgehandelt  werden  soll,  gelingt  es  nur  den  besser  begabten  Köpfen 
denselben  innerlich  zu  verarbeiten,  und  der  grofse  reale  und  formale  Nutzen, 
den  gerade  ein  gut  geleiteter  mathematischer  Unterricht  in  einer  Real- 
schule abwerfen  soll,  geht  theilweise  in  die  Brüche.  Auf  diese  Weise  lässt 
sich  diejenige  Sicherheit  und  Pracision  des  Wissens  in  der  Elementarmathe- 
matik ^  welche  für  das  weitere  Fortkonmien  an  den  technischen  Lehran- 
stalten ein  unbedingtes  Erfordernis  ist,  nur  schwer  erreichen  und  die  Kla- 
gen bewährter  Lehrer  sind  allgemein.  In  der  besseren  und  intensiveren 
Verarbeitung  der  mathematisch  -  naturwissenschaftlichen  Disdplinen  liegt 
theilweise  die  Erklärung,  warum  Gymnasialschüler  in  Bälde  an  der  Tech- 
nik ihre  Mitgenossen,  die  eine  Bealschulbildung  durchgemacht,  übertreffen. 
Auch  der  Zeichnungsunterricht  in  der  Oberrealschule  ist  mit  26  Stunden 
zu  hoch  bedacht.  Man  wollte  dadurch  die  an  der  Kunstakademie  bestehen- 
den Elementarzeichnungsschulen  überflüssig  machen,  ohne  ganz  den  beab- 
siehtigten  Zweck  zu  erreichen,  trotzdem  unsere  Realschulen  im  Zeichnen 
vortreffliches  leisten  und  die  verdiente  Anerkennung  gefunden  haben. 

Durch  die  Aufoahme  eines  verhältnismäTsig  groXIsen  Stoffes  aus  den 
Realien  wurde  die  sogenannte  humanistische  Bildung  zu  sehr  beein- 
trächtigt, als  dies  in  einer  allgemein  bildenden  Mittelschule  der  Fall 
sein  sollte.  Dieser  Uebelstand  wurzelt  in  der  geringen  Berücksichtigung 
der  sprachlich  -  historischen  Gregenstände.  Eine  Beseitigung  desselben  ist 
schon  im  Interesse  der  Techniker  dringend  geboten,  welche  in  ihrer  socia- 
len und  staatlichen  Stellung  einer  eingehenderen  humanistisch  -  wissen- 
schaftlichen Bildung  bedürfen,  als  die  Realschule  gegenwärtig  zu  gewähren 
im  Stande  ist.  Was  z.  B.  die  Geschichte  anbelangt,  so  wurde  oben  auf 
ihre  mangelhafte  Vertretung  in  der  ünterrealschule  hingewiesen,  und  doch 
müsste  gerade  hier,  bei  der  Empfönglichkeit  der  Jugend  für  das  g^eschicht- 
liche  Studium,  auf  diese  Disciplin  und  die  damit  im  Zusammenhange 
stehenden  sprachlichen  Fächer  ein  Hauptgewicht  gelegt  werden,  während 
erst  in  den  oberen  Classen  sich  die  Hauptthätigkeit  auf  die  mathematisch- 
natunfissenschafklichen  Fächer  concentrieren  müsste.  Was  die  Sprachen 
betrifft,  so  hat  sich  die  gesammte  Lehrerwelt  Deutschlands  für  die  Auf- 
nahme fremder  Sprachen  in  die  Realschule  mit  entschiedener  Einstimmig- 
keit ausgesprochen,  da  eine  einigermaüBen  belangreiche  Bildung  in  dem 
Gebrauch  der  Muttersprache  nur  vermittelst  des  Studiums  fremder  Spra- 
chen möglich  ist.  Die  lateinischen  Schulen  verdanken  ihren  gegründeten 
Ruf  als  tüchtige  Vorbildungsanstalten  nur  dem  Sprachstudium,  und  die 
Realschüler  stehen  dort,  wo  dieses  vernachlässigt  wird,  hinter  den  Gjrm- 
nasiasten  zurück.  Der  sprachliche  Jugendunterricht  ist  auch  für  die  ethische 
Bildnng  ein  nicht  gering  zu  schätzendes  FörderungsmitteL  Es  ist  bekannt 
gwagt  daas  man  das  Hereindringen  der  natniwissonschaftlichen  LehrfiUsher 

26^ 


S84  A,  Seer,  T^ur  Reform  der  ftealschule. 

mit  der  Behauptung  abwehren  zu  können  glaubte,  dass  die  iiaturwisseiiachaft- 
liehen  Disciplinen  kein  ethisches  Bildungselement  involrieren.  So  unrichtig 
diese  Ansicht  in  solcher  Schroffheit  aufgestellt  sein  mag,  so  sehr  man  daran 
festhalten  muss,  dass  die  Naturwissenschaften  auf  Geist  und  Gemüth  der  Ja- 
gend in  bedeutendem  Mafse  einwirken,  nur  in  ganz  anderer  Weise  als  di« 
sprachlichen  Disciplinen,  und  dass  beide  Richtungen,  die  naturwissenschaft- 
liche und  sprachliche,  in  einer  allgemeinen  Mittelschule  vertreten  sein 
müssen,  so  lässt  sich  dagegen  wol  schwerlich  in  Abrede  stellen,  dass  in 
den  unteren  Classen  die  sprachlich  -  historischen  Fächer  für  die  ethische 
Bildung  belangreicher  sind  als  die  Naturwissenschaften.  Die  exakten  Dis- 
ciplinen wirken  auf  die  Anschauung,  die  reproductive  Einbildungskraft, 
bilden  den  Verstand,  mit  einem  Worte  die  intellectuellen  Kräfte  des  See- 
lenseins. Sie  üben  wol  einen  ethischen  Einfluss,  aber  in  indirecter  Weisen 
während  eine  directe  Forderung  der  ethischen  Erziehung  durch  die  Betrach- 
tung und  Erkenntnis  des  menschlich-grofsen,  wie  es  sich  in  der  Geschichte 
Tind  Literatur  offenbart,  hervorgerufen  wird. 

Nach  dem  gegenwärtigen  Organisationsplane  sollen  fremde  Sprachen 
an  der  Realschule  wol  gelehrt  werden,   aber  nur  als  unobligate  Fächer. 
Was  dies  sagen  will,  wissen  alle,  welche  den  Charakter  der  Jugend  richtig 
beurtheilen  können.  Unobligate  Lehrföcher  haben  nur  auf  höheren  Bildungs- 
stufen die  wahre  Theilnahme  gefunden,  wo  die  Reife  des  Geistes  sich  ein 
klares  Urtheil  über  die  Nützlichkeit,  ja  Noth wendigkeit  des  Lehrfaches  bilden 
kann.  Und  gesetzt  auch,  die  fremden  Sprachen  als  unobligate  könnten  sich 
ab  fruchtbringend  für  den  einsichtigeren  Theil  der  Jugend  erweisen,  so  ist 
die  Art  und  Weise,  wie  dieser  Unterricht  bisher  ertheilt  wurde,  vom  Stand- 
puncto  der  Schule  nicht  zu  billigen.    Das   Ziel,  welches  gegenwärtig  bei 
dem  Sprachunterrichte  angestrebt  wird,  ist  Leichtigkeit  der  Conversation, 
bekanntlich  das  Ideal  sprachmeisterlicher  Schulweisheit,  und  da  lässt  sich 
nicht  in  Abrede  stellen,  dass  der  bedeutende  bildende  Einfluss,  den  ein 
gut  geleiteter  Sprachunterricht  gewähren  kann,  vollständig  in  die  Brücha 
geht;  auch  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  der  Schüler  einen  weit  gröfiieren 
Erfolg  in  Bälde  erzielen  kann,  wenn  er  sich  zu  Hause  unterrichten  läsat. 
Wird  nun  die  Wichtigkeit  eines  obligatorischen  Sprachunterrichtes 
zugegeben,  und  es  gibt  im  gesammten  Deutschland  kaum  eine  Stimme,  die 
sich  dagegen  erheben  dürfte,  so  verdient  die  Frage  eine  besonders  eingehende 
Erörterung,  ob  sich  die  Realschule  auf  die  modernen  Sprachen  zu  beschribi- 
ken  habe,  oder  ob  auch  die  classischen  Sprachen  des  Alterthums  oder 
wenigstens  eine  alte  Sprache,  und  zwar  das  Lateinische ,  in  den  Kreis  der 
Unterrichtsgegenstände  zu  riehen  sei.    Dieser  Punct  ist  gegenwärtig  noch 
C^enstand  einer  heftigen  Controverse,  wie  vor  dreifäig  Jahren,   und  wir 
halten  es  für  eine  Pflicht,  trotzdem  er  allseitig  erörtert  und  beleuchtet 
wurde,  die  verschiedenen  Ansichten  demnächst  in  einem  speciellen  Artikel 
einer  aufmerksamen  Prüfung  zu  unterriehen. 

Es  ist  eine  leider  nicht  wegzuläugnende  Thatsache,  dass  unsere  Schul« 
Organisationen  entweder  Erbschaften  einer  durchaus  anders  denkenden  Zeit, 
oder  aber  Schöpfungen  eines  momentanen  tief  gefühlten  Bedürfhisses  sind. 
BieM  tivgen  soduin  das  Gepräge  der  Hast  und  Eilfertigkeit  an  der  S&tttb, 


Ä.  Beer,  Zar  Reform  der  Be^UdiiÜB,  ;i^ 

^iber  ea  wire  ein  unverzeihlicher  Fehler,  in  Folge  der  Erkenntnis  einzelner 
iC&ngei  dai  Ganze  omstorsen  zu  wollen  und  anstatt  eine  Fortbildung  ^ni 
Fortentwickelung  anzustreben,  eine  totale  Umbildung  vorzunehmen,  Di^ 
Erziehung  gleicht  in  dieser  Hinsicht  der  Baumzucht,  sie  vertragt  kein 
aUzuhaufiges  Umsetzen.  So  vielfache  Uebelstände  unsere  Bealschule  aufzu- 
weisen hat,  im  wesentlichen  hat  man  das  richtige  getroffen,  wenn  man 
den  Charakter  dieser  Schalgattung,  als  für  den  Bürgerstand  berechnet 
ansieht  und  dieselbe  auf  anderen  Grundlagen  aufgebaut  hat,  als  unsere 
^ehrten  Mittelschulen.  Durch  die  Au&ahme  des  lateinischen  Sprachunter- 
riehtes  wird  das  Wesen  der  Eealschule  vollständig  verschoben.  Die  beiden 
.Hauptgattungen  der  Mittelschulen  sollen  vom  Anfang  an  scharf  geschie- 
den, alle  vermittelnden  Halbheiten  vollständig  vermieden  werden.  Die  Ein- 
liieilung  der  Schulen  in  Realschulen  und  Gymnasien  ist  keine  willkürlich 
ersonnene,  es  ist  eine  Scheidung  nach  dem  künftigen  Stande  und  der  Le- 
bensweise. Es  g^bt  nun  einmal  eine  grosse  Classe,  welche,  ohne  gelehrtes 
Wissen  zu  bedürfen,  eine  vollkommene  aUgemeinere  Ausbildung  anstrebt, 
und  man  kann  nur  der  Ansicht  eines  bewährten  Schulmannes  beistimmen, 
der  das  Wesen  der  Realschule  darin  sucht,  dass  sie  allen  denen  dienen 
soll,  welche  nicht  auf  Handarbeit  oder  Kopfarbeit  ausschlief^lich  angewiesen 
sind,  sondern  eine  freiere  Bildung  für  die  Gegenwart  beabsichtigen,  ohne 
den  historischen  Weg  über  Athen  und  Rom  einzuschlagen.  IhrCentrum 
haben  die  Realschulen  in  den  Naturwissenschaften  und  neue- 
ren Sprachen  zu  suchen. 

Nur  dann  müsste  man  sich  mit  aller  Entschiedenheit  fUr  die  Auf- 
nahme der  lateinischen  Sprache  in  den  Lehrplan  der  Realschule  ausspre- 
chen, wenn  sich  in  der  That  strict  beweisen  liefse,  dass  die  Lehrobjecte, 
wdche  die  Realschule  in  bevorzugender  Weise  zu  berücksichtigen  hat,  wie 
moderne  Sprachen,  die  deutsche  Sprache,  die  Geschichte,  Mathematik  und 
die  Naturwissenschaften  formelle  und  ideale  Humanitätsbildung  nicht  ge- 
währen können.  Wenn  die  Realschulen  bisher  hinter  den  durchschnittlichen 
Leistungen  der  Gymnasien  zurückgeblieben  sind,  so  lag  dies  zum  Theil  in 
ihrer  Organisation  und  in  der  Neuheit  dieser  Anstalten.  Ihnen  steht  nicht 
eine  Jahrhundert  lange  Erfahrung  zur  Seite,  welche  es  ermöglicht,  Ein- 
seitigkeiten und  Misgriffe  zu  vermeiden ;  sie  mussten  sich  mühsam,  von  den 
Regierungen  Anfangs  wenig  unterstützt  und  begünstigt,  Bahn  brechen, 
ehe  es  ihnen  gelang,  jene  hervorragende  Stellung  einzunehmen,  welche 
ihnen  nun  und  nimmermehr  abgestritten  werden  kann.  Es  mag  sein,  dass 
eine  gewisse  Art  von  Bildung  nur  vermittelst  der  classischen  Sprachen  zu 
erreichen  ist,  aber  sie  als  Ziel  des  Jugendunterrichtes  hinzustellen,  dürfte 
eine  vollständige  Verkennung  der  Interessen  der  Gegenwart  und  Zukunft  sein. 
Für  diejenigen,  welche  sich  dem  Gelehrtenstande  widmen,  ist  gewiss  ein 
Zurückgehen  auf  das  Alterthum  eine  Nothwendigkeit,  nicht  dasselbe  lässt 
sich  Ton  jenen  behaupten,  welche  sich  irgend  einem  praktischen  Berufe 
hinzugeben  gesonnen  sind,  einem  Berufe,  der  mehr  ein  genaueres  Ein- 
gehen in  die  Verhältnisse  der  Gegenwart  erfordert,  ohne  eines  besonderen 
Vertiefens  in  die  Vergangenheit  zu  bedürfen. 


S88  A»  Beer,  Zur  Befonn  der  Bealsehnle. 

Die  Bealschulen  haben  in  melir&cher  Hinsicht  mit  grofittn  üebd- 
stinden  zn  kämpfen  gehabt  Man  betonte  in  der  ersten  Zeit  ihres  Eni* 
Stehens  meistens  die  praktische  Richtung  nnd  wollte  den  verschiedenaitig- 
sten  berechtigten  und  unberechtigten  Anfordenmgen  möglichst  geredrt 
werden.  Daraas  entstanden  die  buntscheckigen  Lectionspl&ne,  welche  das 
Gepräge  der  ünausf&hrbarkeit  an  der  Stime  tragen.  Diese  Yeriming  hal 
die  Bailschule  glücklich  überwunden  und  der  reine  ütUitätsstandpimel 
yerliert  an  Boden.  Nicht  dasselbe  lässt  sich  von  der  anderen  Richtung  b^ 
haupten,  welche  die  sogenannte  allgemeine  Bildung  allzusehr  berllckBieli- 
ügend  fftr  die  Aufnahme  des  lateinischen  Sprachunterrichtes  plaidiert  Und 
doch  ist  die  bevorzugende  Hervorhebung  des  Latein  als  eines  zur  allge- 
meinen Bildung  nothwendigen  Lehrstoffes  eine  ebenso  groDse  Einseitig- 
keit, wie  die  ausschlie/bliche  Betonung  des  praktischen  Elementes. 

Welcher  Richtung  man  sich  auch  zuneigen  mag,  in  dem  einen  Punetc 
stimmen  die  meisten  Lehrer  überein,  dass  der  obligatorische  fremde  Spnudi- 
unterricht  zur  Hebung  und  Entwickelung  unseres  Realschulwesens  nur  aid 
die  wirksamste  Weise  beitragen  kann.  Freilich  wird  sich  dies  in  dem  dei 
Realschule  gegenwärtig  zugewiesenen  Zeiträume  von  sechs  Jahren  nur  sdiwei 
bewerkstelligen  lassen.  Wenn  auch  vielleicht  durch  das  Hinweg&llen  da 
sogenannten  praktischen  Disciplinen  einige  Stunden  gewonnen  werden,  m 
reichen  diese  für  den  Sprachunterricht  nicht  aus.  Auch  ist  eine  Beschiin- 
kung  der  wöchentlichen  Lehrstunden  eine  Noth wendigkeit,  da  nnsenii 
Knaben  mit  dreiunddreiXlsig  Stunden  in  der  Woche  schon  auf  den  unter 
sten  Stufen  zu  viel  zugemuthet  wird.  Durch  die  Vermehrung  der  Jahree- 
eurse  gewänne  auch  unsere  Jugend  zur  freiem  und  ruhigem  Entwickelong 
der  körperlichen  Kräfte  an  Zeit  Auch  ist  das  frühzeitige  Verlassen  da 
Schulen,  um  auf  Akademien,  technischen  Anstalten  berofswissenschaftUchei 
Studien  obzuliegen,  durchaus  kein  Vortheil.  Um  bei  dem  gegenwärtig« 
Stande  der  Wissenschaft  den  Anfordemngen  einer  technischen  Hochschnl« 
im  strengsten  Sinne  des  Wortes  gerecht  zu  werden,  ist  eine  gewisse  Beifd 
des  (Geistes  erforderlich,  welche  bei  dem  jetzigen  Zeitausmallse  der  Real« 
schule  nur  schwer  erzielt  werden  kann,  wie  es  ja  nach  dem  Ausweise  einei 
bewährten  Statistikers  bekannt  ist,  dass  ein  grofser  Theil  unserer  Beal< 
Schüler  die  vollständige  Realschule  nicht  in  sechs,  sondern  in  sieben  Jah- 
ren absolviert 

Wien.  Adolf  Beer. 


Vierte  Abtheilung. 


Miscellen. 


(Die  Schvi'Proaramme  und  Dissertationen  und  ihr  Vertrid)  äurd^ 
den  Buchhandel.)  In  der  22.  Versammlnng  deutscher  Philologen  und  Schul- 
minner,  welche  im  Herbste  1863  zu  Meifsen  gehalten  wurde,  beabsichtigte 
Dr.  Reiah.  Bechstein  einen  Vorschlag  über  „die  Literatur  der  Schul- 
nrognupme,  ihre  Verwerthung  für  die  Wissenschaft  und  ihre  Concentration 
durch  den  Buchhandel**  zur  Berathune  vorzulegen;  da  der  Gegenstand 
wegen  Kürze  der  Zeit  nicht  hatte  zur  Verhandlung  gelangen  können,  so 
machte  Dr.  Bechstein  nachher  seinen  Vorschlag  durch  eine  Druckschrift 
bekannt,  von  deren  Inhalt  Ref.  im  vorigen  Jahrgange  dieser  Zeitschrift 
(1864.  8.  217  f.)  Nachricht  gegeben  hat.  Der  letztjährigen  in  Hannover 
abgehaltenen  Philologenversammlung  war  erneuter  Anlass  zur  Verhandlung 
dieser  Frage  gegeben,  indem  die  Buchhandlung  S.  Calvaryet  Comp,  in 
Berlin  einen  gearuckten  Aufsatz  „Die  Schulprogrammc  und  Dissertationen 
und  ihr  Vertrieb  durch  den  Buchhandel**  an  die  Versammlung  eingeschickt 
hatte.  Der  Vorschlag  erfuhr  ein  ähnliches  Schicksal  wie  der  voijährige, 
indem  wiederum  die  knapp  bemessene  Zeit  seine  Verhandlung  ausschloss; 
jedoch  wurde  eine  Commission  ernannt,  welche  der  im  nächsten,  also  in 
dem  gegenwärtigen  Jahre  zu  haltenden  Philologenversammlung  einen  all- 
seitig erwogenen  Bericht  zu  erstatten  habe  ^vgl.  in  dieser  Zeitschrift  1864. 
S.  780  1).    Die  von  Calvary  jener  Versammlung  übcrgebene  Schrift  liegft 

i'etzt  dem  Ref.  vor,  und  er  hält  sich  im  Interesse  der  praktisch  wichtigen 
frage,  um  die  es  sich  hierbei  handelt,  verpflichtet,  den  Lesern  dieser  Zeit- 
schrift von  ihrem  Inhalte  Kunde  zu  geben. 

Calvary  erhebt  zunächst  Bedenken  gegen  das  Speciello  des  Bech- 
8tein*schen  Vorschlages,  und  sucht  nachzuweisen,  dass  aerselbe  in  Betreff 
seiner  Ausführbarkeit  nach  allen  Seiten  hin  auf  unbesiegliche  Hinder- 
nisse stofse.  Es  kann  sein,  dass  Calvarv  hierin  Recht  hat;  es  kann  sein, 
dass  die  Schwierigkeiten  noch  gröfser  dargestellt  werden,  als  sie  in  Wirk- 
lichkeit sind;  dem  Ref.  kann  es  nicht  einfallen,  sich  in  Discussion  einer 
Frage  rein  buchhändlerischer  Praxis  einzulassen.  Das  Wichtige  der  Publi- 
cation  liegt  vielmehr  darin,  dass  eine  Buchhandlung,  welche  seit  Jahren 
sich  speciel  mit  dem  Vertriebe  von  Programmen  und  Dissertationen  be- 
schäftigt und  für  deren  Bekanntwerdung  durch  zweckmäTsige  Kataloge  und 
för  ihre  Erreichbarkeit  durch  den  Handel  Anerkanntes  geleistet  hat,  ihrer- 
seits mit  einem  Vorschlage  auftritt,  in  welcliom  das,  was  sie  von  den  Lehr- 
anstalten oder  den  Verfassern  von  Programmen  und  DissertAtionen  nach- 
sucht, und  was  sie  dagegen  ihnen  zu  leisten  zusagt,  bestimmt  formuliert 
ist  Der  Vorschlag,  der  unzweifelhaft  Beachtung  verdient,  lautet  so: 

„Wir  bitten  die  Verfasser,  uns  von  jedem  erscheinenden  Programme, 
dem  eine  wissenschaftliche  Abhandlung  beigegeben  ist,  eine  Anzahl  Exem- 


S88  Mittcellen. 

plare  zu  übersenden,  bei  denen  wir  die  Kosten  der  Uebersendan^ ,  &lb 
dieselbe  durch  ein  Postpacket  oder  auf  dem  Wege  des  Buchhandels  fije- 
schieht.  übernehmen.  Wir  Yergrüten  für  jedes  Exemplar  der  eingesandten 
Abhandlung  nach  Mafserabe  des  Inhaltes  ein-  bis  ein  und  einen  halben 
Silbergroschen  für  den  Dnickbogen,  und  zwar  je  nach  Wunsch  in  Um- 
tausch gegen  Schriften  und  Werke,  welche  aus  unserem  Lager  entnommen 
werden,  oder  gegen  Anweisung  auf  unsere  Handlung  oder  an  unseren  Leip- 
ziger Commissionär.  Es  müsste  natürlich  dieser  Mafsregel  eine  Verständi- 
gung zu  Grunde  liegen.  Von  philologischen  Schriften,  seien  sie  nun  kriti- 
schen oder  exegetischen  Inhalts,  erbitten  wir  zwölf  Exemplare,  von  wissen- 
schaftlichen Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  mathematischen,  naturwissen- 
schaftlichen und  historischen  Literatur  je  sechs  Exemplare,  von  anderen 
Frogrammen  genügen  drei  Exemplare,  welche  jedoch  nur  durch  Vermitt- 
lung einer  Buchhandlung  zu  übersenden  sind.  Wir  verpflichten  uns  aul^r- 
dero,  ein  Exemplar  dieser  Schriften  zur  Benutzung  an  den  Herausgeber 
des  „Schul- Kalenders**  zu  überweisen  und  die  Titel  Herrn  Professor  Dr. 
Zamcke  zur  Publication  im  Literarischen  Centralblatt  mitzutheilen ;  end- 
lich nach  Muster  der  anliegenden  ^UeberücH  der  Schul-Programme  und 
Dissertationen  in  den  phüosophiscJien  Faciätäten  aus  dem  Jahre  1863^ 
alljährlich  ein  Verzeichnis  der  erschienenen  Programme  zu  pablicieren. 
Dieses  Verzeichnis  wird  allen  gelehrten  Anstalten  und  den  Gelehrten,  welche 
es  wünschen,  gratis  und  portofrei  zugestellt,  und  werden  wir  aufserdem 
durch  geeignete  Mittel  für  die  weiteste  Verbreitung  Sorge  tragen.** 

Das  in  diesem  Vorschlage  erwähnte  Muster  der  Uebersicht  über  die 
im  Jahre  1863  erschienenen  Universitäts-  und  Schulschriften  enthält  auf 
20  Seiten  die  Titel  von  9G7  Monographien.  Die  Anordnung  anter  ver- 
schiedene Hauptrubriken  ist  in  der  Weise  praktisch  eingerichtet,  dass  es 
leicht  ist,  sich  über  die  neuen  Erscheinungen  auf  jedem  einzelnen  Gebiete 
zn  orientieren.  Unvollständig  ist  die  Angabe  des  Preises,  indem  sich  nur 
die  allgemeine  Bemerkung  flndot  „der  Preis  der  Abhandlungen  ist  durch- 
schnittlich für  den  Bogen  3  Silbergroschen;  Tafeln,  Kupfer  und  Karten 
werden  für  sich  a  3  Silbergroschen  berechnet",  dagegen  bei  den  einzelnen 
Monographien  weder  der  Preis  noch  die  Bogenzahl  angegeben  ist.  Wahr- 
scheinlich ist  es  der  Handlung  nicht  möglich  gewesen,  diese  speciellen 
Angaben  gleichmäfsig  für  alle  Abhandlungen  durchzuführen  und  sie  hat 
es  deshalb  vorgezogen,  sie  bei  allen  wegzulassen.  Es  ist  dringend  zu  wün- 
schen, dass  für  die  Folge  die  Vervollständigung  der  bibliographischen  An- 
gaben in  dieser  Hinsicht  ermöglicht  werde.  —  Besonders  zu  erwIUinen  ist 
noch  eine  zu  dem  Texte  des  Vorschlages  selbst  gegebene  Anmerkung  S.  5  f.. 
indem  darin  diejenigen  Schriften  verzeichnet  sind,  welche  die  seit  1825  in 
Deutschland  erschienenen  Schulprogramme  in  übersichtlicher  Weise  kata- 
logisiert haben;  gröfsere  Bibliotheken  sollten  darauf  bedacht  sein,  diese 
bibliographischen  Hilfsmittel  sich  nicht  fehlen  zu  lassen. 

H.  Bonitz. 

(Das  königliche  phüologiscJ^e  Seminar  an  der  Universität  Leipzia.) 
Es  ist  bekannt,  in  welchem  MaTse  die  köiiigl.  sächsische  Regierung  in  der 
jüngsten  Zeit  das  naturwissenschaftliche  Studium  an  der  Universität  Leipzig 
gefördert  hat,  indem  dieselbe  neben  dem  bereits  bestehenden  Lehrstuhle 
der  Physiologie  ein  physiologisches  Institut  auf  das  liberalste  geendet 
und  mit  reichlicher  Dotation  ausgestattet  hat;  die  Kunde  davon  ist  uns 
dadurch  näher  getreten,  dass  zur  Organisierung  und  Leitung  des  neuen  In- 
stitutes ein  ausgezeichneter  Forscher  berufen  ist,  der  ein  Jahrzehent  hin- 
durch in  Oesterreich  für  Ausbreitung  seiner  Wissenschaft  segensreich  und 
in  allgemeiner  Anerkennung  wirkte.  Dass  diese  Bemühung  der  sächsischen 
liegierung  nicht  aus  einer  einseitigen  Bevorzugung  des  naturwissenschaft- 
lichen Gebietes  hervorgegangen  ist,  wie  sich  eine  solche  durch  die  Achtung 
der  Zeit  wol  erklären  liefse,  sondern  aus  gerechter  Würdigung  der  Bedeu- 
tung, welche  wissenschaftliche  Bildung  überhaupt  hat,  beweist  die  gleich- 


MiflceUeiL  98S 

wMge  Qrganisienuig  des  philologischen  Seminars  und  die  Ausstattung  des- 
selben mit  einer  Dotation,  welche  insbesondere  im  Verhältnisse  zu  dem 
Umfange,  in  welchem  „tüchtige  Lehrer  für  Gymnasien  und  höhere  Lehr- 
anstalten zu  bilden"*  dem  dortigen  Seminar  oblie^^  als  sehr  wohlwollend 
bemessen  anerkannt  werden  muss.  Wir  theilen  im  nachfolgenden  das  so 
eben  festoestellte  Statut  des  Leinziger  Seminars  mit;  manchen  Lesern  der 
Zeitschritt,  die  früher  dem  philologischen  Seminar  einer  österreichischen 
Unirersität  als  Mitglieder  angehörten,  dürfte  es  interessant  sein,  daraus 
zu  ersehen,  wie  die  Hauptpuncte  der  Einrichtung,  durch  die  Natur  der 
Sache  selbst  bestimmt,  überall  eine  wesentliche  Uebereinstimmung  zeigen. 
Das  Statut  lautet: 

§.  1.  Der  Zweck  des  königlichen  philologischen  Seminars  ist,  das 
Studium  der  classischen  Literatur  und  Alterthumskunde  durch  praktische 
üebungen  den  Studierenden  lebendig  und  fruchtbar  zu  machen  und  auf 
diesem  Wege  tüchtige  Lehrer  für  Gymnasien  und  höhere  Lehranstalten 
in  bilden. 

§.  2.  Die  Direction  dieses  Seminars  wird  von  den  ordentlichen  Pro- 
fessoren der  classischen  Philologie  gemeinschaftlich  gefiihrt.  Die  Geschäfts- 
führung  wechselt  alljährlich  unter  den  Directoren  ab. 

|.  3.  Die  Uebuneen  im  Seminar  sind  öffentlich  und  es  steht  Jeder- 
mann frei,  denselben  als  Zuhörer  beizuwohnen. 

§.  4.  Die  Hebungen  bestehen  in  Interpretation  griechischer  und  latei- 
nischer Schriftsteller,  in  Abfassung  selbständiger  schriftlicher  Arbeiten  in 
lateinischer  Sprache  über  Gegenstände  aus  dem  Gebiete  der  classischen  Alter- 
tibnmswissenschaft  und  deren  Besprechung. 

§.  5.  Die  Vertheilung  der  Uebungsgegenstände  unter  sich  bleibt  der 
Verständigung  der  Directoren  überlassen. 

§.  6.  Die  Mitgliederschaft  zerfällt  in  zwei  Abtheilungen ,  in  ordent- 
liche und  auTserordentliche  Mitglieder. 

Die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  ist  auf  zwölf  festgestellt,  da- 
gegen soll  die  Aufnahme  aufserordeutlicher  Mitglieder  an  keine  bestimmte 
Zahl  gebunden  sein. 

§.  7.  Als  auf^erordcntliches  Mitglied  kann  jeder  Studierende,  welcher 
wenigstens  ein  Semester  philologische  Vorlesungen  mit  Eifer  besucht  hat, 
in  diu  Seminar  eintreten.  Wer  als  ordentliches  Mitglied  aufgenommen  sein 
will,  hat  als  Beleg  seiner  wissenschaftlichen  Fortschritte  eine  lateinisch 
geechriebene  Abhandlung  über  einen  Gegenstand  aus  dem  Gebiete  der 
classischen  Alterthumswissenschaft  einzureichen,  und  auf  Grund  dieser  Ab- 
handlung entscheiden  die  Directoren  über  seine  Aufnahme,  wobei  zugleich 
vorausgegangene  eifrige  Betheiligung  als  aufserordcntliches  Mitglied  zur 
besonderen  Empfehlung  gereicht. 

§.  8.  Die  Ergänzung  der  unter  den  ordentlichen  Mitgliedern  ent- 
standenen Lücken  erfolgt  zu  Anfang  eines  jeden  Semesters;  gleichzeitig 
wird  von  dem  geschäftsfuhrenden  Director  die  Anmeldung  der  aufserordeni^ 
liehen  Mitglieder  entgegengenommen. 

§.  9.  Die  ordentlichen  Mitglieder  sind  verpflichtet,  sich  in  regel- 
mäfbiger  Reihenfolge  den  Interpretationen  und  Disputationen  zu  unter- 
ziehen, und  jedes  derselben  hat  m  jedem  Semester  mindosteus  eine  schrift- 
liche Arbeit  einzureichen.  Den  aufserordentlichen  Mitgliedern  yteht  es  frei, 
so  weit  es  die  Umstände  erlauben,  sich  an  beiden  Üebungen  zu  betheiligen. 

§.  10.  Aus  der  Mitte  der  ordentlichen  Mitglieder  wählen  die  Direc- 
toren den  Senior,  welcher  für  den  ununterbrochenen  Fortgang  und  die 
gleich mäfsige  Vertheilung  der  Arbeiten  einzustehen  hat. 

§.  11.  Jedes  ordentliche  Mitglied  empfängt  an  regelmäfsigen  Stipen- 
dien je  zwanzig  Thaler  am  Schlüsse  jedes  Semesters,  welches  Stipenaium 
ihm  aber  nur  dann  verabfolgt  wird,  wenn  es  während  des  Semesters  seinen 
Verpflichtungen  eifrig  nachgekommen  ist.  Dagegen  kann  entschiedener  Un- 
fleifs  nicht  blols  Entziehung  des  Seminarstipendiums,  sondern  nach  BefiU' 
den  auch  Aasschliefsung  aus  dem  Seminar  zur  Folge  haben. 


892  Personal-  und  Schalnotizen. 

schaftlichen  Facnltat  in  Graz  enthohenen  Dr.  Donat  An^st  Lang  die 
Allerhöchste  Zufriedenheit  mit  dessen  nach  verschiedenen  Richtangen  ge- 
leisteten ersprief suchen  Diensten  bezeugt;  dem  Privatdocenten  an  der  k.  k. 
Universität  in  Wien,  Dr.  S.  Rein i seh,  die  errofse  goldene  und  dem  Lehrer 
an  der  OR.  in  Klagenfurt,  J.  Reiner,  die  goldene  Melaille  fUr  Kunst 
und  Wissenschaft  zuerkannt;  ferner  dem  bei  dem  Unterrichts rathe  zur 
Dienstleistun sr  zugewiesenen  Ministerialsecretär  des  Staatsministerinms,  Dr. 
Alexander  Ritter  v.  Pawlowski.  das  Ritterkreuz  1.  Cl.  desherzogl.  Sachsen- 
Emestinischen  Hausordens,  dem  Professor  am  Wiener  polytechn.  Institute, 
Dr.  Hugo  Franz  Brachelli,  das  Ritterkreuz  2.  Cl.  dieses  Ordens,  nnd 
dem  Professor  an  der  Wiener  Universität.  Hofrath  Dr.  Karl  Rokitansky, 
das  Ofßcierskreuz  des  kön.  griechischen  Erlöser-Ordens  annehmen  nnd  tragen 
zu  dürfen  Allergnädigst  gestattet  worden. 

iSe.  k.  Hoheit  der  Durchlauchtigste  Hr.  Erzherzog  Karl  Ludwig 
hat  vor  kurzem  das  k.  k.  Gymnasium  zu  Graz  mit  einem  Besuche  beehft 
und  demselben  28  prachtvolle  Preisbücher  zur  Vertheilung  als  Pi^mien  an 
die  vorzüglichsten  Schüler  zustellen  lassen. 

Am  18.  April  1.  J.  haben  die  von  dem  h.  k.  k.  Staatsministerinm 
mit  Erlass  vom  7.  d.  M.  bestätigten  akad.  Würdenträger  an  der  k.  k.  Uni- 
versität zu  Krakau,  nämlich  als  Dccane  die  k.  k.  Professoren  Dr.  Wilczek, 
Dr.  Buhl.  Dr.  Piotrowski  und  Dr.  Brätranek,  dann  als  Prorector 
der  k.  k.  Prof.  Dr.  Teliga  und  als  Prodecane  die  k.  k.  Professoren  Dr. 
Sosnowski,  Dr.  Burzynski,  Dr.  Mayer  und  Dr.  Kuczynski  ihre 
Functionen  angetreten. 

Dem  Director  der  Centralanstalt  ft\r  Meteorologie  und  Erdmagnetis- 
mus Dr.  Jelinek  und  anderen  ist  die  Bewilligunpr  zur  Errichtung  einer 
österr.  Gesellschaft  für  Meteorologie  in  Wien  erthcilt  und  sind  die  Stata- 
ten  des  letzteren  Allergnädigst  genehmigt  worden. 

Professor  Alois  v.  §embera  ist  zum  ordentl.  Mitgliede  der  kais. 
russ.  Gesellschaft  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  in  Moskau  er- 
nannt worden.  

Der  krainische  Museumsverein  wurde  mit  Allerhöchster  Entschliel^ang 
in  einen  Musoalvcrein  für  Krain,  unter  Bewilligung  der  Statuteoi  des 
letzteren,  genehmigt. 

(Erledigungen,  Concurse  u.  s.  w.)  Salzburg,  OR.,  Lehrstelle 
für  Naturgeschichte  als  Hauptfach  und  Mathematik  und  Physik  als  Neben- 
fach, Jahresgehalt  (530  fl.  ö.  W.,  mit  Anspruch  auf  Decennalznhuren.  Ter- 
min :  Ende  Mai  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  15,  April  1.  J.,  Nr.  87.  — 
Krainburg,  UG.,  Lehrstelle  för  die  altclassischen  Sprachen,  Jahresgehalt 
735  fl.  ö.  W.,  sammt  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  12.  Mai  L  J., 
s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  22.  April  1.  J..  N.  92.  —  Wien,  k.  k.  Central- 
anstalt für  Meteorologie  und  Erdmagnetismus,  2.  Assistentenstelle,  vor- 
läuflg  für  die  Dauer  eines  Jahres,  Jahresgehalt  420  fl.  ö.  W.,  mit  Natnral- 
wohnung.  Termin:  15.  Mai  1.  J..  s.  Arat«bl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  23.  Apnl  L  J., 
Nr.  93.  —  Communal-RSch. ,  6  Lehrstellen,  nämlich  1.  nnd  2.  (ir  Natur- 
geschichte und  für  deutsche  Sprache  an  der  Wiedner  GR.;  3.  und  4.  ftr 
Arithmetik  verbunden  mit  Physik  und  für  Freihandzeichnen  in  den  unte- 
ren Classen  der  Rossauer  GR.;  5.  und  6.  für  Mathematik  verbunden  mit 
Physik  und  für  Geographie,  wo  möglich  in  Verbindung  mit  Natnrgs- 
schichtean  der  RSch.  in  Gumpendorf,  Gehalt  1050  fl.,  eventuell2G0  fl. 6.  W., 
mit  Anwartschaft  auf  Decennalzulagen  nnd  Quartiergeld  von  jährl  302  1 
ö  W.  Termin:  31.  Mai  1.  J.;  femer,  Real-G.  der  Commune,  5  Lehr- 
stellen, nämlich:  a)  für  3  Stellen  beide  clMsische  Sprachen  fdr  das  ge- 


Penonml-  vnd  Sehulnotizeit.  ÜOS 

flunmie  0.,  oder  das  Latein  fi\r  das  ganze  nnd  das  Griechische  flir  das 
UQ.,  nehst  Beiahigang  f&r  den  Unterricht  im  Deutschen  för  das  ganze  Q.; 
b)  für  1  Stelle  Mathematik  nnd  Physik  für  das  ganze  G.,  und  c)  1  Stelle 
ftr  das  Freihandzeichnen  an  der  gesammten  RSch.,  Gehalt  1000  fl.,  eventuel 
1200  fl.  ö.  W.,  mit  Anrecht  auf  Decennalzu lagen ,  240  fl.  ö.  W.  Quartier- 
geld  und  auf  die  Tantieme  von  dem  einlaufenden  Schulgelde.  Terrain: 
31.  Mai  L  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  25.  April  1.  J.,  Nr.  94;  endlich  k.  k. 
Tkerenanische  Akademie,  2  Lehrstellen  für  französische  Sprache,  provi- 
sorisch. Termin:  4.  Juni  L  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  16.  Mai  1.  J.,  Nr.  112.— 
Hermannstadt,  k.k.  kath.  Staats-G.  (mit  deutscher  Unterrichtssprache), 
Ldirstelle  ffäa  classische  Philologie,  Jahresgehalt  1050  fl.  (cyentuel  945  fl. 
5.  W.),  nebst  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  Binnen  6  Wochen, 
▼om  20.  April  1.  J.  an,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  27.  April  1.  J.,  Nr.  9G.  - 
Padua,  k.  k.  Universität,  Lehrkanzel  des  a^ninistr.  Rechtes  und  der  öst. 
Statistik,  Jahresgehalt  1200  fl.  ö.  W.,  nebst  einer  Jahresremuneration  für 
den  Yortorag  über  die  gesetzlichen  Tractate  in  der  mathematischen  Fa- 
cMkt  Termin :  31.  Mail  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztff.  v.  29.  April  1.  J.,  Nr.  98.  — 
Petrinja  (Militär-Grenz-Communität),  3class.  IIB.,  zwei  Lehrstellen,  die 
eine  für  geometrisches  Zeichnen  mit  Geometrie  und  Baukunst,  die  an- 
dere ftür  Freihandzeichnen  als  Hauptfach ,  Jahresgehalt  525  fl. ,  eventuel 
630  iL  5.  W.  und  Anspruch  auf  Naturalwohnung  oder  Quartiergcld.  Ter- 
min: 15,  Juli  L  J.,  s.  Amtsbl  z.  Wr.  Ztg.  vom  4  Mai  1.  J.,  Nr.  102.  - 
Bakovac  (nächst  Earlstadt;,  k.  k.  OR.,  2  Lehrstellen,  die  eine  ftlr  Chemie, 
die  andere  für  Naturgeschichte,  Jahresgehalt  630  fl.,  eventuel  840  fl.  ö.  W., 
Bebst  Anspruch  auf  Decennalzulagen  und  system.  Quartiergeld.  Termin: 
16.  JnU  L  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  5.  Mai  1.  J.,  Nr.  103.  —  Ober- 
Hollabrnnn,  dclass.,  selbst.  UR.,  4  Lehrstellen,  und  zwar:  für  deutsche 
Sprache  und  Geographie,  für  Arithmetik,  darstellende  Geometrie  und  geo- 
metrischeB  Zeichnen,  für  Physik,  Chemie  und  Naturgeschichte,  für  Frei- 
handieicbnen  und  Kalligraphie,  Jahresgehalt  800  fl.  6.  W.,  mit  Anspruch 
«of  Pension,  200  fl.  jährl.  Functionszulage  für  den  Director.  Termin:  31.  Mai 
L  J.,  zur  Wr.  Ztg.  vom  10.  Mai  1.  J.,  Nr.  107,  S.  519  und  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg. 
v.  18.  Mai  L  J.,  Nr.  110.  —  Olmütz,  GR.,  Lehrstelle  für  Geographie 
nnd  Geschichte  als  Hauptfach,  Jahres^ehalt  680  fl.,  eventuel  840  fl.  o.  W. 
und  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  31.  Mai  1.  J.,  s.  Amtsbl.  zur 
Wr.  Zig,  V.  11.  Mai  L  J.,  Nr.  108.  -  Teschen,  k.  k.  kath.  G.,  Lehr- 
stelle nir  Lateinisch  und  Griechisch,  Jahresgehalt  785  fl.,  eventuel  840  fl. 
^  W.  nnd  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  Ende  Mail.  J.,  s.  Amtsbl. 
X.  Wr.  Ztff.  V.  13.  Mai  1.  J.,  Nr.  110.  —  Graz,  techn.  Hochschule  am 
landschaftuchen  Joanneum,  Assistentenstellen  (auf  2,  eventuel  4  Jahre)  bei 
den  Lehrkanzeln  1.  der  Physik  und  höheren  Mathematik,  2.  der  darstellen- 
den nnd  pnüctischen  Geometrie,  3.  der  Mineralogie  und  Geonaphie,  4.  des 
Maschinenbaues,  5.  des  Wasser-  und  Strassenbaues  und  6.  der  Land-  und 
Pontwirthschaft,  Jahresgehalt  400  fl.  ö.  W.,  bei  Verpflichtung  zu  öffent- 
liehen  Repetitorien.  Termin:  15.  Juni  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  vom 
13.  Mai  LJ.,  Nr.  110.  —  Croatien  u.  Slavonien,  Lehrstelle  am  e.  OG. 
a  OL  oder  nach  Umständen  2.  Cl.  für  Naturgeschichte  als  Haupt-,  und 
für  Mathematik  oder  Physik  als  Nebenfach,  Gehalt  735  fl.,  eventuel  840  fl., 
besiehnngsweise  946  fl.  ö.  W.  und  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin : 
Ende  Juni  L  J.,  s.  Amtsbl.  zur  Wr.  Ztg.  vom  16.  Mai  1.  J.,  Nr.  112.  — 
Capodistria,  k.  GG.,  Lehrstelle  mit  italienischer  Unterrichtssprache  ftlr 
das  mathematisch-naturwissenschaftliche  Fach,  Jahresgehalt  735  fl.,  even- 
tuel 840  fl.  ö.  W.  und  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  18.  Juni 
L  J.,  8.  AmtsW.  z.  Wr.  Ztg.  v.  16.  Mai  L  J.,  Nr.  112. 


(Todesfälle.)  Am  16.  November  1864  zu  Brunn  der  hoffimngs- 

▼olle  Botaniker  J.  Nave,  im  31.  Lebensjahre  (s.  S.  375—876  d.  Heftes). 

—  Am  32.  Ffebruar  L  J.  zu  Nenyork  Sr.  Hochw.  P.  Laufberger 


804  Personal-  and  Schalnotizen. 

(geb.  zu  Gmnnden  im  J.  1820),  Missionspriester  aas  der  Gesellschaft  Jean, 
als  Seelsorger  über  seine  Kräfte  thätig,  in  seinem  Berafe. 

—  Am  23.  Februar  1.  J.  zu  Petersburg  der  wirkL  Staatsrath  Friedrich 
V.  Schmitt,  der  bekannte  Verfasser  der  Biographie  Suwaroffs  and  des 
Insurrectionskrieges  von  1830  und  1831,  im  Alter  von  78  Jahren. 

—  Am  15.  März  1.  J.  zu  Bückeburg  der  fürstliche  Hofcapellmeiaier 
Joseph  Schmidt  (geb.  dortselbst  am  26.  September  1795). 

—  Am  25.  März  L  J.  zu  Hamburg  der  langjährige  Lehrer  an  der 
Gelehrtenschule  des  dortigen  Joanneanis  Professor  ninrichs. 

—  Am  26.  März  L  J.  zu  Warschau  Dr.  Felix  Paul  Jarocki,  an! 
Jaroczyn,  Director  der  naturwissenschaftlichen  Sammlungen  and  ehe- 
maliger Professor  an  der  Universität  alldort. 

—  Am  29.  März  1.  J.  in  Hilvcrsum  bei  Utrecht  der,  insbesondere 
durch  seine  Arbeiten  über  Horaz  und  Virjril,  bekannte  Philolog,  Professor 
Peter  Hofman  Peerlkamp.  (Vgl.  A.  a.  Ztg.  v.  8.  April  L  J.,  Nr.  98.) 

—  Am  1.  Apiil  1.  J.  in  ihrer  Villa  am  Comer  See  die  hertthmte 
dramatische  Sängerin  Giuditta  Pasta  (geb.  1798  zu  Sarrano  bei  Mailand), 
und  zu  Constanz  Professor  Wörl,  als  Verfasser  zahlreicher  Kartenwerke 
bekannt. 

—  Am  2.  April  1.  J.  zu  London  Richard  Co b den  (geb.  am  3.  Joni 
1804  zu  Dunford  bei  Midhurst  in  Sussez),  der  berühmte  Vorkämpfer  für 
Handelsfreiheit,  Parlamentsredner  und  Schriftsteller  auf  dem  (xebiete  der 
Handelspolitik.  (Vgl.  A.  a.  Ztg.  Nr.  95,  96,  97.) 

—  Am  3.  April  1.  J.  zu  Lemberg  Sr.  Hochw.  Martin  Ritter  Ton 
Barwinski,  Haasprälat  des  h.  Vaters,  Dompropst  am  Lemberg  gr.  L 
Metropolitancapitel ,  Doctor  der  Theologie,  emer.  Rector  Magnificns  der 
Lemberger  k.  k.  Universität,  Ritter  des  Ordens  der  eisernen  Krone  3.  CL, 
im  Alter  von  81  Jahren. 

—  Am  4.  April  1.  J.  zu  Augsburg  der  dortige  Domcanellmeiater 
Michael  Keller,  um  kirchliche  Mus3^  hochverdient,  auch  Fachscnriftsteller 
(„Contrapunct"),  und  zu  Paris  der  bekannte  Verfasser  der  zahlreichen  Gram- 
matiken modemer  Sprachen  Ollendorf. 

—  Am  5.  April  1.  J.  zu  Olmütz  der  Organist  und  Regenschori  an 
der  dortigen  Thomas-Kirche  Johann  Pejscha,  durch  unermüdlichen  Eifer 
und  seltene  Ausdauer  ausgezeichnet,  im  Alter  von  74  Jahren. 

—  Am  10.  April  1.  J.  zu  Lemberg  Dr.  phil.  Michael  Osadca,  gr. 
k.  Weltpriester,  Lehrer  am  akad.  G.  zu  Lemberg,  im  29.  Lebensiahre. 

—  Am  11.  April  1.  J.  zu  Berlin  die  pens.  kön.  preufls.  Hofschaa- 
spielerin  Frau  Auguste  Crelinger,  geb.  Düring,  verwitwete  Stich  (geh. 
eoend.  am  7.  October  1795),  als  geniale  Darstellerin  tragischer  Rollen  in 
classischen  Meisterwerken,  ausgezeichnet. 

—  Am  12.  April  1.  J.  zu  Lemberg  die  ruthenische  Schriftstellerin 
Frau  Clementine  Popiel,  geb.  Jelowicka,  Gattin  des  gp^echisch- katho- 
lischen Gjmnasialkatecheten,  als  Dichterin  geschätzt,  im  32.  Lebensjahre. 

—  Am  13.  April  1.  J.  zu  Krakau  Dr.  phil.  Franz  Ritter  von  Stronski, 
Professor  und  Universitätsbibliothekar  an  der  dortigen  Hochschale,  emer. 
Director  der  philosophischen  Studien  und  em.  Decan  der  philosophischoi 
Facultät  der  Lemberger  Universität,  Landesschulrath  u.  s.  w,  und  zn  Karls- 
ruhe der  Ministerialrath  Karl  Amman n,  einer  der  tüchtigsten  Juristen 
und  eifrigsten  Arbeiter  auf  dem  Gebiete  seiner  Fachwissenschaft,  im  49. 
Lebensjahre. 

—  Am  13.  (1.)  April  L  J.  zu  Dorpat  Dr.  Adolf  Wachsmath, 
ordentl.  Professor  aer  speciellen  Pathologie  und  Klinik  an  der  dortiMi 
kais.  russ.  Universität,  als  Lehrer  und  Gelehrter  gleich  geachtet,  isacS. 
Lebensjahre. 

—  Am  14.  April  1.  J.  zu  Paris  der  Professor  im  Jardin  des  Plantes 
Valenciennes,  Mitglied  des  Institutes,  im  Alter  von  79  Jahren,  and 
im  Jura  der  berühmte  Geologe  Armand  Grersly,  51  Jahre' alt 

—  Am  15.  April  L  J.  zn  Prag  J.  a.  Dr.  Johann  Nep.  Kanka  (geh. 


Personal-  und  Schulnotizen.  395 

ebendort  am  10.  November  1772),  der  älteste  Landesadvocat  Böhmens, 
emerit  Bector  Magnificus  der  Prager  Universität  u.  s.  w.,  und  zu  Washing- 
ton der  Präsident  der  vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  Abraham  Lin- 
coln (geb.  am  12.  Februar  1809  zu  Hardin  County,  jetzt  Lame  County, 
im  Staate  Kentucky),  in  Folge  eines  Meuchelmordes.  (Vgl.  A.  a.  Ztg.  v.  6. 
Mai  1.  J.,  Nr.  126  u.  f.) 

—  Am  16.  April  \.  J.  zu  Dresden  Dr.  Ph.  Eduard  v.  Wietersheim 
(geb.  1787  in  der  Festung  Luxemburg,  die  damals  eine  österr.  Besatzung 
hatte,  als  Sohn  eines  k.  k.  österr.  Hauptmannes),  früher  Cultus-  und  Un- 
terrichtsminister,  auch  als  Schriftsteller  (nüeschichte  der  Völkerwanderung", 
4  Bde.,  u.  a.^  und  Publicist  bekannt. 

—  Am  J8.  April  1.  J.  zu  Düsseldorf  Rudolf  Wieg  mann  (geb.  am 
17.  April  1804  zu  Adensen  unweit  Hannover),  Professor  der  Architektur 
an  der  Kunstakademie  zu  Düsseldorf  und  Secretär  derselben,  durch  archi- 
tektonische und  literarische  Leistungen  auf  seinem  Gebiete  ausgezeichnet. 

—  Am  19.  April  1.  J.  zu  Wien  der  k.  Rath  und  Director  Wenzel 
Nejebse,  das  älteste  Mitglied  des  Wiener  Männergesangvereines,  seiner 
Zeit  ein  eifriger  Förderer  Frz.  Schubert 'scher  Vocalmusik. 

—  Am  20.  April  L  J.  zu  Bayreuth  der  Kath  der  Kegierungsfinanz- 
kammer  Karl  Stokar  v.  Neuforn,  ebenso  gewiegt  als  Praktiker,  wie 
ausgezeichnet  als  Theoretiker,  namentlich  als  Fachschriftsteller,  und  zu 
Langensalza  der  zum  ersten  Vorstand  des  germanischen  Museums  designierte 
Professor  Dr.  Bein,  bisher  2.  Lehrer  am  Gymnasium  zu  Eisenach. 

—  Am  22.  April  1.  J.  zu  Wien  Emanuel  v.  Demerghel,  Pro- 
fessor der  französischen  Sprache  und  Literatur  am  k.  k.  Theresianum,  im 
Alter  von  45  Jahren,  und  zu  Prag  Joseph  Nawratil  (geb.  zu  Schlau  1797), 
als  Fresken-  und  I.andschal'tsmaler  vielbekannt  und  gescliätzt. 

—  Am  24.  April  1.  J.  in  Krain  (am  Berge  zu  St.  Katharina)  der 
Geistliche  Jakob  Finsinger,  als  lateinischer  Dichter  gerühmt. 

—  Am  25.  April  1.  J.  zu  Stuttgart  Prof.  Karl  v.  Holtzmann  (geb. 
in  Karlsruhe,  am  23.  October  1811),  Director  der  dortigen  polytechnischen 
Schule.  (Vgl.  Beil.  z.  A.  a.  Ztg.  v.  2.  Mai  1.  J.,  Nr.  122,  S.  1985.) 

—  In  der  Nacht  zum  27.  April  1.  J.  zu  Leitmeritz  der  Hoch  wür- 
digste Bischof  alldort  Dr.  Augustin  Bartholomäus  Hille  (geb.  am  2.  De- 
cember  1786  zu  Schönau  in  Böhmen),  seiner  Zeit  Professor  der  Pastoral- 
theologie, dann  Director  der  Dioecesan  -  Lehranstalt  zu  Leitmeritz,  Com- 
mandeur  des  österr.  Leopold-Ordens ,  wirkl.  geh.  Ratli,  Hausprälat  und 
Thronassistent  des  heil.  Vaters  u.  s.  w.,  ein  durch  seine  Wohlthätigkeit, 
so  wie  durch  literarische  Arbeiten  auf  dem  theologischen  Gebiete  ausge- 
zeichneter Kirchenfurst. 

—  Am  28.  April  1.  J.  zu  Berlin  der  in  Theaterkreisen  als  Sclirift- 
steller  nnd  Redacteur  bekannte  Dr.  ICarl  Schlivian. 

—  Am  29.  April  1.  J.  zu  München  der  bekannte  Bildhauer  L.  Schal- 
ler (geb.  zu  Wien),  in  sehr  vorgerücktem  Lebensalter,  und  zu  Genf  der 
ordentl.  Professor  der  Medicin  an  der  Universität  zu  Rostock,  Obenuedi- 
dnalrath  Dr.  Karl  Georg  L.  E.  Bergmann,  ein  ausgezeichneter  Gelehr- 
ter nnd  Lehrer,  auch  als  Fachschriftsteller  ehrenvoll  bekannt. 

—  Am  30.  April  1.  J.  in  seiner  Landwohnung  bei  Norwood  Vice- 
Admiral  Robert  Fitzroy  (geb.  1805;,  als  Meteorologe  berühmt. 

—  Anfangs  April  1.  J.  zu  Darmstadt  Dr.  G.  Haupt,  Gymnasial- 
director  alldort,  Psedagog  und  Gelelirter  von  Ruf,  und  ebendort  der  Hof- 
bibliothecar  Dr.  Maurer,  Oberstlieutenant  a.  D. 

—  Im  halben  April  1.  J.  zu  Salzburg  der  k.  k.  Marine  -  Ingenieur 
C.  Mielichhofer,  vordem  Professor  der  Mathematik  und  Schiff baukunst 
an  der  Marino -Akademie  zu  Triest,  Verfasser  eines  einschlägigen  Lehr- 
buches (1857),  im  37.  Lebensjahre;  zu  Berlin  der  Director  des  dortigen 
ftgyptiscnen  Museums  Passalacqua;  in  Kopenhagen  der  pens.  dänische 
(^neralmajor  der  Artillerie,  von  Baggesen,  durch  militärische  und  son- 
stige wijweiischaftlidie  Schriften  bekannt;  zu  Turin  der  gelehrte  Professor 


89S  Personal-  nnd  Schnlnotiseli. 

Domenico  Botta,  und  zu  Florenz  Frau  Theodosia  Trollope,  geb.  Gaf- 
row,  Gemahlin  des  engl.  Romanschriftstellers  Tr,  selbst  als  Schriftstelle- 
rin bekannt. 

—  Im  April  1.  J.  zu  Wien  Johann  Sedlaczck,  fürstl.  Ester- 
hazy 'scher  Kammervirtuos  (geb.  zu  Obcr-Glogau,  am  5.  December  1789),  der 
Senior  der  hiesigen  Musiker. 

—  Ende  April  1.  J.  Flor.  Luke  seh,  einer  der  thätigsten  Professo- 
ren des  Czarvaser  Collegiums;  zu  Gembloux  in  Belgien  Ad.  Scheler, 
Professor  der  Zootechnik  an  der  dortigen  landwirthschaftlichen  Schule,  als 
Uebersetzer  deutscher  und  französischer  agronomischer  und  thierärzUicher 
Werke  bekannt;  Perrot-Gentil,  Professor  der  Theologie  zu  Neufchatel, 
der  Verfasser  der  besten  Uebersetzung  des  alten  Testamentes  in's  Franzö- 
sische, und  zu  Düsseldorf  der  Landschaftsmaler  Julius  Rollmann,  als 
Künstler  von  seltener  Begabung,  ein  bedeutender  Orientalist. 

—  In  der  letzten  Aprilwoche  1.  J.  zu  Hildesheim  der  Professor  am 
dortigen  bischöfl.  Priesterseminar  Dr.  theol.  Schweers,  ein  bedentender 
Orientalist. 

—  Am  2.  Mai  1.  J.  zu  Wien  der  k.  k.  Regierungsrath  Jos.  Ant 
Edler  v.  Pilat  (geb.  zu  Augsburg,  am  20.  Februar  1782),  zahlreicher  Or- 
den Ritter,  seinerzeit  Hauptredacteur  der  Zeitschrift  „Oesterreichischer 
Beobachter**,  als  Publicist  und  Schriftsteller  auf  juridischem ,  poUtiscbem 
und  belletristischem  Gebiete,  so  wie  als  treuer  Anhänger  der  Dynastie  und 
echter  Menschenfreund  bekannt  (vgl.  Wr.  Ztg.  v.  7.  Mai  l.  J.,  Nr.  1(^, 
S.  483J,  und  zu  Ofen  der  Fabrikshof-  und  Realitatenbesitzer  Friedridi 
Wertnor  von  Numvär,  Inhaber  des  gold.  Verdienstkreuzes  mit  der  Krone 
u.  s.  w. ,   Mitglied  des  geologischen  Vereines  u.  m.  a.,  im  64.  Lebensjahre. 

—  Am  6.  Mai  1.  J.  zu  Bremen  der  Pastor  Friedr.  Ludw.  Hallet 
;eb.  zu  Braunfels,  am  4.  August  1792),  erster  Prediger  an  der  Stephani- 
irche,  als  Kanzelredner  wie  als  theologischer  Schriftisteller  hochgeachtet. 

—  Am  7.  Mai  1.  J.  zu  Budweis  der  Domcapitular  Dr.  theol.  Franz 
Jechl,  Professor  der  Pastoral theologie  und  Katechet  an  der  dortigen  Di<E- 
cesan-Lehranstalt,  emer.  Seminarsrector  u.  s.  w.,  im  55.  Lebensjahre. 

—  Am  10.  Mai  1.  J.  zu  Hermannstadt  Johann  Karl  Schaller  (geb. 
ebend.  am  16.  März  1794),  Ritter  des  k.  ö.  Franz  Joseph -Ordens,  k.  k. 
Statthaltereirath  und  k.  k.  Schulrath  für  die  ev.  Schulen  A.  C.  in  Sieben- 
bürgen ,  corr.  Mitglied  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  u.  s.  w.,  als 
Jugendlehrer,  Gelehrter  und  weithin  wirksamer  Schriftsteller  ausgezeichnet 

—  Am  11.  Mai  1.  J.  zu  Marburg  der  dortige  R.-  und  Normalscbnl- 
director  Andreas  Schocher. 

—  Am  13.  Mai  1.  J.  zu  Wien  Franz  Herz,  Lehrer  an  der  UR.- und 
Normalhauptschule  bei  St.  Anna  in  Wien,  als  Schulmann  ausgezeichnet, 
so  wie  durch  sein  declamatorisches  Talent  bekannt,  im  Alter  von  68  Jahren. 


(Diesem  Hefte  sind  zwei  literarische  Beilagen  beigegeben.) 


Erste   Abtheilung. 


Abhandlungen. 

Beiträge  zur  Texteskritik  der  Fabulae  des  Avianus. 

Wenn  ich  im  folgenden  eine  Keihe  von  Stellen  dieses  späten 
Fabulisten  eingehend  behandle,  so  wird  wol  niemand  die  Ansicht 
hegen,  dass  ich  gleich  jenen  Philologen  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts gerade  dem  Autor,  mit  welchem  ich  mich  beschäftige, 
einen  besonderen  Werth  beilege.  Ich  weifs  nur  zu  gut,  dass 
Avianus  ganz  ein  Eind  seiner  Zeit  ist  und  auch  in  dieser  weder 
viel  Talent  noch  einen  besonderen  Geschmack  offenbart.  Obwol 
er  den  Stoff  und  meisientheils  auch  die  Ausfuhrung  aus  Babrios 
entlehnt,  so  ist  doch  in  der  breiten  und  manirierten  Darstel- 
lung des  lateinischen  Bearbeiters  kaum  etwas  von  der  Eleganz 
und  Anmuth  des  griechischen  Originales  zu  entdecken").  In- 
dessen ist  doch  dieses  Fabelbuch  als  sprachliches  Denkmal  und, 
da  uns  nicht  wenige  darin  benützte  Fabeln  des  Babrios  ver- 
loren sind  ^),  auch  mit  Bücksicht  auf  diesen  Umstand  nicht  ohne 
ein  gewisses  Interesse  und  insoferne  ist  es  wol  nur  gerechtfer- 
tigt, wenn  man  auch  hier  einen  gereinigten  und  der  ursprüng- 
lichen Form  sich  möglichst  annähernden  Text  herzustellen  sucht, 
and  zwar  um  so  mehr,  je  willkürlicher  bisher  der  Text  dieses 
Schriftstellers  behandelt  worden  ist.  Nach  den  früheren  Arbeiten 
von  Pulmann  (1585)  und  Nevelet  (1610)  folgte  die  Aus- 
gabe von  Cannegieter  (1731),  der  es  zwar  an  einer  sicheren 
kritischen  Grundlage  und  Methode  fehlt,  die  aber  im  einzelnen 
viel  beachtenswerthes  bietet.  Denn  mag  sich  auch  in  dem  dick- 


')  Vgl.  Benihardv  röra.  Lit.  S.  632  (4.  Aufl.).  Etwas  günstiger  urtheilt 
üfcr  unseren  Dichter  0.  Keller  „üeber  die  Geschichte  der  griech. 
Fabel",  Jahrb.  für  class.  Phil.  4.  Suppl.,  3.  Htft,  S.  410  ff.  und  in 
Pauly's  Realencycl.  1.  Bd.  S.  1326  (2.  Aufl.). 
')  Von  den  42  Fabeln  des  Avianus  lassen  sich  24  in  der  uns  erhal- 
tenen Sammlung  des  Babrios  nachweisen;  für  die  9.  Fabel  finden 
wir  wenigstens  ein  Bruchstück  des  Babrios  erhalten  (140  Schneide- 
win).  Es  ist  aber  kein  Zweifel ,  dass  auch  die  anderen  17  Fabeln 
urspiünglich  in  dem  Fabelbuche  des  Babrios  standen. 
ZelUcbrtft  f.  d.  Oiterr.  GymsAS.  18(6.  VI.  Heft  27 


398  K.  Schenkt,  Zur  Texteskritik  des  Arianus. 

leibigen  Buche  genug  verkehrtes  finden,  so  hat  doch  Cannegiete 
an  nicht  wenigen  Stellen  die  richtige  Lescart  gefunden  und  seine 
Nachfolger  hätten  gar  manche  Bemerkung  in  diesem  Commen- 
tare  nicht  vornehm  ignorieren  sollen.  Muss  man  nun  über  Canne- 
gieter  mit  Kücksicht  auf  den  damaligen  Stand  der  Wissenschaft 
ein  anerkennendes  Urtheil  fällen,  so  kann  man  nicht  umhin  die 
Ausgabe  von  Lachman  n  (1845)  strenge  zu  beurtheileu  und  offen 
zu  gestehen,  dass  sie  wirklich  ein  Beispiel  darbietet,  wie  der 
Text  eines  Schriftstellers  nicht  recensiert  werden  soll.  Ohne 
über  eine  ausreichende  kritische  Grundlage  zu  verfügen  hat  Lach- 
mann den  Text  ganz  nach  seinem  Belieben  behandelt,  wodurch 
sich  allerdings,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  war,  manche  schöne 
Emendation  ergeben  hat,  zugleich  aber  auch  der  Text  durch  eine 
grofse  Anzahl  imnöthiger,  willkürlicher  und  oft  nichtssagender 
Conjecturen  entstellt  worden  ist.  Ganz  verkehrt  aber  ist  das 
Verfahren  Lachmann's  in  Ausscheidungen  von  angeblichen  Inter- 
polationen, durch  welche  er  einige  Fabeln  sogar  auf  die  Hälfte 
ihres  ursprünglichen  Bestandes  beschränkte.  Manche  Fabel  hat, 
wie  dies  bei  einem  so  breiten  Schriftsteller  nicht  anders  der  Fall 
sein  konnte,  dadurch  gewonnen;  in  anderen  hingegen  ist  der 
Zusanmienhang,  ja  oft  geradezu  der  Sinn  zerstört  worden  ^).  Be- 
sonnener ist  in  dieser  Hinsicht  Fröhner  vorgegangen,  dessen 
Ausgabe  (1862)  wir  einen  kritischen  Apparat  zu  verdanken  haben; 
die  Sucht  zu  conjicieren  aber  theilt  er  mit  Lachmann  und  darum 
muss  man  an  vielen  Stellen  die  ursprüngliche  Leseart  verthei- 
digen,  an  manchen  anderen  den  Versuch  machen,  ob  nicht  mit 
leichteren  Mitteln,  als  es  bei  den  oft  willkürlichen  Emenda- 
tionen  Fröhner's  der  Fall  ist,  den  Schwierigkeiten  abgeholfen 
werden  kann  *). 

Gleich  für  die  praefatio  können  wir  einen  nicht  uninteressan- 
ten Beitrag  aus  einer  Handschrift  liefern,  nämlich  aus  dem  Codex 
CCCVI  (Endlicher)  der  Wiener  Hofbibliothek,  einer  genauen 
Copie  von  einer  Sammlung,  die  sich  Sann^izar  aus  mehreren 
alten  Handschriften  angelegt  hatte  (vgl.  Haupt  prsef.  zu  seiner 
Ausgabe  von  Ovid's  Halieutica  p.  XXIV  ff.).  Dort  findet  sich 
fol.  25,  b  auch  die  praefaiio  ad  Theodosinm^  welcher  folgende 
Worte  vorangehen:  „iw  allo  item  codke  in  eadem  bybli4jtheca 
inuento  sie  habetur'^ ;  was  für  eine  Bibliothek  hier  gemeint  ist, 
ergibt  sich  aus  der  Bemerkung  über  eine  im  vorhergehenden 


•^  Vgl.  L.  Mttllor  de  re  metrica  poet.  lat.  p.  5r>.  —  Mit  Lachniann 
stimmt  wenigstens  theilweise  Bemhardy  (a.  a.  0.)  übercin:  „Gro])e 
Plattheiten  oder  Schnr)rkel  lassen  sich  als  Nacharbeit  ausscheiden, 
was  Lachmann  oft  mit  richtigem  Blick  that  (V)  und  gleichwol  sitzen 
noch  Einschiebsel,  welche  der  Ausdruck  (wie  lü,  9  und  10)  verräth.** 

*)  Vgl.  die  treffliche  Kecension  der  Ausgabe  J'rölmer's  von  O.  K.,  offen- 
bar Otto  Keller  (Lit.  Centralblatt,  1862,  S.  UlK)  tf.),  die  wir  im  fol- 
genden öfters  aniühren  werden. 


JC  Schetikl,  Zur  Texteskritik  des  Avianus.  S99 

mitgetheilte  Handschrift  des  Ausonius,  die  als  „codex  uetustm 
lugdunensis  qiii  ab  Actio  Sincero  hiuentns  est  in  Araris  in- 
sula^  bezeichnet  wird.  Dies  gibt  nun  freilich  keinen  bestimmten 
Anhaltspunct,  um  über  das  Alter  des  Codex  zu  entscheiden ;  da 
aber  derselbe  mit  den  besten  Handschriften  übereinstimmt,  so 
gehört  er  gewiss  nicht  zu  den  jüngeren,  um  so  mehr,  als  in 
diesen  fast  durchaus  die  praefatio  zu  fehlen  scheint.  Die  Ver- 
gleichung  mit  dem  Fröhner'schen  Texte  bietet  folgende  Varianten: 
„qtioyiam,  occurrit,  in  iis,  incubvt  neccssitas  (das  letztere  Wort 
in  ras.),  greca  eruditione  snperes  et  latina  llo^nanos,  legenda, 
diuinis  opcrünis,  quod  inde  s^d)  locorum  *)  commiinium,  coarc- 
iauity  cwnpo»itas,  adgnoscas^  loqiii  xwro,  ipm  animis"'^  worunter 
allerdings  nur  eine  ijeue  Leseart  von  Werth  erscheint,  nämlich  in 
den  Worten  „cww^  in  utroque  liiterarum  genere  et  Atticos  graeca 
eruditione  snjyeres  et  latinitate  lio^nanos,''  Hier  ist  nämlich, 
wie  dies  schon  Barth  Advers.  XIX,  24  bemerkt  hat,  J^atini- 
tate^  unpassend,  während  durch  das  im  Vindobonensis  über- 
lieferte Jatina^  ein  ganz  entsprechender  Ausdruck  gewonnen 
wird.  —  Wir  schliefsen  hieran  gleich  die  Besprechung  einiger 
anderer  Stellen  der  praefatio,  und  zwar  zuerst  der  Worte:  „qno- 
nam  lUteranwi  tiiulo  nostri  nominis  meniorimn  niandaremns'')'' ^ 
wo  Fröhner  (oder  eigentlich  Cannegieter)  „quoinam''  vorgeschla- 
gen hat,  während  Lachmann  lieber  im  folgenden  ^nostra  nomina 
fnenwriae  m,^  hergestellt  haben  wollte.  Es  bedarf  aber,  wie 
auch  0.  Keller  bemerkt  hat,  keiner  Aenderung,  da  man  zu  man- 
daremus  leicht  ein  posteris  im  Gedanken  ergänzen  kann.  Un- 
streitig verderbt  dagegen  ist  „vi  legenda  fimmret^y  wofür 
Fröhner  die  Conjectur  Lachmann's  „m^  sequenda  f,^  aufge- 
nonmien  hat,  die  sich  aber  weder  durch  einen  treffenden  Sinn, 
noch  durch  Leichtigkeit  der  Umänderung  empfiehlt.  Wenn  ich 
nun  hiefür  eine  andere  Emendation  in  Vorschlag  bringe,  so  gehe 
ich  dabei  vor  allem  von  der  Bemerkung  aus,  dass  Avianus  in 
seiner  praefatio  den  prologus  zu  dem  ersten  I3uche  des  Phsedrus 
offenbar  nachgeahmt  hat.  Dies  geht  unzweifelhaft  aus  dem  Schluss- 
satze hervor,  welcher  den  gleichen  Gedanken  wie  die  letzten  Verse 
bei  Phsedrus  fast  mit  denselben  Worten  ausdrückt*^).  Dies  be- 
rechtigt uns   nun  in  den  Worten  „(/?(i  responso  delphici  Apol- 


*)  Dieselbe  Leseart,  welche  auch  Barth  Advers.  XIX,  24,  aber  iiiit 
Unrecht  vertheidigte,  findet  sich  noch  im  Voss.  U,  in  der  editio 
Lugdunensis  und  jener  des  Neveletus. 

*)  Man  beachte  übrigens  die  Alliteration,  die  auch  sonst  bei  Avianus 
zu  finden  ist,  z.  B.  Fab.  3,  1  curca  reiro  cedens  dum  fert  nesti- 
gia  Cancer,  5,  10  pigraqxie  praesumpUis,  17  ignotos  imitato,  G,  4 
mulcehat  miseras,  10  tierborum  uuaiani,  7,  4  piUulis  primum,  G 
dente  dahat,  25,  8  pwtei  j^rotemis  tarn  peüt  u.  dgl. 

•)  Man  vergleiche  Phsedrus  prol.  lib.  I,  v.  G  y^Quod  arhores  loquaniur 
nan  iantum  ferae*"  mit  Avianus:  ^Loqui  uero  arhores,  feras  cum 
homifiihus  geinere^  etc. 

27» 


4M  K.  Schefikl  Zur  Texteskritik  des  ÄTianos. 

Unis  fnonüus  ridkuln  arsus  est,  ut  legenda  firmard^  ein« 
Nachbildung  der  Verse  des  Phsedrus  zu  finden:  ,f Duplex  libMi 
dos  est:  quod  riskim  movet  et  quod  prudenti  uitam  cansUio 
nionet.^  Und  so  dürfte  denn  durch  die  Besserung  „tä  lege  uiiam 
firniaret''  die  Stelle  eine  ganz  entsprechende  Fassung  erhalten. 
Keinen  Anstofs  aber  nehme  ich  an  diuinis  operibus^  was 
Fröhner  nach  dem  Vorgänge  Lachmann*s  in  diuinis  sennanibus 
umgeändert  hat;  denn  es  ist  kein  Zweifel,  dass  hier  Sokrates 
mit  Piaton  vollkonmien  identificiert  wird,  weil  er  in  allen  Dia- 
logen Piatons  als  der  Erzähler  oder  Hauptunterredner  hervor- 
tritt, während  Flaton  sich  durch  nichts  als  den  eigentlichen 
Verfasser  andeutet,  und  dann  kann  uns  das  „uerum  hos  pro 
exeinplo  fahdas  et  Socrates  diuinis  operibus  indidü^  nicht  be- 
fremden. —  Wir  gehen  nun  zu  den  Fabeln  selbst  über. 

I,  V.  4  y^nam  Jassaia  ptier  nimiae  dat  mernbra  quieti.*^ 
Es  ist  natürlich  nimie  zu  schreiben,  was  mit  lassata  verbünde 
werden  muss;  das  hat  schon  Barth  Advers.  XXXIX,  7  richtig 
erkannt  und  eben  darauf  deutet  auch  die  Leseart  j^nimium*^  in 
schlechteren  Handschriften  und  alten  Ausgaben  hin®).  —  v.  9 
y^cur  inquit  nullam  refers  de  more  rapinam.^  Da  die  Länge 
des  e  in  refers  befremdete,  so  hat  Lachmann  referens  und  im 
folgenden  Verse  distrahis  (für  set  trahis)^  Fröhner  praefers  vor- 
geschlagen. Soll  denn  aber  ein  refers  undenkbar  sein?  Es  ist 
gewiss,  dass  die  urspiüngliche  Form  der  Präposition  re:  red 
war,  wie  man  dies  deutlich  aus  red-  arguere,  red-  imere  u.  s.  w. 
ersieht.  Wir  lassen  hierbei  die  Frage  über  die  Etymologie  un- 
berücksichtigt;  denn  mag  nun  red(i)  mit  Sanskrit  iwa/i,  Grie- 
chisch TTQOTi  identisch  sein,  wie  dies  Kuhn  und  nach  ihm  die 
meisten  Sprachforscher  annehmen  (vgl.  G.  Curtius  Grundz.  der 
griech.  Etym.  1,  250)  oder  mag  dies  nicht  der  Fall  sein,  wie 
dies  neuerdings  Corssen  behauptet  hat  (Kritische  Beiträge  zur 
lat.  Formenlehre  S.  87  ff.),  für  unsere  Auseinandersetzung  wird 
dadurch  nichts  geändert.  Vor  Vocalen  nun  erhielt  sich  red,  vor 
Consonanten  hingegen  fiel  entweder  d  ab  oder  assimilierte  sich 
dem  folgenden  Consonanten,  wodurch  natürlich  e  durch  Position 
lang  wurde  (vgl.  L.  Müller  de  re  metr.  poet.  lat  p.  361  flF.).  In 

•)  Nimium  liest  auch  der  cod.  Vindobonensis  CCLXX\'ll  (Endlicher, 
saec.  XIVJ,  der  zu  den  schlechteren  Handschriften  gehört.  Wir  thei- 
len,  um  eine  Probe  von  ihm  zu  geben,  die  Lesearten  zu  der  ersten 
und  zweiten  Fabel  mit:  fol.  22,  6  Incipiunt  auiani  de  rustico  et 
puero.  -  deflenti  paruo  iurauerat.  —  rapide,  —  audü,  —  penngü 
ante  fores  irrita.  —  raptori,  —  fames.  —  sentit  {in  marg.  m.  2 
sensit),  —  air  inquid  nullam  solito  fers  more  rcqnnam.  —  sed 
trahis,  —  namque  rogas  (as  in  ras.)  praeda  quae,  —  mkhi.  — 
credit  adesse  (m.  2  credidit  esse).  —  U.  de  testudine,  —-  Pennatis, 
—  locuta  efit.  —  desiUuisset.  —  arenis,  —  tanto  quod  (m.  2  tw- 
digtium  referens  tarda  quod  sedtda  gressu),  —  at.  —  aquüa.  — 
imviet.  —  querit.  —  pennis.  —  fero  (m.  2  feri).  —  tunc  quoque 
sublimes,  —  exose.  —  penas  cum. 


K.  Sdkenkl,  Zar  Texte»kritik  des  Aviauntf.  401 

der  Schreibweise  aber  blieb  man  sich  nicht  gleich,  indem  man 
bald  den  doppelten,  bald  den  einfachen  Consonanten  setzte,  also 
z.  B.  retidi  neben  rettuli.  Beispiele  solcher  Assimilationen  sind 
die  Perfecta  repperi^  reppuli,  rettnli,  reWidi,  ferner  rellatum 
(Lucr.  2,  1001),  reccUlo,  reccidi  (Lucr.  1,  857,  1063;  5,  280; 
Ovid.  Met.  10,  18,  180;  6,  212;  Rem.  Am.  611),  rcicio  (eiff. 
rejjicio)  mit  seinen  weiteren  Bildungen  (vgl.  Klotz  Lexikon), 
endlich  rdligio,  relliquiue  (s.  Müller  a.  a.  0.).  Wenn  sich  nun 
ein  rettuli,  rellatum  nachweisen  lassen,  warum  soll  dann  ein 
reffers  nicht  ebenso  gut  gebraucht  worden  sein.  Es  ist  somit 
kein  Grund  vorhanden  die  Ueberlieferung  zu  verdächtigen.  — 
V.  13  „fMm  quae  praeda  rogas  quae  spes  contingere  posset.^ 
Dass  rogas  verderbt  sei,  gesteht  auch  Fröhner  zu;  was  er  aber 
dafür  vorschlägt,  procax^  mit  der  Bemerkung  malim  rogax  (!) 
kann  in  keiner  Weise  befriedigen.  Die  richtige  Leseart,  welche 
sich  auch  in  schlechteren  Handschriften  findet,  ist  offenbar  rogo^ 
wie  dies  schon  Cannegieter  erkannt  hat.  Bei  Babrios  16,  10 
entspricht  ntig  yaQ,  og  yyvmid  niarevio^  woraus  auch  Keller 
mit  Recht  folgert,  dass  die  Verse  15  und  16,  welche  Fröhner 
als  unecht  beseitigen  will,  von  unserem  Dichter  herrühren. 

II,  2  y^si  quis  eam  uolucruni  constUuisset  humi,^  So 
lautet  allerdings  die  Leseart  der  besten  Handschriften,  die  aber 
weder  dem  Zusammenhange,  noch  der  Fassung  bei  Babrios 
Fab.  115  entspricht,  wo  insbesonders  v.  3  in  Betracht  kommt: 
mfii  TtTSQWTrjv  evx^e  zig  TteiTotnuoi,  Darnach  ist  kein  Zweifel, 
dass  vielmehr  ttolucrem,  was  sicn  in  mehreren  Codices  und  auch 
in  A  als  Correctur  findet,  die  richtige  Leseart  ist,  wie  dies  auch 
schon  Keller  bemerkt  hat.  Damit  ist  aber  die  Emendation  der 
Stelle  nicht  vollendet,  indem  dann  nämlich  humi  keine  Erklä- 
rung zulässt;  ich  schlage  daher  vor  Jmic  zu  schreiben  (vgl.  L. 
Müller  p.  270),  das  wol  leicht  in  humi  verderbt  werden  konnte. 

III,  6  j^rtirsus  inohliqiios  neu  uelis  ire  pedes.^  Auch 
dieser  Vers  hat  bei  den  Kritikern  vielfachen  Anstofs  erregt, 
und  zwar  scheint  vor  allem  die  Verkürzung  des  /  in  uelis  be- 
fremdet zu  haben.  Dieselbe  findet  sich  aber  nochmals  Fab. 
XXIII,  10  yjSeu  udis  esse  deum'^  und  kann  bei  einem  so  späten 
Autor  wie  Avianus  schwerlich  in's  Gewicht  fallen,  somit  ist  aus 
diesem  Gesichtspuncte  weder  die  Conjectur  Withof's  „ne  iuuet 
ire*^^  noch  die  Fröhner's  j^neue  tuere''  berechtigt.  Soviel  aber 
gestehen  wir  gerne  zu,  dass  der  Vers  in  der  Form,  wie  er  vor- 
liegt, sich  schwerlich  erklären  lässt;  denn  was  soll  wol  Jn 
öbliquos  pedas  ire*^  bedeuten  ?  Ich  glaube  daher,  dass  mit  einer 
sehr  leichten  Aenderung  ^rursus  in  obliquum  {obliqud)  neu  uelis 
ire  pede*^  geschrieben  werden  müsse,  wodurch  ein  ganz  passen- 
der Sinn  hergestellt  wird. 

IV,  1  und  2.  „Inmitis  Boreas  placidusque  ad  sidera 
Fhodms  II  iurgia  cum  magno  conseruere  loue/'  In  diesen  beiden 


402  K.  ScUeukl,  Zur  Texte«kritik  des  Avianus. 

Versen  hat  Lachmann  „ad  mhra"'  in  „aä  cetera^  und  ^Joiic" 
in  „vW>**  umgeändert,  und  nach  dessen  Vorgange  hat  Fröhner 
„/(X'o"  in  den  Text  aulgenommen,  im  ersten  Verse  aber  „placi- 
dus  cithuristaqite  Fhoebus^  geschrieben.  Alle  diese  Vermuthun- 
gen  sind  rein  willkürlich  und  werthlos.  Was  „/oco**  statt  „/omc* 
anbetrifft,  so  hat  schon  Keller  mit  Kecht  bemerkt,  dass  die 
Worte  y^imieseniia  munina"'  (v.  15)  die  Kichtigkeit  der  über- 
lieferten Leseart  y.Iouc''  bestätigen®);  dagegen  will  er  im  vor- 
hergehenden Vei-se  die  nichtssagende  Conjectur  Lachmann's  „ad 
ct'tcm'^  in  den  Text  aufnehmen,  worin  wir  ihm  nicht  beistim- 
men können.  Eigeuthümlich  ist  nur  der  Gebrauch  von  „coit- 
scriwrc^^  welches  hier  nicht  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung, 
sondern  vielmehr  in  der  von  „mittheilen  oder  vorbringen"  er- 
scheint; damit  verbindet  sich  nun  einerseits  „ad  sidera"^  (zum 
Olymp),  um  die  Bichtung  und  Oertlichkeit  anzudeuten,  ander- 
seits „cum  magno  loue^  zur  Bezeichnung  der  Persönlichkeit. 
Sollte  man  aber  eine  solche  Ausdrucksweise  auch  bei  einem 
späten  und  manirierten  Schriftsteller  nicht  für  möglich  halten, 
dann  würde  ich  eher  „conseruerc^  als  irgend  ein  anderes  Wort 
dieser  Verse  für  verderbt  erachten. 

V,  1  —  4.  „Metin  sc  qucmquc  dccet  praimisque  iuuari\\ 
laiidibiis,  altcrlus  ncc  hona  ferre  sihiy  \\  iie  d^trada  grauem  fa- 
ciant  miracula  risiim,  \\  coeperit  in  solis  cum  remamre  nialis.*' 
Was  diese  Gnome  anbetrifft,  so  weist  Keller  darauf  hin,  dass 
sich  dieselbe  wol  als  Nachahmung  des  Horatius,  den  Avianus 
selbst  in  seiner  Vorrede  erwähnt,  vertheidigen  lasse.  Als  Vor- 
bild betrachtet  er  Hör.  Epist.  I,  3,  18—20,  die  allerdings  mit 
V.  3  und  4  eine  entschiedene  Aehnlichkeit  haben.  Noch  mehr 
aber  stimmt  mit  v.  1  die  Stelle  Hör.  Epist.  I,  7,  98  „Metiri 
sc  qmmque  suo  modulo  ac  pedc  uerum  cst^^  wornach  man  wol 
diese  Verse  kaum  einem  mittelalterlichen  Interpolator  zuschrei- 
ben kann.  —  v.  9  „ast  uhi  terribiUs  animo  circmnstetit  honvr,*^ 
Da  „animo^,  wie  wol  Jedermann  zugeben  wird,  verderbt  ist, 
hat  Fröhner  dafür  „iam  asino^  geschrieben,  wobei  vor  allem 
iam  überflüssig  ist,  da  eine  Verlängerung  der  Arsis,  wie  wir 
später  sehen  werden,  bei  einem  solchen  Dichter  nichts  auffallen- 
des ist.  Die  Conjectur  „amno^  ist  allerdings  leicht  und  nicht 
gerade  unpassend;  wenn  ich  aber  nicht  irre,  so  verlangt  man 
ein  bezeichnendes  Wort,  das  wie  im  folgenden  Vei-se  „pigro^ 
zu  „iiigor'^y  so  zu  „tcrrihllis^  einen  entsprechenden  Gegensatz 
bildet.  Dies  erreicht  man,  wenn  mau  animo  {anw)  in  „uano"^ 
ändert.  Uebrigens  bemerke  man  noch,  wie  der  Dichter  die  aus 
Verg.   Aen.  II,  559  (at  mc  tum  primum  saeuus  circumstdit 

■')  Der  Pai-aphrast  hat:  „cum  PJioebus  et  Boreas  de  praemineticia 
uirium  cantenderent  cor  am  loue**;  vgl.  den  Novus  Avianus  IV, 
v.  5  n.  6. 


]C  Schefikl,  Zur  Texteskritik  des  Avianub'.  403 

horror)  entlehnte  Phrase  in  einem  ganz  anderen  und  keineswegs 
entsprechenden  Sinne  verwendet  hat. 

VII,  1  n.  2.  „Rauf  f(U'Ue  est  pranis  Innniuni  »lentibm 
ut  se  II  muneribus  dupuis  siipplicione  pntent,^  Mag  nun  diese 
Stelle  von  einem  Interpolator  lierruhren  oder  nicht,  soviel  ist 
jedenfalls  gewiss,  dass  mmierUms  verderbt  ist.  Denn  wenn  Fröh- 
ner  annimmt,  dass  der  Interpolator,  weil  er  v.  10  nicht  verstan- 
den habe,  einen  solchen  Unsinn  niederschrieb,  so  wird  man  dies 
wol  kaum  glaublich  finden.  Die  Conjectur  „nerhcribiis^  von  Wit- 
hof  (Pröhner's  y^uolnerihus^  richtet  sich  von  selbst)  scheint  mir 
unpassend,  weil  wir  dann  einen  mit  dem  folgenden  „supplicio*^ 
identischen  Ausdruck  erhalten.  Ich  erlau1)e  mir  daher,  bis  etwas 
besseres  gefunden  ist,  „(uhmnitis"'  vorzuschlagen.  —  v.  3  j,Forte 
mnis  quondam  nuUis  latrat/ibus  Iwrrens,^  Gegen  die  von  Fröh- 
ner  aufgenommene  Conjectur  Lachmann's  „qmidam''  bemerkt 
Keller  mit  Recht,  dass  der  Dativ  nicht  nöthig  sei,  dass  man 
mit  Rücksicht  auf  „uohiera  dahcW  (v.  G)  wol  eher  „quibusdarn*^ 
erwarten  würde,  (lass  endlich  Babrios  (104,  1)  einfach  sage: 
lad-Q]]  xviov  eöaycve.  Wir  werden  also  aucli  hier  an  der  üeber- 
lieferiing  festhalten.  —  Schwierig  ist  der  Vers  14:  „OrdgredUur 
tali  singula  twce  nianens^^  wo  sich  „shignla^  schwerlich  er- 
klären lässt.  Was  Fröhner  vorschlägt  „pancula^  entspricht  weder 
dem  Sinne  noch  dem  Zeichen  der  Ueberlieferung.  Ich  habe  an 
^seria^  gedacht,  was  wol  dem  Sinne  nach  ganz  passend  ist, 
aber  von  den  Buchstaben  der  Handschriften  zu  sehr  abweicht, 
um  unbedingt  angenommen  zu  werden. 

VIII,  3  JndigmUa  cito  m  stet  Fortuna  recursa."'  Da 
,s<d"  sinnlos  ist,  hat  Fröhner  „/fe^'^  vorgeschlagen,  mit  der 
Bemerkung  „de  flatu  Fortiina<^  adiierso  loquitur,^  So  leicht  auch 
diese  Conjectur  zu  sein  scheint,  so  kann  ich  mir  doch  das  „/fe^" 
mit  „recnrsu^  nicht  vereinen;  ich  veimuthe  daher,  dass  ne  abeat 
oder  etwas  diesem  ähnliches  an  der  Stelle  stand.  —  v.  7  „turpe 
nimis  cumtis  inridendiwique  nlderi.'^  Fröhner  schreibt  cunctis 
se  inrid^vuluniqae,  was  nicht  blofs  überflüssig,  sondern  geradezu 
unpassend  ist,  weil  wir  so  die  schöne  Parataxis  im  folgenden 
verlieren  und  dafür  drei  schleppende  Sätze  erhalten.  Natürlich 
muss,  wie  dies  auch  Laclmiann  durch  seine  Interpunction  an- 
deutet, der  Infinitiv  irc  von  tmpe  Inridendunique  uideri  ab- 
hangen :  aUen  erschiene  es  als  eine  schmähliche  und  belachens- 
werüie  Sache,  dass,  während  die  Ochsen  durch  ilir  Hörnerpaar 
geschmückt  einhergehen,  das  Kameel  allein  an  keinem  Theile 
geschützt  sei  u.  s.  w.  Ebenso  wenig  kann  ich  Fröhner  beistim- 
men, wenn  er  im  folgenden  „at  videns"  für  „adridens''  und 
^insiiper  ei"  statt  „insupcr  et'*'  herstellen  will. 

IX,  3  u.  4.  „securus  quodcumque  mulum  foHuna  tur 
lisset  II  robore  eonlato  posset  täerqm  pati,^  Gegen  Fröhner,  der 
hier  quod  quolqm  schreiben  will,  bemerkt  Keller,  dass  sich  die 


404  K.  Schenkt,  Zar  Texteskritik  des  Avianas. 

Vulgata  ganz  gut  vertheidigen  lasse,  wenn  man  quod  cumqye 

schreibe  und  letzteres  in  der  Bedeutung  von  quotiescumque,  quatüo- 

cumqtw  fasse,  wie  es  im  cod.  Theodos.  XII,  6,  32,  22,  9  erscheine. 

Es  sind  dies  dieselben  Stellen,  welche  Cuningham  Animadv.  p,420 

bei  Besprechung  des  räthselhaften  cunique  in  Hör.  Od.  I,  32, 15 

verglichen  hatte.  Aber  abgesehen  davon,  dass  auch  nicht  einmal 

diese  Stellen  sicher  sind,  so  ist  doch  ein  grofser  Unterschied 

zwischen  einer  archaistischen  Gesetzformel  und  dem  Stile  eines 

Dichters,  der  sich  doch  sonst  im  Ausdrucke  überall  an  die  besten 

Autoren  anschliefst.  Unter  solchen  Verhältnissen  trage  ich  kein 

Bedenken  die  trelfende  Conjectur  Lachmann's  qtwa  cum  qua 

wieder  zur  Geltung  zu  bringen ;  wie  leicht  konnte  dies  in  quod- 

ctiniquc  verderbt  werden. 

XI,  7  u.  8  y^ne  tarnen  el  isam  confmigeret  aenea  testam  || 
inrabat  sollt  am  longius  ire  uiam,^  Hier  haben  Lachmann  und 
Fröhner  nach  einer  Vermuthung  des  Neveletus  ^sociam^  statt 
„solitam'^  geschrieben;  und  dafür  scheint  auch  der  Paraphrast 
zu  sprechen,  da  wir  bei  demselben  folgendes^ lesen :  „Sed  cum 
testea  leuior  uelocius  a  gurgüe  portaretur,  [aerea  ergänzt  Fröhner] 
ait:  ^consortes  summ,  inuicefn  nos  coniungamtisJ*  Aber  ob  dies 
dem  Sinne  der  Fabel  entspricht,  ist  eine  andere  Frage.  Wie 
natürlich  wurde  der  irdene  Topf  von  der  Flut  vorausgetragen 
(vgl.  V.  5  dispar  erat  fragili  et  solidae  coficordiu  fnokis);  weil 
nun  zu  befürchten  stand,  dass  bei  den  Krümmungen  des  Flusses 
(v.  6  incertumqtie  uugtis  amnis  hdbebat  Uer)  der  eherne  Topf 
gegen  seinen  Kameraden  getrieben  würde,  so  versprach  jener 
vorauszugehen  (vgl.  Fab.  Aes.  422  ed.  Halm,  wo  der  irdene  Topf 
zum  ehernen  sagt  f,ioL'Aq6d^Bv  f,iov  xoXv^ißa  hloI  firj  jclmiov).  Der 
irdene  Topf  aber  erwiedert  hierauf,  dass  damit  die  Gefahr  kei- 
neswegs beseitigt  sei :  nam  me  siue  tibi  seu  te  mihi  conferai 
unda,  setnper  ero  ambobus  subrtäa  sola  modis  (v.  13  u.  14). 
Nach  dieser  Auseinandersetzung  scheint  es  angemessener  und 
leichter  „soliiam^  in  „solito"'  zu  ändern.  Uebrigens  ist  noch 
elisam  v.  7  zu  beanstanden,  was  Lachmann  und  Fröhner  bei- 
behalten haben;  denn  da  „elidere^  nur  „zerschlagen,  zerschellen** 
bedeutet,  so  passt  es  nicht  zu  dem  folgenden  „confringeret,*^ 
Es  muss  daher  illisam  oder,  wie  Cannegieter  wollte,  all  isam 
geschrieben  werden. 

XII,  8  ^(ulmonet  indigtMm  se  quoque  iure  dolens,*^  Diese 
ganz  richtige  Leseart  hat  Lachmann  willkürlich  in  ^admonuU 
di{fnam  se  quoque  füre  docens"^  umgeändert  und  Fröhner  hat 
diese  Conjectm*  in  den  Text  aufgenommen.  Man  sollte  dodi 
denken,  dass  der  steigernde  Gebrauch  von  ^quoque*^  gleich  einem 
^etiam'',  der  sich  nicht  selten  bei  Dichtern  und  auch  in  der 
Prosa  findet  (z.  B.  bei  Livius,  Grysar  Theorie  d.  latein.  Stiles 
S.  9),  den  Kritikern  nicht  unbekannt  sein  konnte,  umso  mehr 
als  wir  bei  Avianus  noch  eine  ganz  ähnliche  Stelle  finden  16,  9 


K.  Schenkl,  Zur  Texteskritik  des  Avianus.  405 

„5C  quoqm  tarn  uasto  necdum  consisten  trtitico'^,  welche  weder 
Lactunann  noch  Fröhner  beanstandet  hat.  Man  muss  daher  con- 
stniieren  „dcietis  se  indignam  etiam  iure  esse."^  Fortuna  schmerzt 
68,  dass  der  Landmann  ihr,  die  ihm  doch  eigentlich  den  Schatz 
b^cheert  hat,  nicht  einm^  ein  paar  Körnchen  Weihrauch,  das 
gewöhnlichste  Opfer,  darbringt,  während  er  der  Tellus  Altäre 
errichtet. 

XIV,  2  j,mnnem  natorum  qui  mdiora  darety  Ohne  Zweifel 
ist  Keller  im  Hechte,  wenn  -er  die  Leseart  schlechterer  Hand- 
schriften *®)  y^quis"^  empfiehlt  und  zugleich  unter  Berufung  auf 
den  Ausdruck  bei  Babrios  56,  1  u.  2  {evreyiPirjg  trta^Xa  naai 
Toig  t(itoig  6  Zevg  e&r^xe)  die  Conjectur  von  Lachmann  „qiwi  — 
dard*^  und  Fröhner  „quoi  —  foroU"^  ablehnt.  Aber  aufser  dieser 
Vermuthung  sind  noch  mehrere  Conjecturen  Fröhner's  zu  be- 
seitigen: so  Y.  4  „permixtuniqiie  Ju>mini  cangerU  aura  pecm*^ 
statt  des  überlieferten  „;;.  h,  cogitur  ire  pccus^,  welches  ganz 
passend  „und  vermischt  mit  dem  Menschen  drängt  sich  zum 
Qehen  das  Vieh"  erklärt  werden  kann ;  ebenso  verkehrt  ist  die 
Conjectur  y.  ö  n,  6  tU  nee  , , ,  desint  .  .  .  nee  quicquid  (für  $ed 
nee. . .  desufU ,,  ,uel  quiequid),  im  Gegentheile  muss  statt  „sed^ 
^d^  geschrieben  werden,  welche  Wörter  nicht  selten  mit  ein- 
ander verwechselt  sind,  z.  B.  18,  9,  40,  3;  über  „wei"  statt  „iiec** 
im  folgenden  genügt  es  auf  Hand.  Tursell.  IV,  140  zu  verweisen. 
Ganz  willkürlich  ist  die  Vermuthung  ^widiqm  mox^  statt  „in- 
ier  qxios^  (v.  7),  da  wir  die  letzteren  Worte  ganz  passend  „mitten 
unter  diesem  Gedränge"  erklären  können.  Endlich  bemerken  wir 
noch  in  BetreiF  der  Conjectur  Lachmann's,  die  Fröhner  in  sei- 
nem Commentare  erwähnt,  „i«rfe"  statt  „ire"  (v.  12),  dass  Canne- 
gieter  die  Kedensart  in  risum  ire  durch  Verweisung  auf  Verg. 
Aen.  IV,  413  ire  in  lacrinias  gerechtfertigt  hat. 

XV,  2  j,c(ynmuni  sociam  conti nuisse  cibo,^  Da  cow- 
Hnuisse  sinnlos  ist,  so  hat  Lachmann  (oder  eigentlich  Withof) 
n(m  tolerasse^  Fröhner  conriptiisse  vorgeschlagen;  leichter  ist 
detinuisse,  da  con  c  geschrieben  oft  unrichtig  an  die  Stelle 
anderer  Präpositionen  gesetzt  wird. 

XVn,  2  Jiirhdbat  rabidas  per  suu  lustra  feras,^  Gegen 
Fröhner,  der  nach  dem  Vorgange  Lachmann's  treptdas  schreiben 
will,  hat  Keller  mit  Hecht  bemerkt,  dass  die  ursprüngliche 
Leseart  festgehalten  werden  müsse;  schwerlich  aber  kann  hieför 
etwas  die  Verweisung  auf  42,  6  erweisen,  wo  rabidus  in  einem 
ganz  anderen  Sinne  gebraucht  erscheint,  sondern  man  wird  eher 
verg.  Aen.  VI,  541  rabidm  ftigae  vergleichen  müssen.  —  v.  5 
yHunc  tibi  qualis  er  am  nuntins  iste  refert.^  Da  eram  verderbt 
ist,  80  hat  Lachmann  „gtia  lat^am"",  Fröhner  ^qualis  eam"^  vor- 
geschlagen, ohne  dass  jedoch  beide  Vermuthungen  einen  ent* 


'*)  ^ms  hat  auch  der  oben  erwähnte  Yindobonensis, 


406  K.  Scltetikl,  Zur  Teiteskritik  des  Avianus. 

sprechenden  Sinn  herstellen.  Es  dürfte  daher  vielleicht  mit  ^qtM- 
Tis  (ffo^  das  Richtige  getroffen  sein.  — v.  11  ^dum  qais  ille 
forety  qni  talia  nolmm  ferni.^  So  leiclit  auch  die  Conjectur 
Fröhner's  ^uw*  quin''  zu  sein  scheint,  so  befriedigt  sie  doch 
nicht,  da  hiedurch  kein  entsprechender  Zusammenhang  mit  dem 
vorhergehenden  Verse  hergestellt  wird.  Ich  möchte  daher  viel- 
mehr der  Emendation  von  Guyet  y^dum,  quisiiam  ille^  roffot'^ 
den  Vorzug  geben. 

XVIII,  V.  7  „dum  mrtus  oblaiam  lyrolüM  temptare  ror 
pinani.*^  Fröhner  hat  ^diim'^  in  „nam^  umgeändert,  jedoch 
ohne  allen  Gmnd,  wie  dies  schon  Keller  bemerkt  hat,  um  so 
mehr  als  Avianus  öfters  derlei  Wendungen  gebraucht. 

XIX,  3  „indignum  refvrens  rnnctis  certamen  haberi^ 
quod  meritis  nidlns  consociaret  Imnor.^  In  diesen  beiden  Ver- 
sen hat  Fröhner  Jutberi''  nach  Conjectur  in  ^obiri''  umgeändert 
und  dann  nach  schlechteren  Handschriften  ^qnos"'  statt  ^qtwd^ 
aufgenommen,  worin  ich  ihm  nicht  beistimmen  kann.  Ich  er- 
kläre die  überlieferte  Leseart  so :  Allen  erscheine  der  Wettstreit 
als  ein  unwürdiger,  weil  hier  (die  Streitenden)  keine  gleichen 
Ehren  verbänden.  Das  Object  zu  „r.onHociard'^  nämlich  ^cer- 
tantes^  ergänzt  sich  leicht  aus  dem  vorhergehenden  y.certamen**' ; 
übrigens  möchte  ich  noch  auf  die  Leseart  ^nieriti*^  im  Colber- 
tinus  III  (bei  Cannegieter)  aufmerksam  machen,  die  mir  vor 
nieritis  unbedingt  den  Vorzug  zu  haben  scheint.  Schon  Canne- 
gieter bemerkt  in  dieser  Hinsicht:  ^mcriti'  habet  C.  3,  quod 
7ion  contemnoidfnn,  —  v.  12  ^et  nostris  frueris  imperiosa 
nuilis.^  Lachmann  und  Fröhner  haben  nach  dem  Vorgange  schlech- 
terer Handschriften  (wie  des  Mediceus)  die  beiden  Wörter  um- 
gestellt, wodurch  allerdings  die  anstöfsige  Verlängerung  von 
fnier/s  vermieden  wird.  Da  aber  eine  solche  licentia  sich  mehr- 
fach bei  Avianus  findet,  wie  22^  4  eupidü^i  iniiidus  (wo  man 
freilich  nach  Wiihot  Uuidus  geschrieben  hat),  11,6  uagasam- 
nis,  34,  10  in  propriis  larihüs  (wo  Lachmann  gleichfeUs  die 
beiden  Wörter  umgestellt  hat),  38,  G  uerbaqm  cum  salibßs,  da 
endlich  Avianus  sogar  einen  Hiatus  in  der  dritten  Areis  des 
Pentameters  zugelassen  hat  (z.  B.  28,  12,  41,  8  und  vielleicht 
27, 10),  so  könnte  es  doch  möglich  sein,  dass  der  Dichter  auch 
hier  eine  Verletzung  der  metrischen  Gesetze  nicht  scheute,  um 
^^lostris^  voranzustellen  imd  nachdrücklicher  hervorzuheben. 

XX,  15  u.  1()  ,,nam  miserum  e.4  inqint  praesentem  amit- 
icre  pracdam  ||  stnUhis  rt  rursuni  uota  futura  scquL*^  Warum 
Fröhner  im  ersten  Verse  ^non  misertün''  geschrieben  hat,  ist 
nicht  abzusehen,  da  einmal  die  Ueberliefenmg  sich  ganz  gut 
erklären  lässt,  und  anderseits  ^nan  miserum^,  soviel  ich  wenig- 
stens zu  ersehen  vermag,  keinen  passenden  Sinn  gibt.  Der  Dichter 
sagt:  denn  eine  missliclu;  Sache  ist  es  die  sichere  Beute  fahren 
zu  lassen,  doch  noch  thörichter  auf  künftigen  Gewinn  zu  bauen. 


K.  SclieM,  Zur  Texteskritik  des  Avianus.  407 

Uebrigens  bemerke  ich  noch,  dass  cassihiis  (v.  14),  was  Fröhner 
vorgeschlagen  hat,  sich  schon  im  cod.  Cortianus  I  findet. 

XXII.  Hier  bemerken  wir  zuerst  ^inuidus^  (v.  4),  worüber 
wir  schon  zu  Fabel  XIX  gesprochen  haben.  Dasselbe  wird  auch, 
wie  Keller  bemerkt,  durch  die  Ueberschrift  „  De  loue  cupido  et 
inuido"^  geschützt,  und  ebenso  durch  ^hmidlaeque  nialum^ 
(v.  18).  —  V.  5  Jus  quoqiie  sc  medium  Titan  scrntatus  idrmn- 
qm^  ist  y^quoque^  wol  unzweifelhaft  verderbt  und  vielleicht  in 
„twar"  zu  ändern;  sollte  es  aber  blofs  ein  Füllwort  sein,  das 
von  einem  InteiT)olator  hen-ührt,  wie  es  denn  in  mehreren  Hand- 
schriften, auch  im  Paris.  1188  fehlt,  dann  würde  sicli  das  „.sr.sc** 
des  cod.  Puteaneus  empfehlen.  Die  folgenden  Worte  ..prerAhus 
nt  preteretur  ait^  liegen  sehr  im  Argen;  die  Conjectur  Lach- 
mann's  y^precibus  luppitcr  accus  ait"^  ist  gewiss  sehr  scharf- 
sinnig; ob  aber  dadurch  die  Hand  des  Dichters  hergestellt  ist, 
bleibt  doch  noch  unsicher.  —  v.  10  ^dlstullt  admotas  in  noua 
dona  preces,"^  Es  ist  wol  weder  mit  Lachmann  ^cuhnissas'^ , 
noch  mit  Fröhner  j^amotas'^  zu  schreiben,  sondern  die  über- 
lieferte Leseart  nach  Ovid.  Epist.  ex  Pento  111,  7,  3()  zu  erklären : 
„Qfiam  quas  a<hmnni  non  ualuisse  preces.^  —  Was  endlich  v.  15 
^fiam  peiit  ext  in  et  us  ut  luminc  deyeret  uno^  anbetrifft, 
so  kann  ich  mich  weder  der  Conjectur  Lachmann's  „extincfo  sc 
ut  L  denotet  e*HO**,  noch  der  FrOhner's  ^cjctincto  sc  l.  plcctat  ut 
ufw^  anschliefsen,  da  wir  wol  hier  einen  dem  folgenden  Verse 
y^alter  ui  Ju)c  duplkans  niuat  utroque  carens^  gleichgebauten 
Satz  erwarten.  Ich  möchte  daher  zum  Theile  nach  dem  Vor- 
gange Cannegieter's  schreiben:  ^nam  pciit  cxtincto  cum  lu- 
mine  degat  ut  uno^^  was  auch  vielmehr  als  die  oben  genann- 
ten Conjecturen  den  Zeichen  der  Ueberlieferung  entspricht. 

XXIII,  1.  „Uenditor  insigncm  rvfvrens  de  marmore 
Bacchum.^  Statt  des  sinnlosen  „rrfcrens^  hat  Fröhner  nach 
einer  Conjectur  Lachmann's  ,,a}ic  fercns^  geschrieben;  leichter 
ist  wol  profercns,  bei  welchem  die  Verkürzung  des  o  mit 
Rücksicht  auf  den  Gebraucli  später  Schriftsteller  nicht  befrem- 
den kann  (vgl.  L.  Müller  p.  3G3);  man  kann  dann  Hör.  Od.  4, 8, 6 
^Quas  (nämlich  atics)  aut  Varrhasius  protxdit  ant  Scopas^ 
vergleichen.  —  Weiterhin  muss  außallen,  dass  kein  Herausgeber 
bisher  bemerkt  hat,  wie  wenig  die  Verse  7  —  12  mit  den  un- 
mittelbar vorhergehenden  zusammenhangen,  namentlich  ist  bei 
„a?^**  durchaus  nicht  klar,  wer  denn  eigentlich  der  Sprecher  ist, 
und  grammatisch  müsste  es  auf  den  zweiten  Käufer  bezogen 
werden.  Ist  es  nun  schon  dadurch  wahrscheinlich,  dass  hier 
ein  Distichon  oder  vielleicht  zwei  ausgefallen  sind,  so  wird 
dies  ^zur  Gewissheit,  wenn  man  Babrios  30,  5  ff.  verj^leicht: 
rpf  <J*  o\l%  xio  Xid^oiQyog  ov/,  i/tSTTQa'Kei,  \\  avvd^ejuevog  avro7g  elg 
tov  ogd-QOv  av  dsl^ai  \\  fld^ovaiV.  o  de  h^ovQyog  tiöev  VTvnooag  \\ 
avTOv  Tov  ^Egfir^v  tv  rrvXaig  oyeiQaiaig  ||  „(Ti?  cJf**  Xiyovra  „tafia 


408  K.  Schenkl,  Zar  Texteskritik  des  Avianus. 

vvv  raXavrevr]^  u.  s.  w.  **).  —  lieber  v.  10  „siue  deciis  btisii 
seu  ndis  esse  deam*^  haben  wir  schon  früher  zu  Fab.  HI  das 
Nöthige  bemerkt,  wornach  die  Conjectur  Fröhner's  jySiue  locasse 
deum"'  von  selbst  entföUt. 

XXIV,  4  ^cdita  continuo  forte  sepulera  uiderU.*^  Pröh- 
ner's  Conjectur  „cum  sig^to^  ist  schon  wegen  des  folgenden 
Distichons :  „  illic  docta  ntantis  fkcteyvtem  collaleonem  fecerat^  etc. 
unwahrscheinlich,-  es  ist  aber  auch  das  überlieferte  „coti^mMO** 
ganz  entsprechend:  „Als  sie  diesen  Streit  endgiltig  zu  entschei- 
den begehrten,  da  stiefsen  sie  eben  oder  gleich  auf  ein  hohes 
Grabmal.** 

XXV,  Hier  müssen  wir  eine  ganze  Reihe  unnöthiger  Con- 
jecturen  zurückweisen.  So  muss  v.  7  und  8  y^nec  mora  soUicUam 

'  traxit  nmnm  inproba  nientem  \\  cxtUiis  pidei  protenus  imapetit*^, 
wo  Lachmann  ^sollicito  t  m,  inp'ujra  tiestem^^  Pröhner  „5oHi- 
cüum  t  ntens  /.  amidum^  vorgeschlagen  hat,  entschieden  die 
Ueberlieferung  festgehalten  werden.  Der  Dichter  will  in  dieser 
Fabel  zeigen,  wie  oft  der  Listige  trotz  aller  seiner  Vorsicht  von 
Einem,  der  ihm  an  Verstand  weit  nachsteht,  betrogen  wird. 
Darum  führt  er  den  Mann  in  der  Fabel  v.  3  als  yyCallidus  fur"^ 
ein.  Diesen  Worten  entspricht  nun  vollkommen  „sollicitam  traxU 
maniifS  inproba  fnetUcm"^  die  freche  (an  das  Stehlen  gewöhnte) 
Hand  riss  den  vorsorglichen,  argwöhnischen  Sinn  mit  sich  fort 
Exutas  im  folgenden  steht  absolut,  wobei  wir  noch  bemerken, 
dass  sehr  passend  mit  dem  neuen  Gedanken  ein  neuer  Vers  an- 
hebt. —  Ebenso  wenig  ist  es  gerechtfertigt,  wenn  Fröhner  v.  12 
auf  Grundlage  der  Leseart  im  Codex  des  Caveljav  „Awwk>"  das 
sonst  überlieferte  yjmmi"'  in  Ju>mo'^  umändert;  im  (Jegentheile 
kann  man  sich  „resedit'^  ohne  ein  beifolgendes  „/mwi"  kaum 
denken.  —  Endlich  möchte  ich  auch  v.  15  nicht  statt  „hene^ 
mit  Lachmann  „ho)ia^  setzen,  da  „bene'^  sich  ganz  gut  mit  dem 
vorhergehenden  j^yerdita"'  verbinden  lässt,  vgl.  Hand  Turs.  II, 3. 

XXVI,  9  y^aera  licet  ntoneas  muiora  pericula  tollas.^ 
Fröhner  schreibt  „celus^^  was  gewiss  dem  Sinne  nach  sehr  pas- 
send ist ;  indessen  bleibt  es  doch  fraglich,  ob  man  nicht  „toUis 
herstellen  soll,  das  mit  Rücksicht  auf  das  vorhergehende  y^numeas 
leicht  in  JoUas"'  verderbt  werden  konnte,  besonders  wenn  man 
den  ganzen  Vers  irrthümlich  als  Vordersatz  und  die  folgenden 
Worte:  ^tu  tarnen"'  etc.  als  Nachsatz  betrachtete.  „TWfere" 
müsste  dann  in  der  Bedeutung  „leugnen"  gefasst  werden,  wozu 
dann  das  folgende:  „Tw  tarnen  his  dietis  nan  facis  esse  fidem^ 
ganz  gut  stimmen  würde. 

XXVIII,  9  ^sed  postqnum  irato  detractans  uhvcula  cMo.^ 
Statt  ^irato""  hat  Lachmann  ^imüto'',  Fröhner  y^iratus^  geschrie- 

*')  Der  Paraphrast  hatte  wol  keinen  anderen  als  unseren  lückenhaften 
Text  vor  sich,   da  es  bei  ihm  blofs  heifst:   j^Tunc  ucndilori  oit 


M 


K  Schenkl,  Zur  Texteskritik  des  AvianixB.  409 

ben,  ich  glaube  mit  Unrecht,  da  ein  „ireUo  coUo"'  nach  dem 
dichterischen  Sprachgebrauche  der  Römer  nicht  auffallen  kann. 
Im  folgenden  halte  ich  mit  Lachmaun  die  Anordnung  fest,  wo- 
nach „postquani . . .  faiigaf^  den  Vordersatz,  ^confintw . . .  disper- 
git''  den  Nachsatz  bildet,  während  Fröhner  (oder  eigentlich  Canne- 
gieter)  durch  die  Aenderung  von  ^euersam^  in  „et  iie^sam"^  den 
Vordersatz  weiter  ausdehnt  und  den  Nachsatz  mit  „tum  sie"" 
beginnen  lässt;  ein  zwingender  Gnmd  zu  einer  solchen  Gliede- 
rung der  Sätze  ist  gewiss  nicht  vorhanden.  Zweckmäfsig  aber 
scheint  es  mit  Lachmann  v.  13  statt  „Uim  (oder  tunc,  wie  in 
schlechteren  Handschriften  steht)  sie"" :  „tunc  hie''  zu  schreiben. 
—  Schwierig  sind  die  Schlussverse:  „nhnirtim  exenixüum  wa- 
turae  deerat  (derat)  inicae\\qua  ficri  posset  cum  ratione 
noce^is*^,  wo  Lachmann  mit  schlechteren  Handschriften  „iwsses''^ 
Fröhner  „qua  uhici  possd"^  hergestellt  haben,  ohne  aber  da- 
durch einen  entsprechenden  Sinn  zu  erzielen.  Der  Paraphrast 
bietet  uns  hier  offenbar  das  Richtige,  indem  er  die  Verse  mit 
den  Worten  erklärt:  „Qui  ait:  'harc  uere  est  natura  miquiy  m/, 
cum  ex  una  parte  fuerit  coartatus,  ex  parte  alia  prout  potest 
se  exerat  ad  noee^ulum,''  Darnach  könnte  vielleicht  praehet^  statt 
„derat*"  '^)  und  „possif"  statt  „passet"'  geschrieben  werden,  wo- 
durch die  Stelle  folgende,  wie  mich  dünkt,  entsprechende  Fas- 
sung erhielte: 

nimirtim  exemplum  naturae  pi-aehet  inicae, 
qua  fitri  possU  ciim  ratione  nocem. 

XXIX,  8  „uimque  h&mini  tantam  2>7'otinus  esse  pauet.^ 
Auch  hier  hat  man  sich  in  ganz  unnöthigen  Conjecturen  ver- 
sucht, indem  Lachmann  „pectoris  e.  pauet'',  Fröhner  „proaidus 
e.  pauet^  in  den  Text  aufgenommen  hat.    „Protinus"  ist  aber 

Sanz  passend*;  der  Satyr  wundert  sich  gleich,  wie  er  sieht,  dass 
er  Wanderer  seine  erstarrten  Hände  durch  Anhauchen  von  dem 
Froste  befreit,  und  ahnt  sofort  mit  Bangen,  dass  demselben  eine 
übernatürliche  Kraft  innewohnen  müsse.  Zugleich  bemerken  wir, 
dass  es  ebenso  wenig  noth wendig  war  v.  10  „solueraf"  in  „foue- 
rat**'  zu  ändern,  wie  dies  Lachmann  und  Fröhner  gethan  haben; 
die  Hände  sind  durch  den  Frost  gefesselt  (vgl.  uinciaque  arua 
Y.  2)  und  werden  durch  das  Anhauchen  gelöst.  —  v.  17  „Im*- 
ruü  algenti  rursus  ah  ore  sufflat."  Der  metrische  Fehler  in 
„sufflai''  hat  Lachmann  und  Fröhner  zu  weitgehenden  Aende- 
rungen  dieser  Stelle  bewogen ;  der  erstere  hat  „A,  alanti  r.  ah  o. 
gelcU*^,  der  letztere  „h,  algentein  r,  ab  o.  rnuat*^  geschrieben. 
Nehmen  wir  aber  an,  dass  ursprünglich  statt  „sufflai''  "reflat*^ 
geschrieben  stand,  so  wird  nicht  blofs  ein  passender  Sinn  her- 
gestellt, sondern  es  erklärt  sich  auch  ganz  einfach  das  Verderbnis 


*•)  Die  schlechteren  Handschriften  haben  hier  verschiedene  Lesearten: 
ndaret,  dedü,  dedat^ 


410  K,  Schenkt,  Zur  Texteskritik  des  Avianus. 

clor  Stelle.  Da  nämlich  ^rv-  in  „rcflat'*  nach  dein  vorhergehen- 
den ^ore''  ausfiel,  so  suchte  man  die  fehlende  Stelle  zu  ergän- 
zen, und  daher  rühren  die  Lesearten  snffht  (suflui)  oder  deflat 
(wie  der  codex  des  Cabeljav  liest). 

XXX,  13  ^rusticus  Itoc  iusiam  uerho  coniicscuit  iram.**' 
Es  muss  .ledermann  auflfallen,  dass  hier  der  Landmann,  welcher 
den  Eber  gefangen  hatte,  sprechend  eingeführt  wird,  während 
doch  dem  ganzen  Zusammenhange  nach  diese  Worte  dem  Koche 
in  den  Mund  gelegt  werden  mussten.  Und  dass  dies  wirklich 
ursprünglich  der  Fall  war,  bezeugt  der  Paraphrast,  bei  dem  wir 
folgendes  lesen:  „Corde  ucro  i)etiio  a  doniino  nee  innento  coci 
gulosUas  acaisatur,qni  sc  cxctisans  ait:  \iiMy  isfc  siolidtis  nuU 
lum  cor  hahult  et  ul<:o  nee  mcmx>riam  mr  thnorem :  alioquin 
nuUatcmis  rcdisset  ad  locum  ubi  tociens  fuerat  tormentatus.^ 
Et  laudauermit  cocum  eo  quod  sc  curkditer  cvcusassd.*^  Dar- 
nach, meine  ich,  wird  statt  des  ungeschickten  ^rnstlcus^  viel- 
mehr yC(dlidus^  geschrieben  werden  müssen.  Uebrigens  bemer- 
ken wir,  dass  der  Schluss  dieser  Fabel  an  jene  von  dem  kranken 
Löwen  (Babr.  95)  erinnert,  wo  der  Fuchs  in  ganz  ähnlicher 
Weise  von  dem  Herzen  des  Hirsches  sagt: 

(x  ifiTtoov  X^oi'Tog  fiXd^n'  8ig  oTxoi'g;'' 

XXXI,  11  u.  12  „discc  tarnen  hrniihus  quae  sit  fiducia 
monstris  \\  et  facias  quicquid  jmruola  turha  cuiyit,''  Diese 
beiden  Verse  haben  Cannegieter  und  Lachmann  (ür  unecht  er- 
klärt, jedoch  mit  Unrecht,  wie  dies  aus  der  Parallelstelle  bei 
Babrios  112,  9  hervorgeht:  toO^^  mwv  f^iaXXov  t6  f^txQov  eivai 
TLOil  xantivov  loxvu.  Statt  des  sinnlosen  „imnstris''  hat  Fröhner 
„7wstris^  geschrieben,  was  sich  wol  den  Zeichen  der  Ueber- 
lieferung  eng  anschliefst,  an  dieser  Stelle  aber  kaum  passend  ist; 
vielleicht  ist  mit  dem  einfachen  „wo6/,s"  das  Kichtige  getroffen. 

XXXII,  G  „nam  nocat  Jmnc  sid)2)lex  in  s^(a  nota  detim.^ 
Fröhner  schreibt  „mm"  statt  ^nam'^,  wahrscheinlich  weil  ihm 
der  Satz  in  dieser  Form  mit  den  vorausgehenden  Versen  3  u.  4: 
„frustra  dis2)0sitis  cmifidens  nnmina  notis  fcrrc  suis  rebus  cum 
residcrct  opem^  nicht  recht  vereinbar  schien.  Ich  glaube  aber, 
dass  dies  nicht  begründet  ist.  Der  Fuhrmann  ruft  zuerst  die 
Götter  der  Keihe  nach  an  und  macht  dabei  Gelübde ;  dann  aber 
wendet  er  sich  flehentlich  (s\d}})lcx)  an  den  Hercules. 

XXXIII,  5  „scd  dominus  cupidiwi  S})  er  ans  unnescere 
uotum.^  Was  Fröhner  mit  seiner  Conjectur  „spectans''  bezwecken 
wollte,  ist  mir  nicht  klar,  da  ich  in  derselben  keinen  entspre- 
chenden Sinn  finden  kann.  Es  ist  aber  auch  jede  Emendation 
unnuthig,  da  die  Ueberlieferung  richtig  erklärt  keinen  Anstofs 
darbietet.  ^Sperans""  kommt  nämlich,  wie  Cannegieter  richtig 
bemerkt  hat,  hier  einem  ^md\an^^  gleich,  und  ist  ganz  so  ge- 


K:  ScJiefil'h  5^nr  Tpxteskritik  des  Avianus.  411 

braucht,  wie  Verg.  Aen.  TI,  i\y)l  ^mou  rffrrtr  prdcm^  grnitor, 
ie  iH>sse  relido  sperasti':"'  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass 
^spemre"^  an  diesen,  wie  an  allen  ähnlichen  Stellen  nur  „er- 
warten*"  bezeichnet  und  die  nüliere  Bestimmung  „mit  Besorgniss** 
sich  erst  aus  dem  Zusammenhange  ergibt.  Der  Herr  besorgend, 
dass  sein  gieriger  Wunsch  eitel  werden  (sich  nicht  erfiUlen) 
könnte,  ertnig  nicht  den  Verzug  u.  s.  w. 

XXXIV,  1  u.  2.  ^SolihuH  ercptofi  hlvmc  formica  labo- 
res\\distulit  d  hrenilms  condklit  ante  cauis,^  Das  verderbte 
^ercptos^  hat  Fröhner  treffend  in  ^ercpUms'^  verbessert,  wobei 
ihm  freilich  schon  Cannegieter  mit  der  Coujectur  ^obnptans'' 
vorangegangen  war.  Ebenso  richtig  hat  er  im  folgenden  ^nute'' 
als  verderbt  bezeichnet;  aber  seine  Emendation  ^artey-  trifft 
nicht  das  Kichtige,  da  vielmehr  ^bidv"'  geschrieben  werden  muss, 
was  auch  18,  18  mit  ^antc''  verwechselt  worden  ist.  —  v.  9 
npigra  nimis  tantos  non  aequans  carporv  niiuhos,^  An  den 
Worten  „pigra  7iimis^  hat  schon  Barth  Anstofs  genommen  und 
dafür  ein  seltsames  ,y2)i(jranimis^  lierstellen  wollen;  auch  Fröh- 
ner verdächtigt  die  Ueberlieferung  und  schlägt  y^parca  nhn'is'^ 
vor,  was  gar  nicht  dem  Zusammenhange  entspricht.  Aber  die 
Leseart  ist  ganz  richtig,  wenn  man  sie  nur  entsprechend  er- 
klärt; die  Worte  bedeuten  nämlich  „allzu  starr  vor  Kälte;**  es 
werden  also  zwei  Gründe  angegeben,  warum  die  Ameise  sich  zu 
Hause  hält,  weil  sie  vor  Frost  erstaiTt  und  gegen  die  Schnee- 
stürme ihr  kleiner  Körper  sich  nicht  zu  erhalten  vermag.  — 
Ueber  v.  10  „tn  propriis  Inribus^  haben  wir  schon  zu  Fabel  XIX 
gesprochen. 

XXXVI,  4  jjferre  ricc  crpositis  otia  nasse  iiigis.^  Fröhner 
hat  „expositis^  im  Texte  beibehalten  und  die  Conjectur  Lach- 
mann's  „inpositis"'^  die  mir  durchaus  nothwendig  erscheint,  nur 
im  Commentare  erwähnt.  Wie  soll  aber  eapositis  hier  erklärt 
werden?  Mit  der  Bemerkung  Oannegieter's :  „Natu  genuhmm 
uerbi  ^expoficre'  significatiomm  pro  ex  collo  deponcre:  eandein 
uim  pracpositio  in  har,  nacv  niimi  cum  expositi  dicuntur,  qui 
ex  naue  in  terra  pununtur^  ist  offenbar  nichts  geholfen.  — 
V.  11  u.  12  j^mox  liitulum  }iacris  innoxum  rrsplcit  aris  \\  admoium 
ctdtro  conimimis  ire  popac,^  Gegenüber  der  Conjectur  Fröhner's 
jfCael^stüm**  statt  „innexton^  genügt  es  auf  Babrios  Fab.  37,  8 
zu  verweisen,  wo  wir  ebenso  lesen:  o  de  /hogxo^  ccdfurjg  Ailvog 
Hxero  axoivq)  öeO^elg  yjQaza;  auch  der  Paraphrast  hat  „sed 
posi  niodiciim  tvmporis  nidit  los  ilhnn  uitidum  uittatis  coryii' 
htis  et  ligaium  sa^ris  inponi  alfarilnis  ingidandum,^  Darnach 
ist  also  „inncxnm^  gerechtfertigt.  Aber  es  handelt  sich  darum, 
ob  yfimiexum^  ohne  einen  näher  bestimmenden  Casus  stehen 
kann;  auch  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  durch  die  Unterordnung 
der  beiden  Participien  ^^nnvxmn''^  und  ^xidmotum^''  der  Ausdruck 
höchst  schleppend  wird.  Es  verdient  daher  die  Conjectur  Canne- 


412  K,  SchenH,  Zur  Texteskritik  des  ATianiu . 

gieter's  „sr^-z/s*-  statt  „ä«o*^«>'S  die  auch  Lachmann  angenommen 
hat,  volle  Beachtung. 

XXXVII.  Schon  Barth  hat  bemerkt,  dass  in  dieser  Fabel, 
so  wie  sie  uns  jetzt  vorliegt,  der  Zusammenhang  gestört  ist, 
und  hat  daher,  wie  ich  glaube  mit  Recht,  vorgeschlagen,  die  Verse 
7  und  8  nach  v.  12  zu  stellen.  Es  ist  ganz  naturgemäß,  dass 
die  Rede  des  Hundes  mit  der  Einladung  schliefst,  das  gleiche 
Leben  mit  ihm  zu  erwählen,  der  Löwe  aber,  bevor  er  darauf 
eingeht,  sich  vorsichtig  erkundigt,  was  das  eiserne  Halsband 
zu  bedeuten  habe.  Die  neuesten  Herausgeber  hätten  daher  diese 
Emendation  nicht  unbeachtet  lassen  sollen. 

XXXIX,  8  „mmeritum  flammis  sc  docet  esse  prius," 
Gegen  die  gewiss  sehr  scharfsinnige  und  auch  leichte  Coiyector 
Fröhner's  „inmeritum  in  flammis  sc  docä  esse  pyra&*  hätte  ich 
nur  das  eine  Bedenken,  dass  der  Ausdruck  zweideutig  ist  Man 
möchte  nämlich  darnach  meinen,  dass  die  Zinke  bereits  auf 
dem  Scheiterhaufen  liegt,  während  wir  doch  erst  später  v.  13 
lesen:  Jlle  resultantem  flammis  crepitantibus  addens.*'  Man 
könnte  daher  immer  noch  an  eine  andere  Emendation  denken, 
obwol  ich  für  jetzt  keine  irgendwie  entsprechende  vorzuschla- 
gen vermag.  —  v.  12  „sed  fantum  tientis  et  cantibus  arma 
coegiJ'  Hier  hat  Fröhner  nach  dem  Vorgange  Lachmann's  y,uanis 
eg&'  geschrieben;  es  bleibt  aber  doch  sehr  fraglich,  ob  man 
nicht  die  Worte  ,yncntis  et  cantibus''  durch  ein  tv  dia  dvoiv 
ganz  entsprechend  erklären  kann.  —  v.  13  y,hoc  quoque  subn^isso 
testor  et  astra  sono."  Lachmann  und  Fröhner  schreiben  „testor 
at  astra' ';  richtiger  ist  wol  ,,testor  id  astrar 

XL,  V.  2  „2wfer  consimiles  ibat  in  ira  feras'''  So  lautet 
die  Leseart  der  besten  Handschriften,  von  welcher  man  auch 
bei  der  Emendation  ausgehen  muss;  denn  y^ibat  in  arua*',  was 
im  Codex  Ä  von  zweiter  Hand  geschrieben  ist,  erweist  sich  gleidi 
auf  den  ersten  Blick  als  die  alberne  Conjectur  eines  Abschrei- 
bers. Lachmann  hat  nun  auf  Grund  der  Annahme,  dass  Avianus 
neben  Fab.  133  des  Babrios  auch  noch  die  ähnliche  Fabel  101 
benützt  habe,  ,yahnuit  ire'  geschrieben,  was  allerdings  den  Worten 
des  Babrios  zCiv  äi  avinqvhjv  anoGTattjaag  entspricht.  Den 
gleichen  Gedanken  verfolgt  die  Conjectur  Fröhner 's  ,yuitat  iiare''; 
man  könnte  auch  „noluit  ir&'  vermuthen.  Indessen  muss  ich 
doch  gestehen,  dass  mir  der  Gedanke:  „er  gieng  stolz  einher 
unter  Thieren  seines  Gleichen"  besonders  mit  Rücksicht  auf  das 
folgende  Distichon  am  meisten  entsprechen  würde.  Es  ist  mir 
aber  nicht  gelungen  aus  den  Zeichen  „inira''  eine  befriedigende 
Emendation  zu  gewinnen.  —  v.  10  ,ydum  mihi  consilium  pul- 
critis  esse  qaeat:'  Fröhner  hat  y,qneat'  in  „rmr*  umgeändert, 
worin  ihm  wol  Niemand  beistimmen  wird.  Der  Fuchs  sagt:  Ich 
beneide  dich  gar  nicht  um  die  Pracht  deines  Felles,  so  lange 
es  mir  vergönnt  ist  durch  die  Kraft  meines  Geistes  zu  glänzen 


JT.  Schenkt,  Zar  Texteskritik  des  ÄTianas.  418 

und  SO  lange  man  geistige  Vorzüge  höher  achtet  als  körper- 
liche. Aus  diesen  Worten  geht  hervor,  dass  ich  auch  im  folgen- 
den die  überlieferte  Leseart  ^yininmurque'  gegenüber  der  Con- 
jectur  von  Fröhner  ,^Miror  namqw"'  festhalte. 

XLI,  11  u.  12  Jiadenus  hac  inqu'd  Ikvat  coistare  figura: 
nam  te  suhiectam  Äünet  'n)ü)er  aqiiis,''  Es  muss  auffallen,  dass 
Lachmann  und  Fröhner,  die  doch  so  viele  Stellen  ohne  Noth 
umgeändert  haben,  an  diesen  Versen  ohne  eine  Bemerkung 
vorübergegangen  sind.  Und  dcrch  zeigt  schon  der  Gegensatz  zu 
,Jimtmu^*y  dass  ,.imm''  hier  offenbar  unrichtig  ist;  auch  hat 
schon  Cannegieter  aus  dem  Vossianus  II  dafür  Jam'*  hergestellt, 
man  könnte  auch  ^.ntiyic^^  vermuthen,  da  diese  beiden  Wörter 
öfters  in  den  Handschriften  verwechselt  sind,  wie  gleich  in  dieser 
Fabel  v.  9.  Uebrigens  beachte  man  die  äsopische  Fabel  381, 
wo  die  Flut  zu  dem  Itanzen  sagt:  akko  rt  urjTei  y.aXeta&ai' 
ajiakijv  yccQ  eyo)  /;■(?/;  raxv  iroir^ato  ae,  Endlicn  wäre  noch  in 
Erwägung  zu  ziehen,  ob  nicht  im  vorhergehenden  Verse  die  Con- 
jectur  Cannegieter's  Jiniit'  statt  Jiceat^  vorzuziehen  wäre. 

XLII,y  .jinmittere  rcuomat  morte  cruentat  humum,''  So 
liest  cod.  .1,  die  beste  Handschrift,  während  die  anderen  nur  noch 
weitere  Corruptelen  bieten.  Den  ersten  Schritt  zur  Emendation 
machte  Lachmann,  indem  er  ,,inmlfi  interierui^^  emendierte.  wobei 
„inmiti''  richtig  getroffen  ist;  ebenso  treffend  erkannte  Fröhner, 
dass  in  den  nach  „inmitr'  unmittelbar  folgenden  Zeichen  „ök?re'* 
enthalten  sei  und  schlug  demnach  Jnmtti  aere  ruens"  vor. 
Vielleicht  ist  aber  statt  ,,ruens''  im  genauen  Anschlüsse  an  die 
üeberlieferung  y.uomens''  zu  schreiben,  zu  welchem  sich  das 
entsprechende  Object  \,sangHincyn''  leicht  aus  dem  folgenden 
^^cruentaf*^  ergänzen  lässt;  man  könnte  dann  das  bekannte  pur- 
puream  uomit  ilk  aninmm  Verg.  Aen.  9,  349  vergleichen.  Wenn 
KeUer  im  Anschluss  an  den  Parisinus  1188  und  den  Novio- 
magensis,  von  denen  der  erstere  ^^ivmitem  regimens,''  der  letz- 
tere y^himeritaque  gem^^ns^'  liest,  „himitl  aere  genums''  vorschlägt, 
so  ist,  wie  wir  schon  frülier  gesagt  haben,  auf  die  Lesearten 
dieser  Handschriften  gegenüber  von  Ä  kaum  etwas  zu  geben. 
Endlich  bemerken  wir  noch,  dass  nach  der  Leseart  im  cod.  Ä 
cruente  thimnm  wol  eruentet  und  nicht  eruetdat  zw  schreihen 
ist,  da  ja  beide  Constructionen  ohne  Unterschied  gebräuchlich 
sind,  z.  B.  Hör.  Od.  1,  9,  1  Vides  nt  alta  stet  niue  candidum 
Sorade  und  Verg.  Georg.  1,  56  Nonne  uides  croeeos  ut  TMoI^as 
odores,  India  mittit  ebur  u.  dgl.  m. 

Graz.  K.  SchenkL 


Z«IUohrifl  t  d.  ött«rr.  Gymn.  18CS.  VI.  Ben.  28 


414  Th,  Vemaieken,  Die  Betonung  im  deutschen  Verdbaa. 


üeber  die  Betonung,  mit  Eücksicht  auf  den  deut- 
schen Versbau. 

Der  Gegensatz  der  antiken  und  modernen  Betonung  und 
Versmessung  scheint  noch  immer  nicht  genug  beachtet  zu  wer- 
den, trotzdem  dass  im  Jahre  1831,  unmittelbar  nach  Schmel- 
ler's  Abhandlung  „über  Quantität",  Lachmann  in  der  Berliner 
Akademie  seinen  Vortrag  mit  den  Worten  begann :  „Der  deutsche 
Versbau  hat  immer,  so  lange  wir  ihn  kennen,  auf  dem  Accent 
beruht."  Wenn  man  jetzt,  nachdem  von  Germanisten  so  viel 
darüber  geschrieben  ist,  in  Büchern  über  deutsche  Verskunst 
von  einem  Pyrrhichius  und  Tribrachys  u.  s.  w.  liest,  so  sollte 
man  meinen,  wir  hätten  mit  den  Buchstaben  auch  die  Sprache 
der  alten  Ei)mer  geerbt.  Die  alten  Geleise,  in  denen  sich  die 
Theorie  unserer  Dichtung  mit  dem  aus  alter  Zeit  Ueberlieferten 
bis  auf  unsere  Tage  fortgeschleppt  hat,  sind  so  ausgefahren,  dass 
sie  endlich  einmal  verlassen  werden  müssen.  Das  Princip  der 
Betonung  liegt  einmal  in  der  Natur  unserer  Sprache  und  diese 
ist  weder  von  Klopstock  durch  seine  undeutschen  Verse  noch 
von  den  Metrikern  geändert  worden.  Man  vergleiche  die  fremd- 
artig schweren  Formen  einer  Klopstock'schen  Ode  mit  Goethes 
„Gränzen  der  Menschheit;"  hier  leitet  nur  das  deutsche  Ton- 
gesetz die  Bewegung  der  Verse,  jene  sind  unserm  Sprachgefühle 
zuwider.  Von  Klopstock  urtheilte  schon  A.  W.  Schlegel  (7,  157): 
,.Er  hat  ein  wahrhaft  deutsches  Ohr,  d.  h.  eines,  welches  sich 
entsetzliche  Dinge  bieten  lässt,  ohne  aufrührerisch  zu  werden." 
Klopstock,  dessen  sonstige  Verdienste  wir  nicht  schmälern  wollen, 
hat  über  „Sprache  und  Dichtkunst'*  (Hamburg  1779)  ein  Buch 
geschrieben,  das  an  Curiosität  seines  gleichen  sucht.  Da  heifst 
es  z.  B.  S.  4  (in  Klopstock'scher  Orthographie) :  „Daf  neue  Silben- 
maf  hat  fil  Widerfpruch  und  fil  Beifal  gefunden ;  und  difen  zwar, 
wi  ich  theilf  auf  eigner  Erfarung  weif,  bei  fölligen  Leien ,  di 
unferwarloft  fon  teoretifcher  Hörfagerei  lieh  dem  Eindrukke  über- 
liffen,  und  auf  der  andern  Seite  bei  tifen  Kennern  der  Ferf- 
kunft"  etc. 

Also  schon  damals !  —  Schon  dieses  Kleid,  das  er  imserer 
Sprache  anzieht,  seine  Polemik  gegen  den  Keim  u.  a.  lassen  an 
Klojfetock's  tiefer  Einsicht  in  das  Wesen  der  deutschen  Sprache 
zweifeln.  Auch  andere  haben  dem  Verse  so  lange  Gewalt  an- 
gethan,  bis  das  vorgezeichnete  Metrum  erträglich  herauskam. 
Auf  solche  mechanische  Nachbildung  hat  sich  Goethe  nie  ein- 
gelassen :  „Allerlieblichste  Trochäen  aus  der  Zeile  zu  vertreiben, 
und  schwerfälligste  Spondeen  an  die  Stelle  zu  verleiben,  bis 
zuletzt  ein  Vers  entsteht:  wird  mich  immerfort  verdriefsen."  — 
Und  Kückert   meint:    „Von  blinden  Dichtern  hab  ich  vieles 


n,  Vemaleken,  Die  Betonung  im  deutschen  Versbau.         4U 

schon  gelesen,  von  keinem  grofsen  doch  gehört,  der  taub  ge- 
wesen." 

Sehen  wir  genau  zu,  so  stellt  sich  das  Bestreben  jener 
Dichter  und  Uebersetzer  als  eine  Selbsttäuschung  heraus.  Die 
Nachahmer  der  antiken  Mafse  glauben  z.  B.  einen  Spondeus  zu 
setzen  und  schreiben  einen  Trochäus;  in  einem  deutschen  Worte 
kann  unmöglich  eine  Silbe  der  andern  gleichgesetzt  werden, 
auch  wenn  diese  eine  Stammsilbe  wäre.  Die  Anceps  muss  aus 
der  Noth  helfen.  Man  beruft  sich  immer  auf  Platen,  aber  sind 
z.  B.  die  beiden  ersten  Silben  nicht  ein  s.  g.  Trochäus? 

Schönheitszauber  erwirbt  etc.  (nach  dem  Mafse .^  s^  -) . 

Wir  können  nur  lesen:  -  >^  -  ^  —  oder  genauer  J^S^J^^^^ 
Mehr  noch  täuschen  sich  die  Uebersetzer.  Nehmen  wir  z.  B.  das 

metrum  jonicum  --  —  |-- \  ^  ^  —  \  ^  ^^  —  des 

Horaz  (Ode  III,  12): 

Simul  unctos  Tiberinis  humeros  lavit  in  undis. 
Das  übersetzt  Voss :  Wenn  gesalbt  er  um  die  Schultern  in  den 
Tibris  sich  hinabtaucht.   Wir  können  nur  lesen: 


Jene  Gedichte  in  fremder  Form  sind  uns  deshalb  nicht  ver- 
loren, wir  lesen  sie  nur  nach  deutscher  Weise.  National  wie 
die  von  Schiller  und  ühland  oder  Beranger  und  Bums  werden 
sie  niemals.  Die  fremde  Form  berührt  uns  kalt,  wir  fühlen  am 
Verse  nicht  den  Rhythmus,  den  Pulsschlag  seines  Lebens. 

Was  von  deutschen  Dichtern  im  Volke  Eingang  gefunden, 
war  auch  der  Form  nach  echt  national.  Bei  Platen  finden  wir 
einen  gewissen  Widerspruch :  Auf  der  einen  Seite  diese  marmor- 
glatte  Form,  diese  Schnitzw^erke,  „die  man,  wie  W.  Gr.  in  der 
Geschichte  des  Keims  187  sagt,  bewundert,  aber  nur  mit  den 
Augen,  nicht  mit  den  Händen  zu  berühren  wagt;"  auf  der  an- 
deren Seite  Aeufserungen,  die  ganz  für  uns  sprechen.  Er  tadelt 
z.B.  Klopstock  wegen  des  Hexameters;  seine  Sprache  nennt  er 
„starr  und  herb,  nicht  jedwedem  geniefsbar."  Ferner  sagt  der 
Dichter  der  Gaselen,  Sonette  und  Oden:  „Der  italische  wogende 
Rhythmus  wird  jenseits  des  Gebürgs  klappernde  Monotonie." 
Platen  hielt  ein  gutes  Stück  selbst  auf  das  volksthümliche : 
„Wer  sich  zu  dichten  erkühnt  und  die  Sprache  verschmäht  und 
den  Rhythmus,  gleiche  dem  Plastiker,  der  Bilder  gehauen  in 
die  Luft!" 

Wir  Deutsche  haben  alle  Töne  nachgesungen,  die  der  Süden 
und  der  Orient  angestimmt,  und  es  ist  unserer  Sprache  sicher- 
lich ein  gewisser  Gewinn  daraus  erwachsen;  allein  dies  sollte 
hicnt  auf  Kosten  unserer  nationalen  Eigenthümlichkeit  geschehen. 
Das  war  übrigens  auch  bei  der  ritterlichen  Dichtung  der  Fall, 
und  später  fiel  die  Hauptschuld  auf  den  gelehrten  Aberwitz, 
der  immer  nach  fremder  Luft  schnappt.  Zur  Besinnung  kam  man 

28* 


418  Th,  Vemäleken,  Die  Betonung  im  deutschen  Versbao. 

die  Seele  des  Wortes,  hat  auf  solche  Veränderungen  den  gröfsten 
Einfluss. 

Was  die  lateinische  Sprache  anbetriflft,  so  müssen  wir  ver- 
weisen auf  das  Werk  W.  Corssens  „über  Aussprache  und  Be- 
tonung" (1859,  2.  Bd.  S.  400  ff.).  Schon  früher  ist  vouA.Böckli 
u.  a.  nachgewiesen,  dass  bei  den  Römern  die  Tondauer  den 
Versbau  beherrscht  hat.  Erst  als  sich  das  Bewusstsein  von  der 
Tondauer  der  Silben  verlor,  gewann  der  Hochton  allmählich 
Einfluss,  namentlich  in  der  spätem  volksmäfsigen  Dichtung.  Bei 
uns  war,  wie  die  AUitteration  schon  beweist,  der  Hochton  von 
jeher  unbeschränkter  Herrscher  des  Wortes  und  Gebieter  im  deut- 
schen Verse, 

Hört  man  einem  echten  Salzburger  aufmerksam  zu,  so  wird 
man  an  das  alte  Sprichwort  gemalmt:  Nos  Pöloni  non  cüramus 
quantitatem  sylläbarum.  Der  bayerisch -österreichische  Dialekt 
hat  nämlich  das  eigenthümliche,  dass  er  die  alten  Kürzen  länger 
bewahrt  hat  als  die  mittel-  und  norddeutschen  Dialekte.  Wenn 
also  ein  Süddeutscher  gegen  die  allgemeiner  gewordene  Dehnung 
der  Vocale  sündigt,  so  darf  ihm  das  nicht  so  hoch  angerechnet 
werden;  wenn  er  will,  kann  er  sein  nationales  Recht  geltend 
machen.  Aussprache,  insbesondere  die  Betonung,  gehört  sowohl 
zur  Individualität  eines  Stammes  als  auch  zu  der  eines  Volkes 
wie  die  Betonung  zur  Individualität  des  Wortes.  Dass  auch 
letzteres  der  Fall  ist,  sehen  wir  z.  B.  an  dfjftog  und  dr^fiog^  die 
nicht  das  gleiche  bezeichnen. 

Die  hauptsächlichste  Veränderung  der  neuhochd.  Lautlehre 
besteht  darin,  dass  die  ursprünglichen  Kürzen,  sobald  ihnen  ein- 
facher Consonant  folgt,  bis  auf  wenige  Spuren  verschwunden 
sind.  Das  alte  hat,  trat  ward  nhd.  hat,  trat:  das  zweisilbige 
sclmden  lautete  im  altdeutschen  sch<idn^  aber  als  die  Betonung 
oder  der  Accent  sich  mehr  auf  die  Stammsilbe  warf,  sprach  man 
es  schaden,  Wörter  wie  hote,  hröte  wurden  nhd.  gleichmäßig 
betont  höte,  brot^. 

Der  Ton  beherrscht  auch  die  romanischen  Sprachen  im 
Vergleich  zur  lateinischen.  Auch  in  jenen  werden  kurze  Ton- 
vocale  vor  einfacher  Consonanz  verlängert,  und  dies  rührt  her 
von  dem  Verschwinden  oder  der  Kürzung  der  Flexionssilben, 
z.  B.  lat.  pädrm  —  ital.  ^;?V^fe,  lat.  föcus  —  ital.  fuoco.  Daher 
verschwindet  auch,  wie  im  Deutschen,  der  Unterschied  des  Zeit- 
mafses,  z.  B.  das  lat.  mäter,  päter  spricht  der  Italiener  mädre, 
pädre^  der  Franz.  niire,  pere. 

Bei  der  ümdeutschung  fremder  Wörter  ist  oft  eine  Ver- 
rückung des  Accentes  wahrzunehmen,  und  dabei  concurriert  die 
französische  Aussprache  mit  der  lateinischen,  z.  B.  in  denen  auf 
'■ik:  liepidüih  —  Chnmik,  Physik  —  Physik. 

In  allen  modernen  Sprachen  ist  die  Quantität  vom  Accent 
beherrscht  oder  verdunkelt;  sie  sind  vorwaltend  accentuierende, 


Th.  Vemaleketi,  Die  Betonung  im  deutschen  Versbau.  410 

wogegen  die  Sprachen  des  Alterthums  mehr  quantitierende  waren. 
Der  Ton  gibt  der  Sprache  Leben  und  Färbung;  er  ist  mehr 
geistiger  Natur,  die  Seele  der  Eede,  weil  er  Aushauch  der  die 
Eede  begleitenden  Empfindung  ist.  Bei  den  Deutschen,  als  einem 
„Denkervolke",  musste  der  Ton  auf  die  bedeutsamste  Silbe  fallen. 
Bei  uns  wird  die  Silbe  gewogen,  bei  den  Alten  ward  sie  ge- 
messen. Gezählt  wurden  unsere  Silben  nur  vom  15— 17.  Jahrb., 
in  einer  für  die  Poesie  sehr  ungünstigen  Zeit. 

Neben  der  Messung  in  den  alten  Sprachen  bestand  aller- 
dings auch  eine  Betonung.  Diese  muss  aber  weniger  dynamisch 
als  vielmehr  melodisch  gewesen  sein,  nqoaaßia^  accentus  heifst: 
begleitender  Gesang*).  Diese  Musik  der  Wortbetonung  ist  natür- 
lich für  uns  verloren.  Grimm  (Gr.  P,  20)  bezeichnet  das  Wesen 
des  alten  Accentes  so:  „Die  Quantität  scheint  etwas  allgemeineres, 
gleichsam  die  poetische,  der  Accent  die  prosaische  Lebendigkeit 
der  Sprache  zu  umfassen.  Hieraus  lässt  sich  der  allmähliche 
Untergang  der  Quantität  und  die  zunehmende  Ausdehnung  des 
Tons  begreifen.  Der  Ton  muss  auch  als  eine  Hauptursache 
vieler  Veränderungen  der  Sprache  angesehen  werden,  indem  er 
Flexions-  und  Bildungsendungen  zu  seiner  Hebung  heran-  und 
dadurch  zusammenzieht,  in  seinen  Senkungen  aber  den  wahren 
Laut  der  Buchstaben  beschädigt  und  verdunkelt."  Wir  können 
das  deutlich  sehen  an  den  aus  dem  lateinischen  hervorgegangenen 
romanischen  Sprachen.  Der  beste  Gewährsmann  in  diesem  Ge- 
biete, Fr.  Diez,  sagt  (Gram.  1,  116):  „die  Schicksale  der  Ele- 
mente, aus  welchen  die  Wörter  gebildet  sind,  stehen  grofsen- 
theils  unter  dem  Einflüsse  des  Zeit-  und  Tonmafses,  welches 
die  Aussprache  der  Silben  begleitet.  Die  neueren  Völker  ver- 
fuhren mit  der  Prosodie  der  Alten  so:  die  Quantität  lateinischer 
Silben  ist  an  und  für  sich  bedeutungslos,  nur  der  Accent  wird 
beobachtet;  das  ganze  Verhältnis  der  Quantität  ist  daher  von 
der  Tonsilbe  abhängig." 

Der  Einwirkung  des  Tones  auf  die  Sprache  wird  ein  musi- 
kalischer Einfluss  überhaupt  zur  Seite  gegangen  sein;  eine  Ge- 
schichte der  Musik  müsste  uns  darüber  Aufschluss  geben.  Wir 
haben  oben  schon  bemerkt,  dass  die  Sprache  an  den  Ausdrucks- 
mitteln der  Musik,  namentlich  am  dynamischen  und  rhyth- 
mischen, einen  gewissen,  freilich  sehr  beschränkten  Antheil  hat. 
Dynamisches  bewirkt  in  unserer  Musik  den  Tact,  und  im  deut- 
schen Verse  hat  der  Accent  oder  die  Betonung  einen  dynami- 
schen Einfluss,  indem  er  die  Hebung  bewirkt  und  dadurch  den 
Rhythmus  erzeugt.  Das  haben  die  nicht  bedacht,  welche  die 
Versmafse  der  Alten  unserer  Sprache  einimpfen  oder  aufpfropfen 
wollten.    Wie  der  Vers  der  alten  Griechen  auf  anderer  Grund- 


♦)  Ac-centus   (cantus)   ist   wörtliche   Uebertragung   des   griechischen 


420  Th.  Vemaieken,  Die  Betonung  im  deutschen  VenbaiL 

läge  ruht,  so  ist  sicherlich  auch  ihre  Musik  eine  andere  ge- 
wesen. Gottfried  Hermann  (Metrik  1799,  S.  XIX)  macht  auf  den 
Unterschied  aufmerksam,  der  besteht  zwischen  unserer  Musik 
und  der  der  Griechen.  „Die  jetzige  Musik",  sagt  er,  „hat  einen 
doppelten  Ehythmus,  den  des  Tactes  und  den  der  Melodie.  Der 
Ehythmus  des  Tactes  ist  der  Grundrhythmus  einer  Musik  und 
beherrscht  den  Ehythmus  der  Melodie,  durch  welchen  er  nicht 
aufgehoben  werden  kann.  Er  gibt  der  Musik  Einheit,  indem  der 
Ehythmus  der  Melodie  ihr  Mannigfaltigkeit  verschaflH;.  Die  grie- 
chische Musik  hingegen  war  von  allem  Tacte  entblöfst 
und  kannte  blofs  den  Ehythmus  der  Melodie."  Um  diese  An- 
sicht des  berühmten  Philologen  einleuchtend  zu  finden,  braucht 
man  nur  an  den  alten  Kirchengesang  zu  denken,  an  den  Gegen- 
satz zwischen  Gregorianisch  und  Ambrosianisch.  Der  alte  Barchen- 
gesang bedurfte  keines  Tactes,  es  war  ein  Singlesevortrag  mit 
geringer  Modulation,  fortschreitend  in  ganzen  und  halben  Noten, 
Auch  die  quantitierende  Metrik  der  Alten  war  ungestört  vom 
Accent;  man  hörte  nur  die  Längen  und  Kürzen  heraus  und 
mafs  nach  ihnen  den  Vers.  Mit  dem  Verfalle  der  feinern  gram- 
matischen Gliederungen  scheinen  also  die  künstlichen  Tactarten 
in  der  Musik  wie  auch  die  blofs  accentvertheilende  Metrik  der 
neuern  Völker  in  engem  Zusammenhange  zu  stehen.  Auch  das 
dürfte  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  deutsche  Betonung 
oder  Hebung  eine  ganz  andere  Bedeutung  für  den  Vers  hat  als 
der  griechische  Accent.  Im  Deutschen  ist  der  Accent  für  den 
Ehythmus  des  Verses  mafsgebend,  bei  den  Griechen  war  er  nur 
begleitend,  in  der  Weise  wie  Diomedes  das  Wort  accentus  er- 
klärt: ab  accanendo,  quod  sit  quasi  quidam  cuiusque  syllabae 
cantus.  Apud  Graecos  ideo  Ttooaiijdla  dicitur,  quod  TtQog^öai 
Tag  GiUaßag  (weil  es  zu  den  Silben  stimmt,  gleichsam  singt), 
Ueber  das  Wesen  der  Betonung  überhaupt  sagt  er:  Accentus 
est  acutae  vel  gravis  vel  inflexae  orationis  elatio,  vocisve  in- 
tentio  vel  inclinatio,  acuto  vel  inflexo  sono  regens  verba. 

In  jeder  ausgebildeten  Sprache  muss  der  Vers  ein  gramma- 
tisches und  ein  musikalisches  Element  besitzen.  Metriker  haben 
sich  bemüht,  die  Berühungen  beider  für  unsere  Sprache  dar- 
zulegen. Wir  nennen  hier  niu-  Voss  und  Apel.  Letzterer  hat 
(1809)  den  musikalischen  Charakter  des  Verses  mit  vielem  Scharf-* 
sinn  behandelt;  er  fehlte  aber  darin,  dass  er  auch  die  alten 
Sprachen  in  den  Bereich  seiner  Betrachtung  zog.  In  meiner  1847 
erschienenen  „deutschen  Verskunst"  habe  ich  wol  zu  einseitig 
den  ^s^act  als  das  rhythmische  Princip  aufgestellt,  und  Teil- 
kampf in  Hannover  hat  (1857)  mit  Eecht  Bedenken  dagegen 
erhoben.  Beide,  wie  auch  Eod.  Benedix  („Wesen  des  deutechen 
Ehythmus"  1862)  haben  damals  das  historische  aufser  Betracht 
gelassen,  und  das  wird  bei  einer  wissenschaftlich  aufzubauenden 
Verslehre  vor  allem  berücksichtigt  werden  müssen.    Neben  der 


7%  Vemäleken,  Die  Betonung  im  deutschen  Versbau.  421 

sprachgeschichtlichen  Seite  steht  aber  auch  die  musikalische, 
und  in  dieser  Hinsicht  wird  für  unsere  Sprache  wol  zu  unter- 
scheiden sein: 

1.  Die  Wortbetonung  von  der  Versbetonung.  Die  erstere 
mag  immerhin  das  Wort  „Bergschlucht'*  spondeisch  nehmen,  im 
deutschen  Verse  gibt  es  nur  Trochäen,  Hebung  und  Senkung. 

2.  Den  Rhythmus  des  gesungenen  Liedes  von  dem  der 
reinen  Musik.  In  der  Liederpoesie  hat  das  musikalische  seinen 
Antheil,  indem  dadurch  Hebung  und  Senkung  modificiert  wer- 
den. Aber  der  Tact  ist  kein  rein  musikalischer;  der  Musik- 
rhythmus besteht  aus  Tönen,  die  nicht  durch  das  Wort  ge- 
hemmt sind.  Musik  steht  der  alle  Gedanken  deutlich  fassen- 
den Sprache  entgegen,  im  Gesänge  aber  tritt  sie  zu  den  Worten 
und  „gibt  —  wie  Grimm  „über  den  Ursprung  der  Spr."  sagt  — 
ihnen  feierliches  Geleit.  Aus  betonter,  gemessener  Recitetion 
der  Worte  entsprangen  Gesang  und  Lied,  aus  dem  Lied  die 
andere  Dichtkunst,  aus  dem  Gesang  durch  gesteigerte  Abstrac- 
tion  alle  übrige  Musik,  die  nach  aufgegebenem  Wort  geflügelt 
in  solche  Höhe  schwimmt,  dass  ihr  kein  Gedanke  sicher  fol- 
gen kann." 

Wien.  Theodor  Vernaleken. 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

C.  lulii  Ccßsaris  commentarii  de  hello  ciuüi.  Erklärt  von  Fr. 
Kraner.  Dritte  Auflage,  besorgt  von  Friedrich  Hofmann.  Berlin, 
Weidmann,  1864.  —  22  Vi  Sgr. 

C.  lulii  CcRsaris  de  hello  eiuili  commentarii  tres.  Erklärt  von 
Dr.  Albert  Doberenz.  Zweite  Auflage.  Leipzig,  Teubner,  1863.  — 
15  Sgr. 

Die  dritte  Auflage  des  von  Kraner  herausgegebenen  heUum  ciuüe 
ist  von  Fr.  Hofmann  in  Berlin  in  dem  Geiste  Kraner's  besorgt  worden,  so 
dass  eine  äufsere  Charakteristik  des  Buches  unnöthig  erscheint.  Neu  hin- 
zugekommen ist  eine  Uebersichtskarte  über  Caesars  Marsch  vom  Bubico 
bis  Brundisium,  mit  zwei  Nebenkartchen  Brundisium  und  Uerda,  ebenso 
eine  chronologische  Tafel  über  die  in  den  Büchern  de  hello  civile  erwähn- 
ten Ereignisse  nach  dem  nicht  berichtigten  Kalender;  dagegen  ist  die  üeber- 
sicht  über  das  römische  Kriegswesen,  die  nun  seit  der  vierten  Ausgabe  des 
bellum  gallicum  dorthin  gesetzt  worden  ist,  weggelassen.  Auch  die  Ein- 
richtung der  Dobercnz'schen  Ausgabe  kann  als  bekannt  vorausgesetzt  wer- 
den. Nicht  ganz  billigenswerth  ist  es,  dass  fast  kein  Unterschied  wahrzu- 
nehmen ist  gegenüber  der  Doberenz'schen  Ausgabe  des  bellum  gallicum. 
Denn  wenn  das  bellum  civile  in  den  Kreis  der  SchuUectüre  gehört,  was 
bei  dem  traurigen  Zustand  der  üeberlieferung,  der  offenbar  flüchtigen  Ab- 
fassung und  der  in  Folge  dessen  weniger  vollendeten  Form  zu  bezweifeln  ist, 
so  ist  es  doch  auf  einer  vorgerückteren  Stufe  zu  lesen  als  das  bellum  galli- 
cum. Zu  Doberenz  wäre  die  Zugabe  einer  Uebersichtskarte  von  Herda  und 
Dyrrhachium  erwünscht  —  Ref.  benützt  diese  erneuten  Auflagen  als  An- 
lass,  einige  Stellen  des  bellum  civile  in  kritischer  und  exegetischer  Hin- 
sicht zu  behandeln. 

1,  16,  1.  Recepto  Äsculo  expidsoque  Lentiäo  CcBsar  cotiqiUri  mi- 
lües  . . .  iubet.  Hofmann  vertheidigt  die  Aufnahme  von  Asculo  gegen  das 
handschriftliche  Firma  gegen  die  Bemerkung  Kraner's  im  Anhang  zur 
zweiten  Auflage.  Auch  Doberenz  hat  Asculo  aufgenommen.  Dagegen  hat 
Heller  Firma  gegen  Hofiiiann  zu  halten  unternommen.  Man  kann  ihm  zu- 
geben, dass  den  einzelnen  Functen  Hoüuann's  gegenüber  seine  Bechtferti- 


OsBar  b.  civ.,  v.  F.  Kraner,  ang.  v.  L,  Vielhaber.  4tS 

gnugen  möglich  sind:  aber  er  hat  den  ganzen  Zusammenhang  der  Erzäh* 
Imig,  der  allerdings  in  den  Angriffen  auch  nicht  aufgeführt  war,  uner- 
wähnt gelassen.  Von  Auximum  bricht  CsBsar  nach  Asculum  Picenum  auf 
c  15,  3.  Auf  die  Nachricht  seines  Anmarsches  flieht  Lentulus  Spinther 
aus  Asculum  ib.  Nachdem  Caesar  (nach  dem  Texte  der  Handschriften  bis 
auf  eine)  das  etwa  in  der  Mitte  zwischen  Auximum  und  Asculum  gelegene 
Firmum  besetzt  hatte  und  nachdem  Lentulus  entwichen  war  (nach  Heller), 
IftsstOassar  von  Firmum  aus  die  Soldaten,  die  den  Lentulus  in  Asculum 
verlassen  haben,  aufsuchen  und  Aushebung  halten,  nach  eintägigem  Aufent- 
halt (in  Firmum)  geht  er  nicht  nach  Asculum,  wohin  er  nach  dem  vori- 
gen aufgebrochen  war,  sondern  direct  nach  Corfinium  c.  16,  1,  obgleich 
als  Ziel  des  Ausmarsches  von  Auximum  ausdrücklich  Asculum  bezeichnet 
war.  So  erzählt  kein  Schriftsteller,  am  allerwenigsten  Csesar.  Dabei  ist 
ToUkommen  zugegeben,  dass  Cäsar  nach  der  bekannten  Stelle  Cia  ad  Att. 
8,  12  £  1  über  Firmum  und  Castrum  Truentinum  marschierte,  nur  dass 
er  Firmum  statt  Asculum  in  seinem  Berichte  als  Haltpunct  vor  dem  Marsch 
auf  Corfinium  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  nicht  genannt  haben  kann, 
ist  mir  sicher.  Demungeachtet  glaube  ich  nicht,  dass  Äsculo  statt  Fimio 
zu  setzen  ist,  sondern  dass  Ursinus,  der  unter  halber  Beistimmung  Ouden- 
dorps,  aus  einem  'v.  c*  ')  oppido  empfahl,  richtig  gesehen,  mag  nun 
der  Leseart  jener  Handschrift  wirkliche  üeberlieferung  oder  Conjectur  zu 
Grunde  liegen. 

1,  44,  2.  Oenus  erat  pugnae  fnüitum  tüorum,  ut  magno  impetu 
primo  procurrerenty  audacter  locum  caperent,  ordines  suos  non  vMxgnopere 
seruarent,  rari  dispersique  pugnarent;  si  premerentur,  pedem  referre  et 
loco  exeedere  non  turpe  existimarent  cum  Ltisitanis  reliquisque  harbaria 
genere  quodam  pugtuie  adsiiefactü  Dobcrenz  erklärt  quo  dam  nach  Held: 
'an  eine  gewisse  Art  des  Kampfes,  die  von  der  gewöhnlichen,  den  Römern 
bekannten  Art  abwich/  Dass  weder  diese  Erklärung,  noch  die  ähnliche 
von  Baumstark  und  Möbius  richtig  ist,  darin  haben  Eraner  und  Heller 
jedenfalls  recht  Auch  was  Eraner  unter  wesentlicher  Beistimmung  Heileres 
schreibt  reliquisque  barharis  barbaro  genere  quodam  pugnae  adsue facti 
ist  dem  Sinne  nach  gewiss  richtig:  den  Worten  nach  scheint  mir  cum 
darauf  zu  führen,  dass  ein  Begriff  des  Kämpfens  fehle.  Dieser  kann  in 
reliquisque f  wofür  &,  wie  es  scheint  allein,  reliquis  hat,  stecken  und  bar- 
baris  aus  barbaro  verdorben  sein.  Vielleicht  crebris  cum  Lusitanis  proe- 
liia  barbaro  genere  quodam  pugnae  adsue  facti.  Dass  cum  Lusitanis 
allein  gesagt  ist,  ist  leicht  erklärlich  dadurch,  dass  diese  die  bedeutendste 
Völkerschaft  waren,  die  noch  den  Römern  zu  schaffen  machte.  Die  Ent- 
stehung der  Corruptel  gieng  von  barbaro  aus.  War  dies  mal  verdorben, 
00  bequemte  sich  das  übrige  bald  an  und  crebris  musste,  nachdem  aus 
proeUis  geworden  war  reliquiSy  ausfallen. 

1,  46,  3.  Schon  ein  Anblick  des  Planes  von  Ilerda  bei  Goeler  „Bür- 


')  Welcher  übrigens  wol  nicht  der  Vatic.  3324  ist,  sondern  vielleicht 
der  3,  105,  3  zu  reconditis  erwähnte  *alius\  und  der  zu  1,  87,  3 
zu  postulatum  est  angeführte.  Leider  schweigt  Oudendorp  an  unserer 
Steile  über  die  Leseart  des  Leid.  11  (i}). 


424  CiBBar  b.  civ.,  v.  F.  Kraner,  ang.  v.  L,  Vidhaber. 

gerkrieg  zwischen  Cssar  und  Pompejus  im  Jahre  50/49  v.  Chr.*'  Tafel  II, 
vgl  im  Texte  S.  37,  zeigt,  dass  Kraner  nach  Forchhammer  mit  Becht  den 
Spuren  Ton  ae  folgend  (s.  das  vorjährige  Programm  des  theresian.  Gymii. 
S.  16),  liest:  Equüatua  autem  noster  ab  utroque  latere,  essi  deiedi»  at^ 
que  inferioribus  locis  constüerat,  tarnen  summa  in  iugum  tUrtute  eani' 
tüur  statt  stMnmum  in  wie  Pa  rj  %  oder  in  summum  wie  die  übrigen  Hand- 
schriften zu  haben  scheinen  und  Nipperdey  und  ihm  folgend  Doberens 
aus  der  Voroudendorp'schen  Vulgata  wieder  aufgenommen  haben.  —  Ebenso 
hat  1,  53,  2  Ejraner  ganz  richtig  die  Conjectur  des  R.  Stephanns  tmitta 
rumor  adfingebat  aufgenommen,  auf  welche  die  Lesearten  der  besten  Hand- 
schriften hinführen,  während  Doberenz  mit  Nipperdey  muUa  rumore  ad- 
fingebantur  schreibt 

1,  81,  5.  Eraner  und  Doberenz  haben  die  Ton  Nipperdey  aufgenom- 
mene Conjectur  des  Dauisius  in  den  Text  gesetzt:  Hie  eos  suppliees') 
malis  habere  CtBsar  et  necessarium  subire  deditionem  quam  prodio  deeer^ 
tare  malebat.  Die  Ueberlieferung  ist  so:  ab  haben  supplicüs  mode  haberi, 
c  und  d  supplices  male  habere,  die  für  diese  Stelle  bekannten  Handschrif- 
ten der  zweiten  Classe  bieten  alle  {No  Paga,  ßrjXfi)  supplicea  male  hdberi, 
nur  dass  'plerique^  (P  nicht)  statt  eos  haben  enim.  Am  besten  ist  dem- 
nach die  von  ab  gebotene  Leseart  gestützt,  die  sich  sicher  halten  lässt 
supplicium  haben  Dähne  in  den  Adn.  crii  und  Möbius  richtig  erklärt,  die 
von  letzterem  angeführte  Stelle  1,  84,  4,  an  welcher  supplicium  —  *Noth" 
in  Folge  der  Einschliefsung  ist,  spricht  um  so  mehr  für  suppliciis  an 
unserer  Stelle,  als  dort  dieselbe  Sache  bezeichnet  wird  und  in  solchen 
Fällen  Csesar  sehr  gerne  ein  früher  gebrauchtes  Wort  wiederholt. 

2,  5,  3.  Die  ueberlieferung  ist:  FacHe  erat  ex  castris  C.  Trebom 
atque  omnibus  superioribus  locis  prospicere  in  urbem,  ui  omnis  iuuentus, 
quae  in  oppido  remcmserat ,  omnesque  superioris  aetatis  cum  liberis  atque 
uxorüms  ex  publicis  custodiisque  aut  muro  ad  caelum  manusten' 
derent  aut  templa  deorum  adirent.  So  haben  die  gesperrten  Worte  aeP; 
quae  statt  qu^  haben  'manuscr.  plerique'  Oudend.  und  /*,  nur  dass  letzterer 
über  aut  von  erster  Hand  de  und  Puncte  unter  aut  hat  Die  Abweichun- 
gen in  den  anderen  Worten  der  Stelle  sind  ohne  Bedeutung.  Dass  die  Al- 
dinische Vulgata  publicisque  custodiis,  aut  ex  muro  falsch  ist,  hat  Nipper- 
dey nachgewiesen,  dass  Nipperdey 's  von  Doberenz  aufgenommene  Conjectur: 
ui  omnis  iuuentus  qutie  custodiis  in  urbe  remanserat  omnesque  ~ 
uxoribu^s  aut  supplicis  ex  muro  ad  caelum  manus  tenderent  sehr  un- 
wahrscheinlich hat,  E.  Hofifmann,  dessen  Vorschlag:  tU  omnis  iu%tentus, 
quae  publicis  custodiis  in  oppido  remanserat  omnesque  —  uxoribus 
aut  de  muro  ad  caelwn  manus  tenderent  sehr  unwahrscheinlich  wird, 
wenn  man  fragt,  was  publicis  bei  custodiis  soll.  Kraner  hatte  ähnlich  mit 
Hoffmann  geschrieben  ut  omnis  iu%Aentus,  quae  in  oppido  excubiis  cu- 
stodiisque remanserat,  omnesque  —  aut  ex  muro  ad  caelum  manus 


*)  Im  b,  c.  stimmen  P  —  Vind.  II  und  «  =  Vossian.  H  sehr  enge  mit 

einander,  s.  d.  a.  Progr.  S.  3  ff.  S.  19. 
')  supplicis  Oud.  Nipp. 


Gnsar  b.  civ.,  t.  F.  Kraner,  mg.  t.  L.  Vielhaber.  4S6 

tenderetUj  Friedr.  Hofmaiin  streicht  publicis  custodiisque  und  schreibt  statt 
aut  mwro:  aut  in  muro.  Noch  andere  Versuche  s.  bei  Kraner  in  der  adnot. 
critica  zur  Tauchnitzer  Ausgabe.  Im  möchte  ohne  Umstellung  statt  publi- 
cäs  custodiisque  schreiben:  plateis  uestibtUisque  und  nach  atU  die  Präpo- 
sition ex  nochmals  setzen.  Massilia  war  so  lange  in  Verkehr  mit  Rom, 
dass  auch  die  Bauart  der  Wohnhäuser  sich  gewiss  vielfach  nach  römischen 
Mustern  richtete,  ex  ist  ähnlich  gebraucht  wie  b.  g.  1,  4,  1  ex  uinctdis 
causam  dicere;  4,  24,  3  ex  arido  tela  conicere;  b.  e.  2,  16,  3  ex  muro 
beüandi  n.  ä.  Die  Wiederholung  der  Präposition  nach  aut  is  wol  sicherer 
als  die  Nichtsetzung ,  denn  an  den  Stellen,  wo  nach  aut  bei  Csesar  die 
Prapos.  fehlt,  b.  g.  6,  16,  5.  b.  c.  2,  35,  2  ist  der  Ablativ  nach  aut  wol 
▼on  der  Präposition  ganz  unabhängig,  s.  Herzog  zur  zweiten  Stelle;  vgl. 
auch  Schneider  zu  b.  g.  1,  44,  11  adn.  crit. 

2,  6,  3.  Diductisque  nostris  paülatim  nauibt4S  et  artificio  guber^ 
natorum  mohüit<Ui  nauium  locits  dahatur,  et  siquando  nostri  facultaiem 
naeti  ferreis  manibus  inieciis  nauem  religauerant  undique  suis  laboranti- 
bus  succurrehant.  Nipperdey  und  Doberenz  lassen  mit  hrjX  {P  nicht)  das 
et  vor  artificio  weg,  während  E.  Hoffmann  und  Kraner  es  beibehalten  und 
vor  mobüitoH  noch  eines  einschieben.  Den  Gedanken  haben  die  letzteren 
jedenfalls  richtig  getroffen,  da  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  des  Capitels 
nur  von  den  Massiliensem  das  artifidum  gubematorum  und  die  mohilitas 
nauium  verstanden  werden  kann:  fraglich  bleibt  nur,  ob  das  zweite  et 
einzuschalten  ist,  oder  ob  vielmehr  que  um  eine  Zeile  herabzurücken  ist 
zu  mohüitcUi,  da  es  ohnehin  bei  diductis  auffällig  ist,  insoferne  es  da  den 
ersten  Haupttheil  der  Erzählung  an  die  Propositio  knüpfen  würde,  s.  Seyf- 
fert  Seh.  lat.  I,  S.  11. 

2,  10,  1.  Uhi  ex  ea  turri  qirne  circum  essent  opera  tueri  se  posse 
eonfisi  stmt,  musculum  pedum  LX  long  um  ex  materia  bipedali,  quem 
a  turri  latericia  ad  hostium  tu/rrim  murumque  perducerent  facere  insti- 
tuerent;  cuius  musculi  haec  erat  forma.  So  ist  die  beste  Ueberlieferung. 
Statt  pedum  haben  ßk  das,  wenn  man  longum  hält,  allerdings  nothwendige 
pedes;  statt  quem  a  turri  hat  n  qUern  ipsi  a  turri;  ij  que  ipsi  a  turri; 
quae  a  turri  *maa,  4*  (wol  que  wie  P);  que  turri  P;  statt  perducerent 
hat  JP  producerent.  Fr.  Hofmann  will  pedes  LX  longum,  an  dem  man  seit 
Lipsins  sich  gestofsen,  halten  und  LX  entweder  in  IX  (Lipsius) ,  XL 
(Nipperdey),  XX  (E.  Hoffmann,  Goeler)  geändert  hat,  halten  durch  die 
Erklärung,  dass  die  Minirhütte  von  der  turris  latericia  der  Caösarianer  bis 
an  den  Thurm  von  Massilia  reichen  sollte  und  beruft  sich  hiefür  beson- 
ders Auf  perditcere,  das  nur  heiftee:  *etwas  von  einem  Puncte  bis  zum  an- 
dern verlangem/  Dieser  Erklärung  steht  der  Schluss  des  Capitels  ent- 
gegen §.  7:  Hoc  opus  omne  tectum  uineis  ad  ipsam  turrim  perficiunt 
subitoque  inopinantibus  hostibus  machinatione  nauali,  pha- 
langis  subiectis  ad  turrim  hostium  admouent,  ut  aedificio  iungatur. 
Femer  kann  der  Thurm  der  C»sarianer  nicht  60  Fufs  von  der  Mauer 
Massilias  entfernt  gewesen  sein,  da  er  nach  c.  8,  1  sub  muro  gebaut  wird 
und  nach  c  11,  3  von  demselben  aus  auf  die  Vertheidiger  der  Mauer  mit 
telis  tormentisque  geschossen  wird.   Da  jedenfalls  zu  ändern  ist,  so  halte 


426  CtBsar  b.  civ.,  v.  F,  Kraner,  ang.  v.  L.  Vielhaber. 

ich  es  f&r  wahrscheinlicher,  dass  pedum  echt,  dagegen  lonffum  verdorben 
ist  aus  einer  Zahl  und  nach  diesem  Verderbnis  erst  LX  eingeschoben  ist 
Welche  Zahl  gestanden  haben  mag,  ist  kaum  zu  vermuthen,  höchstens  so 
viel,  dass  sie  auf  VIII  ausgegangen  sein  dürfte. 

2,  10,  5.  Die  üeberlieferung  ist:  Ita  fastigato  atqtie  ordinatim 
structo,  ut  trabes  erant  in  capreolis  coUocatae  in  kUeribus  lutoque  ffttMCW- 
Itis,  ut  ab  igni,  qui  ex  muro  iaceretur,  tutiis  esset,  contegitur.  Statt 
üa  hat  P  itaque;  fastigato  haben  (a)  NßX,  die  andern  fastigiato;  statt  ui 
trabes  erant  haben  '4  mss.*  ut  tr.  quae  erant,  ebenso  P,  der  jedoch  ut 
auslässt,  was  auch  von  a  bezeugt  ist;  in  UUeribus  haben  ahcNßXfi  (fiun. 
paris.);  statt  lutoque  haben  luto:  bcNPccß  et  luto  rjX/ia,  Gewöhnlich 
wird  mit  Nipperdey  geschrieben:  ita  fastigate  atque  ordinatim  structo 
tecto  wt  —  musculus,  ut  —  tuitus  esset,  cofUegüur  (auch  von  Dob.  und 
Kraner).  Die  Correlation  von  ita  —  lUj  die  durch  eine  solche  Textesgeetal- 
tung  entsteht,  ist  nicht  richtig.  Denn  wie  soll  die  Lage  der  Balken  von 
dem  stumpfen  Winkel  des  Daches  abhängen?  vielmehr  umgekehrt.  Wenn 
Doberenz  ferner  ordinatim  erklärt:  *in  der  Ordnung  gebaut  wie',  so  würde 
das  auf  Ordinate,  nicht  ordinatim  passen.  Ferner  kann  doch  nicht  gesagt 
werden,  dass  das  Dach  ordinatim  struitwr,  wenn  die  oben  liegenden  Bal- 
ken in  Reihe  neben  einander  liegen.  Wenn  nicht  auch  in  ordinatim  ein 
Versehen  ist  (was  mir  sehr  wahrscheinlich),  so  könnte  noch  eher  gesagt 
werden,  dass  der  ganze  muscul\is  so  gebaut  wird:  die  trabes  die  cciumel' 
lae,  die  capreoli  die  tigna  und  endlich  die  regulae.  Endlich  ist  der  zwischen 
tectum  und  dem  musctUiM  als  ganzem  gemachte  Unterschied  nicht  abzu- 
sehen ,  da  das  contegere  ja  eben  nur  an  dem  Dache  geschieht.  Jedenütdls 
scheint  P(t  richtig  ut  auszulassen  (ob  es  in  *4  mss.*  gesetzt  ist,  ist  von 
Oud.  nicht  ausdrücklich  bezeugt),  quae  aufzunehmen  mit  Pa  'm88.4*  und 
aus  der  mit  OPa  verwandten  editio  florentina  1508  das  Komma  nach  moscn- 
lus  zu  streichen  und  cmüeguntur  zu  lesen,  s.  Brutus  bei  Jungermann. 

2,  15,  1.  Trebanius  ea,  quae  sunt  amissa,  muUo  nuUore  nnäitum 
studio  administrare  et  reficere  instituit.  Kam  lUn  tantos  suos  labores  et 
apparatus  male  ceddisse  uiderunt  indutiisque  per  scelus  uiolatis  suam 
uirtutem  irrisui  fuisse  perdoluerunt,  quod,  unde  agger  omnino  com- 
portari  posset,  nihü  erat  reliquum:  omnibus  arboribus  lange  lateque 
in  finibus  Massüiensium  excisis  et  conuectis,  agger em  nouigeneris,..facere 
instituerunt.  Diese  von  Oberlin,  Dähne,  Kreissig,  Doberenz,  Kraner  ge- 
setzte Interpunction  ist  nicht  entsprechend;  am  besten  setzt  man  nach 
perdoluerunt  ein  Kolon,  nach  reliquum  ein  Komma,  so  dass  mit  quod 
der  Nachsatz  beginnt,  omnibus  —  canuectis  die  Begründung  zu  quod  — 
reliquum  aut  gibt.  —  Ebenso  würde  2,  17,  2  gewinnen,  wenn  nach  fide 
ein  Komma,  nach  intercedere  eine  stärkere  Interpunction  einträte,  so  dass 
der  Gedanke  wäre:  M,  Varro  .  .  .  diffidetis  Pompeianis  rebus  amicissime 
de  Ccesare  loquebatur:  praeocipatum  sese  legatione  ab  Cn.  Pompeio  teneri 
obstrictum  fide,  necessitudinem  quidem  sibi  niJUlo  minorem  cum 
Ccßsare  intercedere;  neque  se  ignorare,  quod  esset  officium  legaÜ,,. 
quae  uires  suae,  quae  uoluntas  erga  C(tsarefn  totius  prouinciae..  —  2,28,3. 
Kraner  und  Doberenz  wollen   neu  pro  his  pugttarent,  a  quibus  contu- 


Ossär  b.  civ.,  v.  F,  Kraner,  ang.  t.  L.  Vielhäber.  487 

melia  perfugae  appeUarentur  den  abl.  mod.  contumelia  halten  durch  tn- 
iwria,  süentio,  erupHane  u.  ä.  kaum  mit  Recht.  Es  wird  wol  mit  Nipper- 
dej  c%im  einzuschalten  sein. 

2,  29,  3,  4.  Eine  vollständige  Heilung  der  arg  verstümmelten  Stelle 
wird  kaum  je  gelingen;  wie  gegen  Nipperdey's,  so  lassen  sich  auch  gegen 
Iwan  MüUer's  Restitution  Eos  I,  1,  S.  65  —  71  gegründete  Bedenken  er- 
heben. Der  nachstehende  Vorschlag  gründet  sich  darauf,  dass  ciuüe  heUum 
gewiss  nicht  von  Csesar  gesagt  ist,  wo  er  selbst  seine  Ansichten  entwickelt, 
sondern  höchstens  den  Soldaten  in  den  Mund  gelegt  sein  kann,  man  vgl.  wie 
CsBsar  3,  1,  4.  1,  67,  3  vorsichtig  von  einer  düsensio  ciu/äis  spricht  und 
3,  1,  2  heUum  allein  anwendet.  Es  ist  also  jedenfalls  im  ersten  Theile 
eine  oratio  obliqua.  Femer  ist  die  Stellung  des  Adjectivs  ciuüe  so  auf- 
ilUlig,  dass  davor  ein  Wort  vermisst  wird.  Dieses  ist  wol  esse.  Demnach 
glaube  ich  die  Stelle  so  reconstrieren  zu  müssen :  Hoc  ubi  uno  auctore  ctd 
pUtres  permanauerat  cttque  aiiiis  alii  tradiderat,  plures  auctores  eius  rei 
uidebantur:  (esse)  ciuüe  bellum,  genus  hominum  cui  id^)  liceret  libere 
facere  et  sequi  quod  ueUet^),  legiones  [hae]^,  quae  paulo  ante  apud 
hastes  fuissent"^  —  fiam  etiam  Ccesaris  beneficium  mutauerat  consue^ 
ttido  noua  offerentium*)  — ,  municipia  etiam  diuersis*)  partibus 
coniuncta  —  plerique  '")  enim  ex  Marsis  Pelignisque  ueniebant,  %tt  (ii)^ 
qui  superiore  tutete  (aufugerant).  In  contubernis  commiseraban-' 
tur  ")  nonnuüi  grauiora;  sermones  militum  dubii*"^)  durius  accipieban' 
i«r,  nannulli  etiam  ab  iis  ''),  qui  düigentiores  uideri  uolebant,  fingebam' 
tur.  Es  sind  in  diesen  Worten  zwei  Theile  zu  unterscheiden,  der  erste,  die 
Gedanken  der  Curio  und  Ossär  ergebenen  Soldaten  geht  bis  in  cantuber" 
niis,  von  diesen  Worten  an  ist  eine  Schilderung  des  Berichterstatters. 
Innerhalb  der  oratio  obliqua  sind  die  Worte  consuetudo  noua  offerentium, 
wie  ich  schreibe,  zu  übersetzen :  'der  Verkehr  derer,  welche  neue  Geschenke 
in  Aussicht  stellten*,  mit  Beziehung  auf  c.  28,  3.  Bei  dieser  Auffassung 
ist  offerentium  subjectiver  Genitiv,  ähnlich  wie  b.  g.  3,  79,  6  sua  con- 
suetudine  steht  diuersis  partibus  glaube  ich  so  halten  zu  können,  dass 
die  Sprechenden  dadurch  ihre  Heimat  als  zu  Ossär  haltend  bezeichnen; 
wie  im  Heere  des  Ourio  der  eine  Theil  es  mit  Ossär  (wol  die  meisten 
Oentorionen) ,  der  andere  mit  Varus  und  Pompeius  hält,  also  diuersas 
partes  sequuntur,  so  auch  ihre  Heimatsorte.  Das  folgende  pieriqu^  gibt 
zu,  dass  die  Zahl  der  letzteren  die  gröfsere  ist.  Ob  das  Wort  aufugerawt 


*)  So  D.  Vossius,  die  Handschr.  quod, 

*)  ueUet:  be  ursin.  NPa,  sonst  uellent 

•)  hae  (a)  'mss.  multi';  hec  P;  fehlt  in  fi. 

^)  fuerant  die  Handschr.  das  Möbius,  der  auch  eine  or.  obl.  annimmt, 

vertheidigt. 

qua  offerentur  die  Handschr. 

S.  die  Handschrift  auTser  n,  in  welchem  aduersis  steht. 
'•)  neque  die  Hdschr. 
'')  commüitesque  die  Hdschr.;  cum  müitesque    o,  cum  müitisque  fi, 

cum  müües  u. 
")  dubii  No f  aie  andern  dubia,  P  duabus. 
'^  his:  aP. 


•^ 


428  CaBsar  b.  civ.,  v.  F.  Kraner,  ang.  v.  L.  Vielhaber, 

da  gestanden,  lässt  sich  natürlich  nicht  behaupten,  ein  des  gleichen  Sinnei 
jedenfalls.  Im  zweiten  Theile  habe  ich  ans  cofnmüitesque  gemacht  eom^ 
miserabaniur  in  Erinnerung  an  die  sehr  ähnliche  Situation  b.  g.  1,  39, 
wo  §.  4  abditi  in  tabernaculis  aut  suum  fatumq  uerebantur ,  aut  cum  fch 
müiaribus  ^uis  commtme  periculutn  miserabantur,  commiserari  selbst 
mit  Acc.  steht  Nep.  Ages.  52.  Für  den  Schluss  ist  b.  g.  1,  49,  7  su  Tcr^ 
gleichen.  Ob  endlich  nach  in  contubemiis  geradezu  abditi  einzusetzen  ist, 
ist  zweifelhaft 

2, 35, 6.  Doberenz  hat  die  Leseart  eines  Cod.  Ursin.  und  des  Paris.  III 
Itaque  Cwrio  exercitum  in  castra  reducit  suis  otnnibus  praeter  JPa6iiHii 
incolumibuSj  ex  numero  aduersariorum  BC  itUerfedis  ac  mille  mUne" 
ratis  aufgenommen,  worauf  allerdings  aoch  cc,  das  e,  und  eo,  das  Pa 
haben,  führt,  während  die  andern  Handschriften  ac  utdneratis  haben.  In- 
dessen ist  sowol  nach  der  von  den  Erklärem  citierten  Stelle  App.  2,  ü 
xal  xaretQwS^riaav  hi  nlifovtg  als  der  Natur  der  Sache  nach  wahrschein* 
lieber,  dass  mviltis  uulneratis  mit  Kraner  zu  schreiben  ist. 

3,  4,  4.  DCCC  ex  seruis  jpastoribusque  sum  suorumque  coegercA 
schreiben  Kraner  und  Doberenz  mit  Nipperdey  in  der  Aufzahlung  der 
Streitkräfte  des  Pompejus  statt  des  handschriftlichen  ex  seruis  suis  pastO' 
rumque  suorum.  Die  im  Programm  des  theresianischen  Gymnasium  1864 
S.  8  flf.  besprochene  Handschrift  einer  Miscellenhistorie  der  Wiener  Hof- 
bibliothek hat  DCCC  ex  seruis  suis  expastoribus  coegerat,  der  Schreiber  hat 
also  vielleicht  gelesen  et  pastoribus.  Indessen  hat  die  Erwähnung  der 
pastores  nach  den  serui  auffälliges,  und  ebenso  das  unbestimmte  «motimi 
der  Handschriften.  Hat  statt  pastorum  ein  Wort,  das  'nahestehend*  oder 
ähnliches  bezeichnet,  gestanden,  so  könnten  unter  den  seruis  die  Hirten 
der  epirotischen  und  anderer  östlichen  Plantagen  ganz  wohl  darunter  mit 
verstanden  sein. 

3,  15,  6  ueUe  se  de  maximis  rebus  cum  Cäsar e  loqui,  si  sibi  fch 
cuUas  detur.  So  haben  Exaner  und  Doberenz  wol  aus  Schulrücksichten  mit 
den  wenigst  glaubwürdigen  Handschriften  ßl/na.  ab  haben  ei,  woraus 
Nipperdey  eis  gemacht  hat.  NP  (und  wol  auch  tto)  haben  si  sibi  eius 
facvXt4Jts  detur,  was  vor  Nipperdey  Vulgata  war,  f  hat  blofs  si  facuUoB 
detur,  was  E.  Hoffmann  aufgenommen.  Mit  Recht.  Zwar  kann  ich,  da  ich 
die  Leseart  von  e  nicht  kenne,  nicht  ganz  sicher  urtheilen :  indessen  zeigt 
schon  die  Verschiedenheit  von  ab,  ßXfia  und  /*,  sowie  das  fehlerhafte  des 
ei  in  ab,  dass  der  Stammvater  der  familia  parisina  (s.  Forchhammer 
quaestiones  criticae  S.  13  ff.  und  S.  29)  es  im  Texte  und  wahrscheinlich 
sibi  am  Bande  hatte;  dass  NP  beides  haben  (auch  e?),  zeigt,  dass  schon 
der  Archetypus  der  Familie  parisina  und  hauniensis  es  hatte  als  ein  ganz 
offenbar  aus  dem  Rand  eingedrungenes  Glossem  eines  wenig  achtsamen 
Lesers,  dem  später  ein  anderer  sibi  als  Correctur  an  den  Band  beisetzte, 
ein  Dritter,  der  dieses  in  den  Text  nahm,  ei  in  eis  änderte. 

3,  36,  1.  Eodemque  tempore  Domitius  in  Macedoniam  uemt;  et 
cum  ad  eum  frequentes  ciuitaium  legationes  conuenire  coepissent,  nun-- 
ti(Uum  est  adesse  Scipionem  cum  legionüms,  magna  opinione  et  fama 
omnium:  nam  pilerumque  in  nouitaie  rem  fama  ante  cedit.    Hie  nüüo 


C$BB$x  b.  dv.,  V.  F.  KrcmeTf  ang.  v.  Ir.  FielAoto*.  4t9 

in  loco  Macedoniae  maraius  magno  impetu  tetendU  ad  Dominum.  Statt 
antecedU  haben  seit  Nipperdey  die  Herausgeber  au^enommen  excedU,  weil 
es  licherlich  sei  eine  so  bekannte  Sache  za  erwähnen,  dass  das  Gerücht 
sich  früher  Yerbreite.  Dass  excedit,  wobei  auf  magna  Gewicht  gelegt  würde, 
paBste,  ist  kein  Zweifel,  indessen  lasst  sich  der  durch  die  handschriftliche 
Leseart  erzielte  Gedanke  ebenfalls  halten.  Scipio  marschiert  in  gröX^ter 
Schnelligkeit  (nüUo  in  loco  Macedoniae  moratus),  und  die  Boten  melden 
schon  Scipionem  adesse,  nicht  blofä,  dass  er  komme.  Gegenüber  dem 
adesse  sagt  nun  die  Sentenz:  'meistentheils  geht  bei  unerwartetem  Ereignis 
dem  wirklichen  Eintreffen  ein  unbestimmtes  Gerücht  davon  Yoran'  dass 
doch  dieses  fortschreitende  Gerücht  noch  schneller  gewesen  als  Scipio.  Eine 
Schwierigkeit  bleibt  freiUch  noch,  die  doppelte  Beziehung  des  Wortes  fcma 
hart  nach  einander;  aber  kaum  ist  diese  so  grol^  b\8  es  sein  würde  nach- 
zuweisen, wie  es  einem  einfallen  konnte,  das  so  planverständliche  exeedü 
in  antecedU  zu  ändern.  Da  möchte  noch  gerathener  sein,  die  ganze  Sen- 
tenz für  ein  Einschiebsel  zu  erklären,  ein  Schicksal,  das  vielleicht  noch 
manche  bei  Gasar  verdienen. 

3,  38^  4.  Domitius  will  den  ihm  folgenden  Scipio  in  einem  Hinter- 
halt erwarten.   Scipio  schickt  einen  grofsen  Theil  seiner  Reiterei  voraus. 
Qm  cum  essent  progressi  primaeque  turmae  insidias  irUrauissent,  ex  fre- 
mühk  equonim  itdata  suspicione  ad  8W>8  se  redpere  coeperwU,  qtUg!UC  ho9 
neqwibanltwr  celerem  eorum  receptum  con^^icati  restüerwU,  Nostri  cognitii 
hoiiium  insidUs,  ne  frustra  reliquos  expectarent,  dwu  nacti  turmas  ex- 
eeperuntftn  hia  fuit  M.  Opimius,  praefectus  equitum),feliquo8 
omnes  earum  twrmarum  aut  interfecerunt  aut  captos  ad  DomiHum  de- 
duxenmL  Die  Varianten  sind  unbedeutend  und  treffen  nicht  die  Worte, 
welche  zu  Bedenken  Anlass  gegeben  haben.  ?u)8Hum  nach  cogniHs  fehlte 
in  den  Ausgaben  vor  Scaliger  und  wird  seit  Gudendorp  üeist  von  allen 
weggelassen,  nur  einige  Herausgeber  haben  nach  Yossius  hosH  geschrieben. 
Das  folgende  hat  Doberenz  nach  Nipperdey  unangetastet  gelassen,  Eraner 
hatte  noch  reliquos  und  earum  timnarum,  E.  Hoffmann  auch  noch  ex- 
ceperunt  gestrichen;  Fr.  Hofmann   dagegen  lässt  auJber  hostium  nichts 
weg,  sondern  nimmt  mit  Koch  und  Freudenberg  den  Ausfall  einer  Zeile 
an  und  setzt  nach  exceperunt  mit  Freudenberg  ein:  quarum  perpaud 
fuga  se  ad  9UOS  recepertmt.  Dass  durch  diese  oder  eine  ähnliche  Ergän- 
zung der  Text  lesbar  wird,  ist  kJar:  aber  der  ganze  kritische  Zustand  des 
b.  c.  scheint  mir  eher  auf  Interpolationen  als  auf  Auslassungen  zu  führen. 
Da  wir  femer  von  dem  erwähnten  M.  Opimius  sonst  nichts  wissen ,  auch 
das  ganze  hier  erzählte  Factum  sonst  nicht  erwähnt  wird;  so  kann  doch 
auch  das  von  Gewicht  sein,  ob  es  wahrscheinlicher  ist,  dass  Opimius  er- 
wähnt wird,  wenn  er  entkömmt,  oder  wenn  er  gefangen  wird.  Der  letzte 
Gedanke  lässt  sich  auf  dem  Wege  Eraner's  u.  a.  freilich  mit  Zuhilfenahme 
einer  Umstellung  in  die  überlieferten  Worte  bringen:    Nostri  cognüis 
[hosiium]  insidiis,  ne  frustra  reliquos  expectarent,  duas  nacti  turmas  ex- 
ceperunt, [Reliquos]  omnes  earum  cohortium  aut  interfecerunt  aiut  captos 
ad  Domitium  deduxerwit.    In  his  fuit  M,    Opimius  praefectus 
equitum.  Eine  Empfehlung  dürfte  dieser  Restitutionsversuch  von  folgen- 
Z«itMhrm  f.  d.  69int.  Gyntt.  1865.  YL  Htft  29 


4tÖ  Cesar  b.  civ.,  y.  F.  Kraner,  ang.  t.  L,  VUÜiäber, 

den  2wei  Umständen  haben.  nacH . . .  exceperunt  ist  so  gesagt,  dass  an 
ein  vollkommenes  Abfongen,  ohne  dass  einzelne  entkommen,  znnichst  xa 
denken  ist.  Ferner  sieht  man  bei  der  Freudenberg'schen  Einschaltung  am 
allerwenigsten,  wie  Opimius  gerade  neben  den  zwei  Türmen  erwähnt  wird, 
da  er  doch  nicht  zu  ihnen  tactisch  gehQrt.  Dagegen  kann  es  sehr  wohl 
als  ein  besonderes  bedeutsames  Moment  hervorgehoben  sein,  dass  mit  den 
zwei  Türmen  auch  der  Commandant  der  gesammten  Reiterei  gefuigeB 
wird,  der  sich  zuföllig  bei  den  zwei  vordersten  Türmen  befand. 

3,  40,  4  Cn.  Pompejas,  der  Sohn,  hat  das  am  Eingang  des  Hafens 
von  Oricnm  versenkte  Schiff  gehoben  und  das  dort  stationierte  Kriegaschiff 
genommen  eodemque  tempore  ex  äUera  parte  '^  molem  tenuU  naturalem 
öbiectam,  guae^^)  paene  insulam^')  oppidum  effeeerat,  IIII^^  Uremee 
Hibiectis  scutulis  inpuhas  uectUms  in  interiorem  partem  traduxii,  lia 
ex  '*)  utraque  parte  naues  longas  adffressus,  quae  erant  ddiffatae  ad  ter- 
ram  atque  inanes,  IUI  ex  Ms  abdtucity  reliquas  incendU.  So  die  Hand- 
schriften, nur  dass  ich  im  letzten  Satze,  der  sonst  keinen  Zweifel  ver- 
ursacht, gleich  das  nöthige  abduxü  statt  adduxit,  das  aP  'mss.  6'  haben, 
gesetzt  habe.  Nach  Nipperdej  hat  Doberenz  trotz  Heileres  Widerspruch 
aufgenommen  mole  tenui  naturaJiter  obieäa . . .  efficiehat  und  partem  be- 
halten. So  schrieb  auch  Kraner,  nur  dass  er  partum  ntaii  partem  setzte. 
E.  Hoffmann:  mclem  tentauit  natura  ohieetam,  Fr.  Hofinann  mit 
Heller:  eodemque,,. molem  tenuit  naturalem  ohieetam,  quaepaernn- 
sulam  oppidum  effecerat,  quattuorque  hiremes  sülneetis  scuiuHs  im- 
pulsas  uectibus  in  interiorem  p  ort  um  traduxit.  in  der  Hauptsache  ist 
ihm  vollkommen  beizustimmen,  wenn  man  auch  immer  noch  einen  Dativ 
zu  öbiectam  gerne  läse,  sowie  paeninsuiam  statt  paene  insulam  eher  ftr 
eine  Verschlechterung  als  eine  Verbesserung  halten  mag,  und  vor  allem 
statt  der  Heller'schen  Aenderung  quattuorque  an  die  von  Pa  gebotene 
Leseart  sich  haltend  qua  liest.  Ob  nach  diesem  eine  Zahl  ansge&Uen,  ist 
zweifelhaft;  wenn  dies  der  Fall  war,  so  ist  allerdings  mit  Clark.,  Mor., 
Oberl.,  Dshne,  Kreyssig,  Herzog,  Held  qua  quatuor  zu  schreiben.  Indessen 
ist  die  Annahme  ebenso  zulässig,  dass  Pompejus  alle  Zweiruderer,  die 
er  hatte,  über  den  Molo  scliaffen  lieX^,  in  welchem  Falle  quaäuor  aud  dem 
nächstfolgenden  heraufgenommen  worden  wäre  und  fast  durchaus  das  qua 
verdrängt  hatte.  Für  tenuit  =-  *er  nahm  in  Besitz*  vgl.  3,  47, 1.  3,  100, 1, 
für  effecerat  als  logisches  Plusquamperfect  (passiv  paene  inaula  erat  op- 
pidum effectum)  s.  Hoflfmann  Construction  der  Zeitpartikeln  S.  lOff. 

3,  44,  4.  Die  Handschriften  haben  ohne  erhebliche  Abweichungen: 
Atque  ut  nostri  perpetuas  munitiones  uidehant  perductai  ex 
castellis  in  proxima  castella,  ne  quo  loco  erumperent  Pompeumi 
ac  nostros  po8t  tergum  adorirentury  timehant,  ita  Uli  interiore  spatio 
perpetuas  munitiones  efficiehant,  ne  quem  hcum  nostri  intrare  atque  ^[noe 


*^  et  a  altera  parte  *mss.  5',  älteram  partem  ß, 

'*)  obiecteque  PI,  ohiectaque  P2. 

^')  paeninsulam  ältere  Ausgaben,  Urs.  Ciacc.  Fr.  Hofmann« 

*^  qua  Pa  'unus  Clarkii',  vielleicht  eben  a, 

'•)  ita  ut  ex  , , .  adgrestus  bPa,  ita  ut  ex  , . .  adgrederetur  fin^ft. 


ÜMtr  bi  dv.,  V.  F.  Eraner,  hug.  v.  Z.  FieDkiber.  4>1 

a  fefigpo  circmniienire  passent  Dieser  vielbestrittenen  Stelle,  deren  Sinn 
im  ganzen  freilich  klar  ist,  ist  vielfach  durch  Conjectnren  zu  helfen  ver- 
racht  worden.  Ohne  Annahme  von  Glossenien  ist  es  bei  keiner  abgegangen, 
da  allerdings  die  zwei  Verba  uidebant  und  timebant  anvertraglich  sind. 
Meist  wird  timehcmt  gestrichen  und  uidebant  in  ein  Verb  des  Errichtens, 
Hebens  o.  ä.  corrigiert.  Fr.  Hofmann  schreibt  mit  dem  Cod.  Hotomanni: 
häbdxmU,  um  die  Stelle  lesbar  zu  machen.  Koch  ist  weiter  gegangen  und 
hat  auch  perduetaa  —  casteUa  gestrichen,  als  einerseits  aus  c.  43,  2,  ander- 
leite  aus  dem  unmittelbar  folgenden  entnommen.  Hierin  hat  er  sicher 
Recht.  Immer  aber  bleibt  auch  bei  seinem  Vorschlage  perpetua  mumtione 
promdebafU  ne  e.  q.  s.  das  Imperfect  auffallig,  das  man  doch  nicht  wol 
als  das  des  Versuches  erklären  wird,  femer  ist  nicht  wohl  abzusehen, 
warum  su  prouidebant  jemand  timehcnü  angemerkt  hätte.  Mir  scheint  im 
Gegentheil  Hmebani  echt  zu  sein,  widebant  ein  im  Lauf  der  Ueberlieferung 
ferungl&cktes  efficiebant  und  der  ganze  Satz  perpettuis  munitiones  efficie- 
bimt  perductas  ex  casteUis  in  proxima  casteUa  erklärendes  Glossem  zu 
Aique  ui  nastri,  ne  —  adarirentur,  timebebant,  das  seinen  Ursprung  dem 
letzten  Theil  der  Stelle  selbst  und  c.  43  verdankt,  und  sich  wol  schon 
durch  proxima  als  Zusatz  ankündigt. 

3,45,6.  DicUur  eo  tempore  ghrians  apud  suos  Pompeius  dixisse: 
nofi  ree^8are  se  qym  nvMius  wu8  itnperator  existimaretur,  si  sine  maximo 
detrimento  legiones  Camris  sese  recepiasent  inde,  quo  temere  essent 
progreisae.  Mit  Nipperdey  scheint  die  Aenderung  des  Ciacconius  legio,,' 
recepisset . . .  esset  progressa  allgemein  gebilligt  zu  werden.  Indessen  zu 
«Igen,  dass  die  neunte  Legion  Schaden  nehmen  werde,  war  Pompejus  ge- 
wiss berechtigt,  wenn  auch  die  Sache  nach  Cssars  Bericht  schliefslich  an- 
ders ablief.  Die  Einleitung  C»sars  zu  den  Worten  desselben,  sowie  dass 
er  sie  überhaupt  anführt,  zeigt,  dass  Caesar  eine  ganz  aufisergewöhnliche 
Prahlerei  des  feindlichen  Feldherm  anführen  wollte.  Wenn  man  die  Sache 
Bo  auffiisst,  dass  Pompejus  hofft  auch  bei  den  weiteren  Circumvallations- 
fersuchen  andere  Cssarische  Legionen  so  zu  überraschen,  wie  es  damals 
mit  der  neunten  Legion  geschehen  war,  und  dass  deshalb  schliefslich  das 
Heer  des  CsBsar,  ohne  seinen  Zweck  zu  erreichen,  abziehen  müssen  werde, 
•0  ist  hierin  weder  etwas  der  Situation  nicht  entsprechendes,  noch  für 
Omar  unpassendes.  Diese  Vermuthung  traf  nach  Cesars  Bericht  nicht, 
dafür  ein  anderes  unglückliches  Ereignis,  das  Cesar  sehr  absichtlich  nicht 
auf  Rechnung  seiner  Uebereilung  oder  der  Klugheit  des  Pompejus  setzt, 
sondern  nur  auf  äuilsere  Zulälligkeiten  zurückfuhrt.  Es  wird  also  hiedurch 
nicht  im  mindesten  *der  Scharfblick  des  Gegners  anerkannt.*  Es  scheint 
mir  vielmehr  eine  ähnliche  Ironie  in  der  Stelle  zu  liegen  wie  in  c.  86. 
VgL  auch  Elberling  Obseruationes  criticae  S.  125  ff.  und  Gceler:  Die  Kämpfe 
bei  Dyrrhachium  und  Pharsalus  S.  25. 

8,  46,  5.  Müites  legionis  Villi  subito  con^rati  püa  coniecenmt 
€t  ex  inferiore  loco  aduersus  diiMim  incitati  cwrsu  praecipites  Pompeianos 
egeruni  et  terga  uertere  coegerwnt;  quibus  ad  recipiendum  crates  disiec- 
tae  longuriique  obiecti  et  institutae  fossae  magno  impedimento erant 
So  schittibt  Kraner  für  das  handschriftliche  deredae  iNa  (derete),  direc- 


MC  Cmax  b.  dr.,  y.  F.  Eraner,  ang.  v.  Ii*  VtOMbm'. 

tae  der  andern  Codices.  Mir  scheint  deiedae  richtiger,  das  von  craUi  ge- 
wiss ebenso  gesagt  werden  kann  als  von  twres  b.  c.  2,  22, 1.  Das  folgende 
ist  sicher  unrichtig:  denn  man  mag  sich  die  longurii  noch  fest  steckend 
oder  auf  dem  Boden  liegend  denken,  so  sieht  man  nicht,  was  öbiecH  eigent- 
lich heifsen  soll.  Aus  den  unbedeutenden  Varianten :  obtecti  a,  longiorique 
obiectu  P  und  longuri  (mit  oder  ohne  que  ?)  der  *Cod.  pleriqne*  lisat  ridi 
nichts  schliefsen.  Dagegen  klingt  zwischen  crates  und  fossae  die  Erwäh- 
nung der  longtmi  überhaupt  sonderbar;  man  möchte  fast  eine  ans  b.  g. 
7,  84,  1  gemachte  Interpolation  veranlasst  durch  §.  1  locumgue  in  omne$ 
partes  quam  maxime  impediri  vermuthen. 

3,  48,  1.  Est  etiam  genus  radicis  inuenium  ab  iis,  qu^  fuerant 
ualerilmSj  quod  appeUatwr  chara,  quod  admixtum  Jade  fnuÜum  inopiam 
leuabai.  Id  ad  similitudinem  panis  efficiebant,  Eiua  erai  fnagna 
copia.  Ex  hoc  effe  ctos  paneSj  cum  in  coUoquOs  Pampeiani  famem  nos^ 
obiectarent,  uulgo  in  eos  iaciebant,  ut  spem  eorum  m4nuerent.  Der  Sati 
Id  —  efficieha/nt  stört  den  Zusammenhang  und  sagt  nichts  anderes  als 
später  ohnehin  kömmt,  und  zwar  in  einer  gelenkeren  Form.  Ferner  was 
heifst  ad  similitudinem  ?  panis  kann  hier  nur  von  der  Form  gesagt  sein: 
da  wird  aber  nicht  blofs  eine  ähnliche  Gestalt,  sondern  offenbar  die  gleiche 
gemacht  worden  sein,  wie  gleich  im  folgenden  richtig  steht  ex  hoc  effee- 
tos  panes.  Da  femer  in  Parj/iQO  und  im  Cod.  bist,  misc  ad  fehlt,  liegt 
die  Yermuthung  nahe,  ex  his  similitudinem  panis  efficiebant  sei  die  or- 
sprüngliche  Form  der  Randnote  gewesen. 

3,  51,  8.  Pompeius  tumulum  quendam  occupauit,  qui  ianiwm  äberat 
a  nostro  casteUo,  lU  telwn  tormentumue  missum  adigi  non  posset.  a 
hat  tortnenium,  b:  tormentorum.  Seit  Nipperdey  wird  mit  Vossias  und 
Dauisius  nach  /noa^  IVossian.  telum  tormento  gelesen.  P  und  nach  Ouden- 
dorps  Schweigen  die  übrigen  Handschriften  haben  telum  tormentumue. 
Da  dieses  die  gewichtigere  Ueberlieferung  für  sich  hat,  zumal  auch  a  und 
b  darauf  fuhren,  ist  es  aufzunehmen.  Gegen  die  Bedenken  von  Voesius 
und  Dauis.  hat  Oudcndorp  es  so  gut  vertheidigt,  dass  es  unnöthig  ist 
etwas  zuzusetzen  als  etwa,  dass  die  Erwähnung  von  telum  (aus  der  Hand 
geworfen)  neben  tormentum  nicht  tautolog  ist,  vgl.  3,  56,  1. 

3,  61,  2.  Nam  ante  id  tempus  nemo  aut  miles  aut  eques  a  Casare 
ad  Pompeium  transierat,  cum  paene  cotidie  a  Pompeio  ad  Casarem  per- 
fugerent,  uulgo  xiero  uniuersi  in  Epiro  atque  Aetolia  comeripH  imtt- 
tes  earumqu£  regionum  omnium  quae  a  Casare  tenehantu/r.  Die  Worte  ¥/¥ifO 
nero  uniuersi  haben  viel  auffälliges.  Erstens  schliefsen  sich  uulffO  und 
imittersi  aus  und  ist  die  Verbindung  beider  noch  ziemlich  verschieden^  Yon 
uniuersi  omnes  u.  ä.,  woran  Oudendorp  erinnert  Femer  scheint  von  jMiefie 
cotidie  zu  uulgo  keine  solche  Steigemng  zu  sein,  dass  sie  durch  wfo 
hervorgehoben  werden  kann.  Ob  nicht  uulgo  zu  entfernen  ist?  Es  könnte 
dem  Zeichen  einer  Variante  ui  seine  Entstehun«:  verdanken,  durch  welches 
das  in  einem  frühen  Exemplar  fehlende  uero  als  Variante  übergesetzt  war. 
3,  70,  2.  Munitiones  enim  a  castris  ad  fiumen  perductae  ex- 
pugnatis  iam  castris  Pompei  propriamexpedi  tamqne  uictariam 
Casans  interpeVauerwnt.  So  haben  abca,  in  P  fehlt  propriam  «ad  que, 


CSwtr  b.  civ.,  t.  F.  Kraner,  ang.  v.  L.  VieViaber.  488 

in  ^  und  ß  »•)  bloA  gw«,  ebenso,  in  dem  aber  prape  tarn  steht;  die  an 
die  funilia  parisina  sich  anschlieXisenden  deteriores  scheinen  eben&lls  pr(^e 
iam  m  haben.  Ondendorp  hatte  nach  Vossius  prope  iam  expeditam  ge- 
schrieben, worin  ihm  Monis,  Herzog  u.  a.  gefolgt  sind.  Nachdem  Held 
xnerst  Yeisncht  hatte  propriam  zn  halten,  ist  es  seit  Nipperdey  allgemein 
aufgenommen.  Mit  Recht.  Denn  von  den  Gegengründen  hat  der  von  Yossins 
Toxgebracfate  'si  propria  erat  uictoria,  nihil  opus  addere  eocpedüa;  si  ex- 
pedita  tantum,  nondum  propria'  allein  einige  Bedeutung.  Fasst  man  jedoch 
expugnatia  —  uictoriam  in  enger  Verbindung  mit  propriam,  so  entsteht 
der  Gredanke,  dass  durch  die  Besiegung  der  Pompejanischen  Legion  ftir 
Cäsar  der  Sieg  sicher  geworden  (propriam)  und  leicht  weiter  zu  verfolgen 
(ea^edäaim)  bis  zur  Vernichtung  des  ganzen  Heeres  des  Feindes. 

8,  75,  3.  Neque  uero  Pompeius  cognUo  consilio  eius  moram  uOam 
ad  insequendum  nUülU;  sed  eadem  spectans,  si  itinere  impedUos  per- 
terrüos  deprehendere  passet,  exerdtum  e  castris  eduxü  e.  q.  s.  Dass  weder 
der  Plural  eadem,  noch  überhaupt  das  Pronom  idem  stehen  kann,  ist  klar. 
Von  den  vorgeschlagenen  Aenderungen  td,  id  modo,  caedem,  ea  demtm, 
eodem  (Fr.  Hoftnann)  genügt  keine,  ebenso  unwahrscheinlich  ist,  dass 
eadem  specUms  Glossem  sei  (Eraner).  Ich  möchte  lesen  sed  deleturum 
^^eroHB,  M  e.  q.  8. 

3,  81,  3.  lUe  idoneum  loeum  in  agris  nactus  quae  prope  iam 
matura  erani,  ün  aduentum  expectare  Pompei  eoque  omnem  heUi  ra- 
Uonem  conferre  consHtuU,  So  die  beste  Ueberlieferung,  in  der  offenbar 
etwas  unrichtig  ist,  denn  dass  segetis  nach  iUe  überhaupt  eine  handschrift- 
liche Gewähr  hatte,  ist  aus  Oud.  Ausgabe  noch  nicht  sicher.  Die  beachtens- 
wertheeten  Vorschl&ge  sind  die  Einschiebung  von  copia  frumentorum  nach 
nactus  (Nipperdey,  Doberenz),  pienis  frumentorum  ebenfalls  nach  nactus 
(Fr.  Hofinann)  und  die  Einschiebung  von  frumenta  nach  matura  oder  nach 
erant  und  Aenderung  von  quae  in  quiay  was  schon  Th.  Bentley  vorschlug, 
a  Oberlin  und  Dähne.  Ich  glaube,  dass  die  Verwirrung  dadurch  entstan- 
den ist,  dass  in  agris  an  falsche  Stelle  gerathen,  was  dann  auch  den  Aus- 
fall von  frumenta  und  die  Aenderung  des  ursprünglichen  quod  in  quae 
(P  hat  qui,  nicht  abgekürzt)  nach  sich  gezogen  hat.  Es  war  also  das  ur- 
sprüngliche: IUe  idoneum  locum  nactus,  quod  in  agris  frumenta 
prope  iam  matura  cremt  e.  q.  s. ,  vgl.  b.  g.  1,  16,  2.  1,  40,  11  u.  a.  Der 
Cod.  hisi  misc.  hat:  Tum  cum  frumenta  prope  maturitaiem  essent,  locum 
idoneum  nactus  ad  pugnam  expectabat  Pompeium,  qui  eo  mox  deuenit. 
3,  97,  2.  Qua  re  impetrata  montem  opere  circummunire  insHtuit, 
Pompdani,  quod  is  mons  erat  sine  aqua,  diffisi  ei  loco  relicto  monte 
uniuersi  iuris  eius  Larisam  uersus  se  recipere  coeperunt.  So  die  be- 
glaubigste  Ueberlieferung;  denn  simtU,  das  rjfi,  oq  statt  tum  haben, 
mit  Auslassung  von  eius  kündigt  sich  als  Correctur  an.  Sicher  ist,  dass 
man  nach  Wassius  richtig  vugis  statt  iuris  schreibt,  aber  eius,  das  man 


")  ß  stimmt  sonst  mit  der  familia  parisina,  schliefst  sich  aber  in  dem 
mittleren  Theile  des  3.  Buches  des  b.  c.  näher  an  P  und  N,  näm- 
lich in  der  Partie  von  c.*49  nach  der  Lücke  bis  dort,  wo  die  gröfsere 
Lücke  in  X  aufhört,  c.  87  Ende. 


484  Omar  b.  cW.,  t.  F.  Krämer^  ang.  ▼.  L.  VieOwber. 

lässt,  scheint  ebenfalls  unhaltbar.  Dadurch  werden  die  iuga  aU-Tbeüe 
des  ursprünglich  besetzten  Berges  bezeichnet,  was  zu  §.  4,  wo  ein  «mmw 
gmdam  offenbar  als  ein  selbständiger  erwähnt  wird,  nicht  passt  Die 
Aenderung  in  üli8  ist  leicht  genug,  da,  wenn  einmal  das  Substantiv  ver- 
dorben war,  das  Pronomen  folgen  musste.  S.  auch  die  Bemerkung  tod 
Clarkius. 

Einige  Kleinigkeiten  mögen  noch  schliesslich  kurz  berührt  werden. 
Bei  Doberenz  ist  S.  49  in  der  Berechnung  des  Preises  eines  Modiua  Getreide 
ein  Versehen.  Ebenso  ist  2, 11,  4  bei  Doberenz  conaequena  zweimal  erklärt, 
und  zwar  so,  dass  die  beiden  Erklärungen  sich  ausschlieHsen.  —  2,  20,  8 
relatia  ad  eum  puMicis  cum  fide  rationtbus,  guod  penea  eum  est  peeuniae 
tradü  et  quid  übique  haheat  frumenH  et  nauitmi  ostendit.  Dazu  bemerkt 
D.  'quid  —  haheat:  der  Conjunctiv,  weil  der  Satz  als  Gedanke  de«  Varro 
zufassen.*  Da  kaum  anzunehmen,  dass  D.  überhaupt  den  Co^juncÜT  der 
abhängigen  Fragesätze  habe  erklären  wollen,  ist  wol  anzunehmen,  daas  die 
Note  einer  unbedachten  Herübemahme  aus  einem  Commentar  Ton  Dähne 
oder  einem  nach  Dähne,  der  aber  mit  den  früheren  quod  las,  vielleicht 
aus  Herzog  oder  Möbius  (der  zwar  quid  liest,  aber  auch  über  quod  spricht) 
ihre  unberechtigte  Existenz  verdankt.  Uebrigens  hat  ah  ßr^ln  q^Mf  P 
hat  quod  (abgekürzt):  ist  dieses  die  Leseart  der  familia  hauniensis?  — 
3,  1,  4.  Cffisar  spricht  so  ohne  Einschränkung,  dass  wir  seine  Worte  nicht 
auf  vielleicht,  möglicherweise  vorgekommenes  beziehen  können,  sondern 
nur  auf  ganz  bestimmte  Facta.  Dass  wir  diese  nicht  kennen,  ist  nicht 
CsBsars  Schuld.  —  3,  10,  2.  Was  Nipperdey  durch  cogüare  poterat  nur 
als  möglich  hinstellt,  das  nimmt  Doberenz  zur  Erklärung  von  iudioauerat 
als  wirklich  an.  iudicauerat  ist  logisches  Plusq.  CsBsar  hatte  sich  das 
Urtheil  gebildet,  dass  Yibullius  zu  einer  Botschaft  an  Pompejus  tauge 
(wann?  ist  gleichgiltig)  und  dieses  Urtheil  hatte  er  noch  im  Augenblick  der 
Absendung.  Uebrigens  ist  Fr.  Hofinann's  Bemerkung  sehr  beachtenswerth. 
—  3,  21,  4.  Es  ist  wol  nicht  mit  Kraner  und  Doberenz  das  Object  zu 
coniunxit  aus  dem  beim  folgenden  praemisit  stehenden  eum  zu  entnehmen, 
sondern  nach  einer  bei  Caesar  häufigen  Ausdrucksweise  aus  dem  voraufge- 
gangenen ablat.  absol.  —  3,  42,  1  secundo  imts  consüio  braucht  nicht  zu 
bezeichnen,  dass  Pompejus  diesen  Plan  'schon  vorher  gefasst  hatte',  wie 
Doberenz  meint;  es  wird  der  zweite  Plan,  der  auf  den  ersten  folgte,  als 
der  zweitbeste  bezeichnet.  —  3,  59, 1.  Doberenz  erklärt  equitum  numero 
so,  als  hätte  er  in  equitum  numero  mit  f  im  Texte :  übrigens  ist  Fr.  Hof- 
mann wieder  zu  der  Leseart  der  familia  hauniensis:  ex  e,  n.  (so  haben 
eP)  wol  mit  Recht  zurückgekehrt  —  3,  65,  1.  que  und  et  stehen  nicht, 
wie  Doberenz  meint,  in  Correlation,  sondern  que  knüpft  an's  frühere  und 
iam  —  et  beziehen  sich  in  bekannter  Weise  (et  fast  einem  cum  im  Nach- 
satz gleich)  auf  einander.  —  3,  67,  3.  Für  die  Erklärung  von  duplex  adet 
hätte  Doberenz  nicht  Nipperdey  folgen  sollen,  s.  Kraner. 

Wien.  Leopold  Vielhabor. 


K  Herzog,  Gallia  Narbonensis,  ang.  v.  L.  Vielhaber.  4S5 

Galliae  Narbonensis  prouinciae  romanae  historia,  descriptio,  in- 
stitutonun  expositio  scripsit  Ernestus  Herzog  Tubingensis.  Accedit 
Appendix  epigraphica.  Lipsiae,  Teubner,  1864.  —  3  Thlr. 

Das  Werk  enthalt  zuerst  die  Geschichte  des  südlichen  Galliens  vor  der 
Bömerhenrschaft,  in  der  die  Iberer  und  Ligurer  als  die  ältesten  Einwohner 
des  südlichen  Gbdliens  dargestellt  werden ,  dann  der  Verkehr  der  Phönicier, 
die  Einwanderung  der  Gelten  um  600  v.  Chr.  angesetzt,  die  Ansiedlung 
der  Griechen,  Gründung  Massilia's  und  sein  Verkehr  mit  dem  Hinterlande, 
seine  Colonien  und  Verwaltung  dargestellt  wird,  und  eine  Aufzählung  und 
Charakteristik  der  vor  der  römischen  Occupation  bekannten  Völker  schlierst 
das  Trooemium.'  Das  erste  Capitel  des  ersten  Theiles  behandelt  die  Qe- 
schichte  der  prouincia  Narbonensis  bis  auf  die  Statthalterschaft  CflBsars, 
das  zweite  von  der  durch  CsBsar  und  Augustus  erfolgten  Fixierung  der 
Provinzverhältnisse,  deren  Beginn  mit  groXber  Wahrscheinlichkeit  46  y.  Chr., 
deren  Ende  22  t.  Chr.  angesetzt  wird.  In  Betreff  des  Ausdruckes  oppida 
Inlia  und  oppida  lulia  Augusta  schlieXIst  sich  der  Verfasser  an  Borghesi 
an  S.  86  ff.  Im  dritten  Capitel  ist  die  Geschichte  der  Provinz  von  Au- 
gustus bis  Diocletian  behandelt  Der  zweite  Theil  beschäftigt  sich  nach 
einer  topographischen  Uebersicht  mit  der  Stellung  der  Provinz  und  der 
Plrovincialen,  ihrer  Verwaltung  und  Behörden,  sowie  der  römischen  Lei- 
tung derselben.  Ein  kurzer  Abschnitt  behandelt  den  Cultus  der  Provinz 
vonugaweise  nach  der  Seite  hin,  dass  das  römische  in  demselben  hervoi^ 
gehoben  und  dessen  üebereinstimmung  mit  den  sonstigen  Municipalein- 
richtungen  nachgewiesen  wird.  Der  zweite  Haupttheil  (mit  eigener  Seiten- 
zählnng)  ist  den  auf  die  Narbonensische  Provinz  bezüglichen  Inschriften 
gewidmet,  welche  der  Verfasser  theils  selbst  abgeschrieben,  theils  nach 
den  besten  Quellen  mitgetheilt  hat  Zwei  genaue  Indices  erhöhen  die  Ver- 
wendbarkeit dieses  Theiles.  Es  ist  nach  diesem  kurzen  Abriss  klar,  dass 
bei  dem  Umstand,  als  beinahe  der  gröXste  Theil  auch  des  ersten  Abschnites 
auf  Inschriften  beruht,  von  denen  nicht  selten  sogar  der  Fundort  erst  durch 
eine  mehr  oder  weniger  wahrscheinliche  Conjectur  festzustellen  war,  neben 
dem  vielen,  was  durch  das  Buch  vollkommen  sicher  gestellt  ist,  nicht 
weniges  schwankend  bleibt,  welchen  Umstand  auch  der  VerfcuBser  wenig- 
stens im  allgemeinen  anerkennt  Dazu  kommt  noch,  dass  zu  den  topo- 
graphischen Bestimmungen  ein  Mittel  der  Untersuchung  nicht  zu  vermei- 
den war,  das,  so  wichtig  es  vielfach  ist,  doch  wieder  seine  Bedenken  hat, 
nämlich  die  Schlüsse  aus  gegenwärtigen  Benennungen.  Bef.  hat  sich  so- 
wol  in  dieser  als  in  der  Mher  erwähnten  Beziehung,  sowie  in  anderer 
Hinsicht  einige  zu  gegründetem  Zweifel  Anlass  gebende  Erörterungen  an- 
gemerkt. Da  er  jedoch  sich  nicht  in  der  Lage  sieht,  über  solche  Puncte 
eine  ganz  zweifellose  Entscheidung  geben  zu  können,  unterlasst  er  es  hier 
darauf  einzugehen.  Einen  allerdings  der  Natur  der  Sache  nach  minder  wich- 
tigen Punct  will  er  kurz  zum  Schluss  noch  erwähnen,  die  eigenthümliche 
Sprache.  Während  einerseits  das  sichtbare  Streben  nach  den  elegantiae 
lennonis  hervortritt  in  Verwendung  von  rhetorischen  Formen,  Satzverbin- 
dungeuu.  s.  w.,  ist  die  lezicalische  Richtigkeit  viel&ch  zu  verioissen,  wenn 


480       C,  Schmidt,  0.  OeUen,  Lat.  Lesebach,  ang.  t.  E,  Jahn. 

z.  6.  SS.  35  occupati  pascendo  pecori  wol  ein  Druckfehler  ist,  so  sind 
nonc  in  der  Erzählung  oonsilia  generalia,  das  seinerzeit  beliebte  gaudere, 
corporatus  u.  ä.  doch  auch  in  solchen  Darstellungen  zu  meiden,  um  so 
mehr,  wenn  solche  Dinge  gegenüber  allerlei  elegantiis  einen  noch  unange- 
nehmeren Eindruck  machen. 

Wien.  L.  Vielhaber. 


Meniorabüia  Alexamlri  Magni  et  dUorum  virorum  ültAStrium 
seUctasque  fabulaa  Phcßdri  in  usum  8cholarum  ed/idenmt  C.  Schmidt, 
0.  Gehlen,  Vindobonae,  typis  Sommer!  —  1  fl.  5.  W. 

Unter  obigem  Titel  liegt  ein  Lesebuch  fftr  die  dritte  Gymnasial« 
classe  Yor,  das  durch  seinen  sprachlichen  Lihalt  als  Grundlage  bei  dem 
Lateinunterrichte  zu  dienen,  durch  seinen  sachlichen  zugleich  den  jugend- 
lichen Lesern  eine  anziehende  Leetüre  zu  bieten  in  hohem  Grade  geeig- 
net erscheint  Sicherlich  ist  es  keine  Nebensache,  dass  Lesestücke  auch 
ihrem  Stoffe  nach  das  Literesse  des  Lernenden  wecken,  die  Aufimerksam- 
keit  fesseln,  das  Wissen  bereichem,  den  geistigen  Horizont  erweitem.  In 
erster  Hinsicht  wird  am  besten  gesorgt,  wenn  nur  Eine  grolbartige  Er- 
scheinung, Eine  Hauptperson  vor  Augen  steht,  an  welche  sich  die  erzäid- 
ten  Begebenheiten  insgesammt  anschliel^en,  nicht  aber  durch  bunte  Menge 
verschiedenartiger  Geschichtchen  Zerstreuung  und  Verwirrung  entsteht 
Alle  Persönlichkeiten  des  Alterthums  überglänzt  unstreitig  Al^under  der 
Grofse;  Alezander,  von  so  vielen  antiken  Historikem  verherrlicht,  von  den 
Dichtem  des  Mittelalters  vor  allen  Helden  gefeiert,  in  den  Volksaagen  des 
Orients  noch  heute  fortlebend;  er,  der  nicht  allein  durch  nachhaltiges 
Eingreifen  in  die  G^chicke  so  vieler  Nationen  welthistorische  Bedeutung, 
sondern  auch  durch  abenteuerliche  Züge  bis  an  das  Ende  der  damals  be- 
kannten Welt  (S.  121  ff.)  einen  zauberhaften  Nimbus  erhielt  —  und,  was 
ihm  die  Sympathie  der  Jugend  am  meisten  gewinnt,  alles  dieses  in  so 
jungen  Jahren!  (s.  S.  130,  Z.  11)  Gerade  von  diesem  einzig  dastehenden 
Heros  allein  besitzt  die  römische  Literatur  -^  nämlich  die  uns  gerettete  — 
eine  ausführliche,  bis  auf  die  Kindheitsgeschichte  vollständige  Biographie 
in  den  acht  Büchern  des  Q.  Curtius  Rufus.  Daraus  ist  der  Hauptbestand- 
theil  der  vorliegenden  Chrestomathie  (S.  5—136)  geschickt  entnommen. 

Abgesehen  von  seinem  vielfach  unterschätzten  historiographiscfaen 
Werth  erweist  sich  Curtius  in  formaler  Hinsicht  wegen  der  eleganten,  im 
ganzen  correcten  Sprache,  des  leichten  Satzbaues,  der  lebensfrischen  Sohil- 
derangen,  der  glänzenden  Beden  mit  ihren  geistreichen  Eemsprüchen  für 
diese  Stufe  des  philologischen  Lehrcursus  unter  allen  lateinischen  Plo- 
saikem  als  der  lesenswertheste.  In  sorgfaltig  ausgewählten  und  passend 
verbundenen  Bmchstücken  desselben  erhält  hier  der  Schüler  ein  anschau- 
liches Lebensbild  den  glückreichen  Eroberers  wie  in  einem  Novellencydus, 
so  dass  jeder  begabte  Knabe ,  sobald  er  nur  einige  Blätter  durchstudiert 
hat,  von  Neugierde  zum  Weiterforschen  angespomt  werden  muss.  Wie 
anziehend  sind  die  abgerundeten  Histörchen  von  Abdalonymus  (6.  86). 
Charidemus  (S.  15),  Dioxippos  (S.  131),  Orsines  (S.  132),  dem  Tode  des 


C  SchnUdi,  0.  CMden,  Lat  Lesebach,  ang.  v.  E,  Jahn,       487 

Parmenio  (S.  78)  und  Clitos  (d2),  vor  allen  aber  die  Heldenthat  Alexanders 
bei  den  Oxydrakem  (8.  125);  wie  lebendig  die  Beschreibung  der  Orakel- 
stätte  (8.  30),  des  indischen  Landes  (8.  107),  des  Brandes  von  Persepolis 
(8.  57),  der  Einnahme  des  Felsens  Aomis  (S.  110).  Wie  machtig  durch- 
dringen das  Gemüth  die  Beden  Alexanders  (8.  61, 120,  68,  134),  des  Dareos 
(S.  38,  52),  der  abgesandten  8c7then  (8. 87). 

In  Einzelnheiten  freilich  weicht  Curtius  von  der  mastergütigen  La- 
tinität  des  goldenen  Zeitalters  oft  genug  ab,  besonders  mit  der  Anwen- 
dung poetischer  Worte  und  Constructionen,  mit  gewissen  Eigenheiten  im 
Gebrauche  der  Partikeln,  auch  der  Tempora  und  Modi  des  Yerbums.  Diesen 
Abnormitäten  in  den  ausgewählten  Stücken  überall  den  regelrechten  Aus- 
druck zu  substituieren  war  die  keineswegs  leichte  Aufgabe  der  Herren 
Herausgeber:  sie  wurde  lobenswerth  gelöst. 

Bevor  nun  einzelne  8tellen  zur  Sprache  kommen,  drängt  sich  die 
Nothwendigkeit  auf,  um  dem  Leser  die  Prüfung  der  Einwände  zu  ermög- 
lichen, etwas  einzufügen,  was  im  Buche  vennuthlioh  nur  versäumt,  nicht 
absichtlich  unterlassen  ist.  Es  wird  nämlich  bei  den  Abschnitten  die  An- 
gabe ihres  Platzes  im  vollständigen  Auetor  durch  Bezeichnung  des  Buches 
und  Capitels  vermisst.  Diese  war  am  zweckmäXiBigsten  jedesmal  bei  den 
Ueberschriften  beizufügen,  oder  wenigstens  in  dem  Index  8.  1  ff.  anzu- 
bringen. Bis  auf  die  Modification  einzelner  Worte  und  Redensarten,  welche 
als  solche  nipht  fÜgUch  im  Contexte  angedeutet  werden  konnte,  sind  hier 
Bruchstücke  eines  classischen  Auetors  aneinander  gereiht.  Dabei  muss  der 
Fachmann  in  den  Stand  gesetzt  sein,  überall  ohne  zeitraubendes  und  lästi- 
ges Herumsuchen  im  Auetor  selbst  nachzuschlagen,  um  das  Ursprüngliche 
von  der  Abänderung  zu  sondern  und  Commentare,  lexikalische  Notizen, 
Uebersetzungen  zu  vergleichen.  Dem  Tertianer  darf  es  vor  der  Hand  gleich- 
giltig  bleiben,  ob  irgend  eine  Phrase  von  Curtius  oder  sonst  woher  stammt — 
dem  Ldirer  nicht,  üebrigens  erleidet  durch  diesen  geringen  Mangel  die 
Verwendbarkeit  des  trefflichen  Buches  für  den  Schulgebrauch  keine  Beein- 
trächtigung. 

C.  I— IV.  S.  5—14  sind  aus  den  Supplementen  der  verlorenen  zwei 
Bücher  von  Joannes  Freinshemius  in  möglichster  Bündigkeit  ausgezogen. 
Mit  welcher  Feinheit  dabei  die  Sprache  geläutert  wurde,  davon  möge  als 
Specimen  dem  Kenner  des  Lateins  eine  unscheinbare  Emendation  genügen, 
nämlich  8. 7,  Z.  4  restricHor  statt  adstrictiar.  Nur  an  ganz  wenigen  Stellen 
erscheint  Freinsheim  deutlicher.  Man  vergleiche  8.  5,  Z.  13  cum  simitl  et 
de  Oiyn^piorum  vktoria  cognovit  —  Fr.  1,  1  (p.  5  Seiht)  cum  et  Olympia 
quadrigis  se  vicisse  eognovit;  S.  7,  Z.  1  cremabis  —  Fr.  1,  2,  p.  9  adoU- 
Ine;  8.  14,  Z.  1  et  manu  et  crista  canspicuue  —  Fr.  2,  5,  p.  72  armie 
manuque  et  mperiia  consp.;  8. 14,  Z.  23  fingt  —  Fr.  2,  5,  p.  74  in  aere 
fmgi.  8.  8,  Z.  24  nepoti  —  Fr.  1,  9,  p.  36  natum  ex  ea  paucis  ernte  pa- 
irii  necem  diebus  puerum.  8. 7,  Z.  35  neque  . . .  veUet  herrscht  Unklarheit 
betreffs  des  Subjectes,  nicht  bei  Fr.  1,  4,  p.  17.  8.  12,  Z.  12  bleibt  id 
unum  «W  excepercU  ebenso  dunkel,  wie  Freinsheim's  Jwe  u.  s.  c.  8.  9, 
Z.  K)  nisi  Alexander  essem,  essem  Diogenes  —  Fr.  1,  11,  p.  41  dixisse 
feriwr,  Diogenem  eue  voluiaee,  m  Aiexander  eeeet. 


4S8       a  SOmidt,  0.  GehUn,  Lat.  Lesebach,  ang.  v.  R  Jah$^ 

C.  VI  ist  gröfbtentheils  aas  Jastinas  (11,  7);  Yon  Z.  19  an  aas 
Curtios  3,  1  (2  Zampt),  17.  VU:  3,  2  (4),  1.  VIU:  3,  5  (12),  2.  IX,  3,  6 
(14),  1.  X:  3,  7  (17),  1.  XI:  3,  10  (25),  1.  XU:  3,  11  (29),  24.  XIH:  4, 
1,  1.  XIV:  4,  1  (3),  15.  XV:  4,  2  (7),  1.  XVI:  4,  5  (21),  1.  XVH:  4,  7 
(29),  1.  XVm:  4,  10  (40),  26.  XIX:  4,  11  (43),  1.  XX:  4,  12  (45),  1. 
IXI:  4,  14  (53),  8.  XXII:  4,  15  (56),  3.  XXHI:  5,  1  (2)  10.  XXIV:  5,  2 
(8),  8.  XXV:  5,  3  (12),  16.  XXVI:  5,  6  (20),  1.  XXVH:  5,  8  (24).  1. 
XXVm:  5,  13  (35),  1.  XXIX:  6,  2  (6),  12.  XXX:  6,  4  (10),  8.  XXXI: 
6,  7  (25),  1.  XXXU:  6,  8  (29),  1.  XXXUl:  6,  9  (32),  1.  XXXIV:  6,  9 
(85),  25.  XXXV:  6,  11  (42),  20.  XXXVI:  7,  2  (7),  11.  XXXVH:  7,  4  (15), 
1.  XXXVIH:  7,  6  (26),  13.  XXXIX:  7,  6  (28),  25.  XL:  7,  9  (88),  20. 
XLI:  8,  1  (3),  9.  XLII:  8,  3  (11),  1.  XLIH:  8,  4  (14),  1.  XLIT:  8,  5 
(17),  1.  XLV:  8,  6  (20),  1.  XLVI:  8,  9  (31),  15.  XLVH:  8,  10  (34),  h 
XLVm:  8,  11  (39),  1.  XLIX:  8,  12  (42),  1.  L:  8,  13  (44),  1.  LI:  8,  14 
(47),  L  LH:  8,  14  (50),  30.  LHI:  9,  1,  L  UV:  9,  2  (7),  1.  LV:  9,  3 
(11),  l.  LVI:  9,  4  (16),  15.  LVH:  9,  6  (23),  1.  LVHI:  9,  7  (28),  12.  UX. 
10,  1  (4),  22.  LX:  10,  2  (8),  8.  LXI  ist  nach  der  Ergauzong  FreinscheimB 
(p.  257  Foss,  478  Seibt)  and  Cartias  10,  5  (14),  3  ff.  zasammengestellt 

Der  Text  folgt  sorgföltig  den  drei  vorzüglichsten  Aasgaben  des 
Cartias:  von  Zampt  (Braanschweig,  1849),  Mützell  (2  Theile,  Berlin,  1841) 
and  Foss  (in  der  Teabner'schen  Sammlang,  1862).  Demgemads  steht  dnich- 
wegs  Dareus,  reppeH  (S.  15,  Z.  15;  III,  33;  119,  10;  133,  1),  reUüU 
(8. 116,  Z.  2),  oppenri  (S  .112,  Z.  1).  S.  90,  Z.  19  ist  abscisa  mit  Z.  gegen 
M.  and  F.  aafgenommen  (s.  Zampt's  Anmerkang  p.  347  b);  S.  113,  Z.  7 
dicioni  mit  Z.  and  M.  gegen  F.;  S.  123,  Z.  3  dipeo  mit  Z.  and  M.  gegen 
F.  Aber  S.  74,  Z.  8  hätte  gegen  Z.,  M.  and  F.  die  Volgata  cessurum  an- 
bedingt den  Vorzag  verdient  (s.  die  Noten  MützelVs  p.  592,  nnd  Zompt^s 
p.  283).  S.  69,  Z.  31  wäre  durch  eimi  statt  des  allgemein  angenommenen 
unum  das  Verständnis  erleichtert.  Unnöthig  von  den  drei  Leitern  abge- 
wichen ist  S.  108,  Z.  12  in  nixu  statt  niau  (s.  Mützell*s  Note  p.  777  b): 
dann  in  den  Eigennamen  S.  25,  Z.  33  Marathum  st.  Marathon;  26,  30 
Sidonem  st.  Sidona;  31,  7  and  32,  23  Mareotim  st.  Mareotm;  44,  27 
Mennim  st  Mennin;  46,  18  Choaspem  st.  Choaspen;  101,  10  Agkn  si 
Agin;  110,  6  Aornim  st.  Aornin;  113,  10  und  12,  19  Cleocharem,  Hy- 
dcupem  st.  Cleocharen,  Hydaspen;  120,  25  Hypasim  st.  Hypasin;  120,  29 
Phegeum  st.  Phegea.  Anfälliges  Schwanken  herrscht  in  den  Accnsativ- 
formen  Macedones  and  Macedonas,  während  F.,  Z.,  M.  die  letztere  haben. 
Das  merkwürdigste  Beispiel  findet  sich  S.  101,  Z.  28  nnd  30.  Ictum  st 
jactum  S.  21,  Z.  26  and  S.  48,  Z.  21,  dann  macte  st.  macH  S.  27,  Z,  5 
kennen  Drackfehler  sein.  S.  31,  Z.  36  fehlt  manat  hinter  tepida;  S.  64, 
Z.  18  86  bei  sOenda;  S.  71,  Z.  17  mihi  nach  confesso.  S.  58,  S.  6,  7  ver- 
kehrt sich  der  Sinn,  weil  das  beseitigte  Subject  ^ado  ohne  Ersatz  blieb. 

Bei  wiederholter  Durchmasterung  der  geänderten  Stellen  fand  sich 
keine,  wo  die  sabstitaierten  Worte  von  der  strengclassischen  Latinitfit  ab- 
gewichen wären.  Aber  dass  dnrch  die  Aendernng  gewonnen  wurde,  lisst 
sich  zunächst  in  folgenden  Fällen  anzweifeln.  S.  19,  Z.  34  verdient  graUs 
den  Vorzug  wegen  des  folgenden  quasi  praesenH  deo;  und  auch  gwm  ist 


C.  ßt^midi,  0.  OeMen,  Lai  Lesebuch,  anff.  t.  R  Jahn.       489 

anpöthige  Aenderong  st  veliU,  S.  20,  Z.  3  hat  properans  das  festinans 
Terdrängt,  während  doch  festinare  mit  dem  Infinitiv  bei  gnten  Prosaikern 
vorkommt,  und  es  sich  nur  überhaupt  um  Herstellung  eines  durchweg 
normalen,  wenngleich  nicht  dceronischen  Lateins  handelt  S.  20,  Z.  13 
war  fiUuros  nach  perfidiae  nicht  auszuwerfen;  noch  viel  weniger  S.  21, 
Z.  10  instinäu  purpuratorum  harhara  ferUate  saevientium,  wodurch  ein 
Beitrag  zur  Charakteristik  des  Dareios  (vgl.  S.  16,  Z.  26)  verloren  geht. 
S.  21,  Z.  30  retinens  st  oohibens;  22, 16  8ummam  Lariam  st  opimum  decus; 
23,  23  grandis  galant  st  onus;  23,  25  ewdiis  st  laceraHs;  27,  16  ini- 
mieoB  frugibus  st  sterüea;  31,  8  pergit  tenere  viam,  quam  instüuü  st 
destinata  exequi  pergü  (ebenso  83,  25  quae  desHnaverat,  feriebat  st  desti- 
nata  feriebat);  33,  16  per  partam  ab  hoste  a/versam  st  per  eam  portatn, 
quae,  quia  ab  hoste  aversa  erat,  levius  custodiebatfMr ;  37,  20  (und  89,  4) 
infrefuOoa  st.  frenatos;  42,  36  gladio  st  acinace,  welches  133,  1  richtig 
beibehalten  ist,  sowie  44,  16  gaea;  43,  7  (und  59,  23)  magna  vis  pulveris 
st  nubes  pulveris,  wie  unter  andern  auch  Livius  schreibt;  46^  8  compulity 
ut  imäaretur  st.  compuHit  tmitor»,  da  doch  der  Infinitiv  mehr  und  bessere 
Auctorität  hat;  50,  11  signa  conveUit  st  surgit;  56,  38  dubitare  desiit  st. 
exempta  dubiiatio  est;  60,  18  bibit  statt  des  sehr  bezeichnenden  sorbet; 
61,5  deUrantibus  st.  lymphaHs;  64,26a  se  impetrare  st  sustinere;  70,  30 
impos  ofttmi  st  linquente  arUmo ,  wobei  zugleich  Z.  28  amens  et  attonitus 
ausfiel;  71,  23  tanta  st  tarn  aUa;  71,  36  in  imperium  st  imperio;  72,  26 
pereo  st.  eripior;  72,  28  QtM  —  condamant,  worin  namentlich  ab  dliis 
rithselhaft  klingt,  st  Tum  vero  universa  eoncio  accensa  est,  et  a  cor- 
poris custodibus  initiwm  factum,  damantibus;  11,  5  advenerunt  st.  super- 
veneritnt;  80,  17  praeter  professionem  magicae  artis  st  sed  magicae  artis 
(si  modo  ars  est,  non  vanissimi  eujusque  li^ibrium)  magis  professione 
quam  scientia  celeber,  älioqui;  81,  29  haustis  rebus  st  hausto  humore; 
84,  3  adire  st  petere;  89,  16  vestigiis  instarent  st  tergis  inhaererent; 
90,  16  frumento  st  älimentis;  99,  8  vuUu  maxime  servüi  st  mUtu,  qui 
maxime  servit,  was  einen  ganz  anderen  Sinn  gibt;  109,  37  incessit  st  se 
repente.  mdgasset;  115,  2  obscuritatem  suam  occaskmem  ratus,  worin  die 
Beziehung  des  Possessivums  dem  Schüler  nicht  auf  dem  ersten  Blick  klar 
werden  kann,  st  obscuritatem,  quae  eeteros  terrebat,  s,  o.  r.;  120,  13 
Sdpionem,  zumal  grof^  gedruckt,  st  Baculum ;  128, 17  effundi  st  manare 
—  sind  zum  Theil  unrichtige,  insgesammt  aber  unnöthige  Aenderungen. 
8.  54,  Z.  20  passt  das  aus  ut  major  beUi  möles  supersU,  quam  exhausta 
sU  beibehaltene  Verbum  schwerlich  zu  dem  geänderten  Subjocte.  80,  16 
macht  devinceret  den  für  Tironen  wegen  seiner  Prägnanz  dunklen  Satz 
kaum  verständlicher,  als  das  ursprüngliche  debeUaret.  99,  30  war  nicht 
faex  et  sordes  st.  purgamenta  einzuführen,  weil  der  Tropus  sehr  einleuch- 
tend durch  8.  107,  Z.  22  erklärt  wird.  100,  9  geht  durch  die  Umgestal- 
tung von  exigua  iuris  impensa  tanta  benefieia  pensaturi  ein  schönes  Wort- 
spiel verloren.  136,  1  misfällt  in  valetudinem  inddit;  Freinsheim  (p.257 
Foss)  sagt  male  habere  coepit.  72,  12  hat  tacite  agnosceret,  quam  qui 
jactaret  vor  tadtus  a.,  q.  q,  praedicatione  j,  wenig  für  sich;  ebenso  82,  37 
eonsurgü  in  eoque  erat,  ut  manus  injiceret  vor  consurgit  mambus  non 


440        C.  SOmidt,  0,  GeKkn,  Lat  Lesebuch,  ang.  t.  K  Jo^ 

temperaturus;  desgleichen  108,  20  Inter  tantam  luxuriam  —  incredibile 
dictu!  •—  unum  etc.  vor  Quis  credat  inter  haee  wHa  cwram  esse  sapten- 
tiae  ?  unum . . . 

Mit  vollem  Rechte  wurden  gewisse  Lieblingswörter  des  GortinB,  wie 
sopor  (z.  B.  67,  36;  71,  22;  91,  25)  und  merum  (103,  17.  84)  übeiaD  rer- 
tauscht.  Dasselbe  geschah  mit  occupare  und  imputare;  doch  h&tte  jenes 
S.  130,  Z.  3,  dieses  75,  16.  26;  77,  9;  95,  5  richtiger  seinen  Platz  be- 
hauptet; wie  auch  das  überaus  häufige  quippe  43,  4;  78,  26  belassen  wurde : 
was  mit  quoque  76,  4;  79,  2;  83,  26  gleichfalls  rathsam  gewesen  wäre. 
Der  Singularis  cervix  ist  überall  in  den  Fluralis,  supervaeuus  in  super- 
vacaneus  verbessert;  aber  Jwud  seeus  quam  110,  3  und  111, 11  verdiSngi, 
findet  sich  selbst  bei  Cicero.  Grundlos  blieben  femer  sinnige  Sentenieo 
weg,  z.  B.  S.  46,  Z.  21 ;  179, 1 ;  125,  23. 

An  das  figurenreiche,  farbenprangende  Lebensgemälde  Alexander's 
reihen  sich  passend  S.  137-208  siebzehn  von  den  biographischen  Skizzen 
des  Cornelius  Nepos  an,  der  seinen  altherkömmlichen  Platz  unter 
den  ersten,  d.  h.  von  Anf&ngem  zu  lesenden  Schulauetoren  trotz  den  In- 
vectiven  gewisser  Hyperkritiker  der  Neuzeit  nach  wie  vor  behaupten  soll. 
Da  in  denselben,  abgesehen  von  unerheblichen  Auslassungen  —  nämlich  in 
S.139,  Z.28;  141,  9.  12;  146,  14;  150,  18;  156,  6;  171,  19.  83;  179, 19; 
180,  5;  187,  22;  191,  14.  19;  192,  1;  206,  26  -  kaum  ein  Dutzend  Aus- 
drücke  abgeändert  wurden  (denn  eine  bedeutendere  Berichtigung  findet 
eigentlich  nur  im  „Hannibal**  S.  193  statt):  so  lässt  sich  hier  um  so  weni- 
ger einsehen,  warum  nicht  durch  ausdrückliche  Angabe  des  Auetors  dem 
Schüler  kund  wird,  dass  er  einen  wirklichen  Classiker  des  goldenen  Zeit- 
alters liest?  denn  aus  der  nur  Fachmännern  verständlichen  praefatio  kann 
er  sich  nicht  orientieren.  Der  Text  folgt  der  Ausgabe  E.  Nipperdey's  (Leip- 
zig, 1849).  Daher  steht  S.  140,  Z.  27  ordiendus  (mit  Unrecht!  ordiendum 
Bremi);  142,  16  ingratis;  142,  85  und  155,  27  aequiperaret;  141,  37  dr- 
cuiretur  und  145,  7  circumiretwr;  148,  25  Häotae  (Helotes  B.);  150,  2 
posset  (possU  B.);  150,  15  Peridi;  150,  21  Nicia;  152,  8  optimatium; 
158,  3  Susametrem  (Shfsamithren  B.);  159,  4  tyrannis  (tyrannidi  B.); 
164  Thuys,  Thuynem,  Thuym  (Thyus  etc.  B.);  168,  5  deUderwü  (deiw- 
lercmt  B.  ganz  richtig,  da  esset  relatum  folgt);  171,  2  Diotnedonti  (Dia- 
medonte  B.);  174,  21  potuero  (potero  B.);  173,  18  Messene,  und  176,  7 
Messena;  183,  11  circumitus  {cvrcumverUus  B.);  183,  24  conoat  fieri;  193, 
19  Hiamnum  und  194,  20  etiamnunc;  193,  34  ^  {hinc  B.);  195,  2  pos- 
sent  induci  {inducere  posset  B.);  200,  17  geri  {capi  B.);  203,  7  emersU 
(emerserat  B.);  204,  13  iUe  vir  minus  bonus  (mmus  iOe  vir,  bonus  B.). 
S.  142,  Z.  6  wurde  die  Vulgata  fama  (fUmma  N.)  beibehalten;  182,  29 
deterior  (deteriore  N.).  S.  138,  Z.  14  ist  statt  interserens  verbessert  tnter- 
panens,  wie  Cornelius  Nepos  anderwärts  selbst  schreibt,  vgL  S.  143,  Z.  21. 
144,  5  trat  mit  Unrecht  esse  recepturos  nach  Nipperdey's  Anmerkung  in 
den  Text;  besser  gefällt  Bremi's  recepttm.  Der  regelrechte  Ausdruck  er- 
scheint hergestellt  S.  149,  Z.  4  juoOa  hanc  st.  hone  juxta;  194,  2  wi 
praesenüa  st.  impraesentiarum;  207,  15  quamquam  st.  quamivis,  S.  178, 
Z.  31  dient  sex  mensibus  st  anno  vertente,  und  183, 11  Antigene  st  Anr 


a  aa^md^y  O.  OMm,  Lat  Lesebuch,  ang.  y.  E.  Jahn.       441 

Ugono  zur  sachlichen  Berichtigang.  Unnöthig  aber  wurde  S.  166,  Z.  38 
ex  eamponto  aus  composito;  191,  7  auoDÜkm  aus  audnlia;  193,  25  paOa- 
tarn  aus  diapalatom  gemacht;  während  140,  1  das  beispiellose  toHdcm 
atque  blieb. 

Den  Schluss  S.  209—224  bilden  Tierzig  Fabeln  des  (gleichfalls  nicht 
durch  die  Ueberschrift  genannten)  P  h  e  d  r  u  s ;  eine  ganz  angemessene  Leetüre, 
Yoiausgesetzt,  dass  man  nicht  allzu  viel  AnstofB  an  dem  Uebelstande  ninmit, 
bei  Ternfiderten  Stücken  von  der  metrischen  Form  ganzlich  absehen  zu 
müsami ;  denn  die  Theorie  des  iambischen  Senarius  lässt  sich  Lesern,  welche 
noch  nicht  einmal  den  Hexameter  verstehen,  schwer  beibringen.  Hier  erlitt 
der  Text  —  der  Vergleichung  nach  aus  Orelli^s  Ausgabe  hergenommen, 
denn  die  profatio  ertheilt  über  diesen  Punct  keine  Auskunft  —  keinerlei 
Umgestaltung,  und  es  wurde  z.  B.  VI,  8  ore  noRtro;  IX,  4  fugientes  ipse 
exciperet;  XIX,  9  vesd  sifigulas;  XXTTT,  9  Origandum;  XXIV,  2  saluta' 
him;  15  com;  21  jactant  famüia;  XX VH,  2  luscinii  belassen. 

Dass  alles,  was  noch  so  leise  an  Obscönes  erinnern  könnte,  sorgsam 
ausgeschieden  worden,  bedarf  kaum  erst  einer  Erwähnung.  Um  aber  die 
bekannte  Vorschrift  des  Juvenalis  (XIV,  47)  wirklich  im  Superlativ  zu  be- 
folgen, könnten  zum  üeberflusse  noch  folgende  Stellen,  obgleich  an  sich  ganz 
unverfönglich,  wegbleiben,  zumal  da  ihr  Abgang  zufällig  nirgends  eine  Störung 
herbeiführen  würde :  S.  34,  Z.  7  pudicitiae  earum,  quae  8uper8wU,  eurem 
htmd  secus  ac  parens  gerens;  105,  20  a  maritis  uxores;  120,  3  in  nupttis 
eonjungendis  non  genus  ac  nohüüatem  respiciwU,  sed  eorparum  speciem; 
148,  31  quem  puenm  Pausanias  däexerat:  155,  15  tnuUer,  quae  cum  $o 
vwere  canatierat  etc. 

Weniger  Beifall  verdient  es,  dass  durchgehends  vor  sed  und  quam 
das  Komma  fehlt,  und  auch  sonst  an  zahlreichen  Stellen  die  Interpunction 
gespart  ist  Die  scheinbare  Wissenschaftlichkeit  wird  auf  Unkosten  der 
Leichtverständlichkeit  zu  theuer  gewonnen.  Auch  in  dieser  Beziehung  hätte 
Foss,  welcher  seine  Ausgabe  doch  keineswegs  für  blol^  Schulzwecke  ver- 
anstaltete, mehr  Nachahmung  verdient,  als  Nipperdey.  Noch  in  zwei  an- 
deren Puncten  könnte  bei  einer  neuen  Auflage,  die  nach  der  augenfälligen 
Brauchbarkeit  des  Buches  bald  zu  erwarten  steht,  den  Hm.  Editoren  Foss 
als  nachahmungswürdiger  Vorgänger  dienen.  Mit  scheinbar  pedantischer 
Sorgfalt  hat  derselbe  in  seiner  Ausgabe  des  Curtius  bei  allen  Eigennamen 
die  nur  einigermalsen  zweifelhafte  Paenultima  mit  den  entsprechenden 
Betonungszeichen  ausgestattet.  Die  gleiche  Beihilfe  wäre  in  dem  vorliegen- 
den Lesebuche,  wo  fremdartige  nomina  propria  auf  jeder  Seite  begegnen, 
dringend  erwünscht  Bei  Namen,  wie  z.  B.  S.  30,  Z.  27  Masaces;  56,  22 
Bubaces;  58,  31  Bagistanea;  59,  17  BrocubeluB;  63,  21  Bagaas;  76,  38 
Gorgatas;  82,  33  Catenes;  86,  8  CarÜums;  92,  24  Bhosaces;  112,  29 
Taxües  u.  s.  w.  dürften  nicht  bloJb  Tertianer  in  Verlegenheit  gerathen. 
Man  wird  schwerlich  einwenden,  es  liege  wenig  an  ihrer  richtigen  Aus- 
sprache, denn  die  schlimmen  Consequenzen  leuchten  von  selbst  ein.  Nur 
zu  wahr  bemerkt  Emesti  in  seiner  Vorrede  zur  Clavis  Horatiana:  „Maxime 
tarnen  interest  lectonm  scire,  qua  raHone  voces  earumque  syUabae  pro^ 
nundandae  eint:  turpem  et  nocentem  hujua  rei  inscitiam  vel  in  homimbus 


44t       C.  Schmidt,  0.  OeMen,  Lat.  Lesebuch,  ang.  t.  E,  Jähm. 

docHSy  qui  linffuas  percaüuercmt ,  saepius  aegre  ferens  deprehenäi,^  In 
Berücksichtigung  dieses  thatsächlich  vorhandenen  Uebelstandes  scheint  es 
in  einem  für  Lateinlemende  bestimmten  Buche  wirklich  rathsam,  Wörter, 
wie  z.  B.  S.  45,  Z.  7  pantherae;  108,  3  carbasa;  133, 1  acinaces;  104, 84 
gratuUas  cicatrkes;  109,  38  fortuitam;  170,  21  phOosophia  (welches  aller 
Orten  mit  gedehnter  Paenultima  zu  Gehör  kommt!)  —  mit  dem  Qnanti- 
tätszeichen  zu  versehen;  was  auch  z.  B.  41,  33  vertere;  43,  16  u.  ö.  per- 
venit;  84,  26  assidere;  86,  32  considere;  139,  19  reperimus;  166,  19 
trtmsfugit;  87,  32  consegueris;  98,  28  decore;  89,  19  misere;  90,  28  ae; 
cendere;  123,  19  das  Adjectivum  reduces  verdeutlichen  wftrde.  Die  täg- 
liche Schuler£ahrung  lehrt,  wie  schnell  sich  schlechte  Aussprache  ange- 
wöhnt, wie  mühsam  sie  auszurotten  ist;  darum  sind  Verhütungsmittel 
nirgends  als  übergrofse  Bequemlichkeit  zu  verschmähen.  Uebrigens  lieXben 
sich  sämmtliche  Personen-  und  Ortsnamen  u.  dgl.  mit  Beifügung  der  grie- 
chischen Form  am  Schlüsse  in  ein  Verzeichnis  zusammenstellen.  Namen, 
wie  z.  B.  S.  10.  Z.  9  Cadmea;  32,  27  Alexmdria;  41,  16  Äretes;  50,  6 
agema;  50,  3  Niccmorem;  61,  24  lonaa  (wobei  die  Trennungspuncte  nicht 
fehlen  dürfen!);  62,  19  Massagetae;  65,  6  Aphohetus;  100,  2  Castorem; 
107,  18  rhinocerotas;  127,  24  Aristonus;  153,  21  Neantichoa  und  sehr 
viele  andere  erscheinen  im  Griechischen  evident.  Desgleichen  würden  die 
grundlos  ausgemerzten  Accente  auf  dem  Ablativus  der  ersten,  dem  ver- 
kürzten Genetivus  pluralis  der  zweiten  und  dem  Genetivus  singularis  der 
vierten  Declination  wenigstens  in  Lehrbüchern  gute  Dienste  leisten.  Für 
die  Wahrheit  dieser  Behauptung  liefern  S.  90,  Z.  19;  72,  20  und  106,  9 
schlagende  Beweise. 

Zweitens  bleibt  noch  zu  wünschen  übrig,  dass  den  erzahlten  Haupt- 
begebenheiten die  chronologischen  Daten,  allenfalls  in  den  Anmerkungen, 
beigefügt  werden.  Der  handgreifliche  Nutzen  dieser  Beigabe  macht  jede 
Begründung  überflüssig. 

Zur  Aufhellung  der  schwierigsten  Stellen  sind  notulae  von  gröftter 
Kürze  unter  dem  Texte  gegeben.  Gegen  die  Richtigkeit  dürfte  sich  kaum 
irgendwo  Einsprache  erheben,  S.  149,  21  ausgenommen ;  denn  magnus-a-^im 
natu  scheint  bei  keinem  Classiker  nachweisbar  zu  sein. 

Auf  allen  224  Seiten  machten  sich  nur  folgende  Druckfehler  be« 
merkbar:  S.  26.  Z.  22  e  statt  te;  48, 15  satrapi  st.  satrapae;  51,  25  gagcm 
st.  gaea;  68,  1  campUcxiM  st  compHexus;  78,  13  Phüotae  st.  Phäotae; 
107,  5  dignissinum  st.  dignissimum;  152,  17  qmc  st.  quae;  155,  20  ejui- 
dam  st  ejuAdem;  179,  9  decm  st  decem;  197,  24  lihri  st  libri;  224,  21 
A  qua  st  Aqua,  Versehen  in  der  Letterstellung,  z.  B.  29,  21;  40,  29; 
47,  2  —  oder  in  den  Intervallen,  z.  B.  39,  12.  18;  41,  1;  46,  3;  69,  4 
beirren  nicht 

Aus  dieser  splitterrichterlichen  fi[arphologie  erhellt,  wie  wenig  und 
rein  nebensächliches  sich  zur  Bemängelung  &idet.  So  genügt  es  denn, 
blolis  die  Aufmerksamkeit  der  Fachmänner  auf  das  fleifsig  und  sachkundig 
gearbeitete  Buch  hinzulenken:  empfehlen  wird  es  sein  eigener  Werth. 

Prag.  Eduard  Jahn. 


OMdiichtswerke  ron  J.  Möller  n.  ».,  ang.  r.  ff.  Zei/^berg.     44S 


Dr.  J.  Möller,  Die  Weltgeschichte  vom  christlichen  Standpuncte 
an^ÜEisst  Erster  Band.  Die  üreeschichte.  Das  Volk  Gottes.  Die  Völker 
des  Orients.  Die  Griechen  bis  auf  die  Perserkriege.  Preiburgim  Breisgau, 
Herder,  1862.  XXIV  u.  335  S.  —  1  Thlr.  10  Sgr. 

Dr.  J.  Bumüller,  Geschichte  des  Alterthums.  Erster  Theil. 
Geschichte  von  Babel  und  Assur,  Sjrrien,  Phönikien,  Israel  und  Aegyp- 
ten  bis  zur  Gründung  des  Perserreiches  durch  Eyrus.  Freiburg  i.  Br., 
Herder,  1863.  IV  u.  370  S.  -  1  Thlr. 

F.  Pahle,  Geschichte  des  orientalischen  Alterthums  von  den 
ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Perserkriege.  Mit  einer  sjnchronist.  Tabelle 
und  zwei  kartographischen  Beilagen.  Oldenburg,  Stalling,  1864.  VI  u. 
332  a  -  22'/,  Sgr. 

Der  gewaltige  Au&chwung,  den  die  Natur^rissenschaften  in  unseren 
Tagen  genommen,  rührt  bekanntlich  vor  allem  daher,  dass  es  auf  diesem 
Gebiete  Sitte  geworden,  sich  aller  aprioristischen  Construction ,  so  ver- 
lockend sie  sein  möge,  zu  entschlagen  und  streng  und  gewissenhaft  die 
Thatsachen  der  Erfahrung  zur  Grundlage  zu  machen.  Dass  die  gleiche 
Strenge  der  Methode  auch  für  andere  positive  Wissenschaften  zu  fordern 
ist,  für  jede  entsprechend  der  eigenthümlichen  Natur  ihres  Gegenstandes, 
und  allein  geeignet  ist,  vor  gänzlichem  Verfehlen  der  Aufgabe  zu  schützen, 
ist  eine  Ueberzeugung,  welche  mehr  und  mehr  zur  Geltung  und  zur  that- 
sftchliehen  Ausftlhrung  gelangt.  Der  Geschichtswissenschaft  insbesondere 
thut  gewiss  nur  der  einen  Dienst,  der  ausschlief^lich  in  den  Thatsachen 
selbst  die  Mittel  zur  Erforschung  ihres  Zusanimenhanges  und  der  Gesetze 
ihrer  Entwickelung  sieht,  nicht  aber  die  Darstellung  der  Geschichte  zum 
Erweise  irgend  eines,  auf  serhalb  derselben  liegenden  Satzes  anwendet. 
Anderer  Ansicht  ist  in  dieser  Beziehung  offenbar  der  Verfasser  der  ersten 
der  oben  genannten  Schriften,  Dr.  Möller,  Professor  der  Geschichte 
an  der  Universität  Löwen,  der  es  als  seine  Aufgabe  fasst,  „den  ewigen 
Bathschluss  Gottes  mit  der  Menschheit  zu  entwickeln  und  so  weit  als 
möglich  zum  Verständnis  zu  bringen."  Nun  ist  es  zwar  auch  unsere  Ueber- 
zeugung, dass  die  Weltgeschichte  kein  Chaos  sei,  dass  sich  vielmehr  in 
ihr  ein  vernünftiger  Zweck  allmählich  vollende,  aber  es  dünkt  uns  wenig 
angemessen  von  unserem  irdischen  Standpunct  aus  in  der  Befangenheit 
unseres  eigenen  Daseins,  mitten  im  noch  unvollendeten,  vielleicht  kaum 
geschürzten  Weltdrama  von  der  Beziehung  sprechen  zu  wollen,  in  der  diese 
oder  jene  Thatsache  zu  dem  überhaupt  unerforschlichen  Endziele  stehe. 
Und  indem  man  sich  auf  einen  der  menschlichen  Natur  nun  einmal  uner- 
reichbaren Standpunct  erheben  und  das  unerfonchliche  erkennen  zu  können 
annimmt,  wird  es  kaum  zu  vermeiden  sein,  dass  darüber  gar  manches 
wirklich  erkennbare  und  sicher  erkannte  übersehen  oder  verkannt  wird. 
Dmb  derlei  Folgen  in  dem  vorliegenden  Buche  sich  reichlich  finden,  mögen 
einige  Beispiele  zeigen. 

Sehen  wir  zunächst  auf  die  Eintheilung  des  historischen  Stoffes. 
Da  MöUer  alles  in  Beziehung  zum  christlichen  Principe  und  nur  zu  diesem 
bringt,  80  ist  es  natürlich,  dass  ihm  dieser  Stoff  in  eine  Zeit  vor  und  nach 


444     Geaohichtswerke  Ton  J.  Mmer  a.  a.,  ang.  t.  H.  Zeiftberg. 

Christo  zerfallt.  Auch  wir  glauben  in  den)  Christenthum  einen  wesent- 
lichen Unterschied  der  alten  und  neuen  Geschichte  annehmen  zu  müssen  — 
aber  nicht  den  einzigen.  Der  Verf.  hat  dies  wol  selbst  gefühlt,  wenn  er 
die  erste  Epoche  mit  dem  Jahre  476  beschliefst.  Dies  Jahr  ist  kein  in  der 
Geschichte  der  christlichen  Kirche  entscheidender  Wendepnnct:  mit  diesem 
Jahre  aber  stürzt  das  morsche  Bomerreich  im  Westen  in  sich  selbst  m- 
sammen,  und  es  ist  durch  diese  Thatsache  die  Möglichkeit  gegeben»  auf 
die  Dauer  ein  Reich  der  Germanen  an  dessen  Stelle  zu  setzen.  MitBecht 
nennt  man  die  neue  Aera  die  christlich-germanische  Zeit,  denn  mehr  als 
das  Christenthum,  das  ja  auch  schon  im  Abendstrahle  der  scheidenden 
römischen  Welt  gedeiht,  aber  freilich  erst  am  erfrischenden  Moigen  der 
germanischen  Zeit  seine  schönsten  Blüten  entfaltet,  ist  es  das  gesammte 
germanische  Wesen,  das  nun  zur  Herrschaft  der  Erde  gelangt,  welches  die 
alte  und  neue  Geschichte  streng  auseinanderhalt.  —  An  der  weiteren  Glie- 
derung fanden  wir  nichts  auszusetzen.  Die  christliche  Zeit  zerfällt  nim- 
lich  in  zwei  Epochen,  bedingt  durch  die  Glaubenseinheit  aller  christlichen 
Völker  und  durch  die  Glaubensspaltung.  Jene  enthalt  als  erste  Periode 
die  Zeit  bis  auf  Karl  den  Grof^n;  die  zweite  reicht  bis  Gregor  VII.;  die 
dritte  bis  Bonifsusius  VIII;  die  vierte  bis  zur  Reformation.  Jede  Periode 
wird  in  Kürze  charakterisiert  Es  ist  wieder  eine  Folge  des  einen  Grund- 
fehlers, wenn  die  letzte  der  genannten  Perioden  als  „Verfall  des  christ- 
lichen Abendlandes**  hingestellt  wird,  eine  Zeit,  in  der  Künste  und  Wissen- 
schaften fast  Überall  den  ungeahntesten  Aufschwung  nahmen,  und,  Deutsch- 
land ausgenonmien,  die  meisten  westlichen  Staaten  zu  ihrer  festen  Gestal- 
tung gelangten.  —  Auch  Ton  der  Charakterisierung  der  neueren  Zeit  gilt 
dasselbe,  wenn  der  monarchische  Absolutismus  als  specifische  Erscheinung 
protestantischer  Länder  bezeichnet  wird,  während  derselbe  gerade  im  Lande 
des  allerchristlichsten  Königs  die  schwindelndste  Höhe  erreichte.  Wir  sind 
ferne  davon,  diese  Erscheinung  etwa  aus  dem  Christenthume  deduderen 
zu  wollen,  aber  eben  weil  dies  uns  ferne  liegt,  glauben  wir,  dass  in  die 
historischen  Voraussetzungen  noch  andere  Momente  gehören ,  die  wir  frei- 
lich in  vorliegendem  Werke  vermissen. 

Es  ist  natürlich,  dass  der  Verfasser  die  israelitische  Geschichte  in 
den  Vordergrund  stellt.  Was  Gesetz  und  Sitte  betrifft,  was  den  humanen 
Zug  anlangt,  der  das  israelitische  Leben  durchdringt,  mag  dies  seine  gute 
Berechtigung  haben.  Aber  wenn  der  Verfasser  der  jüdischen  Cultnr  über- 
haupt vor  j<»der  antiken  den  Vorzug  gibt,  wenn  er,  nachdem  wenige  Seiten 
zuvor  erzählt  worden,  dass  König  Salomo  von  dem  Könige  Hiram  von 
Sidon  und  Tyrus  Baumeister,  Künstler  und  Arbeiter  verlangt,  von  der 
hohen  Blüte  spricht,  in  der  Baukunst,  Bildhauerei  (I),  Malerei  bei  den 
Juden  gestanden,  so  kann  dies  nur  an  einem  ästhetischen  Urtheile  nicht 
befremden,  das  vor  der  Schönheit  in  dem  Gesichtsausdrucke  ägyptischer 
Götter-  und  Königsbilder  in  Bewunderung  versinkt.  Der  Geschichte  selbst 
schickt  Möller  eine  Urgeschichte  voran,  deren  Details,  die  Abstammung 
des  Menschengeschlechtes,  die  Sündflut  u.  a.  zum  Theile  der  reinhistori- 
schen  Betrachtung  sich  entziehen  und  eben  darum  hier  nicht  besprochen 
werden  können.  Nur  die  chronologische  Feststellung  des  Datums  der  groften 


GMchichtswerke  von  J.  MÖÜer  u.  a.,  ang.  t.  H.  Zeifiiberg:     445 

Flnt  bedarf  einer  Besprechung,  da  sie  uns  mit  anderen  Angaben  MöUer^s  on- 
Tereinbar  erscheint.  Wir  sind  ferne  dayon,  nach  den  Gründen  forschen  zu 
wdlen,  die  ihn  bestimmten,  das  Ereignis  gerade  in  das  J.  2350  vor  Chr. 
m  letien.  Die  Sündflut  endet  damit,  dass  das  Menschengeschlecht  von 
neuem  von  einer  Familie  ausgeht,  von  Noah  und  seinem  Weibe,  von 
dessen  drei  Söhnen  und  deren  Weibern^  die  alle  wohlbehalten  den  Kasten 
Terlielben.  Im  Vorbeigehen  sei  bemerkt,  dass  wir  sodann  bei  der  Aufzäh- 
lung der  sieben  urverwandten  SprachenfjEunilien  yergeblich  nach  den  süd- 
afrikanischen Sprachen  mit  den  beiden  Zweigen  der  Eaffem  und  Hotten- 
totten suchten.  Doch  das  ist  ein  Nebenpunct!  Wie  stellt  sich  aber  Möller 
den  Gang  der  Weltgeschichte  vor,  wenn  —  nach  ihm  —  etwa  100  Jahre 
darnach  die  G(eschichte  aller  Reiche  von^neucm  beginnt  In  hundert  Jahren 
beginnt  die  Geschichte  Assur^s  und  BabeFs,  die  Geschichte  der  Meder,  der 
Perser,  der  Phöniker,  der  Aegypter,  ja  der  Griechen  und  der  Chinesen I 
Und  wenn  wir  S.  82  lesen  „im  dritten  Menschenalter  nach  der  gtohen 
Flut,  bald  nach  den  Auswanderungen  der  Nachkommen  der  drei  Söhne 
Noe*8»  unterwarf  Nemrod,  Sohn  des  Chus  und  Enkel  Chams,  die  in  der 
Ebene  Ton  Sennaar  zurückgebliebenen  Familien  seiner  Herrschaft  und 
stiftete  die  älteste  Monarchie**,  so  erüahren  wir  von  ihm,  dass  von  jedem 
der  Söhne  Noe*s  in  100  J.  eine  ganz  stattliche  Zahl  von  Familien  aus- 
gegangen, für  die  das  Land  schon  zu  enge  geworden,  und  die  nun  das 
Reich  der  Mitte  gründeten  und  die  lachenden  Eilande  des  Westens  bevöl- 
kerten. —  Kein  Wunder,  dass,  nachdem  die  Geschichte  der  alten  Welt  auf 
zwei  Jahrtausende  zusammenschrumpft,  Möller  sich  noch  zu  weiteren  Con- 
sequenzen  veranlasst  sieht,  so,  um  nur  ein  Beispiel  zu  nennen,  die  Pjra- 
midenkönige  nicht  in  die  4.,  sondern  —  nach  Herodot's  Vorgang  —  in  die 
2L  Dynastie  zu  stellen,  und  wieder,  Herodot  folgend,  das  Labyrinth  ein 
Werk  der  Dodekarchen  zu  nennen.  Und  wie  nun,  was  sich  in  langen  Zeiten 
entfaltete,  unter  Möller's  Händen  zu  einem  kleinen  Umfange  geschwunden, 
so  ist  ihm  dadurch  auch  der  Einblick  in  die  Unterschiede  von  Zeit  und 
Raum,  ja  von  jeder  successiven  Entwickelung  abhanden  gekommen.  Wir 
lesen  von  einer  „vorderasiatischen  Monarchie**,  zu  der  auX^er  den  Baby- 
loniem  und  Assyrern  auch  die  Meder  und  Perser  gehören.  Und  wer  sind 
die  Meder  und  Perser?  „Die  Hauptbevölkerung  dieser  Gegenden,  d.i.  eben 
des  vorderasiatischen  Reiches,  bildeten  semitische  Völker,  Aramäer,  Baby- 
lonier,  Assyrer,  Elamiten  oder  Perser;  in  Babylonien  herrschten  indessen 
die  Chamiten;  die  Meder  gehören  zum  japhetischen  Volksstamme.  **  Die 
Perser  sind  also  Semiten  und  mit  den  Elamiten  identisch;  dass  aber  ja 
niemand  hiebei  etwa  an  einen  allerdings  unpassenden  geographischen  Be- 
griff denke,  dafür  hat  Möller  durch  unzweifelhafte  Angaben  Sorge  getra- 
gen. «Die  neueren  Sprachforschungen**,  hören  wir  (S.  96),  „haben  darge- 
than»  dass  die  den  vorderasiatischen  Völkern  gemeinschaftliche  Ursprache 
keine  andere  als  die  Zend-Sprache  war,  die  selbst  wieder  in  zahlreiche 
Dialekte  sich  spaltete.*"  In  Babylonien  erhielt  sich  noch  bis  in  die  per- 
sische Zeit  die  Priesterkaste,  die  den  Namen  der  Magier  führte,  später 
auch  Chaldäer  genannt  wurde. *"  Wir  brauchen  kaum  erst  zu  versichern, 

Zoitmtbrl A  r.  d.  fttUrr.  Oy mnai.  1866.  VI.  Helt  30 


4M    GMchiehtswerke  von  J.  MoUer  n.  %.,  ang.  ▼.  K  ZHflberg. 

das8  der  Verfasser  auch  nur  eine  Gattung  der  Keilschrift  kennt,  —  wir 
wissen  nicht  welche  —  der  Inschrift  von  Behistun  mit  keiner  Silhe  gedenkt, 
daher  auch  den  Namen  des  Pseudosmerdis ,  sowie  die  vielen  EmpGrongeB 
hei  dem  Regiemngsantritte  des  Darius  nicht  erwähnt,  nnd  Überhaupt  von 
der  Bedeutung  des  Kyros  eine  so  unklare  Vorstellung  hat,  dass  er  dca 
Bund  des  Krösos  mit  Neriglissor  von  Babylon  als  gegen  die  Med  er  ge- 
richtet beaeichnet,  „die  unter  Kyros  die  Bltoberung  Vorder-Asiens  begonnen 
hatten.**  Dies  alles  ist  in  einem  Werke  zu  finden,  das  im  J.  1862  eracbian 
und  das  den  Anspruch  erhebt,  „seine  Darstellungen  und  Erörterungen  bo- 
wol  auf  die  Quellen  wie  auf  die  bedeutenderen  neueren  Werke**  begrftndet 
zu  haben,  „mit  üebergehung**  freilich  „aller  rein  hypothetischen  Ansieh* 
ten,  welch  geistreiches  Qewand  dieselben  auch  immer  tragen  mögen.* 

Zu  diesen  rein  hypothetischen  Ansichten  scheint  freilich  so  ziemlidi 
alles  gehört  zu  haben,  was  in  Deutschland  und  anderswo  in  den  letzten 
Jahrzehnten  für  die  Erforschung  des  Alterthums  geschehen  ist  Dies  scheint 
unter  andern  auch  von  M.  v.  Niebuhr's  trefflichem  Werke  über  Assur  und 
Babel  zu  gelten.  Statt  der  sehr  scharfsinnigen  und  ungemein  wahrschein- 
lichen Annahme  desselben  zu  folgen,  dass  Darius  Medus  der  Bibel  niemand 
anderer  als  Astyages  sei,  wird  er  wieder,  wie  dies  so  oft  und  immer  ohne 
Erfolg  geschah,  mit  dem  König  Kyaxares  bei  Xenophon  identiflciert  und 
dem  „historischen  Romane**,  wie  der  römische  Niebuhr  die  Kyropndie  mit 
Becht  genannt,  des  Herodot  Erzählung  von  des  Kyros  Geburt  und  Tod 
als  „historischer  Roman**  entgegengestellt  (S.  92).  Darum  regiert  Kyros, 
gegen  die  bestimmtesten  2^ugni8se,  nur  sieben  Jahre  aUein  (8.115);  denn 
die  übrige  Zeit  nimmt  Kyaxares  U.  in  Anspruch.  Von  des  Ktesias  Zeugnis, 
das  bezüglich  des  Todes  den  Herodoteischen  Bericht  zum  Theile  bestätigt^ 
wird  natürlich  gänzlich  geschwiegen.  Selbst  der  Umstand,  dass  Kyaxares 
auch  den  Namen  Darius  soll  geführt  haben,  verleitet  ihn  dazu  den  letz* 
teren  Namen  für  einen  blofsen  Beinamen  zu  erklären  und  zu  behaupten, 
wir  wüssten  eigentlich  nicht,  wie  Darius  Hystaspes  geheifsen. 

Dieselbe  Verschwommenheit,  wie  in  der  Geschichte  dieser  sogenannten 
„vorderasiatischen  Monarchie",  herrscht  auch  in  anderen  Theilen  des  Buches. 
Bei  Erwähnung  der  Vedas  und  des  Gesetzbuches  des  Menü  wird  Entstehung 
nnd  Aufzeichnung  zusammengeworfen,  während  schon  Benfey  hier  eine 
scharfe  Scheidung  traf.  Es  kann  daher  auch  nicht  Wunder  nehmen,  wenn 
der  Verf.  von  einem  ursprünglichen  indischen  Monotheismus  spricht,  ohne 
zwischen  dem  absoluten  und  dem  relativen,  das  ist,  sich  seines  Gegensatzes 
zum  Polytheismus  bewussten  zu  scheiden,  und  wenn  er  Brahma,  Vischnn 
und  Schiwa  und  die  Trimurti  schon  von  allem  Beginne  an  in  Indien  gelten 
lägst  Wir  wollen  gar  nicht  davon  sprechen,  dass  der  Verfiasser,  der  übenD, 
nur  nicht  in  Israel,  ursprüngliche  Kasteneintheilung  des  Volkes  erblickt 
(so  z.  B.  selbst  im  alten  Attika,  und  sie  hier  auf  den  Einfluss  der  doch 
längst  aufgegebenen  ägyptischen  Einwanderung  des  Kekrops  zurückführt)» 
die  erst  allmählich  eingetretene  scharfe  Sonderung  der  Stände,  die  Benfey 
sprachlich  erwiesen,  als  etwas  von  allem  Beginne  an  fertiges  hinstellt  — 
Etymologien  sind,  wo  der  Verf.  sicli  in  solchen  versucht,  entschieden  un- 
glücklich gewählt,  und  entsprechen  sodann  ganz  der  oben  angeführten  An- 


CkschichtBwerke  von  J,  Bumüüer  u.  a.,  ang.  v.  H.  Zeißberg.     447 

sieht,  wonach  die  Perser  Semiten  sind.  „Meon**,  von  dem  Mäonien  den 
Namen  ftlhrt,  wird  zusammengehalten  mit  Manes,  Manu,  Menes,  Minos; 
und  zweimal  müssen  wir  hören,  dass  der  Name,  den  die  Inder  der  Gott- 
heit beilegten,  ein  Beweis  f!lr  deren  ursprünglichen  Monotheismus  sei: 
i^deva  (deus,  Gott)  oder  auch  Belin  oder  Bolus,  derselbe  Name,  den  die 
Babylonier  Gott  gaben,  und  der  dieselbe  Wurzel  El  hat,  die  sich  im  Na- 
men Elochim  findet.**  ijs  fehlt  nicht  an  solchen,  die  gerade  aus  der  letzt- 
genannten Pluralform  ganz  andere  Folgerungen  zogen. 

Auch  sonst  ist  das  Buch,  von  dem  wir  gesprochen,  an  Irrthümem 
reich,  die  nicht  mehr  blol^  nothwendige  Folgen  des  Grundübels  sind.  Am 
besten  ist  noch  die  Uebersicht  der  griechischen  Colonien,  die  den  vorlie- 
genden Band  beschliefsi  Aber  auch  sie  ist  nicht  fehlerfrei.  So  lesen  wir 
(S.  S26}:  „Anaxilas,  Tyrann  von  Bhegium,  nahm  Zankle  ein  und  bevölkerte 
es  mit  Messeniem,  von  welcher  Zeit  an  die  Stadt  den  Namen  Messena 
annahm  (um  490).**  Unmittelbar  vorher  wird  das  J.  49G  genannt  Nun 
endete  der  zweite  messen.  Krieg  (S.  273)  im  J.  668  mit  der  Besiegung 
des  Aristomenes,  dessen  „Sohn  Gorgos  die  auswandernden  Messenier  naeh 
Bhegium  in  Unter-Italien  und  von  da  nach  Zankle  in  Sicilien  führte, 
welche  Stadt  von  da  an  den  Namen  Messana  erhielt.**  —  Doch  zu  lange 
schon,  fürchten  wir,  haben  wir  von  einem  Buche  gesprochen,  das  keinem 
Leser  von  Nutzen  sein  wird.  Der  Fachmann  wird  weder  in  dem  Urtheil, 
noch  in  der  Form  des  Buches  Befriedigung  finden;  der  Kreis  von  Laien, 
für  die  es  geschrieben  sein  mag,  ist  vor  einem  Werke  zu  warnen,  das  nur 
geeignet  ist,  die  Unzahl  historischer  Vorurtheile  und  vielverbreiteter  Irr- 
thümer  um  ein  Dutzend  neugeschaffener  zu  vermehren.  Wenn  wir  länger 
bei  seiner  Besprechung  verweilten,  so  geschah  es  jenen  unbefangenen  Le- 
sern zu  Gefallen,  denen  wir  damit  zu  dienen  vermeinten,  dass  wir  durch 
die  kurze  Angabe  des  Inhaltes  sie  der  Leetüre  des  ganzen  enthoben. 

Aus  demselben  Verlage  liegt  uns  ein  anderes  Buch  zur  Besprechung 
vor,  das  denselben  Stoff  zu  behandeln  sich  vornahm.  Der  vorliegende  Band 
reicht  nur  bis  Kyros,  ein  zweiter  soll  arische  Geschichte  umfassen.  Man 
'sieht  schon  aus  der  beabsichtigten  Yertheilung  des  Stoffes,  dass  der'  Ver- 
fasser hiebei  Dunckcr's  treffliche  Arbeit  vor  Augen  hatte,  freilich  nicht 
am  sie  nachzuahmen,  sondern  vielmehr  um  in  Concurrenz  mit  derselben 
zu  treten,  und  sie  aus  den  Kreisen,  für  die  sie  geschrieben  ist,  zu  ver- 
drangen. Es  kann  für  Duncker  gewiss  nichts  ehrenvolleres  geben,  als  in 
dieser  Erkenntnis  von  der  weiten  Verbreitung  seiner  Geschichte  des  Alter- 
thums  liegt  Bumüller  hat  es  femer  versucht,  die  seit  Duncker  hinzu- 
gekommenen neuen  Forschungen  eines  Brugsch,  Niebuhr  —  der  freilich  zu 
wenig  beachtet  ist  — ,  Deroug^^s,  Mariette's  u.  a.  zu  verarbeiten.  Es  ist  dies 
mit  vielem  Fleiflse  geschehen  und  auch  die  Darstellung  ist  einfach  und 
klar  genug,  um  dankbare  Leser  zu  finden;  ob  freilich  Duncker's  Darstel- 
lung und  wie  weit  sie  wird  dieser  weichen  müssen,  das  überlassen  wir 
gerne  der  Zukunft.  Bumüller  bezeichnet  nicht  wie  Möller,  seinen  diesem 
verwandten  historischen  Standpunct  noch  näher,  wol  deshalb,  da  man  ihn 
ans  früheren  Werken  bereits  kennt.  Die  orientalische  Geschichte  wird  ganz 
und  lelbet  für  den  chronologischen  Theil  auf  die  Schrift  gegründet;  wir 

30* 


448    Grescliichtswerke  von  J.  BtmüUer  u.  a.,  ang.  t.  H,  Zeiflfferg. 

pflichten  Yollkoiiimcn  bei,  nur  glauben  wir,  dass  in  der  alten  Geschichte 
so  vieles  und  wichtiges  von  dem  erleuchtenden  Lichte  der  Bibel  nicht  ge- 
troffen wird,  dass  wir  der  Heranziehung  anderer  aultobiblischer  Quellen 
nicht  80  völlig  entrathen  können.  Dies  gilt  vor  aUem  von  dem  Kanon  des 
Ptolomaeus,  der  mit  Recht  der  glänzenden  Arbeit  Niebuhr*s  zu  Grunde  ge- 
legt ist,  und  den  Bumüller  in  seiner  Entstehung  nur  schlecht  charakteri- 
siert^ wenn  er  ihn  als  einen  „Auszug  aus  den  besten  Quellen**  bexeichnet. 
Wäre  die  Schrift  allein  ausreichend,  alles  chronologische  Dunkel  lu  er- 
hellen ,  so  würden  zwei  Werke,  wie  die  Bumaller's  und  MöUer's,  die  beide 
auf  demselben  Standpunct  stehen,  wol  auch  dieselben  Ergebnisse  enthalten- 
Dies  ist  aber  nicht  der  Fall;  in  der  Ansetzung  der  Sündflut  differieren  sie 
um  ein  Jahrhundert,  in  der  Zeitbestimmung  des  Aufenthaltes  der  Israeliten 
in  Aegypten  um  '200  Jahre.  Aber  auch  noch  in  der  Eönigszeit  stimmen 
sie  nicht  überein,  wie  denn  Niebuhr  gezeigt  hat,  dass  die  chronologischen 
Daten  der  Bibel  bezüglich  der  israelitischen  Könige  unentwirrbare  Wider- 
sprüche enthalten. 

üeberhaupt  fiel  es  uns  auf,  dass  Bumüller  bei  aller  Vorliebe  für 
die  Geschichte  der  Israeliten,  denen  die  Hälfte  des  Bandes  geweiht  ist, 
doch  nirgends  über  diese  chronologischen  Seiten  der  Bibel  spricht,  da  er 
doch  die  profanen  Quellen  gerade  in  dieser  Hinsicht  einer  eingehenden 
Betrachtung  unterwirft.  Auch  sonst  fiel  es  uns  auf,  dass  die  abweichen- 
den Berichte  profaner  Schriftsteller  sehr  fleÜüsig  verglichen  und  abgewogen 
wurden,  dagegen  die  verschiedenen  Berichte  über  denselben  Gegenstand 
der  israelitischen  Geschichte  nicht  angeführt  wurden.  Wir  nennen  nur  bei- 
spielsweise die  Erhebung  Sauls  zum  Könige,  den  Kampf  Davids  mit  dem 
Biesen  Goliath,  Sauls  Ende. 

In  der  ägyptischen  Geschichte  geht  Bumüller  einen  sehr  destruc- 
tiven  Weg.  Er  bespricht  zunächst  die  Quellen  derselben  und  dehnt  den 
Nachweis  ihrer  Unzulänglichkeit  auch  auf  Manethos  aus.  Bumüller  theilt 
für  das  alte  Reich  die  von'Böckh  in  der  Zeitschrift:  „Manethos  und  die 
Hundsstemperiode**  ausgesprochene  Ansicht,  wonach  nicht  nur  die  Mane- 
thonischen  Götterdjnastien ,  sondern  auch  die  sogenannte  alte  Geschichte 
Aegjptens  vor  dem  Einfalle  der  Hyksos  von  den  Priestern  in  den  Cyclus 
der  Sothisperiode  künstlich  eingereiht  worden  sei,  so  dass  Menes,  der  erste 
menschliche  König,  in  dem  1.  Jahre  einer  Periode  zu  regieren  begonnen. 
Bumüller  glaubt  sich  zu  ihrer  Annahme  veranlasst  zu  sehen,  da  die  durch 
Summierung  gewonnene  Umfangszahl  der  Mancthonischen  Djmastien  zu 
grofs  sei,  ihre  Verminderung  aber  durch  Annahme  gleichzeitig  herrschen- 
der Dynastien  auf  einer  unerweislichen  Voraussetzung  beruhe.  Uns  scheint 
hingegen  dieser  Versuch,  Böckh's  längst  widerlegte  Ansicht  zu  emenem, 
sehr  unglücklich.  Denn  es  gibt  eine  bei  Synkellos  überlieferte  Umferngs- 
zahl  der  Mancthonischen  Zeit,  die  schon  durch  ihre  Verschiedenheit  von 
der  durch  Summierung  der  Dynastien  gewonnenen  zum  Nachdenken  an- 
regt. Nimmt  man  diese  als  wirkliche  Dauer  der  ägyptischen  Herrschaft  an, 
und  rechnet  von  ihrem  Endpuncte  zurück,  so  gelangt  man  als  Anfangg- 
punct,  d.  i.  Regierungsantritt  des  Menes,  keineswegs  zu  dem  1.  Jahre  der 
Sothisperiode,  vielmehr  liegt  zwischen  diesem  1.  Jahre  des  Menes  und  der 


GeschichtBwerke  von  J,  Bmiiäler  u.  a.,  ang.  v.  JET.  Zeiftiberg.    449 

allerdings  kyklisch  berechneten  Zeit  der  Götter,  welche  natürlich  mit  dem 
letzten  Jahre  einer  Hnndsstemperiode  abschliefst,  gerade  die  Beihe  yon 
Jahren,  die  sonst  als  Zeit  der  vorhistorischen  Thinitenkönige  überliefert 
ist  Dies  lehrt,  dass  die  Manethonische  Zeitrechnung  auch  för  das  alte 
Reich  seit  Menes  nicht  mehr  kyklisch  ist,  dass  aber,  um  die  historischen 
an  die  kjklischen  Zahlen  der  Götter  reihen  zu  können,  eine  fingierte  vor- 
historische Zeit  zwischen  beiden  Zeitreihen  eingefügt  wurde.  Dass  aber 
auch  die  von  Bumüller  geläugnete  einstige  Theilung  Aegyptens  in  mehrere 
Reiche  eine  ganz  wohlbegründete  Annahme  sei,  dafür  liefert  Eratosthenes 
zum  Glück  die  besten  Beweise.  Bumüller  läugnet  zwar,  dass  man  Manethp 
je  bisher  mit  Eratosthenes  habe  in  Uebereinstimmung  bringen  können. 
Allein  dem  ist  nicht  so;  nur  muss  man  die  beiden  Quellen  richtig  beurthei- 
len.  Eratosthenes  gibt  bekanntlich  ein  Verzeichnis  thebaischer  Könige  vor 
dem  Einfall  der  Hyksos  mit  1076  Jahren.  Manetho  gibt,  und  das  ist  zu 
beachten,  ein  Verzeichnis,  in  welchem  nur  jene  Könige  des  Eratosthenes 
v<»rkommen,  die  zugleich  über  Memphis  geboten.  Nach  Ausscheidung  der 
mit  den  memphitischen  Königen  gleichzeitigen  Dynastien  bei  Manetho 
gibt  auch  dieser  eine  dem  Eratosthenes  genau  entsprechende  Umfangs- 
summe,  nämlich  1082  J.,  wobei  die  Differenz  sich  noch  genau  dadurch 
ergänzt,  dass  Eratosthenes  das  Buch  mit  dem  Einfall  der  Hyksos  abschloss, 
während  der  letzte  Regent  der  letzten  Dynastie  vor  diesem  Ereignis  den 
Einbruch  nur  um  die  differierenden  Jahre  überlebte,  die  er  denn  auch  bei 
Manetho  führt  Gerade  hierin  schien  uns  stets  der  beste  Beweis  für  die 
Annahme  zu  liegen,  dass  Aegypten  zeitweise  getheilt  gewesen,  wofür  uns 
auch  Theben  und  Memphis  ein  durch  alle  Jahrtausende  sprechendes  Zeug- 
nis sind.  Auch  für  die  Auffassung  der  ägyptischen  Religion  ist  es  nicht 
gleichgiltig,  ob  uns  das  alte  Reich  schon  als  eins  oder  als  allmählich  zu- 
sammengewachsen aus  unabhängigen  Landschaften  erscheint  Bumüller  wider- 
spricht consequent  also  auch  auf  dem  Gebiete  der  religiösen  Entwickelung 
dem  trefflichen  Lepsius,  der  jenen  Fundamentalsatz  einstiger  Theilung  vor 
allem  vertntt  (vgL  S.  269). 

Das  Ergebnis  seiner  Betrachtung  der  alten  Geschichte  Aegyptens 
iasst  Bumüller  selbst  mit  den  Worten  zusammen:  „weder  die  Denkmäler, 
noch  Manetho,  noch  die  griechischen  Geschichtschreiber  geben  uns  einen 
acheren  Anhaltspunct,  um  den  Anfang  der  historischen  Zeit  Aegyptens 
zu  bestinmien,  ja  für  die  ganze  Dauer  des  alten  Reiches  nicht  ein  einziges 
chronologisches  Datum.**  Wenn  Bumüller  auch  für  die  mittlere  Zeit,  für 
die  Dauer  der  Hyksosherrschaft  zu  demselben  negativen  Ergebnis  gelangt, 
so  ist  dies  nur  eine  natürliche  Folge  consequenten  Verfahrens,  das  von 
fidschem  nur  zu  falschem  gelangt,  wenn  nicht  zwei  Fehler  desselben  Cal- 
cüls  sich  zufällig  compensieren.  Von  unserem  angedeuteten  Standpunct  ist 
die  sonst  so  schwierige  Bestimmung  der  mittleren  Zeit  leicht  zu  gewinnen; 
aber  wenn  eine  Sache  leicht  ist,  muss  sie  nicht  falsch  sein.  Wir  kennen 
bereits  den  Endpunct  des  alten  Reiches  und  gewinnen  durch  Zurückgehen 
aus  der  historisch-hellen  Zeit,  für  die  un»  die  Vergleichung  mit  auTser- 
igyptischen  Quellen  möglich  ist,  auch  den  anderen  Endpunct  der  uMr 
Wen  Zeit 


450       Gcuchichtswerke  von  F,  Pakte  u.  a.,  wig.  v.  H.  Zeifl^ferg, 

In  der  ägyptischen  Geschichte  bemerken  wir  noch  die  abweichende 
Ansicht  Bumüller's  bezüglich  Sesostris  des  Großen.  Er  hält  nicht,  wie 
ee  sonst  wol  geschieht,  Ramses  II.  Miamun  dafür.  Er  setzt  ihn  vielmehr 
in  die  Zeit  vor  den  Hjksos  und  hält  ihn  für  gar  keinen  bestimmten  wirk- 
lichen König.  „Die  ganze  ideale  Herrlichkeit  des  alten  Reiches  ist  so  iB 
einem  Könige  S.  concentriert,  der  eben  deswegen  kein  historischer  König 
ist,  dem  aber  die  Priester  einen  der  alten  Königsnamen  zur  Folie  gaben.** 
Uns  will  diese  Anffassnng  nicht  richtig  dünken ,  wenn  wir  an  Semiramis, 
Kyros,  Karl  den  Grofsen  ond  andere  -historische  Typen  denken.  Nnr  eine 
historische  Person  kann  zum  historischen  Typos  werden.  —  Beachtenswerth 
hingegen  erscheint,  was  Bumüller  von  den  Pharaonen  sagt,  deren  die  Sdirifb 
unter  Moses  gedenkt.  Bumüller  bezweifelt,  dass  Bamses  IL  der  Pharao  der 
Bedrückung  und  Menophtha  sein  Sohn  der  Pharao  des  Auszugs  der  Israe- 
liten gewesen.  Denn  Menophtha  und  Menophres,  d.  i.  der  von  Phtha  und 
der  von  Rha  geliebte  seien  verschiedene  Namen.  —  Beachtenswerth  sind 
femer  Bumüller's  auf  das  Kastenwesen  bezüglichen  Bemerkungen.  Der  Nadi- 
weis,  dass  dasselbe  niemals  so  strenge  gehandhabt  wurde,  als  man  nur  tu. 
oft  geneigt  ist  anzunehmen,  dürfte  namentlich  f%ir  Prof.  MöUer  und  dessen 
Kastentheorie  manch  goldenes  Korn  der  Wahrheit  enthalten. 

SchliefBlich  sei  noch  bemerkt,  dass  Bumüller  auch  an  der  Richtig- 
keit des  J.  610  für  die  Thaletische  Finsternis  zweifelt,  und  sich  zu  der 
Berechnung  des  J.  585  hinneigt,  für  das  sich  der  jüngst  verstorbene  Tü- 
binger Astronom  Zech  in  seiner  bekannten  Preisschrift  entschieden.  Frei- 
lich meint  Bumüller,  dass  die  Finsternis  mit  den  übrigen  Ereignissen  der 
vorderasiatischen  Welt  in  keinem  ursachlichen  Zusammenhang  stehe,  und 
durch  Verrückung  derselben  das  ganze  chronologische  Gebäude  keinen  Sclu^ 
den  nehme.  Daher  setzt  er  die  Zerstörung  Ninives  uro  das  J.  606. 

Noch  ein  drittes  Buch,  das  der  orientalichen  Geschichte  geweiht  ist, 
haben  wir  zu  erwähnen.'  Pahle  stellte  es  sich  zur  dankenswerthen  Aufgabe 
den  strebsamen  Schülern  der  oberen  Classen  oder  auch  theilnehmenden 
und  gebildeten  Laien  in  anziehender  Form  und  thunlichster  Kürze  die 
Resultate  der  neueren  Forschung  auf  diesem  Gebiete  vor  Augen  zu  fuhren. 
Dass  Pahle  dabei  besonders  Duncker's  Werk  üeUsig  benutzte,  wird  ihm 
gewiss  nicht  zum  Vorwurfe  gereichen.  Grundsätzlich  schloss  der  Verf.  die 
jüdische  Geschichte  möglichst  von  der  Darstellung  aus,  indem  er  sie  bei 
seinen  Lesern  als  bekannt  annahm.  Wir  wissen  nicht,  welcher  Leserkreis 
hiemit  gemeint  ist,  aber  wir  glauben,  dass  die  Vorführung  der  Ebrgebnisse 
neuerer  Forschungen  auch  auf  diesem  Gebiete  das  Buch  gewiss  nicht  beein- 
trächtigt hätte.  Dasselbe  und  noch  in  erhöhtem  Grade  g^t  von  der  indi- 
schen Vorgeschichte  bis  Kyros,  deren  ungerechtfertigte  Beseitigung  nicht 
wenig  die  Durchsichtigkeit  der  bis  Darius  geführten  persischen  Geschichte 
beeinträchtigt ;  und  doch  hätte  Duncker  gerade  in  diesem  Theile  die  beste 
Stütze  gewährt. 

Im  einzelnen  fiel  uns  auf,  dass  die  Inschrift  von  Behistun  oft  ge- 
nannt, aber  nirgends  beschrieben,  dass  über  die  Geburt  des  Kyios  nur 
Herodots  Bericht  namhaft  gemacht  wird.  S.  12  soll  der  Kubikiiüialt  dtf 
höchsten  Pyramide  wol  90,  nicht  9  Millionen  KubikfoTs  betragen.  8.  146 


Literarische  Notizen.  451 

und  146  wird  beharrlich  Hophra  statt  Nello  genannt.  Dem  Büchlein  sind 
eine  brauchbare  synchronistische  Tabelle  und  zwei  recht  unbrauchbare 
Kartchen,  Syrien  und  Vorderasien,  beigebunden;  man  begreift  nicht,  wozu 
die  paar  Namen  des  ersten  Kärtchens  nicht  sofort  auf  den  kahlen  Flächen 
des  zweiten  Annahme  landen. 

Lemberg.  H.  Zeifsberg. 

Programme  österreichischer  Gymnasien  und 
Realschulen. 

II.  Abhandlungen  aus  dem  historisch-geographischen 

Gebiete. 

1.  Historische  Skizze  der  Gründtter  Städte  (dargestellt  aus  sum  Theü 
ungedruckten  QueUen)  von  Dr,  Erasmus  Schwab,  (Im  Brünner  Gym- 
nasialprogramm F.  J.  1864.  15  S.  gr.  4.) 

Der  VerfjEisser  dieser  geschichtlichen  QueUenstudie  hat  den  engen 
Kreis  Ton  Monographien  über  Ungarns  vergangenes  Culturleben  mit  einer 
werthvoUen  Spende  bereichert  una  eines  der  anziehendsten  Gebiete  —  den 
sogenannten  „Gründnerboden*"  des  Zipser  Comitates  im  Süden  der  Tatra 
zum  Gegenstande  seiner  Untersuchung  ausersehen.  Die  Vertrautheit  mit 
dem  Stoffe,  das  vollständige,  durch  genaue  Landeskenntnis  gewonnene  Ein- 
leben in  dem  Materiale  der  Arbeit  tnut  dem  Leser  wohl,  namentlich  dem, 
welcher  selbst  Gelegenheit  fand  Studien  in  gleicher  Bichtung  anzustellen. 

Der  Verf.  entwirft  zunächst  eine  kurzd  anschauliche  Skizze  von  dem 
JBoden*'  der  Grundner  Städte  und  dem  Sesshaftwerden  deutscher  Ansiedler; 
sodann  wird  der  äuJfeero  und  innere  Zustand  der  Ortschaften,  GöUnitz  und 
SchmöUnitz  an  der  Spitze,  in  den  Tagen  der  Arpäden,  erörtert  und  der 
Uebereang  zur  Periode  der  Ai^ous  gemacht.  Hier  findet  der  Vf.  Gelegen- 
heit, die  municipalen  Verhältnisse  und  den  Bergbau  der  fleüüsigen  Anwoh- 
ner des  näheren  auseinanderzusetzen.  In  gleicher  Weise  verfahrt  er  in  der 
Luxemburgisch -Habsburgischen  Zeit,  für  welche  „das  älteste  in  Abschrift 
erhaltene  Stadtbuch  von  SchmöUnitz**  „über  die  Gestalt  und  die  Wechsel- 
bexiehnngen  des  städtischen  Lebens  in  dieser  Periode"  vielfache  Belehrung 
bietet  Schon  in  der  Zeit  K  Sigmunds  (1395—1437)  findet  der  Verf.  die 
Thatsache,  dass  „den  Gründen  empfindliche  EinbuTse  an  Becht  und  Besitz 
durch  dynastische  Nachbarn"  widerfahren  und  erörtert  die  Schäden,  welche 
den  dortigen  Bergbetrieb  in  der  traurigen  Zeit  des  Bürgerkrieges  (1440—1444) 
und  seiner  Nachwehen  (1444  1457)  lähmten.  Von  den  Tagen  Mathias 
(1457-1490)  geht  er  sodann  über  zu  der  „Periode  der  Oügarchenherrschaff* 
(1490—1526),  worin,  aller  Wahrscheinüchkeit  nach,  die  „Beichsunmittel- 
barkeit  für  GöUnitz  und  SchmöUnitz  verloren"  gieng  und  aas  Haus  Zäpolya 
m  den  Besitz  der  Gründe  kam.  Die  weitere  DarsteUung  ist  nach  Jahr- 
'hunderten  gegliedert.  Das  16.  Jahrh.  zeigt  uns  die  Verleihung  der  Berg- 
städte  an  Alexius  Thurzi,  die  Gewaltthaten  der  Bebeks  wider  die  Gründe, 
den  Verfall  des  Wohlstandes,  die  Abnahme  der  Bevölkerung  in  denselben, 
wovon  die  Bittschrift  der  GöUnitz-SchmöUnitzer  v.  J.  1574  an  K.  Max  n. 
das  bedauerUchste  Zeugnis  abgebe,  und  die  endUche  Regelung  des  Unter- 
thansverhältnisses  der  Gründe.  Für  das  17.  Jahrhundert  ergeht  sich  die 
DarsteUung  im  Schildern  des  weiteren  VerfaUes,  der  Csaky'schen  Grund- 
herrschaft und  der  JoanelU'schen  Pachtung,  um  mit  einer  anschauUchen 
Skizze  der  Bakoczy'schen  Zeit  (1703  —  1711),  der  Rechtsverhältnisse  und 
materieUen  Zustände  unter  Karl  VI.  und  im  19.  Jahrhundert  zu  schUeÜBen. 
Gerade  für  die  neuere  Zeit,  vom  16.  Jahrhunderte  an,  bietet  die  Arbeit 
weeentUch  neues  Material  und  wir  halten  <is  für  ganz  ortgeuäfs  ihre  in- 
haltUche  Bestimmung  zu  dem  Aufsätze  des  Vf. 's  in  den  „Stimmen  der 
Zeit"  (1862,  Nr.  4,5)  und  in  dem  jün^  erschienenen  populären  Werke 
Jjsnd  und  Leute  in  Ungarn"  (Leipzig,  wigaud^  1865.  L)  anzudeuten. 


45t  Literarisclie  Notizen. 

Zwei  Wünsche  darf  jedoch  Ref.  nicht  unterdrücken.  Erstens  bedsaert 
derselbe  den  Abgang  bestimmter  Citate  aus  gedruckten  Quellenweikoi, 
sodann  den  Ausmll  der  Angaben  über  die  allerdings  höchst  spärliche  Lite- 
ratur  zur  Geschichte  der  Gründe.  Der  Verf.  hat  nämlich  für  das  Mittel- 
alter Stellen  aus  Urkunden  angeführt,  die  sich  in  Fejer*s  Codex  diplom. 
Hungariae  vorfinden  und  zumeist  von  diesem  wieder  den  Sammlungen  Ton 
Wagner:  Analecta  Scepusii  sacri  et  jprofani  (IV  Thle.  1774  — 7a  Wien, 
Prefsburg,  Easchau)  und  Bärdosy:  Supplementum  Analectomm  Teme 
Scepusiensis  Leutschau  1802,  entnommen  wurden.  Die  genaue  Gitierang 
Fejer's  oder  Wagner-Bardosy's  nach  Band  und  Seitenzahl  würde  dem  selbsi- 
thäti^en  Leser  das  Nachschlagen  und  Vergleichen  erleichtert  haben.  Zudem 
verpachtet  sich  der  Verf.  durch  den  an  die  Spitze  der  Arbeit  gestell- 
ten Satz  .dargestellt  ans  zumTheil  ungedruckten  Quellen",  gewisser- 
maTsen  selbst,  die  „gedruckten**  des  näheren  anzugeben,  was  er  eben  unter- 
lielis.  Anderseits  hätte  zweier  Arbeiten  gedacht  werden  sollen,  die  theil- 
weise  auf  denselben  Quellen  beruhen ,  woraus  der  Vf.  schöpfte.  Es  sind 
dies:  Ant.  Stark:  „Beiträge  zur  Geschichte  der  Bergstadt  Grölnitz*',  Ka- 
schau  1813,  und  (FL  Bolinäsy)  „Synoptische  Geschichte  des  oberungarischen 
Bergbaues  bis  1670"  im  Schmöllnitzer  Bergkalender  L  IL  Jahrgang 
(1839/40.  Schmöllnitz  b.  M.  Stark).  Wir  zweifeln  nämlich  nicht,  dass  wenig- 
stens die  zweitgenannte,  sehr  fieifsig  gearbeitete  Skizze  dem  VC.  bekannt 
werden  musste. 

Dass  diese  berührten  Mängel  den  eigentlichen  Werth  der  Arbeit  als 
einer  selbständigen  nicht  schmälern,  bedarf  keines  Beweises.  Wenn  wir  sie 
überdies  formgewandt  nennen,  so  bedarf  sie  unserseits  keiner  bessern  An- 
empfehlung mehr  und  nur  der  Wunsch  sei  noch  ausgesprochen,  sie  bald 
fortgesetzt  zu  sehen. 

2.  Joh.  Jesenko:  „Geschah  die  Erstürmung  Borns  unter  dem  Heraog 
Karl  von  Bourhon  mit  oder  ohne  Vortvissen  des  Kaisers  KaH  V.?^ 
(Im  15.  Jahresbericht  des  k.  k.  Obergymnasiums  zu  Görz  1864.  37  S.  8.) 

Eine  der  anziehendsten  Fragen  in  der  vielbewegten  Zeit  des  16.  Jahr- 
hunderts findet  hier  eine  neue,  gründlich  und  gewandt  geschriebene  Unter- 
suchung. Dem  Aufsätze  wird  zunächst  eine  Uebersicht  der  benützten  Quel- 
len und  Hilfsarbeiten  vorangestellt.  Sie  beweist,  dass  der  Vf.  sein  mög- 
lichstes that  uns  vergessen  zu  machen,  unter  welchen  beengenden  Ver- 
hältnissen von  Zeit  und  Ort  er  die  Arbeit  zum  Abschluss  brachte.  Wir 
dürfen  ihm  die  Nichtberücksichtigung  einer  oder  der  anderen  Quelle,  das 
Uebersehen  einer  oder  der  anderen  Hilfsarbeit  gerne  nachsehen,  wenn  wir 
bedenken,  wie  es  selbst  unter  den  günstigsten  Verhältnissen  schier  unmög- 
lich ist,  darin  vollständig  zu  sein,  und  anderseits  inne  werden,  dass  der 
Verf.  den  wesentlichsten  Quellenstoff,  die  mafsgebendsten  Anschauungen 
kennt  und  gewissenhaft  verwerthet  hat.  So  fehlt  z.  B.  der  Hinweis  auf 
den  betreffenden  Abschnitt  in  Gassler *s  „Schilderungen  aus  Urschriften 
unserer  Voreltern**.  Innsbruck,  1787,  S.  49  —  138,  worin  der  Zug  gegen 
Rom  nach  den  Papieren  der  „Freundsberge,  Angerer,  Burgo,  Bemeu>eig, 
Schwegler,  Sanchez,  de  Leyva,  von  Trapp,  von  Breysach,  von  Wittenbäch, 
von  Thurn**  etc.  behandelt  ist,  ohne  dass  wir  dem  Vt  cUe  Ignorierung  des 
ziemlich  verschollenen  Werkes  verargen  dürfen.  Auffallender  war  es  uns, 
das  Bruchstück  aus  J.  Ziegler's  Aufsatz  über  die  Eroberung  von  Born, 
wie  es  uns  Ranke  im  6.  Bde.  der  deutsch.  G.  i.  Ref.  ZtA.  VL  136—154 
bietet,  nicht  citiert  zu  finden,  während  doch  der  IL  Bd.  dieses  Geschichts- 


, (y^ 

Vi.  109)  und  Vettori's  Viaggio  in  Alemagna  aggiuntavi  la  vita  di  Franc 
Pagolo  Vettori,  il  sacco  di  Roma  del  1527  dello  stesso.  Parigi  1838.  12\ 
Gehen  wir  nun  zur  gedrängten  Inhaltsanzeige  der  Abhandlung  übor. 
S.  5—11  wird  die  Folgezeit  des  Madrider  Friedens,  insbesondere  &  da- 


Literarische  Notizen.  46S 

nialige  La^  Italiens  und  der  Zustand  der  kaiserlichen  Armee  anter  Boor- 
bon  geschildert  and  die  Politik  Karls  V.  gegenüber  der  Carie  geprüft, 
sodann  (S.  11—27)  das  Verhältnis  des  Kaisers  za  den  Entschlielsangen 
seines  Feldherm  actenniäfsig  antersacht;  mit  besonderer  Bücksicht  aaf 
jene  Stelle  bei  Paalas  Jovius,  worin  dieser  Ton  gewissen  „geheimen  Be- 
fehlen* Karls  y.  an  Boarbon  spricht.  Der  Vf.  sieht  sich  (S.  27  f.)  za  einer 
-Hypothese**  über  ihre  ^Genesis**  veranlasst  and  findet  selbe  in  einer  Fiction, 
dem  Pompejos  Colonna,  Jovias'  Gewährsmann,  gegenüber  von  Seiten  Karls 
Ton  Boarbon  angewandt,  als  dieser  in  der  äoüäersten  Bedrängnis  sich  be- 
fanden and  (Gefahr  lief  „zwischen  das  zweiÜEu^ho  Feaer  der  Feinde  za  ge- 
rathen."  Das  weitere,  S.  29—87,  setzt  sich  zur  Aufgabe,  auf  Grund  maß- 
gebender Zeugnisse  jede  „Verbindung  zwischen  dem  Kaiser  und  diesen 
Plänen  and  Vorgängen  nach  Art  der  Ursache  und  Folge**  in  Abr^e  zu 
stellen.  Zum  Schiasse  (S.  37)  heilet  es:  „Das  Resultat  der  ^fanzen  Unter- 
snchung  läset  sich  in  folgendes  zusammenfassen.  Das  kaiserhche  Heer  hat 
Born  onne  Wissen  und  Willen  des  Kaisers  erstürmt,  ja  fdle 
Gräael,  welche  dabei  vorgefaUen  sind,  können  nicht  einmal  dem  Herz(m 
▼on  Boarbon  zur  Schuld  angerechnet  werden;  der  Kaiser  ist  davon  voB- 
kommen  freizusprechen.  Deshalb  aber,  dass  er  den  ihm  unwillkürlich  zu- 
ge&llenen  Sie^  auszunützen  suchte,  kann  nicht  auf  eine  Mitwissenschaft 
ffeschlossen,  vielmehr  muss  ihm  das  Zeugnis  eines  sehr  politischen  Han- 
aelns  ausgestellt  werden** ...  In  der  an  diesen  Schlussatmatz  geknüpften 
Anmerkung  rechtfertigt  der  Vf  sein  absichtliches  Vermeiden  jeder  Polemik 
gegen  die  angeführten  Hilfswerke  späterer  Gcschichtschreiber  und  endigt 
mit  den  Worten:  „Eine  klare  Einsicht  in  die  betreffenden  Quellen  und 
eine  vorurtheüsfreie  Auffassung  des  gegebenen  zeigt,  dass  auch  jene,  die 
in  der  reli^ösen  £rbitt«^rung  den  Ursprung  jener  Bieschuldig^ong  suchen, 
ihn  nachweisen  wollen  oder  ohne  Beweise  davon  sprechen,  nicht  sine  ira 
et  studio  an  die  Sache  gehen." 

Die  Correctheit  des  Druckes  lässt  namentlich  in  den  Noten  manches 
zu  wünschen  übrig.  Sinnstörende  Fehler  sind  uns  im  Texte  nicht  vor- 
gekommen. 

Graz.  F.  Krones. 

3.  Fr,  Schiel f  Matrikel  des  Kronstädter  QymrumwuM  vom  Jahre 
1544—1810.  (Im  Programm  des  evangelischen  Gymnasiums  zu  Kronstadt 
and  der  damit  verbundenen  Lehranstalten  1863  u.  1864.  87  S.  8.) 

4.  W,  Teutschländer,  Zur  Geschichte  des  Turnens  im  Sieben- 
hürger  Sachsenlande.  (Im  Kronstädter  Programm  f.  1864.  IV  u.  24  S.  8.) 

5.  G.  Bell,  Geschichte  des  Schäfshurger  Gymnasiums.  (Im  Pro- 
granun  des  evangelischen  Gymnasiums  zu  Schäifsburg  1864.  56  S.  4.) 

6.  Fr.  Storch,  üeher  den  Einfluss  der  reformatorischen  Bestre- 
bungen des  16.  Jahrhunderts  auf  die  Entwickelung  und  Bildung  der 
Sdmen.  (Im  Programm  des  evangelischen  Gymnasiums  zu  Bis  tri  tz  1862. 
47  S.  8.) 

Wenn,  unähnlich  so  manchen  andern  abgetrennten  Gliedern  des 
deatschen  Volkes,  die  Siebenbürger  Sachsen,  vor  Jahrhunderten  in  den 
fernen  Südosten  Ungarns  als  Vormauer  europäischer  Gesittung  verpflanzt, 
von  fremden  und  feindlichen  Völkerschaften  umgeben,  mitten  unter  den 
schweren  inneren  und  äuXlseren  Kämpfen,  von  welchen  die  Geschichte  Sie- 
benbürgens erfüllt  ist,  dennoch  ihre  Nationalität  gewahrt  haben,  so  danken 
sie  dies  vor  allem  dem  lebendi^n  Verkehr  mit  dem  Mutterlande,  aas 
dessen  Boden  sie  immer  frische  Kraft  zogen.  An  den  deutschen  Universi- 
täten suchte  ihre  Jugend  höhere  Bildung,  insbesondere  Vorbereitung  für 
das  Predifft-  und  Lehramt;  ihre  Schulen  genossen  denn  auch,  wenngleich 
mit  Unterorechungen ,  wie  sie  die  Uneunst  der  Verhältnisse  herbeimhrte, 
emes  guten  Rufes.  Die  Bemühungen  der  jetzigen  Generation,  einer  Reihe 


454  Literarische  Notizen. 

von  Männern,  wie  Teutsch,  Scliuller  %  Fr.  Müller,  Haltrich  u.  a.,  am  £r* 
forschung  der  Landeskunde  und  Geschichte,  um  Burcharbeitang  des  hä- 
mischen Sagenschatzes  haben  bei  Meistern  der  Wissenschaft  wanne  Aner- 
kennung gefunden.  Die  Programme  der  Lehranstalten  lieferten  hiezu  man- 
chen Baustein;  mit  besonderer  Liebe  hat  man  sich  der  Geschichte  der 
Schulen  selbst  zugewendet.  Mehrere  solche  Arbeiten  aus  verschiedenen 
Gauen  des  Sachsenlandes  liegen  uns  hier  vor. 

Im  Kronstädter  Jahresberichte  hat  Dir.  Schiel  auf  Anregung  des 
dortigen  Zweigvereins  für  Landeskunde  begonnen  die  alte  Matrikel  des 
Gymnasiums  zu  verö£fentlichen ,  welche  die  Zeit  von  der  Gründunff  der 
Säiule  durch  den  sächsischen  Keformator  Houterus  im  Jahre  1544  bis 
1810  urafasst  und  die  Namen  sämmtlicher  Bectoren,  sowie  das  Veneichnis 
der  Schüler  in  den  oberen  Classen,  den  vollständigen  Bestand  des  Lehrer- 
collegiums  aber  erst  seit  1694  enthält;  beigefügt  sind  Notizen  über  ein- 
zelne Lehrer  und  Schüler,  hie  und  da  auch  über  Schulverhältnisse  und 
wichtigere  gleichzeitige  Ereignisse.  Die  Geschichte  des  Gymnasiums  selbst, 
das  unter  den  Schwesteranst^lten  lange  Zeit  den  ersten  Bang  behauptete, 
erfuhr  schon  vor  zwei  Jahrzehnten  bei  Gelegenheit  der  dreihund^-^'"*-- — 


Gründungsfeier  durch  Duck  (Kronstadt  ^  1845)  eine  treffliche  Bearbeitiibg, 
für  welche  der  Abdruck  der  Matrikel  eine  willkommene  Ergänzun^^  bildet. 
Die  Pnblication  bringt  die  Bectoren  vollständig,  den  catalo^s  stucßosorum 
bis  1704;  die  Fortsetzung  soU  in  den  nächsten  Jahresberichten  erscheinen. 
Der  Herausgeber  hat,  besonders  in  der  zweiten  Hälfte,  durch  Anmerkungen 
einzelne  Notizen  erläutert,  den  Lebenslauf  namhafter  Bectoren  gesdülctert 
und  ihre  Wirksamkeit  charakterisiert,  sowie  am  Schlüsse  grd£erer  Zeit- 
räume die  Er^ebnissse  zusammengefasst. 

Das  vorjährige  Kronstödter  Programm  enthält  auflserdem  einen  lieber- 
blick  über  die  Geschichte  des  Turnens  im  Sachscnlande,  mit  besonderer 
Hervorhebung  Kronstadts,  da  dem  Verfasser  die  gewünschten  Mittheilun- 
gen aus  den  andern  Städten  nicht  rechtzeitig  zugekommen  waren.  Die 
ersten  Bestrebungen  in  den  zwanziger  Jahren  giengen  von  dem  trefflichen 
Stef.  Ludw.  Both  aus,  der  in  Yverdun  unter  Pestalozzi  zwei  Jahre  als 
Lehrer  gewirkt  hatte,  scheiterten  aber  in  ihrer  Vereinzelung  an  der  Gleich- 
gilti^keit  und  Abneigung  der  Zeit.  Erst  als  in  den  beiden  folgenden  De- 
cennien  ein  reges  politisches  und  geistiges  Leben,  wie  in  Siebenbürgen 
überhaupt,  so  insbesondere  unter  den  Sachsen  erwachte,  denen  ihre  isolierte 
Stellung  die  Entfaltung  aller  Kräfte  gebot,  iieng  man  an,  das  Turnen  in 
seiner  Bedeutung  für  die  Erziehung  der  Nation  zu  erfassen.  So  fand  es  denn 
seit  1845  allmählich  in  den  Schulen  Eingang.  Im  Jahre  1848,  angesichts 
eines  drohenden  schweren  Kampfes,  in  welchem  die  politische  Existenz  des 
sächsischen  Stammes  auf  dem  Spiele  stand,  schien  es  sogar  zur  Volkssache 
werden  zu  sollen;  auf  einer  grofsen  Versammlunff  zu  Mediasch  wurde  die 
Bildung  eines  Jugendbundes  beschlossen ,  unter  dessen  Aufgaben  auch  die 
Förderung  des  Turnens  aufgenommen  war.  Aber  die  Stürme  der  nächsten 
Zeit  griffen  in  die  Fortentwickelung  des  Begonnenen  um  so  störender  ein, 
als  mehrere  der  Leiter  jener  Bewegung  ihren  Tod  fanden;  auch  Roth  fiel 
als  Opfer  des  Parteihasses.  In  der  folgenden  Periode  gerieth  das  Tum- 
wesen,  soweit  wir  aus  den  Mittheilungen  des  Verfassers  ersehen  können, 
mit  Ausnahme  Kronstadts  in  Verfall,  bis  mi  Jahre  1859  die  wiedererwachende 
politische  Bewegung  ihm  neuen  Aufschwung  gab.  In  Kronstadt  bildete 
sich  1861  ein  Turnverein;  von  hier  gienff  die  Anregung  zur  Abhaltung 
allgemeiner  Turnfeste,  deren  erstes  1862  in  Mediasch  gefeiert  wurde, 
und  zur  Gründung  eines  sächsischen  Haupttumvereins  aus,  der  noch  im 
Werden  begriffen  ist.  Der  Verfasser  schliefst  mit  dem  Wunsche,  dass  die 
in  anderen  Staaten  bestehenden  gesetzlichen  Einrichtungen,  wodurch  der 
Turnunterricht  obligatorisch  gemacht  und  für  Heranbildung  tüchtiger  Leh- 

*)  Leider  wurde  in  der  jüngsten  Zeit  (10.  März  1865)  dieser  nnennüd- 
.liehe  Forscher  der  Wissenschaft  und  seinem  Heimataland  entrissen. 


Literarische  Notizen.  455 

rer  Sorge  getragen  wird,  auch  in  seinem  Heimatlande  bald  Nachahmung 
finden  möchten.  —  Die  Skizze  kann  als  brauchbare  Vorarbeit  für  eine 
mtore  umfassendere  Bearbeitung  des  Gegenstandes  angesehen  werden. 
Wir  bemerken  nur  noch,  dass  S.  8  irrthümlich  eine  Umwandlung  des  preufsi- 
schen  Tugendbundes,  als  derselbe  nicht  praktisch  genug  erschienen  sei,  in 
einen  „Deutschen  Bund**  angenommen  wird. 

In  Schäfisburg  hat  nach  langer  Unterbrechung  G.  Bell  die  Geschichte 
der  Lehranstalt  wieder  aufgenommen,  welche  Teutsch  in  seinen  trefflichen 
Abhandlungen  (1852  und  1853)  bis  zum  Jahre  1741  hinabgeföhrt  hatte. 
Die  Fortsetzung  reicht  bis  1808;  sie  umfasst  einen  Zeitraum,  in  dem  sich 
Siebenbürgen  von  den  Wunden,  welche  ihm  Türken-  und  Bürgerkriege, 
sowie  die  hftuflg  wiederkehrende  Geifisel  der  Pest  geschlagen ,  langsam  er- 
holte und  auch  die  gröXötentheils  in  tiefen  Verfeil  gerathenen  Schulen 
einen  neuen  Aufschwung  nahmen.  Der  Verfasser  hat  sich  mit  Becht  die 
musterhafte  Methode  seines  Vorgängers  zum  Vorbild  genommen,  welche 
der  Fülle  des  Details  den  allgemeinen  Entwickelungsgang,  den  Zusammen- 
hang mit  der  Landesgeschichte  und  der  Fortbildung  des  Unterrichtswesens 
in  Deutachland  nicht  aufopfert,  während  bei  manchen  ähnlichen  Arbeiten 
gerade  diese  Gesichtspuncte,  unter  denen  die  Geschichte  einer  Schule  erst 
höhere  Bedeutung  gewinnt,  zu  sehr  in  den  Hintergrund  treten.  Auch  die 
änXbere  Anordnung  wurde  beibehalten,  so  dass  der  weitschichtige  Stoff 
sweckmäfidg  geghedert  erscheint.  Störend  ist  die  beträchtliche  mhl  der 
Druckfehler,  welche  sich  freilich  durch  die  Entfernung  des  Verfassers  vom 
Dmckorte  (Kronstadt)  eiui^ermafsen  entschuldigen  lässt  Hoffentlich  wird 
die  fleÜlBige  Monographie  bis  auf  die  Gegenwart  fortgeführt  werden. 

Die  Abhan<uung  im  Bistritzer  Programm,  welche  sich  als  eine  Erst- 
liiigsarbeit  bezeichnet,  verbreitet  sich  nach  einem  flüchtigen  Ueberblick 
über  den  geistigen  Entwickelungsgang  des  Mittelalters  —  wobei  die  Be- 
merkung zu  bänstanden  ist^  £i.ss  Deutschland  die  Erbschaft  der  unter- 
gehenden antiken  Bildung  angetreten  habe  —  über  die  Umgestaltung  der 
Schalen  durch  die  Beformation,  zunächst  in  Deutschland  selbst,  dann  bei 
den  Siebenbürger  Sachsen.  Der  Verfasser  klagt  über  den  Mangel  an  Ma- 
terial, besonders  für  die  Bistritzer  Schule,  da  die  beiden  dortigen  Archive 
sich  in  grofiser  Unordnung  befinden;  hauptsächlich  ^vurden  die  Geschieht« 
der  SieMnbürger  Sachsen  von  Teutsch  und  die  bereits  erwähnten  Mono- 
gnphien  über  das  Kronstädter  und  Schäfsburger  Gymnasium,  sowie  die  Ge- 
sehiefate  des  Bistritzer  Gymnasiums  (von  Wittstock  im  Progr.  f.  1852),  endlich 
R.  V.  Baumerts  Geschichte  der  Psda^gik  benützt.  Bei  der  Bescheidenheit, 
mit  welcher  der  Verfesser  selbst  die  Unvollständigkeit  der  Arbeit  zuge- 
steht, dürfen  wir  -wol  seinem  Streben  unsere  Anerkennung  nicht  versagen. 
Wegen  der  Dürftigkeit  der  bis  jetzt  erschlossenen  Quellen  beruhen  manche 
Aiumhmen  nur  auf  Vermuthung;  einzelne  Puncto,  die  sich  doch  unserer 
Kunde  nicht  ganz  entziehen,  blieben  unerwähnt,  so  Stellung  und  Ein- 
kommen des  Kectors.  Unrichtig  ist«  dass  während  der  Reformationszeit 
28  Sachsen  als  Vorstände  der  ungarischen  Landsmannschaft  an  der  Wiener 
Hochschule  verzeichnet  seien;  sie  finden  sich  vielmehr,  nach  der  auch  vom 
Verfaeser  dtierten  Stelle  aus  der  Geschichte  des  SchäTsburger  Gvmnasiums 
(L  S.  3),  in  den  Jahren  1453—1521.  Dass  auch  in  der  Volksschule  häufig 
Griechisch  gelehrt  wurde,  war  nicht,  wie  man  nach  S.  14  glauben  sollte, 
im  %nne  Luthers.  Die  Darstellung  trägt  noch  den  Stempel  der  Ungeübt- 
heit  an  sich,  ist  mitunter  weitschweifig  und  von  Sprachwidrigkeiten  nicht 
frei.  Als  Anhang  sind  acht  Briefe,  die  bis  auf  den  bedeutungslosen  ersten 
ftr  das  Schulwesen  und  die  Verhältnisse  der  im  Auslande  studierenden 
Siebenbürger  Sachsen  von  Interesse  sind,  femer  ein  Verzeichnis  der  wich- 
tigsten Bücher  beigefügt,  welche  damals  an  der  Lehranstalt  im  Gebrauch 
geweeen  zu  sein  sckeinen. 

Wien.  Heinrich  F  i  c  k  e  r. 


Dritte  Abtheilung. 

Zur  Didaktik  und  Paedagogik. 

Das  Deutsche  bei  der  österreichischen  Maturitäts- 
prüfung. 

In  den  neuerlichen  Verhandlungen  über  Form  und  Inhalt  der  Ma- 
turitätsprüfung geschah  des  Deutschen  zweimal  in  auflfallender  Weise  Er- 
wähnung. Hr.  Collega  Wolf  aus  Eger  erzählt  (Zeitschrift  1864,  S.  178) 
eine  drastbche  Anekdote  von  einem  mislungenen  Examen  und  Hr.  Schul- 
rath  Wilhelm  (Zeitschrift  1863,  S.  768)  will  das  Deutsche  als  Matter- 
und Unterrichtssprache  von  der  mündlichen  Prüfung  geradezu  ausgeechloesen 
wissen.  Beide  Bemerkungen  stehen  in  einem  gewissen  Zusammenhange. 
Die  Anekdote  beweist,  dass  man  in  der  Methode  oft  recht  sehr  fehlgreift 
und  die  DisciplinarmaJ^regel  des  Hm.  Schulratbes  kann  nur  die  strenge 
Consequenz  solcher  Fehlgriffe  sein ;  denn  der  Oegenstand  an  sieb  ist  wahf- 
lich  nicht  einer  von  jenen,  die  für  Beurtheilung  allgemeiner  Bildung  ohne 
wesentliche  Bedeutung  sind.  Dieser  Umstand  rechtfertigt  wol  einen  Ver- 
such,  die  Stellung  des  Deutschen  bei  der  Maturitätsprüfung  in  Oesterräch 
eingehend  zu  erörtern  und  durch  Eröffnung  einer  Debatte  über  diesen 
Gegenstand  etwas  zur  Feststellung  einer  sicheren  Methode  beizutragen. 

Kaum  ein  anderer  Gregenstand  des  Gyronasialunterrichtes  nimmt  an 
den  verschiedenen  Mittelschulen  Oesterreichs  eine  so  verschiedene  Stellang 
ein,  als  das  Deutsche,  keiner  erfordert  so  sehr  nach  den  wechselnden 
Verhältnissen  eine  wechselnde  Methode.  Kein  Wunder  denn,  dass  in  der 
Spanne  Zeit,  seit  welcher  der  Organisationsentwurf  in's  Leben  getreten 
ist,  sich  die  Ansichten  über  dieselbe  noch  nicht  vollständig  klarten;  hat 
man  sich  doch  in  rein  deutschen  Ländern  nach  langen  Verhandlungen  kaum 
über  die  Hauptpuncte  geeinigt.  Die  Instruction  für  den  deutschen  Un- 
terricht im  Organisationsentwurfe  bezieht  sich  nur  auf  rein  deutsche  Lehr- 
anstalten und  erstreckt  sich  nicht  besonders  auf  die  Behandlung  des  Ge- 
genstandes bei  der  Maturitätsprüfung;  die  in  den  Paragraphen  81  und  81 
enthaltenen  Bestimmungen  sind  so  allgemeiner  Natur,  dass  sie  für  die 
Methode  nicht  mafsgebend  sein  können.  Und  doch  wird  der  Gegenstand 
anders  auf  deutschen  und  anders  auf  nichtdeutschen  Schulen  zu  behandeln 
sein  und  die  Normen  für  einen  auf  acht  Jahre  vertheilten  Unterrieht 


iL  Egger,  Das  Dentsche  bei  der  österr.  Matnritfitsprtlfiiiig^.      457 

können  nicht  anch  ftlr  eine  Prüfung  gelten,  die  nur  einige  Standen  oder 
Minuten  dauern  kann.  Wir  wollen  hier  auf  die  wichtigsten  Verhältnisse 
Rücksicht  nehmen  und  die  Prüfung  besonders  in*s  Apige  fassen,  den  Un- 
terricht aber  nur  da  berühren,  wo  jene  diesen  yoraussetzt 

Die  nationale  Mannigfaltigkeit  der  österreichischen  Mittelschulen 
ist  bekannt;  wenn  wir  sie  PSn  unsem  Zweck  in  deutsche  und  nicht 
deutsche  scheiden,  so  haben  wir  die  allgemeinsten  Gesichtspuncte  ge- 
wonnen. Hat  der  ünterrichtsgegenstand  für  die  ersten  den  unschätzbaren 
Werth  nationaler  Bildung,  so  erhält  er  für  die  letztem  eine  rein  huma- 
nistische und  zugleich  sociale  Bedeutung.  Der  deutsche  Schüler  lernt 
dadurch  die  edelsten  Güter  seiner  Nation  kennen  und  sich  für  sie  be- 
geistern, für  den  Slaven  und  Magyaren  aber  hat  das  Deutsche  jenen  Werth, 
den  jede  europäische  Cultursprache  für  Nachbarvölker  besitzt,  den  Werth 
einer  geistig  weckenden  Kraft,  einer  wohlthätigen  Erweiterung  des  in- 
tellectuellen  Gesichtskreises.  Zudem  ist  das  Deutsche  für  ihn  deshalb  yon 
weitreichender  socialer  Bedeutung,  weil  es  das  einzig  mögliche,  daher 
unerlässliche  Verständigungsmittel  zwischen  den  verschiedenen  Volksstäm- 
men  des  österreichischen  Kaiserstaates  bildet  Es  muss  nur  noch  bemerkt 
werden,  dass  die  Bezeichnungei^  deutsch  und  nichtdeutsch  sich 
nach  der  inrklichen  Nationalität  der  Schüler,  nicht  aber  nach  der  herr- 
schenden Unterrichtssprache  richten,  so  dass  auch  manche  Lehranstalt 
mit  deutscher  Unterrichtssprache  eine  nichtdeutsche  genannt  werden  muss, 
weil  die  Mehrzahl  der  Schüler  einer  andern  Nationalität  angehört.  Die 
Nothwendigkeit  aber  einer  Prüfung  aus  dem  Deutschen  setzen  wir  bei 
jeder  österreichischen  Maturitätsprüfung  voraus,  ob  sie  am  Mincio  oder 
an  der  Marcs  abgehalten  wird.  Für  beide  genannten  Arten  von  Lehr- 
anstalten ist  die  Prüfung  aus  dem  Deutschen  durch  die  Bestimmung  des 
Organisationsentwurfes  in  eine  schriftliche  und  mündliche  getheilt 
Der  Inhalt  beider  wird  natürlich  nach  der  Nationalität  der  Schüler  ein 
verschiedener  sein. 

Ueber  Form  und  Inhalt  der  schriftlichen  Prüfung  wird  es  kaum 
noch  abweichende  Ansichten  geben.  Die  hohe  Bedeutung  des  Aufsatzes  in 
der  Muttersprache  für  Beurtheilung  der  Reife  hat  das  Prüfnngsgesetz  schon 
dadurch  anerkannt,  dass  es  mit  demselben  die  Prüfung  beginnen  lässt  und 
ihm  die  meiste  Zeit  zuwendet.  Wird  dem  deutschen  Schüler  wirklich,  wie 
vorgeschrieben,  ein  allgemeines  Thema  gegeben,  so  kann  er  in  der  That 
Umfiuig  und  Tiefe  seiner  Bildung  hier  am  leichtesten  darthun.  So  erhebt 
sich  der  deutsche  Aufsatz  über  eine  Fachleistung  bei  denen,  welche  sich 
in  ihm  auf  heimischen  Boden  bewegen  können;  ja  ich  möchte  ein  Gewicht 
daraof  legen,  dass  das  Thema  nicht  aus  dem  speciellen  Bereiche  des  deut- 
schen Unterrichtes  genommen  werde,  um  dasselbe,  so  weit  möglich,  der 
mündlichen  Prüfung  zu  überlassen.  Anders  aber  verhält  sich  zum  deut- 
schen Aufsatz  der  nichtdeutsche  Schüler.  Ist  diese  Sprache  wenig- 
stens die  Unterrichtssprache  seiner  Lehranstalt  und  was  in  der  Regel  zu- 
sammentrifft, die  Umgangssprache  der  Stadt,  in  welcher  sich  diese  befindet, 
so  kann  er  eine  solche  Fertigkeit  im  Gebrauche  erlangt  haben,  dass  er 
sich  darin  ebenso  leicht,  wenn  nicht  leichter  als  in  seiner  Mutterspraclif 


458      Ä.  Bgger,  Das  Ddatsche  bei  der  österr.  Maturitatspr&fa  ng. 

über  Dinge  einer  hohem  Bildungssphsre  ausdrücken  kann.  Doch 
Eaiserstaat  besitzt  eine  grofse  Zahl  Ton  Lehranstalten,  welche  die  dentiehe 
Sprache  nur  als  eine  fremde  lehren  und  es  kaum  dahin  bringen,  sie  all 
Organ  des  Unterrichtes  für  einzelne  Fächer  zu  verwenden.  Soldie  kOnnoi 
von  ihren  Schülern  unmöglich  verlangen,  dass  sie  sich  auf  dem  Gkbiete 
dieser  Sprache  frei  bewegen  und  werden  viel  einfachere  Themen  ftellen, 
ja  manchmal  bis  zu  üebersetzungen  aus  der  Muttersprache  herabsteigen 
müssen,  lieber  Inhalt  und  Form  der  mündlichen  Maturitätsprüfung  sind 
die  Meinungen  keineswegs  geeinigt,  und  nur  diese  kann  noch  Gegenstaad 
einer  weitem  Erörterung  sein.  Die  Ansicht  des  Hm.  Schulrathes  Wilhelm, 
dass  sie  ganz  entbehrlich  sei,  vermag  ich  nicht  zu  theilen,  weil  ich  das 
Object  derselben,  das  wesentlich  ein  anderes  ist  als  das  der  schriftlichen, 
für  zu  wichtig  halte,  als  dass  es  übergangen  werden  könnte.  Der  Usus, 
ausgezeichnete  Schüler  von  dieser  Prüfung  zu  dispensieren ,  findet  jedoch 
seine  Rechtfertigung  in  der  Bestimmung  des  Prüfungsgesetzes,  daas  es 
dem  Schulrathe  freistehe,  ausnahmsweise  einen  Gegenstand  für  einige  oder 
alle  Schüler  ausfallen  zu  lassen. 

Zunächst  fragt  es  sich,  welche  Partien  des  deutschen  Unter- 
richtes in  den  Bereich  einer  Maturitätsprüfung  gehören? 
Auflser  den  schriftlichen  Aufsätzen  ist  dieser  Unterricht  an  deutschen  Gym- 
nasien ein  grammatischer  und  literarhistorischer.  Der  gramma- 
tische erweitert  sich  in  den  obem  Classen  zu  einer  Uebersicht  über  den 
Entwickelungsgang  der  Sprache  und  der  literarhistorische  fasst  die  deutsche 
Metrik  und  Poetik  in  sich.  Zvdschen  diesen  beiden  Hauptrichtungen  stehen 
Lesen,  Sprechen,  Vortragen,  wie  sie  auf  den  verschiedenen  Stufen 
zu  üben  sind.  Offenbar  haben  nicht  alle  Theile  dieses  Faches  gleichen 
Werth  für  die  Maturitätsprüfung,  ja  es  hätten  auch  nicht  alle  Baum  im 
Kreise  derselben.  Lesen  und  Vortragen  muss  noth wendig  entfallen,  weil 
es  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  selbst  vorsteht  und  eine  vir- 
tuose Ausbildung  hierin  für  geistige  Reife  wenigstens  nicht  erforderlich  ist. 
Das  Sprechen  wird  bei  jedem  Fache  erprobt  Anders  verhält  es  sich  mit 
der  Grammatik.  Der  Organisationsentwurf  schliefst  sie  scheinbar  ganz 
von  der  mündlichen  Prüfung  aus,  indem  er  dieselbe  nur  auf  die  Literatur 
der  Muttersprache  sich  erstrocken  lässt.  Es  liegt  zwar  in  der  Natur  der 
Sache,  dass  jener  Thcil  der  Grammatik  dem  mündlichen  Examen  fem 
bleibe,  der  schon  im  schriftlichen  Aufsätze  zur  Anwendung  gekommen, 
das  ist  die  Syntax.  Das  Resultat  des  grammatisch-stilistischen  Unterrich- 
tes, als  dessen  Ziel  Raum  er  ganz  richtig  die  Ueberlieferung  der  neuhoch- 
deutschen Schriftsprache  bezeichnet,  liegt  in  der  schriftlichen  Leistung 
hinreichend  klar  vor.  Aber  damit  ist  .nach  meiner  Ansicht  die  Aufgabe 
des  deutschen  Gymnasiums  im  Sinne  des  0.  £.  noch  nicht  ganz  gelöst» 
denn  es  gibt  gewisse  grammatische  Erscheinungen,  welche  auXIserhalb  der 
Syntax  liegen  und  deren  Kenntnis  noth  wendig  zu  einer  halbwegs  nennois- 
werthen  Literaturkunde  gehört.  Der  Lehrplan  stellt  als  Ziel  des  deutschen 
Unterrichtes  für  das  Obergymnasium  hin  nicht  blofs  Gewandtheit  und 
stilistische  Correctheit  im  schriftlichen  und  mündlichen.  Gebrauche  der 
Sinrache,  sondern  auch  eine  historisch  erweiterte  Kenntnis  der 


ii.  Egger,  Das  Deutsche  bei  der  österr.  Maturit&tspr&fting.      459 

Sprache.  XJnd  soll  der  Hauptzweck  des  Mittelhochdeutschen,  dessen  Be- 
reditigung  flir  deutsche  Gymnasien  wenige  mehr  bestreiten,  erreicht  werden, 
80  muss  man  es  f&r  eine  historische  Auffassung  der  Sprache  verwcrthen. 
Der  Schüler  muss  lernen  den  Sprachbau  der  Vorzeit  mit  dem  der  Gegen- 
wart XU  vergleichen,  dadurch  die  Hauptgesetze  des  Laut-  und  Formen- 
wechselB  sich  zum  Bewusstsein  bringen  und  sich  über  Wortbildung  orien- 
tieren. So  wird  er  in  die  wissenschaftliche  Erkenntnis  des  Neuhochdeutschen 
eingeführt,  und  gewöhnt  die  Sprache  nicht  als  etwas  in  grammatischen 
Begeln  erstarrtes,  sondern  als  lebendigen  Organismus  aufzu&ssen,  der  alte 
Glieder  abwirfk  und  neue  ansetzt.  Es  liegt  darin  ein  nicht  unbedeutender 
Gewinn  selbst  für  die  Leetüre  der  deutschen  Classiker.  Nur  wer  die  Sprache 
historisch  aufzufassen  im  Stande  ist,  wird  sich  nicht  an  nuuichen  jetzt 
veralteten  Formen  und  Ausdrücken  Lessings,  an  manchen  Eigenthümlich- 
keiten  GoBthes  und  Schillers  Stoffen,  wenn  sie  auch  dem  gegenwärtigen 
Sprachgebrauche  nicht  mehr  eigen  sind.  Ein  Abiturient  soll  nicht  wie 
irgend  eine  literarisch  gebildete  Gouvernante  glauben,  dass  Lessing  schlecht 
deutsch  geschrieben,  wenn  er  im  Laokoon  liest  „der  alten  Artisten  ihr 
Geschmack*',  oder  in  der  Hamburger  Dramaturgie  „das  Schrecken** ;  er  soll 
sich  erklären,  warum  Herder  noch  zween  und  zwo,  und  Goethe  noch  „er- 
getseH**  sagt,  auch  das  Schiller'sche  „in  der  Erden**  nicht  für  einen  gram- 
matischen Fehler  halten.  So  weit  ich  davon  entfernt  bin,  das  Mittelhoch- 
deutsche als  solches  in  den  Kreis  der  Maturitätsprüfung  zu  ziehen,  so  viel 
Gewicht  möchte  ich  auf  den  Gewinn  legen,  den  der  Schüler  daraus  für 
die  Erkenntnis  des  Neuhochdeutschen  zieht,  und  weil  diese  im  schriftlichen 
Aoftatze  nicht  erprobt  werden  kann,  halte  ich  grammatische  Fragen  für 
eine  wesentliche  Ergänzung  der  mündlichen  Prüfung.  Nur  müssen  sich 
diese  auf  ein  ganz  bestimmtes  Gebiet  beschränken,  auf  die  Hauptpuncte 
der  Laut-  und  Formenlehre  und  der  Wortbildung.  Sie  reichen  hin  um 
einen  allgemeinen  Begriff  von  der  Entwickelung  der  Sprache  zu  geben, 
und  zu  erweisen,  ob  der  Schüler  föhig  ist  dieselbe  wissenschaftlich  zu  er- 
fiutsen.  Es  ist  von  einem  Abiturienten  nicht  zu  viel  gefordert,  wenn  man 
von  ihm  verlangt,  dass  er  die  Verzweigung  des  indogermanischen  Sprach- 
stMomes  im  allgemeinen  und  des  germanischen  im  besondem  kenne,  dass 
er  die  Mundarten  in  althochdeutscher  Zeit  zu  nennen  und  zu  sagen  wisse, 
was  man  unter  der  höfischen  Sprache  in  mittelhochdeutscher  und  unter 
Schriftsprache  in  neuhochdeutscher  Zeit  zu  verstehen  habe,  femer  wie  diese 
Schriftsprache  entstanden  sei  und  welche  Hauptmundarten  heute  noch  im 
mündlichen  Verkehre  Geltung  haben.  Wer  über  diese  Dinge  Bescheid  weiA, 
kennt  auch  die  deutschen  Vocale  und  Consonanten  (nicht  blof^  der  Gegen- 
wart), kennt  den  Lautwandel  durch  Brechung,  Schwächung,  Umlaut,  Ab- 
laut und  die  Lautverschiebung,  die  starke  und  schwache  Flexion;  er  wird 
wissen,  wie  man  im  Deutschen  Dehnung  und  Kürzung  der  Silben  bezeich- 
net und  dass  nicht  jedes  h  und  ie  ursprünglich  Dehnungszeichen  ist.  Es 
werden  ihm  auch  die  Runen  nicht  ganz  fremd  sein,  so  wenig  wie  die  Aus- 
bildung des  deutschen  Druckes.  Ohne  gerade  die  Aufzählung  sämmtlicher 
Formen  der  Ableitung  und  Zusammensetzung  zu  verlangen,  wird  man  vom 
AbltorieBten  doch  eine  Einsicht  in  die  Grundsätze  der  deutschen  Worir* 


400     A.  Egger,  Das  Dentsche  bei  der  oeterr.  MataritttBprGfang. 

bildang,  and  in  die  berechtigte  oder  anberechtigte  Stellang  der  Fremdr 
wdrter  im  Dentschen  erwarten  können.  Das  letzte  ist  ein  Capitel,  daa  gar 
scharf  in  die  Praxis  der  gebildeten  Welt  eingreift  and  von  der  Sdink 
nicht  vernachlässigt  werden  soll  Ueberall  setze  ich  natürlich  die  Hanpt* 
Züge  yoraas  and  möchte  ein  Eingehen  in  Details  and  Aasnahmen  Tor- 
mieden  wissen.  Man  könnte  mir  wol  einwenden,  dass  manche  grammatiaehe 
Dinge  vom  Elementaranterricht  her  sich  im  Schüler  festgesetzt  halwB 
müssten,  and  dass  diese  dem  Abitarienten  nicht  erst  abgefragt  werden 
sollten.  Daraaf  entgegne  ich  nar,  dass  jeder  Lehrer  des  Deatschen  in  den 
obersten  Glassen  die  Erfahrang  macht,  wie  rasch  die  Schüler  alle  Theorie 
der  Sprache  über  ihre  praktische  Verwendang  vergessen,  and  daas  die 
historische  Auffassung  der  grammatischen  Functionen  erst  den  Abiturien- 
ten möglich  und  für  seine  allgemeine  Bildung  gewiss  nicht  werthlos  ist  Es 
wäre  ein  wichtiger  Theil  des  deutschen  Sprachunteriichtes  vernachlässigt» 
wollte  man  die  Grammatik  bei  der  Entlassung  des  Gymnasiasten  völlig 
ignorieren. 

Den  Schwerpunct  der  mündlichen  Maturitätsprüfung  werden  aber 
immer  Fragen  aus  der  Literaturkunde  bilden.  Absichtlich  gebraoche 
ich  den  allgemeinen  Ausdruck  Literaturkunde,  nicht  Literaturge- 
schichte. Was  ich  darunter  verstehe,  werden  auch  Gegner  des  eigentUdi 
literarhistorischen  Unterrichtes,  wie  Heiland  und  Baumer,  kaum  verwerfen. 
Die  erste  und  nothwendigste  Grundlage  einer  deutschen  Literatorkonde 
bildet  die  Bekanntschaft  mit  den  flaupterscheinungen  der  deutschen  Metrik 
und  Poetik.  Ich  weita  wol,  dass  eine  systematische  Behandlung  dieser 
Disciplinen  von  pssdagogischen  Autoritäten  entschieden  verworfen  wird 
und  möchte  einem  leeren  Schematisieren  auch  nicht  das  Wort  reden;  aber 
welche  Folgen  das  «gelegentliche  Behandeln**  dieser  Dinge  nach  sich  zieht» 
werden  manche  meiner  GoUegen  schon  mit  mir  erfahren  haben.  Der  Schüler 
muss  nur  nicht  gewöhnt  werden,  die  Versarten  und  Gattungen  der  Poesie 
nach  gewissen  sesthetischen  Principien  zu  construieren,  sondern  moss  lernen 
sie  rein  geschichtlich  aufzufassen,  wie  die  Listruction  des  0.  £.  es 
andeutet.  Die  Leetüre  drängt  nothwendig  dazu  und  der  Unterricht  wird 
ihn  auch  auf  Erscheinungen  hinführen,  die  auXlserhalb  der  JugendlectftrB 
liegen,  damit  das  literarhistorische  Interesse  geweckt  werde.  Das  Prfi- 
fungsgesetz  nennt  Metrik  und  Poetik  nicht  ausdrücklich  unter  den  Gegen- 
ständen, aber  setzt  sie  nothwendig  voraus.  Und  sobald  man  irgend  eine 
literaturkunde  für  Mittelschulen  gelten  lässt,  wird  man  auch  zugeben, 
dass  der  Abiturient  das  Zeugnis  der  Reife  nicht  verdient,  welcher  i.  B. 
vom  Wesen  des  deutschen  Versbaues,  vom  Nibelungen-  und  höfischen  Veia 
der  mhd.  Zeit,  vom  deutschen  Hexameter,  Pentameter,  Alexandriner  a.a.w., 
von  Alliteration  und  Beim  nichts  sicheres  wüsste.  Dass  solche  i^'älle  nach 
einer  beiläufigen  Behandlung  dieser  Dinge  in  der  That  vorkommen,  wird 
gar  manche  Prüfungscommission  bestätigen  können.  Man  wird  nicht  foi^ 
dem,  dass  der  Abiturient  über  die  künstlichen  Bythmen  Klopstocks  und 
Platens  oder  die  wechselvollen  GcBthe'scher  und  Schiller'scher  Dichtungen 
strenge  Bechenschaft  gebe,  aber  man  wird  verlangen  können,  dass  er  jene 
metrischen  Formen  kenne,  die  in  der  gebildeten  Leetüre  am   hiofigitea 


A.  Egget,  Das  Deatschc  bei  der  österr.  Maturitätsprüfung.      461 

begegnen.  Ebenso  mnss  der  Abiturient  ein  klares  Wort  sagen  können  über 
die  Grundformen  der  Dichtung,  über  das  Epos,  den  Roman  und  beider 
Alten,  wie  sie  die  Literaturgeschichte  nennt,  muss  von  Ballade,  Bomanze, 
Mire,  Sage,  Märchen  eine  bestimmte  Vorstellung  haben,  Fabel  und  Parabel 
ein&ch  zu  erklaren  wissen.  Die  Unterschiede  von  Lied,  Ode,  Hymne, 
Dithyrambe,  Elegie  und  Epigramm  müssen  ihm  bekannt  sein  und  von 
Tragoedie,  Schauspiel,  Komcedic,  Oper  wird  er  so  viel  gehört  und  erkannt 
haben,  dass  er  ohne  Ueberspannung  seines  Geistes  die  charakteristischen 
Eigenschaften  derselben  angeben  kann.  Li  groiüsen  Städten  lernen  die  Schü- 
ler das  fast  im  Umgange  mit  der  gebildeten  Gesellschaft,  aber  ich  habe 
in  der  Provinz  schon  Abiturienten  geprüft,  denen  das  innere  eines  Theaters 
firemd  war,  die  also  über  dramatische  Poesie  nur  durch  den  Unterricht  auf- 
geklärt werden  konnten. 

AuJber  diesen  Hauptpuncten  der  Metrik  und  Poetik  wird  die  Prüfung 
nur  noch  das  Leben  und  Wirken  der  Schriftsteller  in  ihren  Bereich 
ziehen  dürfen,  und  zwar  in  der  elementarsten  Weise  als  einfache  Erzählung. 
Der  Schüler  soll  weder  den  ,,Schriftsteller  und  sein  Jahrhundert**  fertig 
charakterisieren,  noch  den   „Zusammenhang  des  Werkes  mit  der  Weltan- 
sicht des  Dichters"  nachweisen,  wie  Hiecke  will,  aber  er  muss  als  gebil- 
deter junger  Mann  wissen,  wo,  wann  und  wie  die  gröfsten  Dichter  seiner 
Nation  gelebt  und  was  sie  hervorragendes  geschrieben  haben,  selbst  wenn  er 
nicht  alles  gelesen  hätte.  Wer  wird  heute  z.  6.  den  „Tewrdank"  als  Schüler- 
lectüre  empfehlen,  aber  es  wäre  sicher  keine  Ehre  für  den  Abiturienten, 
wenn  ihm  Name  und  Ursprung  desselben  unbekannt  geblieben  wäre.  Selbst 
Baumer  ist  empört  über   die   Frage   eines  Uuiversitätsstudierenden  um 
^Schulmeisters  Lehijahre**  und  würde  den  „Wilhelm  Meister**  doch  schwer- 
lich als  Gymnasiallectüre  empfehlen.  Wie  bei  der  Grammatik,  so  ist  auch 
hier  strenge  Auswahl  nöthig.  Die  beiden  Blüteperioden  unserer  Literatur 
bieten  von  selbst  sich  als  Hauptpuncte  dar.  Es  erscheint  billig,  dass  man 
aas  der  mhd.  Zeit  nur  die  beiden  volksthümlichen  Epen  Nibelungen  und 
Gudrun  und  den  Lyriker  Walther  von  der  Yogelweide  besonders  hervor- 
hebt, bei  den  einen  Bekanntschaft  mit  dem  Inhalte,  bei  dem  andern  mit 
seinen  Lebensverhältnissen  verlangt,  soweit  sie  durch  die  Forschung  sicher- 
gestellt sind.  Das  Prüfungsgesetz  fordert  nur  „Bekanntschaft  mit  dem  Nibe- 
lungenliede durch  Leetüre  einiger  Abschnitte  desselben  in  der  Ursprache.** 
Wer  jedoch  diese  Bedingung  erfüllt  hat,  dem  ist  auch  der  edelste  Minne- 
sänger nicht  fremd  geblieben,   und  der  hat  von  den  höfischen  Epikern 
wenigstens  Namen  und  Werke,  so  wie  die  beliebtesten  Sagenkreise  kennen 
gelernt,  die  von  ihnen  bearbeitet  worden.  Eine  Controlle  der  Leetüre  ist 
immer  mislich  und  eine  allgemeine  Kenntnis  der  mhd.  Sprache  hat  er 
durch  die  Beantwortung  der  grammatischen  Frage  bewiesen.  Der  öster- 
reichische Abiturient  hat  wol  auch  von  der  literarhistorischen  Bedeutung 
des  Babenberger  Hofes  zu  Wien  gehört  und  weifs,   dass  dort  auch  Neit- 
hart  u.  a.  gelebt.  Ln  18.  Jahrh.  treten  Elopstock,  Lessing,  Wieland,  Her- 
der, Goethe,  Schiller  so  gewaltig  aus  der  Masse  hervor,  dass  über  die  Be- 
deutsamkeit ihrer  Biographic  kein  Zweifel  sein  kann.  Aber  so  wenig  diese 
Männer  aufiser  aller  Berührung  mit  ihren  Zeitgenossen  lebten,  so  wenig 

Zcluchriri  L  d.  öatcrr.  Oymn.  1865.  VI.H«(l.  3) 


48t      A.  Egger,  Das  Deutsche  bei  der  österr.  I^atüritatspr&fang. 

wird  sich  seihst  eine  allgemeine  rjiteratnrkunde  auf  diese  Namen  beschr&n- 
ken  lassen.  Dem  Abiturienten  werden  doch  auch  Haller  und  Hagedorb, 
Gottsched  und  Bodmer,  die  Bremer  Beiträger  und  der  Gottinger  Hainhimd 
nicht  völlig  unbekannt  gehlieben  sein.  Die  Literatur  des  19.  Jahrhunderts 
wollen  gewiegte  Predagogen  ganz  von  der  Schule  ausschliefen,  fis  ist  wahr, 
sie  hat  nichts  anfzuweisen,  was  an  die  Fomischönheit  der  Classiker  hinan- 
reicht ;  sie  ist  auf  Irrwegen  begriffen  oder  in  momentanen  Zeitströmungen 
befangen;  sie  bietet  darum  weder  so  viel  Stoff  zur  Schullectüre ,  noch  ist 
sie  biographisch  so  bedeutsam,  wie  die  des  18.  Jahrhunderts.  Aber  man 
wird  doch  zugeben  müssen,  dass  die  edlern  Erscheinungen  dieser  Zeit,  wie 
ühland,  Rückert,  Platen,  Körner  u.  s.  w.  sich  mehr  oder  weniger  bereits 
in  der  Schule  eingebürgert  haben.  Diese  wird  daher  nach  meiher  Ansictit 
ihrer  Würde  und  ihrem  Berufe  nichts  vergeben,  wenn  sie  wenigstens  solche 
dem  Schüler  geläufige  Namen  biographisch  illustriert.  Die  übrigen  Jahr- 
hunderte der  deutschen  Literatur  wird  die  Mittelschule  ohne  Bedenken 
übergehen  können,  ohne  die  Schüler  gerade  vor  jedem  Eitiblicke  in  die- 
selben ängstlich  zu  bewahren.  Was  das  Prüfungsgesetz  „historische  Ueber- 
sicht  über  die  schöne  Literatur**  nennt,  kann  nur  eine  allgemeine  Charak- 
teristik der  Hauptperioden  sein ,  wie  sie  z.  B.  Wackemagel  in  seiner  Lite- 
raturgeschichte liefert.  Aus  dieser  allgemeinen  üebersicht  werden  die  Namen 
Ulfilas,  Otfried,  Hans  Sachs,  Opitz,  die  Institution  der  Meistersänger  nach- 
drücklich hervorgehoben  werden,  wenn  der  Abiturient  von  ihnen  auch  nichts 
gelesen  hat,  noch  lesen  wird. 

Was  die  eigentliche  Leetüre  betrifft,  so  ist  sie  bei  einer  münd- 
lichen Prüfung  eigentlicli  am  schwierigsten  zu  controllieren.  Das  PrÜfangs- 
gesetz  fordert  ganz  bestimmt  „eine  durch  eigene  Leetüre  gewonnene  ÄS- 
kanntschaft  hervorragender  Werke  aus  der  Zeit  seit  Klopstock."  Das  Re- 
sultat einer  solchen  Leetüre  liegt  nur  in  der  ethischen  und  sesthetischen 
Bildung  des  jungen  Mannes  vor,  die  nicht  in  Prüfungsthemen  zu  fassen 
ist,  die  auch  nicht  aus  einer  Inhaltsangabe  der  Werke,  noch  weniger  aber 
aus  der  Erläuterung  eines  kleinen  Lesestückes  zu  erkennen  ist  Die  letztere 
Methode  hat  zu  den  gröfteten  Absurditäten  geführt  und  die  ganze  Prüfung 
eigentlich  discreditiert.  Man  kann  auch  nicht  verlangen,  dass  der  Schüler 
die  ganze  Fülle  des  poetischen  Eindrucks  schildere,  den  er  bei  der  Ijectüre 
empfangen,  und  kritische  Analysen  verderben  dem  Schüler  den  Geschmack. 
Gelegentliche  Bemerkungen  bei  den  Biographien  der  Dichter  sind  das  ein- 
zige Mittel,  sich  von  der  wirklichen  Leetüre  zu  überzeugen.  Diese  hat  die 
Schule  zu  betreiben  und  der  Unterricht  zu  leiten,  aber  die  Prüfung  wird 
auf  eine  eingehende  Controlle  verzichten  müssen.  Es  wäre  gewiss  fordernd, 
wenn  gewisse  Werke,  poetische  wie  prosaische,  zur  Schul-  und  Privat- 
lectüre  am  Gymnasium  vorgeschrieben  wären,  an  die  sich  dann  die  im 
0.  E.  empfohlene  Chrestomathie  anschliefsen  könnte,  aber  es  hat  sich  als 
entschieden  nachtheilig  bewiesen,  die  deutsche  Leetüre  zum  Ausgangspunct 
der  Prüfung  zu  machen. 

Wenn  ich  im  vorhergehenden  versuchte,  das  Prüfungstherrta  aus 
dem  Deutschen  in  seinen  Hau])ttheilen  zu  bestimmen,  so  wollte  Ich  damit 
andeuten,  auf  welche  Weise  der  Unsicherheit  und  Zerfahrenheit  auf  dieiMn 


Ä.  Egg^,  Das  Deutsche  bei  der  osterr.  Maturitätsprüfang:      46S 

Gebiete  gesteuert  werden  konnte.  Eine  Feststellung  des  einzelnen  wäre, 
denke  ich,  die  Aufgabe  einer  Rcgicrungsinstruction,  die,  ohne  den 
Lehrer  allzu  sehr  zu  beschränken,  sicher  wohlthätig  wirken  würde.  Die 
Torbandene  Instruction  im  0.  E.  S.  140  ist  zu  allgemein  gehalten  und 
hat  auch  die  Maturitätsprüfung  nicht  speciel  im  Auge.  Die  kurzen  Para- 
graphe  des  Prüfungsgesetzes  können  eine  solche  nicht  entbehrlich  machen. 
Wesentlich  unterstützt  würde  die  Prüfung  freilich  durch  ein  Lehrbuch, 
welches  für  die  obersten  Classen  des  Gymnasiums  berechnet,  aus  der  deut- 
schen Literaturkundc  (mit  Ausschluss  der  Lesestücke)  gerade  das  enthielte, 
und  in  der  geeigneten  Fassung,  was  von  einem  Abiturienten  gefordert 
wird.  Dass  der  deutsche  Unterricht  durch  ein  solches  Lehrbuch  in  ein 
mechanisches  Auswendiglernen  ausarte,  ist  ebenso  wenig  zu  fürchten,  als 
bei  der  Geschichte,  aber  wol  ist  es  Thatsache,  dass  mancher  Schüler,  der 
nicht  vielleicht  nach  den  Vorträgen  des  Lehrers  sich  Hefte  angelegt,  rath- 
loB  dasteht,  wenn  er  sein  Wissen  für  die  Zwecke  der  Prüfung  ordnen  solL 

Wollte  Jemand  die  Frage  aufwerfen,  ob  das,  was  hier  als  Object 
der  mündlichen  Prüfung  aus  dem  Deutschen  bezeichnet  wurde,  auch  für  die 
allgemeine  Bildung  eines  Studierenden  nothwendig  sei,  so  darf  man  ihn 
nur  auffordern,  sicli  einen  Mann  Torzustellcn ,  der  ohne  diese  Kenntnisse 
in  eine  gebildete  Gesellschaft  tritt.  Wie  diese  heute  beschaffen  ist,  wird 
sie  literarische  Kenntnisse  mindestens  ebenso  schwer  vermissen  als  natur- 
wissenschaftliche. Was  liegt  dem  Menschen  denn  naher,  als  seine  Sprache 
und  ihre  Werke  ?  Und  ist  eine  geistige  Reife  auch  ganz  wohl  denkbar  ohne 
historische  Auffassung  der  deutschen  Sprache,  ja  ohne  Sinn  und  Verständnis 
Itlr  ihre  Literatur,  so  kann  ich  eine  Prüfung  doch  nimmer  für  einen  wür- 
digen Abschluss  der  Gymnasialstudien  halten,  welche  diese  Bildungsclemente 
ignoriert.  Denn  ihnen  hat  wenigstens  das  österreichische  Gymnasium  eine 
Stellung  neben  den  älteren  Disciplinen  eingeräumt,  in  welcher  sie  ihre 
ganze  läuternde  Kraft  bethätigen  können.  Die  mündliche  Prüfung  aus  dem 
Deutschen  erscheint  mir  deshalb  um  so  unerlässl icher,  als  ihr  Object  von 
dem  der  schriftlichen  viel  mehr  absteht,  als  bei  andern  Fächern,  und  mit 
ihr  &8t  der  ganze  Gegenstand  fällt.  Wo  vorzügliche  Jahresleistungen  der 
Commission  die  vollste  Beruhigung  gewähren,  kann  sie  im  Sinne  des  Ge- 
setzes ebenso  unterbleiben,  wie  bei  andern  Fächern. 

Was  hier  gesagt  worden,  gilt  natürlich  nur  von  rein  deutschen  Gym- 
nasien; für  nichtdeutsche  Lehranstalten  wird  sich  das  Prüfungsobjeet 
anders  stellen  je  nach  dem  Gmde,  in  dem  sie  die  deutsche  Sprache  culti- 
vieren.  Verwenden  sie  dieselbe  als  Unterrichtssprache,  so  kann  der  gram- 
matische Theil  ganz  wegfallen,  aber  die  Literaturkunde  wird  fast  in  der- 
selben Ausdehnung  gefordert  werden  dürfen.  Die  Grammatik  hat  in  diesem 
Falle  deshalb  keinen  Werth  ftlr  die  mündliche  Prüfung,  weil  solche  Gym- 
nasien mit  der  praktischen  Sicherheit  im  Gebrauche  der  Sprache  ihre  Auf- 
gabe erfüllt  haben  und  diese  im  schriftlichen  Aufsatze  vorliegt.  Eine  Ein- 
sicht in  die  geschichtliche  Entwickelung  kann  man  dem  Schüler  deshalb 
nicht  zumuthen,  weil  an  nichtdeutschen  Lehranstalten  Mittelhochdeutsch 
nicht  gelehrt  wird,  oder  wenigstens  nicht  gelehrt  werden  soll.  Die  Stunden, 
die  man  bei  Schülern  anderer  Nationalität  auf  den  altdeutschen  ünterriclit 

31* 


464     Ä.  EggeVy  Das  Deutsche  bei  der  Ssierr.  Mataritatsprllfiing. 

verwendet,  sind  melir  als  verloren.  Auch  die  Literaturkunde  wird  sieh 
wesentlich  auf  die  neuhochdeutsche  Zeit  beschränken  und  von  den  früheren 
Perioden  nur  so  viel  allgemeines  aufnehmen  als  zur  Ergänzung  der  histo» 
rischen  üebersicht  nothwendig  und  ohne  Leetüre  räthlich  ist.  Die  Lectftre 
soll  den  Schülern  ausschlicfslich  jene  Meisterwerke  der  neueren  Classiker 
vorführen,  um  deren  Aneignung  durch  Uebersetzung  sich  alle  fremden 
Literaturen  bemühen.  So  wird  der  deutsche  Sprachunterricht  an  nicht- 
deutschen  ÄGttelschulen  seine  praktischen  und  humanistischen  Zwecke  am 
sichersten  erreichen. 

Gymnasien,  welche  die  deutsche  Sprache  nicht  einmal  als  Organ 
des  Unterrichtes  verwenden,  sondern  sie  nur  als  Lehrgegenstand  behandeln, 
werden  hinwiderum  einer  gewissen  grammatischen  Prüfung  nicht  entbehren 
können,  nur  wird  dieselbe  über  das  Neuhochdeutsche  nicht  hinausgehen 
und  wie  die  Grammatik  der  classischen  Sprachen  zur  Erklärung  der  Lec- 
türe  dienen.  Die  Literaturkundc  kann  in  solchen  Fällen  nur  die  Classiker 
des  18.  und  19.  Jahrhunderts  umfassen,  aus  deren  Werken  einzelne  als 
Schullectüre  verwendet  wurden.  Hier  kann  die  mündliche  Prüfung  aus  dem 
Deutschen  gar  wol  nichts  anderes  sein,  als  eine  Uebersetzung,  grammatisdie 
und  sachliche  Erklärung  eines  Lesestückes,  dessen  Wahl  nicht  immer  vom 
classischen  Gehalte,  sondern  von  der  Verständlichkeit  für  Fremde  abhängt 

Bei  der  grofsen  Verschiedenheit  der  Mittelschulen  Oesterreichs  wä» 
es  gewiss  wohlthätig,  wenn  für  jede  derselben  eine  ihren  nationalen  Vei^ 
hältnisson  angemessene  Prüfungsnorm  entworfen  und  behördlich  genehmigt 
würde.  Li  allen  anderen  Disciplinen  lässt  sich  mit  verschiedenen  Sprachen 
ein  gleichartiges  Resultat  erreichen  oder  wenigstens  anstreben;  die  Forde- 
rungen aus  dem  Deutschen  werden  aber  naturgemäXis  verschieden  sein 
müssen.  Wer  die  bunte  Bevölkerung  der  Königreiche  und  Länder  kennt, 
wird  auch  zugeben,  dass  nicht  einmal  jedes  Kronland  eine  einheitliche 
Prüfungsnorm  einführen  könne,  sondern  dass  sich  dieselbe  in  der  That 
nach  den  Bedürfnissen  jeder  einzelnen  Lehranstalt  richten  müsse.  Um  Mis- 
bräuche  hintanzuhalten,  zu  denen  die  Schüler  durch  die  Verschiedenheit 
gesetzlicher  Forderungen  verlockt  werden  könnten,  dürfte  nur  bestimmt 
werden ,  dass  jeder  Schüler  nach  der  Norm  derjenigen  Lehranstalt  geprüft 
werde,  an  welcher  er  die  Gymasialstudien  absolviert  hat.  Privatisten  sind 
an  die  Lehranstalt  gebunden,  welcher  sie  zugewiesen  werden,  nur  er- 
Unbt  die  Nationalität  eine  Ausnahme. 

Wien.  A.  Egger. 


Vierte  Abtheilung. 


Miscellen. 
Zu  Piaton. 

Phsdon  64  C  —  —  ijyovfxcd-a  jt  rov  S-dvarov  elvai;  ITaw  ye,  lqpi| 
vnoXaßav  6  Sifi/ning.  1^^«  /ni^  äXXo  ri  ^  jf^v  trjs  ipvyrjg  dnö  toi  atofia- 
tos  dnaXlayipf;  xal  eJvai  tovto  re^viivai,  x^iQ^S  f*^v  «^o  Ttjg  ipvxrjs  avro 
xad-'  ttUTo  t6  aoiua  yiyovävcUy  x^Q^^  ^^  "^V"^  V'^JIf^^  ^^^  "^ov  ato/Lutroc 
dnaXlayitaav  aurijv  xaS-*  avTTJv  ilvai;  a^a  firj  älXo  ri  3  S-dvarog  ? 
rovTO ; 

So  wie  der  letzte  Satz  hier  geschrieben  ist,  findet  er  sich  in  der  für 
die  Kritik  des  Platonischen  Textes  entscheidenden  Oxforder  Handschrift; 
die  meisten  übrigen  haben  iiXXo  ti  ij  ö  S-.,  nur  zwei  Handschriften  lassen 
5  weg,  ttXXo  r*  ö  d^dvicTog.  Die  neueren  Ausgaben  seit  Bekker  haben  j 
weggelassen,  dga  fxrj  aXXo  rt  ö  ^ttvarogy  so  mit  Bekker  Stallbaum  nna 
die  Züricher  Herausgeber.  K.  F.  Hermann  dagegen  vertheidigt  nicht  nur 
in  seiner  Recension  der  Stallbauni'schen  Ausgabe  des  Phaedon  (AUg.  Schulzt. 
1830.  IL  Nr.  42,  wieder  abgedruckt  in  Gesammelte  Abhandlungen  S.  63  ff.) 
die  Beibehaltung  des  Conjunctivs  ^,  sondern  schreibt  auch  demgemäß  in 
seiner  Ausgabe,  streng  an  die  Ueb'erlieferung  des  Oxon.  sich  haltend,  ä^ 
/irj  aXXo  xi  j  d-nvnjog  rj  tovto; 

Sehen  wir  in  der  Rechtfertigung  des  Conjunctivs,  die  Hermann 
a.  a.  0.  S.  69  f.  gibt,  von  den  Puncten  ab,  welche  nur  eine  theils  beistim- 
mende, theils  modificicrende  Beziehung  auf  frühere  Behandlungen  des- 
selben Gegenstandes  enthalten  (Graser  Advers.  in  Plat.  p.  33.  Stallbanm 
in  Jahn's  Jahrb.  VII.  S.  405.  X.  S.  187),  so  lauft  dieselbe  darauf  hinaus, 
^dass  sich  kein  Grund  ausfindig  machen  lasse,  warum  der  Grieche  nicht 
so  hätte  reden  können",  und  dass  Hermann  sodann  den  Conjunctiv  durch 
eine  Uebersetzung  erklärt,  entsprechend  den  anderen  Stellen  (Rep.  L  335  C, 
337  B,  VnL  554  B.  Xen.  Oec.  4,  4),  an  denen  sich  unzweifelhaft  der  Con- 
junctiv in  einer  durch  (Iqcc  ^1}  oder  durch  blofses  /uij  eingeführten  Frage 
findet:  „deshalb  bin  ich  auch  keineswegs  bedenklich,  den  Conjunctiv  im 
Pluedo  beizubehalten,  und  zwar  nicht:  'der  Tod  wird  doch  nichts  anderes 
sein*,  wol  aber:  'er  wird  doch  nichts  anderes  sein  sollen*  zu  übersetzen, 
was  dann  eben  ganz  vortrefflich  mit  dem  vorhergehenden  äga  jurj  aXXo  t& 
seil.  rivovfAi&a  ilvnt  tov  OavaTov,  übereinstimmt,  als  dessen  Wiederholung 
es  Stallbaum  mit  vollem  Rechte  betrachtet." 

Hält  man  sich  blofs  an  den  sprachlichen  Ausdruck  der  deutschen 
uebersetzung,  so  lässt  sich  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  sich  die  vorlie- 
gende Stelle  mit  den  anderen  angeführten  unter  denselben  Gcsichtspunct 
zusammenfassen  und  dadurch  die  Uebcrlioferung  der  besten  Handschrift  in 
der  Stelle  des  Phsedon  rechtfertigen  lässt.  Vergleichen  wir  jene  Stellen. 
Plat.  Rep.  I.  335 C  14q*  ovr  xnl  xvveg  ßkamofMtvoi  /f/'(>oif  ytp'ovrai  ilg 
xiiv  Tthf  xv^vtjjv  dJJi  ovx  fig  rrjv  rdiv  Xtuhhv  aQfTrjr;  Idvuyxt],  Urd-Qtjnovg 
di  fxri  ovTb)  (fbÜf^tv  ßXanxonh'ovg  eig  ttjv  dpd^QiüntCuv  dQixr^v  x^^^^^i 


406  Mi8<^llen. 

yiyvta&ai;  /law  uh  ovv.  *Von  Menschen  aber  sollen  wir  nicht  sagen, 
dass  sie  durch  Beeinträchtigung  schlechter  in  ihrer  menschlichen  Tüchtig- 
keit werden/  337  B  alV  tt  aot  eiirtv  ""Sl  GQuav^ax^*  ntag  Hyit^;  fifl 
anoxQCvojfiai  vn'  nQOtlTiig  /nrj^iv;  7i6t€qov,  w  ^ttvfinaie,  firjS  et  TOf- 
jtov  Ti  TvyyuvH  (iv,  dXX^  €Tf qov  ffnoi  ti  tov  (lXr}d'Ovg;  fj  mag  X^yetg;  rl 
av  avT(p  ihtiq  nqog  ravju;  'Soll  ich  nichts  von  dem  antworten,  was  du 
vorher  sagtest,  selbst  dann  nicht,  du  Wunderbarer,  wenn  eben  etwas  dar- 
unter die  Wahrheit  ist,  sondern  soll  ich  dann  etwas  von  der  Wahrheit 
verschiedenes  zur  Antwort  geben?*  VIU  554  B  x^](f>rivtadHg  im&vfifag  iv 
avT^  cf«i  TTjv  aTTtti^tvatav  ^  ^  (fiöu  «  v  lyylynad-niy  rag  f.ilv  nTtaxi'Xäg,  rag 
dk  xaxovQyoi'Sf  xare/ou^vag  ßfrf  vno  rfjg  uXXrjg  i7tifte).€(ng;  Kttl  fidX*,  ^tpfj, 
'Sollen  wir  nicht  sagen  (sollen  wir  in  Abrede  stellen),  dass  sicn  drohnen- 
hafte  Begierden  in  ihm  ünden  in  Folge  des  Mangels  an  Bildung?*  Xen. 
Oec.  4,  4  ^H/Litv  J^  «Tij  noUug  av/ußovXevHg,  w  ZtaxQttTfg,  X9^^^^'*  ^^» 
ttffl  6  ^(oxQaTrig,  fit)  nia/vv(^€iifi€v  rov  ITioamv  ßitaiX^a^  ixiivov  yuQ 
(fttöiv  iv  ToTg  xctDJoTotg  xnl  nrnyxcuoTaTotg  jjyovueror  tlvai  l7Tifi(Xf)fdaa& 
yiüjQyCav  n  xul  T7)v  noXfurxrjv  j(/vr)v  tovtcüv  auifOTiQorv  /(T/i'^Cüff  int- 
ucXitaO^tti.  'Wir  sollen  uns  doch  nicht  vor  dem  Perserkönig  zu  schämen 
nahen?*  —  An  allen  diesen  Stellen  entspricht  derselbe  Ausdruck  in  der 
deutschen  Uebersetzung,  durch  dessen  Anwendung  auch  an  der  Stelle  des 
PhsBdon  Hermann  den  Gebrauch  des  Conjunctivs  in  derselben  rechtfertigen 
will.  Aber  trotz  dem  besteht  zwischen  den  angeführten  Stellen  und  der 
des  Phaedon  ein  so  erheblicher  Unterschied,  dass  dadurch  die  ganze  Be- 
weiskraft der  Vergleichung  verschwindet  und  sich  als  blofee  Zufälligkeit 
eines  gleichen  Ausdruckes  in  der  Uebersetzung  erweist.  Die  Einführung 
eines  Fragesatzes  durch  ui)  hat  so  wenig  wie  die  Einföhrung  durch  irgend 
ein  Fragewort  oder  ein  Fragepartikel  auf  den  in  dem  Fragesatze  zu  ge- 
brauchenden Modus  irgend  einen  Einfluss ;  es  steht  derjenige  Modus,  welcher 
auch  abgesehen  von  der  Einführung  durch  das  subjectiv  ablehnende  /ii) 
anzuwenden  wäre.  Findet  sich  also  m  Fragen,  die  durch  i/i}  eingeleitet 
werden,  ein  Conjunctiv,  so  sind  diese  deliberativ,  und  aer  Conjunctiv 
würde  ebenso  bleiben  bei  anderer  Einführung  der  Frage,  urj  anoxo^rtofioi 
hat  den  Conjunctiv  in  derselben  Bedeutung  und  aus  demselben  Grunde, 
wie  ri  nnoxnivo}u(u;  oder  a^i'  itTtoxotvio/niu;  ßovXn  ttnoxpCrot/bttci';  Man 
versuche  dieses  bei  dem  Satze  aus  Phaedon,  in  welchem  Hermann  jenes 
«o«  fjt)  (iXXo  n  1]  &rtvr(Tog  tj  roiro;  als  sprachrichtig  vertheidigt.  Es 
wird  nieniandem  einfallen  t(  üXXo  y  6  ihtvarog  tj  touto;  oder  «(j  aXXo 
Ti  tj  6  (hccvttTog  ^  Toirro;  als  sprachlich  zulässig  zu  behaupten.  Und  ganz 
begreiflich.  Es  handelt  sich  hier  nicht  um  eine  Ueberlegung  über  das,  was 
zu  thun  ist  (deliberativ us) ,  sondern  um  den  Ausdruck  einer  subiectiven 
Ansicht,  t/  üXXo  iftj  (iv  6  ^nvarog  ij  lovro.  Dass  wir  im  Deutschen  die 
aubjective  Ansicht  eines  anderen  durch  dasselbe  'sollen*  ausdrücken  können 
('soll  der  Tod  etwas  anderes  sein*,  d.  h.  'meinst  du,  dass  der  Tod  etwas 
anderes  sei*),  wie  die  Ueberlegung  über  das,  was  zu  thun  ist,  bringt  in 
der  Hermann'schen  Erörterung  den  Schein  hervor,  als  ob  es  sich  um  eine 
deliberative  Frage  handle. 

So  wenig  als  in  der  Stelle  des  Phiedon  jj  behalten  werden  kann 
(vielleicht  ist  es  zunächst  durch  die  vorausgehenden  gleichen  Worte  ver- 
anlasst KQfc  f.iri  liXXo  Tt.  Ti  Tt)v  Ttjg  nn'xfjg  xrX.) ,  so  wenig  kann  dasselbe 
Eep.  X.  603  C  beibehalten  werden:  'iicF«  Sij  nQoO-taiieti^tt  -  nQarrovrag, 
(fULiü',  i\v(h{)a)7iovg  uiuhtiu  t)  uiur}jix^  ßuUovg  tj  kxova(ag  7TQa$eig,  xai 
ix  Toi;  7T()(CTjftv  rj  ev  ofou^rovg  t)  xaxaig  n^nQayiviUy  xai  h*  lovxovg  ^rj 
naaiv  rj  Xvnov/Li^vovg  rj  /aftiorrug.  /n  rj  ri  äXXo  tj  iraoa  tultcc;  Es  ist  ZU 
verwundem,  dass  Bekkor  und  die  Züricher  Herausgeber,  welche  in  der 
Stelle  des  Phsedon  auf  äufserst  geringfügige  handschriftliche  Beglaubigung 
n  weglassen,  es  an  dieser  Stelle,  wo  in  erheblich  besseren  Handschriften  | 
fehlt,  es  beibehalten,  trotz  der  vollständigen  grammatischen  Gleichartigkeit 
der  in  Frage  kommenden  Sätze.  Schneider's  Vertheidigung  des  Conjunctivs 
im  kritischen  Commentar  zu  dieser  Stelle  sieht  einer  Verwerfung  ähnUcher, 


MisceUen.  467 

«1»  einer  fieehtfertigunfi;^  die  Conjector  Ast's,  ^v  für  9,  welcher  Schneider 
nicht  Tindentlich  den  Vorzug  gibt,  würde  sehr  wahrscheinlich  «ein,  wenn 
die  Beziehung  auf  früher  gesa^s  HI.  399  AB  in  dem  ÄlaXfee  zuträfe,  wie 
Schneider  vorauszusetzen  scheint  £s  bleibt  daher  nichts  übrig,  als  mit 
Stallbaum  tj  aus  dem  Texte  zu  entfernen. 

Ebenso  w^enig  ist  in  Xen.  Mem.  IV,  2,  12  der  Conjunctiv  zulässig: 
ji^*  ovv,  itf-rj,  SoTitQ  ol  jixtong  ?;|foi'or*  7«  iavrtav  ^Qva  irnSu^aiy  ovxtag 
ol  Sfxaioi  ia  iavTtHv  ^x^iev  av  ^n^rjyi^ana&ai;  —  Mri  oiV,  ^(fij  6  Ev^v- 
SiifAOS^  ov  &vvüifiai  fycj  id  T^g  ^ix€uoavvng  ^Qya  l$rjyi^aaa&a$.  Mit  den 
Yon  Hermann  angewendeten  Mitteln  der  üebersetzung  werden  wir  diesen 
Conjunctiv  ebenso  wie  den  im  Phsdon  scheinbar  rechtfertigen;  denn  wenn 
wir  übersetzen  'Soll  ich  denn  etwa  nicht  können  etc.?',  so  können  wir 
durch  den  El&ng  eines  deliberativen  Conjunctivs  tauschen.  Aber  so  wenig 
uiQ*  OVV  OV  dvviaf^M'y  gesagt  werden  kann,  sondern  \iQ*  am'  oix  av  ^wai- 
/ii/y;  ebenso  wenig  Mrj  01^  ov  dvvuifjLat^  sondern  AfiJ  ovv  ov  ^vva/jitUf 
wie  Kühner  auf  Grund  reichlicher  handschriftlicher  Beglaubigung  schreibt 
Nur  hätte  Kühner  nicht  behaupten  sollen  *uterque  modus,  et  indicativus 
et  coniunctivus,  per  grammaticam  usurpari  potest*,  worauf  er  dann,  bei 
dem  Schwanken  aer  handschriftlichen  Beglaubigung  für  das  eine  und  das 
andere,  dem  Indicativ  den  Vorzug  gibt,  weil  er  *maps  convenire  videtur 
oommotiori  Euthvdemi  animo',  er  ist  vielmehr  vorzuziehen,  weil  der  Con- 
junctiv sprachlich  nicht  zulässig  ist. 

H.  B  0  n  i  t  z. 

Zu  Suidas. 

/KSvfiog^  /lirSvuov  jaqtxontoXoVy  y^afi/jicerixog  jiQKfraQXfiog,  l4X€^av- 
^Q€vg,  ysyovcag  Inl  Avrojvlov  xal  Kix^Qtavog  xai  ?ö)ff   Avyovarov '  XaX' 


Didymus  folgt, 

J)idwnu8,  Didjfmi  scUsamentarü  filim,  Älexandrinus,  grammaJticus  Äri- 
starcniitSf  qui  vixit  temporibus  Antonii  et  Ciceronis  usque  ad  Augustum,*^ 
—  Was  nun  zunächst  yeyovoljg  angeht,  so  ist  über  die  Bedeutung  von 
ßoruU,  vixit  neben  natus  est  nichts  weiter  zu  sagen.  Nur  vermissen  wir 
m  der  üebersetzung  das  xal  €0)g  Avyovarov ,  qui  vixit  temporibus  An- 
tOfUi  et  Ciceronis  et  usque  ad  Augustum,  Hierdurch  bekommt  aber  die 
ganze  Stelle  ein  anderes  Ansehen  und  auf  den  ersten  Blick  wird  man  so- 
fort das  Geschraubte  und  Lückenhafte  der  Angabe  erkennen.  —  Dazu  kommt 
noch  ein  anderes  Moment.  Merkwürdigerweise  ist  Suidas  hier  insofern  un- 
genau, dass  er  zuerst  den  Antonius,  dann  den  Cicero  anführt,  wiewol  er 
sonst  in  der  Regel  die  Namen  in  chronologischer  Folge  gibt,  wie  s.  v. 
^HgaxXef^rjg  . . .  inl  KXav6(ov  xal  N^Qtavog;  inl  TißioCov  xal  KXav6(ov 
s.  V.  jin((üv  Hätte  er  hier  die  Angabe  so  ailgemein  gehalten,  wie  Bem- 
hardy  und  Schmidt  glauben,  und  unter  Antonius  den  Triumvir  verstanden 
wissen  wollen,  so  unterliegt  wol  keinem  Zweifel,  dass  er  inl  Kixiqtovog 
xal  jivT(ov(ov  gesagt  hätte,  denn  die  Blütezeit  des  Cicero  war  vorüber, 
als  Antonius  anfieng  Bedeutung  zu  gewinnen.  Nun  ist  es  sehr  sonderbar, 
dass  die  Grammatiker  der  spätem  Zeit  über  den  so  hochverehrten  und  an- 
gestaunten Meister  nichts  anderes  sollten  gewusst  haben,  als  dass  er  zu 
den  Zeiten  des  Cicero  und  Antonius  bis  auf  Augustus  gelebt  habe.  Trugen 
doch  fast  alle  Commentare  seinen  Namen  auf  der  Stirn  und  wir  dürfen 
wol  nicht  zweifeln,  dass  seine  Schüler  Biographien  von  ihm  verfassten,  aus 
denen  Suidas  seine  spärlichen  Notizen  zog.  Dieser  Lexikograph  selbst  nennt 
den  Didymus  6  u^yag,  6  naiv.  Kurz,  es  ist  nach  alledem  als  sicher  an- 
zunehmen, dass  die  kurze  Vita  beim  Suidas  mehr  enthielt,  als  die  ober- 
flächlichste Zeitangabe  über  das  Leben  jenes  Grammatikers.  Denn  yfyovtog 
inl  HvTotviov  xal  Kix^oono^  ist  doch  wol  zu  übersetzen:  „geboren  unter 
dem  Consulate  des  Antonius  und   des  Cicero."    Wir  hätten  darnach  das 


468  Misoellen. 

Jahr  63  v.  Chr.  als  das  Geburtsjahr  des  Didymus,  als  M.  Tnllius  Cioeio 
und  C.  Antonios  Hybrida  Consnln  waren.  In  dem  Folgenden  aber  ist  nach 
xal  offenbar  eine  Lücke  zu  statuieren :  xal ,.,  Jitog  Avyovaxov,  so  dass  die  be- 
stimmteren Angaben  über  das  Todesjahr  des  Didymus  verloren  gegangen  sind. 

*HqttxXii^r}g  ITovTixog,  ano  'IlQttxXi^ag  rijs  ITovrov,  yQttfifiarueos, 
oartg  zfiovjjti)  t(^  jiavv  xarä  xr^v  l4Xi^av6o^oiv  ifpotrriaev '  ovrog  inttS^ 
ijxovaiv  ^LintQog  C^)  [yivriQOjzog]  tov  liQiaraQyov  ua&ritov  ivSoxirfiouvtog 
xarä  Tf)v  *P(6fjir}V  noXXd  if  top  J(6v(xov  oiuavQOVTog ,  fyQaiffi  fi^^Q^ 
2an<fcxt^  ^TocPaXcaxffp  ßt,ßX(n  y*  &vaeQfxi^v€VTa  xal  noXXrjv  t^v  dnogUnf 
tyovra  nqoßakXofAivtov  C^Trj^aTwv.  Itriva  ui^a^ag  ixaXiaiv,  elg  'Pat/^tir 
fk  xofiiaag  xctl  rov  lAvT^garrog  xaraffavilg  xatifiHve  a^oXag^tip  iv  avrj 
inl  KXavSiov  xal  N^Qtovog,  —  Mit  Recht  nimmt  Bemhardy  an  xarafpavelg 
Anstof^.  —  Der  Sinn  der  Stelle  aber  ist  klar.  Heraclides  ronticus  besiegte 
den  Antcros  in  einer  öffentlichen  Disputation,  indem  derselbe  auf  die 
n^oßXrifittra  keine  Xvang  finden  konnte.  Daher  vermuthe  ich  xal  tov 
jlmiQüiTog  xaQTfQog  (favfCg.  Nachdem  er  die  Leschai  nach  Rom  gebracht 
und  über  den  Anteros  den  Sieg  davongetragen  hatte,  blieb  er  daselbst  u.8.w. 

Breslau.  J.  Oberdick. 

(Preisfragen,  aimeschriehen  von  der  fürstlich  JablonotodcC sehen 
GeseUsclwft  in  Leipzig.)  Die  fürstlich  Jablonowski'sche  Gesellschaft  in  Leipzig 
hat  im  März  1.  J.  für  die  Jahre  1865,  1866,  1867,  1868  folgende  Preisfragen 
gestellt. 

1.  Aus  der  Geschichte  und  Nationaloekonomie. 

Für  das  Jahr  1865,  wiederholt  aus  dem  Jahre  1861:  CuUurae-' 
schichte  der  Städte  Dmizig  wid  Thom  in  der  Zeü  vom  Jahre  1454  Ins 
Mur  ersten  Theilung  Polens,  (Preis  48  Ducaten.) 

Für  das  Jahr  1865:  Die  Volkswirthschaffc  von  Norditalien  erin- 
nert während  der  letzten  Jahrhunderte  des  Mittelalters  in  vielen  Stücken 
an  die  unserer  Gegenwart;  namentlich  gibt  ihr  eine  beträchtliche  An- 
näherung an  die  Grundsätze  der  persönlichen  und  sächlichen  Freiheit  im 
agrarischen,  industriellen  und  mercantilcn  Verkehr  oft  eine  fast  moderne 
Farbe.  Anderseits  ragt  doch  wieder  sehr  viel  mittelalterliches  in  jene  Zu- 
stände herein,  sowol  aus  der  Gesammtheit  des  übrigen  Europas,  welches 
damals  noch  ganz  im  Mittelalter  lebte ,  wie  aus  den  unmittelbar  vorher- 
gegangenen Verhältnissen  von  Norditalien  selbst.  Eine  Vergleichung  solcher 
Aehnlichkeiten  und  Unähnlichkeiten  mit  unserer  Gegenwart  ist  nicht  blofs 
für  die  tiefere  Specialcharakteristik  der  verglichenen  Zeiträume,  sondern 
auch  für  die  Kenntnis  der  allgemeinen  volkswirthschaftlichen  Entwicke- 
lungsgesetze  lehrreich.  Die  Gesellschaft  wünscht  daher 
eine  quellenmäfsige  Erörterxuigy  wie  weit  in  Norditalien  gegen  SdUuss 
des  Mittelalters  die  Grundsätze  der  agrarisdien,  industriellen  ufid  mer- 
cantüen  Verkehrsfreiheit  durchgeführt  waren. 

Sollte  sich  eine  Bewerbungsschrift  auf  den  einen  oder  andern  nord- 
italienischen Einzelstaat  beschränken  wollen,  so  würde  natürlich  ein  be- 
sonders wichtiger  Staat  zu  wählen  sein,  wie  z.  B.  Florenz,  Mailand  oder 
Venedig.  (Preis  60  Ducaten.) 

Für  das  Jahr  18 6;6:  Würdigung  der  Verdienste,  welche  die  Deut- 
scliefi  ais  CuUurträger  bei  iliren  östlicJien  Nadibarn  im  MittelaUer  gehabt 
haben.  (Preis  48  Ducaten.) 

Für  das  Jahr  1866:  Eiyie  Darstellung  der  volkswirthschaftlichen 
Ansichten  der  Glossatoren  des  Corpus  Juris  civilis.   (Preis  48  Ducaten.) 

Für  das  Jahr  1867.  Die  Regierung  des  Kurmrsten  August  von 
Sachsen  ist  für  die  volkswirthschaftliche  Entwickclung  des  16.  Jahrhunderts 
von  ähnlicher  Bedeutung,  wie  für  die  politische  und  theologische.  Sie  ist 
aber  in  der  ersten  Beziehung  viel  weniger  bekannt,  als  in  den  beiden  letz- 
ten. Die  Gesellschaft  wünscht  deshalb 
eine  quellenmäfsige  Darstellung  der  Geschichte  des  Kurfürsten  August 
in  votktwirihscnafüicher  Hinsicht, 


Miscellen.  460 

wobei  sie  namentlich  anf  die  Mitbenutzung  noch  nngedruckter  Quellen  Werth 
legen  würde.  (Preis  60  Ducaten.) 

Für  das  Jahr  1868.  Die  Gesellschaft  hat  durch  eine  frühere,  von 
H.  Wiskemann  mit  bestem  Erfolge  beantwortete,  Preisfrage  die  antike 
Landwirthschaft  insofern  zu  erlautem  gesucht,  als  sie  die  neuerdings  von 
der  Nationalökonomik  beobachteten  Naturgesetze  als  MaTsstab  an  die  quel- 
lenmäJteigen  Nachrichten  vom  Zustande  der  landwirthschaftlichen  Produc- 
tion  im  classischen  Alterthume  anlegen  lieXls.  Etwas  ähnliches  beabsichtigt 
de  gegenwärtig  in  Bezug  auf  den  vorzugsweise  sogenannten  GewerbfleiDB. 
Sie  wünscht  deshalb 
eine  queUenmäfsige  ZusammensteUtmg  derjenigen  Orte  des  dassischen 
AUerÜwuns,  wo  gewisse  Gewerhseweiae  vorzugsweise  geblüht  haben, 
womöglich  mit  Hinzufügung  der  Gründe  dieses  Blühens,  sowie  auc^  des 
später  etwa  eingetretenen  Verfalles.  (Preis  60  Ducaten.) 

2.  Aus  der  Mathematik  und  Naturwissenschaft.  . 
Für  das  Jahr  1865.  Bei  dem  ^i^en  Interesse,  welches  die  noch 
immer  sich  mehrende  Zahl  der  kleinen  Planeten  in  Anspruch  nimmt,  und 
infolge  dessen  für  die  Flora  und  Victoria  von  Brünnow  und  für  die  Mel- 
pomene  von  Schubert  Tafeln  bearbeitet  worden  sind,  wiederholt  die  Gesell- 
schaft die  bereits  in  den  Jahren  1858  und  1859  gestellte  Preisaufgabe, nämlich: 
Berechnimg  von  Tafeln  für  einen  der  kleinen  Plcmeten  nach  der 
von  P,  Ä.  Hansen  in  drei  ÄbJMfuUun^en  in  den  Jahren  1856 y  1857 
und  1859  veröffentlichten  Methode :  Auseinandersetzung  einer  zwechnä/H- 
aen  Methode  zur  Berechnungder  absoluten  Störungen  der  kleinen  Planeten. 
Leipzig  bei  S.  Hirzel.  Die  Wahl  des  kleinen  Planeten  bleibt  —  mit  Aus- 
schluss der  drei  oben  genannten  —  dem  Preisbewerber  überlassen ;  nur  muss 
der  Planet  bereits  in  einer  genügenden  Anzahl  von  Oppositionen  beobachtet 
worden  sein.  (Preis  48  Ducaten.) 

Für  das  Jahr  1865,  wiederholt  vom  J.  1864.  Nachdem  die  Ana- 
lysen von  Carius  gelehrt  haben,  dass  die  unter  den  Namen  Fleckschiefer, 
Fruchtschiefer  und  Garbonschiefer  bekannten  metamorph ischen  Schiefer 
in  ihrer  allgemeinen  chemischen  Zusammensetzung  mit  den  unveränder- 
ten Schiefem  übereinstimmen,  so  bleibt  es  nodi  ein  interessantes  Pro- 
blem, das  in  jenen  Schiefem  so  häufig  vorkommende  grüne  bis  schwarze, 
die  Kömer  und  Garben  bildende,  sehr  wenig  bekannte  Mineral,  so  wie  die 
Verhältnisse  desselben  zu  dem  einschliefsenden  Schiefer  genau  kennen  zu 
lehren.  Die  Gesellschaft  stellt  daher  als  Preisaufgabe: 

Eine  genaue,  an  mehreren  ausgezeichneten  Varietäten  durchzuführende 
Erforschuna  der  mi^nercdogisch-chemischen  Natur  sowöl  des,  die  Con- 
cretionen  der  Fleck-  und  Fruchtschiefer  bildenden  Minerales,  als  aw^ 
der  Grundmasse  derselben  Schiefer,  in  welchen  diese  Concretionen  vor- 
kommen, nebst  einer  Untersuchung  der  Verhältnisse,  unter  welchen  sich 
die  bloßen  Flecke  gegen  den  Crranit  hin  allmählich  zu  wirklichen,  be- 
stimmt contourierten  Concretionen  ausbilden. 

Als  vorzüglich  beachtenswerthe  Betonen  werden  das  Schiefergebirge 
in  der  Umgebung  von  Tirpersdorf  im  Voigtlande,  so  wie  die  von  Kochlitz 
über  Wechsclburg  nach  Callenberg  laufende  roetamorphische  Schieferzone 
empfohlen.  (Preis  48  Ducaten.) 

Die  Preisbewerbungsschriften  sind  in  deutscher,  lateinischer 
oder  französischer  Sprache  zu  verfassen,  müssen  deutlich  geschrieben 
und  paginiert,  femer  mit  einem  Motto  versehen  und  von  einem  ver- 
siegelten Zettel  begleitet  sein,  der  auswendig  dasselbe  Motto  trägt,  in- 
wendig den  Namen  und  Wohnort  des  Verfassers  angibt.  Die  Zeit  der  Ein- 
sendung endet  für  das  Jahr  der  Preisfrage  mit  dem  Monat  November; 
die  Ac&esse  ist  an  den  jedesmaligen  Secretör  der  Gesellschaft  (für  das 
Jahr  1865  an  den  ordentl.  Prof.  der  höheren  Mechanik  und  Astronomie  an 
der  Universität  zu  Leipzig  Dr.  Mob  ins)  zu  richten.  Die  Resultate  der 
Prüfung  der  eingegangenen  Schriften  werden  jederzeit  durch  die  Leipziger 
Zeitung  im  März  bekannt  gemacht. 


Fünfte  Abtheilung« 


Verordnungen  für  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

Erlässe. 
(Vgl.  Hft.  II  XX,  m.  S.  227.) 

£rlas8  desk.  k.  Staatsministeriums,  Abthlg.  f.  Cultus  n.  Unter- 
richt, die  Zulassung  zur  Maturitätsprüfung  betreffend,  vom 
10.  März  1865.  Z.  156. 

Das  Staatsministerium  findet  sich  veranlasst,  die  Geltung  des  Unter- 
richts-Ministerial-Erlasses  vom  7.  Februar  1856,  Z.  1954,  welcher  eine  Be- 
schränkung der  Bestimmung  des  Organisationsentwurfes  §.  79  in  Betreff 
der  Zulassung  der  Octavaner  zur  Maturitätsprüfung  vorzeichnet,  dahin  zu 
modificieren,  dass  den  Gjrmnasiallehrkörpem  freigestellt  wird,  von  dieser 
Anordnung  Umgang  zu  nehmen,  und  der  citierten  Bestimmung  des  Orga- 
nisationsentwur&s  gemäfs  vorzugehen. 


Erlass  des  k.k.  Staatsministeriums,  Abthlg.  f.  Cultus  a.  Unter- 
richt, die  Zeit  der  mündlichen  Maturitätsprüfungen  betref- 
fend, vom  4.  Mai  1865.  Z.  3325. 

Bei  der  bisher  eingeführten  Uebung,  dass  die  mündlichen  Maturi- 
tätsprüfungen in  der  Regel  nach  dem  Anfang  und  vor  dem  Ende  der  Haupt- 
ferien stattfinden,  ist  der  Uebelstand  zur  Wahrnehmung  gekommen,  dass 
Abiturienten  von  solchen  Gynmasien,  an  welchen  die  l^ituritätsprüfungen 
erst  zu  Ende  der  Hauptferien  abgehalten  wurden,  fast  regelmäßig  zu  spät 
auf  der  Hochschule  eintrafen,  um  sich  noch  zum  gesetzlichen  Termine  m- 
acribieren  zu  lassen. 

Femer  wurde  vielföltig  die  Thatsache  bemerkt,  dass  solchen  Zög- 
lingen in  Folge  der  Abspannung  nach  der  Maturitätsprüfung,  auf  welche 
keine  Zeit  der  Erholung  folgt,  es  schwer  fällt,  sich  sofort  mit  Eifer  und 
Ausdauer  einem  gerade  anfangs  besonders  schwierigen  Fachstadium  zu 
widmen. 

Diese  Uebelstände  erachtet  das  Staatsministerium  durch  folgende 
Bestimmungen  zu  beheben: 

1.  Die  mündlichen  Maturitätsprüfungen  an  sämmtlichen  Gymnasien 
sind  mit  der  ersten  Hälfte  des  Ferialmonates  zum  Abschlüsse  zu  bringet 

2.  Zu  diesem  Behufe  wird  es  gestattet,  dass  in  jenen  Inspections- 
bezirken,  deren  Schulräthe  es  für  nöthig  erachten,  mit  der  Vomainme  der 
mündliehen  Maturitätsprüfungen  schon  in  der  Mitte  des  letzten  Schoi- 
monates  begonnen  werde. 


PWMflU^  und  SehalaotiKn.  4'n 

^  Die  sdmfUichen  Matmitiltsprttfnngeii  sind  an  iriUnrntttehen  G^na- 
naotien  schon  in  der  zweiten  Hläfte  des  vorletzten  Schnlmonates  vorsn- 
ncdimen,  damit  die  betreffenden  Elaborate  noch  rechtzeitig  von  dem  be- 
lüglichen  8chalrathe  durchgesehen  werden  können. 

4.  Für  jene  Schüler,  welche  durch  Krankheit  oder  andere  Umstände 
gehindert,  die  Maturitätsprüfung  nicht  bis  zum  oben  angedeuteten  Termine 
ablegen  können,  wird  ein  zweiter  Termin  zur  Ablegung  der  Prüfung  ai^ 
die  letzten  Tage  des  zweiten  Ferialmonates  vom  betreffenden  Schubathe 
anberaumt,  der  zugleich  die  Gymnasien  bezeichnet,  an  welchen  zu  diesem 
Termine  Maturitätsprüfungen  stattfinden. 

5.  Im  übrigen  bleiben  die  bestehenden  Normen  über  die  Abhaltnng 
der  Maturitätsprüningen,  sowie  insbesondere  jene  über  ungeschmälerte  Forif 
f&hmng  dte  Schulunterrichtes  bis  zum  gesetzlichen  Scnlusse  des  Schul- 
jahres anfrecht 

6.  Es  ist  dringend  wünschenswerth ,  dass  die  voranstehenden  Be- 
stimmungen strenge  eingehalten  werden.  Anderseits  ist  nicht  in  Abrede 
lu  stellen,  dass  dem  Schulrathe  es  kaum  möglich  wird,  in  Monatsfrist  der 
mündlichen  Abhaltnng  der  Maturitätsprüfung  aller  ihm  unterstellten  Gym- 
nasien beizuwohnen. 

Für  derartige  Fälle  behält  sich  das  Staatsministerium  vor,  auf  Grund- 
lage eines  von  der  k.  k.  Landesbehördc  rechtzeitig  erstatteten  Vorschlages 
geeignete  Persönlichkeiten  mit  der  Vertretung  des  betreffenden  Schulra^es 
bei  der  Maturitätsprüfung  zu  beauftragen.  Hiebei  erscheint  es  als  empfeh- 
lenswerth,  dass  diese  Stellvertretung,  wenn  sie  erforderlich  ist,  in  jedem 
Jahre  andere  Gjmtiasien  treffe,  um  zu  verhüten,  dass  über  ein  oder  das 
andere  Gymnasium  dem  Schulrathe  die  Mittel  der  vollständigen  Kenntnis 
entzogen  werde. 

Personal-  und  Schulnotizen. 

(Ernennungen,  Versetzungen,  Beförderungen,  Auszeich- 
nungen u.  8.  w.)  —  Se.  k.  k.  Apost.  Majestät  haben  mit  Allerhöchster 
EntachlieHsung  vom  7.  Mai  1.  J.  die  von  dem  Feldbischoffe  Dr.  DominUc 
Mayer  und  den  Professoren  Dr.  Franz  Pfeiffer  und  Dr.  Angelo  Messe- 
daglia  erbetene  Enthebung  von  ihrer  Stellung  als  Mitglieder  des  ünter- 
richtsrathes  Allergnädigst  zu  genehmigen  und  den  Professor  an  der  theo- 
lojnschen  Facultät  zu  Wien  Dr.  Ernst  Müller  zum  Mitgliede  des  ünter- 
richtsrathes  in  der  Eeihe  der  in  Wien  domicilierenden  Mitglieder  und  mit 
Zuweisung  in  die  Section  der  katholisch  -  theologischen  Facultäten,  dann 
den  Professor  an  der  Universität  zu  Graz,  Dr.  Karl  Tomaschek,  zum 
auswärtigen  Mitgliede  des  Unterrichtsrathes  mit  der  Zuweisung  in  die  Sec- 
tion für  Gymnasien  Allergnädigst  zu  ernennen  geruht. 

Der  G3rmna8iallehrer  zu  Laibach  Dr.  Matthias  Wretschko  zum 
Lehrer  am  k.  k.  akadem.  G.  in  Wien;  der  Lehrer  am  k.  k.  Staats-G.  zu 
Hermannstadt,  Johann  Alexander  Kozek,  zum  Lehrer  „extra  statum**  am 
k.  k.  G.  zu  Graz;  der  Supplent  am  Kleinseitner  G.  zu  Prag,  Alois  Neu- 
mann, zum  Lehrer  am  kath.  G.  zu  T  eschen;  der  Supplent  am  k.  OG. 
zu  Pesth,  Hubert  Travniösek,  zum  ordentlichen  Gymnasiallehrer  da- 
selbst; der  Gymnasiallehrer  zu  Brzezan,  Franz  Hol  üb,  zum  Lehrer  am 
6.  zu  Czernowitz,  und  der  Lehramtscan didat  Alexander  N.  Franohini 
lum  wirklichen  Gymnasiallehrer  am  k.  k.  UG.  zu  Rovigo. 

Der  Lehrer  an  der  k.  k.  ÜR.  in  Steyr,  Wilhelm  Kukula,  zum 
wirklichen  Lehrer  an  der  k.  k.  OR.  in  Linz;  der  suppl.  Lehrer  an  der 
k.  k.  OR.  in  Innsbruck,  Joseph  Weiler,  zum  wirklichen  Lehrer  an 
dieser  Lehranstalt;  der  Katechet  und  prov.  Director  der  Normalhauptschule 
«nd  Lehrerbildungsanstalt  in  Brunn,  Johann  Chmeliczek,  zum  wirkl. 


472  Personal-  und  SchnlnotiseiL 

Director  dieser  Anstalten;  der  prov.  Director  der  NonnallianptBchüle  und 
Lehrerbildungsanstalt  in  Ol  mutz,  Franz  Schmied,  zum  wirkL  Director 
dieser  Schulanstalt,  und  der  Director  der  Communal-OB.  in  Euttenberg, 
Joseph  Wehr,  zum  Director  der  k.  k.  böhmischen  OB.  in  Prag. 

Der  Prosector  an  der  Krankenanstalt  „Rudolfs  -  Stiftung"  in  Wien, 
Dr.  Julius  Klob,  zum  auTserordentl.  Professor  der  pathologischen  Anatomie 
an  der  Wiener  Universität;  der  aufserordentliche  Professor  der  Minera- 
logie an  der  Lemberger  Hochschule,  Dr.  Ferdinand  Zirkel,  zum  ordent- 
lichen Professor  dieses  Faches  an  derselben  Anstalt;  der  k.  k.  Finani- 
condpist  Hilar  Bitter  von  Hankiewicz  zum  Universitätssecreiar  an  der 
Krakauer  Hochschule;  die  Suppleuten  an  der  Klausenburger  BechÜH 
akademie  Karl  Haller  v.  Hilib,  Ladislaus  Hosszu  v.  D^özsi,  Alexan- 
der Brenciän  und  Gustav  Groisz  zu  auXserordentlichen  Professoren  an 
derselben  Lehranstalt. 

Se.  k.  k.  Apost.  Majestät  haben  die  Wahl  Sr.  k.  Hoheit  des  Herrn 
Erzherzoges  Stephan  zum  inlandischen  Ehrcnmitgliede  der  k.  Akademie 
der  Wissenschaften  AUergnädigst  zu  genehmigen,  femer  zu  wirklichen 
Mitgliedern  derselben  für  die  mathematisch -naturwissenschaftliche  Classe 
den  Professor  der  Physik  an  der  Universität  und  Mitdirector  des  physi- 
kalischen Institutes  in  Wien  Dr.  Joseph  Stefan  und  den  Vorstand  des 
Hof-Mineraliencabinctes  Dr.  Moriz  Hörne s  AUergnädigst  zu  ernennen  und 
die  von  der  Akademie  getroffenen  Wahlen  Allerhöchst  zu  genehmigen  ge- 
ruht, und  zwar  die  Wahl:  des  Capitularpricsters  des  Stiftes  Baygem  tmd 
mährisch  -  ständischen  Historiographen  Dr.  Beda  Franz  Dudik  zum  in- 
ländischen corresp.  Mitgliede  der  philos.  histor.  Classe;  des  Professors  der 
Mineralogie  und  Geologie  am  polyteclm.  Institute  in  Wien  Dr.  Ferdinand 
Bitters  von  H ochst etter,  des  k.  k.  Oberlieutenants  und  Commandanten 
des  Zeugsartilleriecommando*8  Nr.  17  in  Wien  Franz  Bitters  von  Uchatius, 
des  Professors  der  Mineralogie  an  der  Universität  zu  Prag  Victor  Bitters 
V.  Zepharovich,  des  Professors  und  derzeit  Bectors  des  polytochn.  In- 
stitutes in  Prag  Karl  Koi'istka  und  des  Inspectors  des  Staatstelegranhen 
in  Wien  Dr.  Hermann  Militzcr  zu  inländischen  corr.  Mitgliedern,  endlich 
des  kais.  russ.  Staatsrathcs  und  Präsidenten  der  kais.  Akademie  in  St  Pe- 
tersburg Karl  Ernst  v.  Bacr  zum  ausländischen  Ehrenmitgliede  und  des 
Professors  der  Zoologie  und  vergleichenden  Anatomie  an  der  Universität 
zu  München  Dr.  Karl  Theodor  v.  Siebold  zum  ausländischen  corr.  Mit- 
gliede der  mathematisch  -  naturwissenschaftl.  Classe  der  k.  Akademie  der 
Wissenschaften. 

Dem  Archivar  und  kais.  Bath  Andreas  Edlen  v.  Meiller  ist  das 
Ehrenritterkreuz  1.  Cl.  des  grofsherzogl.  Oldenburg'schen  Hausordens  an- 
nehmen und  tragen  zu  dürfen  AUergnädigst  gestattet;  dem  Professor  der 
Zootomie  und  Zoophysiologie  am  hiesigen  Militärthierarzneiinstitute 
Dr.  Franz  Müller  der  Titel  eines  aufserordentlichen  Professors  an  der 
Wiener  Universität  AUergnädigst  verliehen;  dann  dem  mit  der  Führung 
der  Directorialgeschäfte  bei  der  Klausenburger  Bechtsakademie  betrau- 
ten Oberlandesgerichtsrathe  Paul  Bitter  v.  Istvänffy  für  sein  in  dieser 
Eigenschaft  bewiesenes  erspriefsliches  und  eifriges  Wirken  die  Allerhöchste 
Anerkennung  ausgesprochen;  ferner  der  Professor  der  dogmat  ThUoologie 
am  erzbischöfl.  Lyceum  zu  Agram  Dr.  Karl  Kiemen iö  zum  Ehrendom- 
herm  des  Agramer  Metroiwlitancapitels ;  der  Professor  der  Moraltheologie 
an  der  theologischen  Lehranstalt  in  Trient  Joseph  Planer  zum  Domherrn 
an  dem  dortigen  Kathedralcapitel;  der  Sectionsrath  im  Staatsministerinm 
Dr.  G.  Heider  und  der  Director  und  Professor  Dr.  B.  von  Eitelberger 
jeder  zum  wirkl.  Mitglied  der  archseologischen  Gesellschaft  in  Moskau,  der 
Schriftsteller  Karl  Stugau  (Schmidt  auf  Aitenstadt)  in  Wien  zum  Ehren- 
mitglied und  Meister  vom  freien  deutschen  Hochstifte  für  Wissensehaften, 


Personal-  and  Scbolnotizen.  47S 

Kmut  n.  8.  w.  zn  Frankfurt  sl/IA,^  und  der  Dichter  Dr.  Ludw.  Frankl  znm 
Ehienmitgliede  der  Alterthums -Gesellschaft  in  Aegypten  ernannt  worden. 

Unter  den  von  Sr.  kais.  Hoheit  dem  DnrchlaQchtiffsten  Hrn.  En- 
henog  Rainer  in  Höchstseiner  Eigenschaft  als  Protector  ae8k.k.österr. 
Maseums  für  Kunst  und  Industrie  zu  Correspondenten  des  Museums 
nenestens  ernannten  Persönlichkeiten  finden  wir  auch  folgende  dem  Be- 
reidie  unserer  Zeitschrift  näherstehende,  als:  den  ehemal.  Gymnasiallehrer 
und  jetzigen  mährischen  Jjandeshistoriographen  Dr.  Beda  Dudik,  den  k.k. 
Schulrath  Johann  Mar e seh  und  den  Maler  Joseph  Helhig  in  Prag,  den 
Priyatffelehrten  F.  Kanitz  in  Wien,  den  k.  k.  öst  Generaiconsul  Kudolf 
Gödel-Lannoy  in  Bel^d,  den  Eanonicus  Dr.  Franz  Bock  in  Aachen, 
den  Professor  Dr.  Wilhelm  Lübke  in  Zürich,  den  Director  der  Kunstge- 
werbschule  A.  Erding  in  Nürnberg,  den  Director  der  polytechn.  Schule 
K  Earmarsch,  den  Studienrath  und  Conservator  am  k.  Weif 'sehen  Mu- 
seum Dr.  J.  H.  Müller  in  Hannover^  und  den  Clonservator  am  stadt 
Mnseum  A.  y.  Zahn  in  Leipzig. 

8r.  Hochw.  der  Directorsstellvertreter,  inful.  Aht  und  Prälat  Cyrill 
Franz  Napp  zum  Director  und  das  bisherige  Mitglied  des  Centralaus- 
schusses  Alois  Graf  v.  Serenvi  zum  Directorsstellvertreter  der  mährisch- 
schlesischen  Gesellschaft  zur  Förderung  des  Ackerbaues,  der  Natur-  und 
Landeskunde. 

8e.  Eminenz  der  Fürstprimas  von  Ungarn  Johann  Scitovfskj  hat 
nr  dauerhaften  Fundierung  des  crzbischöfl.  OG.  zu  Tyrnau  den  Betrag 
von  200.000  fl.  beim  Graner  Erzcapitel  hinterlegt. 

Laut  Allerhöchster  Entschliefsung  vom  2.  Mai  1.  J.  wurde  AUerh. 
Ortes  als  Beitrag  zum  Dantefest  eine  Dante -Stiftung  (Fondazione  Dante) 
begründet,  bestehend  in  einem  jährl  Stipendium  von  500  fl.  für  fleifbige 
Studierende  der  philosophischen  Facultät  an  der  Universität  zu  Padua. 

(Erledigungen,  Concurseu.  s.  w.)  Czernowitz,k. k.G.,4Lehr' 
stellen  extra  statum  für  die  auf  die  Dauer  des  Bedarfes  bewilligten  4  Pa- 
mllelclassen,  und  zwar:  1.  zwei  Stellen  für  Latein  und  Griechisch,  2.  eine 
Stelle  für  Geographie  und  Geschichte  und  3.  eine  Stelle  für  Mathematik 
und  Physik,  sämmtlich  ftir's  ganze  G.,  Jahresgehalt  945  fl.  und  1050  fl.  ö.  W. 
Termin:  Ende  Juni  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  11.  Juni  1.  J.,  Nr.  133. 
—  Innsbruck,  k.  k.  Oß.,  Lehrstelle  far  deutsche  Sprache,  Jahresgehalt 
680  fl.,  eventuel  840  fl.  ö.  W.,  nebst  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Ter- 
min: 15.  Juli  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  1.  Juni  1.  J.,  Nr.  125.  —  Z  engg 
fin  der  Militärgrenge) ,  k  k.  OG.,  Lehrstelle  für  altclassische  Philologie, 
Jahresgehalt  735  fl.  ö.  W.,  mit  dem  Hechte  der  Vorrtickung  in  die  höhere 
Gehaltsstufe  und  Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  20.  Juli  1.  J., 
s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  3.  Juni  L  J.,  Nr.  127.  —  Lemberg,  Universitäts- 
bibliothek, Scriptorsstelle  (bei  Kenntnis  der  polnischen  Sprache),  Jahres- 
fihalt  525  fl.  ö.  W.  Termin:  24.  Juli  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Zte.  v.  3.  Juni 
J.,  Nr.  127.  —  Laibach,  k.  k.  OR.,  2  Lehrstellen  fbei  Kenntiüs  der 
deutschen  und  slavischen  Sprache),  und  zwar:  eine  für  Freihandzeichnen 
als  Haupt-,  und  für  Kalligraphie  als  Nebenfach;  die  andere  für  Naturge- 
schichte mit  dem  Nebenfache  der  Mathematik  oder  Physik,  Jahresgehalt 
630  fl.,  eventuel  840  fl.,  mit  dem  Anspruch  auf  Decennalzulagen  von  je 
210  ü.  6.  W.  Termin:  Ende  Juni  1.  J.,  s.  Amtebl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  8.  Juni  1.  J., 
Nr.  130;  femer  am  k.  k.  OG.  eine  Lehrstelle  für  Physik  und  Mathematik, 
Jahresgehalt  945  fl.,  mit  dem  Vorrückungsrechte  in  1050  fl.  ö.  W.  und  An- 
spruch auf  Decennalzulagen.  Termin:  Ende  Juni  1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr. 
%  Y.23.  Juni  1.  J.,Nr.  142.  —  Hermannstadt,  k.  k.  kath.  Staats-G. 

Smit  deutscher  Unterrichtssprache),  Lehrkanzel  für  classische  Philologie» 
fahre^ehalt  1050  fl.  (eventuel  d45  fl.)  5.  W.,  nebst  Anspruch  auf  Decennal* 


474  PdXflonal-  und  Schulnotiada. 

Zulagen.  Termin :  Binnen  6  Wochen  vom  4.  Juni  1.  J.  an ,  s.  AmtsbL  nur 
Wr.  Ztg.  V.  14.  Juni  1.  J.,  Nr.  135.  —  Oatgalizien,  k.  k.  GymnaweiL 
Lehrstellen  för  Philologie,  Jahresgehalt  735  fl.,  eventuel  840  fl.  ö.  W.  und 
Anspruch  auf  Decennalzulagcn.  Termin:  15.  Juli  L  J.,  s.  An^tsbL  z.  Wr. 
Zig,  V.  13.  Juni  1.  J.,  Nr.  134.  —  öteyr,  selbst.  Uß.,  Lehrstelle  für  Frei- 
handzeichnen, Jahresgelialt  630  fl.,  eventuel  840  fl.  ö.  W.,  nebst  Ansprach 
auf  Decennalzulagcn.  Termin:  15.  Juli  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.Ztg.  v.  14 
Juni  1.  J.,  Nr.  135  und  v.  28.  Juni  1.  J.,  Nr.  146,  dann  f.  deutsche  Sprache 
als  Haupt-,  und  Naturwissenschaft  oder  Geographie  als  Nebenfach,  Jahrea- 
gehalt  (o30  fl.  ö.  W.,  nebst  Anspruch  auf  Decennalzulagcn.  Tennin :  20.  JuU 
L  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  21.  Juni  1.  J.,  Nr.  140.  —  Teschen,  k.  k. 
evam^.  G.,  Lehrstelle  für  Lateinisch  und  Griechisch,  Jahra^ehalt  735  fl. 
Ö.  W.,  nebst  Anspruch  auf  Vorrückung.  Tennin:  20.  Juli  1.  J.,  s.  AmtsU. 
zur  Wr.  Ztg.  v.  15.  Juni  1.  J.,  Nr.  136.  —  Graz,  k.  k.  G.,  Lehrstelle  extra 
statum  mit  dem  Jahrcsgehalte  von  945  fl.,  eventuel  1050  fl.  v.  W.,  und 
dem  Anspruch  auf  Decennalzulagen  und  Participation  am  SchulgelddritteL 
Termin:  20.  Juli  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztff.  v.  17.  Juni  1.  J.,  Nr.  137  und 
V.  25.  Junil.  J.,  Nr.  144.  —  Prag,  polytechn.  Landes-Institut,  Docenten- 
stelle  für  Eneyklopaßdie  der  Baukunde  mit  deutscher  Unterrichtssprache, 
Jahres-Remuneration  600  fl.  ö.  W.  Termin;  15.  Juli  1.  J.,  s.  AmtsbL  zur 
Wr.  Ztg.  V.  28.  Juni  1.  J.,  Nr.  146. 


(Todesiälle.)  Am  8.  Mai  1.  J.  zu  Fluntem  bei  Zürich  Professor 
Dr.  Job.  Ulrich  Fäsi,  der  durch  seine  erklärende  Schulausgabe  des  Homer 
um  das  Verständnis  dieses  Dichters  sich  so  grofse  Verdienste  erworben 
hat,  so  wie  überhaupt  durch  seine  wirksame  und  erspriefsliche  Thätigkeit 
auf  dem  Gebiete  der  Philologie  rühmlich  bekannt,  im  69.  Lebensjahre. 

—  Am  13.  Mai  1.  J.  zu  Agram  Dr.  Frz.  Tkalec,  Professor  am 
dortigen  OG. 

—  Am  17.  Mai  1.  J.  zu  Frauenberg  in  Böhmen  der  Oberförster  Sr. 
Durchl.  des  Fürsten  Job.  Ad.  Schwarzenberg,  Johann  Hejrowsky,  Vice- 
präses  des  böhm.  Forstvereines,  auch  durch  literarische  Thätigkeit  auf 
seinem  Fachgebiete  bekannt;  zu  Czemowitz  der  Weltpriester  Jon.  Trag^ 
lauer,  Professor  am  dortigen  k.  k.  OG.,  im  Alter  von  76  Jahren,  und  lu 
Lübeck  der  Dr.  Med.  Wilhelm  von  Bippen,  sowohl  unter  diesem  Namen, 
als  auch  unter  dem  Falschnamen  Gott  hilf  Weiter  vielfach  literariseh 
thätig. 

—  Am  18.  Mai  1.  J.  zu  Wien  Se.  Hochw.  der  Capitular-Jubilar- 
Priester  des  Benedictiner  Stiftes  zu  den  {Schotten  in  Wien  R  Franz  Seraph. 
Rohn  (geb.  zu  Nikolsburg  in  Mähren  am  30.  November  1789),  emer.  k.  k. 
Gymnasialprofessor,  gew.  Spiritual,  Novizenmeister  des  Schottenstiftes  u.8.w. 
(v^l.  Ztschrft.  f.  d.  ö.  G.,  Jhrg.  1863,  1.  Hft.  S.  67),  auch  als  SchrifUteller 
bekannt,  und  ebend.  der  k.  k.  Hofcape llensänger  und  fürstl.  Schwarzen^ 
berg'sche  Rechnungsrevident  Joseph  Barth  (geb.  zu  Grofslippen  in  Böh- 
men am  29.  December  1781),  seiner  Zeit  ein  ausgezeichneter  Tenorsänger, 
der  durch  seinen  Vortrag  Beethovens  berühmt  gewordenes  Lied  «Adelaide*^, 
das  der  Componist  als  ungenügend  schon  vornichten  wollte,  ihm  selbet 
und  der  Welt  erhielt. 

—  Am  20.  Mai  1.  J.  zu  Prag  der  Director  der  Hauptschule  in  Nim- 
burg  Franz  Lad.  Worlicek,  als  thätiger  b<>hmLschor  Schriftsteller,  nament- 
lich als  üebersetzer  polnisclier  belletristisclier  Werke,  bekannt,  im  Altö* 
von  38  Jahren. 

—  Am  21.  Mai  1.  J.  zu  Kopenhagen  der  Director  der  kön.  Museen, 
Conferenzrath  Christian  -  Jür^ensen  Thomsen  (geb.  alldort  im  J.  17^), 
als  Alterthumsforscher,  Numismatiker  und  Ethnograph,  so  wie  als  svste- 
matischer  Ordner  von  Museen  rühmlichst  bekannt,  auch  durch  persönU^ie 
LiebeoBWürdigküt  ausgezeichnet 

*-  Am  23.  Mai  1.  J.  zu  Graz  der  als  Mensch  und  Lehrer  fleMl- 


^  Penooal-  imd  SehalaottodA.  475 

geachtete  Michael  Hchöglcr,  Ehrenbürger  von  Graz,  mehrerer  landwirth- 
•cfaaftlicher  nnd  industrieller  Vereine  Mitglied  n.  s.  w. 

-—  Am  27.  Mai  1.  J.  z«  Tesehen  der  Lehrer  am  k.  k.  evang.  G.  da- 
i^bsty  Paul  Kaisar,  im  56.  Lehensjahre;  zn  Linz  der  Uittdschaftliche  fits»- 
iMsehe  Snrachmeister  Jobann  Ba^bist  We Abscheider,  im  83^  Lebens- 
jahre, nna  zn  Kiel  der  Etatsrath  I)r.  med.  Franz  Hermann  Hegowiseh 
(jfeb.  abend,  am  13.  November  1783),  auf  dem  Gebiete  der  praktischen 
Jtedidn,  sowie  nicht  minder  der  Staatswissenschaften,  »nsgezeiohnet  und 
auch  schriftstellerisch  thätig,  seiner  Zeit  Honorarprofessor. 

—  Am  28.  Mai  l.  J.  zu  Mailand  Major  Lissoni,  im  J.  1805  unter 
Napoleon  schon  Officier,  Verf.  e.  italien.  Kriegsgeschichte  von  1792—1815, 
10  wie  Yieler  Werke  über  französische  und  italienische  Sprache. 

—  Anfangs  Mai  1.  J.  zu  La  Palisse  in  Frankreich  Heniy  Chris ty, 
bekannt  durch  srot^  naturwissenschaftliche  und  antiquariisehe  Reisen,  so 
wie  in  neuerer  Zeit  durch  geologische  Forschungen,  im  Alter  von  56  Jah- 
ren; zu  London  der  Rechtsanwalt  John  George  Phillimore,  als  Verf. 
werthtoller  juristischer  Schriften,  so  wie  auch  als  historischer  Schrift- 
steller („Geschichte  Englands  während  der  Regierung  Georg  IIL'M  bekannt, 
55  Jahre  alt,  und  in  den  vereinigten  Staaten,  kurz  vor  seiner  Ernennung 
zum  General,  Gottfried  Becker  (geb.  1827  zu  Frankenthal  in  Rheinbaiem), 
als  Zeitunffsredactcur  und  Vcrfsisser  von  Romanen  und  Novellen  bekannt. 

—  In  der  2.  Maiwoche  zu  Löwen  Canonicus  l>r.  Ram  (geb.  1804), 
seit  ]^gründung  der  dortigen  Universität  Rector  Magnificus  an  derselben, 
ala  theologischer  Schriftsteller  in  weiten  Kreisen  bekannt 

—  Ende  Mai  1.  J.  zu  Iglau  Med.  Dr.  Anton  Wein  er,  Professor 
am  k.  k.  OG.  alldort,  Fachschriftstcller  („Schmetterlingsblütler*")  und  Leiter 
der  metereologischen  Beobachtungen  fär  Iglau,  und  zu  Walton  Hall  bei 
Wakefield  Charles  Waterton,  in  England  und  America  als  Reisebeschreiber 
imd  Naturforscher  geschätzt,  im  83.  Lebensjahre. 

—  Am  1.  Juni  L  J.  zu  Turin  der  Comm.  Abbene,  Professor  der 
pharmaceutischen  Chemie  an  der  dortigen  Universität. 

—  Am  2.  Juni  1.  J.  zu  Erlangen  der  Professor  an  der  dortigen  Hoch- 
•ehule,  Oberber^th  Karl  von  Raum  er  (geb.  am  9.  April  1783  zu  Wör- 
litz),  als  geistreicher  Verfasser  geognostischer  Schriften  ( „Fragmente"  1811, 
nVenuche  und  Umrisse",  „ABC  der  Krystallenkunde"  u.  m.  a.),  ausgezeich- 
neter Qeopaph  („Palästina**  1831  u.  1838,  „Allgemeine  Geographie"  2.  Aufl. 
1885)  und  Pcdagog  („Geschichte  der  Piedagogik"  v.  1842  an)  in  weitesten 
Kreisen  bekannt  und  geachtet. 

—  Am  4.  Juni  1.  J.  zu  St.  Petersburg  der  wirkl.  Staatsrath  nnd 
Akademiker  Adolf  Theodor  Kupffer,  Director  des  physicalischen  CJentral- 
observatoriums. 

—  Am  5.  Juni  1.  J.  zu  Rom  der  Maler  Car.  Luiepi  Fioroni,  Assessor 
der  Conimission  für  Antiquitäten  und  mehrerer  Akademien  Mitglied. 

—  Am  6.  Juni  1.  J.  zu  Spital  am  Semmering  der  dortige  Ober-  und 
Musterlehrer  Joseph  Neubauer^  als  tüchtiger  Organist  und  Musikkenner 
geschätzt. 

—  Am  8.  Juni  1.  J.  zu  Wien  Jos.  Frei,  durch  lange  Zeit  Professor 
der  Naturwissenschaft  an  der  Akademie  zu  Berlin,  der  seine  bändereiche 
Bibliothek  von  alten  und  neuen  Classikem  der  Akademie  der  bildenden 
Künste  in  München,  so  wie  mehreren  Studenten  der  Philosophie  ansehn- 
liche Legate  hinterlassen  hat,  und  Sir  Joseph  Paxton  (geb.  1803  zu  Mil- 
ton  Brjant  bei  Wobum  in  Bedfordshire) ,  der  die  erste  Anregung  zur 
Construction  CTÖfserer  Gebäude  aus  Glas  und  Eisen  gegeben  hat,  Eroauer 
des  Krystallpalastes,  im  Alter  von  62  Jahren.  (Vgl.  A.  a.  Ztg.  vom  12. 
Juni  L  J.,  Nr.  163.) 

—  Am  9.  Juni  1.  J.  zu  Wien  Se.  Hochw.  der  Capitular  und  Subprior 
des  Benedictinerstiftes  Admont,  Professor  Anton  Günther  Freiherr  von  Kul- 
mer  und  der  national  -  oekonomische  Schriftsteller  Dr.  Ludwig  Rüdiger, 
Mitarbeiter  des  Pesther  Llojd. 


476  Personal-  and  Schnlnotizen. 

—  Am  10.  Juni  1.  J.  zn  Bnineck  der  geachtete  Capellmeister  und 
Chorregent  Johann  Zangl. 

—  Am  13.  Juni  L  J.  zu  Leipzig  Dr.  phiL  Ernst  Albert  Mas  ins, 
als  Yolkswirth,  Begründer  und  Heraasgeher  nationaloBkonomischer  „Bond- 
schau  der  Versicherangen"  und  Fachsdiriftsteller  bekannt,  im  Alter  Ton 
68  Jahren. 

—  Am  18.  Juni  1.  J.  zu  Pesth  Dr.  Joseph  Hauser,  praktischer  Arst 
and  einer  der  Vorsteher  der  israel.  Cultusgemeinde,  durch  seine  Verdienste 
um  CultuB  und  Schulwesen  bekannt,  im  60.  Lebensjahre;  zu  Br&ssel  An- 
ton Wiertz  (^eb.  zu  Dinant  1806),  der  Wiederbeleber  der  belgischen  Maler- 
schule, durdi  nerrliche  Kunstleistungen  bekannt,  und  zu  London  der  po- 
litisch-juridische Schriftsteller  G.  Wingrove  Cooke,  durch  geschätzte 
Werke  LHistoiy  of  Party",  „The  Life  of  the  first  Lord  Shaftesbury"  u.a.j, 
so  wie  durch  seine  Briefe  aus  China  und  Niederbengalen  (1857  and  1858) 
bekannt,  im  Alter  von  53  Jahren. 

—  Am  19.  Juni  1.  J.  zu  Linz  der  landschaftliche  Snrachmeister  Jo- 
seph August  Bossi  (geb.  zu  Verona  1790),  auch  Lehrer  der  italienischen 
Sprache  am  dortigen  k.  k.  Staatsgymnasium,  durch  journalistische  Wirk- 
siuoikeit,  so  wie  durch  selbständige  linquistische  Werke  und  mehrere  Opem- 
bttcher  bekannt,  und  zu  Genua  der  picmontesischc  Senator  Lorenzo  Pareto, 
ein  eifriger  Förderer  der  Naturwissenschaften. 

—  Am  20.  Juni  1.  J.  zu  Marburg  (Steiermark)  der  emeritierte  Gym- 
nasialprofessor  Dr.  Budolf  Gustav  Puff,  als  historischer,  topographischer, 
archseologischer  und  belletristischer  Schriftsteller  bekannt,  im  56.  (65?)  Le- 
bensjahre, und  zu  Augsburg  J.  H.  G.  Schmidt  (geb.  zu  Hof),  durch  yiele 
Jahre  Professor  am  dortigen  Gymnasium  zu  St.  Anna,  ebenso  tüchtig  als 
Schulmann,  wie  als  Gelehrter,  im  Alter  von  77  Jahren. 

—  Am  21.  Juni  1.  J.  zu  Eonojed  Sr.  Hochw.  Wenzel  Frost  (geb. 
am  4.  Februar  1814  zu  Nosadl,  Bezirk  Weilüswasser),  verdienstroller  Director 
des  Taubstummeninstitutes  in  Prag,  Besitzer  des  goldenen  Verdienstkreuzes 
mit  der  Krone,  auch  als  Schrittst^er  vielfach  thätig. 

—  Am  22.  Juni  L  J.  zu  Wien  Franz  Trop,  Professor  der  französi- 
schen und  italienischen  Sprache,  durch  grammatische  Werke  vortheilhaft 
bekannt 

—  Anfangs  Juni  L  J.  zu  Danzig  der  als  Naturforscher  und  Mitglied 
Terschiedener  naturwissenschaftlichen  auch  in  weiteren  Kreisen  bekannte 
Sanitätsrath  Dr.  Klinsmann,  und  zu  Sitten  in  Wallis  der  ehemalige 
Provincial  des  Capuzincr-Ordens  P.  Für r er,  durch  geschichtliche  ArbS- 
ten,  namentlich  eine  deutsch  geschriebene  „Statistische  Geschichte  des 
Wallis"  bekannt 

—  In  der  1.  Hälfte  des  Monats  Juni  1.  J.  zu  Dombach  bei  Wien  Sir 
Lascelles  Wraxall,  Baronet,  Mitglied  der  internationalen  £nqudte-Com- 
mission,  Correspondent  des  Daily  Telegraph,  als  Bearbeiter  deutscher  Ori- 

S'nale,  eine  bist  Abhandlung  über  Struensee,  das  populäre  Werk  „Wild 
its",  „Campe  Life,  The  Armies  of  the  Greet  Powers",  The  Secoud  Em- 
pire" u.  m.  a.  vortheilhaft  bekannt,  im  Alter  von  kaum  mehr  als  37  Jahren; 
zu  Grasmene  bei  London  der  berühmte  Naturforscher  John  Bichardson 
(geb.  zu  Dumfried),  der  Sir  John  Franklin  auf  zwei  Nordpolezpeditionen 
begleitet  hatte,  im  Alter  von  77  Jahren,  und  Dr.  Southey,  Bruder  des 
bekannten  Dichters  Bobert  S.,  vordem  Leibarzt  des  Königs  Georg  IV.,  als 
Fachschriftsteller  bekannt,  im  Alter  von  82  Jahren. 


Erste  Abtheilung. 

Abhandlungen. 

Zur  Kenntnis  und  Beurtheilung  einiger  Vergil- 

Handschrifte  n. 

(Fortaetiung  u.  Schluss  v.  J.  1865.  Hft.  II  u.  III,  S.  129  ff.) 

m. 

Die  Wiener  Vergii-Handschriften. 

In  der  k.  k.  Hofbibliothek  zu  Wien  befinden  sich,  abgerechnet  eine 
Handschrift,  welche  das  pseudo-vergilianische  Moretnm  enthält,  18  Codices 
des  Vergil,  in  Endlicheres  Katalog  unter  den  Nummern  CXIII—CXXIX  und 
GXXXI  verzeichet.  Die  Handschriften  von  N.  CXIX  ab,  als  dem  14.  bi« 
16. Jahrhundert;  angehörig,  können  füglich  wol  unberücksichtigt  bleiben»); 
Beachtung  verdienen  nur  die  älteren,  mit  CXLII— CXVIII  bezeichneten, 
ans  dem  10.  bis  12.  Jahrhundert. 

N.  CXrV  (81*)  ')  ist  ein  aus  drei  Blättern»)  bestehendes  Bruchstück, 
die  Verse  Aen.  I,  161—321  und  402—482  enthaltend,  von  Endlicher  dem 
11.  Jahrhundert  zugewiesen,  während  der  Schriftcharakter  —  die  sogenannte 
Carolinglsche  Schrift  —  vielmehr  auf  das  J.  900  hinweist  Von  gleich  alter 
Hand  sind  am  Rand  und  zwischen  den  Zeilen  Glossen  beigefügt,  die  aus 
Serrias  exoerpiert  sind.  Am  oberen  Rande  des  ersten  Blattes  findet  sich 
von  jüngerer  Hand,  kaum  noch  erkennbar,  die  Ueberschrift  e^ieidoru. 

•)  DieCodd.  N.  CXX-CXXI,  CXXD,  CXXIV,  CXXV,  CXXIX,  sämmt- 
lich  aus  d.  15.  Jahrb.,  enthalten  alle  Werke  des  Dichters;  N.  CXXVI 
aus  d.  15.,  N.  GXXXI  aus  d.  16.  Jahrb.,  befassen'Georgica  und  Aeneis; 
N.  CXIX  aus  d.  14.  und  CXXVU  aus  dem  15.  Jahrb.,  nur  die  Aeneis ; 
N.  CXXin  und  CXXVin,  beide  aus  dem  15.  Jahrb.,  nur  die  Buco- 
lica  und  Georgica. 

*)  Die  eingeklammerte  Zahl  bezeichnet  die  neue  Sisnoatur,  mit  der  die 
Handschriften  in  dem  von  der  k.  k.  Akademie  d.  W.  zu  Wien  heraus- 
gegeben Cataloffe  CTabulae  Codd.  mss.  praeter  Gnecos  et  Orientale» 
m  Bibl.  Palat  Yind.  asservai'  Vindob.  1864)  verzeichnet  sind. 

^  Endlicher  zählte  noch  vier  Blätter,  vielleicht  nur  wegen  der  Paginie- 
rung mit  1,  2,  4  (Blatt  3,  mit  v.  322— 401,  fehlt).  Auf  dem  Umschlage 
ist  der  Text -Bestand  in  der  oben  angegebenen  Weise  richtig  ver- 
seichnet. 

ItlMohrlft  t  d.  Oflurr.  Qjmn.  iSCft.  VII.  Ben.  33 


478       E.  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschrifteo. 

Cod.  CXIII  (58),  ein«  Pergamenthandschrift  in  B'olio,  aus  dem  10. 
Jahrhundert,  177  Blatter  zählend,  enthält  den  ganzen  Vergil,  nur  ist  der 
Schluss  des  Xn.  B.  der  Aeneis  von  v.  676  an  verloren  gegangen.  (Da  jed« 
Seite  in  der  Aeneis  37  Verse  befasst  —  in  den  Belogen  und  Georgicis  36—37 
Verse  — ,  ergibt  sich,  dass  am  Schlüsse  der  Handschrift  vier  Blätter  w^- 
geüallen  sind.)  Am  Rande  und  zwischen  den  Zeilen  finden  sich  von  erster 
Hand  herrührende  Glossen,  die  gleichfalls  aus  Servius  entnommen  sind. 
Die  Schrift  darf  als  treffliches  Muster  des  sogenannten  longobardischen 
Charakters  gelten  ^)  und  entspricht  vollständig  der  eines  Pariser  Vergil? 
Codex  aus  dem  10.  Jahrh.  (Bibl.  caes.  suppl.  771),  von  welchem  sich  in 
den  'Monum.  graph.,  CoUection  de  Tecole  des  chartes'  pl.  XLIX,  n.  276 
eine  Seite  mit  Geo.  II,  479—518  facsimiliert  findet.  Die  Wiener  Hand- 
schrift stammt  aus  der  Bibliothek  des  Klosters  St.  Joannis  de  Carbonaria 
zu  Neapel;  vergleicht  man  mit  ihr  die  vollkommen  übereinstimmenden 
Proben  longobardischer  Schrift^  die  Pertz  aus  Handschriften  mittheilt,  die 
im  10.  Jahrh.  auf  Monte  Casino  geschrieben  wurden  *),  so  darf  man  mit 
Recht  wol  annehmen,  dass  eben  dort  auch  die  Wiener  und  die  erwähnte 
Pariser  Handschrift  geschrieben  sein  duften,  insofern  letztere  nicht  nur  der 
Schrift,  sondern  auch  dem  Texte  nach  der  Wiener  Handschrift  innigst  ver- 
wandt zu  sein  scheint  ^.  Im  Bereich  der  Eclogen  und  der  Georgica  finden 
sich  im  Wiener  Codex  zahlreiche  Stellen,  wo  eine  jüngere  und  ziemlich 
ungeübte  Hand  bemüht  war,  die  verloschenen  Schriftzüge  nachzumalen; 
insbesondere  aber  sind  zahlreiche  Rasuren  zu  dem  Zwecke  vorgenommen 
worden,  um  Zwischenräume  zu  schaffen,  wo  vorher  die  Worte  zusammen- 
hiengen.  Die  radierten  Buchstaben  sind  dann  auf  engerem  Räume,  zum 


^)  Ein  photofiraphiertes  Facsimile  aus  dieser  Handschrift,  fol.  111,  p.  1 
mit  Aen.  VI,  890  bis  VII,  12  findet  sich  in  Sickel's  Monumentis 
Graphicis. 

*)  S.  Pertz,  Mouum.  Germ.  Hist.,  Script,  tom.  III,  tab.  IV,  n.  1,  Schrift- 
probe aus  Widukindi  Cod.  Casinas,  und  tom.  VII,  tab.  III  «.  IV, 
Schriftproben  aus  Leonis  Chronic.  Casin.  (^Cod.  autographus  Reg. 
Monacens.) 

•)  Zur  Vergleichung  liegt  zwar  nur  die  facsimilierte  Seite  der  Pariser 
Handschrift  vor,  aber  diese  wenigstens  stimmt  durchwegs  mit  der 
entsprechenden  Partie  des  Wiener  Codex  tiberein.  Geo.  II,  479  geben 
beide  Codd.  tamescunt  (tumescant  Ribb.);  erst  von  zweiter  Hand  ist 
im  Wiener  Cod.  über  das  letzte  u  ein  a  gesetzt.  —  v.  484  haben 
beide  mmguis  (im  Wiener  ist  der  letzte  Strich  des  m  radiert).  — 
V.  488  geben  sie  conuaüibtu  (so  jetzt  auch  Ribb.  nach  Med.  u.  Palat., 
in  welchem  CONVALLIMVS  steht)  statt  der  Vulg.  in  uaUHms.  — 
V.  514  haben  beide  hinc  und  nepotes  (penates  Ribb.  nach  M),  Ferner 
findet  sich  in  dem  Pariser  Facsimile  ebenso  wenig  der  Acc.  PI.  auf 
-is  wie  in  dem  entsprechenden  Abschnitte  der  Wiener  Handschrift 
(v.  483:  partes,  491:  in  beiden  omi  [onmes,  während  die  Abkür- 
zung für  omnis  omis  ist],  V.  493  agiestes;  505:  penates);  auch  gibt 
das  Pariser  Facsimile  v.  485  michi,  eine  Form,  welche  die  Wiener 
Handschrift  sowol  hier,  wie  überhaupt  fast  durchgehends  in  ihrer 
ersten  Hälfte  bietet.  Auch  die  Marginal-  und  Interlinear -Glossen 
fehlen  auf  dem  Pariser  Facsimile  nicht.  Es  ist  somit  nicht  eben 
unwahrscheinlich,  dass  beide  Handschriften  nach  derselben  Vorlage 
und  von  demselben  Schreiber  mögen  angefertigt  worden  sein. 


E,  Hoffnumn,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften.       479 

Theil  mit  Abbreviaturen  von  jener  jüngeren  Hand  eingetragen,  doch  ist 
an  den  meisten  Stellen  noch  die  alte  radierte  Schrift  erkennbar. 

Cod.  CXV  (27),  einen  Theil  der  Eclogen  und  die  Aeneis  nebst  dem 
Commentar  des  Servius,  oder  wie  er  in  dieser  Handschrift  constant  helAt, 
Sergius  enthaltend,  stammt  gleichfalls  aus  dem  Kloster  St  Joannis  de 
Carbonaria  zu  Neapel,  und  dürfte,  da  die  Schrift  gleichfalls  den  longo- 
bardischen  Charakter,  wenn  auch  in  minder  scharf  ausgeprägter  Form, 
zeigt,  ebenfalls  auf  Monte  Casino  geschrieben  sein.  Die  äuflsere  Form  der 
Handschrift  ist  ein  der  Quadrat -Form  sich  näherndes  GrofB- Folio;  die 
Seiten  sind  in  zwei  Columnen  beschrieben.  Montfaucon,  der  die  Hand- 
schrift noch  zu  Neapel  sah  (1698) ,  berichtet  über  dieselbe  ^ ,  dass  am 
Schlüsse  in  der  Subscriptio  bemerkt  sei,  dieselbe  sei  im  J.  1007  geschrie- 
ben. Jetzt  fehlt  sowol  dieses  Blatt  *),  wie  überhaupt  der  gröföere  Theil  des 
XDL  finches  der  Aeneis,  wenn  auch  nicht  so  viel,  wie  Endlicher  angibt. 
Die  Handschrift  enthält  gegenwärtig  auf  den  ersten  vier  Blättern  ein  Bruch- 
stück der  Eclogen  (VIIl,  44  —  X,  20)  nebst  dem  Commentare  des  Scrvios 
von  Vm,  21  (Fecit  autem  versum  hunc  ad  imitationem  Theocriti  cett.) 
angefangen  bis  X,  10  (.  . .  saltus  habuere  puellae  naides.  nymphas  simpli- 
citerj).  Von  fol.  5  ab  folgt  die  Aeneis  mit  dem  Commentare  des  Servius. 
Das  letzte  Blatt,  f.  225,  schliefst  mit  Aen.  Xll,  82;  aber  unter  den  Blät- 
tern des  III.  Buches  finden  sich  noch  vier,  einen  Binio  bildende  Blätter, 
fol.  61—64,  die  den  Text  von  Aen.  XII,  110 — 347  nebst  dem  Commentare 
des  Servius  zu  v.  48—211  dieses  Buches  enthalten  % 

Cod.  CXVI  (208),  Pergamenthandschrift  in  Klein-Quart,  die  Aeneis 
enthaltend,  stammt  aus  dem  12.  Jahrhundert. 

Cod.  CXVn  (151),  Pergamenthandschrift  in  schmalem  Folio-Format, 
aus  dem  13.  Jahrb.,  enthält  den  ganzen  Vergil.  Zu  bemerken  ist,  dau 
jede  üeberschrift  vor  den  Eclogen  sowol  wie  vor  den  einzelnen  Büchern 
der  Georgica  und  der  Aeneis  fehlt,  und  nur  durch  verzierte  Initialen  der 
kidkag  eines  neuen  Buches  angedeutet  ist.  Der  Personenwechsel  in  den 
Edogen  ist  nicht  durch  den  Anfangsbuchstaben  der  Namen ,  sondern  nur 
durch  ein  an  den  Band  gesetztes  §  bezeichnet 

Cod.  CXVni  (172),  Pergamenthandschrift  in  Quart-Form,  aus  dem 
13.  Jahrb.,  mit  Ergänzungen  aus  dem  14.,  befasst  den  ganzen  Vergil.  Auch 
in  diesem  Codex  fehlen  üeber-  und  Unterschriften  bei  den  einzelnen  Büchern; 


")  Diar.  Ital.  p.  313. 

•)  Dafür  liest  man  jetzt  auf  der  ersten  Seite  am  oberen  Bande  die 
aus  Montfaucon  gezogene  Notiz;  *700  ann.  script.  anno  1007.* 

■)  Zwischen  fol.  225  und  f.  61  ist  ein  Blatt  verloren  gegangen,  wel- 
ches die  Fortsetzung  des  Textes  Xll,  v.  83—109  nebst  dem  Com- 
mentar des  Servius  zu  Xll,  1—48  enthielt.  Dieses  Blatt  mit  seinem 
correspondierenden  Theile  bildete  die  äuXlBere  Lage  eines  Temio,  von  dem 
nun  eben  nur  noch  die  inneren  Lagen,  der  Binio  f.  61.  f.  62.  f.  63.  f.  64 

erhalten  sind.  Dass  diese  Blattlage  ebenso  wie  die  übrigen  den  Beat 
des  Xll.  Buches  befassenden  Blätter  bereits  verloren  waren,  ehe  der 
Codex  in  den  Besitz  der  k.  k.  Hofbibliothek  kam,  zeigt  die  auf  der 
Kehrseite  von  f.  64  am  unteren  Bande  beündliche  Subscriptio: 
ÄvUonii  Stripandi  et  amicoru. 

32* 


^480        K  Uöffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handiclirifteii. 

erst  vor  dem  Vi.  B.  der  Aeneis  findet  sich  'Vi  lyber  incipU'  und  sodann 
vor  den  folgenden  Büchern;  nur  das  Xil.  entbehrt  wieder  jeder  Beieich- 
nung.  Die  älteren  Partien  der  Handschrift  (f.  28  —  38,  enthaltend  G.  Ul, 
2Ö0  -  G.  IV,  fin.;  f.  40-137  mit  A.  I,  84  -  XU,  538;  und  t  139-14» 
mit  A.  XII,  636  bis  Ende)  sind  sehr  zierlich  und  mit  weniger  Abkünun- 
K'du  geschrieben  als  Cod.  CXVII.  Eine  Eigenthümlichkeit  von  Cod.  CXYIU 
ist  es,  dass  tiberall,  wo  bei  Vergil  eine  Vergleichung  angewendet  ist,  ein 
an  dem  Kand  gesetztes  Gl)  die  Comparatio  anmerkt 

Indem  wir  nun  daran  gehen,  das  Verhalten  dieser  Handichriften  in 
den  maßgebenden  Codices  zu  prüfen,  wollen  wir  das  Fragment  CXIV  nut 
/;  die  Codd.  CXIII,  CXV,  CXVl,  CXVm  mit  cT,  «,  f,  i?,  *  bezeichnen. 


Die  Orthographie  in  diesen  Handschriften  ist  im  allgemeinen  die- 
selbe wie  die  der  Bemer  Vcrgil-Codices.  Die  Plural-Accusativ-Endung  -is 
findet  sich  in  f  bei  keinem  Substantiv,  das  adjectivische  biremis  (A.  1, 188) 
ausgenommen;  dagegen  wechselt  sie  bei  Adjectiven  und  Participien  mit 
der  Endung  -es  '®).  Von  den  übrigen  hat  e  am  häufigsten  -«,  insbesondere 
im  zweiten  Theil  dos  Aeneis  ");  seltener  steht  -i»  in  «f,  und  meist  hat 
dann  eine  jüngere  Hand  t  in  -e  corrigiert.  Auch  in  e  findet  sich  häufig 
von  zweiter  Hand  über  i  ein  e.  In  den  übrigen  Codices  zeigt  sich  hie  und 
da  einmal  die  Endung  -is.  —  Die  Präpositionen  ad-,  iw-,  am-  sind  in  der 
i'omi)08ition  meist  assimiliert  Fälle  der  Nicht-Assimilation  finden  sich  am 
häufigsten  in  f;  auch  in  J  hat  öfters  bei  od-  und  tu-,  seltener  bei  con- 
die  erste  Hand  die  nichtassimilierte  Form  gesetzt  **),  während  umgekehrt 
seltenere  assimilierte  Formen  wie  ammofiuü,  amnwno,  ammirantur,  am- 
miscere  (E.  VI.  4.  G.  II.  379.  IV,  187.  215.  267)  von  der  zweiten  Hand  in 
ad-  corrigiert  sind.  —  Die  Assimilation  von  6  in  o&-  und  9uh-  vor  m  be- 


'•)  Im  ganzen  tiii.len  sich  im  Bereiche  dieses  Fragmentes  19  Aoensative, 
darunter  mit  Ausschluss  von  biremis ,  vier  Substantiv -Accnsative 
itavts  I.  Hk>,  mtUes  186.  uires  214,  orbes  269  und  sechs  Adjectiv- 
und  Partivip-Acoiisiitivo  auf  -es:  oniMS  194,  feroces  263,  imwumes 
428;  ftreiiti'ü  181».  tluetites  320,  ardentes  472.  Gegenüber  stehen: 
htreims  182.  tris  184,  celerislSlx  tabentislTS,  errantislSb,  sonan- 
tts  2lK>.  imeiitis  224,  mteiitis  22^,  aradiefUis  411. 

"»  Während  in  »lom  Bruclistücke  der  Edoeen  sich  kein  einziger  Acca- 
sntiv  auf  >is  finde c  und  im  I.  B.  der  Aeneis  ein  solcher  nor  Smal 
vorkommt .  lk\sre^iet  man  jener  Endung  im  VIL  B.  an  38  Steilen, 
darunter  Wi  acht  Substantiv -Accusativen:  partis  v.  69,  finit  149. 
:m.  igtüs  ;»2l>.  m«*»  418,  fiiim  437,  postis  622,  uaRis  8Ö2,  nebst 
dem  adjoctivisohon  bidentis  v.  93. 

'^  Si>  gibt  tr  1:  ndtolUHs  —  itdnixa  A.  IV,  690;  adsuetae  A.  Vli,  33: 
iuhuiun  E.  V.l.  :kI:  luistringit  G.  1,  91;  adfiauä  G.  1,250;  adfaim, 
Mif'iitii  A.  IV.  2Si.  <;32.  adtiJieHS  A.  IV,  690;  —  ifUudant  G.  I,  181; 
tuMttiSi  0,  1.  in»;  inmauibHS  A.  IV.  642;  iHmisctrier,  immaeuä  G.  L 
404.  A.  IV.  ,M0:  inmota  A.  IV.  449;  inmundM  G.  I,  400;  iMWMrMi- 
A^  G.  IV,  2.>1:  in^ressit  G.  I.  263;  inprobus  E.  VUI.  4a  G.  I.  3S8; 
«»;j  »*ko  G.  II,  211:  inj'Htit  A.  IV,  23;  iMjM/rfNNcie  G.  L  470;  imrmmfit 
A.  l\  l^:>;  irrtmeitbdi^  A.  V,  591.  —  coHprendit  G.  II,  306;  cnm- 
prtwfu  ^conr.  -os  conpressa}  A.  VL  701;  cuitptnat  A.  IT,  301  —  1b 
f  findet  sich  nur  compagibm  A.  1 291 


E.  Hoffmann ^  Zur  Keniitnis  einiger  Verpil-Handsohrifton.        481 

treflfendy  so  geben  6(  obmuttiit  in  den  beiden  Stellen,  wo  sich  dieses  Ver-^ 
bom  findet,  A.  IV.  279  und  VI,  155,  ferner  submergere  A.  1.  40.  69;  da- 
gegen hat  if  A.  1 ,  Ö85  summersum  .(—  R),  Dieselbe  Handschrift  bietet 
mbmittere  G.  III,  159  (—  3f),  dagegen  summitiere  E.  I,  45  (—  P)  und  G. 
III,  73  (— -afP).  suhtnota  hat  d  A.  VJU,  193  (=  y^/c),  (  dagegen  sum- 
mota  (■»  den  übrigen  codd.  Ribb.);  dagegen  haben  beide  summovet  A.  VII; 
226  und  cT  summotis  E.  VI,  38,  an  beiden  Stellen  mit  den  Ribbeck'schen 
Handschriften  übereinstimmend.  Anlautendes  s-  nach  präfigiertem  ex-  ist 
in  de  stets  ausgefallen.  Man  liest  daher  exafiguis  '^),  exors,  exertae  (A.  I, 
492  «-  codd.  Ribb.) ,  eocaturata ,  exatiirabile  (A.  V,  781)  extruere  u.  s.  w. 
Beide  geben  ttffi^^m,  numquam^^)^  zuweilen  auch  amguis,  samguis,  exam- 
guis  **);  femer  teftiptare,  exemptus,  adempttis;  tempne  (A.  VII,  236),  tempnis 
(I,  665),  tempnitis  (I,  542),  (J  auch  G.  IV,  104  contempmint)\  ferner 
hiemps.  —  Constant  bieten  J*  und  meist  auch  die  übrigen  relliquiuCy  rel- 
ligio,  quereUa;  dagegen  J  stelio  (G.  IV,  243  *=  MR)  und  mit  t  lUora, 
amubium,  coniunx;  einfaches  i  in  den  Compositis  von  iacerc.  —  J#  a8]>e- 
rieren  ancJiOra^^y  Äarewa''),  luirundOf  honustus^*),  ^  auch  hebenum  G. 
U,  117  und  hdlua  G.  IV,  130;  dagegen  haben  sie  meist  umeruSf  umor,umidwi, 
in  beiden  Beziehungen  mit  den  besseren  Handschriften  Ribbeck's  iiberein- 
stimmend,  der  so  auch  ediert.  Dass  S  sehr  häufig  michi  und  nichU  bietet. 
insbesondere  in  den  Belogen,  Georgicis  und  ersten  Büchern  der  Aeneis 
wnrde  schon  oben  (A.  6)  bemerkt.  Dagegen  schreiben  6 1  meist  pulcer.  — 
Sehr  zahlreich  sind  die  Fälle,  wo  in  J  ö  und  v,  im  Inlaut  wie  im  Aus- 
laute, vertauscht  sind  "').   —  d  für  t  im  Auslaut  gibt  f  an  zwei  Stellen 


")  A.  XI,  818  haben  jedoch  cT  und  t  exjanguif;  und  v.  1.  H.  bietet  «r 
G.  I,  88:  exfudat  (=  PRybc),  A.  IV,  267:  cxftrmt;  IV,  652:  ex- 
foluite;  an  allen  drei  Stellen  ist  /radiert. 

'^)  In  cT  ist  meist  der  letzte  Strich  des  m  radiert. 

'*)  samguiSy  examguis  geben  Jf  A.  V,  396  und  A.  LX,  453.  —  samguis 
gibt  <ri  G.  III,  484  (—  Cod.  Paris,  suppl.  717,  s.  o.  A.  6)  und  f  A.  X, 
819;  awgtiis  hat  J  E.  VIII,  71.  G.  1, 205.  ID,  425. 

'*)  So  gibt  auch  f  A.  1, 169. 

»')  A.  1, 172  hat /•  amm.  „     , 

")  A.  1,289;  in  J  steht  h  über  der  Linie,  doch  von  alt^r  Hand.  Cgibt 
« 
hofiestum,  „..       .    ,,.,,  ^^^ 

'*  h  statt  v:  biiccue  E.  iX,  31.  G.  II.  524;  ballig  baUibus  A.  Vll,  565. 
G.  IV,  277;  Jobis  G.  III,  332.  A.  1,  42.  46.  V,  mA.  VIII  640;  Ma- 
bartia  G.  IV,  462.  A.  Vi,  777;  erbo  E.  ill,  UM);  inbat  G.  lU,  292; 
(dbum  G.  111, 427;  cabiUis,  coticaba  G.  IV,  33, 49;  serbant,  obserbant 
G.IV,41.  212.  383.  513;  fabos  G.  IV,  104.  242;  nabibus  A.  11,254; 
exubius  A.U,  646;  stibbectat  G.  JII,  241;  lebabat  A.  VU,  5|1.  755; 
obbiu  G.  IV,  24;  uolbes  A.  Vlil,  539;  labit  G.  lU,  '^h  ,c^t^^mus 
(agitauimwi)  A.  II,  421  u.  a.  m.  -  v  statt  b:  nauium  (Bavium)  E.  III, 
9();  uianoris  (Bianoris)  E.1X,60;  «eJti«  (Belu8)A.  I,  729. 730;  ticro^ 
(Beroe)  A.  V,  620;  uolam  (Bolam)  (=  / 1)  A- VI,  775;  i*»/wmtnc  E.  Vlll. 
82;  uibulam  G.U1,175;  Oeiudiae  G[.  IV,  125;  ^rauw  A.  VII  605; 
praeuere  G.  lU,  300;  üjnouile  G.1V,63;  ti^uet,  tuiiebat  A,  II,  147. 
YU,  468.  VIII,  646;  aufiiit  VU,498;  rauida«  A  VIU,  493 ;  superma 
superuci,  superuim  A.I,  529.  VU,  544.  XI,  340;  ocerwum  XI,  823 
u.  dgl.  m.  Meist  hat  die  zweite  Hand  den  richtigen  Consonanten 
hergestellt.  -Einige  derartige  Fälle  bietet  au-h  f.   Inhiae  A.  VJ, 


482        E,  Hoffnuinn,  Zur  Kenntnis  einiger  Vcrgil-Handsclirifteii. 

A.  I,  321  inquid  und  444:  capud,  an  einigen  Stellen  auch  «  v.  1.  H.:  in- 
quid  A.  I,  754.  VII,  594;  reliquid  VU,  123;  uelud  VII,  586.  In  ä  bat  noch 
die  erste  Hand  A.  V,  93  das  d  in  linquid  in  t  verwandelt.  Aul^Mrdem 
reliquid  (st.  reliqui)  A.  IV,  315.  In  t)  sind  dagegen  solche  Fälle  nicht 
selten:  inquid  E.  Vi,  23.  X,  22;  reliquid,  relinquid  E.  VIU,  91;  G.  I,  36; 
capud  E.  I,  24.  VI,  29.  VIU,  102  u.  dgl.  m. 

Gemeinsam  allen  Wiener  Codices  ist  die  Form  timpora  f&r  tempora 
in  der  Bedeutung  'Schläfe*;  am  constantesten  in  ^,  während  sie  in  c  zum 
Theil  erst  durch  Correctur  hergestellt  ist  '•).  —  u  nach  vorausgehendem  r 
ist  bewahrt:  nur  in  tF  liest  man  von  erster  Hand  G.  I,  279  und  295  saeuam 
und  Volcano;  die  zweite  hat,  wie  in  P,  u  hergestellt.  —  Die  Form  uortex 
geben  die  besseren  Vergilhandschriften  bekanntlich  nur  einmal  A.  I,  117. 
und  hier  in  Uebereinstinmiung  mit  dem  ausdrücklichen  Zeugnist  des  Plinius 
bei  Charisius  p.  68;  an  derselben  Stelle  haben  denn  auch  alle  Wiener 
Codices  uortex,  während  sich  sonst  constant  uertex  findet.   —   Noch  mag 

13.  X,  537;  catcrhas  A.  VIU,  593;  iuhat  A.  II,  776.  IX,  614;  equi- 
tdbü,  desolahimus  (equitauit,  desolauimus)  X,  885.  XI,  378.  —  In 
E.  IX,  60  stand  für  Öianoris  ui*sprönglich  uiunoris;  ebenso  A.  i,  621 
uelus  (Belus),  738  uitiae  (Bitiae);  I,  736:  liuuuit;  VUI,  175:  iuuet; 
648:  huertate.  In  der  Glosse  über  Pallas  VIU,  591  liest  man  's,  dauü\ 
sowie  in  6  A.  XU,  273  über  nhio  die  Glosse  'hefttre*  steht  Als 
ältester  Beleg  für  diese  Vertausch un^  der  labialen  Media  b  mit  dem 
Lippenhauche  v  galten  bisher  Inschnften  des  3.  Jahrhunderts  n.  Chr. 
(s.  Corssen,  Aussprache  etc.  I ,  S.  61  f.) ;  ein  älteres  Beispiel  ist  die 
Form  80LAVERE,  welche  A  in  üebereinstiraraung  mit  Ä  G.  1, 159 
statt  SOLABERE  gibt.  Nicht  minder  spricht  für  das  frühe  Vor- 
kommen dieser  Vertauschuug ,  sowie  anderseits  für  die  gemeinsame 
Quelle  unserer  Vergilhandschriften,  dass  wir  ihr  zuweüen  an  der- 
selben Stelle  in  sämratlichen  alten  Handschriften  begegnen.  So  geben 
sämmtliche  Handschriften  Ribbeck's  MPRybc  (F  rehlt)  und  ehenso 
auch  cF*  A.  VI,  801  OBIBIT  statt  obiuit,  und  erst  von  2.  H.  ist 
in  M  über  das  zweite  B  ein  V  gesetzt.  Ebenso  geben  MPbcSt 
A.  IV,  498  von  erster  Hand  IVBET,  darüber  als  Variante  IVBAT 
C^  gibt  iubat  v.  1.,  iubet  v.  2.  H.),  statt  IVVAT.  Letzteres,  oder 
vielmehr  IVAT ,  mit  anderem  V  über  der  Linie,  gibt  nur  F  {E  fehlt). 
XII,  398  stimmen  (Sylbl  in  der  Schreibung  acerua  (acerba)  tiber- 
ein. —  Weiter  s.  in  M  E.  IX,  26.  27:  BARG,  BARE  (Varo,  Vare); 
A.VU,226:  SUMMOBET;  VUI,  227:  VELABIT  (uelauit);  IX,  686: 
PLUBIALIBUS.  und  G.  IV,  299:  UlMA  (bima);  G.  lU,  149:  ACERUA 
(acerba);  A.  I.  529:  SUPERUIA:  I.  261 :  FAVOR  (fabor);  708: 
DISCUMUERE.  -  In  P:  G.  lU.  :M):  80RVIS  (sorbis) '^  y\\i,  - 
In  G:  A.IV,2b:  SIVI  (mbi)  —  In  U:  G.  lU.  497:  OVESSIS  (ob- 
essis);  A.  VI,  784.  iX,  619:  VERECYNTHIA.  A.  I,  621  ist  B  in 
BELI,  BELVS  von  zweiter  Hand  in  V  corrigiert. 
'-)  tiittpora  gibt  J:  E.  VI.  22.  VJII.  12.  G.  1,  28.  349.  A.  U.  133.  684.  IV. 
637.  V,  71.  72.  246.  269.  435.  539.  856.  VI,  665.  772.  VUI,  286. 
680.  684.  IX.  633.  808.  X,  538.  XI.  489.  XII,  120.  162.  173.  536. 
lieber  die  Form  timpora  findet  sich  nur  die  kurze  Notiz  bei  Hein- 
sius  z.  E.  VIII,  12:  'timpora  nonnulli,  ut  aliis  in  locis  saepe.'  — 
ixfinpora  hat  m  E.  VI,  22.  ~  A.  II,  133  bieten  es  die  beiden  Bemer 
Codices  N.  239  und  167  (9.  u.  10.  Jahrb.).  Müller,  de  codd.  Virg. 
Helvet.  p.  27.  * 


E,  Hoffmann,  Zar  Kenntnis  einiger  Yergil-Handschriften.        488 

ober  ff  bemerkt  werden,  dass  es  o  für  u  in  pecodum  (nur  in  dieser  GeniÜT- 
form)  '*)  nnd  soboles  ")  bietet. 


Sehen  wir  nun,  weiter,  wie  sich  diese  Handschriften  hinsichtlich  er 
T  erdichtigen  Verse  verhalten. 

Keine  derselben  hat  die  dem  Eingänge  der  Aeneis  vorangestellten 
Verse:  lUe  ego  etc.;  ebenso  fehlen  in  allen  die  Verse  A.  U,  567—588. 

A.  n,  76:  nie  haec  deposita  tundem  formidine  fatur  (=- A.  111,612) 
fehlt  im  Texte  von  f,  doch  steht  er  von  1.  H.  am  oberen  Rande.  An  den 
Rand  gesetzt  ist  er  auch  in  Ma  6 ;  in  c  steht  er  auf  Rasnr ;  in  P  y  fehlt 
er  ganz.  <fC^^  haben  ihn  im  Texte  =>  m. 

A.  IV,  273:  Nee  super  ipse  tua  meliris  laude  laborum  (—  IV,  233) 
fehlt  in  <f«  —  MPylalbl-,  in  &  ist  er  von  2.  H.  wie  in  a  zwischen  den 
Zeilen  eingetragen;  dagegen  haben  ihn  C?  *-  cm ''). 

A.  IV,  286:  In  partisque  rapü  uarias  perque  omnia  uersat  (—  VIII, 
21)  steht  in  StCfi^  ^ö  in  Mabcm;  in  P  fehlt  er;  Fy  haben  ihn  am 
Bande  von  jüngerer  Hand. 

A.  IV,  528 :  Lenibant  curas  et  corda  ohlüa  laborum  (vgl.  A.  IX,  225) 
fehlt  in  Si  wie  in  MPylclmip.  In  i/*  steht  er  =-fcl.  In  C  sind  die 
Verse  522—528  ganz  ausgefallen. 

A.  VI,  242:  Unde  locum  Grai  dixerunt  nomine  Aomon^*)  fehlt  in 
di(&  wie  in  FMPcm;  in  cT  ist  er  von  junger  Hand  an  den  Rand  ge- 
setzt (mit  der  Variante  auemum  -«  Bb);  in  6^  steht  er  zwischen  den 
Zeilen,  in  i;  im  Texte  selbst  wie  ia  Bb. 

A.  VI,  702:  Par  leuibus  uentis  uolucrique  »imülima  somno  (-»  A.II, 
794)  steht  in  diCn^  wie  in  den  Codd.  Ribb.  mit  Ausnahme  von  P6,  die 
ihn  von  junger  Hand  am  Rande  haben. 

A.  VIII,  46:  Hie  locus  urbis  erü,  requies  ea  certa  Uiborum  (—  A. 
III,  393)  fehlt  in  cT*  -  MPyh  C^^^  und  die  übrigen  Codd.  Ribb.  haben 
den  Vers. 

A.  IX,  29:  Vertüur  arma  tenens  et  ioto  uertice  supra  eil  (-^  VII, 
784)  fehlt  in  ^iCu^  wie  in  Ribbeck's  Handschriften. 

A.  IX,  121 :  Quot  prius  aeratae  steteramt  ad  lUura  prorae  (—X,  223) 
fehlt  wie  in  Ribbeck's  Codices  in  ^er);  in  &  hat  eine  junge  Hand  den  Vers 
an  den  Rand  gesetzt;  C  hat  ihn  im  Texte,  und  zwar  wie  Cod.  Parrhas.  u. 
Dorvill.  nach  v,  122. 

A.  IX,  529:  Et  meministis  enin^^  diuae,  et  memorare  potestis  (-»VII. 
645)  steht  nur  in  C;  ^ev^  und  Codd.  Ribb.  mit  Ausnahme  von  R  haben 
den  Vers  nicht. 

'»)  E.  VI,  49  «-  b,  G.  Ul.  383  u.  470  -  y.  v.  480  steht  das  erste  u  in  peou- 
dum  auf  Rasur.  Auch  von  Ribbeck*B  Handschriften  hat  hier  Keine 
pecodum. 

'»)  E.  IV,  49  (hier  durch  Correctur  v.  1.  H.)  -  yb  G.  III,  71  =  j/c,  Ul,  308 
(bei  Ribbeck  keine  Variante),  IV,  100  «  ac,  A.  IV,  328  ^abc. 
In  B  ist  eine  Lücke  von  IV,  217  —  V,  36. 

Vennuthlich  nach  Priscia  n's  Perieg.  v.  1056:  Unde  locis  Oraii  po- 
§U€runt  nomen  Aornin,  wie  Bemhardj  ediert,  Dion.  Per.  p.  485. 


'•1 


484        J?'  'Hoffmann/ Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handfichriflenr 

A.  X,  278:  Vitro  unimos  tollU  dictis  atque  increpat  tdtro  (=lX>ia?) 
fehlt  wie  in  MPym  in  cT«  (J  hat  ihn  von  einer  Hand  des  15.  Jahrfa.  am- 
oberen  Rande).  Im  Texte  von  Cn^  steht  der  Vers. 

A.  X,  872 ;  Et  furiis  agUatus  aawr  et  conscia  uirtus  (—  XII ,  668) 
fehlt  im  Text  von  ö  =  MPRyh;  eine  jüngere  Hand  h^t  den  Vers  an  dep 
Rand  gesetzt;  fCn^  haben  ihn. 

A.  XII,  612  f.:  MuUaque  se  utciisat,  qui  non  acceperit  ernte  Dar* 
danitm  Äenean  generumque  adscitHnt  tdtro  (vgl.  A.  XI,  471  f.)  fehlen  im 
Texte  von  ^^MPRyb;  am  Rande  stehen  sie  von  junger  Hand.  —  C»?»*- 
haben  wie  cm/  beide  Verse  im  Texte  {t  bricht  mit  XII,  347  ab). 

Von  e  muss  noch  bemerkt  werden,  dass  er  nach  A.  IX,  523:  Ät^ 
Messapus  equum  dowiYor,  Neptiinia  pröles,  ebenso  den  Vers:  Qiiem  itfc 
fas  iffni  cuiquam  nee  sterner e  ferro  folgen  lässt,  wie  diese  beiden  VII,  691 
und  692  verbunden  sind. 

E.  I  gibt  cf  nach  v.  17  den  nach  E.  IX,  15  gebildeten  Vers :  Saepc 
iinistra  caua  dicehat  ab  ilice  cornix  (=  Pierii  Cod.  Longob.).  Denselben 
Vers  mit  der  Variante  praedixit  (»=*  Pierii  Cod.  oblong.)  hat  auch  .*>. 
In  ti  und  den  Handschriften  des  Ribbeck'schen  Apparates  fehlt  er. 

In  rj  findet  sich  nach  E.  VI,  40  der  Vers:  Hitic  hominum  genus, 
hinc  etiam  primordia  regum.  Aehnlichc  Einschübc  haben  das  Frgm.  Moreti, 
der  Cod.  Voss.,  Zulich.  u.  Franc. 

G.  IV,  338:  Nesaee  Spioque  Hudiaque  Cijtnodoceque  (=»  A.  V,  826^ 
fehlt  in  cf^  =«  MPBylh;  rj  und  c,  sowie  y  am  Rande  von  2.  Hand, 
haben  ihn. 

Die  Codices  <f  und  e  stimmen  also  hinsichtlich  der  Weglassung  oder 
Aufnahme  der  bezeichneten  Verse,  abgesehen  von  A.  11,  76,  genau  mit  M 
ftberein,  während  Crj(>  gleich  der  Masse  junger  Handschriften  meist  dem 
Verhalten  von  c  sich  anschliefsen. 

Nicht  die  gleiche  Uebereinstimmung  mit  M  zeigen  J  und  «  hin- 
Fichtlich  der  Ausfüllung  unvollständiger  Verse;  jedoch  finden  sich  solche 
Flickstücke  nur  im  Bereich  des  IL  B.  der  Aencis.  fc>o  geben  sie  A.  11,  614: 
Ferro  accincta  u ocat  [saeuasque  accendit  a d  i r a s  (mit Cod. DorviU.) ; 
A.  II ,  640:  Von  agitate  fugam  [et  rebus  seruate  secundis  (mit  Cod. 
Francianus,  ergänzt  nach  A.  1,207);  A.  II,  767:  Staut  circum  [et  tacitis 
implent  mugitihus  «ras  (—  Cod.  Witt;  andere  Ergänzungen  in  anderen 
Handschriften)  vgl.  E.  VI,  48:  iraplcrunt  falsis  mugitibus  agros).  In  fijd 
fehlen  an  allen  drei  Stellen  diese  Flickstücke.  —  A.  111,  661  haben  zwar 
auch  cT«  und  mit  ihnen  C»?^  das  Flicksttick:  Sulamenque  malt  [de  collo 
fistula  pendet,  doch  theilcn  sie  dasselbe  mit  Pyacm.  —  Wo  sonst 
noch  solche  Supplemente  in  den  schlechteren  Handschriften  sich  finden, 
fehlen  sie  in  6t.  A.  Ul,  340  ist  nur  in  Cn  ergänzt;  in  C:  Quem  tibi  iam 
Troia  — -  [peperit  fumante  Creusa  (mit6  Codd.  Heins.),  in  rj:  Quem 
tibi  iam  Troia  [obsessa  est  e nix a  C[reusa  (mit  Cod.  Hugcn.).  Ueber 
dem  Supplemente  steht:  'vacat.  quidam  ita  supplent*  —  A.  V,  595  er- 
gänzen i;*:  CarpathiuM  Libycumque  secant  [Itiduntque  per  undag 
(mit  Bc  und  den  Zusätzen  der  zweiten  Hand  in  Myb).  —  A.  VIII,  41  gibt 
nur  i;:  Conceaere  deum  [noua  menia  querere  teueres,  jxaß.  nrtr 


E.  Haffinann,  Znr  KenntauB  einiger  Vergü-Handschrifken.       485 

vOq- jüngerer  Hauet,  die  dazu  am  Rande  anmerkt:  'sie  supplebatur.  a  cor- 
rMtoribuB  sablatam  est/  Bei  ServioB  und  ebenso  im  Cod.  Menag.  I,  Ham- 
biurg.  und  Yen.  Heins,  lautet  das  Supplement:  Concessere  deum  [profugis 
noua  moenia  Teucris.  —  A.  XI.  391,  wo  einige  Handschriften,  dar- 
unter auch  M  von  erster  Hand,  Supplemente  bieten,  ist  in  allen  Wiener 
CkMÜoes  unaußgefüllt.    In  rj  ist  übrigens  v.  391  vor  390  gestellt. 

Die  oorrupte  SteUung  der  Verse  A.  X,  660—665  (660.  663.  664.  661. 
662.  665),  die  erst  Scaliger  in  die  passende  Ordnung  brachte,  geben  die 
Wiener  Handschriften  in  Uebereinstimmung  mit  MPBybcmilj;  ebenso 
theilen  sie  mit  diesen  die  Anordnung  der  Verse  714  —  718  (716.  717.  718. 
714.  715  der  Heyne-Wagner'schen  Ausgabe). 

A.  IV,  257  u.  258  waren  in  cf  ursprünglich  umgestellt  (-»  c/),  doch 
hat  bereits  die  erste  Hand  auf  der  verlöschten  Schrift  die  Verse  in  der 
gewöhnlichen  Ordnung  darüber  geschrieben.  —  In  ^  ist  A.  V,  778  vor  777 
gestellt,  wie  in  Py  und  MenteL  I,  denen  Ribbeck  folgt;  «Tti?^  haben 
gleich  MB  u.  s.  w.  die  gewöhnliche  Versfolge. 

G.  IV,  290—293  geben  cf»?^  in  der  Ordnung  wie  Pbc  (nach  Heyne- 
Wagner):  290.  291.  292.  293  (My:  290.  292.  291.  293);  B:  290.  292. 
293.  291. 

Allein  steht  J  mit  der  Umstellung  von  G.  IV,  77.  76  und  A.  VII, 
474,  473,  sowie  C  mit  der  Transponiening  der  vorangehenden  Verse  472. 471. 

Noch  mag  von  rj  bemerkt  werden,  dass  der  Schreiber,  sei  es  durch 
Ueberschlagen  eines  Blattes,  sei  es,  weil  ein  solches  in  dem  Exemplare, 
das  er  copierte,  ausgefallen  war,  die  Verse  A.  VIII,  321  —  390  ausge- 
lassen hat. 

Bei  der  Frage  über  das  Verhalten  des  Textes  dieser  Handschriften, 
zu  denen  des  ßibbeck'schen  Apparates  lässt  sich  über  f  bei  dem  geringen 
Umfange  dieses  Fragmentes  kaum  ein  begründetes  Urtheil  abgeben  und 
dies  um  so  weniger,  als  auch  die  Textstücke  A.  1, 161  -321  und  322—401 
zu  charakteristischen  Varianten  wenig  Veranlassung  bieten.  Im  allgemeinen 
zeigt  f  jedoch  am  meisten  üebereinstimmung  mit  h.  Zum  Belege  lassen 
wir  einige  wichtigere  Lesarten  von  /'  mit  Beifügung  der  Vaiianten  der 
Bibbeck*scheu  Handschriften,  sowie  der  Wiener  Codices  ^€^  folgen. 

A.  1,174:  silicisf  mit  hc€C;siUciMByS,  ~  e xcudit  f  mit  Myb 
(ex  corr.)  ^eC;  excutit  B;  —  175:  suscepit  f  mit  ylx^C;  succepit 
MBce,  —  183:  capin  fyhf;  capim  cl;  Capyn  MB^^,  —  185:  se- 
tuntur  fMyc;  seciuuntur  FBbSfC»  —  193:  humo  fFMBybmip: 
humi  c2;^  cF *  ^.  —  212 ifrusta  fFB  (beide  durch  Corrcctur)  ySe;  frust r a 
3fFlJ?161cC.  —  214:  Tunc  f;  Tum  Codd.Ribb.,  J«f.  —  220:  Oronti 
fFMB2by2i;  Orontis  Blm^  (in  S  sind  die  Verse  220—222,  da 
die  alte  Schrift  verblasst  war,  radiert  und  von  junger  Hand  rescribiert. 
Diese  hat  Orontis).  —  227:  iac entern  (über  ce  steht  i  von  1.  H.  = 
iaeientem)  f;  iaetantem  Codd.  Ribb.  u.  d^f.  —  235:  reuocato  san- 
guine  (mit  Auslassung  des  dazwischen  stehenden  a^  /".  —  246:  praerup- 
tum  fdt  (preruptum  f(^,  pruptum  «)  —  F2y  1;  prorxiptum  FiMB 
etc.;  pruptum  C  (der  Querstrich  über  p,  der  Tinte  nach  zu  urtheilen, 


489       E.  ffoffmann,  Zar  Kenntnis  einiger  Verfnl-Handscbriften. 

Ton  jüngerer  Hand).  —  270  haben  f  und  t  expleuit,  was  auch  in  h 
ursprünglich  gestanden  haben  dürfte,  da  der  Buchstabe  b  in  ea^oMnt  auf 
radierter  Stelle  sich  findet.  —  284:  pthiam  f  ^  ifefyctl;  p^Xhiam  <f<2; 
PYTHIAM  (das  Y  durchstrichen)  P;  'pKtcü  (e  durchstrichen)  C-  —  298: 
eonpagihus  f  mit  61;  die  anderen  compagihus,  —  296:  Pottergum 
fblc;  Post  tergum  die  übrigen  Codd.  —  297:  maia.  f  {ein  m  scheint 
radiert  zu  sein);  mai..  b;  MAIAE  (E  radiert)  R;  Maia  die  übrigen  Codd.— 
298:  utque  f;  atque  Codd.  Ribb.  und  cTf  C.  —  313:  lato  criapans 
haBtilia  ferro]  in  /'steht  t  über  o  in  lato  u.  ferro.  --  321:  inquid 
fybc.  —  413:  possit  /'—  OEybclmt;  posset  MPC  (In  «T  ist  der  Theil 
des  Blattes  mit  tv.  411-415  defect;  eine  junge  Hand  hat  diese  Verse  an 
den  oberen  Rand  gesetzt;  daselbst  posset).  —  417:  turae  fMc;  iure 
die  übrigen.  —  425:  aptare  (darüber  jedoch  die  Glosse  ^eligere*)  fRl; 
optare  die  übrigen  Codd.  —  Ebd.  tecti  f;  tecto  Codd.  Ribb.  u.  ^eC-- 
436"):  ßagrantia  f^FMlRci;flagranciaC;  fragrantia  M2alb2; 
fraglantia  (FRAGL . . . ,  der  letzte  Theil  des  Verses  defect,  P)  ya2blS,  — 
441:  laetissima  umbra  f;  laetissimus  umbra  ^eCMPRybc; 
VMBRAE  gibt  F,  doch  ist  E  radiert. v—  444:  sie  nam  in  f  ausgelassen 
(vielleicht  war  der  Mangel  an  Raum  Ursache  der  Auslassung,  indem  zwischen 
eapud  und  acris  ein  Loch  im  Pergamente  ist).  —  463:  metum  /'—  Cod. 
Mentel.  I,  Rottend.  III,  Moret.  IV;  metus  «r«C  u.  Codd.  Ribb.  —  469: 
Rheaai  /'-^Plitr2F2&2c2;  rhesi  ySi;  resi  l  —  ebd.:  uellis  (das 
erste  {  radiert)  f;  ueMs  b.  —  Diese  Lesarten  dürften  demnach  wol  das 
oben  über  die  Beziehung  von  f  %m  b  gesagte  bestätigen. 


Von  den  übrigen  fünf  Handschriften  können  nur  cf  und  «  eine  ein- 
gehendere Prüfung  beanspruchen. 

Am  wenigsten  Verwandtschaft  zeigt  cf  mit  R.  Von  Lesarten,  die  6 
unter  den  Ribbeck'schen  Handschriften  nur  mit  R  theilt,  habe  ich  nur 
folgende  finden  können: 

E. 1, 72 : AM  nos  conseuimus  agros]  (Ms  nos PR;  en  quis  de y2a2ip); 
conseuimiM  Pete.;  cons.euimus  6  (u  radiert);  CONSVEVIMVS  (das 
erste  V  durchstrichen)  JB.  —  IV,  18  u.  26  gibt  (f  mit  R  Äc  statt  Ät;  e« 
fehlen  jedoch  MR.  —  IV,  52:  laetentur]  PybcS2\  laetantur  S\R 
(Jlf  fehlt).  (Dass  hier  übrigens  der  Indicativ  dem  nach  Correctur  schmecken- 
den Conjunctiv  vorzuziehen  sein  dürfte,  hat  schon  Wagner  Demerkt,  der 

auch  laetantur  edierte.)  —  G.I,4:  pecori,  apibus.) MP etc.; pecori  apibus 

ATQ 

(adque,  v.  alter  Hand  ü.  d.  L.,  von  jüngerer  aufgefrischt)  6;  PECORI  APIBVS 
R  (pecori  atque  apibus,  Vulgata  vor  Heinsius).  —  155:  herbam]  MP  etc.: 
terram  dR,  auf  Rasur  c  ").   Für  terram  tritt  nun  auch  Ä  ein  (s.  o. 


")  Im  Texte  fehlt  v.  436:  nachträglich  hat  ihn  der  Schreiber  am  un- 
teren Rande  mit  Bezeichnung  der  Einschaltung  nach  v.  435  angefügt. 

^*')  Ich  verbessere  hiermit  ein  Versehen,  was  ich  oben  S.  136  b^eng, 
indem  ich  von  R  bemerkte,  was  von  c  zu  gelten  hatte,  dast  ttrram 
auf  radierter  Stelle  sich  finde. 


E.  HoffmanHy  Zur  Kenntnis  einiger  Vergü-Handschriften.       487 

S.  136).  ~  284:  uüem]  MP  etc.;  uites  S  (jedoch  von  jüngerer  Hand 
veficribiert),  B  nebst  Cod.  Parrhas.  u.  einigen  Codd.  Heins.  —  434:  nwceri' 

n 

iur]  ifefPetc.;  nascetur  (n  v.  1.  R)  (T;  nascetur  R, —  IV,  545:  Orphei} 
Mly  (P  fehlt);  Orpheo  SB  (dagegen  v.  553:  Orphei]  SM;  ORPHAEO 
Bh).  —  A.  I,  580:  erumpere  nübem]  MP  etc.;  ABRVMPERE  (durch 
Conr.  aus  EEVMPERE)  B;  abrumpere  S.  —  In  der  an  Varianten  reichen 
Stelle  A.  V,  620:  /i«  Beroe,  Tfnarii  coniunx^'')  gibt  B:  FIT  VEROE  TMARl 

«  n 

CONIVX,  «f:  ß  uerottnarii  coniux;  aber  bei  der  A.  19  erwähnten  häufigen 
Vertauschung  von  b  und  v  in  d,  kann  auf  die  üebereinstimmung  dieses 
uero[e]  kein  besonderes  Gewicht  gelegt  werden.  —  Sonst  gibt  S  vereinzelt 
stehende  Lesarten  von  B  nur  noch  A.  IX,  481:  tune  illa  senedae  Sera 
meae  re^ies  statt  ille,  und  XII,  203:  Quo  res  cutnque  cadet  st  cadent. 

Selbst  die  Zahl  der  Stelleu,  wo  S  zusammen  mit  anderen  Hand- 
schriften des  Ribbeck'schen  Apparates  auf  Seiten  von  B  gegen  MP  steht, 
ist  nur  eine  unbedeutende,  G.  I,  470:  obscenaegue  canes]  M;  obsceni 
SBybcip  (P  fehlt).  ~  A.  V,  89:  miUe  iacit  uarios  aduerso  sole  colores] 
MPS2;  trahit  SleBc;  trau  aby2.  —  112:  tälenta]  SlFBbcm;  ta- 
lentum  MPyS^e.  —  V,  143  u.  VIII,  690:  rostrisque  tridentibus]  MP; 
stridentibus  SeC^i^B  an  der  ersten  Stelle  mit  F2ö2y cm,  an  der  letz- 
teren Stelle  mit  >'2c/.  —  V,  163:  laeua  stringat  sifie  palmula  cautesj 
MPylbl€l;  laeuas  S€2By2b2c.  —VI,  33:  omnia]  FMPyi;  omne 
SBbm,  —  VU,  8:  cursus]  FMP;  cursum  Sec2;  CVRSV  JB.  —  232; 
iafUigue]  FMPyb;  tantiue  SeBc.  —  738:  quaeJMPb;  qua  <r«CJBy2c2- 
— -  VIII,  121:  percusms]  MP  etc.;  perculsus  SfBbc.  —  IX,  54:  da- 
morem  excipiunt]  MPylbcip;  clamore  (über  e  'I  em*)  Se;  clamore  By2 
/cto/MORE  F.  —  X,  71:  Tyrrhenamque]  MPyt;  Tyrrhenamue  SBVc, 
auf  Ras.  b.  -  363:  Inpulerat]  MP;  Intulerat  SfBybc.  —  908:  dif- 
fundä]  MP  etc.  f;  defundit  SByl.  —  XI,  728:  incutü  iras  (Conjectur 
von  Heinsius)]  incitat  MPybtC^;  inicü  SrjBc.  —  XII,  313:  quaeue] 
3fP«  etc.;  quoue  SBc.  —  ^bl\  dextrae  mturonem  extorquet]  MP  etc; 
d  extra  SBylc  (in  cF  sind  nach  dextra  mehrere  Buchstaben  radiert). 

Dazu  kommen  noch  einige  solche  Stellen,  wo  JB  gegen  MP  die  allein 
richtige  Lesart  vertritt: 

G.  III,  477:  uacantis]  uacantes  SBb2c2;  uocantis  MP;  uagan- 
tis  ybc.  —  IV,  493:  Auerni]  SFBybc;  Äuernü  M  (P  fehlt).  —  A.  I, 
550:  Armaque]S€Cv^Bybcm;}Äruaque  M{P  fehlt).  —  V,786:  traxe] 
Sf»BM2  (?)  P2>'262:  traxfe  C;  TRAXERE  (RE  durch  Puncte  als  zu 
tilgen  bezeichnet;  daiüber  ISS)  Ftj;  TRAXISSE  (SSE  durchstrichen)  M; 
TRAXERE  (über  RE  Puncte)  P.  —  VII,  4:  signat]  S(Cv^Bbcy2; 
sigfta.t  &;  signant  MPyl^%  —  737:  dicione  premebatj  SeBbc: 
Variante  in  y;  tenebat  MPyCv*^-  ~  IX,  123:  Obstipuere  antmts  Bu- 
tuli]  S(29^ FB y2b2cm;  aninM  riUnlis,  i} ;  animi  Butülis  MP >'  1 6 1 « 1.  — 


^T  S.  über  diese  Stelle  meine  Erörterung  im  IV.  Jahrg.  d.  Ztschrft.. 

S.  419  flF. 
'*)  S.  meine  Erörterung  dieser  Stelle  im  IV.  Jahrg.  d.  Ztschr.,  S.  876. 


48B      E:  Hoffmann,  !Sur  Itenntnis  einiger  Vergil-HandschrifteiL 

432:  transabiit]  cTB,  auf  Ra^a^  «;  trattsadiit  bc;  TRAN8ADIGIT  Pyili 
TRANSADIBIT  (B  durchstrichen,  darüber  G)  M.  (Der  letzte  Theil  dei^ 
Verses  lautet  in  Rm:  pectora  cmidida  rupit,  in  MPi:  Candida,  pectora 
rumpit,  in  <f:  cand.  pect,  rupit),  —  X,  245:  spectabit]  ^t2Rbcy2: 
spectäbiaMPel.  —  XII,  401:  Paeomum]  Rybc;peonium  S;  PAEONIDUM 
M,  PAEONVM  P. 

Schwieriger  ist  es  im  übrigen  die  Stellung  von  S  zu  bestimmen. 
Fassen  wir  das  Verhalten  zu  M  und  P  in's  Auge,  so  geht  J  in  der  Mehr- 
zahl der  Stellen,  wo  diese  beiden  unter  einander  übereinstimmen,  mit  ihnen ; 
wo  sie  dagegen  differieren,  zeigt  cF  kaum  eine  entschiedene  Hinneigung  zu 
dem  einen  oder  anderen.  Zwar  dürften  die  Stellen ,  wo  <f  zu  3f  steht ,  an 
Zahl  denen  überlegen  sein ,  wo  cf  mit  P  gegen  M  stimmt ,  gleichwol  sind 
die  letzteren  noch  immer  zu  zahlreich,  um  (f  als  entschiedenen  Parteiganger 
von  M  betrachten  zu  können. 

Zunächst  mögen  hier  die  Stellen  ihren  Platz  finden,  wo  cT  auf  Sei- 
ten von  M  gegen  P  steht. 

E.  VI,  51:  quaesissent]  P;  quaesisset  t^tjMRyabcm.'— CO:  Gor- 
tyniaj  P;  Cortynia  SMR;  Cortinia  ybcmt}.  —  VII,  27:  laudarit] 
^tjMabc;  y2\  lauduuü  yl;  laudat^rit  P.  —  3S:  edera]  P(f2rj;  hedera 
^IMyabcm.  —  48:  Jento]  PM2;  laeto  ^Mlyabcm;  lecto  tj.  —  VIU, 
34:  promissa]  SMyab;  prölixa  cmrj;  demissa  P,  —  107:  nescio  quid 
certest]  Pia;  certe  est  MlP^ybcmsln;  certi  est  <r62Jtf2.— IX,6: 
quod]  ^letjMlyabc;  QVOT  P;  quos  ^2M2.  —  30:  Cyrneas]  St  (f 
in  *  von  2.  H.  angefügt)  =  3f  ex  corr.,  o2;  Grynaeas  P,  gryneas  ym; 
grineas  fjcl,  —  35:  Vario]  Pyal;  Varo  SerjMa2bcm.  —  X,  1:  labo- 
nm]  PI,  labo  rem  SefiMP2  etc.    —  41:  Phißlis]  PHYLLILLS  (die 

h  H 

beiden  letzten  L  durchstrichen)  P;  pyllis  cT,  PYLLIS  3f.  —  71:  ibisco]  P; 
hibisco  SrjMR  etc.  —  73:  horas]  StiMRetc.;  hora  P. 

G,I,2ö:  urbisne]  PRy;  urbesne  SyjMbc.  —  30:  Thyle]  Pete.-, 
thylae  SM;  tyle  i;.  —  64:  Hie, Uli]  Hic,.,illic  SrjMRyb;  Hinc 
...illic  Ä;  Hinc,  .illinc  (n  beidemal  radiert)  P.  —  60:  äUernaque] 
aUema,,(que  radiert)  P;  aeternaque  SrjÄMRybcip.  —  105:  cumu- 
los] MlPRybcri;  cumuloA;  tumulos  SM2.  —  175:  explorat] MIPR 
etc.;  exploret  SnÄM2.-19e:  igni]  ÄPM2  S2r}  etc.;  igniaSlMl.- 
202:  subegit]  P;  subigit  Srj  AMR  etc.  —  203:  iUtwi  praecepa  profio 
rapit]  P;  iUum  in  praeceps  pr.  r.  SrjAMybc  (s.  o.  S.  136).  —  218: 
auerso]  APRybc;  auerso,  darüber  'r.  aduerso\  ryj  aduerso  cTJlf.  —  221: 

Eoae]  AP  etc.  S2tj;  aeoac  cTl;',  AEO^^\\^  —  225:  Maiae]  APR;  tnai^ 
ijb;  malae  Sy,  MALE,  A  über  LE,  M.  —  -JG:  auenis]  Pybcri\  aristi^ 
SAMR.  —  266:  facilis]  St}  AMR  etc.;  facili  P.  -  277:  Horcus]  P; 
Orcus  SrjAMR  etc.  —  II,  174:  artem]  P;  artis  SMyacip,  —  222: 
oleost]  oleo  est  PR;  oleae  est  SMb.  —  227:  requires]  MlPy;' requints 
S  M2Rc.  —  332:  germina]  gramina,  darüber  7  germina*  S;  gramina 
MRybc;  gramine  P.  —  340:  Jmusserc  uirumque]  hatisere  virumque 
SMyby  durch  Corr.  R;  hausser e  uirumque  P.  —  364:  diducere]  PR  etc.; 


E.  Soffnumn,  Zur  Kenntnis  einiger  Tergil-Handachriften.      489 

ieducere  dMyb^.  —  443:  pinus]  Pyl;  pinos  äMBy2h.  —  III,  3; 
canmne]  P;  carmina  (über  a  von  jung.  Hand  e)  J;  carmma  MByb. 
CABMIN.  F.  ~  8:  possim]  dM  etc.;  possem  P.  —  63:  iunentas]  M2 
Ryb2;  iuuentus  «fJfldl;  IWENTIS  P.  — 69:  maüisj  B;  maUsPybc. 
mauis  SM.  —  85:  premensj  y;  PRDiENS  P;  PRAEMENS  Bei;  fre^ 
men8  dMc2,  auf  Ras.  6.  —  91:  Ächülei]  P;  Achüli  ylblcl;  Äehillis 
&M2i  ÄchmesMl.  —  101:  arHs]  artes  dMybc;  parHs  P.  —  123:  Hü 
animum  aduersis]  P;  ANIMA  ADVERSIS  M;  animaduerai«  Sbc,  durch 
Corr.  R.  —  125:  pecori  dixere  maritum]  d{ME  etc.;  pecoris  d.  ma- 
gisirum  P,  —  130:  uoluptas]  dMB  etc.;  uolarAoA  P.  —   144:  ^anttne 

l  c     l  a 
ripaj  PByc;  gramina  rip^  6;  gramina  ripae  M.  —   166:   circlos] 
SB,  durch  Gorr.  FM;  cifcos  P.  —  190:  acceperü]  PB;  occeperü  Fl; 
accesaerit  äÄMF2ybc.  —  205:  farragine]  AFM2PBycS2i  fer- 
ragine  SlMlb.  —  237:  uti  medio]  PBy2b2c;  ut  in  medio  SMylbl. 

—  241:  mbiectat]  Py;  subuectat  MBS  (durch  Corr.  aus  subbectat,  s. 
A.  19).  —  278:  cmrum]  P;  ch\aurum  SByc;  CHARUM  (U  über  A)  M. 

—  310:  flumina]  OFM;  «öcraPÄc. —314:  siluas]  6FM  etc.;  süuae 
P.  —  329:  iubebo]  HP;  iubeto  6F2MBybc.  —  338:  alcyonem]  ah 
cyonen  SFMBb;  alcyone  P.  —  342:  itque]  «TM  etc.;  idque  FP.  — 
347:  hosti]  SFBb,  itf  durch  Corr.  aus  HOSTEM;  hostis  P.  —  356: 
cauri]  c;  chauri  SMByb2;  chori  PVbl.  —  359:  lauit]  MIPB  etc.; 
lauat  SM2,  —  383:  uelatur]  PBy;  uelantur  SMbc.  —  389:  etiam] 
Pb;  iam  SM  Eye.  —  422:  iamque]  S;  lAMQ.  (unter  lA  Puncto,  dai^ 
über  Cü)  M;  namque  P.  —  426:  pectore]  SMB  etc.;  corpore  P.  — 
427:  cduom]  (üuum  MEhc;  album  (über  b  von  2.  H.  v)  S;  aeuom  P.  — 

.433:  torquensJSM  (corrigiert ?) ;  torquetU  P.  — 435:  Ne]  PBbc;  Nee 
SMy.  —  440:  te]  SMB  etc.;  et  P.  —  466:  procumbere]  SM  etc.; 
concumbere  P.  —  469:  serpant]  SM  etc.;  aerpunt  P.  —  475:  lapydia] 
M2;  iapidia  S;  UPYGIS  MlPBy.  —  478:  cohorta  eat]  SMb.^ 
dwarta  eat  y;  coorta  eat  Pc;  coortaat  B,  —  483:  adduxerat]  SM  nie,; 
aitraxerat  P.  —  503:  exitium]  SM  etc.;  exüium  P.  —  509:  inaerto] 
SM  etc.;  imertoa  P.  —  511:  hoc  ipaum  exitio]  SM  etc.;  exUio  hoc 
ipaumP,  —  b32:  uria]  SMetcr,  ariaP.  —  533:  ipaia]  SM eicr,  ipaiPbl. 

—  535:  altoa]  SM  etc.;  ardtioa  P.  —  545:  adatantibua]  M  etc.;  aatan- 
tibua  Sc;  aerpentibua  P.  —  555:  dat]  SM  etc.;  dant  P.  —  557:  di- 
lapaa]  SMBycl;  delapaa  P6c2.  —   561:  .^«7  PByc2;  Nee  SMbcl. 

—  566:  contactoa]  SM  etc.;  contractoa  Py2.  —  IV,  10:  prohibent] 
SM  etc.;  prohibet  P.  —  11:  campo  SM  etc.;  campi  P.  —  24:  teneat] 
SM  etc.;  temant  P.  —  252:  profluet]  SM;  profluitPyl.  —  34:  ol- 
uaria]  PBb;  ALUARIA  (E  überiüA)  M;  aluearia  Syc.  —  37:  iUae] 
Ulf  S;  ILLE  (A  über  LE)  M;  PALLAE  P.  —  38:  NequiqiMm]  Pybc; 
nequi.quam  (c  radiert)  S;  nequicguam  M.  —  43:  Sub  terra  fouere  ia- 
rem]  P  etc.;  Sub  terra  fodiere  M;  Sub  terram  f ödere  S,  —  46: 
superinice]  SM  etc.;  ET  PERNICE  P.  —  53:  aaltua]  SM  etc.;  icd- 
tum  P.^bli  excudunt]  SM  etc.;  exdudunt  P.  --  58:  Hie]  P;  Hinc 
SMyabe.  —  60:  trahi]  SM  etc.;  trähii  P.  —  72;  fracioa]  SM  etc,; 


490      K  Hoffinofm,  Zur  Kenntnis  einiierer  Vergil-Handschriften. 

fractus  Pa.  —  78:  tempnunt]  6M  etc.;  IßVMPVNT  /> (trrtmpww^ Goth. I, 
Edd.  Aid.  Junt).  — 103:  A«)  6MF2  etc.;  AEF\]  Äut  P.  — 112:  pinoi] 
«TFAf  etc.;  tinoi  P.  —  113:  late  circum]  6FM  etc.;  CIRCVMLATE 
P.  —  125:  arcis]  P,  auf  Ras.  h  2;  altia  6Fac;  AÜTIS  (U  darchstriehen, 
darüber  L)  M.  —  129:  $eg€S]  SM  etc.;  iedes  P.  —  137:  iam  tonde- 
bat]  ^Mylb;  iam  tum  tond.  Pacy2,  —  139:  idem  atque]  SM  etc.; 
idemque  P.  —  141:  Uli]  JAf  etc.;  ülic  P  -  142:  Quotque  SMc,  durch 
Corr.  ab;  Quodque  Py.  —  144:  in  uersum]  yb;  inuersum  SMae;  in 
%iewtwn  P.  —  146:  potantibus]  6M  etc.;  porUmtibus  P.  -  151:  Aera] 
dM  etc.;  aere  P.  —  154:  magnisque]  6M  etc.;  tp^e  fehlt  in  P.  —  170 
lentis]  (TM;  LENTI,  über  der  Linie  S,  JP;  ientc  P.  —  173:  Aetna]  Mb 
^thna  S;  ethna  ac;  etna  y;  ANTRVM  P.  —  185:  nusquam]  SM  etc. 
numquam  P.  —  195:  fluctu]  SM  etc.:  flatu  P.  —  198:  segnea]  6 
SEGNIS  M,  REGNIS  P.  —  217:  corpora]  SMR  etc.;  pecfora  P.  — 
229:  27k?»waMn]  P;  Thensauria  Byl-,  Thesauris  SMy2c.  —  230:  Ore 
foue]  (ore  SMlPRy2;  ora  M2c);  foue  M2PR  etc.;  faue  SMl.  — 
ebd.:  manu]  6 ME  etc.;  simut,  —  231:  fetus]  MB  fqtus  S:  flores  P.  — 
233:  Pleas]  P;  Plias  SMy;  Pleias  Hb,  -  243:  stelio]  SMRylbUl-^ 
steUio  Py2  etc.  —  250:  texent]  SM  etc.;  texint  P.  —  259:  Ignauae- 
que  fame]  SM  etc. ;  Ignauaque  PB.  —  260:  Tum]  SM  etc.;  Tunc  P.  — 
265:  harundineis]  SM;  arundineis  B;  harundinibua  P.  —  262:  habe- 
bit]  SM  etc.;  habebis  Pbl;  habenis  B,  —  311:  tenuemque]  SM  etc.; 
tenueque  P.  —  ebd.:  magis  magia]  PM2ybc;  magis  ac  magis  SMIB,  — 
322:  Ima]  SM  etc.;  Iam  PB.  —  ebd.:  tenes]  SMByb2]  tenens  Pbl; 
-  327:  pecudum]  SMy2;  pecorum  PBylb.  —  347:  Aque]  Pyb2; 
atque  SMBblc;  adque  G.  —  361:  circumstetit]  SlMB  etc,;  cir- 
cumstitit  S2G;  circumspicit  P.  —  368:  se  erumpit]  SM;  se  rumpü  B61c. 
te  rupit  P.  —  371:  uöltu]  uultu  SMBbc;  uoltus  P.  —  388:  memaa] 
SM  etc. ;  aras  P.  -  384:  perfundit]  Ml  PB;  perfudit  SMlybc.  — 
400:  franguntur]  PBcl;  frangentur  SMybc2.  —  411:  uertet]  SM 
etc.;  uertit  Pc.  —  412:  Tarn  tu]  TANTV  Pyl^tantü  Ml;  tanto  SM2 
By2  etc.  —  ebd.:  uincta]  SM  etc.;  uinctis  P.  —  415:  defundü]  O; 
diffundit  SlMylblcl;  diffudü  S2y2b2c2;  perfundit  P;  depromit 
B,  —  425:  torrens]  SMB  etc.;  torpens  P.  —  431:  dispersit]  disper- 
git  SMB;  discerpsit  P.  —  433:  stabuli]  SMB  etc.;  stabulis  P.  —  434: 
Vesper]  SM  etc.;  Vesi^ere  P.  —  436:  Considit]  PB  etc.;  Consedit 
SMylc.  —  446:  at]  SM  etc.;  et  P.  —  455:  Hautquaquam]  BV;  Haud- 

V  n 

quaquavi  Albe;  Had  quaqtuim  (v  und  n  über  der  Linie  von  alter  Hand)  S; 
Haud  quamquam  P.  —  ebd.:  ob]  SMBybc;  ad  P.  —  460:  supremos] 
SMVbc;  supremo  PB, 

A.  I.  297:  demittit]  S(M  etc.;  dimittit  Pycl.  —  359:  ignotum] 
MB  etc.  e;  auf  Ras.  v.  2.  H.  S;  SANOTVM  P.  -  396:  capsos  (?)]  CAPTOS 
(0  corr.  aus  V)  Ply;  captas  StMOBb.  —  ebd.:  respectare]  Pyl  (?) ; 
despectare  SeMGBbc.  —  421:  miratur]  S(M  etc.;  mirantur  P.  — 
427:  lata  theatris]  F;  alta  theairis  PBylb c;  alta  theatri  SiCMP2y2; 
a.  theathri  ^;  a.  fheatra  tj.  —  474:  Troilus]  St  CM  etc.;  Traiui  P.  — 


R  Hoffmofm,  Zar  Kenntnis  einiger  Vergü-Handschriften.       491 

513:  percuma]  FPlÄylftUlC;  percuUus  6i2MP2y2b2c,  —  518: 
mnttis  nam  Uct%\  PI;  cundi  nam  lectia  P2B;  cuncH  nam  lecti  d^FM 
y2hlc2',  Cimet«  nam  l^H  (über  ^  ein  c  v.  2.  H.)  e.  —  530:  Grai\  deCM 
etc.;  OraU  P.  —  572:  mecum  pariter]  ^«C-Wetc.;  parüer  mecumP,-- 
590:  iuuentae]  diCM  etc.;  iuuentaP.  —  604:  (siquid)  üsqwxm  iuBti" 
tia  e^]   APBy;  lüSTITlAEST   (E  über  A)  M;  iuatiti^  est   «Tfi?*; 

iyatide  i  f.  —  629:  hoc]  PB  etc.  tC;''ac  cT;  ac  M,  —  636:  dii\  P;  dei 
dtMBybc;  di  C-  —  642:  antiqua  ab  origine  gentis]  PlBylhcl;  an- 
tiquae  diCMP2y2c2.  —  666:  Ad\  äiCM  etc.;  Ät  Pyl.  —  668:  lu- 
nanu  acerbae]  FlPlylm;  iniquae  6^^ri^MBF2P2bc.  —  723: 
temotae]  St^M  etc.;  REPOsTAE  (M  über  P,  von  2.,  alter  Hand)  P.  — 
11,25:  abiisse]  ä(M2yhc;  abiesse  B;  abisse  MlP.  —  ebd.:  petiisse] 
diM2bc;  petisse  MlPBy.  —  37:  luftenq  SiCn^MPl  etc.;  ivbei 
Pty.  —  41:  Laocoon]  PB  etc.  Laucoon  ^tMc.  —  61:  certae]  Plc; 
certe  6iMP2yb,  —  142:  re«fe^]  M2Pyc;  restat  cFfAflb.  —  262: 
Acaimas]  Ilbt;  Ächamas  ^MP2yae,  —  317:  Praecipitant]  diM 
abe;  Praecipitat  Pyl.  —  321:  cursuque]  6M;  curm,  que  ti.  d.  L.,  a; 
CVRBVQVE  (S  über  dem  zweiten  R)  P.  —  383:  circumfundimur]  SM 
etc.;  circumfundimuf  e ;  ciraimfudifmis  Pyl.  —  422:  Priami  (?)]  PRIJII 
(A  radiert?)  P;  primi  öeCfi^M  etc.  —  445:  tota]  PI;  tota,  darüber 
tecta,  y;  tecta  6iFMP2bc.  —  465:  elapsa]  Plya;  ea  lapsa  StMP2; 
EALABSA  F.  —  503:  spes  ampla  Py&;  tanta  JeCv^abcm.  —  552:  Im- 
pUeuUque  coma  laeuajn]  P;  comam  laeua  <f«A/etc.  —  630:  Gnaium\ 
&tM etc.;  Natum  PVbc.  —  ebd. :  patrem  qui\  Pbc2t;  patremque  SMycl. 
—  699:  se  toUere]  Pyl;  se  tollit  SfCti^MVetc  —  lll:  ruenti\  Pcyl; 
furenti  <r«Af6y2.  —  778:  nee  te  hinc  comitem  cupotiare]  be;  nee  te  co- 
mitem  hinc  asportare  Pylac2mTi;  tiec  te  comitem  hinc  portare 
9CMy2  und  mit  n  (nofi)  für  nee,  ^.  —  III,  230:  clausam]  AflPylalcl; 
clausa  SM2y2a2x;  clausi  (i  auf  Rasur)  c52c2,  von  1.  H.  C?^  (in  ^ 
•teht  der  ganze  Vers  auf  Rasur).  —  319:  Hectoris  Ändromache  Y  Pyrrhin 
conubia  sentas  '^]  (Ändromache  StFMF;  Ändromachen  al  (?)  />;  PYRRiN 
(H  über  R1)M^  pyrrin  Jf2;  pyrrine  fl;  PYRRHI  (N  nach  I  über  der 
Linie)  P;  PYRRI  (N  über  der  Linie  nach  I)  Fe.  —  659 :  trunca  manu] 
MlPyCiC;  trotica  manu  &;  trunca  manum  S7iM2a2h2.  —  665:  tinocit] 
FPBybtlC»;  TEXIT  (IN  über  E)  M;  texit  J€2.  —  IV,  26:  Erebo] 
FGPlyU2;  Eribo  B;  herebi  Sly2;EEEBl  MP2ci.  —54:  impenso 
animum  ßammauit  amore]  impefiso  Fl  PI  (?);  ineensum  dtC^i 
MBF2P2ybc.  —  flammauü  FPlBcS2;  inflammauit  Slii:fiMP2 
yb;  animum  incensum  inflammauit  ^  (mit  dieser  Stellung  nach  Handschrif- 
ten citiert  von  Corte  z.  Lucan  IV,  346).  -  243:  mittit]  cTl« C»?A«^P2ya6c; 
mütat  (unter  a  ein  Punct,  darüber  i)  ^;  ducü  PI  und  (auf  Rasur  von 
mittü)  <r2.  —  257:  ad]  P2yle;  ac  i^CMabc;  AO  PI.  —  267:  oblite] 
äiM  etc;  IGNARE  (IGNAR  durchstrichen,  darüber  OBUT)  P.  -  268: 
demiiiii]  St  Mab;  dimittü  Pylc.  -  312:  sei]  SED  PI;  et  SsMP2 
etc.  —  415:  relinquat]  PM2  S2  «;  relinquit  61M1.  —  428:  neget]  P1M2. 
negat  dt  Ml  P2yabc,^^M:  piorum]  dlM;  priarum  FPyabcS2t[ 


402       E.  Hoffnumn,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-HandBchrifteii. 

—  473:  Dirae]  ä€F2Myahc;  DIVAE  FlPyi,  —  586:  primam  Pyat 
<in  P  steht  über  a  ein  Punct,  in  y  ein  v);  pritnum  &Mhc,  —  697: 
Tum]  SMhCy  Tunc  Pyae,  —  641:  gradum  studdo  cdebrabat  otiÄt] 
celebräbat  Pyl;  celerabat  (mit  B  über  ER)  Af,  celerahat  ^iahc;  — 
anil%\  SlMh2c2;  anOem  ^2eablcly2;  INILEM  (mit  I  über  EM) 
P.  —  692:  Quaesiuü  caelo  lucem  ingemuüque  reperta]  reperta  P;  re- 
pertam  d€yhc2;  REPERTA  (mit  4  schrägen  Strichen  nach  A)  M.  — 

V,  226:  adnixus]  «flAfB;  annixus  <f2,  aimisus  i;  enixus  Py.  — 
235:  gwbus  Imperium  est  pelagt]  Pyhe;  ESTPELAGI  (jedoch  mit  An- 
deutung der  Umstellung)  M,  und  so  pelagi  est  ^Eb.  —  269:  euincti] 
äe  M  etc;  euictis  Pyl,  —  280:  mouebat]  deCri^MBVbc;  ferehat 
Py.  —  312:  circum  amplectüur]  PRyba;  circumplectitur.  SM,  — 
347:  reddentur]  Pyl;  reddantur  SeMlRy2  (in  M  steht  über  A  ein 
ü  von  jüngerer  Hand);  redduntur  6c.  —  359:  clipeum  Didymaanis  ar- 
tem]  PBy;  artes  dil^nMhc;  arte  (über  te  'l  te$')  ^.  —  396:  effetae] 
^(fid^MR;  effeiae  ybc;  effectae  e;  effatae  P  (für  hebet  geben  C^l  Äf — 
Tiabet  MIR),  —  486:  praemia  dicit]  Py;  ponit  Si^d^MBVhc;  repo- 
nit  fj.  —  518:  Aetheriis]  Pyl;  Aeriis  ^MRm;  Aereis  bcy2i,  —  591: 
Frangeret]  PRybm;  Frangeret,  darüber  "l  fdUeret*  ^;  Falleret  ditC 
Mc,  —  768:  nomen]  MlP;  numen  <f  *C»?^A^2ycmi/;;  caelum  R.  — 

VI,  177:  sepulchro]  Pyi;  sepulchri  62MlRb2c;  sepuUri  S1M2.  ~ 
195:  Derigite  PRyl;  Dirigite  SeMy2bc,  —  209:  broHea]  dsMRbc; 
brcUtia  P;  bractca  y,  —  273:  primis  in  faudhus  Orc%\  Pyce;  primis- 
gue  in  f,  O.  SMRb.  —  486:  freguentes]  SeMRbctlß  und  y  durch 
Corr.;  frementisP,  —  505:  Rhoeteo  litore]  FPIR;  Rhoeteo  in  litore  «f« 
Mbcm;  in  Py  steht  in  über  der  Linie.  —  524:  Amouet]  <f «F2Af ;  emauei 
FlRycm;  ETMOVET  (ET  durchstrichen  und  darüber  A)  P.  —  561:  gui 
tantus  dangor]  (qui  ^iPlRbl;  quis  Myce;  in  cT  steht  f  von  junger 
Hand  über  der  Linie  wie  in  Pb);  clangor]  Py;  plangor  SsMRbe,  — 
597:  obunco]  öiM;  dbunco  FRcm;  adunco  Pyb,  —  617:  Districti]  t; 
districte  PI;  destricti  6FMP2Ryb,  —  640:  campos]  M;  campuf 
(pufmt  Ras.  von  2.  H.,  darüber  'al  pop)  S;  CAMPVS  (0  über  V)  F; 
CAMPVS  Rbl;  CAMPIS  (über  1  ein  0)  P,  —  653:  currum]  StMRbc; 
CVRRVM  (über  VM  ein  V)  Fy;  CVRRVVM  (das  letzte  V  durchstrichen) 
P.  —  671:  transnauimus]  dy2bc;  TRANSNAVIB.  M;  trannaMm\  €; 
tranauimus  FrRyl,  —  806:  uiHute  extendere  uires]  PRycmrj;  «»>- 
tutem  ext.  factis  Jf  ^M6;  uires  ext,  factis  C.  —  VII,  16:  sera]  StF 
MR  etc.;  saeua  P,  —  110:  ipse]  MltRybc;  ille  6iM2x  (HU  hat 
auch  das  Lemma  von  Servius  in  *).  —  182:  Martiaque]  F2PRy;  Martia 
qui  StFlMb2c.  —  262:  derü]  FMlPVyi;  deerit  6M2Rbc,  - 
646:  -4 d]  6iMB;  At  Pyblc2.  —  654:  MediefiHus]  />;  Mezentius 
dtMR  etc.  —  669:  innexus]  6fM  etc.;  innixus  PR.  —  699:  fiumina] 
Py;  nubila  öiMRbc.  —  755:  mulcebatque  iras]  JMR  etc.;  fro»(iauf 
Rasur  von  2  Buchstaben;  vorher  feras)  t;  ^ERAS  P.  —  758:  guäesitae 

IS 

montibus  herbae]  PR  etc.;     MONTIB.  M;  in  montibus  «Tlfe.  —  773: 
PfMbigenam]  P;  ][^ebigenam  C;  ph^bigend  (darüber  die  Olotse:    f.  eseu- 


E.  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  rinigcr  Vergil-Handschriften.       403 

ktpium,  p^na  genitum')  »■>;  poenigenam  i^tMy2bc2;  Poeniginam  B.  — 
(ebd.  geben  ^Cl^  detrusü  in  iindas]  ad,  mit  ilberschriobenem  tn,  e\  ad 
codd.Ribb.)  — 789:  At]  «TfKetc.;  Ad  PRyl.  -  799:  Anxurus]  ^M; 
€UC%iru8  (;  Anxuris  Pyl;  Auxyrus  B.   —   814:  Attmiitis  inhians  ani- 

mis]  dtCfi^MB  etc.;  AU,  haesere  an,  (nach  A.  V,  529)  Py,  —  VIU,  10- 
eonsistere]  Si MB  etc.;  considere  Py.  —  50:  expediaa]  6iM\B 
bc;  expediam  M2P  fex  corr.),  yh  —  65:  magna]  dcMB  etc.;  certa  P; 
eerta,  mit  darüber  stehendem  magna,  y  *•).  —  72:  Tuque  o  Tltybri  tuo 
genüor  cum  flumine  sancto]  (Tu[quo]que,  [quo]  radiert  J,  Tu  quoque  b, 
Cod.  Hngen.  u.  Dorvill.)  tuo]  PB  etc.;  tu  o  Jif;  tu,  o  (auf  Rasur)  e.  — 
102:  soUemnem]  SiM  etc.;  soUemne  PB.  —  135:  Orai]  d(M  etc.; 
Graii  Py.  —  140:  credimus]  ^tMBhc;  er cdif is  P,  mit  darüber  stehen- 
dem credimus  y.  —  202:  Geryonae]  Pyb2c;  Geryone  Ml;  Geryonis 
9iM2;  Geryoni  B.  —  227:  emuniit  obice]  dMbcy2;  eynunuü  PI; 
muniit  P2yl;  emuni.it  (;  emunü  B.  —  244:  reseret]  Ji2Mlbc2;  reseral 
PM2Bycl(l.'-2bl:  pericli]  JeMB;  pericUest  Pybc.  -  25ö:  igne] 
diMBbc;  igni  Pyl.  —  257:  Praecipiti  iecit  saltu]  ^etjMBb;  inecit 
Pyc  und  durch  Correctur  aus  tcecit  C;  pcipitem  iecit  ^.  280:  propior] 
SMB;  proprior  Pylblcli.  —  324:  fuere]  öeMB  etc.;  fuerunt  Pyc. 

urb«" 

—  867:  arcem]  MIP  etc.;  arcem  c;  urbem  ^M2B.  —  31S:  Incassumue] 

P  etc.;  Incassumue  t;  Incassumque  6M.  —  397:  nobis  Teucros] 
^€jlf  etc.;  Teticros  nobis  Pc  (in  P  die  Umstellung  angezeigt).  —  401: 
possum]  PM2  etc.;  possunt  ötMlm.  —  460:  paniherae]  M«  etc.; 
paniher^  cf;  pantherea  Py.  —  492:  caedem]  MXBxj^;  cqdem  <ff; 
caeäes  M2b;  cedes  Pyb.  —  529:  tonare]  Seb;  TORARE  (N  über  dem 
ersten  R)  M;  sonare  PBc  und  mit  darüber  stehendem  tonare  y.  —  553  '")• 
obii]  6tM  etc.;  obiü  Py2.  —  555:  ad  litora]  6^MBy2b;  ad  limina 
Pyl.  —  556:  propius]  6tMb2c;  proprius  PB;  propriis  yl.  -  569:  fini- 
iimos]  PI;  finitimo  ^sMP2  etc.  —  572:  At]  «r«3f2&c2;  Ad  MIPB 
cL  —  579:  Nunc,  o  nutic]  2?1;  nunc,  nunc  o  6iMybc\l>;  i^  ^  ^^^  ^ 
von  2.  Hand  eingefügt  —  581:  sera  et  sola]  Pb;  sola  et  sera  6i  M 
etc.  —  610:  ecgelido]  etgelido  M2PBy;  egelido  J*ifl62c.  —  620: 
flammasque  minantemj  ^^  Py^i  uomentem  SiMBbc,  —  660: 
tum]  SiMB  etc.;  tunc  Pyc.  —  672:  spumabant]  ^eMc;  spumabat 
PBybl.   —   680:  cui]  diMBbc;   HUO  (H  von  alter  Hand  aus  C  cor- 


'•)  Ribbeck  verweist  auf  v.  46  dieses  Buches  als  Quelle  dieser  Inter- 

Solation:  hie  locus  urbis  erit,  requies  ea  certa  labortim;  vielmehr 
ürfte  'certa  domus^  nach  A.  VI,  673:  'nüUi  certa  domus'  ge- 
setzt sein. 

*•)  Die  Verse  VllI,  552—555  fehlen  im  Texte  von  cF,  doch  stehen  sie 
von  erster  Hand  am  Rande. 

•')  Ob  Ribbeck  recht  hat,  dem  Cod.  P  die  Hyperbel  von  dem  'Flammen 
androhenden  Helme*  nachzuschreiben,  möchte  billig  zu  bezweifeln 
sein,  minantem  mag  ans  einer  über  oder  neben  vomentem  gesetzten 
Glosse  micantem  (1a,  733:  clipeo  viicantia  ftdmina  mittit)  entstan- 
den sein.  Dem  mina^niem  stehen  ebenbürtig  zur  Seite  des  Thybria 
certa  domus  VIIl,  65  und  die  Tyrrheni  limina  regis  VllI,  555. 

Zeiuobrifk  f.  d.  ött«rr.  Ojrmn.  18GS.  VII.  HHt.  "  33 


494       E.  Hoff  mann,  Zur  Keuntnis  einiger  Vergil-Handschriften. 

rigiert)  P;  huic  y.  —  IX,  11:  manum]  dtMRh;  tnanus  Pyl.  —  33: 
nigroj  6iMR  etc.;  magno  Pyl.  —  66:  duris  dolor  ossibus  ardetj  ^i 
Cijd^M  etc.;  durua  Pyl,  —  72:  manum  pinü  flagranti  feruidua  im- 
pletj  manum  pinu  MRe;  manum  pino  (f;  manu  pinum  Pyh  —  91: 
Ne]  Pylc(l;Neu  di2MRh.  (ebd.:  neu  turWn«;  «T  codd.  Ribb. ;  ne  e), 
—  143:  leti  discrimina  parua]  discrimina  PF2R€l;  discrimine  Si^ 
FlMy;  parua]  F2  « 1 ;  PARVAS  (AS  durchstrichen,  darüber  0)  P;  parno 
6i2FlMRy.  —  156:  diei]  P  etc.;  dieiett  SfM2Rbe.  —  244:  uaOir 

MOEN 

bus]  <f*3f  etc.;  VALLIBVS  (VALL  durchstrichen)  P;  moembus,  darüber 
i4«//*us,  y.  —  371:  murosque]  Pyhlcl  muro,q;  («  radiert)  f ;  murofne 
JifjR62c2.  (Am  Rande  von  J  steht  als  Variante  zu  oagtris  *ai,  portk*; 
poriia  haben  x  ^^^  auf  Rasur  b.)  —  383:  lucebal]  MlPyb2c;  lueebtuU 
B;  lucebat,  darüber  o^  ducebat,  e;  ducebat  <fAf2&lm.  —400:  in  ensm] 
Pyc;  in  hoates]  fffirj^;  in  hostis  MRbmilC-  —417:  summa  telum] 
dtMR;  telum  summa  Pybc,  —  418:  it]  ötMRybc;  iü  Py,  —  444  u. 
Abl\  exanimum]  S iM;  eacanimem  PR.-  465  f.:  tepidaque  reeentem 
Caede  locum]  Je;  TEPIDAM  (A  durchstrichen,   darüber  V)  M;  Upidmm 
PRyl'j  recenti  Pyl.   —  456:  pHenos  spumanU  sanguine  riuos]  plenos] 
PlRyb2c(;  pleno  6MP2ip;   spumanti]  yb2;  spumantis   MPRtl; 
spumantes  Se2.  —  652:  furit]  SM  etc.;  fu.rü  (fuerüf)  i;  RVFT  (V 
auf  Ras.)  Pyl.  —  579:  infixa]  ^iMRbc;  adfixa  Py,  —604:  saeuo] 
SiM;  duro  Py.  —  623:  Intendit]  Pyc;  contendit  ^eMRb.  —  631: 
fatifer]  ^fMRb;  letifer  Pycm.  —  645:  se  misit]  Py\c2;  semiUit  9e 
My2b;  SEMITTITET  R.   —   654:    OppetiisseJ  Py  durch  Corr.;  op- 
petisse  SeMR.  -  667:  Bantsonitum  ßictu  galeae]  Pete;  ADPUCTü 
R;  ATFLICTU  M;  afflictu  J«.  —  674:  iuuenes  patriis]  ^tMRb; 
patriis  iuuenes  Pyc.  —  685:  Tmarus]  P;  Tmaros  R;  .marus  {t  radiert)  t; 
Alarus  ^M,  —  710:  TalisJ  SMR;  Quaiis,  darüber  von  2.  H.  talis,  t; 
Qualis  PycmCv^'  —  764:  tergus]  PIR;  tergum  äeMP2ybc.  —  782: 
quae  iam  ultra]  ^€M  etc.;  quaeue  ultra  Pylc  —  X,28:  surgi(\PR; 
surget  SeMyb,  —  59:  cineres  patriae]  SeM;  patriae  cineres  Py; 
ein,  pairios  R.  —  137:  fusos  ceruix]  ^eMRb;  cermx  fusos  Pyc.  — 
138:  subnectit]  dM;  subnectens  PR  etc.  e.  —  163:   mouetej  ^eM  etc.; 
monete  Pyl.    —  237:  ardentis]  Pyl;  horrentis  MR^l;   horrentei 
dri^c;  harrenti  «2.  —  303:  uadi]  PI;  uadis  d(i:n^MRP2  etc. »«).  - 

*'*)  In  den  Worten  des  Servius:  'Probus  u^is  [so  dieCodd.  Serv.]  dorso 

gro  uado  dictum  putat,  ut  in  Georgicis  [III,  436]  dorso  nemoris' 
egt  wol  kaum  der  Beweis,  dass  Probus  uadi  dorso  gelesen  habe. 
Des  Servius  Bemerkung  bezieht  sich  nicht  auf  die  von  Probus  ge- 
billigte  Lesart,  sondern  auf  dessen  Erklärung.  Hätte  er  uadi  gelesen, 
ao  konnte  von  einer  verschiedenen  Auffassung  überhaupt  |^r  nicht 
die  Rede  sein.  Nur  indem  er  las:  puppis ,. .  m/Iicto  uadts  dorso 
dum  pendet  iniquo,  konnte  es  sich  fragen,  an  welches  dorsum 
iniquum  man  zu  denken  habe.  Nur  zu  dem  Zwecke,  um  letzten» 
als  identisch  mit  uada,  als  blofse  Umschreibung  hinzustellen,  ver- 
wies er  auf  die  Stelle  in  den  Georg. ,  die  zwar  in  ihrer  äufiieren 
Form  der  unseren  nicht  entspricht,  wol  aber  insofern,  als  auch  dort 
dorsum  nicht  einen  Theil  des  nemus,  sondern  dieses  seibat,  also  das 
Ganze  seiner  Beschaffenheit  nach  bezeichnet 


]S'  HaffinanH,  Zar  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften.       405 

400:  Traiät]  P  etc.;  Trahicit  Mi;  in  cT  steht  h  v.  1.  H.  ii.  d.  L.  —  475: 
deripüj  PB]  diripit  ^€My2bcm.  —  539:  insignibus  albis]  X  , . .  S 
(ALB1S?)P1;  arwitfi  J«Ci?*-afP2J2  etc.  --  673:  Quome]  b;  Quosue 
PyciCn^;  Quofque  MB;  Quodq;  (über  d  v.  1.  H.  /)  <f.  ---  ebd.:  infanda 
in  marte  reliquij  (o  infcmda  C;  infmidu  morte  &)  reliqui  ^(2Cv^ MB 

•  N 

etc.;  BELIQVI  P;  relinqui  «I.  —709:  mvdtome] P;  multosque  ^(Bybc; 

multoque  M.  —  796:  Prorupit]  PB;  Proripuit  «T^Af  etc.  —  812:  Fallit 
e]  J(M  etc.;  Fallet  te  P;  FALLITE  B,  —  884:  aureus]  di^ri^MB 
etc.;  aereus  Pm.  —  XI,  241:  tum]  cffAf  etc.;  tunc  Pylc,  —  256:  ex- 
hausta  8ub  altis]  ^eM  etc.;  EXHAVSI . .  VSALTIS  P;  exaufimuf 
alHf  yl.  —  259:  Priamo  miseranda  manus]  dfMBy2bc;  DAMVS  (DAM 
auf  Raa.)  P;  .amus  yl;  domus  x-  —  261:  abacti]  PM2(  etc.;  adacti 
ifMl.  —  867:  desolauimus]  MBy2b2c^rjd^;  desolabimus  ^t;  de- 
gignauifHus  Pyl.  —  369:  et  si]  PB  etc.  «C»?;  «t  si  ^;  aut  si  SM.  — 
4S9:  induat]  SiMBbc;  induit  Py\,  —  471:  qui]  d(M  etc.;  QVO  (0 
auf  Ras.,  darüber  D)  P;  quod  yx-  —  XII,  47:  inst\tit\  PBybc\\fk\  tn- 
ci^it  cTilf.  —  202:  rmnpet]  6 (MB  etc.;  RVMPIT  U  durchstrichen,  daneben 
ein  kleineßA  eingefügt)  P.  —  308:  Disicit]  6bc;  DISICIT  (8  über  Si)  M; 
DissicU  e;  DISn(]IT  (daa  dritte  I  durchstrichen)  P;  DISCIDIT  B,  - 
310:  conduntur]  P;  clauduntur  deMBybc   —   342:  iüum  eminus; 

tminut 

eminus  anibo]  i ;  ülum  eminus  ambos  (eminus  ti.  d.  L.  v.  erster  Hand ,  bei 
am^H)^  zweifelhaft,  ob  s  von  1.  H.  gesetzt  ist)  cT;  das  zweite  eminus  über 
der  Zeile  gibt  My2;  es  fehlt  in  PB  u.  by  von  1.  H.  —  423:  man  um] 
8Bbc;  MANU  (M  über  ü)  M;  MANVS  Py  (in  P  ist  S  durchstrichen,  in 
yTadieit). —  449:  agnouit]  SMBybc;  adgtioscit  P.  —  485:  Auersos] 
PH;  A.uerfi>f{d  radiert)  «f;  AUERSOS,  D  über  AU,  M;  aduersos  yc,^ 
•495:  sentit]  PBVybc;  sentit  SM.  —  497:  tandem]  SM  etc.;  tarnen 
P.  —  607:  resonant  late  (iangoribus  aedes]  P  etc.;  lat^  cT,  LATAE  Ml 
itc.  —  627:  possint]  <fAf  etc.;  possimt  Pcl.  —  641:  fwstrum  ne]  P; 
%e  noBirum  SMBybc. 

Mit  P  ,gegQn  M  stimmt  Si 

£  VI,  83  und  Vm,  82  lauros  SP;  laurus  M  f/a«ro«gibt  S  auch 
E.  vm,  13  ^MP).  —  VU,  6:  Huc]  My;  Rio  StiPblm.  —  25: 
itoresctnt^t!»]  Sn  PM2ya€m;  nascentem  Mlb.  —  Vni,  19:  nü]  MS2i}; 
nihü  Pylalbl;  nichil  SI.  —  24:  pttviius]  StjP^.;  primum  Mbl.  — 
44:  Aut  Tmaros]  SIP;  Aut  tmarus  S2;  AUTMAROS  M;  Ismarus  cmri^ 
auf  Ras.  h.  —  85:  Daphnim]  SrjP  etc.;  Dapknin  Mb.  —  109:  iam 
parcite  carmina]  SrjP  etc.;  iam  carmina  p.  M;  iam  carmine  p.  c. — 

IX,  9:  ueteres  iam  fracta  cacumina  fagos]  M;  u  et  er  iß  i.  f.  c.  fagi  Serj 
Pyabcm.^  27:  superet]  SeriP  etc.;  supercnt  Mal.  —  54:  Moerim] 
M  (durch  Cow.  aus  M OBREM)  yabcS2f;  merem  (über  dem  zweiten  e 
steht^i)  Ti;  moerin  SIP.  —  62:  aedos]  SP;  haedos  ab;  hedos  McBti.— 

X,  10:  cum  OaUus  amore  peribat]  SPBylal;  PERIRET  (BA  über 
RE)  Mund  €;  periret  y2a2bcrj.  —  28:  Ecquis]  Ml  2;  Etquis  SrjPl 
Byabc.  —  40:  iaceret]  St}P2By2bc;  iaceres  MPlyl.  —  69:  uin- 
cif\  SriPyhe;  minett  M;  vndt  B. 

33* 


496       E.  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vcrgil-Handschrifteii. 

G.  I,  35:  ScorpiuB  et]  ffijPc2;  Scorpioset  MRyhcl,  —  ebd.: 
relinquit]  6 ihc;  relinquid  t);  reliquü  MRy.  —  157:  umhras]  SAP 
hc;  umbram  MRyri,  —  194:  amurca]  Srj  PEb;  amurga  AMy.  —  208: 
die  somniqiie]  A  P y  tj & ;  die,8  omniq;  S;  DIEI  R  und  durch  CJorr.  M,  — 

248:  densent%kr\  JrjPRyhx;  densaniur  AMc.  —   290:  noctis]  SriP2 

I  8 
yb;  nodes  PlR;  nocte  Af.  —  11,  196:  ouium  fetum]  P;  o,  f^tü  <f;0. 
fetus  Ma\it;  0.  foetus  ybc;  fetus  ouium  /.  ~  253:  Nee]  6PM2yc;  Neu 
M\b2,  —  256:  quisquis]  (S PM2b2c2)  quis  cuique  Mlcl,  —  302: 
olea\  oleasM;  oleae  dPRybc,  —  374:  capreae]  SPVyb;  capräe  M, 
—  413:  rusci]  y2c2;  rusti  i5i'R;  FBVSGI  (C  durchstrichen,  darüber  T) 
M,  —  440:  Caucaseo]  ölPyb)  caucasio  d2MR.  —  469:  e*]  Mcyl\ 
at  J  J'y2b2.  —  514:  pe'nates]  M;  nepotes  dPRybc  u.  Cod. Paris. SuppL 
771  {8.  0.  A.  6).  —  m,  78:  pontt]  SlPM2Rb2;  ponto  M\ycd2,  - 
108:  elati]  dP  etc.;   elatis  M.  —  141:  saltu]  äP  etc.;  8dUu9  MR  — 

CV      BK 

145:  procubet]  SP  etc.;  PROTEGAIT  (I  durchstrichen)  Af.  —  182: 
equi]  SFPR;  equis  Mbl.  —  194:  I  rouocet]  SP;  Tum  uocet  AFMR 
ybc.  —  233:  longua  Olympus]  LONGIÜS  (I  durchstrichen)  M;  magnui 
SPR  etc.  —  257:  umerosque]  SIPR;  humerosq;  bcy2\  ÜMEROS  (que 
fehlt)  M;  in  <f  ist  que  radiert,  und  /*  von  2.  H.  über  umeros  gesetzt  — 
305:  Haec]  FMRbc,  in  <r  am  Rande  v.  jung.  H.;  Hae  SPyl.  —  321 
Claudes]  SFP  etc.;  dcMdis  M.  —  395:  Ipse]  Myc;  Ille  SPRb,  —  433 
eocsulü]  exilit  SP;  extulü  M,  —  456:  et]  Sry2;  aut  MRylb.  —  462 
atque]  SP  etc.;  aut  M.  —  474:  Tum]  SP  etc.;  Tunc  M.  —  481:  Cor- 
rupit]  A/etc;  Corripuit  SP.  —  506:  grauis  imaque  lo)  go]  SPeic; 
M  corrupt:  GRAVIS  ALTAQ.  LONGO  IMAQ.;  grauissimaque  lofigo  R.  - 
519:  relinq\Mi]  MR  etc.:  reliquit  SP.  —  563:  temptaret]  Ml;  tempta- 
rat  SM2PRy2bc.  -  IV,  21:  exagmima]  M;  examina  SPRybc.^4f): 
gluten]  SP  etc.;  GLÜTE  Af.  —  86:  taniä]  SP  etc.;  TANTÜ  (NT  ver- 
bunden) Af.  —  87:  quiescent]  SPa2c;  quiescunt  Malb.  —  88:  ambo] 
Mbl;  ambos  SPcy2a2b2.  —  141:  spinös]  S;  SPINVS  P;  PINÜM 
(R  über  N)  Af;  pyrum  c.  —  169:  fraglantid]  FMy;  flagrantia  SPa 
c2.  —  198:  neque]  SP  etc.;  DEC  (D  durchstrichen,  darüber  N)  Af .  — 
202:  refigunt]  MyC;  refingunt  SRb  u.  so  P,  nur  dass  durch  Versehen 
L  statt  ¥  (RELINGVNT)  gesetzt  ist.  —   241:  At]  SP  etc. ;  Aut  M.  - 

AD 

294:  iaeit]  S2My2bc;  iacet  SlPRyl.  —  295:  in  usus]  SP;  IN  Af; 
AD  Rybc.  —  301:  opstruitur]  obstruitur  SPbc  und  R  durch  Corr. 
aus  OBSTRITVR;  OPSÜITDR  M.  ~  319;  sacrum]  SP  etc.;  placidum 
M.  —  331:  duram]  Ml;  ualidam  SM2PRybc.  —  348:  dum  fusis] 
J/^  etc.;  DVM  FVSI  O;  FÜSLS  DUM  Af;  fusis..  dum  y.  —  361:  fa- 
dem]  SP  etc.;  speciem  Af.  —  368;  primumj  SP  etc. ;  primus  Af.  — 
385:  tecti  subiecta]  SP  etc.;  TECTISSÜBLATA  (das  erste  A  durch- 
strichen, darüber  EC,  so  dass  L  wol  zu  I  radiert  werden  sollte)  Af.  — 
409:  ßammae  sonitum]  SPR  etc.;  sonüum  flammae  Af.  —  410:  ahi- 
bit]  Si ;  HABIBIT  (das  erste  I  auf  Rasur)  R;  HABEBIT  Ä   -  430: 


i'  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriftcn.       497 

uasti  circum]  SPR  etc.;  CIRCÜMÜASTI  M.  —  446:  dotnos]  cTP  etc.; 
domus  M. 

A.  I,  284:  FhJthuim]  PHTIAM   B;   PTfflAM  Mye;  pihiam  t; 
PtTHIAM  (Y    durchstrichen)  P;  pithiam  J;  pheciä  (e  durchstrichen)  C- 

ET 

—  333:  uasHs  «t]  deP  etc,;  ETVASTIS  Ä;  ETUASTIS  Af.  -^  356. 
domus  sctlus]  ^iPB  etc.;  M  schiebt  ET  vor  SCELÜS  ein.  —  36Ö.:  cer- 
nes]  ^PBybc2;  cemis  McIb.  —  436 ^  ftagrantia]  Jlf  durch  Corr.  aus 
FLAGRANTIA;  fraglantia  ^r^2bl,  FRAGLantia  P;  flagrantia  FMl 
Bc€;  flagrancia  C-  ~  471:  multa  uastabat]  diC^i^P  ®^o*;  wustabat 
mtdta  M.  —  557:  At]  MBcf;  Ad  ^CP  etc.  —  n,  187:  posset]  SP^ 
62;  po89U  FMhlc;  possU  (et  über  t*>  e.  —  226:  Effugiunt]  ^iPr 
abc;  Diffugiunt  M,  —  448:  decora  illa  parentum]  dFlBPal;  alta,  dar- 
über iüa,  «;  aüa  MF2a2bcCn^;  ^  7  a»f  Rasur.  —  491:  ntc  »pw]  c^« 
Pyabc;  neque  ip»i  M,  —   611:  o  aedibus]  Mi  etc.;  ab  sedibus  dPya 

—  627:  bipennibus]  dltPyabc;   bipinnibtis  if2MV.  —  758:  vento\ 

V   N  o 
SiBbc,-  VENto   P;  TECTI  M.  —  783:  res  taetae]  cT^Pl  etc.;  Itdhe 

3fP2.  —  804:  wonies]  Mfl^l;  mon^em  J«2Ci?*2Pycm.  —  III,  82l 
a(2^not<»/]  FP;  ugiiouil  6iyb;  agnoscit  Mc.  —  108:  in  oras]  SiFPy 
abc;  ad  M.  301:  omina\  Mi'2J2«;  mnnia  S\P\.  —  362:  omnis\ 
^i2Py\\  omnevi  Mfl  etc.,  als  Var.  ti.  omnis  in  S.  -—  402:  Petelia]M; 
petüia  Je  Pyabc,  473:  /erene«]  MP2  etc.;  furenti  ifPl,  auf  Ras.  f.  (üebes 
furenti  in  (T«  die  Glosse  flanii.)  —  545:  arcw]  3/  etc.;  aram  dePyl.  —  621:. 
afoWw]  *U*;  AFEABIUS  M;  effabilis  i^f2fjPyabc.  —  627:  tepi- 
di]  öCn^^y;  t.epidi  (r  radiert)  eb;  te.pidi  a;  TREPIDI  M;  trepidi 
P2&.  —  655:  sumtno  cum  motUe]  Mb  cd-;  s.  co  mute  (u  von.  2..  H-  in  a 
corr.)  C;  «.  cum  in  monte  ^eyla;  IN  über  der  Linie  Pn*  —  lY,  26; 
Erebo]  ^2FGPl  und  (Eribo)  B;  Erebi  MP2ce;  herebi  dly2b.—20d: 
moUris]  Mybct;  moliri  dFPa,  —  408:  tum]  cTlPetc.^  tunc  Md2.  In 
( stehen  die  Worte  Quis  tibi  tunc  auf  Rasur  von  1.  H.  —  42Z:  cinerea] 
^ItPyabcm;  dnerem  J2Af.  —  428:  demittere]  M-;  dimittere  <f£ 
Pyabc,  —  446:  radice  in  tartara  tendU]  i^eFP2:atbc;  RADICEM 
3fPl.  —  476:  et]ÖtP  etc.;  acAT.  — 490:  mouet]  (f2  (auf  Rasur),  3fPl; 
MOVIT,  darüber  von  jüng.  H.  ClET,  Fr  ciet  cfl  fP2>'a6.  —  497:  super 
inponas]  a;  »uperimponas  (f  e  P ;  SÜPERINPONANT  (NT  durch- 
strichen, darüber  S)  M;  SVPERIMPONANT  F,  —  500:  praetexere] 
(TfP  etc.;  PROTEXERE  (0  durchstrichen,  darüber  AE)  M.  —  559:  im- 
uetvtaej  Pya;  iuuent^  ^n;  iuuenta  FMcfC^*  —  651:  dum  fata  deus- 
que  sinebant]  (^1(FP2;  sin€bat  MPlb^2.  -  Y,  96:  caedU  binasjM; 
caedü  quinas  ^tCn^PV  etc.;  CAEDITQ.  BINAS  B,  —  228:  fragon- 
hus]  J2fM  etc.;  clamoribus  cTl  (radiert)  Py.  —238:  Proiciam]  J« 

PBybc^P;  PROICIAM  (0  durchstrichen  und  über  PR  gesetzt)  M,  —  249: 
praecipuosj  ^P  etc.;  praecijme  Mi.  —  281:  plenia  subit  ostia  uelis]  AI; 
nelis  subit  ostia  plenis  cF<  CPB  Vym  u.  mit  der  Var.  hostia  ri&bc.  —  323: 
KurgalumJ  MJ2(  etc.;  Heuryalum  JIP.  —  457:  nunc  ille  shiif^fra] 
(Hrjx^PBybc;  nunc  deinde  s.  M;  nunc  inde  s.  f.  —520:  contorsit] 


498       E,  HoffnMnn,  Zur  KeDntnis  einiger  Vergil-Handschriflen. 
Jc&Pyh;  contendit  MECn  (in  Mri  über  eontendit  die  Lesart  caniorsit 

r 

gesetzt).  —  573:  Trinacrii]  PlRbe;  Tinacrii  cT;  Trinacriae  MP2 
etc.  —  781:  neque]  (^tPM2  etc.;  nee  MlRyl.  —  812:  timores]  d« 
FPRyh;  TIMORE  Mc.  -  VI,  133:  cupido]  (ohne  nachfolgendes  est) 
<fP;  cupido  est  M  (jedoch  durch  Puncte  getilgt),  Byhc(,  —  161:  exom- 
mem]  Mi;  examimum  S PRyhc,  —  254:  oleum  fundens\  StFPyhe 
«11/»;  infundens  M.  —  255:  lumina  solis]  6FPR  etc.;  limifuit  Mi.  — 
2lOO:stantluminaflamtna]SPlMb2;  flammae  MlP2Rye.^44b:  Pro- 
crini]  Ml;  procrevi  (im  über  em)  e;  procrin  JPy;  PROCNIN  Ä  —  452: 
umbras]  SiPR;  untbram  M  etc.  —  481:  Hie]  cfeP  etc.;  Hi  Mb,  — 
b2S:  additus]  SiPRylb;  additur  FMy2c.  —  b5&:  strepitnmque] 
6  (jedoch  TOn  junger  Hand  rescribiert),  P^PlEybcij/;  sttepituque  MP2i, 
-^  ebd.:  hausit]  dF2P\  etc.;   luiesU  FlMRP2i.  —  561:  qui  lofilitf] 

R;  quif^  öl'b;  qiiis  MyCf.  -  562:  Tum]  MRe;  Tunc  ^ Pyb,  —607- 
intoiiat]  FMRhcy2e;  increpat  ^  Pyl.  —  701:  coviprensa]  M^2fi»; 
eompressa  ^li^Pbl.  (In  ij  fehlen  die  Verse  696—701  im  Texte,  stehen 

aber  voti  1.  H.  am  Rande.)  —  704:  siluae]  ^GPRb;  SIL  VAE  My;  «tZuti 
Fc€,  —  724:  terram]  iSFlPRybl;  terras  F2GMce.  -  746:  reUn- 
quit]  FMbl;  reliquit  ^ePRyb2,  —  766:  genus  Longa  nostrum 
dominäbitur  Alba]  6 PR  etc.;  genus  nostrum  longa  d.  Ä.  €  und,  nrit 
Andeutung  der  Umstellung,  M.  —  776:  tum]  Me  etc.;  tunc  d P.  —  ebd.. 
terrae]  deP  etc.;  GENTES  (darüber  TERRAE)  M,  —  803:  Pacari^ 
6iPyb\\p;  PACARET  R;  PLACARET  M;  placarü  cb2.  —  VII,  95: 
subita]  Si^riPR  etc.;  subito  M&.  —  202:  Ne]  iiPR  etc.;  NecM.-- 
681:  lote  legio]  M;  legio  late  StPRV  etc.  —  722:  pulsuque  pedum 
eonterrita  tellus]  ^iC^^PR  etc.;  cursuque  M;  pulsuque  pedum  tremit 
excita  tellus  ri  mit  einigen  Codd.  Pier,  und  Heins.  —  780:  effudere] 
diP  etc.;  effundere  Md.  —  VIII,  56:  foedera  iunge]  MR;  foedera,  a 
aus  e  corrig.,  darüber  7  foedere*  e;  foedere  öPyb,  —  130:  a  stirpe] 
ö(PR  etc.;  ab  M.  —  214:  pararet]  diP  etc.;  PARABAT  (RE  über 
BA)  M;  PARARENT  R.  —247:  deprensum  luce]  JP;  deprensum . .  luce 

IN 

fm  radiert)  €;  DEPRENSUMLUCE  My;  depremum  in  luce  Ä 6c.  —  361: 
lautis]  cF«P  etc.;  latis  M.  —  391:  Non]  deP  etc.;  HAUT  M.  —  491: 
Obtruncant]  SP  etc.;  Obtruncat  (n  über  at)  e;  Obtruncat  M.  —  512: 

A 

fata  indulgent]  fata  M;  FATÜM  (UM  durchstrichen)  P;  fatum  «T^Cn* 
Rylb;  —  indulgent]  M;  INDVLGES  (S  durchstrichen,  darüDer  NT) 
P;  INDVLGEET  R;  indulget  SeCv^^-  —  öl9:  suo  sibi  muntre]  P2 
y2;  suo  tibi  inunere  SeCPlRbgl;  tuo  sibi  nomine  Ml;  suo  tibi 
nomine  M2ci?^.  —  544:  mactant]  M ;  mactat  StP  etc.  —  559:  inex- 
p^etns  lacrimans]  inexpletus  MP2;  inpletus  Ryl;  inexpletum  StC^ 
PI  und  auf  Rasur  c.  —  lacrimans]  cTfC^P  etc.;  lacrimis  M.  —  in 
amplexu  lacrimans  ri  mit  Cod.  Montalb.  und  2  Codd.  Goth.  —  582: 

.s 
complexu]  (fc,  CONPLEXU  Py;  complexn.  (/radiert)  e;  COMPLEXÜ 


E.  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften.       499 
M;  cotnplexus  Bb.  —  ebd.:  neu]  MB;  NEV  (V  durchstrichen)  i>,-  ne  J« 

DI      C 

yl6.  -  583:  dicta]  SePB  etc.;  MAESTA  M.  —  628:  ignipotem]  cTf  P 
etc.;  OMNIPOTENS  M.  —  633:  ceruice  reflexd]  SiFByh;  REPLEXAM 
(über  M  ein  die  Streichung  anzeigender  Punct)  M;  reflexam  cCv^-  —  640: 
pateras]  StP  etc.;  pateram  M.  —  661:  coruscant]  MB;  coruscat  Se 
Pylbe.  —  681:  nertice]  dtP  etc.;  AÜERTICE  M.  —  724  725:  Hie,..] 
Äc...]  MBe;  Hine..,  Eine.  ^Pyh.  —  IX,  68:  aequorj  ^(2ri^Pl 
ybe;  aequum  F3f/2JB€lf.  —  243:  fallit]  ^e2P  etc.;  faüet  Mtl.  — 
299:  aequewtuf]  M  etc.;  sequetur  St  Pb,  —  363:  pugnaj  StP  etc.; 
p%igfiam  M;  praeda  B,  —  380:  abüum]  Ml 52;  habitum  cl;  aditum 
St2PM2BVyl,  —  382:  complerant]  StB,  conplera/nt  Pybc;  com- 
plebant  M,  —  484:  extremum]  cT;  EXTREMIS  (IS  durchstrichen,  darüber 

u 
VM)  P;  extremis  i;  EXTREMIS  M,  —  505:  Palicx]  SiP  etc.;  PALECI 
M;  PAICI  JB.  —  632:  EcfugU]  Ei  fugit  dtPB  etc.;  Effugit  Myl.  — 
634:  Transigit]  JPl;  Tra7i8adigü  B;  Transiit  P2yl<2;  Traicit  Mbl 
*li|;  Traiecit  y262cmC*.  —  ebd.:  I]  <f«P;  über  der  Linie  Af;  in  6  und 
(ii)  y  radiert;  fehlt  in  BmC^;  et  i?.  —  721:  animo]  J<P  etc.;  animoa 
AI  (d  und  il  lesen  übrigens  für :  beUatorque  a7mio  deus  itwidit  —  incipit). 
—  724:  14»  magtia]  M;  ui  multa  SiPBybc.   —   733:  ffdtnina  mittit] 

lJluwiMa{nc)    f      Hl 

mittit]  M  (durch  Corr.  aus  mittet);  mittunt  dPByl;  fulgura  m%ttunt 
i.  —  X,  72:  potentM  nostra]  SiPBVybc;  NOSTRl  (A  über  I)  M.  — 
83:  dassem]  SiP  etc.;  classes  Mc.  —  94:  Tum]  M;  Tunc  SfPByc.  — 
100:  prima  potestas]  Be;  PRIMA  (SÜM  über  PRI)  M;  summa  dCv^ 
Pybcm,  —  180  u.  181:  Astur]  SiP  etc.;  Astyr  M.  —  291:  sperat]  d 

M 

PByb2e\  »pira^ü  Mble.  —  293:  proram  socios]  PRORA . S . SOCIOS  Af; 
PRORASOCIOS  Ä;  proras  socios  dt  Pybcm.—  297:  puppim]  Mylbt; 
puppes  rfPÄ  — 400:  Traicit]  JPetc;  TrahicUMt,  —  670:  guemue] 

UB 

dtP  etc.;  QUO  (am Rande  QUEMUE) Af .  —  754 :  InsidiisJ  StlPBVb, 
mSIGNlS  (GN  durchstrichen,  darüberDI)  Mt2,  —  763:  campo]  StP  etc.; 
campum  M.  —  857:  quamuis  dolor  aUo  uohiere  (nach  Peerlkamp;  die 
Handschriften  geben  QUAMQUAMVIS  ALTOUÜLNERE)  tardet]  tardet 
Stylb;  TARDAT  (das  letzte  A  durchstrichen,  darüber  E)  P;  ARDAT 
(das  zweite  A  durchstrichen,  darüber  E)  M  **).  —  XI,  126:  iustitiae] 
SfP  etc.;  iustüUi  M.  —  134:  siluas]  StP  etc.;  siluam  M.  —  136:  pi- 
nus]  StI'B  etc.;  pinos  M.  —  236:  fluunt]  SPByc;  ruunt  Mt.  — 
267:  int  er]  StCrji'ylc;  intra  MBb&.  —  304:  muros  adsidet]  (assi- 
det)  SPyc;  ohsidet  Mbmt.  —  35f):  pacem  hanc  aeterno  foedere  iungas] 

FlUMES 

dtP  etc.;  IUNGAS  M;  FIRMES  B.  —  378:  Drance^  semper] M/;  sevi- 
per  Vrance  StCriO^ PBybm.  —  381:  distinet]  Sti&Pybc;  detinet 
Mt;  destinat  B;  destinet,  am  Rande  detinet,  C-  —  466:  firm  et]  SFM2y; 


^*)  S.  meine  Erörterung  dieser  Stelle  im  IV.  Jahrg.  d.  Ztschr.,  S.  518, 
wo  ich  unter  Nachweis  des  Herganges  der  Corruption  zu  schreiben 
vvrscblug:  quamquam  uis  alti  uulncris  ardet 


500       E.  Hoffmann,  Zur  Keuntnis  einiger  Vergil- Handschriften. 

firmeni  jlflRbcf.  —  613:  ruiun]  J;  RVINAM  (M  durchstrichen)  />;  ruimm 
MRybce.  -  822:  Quieum]  MRb2(;  QVACVM  (A  auf  Ras.  v.  2  Buchst,)  P; 
Quacum  Jf^'Ac;  Cü  qua  i?.  —  Xlf,  124:  ferro]  J«/  Ä  etc.;  heüo  M.  — 
«tpcrW]  M;  decori  cT«  PRybcm.  —  273:  a/uo]  ^«  u.  (d.  Coiir.  aus  ALVEO) 
P;  in  (T  steht  über  «iuo  die  Glosse  'hentre'  (venire);  AURO  Af.  —  287:  aut] 
SeP  etc.;  ET  M.  —  288:  aefow^iq  Pe  etc.;  as«Mn*  J;  ADSÜNT  (U  durch- 
strichen,  darüber  TA)  M,  —  291 :  aduerso]  J«i>  etc.;  AÜERSO  M.  —  332: 
increpat]  ^iPyb;  intonat  MB,  c  auf  Ras.  von  2.  H.  —  356:  lapso]  Af  etc.; 
elapso  (fPl.  —  408:  mbennt]  ohne  que  SPyb;  QÜB  ü.  d.  L.  AI;  steht  in 
Uc.  —  454:  rMcf;  $rB  etc.;  RÜIT  M61.  —  455:  uolant]  dPly2b2c;  uolana 
Myl.     ^^:iestaixis\Meic.\  testatur  JPR~blb: Nomen Echionium] 

Ph2cCn^>  womtn  [i  auf  Rasur,  und  e  ober  d.  Linie,  Ton  2.  Hand)  <f; 
NOMINECHIONIYM  Äjöl;  NOMINEECHIONIÜM  M,  —  520:  üfi*- 
«eral  J^r;^  f»jR  etc.;   Limina  M.   —   582:   lutec  altera  foedera]  dCn^ 

^  etc.;  HAEC  ALTERA  Af.  —  5S1:  ut  cum]  JP  etc.;  i«€lu^  M. 

Wo  Codex  (T  weder  mit  M  noch  P  geht,  stimmt  er  meist  mit  einer 
der  Bemer  Handschriften  oder  mit  /,  zuweilen  auch  mit  F  überein.  Ohne 
auf  diese  Stellen  weiter  einzugehen,  wollen  wir  uns  zn  denen  wenden,  wo 
J  mit  seiner  Lesart  —  wenigstens  im  Bereich  de«  Ribbeck'schen  Appara- 
tes —  allein  steht.  Von  absichtlichen  Interpolationen  ist  J  frei.  Auch  die 
Zahl  der  Stellen,  wo  sich  Glossen  in  den  Text  eingeschlichen  haben,  ist 
nur  eine  geringe.—  G.  IV,  164  mag  die  Lesart:  et  dulci  suspendunt 
necUire  ceUas  statt  et  liquide  distendunt  fiectare  ceUas,  so  entstanden  sein^ 
dass  über  distenuaxt  als  Glosse  suspendunt  (vgl.  v.  162:  suspendwtU 
cerua),  und  über  Ivjitido  ebenso  dulci  (vgl.  A.  1,  433:  et  dulci  distendunt 
nectnre  cellas)  gesetzt  war.  —  A.  X,  235:  Et  d^dit  €sse  deaa  aeuumque 
habitare  sub  undis  statt  agitare ,  welches  letztere  übrigens  am  Rande 
als  Variante  ((dii  agitare")  notiert  ist.  —  A.  X,  23  ißt  aus.  einer  Glosse 
ein  die  Construction  erklärendes  in  in  den  Text  gerathen:  Quin  iniraportas 
atque  in  ijjsis  proelia  miscent  Äggeribus.  Ebenso  hatte  sich  G.  1,  3:  quae 
ctira  bonm  etc.  ein  die  Construction  vervollständigendes  sit  nach  cura  ein- 
gescbliclicn,  ist  aber  radiert. 

Häufiger  sind  Fälle,  wo  in  Versen,  die  in  ähnlicher  Fassung  an 
anderen  Orten  wiederkehren,  der  gleiche  Wortlaut  hergestellt  ist  ^*) : 

E.  VII,  5:  Ei  cantare  pures  et  respondere  periti  (vgl.  E.  X,  32) 
statt  parati. 

G.  II,  178:  quae  sit  rebus  natura  creandis  (=-  cod.  Arund.,  nach 
G.  U,  9:  arboribus  varia  est  natura  creandis).  —  A.  I,  297:  Sic  ait 
vnach  A.  1,  142.  464  u.  ö.)  statt  Haec  ait,  —  I,  686  mit  6:  laticemqae 


'^  Dasselbe  Streben  der  AnähnUchung  macht  sich  übrigens  auch  in 
den  besten  Handsciiriften  bemerkbar.  Vgl.  die  Lesarten  von  M  G. 
Ul,  241  {--  A.  XI,  131.  474);  G.  IV,  319  (=  A.  I,  127):  G.  IV,  473 
(=  A.  VI,  309);  A.  V,  281  (=»  A.  1,  400).  VII,  528  (-=  G.  HL  237); 
VII,  727  von  2.  H.  (-  Vll,  206);  Vll,  737,  zugleich  mit  T,  nach  A. 
L  2:J6.  622.  X,  53.  -  In  /'  vgl.  (J.  IV,  378  (  -  A.  V,  101.  VIII,  284. 
Xn,  21.^);  A.  ya,  814  (-  V,  529);  F  uml  r  G.  IV,  173  -  A.  VIII,  45L 


E.  Hoffmann^  Zur  Kenntnis  einiger  Vcrgil-Handschriften.        501 

Icneum  (nach  G.  III,  MO)  statt  Lyaeum.  —  II,  631:  traxitque  ruinas 
(so  auch  «2,  nach  A.  XII,  453  dahit  üle  ruinös)  statt  ruinam.  —  lil, 
167:  hinc  Dardanus  auctor  (so  auch  i  auf  Rasur,  nach  A.  III,  503. 
IV,  365.  VI,  650)  statt  ortits.  —  A.  IV,  28B:  (Sergcstumque  uocctt  for- 
iemqiie  8  er  est  um)  ist  Serestum  radiert  und  Vun  2.  Hand  Cloanihuni 
nach  A.  I,  510  gesetzt.  —  VII,  393:  idtm  omnes  »imül  ardor  habet 
(nach  A.  IV,  581)  statt  agä.  [In  €  steht  üher  agit  als  Variante  habet.]  — 
VII,  537:  ditissimus  agris  (so  Cod.  Med.  Ker.,  Menag.  I,  Parrh.  I,  Var. 
in  y;  vgl.  ditissimus  agri  A.  I,  343.  X,  563)  statt  aruis.  —  VII,  763: 
sumoethia  cireum  Litora  (so  i  auf  Ras.;  symetiaGo^.  Leid.;  sumetia  m; 
Tgl.  A.  IX,  584:  Symaethia  cireum  Flumifia)  statt  umentia.  —  VIII,  208: 
forma  praestante  iuueneas  (so  <  auf  Ras.),  veranlasst  durch  v.  207: 
praestanti  corpore  tauros  statt  superante.  —  IX,  613:  Conuectare 
iuuat  praedas  (conuectare j  uec  auf  Ras.  von  2.  H.,  «)  =  A.  VII,  749,  statt 
comportare.  —  XII,  590:  magnisque  acuunt  rumoribus  iras  (=  A.  IX, 
464:  uarüsque  acuunt  rumoribus  iras)  statt  stridoribus. 

Andere  Stellen,  wo  <f  von  den  Handschriften  des  Ribheck*schen  Ap- 
parates abweicht,  und  entweder  ganz  allein  steht  oder  mit  Handschriften 
des  Pierius  und  Heinsius  stinamt,  sind: 

E.  IV,  56:  adsit]  assint.  —  VII,  2:  greges]  gregem  (—  Cod.  antiq. 
Pier,  und  Rottend,  ü.)  — .  14:  veque]  nee  (—  Frgm.  Moret.).  —  67:  me] 
no8.  —  Vin,  39:  acceperat]  caeperat  {=  x)-  —  ^'  ^^^  fra/jilis  poteram 
ab  terra  contingere  ramos]  perfringere.  —  74:  terque  hnec  altaria 
cireum  Effigiem  duco]  hanc  (—  Cod.  Longob,  Pier.). 

n 

G.  I,  145:  uicit]  uicü  (n  von  1.  H.).  —  159:  in  sHum]  in  fehlt.  -  - 
279:  Coeumque]  que  fehlt  —  310:  ^2 acte m  cum  fiumina  tru^iunt]  glacies 
(vgl.  G.IV,  517).  —  416:  aut]  haut  (von  2.  H.  rescribiert).  —  II,  78:  eno- 
des]  itmodes,  —  127:  praeseniius]  praestofUius  («  Cod.  Longob.  Pier,  und 
Parrh.,  und  Citat  bei  Macrob.  Sat.  III.  19,  3).  —  164:  Tyrrhenusque  fretis 
immittitur aestus  Auernis]  Tyrrhenique  fretis  immütitur  acstus  Auerni. 
—  233.  derunt]  deerit,  v.  1.  H.  deerint  Cdeen«  Ausgaben  vor  Pierius). — 
246:  et  ora\  at  ora,  —  340:  cum  primae  lu^^em  pecudes  hav^ere]  2^^^^ 
mam  (=  Cod.  Cantabr.)  —  360:  eniti]  inniti.  —  369:  reformidant]  refor- 

ia 
mident  (reformident  Cod.  Moret.  II,  Reg.  2.)  —  377:  acstas]  aestus  (—  Cod. 
Med.  Pier.  u.  Parrh.).  —  394:  lancesque  et  libä]  que  fehlt.  —   417:  iam 

u 

canit  effectos  extremus  uinitor  antes]  effectas  extremos.  —  425: 
placitam]  ijlacidum  (=  Cod.  Leid,  ü,  Toll.,  Parrh.,  Voss.  I,  Frgm.  Moret. 
und  Citat  bei  Diomed.  p.  450  P).  —  468:  at]  et,  —  479:  tumescant]  tu- 

a 

mescunt  (=-Cod.  Paris.  Suppl.  771;  s.  o.  A.  6).  —  542:  equom]  equo,  o  jc- 
dodi  auf  Rasur.  —  III,  175:  tiluamquc  jHdustrem]  uibulamquc  (=  bi- 
bulamque;   vgl.  bibula  2)alus  bei  Mart.  XI,  32,  2).    —    268:  absiimj}scre\ 

p 
affumsere  (assumsere  Cod.  Goth.).  —  302:  stabtda  a  uentis]  a  von  jung.  Hand 
eingefügt,  u.  v.  304  que  nach  extremo  ii.  d.  L.  gesetzt.  ~    342:  itque  pecus 
longa  Ml  descrta]  Ivmje.  —  367:  mttgmt]  so  cTl;  von  2.  Hand  auf  Rasur 


502        E.  Hoffmunn,  Zur  Eeuutnis  einiger  Ver^l-Uandsehrifteii. 

7iitixit  —  374:  grauiterque  rudentis  Caedunt]  pariierque  (ob  nach 
A.  X,  756:  caedebant  pariter  parüerque  ruebafU  etc.  ?).  —  415:  grauis 
nidore  chelydros]  graut  (—  Cod.  Reg.,  Moret.I  und  Ausgaben  vor  Pieriua; 
80  aucll  Servius  und  Nonius  p.  315,  6).  —  502:  ad  tactum]  aitactu  (=■  Ma- 
crob.  Sat.  IV,  1,  3).  —  526:  atqui  non]  atquin  non,  darüber  die  Glostie 
*aiqii€  ideo\  -  IV,  20:  inumhret]  adumbret  (=Cod.  MenteL  I,  Bodl.).  — 42t: 
tatebvis  Stib  terra  fouere  larem]  l.  Sub  terram  f ödere  larem  (Sub 
terra  fodiere  htreni  AI,)  —  81:  pluU]  fluä  (in  y  am  Bande).  —  190:  9op9r 
8UU8]  suus  sopor  (=  Cod.  Mentel.  III,  Reg.  Goth.  I  und  suos  sopar  Venet 
Heins.).  —  290:  Persidis]  perfidof,  —  320:  adfatus]  affaiur  (MenteL  I).  — 
357:  percussa]  perctdsa  (=  Ausgg.  vor  Pierius).  —  410:  düapaus]  delopmu 
(ELABSVS  GÖ.  —  421 :  statio  ttUissinui]  fidissima  (=-  Cod.  Goth.  1).  — 
482:  implexae]  impexae  (entsprechend  der  Correctur  von  M  und  — •  Cod. 
Voss.  Parrh.,  und  einigen  anderen  Codü.  Heins.)  —  490:  Eurydicen]  eury- 
dicem  (=  Cod.  Francian.).  —  516:  non  ulli\  nuUi  (—  Cod.  Venet.  Heins, 
und  Voss.). 

A.  I,  189:  Diictoresque]  que  fehlt.  —  323:  mactUosae  tegmine  lyncis] 
maculoso.  —  339:  fnes  Libyci]  lybi^.  —  409:  ac]  et  (—  Cod.  Goth.  HI;  P 
fehlt).  —  450:  Hoc]  H^a,  —  491:  ardet]  ardens  (unter  t»  Puncte,  darüber 
von  jüngerer  Hand  0   —   563:   cogunt]  cogit  (—  €  durch  Corr.)   —  631: 

memorat]  memorans  (=-=6  2)  —  701:  lymplios]  nymphas  (Hebendem  über- 
geschriebenen Ij  die  Glosse  aquas).  —  II,  67:  N am  que  ut  congpedu  in 
medio]  que  und  in  fehlen  (in  fehlt  yl,  im  Cod.  Mentel.  II  und  5  anderen 
Codd.  Heins.).  —  70:  aut  quid  tum]  aut  iam  qiUd.  —  100:  Nee]  Nan.  — 
179:  auexere]  aduexere  (=  einigen  Codd.  Pier.  u.  Heins.).  —  349:  cu- 
pido]  cupido  ettt  (3  Codd.  Heins.).  —  408:  periturus]  moriturus  (Vulgata 
vor  Pierius).  —  503:  Uli]  itUus  (—  «2,  Goth.  I).  —  554:  Haec  fims]  Hie 
(—  «2  auf  Rasur,  u.  Cod.  Franc).  —  599  t:  et  ni  mea  cura  remgtat,  Iam 
flammae  tulerint  ininiicus  et  hauserit  ignis]  tulerant .  .  ,hau8erit. 
(Das  Plusqpf.,  als  Variante  über  tider  int  und  hauserit  gesetzt,  wurde  nur 
an  der  ersteren  Stelle  von  dem  S^'hreiber  eingetragen).  -  602:  diuom 
viclementiaj  diuom]  uerum  incl.  d.,  <T2  auf  Rasur  von  ursprünglichem 
diuum  (=  einigen  Codd.  Pier.  u.  Heins.)  —  620:  limine]  limUe  («  Menag.  I, 
Venet.  Heins.,  Oudart ,  Hamb.  I).  —  III,  327  f.:  deinde  secutus  Ledaeam 
Hermionen  Lacedaemoniosque  hy^nemieos]  leded.  hennione  etc.  Nach 
ledeä  ist  ein  Buchstabe  radiert  und  das  Zeichen  für  m  von  jüngerer  Hand 
über  a  gesetzt  Stand  von  1.  H. :  ledeae  hermionf  lacedtßnioniosque  hyme- 
naeoH  ?  —  G07:  amplexus]  amplectens  (-»  2  Codd.  Moret,  1  Leid.  u.  Goth.  I). 
—  647:  uastosque  ah  rupe  Cydopas]  uasfaque  ( =  €  u.  Cod.  Oudart.).  — 
(v.  718,  der  Schlussvers,  ist  von  jüngerer  Hand  angefügt.  Von  erster  Hand 
folgt  er  erst  nach  einem  Zwischenraum  von  drei  Zeilen.)  —  IV,  27:  sed 
mihi  uel  tellus  opiem  prins  ima  dehiscoA  .  .  .)  Ante,  pudor,  quam  te  uiulo^ 
aut  tua  iura  resoluo]  uiolem  .  . .  resoluam  (—Cod.  DorvilL,  Witt., 
Parrhas.  u.  Frgm.  Wall.).  —  237:  hie  nostri  nuiUius  esto]  ito  (vgl.  A. 
II,  r>47:  nuntius  ibis),  =--  314:  tuam  tc]  Jl;  tuamq;  J2.  —  315:  rcUqni] 
rdiquid.  —  323:   moribundam]  morituram  (tur  auf  Ras.);    von  1.  Hund: 


JE?.  Hofftnann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-HandBchriften.        508 
moribtmdam.  —  414:  animos  summittere  amori]  so  Jl;  animo  mmmittere 

amore  J2.  —  430:  fereiUis]  cTl;  furentes  62  (ferenUs  t).  —  V,  83: 
Tkybrwi]  tfubrim  (Viy.  hrim  h).  —  522:  subitum]  6(  mit  Cod.  Montalb., 
Rottend.  IQL,  Hamb.  1, 2 ;  ml^ito  Codd.  Ribb.  —  813 :  TtUtiS  qitos  optas  portus 
accedet]  TotiM  qiioa  optat  etc.  (Im  folgenden  Verse  gibt  J  mit  e  und 
allen  Codd.  Ribb.  quaeres,  gegen  quaeret  /).  —  VI,  5:  Fraetexunt]  Prae- 
tereunt.  —  254:  superque]  que  fehlt  (=-  einigen  Codd.  Pier,  und  x\  ~-  383: 
Corde  dohr  tristi:  gaudet  cognomine  terrae]  Corde  dolor,  tristi  gaudet 
cognomine  terra  dlxi  terrae  S2e  Codd.  Ribb.  —  509:  Ad  quae  Pria- 
mides]  Ad  quem  (— ;^).  —  743:  Qudsque  suos  patimur  manis]  patitur 
(—  Cod.  Menag.  II,  Venet.  Heitas.,  Moret.  II,  Erfurt.).  —  Vn,  6:  ^Herunt] 
quierant  (=  Cod.  Montalb.  u.  Hebrus  [?]  bei  Serv.).  —  71:  adolet]  adolent 
(—  €  2).  —  96:  Ne  pete  conubiis  natam  sociare  Latinis]  sociare  latine, 
über  latme  *al  nif\  —  99:  in  astra]  ad  astra  (—  Goth.  II).  —  101:  uertique 
regique]  uerti.q;  regi.q;  (an  beiden  Stellen  t  radiert).  —  135:  effatus]  affa- 
tue  (—  Cod.  Zulicbb.,  Leid.  Moret.  11,  Vratisl.  u.  Excrpt.  Burm.)  —  149: 

fims]  finem.   —   160:  Lathwrwn]  latinum.  —  162  f.:  piieri  et  primaeuo 

n 

flore  iuuentus  Exercentur  equis  domiiantque]  Ecercetur  —   dornt- 

n 

UUq;  (exercetur  Pyl).  —  204:  ueterisque  dei  se  more  tenentem]  ueteri- 
que  (über  i  von  2.  H.  /*).  —  347:  sinum]  sinus.  —  380:  in^cn**  ludo] 
ingenti.  —  389:  Eulioe]  Euphoe.  —  397:  ferfida]  perfida.  —  461:  Saeuit 
amor  ferri  et  scelerata  insania  beUi]  et  fehlt.  —  470:  Lattnisqt^e]  que 
fehlt  (=  Cod.  Franc,  Sprot.,  Dorvill.,  Hamb.  II;  in  y  radiert).  —  485: 
Tyrrhusque]  tyrrhenusque  (veranlasst  durch  Tyrrheus?  so  7)  —  532: 
Ahno]  Alnwn  (=  e,  Cod.  DorvilL,  Witt.).  —  602:  nunc]  nü.  —  637:  Clas- 
tiea  iamque  sonwnt\  it  beüo  tessera  signuni]  namque  , ,  .  et,  —  660: 
iub  lummü  edidit  oras]  auras  (^(2,  Cod.  Menag.  I,  Venet.  Heins., 
Witt.)  ").  —  712:  Bosia  rura  Velint]  ro9cida  (—  «l>2c2)  nebst  einer 
Anzahl  Codd.  des  Pierius  und  Heinsius).  —  723:  Hinc]  Hoc,  darüber  *al.  hinc\ 

—  776:  Solus  uW  in  süuis]  Salus  übt  et  süuis  d;  S.  ubi  et .,  süuis,  in 
radiert;  <.  (An  sich  ist  die  Lesart  et  süuis  nicht  zu  verachten;  es  würde 
dadurch  das  in  v.  775  begonnene  Hendiadyoin  fortgesetzt:  At  Triuia  Hip- 
polytum  secretis  alma  recondit  Sedibus  et  nymphae  Egeriae  nemori- 
que  relegat,  Solus  ubi  et  siluis  Italis  ignobüis  aeuum  Exigeret).  — 
VIII,  90:  iter  inceptum  celerant]  celebrant  (—  «2,  Med.  Pier.,  Hamb.  II. 
Vgl  Serv.  z.  A.  V,  609  und  A.  IV,  641,  wo  Ribbeck  nach  Pyl  gradum 
celebrabat  ediert).  —  117:  ac  tela]  et  (jedoch  von  jüngerer  Hand  rescri- 
biert).  —  140:  At]  Et  (gleichfalls  rescribiert;  et  bl  und  als  Variante  über 
At  «).  —  160:   iuuetUa^s]  iuuenta  (—  (  und  einer  Anzahl  Codd.  Heins.). 

—  169:  iuncta]  uincta  (in  e  über  iuncta  gesetzt).  —  298:  ullae  facies] 
uUa  (—  (2).  —  596:  Quadrupedante]  Quadrupedum  6 ;  quadripcdante 
(so  M),  darüber  7  quadrupedti^  «,  —  611:  adfata]  efata  J;  aflata,  über 


*)  Ueber  ama  als  Parallelfonn  zu  ora  s.  meine  Schrift  'Homeros  etc.' 
S.  35.  A.  37. 


5Ö4        E.  HoßmanHy  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Uandschnften. 

dem  ersten  a  ein  e,  t.  —  618:  Exjiiari]  Impleri  J,  in  ty  als  Variante 
(=  Citat  bei  Macrob.  Sat.  V,  8,  11).  —  710:  lapyge]  iainge  J 2,  iapide 
Jl  (-  Cod.  Dorvill);  iapyde,  de  auf  Rasur  von  2.  H.,  *.  —  717  f.:  Lac- 
tüia  ludisque  viae  2)l<iustique  fremehant;  Omnibus  in  templis  matrum 
Chorus,  Omnibus  arae;]  atis  {=  e%  Venet.  Heins.,  Goth.  II)'  —  IX,  119; 
Mquora]  aequoi'e  (  =  «2  u.  Venet.  Heins.).  —  141:  penitiis  modo  finnc 
genus  omne  perosos  Femineum]  (modo  non  ^tFMPybe,  nunfiiodoR); 

l    OS 

per  OS  um  J;  pero/ü  (ü  auf  Rasur  von  früherem  os)  t.  (perosum  geben 
eine  Anzahl  Godd.  von  Pierins  und  Heinsius).  —  498:  maestusqut  per 
omnis  It  gemkus]  motusque.  —  524:  liescindit  uaüum]  Tra^iseendii 
(=  *codd.  admodum  vestuti*  Pier.).  Eescindi  uaÜum  et  scodas  in  moenift 
poscit  (Zougma?),  über  rescindi  'ai  transcendü'  «.  —  599:  morti  jpntC' 

io 
tendere  muros]  marti  J;  morti  y  darüber  'morti  pro  bello  pofitü'  und  von 
jüngerer  Hand:  'alii  martV,  i.  (Marti  /  und  einige  alte  Codd.  Pierii).  — 
Ü84:  Quercens]  querquem  cT«  und  einige  alte  Codd.  Pierii).  —  721:  Bei- 
latorque  animo  deus  incidit]  inciint  «T*!.  —  723:  Et  quo  sit  fortuna 
hco]  Et  qn^  (Tf2.  —  808:  wlsidtw]  assidue  —  X,  79:  soceroa  legere] 
socios  ^^®J,  darüber  'al.  soceros'.  —  129:  Meuestheol  meneste.  J  (nucb 
c  ist  ein  Buchstabe,  der  wol  o  gewesen  sein  dürfte,  radiert);  menestUe 
f.  —  145:  hinc  nome^i  Campanae  ducitur  urbi]  dicitur  —  416:  di«- 
persit]  disj)ergit  (Goth.  1).  —  XI,  257.  prenuU]  premit.  —  269:  urts] 
agris  (=  c2).  —  372:  Nos]  Nosne.  —  383:  tonu  eloquio]  eloquium, 
—  613  f.:  jmmique  ruina  Dant  sonitum  ingcnii\  J  mit  Codd.  Moret. 
IL  IV.  (RVINAM  MPlRybct  (M  in  F  durchstrichen);  ÖONITVM  MP 
yl;  ISONITV  Ry2bct;  INGENTI  MRy2bc(;  INGENTEM  Pyl.).  - 
800 :  Canucrtere  anim os acris  oculosque  t ulere]  Co nuertere  oculos  acres 
animosque  tulere  (-=  Cod.  Leid.)—  XII,  202:  I^ulla  dies  pacem  hanc 
Italis]  N.  d.  hanc  pacem  Italis.  —  293:  At  feruidus  aduolat  hasia 
Messaims]  A.  f.  auolat  ipse  Messupus.  —  426:  animos  accendit,  in  iw- 
Stern]  animos  incendit  in  host  es  (tncendit  Hamb.  II).  —  456:  Tatis 
in  aduersos  ductor  Rhoeteius  ftostis  Agmen  agii]  uictor  (—  Hamb.  11 
und  Leid.).  —  457:  densi  cuneis]  densis  cuneis  (-»  Cod.  ISprot.)  —  489: 
leuis  cursu]  leui  ctirru  (=  Cod.  Bigot.  u.  Hamb.  I)^ 

Wenden  wir  uns  nun  kurz  noch  zu  Codex  *. 

Bei  der  nahen  Verwandtschaft  desselben  mit  J,  wofür  die  mitge- 
theilten  Lesiirten  den  genügenden  Beweis  gegeben  haben  dürften,  ist  es 
natürlich ,  dass  auch  «  nur  an  'wenig  Stellen  auf  Seiten  von  R  gegen  M 
und  P  steht.   Solche  Stellen  sind : 

A.  1,572:  considere  regnis\  ^M  etc.;  terris  tR  (T  fehlt).  —  719: 
InsidxU]  cTilf  etc.:  Insideat  eJR;  [insi]DEAT  G  (P  fehlt).  —  VU,  321: 

a}.  dtarum 

dirarum  ah  sede  dearum]  ifMP;   sororum  e;  sororum  Rbm,  —  464: 

'*)  Eine  willkommene  Bestätigun«'  meiner  in  dem  Spicileg.  critic.  Vindob. 
1858,  p.  20  vorgeschlagenen  Emendation. 


E.  ffa/tminn.  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften.        505 

furit  intun  aquax]  ifM  etc.;  aquae  uis  eFRy^c'im  ('P  fehlt).  Das 
Lemma  des  Servias  in  c  gibt  aqttai.  —  VI  IT,  576:  Si  uisitrus  eum  uiuo] 

al-  vivo 

d3fP  etc.;  uiuum  s;  VTVV  E.  —  X,  280:  in  manibus  Mars  ipse  uiris] 
^MP  etc.;  niri  « Ä.  —  XI,  542:  Sustulit  exilio  comitem]  öMP;  ex 
illo  eR,  —I  601:  co^iuerms]  ^MP;  ohuersus  eRhc, 

Von  den  Stellen,  in  welchen  e  weder  mit  den  Codd.  Ribb.,  noch 
mit  J  geht,  wollen  wir  zunächst  A.  VII,  740  hervorheben,  wo  €  allein  von 
allen  bisher  bekannten  Handschriften  das  richtige  bietet:  inoenia  Abel- 
lae  (abdl^),  während  die  übrigen  alle  MOENIA  BKLT.AE  haben. 

Andere  Stellen,  wo  £  von  J  und  den  Codd.  Ribb.  abweicht,  sind: 
A.  II,  634:  Atque  ubi]  Äst  ubi  €  («  Codd.  Pariss.  IX.  XIl.  XIII). 
—  663:  patrem  giu  obtrwncat  ad  aras  (s.  S.  491)]  obtruncet  (  (jedoch 
wie  es  scheint  durch  Correctur  aus  obtruncat)  «=»  Cod.  Mentel.  I  v.  1.  H.  - 
757:  inruerant  Danai  et  iectum  omtie  tenebant]t€nebafU  f2  auf  Rasur; 
ferebant  «1.  —  IV,  410  f.:  totumque  uideres  Misceri , . , acquor]  uastum- 
que  £  mit  Prgra.  Wall.  V,  457:  nunc  dextra  Uigeminans  ictus  nunc 

nie  sitiistra]  (s.  o.  S.  497)]  inde  e  (dürfte  wol  die  allein  richtige  Lesart 
sein).   —    VI,  265:   loca  jiocte  tacentia  lote]  silentia  e.  —  Vli,  551: 

l  ueniant 

ündique  ut  auxüio  ueniant]  coeant  f;  coeant  Cod.  Sprot.  —  554: 
Quae  fors  prima  dedit  sanguis  nouus  imbuit  arma]  arua  e  (setzt  die 
Lesart  sors  [in  /  und  Schol.  Veron.]  voraus).  —  561:  attoUit  stri dentis 
anqui^nts  alas]  stridentibus  t  ---'  y\.  —  608:  (mnt  geminae  beUi  por- 
tae)  BeJigione  sacrae  et  saeui  fortnidine  Mortis];  discrimine  f.  — 
760:  Te  liquidi  fleuere  locus]  li.uidi  (q  ist  radiert)  t.  —  778:  templo 
Triuiae]  Triuiae  templo  f,   —    VIII,  171:   auxüio   laetos  dimittam] 

|l«fM 

tut 08  t;  tutos  einige  Codd.  Pier.  —  313:  Jum]  Tunc  e  (=»  Citat  bei 
Serv.  I.  A.  VI,  773  und  Isid.  Origg.  XVI,  i).  —  IX,  524:  Rescindit 
uaüum  et  sccdas  in  moenia  poscit]  Rescindi  e  s.  o.  S.  504.  —  X,  536: 
eaptdo  tenus  appHicat  ensem]  abdidit  t  (=  Citat  bei  Macrob.  Sat.  V, 
10,  5).  —  841:  Ät]  Et  e,  —  ebd.:  super  arma]  supra  e.   —    844:  ca- 

IN        ND  at   multo 

fUHem  multo  deformast  püluere]  MÜLTO  M;  ifimundo  f  (vgl.  A.  XIl, 
611:  canüiem  inmundo  perfusam  piduere  turpans).  —  XI,  247:  lapygUi 
agris]  iapidis  aruis  e  (aruis  b  auf  Ras.,  Cod.  Moret.  I,  einige  Codd. 
Pier.)  vgL  lapydis  arua  G.  III,  475.  -  470:  tristi  turbatus  tempore] 
pectore  €  (so  die  alten  Ausgaben  vor  Naugerius  Venet.  Aid.  1514).  — 
601.  tum]  tunc  f.  —  Xn,  293:  at]  et  t.  —  297:  ccdenJtia  memhra]  ca- 
dentia  *  f—  m/).  —  341:  Thamg^'um]  thamirum  d;  thamyrim  (  (Tha- 
myrim*  —  so  Heyne- Wagner  —  'in  quo  libro  exstet  nescio*  Ribbeck). 

Schlierslich  mag  noch  hinsichtlich  der  Beziehungen  von  €  zu  J  auf 
den  Umstand  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  e  offenbar  nach  cf  oder 
dessen  Vorlage  corrigiert  worden  ist,  indem  alle,  und  zwar  von  der  Hand 
des  alten  Glossators  in  den  Text  von  e  eingetragenen  Correcturen  oder  über 
die  Linie  gesetzten  Varianten  genau  der  Lesart  von  J  entsprechen,  auch 
wo  diese  nicht  eben  die  richtige  ißt.    Für  diese  Uebereinstimmung  der  Los- 


MC        E,  Hoffmann,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschrifken. 

arten  der  2.  H.  in  «  mit  J,  und  zwar  dl,  liefge  sich  ein  langes  Ver- 
zeichnis von  Stellen  beibringen,  doch  reichen  zum  Belege  wol  schon  ge- 
nügend die  Stellen  aus,  die  in  den  obigen  Verzeichnissen  sich  finden. 
(S.  0  S.  486:  A.  I,  284;  S.  487:  A.  V,  163.  IX,  123;  S.  4<S:  IX,  432.  E. 
VUI,  l(i7.  IX,  30;  8.  491:  A.  I,  513.  518.  II,  321.  UI,  319,  665;  S.  492: 
A.  VII,  755;  S.  493:  VD,  773.  VllI,  72.  227.  244.  357.  378;  S.  494:  IX.  91. 
143.  371.  383.  400.  456.  552.  685.  710;  S.  495:  X,  673.  E.  X,  10;  S.  497: 
A.  I,  284.  II,  187.  448.  804.  III,  362.  473.  621.  627;  S.  498:  VUI,  56. 
247.  491.  582.  S.  499:  IX,  68.  243.  380.  484.  733;  8.  501:  II,  631;  m,  167. 
VU,  393.  763.  VIII,  208.  IX,  613.  S.  502:  J,  568.  681.  n,  503.  554;  S.  503: 
IV,  430.  VU,  71.  Vm,  140.  169.  298.  596.  611;  S.  504:  VUI,  618.  710. 
718.  IX,  119.  141.  524.  599.  723.  1,  572;  S.  505:  VIU,  576.  H,  757.  VII, 
551.  VIII,  171.  X,  844. 


Ueberblicken  wir  nun  das  Verhalten  von  «f  und  f,  so  werden  wir 
nicht  umhin  können,  sie  denjenigen  Handlungen  beizuzählen,  die  —  frei 
im  ganzen  von  willkürlichen  Interpolationen  —  sich  vermittelnd  zu  der 
Ueberlieferung  der  älteren  Textquellen  verhalten.  Werthlos  würden  solche 
Handschriften  dann  erscheinen  müssen,  wenn  bei  Vergil  wie  bei  manchem 
anderen  Autor  eben  nur  eine  einzige  Handschrift  als  die  Trägerin  der 
echten  unverfälschten  Ueberlieferung  zu  gelten  hätte,  die  übrigen  aber  nur 
subsidiär  zur  Behebung  zufälliger  Corruptelen  der  Haupthandschriffc  heran- 
zuziehen wären  und  auch  da  nur  nach  Mafsgabe  der  Congruenz  ihrer  Les- 
arten mit  den  Zügen  jener  Handschrift.  Aber  so  einfach  steht  eben  nicht 
die  Frage  bei  der  Textkritik  des  Vergil.  Um  von  R  und  seinem  nicht  sel- 
ten durchaus  willkürlichen  Texte  abzusehen,  kann  weder  der  Mediceus 
überall  als  zuverlässiger  Führer  betrachtet  werden,  und  noch  weniger  viel- 
leicht der  Palatinus,  dessen  Text  nicht  nur  an  zahlreichen  Stellen  durch 
die  Flüchtigkeit  des  Schreibers  entstellt '^,  sondern  auch  vielfach  will- 
kürlich   geändert  oder  durch   angenommene  Glossen   corrumpiert  ist**). 

'^)  Um  nur  auf  Proben  auf  beschränktem  Baume  zu  verweisen,  so  sehe 
man  die  Lesarten  von  P:  G.  IV,  7.  11.  22.  23.  37.  41.  46.  4«.  57. 
60.  62.  63.  69.  71.  84.  93.  121.  126.  144.  146.  176.  198.  202.  220. 
223.  265.  282.  293.  332.  346.  361  u.  s.  w. 

••)  Vgl.  aufser  den  die  in  A.  31  erwähnten  Lesarten  von  P  G.  HI,  426: 
conuoluens  subkUo  corpore  terga  st.  pectore;  483:  atiraxera.t 
artiis  st.  adduxerat;  535:  montisque  per  arduos  st.  <iUo8.  —  IV, 
170:  2 e nie  st.  lentis,  —  173:  gemU  imposUis  iticudilms  antrum  st. 
Aetna.  —  195:  flatu  iactante  saburram  st.  fluctu,  —  217:  pec- 
tora  hello  Obiciunt  st  corpora.  —  231:  flores  (von  Philargyrus 
als  Emendation  erwähnt)  st.  fettis.  —  A.  IV,  267:  ignare  st.  oh- 
Ute.  —  A.  VU,  699:  liquida  inttr  flumina  cycni  (von  Ribbeok  auf- 
genommen) st.  nuhüa.  —  814:  Attonitis  haesere  animis  (=  V, 
529)  st.  mJUans.  —  IX,  33:  suhitam  magno  glomerari  ptUuere 
nuhem  st  nigro,  —  604:  duro  gelu  st  saeuo.  —  631:  letifer  arcus 
st.  fatifer.  —  Als  Emendation  ist  wol  auch  IX,  237  die  von  Ribbeck 
aufgenomme  Lesart  von  P  zu  betrachten:  ar dentis  Marie  Latims 
st  tiorrentis.  —  G.  III,  535  gibt  P;  attoniti  squamis  serpenti- 
bus  hydri  st.  adstantibvs.  Ribbeck  glaubt  auf  die  Lesart  surgen^ 
tihus  schlieCsen  zu  sollen;  aber  diese  selbst  könnte  nur  als  Glosse 


E.  ffoffnumn,  Zur  Kenntnis  einiger  Vergil-Handschriften.        507 

Selbst  die  Taticanischen  Fragmente  bieten,  von  den  Schreibfehlem  abge- 
sehen, nicht  überall  Lesarten,  die  als  echt  gelten  können.  Mag  daher  auch 
die  Kritik  immerhin  die  eine  Handschrift  als  relativ  besser  und  zuverläs- 
siger im  Vergleich  zu  den  anderen  betrachten,  so  wird  sie  doch  nicht  um- 
hin können,  bei  jeder  einzelnen  Stelle  die  Ueberlieferungen  sämmtlicher 
alter  Textquellen  unter  einander  abzuwägen,  ehe  sie  für  eine  sich  ent- 
scheidet. Deutliche  Spuren  weisen  eben  darauf  hin,  dass  unsere  sämmt- 
lielien  alten  Vergilhandschriften  mit  mehr  oder  weniger  Zwischenstufen 
aus  einem  und  demselben  ürexemplar  stammen.  Beweis  dafür  sind  ihre  ge- 
meinsamen Fehler  ").  Ihre  Differenzen  unter  einander  sind  nur  von  der 
Art,  dass  wo  sie  nicht  durch  blofses  Versehen  der  Abschreiber  entstÄuden 
sind,  oder  sich  als  willkürliche  Emendationen,  hie  und  da  auch  als  Aende- 
rungen  auf  Grund  von  Reminiscenzen  erweisen,  ihr  Entstehen  auf  Varianten 
zurückzuführen  ist,  die,  zum  Theil  aus  dem  Handexemplare  des  Dichters, 
zum  Theil  aus  der  Besserungslust  eines  Kritikers  stammend,  in  eine  Text- 
Abschrift  aus  der  Recension  von  Varius  und  Tucca  ^°) ,  sei  es  am  Rande, 
sei  es  zwischen  den  Zeilen  eingetragen  wurden,  und  nun  für  die  Ab- 
schreiber sowol  Gelegenheit  zu  beliebiger  Auswahl  wie  auch  Anlass  zu 
corrupter  Vermischung  der  verschiedenen  Textfessungen  boten  ^').  Aus  der 


zu  adstantibus  gelten.  Ich  meine  jedoch,  dass  in  dem  Exemplare, 
aus  welchem  P  stammt,  über  HYDRI  die  Glosse  SERPENTIS  ma^ 
gestanden  und  so  den  Schreiber  veranlasst  haben,  SERPENTIBVö 
an  die  Stelle  von  ADSTANTIBVS  zu  setzen. 
»)  S.  die  S.  485  erwähnten  Fälle  corrupter  Versanordnung,  und  weiter  die 
in  A.  19  berührten,  auf  der  Vertauschung  von  V  und  B  beruhenden 
Fehler.  Vielleicht  hätte  zu  diesen  Fällen  auch  A.  I,  317  gefügt  wer- 
den können,  wo  statt  des  unpassenden  handschriftlichen  HEBRVM 
(—  HEVRVM)  Ribbeck  die  Conjectur  von  Ruteers  aufnahm  EVRVM. 
—  A.  VUI,  193:  spelunca  Semtfwminis  Caci  fades  quam  dira  tege- 
hat  (MlPRyhl^f)  st.  tenebat  (M2h2Cl  —  IX,  581:  Martis 
luco  (MPBhcifß^i)  St.  Matris  (y).  -  XH,  120:  Velati  Uno  (MF 
Rybc&e)  st.  limo.  —  221:  Pubentesque  genae  {MPRy2bmS()  st. 
Tabentes  («=  c).  —  541:  dipei  mora  profuit  aeris  {MPRybc 
xIjS)  st.  oer«.  —  648:  inscia  ctUpae  (MPRybcmt^^)  st.  nescia, 
Hiefür  gibt  den  Beweis  die  Auslassung  der  Stelle  A.  U,  567—588. 
Auf  einen  solchen  Fall  in  G.  1 ,  186  haben  wir  bereits  bei  Bespre- 
chung von  ^  S.  136,  A.  20  aufmerksam  gemacht  Einen  anderen  Be- 
leg bietet  A.  IV,  564,  wo  die  Varianten  der  Handschriften  auf  fol- 
gende Grundform  führen: 

8  CONCITAir  8 

VARIOQVE  IRARVM  FLVCTVAT  AE8TV 
Daraus  entstanden  die  Lesarten: 

uarioque  irarum  fluctuat  aestu  (Mabl); 

uariosque  irarum  concitat  aestus  (Pcm^2i); 

uariosqiie  irarum  concitat  aestu  (F); 

uariosque  irarum  fluctuat  aestus  (Jlb2). 
üeber  A.  Vll,  307  genügt  es  auf  Ribbeck's  Anmerkung  zu  verweisen, 
der  über  die  in  vielfacher  Combination  vermischten  zwei  Hauptles- 
arten bemerkt:  'Credo  ipsum poetam  Iws  duas  scripturas  in  schedas 
coniecisse.'  —  A.  IX,  143  dürfte  die  Grundform  in  der  Schreibung 
von  F  zu  finden  sein: 

LETI  DISCRIMINE  PARVO. 


^ 


50R        K  Hoffmatmy  Zur  Kenntnis  einiger  VergiUHaiidschriften. 

gemeinsamen  Abstam.i  ung  unserer  ältesten  Vergil-Texte  ergibt  sich  dann 
aber  auch  der  Schluss,  dass  Handschriften  gerade  um  so  mehr  einen  Ter- 
mittelnden  und  scheinbar  eklektischen  Charakter  tragen  müssen,  je  treuer 
sich  in  ihnen  die  Uebcrlieferung  des  ürexemplars  fortgepflanzt  hat.  Ohne 
demnach  den  Werth  der  Codict^s  6  und  t  irgendwie  überschätzen  lu  wollen, 
werden  sie  doch  den  Handschriften  beizuzählen  sein,  die  bei  Festätellong 
des  Vergil-Textcs  Berücksichtigung  verdienen. 

Wien.  Emanael  Ho  ff  mann. 


Daraus  entstand:  leti  discrimine  parva  {My(2);  leti  discri- 
mina  parua  (Mlbcd;  statt  PAKVA  gibt  /^jedoch  Ton  1.  H. 
oorrupt  PARVAS)  und  leti  discrimina  parvo  (HF2^).  A.iX, 
455  f.  dürfte  möglicherweise  der  Dichter  selbst  über  die  ursprüng- 
liche Lesart  tepidumqtte  recerUi  Caede  locum  die  gewähltere  tepi- 
duquc  rec&ntem  catde  locum  angemerkt  haben: 

A    .  EM 

TEPIDVMQVE  RECENTI  |  CAEDE  LOCVM 
und  es  entwickelten  sich  so  die  Lesarten: 
tepidumque  recenti  Caede  locwn  Py\\ 
tepidumque  recentem  Caede  locum  B.M2; 
tcpidamque  recentem  Caede  locum  M\; 
tepidaque  recentem  Ca^de  locum  ^fy2bc. 
Zweifelhaft  ist  es,  obA.  IX,  613  die' Grundform  etwa  die  folgende 
gewesen  sein  dürfte: 

u 
PRIMIQVE  RVINA 

DANT  SONITVM  INGENTEM 
oder : 

PRIMIQVE  RVINAM 

M  RM 

DANT  SONITV    INGENTI 
AI  ijibt:  primique  ruinam  \  datit  sonitum  ingenti; 
Ity2t:  primique  ruinam  |  dant  sonitu  i7igenti; 
y '  1 ;'  1 :   primique  ruinam  \  dant  sotiitum  ing entern; 
/^2:  primique  ruina     \  dani  sonitum  ingentem; 
cT:  primique  ruina    \  dant  sonitum  ingenti. 
In  gleicher  Weise  könnte  man  sich  A.  VI,  559  die  Lesart  von  Fl 
B:  strepitumque  exterritus  haesit  aus  der  Vermischung  der  Les- 
arten: strepitumque  extcrritus  hausit  (Plybc^f/d  undF2)  und 
strepituque  exterritus  haesit  (MP2£)  entstanden  denken,  doch 
dürfte  hier  wol  gerade   die   Lesart  von  JPl  und  R  die   echte  sein, 
und  grammatische  Scrupel   eines  Recensenten   mögen   für  strepi- 
tum  exterritus  haesit  jene  Emendationsversuche  veranlasst  ha  en. 
Vgl.  Tac.  An.  IV,  28:  innocentem  Cornutum  et  falsa  exterritunif 
wo  manche  Herausgeber  gleichfalls  emendieren  zu  müssen  glaubten 
und  das  wenig  passende  falso  setzten. 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

M,  Tullii  Cweronis  de  amicüia  Über  qui  inscrihitur  Laelius. 
Für  den  Schulgebrauch  erklärt  Yon  Gustav  Lahmeyer.  Leipzig 
Teubner,  1862.  —  6  Sgr. 

Unter  den  Schriften  Cicoros,  welche  in  der  Teubner'schen  Sammlung 
Ton  Schulausgaben  mit  Anmerkungen  bis  jetzt  erschienen  sind,  sind  der 
Cato  maior  und  Laelius  von  G.  Lahmeyer  bearbeitet.  Beide  Bearbeitungen 
entsprechen  dem  Standpunoto  der  Schüler,  für  welche  sie  bestimmt  sind, 
obgleich  wir  den  Cato  wegen  seiner  noch  zahlreicheren  und  bedeutenderen 
sprachlichen  Bemerkungen  vorziehen  möchten.  Ein  Vorzug  ist  beiden  ge- 
meinsam, die  Kürze  und  Einfachheit  der  Einleitung,  die  besonders  wohl- 
thuend  wirkt,  wenn  man  sie  etwa  mit  der  in  dör  gleichen  Sammlung  er- 
schienenen Planoiana  von  Köpke  vergleicht.  Di«  Verfasser  von  Schulaus- 
gaben, die  für  den  Gebrauch  der  Schüler  berechnet  sind,  müssen  nun  ein- 
mal, wollen  sie  ihren  Zweck  erreichen,  zunächst  für  Schüler  schreiben, 
nicht  für  den  Lehrer,  der  doch  neben  ihren  Büchern  streng  wissenschaftlicher 
Werke  nicht  wird  entrathen  können  und  wollen. 

Der  Text  des  Laelius  ist  im  ganzen  in  der  vorliegenden  Ausgabe 
der  von  Halm  in  der  Zürcherausgabe  gegebene;  an  einigen  Stellen,  über 
die  am  Schlüsse  Rechenschaft  gegeben  ist,  hat  der  Herausgeber  theils 
fremde  theils  eigene  Vermuthungen  aufgenommen,  manche  davon  wie  10, 
35.  20,  74  sind  wol  nur  aufgenommen,  um  einen  lesbaren  Text  herzu- 
stellen. Denn  ob  an  der  ersten  Stelle  Seyflfert  selbst  seine  von  L.  aufge- 
nommene Interpunction  noch  vertreten  möchte,  zweifeln  wir;  wenigstens 
können  wir  nach  der  ganzen  Art  der  Erörterung  von  §.  33  an  nicht  eine 
Angabe  der  Gründe,  sondern  nur  eine  Angabe  der  factischen  Vorkommnisse 
berechtigt  finden.  Freilich  was  in  arguerentur  steckt,  ob  argui  und  ein 
Adverb,  getrauen  wir  uns  nicht  zu  ergründen.  An  der  zweiten  Stelle  hat 
L.  allerdings  recht,  dass  necesse  nicht  fehlen  darf.  Nur  möchten  wir  es 
nicht  ausgefallen  glauben,  sondern  necessarioa  in  necease  amicos  auflösen. 
Ohnehin  ist  es  ganz  wesentlich,  dass  der  Begriff  amicus,  nicht  blofä  neces- 
sarius  im  Satze  stehe.  Im  folgenden  ist  dagegen  die  Lücke  wol  nicht  mit  dem 
auch  sprachlich  sonst  kaum  zu  rechtfertigenden  amandum  est  auszufüllen, 

Ztiuchrift  f.  U.  Gaterr   üymn.  18ß3.  VlJ.Ueft.  34 


oiO      O.  LahmeyiT,  Cic.  de  amicitia  über,  ang.  v.  L,  Vielhaber. 

aach  Dicht  mit  colendi  sunt  od.  ä  ist  geholfen,  sondern  wol  eine  grof^ere 
Lücke  (etwa  1  Zeile)  anzunehmen,  in  der  unter  anderm  etwas  gestanden 
haben  muss,  worauf  sich  das  folgende  äliter  bezog.  —  21,  77.  Ab  amicitia 
Q.  Pompei  meo  nomine  sc  removerat,  ut  scitis,  Scipio:  propter  dissensionem 
autem,  quae  erat  in  re  publica  j  cUienatus  est  a  coüega  nostro  Meteüo: 
utrumque  egit  graviter  auctoritate  et  offensione  animi  non 
acerba.  L.  ändert  das  anstöi^ige  auctoritate  in  oc  temperatef  wodurch  kein 
besonders  ansprechender  Gedanke  entsteht.  Wir  möchten  das  üherlieferte 
auctoritate  festhalten,  aber  die  Stelle  so  erklären,  dass  graviter  'würdeToU* 
seine  Begrü  idung  hekommt  durch  die  folgende  ablatiyi  causae:  ciuctoritate 
und  offensione  a.  non  acerba.  Für  solche  Ablative  auch  bei  Cic.  s.  Madyig 
de  fin.  1,  10,  33.  In  dem  zweiten  Ablativ  liegt  dar  Hauptnachdruck  auf 
non  acerba  nach  einem  bekannten  stilistischen  Gesetze  vgl.  Naegelsbach 
Stil.  S.  60  (2.  Auflage).  Die  Stelle  würde  also  etwa  lauten:  beides  that 
er  in  würdiger  Weise  vermöge  seines  persönlichen  üebergewichtes  (das  zu 
einem  kleinlichen  Vorgehen^  nicht  bemüJüsigt  war)  und  weil  keine  Bitter- 
keit und  Empfindlichkeit  in  ihm  war.  Ob  man  eine  chiastische  Beziehung 
des  ersten  auf  Metellus,  des  zweiten  auf  Pompejus  anzunehmen  berechtigt 
sei,  lassen  wir  dahingestellt.  —  25,  96.  Laelius  hat  die  lex  popularis  des 
C.  Licinius  Crassus  de  sacerdotiis  als  Prätor  verhindert.  Ita  re  magis  quam 
summa  auctoritate  causa  üla  defensa  est,  L.  ändert  su^ma  in  mea, 
andere  streichen  es.  Uns  scheint  summa  richtig  und  Seyfifert  in  der  Recht- 
fertigung desselben  nur  nicht  das  fnagis  behandelt  zu  haben,  an  dessen 
Stelle  man  vielleicht  potius  erwarten  möchte,  so  dass  das  Gewicht  der 
Gründe  und  das  Gewicht  des  höchsten  Amtes  sich  gegenüber  gestellt 
würden.  Indessen  ist  magis  in  der  Weise  zu  fassen,  dass  'es  einem  Begrifie 
gröfsere  Anwendbarkeit  auf  einen  gewissen  Fall  beilegt*.  Haase  bei  Beisig 
Anm.  399.  Also:  ich  darf  mit  mehr  Rocht  behaupten,  dass  jene  Verthei- 
lung  durch  das  Gewicht  der  Sache  als  das  des  höchsten  Amtes  gelungen 
ist  (da  ich  das  letztere  gar  nicht  hatte).  Um  den  letzteren  Beisatz  nicht 
für  eine  Erschleichung  zu  halten,  vgl.  Liv.  21,  5,  3  und  ähnlich  Cic.  de 
off.  1,  10,  32.  —  27,  101  Quoniamque  ita  nUio  comparata  est  vüa  nostrae, 
ut  alia  aetas  oriatur,  maxime  quidem  optandum  est,  ut  cum  aequor 
libus  possis. .  ad  aücem,  ut  didtur,  pervenvre.  L.  setzt  recht  ansprechend 
nach  nostrae  ein  e  nostra.  Indessen  dürfte  die  Ueberlieferung  zu  halten 
sein,  wenn  man  nur  ^iostrae  nicht  auf  die  Zeit  des  Redenden,  sondern  auf 
das  Menschengeschlecht  überhaupt  bezieht,  so  dass  man  ohne  wesentlich 
den  Sinn  zu  ändern  humanae  dafür  setzen  könnte.  Denn  dann  ergibt  sich 
der  Gedanke :  weil  das  menschliche  Leben  so  gestaltet  ist,  dass  eine  andere 
Generation  (natürlich  auf  die  vorangehende)  folgt  mit  andern  Anschauungen, 
andern  Tendenzen,  so  etc.  —  Was  die  Erklärung  betrifft,  so  möchten  wir 
an  einigen  Stellen  der  Seyffert'schen  Auffassung  uns  anschlieTsen,  so  21,  77. 
21.  80;  da  wir  indessen  neue  Momente  nicht  beibringen  können,  wollen 
wir  nicht  weiter  darauf  eingehen. 

Wien.  L.  Vielhaber. 


L.  ChoUmuSf  Dispositionen  etc.,  ang.  v.  K.  Tmnmchek,         5U 

Dispositionen  und  Materialien  zu  deutschen  Aufsätzen  über  The- 
mata für  die  beiden  ersten  Classen  hölierer  Lehranstalten.  Von  Dr.  L. 
Cholevius,  Professor  am  Kneiphöfschen  Stadtgyinnasium  zu  Königs- 
berg in  Pr.  Erstes  Bändchen.  Dritte  vermehrte  und  verbesserte  Auf- 
lage. Leipzig,  Teubner,  1864.  —  1  Thlr.  6  Sgr. 

Um  den  geringeren  Umfang  des  ersten  Bändchens  seines  Hilfsbuches 
gegen  den  des  zweiten  auszugleichen,  hat  der  Hr.  Verf.  eine  Gabe  von  25 
kleinen  Aufisätzen  unter  Nr.  101  —  125  dieser  dritten  Auflage  des  ersten 
Händchens  angefügt.  Die  Vorzüge,  welche  den  Aufgaben  und  Dispositionen 
des  Verfassers  zukommen  (vgl.  diese  Ztschr.  Jahrgang  1860.  S.  807  ff.  und 
Jahrg.  1863.  S.  214  ff.) ,  vermibsen  wir  auch  in  den  neuen  Aufsätzen  nicht. 
Wieder  ist  anzuerkennen,  dass  der  Gesichtskreis  des  Schülers  nirgends  über- 
schritten wird  und  überaU  der  Entwickelung  eine  concrete  Grundlage  ge- 
boten ist.  Da  begegnen  wir  z.  B.  einer  Keihe  passender  Aufgaben,  die  an 
didaktische  Gedichte  oder  inhaltsreiche  Sprüche  sich  anschliefsen  (Nr.  101, 
105,  106,  107,  108,  115,  118, 121);  darunter  sind  insbesondere  auszuzeichnen: 
Nr.  101  ein  Thema  nach  Rückert's:  'Drei  Eaele  kenn'  ich,  die  gewaltig 
sind*  u.  s.  w.,  Nr.  106  nach  desselben  Dichters  bekanntem  Brahmanenspruch . 
'Sechs  Wörtchen  nehmen  mich  in  Anspruch  jeden  Tag'  u.  s.  w.,  Nr.  104, 
wo  die  Spruche  'fortes  fortuna  adiuvat*  und  'Gott  ist  in  dem  Schwachen' 
mächtig*  nach  dem  antithetischen  und  zugleich  übereinstimmenden,  das 
sie  bieten,  in  treffender  Auseinandersetzung  entwickelt  sind.  Das  letztere 
Thema  zeigt  zugleich,  wie  der  Hr.  Vf.  es  versteht,  echtem  Gefühle  zu  un- 
gesuchtem Ausdruck  Gelegenheit  zu  bieten,  indem  er  hier  durch  den  Um- 
stand veranlasst,  dass  E.  M.  Arndt  beide  Sprüche  zusammen  unter  sein 
Bildnis  setzte,  dem  Stoffe  eine  nationale  Beziehung  und  patriotische  Wärme 
verleiht.  Wo  ethische  Verhältnisse  den  Ausgangs-  oder  Zielpunct  des 
Themas  bilden,  werden  auch  in  diesen  Aufgaben  die  Anhaltspuncte  klar 
vorgelegt,  an  die  sich  wie  von  selbst  das  reine  Urtheil  anschlieJfst.  Als  ein 
Muster  in  dieser  Beziehung  ist  uns  das  Thema  Nr.  115  'laudamus  ueteres, 
sed  nostris  utimur  annis*  (Ovid)  besonders  schätzenswerth  erschienen.  Nicht 
mit  Unrecht  hat  Cholevius  seiner  Sammlung  als  Motto  die  Worte  G^the*s 
vorgesetzt:  'greift  nur  hinein  ins  volle  Menschenleben  —  wo  ihrs  packt,  da 
ists  interessant';  denn  in  der  That  vermag  auch  dieser  Spruch  den  um 
Stoff  zu  Schulaufgaben  ängstlich  verlegenen  Lehrer  zu  beschämen.  Und  so 
verdankt  der  Hr.  Verf.  viele  seiner  Aufgaben  den  nächstliegenden  Gegen- 
standen des  umgebenden  Lebens.  Wenn  auch  in  dieser  Richtung  das  neu 
hinzugekommene  Thema  Nr.  114  'Das  Spinnrad*  ein  Interesse  berührt,  das 
für  Jünglinge  femer  liegt,  und  insbesondere  derSchluss  der  Entwickelung 
desselben  durch  die  Klage  über  das  Zurücktreten  der  Handarbeit  von  ein- 
seitiger AufflBissung  nicht  frei  ist,  so  ist  doch  eine  ganze  Keihe  von  ein- 
schlägigen Arbeiten  tactvoU  ausgewählt  und  behandelt.  Da  hat  uns  z.  B. 
das  Thema  Nr.  120  'Das  Vaterhaus*  und  Nr.  123  'welchen  Werth  für  einen 
Landwirth  ein  guter  Nachbar  hat*,  letzteres  namentlich  wegen  seiner  sin» 
nigen  Ausführung  vorzugsweise  gefallen.  Auch  den  heiklen  Aufgaben jpstbe» 
tischer  Art  beg^^en  wir  wieder.  Ist  einmal  ein  Kunstwerk  der  Dichtung 

34* 


512        L,  Cholevius,  Diepositionen  etc.,  ang.  v.  K.  Tanuuchek. 

in  der  rechten  Art  mit  der  Jugend  nicht  durchgesprochen,  sondern  durch- 
genossen, so  mag  bei  vorsichtiger  Wahl  des  Themas  und  seiner  Behand- 
lung auch  durch  Schulaufgaben  die  Weckung  des  ästhetischen  Bewuastaeins 
zum  Ziele  genommen  werden.  Doch  muss  der  Lehrer  sicher  sein,  dass  er 
dadurch  gleichfalls  die  Freude  des  Schülers  an  dem  Werke  befestigt,  ver- 
tieft und  wo  möglich  erhöht.  Immer  mag  man  sich  dabei  Gkethe^s  Satz 
vor  Augen  halten,  der  die  stille  Fruchtbarkeit  gerade  solcher  Eindrücke 
für  ganz  unschätzbar  erklärt,  die  man  geniefsend,  ohne  zersplitterndes 
ürtheil  in  sich  aufnimmt.  £r  fügt  bezeichnend  genug  hinzu:  'die  Jugend 
ist  dieses  höchsten  Glückes  fähig,  wenn  sie  nicht  kritisch  sein  will,  son- 
dern das  Vortreffliche  und  Gute  ohne  Untersuqhung  und  Sonderung  auf 
sich  wirken  lässt.*  Goldene  Worte,  die  jedem  Lehrer  das  endlose  mündliche 
und  schriftliche  Zergliedern  der  dichterischen  Meisterwerke  in  der  Schule 
gründlich  verleiden  sollten.  Aus  diesem  Gesichtspuncte  haben  wir  in  dieser 
Zeitschrift  (Jahrg.  1865.  S.  64),  selbst  gegenüber  einem  so  vorzüglichen 
Schulmanne  wie  Cholevius,  die  Methode  entschieden  misbilligen  müssen, 
welche  in  dessen  Schuleommentare  zu  Hermann  und  Dorothea  befolgt  ist 
und  von  jenen  Grundsätzen  abirrt.  Hiernach  erscheinen  uns  manche  der  vom 
Hm.  Vf.  zu  Hermann  und  Dorothea  vorgeschlagenen  24  Aufgaben  geradezu 
das  unpedagogische  einer  solchen  Behandlung  der  Schullectüre  darzuthun. 
Sie  stützen  sich  auf  Untersuchung  und  Sonderung  des  einzelnen,  welche 
den  Genuss  und  die  Wirkung  des  Gedichtes  eher  zu  stören  als  zu  erhöhen 
im  Stande  sind.  Denn  zur  Leitung  der  Leetüre,  ja  selbst  der  Privatlectüre, 
um  *das  blofse  Lesen  in  ein  aufmerksames  und  erspriefsliches  Studium  zu 
verwandeln',  schlägt  der  Verfasser  seine  Themata  vor.  Darunter  sind  Auf- 
gaben enthalten,  wie  die  folgenden:  Nr.  18:  'wie  der  Dichter  die  Natur 
geschildert  und  welche  Stellen  ausnahmsweise  an  das  Sentimentale  strei- 
fen *,  Nr.  21 :  'eine  Zusammenstellung  der  hauptsächlichsten  epischen  Ver- 
zahnungen* Nr.  24:  'wie  die  französische  Revolution  aufzufassen  war,  wenn 
sie  in  ein  idyllisches  Gedicht  hineinspielen  sollte  u.  s.  w.'  Man  sieht,  dem 
Verfasser  ist  es  wirklich  vor  allem  und  zunächst  um  das  Studium  des 
Werkes,  uns  hingegen  vor  allem  um  den  Genuss  desselben  zu  thun.  Der 
Schüler,  sagt  Cholevius,  muss  dem  Dichter  Schritt  für  Schritt  folgen  lernen. 
Wie  das  Gedicht  selbst,  fährt  er  fort,  sich  aus  Einzelheiten  zusammen- 
setzt, so  müssen  sich  seine  Wahrnehmungen  allmählich  zur  Auffassung 
gröfserer  Theile  und  allgemeinerer  Eigenthümlichkeiten  der  Daratellung 
ansammeln,  worauf  ihn  zuletzt  ein  nach  bestimmten  Gesichtspuncten  geord- 
neter Rückblick  veranlasst,  sich  das  Ganze  zu  vergegenwärtigen.  Auf  die- 
sem heuristischen  Wege  nun  soll  der  fortlaufende  Commentar  und  Haus- 
aufgaben der  bezeichneten  Art  die  Leetüre  begleiten.  Aber  die  Gefahr  liegt 
nahe,  die  kritische  Beobachtung  stets  in  die  Auffassung  einzumischen  und 
durch  jene  diese  zu  verkümmern.  Naturgemafs  hingegen,  vorzüglich  bei 
jugendlichen  Lesern  ist  es,  dass  über  die  Auffassung  des  Einzelnen  und  die 
Freude  daran  die  fortlaufende  dichterische  Darstellung  uns  hinreifst,  bis 
wir  im  Genüsse  des  Ganzen  gewissermafsen  ausruhen.  Wer  auch  wollte  es 
sich  gefallen  lassen,  wenn  z.  B.  bei  Darstellung  einer  fesselnden  Tragoedie 
der  Kritiker  an  unserer  Seite  fortwährend  sein  aufklärendes  Urtheil  ein- 


B.  Eeufs,  Graf  Ernst  v.  Mansfeld,  ang.  v.  F,  Krofies.         518 

mengte  und  von  uns  selbit  überall  ein  Urtheil  verlangte.  Ein  ähnliches  ist 
es,  wenn  man  ein  dichterisches  Werk  in  der  Schule  sogleich  mit  Rücksicht 
auf  ein  möglichst  vielseitiges  Studium  desselben  zu  lesen  unternimmt.  Da 
gilt  es  vielmehr  blofs  die  einfachsten  Hindemisse  des  Verständnisses  eu 
beseitigen  und  im  übrigen  dem  Werke  selbst  es  zu  überlassen,  seine  eigen- 
thümliche  Wirkung  zu  thun.  Ist  diese  Wirkung  gesichert,  Genuss  und 
Freude  am  Werke  erzielt,  dann  erst  mag  ein  Verweilen  bei  einzelnem  und 
ein  geordneter  Rückblick  über  das  Ganze  hinzutreten,  um  dem  Gefühle  die 
Einsicht,  selbst  mit  Rücksicht  auf  sesthetische  Kritik,  zu  gesellen.  In  dieser 
Beziehung  wird  der  Lehrer  bei  der  Leetüre  von  Hermann  und  Dorothea  in 
der  Schule  dem  Commentare  des  Verfassers,  wie  dies  von  dem  Werke  eines 
80  hochgebildeten  Kenners  der  deutschen  und  antiken  Dichtung  nicht  an- 
ders zu  erwarten  ist,  nicht  wenige  treffliche  Winke  entnehmen  können. 
Auch  einige  der  vom  Verfasser  zu  dem  Gedichte  gestellten  Aufgaben,  wenn 
sie  nur  nicht  mit  ihren  Reflexionen  der  Leetüre  unmittelbar  sich  aufdrän- 
gen, dürften  mit  Erfolg  zur  Ausführung  kommen.  Da  mag  denn  selbst  ein 
Thema  gelten,  wie  etwa  Nr.  15,  'weshalb  erscheint  uns  der  Dorfrichter  als 
ein  Charakter  von  epischer  Gröfse,  obgleich  wir  ihn  doch  nur  sehr  ge- 
wöhnliche Dinge  thun  sehen.'  Immer  vorausgesetzt,  dass  dem  Schüler  die 
berührten  sssthetischen  Verhältnisse  in  klarer  Einfachheit  vorgelegt  wurden. 

Aufgaben,  welche  an  Werke  der  Dichtkunst  anknüpfend,  nicht  so- 
wol  das  formell-ffisthetische  als  vielmehr  die  stoffliche  Grundlage  derselben 
oder  historische  Umstände  im  Auge  haben,  erregen  geringeres  Bedenken. 
Von  dieser  Art  sind  die  einschlägigen  Themata,  mit  welchen  der  Verfasser 
diese  Auflage  der  'Dispositionen  und  Materialien*  bereichert  hat.  Darunter 
ist  die  Entwickelung  zu  Nr.  111:  'Die  Schwermuth  und  die  Genesung  des 
Orestes,  nach  Goöthe*  besonders  auszuzeichnen.  Dagegen  gibt  die  Dispo- 
sition zu  Nr.  117  'Die  orientalische  Localfarbe  der  Darstellung  in  Lessing^s 
Nathan  der  Weise'  Veranlassung  zu  einer  wol  sorgföltigen  aber  einseitigen 
Leetüre  des  Ganzen,  die  zu  mechanisch  ist,  als  dass  sie  zugleich  genuss- 
reich und  fruchtbar  wäre.  Dies  aber  soll  in  der  Anleitung  der  Schule 
selbst  die  wiederholte  Leetüre  eines  dichterischen  Werkes  immer  bleiben. 

Graz.  Karl  Tomasche k. 


Graf  Ernst  von  Mansfeld  im  böhmischen  Kriege  1618  —  1621. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  dreifsifflährigen  £ieges,  von  Rudolf 
Reufs.  Mit  einem  Plane  von  Pilsen.  Braunschweig,  Schwetschke  u. 
Sohn.  (M.  Bruhn),  1865.  XIU  u.  128  S.  —  18  Sgr. 

Der  drelfsigjahrige  Krieg  kann  mit  Fug  und  Recht ,  was  den  Streit 
der  leitenden  Anschauungen  oder  die  Masse  des  geschichtlichen  Materia- 
les  betrifft,  eine  wahre  Fundgrube  von  Anregungen  zu  monographischen 
Arbeiten  genannt  werden.  Der  vorliegende  ^Beitrag**  zählt  zu  den  beston 
derselben.  Innerhalb  eng  begrenzter  historischer  Verhältnisse  sich  bewegend 
fpflselt  er  durch  klare  und  genaue  Erörterung  von  Thatsachen,  die  als  be- 
wegende Kräfte  im  grofsen  Gange  weltgeschichtlicher  Ereignisse  mitwirk- 
ten und  an  letzteren  ihren  Hintergrund  finden.  Und  was  ihm  einen  beson- 


514  B,  Reufs,  Graf  Ernst  v.  Mansfeld,  ang.  v.  F.  Kranes. 

deren  Werth  verleiht  ist  die  emsige  Durchforschung  der  nahezu  uner- 
schöpflichen Flugschriftenliteratur  jener  Tage,  in  so  weit  selbe  seine 
Aufgabe  berührte  und  dem  Verf.  zugänglich  war.  In  dieser  Beziehung  ist 
der  Anhang  (S.  112—122)  u.  d.  T.  „Einiges  zur  Quellenkritik'*  sehr  dan- 
kenswerth.  Namentlich  waren  es  die  Sammlungen  in  Wolfenbüttel,  Berlin, 
Weimar,  Göttingen,  Erfurt,  die  der  Hr.  Vf.  unmittelbar  durchforschte  oder 
von  befreundeter  Seite  für  seinen  Zweck  durchforschen  liefs.  Auf  eine 
„ausführliche  Bearbeitung**  der  „sehr  zahlreichen  Mansfeldliteratur**  meint 
er  jedoch  (S.  114)  verzichten  zu  können,  da  binnen  kurzem  die  einschlägige 
Arbeit  seines  Freundes  E.  Fischer  „de  Emesti  Mansfeldii  scriptis  apolo- 
geticis  nee  non  de  actis  Mansfeldicis"  erscheinen  würde. 

Dass  der  Hr.  Vf.  mit  dem  ganzen  Rüstzeug  gedruckter  Vorarbeiten 
vertraut  ist,  erhellt  aus  dem  Büchlein;  dass  er  einer  entschiedenen  Auf- 
fassung, der  protestantisch-liberalen,  huldigt,  bewahrt  ihn  vor  dem  leidi- 
gen Schwanken  in  ürtheil  und  Darstellung;  dass  er  ohne  blind  zu  sein 
für  die  moralischen  Gebrechen  seines  Helden,  denselben  überall,  wo  es 
angeht,  lebhaft  in  seinem  Rechte  vertritt,  darf  ebenso  wenig  bemängelt 
werden.  Nirgends  hat  endlich,  und  darauf  legen  wir  groflses  Gewicht,  den 
Hrn.  Vf.  die  ausgebreitete  Lesung  der  religiös-politischen  Flugschriften  jener 
Zeit  zu  einer  allzu  schroffen  Auffassung  der  Dinge  getrieben,  oder  eine  so 
schneidige  Apodiktik  der  Behauptungen  veranlasst,  welche  gegen  den  ob- 
jectiv  ruhigen  und  gemessenen  Ton  der  Erzählung  störend  abstäche.  Doch 
findet  sich  z.  B.  S.  XI  des  Vorwortes  ein  Satz,  den  der  Hr.  Vf.  gleich  selbst 
darauf  in  einer  Weise  erläutert,  dass  sein  Kern  schier  ganz  verloren  geht 
und  die  bekämpfte  gegnerische  Anschauung  weit  mehr  Recht  behält,  als 
ihr  der  Hr.  Vf.  zusprechen  möchte.  Er  sagt  nämlich :  „Es  galt  in  der  That 
die  Erhaltung  der  religiösen  Freiheit,  wenn  auch  nur  in  einer  höchst 
mangelhaften  Gestaltung,  es  galt  die  Erhaltung  der  politischen  Freiheit, 
wenn  auch  nur  in  veralteter  Form ;  es  galt  in  der  That  die  Existenz  „der 
teutschen  Libertät  und  wahrhafft  Evangelischen  Religion  gegen  das  spa- 
nische Joch  und  der  Päbstlichen  Tyrannei"  --  und  beweist  selbst  unmittel- 
bar später  mit  grofser  Gewandtheit,  dass  „dieser  ganze  Krieg  oft  nur  eine 
ermüdende  Wiederholung  von  Kämpfen  und  Gräuelthaten,  in  der  die  höhe- 
ren leitenden  Principien  vor  dem  persönlichen  und  dynastischen  Ehrgeiz, 
vor  den  Begierden  des  Hasses  und  der  Habsucht  verschwinden**  (S.  XII); 
er  spricht  es  aus  (S.  XIII),  dass  „der  Abschluss  des  westphälischen  Frie- 
dens die  selbstmörderische  legale  Sanction  des  Zerfalles  des  heiligen  römi- 
schen Reichs  deutscher  Nation.** 

Wie  kurz  auch  diese  Anzeige  bemessen  sein  muss,  so  können  wir  doch 
einer  gedrängten  Verzeichnung  des  interessanten  Inhaltes  nicht  entrathen. 

Die  Einleitung  (S.  1—5)  bietet  „Ernst  von  Mansfeld's  frühere  Lebens- 
geschichte.** Der  Hr.  Vf.  vertritt  die  Echtheit  der  Geburt  Mansfeld's  und 
beleuchtet,  gestützt  namentlich  auf  E  r  d  m  a  n  n  s d ö  r  f  e  r's  tüchtige  Quellen- 
studie (Karl  Emanuel  I.  von  Sävoyen  und  die  Kaiserwahl  von  1619.  Leip- 
zig, 1862),  sein  Verhältnis  zu  Savoyen  in  den  J.  1613—1617.  „Die  böh- 
mische Rebellion  und  die  Eroberung  Pilsens**  durch  Mansfeld  bildet  den 
mit   ausgezeichneter  Sorgfalt  gearbeiteten  ersten  Abschnitt  (S.  6—34), 


B,  Reußy  Graf  Ernst  v.  Mansfeld,  ang.  v.  F.  Kranes.  515 

worauf  der  zweite  Abschnitt  (S.  34-44)  znr  Erörtemng  der  „diplomatischen 
Sendung  Mansfeld's  nach  Turin  (Dcc.  1618,  J&n.  1619  — März)  tibergeht. 
Hier  fuftt  der  Hr.  Vf.  neben  dem  Archiv.  Ünito-Protest.  als  Hauptquelle, 
auf  Erdmannsdörfer^s  Arbeit,  nimmt  jedoch  gegen  dessen  Vermuthung: 
Mansfeld  habe  da  verdächtig  manövriert,  den  Genannten  in  Schutz  und 
polemisiert  (S.44,  Nr.  1)  gegen  Gindely's  Abhandlung  „üeber  die  Vor- 
gänge bei  der  Absetzung  Ferdinands  H.  als  E5n.  v.  Böhmen  und  bei  der 
Wahl  Friedrichs  V.  von  der  Pfalz  zum.  König  von  Böhmen"  (Sitzgsb.  der 
Wiener  Akad.  d.  W.  bist.  phil.  E.  Bd.  31),  ohne  jedoch  nach  unserm  Da* 
ftirhalten  die  Hauptsache  zu  alterieren. 

„Die  Lage  im  Winter  1618—1619  und  der  Sommerfeldzug  1619" 
behandelt  der  dritte  Abschnitt  (S.  45—56).  Der  Hr.  Vf.  hat  aus  Flugschriften 
die  beztiglichen  Ergebnisse  der  K.  A.  Mö  Herrschen  „Forschungen  z.  neuem 
Geschichte"  (1838.  HI.)  wesentlich  ergänzt.  Namentlich  fällt  auf  Mansfeld's 
und  Bouquoy's  Kriegsfiihrung  helles  Licht.  Der  folgende  Abschnitt  hat  es 
mit  der  „böhmischen  Königswahl"  und  den  Ereignissen  im  Sommer  1620 
zu  thun.  Hier  sucht  der  Hr.  Vf.  ein  möglichst  selbständiges  ürtheil  sich  zu 
wahren.  Dies  zeigt  sich  unter  anderm  auch  in  seiner  Controverse  mit  Gin- 
dely.  Was  die  Wahlabsichten  der  Böhmen  und  die  ganze  Wesenheit  der 
böhmischen  Kebellion  betrifft  (S.  62—63,  Nr.  2).  Bei  aller  Rücksicht,  welche 
der  H.  Vf.  der  Haltung  Mansfeld's  im  Sommer  1620  angedeihen  lässt,  fühlt 
er  sich  doch  zu  dem  ürtheile  bewogen,  „dass  Mansfeld  keiner  höheren 
Begeisterung  für  die  von  ihm  verfochtene  Sache  fähig  war"  (S.  77,  Nr.  2). 
„Edel",  helfst  es  S.  79,  „kann  der  Entschluss  keineswegs  genannt  werden 
(seinen  Abschied  zu  forden),  denn  die  Schlusskrisis  nahte  mit  drohender 
Schnelligkeit."  Ihre  Schilderung  entwirft  mit  grofser  Sorgfalt  der  letzte 
Abschnitt  (8.  81—112)  u.  d.  T.  „Die  Bayern  vor  Pilsen;  Mansfeld  verläset 
Böhmen."  In  Bezug  auf  die  Bolle,  welche  Mansfeld  den  Kaiserlichen  gegen^ 
über  spielte,  äufsert  sich  der  Hr.  Vf.  folgendermafsen  (S.  87) :  „Wenn  wir 
nun  die  Frage  beantworten  sollen,  ob  Mansfeld  wirklich  beabsichtigte  zu 
den  Alliierten  überzugehen,  müssen  wir,  wie  schon  oben  (S.  83  f.)  ausge- 
führt wurde,  von  unseren  heutigen  Begriffen  dabei  absehen,  welche  sein 
Urtheil  durchaus  nicht  beeinflussen  konnten.  Für  ihn  lag  die  Sache  so: 
factisch  hatte  er  seit  langen  Monaten  keinen  Sold  mehr  erhalten,  die  Böh- 
men schuldeten  ihm  wenigstens  so  viel  als  Pilsen  den  Alliierten  werth  sein 
konnte,  auch  seine  Truppen  waren  sein  eigen,  da  er  sie  schon  geraume  Zeit 
selbst  unterhielt:  rechtlich  fesseltd  ihn  auch  kein  Vertrauen  an  die  Böhmen, 
denn  er  hatte  seinen  Soldcontract  schon  zweimal  gekündigt  und  der  Monat 
October,  den  er  noch  dem  Könige  gegen  unerfüllte  Versprechungen  zuge-» 
standen,  gieng  zu  Ende.  Er  hatte  daher  nur  nach  seinem  Interesse  zu 
fhigen  und  dieses  vor  allem  musste  seine  Entscheidung  bestimmen"  .  . . 
(8.  88)  „Wenn  er  von  sich  selbst  sagt"  (heifst  es  weiter  unten »  *er  sei  nicht 
so  dumm,  noch  so  schlechter  Geschäftsmann  gewesen,  einen  so  tollen  Streich 
zu  machen  und  seine  unersetzliche  Ehre  gegen  vergängliches  Gut  zu  ver^ 
kaufen*,  so  mag  das  letztere  Wort  eine  Phrase  sein,  aber  das  übrige  ist 
gewiss  richtig  und  es  wäre  in  der  That  *eine  faule  Speculation*  gewesen." 
Seine  Haltung  nach  der  Prager  Schlacht  wird  sehr  ausführlich  erörtert 


510  Literaripcbc  Notizen. 

(S.  91  f.)  und  bei  Gelegenheit  der  Erwähnung  des  Mansfeldiscben  Schrei- 
bens an  Bethlen,  Siebenbürgens  Fürsten,  v.  28.  Jan.  1621  (S.  99—100),  der 
Geist  des  damaligen  Briefwechsels  sehr  glücklich  charakterisiert.  Mit  Ge- 
wandtheit nimmt  der  Hr.  Vf.  Mansfeld  gegen  die  Acta  Mansfeldica  in  Schutz 
(S.  106—109)  und  schliefst  den  Abschnitt  mit  der  erfreulichen  Zusage  (S.  111), 
^die  Schilderung  der  zweiten,  weit  glänzenderen  Hälfte  seiner  (Mansfeld^s) 
Laufbahn  bleibt  einer  späteren  Arbeit  vorbehalten.  Sie  wirct  dann  die  Schick- 
schale  des  kühnen  und  verschlagenen  Abenteurers,  der  so  lange  die  Feld- 
herren und  Diplomaten  beschäftigte  und  der  einer  der  interessantesten 
Charaktere  jener  an  solchen  Charakteren  wahrlich  nicht  armen  Zeit  ge- 
wesen ist,  bis  zu  seinem  Ende  weiter  verfolgen.^ 

Die  äufsere  Ausstattung  der  durchaus  werthvoUen  Monographie  ist 
sehr  gefällig. 

Graz.  F.  K  r  0  n  e  8. 

Literarische  Notizen.  Neue  Auflagen. 

Ahi'iss  der  deutschen  Metrik  nehßt  metrischen  Aufgaben.  Ein  Leit- 
faden für  Schulen  von  Dr.  Eauard  Niemeyer,  Rector  der  Neust&dtischen 
Realschule  zu  Dresden.  Zweite  verbesserte  Auflage.  Dresden,  Höckner,  1865. 
68  S.  -   10  Sgt. 

Die  vorliegende  Schrift  behandelt  zuerst  die  „Versmessung"  (d.  h. 
die  Geschichte  der  deutschen  Metrik),  dann  den  „Gleichklang"  (Allitere- 
tion.  Assonanz,  Reim),  drittens  „die  Versmafse"  (d.  h.  die  Versarten; 
die  Versfüfte  finden  keine  besondere  Darstellung),  viertens  die  Strophen, 
und  gibt  endlich  metriEche  Aufgaben,  an  deren  Zweckmäfsigkeit  und  Brauch- 
barkeit wir  zweifeln.  Eine  bestimmte  Stufe  des  Gymnasialunterrichtea 
scheint  der  Verf.  nicht  im  Auge  gehabt  zu  haben,  obgleich  er  sich  vor- 
stellt, das  Büchlein  könne  schon  von  Tertia  an  zum  Leitfaden  dienen.  Die 
Lehrhafti^keit,  der  geordnete  sichere  Gang,  die  feste  Ausprägung  fasslicher 
Regeln,  die  üntfricheidiing  zwischen  dem  wesentlichen  und  unwesentlichen 
fehlt  überhaupt.  Nicht  einmal  die  Grundbegriflfe  sind  im  Eingang  ordent- 
lich gegeben,  daher  z.  B.  S.  10,  zum  Ende  des  ersten  Abschnittes  gelegent- 
lich von  der  „deutschen  Prosodie  oder  Lehre  von  dem  Silbenmafse**  ge- 
sprochen wird.  Mit  Schülern,  welche  nicht  eine  ziemlich  vollständige  An- 
schauung der  Literaturgeschichte  mitbringen,  ist  das  Buch  gar  nicht  zu 
gebrauchen.  Auch  mit  solchen  höchstens  als  metrisches  Lesebuch,  was  doch 
eine  ganz  neue  Kategorie  innerhalb  der  Schulbücherliteratur  sein  dürfte. 
Und  selbst  als  metrisches  Lesebuch  wäre  es  nicht  sonderlich  empfehlens- 
werth.  Dass  der  Verf.  „der  historischen  Entwickelung  die  gebührende  Be- 
rücksichtigung schenkt"  ist  allerdings  löblich.  Aber  nur  muss  das  in  rechter 
Weise  geschehen  und  wenn  es  in  rechter  Weise  geschieht,  so  wird  man 
wahrscheinlich  sich  nicht  mit  der  blofsen  Berücksichtigung  des  historischen 
begnügen,  sondern  es  zum  obersten  Gesichtspuncte  erheben ;  dann  aber  auch 
Koberstein's  „ausgezeichnete  Forschungen",  wenn  sie  schon  als  alleiniger 
„Wegweiser  und  Quelle"  dienen,  wenigstens  mit  vollem  Verständnis  auf- 
genommen und  sich  angeeignet  haben  müssen.  Der  Praxis  der  Schule  muss 
aber  innerhalb  des  historischen  Rahmens  völlige  Freiheit  gewahrt  bleiben 
sich  nach  ihrem  jeweiligen  Bedürfnis  zu  bewegen,  und  der  Lehrer  daher, 
wo  er  überhaupt  eines  eigenen  metrischen  Leitfadens  sich 
bedienen  zu  sollen  meint,  den  Stofif  in  so  deutlicher  Scheidung  vor- 
finden, dass  er  bequem  auswählen  kann.  Die  Grundbegriffe  der  deutschen 
Betonung,  welche  in  alter  wie  neuer  Zeit  ihr  Princip  niemals  verändert, 
höchstens  modificiert  hat,  können  nicht  früh  genug  gegeben  werden  und 
schon  im  Quarta  bietet  die  Declaraation  hinlänglichen  Anlass  dazu.  Es  ist 


Literarische  Notizen.  517 

nur  eine  Explication  des  Spracbgeftlhls ,  wenn  dem  Schüler  der  Hoch  ton 
und  Tiefton  oder  Hauptaccent  und  Nebeiiaccent  vertraut  und  geläufig  ge- 
macht werden.  Aber  wie  auf  diesen  Betonungsverhältniseen  der  altdeutsche 
Vers  ruhe,  das  brauchen  die  Schüler  nicht  eher  zu  erfahren,  als  bis  sie 
altdeutsch«  Yei-se  zu  lesen  bekommen.  Dass  hingegen  antike  Metern  nur  in 
Itezug  auf  den  Rhythmus  und  nach  einer  gewissen  Analogie  zwischen  unseren 
betonten  Silben  und  den  alten  Längen  nachgeahmt  werden,  das  kann  man 
ihnen  sagen,  sobald  sie  in  die  antike  Metrik  eingeführt  sind.  Im  ganzen 
scheinen  uns  die  richtigen  metrischen  Anschauungen  noch  so  wenig  verbreitet 
zu  sein,  dass  ein  tüchtiges  Hilfsbuch  für  Lehrer,  wie  wir  keines  kennen,  eine 
kurze  aber  vollständige  Geschichte  der  deutschen  Metrik,  einem  wahren, 
wenn  auch  vielleicht  nur  von  wenigen  empfundenen  Bedür&isse  abhelfen 
und  segensreicher  wirken  würde  als  alle  Leitfäden  und  Abrisse  zusammen- 
genommen. 

Grammatik  und  Glossar  bu  der  Nihelunge  Kot  für  den  Schul- 
gebrauch zusammengestellt  von  Ernst  Martin.  Berlin,  Weidmann.  1865. 
35  S.  -  6  Sgr. 

Eine  treflTliche  Arbeit,  die  überall  dort  willkommen  geheifsen  werden 
¥rird,  wo  man  beim  altdeutschen  Gymnasialunterrichte  nicht  darnach  strebt, 
den  Schülern  aus  Lesebüchren  eine  Reihe  unsicherer  und  schwankender  Bilder 
vorzuführen,  sondern  lieber  das  Nibelungenlied  in  so  eingehender  Weise  be- 
handelt, dass  neben  Homer  ein  ausgeprägter  und  deutlicher  Begriff  auch 
unseres  nationalen  Volksepos  in  den  jungen  Gemüthern  sich  befestigt.  Der 
Verf.  gibt  auf  8  Seiten  einen  Abriss  der  Granimatik  und  Metrik ,  auf  25 
weiteren  Seiten  ein  Glossar,  das  zunächst  für  die  Lachmann'sche  Ausgabe  des 
Gedichtes  berechnet  ist.  Er  hat  sich  möglichst  kurz  gehalten  und  den  Ge- 
steh tspunct  eines  Hilfsbuches  für  den  Unterricht  nicht  aus  den  Augen  ver- 
loren, so  dass  ein  feiger  Lehrer  nichts  vermissen  wird,  allerdings  aber  ein 
solcher  und  seine  ergänzende  Belehrung  durchgehends  vorausgesetzt  werden 
muss.  Die  Brauchbarkeit  des  Werkchens  hat  sich  schnell  bewährt,  indem 
bereits,  ein  Vierteljahr  etwa  nach  dem  ersten  Erscheinen,  eine  zweite  Auflage 
im  Buchhandel  ist.  —  Im  einzelnen  bemerken  wir,  dass  in  der  Grammatik 
§.  4  von  tonlosem  e  im  zwiefachen  Sinne  gesprochen  und  dadurch  leicht 
Verwirrung  hervorgebracht  wird,  so  dass  sich  wohl  empfehlen  dürfte,  das  im 
engeren  Sinne  sogenannte  tonlose  und  das  stumme  e,  wo  es  sich  um  die 
allgemeine  Bezeicnnung  beider  handelt,  als  geschwächtes  oder  schwaches  e 
zusammenzufassen:  nur  müsste  man  dann  Lachmann''8  Terminologie,  in 
welcher  das  'schwache'  e  so  viel  als  'tonlos*  bedeutet,  fallen  lassen.  —  Im 
Glossar:  S.  20  gere  in  der  Bedeutung  „Saum"  dürfte  sich  im  Nibelungen- 
liede schwer  nachweisen  lassen.  —  8.  21  muss  es  helTsen  „heim  helme  st. 
u.  8.  m.**  —  S.  23  JcmiMwojgen  st.  m.  Wiigen,  dessen  Räder  mit  eisernen 
Reifen  beschlagen  sind" :  diese  Erklärung  hätte  wohl  eine  Rechtfertigung 
im  „Nachwort*  verdient.  —  S.  24  J,eim  st.  m.  Lied  von  ungleichartigen 
Strophen,  gesungen  oder  gespielt** :  wie  kennen  im  N.  L.  nur  die  Bedeutung 
„Melodie".  —  S.  25  ist  die  Erklärung  von  marcgrdve  unrichtig,  wenn 
gleich  in  üebereinstimmung  mit  Lübben,  dem  älteren  Glossar  von  Wacker- 
nagel und  dem  mhd.  Wb.  Die  Vereinigung  der  Civil-  und  Militärgewalt, 
sowie  die  Vereinigung  mehrerer  Grafschaften  in  Einer  Hand  konnte  etwa 
durch  „königlicher  Oberbeamter  mehrerer  Grenzbezirke"  angedeutet  werden. 

—  S.  28  besser:  „wir  sahen  feine  ungefärbte  Leinwand".  —  S.  28  Sp.  2 
hat  der  Verf.  trotz  Pfeiffers  Erörterungen  in  seiner  Germania  6,  225  —  231 
den  schelch  mit  vollem  Rechte  als  ein  unbekanntes  Thier  bezeichnet. 
Denn  die  von  J.  Grimm  und  Graff  angeführte  Kaiserurkunde  von  943 
(wozu  noch  zwei  andere  von  1006  und  1025,  wir  wissen  nicht  ob  auf  jene 
zurückgehende  kommen,  die  Radlof  Schreibungslehre  S.  313  Anm.  erwähnt), 

—  bestias  quae  ieutonica  lingun  elo  aut  schelo  appellatvtur  heifst  es  darin  — 
beweist,  dass  im  10.  Jahrhunderte  der  Scheich  für  identisch  mit  dem 
Elenn  galt,  dass  er  also  für  den  Verfasser  jener  Stelle  des  Nibelungenliedes, 


518  LiterariscUe  Notizen. 

in  welcher  er  neben  dem  Elenn  (Elch)  als  ein  besonderes  Wild  aufgeführt 
wird,  ein  unbekanntes  Thier  sein  musste,  was  den  interpolierenden  Vers- 
niacher  natürlich  nicht  hinderte,  das  Epitheton  grimme  an  diesen  schönen 
Beim  auf  eich  zu  wenden.  Wie  es  im  übrigen  mit  der  Identificierung  des 
Scheich,  iragelaphus  und  cervtis  hiberniais  (eine  sehr  leicht  zugängliche 
Abbildung  desselben  findet  sich  in  den  „gesammten  Naturwissenschaften*' 
3,  290)  stehe,  brauchen  wir  hier  nicht  des  näheren  zu  erörtern:  genug, 
dass  alle  Quellenstellen  über  den  tragelaphus  auf  Plinius  zurückgehen,  der 
ihn  nur  am  Phasis  kennt,  und  dass  der  c.  hibcrnicus  (oder  c.  megaceros) 
nicht  in  der  Tertiärzeit  nachgewiesen  ist,  also  irgend  einem  mittelalter- 
lichen Menschen  nur  durch  besondere  palffiontologische  Offenbarung  bekannt 
gewesen  sein  könnte. 

Tagebuch  einer  griechischen  Reise  von  F.  O.  Welcher^  Berlin, 
W.  Hertz,  1865.  Erster  Band  X  u.  344  S.  Zweiter  Band  338  S.  kl.  8. 

Vor  dreiundzwauxig  Jahren,  vom  Januar  bis  August  1842,  bereiste 
Welcker  in  Begleitung  von  Dr.  Henzen  den  gröfsten  Theil  des  eigentlichen 
Griechenlandes,  den  nördlichen  Theil  der  Westküste  Kleinasiens  und  mehrere 
der  griechischen  Inseln.  lieber  die  gesammte  Beise  führte  er  ein  genaues 
Tagebuch,  welches  ihm  nicht  nur  die  Erlebnisse  der  Beise  in  frischer  Erin- 
nerung erhalten,  sondern  auch  bei  wissenschaftlichen  Forschungen  auf  diesem 
Gebiete  als  Grundlage  dienen  sollte,  ohne  dass  eine  Veröffentlichung  des 
Tagebuches  selbst  bei  dessen  Abfassung  irgend  beabsichtigt  wurde.  Eine 
Aufforderung  von  befreundeter  Seite  an  den  verehrten  Greis  hat  jetzt 
die  Publication  desselben  veranlasst.  Wir  können  den  Charakter  des  Buches 
nicht  besser  bezeichnen,  als  indem  wir  einige  Worte  aus  der  Vorrede  aus- 
heben. „Bei  diesem  Tagebuche  ist  vor  allem  der  Gesichtspunct  zu  fassen, 
dass  es  gewissermaXsen  als  Manuscript  für  Freunde  gedruckt  wird.  Dadurch 
ist  der  grofse  Unterschied  ausgedrückt,  der  zwischen  dieser  Schrift  und 
einem  Buche  besteht,  und  in  diesem  besondem  Fall  a^ch  durch  einen  Blick 
auf  wissenschaftliche  Werke,  wie  das  gediegene  und  vortreffliche  über  den 
Peleponnes  von  E.  Curtius  und  einige  neuere  g[ute  Ausführungen  über 
kleine  Theile  von  Griechenland  noch  deutlicher  wird.  Die  Absicht  meiner 
Beise  war  auf  keinen  Theil  der  Forschungen  vorzugsweise  gerichtet, 
welche  das  Land  oder  auch  die  mit  Griechenland  am  meisten  verbundenen 
Studien  angehen,  als  Architektur,  bildende  Künste,  Numismatik,  Enigraphik 
u.  s.  w.  Irgend  Vorbereitungen  zu  der  Beise  zu  njachen  wäre  ich  damals 
nicht  im  Stande  gewesen.  Einst  hatte  ich  dazu  einen  rüstigen  Anfang  ge- 
macht . .  .  jetzt,  in  meinem  achtundfünfzigsten  Jahre,  war  ich  zufrieden, 
Anschauung  zu  gewinnen  von  dem  Boden  und  Himmel  und  Erfahrung  von 
dem  Klima  des  Landes,  das  mich  so  viel  und  so  befriedigend  beschäftigt 
hatte,  und  die  merkwürdigsten  Ueberbleibsel  aus  dem  Alterthume  mit  eigenen 
Augen  zu  sehen  . . .  Dann  brachte  die  angenommene  Begel  der  Vollständig- 
keit jeder  Tagesgeschichte  auch  die  Berünrung  aller  oder  der  meisten  Be- 
kanntschaften und  Beschäftigungen  mit  sich,  wodurch  das  Tagebuch  Aehn- 
lichkeit  mit  einem  Stückchen  Selbstbiographie  erhielt  Zugesetzt  oder  ver- 
ändert habe  ich  kein  Wort  und  ausgestrichen  nur  sehr  wenig,  um  nicht  den 
Charakter  des  ganzen,  wie  es  nun  einmal  ist,  zu  ändern.**  —  Der  Verfasser 
-hat  Becht  sein  Buch  mit  einem  Stücke  Selbstbiographie  und  mit  einem 
Manuscripte  für  Freunde  zu  vergleichen.  Nur  zur  Wiedererinnerung  für  den 
Verfasser  selbst  bestimmt,  verzichtet  die  Darstellung  auf  den  Beiz  stilisti- 
scher Abrundung  und  verschmäht  es  nicht,  auch  die  kleineren,  in  ähnlicher 
Weise  sieh  wiederholenden  Erlebnisse  in  kurzen  Andeutungen  zu  verzeichnen. 
Indessen  diese  kleinen  Einzelheiten  vereinigen  sich,  insoweit  sie  nicht  einer 
Charakteristik  der  gegenwärtigen  Culturzustände  jener  Länder  dienen,  zu 
einem  treuen  Lebens  bilde  des  '\^rfas8er8 ;  und  sie  bilden  doch  nur  den  Bahmen 
für  den  eigentlichen  Inhalt  des  Buches,  indem  die  Anschauung,  welche 
Welcker  von  dem  Lande  seiner  allseitigen  Forschungen,  man  möchte  sagen 
von  seinem  geistigen  Heimathslande  gewonnen,  mit  der  Frische  des  un- 
mittelbaren Eindruckes  einfach  und  wahr  sich  darstellt. 


Literarische  Notizen.  519 

Manatsblätter  zur  Förderuna  des  Zeichenunterrichtes  an  Schulen. 
Herausgegeben  von  Hugo  T  rose  hei.  Berlin,  Nicolai'sche  Buchhandlung. — 
Im  fünften  Hefte  dieses  Jahrganges  S.  376  f.  haben  wir  auf  Anlass  der 
ersten  Nummer  dieser  Zeitschrift  über  die  Aufgabe,  welche  dieselbe  ver- 
folgt, Nachricht  gegeben.  Seitdem  liegen  uns  die  2.  und  3.  Nummer  der 
Zeitschrift  vor,  auf  deren  Inhalt  wir  im  nachfolgenden  hinweisen.  —  Am 
Schlüsse  der  erwähnten  Anzeige  S.  377  war  der  Wunsch  ausgesprochen 
worden,  es  möchten  in  den  Monatsblättern  für  den  Zeichenunterricnt  über 
alle  neuen  Erscheinungen  der  Schulliteratur  auf  diesem  Gebiete  Mitthei- 
lungen von  Männern  gegeben  werden,  welche  die  fraglichen  Lehrmittel 
durch  eigenen  Gebrauch  geprüft  haben.  Zum  Theil  wenigstens  ist  dieser 
Wonsch  erftillt  durch  einen  in  Nr.  2  enthaltenen  Aufsatz  von  H.  Troschel 
„Neues  Material  für  den  Zeichenunterricht**.  Erwähnt  werden  in  diesem 
Aufsatze  ?nnächst  drei  Publicationen,  welche  die  Würtemberg'sche  Regierung 
veranlasst  hat: 

Die  Wandtafeln  für  den  Elementarxinterricht  im  Zeichnen  der 
Ornainente,  von  Deschner. 

Vorlagenwerk  für  den  Eleme^itarunterricht  im  Freihandeeichnen. 
In  Auftrage  der  königlichen  Commission  für  die  gewerblichen  Fortbildungs- 
schulen VVürtembergs.  Von  J^rofessor  Hartle. 

30  Wandtafeln,  Anfangsgründe  im  Ortutmentenzeichnen  für  Real- 
und  gewerbliche  Fortbildungsschulen.  —  Conr.  Deschner.  Heilbronn, 
Class'sche  Buchhandlung.  In  einer  eingehenden  Anzeige  werden  diese  Werke 
charakterisirt  und  grofsentheils  gelobt;  an  den  Wandtafeln  wird  nur  ihre 
Kleinheit  getadelt. 

Böhden's  Pflanzenzeichnenschule  in  Kupferstichen.  Berlin,  T. 
Walloch.  —  Als  sehr  sauber  gestochen  bezeichnet,  für  Töchterschulen  em- 
pfohlen. 

Anleitung  zum  Figuren- Zeichnen  auf  Grundlage  des  geometrischen 
Gliedermanties.  Von  Hnr.  Schöpfer,  k.  k.  Hauptmann.  17  Vorlegeblätter 
nebst  dem  Gliedermanne  und  7  einzelnen  Bestandtheilen  desselben  in  Carton. 
Wien  und  Olmütz,  E.  Hölzel.  Preis  SVa  Thlr.  —  „Dieses  in  jeder  Beziehung 
neue  und  durchdachte  Werk  verdient  eine  besondere  Anerkennung."  Mehr 
für  den  Privatunterricht  als  für  Schulen  empfohlen. 

Der  Zeichenunterricht.  Eine  kurz  gefasste  praktische  Anleitung  für 
das  freie  Handzeichnen,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Zeichnens 
nach  Originalen,  des  Naturzeichnens  und  des  Landschaftzeichnens  nach  der 
Natur,  nebst  einer  fasslichen  Anleitung  zur  Erlernung  der  Perspective. 
Von  B.  Lös  euer.  Mit  3  lithographir&n  Tafeln.  Potsdam,  RügePsche 
Buchhandlung.  —  Als  ein  verständiges,  durchdachtes  Buch  bezeichnet.  Ref. 
tadelt  principiell  an  dem  Buche,  dass  mit  Zeichnen  nach  Originalen  der 
Anfang  der  Uebungen  gemacht  werden  soll  und  dass  der  Landschaft  für 
den  Zeichenunterricht  ein  unberechtigter  Vorzug  gegeben  sei. 

Mehrere  Auisatze  gehen,  der  Aufgabe  dieser  Monatsblätter  ent- 
sprechend, auf  die  Methode  des  Zeichenunterrichtes  ein,  so  namentlich 
^Ist  der  Zieichenunterricht  auf  Gymnasien  den  Anforderungen  der  heutigen 
Zeit  genügend"?  Von  Dr.  M.  Vater,  „lieber  praktische  Verdeutlichung 
perspectivischer  Puncte  und  Linien"  von  R.  Jonas.  „(Jeher  häusliche  Ar- 
Deiten  den  Zeichenunterricht  betreffend",  vom  Herausgeber  (mit  wenigen 
näher  bestimmten  Ausnahmen  werden  obligate  Hausaufgaben  für  diesen 
Unterricht  vemyorfen).  „lieber  den  Unterricht  im  Zeichnen  nach  der  Me- 
thode der  Brüder  Dupuis"  von  A.  F.  Kirch.  „Ueber  den  Zeichnen  Unter- 
richt nach  Vorlegeblättem,  Wandtafeln  und  Modellen"  von  C.  Hube.  (Die 
Anwendung  der  Vorlegeblätter  beim  Zeichenunterricht  innerhalb  gewisser 
Grenzen  ^ird  eingehend  gerechtfertigt,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die 
in  Nr.  1  der  Monatsblätter  gegen  dieselbe  erhobenen  Vorwürfe.)  —  Einige 


520  Literarische  Notizen. 

andere  Artikel  beziehen  sich  auf  die  Stellung  des  Zeichenunterrichtes  id 
dem  gosammten  Organismus  der  Mittelschulen  und  auf  die  persönliche 
Stellung  der  Zeichenlehrer. 


Programme   österreichischer  Gymnasien  und 

Realschulen. 

(Fortsetzung  v.  Hft.  VI.  S.  451  ff.) 

U.  A  bhandlun  g  en  au  8  dem  hi  s  torisch -geograph  ischsn 

Gebiete. 

7.  Josef  Ampferer,  Ueber  den  Mönch  von  Salzburg.  Vierzehntes 
Programm  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  in  Sahburg.    Salzburg,  Zaunrieth. 

Das  Dunkel,  welches  über  der  Person  des  Mönches  Ton  Salzburg 
schwebt,  aufzuhelletl,  ist  dem  Verf.  der  vorliegenden  Abhandlung  nicht  voll- 
kommen gelungen.  Zwischen  den  beiden  überlieferten  Namen  Hermann 
und  Johann  weifb  er  keine  endgiltige  Entscheidung  zu  treffen,  wozu  ihn  doch 
eine  kritische  Prüfting  des  Vverthes  der  verschiedenen  Nachrichten  wahr- 
scheinlich geführt  haben  würde.  Nicht  einmal,  dass  der  Johann  für  einen 
Dominikaner  ausgegeben  wird  ('mayster  hanna  prediger  ordens  nennt  der 
cod.  germ.  Monac.  628  den  Vertasser:  altd.  Bl.  2,  327)  und  daher  unter 
den  Mönchen  von  S.  Peter  nicht  gesucht  werden  dari,  hat  er  gesehen. 
Dagegen  verdiente  die  willkommene  und  dankenswerthe  Notiz  über  den 
Stirtsprior  Hermann  vom  Jahre  1424  weiter  verfolgt  zu  werden.  —  An 
kleinen  Ungenauigkeiten  fehlt  es  nicht.  Der  „Mönch  von  Salzburg"  wird 
in  Handschriften  nicht  so,  sondern  kurzweg  der  münieht  in  den  lateinischen 
üeberschriften  des  cod.  Vindob.  2975  monachw  genannt  Als  Ansicht 
H.  Hoffmann's  führt  der  Verf.  eine  alte  irrige  Bemerkung  aus  den  Fund- 

rben  an,  nicht  was  in  der  Geschichte  des  deutschen  Kirchenliedes  S.  239 
(2.  Ausg.)  steht.  Die  Beschreibungen  der  Wiener  Hdsch.  in  Hoffmann^s 
-Verzeichnis"  scheint  der  Verf.  (wie  Hr.  Ph.  Wackemagel)  nicht  zu  kennen. 
Die  weltlichen  Lieder  des  cod.  Vindob.  2856,  welche  ^uppenweise  bei  ein- 
ander stehen  (Nr.  12  —  62.  81  —  89)  und  ohne  Zweifel  so  aus  einer  Hs. 
rein  weltlicher  Lieder  herübergenommen  wurden,  dem  Mönch  zuzuschreiben, 
liegt  nicht  der  geringste  Grund  vor:  besonders  da  wir  für  eines  dieser 
Lieder,  Nr.  20  (gedruckt  in  Hof&nann's  Fundgruben  1,  335  f.),  den  Vefr- 
fassernamen  Pilgrim  von  Salzburg  mit  Bestimmtheit  erfahren.  Wunderlich 
nimmt  es  sich  aus,  wenn  der  Verf.  S.  26  mit  Ph.  Wackernagel  bedauert, 
dass  Hoffmann  die  Lieder  nicht  in  abgesetzten  Verszeilen  mibe  drucken 
lassen,  und  unmittelbar  darnach  in  der  Probe,  die  er  selbst  mittheilt,  die 
Verszeilen  gleichfalls  nicht  absetzt.  —  Den  Hauptinhalt  der.  vorliegenden 
Abhandlung  bilden  Wiederabdrücke  theils  in  Aehrein's  Kirchen-  und 
religiösen  Liedern  (1853),  theils  in  den  altdeutschen  Blättern  bereits  ffe- 
druckter  Lieder  des  Mönchs.  An  einer  Charakteristik  desselben  hat  sich  der 
Verf.  nicht  versucht,  ja  nicht  einmal  die  naheliegende  Scheidung  zwischen 
eigenen  und  übersetzten  Gedichten  vorgenommen.  Dankbarer  wäre  man 
dem  Verf  daher  gewesen,  wenn  er  anstatt  des  von  ihm  gewählten  Themas 
lieber  Auszüge  und  näheren  Bericht  über  die  S.  31  besprochene  Hs.  der 
Salzburger  k.  k.  Studienbibliothek  gegeben  hätte.  Aus  32  Seiten  mit  Aus- 
lugen einer  noch  unbekannten  altdeutschen  Hs.  hätte  sich  gewiss  mancherlei 
lernen  lassen. 


Dritte  Abtheilung* 


Zur  Didaktik  und  Paadagogik. 

Versuch  auf  genetischem  Wege  zu  dem  Begriffe  der 
Bildung  zu  gelangen. 

Das  Interesse^  das  man  heutzutage  an  der  Schule  und  ihren  Ein- 
richtungen nimmt,  ist  allgemeiner,  vielleicht  auch  lebhafter  als  je.  Dies 
spricht  sich  zunächst  in  den  mannigfachen  Forderungen  aus,  die  man  an 
sie  stellt,  unter  denen  sich  jedoch  die :  dass  die  Schule  sich  mehr  als  bis- 
her dem  Leben  ansohliefsen  solle,  am  lautesten  und  häufigsten  yemehmen 
lässt,  schon  darum,  weil  alle  übrigen  so  ziemlich  in  ihr  enthalten  sind. 
Wenn  nun  gleich  dieser  Forderung  im  ganzen  mehr  ein  dunkles  Gefühl 
als  klare  Erkenntnis  zu  Grunde  liegen  mag,  so  wird  man  doch  gerne  zu- 
geben, dass  etwas  berechtigtes  in  ihr  enthalten  ist.  Die  Schwierigkeit  liegt 
nur  darin,  wie  sie  zu  befriedigen  sei. 

Man  muss  zugestehen,  dass  die  Schule  ihr  gegenüber  nicht  die  Hände 
in  den  Schoofs  gelegt  hat.  Sie  hat  erkannt,  dass  sie  nebst  dem  Unter- 
richte auch  einen  Theil  der  dem  elterlichen  Hause  zufallenden  Erziehungs- 
aufgabe, für  welche  diesem  immer  mehr  die  Zeit  zu  ermangeln  beginnt, 
auf  sich  nehmen  müsse,  und  sich  ihr  bereitwillig  unterzogen.  Sie  hat  ferner 
in  einer  Zeit,  wo  man  für  nichts  mehr  recht  Zeit  zu  haben  scheint,  neue, 
schneller  zum  Ziele  führende  Unterrichtsmethoden  aufzufinden  gesucht, 
und  neue,  yielfach  treffliche  Lehrmittel  sind  aus  ihr  hervorgegangen.  Sie 
hat  endlich  neuen  Lehrstoff  in  den  Bereich  des  Unterrichtes  gezogen,  und 
ganz  neue  Lehranstalten  haben  sich  abgezweigt,  die  bestimmte,  in  den 
Culturverhältnissen  der  Gegenwart  liegende  Aufgaben  zu  lösen  versuchen. 

Dieses  Bestreben,  den  Forderungen  der  Zeit  zu  genügen,  ist  höchst 
anerkennenswerth,  aber  für  die  Schule  selbst  liegt  eine  grofse  Gefahr  darin 
verborgen.  Unsere  Zeit  geht  nämlich  in  unzähligen  Richtungen  und  Be- 
strebungen auseinander,  von  denen  jede  sich  mindestens  für  ebenso  berech- 
tigt hält  als  jede  andere,  und  deren  jede  auch  in  der  Schule  Geltung  und 
Berücksichtigung  verlangt.  Wenn  die  Schule  nun,  wie  verlangt  wird,  sich 
dem  Leben  anzuschliefsen  sucht,  und  zwar  dadurch,  dass  sie  allen  diesen 
Richtungen  gerecht  zu  werden  sich    bemüht,   so   könnte  es  ihr  begegnen, 


522  J-  Äprettt,  Uober  den  Begriff  der  Bildung. 

dass  sie  dabei  sich  selbst  verlöre,  d.  h.,  dass  sie,  während  sie  bestrebt  ist, 
allen  alles  zu  werden,  aufhörte  irgend  etwas  zu  sein. 

Dieser  Gefahr  kann  sie  nur  entgehen,  wenn  ihre  Einrichtung  immer 
mehr  eine  wirklich  organische  wird,  sicher  und  fest  in  sich  selbst  ruhend. 
Je  weiter  sie  ausgreift,  je  zahlreicher  und  mannigfaltiger  die  Mittel  sind, 
durch  die  sie  wirkt,  und  die  Zwecke,  die  sie  anstrebt,  desto  nothwendiger  wird 
ihr  ein  Einigungspunct,  in  dem  alle  Fäden  zusammenlaufen,  der  jedes 
einzelne  mit  jedem  anderen  in  feste  Verbindung  bringt.  So  lange  die  Kraft 
eines  Lehrers  ausreicht,  die  der  Schule  gestellte  Aufgal)e  zu  bewältigen, 
ist  schon  durch  ihn  und  zwar  auf  die  vollkommenste  Weise  diese  Einigung 
gegeben.  Wo  dies  aber  nicht  der  Fall  ist,  bleibt  nichts  anderes  Übrig  als 
sie  in  dem  letzten  Zwecke  der  Schule  zu  suchen,  dem  alles  andere  sich 
unterordnen  muss.  Da  er  aber  kein  willkürlich  gesetzter  sein  darf,  sondern 
aus  dem  Begriff  der  Schule  sich  ergeben  mnss,  weil  ihm  sonst  die  organi- 
sierende Kraft  fehlen  würde,  so  ergibt  sich,  dass  er  auch  für  alle  Schulen 
derselbe  ist.  Durch  ihn  wird  also  auch  das  gesammte  Schulwesen  ein  ein- 
heitliches. 

Fragt  man  nun  nach  diesem  letzten  Zwecke  der  Schule,  so  erhält 
man  wol  einstimmig  die  Antwort,  dass  Bildung  dieser  letzte  Zweck  sei. 
Jede  Schule  ist  eine  Bildungsstätte.  Wenn  man  aber  genauer  zusieht,  so 
findet  man,  dass  man  darum  so  bald  über  ein  Wort  sich  einigte,  weil 
dieses  in  seiner  Bedeutung  höchst  allgemein  und  unbestimmt  ist.  Es  ist 
nur  der  Rahmen,  der  von  Fall  zu  Fall  ausgefüllt  wird.  Wir  unterscheiden 
antike  und  moderne,  humanistische  und  realistische,  gelehrte  und  gewerb- 
liche, allgemeine  und  Fachbildung;  wir  sprechen  von  Bildung  des  Ver- 
standes und  Herzens,  von  philosophischer  und  literarischer,  von  encyklo- 
psödischer  und  wissenschaftlicher,  von  nationaler  und  Weltbürger-,  ja  so- 
gar von  einer  Salonbildung,  und  es  hindert  nichts  diese  Gegensätze  noch 
weiter  zu  vermehren.  Die  Frage  bleibt  also  immer  noch,  soll  und  kann 
die  Schule  alle  diese  Arten  von  Bildung,  oder  welche  von  ihnen  soll  sie 
vermitteln,  und  vor  allem,  was  ist  Bildung  überhaupt?  Denn  durch  alle 
jene  Ausdrücke  werden  nur  Arten  der  Bildung  unterschieden ,  entweder 
durch  Bezeichnung  des  Mittels,  durch  welches  sie  erworben  wird  oder  des 
Zweckes,  dem  sie  dienen  soll,  und  es  ist  klar,  dass  auf  diesem  Wege  ein 
Begriff  wol  zersplittert,  nicht  aber  aufgehellt  werden  kann. 

Am  nächsten  liegt  die  Annahme,  dass  Bildung  in  einem  gewissen 
über  das  gewöhnliche  hinausgehenden  Mafse  von  Kenntnissen  bestehe; 
wer  sie  besitzt,  unterscheide  sich  dadurch  von  der  grofsen  Menge  der 
Ungebildeten.  So  ist  man  zu  dem  Begriffe  einer  „gelehrten  Bildung"  ge- 
langt, und  CS  hat  zu  allen  Zeiten  solche  gegeben,  die  auf  diesem  Wege 
weiter  gehend  auf  der  Stufenleiter  der  Bildung  um  so  höher  zu  stehen 
meinten,  je  seltener  ihr  Wissen  auch  bei  anderen  sich  fand,  und  je  weni- 
ger es  mit  den  Bedürfnissen  des  Lebens  zu  thun  hatte,  d.  h.  je  unfrucht- 
barer es  war.  Diesen  tritt  eine  andere  Ansicht  entgegen,  die  nur  dem  un- 
mittelbar Brauchbaren  Werth  und  Berechtigung  zugesteht.  Man  bekämpft 
sich  also  unter  der  Fahne  der  Bildung,  und  es  ist  mehrfach  als  ein  tief- 
sinniger Gedanke   ausgesprochen   worden,   dass   die   verschiedenen   Wege, 


J,  Aprent,  üeber  den  Begriff  der  Bildung.  5f8 

welche  in  den  Schuleinrichtungen  der  Neuzeit  dem  Bildung  suchenden  sich 
öffnen,  schlieMlch  zu  einer  unheilvollen  Spaltung  in  den  Kreisen  der  Ge- 
bildeten selbst  fuhren  müssten.  Zwar  wird  jener  Kampf  meist  nur  auf  dem 
Papiere  geführt  und  auch  die  befürchtete  Spaltung  ist  eben  nur  eine  Be- 
fürchtung; aber  es  ist  daraus  doch  zu  ersehen,  wie  weit  man  Ton  dem 
Begriffe  der  wahren  Bildung  entfernt  ist.  Denn  wahre  Bildung,  wo  und 
in  welcher  Gestalt  sie  auch  erscheinen  mag,  wird  nicht  nur  von  dem  Ge* 
bildeten,  sondern  sogar  von  dem  Ungebildeten  willig  und  freudig  aner- 
kannt. Bildung  kann  nur  einigen,  niemals  trennen,  und  wo  man  sich  den 
Anspruch  auf  Bildung  streitig  macht,  da  steht  sicher  nicht  eine  Art  von 
Bildung  einer  andern,  sondern  nur  eine  Verkehrtheit  einer  andern  Ver- 
kehrtheit gegenüber. 

Was  immer  man  sicli  übrigens  unter  Bildung  denken  mag,  so  hat 
doch  nie  jemand  behauptet,  dass  die  Schulzeit  oder  irgend  ein  anderer  Le- 
bensabschnitt, wie  einheitlich  und  tiefgreifend  er  in  seinen  Einwirkungen 
auf  einen  Menschen  auch  sein  möge,  die  Bildung  desselben  zum  Abschluss 
bringen  könne.  Die  Bildung  schreitet  vielmehr  mit  dem  Leben  und  durch 
das  Leben  fort;  sie  ist  ein  Resultat  des  Lebens.  Nur  das  Leben  kann  uns 
also  den  wahren  Begriff  der  Bildung  darbieten,  und  der  Schule  ist  es  nicht 
gestattet,  ihn  anders  zu  fassen.  Wenn  sie  aber  diese  Bildung  als  ihren 
letzten  Zweck  hinstellt,  so  befindet  sie  sich  in  vollkommenster  Ueberein- 
stimmung  mit  dem  Leben  und  sie  bat  jeder  berechtigten  Forderung  in  dem 
Mafbe  entsprochen,  als  es  ihr  gelingt  sich  diesem  Zwecke  entsprechend 
einheitlich  zu  gestalten. 

Das  Leben  stellt  sich  uns  aber,  selbst  wenn  wir  es  nur  als  mensch- 
liches Leben  betrachten,  in  einer  unübersehbaren  Vielgestaltigkeit  dar,  und 
es  scheint ,  dass  aus  so  verschiedenen  Factoren  jedesmal  auch  ein  anderes 
Product  sich  ergeben  müsse.  Die  Zwecke,  welche  die  Menschen  verfolgen, 
sind  unendlich  verschieden,  ebenso  die  Verhältnisse,  unter  denen,  und  die 
Mittel,  mit  denen  sie  wirken.  Die  meisten  schwanken  fortwährend  und  kom- 
men über  das,  was  sie  können  und  sollen,  nie  in*s  Klare,  und  selbst  da, 
wo  eine  höhere  Natur  sich  ein  bestimmtes  Lebensziel  steckt,  bleibt  dieses 
doch  immer  mehr  oder  weniger  ein  unerreichtes.  Jedes  Volk,  jedes  Jahr- 
hundert führt  sein  eigenes  Leben;  was  dem  einen  als  bedeutend  und  höchst 
wünschenswerth  erscheint,  ist  dem  andern  verächtlich  und  werthlos.  Alles 
ist  dunkel  und  verworren.  Geht  man  jedoch  etwas  genauer  ein,  so  findet 
man,  dass  das  verwirrende  nur  in  der  unendlichen  Mannigfaltigkeit  der 
Formen  liegt,  die  das  Leben  hervorbringt  und  in  denen  es  sich  offenbart. 
Mit  diesen  Formen  haben  wir  es  aber  nicht  zu  thun.  Wir  fassen  hier  das 
Leben  bloDi  als  eine  Reihe  von  Vorgängen  auf,  die  an  dem  Menschen  zur 
Erscheinung  kommen,  und  schliefsen  mit  Rücksicht  auf  unseren  Zweck 
noch  diejenigen  von  der  Betrachtung  aus,  welche  blofs  der  Erhaltung  seines 
leiblichen  Lebens  dienen.  Diese  Vorgänge  nun  tragen  das  Gepräge  der 
höchsten  Einfachheit  an  sich,  und,  sie  in  ihren  wesentlichen  Momenten 
verfolgend,  ist  es  möglich,  auch  ihr  Endergebnis  mit  hinreichender  Klar- 
heit zu  erkennen. 


524  J.  Aprent,  Ueber  den  Begriff  der  Bildung. 

I. 

Das  Au  f  fassen. 

Indem  die  Dinge  auf  uns  wirken,  bringen  sie  zunächst  in  dem  Zu- 
stande unserer  Sinneswerkzeuge  eine  Veränderung  hervor,  die  wir  allge- 
mein einen  Eindruck  nennen  können.  Durch  solche  Eindrücke  erlangen  wir. 
wenn  gewisse  Bedingungen  vorhanden  sind,  Kunde  von  den  Dingen  aoTser 
uns.  Den  ganzen  Vorgang  nennen  wir  das  Wahrnehmen.  Er  beginnt  mit 
oiner  Veränderung  in  dem  Zustande  unserer  Sinne  und  kommt  mit  einer 
Veränderung  in  dem  Zustande  des  Wahrnehmenden  zum  Abschluss.  Dass 
dieses  Wahrnehmende  aber  nicht  die  Sinne  selbst  sind,  ergibt  sich  schon 
daraus,  dass  Sinneseindrücke  sehr  oft  ganz  unbemerkt  bleiben,  dass  wir 
also  nichts  wahrnehmen,  obgleich  ein  Sinneseindruck  stattgefunden  hat. 

Das  Wahrnehmen  ist  eine  Thätigkeit  des  Wahrnehmenden.  Dies 
acigt  sich  ganz  entschieden  durch  die  Anstrengung,  die  es  kostet,  wenn 
wir  einen  entfernten  Gegenstand  deutlich  sehen,  ein  leises  Qeräuscb  deut- 
lich unterscheiden,  einen  auf  der  Zunge  schwer  löslichen  Gegenstand  durch 
den  Geschmack  erkennen  wollen  u.  dgl.  Die  Richtung  dieser  Thätigkeit 
geht  von  auf^en  nach  innen;  durch  sie  wird  ein  äusseres  zu  einem  inne- 
ren, und  wir  können  sie  die  aufifassende  Thätigkeit  nennen. 

Unsere  Thätigkeit  kann  aber  auch  die  Richtung  von  innen  nach 
aufsen  annehmen;  dann  wird  durch  sie  etwas  hervorgebracht,  was  nur 
aufser  uns  ein  Dasein  hat,  und  wir  können  sie  daher  die  hervorbrin- 
gende Thätigkeit  nennen.  Eine  solche  hervorbringende  Thätigkeit,  und 
zwar  die  dem  Wahrnehmen  vollkommen  entsprechende,  nur  der  Richtung 
nach  entgegengesetzte,  ist  das  Vorstellen.  Ihr  Ergebnis  ist  die  Vorstellung. 
Durch  das  Vorstellen  wird  ein  inneres  anschaulich,  also  zu  einem  äuX^- 
ren,  wenngleich  zu  einem  äufseren  bloXa  für  den,  der  die  Vorstellung  bildet. 
Die  Vorstellung  eines  Dinges  ist  nicht  das  Ding  selbst,  aber  sie  enthält 
von  dem  Dinge  alles,  was  wir  von  demselben  wahrgenommen  haben ;  d.  h. 
das,  was  durch  das  Wahrnehmen  zu  einem  inneren  wurde,  wird  durch  das 
Vorstellen  wieder  zu  einem  äufseren.  Da  die  Dinge  in  einem  gewissen 
räumlichen  und  zeitlichen  Zusammenhange  wahrgenommen  werden,  S9  wer- 
den sie  in  diesem  Zusammenhange  auch  vorgestellt. 

Die  Vorstellung  ist  ebenso  etwas  äufserlich  hervorgebrachtes,  wie 
die  Worte  des  Redners  oder  das  Werk  eines  Handwerkers  oder  Künstlers. 
Alles  hervorgebrachte  aber  kommt  durch  die  hervorbringende  Thätigkeit 
zu  Stande,  und  diese  entspringt  aus  einem  dem  Menschen  inwohnenden 
Triebe  zum  hervorbringen.  Es  ist  also  ganz  überflüssig,  eine  besondere 
Vorstellungskraft  anzunehmen.  Denn  Kraft  ist  ja  etwas  ganz  unbekanntes 
und  es  kann  unmöglich  förderlich  sein,  ohne  Noth  im  unbekannten  Unter- 
scheidungen zu  machen. 

Untersuchen  wir  nun,  was  uns  bestimmt,  gerade  diese  oder  jene 
Vorstellung  zu  bilden,  so  finden  wir,  dass  es  vor  allem  die  sinnlich  auf 
uns  wirkenden  Gegenstände  sind,  welche  bewirken,  dass  aus  der  vielleicht 
sehr  grofsen  Zahl  möglicher  Vorstellungen  eine  bestimmte  Vorstellung  her- 
vortritt.   Denken  wir  uns  nämlich  den  Menschen    in    dem   Zustande  voll- 


J.  Aprchty  Ueber  den  Begriff  tler  Bildung.  525 

kommener  ünthätigkeit ,  und  in  diesem  Zustande  nehme  er  nun  irgend 
einen  Gegenstand  wahr.  Durch  das  Wahrnehmen  geht  er  aus  seinem  frühe- 
ren Zustande  in  einen  neuen  über  und  dieser,  wird  jedesmal  ein  anderer 
gein,  nach  Art  des  Gegenstandes.  Wirkt  nun  der  gleiche  Gegenstand  ein 
andermal  auf  ihn,  so  wird  ein  Zustand  hervorgebracht,  der  jenem  ersten 
gleich  ist;  und  geht  der  Mensch  von  da  an  in  die  Thätigkeit  des  Vor- 
stellens  über,  so  wird  er  Vorstellungen  bilden,  die  mit  diesem  Zustande 
im  Zusammenhange  stehen,  also  Vorstellungen  von  Gegenständen,  die  mit 
dem  eben  wahrgenommenen  bei  dessen  früherem  Auftreten  im  Zusammen- 
hange standen.  Dadurch,  dass  ein  eben  wahrgenommenes  mit  früher  wahr- 
genommenem in  uns  bereits  in  einem  bestimmten  Zusammenhange  steht, 
erscheint  das  erstere  als  bekannt.  Durch  bekanntes  werden  wir  an  früheres 
erinnert. 

Die  Vorstellungen  sollten  also  in  der  Reihenfolge,  in  welcher  die 
Gegenstande  wahrgenommen  wurden,  hervortreten,  und  sich  ablösen,  bis 
der  ganze  Schatz  erschöpft  ist.  Der  Fluss  der  Vorstellungen  wird  aber  ge- 
hemmt und  abgelenkt,  sobald  äufsere  Gegenstände  unter  den  für  das 
Wahrnehmen  nothwendigen  Bedingungen  auf  uns  einwirken.  Eine  solche 
Hemmung  tritt  auch  dadurch  ein,  dass  Vorstellungen  ebenso  wie  die  äufse- 
ren  Gegenstände  das  Gefühl  von  Lust  oder  Unlust  in  uns  erwecken,  so 
dass  wir  im  letzteren  Falle  die  Thätigkeit  einstellen. 

Wir  haben  im  bisherigen  immer  nur  einfache  Vorstellungen  be- 
trachtet, d.  h.  Vorstellungen  von  Dingen,  an  denen  nur  e  i  n  Merkmal  auf- 
gefasst  wurde.  Jedes  Ding  bietet  der  Auffassung  aber  mehrere  Merkmale 
dar,  und  es  kann  auch  wirklich  eine  gröfscre  oder  geringere  Zahl  dieser 
Merkmale  aufgefasst  werden.  Den  Anfang  machen  wir  hierbei  mit  den 
verschiedenen  Sinnesorganen.  Wir  sehen,  dass  die  Biene  fliegt,  und  hören, 
dass  sie  summt;  wir  finden,  dass  ein  Körx)er  glänzt  und  hart  ist  u.  s.w. 
Sind  wir  aber  einmal  aufmerksam  geworden,  dass  an  einem  Dinge  mehrerlei 
sich  bemerken  lasse,  so  wendet  sich  auch  derselbe  Sinn  gleichsam  den 
verschiedenen  ihm  zugänglichen  Seiten  des  Gegenstandes  zu,  und  wir  erfah- 
ren z.B.,  dass  der  Körper  hart  und  eben,  glänzend  und  rund  ist  u.  dgl. 
Werden  nun  diese  Merkmale  vorgestellt,  so  treten  sie  in  dieselbe  Verbin- 
dung, in  der  sie  sinnlich  aufgefasst  wurden,  und  es  entsteht  so  die  Vor- 
stellung des  Dinges  als  eines  zusammengesetzten.  Solche  zusammengesetzte 
Vorstellungen  sind  einander  ähnlich,  wenn  sie  Merkmale  mit  einander  ge- 
mein haben.  Und  wie  ein  Ding,  das  sich  eben  unserer  Auffassung  dar- 
bietet ,  die  Vorstellung  derjenigen  Gegenstände  erweckt,  mit  denen  das 
gleiche  Ding  bei  einer  früheren  Auffassung  im  Zusammenhange  stand; 
ebenso  kann  auch  ein  Ding  mit  einem  stark  hervortretenden  Merkmale  die 
Vorstellung  aller  derjenigen  Dinge  hervorrufen,  an  denen  dieses  Merkmal 
vorkommt. 

Zusanunengesetzte  Vorstellungen  sind  es,  die  sich  oft  mit  einer 
solchen  Gewalt  aufdrängen,  dass  alle  Bemühungen,  sie  abzuweisen,  ver- 
geblich scheinen,  so  dass  man  glauben  könnte,  ihr  Entstehen  erfolge  ganz 
ohne  unser  Zuthun.  Dies  hat  seinen  Grund  zum  Theile  schon  in  dem  viel- 
fachen Zusammenhange   der   zusammengesetzten  Vorstellungen   unter  ein- 

Zeluchrifl  f.  d.  östcrr.  Oynin.  1865.  VI  f.  Heft.  Sf) 


520  J.  AprefU,  Ueber  den  Begriff  der  Bildung. 

ander,  zum  Thoile  darin,  das8  viele  derselben  Tennöge  ihres  Inhaltes -das 
Gefühl  von  Lust  und  Unlust,  Freude  und  Sclimerz  zugleich  erwecken,  so 
dass  wir  sie  in  einem  Augenblicke  verschwinden  lassen,  im  nächsten  aber 
wieder  erzeugen.  Die  Erinnerung  an  einen  verstorbenen  theuren  Menschen 
erfüllt  uns  mit  Freude,  weil  er  uns  in  der  Vorstellung  wenigstens  noch 
gegenwärtig  ist,  und  mit  Schmerz,  weil  uns  von  ihm  nichts  als  die  Erin- 
nerung goLlicben  ist.  Alles,  was  mit  ihm  nur  irgend  im  Zusammenhange 
stand,  erweckt  diese  Erinnerung  auf's  neue,  und  so  kommt  es,  dasTwir 
uns  ihrer  nicht  erwehren  können. 

Die  zusammengesetzten  Vorstellungen  setzen  uns  in  den  Stand  auf- 
fassend timtig  zu  sein,  auch  wenn  kein  Gegenstand  vorhanden  ist,  der 
auf  unsere  Sinne  einwirkt.  Die  Auffassung  des  in  den  Vorstellungen  uns 
gegebenen  nennen  wir  das  Denken.  Das  Denken  ist  die  zweite  Stufe  der 
auffassenden  Thätigkcit,  der  die  sinnliche  Auffassung  oder  das  Wahrneh- 
men vorhergehen  muss.  Die  Resultate  des  Denkens  übertragen  wir  auf  die 
sinnlichen  Dinge,  indem  wir  annehmen,  dass,  was  von  den  Vorstellungen 
gilt,  auch  von  den  Dingen  gelten  müsse,  die  ihnen"  zu  Grunde  liegen. 
Diese  Uebcrtr;»gung  kann  aber  zu  Irrthümem  führen,  wenn  man  dabei 
aufser  Acht  lässt,  dass  in  der  Vorstellung  immer  nur  einige  Merkmale  des 
Dinges  enthalten  sind.  Wir  glauben  z.  B.  unsem  IVeund  genau  zu  kennen 
und  sind  überzeugt,  dass  er  in  einem  bestimmten  Falle  so  oder  so  handeln 
werde,  aber  er  handelt  vielleicht  doch  anders,  weil  er  mit  Eigenschaften, 
von  denen  wir  nichts  wussten,  in  die  Action  tritt: 

Durch  das  Denken  fassen  wir  zunächst  den  Art-Zusammenhang  der 
Vorstellungen  auf,  indem  wir  sie  nach  dem  Grade  ihrer  Aehnlichkeit  zu 
Gruppen  vereinigen.  Dadurch  bringen  wir  die  äufsere  Welt  in  einen  Zu- 
sammenhang, auf  welchen  uns  das  blofs  sinnliche  Wahrnehmen  niemals 
hätte  führen  können.  Durch  dieses  fiissen  wir  nur  vereinzeltes,  und  dieses 
blofs  in  einer  gewissen  räunilichcn  und  zeitlichen  Aufeinanderfolge  auf. 
Durch  den  Art-Zusammenhang  tritt  aber  nicht  blofs  auch  das  räumlich 
und  zeitlich  fem  stehende  zusammen,  sondern  er  ist  auch  ein  innerer 
Zusammenhang,  indem  die  gemeinsamen  Merkmale  wie  ein  Band  die  ganze 
Art  durchziehen. 

Werden  die  gemeinsamen  Merkmale  der  Art  in  einer  Vorstellung 
vereinigt,  so  entsteht  der  Begriff  der  /.rt.  Dem  Begriffe  darf  kein  Merkmal 
fehlen,  weil  er  sonst  aufliören  würde  es  zu  sein.  In  dem  Begriffe  tritt  uns 
zum  ersten  male  etwas  als  not  h  wendig  entgegen,  während  alles,  was 
wir  blofs  sinnlich  auffassen,  nur  wirklich  ist.  Zur  Bildung  des  Begriffes 
mussten  einige  Merkmale  aus  der  Verbindung,  in  welcher  sie  die  sinnliche 
Auffassung  uns  dargeboten  hat,  losgelöst  werden.  Eine  solche  Auflösung 
und  Vereinigung  von  Merkmalen  erfolgt  nun  auch  oft  in  einer  Weise,  dass 
die  so  entstehende  Vorstellung  keinem  äufscren  Dinge  entspricht.  Damit 
eröffnet  sich  uns  nun  das  unbegrenzte  Reich  der  Möglichkeit,  wo  die 
Phantasie  ihre  mächtigen  Flügel  regt.  Anfangs  nur  der  Tummelplatz 
wunderlicher  Einfälle  und  Gestalten,  wird  es  später  die  Geburtsstätte  der 
grölsten  Gedanken  und  fruchtbarsten  Ideen. 

Wir  haben  gesehen,   d«tss  die  Dinge  durch  ihre  Merkmale  in  einen 


J,  Äprent,  üeber  den  liegriö  der  lUldung.  527 

inneren  ZusammenhaDg  mit  einander  treten.  Wir  fassen  die  Merkmale  nun 
entweder  als  ruhend,  sich  gleichbleibend  auf,  und  nennen  sie  dann  Eigen- 
schaften; oder  das  Merkmal  erscheint  als  ans  einer  Eigenschaft  hervor- 
gehend, gleichsam  als  in  Bewegung  gesetzte  Eigenschaft,  wie  z.  B.  zornige 
Worte  und  Geberden,  die  wir  an  jemandem  bemerken,  eine  uns  früher 
verborgene  Eigenschaft  desselben,  nämlich  die  krankhafte  Erregbarkeit  des 
Gemüthes  offenbaren,  aus  ihr  hervorgehen.  Im  letzteren  Falle  nennen  wir 
sie  mit  Rücksicht  darauf,  dass  ein  sich  bewegendes  ein  anderes  in  Bewe- 
gung bringen  kann,  Thätigkeit.  Wir  können  nun  bei  einer  Eigenschaft 
nach  der  Thätigkeit,  durch  welche  sie  hervorgebracht  wurde,  d.  h.  nach 
der  Ursache  fragen,  und,  insofern  die  Eigenschaft  selbst  wieder  in  Thätig- 
keit übergehen  kann,  auch  nach  ihrer  Wirkung.  Den  Zusammenhang  zwischen 
Ursache  und  Wirkung  nennen  wir  den  ursächlichen  Zusammenhang.  Durch 
die  AuffiEissnng  des  ursachlichen  Zusammenhanges  kommt  die  starre  Aufsen- 
welt  in  Fluijs  und  ein  neues  Band  verknüpft  die  Dinge  noch  stärker  und 
inniger,  als  dies  im  Art-Zusammenhange  der  Fall  ist.  Denn  nun  sind  sie 
nicht  blofs  durch  ihre  Merkmale,  sondern  auch  diese  selbst  mit  einander 
verbunden.  Zugleich  erschliefst  sich  uns  auf  diesem  Wege  das  Wesen  der 
Dinge  immer  vollständiger,  und  der  Ausspruch  eines  grofsen  Denkers: 
^Der  Mensch  ist  seine  Geschichte**,  gilt  auch  von  allem,  was  den  Menschen 
umgibt.  Den  ursachlichen  Zusammenhang  der  Dinge  aufzusuchen  ist  die 
höchste  und  eigentliche  Aufgabe  der  Wissenschaft.  Es  gibt  also  eigentlich 
nur  eine  einzige  Wissenschaft.  Indem  uns  die  Wissenschaft  mit  dem  ur- 
sachlichen Zusammenhange  der  Dinge  bekannt  macht,  zeigt  sie  uns,  welche 
Wirkungen  wir  von  ihnen  erwarten  können,  und  setzt  uns  so  in  den  Stand 
sie  als  Mittel  für  unsere  Zwecke  zu  gebrauchen. 

Die  Auffassung  des  ursächlichen  ist,  wie  jene  des  Art -Zusammen- 
hanges, ein  Denkprocess,  entfernt  sich  aber  von  der  sinnlichen  Auffassung 
noch  weiter  als  dieser.  Wenn  im  Sommer  nach  einem  liegen  die  Luft 
kühl  wird,  so  wissen  yrir,  dass  die  Kühle  auf  den  Regen  folgt,  aber  nichts 
weiter.  So  viel  gibt  uns  die  sinnliche  Auffassung,  die,  wie  wir  wissen, 
immer  nur  vereinzeltes  bietet.  Hätten  wir  bemerkt,  dass  diese  Aufein- 
anderfolge immer  stattgefunden  hat,  so  könnten  wir  annehmen ,  dass  sie 
auch  in  Zukunft  stattfinden  werde  und  sie  als  Regel  aussprechen;  aber 
dass  die  Kühle  durch  den  Regen  hervorgebracht,  d.  h.  dass  dieser  die 
Ursache,  jenes  die  Wirkung  ist,  wissen  wir  auch  jetzt  noch  nicht-  der 
Regen  und  die  darauf  folgende  Abkühlung  sind  noch  immer  zwei  voll- 
kommen getrennte  Erscheinungen.  Durch  die  Einschaltung  von  Mittel- 
gliedern, wie,  dass  das  Wasser  verdunste,  dass  beim  Verdunsten  Wärme 
gebunden  werde  u.  dgl.,  wird  die  Schwierigkeit  nur  anscheinend  vermindert, 
in  der  That  aber  eher  vergröfsert.  Denn  es  ist  klar:  wie  nahe  sich  diese 
Mittelglieder  auch  stehen  mögen,  sie  sind  vollkommen  getrennt;  jedes  vor- 
hergehende ist  vollkommen  ein  anderes  als  das  nachfolgende,  und  die  Un- 
möglichkeit, unmittelbar  zwischen  dem  ersten  und  letzten  .Gliede  einen 
ursachlichen  Zusammenhang  aufzufinden,  wiederholt  sich  jetzt  auch  bei  je 
zwei  Mittelgliedern.  Auch  das  Thun  des  Menschen  hätte  an  sich  nie  auf 
den  Bej^ritf  von  Ursache  und  Wirkung  zu  führen  vermocht.  Ein  Kind,  dem 

35* 


528  J^  Aprciit,  Ueber  den  Begriff  der  Bildung. 

eine  Taschenuhr  in  die  Hände  kommt,  sieht  vielleicht  mit  grofsom  Er- 
staunen, nachdem  es  sich  eine  Zeit  lang  damit  zu  thun  gemacht,  dass  die 
Zeiger  sich  nicht  weiter  fortbewegen,  und  darüber  zur  Rede  gestellt,  wird 
es  von  seinem  Standpuncte  aus  mit  vollem  Rechte  behaupten,  es  habe  das 
nicht  gethan.  Der  Begriff  von  Ursache  und  Wirkung  entwickelt  sich  in 
uns  erst  dann,  wenn  wir  eine  bestimmte  Erscheinung  hervorrufen  wollen 
und  diese  Erscheinung  nun  wirklich  hervorgebracht  wird.  Ich  will  den  Ast 
vom  Baume  brechen,  ich  strenge  meinen  Arm  an  und  der  Ast  bricht  wirk- 
lich ab.  Hier  ist  mein  Wille  wie  in  der  Anstrengung  des  Armes,  so  in 
dem  abgebrochenen  Aste  enthalten;  hier  zum  erstenmale  tritt  mir  eine 
Erscheinung  als  Wirkung  einer  Ursache  entgegen.  Einen  solchen  Zusammen- 
hang nehmen  wir  nun  an,  wenn  auf  eine  gewisse  Erscheinung  unter  den 
gleichen  Umständen  immer  eine  und  dieselbe  andere  Erscheinung  folgt 

Die  Ursache  ist  in  der  Wirkung  enthalten,  sie  erscheint  in  derselben 
nur  in  anderer  Form.  Dies  zeigt  sich  recht  auffällig  in  der  Beständigkeit 
der  Naturkräfte.  Eine  Wassermasse,  die  auf  ein  Rad  herabfällt,  kann  dieses 
in  Bewegung  setzen.  Mit  der  Welle  desselben  kann  sich  ein  metallener 
Cjlinder  in  einem  hohlen  umdrehen  und  durch  die  Reibung  Wärme  erzeugt 
werden.  Diese  Wärme  kann  man  zur  Erzeugung  von  Dampf  verwenden, 
und  dieser  kann  ein  Pumpwerk  bewegen,  durch  welches  Wasser  wieder 
auf  die  Höhe  gehoben  wird,  von  der  es  früher  herabstürzte.  Verloren  geht 
dabei  nichts,  als  was  zur  Bewegung  der  Maschinentheile  verbraucht  wird. 
Die  Kraft,  welche  das  Rad  in  Bewegung  setzt,  erscheint  also  später  als 
Wärme,  dann  als  Expansion  und  diese  schliefslich  wieder  als  die  das  Rad 
in  Bewegung  setzende  Kraft. 

Wenn  wir  es  versuchen  die  Thätigkeit  zu  überblicken,  welche  der 
Mensch  seit  vielen  Jahrhunderten  auf  den  verschiedenen  wissenschaftlichen 
Gebieten  entfaltet,  so  ergreift  uns  ein  Gefühl  des  Erstaunens  und  der  Be- 
wunderung, und  es  drängt  sich  uns  die  Frage  auf,  worin  denn  dieser 
Wissenstrieb  eigentlich  seinen  Ursprung  habe.  Die  Nothdurft  unseres  leib- 
lichen Lebens  gibt  allerdings  den  ersten  Anstofs  zur  aufinerksamen  Be- 
trachtung der  Dinge,  die  uns  umgeben  und  ihrer  Verhältnisse.  Wer  den 
Acker  baut,  wird  gar  bald  dahin  geführt,  zu  bemerken,  welchen  Einfluss 
Licht  und  Wärme,  Trockenheit  oder  Feuchtigkeit  der  Luft  und  die  man- 
cherlei Eigenthümlichkeiten  des  Bodens  auf  das  Gedeihen  seiner  Pfleglinge 
haben ;  der  Fischer  blickt  forschend  nach  den  Anzeichen  eines  herannahen- 
den Sturmes ;  der  Jäger  beobachtet  die  Gewohnheiten  und  die  Lebensweise 
der  Thiere,  die  er  in  seine  Gewalt  bekommen  will.  Allein  Über  diese  ersten 
stufen  der  Cultur  sind  wir  längst  hinaus,  und  doch  hat  das  wissenschaft- 
liche Streben  nicht  ab-,  sondern  extensiv  sowol  als  intensiv  fortwährend 
zugenommen.  Auch  in  dem  Wunsche  nach  der  Erlangung  der  sogenannten 
Güter  des  Lebens,  wie  mächtig  er  die  Handlungen  der  Mensrhen  sonst 
auch  bestimmt,  findet  jene  Erscheinung  ihre  Erklärung  nicht.  Die  Leistun- 
gen der  Wissenschaft  gehören  nicht  zu  jenen  glänzenden  Thaten,  die  einen 
Namen  von  Mund  zu  Mund  tragen,  und  mit  Gold  bezahlt  die  Welt  nur, 
was  sie  wieder  zu  Gold  machen  kann.  Zwar  verdanken  wir  dem  Streben 
nach  gröfseror  Bequemlichkeit  und  reicherer  Gestaltung  unseres  materiellen 


J.  Äprent,  üeber  den  Begriff  der  Bildung.  529 

nnd  gesellschaftlichen  Lebens  manche  schöne  und  groXse  Entdeckung  auch 
auf  wissenschaftlichem  Gebiete,  aber  es  sind  doch  nur  Ausnahmen.  Ge- 
wöhnlich weifs  der  Forscher  nicht,  welche  praktische  Anwendung  seine 
Resultate,  und  ob  sie  überhaupt  eine  solche  finden  werden;  wie  hätten 
also  diese  Rücksichten  bei  seinen  Arbeiten  für  ihn  bestimmend  sein  kön- 
nen? Der  Wissenstrieb  entspringt  viel  tiefer;  er  hat  nichts  zu  thun  mit 
den  Bedürfnissen  unseres  Leibes  und  unterscheidet  sich  ebenso  wesentlich 
von  den  mancherlei  Strebungen,  die  aus  den  Verhältnissen  des  gesell- 
schaftlichen Lebens  entspringen  und  eine  uns  zusagende  Gestaltung  der- 
selben zum  Zwecke  haben. 

Neben  den  mannigfaltigen,  in's  unendliche  sich  steigernden  Bedürf- 
nissen, die  wir  durch  den  Gebrauch  der  Dinge  zu  befriedigen  suchen, 
gibt  es  noch  ein  Bedürfnis,  das,  schon  durch  dasblofse  Dasein  der  Dinge 
geweckt,  auch  schon  durch  das  blofse  Dasein  derselben  seine  Befriedi- 
gung findet.  Jede  neue  Erscheinung  ist  uns  etwas  fremdes;  sie  erfüllt 
uns  mit  Bewunderung,  mit  Staunen,  vielleicht  auch  mit  Furcht  und 
Schrecken ;  immer  liegt  sie  auf  uns  wie  ein  schwerer  Druck ,  den  wir  ab- 
zuwälzen streben.  Dem  wissenschaftlichen  Forscher  zeigt  sie  eine  Lücke 
in  seinem  Streben  und  erweckt  in  ihm  das  Bedürfnis  diese  auszufüllen. 
Er  versucht  dies  auf  seine  Weise,  indem  er  sie  mit  anderen  Erscheinungen 
in  ursachlichen  Zusammenhang  zu  bringen  und  dadurch  in  seinen  Er- 
kenntniskreis zu  ziehen  sucht.  Ist  ihm  dies  gelungen,  so  hat  sie  selbst 
die  Kluft  geschlossen,  die  sie  vorher  offenbar  machte.  Damit  ist  er  be- 
friedigt. Dass  dieser  Zusammenhang  da  ist,  ist  ihm  genug;  er  verlangt 
nicht,  dass  er  in  dieser  oder  jener  Art  vorhanden  seL  Und  die  Befriedi- 
gung, die  aus  der  Erkenntnis  dieses  Daseins  für  ihn  hervorgeht,  ist  ein 
wahrer  Friede,  stark  genug,  ihn  über  Noth  und  Entbehrung,  selbst  über 
den  Undank  und  die  Misachtung  seiner  Zeitgenossen  emporzuheben  und 
hinwegzutragen. 

Aber  nicht  blofs  für  den  wissenschaftlichen  Forscher  ist  jede  neue 
Erscheinung  eine  fremde,  und  das  Streben  sich  von  ihrem  Drucke  zu 
befreien,  wai*  da,  vor  Wissenschaft  und  wissenschaftlicher  Methode.  Von 
allen  Seiten  dringen  unzählige  Gestalten  auf  den  Menschen  ein,  die  er 
nicht  kennt  und  nicht  versteht.  Der  Wilde  sieht  nur  in  seinem  Stamm- 
genossen noch  seines  gleichen;  der  Angehörige  eines  anderen  Stanmies 
schon  hat  so  wenig  mit  ihm  gemein  als  das  Thier,  das  er  erlegt,  weil  es 
ihm  gefahilich  ist,  oder  noth  wendig  zur  Stillung  seines  Hungers.  Nur 
langsam  und  zögernd  gehmgt  er  dahin,  auch  in  seinem  bisherigen  natür- 
lichen Feinde  etwas  menschliches  anzuerkennen.  Aber  er  gelangt  dazu 
nicht  auf  wissenschaftlichem  Wege.  Ein  Blick,  ein  Wort,  vielleicht  die 
kühne  Todesverachtung,  vielleicht  die  an  sein  Herz  dringende  laute  Klage 
um  einen  Gefallenen  sind  es,  durch  die  ihm  in  dem  bis  jetzt  fremden 
Wesen  sein  eigenes  cntgogendämmert.  Was  hier  geschieht  und  wie  es  ge- 
schieht, geschieht  in  imnicr  gröfseren  Kreisen.  Wie  es  uns  in  geeigneter 
Stimmung  findet,  tritt  ein  Ding  nach  dem  andern  uns  näher —  es  spricht 
uns  an,  wie  ^ir  es  bildlich  ausdrucken—  und  sagt  uns  unmittelbar,  dass 
es  mit  uns  derselben  Weltordnung  augehöre,  dass  es  uns  nicht  fremd  sei. 


530  J.  Aprenty  Ucber  den  Begriff  der  Bildung. 

Durch  sein  Dasein  schon  befriedigt  es  uns,  und  wir  denken  in  einem 
solchen  Augenblicke  an  einen  Gebrauch  desselben  ebenso  wenig,  als  der 
Wilde,  der  in  seinem  Ge&ngenen  jetzt  zum  erstenmale  einen  Menschen 
entdeckt  hat,  daran  denkt,  ihn  zu  essen. 

Insofern  uns  etwas  schon  durch  sein  blofses  Dasein  Befriedigung 
gewählt,  nennen  wir  es  gut,  und  die  Auffassung  des  Guten  in  der  Aulisen- 
welt  nennen  wir  die  sittliche  Auffassung.  Wir  verstofsen  damit  nicht 
gegen  den  einmal  festgestellten  Begriff  des  sittlichen,  vermöge  dessen  nur 
menschliche  Thätigkeiten  sittlich  genannt  werden  können.  Denn  wir  reden 
hier  niclit  von  sittlichen  Dingen,  sondern  von  einer  sittlichen  Auffassung 
der  Dinge.  Dass  aber  alles,  was  auf  uns  einwirkt,  ebenso  wie  die  sittlichen 
Handlungen  der  Menschen,  wenngleich  im  einzelnen  nicht  ebenso  nach- 
weisbar, einen  sittlichen  EinÜuss  auf  uns  üben  könne,  ist  unzweifelhaft. 
Alles,  was  wir  gut  nennen,  und  insofern  wir  es  so  nennen:  die  einfaltig 
unschuldigen  Worte  eines  Kindes,  die  Treue  und  Anhänglichkeit  eines 
Thieres,  der  frische  Hauch  des  Morgens,  die  stille  Feier  des  Nachthimmels, 
alles  das  kann  als  sittliches  Element  in  uns  einziehen  und  bringt  unfehl- 
bar sittliche  Wirkungen  hervor.  Von  dem  Hunde  kann  der  Mensch  die 
Treue  lernen,  wenngleich  sie  in  ihm  zur  menschlichen  werden  soll;  von 
der  Biene  den  emsigen,  geordneten  FlelTs;  von  der  Sonne  den  ein&chen 
grofsen  Sinn,  der,  sich  immer  gleichbleibend,  alles  umfangt  und  durch- 
dringt. Das  sittlich  aufgefasste  wird  in  uns  zu  einem  sittlichen.  Es  ver- 
hält sich  damit  beiläufig  so,  wie  mit  den  mancherlei  Eindrücken  sinn- 
licher Gegenstände,  die  wir  durch  die  verschiedenen  Sinneswerkzeuge  auf- 
nehmen und  die  doch  dann  sämmtlich  als  Vorstellungen  auftreten  und 
durch  Worte  hörbar  ausgesprochen  werden,  gleichviel,  ob  der  Eindruck 
durch  das  Ohr,  das  Auge,  oder  durch  den  Geschmack  oder  sonst  einen 
Sinn  aufgenommen  wurde.  Durch  die  sittliche  Auffassung  der  Dinge  werden 
wir  selbst  zu  sittlichen  Wesen. 

Die  sittliche  Auffassung  ist  die  dritte  Stufe  der  auffassenden  Thätig- 
keit.  Sie  setzt  das  Denken  ebenso  voraus,  wie  dieses  das  Wahrnehmen. 
Denn  indem  wir  etwas  gut  nennen,  sagen  wir,  dass  in  der  sinnlichen  Er- 
scheinung etwas  enthalten  sei,  was  eben  durch  sie  als  „gut"  sich  aus- 
spreche. Sie  ist  die  Form,  in  der  ein  inneres  zum  Ausdruck  kommt.  Wir 
müssen  also  schon  wissen^  dass  in  einer  Erscheinung  ein  inneres  enthalten 
sein  könne,  und  das  erfahren  wir  zuerst  denkend,  indem  wir  in  einer 
Wirkung  die  Form  erkennen,  in  welcher  die  Ursache  zum  Ausdrucke  kommt 
Wir  müssen  also  wenigstens  einmal  schon  einen  ursachlichen  Zusammen- 
hang aufgefunden  haben. 

Wenn  der  Mensch  in  seiner  Entwickelung  auf  einer  gewissen  Höhe 
angekommen  ist,  so  geht  alles  Wahmelnnen  sogleich  in  ein  Denken  über, 
indem  er  die  sinnlichen  Gegenstände  fast  unwillkürlich,  wenigstens  gleich 
in  ihrem  Art- Zusammenhange  auffasst.  Im  weileren  Fortschritte  nun  er- 
hebt sich  jede  Auffassung  zur  sittlichen.  Wir  haben  gesehen,  wie  das 
wissenschaftliche  Streben,  das  doch  weit  ab  von  jeder  sittlichen  Tendenz 
zu  liegen  scheint,  zu  einem  sittlichen  sich  veredeln  könne.  Gleichwol  wendet 
<1«T,    welcher    ein  wisse)is<liartliohos  Problem   sittlich  auffa.sst,   weder  f»ino 


J.  Aprent,  Ueber  d<  n  Begriff  der  Bildung.  531 

Ändere  Methode  an,  noch  kommt  er  zu  anderen  Resultaten  als  derjenige, 
dem  es  dabei  blofs  um  eine  nutzbringende  Anwendung  zu  thun  ist.  Der 
Unterschied  liegt  blofs  darin,  dass  jeder  von  ihnen  ein  anderes  Bedürfnis 
zu  befriedigen  sucht.  In  je  höherem  Grade  nun  unser  Wesen  bereits  ein 
sittliches  geworden  ist,  desto  mächtiger  wird  sich  auch  das  sittliche  Be- 
dürfnis zeigen,  und  wie  es  dem  im  Denken  geübten  natürlich  ist,  alles 
denkend  zu  betrachten,  so  wächst  mit  unserem  sittlichen  Wesen  auch  die 
Leichtigkeit  und  Schnelligkeit  der  sittlichen  Auflfassung.  Auf  unserer  Cul- 
turstufe  vermögen  wir  in  dem  nackten,  vielleicht  misgestalteten  und  der 
Sprache  kaum  fähigen  Wilden  viel  leichter  noch  etwas  gutes  —  einen 
Menschen  —  zu  erkennen,  als  dieser  seines  gleichen  in  dem  Bewohner  der 
nächsten  Insel,  die  et  zum  erstenmal  erreicht.  Selbst  Speise  und  Trank, 
obgleich  nur  zur  Befriedigung  leiblicher  Bedürfnisse  dienend,  können  so 
zu  Gegenständen  sittlicher  Auffassung  werden. 

Die  sittliche  Auffassung  ist  aber  zugleich  die  letzte  Stufe  der  auf- 
fassenden Thätigkeit.  Indem  wir  etwas  gut  nennen  und  dadurch  unsere 
Befriedigung  über  sein  Dasein  aussprechen,  treten  wir  zu  ihm  in  ein  sitt- 
liches Verhältnis.  Zwar  fühlt  auch  der  Essbegierige  beim  Anblick  der 
Speise  und  der  Habsüchtige  beim  Anblicke  des  vielleicht  unredlich  er- 
worbenen Geldes  sich  befriedigt;  allein  ihre  Befriedigung  ist  ganz  anderer 
Art.  Sie  befriedigt  nicht  das  Dasein  der  Speise  und  des  Geldes,  sondern 
den  erstem  die  Möglichkeit  des  Genusses  und  den  letztem  der  Besitz.  Bei 
ihnen  ist  es  das  Verhältnis  des  Dinges  zu  ihrem  Zwecke,  was  sie  befrie- 
digt. Das  Verhältnis  des  Dinges  zu  unserem  Zwecke  ist  aber  kein  Ver- 
liältnifl  zu  uns;  denn  der  Zweck  ist  eine  Vorstellung,  und  diese  ist,  wie 
wir  gesehen  haben,  immer  etwas  aufser  uns.  Das  sittliche  Verhältnis  ist 
demnach  das  einzige,  welches  wirklich  zwischen  uns  und  den  Dingen 
der  Aufsenwelt  besteht.  Erst  was  wir  gut  nennen,  tritt  wahrhaft  in  Ver- 
bindung mit  unserm  Dasein,  w"rd  wahrhaft  unser  eigen. 

Was  wir  nicht  gut  nennen,  tritt  eben  dadurch  aufser  Verhältnis 
zu  uns ;  es  wird  nicht  sittlich  aufgefasst,  sondern  abgestofsen.  Da  aber  mit 
der  fortschreitenden  Ent Wickelung  unsere  Fähigkeit  zur  sittlichen  Auffas- 
sung sich  fortwährend  steigert,  und  anderseits  die  Dinge  der  auffassenden 
Thätigkeit  sehr  viele  Seiten  darbieten,  so  kann  derselbe  Gegenstand  später 
doch  in  ein  sittliches  Verhältnis  zu  uns  treten. 

Die  äufsero  Welt  stellt  sich  uns  in  einer  Unzahl  einzelner  Erschei- 
nungen dar  und,  indem  wir  wahrnehmen,  werden  diese  in  ihrer  Vereinze- 
lung aufgefasst.  Durch  das  Denken  wird  die  Aufsenwelt  zur  Einheit 
gebracht.  Mit  der  sittlichen  Auffassung  endlich  treten  wir  selbst  in  diese 
Einheit  ein,  und  es  verschwindet  die  Kluft,  die  uns  bisher  von  der  Welt 
trennte.  Damit  aber  hat  die  auffassende  Thätigkeit  überhaupt  ihr  Ende 
erreicht. 

II. 
Das  Hervorbringen. 

Um  eng  verbundenes  nicht  gewaltsam  zu  trennen  und  so  das  Ver- 
ständnis unnöthigcr  Weise  zu  erschweren,  musste  schon  bei  der  auffassen- 
den Thätigkeit   au^h    der    ht'rvurbnii;;cndeii    Erwähnung   geschehen.    Wir 


532  J.  Aprent,  üeber  den  Begriflf  der  Bildung. 

bezeichneten  so  jene  Thätigkeit,  durch  welche  etwas  hen'orgebracht  wird, 
was  nun  aufser  oder  neben  dem  Thätigen  ein  Dasein  hat.  Es  ist  nun  nöthig, 
auf  diese  Art  der  Thätigkeit  näher  einzugehen. 

Die  hervorbringende  Thätigkeit  hat  drei  Stufen :  das  Vorstellen,  das 
Sprechen  und  das  Wirken.  Diese  Stufen  verhalten  sich  zu  einander  so,  dass 
jede  folgende  die  vorhergehende  aufnimmt  und  weiter  fortsetzt  Die  Vor- 
stellung ist  ein  äufäeres  blofs  für  den  Vorstellenden;  das  Gesprochene  ist 
ein  äuTseres  nicht  blofs  für  den  Sprechenden,  sondern  auch  f&r  den  Hören- 
den, und,  insofern  wir  auch  durch  Blicke,  Geberden  u.  s.  w.  sprechen 
können,  überhaupt  für  jeden  dem  Sprechenden  gegenwärtigen;  das  Werk 
trägt  sein  Dasein  über  die  unmittelbare  Gegenwart  hinaus,  es  ist  da  für 
jeden.  Das  Sprechen  ist  ein  weiter  geführtes  Vorstellen;  wir  stellen  etwas 
vor  den  Hörer;  das  Wirken  ist  ein  weiter  geführtes  Sprechen;  durch  unser 
Werk  sprechen  wir  zu  allen. 

Wir  haben  aber  gesehen,  dass  durch  das  Vorstellen  ein  inneres 
nämlich  ein  wahrgenommenes  wieder  äufserlich  und  anschaulich  wird;  es, 
ist  also  immer  auch  im  Sprechen  und  Wirken  ein  inneres,  was  der  Her- 
vorbringende äufserlich  in  das  Dasein  stellt  In  dem  Werke  hat  sich  dieses 
Innere  von  dem  Wirkenden  gänzlich  losgelost  und  es  ist  durch  den  Stoff, 
den  es  durchdringt,  vollständig  in  die  Aufsenwelt  eingetreten.  Auf  welcher 
Stufe  des  Hervorbringens  wir  in  einem  gegebenen  Falle  stehen  bleiben, 
hängt  von  der  Beschaffenheit  unseres  Inneren  und  von  dem  Zustande  des- 
selben im  Augenblicke  des  Hervorbringens  ab.  Kinder  und  Ungebildete 
tragen  ihr  Herz  auf  der  Zunge,  und  im  Augenblicke  einer  plötzlich  herein- 
brechenden Gefahr ,  oder  von  einer  mächtigen  Leidenschaft  ergriffen,  geht 
auch  der  sonst  Besonnene  nicht  selten  sogleich  in's  Wirken  über  und  be- 
geht Misgriffe,  Thorheiten  und  Fehler,  kurz  Handlungen,  von  denen  er 
später  selbst  wie  zur  Entschuldigung  sagt,  dass  er  sie  nicht  bedacht  habe. 

Meist  werden  jedoch  zuerst  Vorstellungen  hervorgebracht,  und  erst 
diese,  ausgesprochen  in  einem  Worte  oder  Werke,  weiter  nach  auTsen  ge- 
tragen. Warum  dies  so  sei,  ist  leicht  einzusehen.  Wir  liaben  bereits  be- 
merkt, wie  eine  Vorstellung  uns  zur  Bildung  ganzer  Reihen  mit  ihr  im  Zu- 
sammenhange stehender  Vorstellungen  anregt,  und  wie  ganz  besonders  zu- 
sammengesetzte Vorstellungen,  weil  sie  durch  ihren  Inhalt  nach  vielen 
Richtungen  hin  untereinander  in  Verbindung  stehen,  geeignet  sind,  unsere 
vorstellende  Thätigkeit  zu  wecken  und  in  Gang  zu  erhalten.  Es  fehlt  also 
nie  an  Anlass  zur  Bildung  von  Vorstellungen,  und  diese  geht  zugleich  mit 
der  gröfsten  Freiheit  und  Leichtigkeit  vor  sich.  Anders  verhält  es  sich 
aber,  wenn  ein  Inneres  in  einer  auch  von  andern  auffassbaren  Form  zur 
Erscheinung  kommen  soll.  Hier  muss  ein  sinnlicher  Gegenstand  geformt, 
d.  h.  zum  Träger  und  Vermittler  unseres  Inneren  gemacht  werden.  Nun 
gibt  es  aber  keinen  sinnlichen  Gegenstand,  der  nicht  schon  eine  Form 
hätte.  Denn  alles  zeigt  wenigstens  eine  gewisse  Anordnung  seiner  Theile 
und  das  setzt  eine  gewisse  Art  der  Begrenzung  derselben,  also  wenigstens 
eine  bestimmte  Form  der  Theile  schon  voraus.  Dem  Gegenstand,  welcher 
geformt  worden  soll,  muss  also  seine  Form  genommen  und  eine  andere 
gleichsam  aufgenöthigt  werden ;    er   leistet   einen   Widerstand,   der   über- 


J.  ApreyU,  Uebcr  den  Begriff  der  Bildung.  533 

wunden  werden  muss.  Dadurch  aber  wird  die  hervorragende  Thätigkeit 
gehemmt,  sie  bleibt  vorerst  auf  der  Stufe  des  Vorstellens  stehen,  und  die 
Vorstellung  erst  wird  in  den  äufseren  Gegenstand,  den  Stoff,  allmählich 
eingetragen.  Die  Voi Stellung  dessen,  was  durch  unsere  Thätigkeit  hervor- 
gebracht werden  soll,  nennen  wir  Zweck. 

Es  könnte  scheinen,  dass  der  Widerstand  des  Stoffes  und  die  mit 
der  Ueberwindung  desselben  verbundene  Anstrengung  es  sind,  die  das  Ge- 
ftlhl  des  Misbehagens  in  uns  erzeugen,  das  so  oft  mit  der  Arbeit  verbun- 
den ist  Dass  diese  Annahme  jedoch  nicht  ganz  richtig  ist,  sehen  wir 
schon  daraus,  dass  Kinder  bei  ihren  Spielen  nicht  selten  ihre  ganze  Kraft 
einsetzen,  ohne  an  Lust  und  Freude  etwas  einzubürsen^  während  der  Ar- 
beiter oft  genug  sein  Geschäft  lässig  betreibt  und  dabei  doch  den  ganzen 
Druck  empfindet,  den  wir  als  die  Härte  der  Arbeit  bezeichnen.  Der  Grund, 
warum  dem  Kinde  das  Spiel  Freude  gewährt,  liegt  vielmehr  darin,  dass 
es  dabei  entweder  gar  keinen  Zweck  verfolgt,  sondern  sein  inneres  unmittel- 
bar zum  Ausdruck  bringt,  oder  einen  so  naheliegenden  Zweck  vor  sich  hat, 
dass  es  ihn  schon  durch  sein  gegenwärtiges  Thun  vollständig  erreicht? 
Wer  jedoch  den  Acker  pflügt ,  hat  dabei  einen  Zweck  im  Auge ,  nämlich 
den  Acker  fruchtbar  zu  machen.  Dieser  Zweck  wird  aber  durch  seine  gegen- 
wärtige Thätigkeit  noch  nicht  erreicht;  denn  wenn  er  mit  der  Arbeit  fertig 
ist,  so  hat  er  wol  einen  mit  Furchen  durchzogenen,  aber  noch  nicht  einen 
fruchtbaren  Acker.  Es  wird  also  durch  seine  Thätigkeit  sein  Inneres  noch 
nicht  zum  äufseren  Dasein  gebracht,  und  darum  lässt  sie  ihn  ohne  Freude. 
Dies  ist  um  so  mehr  der  Fall,  je  weiter  sie  von  der  Erreichung  des  Zweckes 
noch  entfernt  ist.  Je  besser  hingegen  der  Mann  hinter  dem  Pfluge  es  weifs, 
wie  die  Fruchtbarkeit  des  Ackers  durch  das  Pflügen  bedingt  ist,  je  mehr 
er  in  dem  gepflügten  Felde  schon  das  mit  Aehren  beladene,  also  schon 
seinen  Zweck  zu  erblicken  vermag,  desto  mehr  verliert  seine  Arbeit  an 
Härte;  sie  wird  leicht  und  genussreich.  Kann  uns  ja  doch  sogar  das  Spre- 
chen mühevoll  und  lästig  werden,  wenn  dadurch  blofs  ein  fernliegender 
Zweck  erreicht  werden  soll,  während  das  Kind  wie  träumend  fortplaudert 
und  auch  darin  Genuss  und  Befriedigung  findet. 

Man  thut  also  unrecht,  mit  Geringschätzung  auf  das  Treiben  des 
Kindes  hinabzublicken.  Die  schöpferische  Thätigkeit  des  Künstlers,  der 
den  Marmor  zu  beleben,  des  Gesetzgebers,  der  ein  Volkschaos  zu  einem 
Volke  zu  gestalten  sucht,  dass  es  nach  seiner  Eigenthümlichkeit  sich  weiter 
entwickle,  hat  für  diese  keinen  höheren  Werth,  als  das  Spiel  des  Kindes 
für  das  Kind.  Sie  alle  suchen  blofs  ihrem  Inneren  ein  äufseres  Dasein  zu 
geben.  Das  Kind  lernt  nicht  blofs  spielend  arbeiten,  das  Spiel  ist  auch 
wirklich  seine  Arbeit.  Anfangs  finden  die  Regungen  der  leicht  beweg- 
lichen Seele  schon  in  der  Stimme  und  in  den  Bewegungen  der  Glieder 
ihren  vollständigen  Ausdruck.  Hier  ist  es  der  noch  gegenstandslose  Thätig- 
keitstricb,  der  in  die  Aufsenwelt  eintritt.  Sobald  sich  dann  einige  Vor- 
stellungen gebildet  haben,  sucht  es  diesen  auch  sogleich  äufsere  Realität 
zu  geben ;  es  thürmt  Berge  aus  Sand,  es  legt  mit  den  Blumen,  die  es  auf 
der  Wiese  gebrochen  hat,  einen  Garten  an,  und  macht  den  Raum  unter 
dem  Tische  zu  einem  Prunkgemache.   Wie  aber  seine  Vorstellungen  reicher 


534  J'  Aprent,  lieber  den  Begrifi"  der  Bildung. 

und  zusammengesetzter  werden ,  gibt  es  auch  von  selbst  die  alten  Spiele 
auf.  Aber  jetzt  kann  auch  das  Kind  sein  Inneres  nicht  mehr  unmittelbar 
-wie  mit  einem  Hauche  in  die  Aufsenwclt  übertragen.  Es  verfolgt  entfern- 
tere Zwecke  und  damit  beginnt  auch  seine  Noth.  Vater  und  Mutter  müssen 
bestimmt  werden  ihre  Unterstützung  zu  leihen,  Hindernisse  müssen  be- 
seitigt, förderliches  in  Bewegung  gesetzt  werden;  es  fehlt  nicht  an  Kum- 
mer und  Thränen.  Auf  diese  Weise  geht  das  Spiel  des  Kindes  allmählich 
und  unmerklich  in  das  über,  was  wir  Arbeit  nennen. 

Umgekehrt  kann  die  Arbeit  des  Mannes,  wie  groft  und  ernst  auch 
der  Zweck,  der  erreicht  werden  soll,  sein  mag,  dem,  was  wir  Spiel  nennen, 
sehr  nahe  kommen  und  mit  der  fortschreitenden  Entwickelung  des  Men- 
schen nähert  sie  sich  ihm  auch  wirklich  immer  mehr.  Am  härtesten  wird 
die  Arbeit  als  solche  empfunden,  wenn  ein  uns  fremder  Zweck  durch  Mittel 
erreicht  werden  soll,  deren  Wahl  ebenfalls  nicht  von  uns  abhängt.  Könnte 
man  auf  diese  Art  die  äufsere  Thätigkeit  des  Menschen  vollständig  von 
seinem  Inneren  trennen,  so  hätte  man  ihn  auch  vollständig  auf  die  Stufe 
hinabgedrückt,  auf  der  sein  Zugthier  steht.  Sein  Thun  würde  für  ihn  zur 
furchtbarsten  Qual,  weil  es  im  vollkommensten  Widerspruch  stünde  mit 
seiner  Menschennatur.  Dies  ist  jedoch  niemals  der  Fall,  denn  seine  Natur 
ist  stark  genug,  sich  in  jedem  Verhältnisse  zur  Geltung  zu  bringen.  Er 
wird  damit  anfangen,  den  Zweck  und  die  Zweckmäfsigkeit  der  Mittel  einer 
Prüfung  zu  unterziehen  und  sie,  je  nach  seinem  Standpuncte,  billigen  oder 
verwerfen.  Im  ersten  Falle  wird  das  ursprünglich  fremde  sich  allmählich 
in  seine  Seele  legen  und  er  wird  schlief slich  wie  aus  freiem,  innerem  An- 
triebe thun,  was  anfänglich  fremdes  Gebot  war;  im  zweiten  Falle  wird  er, 
wie  klein  der  Spielraum,  der  ihm  gelassen  ist,  auch  sei,  innerhalb  dieses 
Spielraumes  seiner  bessern  Einsicht  gehorchen  und,  wenn  er  nichts  anderes 
kann,  seine  Arbeit  zu  verderben,  sein  eigenes  Werk  zu  zerstören  suchen, 
und  sich  freuen,  wenn  es  ihm  gelingt.  Auch  so  verfolgt  er  seine  Arbeit 
mit  Theilnahme;  er  nimmt  den  fremden  Zweck  in  sich  auf,  wenngleich 
nur,  um  seinen  eigenen  an  dessen  Stelle  zu  setzen,  und  macht  seine  Thätig- 
keit zum  Mittel  zur  Erreichung  dieses  Zweckes.  Da  ferner  Mittel  und 
Zweck  in  einem  solchen  Verhaltnisse  zu  einander  stehen,  dass  dieser  um 
80  vollständiger  erreicht  wird,  je  vollkommener  jenes  ist,  so  lässt  sich  in 
der  Vollkommenheit  des  Mittels  der  Zweck  schon  als  erreicht  erblicken. 
Wenn  also  unsere  Thätigkeit  auch  nicht  in  unmittelbarer  Beziehung 
zu  dem  Zwecke  derselben  steht,  so  lässt  sich  doch  eine  solche  unmittel- 
bare Beziehung  herstellen,  wenn  wir  unseren  Endzweck  in  die  vollkommene 
Erreichung  des  nächsten  Zweckes  verlegen.  Auf  diese  Art  gelangen  wir 
immer  mehr  dahin,  nur  unsere  Zwecke  zu  verfolgen,  nnd  zwar  solche,  zu 
deren  Erreichung  schon  unsere  gegenwärtige  Thätigkeit  führt.  Wir  arbei- 
ten mit  Befriedigung  —  spielend. 

Wir  mögen  also  di\3  hervorbringende  Thätigkeit  in  ihren  Ergeb- 
nissen auf  den  verschiedenen  Stufen  oder  in  Beziehung  auf  die  unendlich 
verschiedenen  Zwecke,  die  der  Mensch  dabei  im  Auge  haben  kann,  be- 
trachten; immer  ist  sie  das  Mittel,  durch  welches  unser  Inneres  in  die 
ihifsere  Erscheinunir  tritt.    W<»nn   wir  di<'se  Darstell  uns:  unseres  In- 


J.  ÄpretUf  Uobor  den  Begriff  der  Bildung.  585 

neren  nicht  den  Zweck  der  hervorbringenden  Thätigkeit  nennen,  so  hat 
dies  nur  darin  seinen  Grund,  dass  wir  nicht  gewohnt  sind,  sie  uns  als  das 
vorzustellen,  was  durch  die  Thätigkeit  erreicht  werden  soll.  Wir  haben 
zugleich  gesehen,  dass  der  Mensch  in  jeder  hervorbringenden  Thätigkeit 
sein  Inneres  zur  Erscheinung  bringen  kann,  und  sie  verdient  auch  nur 
insofern,  als  er  dies  wirklich  thut,  den  Namen  einer  menschlichen.  Denn 
erscheint  in  dem  hervorgebrachten  sein  Inneres  nicht,  so  hat  er  nur  mit 
den  Kräften  eines  Thieres  oder  einer  Maschine  gewirkt.  Durch  seine  her- 
vorbringende Thätigkeit  umgibt  sich  der  Mensch  mit  den  Kindern  seines 
Geistes.  Das  Dach,  unter  dem  er  wohnt,  der  Hausrath,  dessen  er  sich  be- 
dient, der  Acker  mit  den  wogenden  Halmen:  es  sind  »eine  in  den  Raum 
Übertragenen  Gedanken.  Auch  dem  Thiore,  das  sein  Eigenthum  bewacht 
oder  ihm  Gehilfe  bei  der  Arbeit  ist,  hat  er  sein  Zeichen  aufgedrückt;  es 
ist  ein  lebendiges  Zeugnis  seiner  überlegenen  Einsicht^  seiner  berechnen- 
den Ausdauer,  seiner  liebevollen  Pflege.  Am  herrlichsten  aber  leuchtet  ihm 
sein  Bild  entgegen  aus  den  Menschen,  mit  denen  er  umgeht  und  auf  die 
er  fortwährend  einwirkt.  Die  Welt  ist  nun  seine  Welt,  weil  und  insofern 
sie  aus  seinem  Inneren  hervorgegangen  ist. 

Was  wir  hervorbringen  ist  gut,  wenn  es  uns  ohne  Beziehung  auf 
irgend  ein  anderes  schon  durch  sein  blofses  Dasein  Befriedigung  gewährt; 
unsere  hervorbringende  Thätigkeit  wird  zur  sittlichen ,  wenn  sie  auf  die 
Hervorbringung  eines  guten  gerichtet  is'.  Die  Ergebnisse  der  hervorbrin- 
genden Thätigkeit  auf  den  unteren  Stufen  köunen  uns  niemals  volle  Be- 
friedigung gewähren,  weil  in  ihnen  die  Thätigkeit  noch  nicht  zum  Ab- 
schluss  gekommen  ist.  Erst  in  einem  Werke  kommt  sie  zum  Abschluss. 
Das  höchste  also,  was  der  Mensch  hervorbringen  kann,  ist  ein  Werk,  das 
gut  ist 

Ul. 
Das  Bewusstsein. 
Wenn  der  Mensch  in  das  Leben  tritt,  so  ist  er  noch  nichts  von 
allem  dem,  was  er  durch  das  Leben  erst  wird.  Was  er  aber  in's  Leben 
schon  mitbringt,  ist  die  Fähigkeit  thätig  zu  sein.  Von  den  Aufsendin- 
gen angeregt,  tritt  diese  Fähigkeit  zunächst  als  auffassende  Thätigkeit  in 
die  Erscheinung,  und  durch  diese  wird  der  Mensch  allmählich  zu  einem 
wahrnehmenden,  denkenden  und  s  ttlichen  Wesen. 

Da  die  Gegenstände  der  Auffassung  nach  Zeit  und  Ort  unendlich 
verschieden  sind,  so  müssen  auch  die  Ergebnisse  der  auffassenden  Thätig- 
keit ebenso  verschieden  sein.  Durch  sie  wird  also  jeder  Mensch  zu  einem 
Individuum,  verschieden  von  jedem  andern.  Die  Welt  ist  zu  grofs  für  einen; 
jeder  nimmt  nur  einen  kleinen  Theil  von  ihr  auf.  Dies  allein  würde  schon 
hinreichen,  die  Verschiedenheiten  in  Menschen  und  Völkern  zu  erklären, 
wenn  man  auch  annelimen  wollte,  dass  alle  für  alles  eine  gleiche  Auf- 
nahmsfahigkeit  haben. 

Was  der  Mensch  durch  die  auffassende  Thätigkeit  geworden  ist,  ist 
ihm  vorerst  ganz  unbekannt.  Wir  alle  haben  schon  sehr  viel  gesehen,  ge- 
hört und  erfahren,  aber  in  denn  Augenblicke,  wo  wir  uns  mit  der  Betrach- 
tung einer  Bluun',    mit  dem  Li'son   o  nos   Buciies  o<ler   vielleicht   gar  nur 


530  J.  Aprent,  Ueber  den  Begriff  der  Bildung. 

mit  dem  Frühstück  beschäftigten,  wissen  wir  nichts  von  allem,  was  das 
Leben  bis  zu  diesem  Augenblick  an  uns  gewirkt  hat.  Alles  innere  kommt 
nur  dadurch  zum  Vorschein,  dass  es  durch  die  hervorbringende  Thatigkeit 
wieder  zu  einem  äufseren  und  auf  diese  Art  anschaulich  gemacht  wird, 
sei  es  auch  nur  in  einer  Vorstellung.  Durch  die  auffassende  Thatigkeit 
werden  wir  zu  etwas ;  durch  die  hervorbringende  zeigt  sich,  was  wir  sind. 

Damit  wir  ein  Wissen  von  nns  erlangen,  muss  das  hervorgebrachte 
von  uns  aufgefasst  werden.  Die  hervorbringende  Thatigkeit  geht  also 
hier  wieder  über  in  die  auffassende,  mit  der  die  Thatigkeit  überhaupt  be- 
gonnen hat.  Wir  können  uns  demnach  den  Gang  der  Thatigkeit  als  eine 
Kreislinie  denken,  die  mit  der  Erzeugung  eines  Wissens  von  nns 
selbst  wieder  zu  ihrem  Anfangspuncte  zurückkehrt.  Das  Leben  nmfasst 
eine  gröl^ere  oder  kleinere  Zahl  solcher  Lebenskreise. 

Auch  das  auf  eine  solche  Weise  erzeugte  Wissen  von  un»  selbst  ist 
kein  continuierliches;  es  verschwindet,  sobald  unsere  Thatigkeit  einem  an- 
deren Gegenstande  sich  zuwendet.  Es  ist  immer  nur  einBewusstwerden, 
das  mit  gröfseren  oder  kleineren  Unterbrechungen  auftritt.  Je  einheitlicher 
aber  unser  Wesen  ist,  desto  mehr  wird  alles,  was  wir  hervorbringen,  das 
Gepräge  dieses  Wesens  an  sich  tragen.  Auch  die  Thatigkeit  selbst,  die 
hervorbringende  sowol  als  die  umfassende,  geht  aus  uns  hervor,  ist  also 
schon  etwas  hervorgebrachtes  und  wird  den  Charakter  unseres  Wesens 
zeigen.  So  sieht  der  Trauernde,  wohin  er  auch  blicken  mag,  immer  nur 
seine  Trauer,  und  in  alles,  was  er  thut,  legt  er  ebenfalls  seine  Trauer. 
Sic  ist  ihm  immer  und  überall  gegenwärtig. 

Nun  geht  aber  die  auffassende  Thatigkeit  dahin,  uns  zu  einheit- 
lichen Wesen  zu  machen,  nämlich  zu  sittlichen.  In  je  höherem  Grade  wir 
dieses  sind,  desto  mehr  wird  auch  jede  unserer  Aeufserungen  das  Gepräge 
unseres  sittlichen  Wesens  an  sich  tragen.  In  jeder  werden  wir  uns  wieder 
erkennen,  das  Bewusstwcrden  wird  immer  mehr  zu  einem  continuierlichen 
Zustand,  zum  Bewusstsein.  Die  Erzeugung  des  sittlichen  Bewusstseins 
ist  also  das  Ziel,  bei  welchem  das  Leben  schliefslich  ankommt 

Nennt  man  nun  das  Ziel  des  Lebens  Bildung,  so  ist  Bildung 
nichts  anderes,  als  die  durch  das  Leben  hervorgebrachte  Stärke 
des  sittlichen  Bewusstseins.  Es  gibt  also  wol  unzählige  Grade,  aber 
nur  eine  einzige  Art  von  Bildung.  Auch  ohne  es  zu  wollen,  ja  selbst  ohne  es 
zu  wissen,  strebt  der  Mensch  ihr  zu  in  allen  Zonen,  zu  allen  Zeiten  und 
unter  allen  Verhältuissen. 

Einige  Folgerungen. 
Wir  glauben,  dass  der  Begriff  der  Bildung,  wie  wir  ihn  im  vorher- 
gehendeu  gefunden  haben,  so  ziemlich  mit  dem  übereinstimmen  dürfte,  was 
man  sich  auch  sonst  gewöhnlich,  nur  mehr  oder  weniger  klar,  darunter 
denkt.  Aber  auch,  wenn  dieses  nicht  der  Fall  wäre,  wenn  also  z.  B.  eine 
gewisse  Glätte  und  Gewandtheit  in  den  Umgangsformen  —  was  man  so 
Salonbildung  nennt  —  diesen  Namen  mit  demselben  Rechte  trüge,  auch 
dann  wäre  unsere  Untersuchung  keine  vergebliche  gewesen.  Denn  —  vor- 
ausgesetzt, dass  der  Gang  derselben  ein  richtiger  war  —  wir  haben  auf 


J.  Äprent,  üeber  den  Begriff  der  Bildung.  587 

dieftem  Weg<e  das  Ziel  erkannt,  dem  das  Leben  zustrebt.  Die  Schule  soll 
sich  aber  so  viel  als  möglich  dem  Leben  anschliefsen ,  und  sie  kann  dies 
offenbar  nicht  besser,  als  wenn  sie  das  Ziel  des  Lebens  zu  ihrem  letzten 
und  höchsten  Zwecke  macht  Was  das  Leben  in  jedem  einzelnen,  nur  in 
jedem  in  einem  anderen  Grade  hervorbringt,  das  soll  sie  bei  den  ihrer 
Führung  anvertrauten  in  dem  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  höchst 
möglichen  Grade  durch  ein  berechnetes  Zusammenwirken  aller  ihrer  Mittel 
zu  erreichen  suchen. 

Zu  diesen  Verhältnissen  gehört  aber  vor  allem,  dass  die  Schule  nicht 
erst  neu  geschaffen  werden  soll,  sondern  eine  bereits  bestehende  Institution 
igt,  die  schon  einen  bestimmten  Zweck  verfolgt.  Dieser  Zweck  ist  der  Un- 
terricht. Bei  all  unseren  Schulen  denkt  man  zuerst  an  die  Beibrin^ng 
gewisser  Kenntnisse  und  Fertigkeiten,  nicht  an  Bildung  in  irgend  einem 
Sinne.  Die  Bestimmung  alles  dessen,  was  zum  Unterrichte  in  unmittel- 
barer Beziehung  steht:  Art  und  Zahl  der  Unterrichtsgegenstände,  Umfang, 
in  welchem  dieselben  behandelt  werden,  Art  der  Behandlung  u.  s.  w.  bildet 
die  ünterrichtsverfassung  einer  Schule.  Ihr  zur  Seite  steht  die  Disciplinar- 
verfassung,  welche  alle  jene  Vorkehrungen  in  sich  begreift;,  welche  noth- 
wendig  sind,  dass  der  Unterrichtszweck  erreicht  werden  könne.  Es  handelt 
sich  also  darum,  der  Disciplinar-  und  Unterrichtsverfassung  eine  solche 
Stellung  zu  geben,  dass  sie  zugleich  Mittel  zur  Erreichung  jenes  höchsten 
Zweckes  werden. 

Wir  haben  hier  nicht  die  Absicht  auf  eine  umfassende  und  streng 
gegliederte  Erörterung  dieses  Gegenstandes  einzugehen.  Wenn  der  von  uns 
aufgestellte  Bildungsbegriff  richtig  ist,  so  wünschen  wir,  dass  er  als  Ueber- 
zeugung,  d.  h.  von  innen  herauswirken  möge.  Was  aus  dem  so  gefassten 
letzten  Schulzwecke  für  die  Schule  heilsames  an  Einrichtungen  und  Formen 
hervorgehen  kann,  wird  sich  dann  wol  allmählich  zur  Geltung  bringen. 
Nur  um  zu  zeigen ,  dass  dieser  Bildungsbegriff  wirklich  Folgerungen  flir 
die  Schule  zulasse,  gestatten  wir  uns  noch  einige  Bemerkungen,  und  zwar 
mit  Uebergehung  der  Disciplin  ausschliefslich  in  Betreff  des  Unterrichtes, 
weil  maxi  auf  diesem  Gebiete  seine  Fruchtbarkeit  am  ehesten  in  Zweifel 
ziehen  könnte.  Wir  bitten  jedoch,  nicht  etwa  durchaus  neues  und  bisher 
ganz  unbekanntes  zu  erwarten.  Wie  bei  der  Cultur  des  Bodens,  so  ist  auf 
dem  Felde  der  Erziehung  das  Können  dem  Kennen  oft  weit  vorausgeeilt. 
Damm  ist  aber  das  letztere  doch  nicht  überflüssig.  Denn  belebt  wird  das 
Können  doch  nur  durch  die  Einsicht  und  diese  befestigt  sich  um  so  mehr, 
je  vielfacher  die  Wege  sind,  auf  denen  man  zu  ihr  gelangt. 

Man  pflegt  zu  sagen,  die  Welt  bilde  den  Menschen.  Aber  dieser  Satz 
ist,  wenn  nicht  ganz  unrichtig,  wenigstens  sehr  ungenau.  Denn  wie  wir 
gesehen  haben,  bildet  der  Mensch  sich  selbst  und  die  Welt  bietet  ihm  nur 
den  Bildungsstoff,  den  er  in  sich  aufnimmt  und  verarbeitet,  um  seine 
•Bildung  daraus  aufzubauen.  Und  diese  Bildung  ist  nur  eine,  unter  wa» 
immer  f&r  Verhältnissen  der  Mensch  auch  lebe.  Darum  erkennen  wir  in 
den  grofsen  Dichtem,  Geschichtschreibem  und  Staatsmännem  des  Altor- 
thums,  zu  deren  Geistesboheit  wir  be^vunde^nd  aufblicken,  auch  heute  noch 
leuchtende  Vorbilder,  denen  wir  uns  anzunähern  suchen,  obgleich  die  Welt, 


588  -/.  Aprenty  Uebcr  den  Bogriff  der  Bildung. 

ans  der  sie  ihre  Bildung  schöpften,  sehr  verschieden  war  von  der  unseren. 
Für  die  Schule  ergibt  sich  daraus  zunächst,  dass  es  unstatthaft  ist,  von 
irgend  einem  ünterrichtsgegenstande  zu  behaupten,  dass  er  schon  an  sich 
mehr  bildende  Kraft  habe  als  irgend  ein  anderer.  Kein  Unterrichtsgegen- 
stand vermag  den  Schüler  zu  bilden,  nicht  einmal  der  Lehrer  thut  das, 
sondern  einzig  und  allein  der  Schüler  selbst.  Auch  ist  kein  Unterrichts- 
gegenstand  an  sich  schon  ein  Bildungsmittel,  sondern  sie  sind  sämmtlich 
nur  Bildungsstoff  und  als  solcher  sämmtlich  gleich  werthlos  oder  werth- 
voll.  Es  gibt  nur  ein  einziges  Bildungsmittel,  und  dieses  ist  die  Thatig- 
keit  des  Schülers.  Die  Unterrichtsaufgabe  der  Schule  aber  besteht 
darin,  Unterrichtsgegenstände  in  ein  solches  Verhältnis  zu 
dem  Schüler  zu  bringen,  dass  an  ihnen  seine  bildende  Th&tig- 
keit  zur  Entfaltung  komme. 

Dazu  ist  vor  allem  noth wendig ,  dass  der  Unterricbtsgegenstand  ge- 
eignet sei  seinen  Thätigkeitstrieb  zu  wecken.  Wecken,  lebendig  machen 
kann  nur  das  gegenwärtige,  lebendig  wirksame.  Je  mehr  also  der  Unter- 
richt mit  dem  Orte  und  der  Zeit,  in  welcher  der  Schüler  lebt,  verwachsen 
ist,  je  mehr  der  Gegenstund  desselben  auch  sinnlich  wahrnehmbare  Wir- 
kungen zeigt,  desto  mächtiger  wird  er  ihn  anregen ;  je  weiter  er  hingegen 
in  die  Feme  rückt,  je  loser  die  Beziehung  ist,  in  der  er  zu  der  Welt  steht, 
welche  den  Schüler  auch  aufserhalb  des  Schulzimmers  umgibt,  desto  weniger 
wird  er  es  zu  thun  vermögen.  Abbildungen  und  ähnliche  Behelfe  leisten 
etwas,  aber  bei  weitem  nicht  so  viel,  als  man  sich  gewöhnlich  von  ihnen 
verspricht.  Sie  kommen  dem  Schüler  zu  Hilfe,  wenn  er  bereits  Theilnahme 
für  den  Gegenstand  hat;  diese  hervorzurufen,  werden  sie  schwerlich  im 
Stande  sein.  Erzählungen  vom  Pferde,  von  Hund  und  Katze  sind  weit  ge- 
eigneter die  Thätigkeit  des  Kindes  anzuregen  als,  wenn  auch  in  Bildern 
vorgeführt,  Löwen  und  Tiger  oder  die  Wunder  der  Tropenwelt  Nur  in  dem 
Lehrer  noch  und  durch  ihn  kann  auch  das  Todte  in  einem  gewissen  Sinne 
wieder  lebendig,  das  Entfernte  zu  einem  Gegenwärtigen  werden;  dadurch 
nämlich,  dass  es  sich  in  ihm  wirksam  zeigt.  Was  aus  seinem  Innern 
strömt,  ist  gegenwärtig  und  lebendig,  aber  doch  nur  für  den  Augenblick 
der  Rede.  Besser  bleibt  es  immer,  wenn  dem  Gegenstande  selbst,  auch  ohne 
jene  Vermittlung,  anregende  Kraft  innewohnt. 

Der  Schüler  soll  aber  auch  thätig  erhalten  werden.  Dies  wird  er- 
reicht, wenn  alles,  was  er  lernt,  für  ihn  eine  Frage  enthält,  die  er  sich 
selbst  zu  beantworten  gedrungen  fühlt.  Nur  so  schreitet  er  im  Wissen 
wirklich  vorwärts;  was  ihm  anfangs  ferne  lag,  steht  jetzt  unmittelbar  vor 
ihm,  weil  er  sich  ihm  genähert  hat.  Aber  er  soll  nicht  von  einer  Lehrstunde 
zur  andern  geschoben  werden;  er  soll  selbst  gehen.  Dann  muss  er  aber 
einen  Weg  vor  sich  haben  und  ein  Ziel.  Was  er  vor  allem  nöthig  hat,  ist 
Klarheit.  Alles  sprunghafte,  auf  Ucberraschung  berechnete  ist  im  Unter- 
richte verwerflich;  jede  nur  auf  einem  Kunstgriff  beruhende  Auflösung  einer 
Aufgabe  werthlos. 

Die  Thätigkeit  des  Schülers  soll  aber  eine  sittliche  sein,  denn  nur 
durch  eine  solche  wird  er  zum  sittlichen  Bewusstsein  geführt,  was  wir  als 
den  h()chsten  Zweck  der  Schule  erkannt  haben.  Die  auffassende  Thätigkeit 


.  J.  ÄpretU,  Uebcr  den  Begriff  der  Bildung.  5811 

ist  eine  sittliche,  wenn  wir  in  einem  Gegenstande  ein  Gutes  erkennen, 
indem  er  uns  schon  durch  sein  blofses  Dasein  Befriedigung  gewährt.  Wie 
aber  vermag  der  Schüler  in  einem  Gegenstande,  den  er  doch  erst  im  Ver- 
laufe eines  längeren  Zeitraums  mit  angestrengter  Arbeit  kennen  lernt,  gleich 
anfangs  etwas  gutes  zu  erkennen,  damit  die  auf  Aneignung  dieses  Gegen- 
standes gerichtete  Thätigkeit  eine  sittliche  werde?  Er  vermag  es  immer, 
wenn  der  Gegenstand  ihm  in  einigen  grofsen  Zügen  gleichsam  anschaulich 
▼orgeführt  werden  kann,  und  ihm  etwas  verspricht,  was  zu  besitzen  er 
ein  Verlangen  trägt,  dessen  Mangel  sich  ihm  wenigstens  fühlbar  machen 
lasst  Damit  die  Thätigkeit  aber  auf  der  sittlichen  Höhe  bleibe,  muss  der 
Gegenstand  auch  halten,  was  er  versprochen  hat,  und  er  darf  nie  allzu  lange 
Schuldner  bleiben.  Jeder  Satz  soll  also  für  den  Schüler  nicht  blofs  eine 
Frage  enthalten,  sondern  auch  eine  Antwort  auf  eine  Frage,  die  er  sich 
selbst  gestellt  hat.  Aller  Unterricht  soll  historisch  sein,  aber  in  dem 
Sinne,  dass  das  Wissen  des  Schülers  in  ihm  eine  jjreschichte  habe.  Was 
er  lernt,  soll  er  selbst  als  nothwendig  erltenncn,  weil  es  von  dem,  was  er 
schon  gelernt  hat,  als  Ergänzung  gefordert  wird*).  Ein  Gegenstand,  der 
nicht  in  einem  solchen  innem  Verhältnisse  zu  dem  Schüler  steht,  kann 
▼on  diesem  nicht  sittlich  aufgcfasst  werden.  Aeufsere  Zwecke  kommen 
hierbei  nicht  in  Betracht.  Der  Schüler  soll  nichts  lernen,  als  was  er  braucht. 
Aber  nur,  wornach  er  ein  Bedürfnis  hat,  nur  das  braucht  er,  und  das  soll 
er  lernen,  und  alles,  wornach  man  in  ihm  ein  Bedürfnis  rege  machen  kann^ 
das  kann  er  lernen.  Es  gibt  nichts,  was  er  nicht  lernen  kann,  weil  es  ihm 
XU  schwer  ist;  schwer  ist  ihm  nur,  was  er  nicht  lernen  mag,  weil  er  kein 
Bedürfnis  hat,  es  zu  wissen.  Selbst  der  Bauernjunge  kann  Geschichte  lernen, 
nämlich  die  Geschichte  seines  Dorfes,  seiner  Kirche  u.  s.  w.;  Physik,  näm- 
lich, warum  die  Fenster  der  Schulstube  im  Winter  nass  werden  u.  s.  w. 
Aber  traurig  wären  die  Erfolge,  wenn  es  dem  Dorfschullehrer  einfallen 
könnte  seinen  Jungen  die  Luftpumpe  erklären  zu  wollen.  Sie  würden  sich 
sicher  nichts  weiter  merken,  als  dass  man  mit  ihr  Mäuse  todt  machen  kann, 
und  nur  das  eine  nicht  begreifen,  dass  die  Herren  in  der  Stadt  niemals 
eine  Luftpumpe  sollten  gesehen  haben,  wie  jeder  von  ihnen  sie  herzustellen 
im  Stande  ist,  und  die  weit  vorzüglicheres  leistet,  da  sie  Mäuse  nicht  blofs 
tödtet,  sondern  auch  selbst  fängt. 

Durch  die  sittliche  Auffassung  wird  der  Mensch  zu  einem  sittlichen 
Wesen;  damit  er  aber  zum  sittlichen  Bewusstsein  gelange,  ist  nothwendig, 
dass  auch  seine  hervorbringende  Thätigkeit  zur  sittlichen  sich  erhebe,  dass 
sie  also  auf  die  Hervorbringung  eines  Guten  gerichtet  sei.  Der  Schüler  soll 
also  etwas  hervorbringen,  und  zwar  etwas  gutes;  was  es  sonst  noch  ist, 

*)  Es  ist  ein  Gefühl  der  Dankbarkeit,  was  uns  bestimmt,  hier  zwei 
Werke  zu  nennen,  die  mit  unvergleichlicher  Klarheit  darthun,  was 
wir  meinen,  aber  vielleicht  nur  unvollkommen  auszudrücken  im 
Stande  waren :  Karl  Snell,  „Lehrbuch  der  Geometxie"  und  „Einleitung 
in  die  Differential-  und  Integral-Rechnung".  Ob  von  diesem  Verfasser 
noch  sonst  etwas  erschienen  ist,  wissen  wir  nicht.  Wer  diese  Werke 
zur  Hand  nimmt,  wird  sich  tiberzeugen,  dass  auch  die  Mathematik 
sittlich  aufgefasst  worden  kann.  Aucli  sie  zählt,  so  behandelt,  wirk- 
lich zu  den  humanibtisrlion  Wissenschaftern 


540  J.  Aprent,  üeber  den  Begriff  der  Bildung. 

ist  in  Rücksicht  auf  den  Bildungszweck  vollkommen  gleichgiltig.  Der  Knabe, 
der  genau  die  ängstlichen  Buchstaben  seines  Lehres  nachmalt  und  sein 
aus  einigen  Zeilen  bestehendes  Werk  mit  Freude  betrachtet,  hat  für  seine 
Bildung  mehr  gethan,  als  der  junge  Gelehrte,  der  ein  Capitel  aus  Livius 
mit  Widerwillen  übersetzt,  oder  die  Schultafel  mit  einer  auswendig  —  leider 
nur  auswendig!  —  gelernten  mathematischen  Deduction  vollschreibt 
Jener  hat  eine  sittliche  That  verrichtet,  dieser  Sclavenarbeit.  Darum  ist  es, 
wie  paradox  es  auch  scheinen  mag,  viel  wichtiger,  dass  der  Schüler  sich 
selbst  befriedige,  als  den  Lehrer.  Denn  nur  dass  seine  Arbeit  ihn  befriedigt, 
nur  das  macht  sie  gut,  wenn  auch  in  der  Regel  die  Befriedigung  des  Lehrers 
mit  jener  des  Schülers  zusammenfallen  wird.  Dieser  wird  sie  voll  und  wahr- 
haft erst  in  der  Anerkennung  des  Lehrers  finden,  und  jener  wird  nur  das 
erreichbare  von  ihm  fordern.  Darauf  aber  sollte  immer  gesehen  werden, 
dass  dieses,  wie  wenig  und  scheinbar  geringfügig  es  auch  sei,  von  dem 
Schüler  auf  die  vollkommenste  Weise  geleistet  werde.  Halbe  Leistungen 
können  allenfalls  noch  für  diesen  oder  jenen  Zweck  genügen,  für  Bildung 
sind  sie  werthlos.  Und  die  Schüler  thun  sogar  das  Ganze  leichter  und 
lieber  als  die  Hälfte,  wenn  sie  nur  hinreichend  vorbereitet  sind  und  gleich- 
mäTsig  fortgeführt  werden. 

Die  Aneignung  eines  Ünterrichtsgegenstandes  erfolgt  nicht  durch  die 
auffassende  Thätigkeit  allein ;  es  ist  vielmehr  nothwendig,  dass  der  Schüler 
das  aufgefasste  in  der  Vorstellung  sich  immer  aufs  neue  vergegenwärtige, 
und   die  Aneignung  ist  erst  dann  eine  vollendete,  wenn  er  das  gelernte 
zusammenzufassen  und  auszusprechen  im  Stande  ist.  Sie  erscheint  somit  im 
ganzen  immer  als  ein  Zweck,   der  durch  die  Arbeit  des  Schülers  erreicht 
werden  soll,  und  fällt  daher  unter  den  Begriff  der  hervorbringenden  Thätig- 
keit. Diese  muss,  um  sittlich  zu  sein,  auf  die  Hervorbringung  eines  Guten 
gerichtet  sein,  und  gut  ist  nur,  was  schon  durch  sein  blofses  Dasein,  ohne 
Beziehung  auf  irgend  ein  anderes  Befriedigung  gewährt.    Eine  solche  Be- 
friedigung gewährt  aber  nur  der  erreichte  Zweck,  niemals  das  Mittel, 
durch  welches  ein  Zweck  erst  erreicht  werden  soll.  Es  ist  also  unumgänglich 
nothwendig,  dass  jeder  ünterrichtsgegenstand  seinen  Zweck  schon  in  sich 
selber  habe,  dass  er  Selbstzweck  sei.  Noch  schlimmer  stände  es,  wenn  nicht 
blofs  der  ünterrichtsgegenstand  nur  Mittel  fftr  einen  Zweck,  sondern  auch 
der  Zweck  selbst  ein  dem  Schüler  fremder  und  dieser  aufäer  Stande  waro, 
ihn  zu  seinem  Zwecke  zu  machen.   Wir  haben  bei  Gelegenheit,   wo  von 
der  hervorbringenden  Thätigkeit  die  Rede  war,  gesehen,  wie  in  solchen 
illlen  die  Thätigkeit  den  Charakter  einer  sittlichen,  ja  sogar  einer  mensch- 
lichen verliert  und  zur  unerträglichen  Qual  wird.  Wenn  der  Knabe  in  seinem 
10.  Jahre  dies  und  jenes  lernen  soll,  nur  um  im  11.  in  die  höhere  Classe  auf- 
steigen zu  können,  und  hier  etwas,  was  er  nur  braucht,  um  wieder  weiter 
zu  kommen  und  nach  so  und  so  viel  Jahren  die  Universität  zu  beziehen; 
und  wenn  er  diese  nur  beziehen  muss,   um  endlich  an  einen  Schreibtisch 
zu  gelangen  und  sich  sein  Brod  zu  verdienen ;  so  höre  ich  ihn  sagen :  „Ich 
trage  kein  Verlangen  nach  dem  Schreibtisch  und  das  Brod  macht  mir  keine 
Sorgen."  Was  ist  ihm  Hekuba?  —  Wir  entsetzen  uns  bei  den  Schilderungen 
des  Elends  der  armen  Kinder  in  den  englischen  Industriebezirken,  wo  die 


J.  Aprent,  Ueber  den  Begriff  der  Bildung.  541 

unglücklichen  Geschöpfe,  aus  der  Fabrik  nach  Hause  zurückgekehrt,  noch 
bis  Mittemacht  wach  erhalten  werden,  um  durch  Handarbeit  die  nöthige 
Anzahl  von  Schillingen  vollzumachen.  Aber  ist  diese  Arbeit  nicht  eine 
noth wendige,  arbeiten  sie  nicht  für  einen  Zweck,  und  zwar  sogar  fiir  den 
wichtigsten,  für  einen  Zweck  der  sogar  ihnen  einleuchten  muss,  den  der 
Lebenserhaltung?  Dort  ist  körperliches  Siech thum  die  sichtbare  Folge;  der 
Knabe,  der  gezwungen  wird,  für  einen  ihm  fremden  Zweck  geistig  zu 
arbeiten,  wird  kaum  ohne  geistigen  Schaden  davon  kommen.  Alles  in 
der  Natur  iit  Selbstzweck,  und  nichts  ist  da  wegen  eines  andern; 
das  andere  geht  immer  nur  daraus  hervor.  So  ist  auch  kein 
Lebensabschnitt  blofs  da  um  eines  späteren  Lebensabschnittes  willen,  und 
kein  Mensch  ist  blofs  Mittel  für  einen  Zweck,  denn  immer  steht  er  höher 
als  jeder  menschliche  Zweck.  Wenn  unsere  gesellschaftlichen  Verhältnisse 
es  mit  sich  bringen  sollten ,  dass  unsere  Studieneinrichtungen  wirklich 
mehrfach  nur  solche  Zwecke  in's  Auge  fassen  müssten,  so  liefse  sich  das 
allerdings  nicht  ändern,  aber  paadagogische  Weisheit  dürfte  man  es  nicht 
nennen. 

Womach  der  Schüler  ein  Bedürfnis  hat,  das  soll  er  lernen;  wornach 
in  ihm  ein  Bedürfnis  geweckt  werden  kann,  das  kann  er  lernen;  und  alle 
ünterrichtsgegenstande,  die  ein  Bedürfnis  des  Schülers  befriedigen,  sind  in 
Rücksicht  auf  seine  Bildung  von  gleichem  Werthe.  Wenn  also  durch  eine 
Auswahl  aus  diesen  Unterrichtsgegenständen  noch  andere  Zwecke  erreicht 
werden  können,  so  ist  dies  nicht  blofs  zulässig,  sondern  sogar  geboten.  Dem 
Schüler  irgend  einen  Unterrichtsgegenstiind  blofs  aus  Rücksicht  für  irgend 
einen  äuf^eren  Zweck  oder  Vortheil  aufzuzwingen,  ist  Versündigung  an  seiner 
Bildung;  ihm,  wenn  es  t»hne  Gefahrdung  dieses  höchsten  Zweckes  geschehen 
kann,  durch  den  Unterrieht  die  Erreichung  solcher  äufserer  Zwecke  nicht 
nach  Möglichkeit  erleichtern  wollen,  Versündigung  an  seiner  materiellen, 
aber  mit  der  geistigen  doch  innig  verwachsenen  Existenz.  Wenn  also  unsere 
heutigen  Culturzustände  es  verlangen,  dass  die  Theilung  der  Arbeit  schon 
in  der  Schule  ihren  Anfang  nehme,  so  ist  damit  für  die  Bildung  nach  dem 
von  uns  aufgestellten  Begriffe  keinerlei  Nachtheil  verbunden.  Denn  dieser 
ist  so  beschaffen,  dass  jede  Unterrichtsanstalt,  wenn  ihre  Lehrverfassung 
nur  den  von  uns  angedeuteten  Forderungen  entspricht,  sie  sei  im  übrigen 
welche  sie  wolle,  die  Bildung  als  ihren  letzten  Zweck  im  Auge  behalten 
und  mit  demselben  Erfolge  wie  jede  andere  anstreben  kann. 

Linz.  Job.  Aprent. 


Zeitschrift  i.  d.  österr.  Gyinn.  If  65.  VII.  Heft.  36 


Vierte  Abtheilung. 


Miscellen. 

Bekan  ntmachung, 

die  vieruncUiocmjBtgste  Versamndttng  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer betreffend. 

Die  dreiundzwanzigste  Versammlung  deutscher  Philo- 
logen und  Schulmänner  zu  Hannover  hat  am  29.  September  t.  J.  be- 
schlossen, dieses  Jahr  in  Heidelberg  zu  tagen,  und  zugleich  dem  unter- 
zeichneten Präsidium  den  ehrenvollen  Auftrag  ertheilt,  dazu  die  nöthigen 
Vorbereitungen  zu  treffen.  Nachdem  nun  dasselbe  die  Genehmigung  der 
hohen  grofsherzoglichen  Regierung  erlangt  hat,  beehrt  es  sich  alle  Fach- 
und  Berufsgenossen  von  nah  und  fem  zu  einem  recht  zahlreichen  Besuche 
dieser  Versammlung  so  freundlich  als  dringend  einzuladen,  indem  es  unter 
Hinweisung  auf  §.  4  der  Statuten  noch  ausdrücklich  daran  erinnert,  dass 
auch  wissenschaftlich  gebildete  Beallehrer  zur  Theilnahme  berech- 
tigt sind.  Wir  glauben  schon  jetzt  mit  pflichtschuldigem  Danke  hervor- 
heben zu  müssen,  dass  wir  sowol  bei  den  hohen  Staats-  als  bei  den  städti- 
schen Behörden  der  erfreulichsten  Bereitwilligkeit  begegnet  sind,  ihrerseits, 
soweit  thunlich,  unsere  Versammlung  zu  unterstützen.  Insbesondere  hoffen 
wir  auch  in  den  Stand  gesetzt  zu  werden,  den  verehrten  Theilnehmem 
bei  rechtzeitiger  Meldung  nach  Wunsch  zweckmäfsige  und  bil- 
lige Quartiere  zu  verschaffen. 

Für  die  Versammlung  selbst  hat  das  Präsidium  unter  Berücksich- 
tigung der  bisherigen  Erfahrungen  vorläufig  folgende  Verordnungen 
getroffen : 

1.  Die  eigentliche  Versammlung  wird  vom  27.— 30.  September 
gehalten.  Die  Begrüfsung  der  Gäste  findet  den  26.  September  statt. 

2.  Die  allgemeinen  Sitzungen  —  mit  Ausnahme  der  Eröff- 
nungssitzung, welche  den  27.  September  Vormittags  9  Uhr  beginnt  — 
finden  von  11  —  1  Uhr  statt,  und  werden  in  denselben  im  ganzen  sechs 
öffentliche  Vorträge  gehalten:  je  einer  in  der  Eroffhungs-  und  in  der 
Schlusssitzung,  je  zwei  in  der  zweiten  und  dritten  Sitzung.  Das  Präsidium 

reut  sich  aussprechen  zu  dürfen,  dass  es  bereits  für  diese  Vorträge  die 
geneigten  Persönlichkeiten  gewonnen  hat. 

3.  Den  Sectionen,  welche  sich  am  27.  September  unmittelbar  nach 
der  EröffnuBgtsJtzung  constituieren ,  steht  für  ihre  Sitzungen  an  den  dr«i 


Miscellen.  548 

folgenden  Tagen  der  ganze  Vormittag  bis  11  Uhr  zu  Gebote,  in  der  Meinung, 
dass  es  von  jeder  Section  abhängt,  wie  früh  sie  ihre  Sitzungen  beginnen  wiU. 

4.  Vielseitigen  Wünschen  nachzukommen,  soll  aufser  den  bestehen- 
den Sectionen  noch  eine  für  altclassische  Kritik  und  Exegese  ge* 
bildet  werden. 

5.  Für  die  einzelnen  Sectionen  übernehmen  es  nachfolgende  — 
zum  Theil  von  denselben  selbst  schon  zu  Präsidenten  ernannte  —  Herren, 
die  eingehenden  Thesen,  Vortragsankündigungen  und  anderweitigen  Mit- 
theilungen anzunehmen,  zu  ordnen  und  -  so  weit  es  zweckmäTsig  erscheint  — 
als  eventuelles  Programm  ftlr  die  Sectionssitzung  zum  Druck  zu  beför- 
dern, nämlich: 

ä)  für  die  paadagogische  Section  Hr.  Director  Cadenbach; 

h)  für  die  orientalistische  Section  Hr.  Kirchenrath  Prof.  Hitzig; 

e)  für  die  germanistische  Section  Hr.  Hofrath  Prof.  Holtzmann; 

d)  für  die  archseologische  Section  Hr.  Prof.  Stark; 

e)  eventuel   für    die   mathematisch -pssdagogische    Section  Hr. 
Director  Dr.  Weber; 

f)  für  die  kritisch-exegetische  Section  Hr.  Prof.  Köchly. 

6.  Gesellige  Unterhaltungen  sind  vorläufig  folgende  bestimmt: 
den  27.  September  Abends  5  Uhr  gemeinschaftliches  Festmal  im  Heidel- 
berger Schlosse; 

den  28.  September  Nachmittags  und  Abends:  gemeinschaftliche  Fahrt  nach 

Carlsruhe  und  Festvorstellung  im  grofsherzoglichen  Hoftheater; 
den  29.  September  Nachmittags  und  Abends:  gemeinschaftliche  Landpartie 

in  die  Umgebung; 
den  30.  September  nach  der  SchluBssitzung:  Spaziergänge  in  die  Umgegend, 
oder  Fahrt  nach  Mannheim  zur  Besichtigung  der  dortigen  Samm- 
lungen. 
Wenn  alles  definitiv  festgestellt  ist,  so  wird  spätestens  bis  zum  1.  Sep- 
tember noch  eine  besondere  Bekanntmachung  mit  der  detaillierten 
Tagesordnung  versendet. 

Es  werden  nun  alle  Theilnehmer,  welche  es  nicht  etwa  vorziehen, 
selbst  für  ihre  Quartiere  zu  sorgen,  höflichst  und  freundlichst  eingeladen, 
in  ihrem  eigenen  Interesse  so  bald  als  möglich  ihre  Anmeldungen  und 
die  auf  ihre  Wohnung  bezüglichen  Wünsche  an  den  Vorsitzenden  des  be- 
reits gebildeten  Wohnungscomit^,  Herrn  Privatdocenten  Dr.  Oncken 
dahier,  gelangen  zu  lassen. 

Ebenso  werden  diejenigen  Theilnehmer,  welche  in  irgend  einer 
Section  Thesen  aufzustellen  oder  einen  Vortrag  zu  halten  wünschen,  er- 
gebenst  ersucht,  ihre  bezüglichen  Mittheilungen  so  bald  als  möglich 
je  nach  der  betreffenden  Section  an  einen  der  oben  namhaft  gemachten 
Herren  einzusenden. 

Im  übrigen  ist  das  Präsidium  gern  bereit,  auf  sonstige  anderweite 
Anfragen  und  Erkundigungen  Bescheid  zu  geben. 
Heidelberg,  den  30.  Juni  1865. 

Das  Prändium: 
H.  Köchly.  B.  Stark.  Cadenbach. 

36* 


Fünfte  Abtheilung. 


Verordnungen  für  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

Erlässe. 

(Vgl.  Hft.  VI.  S.  470  f.) 

Verordnung  des  k.  k.  Staatsministeriumä,  Abtheilung  für 
Cultus  und  Unterricht,  die  Einführung  von  Lehrbüchern  und 
Lehrmitteln  an  den  Mittelschulen  betreffend,  vom  25.  Juni  1865^ 

Um  den  Lehrkörpern  an  Mittelschulen  den  üeberblick  über  die  auf  die 
Einführung  von  Lehrbüchern  bezüglichen  Bestimmungen,  welche  bisher  in 
einer  Anzahl  verschiedener  Verprdnungen  vertheilt  waren,  zu  erleichtem 
und  an  einzelnen  Bestimmungen  die  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  als 
zweckmäTsig  erkannte  Modification  zur  Geltung  zu  Dringen,  findet  das 
Staatsministerium  im  Einvernehmen  mit  dem  Unterrichtsrathe  folgendes 
festzusetzen. 

§.  1.  Dem  Unterrichte,  welcher  an  Mittelschulen  (Gymnasien,  Real« 
rjrmnasien  und  selbständigen  Kealsohulen)  in  der  Eeligionslehre ,  in  der 
Grammatik  der  classischen  fcJprachen,  der  Muttersprache,  der  Landessprachen 
und  anderer  lebender  Sprachen,  sofeme  dieselben  obligater  Lehrgegenstand 
sind,  in  der  Geschichte  und  Geographie,  in  der  Mathematik  und  den  Natur- 
wissenschaften und  in  der  philosophischen  Propädeutik  ertheilt  wird,  sind 
Lehrbücher  zu  Grunde  zu  legen,  welche  den  durch  den  Lehrplan  erfor- 
derten Lehrstoff  in  der  Vollstlndigkeit  enthalten,  dass  sie  den  Schülern 
ohne  Hinzunahme  von  Dictaten  zur  Grundlage  ihrer  häuslichen  Repetition 
dienen  können.  —  Alle  Schüler  sind  verpflichtet,  die  an  einer  Mittelschule 
für  eine  bestimmte  Classe  gesetzlich  eingeführten  Bücher  zu  besitzen. 

§.  2.  Die  Wahl  der  Lehrbücher  für  die  einzelnen  Classen  und  Gegen- 
stände (mit  Ausnahme  der  t^}ligionslehre  §.  8)  geschieht  an  jeder  einzelnen 
Mittelschule  durch  Conferenzbeschluss  des  Lehrkörpers  (8.  3  —  7). 

§.  3.  Fällt  die  Wahl  eines  an  der  Lehranstalt  bisher  nicht  ge* 
brauchten  Lehrbuches  auf  ein  solches,  welches  für  den  betreffenden  Gegen- 
stand und  die  betreffende  Classe  bereits  für  allgemein  zulässig  erklärt  ist, 
ßo  ist  zur  Ausführung  des  Conferenzbeschlusses  nur  erforderlich,  dass  der- 
selbe bei  der  Einreichung  des  Lehrplanes  für  das  folgende  Schuljahr  der 
Landesstelle  zur  Kenntnisnahme  angezeigt  werde. 

§.  4.  Fällt  dagegen  die  Wahl  auf  ein  solches  Lehrbuch,  das  bisher 
noch  nicht  für  allgemein  zulässig  erklärt  ist,  so  hat  der  Lehrköroer  des- 
halb ein  motiviertes  Gesuch  um  Zulassung  an  die  höchste  UnterrichtsbehÖrde 
zu  stellen. 


£rl^se.  545 

§.  5.  Innerhalb  eines  Schulcurses  kann  eine  Aenderung  in  dem  Ge- 
brauche eines  Schulbuches  nicht  eintreten. 

Ebenso  ist  iedes  Schulbuch,  welches  bestimmt  ist,  dem  Unterrichte 
durch  mehrere  auf  einander  folgende  Cursc  zur  Grundlage  zu  dienen  (z.  B. 
Grammatiken,  mathematische  Lehrbücher),  im  Gebrauche  derjenigen  Schüler 
zu  belassen,  mit  denen  der  Unterricht  nach  Anleitung  des  bißtreffenden 
Schulbuches  begonnen  ist,  und  eine  Aenderung  darin  darf  für  die  regel- 
mäTsig  in  die  höheren  Classen  aufsteigenden  Schüler  nicht  stattfinden. 
Eine  Ausnahme  von  diesen  beiden  Verboten  der  Aenderung  tritt  dann  ein, 
wenn  durch  Verordnung  der  höchsten  Unterrichtsbehörde  die  sofortige  Be- 
seitigung eines  Lehrbuches  verfügt  wird. 

§.  6.  Die  Erklärung  der  Zulassigkeit  geschieht  durch  die  höchste 
Unterrichtsbehörde.  Sie  erfolgt  in  der  Regel  so,  dass  sie  für  den  fraglichen 
Gegenstand  und  die  betreffende  Lehrstufe  allgemeine  Giltigkeit  hat,  und 
wird  in  diesem  Falle  amtlich  bekannt  gegeben.  Ausnahmsweise  kann  ein 
Schulbuch  für  den  Gebrauch  einer  einzelnen  Lehranstalt  auf  Grund  der 
besonderen  Verhältnisse  derselben  für  zulässig  erklärt  werden,  in  welchem 
Falle  die  darüber  ausgesprochene  Genehmigung  nicht  weiter  bekannt  ge- 
geben wird. 

f.  7.  Die  Approbation  eines  Schulbuches  gilt  zunächst  nur  für  die- 
.  uflage  desselben,  für  welche  sie  ertheilt  ist,  und  etwaige  folgende 

Auflagen    bedürfen    der   ausdrücklichen   Bestätigung   dieser   Approbation 
seitens  der  höchsten  Unterrichtsbehörde. 

Gesuche  um  Zulassung  von  Schulbüchern  zu  stellen,  welche  bisher 
noch  nicht  allgemein  approoiert  waren,  steht  nur  den  Lehrkörpern  der 
Mittelschulen  zu,  und  die  von  anderen  Seiten,  insbesondere  den  Verlegern 
oder  Verfassern  gestellten  derartigen  Gesuche  werden  nicht  in  Behandlung 
genommen. 

Dagegen  ist  es  bei  neuen  Auflagen  bisher  approbierter  Schulbücher 
auch  den  Verfassern  oder  Verlegern  gestattet,  die  Bestätigung  der  Approba- 
tion nachzusuchen,  und  es  ist  zu  diesem  Zwecke,  wenn  Unterbrechung  in 
der  Zulassung  vermieden  werden  soll,  ein  Exemplar  der  approbierten  und 
eines  der  neuen  Auflage  bis  1.  Juni  an  die  höchste  Unterrichtsbehörde 
einzureichen. 

§.  8.  In  der  Wahl  der  dem  Religionsunterrichte  zu  Grunde  zu  legen- 
den Lehrbücher  haben  die  Religionslehrer  den  Weisungen  ihrer  zuständigen 
kirchlichen  Oberen  Folge  zu  leisten,  und  von  dieser  Weisung  der  Lehrer- 
conferenz  Anzeige  zu  machen. 

Diese  Lehrbücher  können  erst  dann  in  Verwendung  kommen,  wenn 
faiezn  die  Bestimmung  von  der  höchsten  Unterrichtsbehörde  ertheilt  wird. 
Von  der  Lehrerconferenz  wird  daher  die  vom  Religionslehrer  gemachte 
Anzeige  unter  Mittheilung  des  zur  Einführung  vorgeschlagenen  Buches  im 
Wege  der  Landesstelle  an  die  oberste  Unterrichtsbehörde,  welche  über  die 
Zweckmässigkeit  des  Buches  hinsichtlich  der  Form  und  Methode  zu  erkennen 
hat,  geleitet.  Wofeme  gegen  die  Zulassung  des  Buches  ein  Bedenken  ob- 
walten sollte,  so  wird  hierüber  mit  dem  Bischöfe  oder  der  Kirchenbehörde 
das  Einvernehmen  gepflogen,  immer  jedoch  kann  nur  ein  von  dem  Bischöfe 
oder  der  Eirchenbenörde  approbiertes  Buch  zum  Gebrauche  beim  Religions- 
unterrichte zugelassen  werden. 

8.  9.  Was  speciel  den  Unterricht  in  den  classischen  Sprachen  betrifft, 
80  wird  die  bisherige  Verpflichtung  der  Gymnasien,  bei  der  classischen 
Leetüre  die  approbierten  Auswahlen  zu  gebrauchen,  aufgehoben,  und  den 
Lehrkörpern  rrei  gestellt,  entweder  die  vollständigen  Texte  in  Gebrauch  zu 
nehmen,  oder  bei  den  bisher  ausschliefslich  approbierten  Auswahlen  zu 
verharren. 

Dagegen  wird  die  Verpflichtung,  in  Betreff  der  Leetüre  von  Ovidius 
sich  einer  blofsen  Auswahl  zu  bedienen,  aufrecht  erhalten. 

Insoweit  vollständige  Schriftsteller  gelesen  werden,  bedürfen  weder 
die  blofsen  Texte,  noch  die  commentierten  Ausgaben,  noch  die  Lexika  einer 
besonderen  Zulässigkcitserklärung. 


546  Erlöse. 

Es  steht  den  Lehrkörpern  nicht  zu,  für  die  Lectöre  der  Classiker 
von  den  Schülern  mehr  als  die  Anschaffung  blofser  Textausgaben  zu  fordern; 
aber  es  steht  ihnen  auch  nicht  zu,  den  Gebranch  von  Schuloommentaren, 
auf  deren  passende  Wahl  sie  einzuwirken  haben,  anszuschliefsen 

Da|?egen  bedürfen  Chrestomathien  und  Uebungsbücber  ebeoao  wie 
Grammatiken  der  ausdrücklichen  Approbation. 

§.  10.  Auf  dem  Gebiete  des  mathematischen  Unterrichtes  bedürfen 
Logarithmentafeln  keiner  ausdrücklichen  Approbation,  doch  steht  es  keinem 
Lehrkörper  zu,  gröfsere  als  fünfstellige  zu  Ibrdern. 

In  den  untern  Classen  der  Mittelschulen  kann  für  den  Recbenunter- 
rieht  statt  eines  Lehrbuches  ein  blofses  Uebungsbuch  eingefühi-t  werden. 

Uebungsbücher  ebenso  wie  Lehrbücher  bedürfen  einer  ausdrücklichen 
Approbation. 

§.  11.  Für  den  historisch-geographischen  Unterricht  bedürfen  nicht 
blofs  die  historischen  und  geographischen  Lehrbücher,  sondern  auch  die 
geographischen  Atlanten,  deren  Anschuffung  von  den  Schülern  zu  bean- 
spruchen ist,  und  historische  Tabellen,  falls  deren  Anschaffung  den  Schülern 
sollte  empfohlen  werden,  der  ausdrücklichen  Approbation. 

§.  12  Die  Approbation  der  Lehrbücher  und  Lehrmittel  für  nicht 
obligate  Lehrgegenstände  geschieht  durch  den  Schulrath  des  Kronlandes; 
der  Director  der  Lehranstalt  hat  auf  Vorschlag  des  betreffenden  Lehrers 
den  erforderlichen  Antrag  an  den  Schulrath  zu  richten. 

§.  13.  Es  steht  den  Lehrkörpern  nicht  zu,  von  den  Schülern  die 
Anschaffung  anderer  Lehrbücher  oder  Lehrmittel,  als  der  zu  dem  Unter- 
richte unmittelbar  erforderlichen,  direct  oder  indirect  zu  beanspruchen. 
Wol  aber  haben  dieselben,  wenn  Schüler  selbst  Bücher  zu  weiterem  Sta- 
dium über  den  unmittelbaren  Bedarf  hinaus  (sogenannte  Hilfsbücher)  sich 
anzuschaffen  wünschen,  auf  deren  passende  Wahl  durch  ihren  Rath  ein- 
zuwirken. 

§.  14  Von  denjenigen  Lehrmitteln,  welche  nicht  in  den  Händen  der 
Schüler  sich  befinden,  sondern  welche  die  Schulanstalt  selbst  zu  den 
Zwecken  des  Unterrichtes  anschafft,  bedürfen  Wandkarten  (geographische, 
historische,  statistische  u.  a.),  naturhistorische  Bilder  und  Zeichnungs vor- 
lagen (insoweit  der  Zeichnungsunterricht  obligat  ist)  der  Approbation  der 
höchsten  Unterrichtsbehörde,  welche  auf  dieselbe  Weise  wie  bei  Schul- 
büchern (§§.  2  —  7)  nachzusuchen  ist. 

§.  Ib.  Die  höchste  Unterrichtsbehörde  behält  sich  jederzeit  vor,  nn- 
zweckmäfsiges  und  nachtheiliges  auf  dem  Gebiete  der  Schulliteratur  ansser 
Gebrauch  zu  setzen. 

Im  Anschlüsse  erhält  die  k.  k Exemplare  einer  Verord- 
nung, welche  die  in  Bezug  auf  Zulassung  von  Lehrbüchern,  Lehrmitteln 
etc.  an  den  Mittelschulen  bisher  vereinzelt  erlassenen  Bestimmungen  in 
einer  theils  ergänzenden,  theils  modificierenden  Zusammenstellnng  enthält 
und  mit  welcher  daher  die  bisherigen,  auf  diesen  Gegenstand  bezüglichen 
Vorschriften  aufser  Kraft  gesetzt  werden. 

Von  dieser  Verordnung  ist  jeder  Mittelschule,  für  welche  dieselbe 
zn  gelten  hat,  ein  Exemplar  zur  Damachachtung  mitzutheilen. 

Behufs  der  richtigen  Durchführung  einzelner  Bestimmungen  wird 
noch  folgendes  bemerkt: 

1.  Wenn  der  Lehrkörper  einer  Mittelschule  die  Einführung  eines 
bisher  an  der  betreffenden  LehranstaU  nicht  gebrauchten  Lehrbuches  er- 
wirken will,  so  ist  als  Vorbereitung  des  darauf  bezüglichen  Antrages  er« 
forderlich,  dass  der  Gegenstand  in  einer  Conferenz  des  Lehrkörpers  ver- 
handelt werde,  und  dass  bei  der  Einladung  zur  Conferenz  diesedr  Verhand- 
lungsgegenstand bekannt  gegeben  sei. 

2.  Wenn  in  der  Conferenzverhandlung  der  Antrag  auf  ein  neues 
Schulbuch  in  der  Minorität  bleibt,  so  ist  der  Director  ü^r  Verlangen  der 
Minorität  verpflichtet,  den  Antrag  mit  den  Motiven  desselben  und  dem 
ConferenzprotocoUe  über  die  Verhandlung  an  den  Schulrath  zn  richten. 


Personal-  und  8chulnotizen.  547 

3.  Jeder  Antrag  ant  Zulassung  eines  bisher  noch  nicht  approbierten 
Schulbuches  muss,  wenn  er  bereits  für  das  nächste  Schuljahr  eine  Volge 
haben  soll,  bis  längstens  1.  Mai  an  den  der  Schule  übergeordneten  Schiu- 
rath  gelangt  sein.  In  dem  Antrage  müssen  eingehend  sowol  die  Gründe, 
welche  zum  Aufgeben  des  bisherigen  Schulbuches  bestimmen,  als  die  Zweck- 
roäfsigkeit  des  beantragten  Buches  dargelegt  sein;  auch  ist  ein  Exemplar 
des  fraglich on  Buches  unter  Angabe  des  Preises  beizulegen. 

4.  Der  Schulrath  hat  das  Original  des  Antrages  sainmt  den  Beilagen 
bis  längstens  1.  Juni  an  die  höchste  Unterrichtsbehörde  im  Wege  der 
Landesstelle  zu  übermitteln.  Er  ist  berechtigt,  aber  nicht  verpflichtet,  sein 
Gutachten  beizufügen. 

5.  Da  keinem  Gymnasium  vorgeschrieben  wird,  bei  der  classischen 
Leetüre  die  vollständigen  Texte  in  Gebrauch  zu  nehmen,  sondern  gestattet 
ist,  bei  den  bisher  ausschliefslich  approbierten  Auswahlen  zu  verharren,  so 
kann  der  Beschluss  zu  einer  Aenderung  nur  durch  die  Majorität  des  Lehr- 
körpers in  einer  Confercnz,  für  welche  dieser  Vcrhandlungsgegenstand 
vorher  angekündigt  ist,  gefasst  werden.  Durch  diesen  Beschluss  ülSmimmt 
der  Lehrkörper  zugleich  die  Verpflichtung,  durch  richtige  Auswahl  und 
tact volle  Behandlung  diejenigen  Uebelstände  zu  beseitigen,  die  sich  etwa 
an  den  Gebrauch  der  vollständigen  Texte  anschliefsen  könnten.  —  Das  Ein- 
treten der  Aenderung  unterliegt  denjenigen  Bedingungen,  welche  in  Betreff 
der  Schulbücher  überhaupt  in  der  Verordnung  §.  3  ausgesprochen  sind. 

6.  Wenn  übrigens  die  Verpflichtung  fortbesteht,  bei  der  Leetüre  des 
OvidiuB  eine  Auswahl  zu  gebrauchen,  so  ist  diese  Bestimmung  nicht  in 
der  beschränkenden  Bedeutung  aufzufassen,  als  wäre  dadurch  die  ausschlielüs- 
liche  Znlässigkeit  der  bisher  allein  approbierten  Auswahl  ausgesprochen. 

Wien,  am  25.  Juni  1865.  Schmerling. 


Personal-  und  Schulnotizen. 

(Ernennungen,  Versetzungen,  Beförderungen,  Auszeich- 
DTingen  u.  s.  w.)  —  Der  Supplent  am  k.  k.  G.  zu  Marburg  Leopold 
Konvalina  und  Rudolf  Reichel  zu  wirklichen  Lehrern  an  dieser  Lehr- 
anstalt; der  Gynmasiallehrer  zu  Cilli  Maximilian  Pleterschnik  zum  wirk- 
lichen Lehrer  am  UG.  zu  Krainburg;  der  Supplent  am  k.  k.  G.  zu 
Tri  est,  Johann  von  Klebelsberg,  zum  wirklichen  Lehrer  an  derselben 
Lehranstalt;  der  Supplent  der  philologischen  iichrstelle  am  G.  zu  Iglau, 
Heinrich  Koziol,  zum  wirklichen  Lehrer  der  Philologie  und  der  gewesene 
Gymnasialsupplent,  Christoph  Jak  seh,  zum  wirklichen  Lehrer  am  k.  k. 
G.  zu  Iglau;  der  Lehrer  der  griech.  orient.  OR.  in  Czemowitz,  Paul 
Schreiner,  zum  Lehrer  der  Geschichte  und  Geographie  und  der  Gym- 
nasialsupplent zu  Bön misch -Leipa  Franz  Hübner  zum  Lehrer  der  Philo- 
logie am  kathol.  G.  zu  Teschen;  der  bisherige  Gymnasialsupplent  Franz 
Novotn^  in  Leitomiscbl,  Georg  Jurmann  in  Czernowitz  und  Anton 
Czarkowski  in  Brzeiany  zu  wirklichen  Gymnasiallehrern,  und  zwar  der 
erstgenannte  in  Sambor,  die  beiden  letzteren  in  Brzezany;  der  Sup- 
plent am  G.  zu  Suczawa,  Denseter  Jsopescul  und  der  Gymnasialsupplent 
n  Olmütz,  Joseph  Reichel,  zu  wirklichen  Lehrern  alldort;  der  Supplent 
am  kath.  G.  zu  Leutschau,  Alexander  Top  1er,  zum  wirklichen  Gym- 
nasiallehrer daselbst;  der  Lehrer  am  Agramer  GG.  Joseph  Eostiö  zum 
wirklichen  Director  und  der  Franciscaner  -  Ordenspriester  Cherubin  Hor- 
▼ati6  und  der  Supplent  am  Agramer  G.  Joseph  Mesek  zu  wirklichen 
Lehrern  am  UG.  zu  Karlstadt;  der  Gymnasialsupplent  zu  Venedig,  Dr. 
Karl  Piccoli,  zum  wirklichen  Lehrer  am  k.  k.  G.  zu  Treviso;  der  der- 
malige Gymnasialsupplent  zu  Treviso,  Weltpriester  Julius  Lorenzoni, 
zum  wirklichin  Lehrer  am  Staats-G.  zu  Vicenza  und  d^r  Gymnasial- 
supplent Prosper  Bolla  zum  wirklichen  Lehrer  für  die  lombardisch- 
Tenetianischen  Staatsgymnasien. 


548  Personal-  und  Schulnotizen. 

Der  Lehrer  an  der  k.  k.  OR.  zu  Brunn,  Franz  Berr,  und  der  Lehrer 
an  der  k.  k.  OR.  in  Görz,  Johann  Zitek,  zu  Lehrern  an  der  k.k.  böhmi^ 
sehen  OR.  in  Prag,  der  Supulent  an  der  k.  k.  OK  zu  Olmütz,  Erailian 
Schulz,  zum  wirklichen  Lehrer  an  dieser  Lehranstalt,  und  der  proris. 
Director  der  UR.  zu  Tarnopol,  Joseph  Kicki,  zum  wirklichen  Director 
dieser  Lehranstalt. 

Der  leitende  Lehrer  an  der  Hauptschule  und  der  mit  dieser  ver* 
bnndenen  Lehrerbildungsanstalt  zu  Djakovo,  Anton  §uniö,  zum  wirk- 
lichen Lehrerbildner  daselbst. 


Der  Primararzt  im  Wiener  allgemeinen  Krankenhause  und  Privat- 
docent  Dr.  Leopold  Dittel  zum  aufjjerordentlichen  Professor  der  Chirurgie 
an  der  Universität  in  Wien,  der  Professor  der  Dogmatik  an  der  k.  k.  Uni- 
versität zu  Lemberg,  Dr.  Joseph  Czerlunczakiewicz,  zum  Professor 
des  gleichen  Lehrfaches  an  der  k.  k.  Universität  zu  Erakan,  und  an  der 
Universität  zu  Pesth  der  dortige  ordentliche  öflFentliche  Professor  Dr.  Jo- 
hann Wagner  zum  Professor  der  praktischen  Medicin  und  medicinischen 
Klinik  für  Aerzte  und  das  Mitglied  der  ungarischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften Hermann  Vämb^ry  zum  Lehrer  der  orientalischen  Sprachen. 


Dem  Hofrathe  und  Professor,  derzeit  Rector  der  Wiener  Univer- 
sität, Dr.  Joseph  Hyrtl,  ist,  ausAnlass  der  Jubelfeier  der  letzteren,  tax- 
frei der  Orden  der  eisernen  Krone  2.  Classe,  dem  Professor  der  rechts-  und 
staatswissenschaftlichen  Facultät  an  der  Wiener  Universität,  Dr.  Ludwig 
Arndts,  in  Anerkennung  seiner  verdienstlichen  Leistungen,  desgleichen 
dem  Abte  des  Benedictinerstiftes  zu  Kremsmünster  Augustin  Resl- 
huber,  in  Anerkennung  seiner  Verdienste  um  das  Unterrichtswesen  und 
die  Wissenschaft,  jedem  taxfrei,  das  Ritterkreuz  des  kais.  österr.  Leopold- 
Ordens,  dem  Director  der  philosophischen  Facultät  an  der  Universität  zu 
Padua,  Abbate  Ludwig  Meniu,  in  Anerkennung  seiner  hervorragenden 
Verdienste,  das  Comthurkreuz  des  Franz  Joseph-Ordens,  dem  Vorstände 
der  administrativen  Bibliothek  im  Staatsministerium,  Ministerialsecretär 
Dr.  Constantin  Wurzbach  von  Tannenberg,  in  Anerkennung  seiner 
verdienstlichen  Verwendung,  taxfrei  der  Titel  eines  Regierungsrathes  Aller- 
gnädigst  verliehen,  ferner  dem  Schriftsteller  und  Mitverfasser  des  Novara- 
Keisewerkes  Karl  Ritter  Scherzer  das  Ritterkreuz  des  kais.  mexican. 
Guadeloupe- Ordens  annehmen  und  tragen  zu  dürfen  Allergnädigst  gestattet, 
der  Professor  der  Philosophie  und  Geschichte  am  Leut schauer  G.,  Dr. 
philos.  Michael  Micha  lies,  zum  Ehrendoraherm  am  Eperieser  Dom- 
capitel  mit  Nachsicht  der  Taxen,  der  Consistorialassessor  und  Religions- 
lehrer Victor  Ladomörszky  zum  Ehrendomherm  am  gr.  kathol.  Dom- 
capitel  ebendort,  und  der  Privatdocent  an  der  k.  k.  Universität  zu  Wien, 
Dr.  S.  Reinisch,  zum  corr.  Mitgliede  des  archseolog.  Institutes  in  Rom 
ernannt  worden. 

Aus  Anlass  der  Jubelfeier  des  funfhundertjährigen  Bestandes  der 
Wiener  Hochschule  wurden  von  der  theologischen  und  der  philosophischen 
Facultät  zu  Ehrendoctoren  ernannt,  und  zwar  von  der  theologischen :  Simon 
A ichner,  Capitular  zu  Brixen,  Matthäus  Binder,  Canonicus  in  St.  Pol- 
ten, Arnold  Stummer  de  Ipolyi,  Canonicus  in  Erlau,  Johann  Au  er  und 
Berthold  Winter,  Piaristen-Priester  in  Wien ,  Eduard  Komäromy,  Abt 
zu  Heiligenkreuz,  Job.  Rais,  Domdechant  in  Kimiggrätz,  Adam  Schreck, 
Abt  zu  Klosterneuburg,  Franz  Setzer,  Prediger  bei  St  Stephan  in  Wien, 
Franz  Susil,  Canonicus  in  Brunn,  Joliann  Zworgcr,  Dompropst  in  Trient, 
Jodok  Stülz,  Abt  zu  St.  Florian;  fernor  von  Ausländern:  Michael  Benger 
aus  Bayern,  Karl  Brandes  aus  der  Schweiz,  Stephan  Braun  aus  Breis- 
gau, Johann  ffolzhamnier  aus  Mainz  und  Karl  Vercellone  aus  Rom; 
von  der  philosophischen:  Der  Dichter  Anastasius  Grün  (Anton  Alexander 


Personal-  und  Schulnotizen.  54U 

Ton  Anersperg),  Adam  Ritter  t.  Burg,  Ernst  Birk,  Joseph  Bergmann, 
Joseph  Diemer,  Franz  Ritter  t.  Hauer,  Andreas  t.  Meiller^  Aasrost 
Neilreich,  Auc^ustin  Reslhuber,  Abt  von  Kremsmünster,  Joadiim 
Barrande,  Karl  Kofistka  und  Alois  Brins  in  Prag;  ferner  aus  dem 
Auslande:  Joh.  Jacob  Bayer  in  Berlin,  Johann  Ddllinger  in  littnchen, 
Emil  Du  Bois-Revmond  in  Berlin,  Alfons  Huillard  Brenolles  in  Paris, 
Georg  Ludwig  v.  Maurer  in  München,  Kaii  Lrell  in  England,  Johann 
Bapt.  y.  Rossi  in  Rom,  John  Stuart- Mill  in  London,  Paul  Deahayes 
in  Paris,  Karl  Ludwig  in  Leipzig,  Peter  Merlan  in  Basel  und  Roderioh 
Murchison  in  England. 

Aus  gleichem  Anlasse  wurden  zu  Ehrenmitgliedern  der  Doctoren- 
coUegien  der  vier  Facultäten  gew&hlt,  und  zwar  1.  in  der  theologischen 
Facultät:  Karl  Güntner,  Professor  in  Prag,  Karl  ▼.  Rimely,  Yicerector 
des  Pazmaneuros  in  Wien,  Eduard  Ter  seh,  Director  des  fürsterzbischöfl. 
Clericalseminars  in  Prag,  Franz  Wieser,  Professor  in  Olmütz,  Heinrich 
Denzinger,  Professor  in  Würzburg,  Franz  Düringer,  Profess(»r  in  Bonn, 
Daniel  Uaneberg,  Abt  und  Professor  in  München,  Karl  v.  Hefele,  Pro- 
fessor in  Tübingen,  Franz  Hettinger,  Professor  in  Würzburg,  Hugo 
Lämmer,  Professor  in  Breslau,  Lorenz  Reinke,  Domcapitular  in  Münster, 
Alban  Stolz.  Professor  in  Freiburg,  Andreas  Thiel,  Professor  in  Brauns- 
berg; 2.  in  der  Facultät  der  Rechts-  und  Staatswissenschaften:  J.  Fr.  H. 
Ab  egg,  Professor  in  Breslau,  H.  Ahrens,  Professor  in  Leipzig,  Hiezony- 
mus  Bayer,  Professor  in  München^  Albert  Friedrich  Bern  er,  Professor 
in  Berlin,  J.  C.  Bluntschli,  Professor  in  Heidelberg,  Georg  Haussen, 
Professor  in  Göttingen,  C.  G.  Homever,  Professor  in  Berlin,  i^Y  ▼.  Holtzen- 
dorff,  Professor  in  Berlin,  Rudolf  Jh er  1  in g,  Professor  in  GieÜMU,  C.  J. 
A.  Mittermayer,  Professor  in  Heidelberg,  Robert  y.  Mo  hl,  Bundestags- 
gesandter  in  Frankfurt,  K.  H.  Rau,  Professor  in  Heidelberg,  fSiedrich  Oscar 
Schwarze,  Generalstaatsanwalt  in  Dresden,  Heinrich  Th5l,  Professor 
in  Göttingen,  E.  G.  v.  Wach  ter,  Professor  in  Leipzig,  K.  Ad.  y.  Vangerow, 
Professor  in  Heidelberg,  H.  A.  Zachariä,  Professor  in  Göttingen,  und 
Heinrich  Zöpfl,  Professor  in  Heidelberg;  3.  in  der  medicinischen  Facultät: 
Ernst  Gräfe,  Professor  in  Berlin,  RoMrt  Bunsen,  Professor  in  Heidel- 
berg, Justus  Freih.  v.  Liebig,  Professor  in  München,  Karl  Gust  Mitscher- 
licn,  Professor  in  Berlin,  Rudolf  B.  Lange nbeck,  Director  des  chirurg. 
klin.  Instituts  in  Berlin,  Albin  Y.  Middeldorpf,  Professor  in  Breslau, 
Max  Pettenkofer,  Professor  in  München,  Gustav  Jak.  H e n  1  e ,  Professor 
in  Göttingen,  M.  H.  Roniberg,  Medicinalrath  in  Berlin,  Emil  Dubois- 
Beymond,  Professor  in  Berlin,  Hermann  Helmholz,  Professor  in  Hei- 
delWg,  Max  Chelius,  Professor  in  Heidelberg,  Fr.edrich  y.  Scansoni, 
Professorin  Würzburg,  Cornelius  Donders,  Professor  in  Utrecht,  Theodor 
Frerichs,  Professor  in  Berlin,  Otto  Weber,  Professor  in  Heidelberg,  Jo- 
hann Purkinye,  Professor  in  Prag,  Gustay  Karl  Carus,  Professor  in 
Dresden,  Karl  Reichert,  Professorin  Berlin,  Theod.  Christ  Ruete,  Pro- 
fessor in  Leipzig.  Victor  v.  Bruns,  Professor  in  Tübingen,  Wilh.  Baum, 
Professorin  Göttingen,  Emest  v.  Baer,  Staatsrath  in  St  Petersburg,  Wil- 
helm Griesinger,  Professor  in  Zürich,  Albert  Kölliker,  Professor  in 
Würzburg,  Gabriel  Valentin,  Professor  in  Bern,  Ma^nufl  Hufs  in  Stock- 
holm, August  N^laton,  Professor  in  Paris,  Claude  Bernard,  Professor 
in  Paris,  und  Nikol.  Pirogoff,  emer.  Professor  in  St.  Petersburg;  endlich 
4.  in  der  philosophischen  Facultät:  Alfred  Ritter  y.  A  rneth  in  Wien,  Gustav 
Bischof  in  Bonn,  August  Böckh  in  Berlin,  William  Robert  Bunsen  in 
Heidelberg,  Friedr  Christian  Dietz  in  Bonn,  Heinr.  Wilh.  Do ve  in  Berlin, 
Eduard  Gerhard  in  Berlin,  Hans  Bruno  Grinitz  in  Dresden,  Franz 
Grillparzer  in  Wien,  Moriz  Haupt  in  Berlin,  Oswald  Herr  in  Zürich, 
August  Wilh.  Hof  mann  in  Berlin,  Victor  Aime  Huber  in  Wernigerode, 
Gustav  Robert  Kirch  hoff  in  Heidelberg,  Hermann  Kopp  in  Heidelberg, 
Joseph  Eulgrchias  Kopp  in  Luzem,  Adolf  Eduard  Kupffer  in  Petersburg, 
Jus^  Freih.  v.  Lieoig  in  München,  Johann  Heinr.  Mädler  in  Dorpat, 
Karl  Heinrich  Naumann  in  Leipzig,  Georg  Heiarifeh  Perti  in  Barini, 

Zeitochrm  t  d.  6iterr.  Oymn.  IM5.  VII.H«ft.  37 


650  Personal-  and  Sehulnotiiea. 

Friedrich  L.  6.  Y.  Baumer  in  Berlin,  Heinrich  Bitter  in  Gottingen,  F^* 
dinand  B5mer  in  Breslau^  Gustay  Böse  in  Berlin,  Anton  Schrott  er  in 
Wien,  Christoph  v.  Stalin  in  Stuttgart,  Georg  Waits  in  Gdtdngen, 
Friedrich  Wöhler  in  Gdttingen,  Georg  v.  Wyfs  in  Zürich,  Hermann  L. 
Fr.  Heimholt!  in  Heidelberg,  Albert  Jäger  in  Wien,  August  Beuft 
in  Wien,  und  Joseph  Purgs taller  in  Pesth. 

Femer  hat  das  Doctorencollegium  der  theologischen  Facultät  an  der 
Wiener  k.  k.  Unirersität  bei  der  Universitätsjubelfeier  die  Professoren 
der  Theolorie  an  der  Wiener  Hoclischule:  P.  Clemens  Schrader,  S.  J, 
Doctor  der  Theologie  und  Philosophie,  und  P.  Hyacinth  Pellegrinetti, 
0.  S.  Dom.,  Doctor  der  Theologie  und  Philosophie,  in  Anerkennung  ihrer 
Verdienste  um  die  Wissenschaft  und  das  Lehramt  der  Theologie,  zu  seinen 
wirklichen  Mitgliedern  ernannt 

^  Dem  Karl  Binzer,  Friedrich  Kolbe,  Gustav  Schaller,  Adolf 
Stanzl  und  Engelbert  Westreicher  die  Allerhöchste  Bewilligung  zur 
Gründung  eines  Vereines  bildender  Künstler  und  Kunstfreunde  in  Lins. 

—  Se.  Ezoellenz  der  Herr  Bischof  StroXsmaycr  hat  dem  Vereine 
zur  Unterstützung  dürftiger  Gymnasialschüler  von  Warasdin  1000  fl. 
gespendet. 

—  Se.  bisohöfl.  Gnaden  der  hochw.  Hr.  Franz  Joseph  Budiffier 
hat  der  Direction  des  k.  k.  Staats-G.  zu  Linz  100  fl.  für  brave,  aber  dürf- 
tige Schüler  eingesendet. 

—  Am  23.  Juni  1.  J.  &nd  an  der  Bealschule  zu  Brunn  durt;h  den 
Director  dieser  Anstalt  Joseph  Auspitz  die  feierliche  Uebeivabe  eines  An- 
erkennungsdecretes  für  den  Schüler  der  3.  Unterrealclasse  Moriz  Seh  eil  er 
statt,  der  am  5.  d.  M.  einen  neunjährigen  Knaben  mit  eigener  Lebensge- 
fahr vom  Tode  des  Ertrinkens  gerettet  hat 

—  lieber  die  Aufnahme  von  Hörern  in  die  k.  k.  Forstlehranstalt  zu 
Mariabrunn  nächst  Wien  für  den  Lehrcurs  i865/l&6  s.  AmtsbL  zurWr. 
Ztg.  V.  22.  Junil.  J.,  Nr.  141. 

—  Ueber  die  Aufoahme  von  Zös^lingen  in  die  k.  k.  medicin.-chirurg. 
Josephs- Akademie  für  das  Schuljahr  1865  66  (nach  Aufhebung  & 
niederen  Lehrcurses)  s.  AmtsbL  zur  Wr.  Ztg.  v.  24.  Juni  L  J^  Nr.  143. 

—  Ueber  den  Unterricht  an  der  Bergschule  zu  Pfibram  im  Lehr- 
jahre 186566  s.  Amtsbl   zur  Wr.  Zte.  v.  25.  Juni  1.  J.,  Nr.  144. 

—  Ueber  die  Aufnahme  von  Zöglingen  an  der  k.  k.  Bergakademie 
zu  Leoben  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  15.  Juli  1.  J.,  Nr.  160. 

—  Aufoahms-Bedingnlsse  und  Collegien-Ordnung  an  der  k.  k.  Berff- 
und  FoTstakademie  zu  Schemnitz  für  den  Lehrcurs  186£^66  s.  AmtsU. 
z.  Wr.  Zte.  V.  29.  Juli  1.  J.,  Nr.  172. 

—  Unterricht  und  Anfiiahme  an  der  k.  k.  höheren  landwirthschaft- 
lichen  Lehranstalt  zu  Ungarisch-Altenburg  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v. 
1.  August  L  J.,  Nr.  174. 

(Erledigungen,  Goncurse  u.  s.  w.)  Feldkirch  (Vorarlberg), 
selbst  Communal-UB.,  Lehrstelle  für  deutsche  Sprache,  Geographie  und 
Geschichte,  Jahreseehalt  700  fl.  ö.  W.  Termin:  16.  August  L  J.,  s.  AmtsbL 
z.  Wr.  Ztg.  V.  8.  Juli  L  J.,  Nr.  154.  —  Leoben,  k.  k.  Bergakademie,  zwei 
AssistentensteUen  für  den  Haupt-  und  zwei  für  den  Nebencurs.  Termin:  Ende 
August  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  15.  JuU  L  J.,  Nr.  160,  und  selbst  ÜB., 
Lehrstelle  für  Naturgeschichte,  Physik  und  Arithmetik,  Jahresgehalt  600  fl. 
ö.  W.,  Quartier-  und  Beheitzungsbeitrag  150  fl.  ö.  W.  und  Anspruch  auf  Deoen- 
nalzulagen.  Termin:  Ende  August  L  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  10.  Au^pist 
L  J.,  Nr  182.  —  Teschen,  k.  k.  ev.  G.,  Lehrstelle  für  Lateinisch  u.  Griechisch 
und  für  polnische  Sprache,  Jahresgehalt  735  fl.  ö.  W.  mit  Anspruch  auf  die 
übli  he  Vorrückung.  Termin:  15.  August  1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v. 
19.  JuU  L  J.,  Nr.  163.  —  Brunn,  k.  k.  OB.,  Lehrstelle  für  Chemie,  Jah- 
resgehalt 630  fl.,  eventuel  840  fl.  ö.  W.,  nebst  Anspruch  auf  Decennalzn- 
lagen.  Termin:  90.  Augutt  L  J.,  s.  AmtsbL  s.  Wr.  Ztg.  v.  20.  Juli  L  J., 


Personal-  und  Scholnotizeo.  551 

Nr.  164.  —  Wien,  k.  k.  Hofbibliothek,  HilfBarbeitersstelle,  jährL  Bezug 
525  fl.  ö.  W.  Termin:  1.  September  L  J.,  s.  AmtsbL  z,  Wr.  Ztg.  v.  22.  Jufi 
1.  J.,  Nr.  166;  femer  Lehrerstelle  fQr  englische  Sprache  und  Literatur  an 
der  k.  k.  oriental.  Akademie,  jährl.  Honorar  315  fiL  ö.  W.  Termin :  5.  Octo- 
ber  L  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  3.  August  L  J.,  Nr.  176.  —  Irnhar- 
.  ding,  Landesackerbauschule,  pro?.  Lehrerstelle,  Jahresgehalt  700  fl.  ö.  W., 
eine  4perc.  Tantieme  des  Reinertrages  vom  Gute  Imharding  und  Natural- 
wohnung.  Termin:  15.  August  1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  1.  August 
L  J.,  Nr.  174.  —  Gör 2,  OB.,  2  Lehrstellen,  und  zwar  eine  för  italienische 
Sprache  als  Hauptfach  in  Verbindung  mit  e.  anderem  Lehrgegenstande  als 
Nebenfach,  die  andere  für  Freihandzeichnen  und  Modellieren,  yerbunden 
mit  Kalligraphie,  Jahresgehalt  630  fl.,  eventuel  840  fl.  ö.  W.,  nebst  dem 
Vorrückungsrechte  in  840  fl.,  beziehungsweise  1050  fl.  und  126  j  fl.  ö.  W. 
Termin:  31.  August  1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  9.  August  L  J.,  Nr.  181. 

—  Kroatisch-Slavon.  G.,  Lehrstelle  für  ein  solches,  u.  zw.  für  Natur- 
geschichte als  Haupt-,  und  Mathematik  u.  Physik  als  Nebenfach,  Jahres- 
gehalt 945  fl.,  eventuel  1050  fl.  ö.  W.,  nebet  Anspruch  auf  Decennalzulagen. 
Termin:  Ende  August  L  J..  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  9.  August  L  J^  Nr.  181. 

—  Tri  est,  k.  k.  G.,  Lenrstelle  fftr  italienische  Sprache  und  Literatur, 
Jahresgehalt  945  fl.,  eventuel  1050  fl.  ö.  W.  und  126  fl.  ö.  W.  Quartiergeld. 
Termin:  Ende  August  1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  10.  August  1.  J.,  Nr.  182. 

(Todesfälle.)  Am  19.  Mai  L  J.  zu  Stockholm  Udo  Waldemar 
Dietrich,  bis  1864  iiector  am  deutschen  Nationalljceum  alldort,  geschätzt 
als  Gelehrter  und  Schriftsteller. 

—  Am  25.  Juni  L  J.  zu  London  Dr.  R  Ferguson,  einer  der 
Leibarzte  der  Königin,  durch  Fachschriften  rühmlich  bekannt,  im  65. 
Lebensjahre. 

—  Am  27.  Juni  L  J.  zu  Brixen  Se.  Hochw.  Franz  Stadler,  Welt- 
priester, Professor  der  Moraltheologie  und  Paodagogik  an  der  dortigen  DioB- 
oesan-Lehranstalt,  im  70.  J.  seines  Lebens. 

—  Am  28.  Juni  1.  J.  im  Bömerbad  nächst  Tüffer  Steiermark)  Char- 
les V.  Incledon  (geb.  in  England  am  17.  April  1788),  Professor  der  ene- 
lischen  Sprache,  auch  als  gewandter  Uebersetzer  deutscher  Dichtungen  iif  s 
Englische,  so  wie  als  Verfasser  eigener  Poesien,  bekannt. 

—  Am  30.  Juni  l.  J.  in  seinem  Geburtsorte  Langenau  (Böhmen)  der 
Porträtmaler  Joseph  B  e  c  k  e  1  (geb.  1806),  als  tüchtiger  Künstler  bekannt. 

—  Ende  Juni  1.  J.  der  Herzog  von  Rivas,  zur  Zeit  Botschafter  in 
Neapel  und  Paris,  auch  Präsident  des  spanischen  Staatsrathes ,  als  spani- 
scher Staatsmann  und  Schriftsteller  bekannt;  zu  Upsala  der  schwedische 
Dichter  Professor  Bernhard  Elias  Malmström,  im  Alter  von  49  Jahren, 
nnd  zu  London  Sir  John  William  Lubbock.  namhafter  Astronom  und 
Verfasser  des  Werkes  «On  Probability",  63  Jahre  alt 

—  Nach  americanischen  Blättern  im  Juni  L  J.  die  Dichterin  Mn. 
L^dia  Huntley  Sigourney  (geb.  zu  Norwich  im  Staate  Connecticut), 
Verfasserin  von  35  Bänden  in  Versen  und  Prosa,  im  Alter  von  74  Jahren. 

—  Am  1.  Juli  L  J.  zu  Hemals  bei  Wien  Frau  Therese  v.  Megerle 
(geh.  zu  Prefisburg  1813),  als  fruchtbare  dramatische  SchriftsteUerin  bekannt, 
und  zu  Prag  A.  Schmalfufs  (geb.  zu  Medruschitz  bei  Saaz  am  2.  Jänner 
1821),  Beda^ur  der  nMittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deut- 
sdien  in  Böhmen",  auch  als  Schriftsteller  („Die  Deutschen  in  Böhmen*' 
1852)  bekannt.  (Vgl.  österr.  Wochenschrift  1865  in  Nr.  29,  S.  125.) 

—  Am  3.  Juli  1.  J.  im  Kapuzinerkloster  zu  Wemding  der  hischöfl. 
Bath  und  Domcapitular  Dr.  Andreas  Eduard  Kellner,  Professor  der 
Chemie  und  Physik  am  hischöfl.  Lyceum  zu  Eichstädt. 

—  Am  5.  Juli  L  J.  zu  Qpdenburg  der  ungarische  Sprachforscher 
Alex.  Torkos,  im  Alter  von  32  Jahren,  und  zu  Dresden  der  kais.  nu- 
sische  General  Andreas  v.  Gottmann,  seiner  Zeit  Director  des  berühm- 
ten Ldgenieur- Institutes  in  St  Petersburg,  erster  Ingenieurgeneral  (1869) 
und  8di6pfer  zahlrncher  Staatthanteii  in  Rosiland. 

37* 


552  Personal-  und  Schaßiotizen. 

—  Am  8.  Juli  1.  J.  2ü  Mödling  bei  Wien  der  OfBcial  im  Staatfi- 
tMnisterinm  Ludwig  GtittMed  Neumann,  als  Lyriker  und  Jagendschrifi- 
äteller  bekannt,  im  Alter  von  kaum  53  Jahren,  und  zu  Jena  der  Vice» 
ptftsident  des  OberappeUatlons^erichtes  Dr.  K.  W.  E.  Heimbach,  vordem 
oMentlicher  Professor  an  det  jurid.  Facultat  der  Universit&t  Jena,  im  6S. 
Lebensjahre. 

—  Am  9.  Juli  L  J.  zv  Wien  der  Historienmaler  Karl  Rahl  (reb. 
zu  Wien  am  13.  August  1812),  Professor  an  der  k.  k.  Akademie  der  bil- 
denden Künste,  Ritter  des  Franz  Joseph-Ordens,  Ehrenmitglied  verschie- 
dener Akademien  und  Gesellschaften  u.  s.  w.  (vgl.  Wr.  Ztg.  vom  11.  JuH 
1865,  Nr.  156.  S.  104),  und  zu  Pesth  Dr.  Paul  Bugat,  Mitglied  der  un- 
garischen Akademie  der  Wissenschaften,  im  73.  Lebensiahre. 

—  Am  10.  Juli  1.  J.  zu  Erakau  der  polnische  Schriftsteller  Yalerius 
Wieloglowski,  im  60.  Lebensjahre. 

—  Am  12.  Juli  1.  J.  in  Klein-Oels  bei  Ohlau  Graf  Louis  York  v. 
Wart^nberg,  der  einzige  hinterlassene  Sohn  des  1830  verstorbenen  Feld- 
marschalls  Y.,  Ehrendoctor  der  Breslauer  Universität,  als  edler  Menschen- 
flreund  und  eifriger  Unterstützer  der  Künste  und  Wissenschaften  bekannt, 
im  61.  LebeUBJiÄre. 

—  Am  14.  Juli  1.  J.  zu  Wien  der  Dr.  phil.  Maximilian  Nossek, 
als  Schriftsteller  bekannt,  im  Alter  von  28  Jahren,  und  zu  Berlin  der 
Dr.  phiL  Stürenberg,  Lehrer  an  der  städtischen  Turnhalle  alldort. 

—  Am  16.  Juli  1.  J.  zu  Prag  Med.  Dr.  Elias  Altschui  (geb.  zu 
Prag  am  81.  December  1795),  Privatdocent,  Herausgeber  der  Monaischrift 
für  Homoeopathie,  Fachschriftsteller. 

—  Am  19.  Juli  1.  J.  wurde  zu  Sessana  der  verstorbene  fiedacteur 
des  „Osservatore  triestino**  Professor  Malpaga  begraben. 

—  Am  22.  Juli  1.  J.  zu  Florenz  Vicenzo  Antinori,  als  Cklehrter 
und  philosophischer  Schriftsteller  geschätzt,  in  hohem  Alter.  (Ygl.  BeiL  z. 
A.  a.  Ztg.  V.  5.  August  1.  J.,  Nr.  217.) 

—  Am  23.  Juli  1.  J.  zu  Paris  Abb^  Kasangian  (vulgo  TArmenien 
de  la  biblioth^ue),  ein  emsiger  Arbeiter  an  einem  arabischen  Wörterbuche, 
dessen  gewissenhafter  Yollendung  er  seit  Jahren  Zeit  und  Kraft  widmete. 

—  Am  24.  Juli  1.  J.  zu  Gotha  der  Hofrath  F.  G.  Becker,  vordem 
Herausgeber  des  „Allgemeinen  Anzeigers*.  (Vgl.  Beil.  zu  Nr  213  dw  A.  a. 
Ztg.  vom  1.  August  1.  J.  S.  3468.) 

—  Am  2o.  Juli  1.  J.  im  Dorfe  Dora  (Stanislauer  Kr.  Cktliziens)  Dr. 
M a ) i c k i ,  pens.  Coadju tor  und  Gymnasiallehrer  in  Stanislau,  als  ruthe- 
nischer  Schriftsteller  bekannt,  im  29.  Lebensjahre. 

—  Am  80.  Juli  1.  J.  zu  Hietzing  nächst  Wien  Se.  Ezcellenz  Dr. 
Andreas  Freiherr  von  Baumgartner  (geh  zu  Priedberg  in  Böhmen  am 
23.  November  1793),  Grofskreuz  des  k.  österr.  Leopold -Ordens,  Ritter  des 
Ordens  der  eisernen  Krone  1.  Cl.  u.  s.  w.,  lebenslänglicher  Reichsrath, 
emer.  k.  k.  üniversitätrorofessor,  Präsident  der  kais.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, als  Schriftsteller  auf  dem  physikalischen  Gebiete  („Araeometrie^ 
Wien,  1820;  -Die  Mechanik  in  ihrer  Anwendung  auf  Künste**.  Wien,  1823 
und  1834;  „Die  Naturlehre  nach  ihrem  gegenwärtigen  Zustande**,  3  Bde. 
Wien,  1824,  4.  Aufl.  1832  u.  m.  a.)  bekannt 

—  Am  2.  August  1.  J.  zu  Hietzing  nächst  Wien  der  jub.  k.  k.  Hof- 
rath des  Obersten  (Gerichtshofes  Dr.  Ferdinand  Ritter  von  Neupauer 
(geb.  1790  zu  Gleinstätten  in  Steiermark),  seinerzeit  Professor  des  Lehen-, 
Handels-  und  Wechselrechtes  an  der  Universität  zu  Innsbruck  u.  s.  w^ 
auch  als  juridischer  Schriftsteller  bekannt. 

Berichtigungen: 

Heft  V.,  8.  375  Z.  2  v.  u.  lies  ülotricheen  st  ülotricheen,  und  st 
•fi,  ebend.  Z.  6  v.  u.  Liquor  st.  Liqueur;  8.  376  Z.  2  v.  o.  (Men  st  IdlieD. 


Erste   Abtheiliing, 


Abhandlungen. 
Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Tlieben, 

In  diesem  Verscompleie  ist  es  namentlich  das  Verspaar 
12—13,  welches  durch  seine  besonderen  Schwierigkeiten  Exegese 
und  Kritik  viel  beschäftigt  hat.  Während  auch  Weil  oifen  be- 
kennt versus  13  difficillimi  senteutiam  esse  ambiguam  und  aua 
den  Zügen  des  Mediceus  varia  elici  posse  fand  Dindorf  sogar 
früher  keinen  anderen  Ausweg,  als  die  Worte: 
TD.  rec. 

auszuwerfen.  Das  gerathenate  dürfte  sein,  wir  fcünmiem  uns 
zunächst  gar  nicht  um  die  störenden  Verse.  Denn  sobald  wir 
V.  10,  11,  14  verbinden,  gewinnen  wir  einen  abgeschlossenen 
klaren  Gedanken  in  vollständig  befriedigender  Form: 

vuäg  di  XQ^  *^  ^*^^  ^^^  IXliiTrovT*  hi 
^ßf}g  «ÄUft/or^  ital  tov  H^ßov  XQ^^^ 

ßmfiOiQl      _______ 

y^  Ti  /UJjT^i  y^irarjj  TQQtftp, 

'Ihr  alle  aber,  auch  derjenige,  welcher  das  waflFenßLhige  Alter 
noch  nicht  erreicht  hat  und  wer  schon  darüber  hinaus  iät,  müsst 
jetzt  sowol  die  Stadt  und  die  Altäre  der  Landesgötter  als  auch 
das  Heimatland  vertheidigen/  Wo  ich  den  Baum  einstweilen 
durch  Striche  gefüllt  habe,  stehen  zwar  im  Texte  noch  die  Worte : 
ttg.iag  fiij  iiak£i(f}^mai  ?ror€  %i'/imtg  t£,  aber  jeder  muss  füh- 
len, dass  thva  in  diesen  Zusammenhang  nicht  passen,  sondern 
als  idtov  aya&oy  die  Aufzählung  der  miva  aya^a  ein  Fremd- 
artiges unterbrechen  und  für  den  HXeItziüv  ij^i^jg  ohne  Interesse 
sind.  Deshalb  wolle  man  auf  sie  bis  auf  weiteres  keine  Rück- 
sicht nehmen,  sondern  einstweilen  ßtüfwlm  yfj  te  fujtQi  mlzazfj 
iQow^  zu  einem  Verse  verkDüpfen.  Die  nächste  Periode  erin- 
aeri  die  Bürger  an  die  Dankbarkeit,  welche  sie  der  Heimat  für 
treue  mütterliche  Pflege  schuldig  sind: 

'MfH-hTih  (  a  &-(.5rr  fiyrFiTM.  1S6Ä.  Vlll.  Heft  38 


554  M.  Sdimidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

uTtarru  nardoxovaa  ntuoitaq  otlov 
^&o^tl'icT*  olxtar^Qai  damdijifo^vi 

Den  ersten  Anstofs  erregt  hier  der  Accusativ  moToig,  den  aller- 
dings die  neueren  SohoBen  anerkennen.  Doch  woUen  mir  weder 
der  Dindorf 'sehe  Vorschlag  OTvojg  yivoia&e  /tQog  XQ^^  Tnaroi 
Tode,  noch  der  Weil'sche  Tnavog  ng  tag  yeroivo  nqog  xqiog  Tod€, 
wonach  oni-^g  yevoiode  Glossem  gewesen  sein  soU,  annehmbar 
erscheinen.  Sehe  ich  mich  nämlich  in  der  ganzen  ^^tg  des 
Eteokles  für  den  beanstandeten,  aber  sicherlich  echten,  13.  Vers 
nach  einem  schicklichen  Platze  am,  so  scheint  es  mir  nnzweifel- 
haft.  dass  derselbe  ursprünglich  hinter  V.  20  gestanden  habe, 
da  die  Verbesserung  beider  nach  ihrer  Wiedervereinigung  eine 
aufserordentlich  leichte,  auf  ein  einziges  Wort  beschränkte  ist. 
Denn  im  nunmehrigen  Zusammenhange  ist  r',  womit  eben  wedar 
Härtung  noch  Weil  etwas  anzufangen  wnssten,  zur  V^knüpfong 
der  Satee  nöthig,  der  Nominativ  Sxaazog  aber,  welchen  WeU 
selbst  an  alter  Stelle  zu  ändern  Bedenken  trug,  durchaus  un- 
antastbar. Fehlerhaft  ist  also  nur  ixo-^^^j  des^sn  Yerwandliuig 
in  die  Optativform  ^xoi^'  gewiss  eine  ebenso  leichte,  wie  un- 
gezwungene Besserung  heifsen  darfl  Und  so  kann  denn  lUCTOYC 
nichts  anderes  sein,  als  lUCTOlQ,  d.  L  nioroi  ^  \  *Das  Mat- 
terland', sagt  Eteokles,  ^zog  Eudi  zu  schildtragenden  Bewoh- 
nern auf: 

nurrol  ^'  mroK  yivota^€  ngot  X9^  rodt,^ 
(xtgucp  r*  ij[ot^'  ixaOTO^ ' 

Hiermit  ist  zugleich  die  Magerkeit  des  Finalsatzes  einer  eben- 
mälsigeren  Fülle  gewichen.  Die  alezandrinische  Exegese  schwankte 
in  der  Erklärung  von  u^av  zwischen  den  Bedeu^gen  Sqgv 
(fqowida  und  äQavrjiuxiaK  Für  uns  fiUlt  die  Entscheidung 
unbedenklich  für  die  erste  Bedeutung  aus,  zumal  sie  eine  selu- 
einfache  Besserung  der  Worte  cjg  n .  av^ir^jtfg  ermöglicht :  rric 
evTTQefTfj^  (vgl.  Pers.  830)  oder  ov  ^au  ov^TTQurdcj  d.  h.  ov 
lOQay  fx^iv  aifi.TQiTteg  fcrrif,  wie  in  Soph.  OK.  ovdiv  yao  ar 
nga^aifi^  ay  ojv  cm  aoi  q^ilor  für  Tovvfor  a  /r^errrar  ifie  w 
a.  (f.  iauy  steht. 

Hat  der  13.  Vers  hier  sein  Unterkommen  gefunden,  so 
liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  auch  V.  12  in  diese  Partie 
gehört  habe.  An  welche  SteUe  derselben,  erschlielst  sich  uns 
vielleiclit  aus  folgender  Erwägung.  Nach  der  üeberlieferong  sagt 
Eteokles:  'Denn  die  Muttererde  zog  die  Eindlein  auf  dem  lieb- 
reichen Boden  der  Heimat,  sich  der  gesammten  Mühe  und  Plage 
ihrer  Erziehung  unterziehend  zu  Kriegern  grols.'  Diese  Fassung 
ist  ungenügend.  Denn  sie  erwähnt  mit  naidua  nur  die  eine 
auf  das  siUliche  und  geistige  Leben  der  Jugend  gerichtete  Hälfte 
der  mütterlichen  Sorg&lt,  während  der  nächsUiegenden  Sorge 
für  deren  körperliches  Wachsthum,  Gedeihen  und  Imtfidtnng  imt 


3f.  Schmidt,  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  556 

keiner  Silbe  gedacht  ist.  Gerade  dies  Moment  ist  aber  in  Y.  12 
so  deutlich  ausgesprochen,  dass  es  wol  nur  dieser  Erinnerung 
bedarf,  um  dem  heimatlosen  Verse  hier  zu  seinem  Platze  zu 
verhelfen : 

i)  ydg  viovg  tqnovtug  tvuivtt  niSt^ 
anctvTtt  nav^oxovaa  naiotlag  ötXov 
ßlaatrifAOv  ttXJafvovra  atofiarog  noXvv 
id'QiifHXT*  oixiarrJQag  aanidrupoQovg, 

Diesen  Platz  verlangt  wenigstens  f&r*s  erste  der  Accusativ  ceA- 
dalvovra,  der  sehr  wohl  zu  otXov  gehören  könnte:  sich  unter- 
ziehend der  Mühe  der  Erziehung,  welche  das  Gedeihen  des  Kör- 
pers tüchtig  fördert.  Allein  es  stehen  dieser  Anordnung  auch 
mehrere  Bedenken  im  Wege :  einmal  die  Häufung  der  von  ein- 
ander abhängigen  Accusative,  die  indessen  zur  Noth  erträglich 
wäre,  femer  die  unerhörte  Bedeutung  von  navdoiiovaay  endlich 
der  üebelstand,  dass  die  beiden  Leistungen  der  yij,  der  ßhxoxrf 
flog  adfiarog  und  naideiag  ovlog  nicht  coordiniert  auseinander- 
gehalten und  nicht  mit  gleichem  Nachdruck  betont  sind.  Ilav- 
doxovaa  würde  zwar  tadellos  sein,  wenn  man  schriebe: 

ij  yäg  viovg  ^Qnovtag,  €vu€Vii  niSiy 
anavra  TttxvJoxovaa,  naioeias  örltp 
ßlaarrifiov  dXdaivovT^  atifiarog  noXvv 
id^Qiij/aj*     .     .     . 

aber  die  übrigen  üebelstände  blieben  ungehoben.  Wir  werden 
es  daher  mit  einer  andern  Anordnung  versuchen  müssen :  ^  yaq 
—  ßXaaTtj^ov  —  a/tavta  —  i&Q€\paT\  —  Sie  bietet  zuvörderst 
den  doppelten  Yortheil,  dass  vom  ociina  früher  die  Bede  ist,  als 
von  der  Ttatdda  und  dass  sv^eväi  nedqf,  was  man  seit  alter 
Zeit  mit  llQnowag  verbindet,  zum  folgenden  Particip  gehört  *). 
Dies  Particip  kann  aber  jetzt  kein  acc.  masc.  mehr  sein ,  son- 
dern muss  aldahovaa  lauten  und  mit  dem  Particip  des  folgen- 
den Verses  durch  rd  verknüpft  gewesen  sein.  Steht  sonach  auch 
anawa  r'  sicher,  so  fragt  es  sich  nur,  welches  Wort  in  avdo- 
Mvaa  verschrieben  und  vom  Med.  schol.  durch  vTiodaxo^ivri^et- 
klärt  worden  ist.  Dem  Sinne  nach  genügt  wenigstens  hnovovaa. 
Weil  hat  Jtavdoxovaa  in  der  Bedeutung  omnia  in  sinum 
suum  recipiens  genommen  und  conjiciert: 

tp  navjtt  nttvdoxovaa  rixTirai  naliv 
«iJrij  T*  ^«*  Ttxovaa  naidiiag  oxXov, 

Dagegen  ist  aber  gei-ade  das  von  Weil  entdeckte  Gesetz  der 
rhrtorischen  Symmetrie  geltend  zu  machen.  Es  ist  ganz  richtig, 
dass  auf  die  neun  einleitenden  Verse  (1—9),  welche  den  ab- 
schliefsenden  neun  Versen  70  —  78  entsprechen,  6-|-6  Verse 
gefolgt  sein  müssen,  welche  zusammen  mit  den  weiteren  9  4-9 
Versen  der  Bede  des  Eteokles  genau  dem  Versumfisinge  (30)  der 


0  Aehnlich  Aesch.  Pers.  455 (485)  Znif^x^^og  "oQ^e^  miCov  ivfd. iviZ 
norm. 

38« 


556  M,  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

Botenrede  entsprechen.  Um  diese  6  +  6  zu  gewinnen,  war  Weil 
allerdings  genöthigt  den  Ausfall  eines  Verses  anzunehmen,  zu- 
gleich aber  auch  V.  16  Taytvoig  re  —  aus  seinem  organischen 
Verbände  zu  reifsen  und  in  sehr  mislicher  Weise  zu  den  zweiten 
sechs  Versen  zu  ziehen.  Wir  haben  dagegen  die  letzten  sechs 
vollständig  beisammen  und  beginnen  sie,  wie  sich  gehört,  mit 
V.  17  ^  ya^.  Für  uns  gilt  es  vielmehr  die  ersten  sechs  Verse 
wiederzugewinnen.  Die  Ueberlieferung  bietet  nur  fünf  —  Um- 
stellung und  Ausfall  gehen  ja  gewöhnlich  Hand  in  Hand.  Doch 
ist  mir  das  anstöfsige  reTivoig  xe  Beweis  genug,  dass  die  Lücke 
hinter  noze  anzusetzen  und  nach  ihr  mit  roxevai  fortzufahren 
ist.  Fassen  wir  das  Kesultat  unserer  Erörterung  zusammen,  so 
dürften  V.  10—21  folgende  Gestalt  gehabt  haben: 

10  vuag  (fi  XQV  ^^'^f  *«^  »^or  llUiirovr'  hi 
Tjßrjg  dxucUag  xal  xov  e^rjßov  XQ^V* 
ttoXh  t    uQYiyHV  xal  O-etav  iy/(OQ((m' 
ß(oiuoTai,  Ti/Liag  fxri  i$aUiqy9-rjvaC  nore 

15  ToxEvaif]  yj  re  f4r}TQi  (pilraTrjj  tqoo^^. 

ij  yaQ  v^ovg  ^Qnovrag,  tvfXivu  n^oqt 

ßluarrj^ov  ilX^atvovaa  atouarog  nolvv, 

nnavTu  t'  Ixnovovatt  naioiCag  otXov, 

i&QiiljaT^  otxiariJQag  dajn^rjipoQovg, 
20  niOTol  &*  oTibjg  y^voia^e  noog  XQ^og  ro^ff 

bioav  X*  ^;^o*^'  ixuarog,  ov    an  av/ungen^g. 


V.  22. 

Eteokles  fahrt  fort: 

xttl  vZn'  jukv  ig  t6^*  Vf^'fQ  f^  ^iirei  d-eog. 

Aber  so  kann  Aeschylus  nicht  geschrieben  haben.  Einmal  be- 
fremdet d^eog  (wenn  auch  in  der  Bedeutung  Tvxr])  so  kurz  vor 
Ix  d^ewv^  noch  mehr  aber  vvv  ^ev  vor  vvv  de,  wozu  es  einen 
in  eg  too  ^(lioq  sattsam  ausgedrückten  Gegensatz  bilden  soll. 
Die  beiden  neuesten  Emendationen  des  Verses  von  Weil  und 
Heimsöth  befriedigen  mich  nicht.  Ersterer  schreibt  xat  vvv  {va 
fieV  yäg  ig  rod  rj/uaQ  iv  ^inei . . .  tliqü)  vvv  d^  unter  der  An- 
nahme, dass  viv  de  prioris  post  interpositionem  repetitio  sei, 
was  mir  um  so  unglaublicher  ist,  als  eine  ähnliche  Epanalepse 
auch  in  der  nächsten  Periode  angenommen  wird.  Heimsöth  S.  146, 
446  schreibt  xal  twv  fisv  ig  rod^  rjjuaoev  ^enei  rr/jy,  womit 
wieder  die  Interpolation  des  Scholiasten  B  p.  303  fiexQi  rrjode  ttk 
migag  nalaig  ^(luv  ix  tvxV^  ^X^^  ^^  n^ay^aza  streitet.  Der  Haupt- 
fehler steckt  offenbar  in  »tv,  einem  Glosseme  zu  einer  gewähl- 
teren Wendung.  Nach  seiner  Tilgung  ergibt  sich  KAIMEN, 
d.  i.  xaei  ^ev.  Vgl.  Eur.  Hei.  1670  ig  iuev  yag  aei  tov  naqowa 
tnjv  xQovov.  Damit  könnte  man  sich  zur  Noth  begnügen,  zumal 
dei  bei  Aeschylus  im  ersten  Fufse  des  Senar  steht,  doch  geht 
xal  mit  ätl  keine  Krasis  ein,  wie  Porson  zu  Eur.  Phoen.  1422 
gegen  Pierso  ad  Mscr.  p.  lOö  angemerkt  hat,  und  aufserdem 
erklärt  es  die  Entstebungsart  des  befremdlichen  vvv  nicht  ganz. 


3L  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  557 

Erinnern  wir  uns  jedoch,  dass  devQ^  ael  stets  durch  f^uxQ'^  »^^ 
i'iog  vvv  erklärt  wird,  so  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dass 
Aeschylus'  Hand  mit  xai  devQ^  aei  fniv  ev  ^Inu  ra  tm  tvx^ 
hergestellt  wird  ^).  Vgl.  Eur.  Hei.  767:  ehv.  za  f^tiv  yag  devQ 
dei  xalcig  e^ii^  Aesch.  Eum.  599  xat  devqo  y  aei  ttjv  xvxrjv 
ov  fuiLKpo^aiy  Eur.  Phon.  1215  ea  ra  loiTtd.  devQ^  del  yciQ 
£VTvx€ig.  S.  Porson  zu  Eur.  Or.  1679,  Phöniss.  1224,  Boeckh 
Plat.  Min.  p.  102.  Statt  rd  Trjg  rvyrfi  (Phoen.  1217  Pors.)  kann 
auch  anderes  vermuthet  werden  ra  datjtiovcov,  zd  ftQdyjtiaza,  rd 
Twv  d^۟)v.  Uebrigens  vgl.  Schol.  B  zu  V.  35  xalcog  o  &e6g  del 
noiu  und  Schol.  0  TtlrjQöi  fiixQi^  tov  vvv. 


V.  25-30. 

Eteokles  sagt:  So  weit  stünden  die  Sachen  mit  der  Götter 
Hilfe  gut.  Jetzt  aber  bereitet  der  Feind,  wie  der  Seher  sagt, 
einen  gewaltigen  Mauersturm  vor.  Dies  ist  tadellos  ausgedrückt 
durch  die  Worte: 

vvv  (f*  (OS  6  /bidvTig  (fijalv  ottavcHv  ßori^g 

^    —  fxiyCaxYiv  TTQoaßokijv  IrfjfaWa 
vvxrrjyoQiia&ai  xuTriflovlivHv  noUi. 

Vgl.  Über  diese  ^Constructipn  dig  cprm  vmtrjyoQeia&aL  Soph.  Tr. 
1238  dyijQ  od^  log  eoiy^ev  ov  ve^eiv  sfioi  q>&ivovTt  f.iöiQav^  Herod. 
IV  5  (og  de  Syiv&ai  Xeyovai  vBiozaxov  dndvxwv  id^vicov  elvav 
To  aq>h8Q0v.  Mit  ihr  ist  aber  eine  zweite  Construction  ver- 
schmolzen. Da  nämlich  oiiüvaiv  ßorriQ  durch  die  Worte  iv  loai 
—  T^Vvj  weiter  ausgeführt  ist,  so  wird  durch  olvog  der  Haupt- 
satz 0  fidvTig  olwvwv  ßorrjo  q>ri(jiv  wieder  aufgenommen ,  und 
zwar  in  der  Art,  dass  der  Deutlichkeit  wegen  auch  Uyei  noch 
einmal  an  das  schon  vorweggenommene  (priaiv  erinnert.  Der  In- 
finitiv hängt  also  eigentlich  schon  von  äg  (fmiv  ab,  in  zweiter 
linie  erst  von  {wg  ovv)  ovvog  liyu.  Weil  nat  olwvüv  ßortjo 
in  Konmiata  eingeschlossen;  ich  halte  das  für  unrichtig,  aa 
udvTig  offenbar  Adjectivum  ist.  Ob  Eitschl  für  nvqog  d/x« ,  Diit 
Becht  (fdovg  öL^a  corrigiert,  macht  Eurip.  Phon.  968:  oaxtg 
i(invq(fi  Xß^öft  Tixviß  —  oUovoGTcoftfj  und  Eur.  Bacch.  257: 
aTtonsiv  nT€Q(üTög  Ka/njtvQwv  ixiaf^ovg  (pe^eiv^  mindestens  zwei- 
felhaft, wiewol  nvQog  sehr  leicht  aus  einem  Glosseme  ntjQog 
entstanden  sein  könnte. 


V.  76. 

KdöfjLOv  noUv 
Cvyolai  dovXiio^ai  fjn^nore  ax^^ttv. 

Der  mediceische  Scholiast  nimmt  y^v  und  noXiv  als  Subject: 
liT  Ine^ekd^eiv  {vitua-)  t;vyov  dovXaiccg.  Ebenso  der  Schol.  B 
richtig  fiirj  i&elrjaare   ycQarrj&rjvai,  wie  er   zu  V.  253   fdr  ^6 

»)  Herrn  K.  RumpeFs  Untersuchung  über  del  bei  Tragikern  Philol. 
XXI  p.  144  ff.  spricht  zwar  dem  Aeschylus  od  im  zweiten  FuXbe 
luid  in  den  Septem  ab,  allein  dae  kann  ona  unmöglich  abhalten. 


6i8  M.  Schmidt,  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

dovlelag  tvxüv  ähnlich  bemerkt  ^eXrjürjre.  Polglich  ist  zu 
schreiben  [axsdijv  (ßi^Tcor^  ivcx^Sijv)  als  apocopierter  Aoristns 
inf.  pass.,  wie  XQ^9>^^  KcttaxkvodTjv  bei  Dindorf  praef.  p.  LXlX 
und  q>avfjv  bei  Timokreon.  Denn  aved^vai  ist  ycQcnrrf&fvaij  wie 
Schol.  A  zu  428  axi^Biv  xai  T^arraBiv. 

V.  84.  85. 

iXiSigxag  m^ionXoxrvTiog 

T$  yQifÄTiTeTai  ßoä.  notäxai,  ß^gxH 

<f'  afīx^^^  ^Cxav  vSarog  oqojvtiov. 

So  gibt  der  Med.  diese  viel  besprochene  Stelle  und  dazu  das 
Scholion:  xai  ra  Ttjg  y^g  de  fiov  Ttedia  xaTaxTVTVOVfieva  zdig 
Ttoal  t6)v  %7i7tijDv  aal  twv  oicIcjv  Ttoiei  ^ov  TtQoaTtelatBiv  tov 
rjxov  TÖig  waiv.  —  rjxei  (Je,  wrfliy  tqottov  Ttorafiuiv  ra  Ttedia 
'^fjs  yfJG  f^ov.  Aehnlich  der  Scnoliast  A :  ytal  zo  rijs  y^g  di  ^ov 
jtidov  i^aTanTVTCOVfievov  röig  OTtloig  Ttoul  fiov  röig  taüL  ftQoafte- 
la^eiv  TOV  fixov.  Ohne  Rücksicht  auf  das  Scholion  schreibt  W. 
Dindorf:  dXe  d  ifdag  (pgevag  (poßog,  07tXu)v  nTVTtog  TtOTLXQif^Ttre- 
Tai.  dia  Ttidov  ßoa  TtoTaTai,  ßgifiei  d'  n.  9,  w.  Vgl.  desselben 
Aufsatz  im  Philolog.  XX  p.  390.  Im  genauen  AnscUuss  an  den 
Scholiasten  dagegen  Kitschi:  Ttedi^  otvIoxtvtc^  fori  XQ^I^^^^^ 
ßoav  TtoTavav,  dessen  Correctur  Enger  seiner  Lesung  yag  rdr^ 
S  ifiag  Ttedi  ottXoxtvtv'  loal  xß^'i"^^«^  ßoav  zu  Grunde  legt, 
ebenso  C.  Prien  der  seinigen:  iXehyatag  Ttedi'  OTcloxTVTt*  äri 
Xqi}i7iTet  ßoag.  Endlich  hat  Weil  vorgeschlagen:  e^e  di  yag 
i/iag  Ttedi^  OTtXoYxvTC^  ovg  TtoTiXQl^TtTSTaL  ßoalaw^ßqifiBL  d\ 
Ich  selbst  gehe  von  der  Bemerkung  aus,  dass  die  Worte  ßoa 
TtoT&Taiy  denen  Weil  ihren  Platz  weiter  unten  anweisen  will, 
den  Zusanmienhang  unterbrechen  und  bei  jedem  Herstellungs- 
versuche von  ihnen  abgesehen  werden  muss.  Um  aber  die  trüm- 
merhafte Ueberlieferung  des  Uebrigen  in  Ordnung  zu  bringen 
ist  noch  zweierlei  festzuhalten:  1.  dass  dieselbe  kleine  Lücke, 
welche  im  ersten  dochmischen  Dimeter  durch  die  Interpreta- 
tion der  Schollen  hinter  l^äg  indiciert  ist,  auch  in  die  gleiche 
Stelle  des  zweiten  Dimeter  hineingereicht  hat;  2.  dass  xQ^ii- 
TtTsrai  einen  Dochmius  schloss,  folglich,  wenn  die  Accentuation 
oftloxTVTtoa  Grund  hat,  den  ersten  Dimeter  geschlossen  haben 
muss.   Es  kommt  also  darauf  an  folgende  Beste  zu  ergänzen : 

EAEJEMAC TlXPlMnTETAI 

nsjionAOKTYnoc bpemel 

Die  Schollen  fassen  Ttedia  als  Subject.  Darin  werden  wir  ihnen 
folgen  müssen,  ohne  dass  wir  uns  deshalb  auch  an  ihre  £rkl&- 
rung  von  x^'/iTTrerai  zu  binden  brauchten.  Xqi^TtTexat  ist  Pas- 
sivum  *wird  gestreift'  und  muss  mit  einem  Dativ  verbunden 
gewesen  sein,  den  die  zweite  Lücke  absorbiert  hat.  V.  204  aq^ia- 
ToxTVTtov  oToßov  lässt  denselben  unschwer  errathen,  indem  er 
zugleich  den  beachtenswerthen  Wink  gibt,  dass  in  OTthnurvTioo 
nidit  sowol  ein  Epitheton  zu  Ttedia  als  zu  jenem  Dative  er- 


M.  Schmidt^  Zur  Kritik  der  2Sieben  gegen  Theben.  559 

halten  war.  Hiernach  lautete  der  zweite  Vers:  neöC  oTtXoycTV" 
7ro[i]cr[iy  ozoßoig]  ßgifi^i,  oder  7cidov  nach  A.  Die  Lücke  des 
ersten  ist  durch  %&ovog  tioti  zu  ergänzen,  E^E  walirscheinlich 
in  TB^£  (r^A«)  zu  corrigieren :  'Die  Ebenen  meines  Lan- 
des werden  weithin  gestreift  von  dem  Dröhnen  des 
Hufschlags/  Es  ist  instructiv  zu  verfolgen,  welche  Wege  das 
Verderbnis  einschlug,  bis  unsere  Stelle  ihre  jetzige  Gestalt 
empfieng.  Das  älteste  noch  aus  dem  Medic.  erkennbare  Scholion 
lautete:  xal  rä  rfjg  yfjg  de  fiov  Ttedia  tüv  OTrXaiv  Ttoiet  Ttgoa- 
TteXaCeiv  zov  rixov.  Weil  erkannte  diese  Sachlage,  als  er  Toug 
OTtXälg  corrigierte.  Der  Scholiast  nahm  xQff^^^^cci^  medial  und 
gewann  dadurch  die  Vorstellung:  das  Gefilde  nähert  sich  aus 
der  Ferne  mit  dem  Dröhnen  des  Hufschlages ;  je  näher  die  Rei- 
ter kommen,  um  so  näher  rückt  gleichsam  das  Gefilde,  um  so 
stärker  wirkt  die  hufzerstampfte  Ebene  auf  den  Gehörsinn  ein. 
Dass  er  OTtXoiv  ^)  schrieb  und  nicht  OTthov  ist  aus  der  Fassung 
klar,  welcher  ein  zweiter  alexandiinischer  Exeget  der  Deutung 
seines  Vorgängers  gab,  die  im  wesentlichen  meselbe  ist:  xat 
%0L  Tfjg  yfjg  di  fiov  Ttedia  xaTaxzvTtov/neva  zdig  Ttoal  rdiv  in- 
TTütv  Ttoiei  fiov  TtQoOTteld^eip  xov  rjxov  röig  (oat.  Den  ersten  Mis- 
griff  that  nun  derjenige,  welcher  beide  Erklärungen  in  eine 
zusanunenschmolz,  indem  er  hinter  jenes  i/tTtcov  einschob  rj  xal 
zwv  OTthav  (sie),  und  onhav  misverstehend  seinen  Leser  auf- 
merksam machen  wollte,  unter  oTtXontvTt  —  könne  Hufschlag, 
aber  auch  Waffenlärm  gemeint  sein.  Für  letzteres  entschied  sich 
Schol.  A,  der  ohne  weiteres  Toig  Tiooi  twv  ircTtcov  xat  tilgt,  und 
zolg  OTcXotg  setzt.  Die  Wahl  zwischen  beiden  lässt  Schol.  P: 
ijyow  6  YZVTtog  6  ex  avynqovofxo^  rdiv  oithov  TtQog  allrjla, 
xal  ex  TTJg  iv  rfj  yij  ziov  %7t7tu)v  TtoöoxQOTrjaecog  yivoitievog^ 
doch  erkennt  man  aen  Einfluss  des  mediceischen  Zwitterscholions 
noch  in  s.  ytal  statt  r/.  Der  jüngere  alex.  Scholiast  ist  aber, 
ohne  es  zu  wollen,  eine  reiche  Quelle  weiterer  Misverständnisse 
geworden.  Während  uns  nämlich  A  durch  seine  Wortstellung 
Tioiei  fiov  Totg  (oai  TtqooTteXaCßiv  noch  zeigt,  dass  fiov  röig  (oai 
eine  blofse  exegetische  Verdeutlichung  ist,  zu  der  der  Text  keinen 
Anlass  bot,  wittern  spätere  Kritiker  darin  eine  verwischte  Lesart 
des  Textes  und  glaubten  sich  imi  so  mehr  im  Rechte  OTcloTctvTt* 
waiv  herzustellen,  als  auch  yuxraKvvTCOv/zeva  toig  Ttoal  rwv  Xtc- 
Tttov  unglücklicherweise  die  Vermuthung  wecken  musste,  dass 
sich  der  Dichter  des  Ausdruckes  Tredi^  oTtXonxvTta  bedient  habe, 


•)  W.  Dindorf  griff  seltsamerweiw  zn  BnXxov,  Vom  Waflfenlärm  ist  erst 
unten  die  Bede.  Bei  Aeschylns  ist  richtig  geordnet:  Reiter,  Fa()9- 
truppen,  Schlachtruf,  Waffenlärm.  Zuerst  vernimmt  das  Ohr,  dass 
unter  dem  Hufschlae  der  Beitergeschwader  die  Erde  dumpf  erdröhnt, 
dann  den  Anmarsch  und  das  Kriegsgeschrei  der  schwerbewaffneten 
Hassen  und  wenn  dieselben  näher  kommen  den  Waffenlärm.  Vollends 
unglaublich  aber  ist,  dass  er  awischen  Reitern  und  FuXlBtruppen  von 
Waffenlärm  und  Kriegsgeschiei  gesprochen  haben  sollte. 


560  M.  Schfnidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

trotzdem  dieselbe  durch  die  leichte  Variante  bei  A  Ttidoif  ent- 
schieden zurückgewiesen  wird.  So  gab  es  denn  eine  Zeit,  in 
welcher  der  glossierte  Text  einmal  folgende  Gestalt  hatte: 

Ttt  trjs  yrjg  Si  fiov  noul  nQoaTttlaCfiv 

Tfjle  d*  ifiag  x^ovog        noTiXQt^TtxBTOLt 
xttTaxTvnovfi€va  rotg  noal  rmv  Xtitkov,  fiov.  rov  ^ov.     i^ii 

TtedC  onkoxTVTt'  loaiv  oroßovg.   ßqi^u  — . 

Die  weiteren  Verderbnisse  verschuldete  der  Zufall ,  dass  die  alex. 
Handschrift  in  folgender  Weise  lückenhaft  wurde: 

.   iili  S*  ifiäa Ti  /^/ft;r«r«* 

mSi*  ÖTiloxrvTro .  a ßQifiH 

Dadurch  wurde  die  byzantinische  Conjecturalkritik  herausgefor- 
dert mit  Hilfe  der  Scholien  eine  erträgliche  Herstellung  zu  ver- 
suchen. Man  folgte  zunächst  der  Wortstellung,  welche  die  alexan- 
drinische  Exegese  bot,  zumal  nicht  nur  überhaupt  in  Byzanz 
die  Neigung  herrschte  in  den  Tragikern  zusammengehörige  Worte 
durch  Umstellung  einander  näher  zu  bringen,  sondern  auch  in 
vorliegendem  Fall  zweifelhaft  sein  konnte,  ob  columnenweise 
oder  über  die  ganze  Breite  des  Blattes  zu  lesen  sei.  So  entetand 
die  Fassung: 

.(US*  ifiäs  mSC  onloxTvTioa 

Verglich  jetzt  ein  des  Griechischen  kundiger  Schreiber  diese 
Worte  mit  seinen  Scholien,  so  müsste  er  sofort  zweierlei  ver- 
missen: 1.  Tov  movy  2.  ^lov  Tciig  daiy  3.  y^g.  Das  erste  brachte 
man  hinein  durcn  das  unpassende  ßodp,  das  zweite  durch  ani 
(Schol.  OPN  Tivig  öi  wtI  xQLf.i7tBTai  yQaq>ovaiv)^  das  dritte 

Y 

durch  de  /nag.  Der  auf  diese  Weise  immerhin  mit  einigem  Nadi- 
denken  und  Vorsicht  zugestutzte  Text  hatte  nunmehr  diese 
Gestalt: 

y  <a  — 

.  clc  Je  ßiäs  ntSionkoxTvno  .a 
tl  XQ''f*7tT€T(a  ßodv  ßqifJLH 
SafiaxiTov  u.  8.  w. 

Sie  ist  es,  mit  welcher  unsere  bvzantinischen  Scholien  und  der 
Interpolator  der  mediceischen  sich  so  gut  abfinden  als  sie  ver- 

y 
mögen.  Aus  elede/nag  wurde  entweder  iXedepivag  mit  verschie- 
dener Accentuation,  als  Masc.  und  Fem.,  was  bedeuten  sollte: 
ihxvviov  hc  Twv  de^vicop,  oder  iXBÖifxag  im  Sinne  von  hXovGot 
t6  difiag  fjfiwv.  Man  interpungierte  ferner  vor  oder  nach  dem 
Worte,  je  nachdem  man  es  zu  ayyeXog  oder  zum  folgenden  zo^. 
Wer  das  letzte  vorzog,  war  natürlich  genöthigt  ßoa  zu  schrei- 
ben —  und  dies  ist  (fie  allgemein  recipierte  byzantinische  Les- 
art —  behielt  aber  immer  die  Wahl  zwischen  eXedefxvag  und 
ekedifiag.  Daher  W.  Dindorf  launig  die  byzantinischen  Erkl&rer 
in  Heledemasten  und  Heledemnasten  theüt.  IledionkoxTvnog 
wurde  ein  Wort,  und  als  zweites  oder  alleiniges  Epitheton  zu 


M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  561 

ßoa  gefasst,  xqipiTCTBTat  ward  medial  genommen  in  der  Bedeu- 
tung TtQOünelaKeL  Ttlr^aia^ec  rifuv,  endlich  ri  entweder  durch 
xora  Tt  erklärt  (OP)  oder  in  lyxqif^Ttr^oit  verwandelt  (B)  oder 
in  T€  corrigiert  (xai  xß'V^^^^*  ß^  7teöi07rl6yLTV7tog  P).  Die 
Conjectur  anl  (ttj  axo^,  der  Schall  reibt  sich  am  Ohr)  kannte, 
aber  verschmähte  man.  Die  letzte  Hand,  unseren  Text  zu  schaffen, 
l^te  ein  Metriker  an,  dessen  Winke  man  nur  nicht  recht  be- 
griflfen  zu  haben  scheint.  Derselbe  wollte  einen  dochmischen 
ttmeter  herstellen  und  conjicierte  deshalb: 

7n6io7iloxTV7tog 
X^CfATimtit  ßon.  [norärai].  ßgifxH  -   . 

Herr  Weil  behauptet  zwar,  dass  die  Scholien  Ttotäzai  nicht 
kennen,  allein  B  berücksichtigt  es  mit  gl.  haiqiog  cpegerai  und 
P  muss  es  auch  gekannt  haben,  weil  er  nach  ßod  interpungiert 
wissen  will ,  was  sich  von  selbst  verstand ,  wenn  darauf  gleich 
ßQi/i€i  di  folgte.  Nachdem  wir  so  der  Verderbnis  Schiitt  für 
Schritt  nachgegangen  sind,  bleibt  nur  übrig  V.  85  mit  ogo- 
TVTtov  dUav  iidarog  dfnaxhov  in  Ordnung  zu  bringen;  vgl.Hesych. 
V.  89. 

Abzuweisen  ist  Weil  noräTai  ßoa  irtiq  reixecov  (worin  TtotäTOii 
aus  dem  vorhergehenden  aufgenommen  ist),  theils  weil  die  Er- 
wähnung der  Beiterei  und  des  Fufsvolkes,  deren  Annäherung 
sich  dem  Ohre  durch  das  Stampfen  der  Füfse  kundgibt,  nicht 
durch  ßoiy  welche  mit  anderen  Mitteln  aufs  Ohr  wirkt,  unter- 
brochen werden  darf,  theils  wegen  des  Hiatus  zwischen  den 
dochmischen  Monometern,  theils  wegen  der  Verwandlung  von 
ßo§  (Schol.  ^eict  ßo^g)  in  ßoa,  Gewaltthätig  ist  Prions  ßdg 
VTtiQ  BQidiDv,  Er  sowol  wie  Dindorf,  der  ßo^  vtieq  Tacpqtov  cor- 
rigiert, meinten  nämlich  reixliov  sei  überhaupt  hier  unpassend, 
weil  das  Heer  noch  viel  zu  weit  entfernt  sei,  als  dass  von  einem 
Ueberspringen  der  Mauern  schon  die  Rede  sein  könnte.  Aber  so 
richtig  diese  Bemerkung  an  sich  ist,  hat  sie  doch  nur  dann 
Gewicht,  wenn  die  Worte  ßo^  vneq  reixlotv  unmittelbar  auf 
alevaete  folgen.  Stellen  wir  sie  jedoch  hinter  dtioxcovy  ausgehend 
von  dem  Factum,  dass  V.  91  zur  Completierung  des  dochmischen 
Dimeter  ein  Jambus  fehlt,  verschwindet  nicht  nur  der  beregte 
Anstofs,  sondern  auch  eine  Anzahl  anderer.  Der  dochmische 
Dimeter  wird  durch  ßo§  voll,  ßo^  heifst  fueta  ßorjg,  und  die 
Erwähnung  des  Kriegsgeschreies  wird  in  Verbindung  mit  diia- 
Tuav  nebensächlich,  während  das  oQvva&ai  des  Fufsheeres  Haupt- 
sache bleibt.  ^YnsQ  zeixeiov  heifst  natürlich  zum  Schutze  der 
Mauern,  nicht  wie  die  Scholien  sagen  vTteQava);  denn  es  gehört 
zum  folgenden: 

r(q  äq^  ^naqxiau*)  ^€wv  ^  ^iäv; 

*)  Der  Med.  r/f  äo\  also  vielleicht  rtg  uq*  aox^aet,  Ueber  rig  uq* 
Tgl.  Ari8t.  Vespp.  888  rig  «o*  6  ipUymv;  Anders  W.  Dindorf  Philol. 
th  p.  197. 


562  M,  Schmidty  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

Der  Gedanke,  es  mit  aXevaarc^  co  zu  verbinden,  liegt  freilich 
ebenso  nahe.  Aber  jene  Anordnung  hat  für  sich,  dass  so  ßoq 
VTtio  Teixicov  nicht  zerrissen  und  versetzt  werden,  sondern  nur 
durcii  Interpunction  und  Ehythmus  von  einander  gehalten  wer- 
den, und  — -  dass  den  Mauern  eine  gröfsere  Gefiihr  droht  von 
den  Fufstruppen,  als  von  den  Eeitern. 


Schon  mit  V.  86  tritt  uns  die  Frage  nahe,  ob  bereits  in 
diesem  Theile  des  Chorliedes  antistrophische  Besponsion  statt- 
fand, wie  z.  B.  von  C.  Prien  angenonmien  worden  ist,  oder, 
wenn  ein  streng  antistrophisches  Princip  nicht  durchgeführt  ist, 
wenigstens  insofern  eine  beabsichtigte  Ausgleichung  und  paral- 
lele Stellung  der  einzelnen  Theile  anzuerkennen  ist,  dass  mit 
Westphal  und  Weil  von  periodi  ordinum  numero  et  quodam 
rerum  similitudine  inter  se  congruentes  geredet  werden  kann. 
Den  Schein  hat  jedenfalls  die  letzte  Ansidit  mehr  für  sich  als 
die  erste,  indessen  halte  ich  auch  sie  für  irrig  und  wenn  nicht 
V.  97—102  a>Lf.ioLl^Bi  —  doQog  die  Annalune  irgend  welcher  Be- 
sponsion so  verführerisch  begünstigten,  würde  wahrscheinlich  nie 
ein  durchgreifender  Versuch  zu  deren  Darstellung  gemacht  wor- 
den sein.  Strophische  Anordnung  tritt,  obschon  sich  der  doch- 
mische Grundrhythmus  fortsetzt,  handgreiflich  erst  V.  110  ein, 
nachdem  sich  die  Jungfrauen  von  ihrem  Schrecke  soweit  erholt 
haben,  dass  sie  zu  einem  Gebete  an  die  Götter  Sammlimg  genug 
besitzen.  Dies  Gebet  beginnt  mit  einem  Anruf  an  alle  Götter 
und  wendet  sich  dann  an  Zeus  und  drei  Götterpaare,  darunter 
V.  135  an  Ares.  Wie  soll  denn  nun  die  proodische  Partie  mit 
einer  Anrufung  des  Ares  geschlossen  haben?  Ich  denke,  sie 
müsste  ihren  Abschluss  in  der  Kundgebung  des  Entschlusses 
finden  an  den  Götterbildern  Schutz  und  im  Gebet  zu  ihnen  Kraft 
zu  suchen:  also  mit  V.  100  ei  /nrj  vvv  7i6t^  a/jiq)t  htav*  ?^o- 
^lev;  Aber,  wird  man  einwenden,  yLtvnov  öiöoQxa  TcaTavog  ovx 
€v6g  öoQog  kann  ja  nirgends  anders  stehen,  da  es  die  Antwort 
auf  die  Frage  dxovsr^  ij  ovyc  aytover^  damdog  xtvttov;  Da  alle 
Texte  den  Vers  an  dieser  Stelle  haben,  scheint  diese  Aulfassung 
zwar  die  allgemein  herrschende  zu  sein,  dagegen  muss  ich  an 
der  Ansicht  festhalten,  dass  diese  Worte  ni(£ts  weniger  als  eine 
Antwort  enthalten,  dass  öedoQyca  richtig  von  den  Schollen  =  xa- 
tavou)  gefasst  wird  und  von  derselben  Schaar  Jungfrauen  ge- 
sprochen werde,  welche  V.  100  sprechen,  so  dass,  wenn  es  eine 
Möglichkeit  wäre  V.  103  an  gegenwärtiger  Stelle  zu  schützen, 
sogar  xTVTtov  didoqx  av  geschneben  werden  müsste.  Die  ridi- 
tige  Erkenntnis  der  Anordnung  des  Proodus  hängt  einzig  und 
allein  von  der  Vertheilung  seines  Inhaltes  unter  die  einzelnen 
Joche  oder  Botten  ab.  Diese  also  wollen  wir  uns  zuvörderst  klar 
machen.  Bis  V.  85  ist  kein  Abschnitt  wahrzunehmen.  Zwar  ver- 
langt Dindorf  einen  solchen  nach  Y.  82^  weil  es  undenkbar  sei, 


M,  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  56S 

dass  die  Beschreibung  der  andringenden  GeMren  ohne  Unter- 
brechung durch  Weherufe  verlaufen  sei,  und  schrieb  deshalb 
^lls  <J*  €uag  q>Q€vag  öhg.  Aber  H.  Weil  hat  richtig  entgegnet, 
dass  der  Chor  seinem  Schreck  wol  in  Exclamationen  Luft  mache, 
aber  nicht  in  Betrachtungen  über  den  Zustand  seines  Innern, 
und  was  die  Hauptsache  ist,  die  Scholien  mit  ihrem  vollständig 
begründeten  y,al  ra  zfß  yfjg  di  fiö  jcedia  zeigen  die  Continuier- 
li(£keit  der  Verse  78—85:  „Der  Feind  naht.  Voran  brausen  seine 
Beitergeschwader.  Himmelanwirbelnder  Staub,  ein  stimamer,  aber 
verständlicher  Bote,  meldet  sie  dem  Auge  an,  wie  der  Hufschlag 
der  Rosse,  von  dem  das  Gefilde,  einem  tosenden  Giefsbach  gleich, 
erdröhnt  dem  Ohre."  Jetzt  erst  erhebt  ein  anderer  Theil  des 
Chors  seine  Stimme  und  bittet  in  einem  dochmischen  Trimeter 
Götter  und  Göttinnen  um  Abwehr  des  einbrechenden  Unheils. 
Darauf  führt  ein  dem  ersten  Redner  verwandter  Sprecher  sein 
Gemälde  von  den  Schrecknissen  der  Belagerung  weiter  aus :  'das 
Belj^erungsheer  der  weifsbeschildeten  Argiver  rückt  unter  Kriegs- 

gsschreig^en  die  Stadt  vor',  und  schliefst  mit  der  Frage:  welcher 
Ott  wird  unsere  Mauern  schützen  ?  denn  es  geht  nicht  an,  schon 
diese  Fn^e  wiederum  den  Sprecher  einer  andern  Gruppe  thun  zu 
lassen,  da  nur  im  Munde  der  zweiten  Gruppe  der  jetzt  folgende 
doclmusche  Dimeter  passend  ist:  Liegt  in  deinem  Ausrufe  rig.,. 
&€diy  die  Aufforderung  an  mich  bei  den  Bildern  der  heimischen 
Götter  Schutz  zu  suchen?  (noteoa  dfjrra  TtoriTtiaco;)  Bis  hierher 
wäre  denn  wol  alles  in  bester  Ordnung.  Der  ganze  Chor  steht 
unter  dem  Einflüsse  des  Schreckens  und  der  Furcht  vor  der 
nächsten  Zukunft,  allein  der  Grad  der  Erregtheit  ist  doch  ein 
verschiedener  bei  den  einzelnen  Jungfrauen.  Die  einen  erscheinen 
doch  etwas  weniger  verzagt,  als  die  andern.  Während  die  einen 
noch  im  Stande  sind,  die  Gefahr  in  ihren  Einzelnheiten  zu  über- 
sehen und  zu  schildern,  wenn  sie  auch  vielleicht  Sinnestäuschun- 
gen ausgesetzt  sind  {g)ayral^ovTat),  haben  die  andern  keine  an- 
deren yforte  als  Wehegeschrei  und  keinen  andern  Gedanken,  als 
Götterschutz  und  Götterbilder,  machen  aber  keine  Anstalt  die 
Tempel  zu  erreichen,  weil  die  Furcht  sie  bannt  und  lähmt 
Dieser  Unterschied  der  Charakterzeichnung  muss  uns  bei  der  Con- 
stituierung  der  nun  folgenden  Partie  des  Textes  leiten.  Die  erste 
Gruppe  hatte  mit  der  Fn^e  geschlossen:  tig  ccq^  inaqiUaevd^etiv 
^  &ۊv;  daran  fugt  sich  nach  kurzer  Unterbrechung  iw  fidycaQeg 
&jedQoi^  worin  das  Epitheton  veranlasst  ist  durch  ßQhrj  öai/i6' 
v(ov.  Aber  getreu  seiner  Aufgabe,  die  immer  näher  rückende  Ge- 
fahr zu  malen,  muss  der  Chor  demnächst  etwas  mitgetheilt  haben, 
was  seine  Sinne  wahrnahmen.  Hier  ist  also  die  Stelle ,  an  wel- 
cher der  erste  der  vier  hinter  V.  102  vorgeschlagenen  Verse  zu 
seinem  Rechte  kommt:  0  Götter,  ich  vernehme  Waffenklang, 
da«  Getöse  vieler  Speerträger  (Joqv  =  öoQV(p6qog,  wie  tcoW 

SjQhoa  =  TtoXkol  To^orai).   Es  wird  hohe  Zeit  die  Nähe  der 
ötten)ilder  zu  suchen.  Was  versäumen  wir  die  Zeit  mit  über- 


504  M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

mäfsiger  Weheklage  ?  Man  sieht,  diese  Jungfrauen  drängen  mit 
gewisser  Energie  die  unselbständigeren  Schwestern  zur  That  — 
denn  eine  solche  ist  in  ihren  Augen  das  Gebet  und  die  Flucht 
zu  den  Heiligthümem  —  und  mit  dem  tadelnden  Prädicat  ayaozo- 
voi  bezeichnen  sie  trotz  der  ersten  pers.  plur.  nicht  sowol  die 
ganze  Jungfrauenschaar,  als  die  zagen  Mädchen  einer  andern 
Gruppe.  Dieser  Vorwurf  hält  jedoch  dieselben  nicht  ab  in  neues 
Jammern  auszubrechen,  statt  die  ß^iTTj  zu  umfassen.  Denn  ihnen 
gehören  die  Worte  ri  ^i^etg  —  e'^ov,  deren  üngehörigkeit  an 
ihrer  bisherigen  Stelle  wir  oben  nachgewiesen  haben:  „Was  wirst 
du  über  uns  beschliefsen ,  o  Ares;  schirme  das  Land,  was  du 
einst  liebtest;  willst  du  uns  denn  opfern?"  Auf  diesen  neuen 
Klageerguss  folgt  dann  noch  eine  eindringlichere  Mahnung  der 
muthigern  Mädchen  sich  zum  Gebet  an  die  Götter  anzuschicken : 
„Habt  ihr  das  Schildgetön  gehört,  oder  nicht?  Wann  wollen  wir 
denn  beten,  wenn  nicht  jetzt?"  Hiermit  schliefst  der  Proodus 
und  das  Gebet  beginnt.  Jetzt  kann  es  ohne  weiteres  d^eol  no- 
Xioxoi  x^ovog,  Y&^  d&Qooi  beginnen,  ohne  dass  wir  mit  Dindorf 
nöthig  hätten  Iw  lo)  &€ol  zu  schreiben,  quia  alia,  quam  quod 
praecedentia  cecinerat,  persona  loqui  indpit.  Für  die  eben  ge- 
troffene Anordnung  der  letzten  Verse  spricht  auch  der  Bhythmus 
und  ein  äufseres  auf  denselben  bezügliches  Zeugnis  der  Scholien. 
Bis  V.  97  verläuft  alles  in  Dochmien,  und  zwar  von  dochmischen 
Trimetern  für  die  erregtere  Schaar,  von  Dimetern  für  die  ruhi- 
gere. Von  da  ab  aber  spiegelt  sich  die  mit  der  Gefahr  gestei- 
gerte An^st  im  Wechsel  des  Metrums  ab.  Die  erste  Schaar  über- 
nimmt die  dochmischen  Trimeter  und  verwendet  für  die  Schil- 
deiong  des  Kriegslärmes  den  jambischen  Senar,  die  zweite  greift 
zu  Bakchien  und  schliefst  im  dochmischen  Grundmafs  ab.  Dass 
eine  strophische  Anlage  unmöglich  stattfand,  ist  schon  daraus 
klar,  aber  auch  aus  dem  überschüssigen  Ausrufe:  iw judyiaoeg 
^€oi  In  den  Scholien  findet  sich  nun  zu  V.  103  xrvnov  oi- 
doQxa  eine  metrische  Anmerkung:  6  (.levroi  oxrdarjfAog  ^v&inog 
ovTog  TtoXvg  iariv  iv  ^Qm(i)di(f  xat  imrrjduog  nqbg  d^qrrvovg 
%ai  avevayuovg.  eait  de  doyLua-m  (doriuTui  m.  rec.  in  M.  cf. 
IJö).  01.10L0V  To  nole/tiog  aiQsrai  nqog  sfxe  yxxi  x^eovg  naQ 
AQiOToq^dvu  iv  ^'Oqvioiv  (1189)  dXkd  xai  Ttag^  Evoiniörj  ^Eyw 
d^  övT€  aoi  TivQog  dvfiipa  cpdig  v6f,ufxov  Iv  ydjLioig*^  (Phon.  344). 
Wenn  diese  Bemerkung  dem  V.  78  oder  110  beigeschrieben  wäre, 
würde  sie  nichts  befremdliches  haben,  was  soll  sie  aber  üier  zu 
einem  Verse,  der  selbst  ein  Jambus  ist  und  von  einem  Com- 
plex  von  Bakchien  und  Dochmien  fortgesetzt  wird  ?  Sie  hat  nur 
dann  Sinn,  wenn  V.  110  diejenige  Stelle  einnimmt,  welche  wir 
ihm  angewiesen  haben,  und  unter  der  Voraussetzung,  dass  dieser 
metrische  Vermerk  unvollständig  überliefert  ist,  d.  h.  dass  auch 
der  Uebergang  vom  Dochmius  zum  Jambus  und  wieder  vom 
Jambus  zum  Bakchius  und  Dochmius,  so  wie  namentlich  das 
verschiedene  (.Uye^og  der  dochmischen  Eeihen  besprochen  war. 


M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  505 

In  der  That  aber  ist  auch  von  den  beiden  gewählten  Beispielen 
Ar.  Av.  ein  dochmischer  Dimeter  Eur.  Phon,  ein  Trimeter,  wäh- 
rend an  beiden  Stellen  Epimixis  der  Jamben  stattfindet,  und 
aus  dem  Schol.  zu  128  geht  nur  hervor,  dass  der  Vf.  auf  die 
dochmischen  Dimeter  aufmerksam  ma<jhte,  welche  dem  ytvog 

Xüov  angehören -|^ ^-,  während  der  Tri- 
meter 8 :  16  dem  diplasischen  Geschlechte  angehört.  Denn  er  sagt 
xai  Tcevra  de  doxf-wm  eoTi  Y.al  iW,  mv  Tig  avra  o^iraarj^tog 
ßaivT],  Ich  ordne  den  eben  besprochenen  Theil  der  Parodos  fol- 
genclermafsen  an: 

ita  t(o  S'€ol  d-ial  t'  OQo/nfvov  xaxov  ttUvaar*  w.  — 
o  Xfvxaants  oovvrai  laog  €v- 
TQ€n^g  ^n\  noUv  dmxtav  ßo^.  — 
VTi^Q  Tfi/^(üv  TIS  tiga  ()vatT(u 

noTfOtt  (F^r*  iyat  noTi^niOb)  ßQ^rrj  (nitTQia)  duuiovütv;   —  *) 

^aitaqtg  ivf^QOc.  —  ^) 
xTvnov  o^iSoQxa,  nnrayog  ov/  ivos  iSoq6<;.  — 
tixfitt^ii  ß{)tT^o)v  if/ioO^ca,  tC  fz^U-o/uev  aydarovot;  — 
t{  ^^$€1$;  7iQot^0)O(ti  7ia).(t(x^oyv  'Aqtis  rnr  Tiav;  — 

<;it(f'    ^TTli^e    TloXtV,    ((V   TTOt'    €V(flk^T€tV   l^&ov,    — 

clxovix^  rj  ovx  dxov€T^  nantdttyv  xrviiov;  —  ^ 
7t^nX(ov  x((l  au(f^(üv  noj^  «^  /"»)  vvv  d/Ltcfl  Xirciv*  k^ofiev;  —  ■) 

Daraus  ergeben  sich  neue  Resultate:  1.  erhellt,  dass  der 
verzagteste  Theil  des  Chores  aus  den  fanf  Sprecherinnen  des 
einen  Stoichos  bestand;  2.  dass  hier  ein  sicheres  Beispiel  einer 
Anoi*dnung  ymtcc  azoixovg  vorliegt,  welches  Lachmann  de  chor. 
syst.  136  vermisste.  Denn  wenn  wir  die  drei  Rotten  mit  123  4  5, 
aßyÖBy  I  n  III IV  V  bezeichnen,  bekonmien  wir  ungezwungen 
das  Büd:  II.  lU.  IV.  e  V,  I.  a.  2.  3.  4,  ß.  y.  (J.  1.  5;  3.  dass 
nicht  sowol  zwei,   als  vielmehr  drei  Grade  der  Gemüthserregt- 


*)  Ich  habe  wegen  Schol.  Med.  Ttar^t^aiv  ^oavaiv  mit  Westphal  naxqici 
Btatt  des  Dindorf 'sehen  rlfjiia  eingeschoben.  Aus  A,  der  sehr  gute 
Scholien  hat,  will  Heimsöth  aufserdem  ^  rl  cF^w;  Allein  aus  den 
Worten  desselben  Scholiasten  312,  30.  313,  15  nuQuxaXovaa  und 
naouxaUam  könnte  man  mit  demselben  Rechte  auch  ndTQia  6tjt 
iy^  nonnioip  XiraTg  ßg^rr}  ^ctiuovcjv  verrauthen,  oder  da  norega 
durch  das  Lemma  des  Med.  gescnützt  ist,  noxfQa  ^fjr*  lyto  nori- 
niao)  Xiraii  naxQi^^  rj  xl  ^qü)  ßQ^xri  daviiovfuv;  dann  übersteigen 
wir  aber  das  Mais  des  dochmischen  Trimeter.   Cf.  Schol.  A.  212. 

•)  V^ir  haben  also  nicht  nöthig,  wie  Dindorf  p.  XXI  den  Hiatus  — 
dQoi  dxuL  —  zu  entschuldigen.  Ob  i(o  auf  serhalb  des  Dochmius 
stand  oaer  mit  dem  folgenden  zusammen  als  jambische  Tetrapodia 

vy^x^x^v^-^-zu  messen  sei,  ist  zweifelhaft. 
')  x^oTor;? 
•)  ü  uTj  vvv  nox*  verlangt  das  Metrum.    Doch  ist  die  überlieferte 

Stellung  an  sich  legitim.  Ar.  Lysistr.  303:  ttot*  avx^  /läXXov  tj  viv, 


M6  M,  Schmidt,  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

heit  durch  diese  drei  aroixoi  und  den  Rhythmenwechsel  ver- 
treten sind.  Der  erste  Stoichos  I— V  schilderte  das  Anrücken 
des  feindlichen  Heeres,  der  Reiterei,  des  Fufsvolkes  und  zeigt 
seine  Bangigkeit  nur  in  der  abschliefsenden  Frage  seines  füll- 
ten Sprechers,  welcher  Gott  unter  solchen  Umständen  die  Mauern 
schützen  werde?  Der  zweite  OToixog  (1 — 5),  seiner  Furcht  schon 
viel  weniger  Herr,  wie  der  Ausruf  seines  ersten  Sprechers  ui 
/nccTuxQeg  iveöqoi  zeigt,  beschränkt  sich  auf  zwei  kurze  Mitthei- 
lungen seiner  Sinneseindrücke  {Ttarayog  doQog  —  damdcjp  xrinog) 
und  auf  ebenso  viele  Anregungen  zur  That  des  Gebetes.  Der 
dritte  endlich  steht  ganz  unter  dem  Einfluss  der  Angst,  wie  die 
dochmischen  Trimeter  und  Bakchien  zeigen,  und  unterbricht  den 
ersten  Stoichos  zweimal,  den  zweiten  einnial  durch  seine  Excla- 
mationen;  4.  wie  der  erste  Stoichos  mit  einem  Verse  d-^o- 
/lai  —  a)(rj  beginnt,  so  der  zweite  mit  einem  Vorschlage  </ 
/ncmageg  evedqoi ;  5.  da  der  Proodus  in  zwei  ungleiche  Hälften 
zerfällt  78—96,  97—107  und  über  beide  die  Worte  des  dritten 
Stoichos  vertheilt  sind,  ist  an  strophische  Entsprechung  absolut 
nicht  zu  denken. 


Es  erübrigt  die  V.  104  flf.  in  Ordnung  zu  bringen.   Der 
Med.  schreibt  den  ersten  Dimeter: 

Die  Streitfrage  ist,  sind  das  Dochmien  oder  schon  Bakchien. 
Prien  ist  far  Dochmien,  Dindorf,  Weil,  Rofsbach,  Westphal  für 
Bakchien.  Die  Scholien  geben  keine  directe,  aber  doch  eine 
sichere  indirecte  Antwort.  Die  Mediceischen  Scholien  und  A 
schrieben  das  Lemma  nalalxd^wv  ^Liqrß  vor  ihre  Erklärung: 
^x  noXkovi^Xi]Qioaa(A£vog  ZTjvde  Trjv  yijv.  — lirTixcig  de  Tr] 
Tikrjfiixn^io^'Aqrfiy  o\  öe  yqacpo^vaiv  d  ^^gr^.  Wohlgemerkt  w 
^'Aqt],  Der  Exeget  setzte  dies  w  nicht  blofs  als  Vocativzeichen 
in  üblicher  Manier  aus  eigener  Befugnis  voran,  sondern  fand 
es  im  Texte,  üeberein stimmend  sagt  der  Schol.  0:  6  nahu 
Aal  f^  agxrjg  trjv  riov  @i]ßiov  x^ova  lax^v  dg  oUmiv.  Da- 
mit vgl.  Hesych:  laxov  b  Tdr^Qcoaai^evog.  Die  Paraphrase  der 
Scholien  geht  also  nicht  auf  Tialaixd^wvy  sondern  auf  einen  Text, 
in  dem  kaxcav  oder  eine  ähnliche  Form  des  Verbi  layxavw  er- 
halten war.  Gesetzt  nun,  wir  hätten  es  mit  einem  dochmischen 
Trimeter  zu  thun,  auf  welchen  Rhythmus  Ttakalx^wv  ^^Aqm 
hinweist,  so  würde  der  alexandrinische  Text  gewiss  so  abgetheilt 
gewesen  sein: 

oder  wenn  man  nach  Anleitung  der  Scholien  die  fehlenden  Fülse 
ergänzt : 


M,  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  S67 

Hi^mit  ist  das  Bäthsel  der  heutigen  Lesart  gelöst,  ü  ist  nicht 
i',  sondern  o)  und  gehörte  vor  fcgodtoasig  y  hxxwv  aber  und 
nkfjQiaoafievog  sind  zwei  Glosseme  zu  der  auch  aus  Soph.  OC. 
1584  p.  201  Meinek.  Eur.  Tro.  243  bekannten  Perfectform  l€- 
Xoyxi'S'  Verglichen  kann  werden  Aeschylus  selbst  Pers.  187  r 
juey  ^Ellada  \  xXrjQ(p  laxovaa  yalav,  r  de  ßagßäQov.  ^JAbsin,  I 
p.  194,  14  ijdeiv  aQeaxovra  noitiv  TÖig  hxxovüiv  avripf  öai- 
fioaiv.  Es  ist  also  zu  schreiben  und  zwar  mit  veränderter  Inter- 
punction  nach  statt  vor  x^ova: 

TTJv^e  Trjv  yijv 
^  /€Aoy/(Off  [fi  ]  A^fig; 

Indem  man  XQONii  als  Correctur  von  AEAOrxilC  nahm, 
entstand  genau  der  heutige  Text,  der  wie  ein  dochmischer  Dime- 
ter  aussehen  und  dessen  erster  Fufs  offenbar  als  hyper-katalek- 
tisch  gelten  sollte.   Weiter  schreibt  der  Mediceus: 

tav  riav.  w  /gvaoni^lr]^  dä(fiwv 

ini^*  im^i  noXtv 

«y  TTor*  ev(fiiXi]T(xv  l^oi». 

Das9  in  diesen  Worten  Tvohv  Glossem  ist,  zeigen  selbst  die 
jüngeren  Schollen  (B)  noch,  wenn  sie  zu  av]  xrjv  noXiv  örjlovovi 
bilden.  Lachmann  de  chor.  system.  p.  82  hat  längst  zur  Aus- 
fällung des  Metrums  {reav)  ergänzt,  freilich  ohne  sich  an  den 
kläglichen  Jambus  d  xQ^'^onrjlr^^  dalfnov  k'nid^  i'mde  nohv 
zu  stofsen,  und  ohne  wahrzunehmen,  dass  das  vermisste  xaav 
durch  Versetzung  der  Worte  tolv  Teav  gewonnen  werden  müsse, 
nämlich : 

tni^*  [It*]  tin&Se  yay 

Tidv  &v  7IOT*  ivtf^ki^Tav  i&ov. 

Denn  da  man  rav  reav  las,  supplierte  man  noXiv  und  war  da- 
durch ^enöthigt  ^das  metrisch  überschüssige  IV  zu  tilgen  und 
yav  Tiav  hinter  ^^AQTjg  zu  versetzen,  worauf  der  von  ngodioasig 
abhängige  im  Texte  zerstörte,  aber  in  den  Schoben  erhaltene 
Begriff  x^ova  und  Trjpds  ttjv  yfjv  einen  aufmerksamen  Verglei- 
cher des  Textes  mit  den  Schollen  führen  müsste.  —  Wie  end- 
lich die  Worte  der  vierten  Jungfrau  dieses  Stoichos  lauteten, 
ist  schwer  zu  sagen,  da  der  Rest  der  Ueberlieferung  w  xQ^'(^o- 
nrjXri^  öaifAwv  vollständig  an^hythmisch  ist.  Bis  auf  weiteres 
möge  es  denn  bei  Dindorf 's  bakchischer  Dipoetie  <ci  xQ^'^oni]lr^^ 
verbleiben,  und  das  Ganze  geschrieben  werden: 

t(  gi^fts  x^ov^;  w  TiQo^ojaHe  nalai  Xfloy^iog  fi*  *'AQf]g ; 

i(ü  /qvaoTirjXrj^. 

iniJ    fj'  ^niis  yäv  riuv  av  nor    evqiXi^Tav  ?&ov. 

Die  Stellung  der  Worte  ti  ^e^eig;  x^ov'  c3  Xelnyx^^g  nakai 
ftQoöwaeig  Aqrjg  würden  allerdings  in  genauester  üebereinstim- 
mung  mit  den  Schollen  stehen,  doch  halte  ich  sie  nicht  für 
ursprünglich.   Das  ausgestofsene  dalfiwv  oder  däifiov  erkennen 


508 


M,  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 


auch  die  Scholien  (rec.)  nicht  an.  —  Vgl.  ri  ÖQqg;  7tQod(ooeig 
ravTa  Enr.  Suppl.  265. 

üeberblicken  wir  nochmals  die  Disposition  und  vertheilen 
gleichzeitig  den  Stoff  unter  die  15  Choreuten,  so  ist  es  folgende: 

2.  0  Schreck,  der  Feind  kommt.    Voran  Beiterei. 

3.  Ich  sehe  es  am  Staube. 

4.  Ich  höre  den  Hufschlag. 

10.  0  Götter,  wehrt  dem  Unheil! 

5.  Das  Fufsvolk  rückt  an  mit  Kriegsgeschrei. 
1.  Welche  Gottheit  wird  da  helfen? 

6.  Ob  ich  zu  den  Götterbildern  flüchte? 

12.  Himmlische  Mächte,  was  ist  das? 

13.  Ich  höre  Speere  klirren. 

14.  Es  wird  hohe  Zeit  den  Heiligthümern  zu  nahen. 

7.  Willst  du  uns  opfern,  o  Ares? 

8.  0  goldbchelmter! 

9.  Schütze  deine  Lieblingsstadt! 

11.  Hört  ihr  das  Schildgetön? 

15.  Wann  wollen  wir  beten,  wenn  nicht  itzt? 

Der  Grund  für  diese  Anordnung  ist  ersichtlich  aus  nach- 
folgendem Schema  der  Aufstellung  xazä  üroLxovq^  welche  ihr 
zu  Grunde  liegt,  wenn  auch  der  Chor  nicht  in  ihr  aufzog: 


ä  lavQOtndrai 


aqiar  tQoaxat  tti 


oder  in  der  Aufstellung  xara  t^vya 


(6) 


(15       X_^ 
jl!        VI      1 


5        (2) 
1        (3) 
i2~'i3      U       (4) 


VUVlü   IX 
2      'Z        4 


(5) 
Cl) 


D.  h.  es  beginnen  die  drei  Hegemonen  des  Chores,  der  Kory- 
phäus  mit  den  beiden  Parastatä  (1),  es  folgen  die  zwei  ihnen 
zunächst  stehenden  Kraspeditenpaai-e  (2)  (3)  chiastisch;  beim 
Wechsel  des  Metrums  beginnen  die  mittelsten  drei  Sänger  des 
ersten  Stoichos,  d.  h.  die  drei  besten  nftchst  den  H^emonen, 


Jlf.  Sk^itU,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 


569 


welche  in  der  Aufstellung  xara  iVya  das  dritte  Joch  bilden  (4) ; 
dann  folgen  die  mittelsten  drei  des  Hypokolpions  oder  des  zwei- 
ten Stoichos,  welche  in  der  Jochstellung  das  zweite  Joch  bil- 
den (5),  endlich  schliefsen  die  letzten  zwei  Kraspediten  (G)^ 
welche  auch  in  der  Jochaufstellung  Flügelmänner  der  letzten 
zwei  Joche  sind.  Der  Dichter  hat  also  aus  seinen  15  Choreuten 
6  Gruppen  gebildet,  3  zu  3,  3  zu  2  Personen  und  so  geordnet: 
3.  2.  2.  3.  3.  2.  Dabei  entspricht  sich  auch  Zahl  und  (tU^e&og 
der  Verse  genau  bis  auf  eine  einzige  Stelle :  diese  Stelle  ist  12 
(iamb.  tetrap.),  13  (iamb.  sen.),  wodurch  die  methodische  An- 
ordnung, die  in  den  zwei  anderen  Stoichen  durchgeführt  ist, 
verzerrt  wird  und  das  gestörte  Bild: 

senar.  tetrap.  senar.    dochm.  dochm. 
11.        12.        13.         14.         15 

erscheint.  Wir  werden  dadurch  zu  der  Annahme  gezwungen,  dass 
13  vor  12 -f- 14  gesprochen  habe,  wornach  ein  reguläres  Bild 
entsteht,  in  dem  sämmtliche  kürzeste  Beihen  die  Centren  bilden : 

1  iamb.  sen.  1  ia.  sen.  1  ia.  tetr.  Idochm.  tr.  dlchm.  tr.=- V.105. 97. 96. 98+99. 106 -f  7. 
ldochm.tr.  1  dchm.tr.  2  bacch.  1  dchm.tr.  1  dchm.tr.  -94+5. 103+4. 102. 1004-1. 87. 88. 
2docb.dim.  3doch.dim.2d.  dim.  3d.dim.2d.dim.=92+3. 79-81.82+3.84-86. 90+1. 


i}  /f         &Qiofiai  fpoßeqa,  fisyccV  a^ri 

(fjic&sTrai  OT^ttTos  arqtaomdov  Xtntjv. 
^eZ  noXv^  B^e  Um  nQo^QO/nog  innoxaq.  — 
ai&(Q{tt  xovig  fdi  ni(&H  if€tv(Ta\ 
avaviog  aaip^g  trvfioq  ayyelog.  — 
rrile  S*  iftag  /^wo?  noTixQtfinrerat 
mSi*  onloxTvnoiaiv  oroßoig.  ßqifiH 
6*  öqoTvnov  ^Uav  vSarog  ttfia/irn.  — 

/  7(ü  tt^  S'iol  d-€ai  T*  OQOfievov  xaxov  dXii/aat*  ä.  — 
^  §/     lo  Uvxaanig  ogvirrai  Xaog  iv- 

I       (rp€7rj}ff  inl  noXiv  Suaxfov  ßoq,  — 
^   V«'  ^vTt^Q  THX^iov  rig  uQa  ^vasraif 

\^r(g  ttQ*  inagxian  ^fcur  5  ^f«^;  — 
,j  g'        noTtQa  S^T*  iy<ü  nottniaui  ßqixri  naTQM  Saifiovtav;  — 
i|  ly       IdJ  fiaxaqtg  evi^QOt,  — 

r  tß^    /xjvn&v  SiSo^xn,  narayog  ovx  ^vog  doqog,  — 
ri  i^Y    dxfdctCH  ßQititav  tx^a^^i.  rl  fiMofHv.  dyadtovoi;  — 
,)  ^  YI'^^  ^I«?  X^^'f  ^  nQodtaaag  nnXui  XiXoyxtog  fi"  "A^n^;  - 
4  71  A    itia  x^t;ao7TiiXfi^.  — 

i}  ^j  \\tnii*  h'  tm^t  yav  tfdvt  liv  not"  tvifdi^TttV  H^ov.  — 
)|  mk    ^dXiver'  rj  ovx  dxovix*  donlStav  xrvno^';  — 
i}  it  \  ninXwv  xa\  atiifiwv  ti  fiij  vvv,  nox   d/itfl  Xixdv*  l^ofiiv;- 


Ztittehrift  f.  d.  ötterr.  Gyno.  1865.  VIII,  Heft. 


39 


870  M.  Schmidt,  Zar  Kritik  der  8i«VMn  giAgni  TImImb; 

V.  210  (=  193). 

Die  Silben  iv  ycv  von  junger  Hand  auf  Rasur  im  Mediceos, 
TtQog  xv/Äarc  die  andern  Mss.  IlQds]  ^^  Schol.  B.  Weil  ver- 
muthete  Ttovriq)  y(Xvd(i)viip.  Möglich,  aber  wahrscheinlicher  dünkt 

mir  xirntj/iaTi,  Vgl.  nvfia  xvxdiievov  Hom.  II.  <Z>240  xixfjfia' 
TccQaxog.  Hesych.  Auch  TQixv/ii<f  wäre  seschyleisch  oder  tpvari^ati. 


V.  291  (=  194  ff.). 

;far«  ßgirrj  nlowoq  d-ioiq  vufdiog 
8t*  olocig  vuf'OfAivag  ßqofiog  iv  nvlacg. 

Für  diese  Stelle  sind  wir  auf  A  angewiesen.  Er  schwankt  ob: 
vKfadog  vKfofiivrß  oloJjg  als  Genetivus  absolutus  {e^cad^ev)  stehe, 
oder  von  ßqoixog  abhänge,  ferner,  ob  oV  so  viel  wie  orc  oder 
wie  oTi  sei.  Ein  Prädicat  zu  ßQOfiog  scheint  er  nicht  vorge- 
funden zu  haben,  denn  seine  zweite  Paraphrase  entbehrt  des- 
selben ,  obschon  seine  erste  der  Deutlichkeit  wegen  ein  yiyovev 
einschaltet,  nämlich  wie  B:  ^x^s  iyivero.  Welche  Stellung  in 
seinem  Texte  die  Worte  des  genet.  abs.  gehabt  haben,  ist  auch 
nicht  ersichtlich,  da  er  das  zweite  Mal  vi<pddog  okoijg  vupoui- 
vrß  ordnet.  So  viel  aber  scheint  mir  aus  seinem  e^tod^ev  klar, 
dass  dieselben  weder  durch  oVe,  noch  durch  irgend  ein  anderes 
Wort  zerrissen  werden  konnte;  ferner  glaube  ich  nidit,  dass 
0T€  ßgofLiog  für  ore  ßQo^og  rv  (yiyovevy  iydvero)  stehe,  trotz 
Matthiä  Gr.  Gr.  §.  306,  p.  608.  Da  nun  der  Rhythmus  der 
Strophe : 


\^        y^      \^       \^      ^^       S^       S^       \^ 


die  von  Seidler  vorgeschlagene  Versetzung  der  Worte  ^eolc  niav- 
vog  fordert,  so  muss  der  Schluss  dieses  Dochmius  o%  oloag 
gelautet  haben.  Begann  somit  der  dritte  Dimeter  viq>ouivag  vixfoi' 
dog  (denn  eine  andere  Stellung  lässt  das  Metrum  nicht  zu),  so 
muss  das  nächste  einsilbige  Wort  vocalisÄ  angelautet  haben 
und  kann  kein  anderes  sein  als  das  vermisste  ^.  (Vgl.  Soph. 
Trach.  516  riv  de.  ro^iov  Ttarayog,)  Ich  schreibe  also: 

—  /«r«  ßQ^rrj  &€oig  niawog  ot*  oloag 
viifofi^vag  viifd6og  ^v  ßQo/nog  iv  nvXaig, 

Die  Veränderung  ist  aufserordentlich  leicht,  indem  nur  yi^öog 
seinen  Platz  ändert  und  die  folgende  Länge  durch  ^  ergänzt 
wird.  Halten  wir  hiermit  die  Strophe  zusammen,  wie  sie  der 
Med.  liest: 

—  Ottaa  Tov  aqfiajorrvitov  Öroßov 

8ti  (ante  ras.  v)  n  avQiyyig  ixXaytav  ilitQoxoh 


M.  Sehmdi,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  571 

SO  erhellt:  1.  dass  dem  ersten  dochmischen  Dimeter  drei  Semeia 
fehlen.  Man  hat  sie  durch  ein  zweites  ozoßov  ergänzt,  da  in 
den  fibrijgen  Hdschr.  ovzoßov  ortoßov  otl  {pta  Par.  L)  steht; 
2.  dass  im  nächsten  Dimeter  sowol  ort,  oze  wie  o'Qiyyeg  Glos- 
seme für  ein  trochäisches  und  daktylisches  Wort  sind.  Jenes 
ist  Glossem  zu  ^£  (Hes.  £^r€*ijy/xa,  otb)^  dieses  zu  xolviY.eg 
(vgl.  Hes.  %voa().  Ich  schreibe: 

—  Ottöa  tov  uQfiaToxTvnov  oroßov  v^    c— 3* 
€VTi  Ti  ;^o/yiXfc  txXay^av  kXlrqoxot 

und  möchte  y  da  die  Schollen  nicht,  wie  sie  zu  Y.  107,  134 
thun,  auf  eine  Verdoppelung  des  Wort^  otoßov  aufmerksam 
machen,  oxiityv  ergänzen. 


V.  225. 

firi  fioi  ^eog  xtdovaa  ßovltvov  xaxtÜs, 
miitcQx^a  yuQ  iari  Ttjg  evTtQa^iag 
fi'^Tfit  yvvrj  a(orij(fog.  cJ(f'  ?/€*  loyog. 

Die  Alexandriner  ergänzten  ^«og  und  interpretierten  yvvr  Jiog 
awT^aog  oder  oixaiwg  exovaa  ttqoq  to  aci'^ead^ai  (Med.  A),  wel- 
cher lekteren  Deutung  die  Misform  aurrmog  statt  awrr^Qtog  zu 
Orunde  zu  liefen  scheint.  Auf  eine  andlere  Exegese  oioaTixng 
basiert  Demetriiw  Triklinius  seine  Coiyectur  yvvaiy  awT^Qog  (A. 
gL  B),  wobei  wn^^iag  aorcfQog  zu  verbinden  ist,  Hermann 
yotnjg  aan^Qog^).  Schwächte  nur  nicht  jeder  Zusatz  zu  ev- 
noa^lag  den  Eindruck  des  Wortes  ab,  abgesehen  von  der  ver- 
sdirobenen  Construction^  Darum  Heimsöä  ovrjaldwQog^  Weil 
xvßeavffzfiHyg.  Insofern  c5d'  l%€t  loyog  eine  geschlossene,  oft  in 
der  Trs^ce^e  vorkommende  Phrase  ist,  die  den  Vers  abschlielst, 
ist  Heim8öth*s  Mittel  tadelloser  als  das  WeiFsche,  im  übrigen 
aber  schwer  zu  glauben,  dass  otnjaldojQog  das  richtige  ist.  Was 
Eteokles  von  den  Weibern  verlangt  ist  Schweigen  (V.217),  nicht 
sowol  schweigender  Gehorsam,  als  gehorsames  Schweigen.  Ihr 
Gehorsam  soU  sich  dadurch  bekunden,  dass  sie  jetzt  still  sind. 
Darum  meine  ich,  dass  Aeschylos  geschrieben  habe : 

fjin  fioi  ^eovg  xalovaa  ßovUvov  xaxütg, 
EvTtQa^lag  vaQ  iariv  ij  neid^a^x^a^ 
fir^tfi^,  yw^  atOTirjQog,  äS*  fy^i  loyog. 

Mit  deinem  E[laggeschrei  zu  den  Göttern  erweisest  du  der  Stadt 
einen  schlechten  Dienst.  Die  Wohlfahrt  hat  die  Folgsamkeit  zur 
Mutter,  und  die  Folgsamkeit  ist  ein  schweigsam  Weib.  KawUg 
und  evftQa^iag  rücken  absichtlich  nahe  zusammen,  üeber  ownau} 
Buttm.  ausf.  Gramm.  II,  p.  130  a.  E.  Böckh  Find.  Ol.  Xm  91 
{6iaa(07taouai\  Isthm.  I  63  (aeawnctfiivov),  Hesych.  Bvcwnla* 
fjavxla.  Also  aaoTcriQog  =  aiiOTtriQa  (Xen.  Conr.  I  9  oi  ftiv  y€ 
amTtijQoreQoi  iyiyovro). 

^  Eher  KeAe  rieh  hören  fin^fiQ\  tvxfjs  oun^gog  w(f*  ?/w  Xoyo^,  wie 
dnst  Bitsehl  wollte. 

39» 


57C  M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  g«g«n  Theben. 

V.  211  (=227):. 

gibt  der  Med.  Text,  womit  Schol.  A  rm  äfitjxoivov  v&piXr[^  zu 
stimmen  scheint.  Da  aber  mit  dem  medic.  Scholiasten  %6v  fir 
dwa/ievov  eavrfp  (jLrjxctvnaaa^ai  xal  ßotjd^ai  6  ^edg  oQ^oi 
Marcellin.  Thuc.  Vit.  §.  o  Westerm.  rov  afimotvov  stimmt,  hat 
Weil  das  Masculin  recipiert,  obschon  das  Metrmn  der  Strophe 

-  J^  -  ^  -  vorschreibt.  Ich  glaube  in  KAKOICITANA- 
MAXANON  dagegen  yLOKoig  [—]  Ttavafiaxotvov  zu  erkennen 
und  die  fehlende  Länge  durch  tov  ausfüllen  zu  müssen. 


V.  253  (=  270)  ff. 

Wenn  du  meine  Gebete  veminmisty  so  stimme  du  in  sie 
nach  hellenischem  Brauche  mit  dem  fronmien  Opferruf  der 
Weiber  ein: 

duQüoq  ipdoiQ  Xxovaa  noXifiiov  tpoßov. 

Weil  nimmt  die  Worte  gegen  jede  Aenderung  in  Schutz,  ob- 
schon ihm  Ivaiv  ts  TtoXef^iwv  q>6ßwv  selbst  correcter  erscheint. 
Das  war  auch  die  AufiiEtöSung  von  Schol.  B  dvtQCog  toig  oiiuimg 
aal  Tov  TtolsfÄicov  anotXkayri  (foßov.  Mir  scheint  der  Dichter 
hier  von  der  Wendung  Ubiv  tivol  rivog  (Soph.  Trach.  181  oxvov 
ae  loaiü)  Gebrauch  gemacht  zu  haben: 

S-aQOog  ifCXovq  lioovai  noli/nitov  ipoßwv, 

d.  i.  ^agaog  if^noiovaa  Tolg  rovg  eavruiv  oineiovg  Ivcovai  tOv 
nolefiiwv  (f6ß(ovy  zur  Ermuthigung  der  Streiter,  welche  ihre 
Angehörigen  von  den  Schrecknissen  des  Krieges  zu  erlösen  im 
Begriff  sind.  Möglich,  dass  die  Ordnung  der  Worte  war  &.  q^oßtav 
X.  7t,  q)iXovg.  Die  folgenden  Worte  des  Eteokles  erhalten  erst 
ihre  volle  Wirksamkeit,  wenn  Uyio  statt  iyd  an  die  Spitze  des 
Satzes  tritt  und  treten  erst  in  das  richtige  syntaktische  Ver- 
hältnis, wenn  sie  mit  ^eoig  schliefsen: 

l^y(o  Sk  x^9^^  ^o«?  noXiaaovyoiq  iyaj 

möiovofxoiq  t€  xayoQag  iniaxonoig 

jdiQxrjg  T€  ntiyalq  ovd*  an*  ^lafiffvov  &ioTg, 

In  dem  dritten  dieser  Verse  stecken  aber  noch  einige  alte  Schreib- 
fehler: In  TEnnrAlC  nämlich  TEn.üTAlC,  d.  L  t* 
inontcLigj  in  OYJ  aber  .OYJ^  d.  i.  novo'.  Eteokles  befindet 
sich  auf  der  zwischen  dem  elektrischen  und  prötischen  Thore 

felegenen  Burg  Eadmeia.  Von  hier  aus  fällt  der  Blick  auf  den 
luss  Ismenos,  der  hart  am  prötischen  Thore  hinläuft,  so  dass 
das  hinweisende  Pronomen  völlig  gerechtfertigt  ist  Er  verspridit 
also  den  Göttern,  welche  von  diesem  Ismenos  aus  schirmend  auf 
Dirke  blicken,  was  folgt.  Auch  rotfd*  in  oder  t6vd£  t*  gienge. 
In  jenem  Falle  sind  es  die  Götter,  welche  ohnfem  dieses  Is- 
menos Dirke  schirmen.  Gemeint  sind  Dionysos,  dem  der  Ismenos 
wie  die  Dirke  heilig  war,  Apoll  —  denn  auch  Dirke  ist  Wahr- 


M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  578 

sageriu,  Unger  parad.  Theb.  p.  94  —  und  Ismenos  selbst  als 
Vater  der  Dirke. 

V.  265  (282): 

Weder  kann  in^  nach  Schol.  A  mit  ix^QÖiai  ra^w  zusammen- 
constmiert  werden,  noch  Canter's  inaQxovg  recht  sein.  Ich  schreibe 
6i  qkinag  1'^,  wozu  iivd^g  Glossem  war,  das  in  den  Text  ge- 
nommen Tilgung  des  Hiatus  verlangte. 
V.  285: 

dtfimg  rdv  ßad^vx^ov*  aJav. 

Gegenstrophe  yehoveg  di  xagdiagj  Dindorf  xdgtccg.  Die  Ent- 
scheidung hängt  vom  Metrum  ab,  Dindorf's  Mittel  ist  nöüiig, 
wenn  eine  Tripodie  verlangt  wird.  Stand  eine  Tetrapodie  da,  dann 
li^  der  Fehler  in  ix^Qolg^  wofür  man  ixTonoig  avrioig  aX- 
lo^i^ig  versucht  hat.  Näher  an  EXQPOIC  liegt  EAEPOIC, 
wie  im  Original  ohne  Consonantenverdopplung  mr  eXkiqoi^  ge- 
schrieben sein  musste.  Hesych. :  elXeqa  £X^^,  TioXe/ua^  adma, 

V 

—  Einige  Verse  tiefer  hat  der  Med.  nach  Prion  xat  t«  iixjjOTcXov 

V 

atav^  nach  Bibbeck  m.  ant.  ytatagiipoTtkovy  m.  sec.  tuxI  t' 
iixponXov.   Es  ist  xa^a  ^ixpOTzXov  zu  lesen. 


V.  273  (=289  ff.): 

jov  d/Ä(f  IT iiyrj  Xitav 
SQtixovTtt  J*  (og  rig  tixvimf 

H   a        'H 
vn€Q^iSoix€  lex^        ^^  dvaiwrjtoQag        Annv 

ff  ♦♦ 

tgofiog  neXiiag 

Die  Correcturen  sv  a  ^H  sind  von  dritter  Hand,  von  derselben 
x£  auf  Basur,  ohne  dass  die  erste  Hand  noch  zu  erkennen  wäre, 
q>  von  zweiter  oder  erster.  Aus  den  alten  Schollen  ist  erstens 
mit  Lachmann  Uxaiwv  zu  entnehmen.  Zweitens  die  Conjunction 
di  sichergestellt.  Denn  wenn  auch  die  mediceischen  nur  sagen: 
^  KuxQdia  uov  qirfli  didoixe  tov  TtohooMvvTCi  azqcnov  mg  o^- 
yuovta  V7t€Q  rßv  vaoüomv  jteleiagy  so  folgt  es  doch  aus  A,  der 
auf  die  alten  Scholien  basiert,  didoiyts  yciQ  f  nagdia  /lov.  rov 

i^ag  di  üvvdeofiov  avzt  rov  yag  vorp:iov.  Ferner  fähren  sämmt- 
ic^e  alte  wie  neue  Scholien  auf  d^xoi^a,  nicht  auf  dga^ovrag 
(Burney,  Weil),  obschon  unb^eiflich  ist,  wie  sie  damit  dvgsv- 
vfzoQag  in  Einvernehmen  brachten ,  was  sie  freilich  ohne  be- 
denken durch  ivaewTftovg  erklären,  dia  rov  woßov  tö  dQanovrog. 
Aber  vielleicht  hatten  die  alex.  Scholien  Svaew'toQag]  dvaev- 
vrr»,  tS  dQaxovTog^  dia  t6  (foßov  Bf.iTcoulv,  Endlich  scheint 
vn€gdidoi7i€  vom  Corrector  des  Medic.  aus  den  Scholien  berge- 


574  M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

stellt,  aber  in  der  Hdschr.  nicht  das  ursprfingliche  gewesen  zu 
sein.  Bei  dieser  Beschaffenheit  des  Textes  hat  natürlich  die  Con- 
struction  den  Scholiasten  einige  Schwierigkeiten  gemacht.  AB 
interpungieren  nach  Xewv  und  ziehen  tov  ä^q^iteixfj  i^etav  zum 
vorhergehenden  Satze,  doch  ergänzt  jener  dia,  während  dieser 
in  den  Worten  eine  Erweiterung  von  tafßog  erblickt,  wie  es 
die  poet.  Syntax  allerdings  gestatten  dürfte.  Und  so  konmit 
denn  B  mit  dem  neuen  Satze  nur  zurecht,  indem  er  aus  v7t£Q- 
didoixe  ein  dedoiyM  herausnimmt,  und  zwar  didoiyux  tmeq  %6v 
laovy  als  ob  er  lew  vor  Augen  hätte.  Aehnliche  Wege  haben 
die  neueren  Philologen  eingeschlagen.^  Mit  Becht  erkttrt  Weil 
die  Construction ,  nach  welcher  tov  a^ig)tt€ix^  Xstav  Epexegese 
zu  zdgSog  sein  soll,  für  erlaubt,  aber  hart.  Wenn  er  aber  aus 
v7t€Qdedotx€v  ein  zu  df^Kpnetxv  Xbwv  gehöriges  VTteqdedon^via 
herausholt,  so  erscheint  mir  das  nicht  minder  nngdenk.  Die 
einzig  glatte  Construction  fordert  vTteQdidoiTux  und  das  im  Schol.  A 
bezeugte  Si  für  den  Hauptsatz.  Wer  dies  als  Basis  der  Emen- 
dation  zugibt,  räumt  damit  die  Verschiebung  der  Worte  d^- 
xovra  und  vTtsQSiöoixa  ein  und  hat  keine  weiteren  Schwierig- 
keiten zu  überwinden,  als  ihnen  ihren  durch  Sinn  und  Metrum 
gesicherten  Platz  anzuweisen.  Für  vTtcQÖidoixa  ergibt  er  sich 
mit  Nothwendigkeit  hinter  de,  fttr  ÖQaxovra  hinter  iUxmW,  da 
offenbar  der  Schreiber  von  AESiN  auf  AEXESiN  (sie)  abgeirrt 
war.  Also: 

nnvTQOfiog  neleucg. 

Die  rückständigen  Verstöfse  gegen  das  Metrum  sind  nun  leicht 
zu  heben:  vTteodldoix'  ola  tig  {wOTteq  Schol.  OP  p.  334,  21 
vgl.  Hesych.  ola'üaTteq  Soph.  Tr.  104  ola  Ttv'  a^hov  o(fHv) 
und  docfxoKTog  dvaevvaxoiiog  sc.  ovcog.  Mit  Zugnmdlegung  dieser 
Emendation  erklären  sich  alle  Textesschäden,  vor  allem  die  Ba- 

sur,  auf  welcher  die  dritte  Hand  ihr  xl  gemalt  hat.  Auch  d^- 

A  A 

Aovia  övaevvaTOQa  ist  aus  JPAKONTOCJYCEYNATOPOC 
leicht  erklärt.  Man  verstand  den  Genet.  absol.  nicht  und  setzte 
dafür  einen  Accus,  ein,  der  wie  zov  df4<piTeix^  ledv  von  rTtep- 
didoiY.cL  so  von  vTtBQdidoine  abhängig  sein  sollte.  Das  a  dagegen 
entstand  erst  in  byzantinischer  Zeit  und  ist  der  Best  einer  Lesart 

1 
lexiwv  a  dvaevvriTBiqa^  a  TcavTQO/iiog  TteXsiag^   wie   SchoL  OP 

zeigt,  oder  dvaevvdtog'  ä  jidvrQo^og  Ttehidg.  Die  Worte  sind 
zu  übersetzen:  gewaltig  aber  fürchte  ich  das  rings  um  die  Mauern 
lagernde  Kriegsvolk,  wie  fär  ihre  Jungen  im  Neste,  wenn  ein 
Drache  als  böser  Nachbar  der  Lagerstatt  sich  einfand,  die  schreck- 
hafte Taube.   Den  allmählichen  Uebergang  der  alt^ii  Tradition 


M,  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  576 

in  den  heutigen  Text  kann  man  sich  leicht  veranschaulichen. 
Die  Alexandriner  werden  abgetheilt  haben: 

tov  dfiiptr^xv  ^fov 

tintvtov  Uxni- 

«w,  SganovTos  dvatwatoQO^, 

Die  erste  fehlerhafte  Fassung  lautete: 

tov  dfAipiTiixv  Uth 

\^QttitovTOS  S*  c&V  ttg 
.. ^ 

vn€Qdi6oix'  \old  xi^  tinvmv 
liX»^  ow  dvaewdtoQoe 

Ans  ihr  entstand  unsere  Lesart: 

dqdxovta  d    Sg  tig  tixvtov 

«*  «    1} 
vntQdiSoixi  Uxiwf  ij  dva€wriTOQ€^  d  ndv- 

indem  die  Glosseme  in  den  Text  drangen  und  trotz  der  An- 
deutung des  zweiten  Schreibers  dgcncoyToa  nicht  an  seinen  eigent- 
lidien  Platz  zurückkehrte. 


V.  316. 

xXavTov  d*  aQTiTQonoig  tOfioSqontnf 
Snfidttov  arvyeQav  o^ov. 

Allem  Anscheine  nach  haben  die  Schollen  nichts  anderes  ge- 
lesen, als  diese  genau  nadi  dem  Med.  abgedruckten  Wone. 
Zwar  schwanken  sie  zwischen  aifriToonoig  (c&s  sie  merkwürdig 
genug  erklären)  und  ajgridfOTtoig^  alles  andere  aber,  namentlich 
auch  dw^dzwv  {oixT^udrwv  Med.)  und  den  Genetiv  w^od(^7Vü)v 
erkennen  sie  an.  Die  Erkenntnis  des  Schadens  haben  sie  uns 
obenein  ersdiwert  durch  ihre  auf  den  ersten  Blick  hin  riditige 
und  sachgemälse  Deutung  der  zwei  ganz  und  gar  nicht  zusam- 
mengehörigen Worte  vo^lfiwv  und  nfoitdoot^ev^  so  wie  durch 
ihren  Irrthum,  dass  der  Chor  von  Jungfirauenschftndung  als 
Kriegsrecht  rede,  während  er  doch  erst  sj^terhin  der  cux^dlu)- 
rog  evvi^  gedenkt,  hier  nur  der  Sclaverei.  Von  letztem  Lrrthum 
haben  sich  wenigstens  nur  die  ^ältesten  Schollen  M.  A.  freige- 
halten; jener:  ralg  di  diafxßißovaaig  zry  zfjg  vXxfxaXtoalag  ooov 
hrrai  ddufva,  dieser:  ii^iov  ^eydlov  ^Xlotv-S-fiOv  Toig  MfcugTäig 
VLffvi  öffinofiivaig  %rv  not^^^evtav^  nqo  tov  iX^elv  sig  ÜQOtv 


570  M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

yccfio  V,  alxiiiahüTiod^yai  xat  dovXag  ßig  ^ivrpß  xcti^ctf  dnel^uv. 
Hier  ist  alles  richtig  bis  auf  die  unterstrichenen  Worte, ^ nur 
muss  man,  was  wol  auch  nicht  im  Sinne  A.'s  1^,  die  a^e- 
ÖQOfcot  als  vv^upai  aQTidqoTtoi  aQtiya^ioi,  als  junge  Frauen  fassen. 
Für  sie  ist  es  ein  herbes  Loos,  das  kaum  erblühte  häusliche 
Glück  durch  Wegführung  in  die  Sclayerei  zertreten  zu  sehen. 
Diese  Wegfuhrung  gehört  unter  die  vo/m/na  des  Krieges,  aber 
es  ist  ein  io(.i6tqo7cov  v6(.u(.iov  ein  grausames  Becht  des  erbar- 
mungslosen Siegers.  Denn  to^ioTqonwv  ^  nicht  wfiodaoTciov  hat 
der  Dichter  geschrieben,  und  das  .z/.,  welches  jetzt  über  oq- 
TiTQOTtoig  steht,  ist  nur  die  erste  Hälfte  der  richtigen  Nach- 
besserung eines  alten  Schreibfehlers: 
.^.  .T. 

APTiTPonoicsiMOJPonnN. 

Ungezwungen  verbindet  sich  nun  OTvyeqav  odov  vo/ni/awv  lo^io- 
TQOTCtov  diafiieiipai,  xXavzov  iari  aqriÖQOTtoig,  Den  trostlosen 
Pfad  rohgesitteten  Kriegsrechtes  zu  wandeln  ist  das  thränen- 
werthe  Schicksal  der  Neuvermälten,  d.  h.  das  eigene  liebe  Heim- 
wesen zu  verlassen  und  dem  erbarmungslosen  Sieger  nach  Kriegs- 
recht und  Brauch  als  Sclavin  in  seine  verhasste  Heimat  zu 
folgen.  Uebrig  bleibt  als  zusammengehörig  dw^iarcc«'  TiaoTt'- 
Qoi&ev.  In  temporaler  Beziehung  ist  TtQOTraQoi&ev  übeniaupt 
selten  und  regiert  wenigstens  bei  Homer  in  derselben  keinen 
Casus,  sehr  gewöhnlich  dagegen  ist  die  locale  und  hier  die  einzig 
mögliche.  Das  ist  das  empfindliche  für  die  afjftidqonoiy  dass  der 
Weg  in  die  Sclaverei  vorüberführt  entlang  den  Häuserreihen 
der  Vaterstadt,  den  Zeugen  ihres  jungen  Eheglücks,  dass  sie 
hei-ausgerissen  werden  an's  Licht  der  Oeffentlichkeit  im  Zustande 
tiefster  Erniederung  und  Mishandlung.  Richtig  rec.  schol.  dtj/noaiif 
axl^aog  elxovtat.  Folglich  ist  die  richtige  Wortstellung  dia- 
(tielil'ai  7TQ07TaQoc^€v,  wodurch  —  und  dies  ist  ein  schlagender 
Beweis  für  ihre  Richtigkeit  —  diaf-ieiiliai  genau  die  Stelle  ein- 
nimmt, welche  in  der  Strophe  nqüimfca  hat,  so  wie  auch  oiy^qov 
und  ÄavTov  respondieren.   Man  schreibe: 

xknvtov  cJ"  (tQTidQoirot^ 
(ofdotQOTKüv  vofÄ(fji(üv  ^ittfi engtet  TiQontx^oi&ev 

Der  einzige  Irrthum  des  ^  Med.  Schol.  bestand  darin ,  dass  er 
diauelxpai  CTvyeQav  öw/itaTwv  odov  verband:  diadi^aa^ai  ttv 
OTeqrfliv  iiov  oUrjf.LCiTtov, 

V.  350.  51. 

xttX  uriv  ttvtt^  ocT*  aviog  Ol6(nov  toxos 
€ig  UQxCxoXXov  ayyiklov  Xovov  fia&etv. 
anovSri  ^h  xal  jovö^  ovx  anaQxCCu  noSti, 

Der  Schwierigkeiten,  welche  diese  Stelle  enthält,  sind  zwei: 
1.^  der  Mangel  des  Verbi  in  V.  350;  2.  die  Deutung  der  Worte 
oxTA.  anaßzilu.  Die  zweite  hoffte  6.  Hermann  dadurdi  zu  heben, 


M.  Schmidt,  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  677 

dass  er  anaqyltu  schrieb:  „Eile  las  st  denFufs  nicht  säumen/ 
Aber  aTcaqyitßiv  wäre  ein  ixna^  elgnfxivovyon  verdächtiger  Bildung. 
Eur.  Phon.  765  sagt  akk  el/n^  onwg  av  /<^  xaraQyojfiav  xiqa, 
Gleichwol  war  sein  Vorschlag  verständiger  als  der  Weil'sche 
il  umaQTi^et  noda.  Denn  das  kann  unmöglich  dfrUokkov  knayu 
bedeuten,  sondern  ist  rein  chirurgischer  Kunstausdruck  'für  einen 
Fufs  gut  einrenken.*  Starke  Bedenken  erregt  auch  Dindorfs 
tov  avyxara^itet  noda  *die  Eile  lässt  auch  seinen  Fufs  zu 
gleicher  und  richtiger  Zeit  eintreffen.*  Auf  die  SchoUen  ist  hierbei 
von  keinem  Exegeten  Bücksicht  genommen,  vielleicht  weil  sie  die 
Schwierigkeiten  entweder  nicht  heben,  oder  sogar  vennehren.  Nicht 
hebt  sie  der  Mediceus.  Er  hat  das  Lemma  anoidij  de  xat  rov^ 
und  erkennt  in  seiner  Deutung  ij  tötö  de  anovörj  ovtvco  tikog 
iX^et  akX*  eTtelyercLi.  t6  yccQ  a7rwipria^«^i'0>' u.  s.w.  ersichtlich 
ov'K  anaqfcit/ßi  an.  Zur  anderen  Classe  gehören  A  (PQ)  mit  der 
wunderlichen  Erklärung  eoiy^e  de  xat  6  ayyekog  (??)  ex  Ttjg 
ayav  immcivoinivr^g  ajiovd^g  /uti  edqaofxivov  exeiv  tov  eavrov 
Tiodoy  aXÜ  ixKQ€/iirj  tovtov  (so  r)  hcKpiqeiv  xat  aazaTOv.  Wie 
kommt  er  auf  ayyekog,  was  nicht  wie  ein  Irrtham  statt  ^EreoTdtjg 
aussieht,  wie  auf  eoixe?  Glaubte  er  etwa  in  den  Worten  seines 
Textes  den  Sinn  zu  finden :  Eteokles  Eile  scheint  auch  den  Laul 
des  Boten  noch  zu  beschleunigen,  und  las  er  elx^  anaQrttetv 
ffir  ovK  aTtaQti^ei,  indem  er,  verleitet  durch  Phrasen,  wie  algeiv 
aefra^eiv  ^lerecjQt^eiv  ekacfqiteiv  xovfplteiv  Awxeveiv  noda,  das 
Verbum  anaqvlteiv  mit  dnaQrav  verwechselte?  Wir  wollen  es 
dahin  gestellt  sein  lassen,  ob  man  berechtigt  ist,  im  genauesten 
Anschluss  an  Schol.^  A  auf  eine  Fassung  des  Textes  zu  schliefsen, 
wie  anovdij  de  xovtog  eix*  dnaQriKeiv  noda  *®),  das  Recht  aber 
haben  wir  jedenfalls,  das  störende  ävx  der  mediceischen  Schollen 
und  seines  Textes  nach  Anleitung  des  ebenfalls  sehr  alten  A 
zu  bezweifeln.  Denn  dass  Q  sagt:  xal  tov  de:  aal  rovxov  {xov 
ayyekov)  v  anndh  ovn  anaqftitet  ymI  edga^et  xal  iartjOi  tov 
oixeiov  noda  dkk  ixuqe^irj  u.  s.  w.  ist  kein  Grund  dagegen,  da 
dieser  Scholiast  offenbar  unsern  Text  auf  verkehrte  Weise  mit 
Schol.  A  in  Einvernehmen  zu  setzen  suchte,  statt,  wie  sichjs 
gebührte,  zu  umschreiben :  ojiovdrj  ovx  edga^ei,  xal  Varr^ai  tov 
olxelov  noda,  akk^  dnaQTi^et  aal  {aal  in  diesen  Schollen  steht 
für  m^ow)  ixxQefirj  xrA.  Ganz  ohne  Gewinn  ist  diese  Erörterung 
nicht  für  uns.  Denn  mögen  auch  Schol.  APQ  in  ihrer  Erklä- 
rung von  dnaQTil^eiv  fehlgreifen,  so  ist  es  doch  schon  viel  werth, 
dass  wir  ovx  losgeworden  sind  und  nun  dnagfvll^eiv  noda  ganz 
einfach  den  Phrasen  dvveiv  und  TekeXv  {odov)  anreihen  können. 
Zwar  glaube  ich  nicht,  dass  dna^i^eiv  noda  so  ohne  weiteres 
ohne  Angabe  des  Wegziels  und  Zwecks  stehen  könne,  allein 


'•)  üeber  *?x'  Pierson.  Moer.  j.  148,  Brunck  Ar.  Nubb.  185,  Eccl.  1161, 
Avv.  1298,  Eur.  Bacch.  1284.  Doch  scheint  die  Form  nur  in  der 
JBedeutuDg  'ähnlich  sem*  fOx  iixivM,  iixm.os  und  jfxi}  zu  gelten. 


578  M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

d£VQ^  dnaQTil^ei  noda  halte  ich  für  eine  ganz  correcte  Aus- 
drucksweise  und  kehre  unbedenklich  zu  der  Exegese  des  medi- 
ceischen  Scholiasten  anaofuit^etv  ^s^  xihog  ^ni^eivai  zurfick.  Er- 
wäge ich  dabei,  dass  uns  A  auf  den  Infinitiv  f&hrt,  so  will  mir 
üTtovdrj  de  aal  rtp  SevQ*  aTta^tCßtv  rtoda  kein  fibler  Herstel- 
lungsversuch bedünken.  Will  man  dabei  sich  vom  Med.  möglichst 


aTtaftl^ßiv  Ttoda  gewesen  zu  sein  "). 
Wenn  unser  ürtheil  über  diesen  Vers  richtig  ist,  ist  audi  der 
vorhergehende  entschieden  der  Correctur  bedfintig,  da  der  Mangel 
eines  Verbi  darin  unerträglich  ist  Person  freilich  vermisste 
keines,  weil  er  eig  aQrUollov  durch  opportune  adest  fibersetzte, 
aber  das  ist  ein  ex^etisches  Mittel,  auf  dessen  Anwendung  so- 
bald niemand  verfallen  würde,  auch  darf  man  bedachtsamier- 
weise  äoriTioXkov  nicht  von  iA^ov  trennen.  Sehr  ein&ch  scheint 
Dindorf  s  Mittel  fiod^eiv  in  Ttaqa  zu  verwandeln,  doch  hat  er 
diese  Yermuthung  mit  Becht  selbst  zurückgenommen,  da  ihm, 
wie  Weil,  die  Emendation  cig  far  elg  leichter  schien.  Ich  glaube 
aber  es  kann  noch  leichter  und  geschmackvoller  geholfen  werden. 
Ich  erklicke  in  der  alten  Semasie: 

ECAPTIKOAAONArrEAOAOrOMMABEN 

zunächst : 

EC  APTIKOAASIN  ArFEAON  AOrilN  MABHN 

im  ayyihav  aber  ein  Glossem,  sei  es  zu  a^txoiUaiv  Xoyunfj  sei 
es  zu  dem  folgenden  rov  (vgl.  Schol.  Q),  wodurch  der  Verbal- 
begriff verdrängt  worden  ist.  War  derselbe  durch  ayxißl(og  (s. 
Hes.  EM.  ä^i  Ttaqwv)  ausgedrückt,  so  erklärt  sich  der  Vorgang 
sogar  höchst  ungezwungen,  ^och  würde  auch  nQo<n(^%u  (Ar. 
Thesm.  572)  oder  avvdqofxog  eine  sachgemäfse,  vielleicht  noch 
zutreffendere  Ergänzung  sein.   So  schreibe  ich  denn: 

xal  uTiv  ava^  0(f'  avTog  016 (nov  toxog 
€is  aQTMoXltov  ayyißlfog  Xoytav  fxad^. 
anovori  Sk  xal  r^,  S^vq*  anaQTlCHV  n66a. 


V.  362: 

vn^  ttan(6og  <f*  tato. 
Der  Med.  eVci,  6i  r^  Vulg.  6"  kaw  Blomfield,  Bitschi ,^  Här- 
tung, de  not  Dindorf,  di  nov  Weil.  Das  rechte  wird  sein  i^  Xaov. 
Eben  solchen  Schrecken  wie  Tydeus'  übriges  martialisches  Auf- 
treten flöfst  sein  Schild  ein.  —  V.  375  pflichte  ich  Weil  bei 
Möglich  sind  auch  natürlich  andere  Ergänzungen,  wie  atu  TOQav 
oder  oQ{ai7tovv  nkvei). 


»')  Da  SnOAEAEKAITOAEOKAnAPTIZEnOAA  auch  in  anov^n 
Sk  xal  tov6^  tjx  an.  anfgelM  werden  könnte,  eiinneie  loh  aos- 
drücUich  darto,  dass  cSxcc  bei  den  Tragikern  nicht  voikonmii 


Jf.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  579 

V.  379  =  402. 

Hat  W.  Dindorf  gewiss  recht  ^  avoia  tivi  als  unechte 
LttckenfÄllung  zu  betrachten.  Er  schlagt  Philol.  XXI,  S.  207 
olot  nelaerai  dafür  vor.  Ich  halte  seinen  früheren  Vorschlag  für 
passender,  da  er  den  Gedanken  „mit  Gottes  Hilfe",  den  man 
hier  erwartet,  bietet,  möchte  mich  aber  unter  den  Phrasen,  welche 
diesen  Gedanken  ausdrücken,  wie  iv  rvxjn  rm,  om  avev  ^bwv 
Tivog  u.  a.,  ffir  das  auch  Eur.  Suppl.  157,  Liban.  II,  p.  180, 16 
gebrauchte  evvoitf  &€wv  entscheiden.  Vgl.  liq^i^idog  Bvvoiaiai 
cvv  t'  aXkoiq  &€öig.  Tivl  entstand  vielleicht  aus  einem  durch 
Ttitfoi  verdrängten  nirvoi. 

V.  416  =  440: 

KanwwivQ  d'  aneiUi  Sqav  nagiax^imafiivog. 

Vielmehr  TtaQeanevaa^ivovg  &€(wg  onitjUDV.  Vgl.  Ar.  Kan.  784, 
Eur.  Heracl.  691. 

V.  404  =  428: 

Mq^v  nidoi  axi^y/aaav  ifjmodtHv  ax^^ilv. 

Die  Kritiker  bemerken  mit  Becht,  dass  in  dieser  dem  Liban. 
Narrat  vol.  IV,  p.  1100,  1  ff.  vorschwebenden  Stelle,  weder  otv 
fehlen  kOnne,  noch  das  Pronomen  reflei.  zu  entbehren  sei.  Darum 
verlangte  Meineke  ovdi  raV,  Heimsöth  und  Weil  ovdi  viv.  Beide 
Bequisite  kommen  zu  Recht,  wenn  wir  lesen: 

(prial  x^s  Off   ovS*  i}  Ji>6g 

Vgl.  V.  444  (=  469)  und  603  (=  617).  Doch  halte  ich  sehr 
wohl  far  möglich,  dass  q>rjalv  wg  c.  inf.  construiert  war: 

X&g  0(p*  ovd*  av  Jiog 
Hqiv  nidot  axr^xpaattv  IfinoStov  axid-eiv. 


V.  487  =  501: 

nomrov  fikv  ^Oyxa  Tlalldg  fjt*  dy^^TitoUg 
nvXmai  yiCttov  av^Qog  Ix^'^^Q^^^*  vflQiv 

Anscheinend  ist  ydxov^  eine  sehr  leichte  Correctur  Ritschrs 
und  Dindorf 's;  doch  ist  das  Bedenken  Weil's  (der  (jiaqyov  vor- 
schlägt) dagegen  begründet.  Vermuthlich  hatte  der  Dicnter  die 
Wahl  zwischen  zwei  Beweggründen  der  Göttin  offen  gelassen 
und  dieselben  durch  JB/T*  —  EIT'  OYN  auseinander  gehalten : 
€?t'  ow  avÖQog  u.  s.  w. 

V.  494  ff. 

In  den  Hds.  herrscht  hier  grofse  Verwirrung  in  der  Auf- 
einanderfolge der  Verse.  Mir  scheint  sie  sogar  noch  früher  zu 
beginnen,  als^man  gemeinhin  annimmt.  Der  Mediceus  ordnet 
von  500  ab :  x<W7tw  —  Toiade  —  Ttfog  rwv  —  el  Zeig  —  ^YrveQßiiii 
-—eiwg  yfi  nfä^u^  <8ic)  — tnotvQ  —  mit  den  ZaUzeichen  ßyad 


680  M,  SchmidJt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

als  einer  die  letzten  vier  Verse  betreffenden  Bandbemerkong. 
Andere  Handschriften  waren  ehog  de  Ttga^eiv  —  ei  Zeig  — 
^YneQßiif}  —  acDTtiq  — .  Nun  kann  zwar  kein  Zweifel  sein,  dass 
dem  Anschein  nach  Y.ov7t(a  —  und  euog  ye  die  beiden  Verse 
sind,  welche  den  ihnen  gebührenden  Platz  verlassen  haben,  allein 
wo  gehören  sie  hin  ?  Man  könnte  meinen,  die  Entscheidung  über 
V.  €£xoe  falle  nicht  allzuschwer.  Denn  ordne  man  ^YTie^ßiif  — 
ehog  ye  —  und  verwandle  ye  in  t^,  so  ergebe  sich  ein  ^anz 
annehmbarer  Sinn:  Wir  aber  halten  es  mit  den  Siegern,  jeae 
mit  den  Besiegten,  wenn  anders  doch  Zeus  mächtiger  ist  als 
Typho  und  es  natürlich  ist,  dass  auch  die  gegenüberstehenden 
Helden  mit  gleichem  Glücke  kämpfen  werden  {TuxvÖQag  Heim- 
söth).  Zur  Unterstützung  dieser  Anordnung  könnte  vorgebracht 
werden,  dass  die  Erklärung  dieser  Verse  in  OPQ  385,  7  in  der 
That  keine  andere  Beihenfolge  derselben  voraussetzt  Trotzdem 
glaube  ich,  dass  diesem  verlockenden  Scheine  nicht  so  unbe- 
dingt nachzugehen,  sondern  die  von  Med.  überlieferte  Lesart 
ye  und  die  am  Bande  desselben  hergestellte  Ordnung  der  Verse, 
wenn  auch  nicht  die  richtige,  so  doch  keine  geradezu  verwerf- 
liche ist  —  allerdings  unter  der  Voraussetzung  eines  Versans- 
falles. Die  Schollen  OPQ  fassen  nämlich,  indem  sie  TtQog  —  «i  ~ 
eixog  —  'Y7teQßi(i^  —  awrrjQ  —  ordnen,  eiTcbg  de  Ttga^eiv  (sie) 
als  Parenthese  und  verstehen,  indem  sie  cjöe  =  dg  6  TtMftaevg 
fassen,  unter  avdgag  amataTag  nicht  Hippomedon  und  Hyperbios, 
sondern  alle  Widersacher  des  Zeus,  die  wie  Hippomeaon,  den 
Gott  durch  ihren  Trotz  herausfordern.  Diese  Erklärung  ist  natür- 
lich falsch,  beruht  aber  doch  auf  dem  riditigen  Gemhle,  dass 
die  Worte,  wie  sie  jetzt  dastehen,  nicht  wohl  bedeuten  können, 
was  sie  allerdings  bedeuten  sollen :  hominum  eandem  quam  deorum 
fortunam  fiituram,^d.  h.  es  ist  wahrscheinlidi,  dass  das  Kriegs- 
glück der  beiden  avTiozarai  dasselbe  sein  werde,  wie  das  ihrer 
SchirmheiTn  Zeus  und  Typhon.  Aber  xal,  was  Heimsöth  ein- 
schiebt,^ steht  eben  nicht  da,  und  selbst,  wenn  es  da  stünde, 
würde  (ode  immer  noch  nicht  i^  laov  TÖig  nqoinacaig  airsCiv 
d'eolg  bedeuten.  Der  Satz  ist  aber  nicht  sowol  im  Ausdruck 
prägnant  und  knapp  gehalten,  als  vielmehr  unvollkommen  und 
verstümmelt.  Uebersetzen  wir  wortgetreu:  „Es  ist  wenigstens 
wahrscheinlich,  dass  die  avTiaTotTai  mit  solchem  Glücke  kämpfen 
werden"^,  so  fühlt  jeder  heraus,  dass  nach  cjöe  hier  ein  wove 
oder  (og  zu  folgen  hatte,  um  den  vermuthlichen  Aus^g  ihres 
Kampfes  zu  bezeichnen.  Wie  die  Lücke  zu  fallen  ist,  davon 
später.  Die  zweite  Frage  ist,  wo  yiovTtco  zig  hingehöre.  Bitschl 
belässt  ihn  an  seiner  Stelle  hinter  q)leyu)v  und  streicht  alles 
übrige  aufser  TtQog  tcjv  hqclthvküv  d '  ia\xev^  o\  d*  ^acwf^evwvy 
dafern  auch  diese  ^f^aig  nur  aus  15  Versen  bestehe.  Ich  will 
mich  auf  eine  Polemik  gegen  diese  Athetese  hier  nicht  einlassen, 
bemerke  aber  so  viel,  dass  ihre  Bichtigkeit  vorausgesetzt,  die 
Ordnung  der  Verse  sein  ;uüsste :  azadalog — ftnag  %m — xot^n»  ^ 


M,  Schmiäi,  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  581 

.  (richtiger  inei,  rig  elde).  Denn  der  Gedankengang  müsste  doch 
wol  sein:  *ein  glücklicher  Zufall  stellte  gerade  die  beiden  Recken 
einander  gegenüber,  welche  Typhon  und  Zeus  als  ihre  Schild- 
zeichen wäiuten.  Das  Symbol  des  Sieges  aber  ist  auf  unserer 
Seite.  Denn  den  Zeus  sah  doch  gewiss  noch  jeder  als  Sieger/ 
Weil  hat  den  Vers  xovtto)  nach  502  fjdxij  eingesetzt:  auch  dies 
ist  ein  unglücklicher  Gedanke,  obwol  sich  xcXiTta)  so  besser  ein- 
fügt, als  bei  Ritschi.  Denn  einer  von  beiden  Versen  ist  ent- 
schieden ganz  überflüssig,  und  ohne  Frage  der  letzte.  Es  gibt 
für  den  Vers  überhaupt  keinen  Platz  in  der  ganzen  Rhesis. 
Denn  auch  awrffayov  und  ix^Qog  hängen  so  eng  zusammen, 
dass  es  kaum  möglich  scheint,  mit:  ^Eg^fg  d'  evloycog  owr^a- 
y&f  rxfonto  xig  «We  Zriva  nov  vi-Ktjf^evov  gleichsam  ein  zwei- 
theiliges Thema  anzuschlagen,  welches  in  den  folgenden  Versen 
ausgesponnen  würde.  Kann  ich  demnach  in  dem  V.  nur  einen 
Eindringling  erblicken  (und  ein  Gemeinplatz  ist  es  doch),  so 
muss  ich  d^^en  seinen  Nachbar  roiaöe  —  trotz  des  a/ra^  d- 
ffril^ivov  nK>V0IAElAj  was  nur  noch  aus  LXX  nachweisbar, 
aber  richtig  von  7rQoaq>drjg  gebildet  ist,  in  Schutz  nehmen; 
schreibe  aW  weder  f4ivT0i,  noch  fih  rig,  sondern  fi*V  roig. 
'So  steht's  um  den  Schutz  der  Dämonen,  welchen  sich  diese 
(Kämpfer)  erkoren  haben.'  Mit  Bezug  auf  JAIMONSIN  steht 
im  folgenden  Verse  der  doppelte  Plural.  Kehren  wir  nunmehr 
zu  V.  504  zurück.  Wir  behaupteten  oben,  dass  nach  ihm  ein 
Vers  ausgefallen  sei  und  glauben  in  der  glücklichen  Lage  zu 
sein,  denselben  restituieren  zu  können.  V.  530  heifst  es  nämlich 
von  Parthenopäus,  sein  Schildzeichen  sei  die  Sphinx  gewesen, 
welche  q>iqat  v(p*  avrfj  wwra  Kaöndwv  Vva  wg  TiXeiax  In 
avd^  T(pd  lajiread^ai  ßArj.  Weil  bemerkt  dazu:  'Haec  valde 
claudicant'  und  neigt  zu Heimsöth's  Schreibung iva  —  laTTTti- 
Tcci.  Doch  begreife  ich  den  Sinn  auch  dieser  Worte  nicht.  Oder 
könnten  wirldich  unter  ßilr],  wie  die  Schollen  (auch  A)  statuie- 
ren, die  owxeg  die  Krallen  der  Sphinx  verstanden  werden? 
könnten  die  Worte  wirklich  übersetzt  werden:  *sie  scheint  ihre 
Krallen  vielmals  in  den  daliegenden  Thebaner  zu  schlagen,  so 
dass  er  ganz  zerfleischt  aussieht?'  Ich  denke,  der  Vers  hat  hier 
^nz  und  gar  nichts  zu  thun,  sondern  ist  aus  unserer  Rhesis 
m  die  folgende  verschlagen.  Zeus  ist  auf  dem  Schilde  des  Hy- 
perbios  mit  dem  Donnerkeil  in  der  Hand  abgebildet  {ßilog). 
Diese  ßiXri  (Blitze)  hoflFt  Eteokles  werden  das  Verderben  des 
Hippomedon  und  seines  Tvphon  sein.  Also:  ei-Kog^ye  Ttga^eiv 
avÖQag  (od^  iwiatatag^  (og  nXeiav^  in'  avdQi  T<pd  lanxEO&ai 
ßiXtj.  Die  weitere  Construction  ist  abhängig  von  der  Syntaxis 
der  letzten  zwei  Verse  505,  6.  Dass  dieselben  jedoch  nicht  den 
Hauptsatz  zu  einem  Conditionalsatz  bildeten,  sondern  eine  för 
sich  bestehende  Periode  sind,  ist  1.  daraus  ersichtlich,  dass  wir 
kurz  vorher  nirgend  einem  yaQ  begegnen;  2.  dass  aus  Scbol. 
OPQ  TTttvrwg  {xat  om.  0)  sich  die  Lesart  ^Yne^ßlifi  toi  nicht 


58S  M.  Schmidi,  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

T€  ergibt;  3.  aus  der  rhetorischen  Symmetrie  der  ganzen  Rhesis 
332,  552,  wonach  alles  von  Toiade  bis  V.  505  zusammengehört. 
Wir  haben  also  zu  übersetzen:  ^Solche  Freunde  sind  es,  weldie 
sich  die  beiden  Gegner  aus  der  Zahl  der  Götter  erkoren  haben. 
So  nach  stehen  wir  auf  Seite  der  Sieger,  jene  der  ünt^l^nen. 
Wenigstens  ist  wahrscheinlich,  dass  der  Kampf  zwischen  den 
beiden  Gegnern  dergestalt  ausfallen  werde,  dass  auf  diesen  Mann 
(Hippomedon)  Geschosse  die  Menge  geschleudert  werden.  Jeden- 
falls dürfte  Zeus  dem  Hyperbios,  aer  ihn  zum  Schildzeidien 
wählte,  schirmend  beistehen.'  Oder^evotTo,  als  Wunsch:  mödite 
beistehen!  Müfsig,  oder  darauf  berechnet,  einem  schwachen  Be- 
griffsvermögen zu  Hilfe  zu  kommen,  ist  hier  nichts.  Denn  uxog 
ye  XL  s.  w.  restringieren  zugleich  das  Uebermals  des  in  Ttfog 
züv  xQaTovvTtav  ia^ev  sich  kundgebenden  Vertrauens  dahin,  dass 
wenigstens  am  onkäischen  Thore  den  Thebanem  der  Sieg  durch 
die  Hilfe,  welche  Zeus  dem  Hyperbios  gewähren  werde,  gewähr- 
leistet scheine.  Also  haltbar  wäre,  wie  oben  gesajgt  ist,  die 
Stellung  der  Verse  nach  dem  Mediceus.  Aber  sie  ist  holprig. 
Glätte  und  Fluss  kommt  hinein,  wenn  wir  ordnen: 

Touide  fikv  tolg  n^otSifCUut  Saifiovatv; 

nqog  T(ov  xQtxTovvTon/  «f*  icfikv  ot  <f*  i^aatofiivutv, 

il  Zevg  yi  Tv(fti  xaQjiqtaTeoog  fia^rff 

iixos  ti  nQtt^HV  ä^i  ifmt*  avruxtctta 

^YneQßifp  TOI  TtQos  loyov  tov  ai^fiarog 
aairi}^  yivotto  Zeig  in'  danCdog  rv^tov. 

Mit  'YneQßlip  tritt  der  Bhetorik  zu  Liebe  Constructionswechsel 
ein,  statt  ^Yn€Qßi(it  de  ysvia^on  Zrva  auntjQa. 
V.  540: 

ianv  Sk  xal  t^J*  ov  liyiig  tov  lAqxaia 
ttv^Q  axofinos,  /€^  (f  *  6q^  x6  ^^aifiov, 
'!A3ct(oq  doeXifog  tov  nuQog  XsXeyfjiivov. 

Die  Charakterzeichnung  ist  ähnlich,  wie  die  anderer  thebanischer 
Helden,  deren  einer  %6f47vov  h  xe^oly  Mxvav  heilst,  ein  anderer 
q>ilel  aiy^v.  An  d'  oqS  hat  man  viel  herumgebessert,  doch 
färchte  ich,  dass  durch  die  mediceischen  Schollen  und  A  über- 
dies eine  Lücke  indiciert  ist.  Jener  umschreibt:  aXko  av6h  r 
aiwnav  fiiv  olöev  rij  öi  x^^Q^  noke^elv,  dieser  akko  aviip  cl- 
dev  ovTog  rj  aiianav  rn  de  x^^Q^  Trokefielv.  Daraus  erräih  man 
unschwer,  dass  beide 'im  Texte  eine  Phrase  fanden,  wie  ovdir 
alko  nlrp^  (Soph.  Ai.  Dawes  Mise.  p.  326,  Ar.  Ach.  376  c. 
not.  Mülleri),  oidev  aUo  y'  r^  (vgl.  Pers.  209),  owl«y  aU'  r 
(Ar.  Lysistr.  427)  und  ihr  aitonav  mit  eldivcLi  verbunden  war^ 
wie  bei  Euseb.  ap.  Stob.  I,  p.  45  ed.  Lips.  uäeirpf  aiym.  Das 
ddev  des  Scholiasten  könnte  freilich  auch  seinen  ^ürsprmi^  dnem 
Misverständnis  verdanken,  wie  Ar.  Av.  19  toi  d'  am  aq  ^tnrp^ 
avdev  aHo  ^Xijv  daxveiv  die  von  Cobet  Phrem.  VII,  p.  276 
corri^erte  Art  ^W^,  lies  ^ti^,  und  Amphid.  Diog.  L.  IQ,  28 
iig  ovdev  olad'a  nkrv  axv&iiamciuv  fiovWf  lies  ^'^,  allein 


M.  Schmidt,  Zar  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  58S 

das  ist  doch  an  wahrscheinlich,  da  dvm  in  dieser  Verbindung 
wol  nur  der  Komoedie  gehört.  Eine  sichere  Ergänzung  ist  natür- 
lich unmöglich,  doch  dürften  die  Worte: 

KV^q  ttxofxnogf  [^    —  ]  ovdkv  älXo  y*  rj 
^AxTOfQ  xrl, 

der  ursprünglichen  Fassung  ziemlich  nahe  kommen.  Der  Anfang 
könnte  lax(av  oder  xoi^eig  avtjQ  axofiTtog  gelautet  haben. 

Ausfall  zweier  Halbverse  scheint  auch  V.  669  stattgefunden 
zu  haben.  ^Es  genügt,  sagt  der  Chor,  wenn  sich  Argiver  und 
Eadmeer  im  Handgemenge  morden.  Wer  fremdes  Blut  vergofs, 
kann  gesühnt  werden.  Wenn  sich  aber  Brüder  morden,  so  ist 
dies  ein  Gr&uel,  den  die  Zeit  nicht  tilgt,  der  ninmaer  altert.' 
Das  ist  ganz  verständlich,  aber  die  Worte: 

dvS^oTv  <f'  ofiatfjioiv  S-avarog  eScf*  ttvToxTovogf 
ovx  tati  yrJQag  rov^e  tov  fAutaficiJog 

weisen  eine  Syntaxis  auf,  die  man  unmöglich  gut  heifsen  kann. 
Wie  sollte  Aeschylus  unnützer  Weise  oi  yr/Kxa^u  so  umschrie- 
ben haben,  dass  der  Nominativ  ^avarog  plötzlich  als  Genetiv 
zu  fassen  wäre.  Die  Schollen  A  und  Medic.  saugen:  orav  adehpoi 
ovroüTOveg  (sie)  yivu)wai  xai  ovrcog  avTwv  6  d^dvazog 
yivfjTai.  Für  mich  enthält  diese  Interpretation  den  Hinweis 
auf  ein  ausgefallenes  otav  yivr(tai^  also  auf  einen  ausgefallenen 
Vers.   Derselbe  mag  versuchsweise  so  ergänzt  werden: 

ttvSQOiv  (T*  ofXtttfAOirV  [dia  fidyrig  ßeflrixoTOiV 
evT*  av  yivriTiti]  Otivarog  26    ccvroxiovog, 

Ueber  dia  fiaxrjg  ß>  Nauck.  Eurip.  Stud.  II,  p.  38.  Ich  glaube 
nicht,  dass  man  die  Ansprüche  an  rhetorische  Symmetrie  so 
weit  treiben  werde,  für  Satz  und  Gegensatz  je  zwei  Verse  zu 
fordern.  Wer  das  gleichwol  thut,  könnte  eWe  in  dlde  verändern, 
müsste  jedoch  bedenken,  dass  eirrt  nicht  wie  ein  schwer  ver- 
derbtes Wort  aussieht  und  da^  es  auch  Soph.  OC.  954  heifst: 
Qvfiov  yoQ  ovdiv  y^g  icTiv  allo  Ttli/v  d'avelv.  Es  würde  also 
offenbar  ohne  gewaltsamere  Heilmittel  nicht  abgehen.  Denn  auch 

dv^Qoiv  (T*  ofiaCfiotv  x^Q^^'^  ^^^  avroxzovoig 
ovx  £?fft  yrJQag 

ist  keine  leichte  Aenderung,  obschon  sich  für  ihre  Rechtferti- 
gung das  vorausgehende  elg  x^'^Q^^Q  i^^iv  und  V.  797,  8: 

A.  av^Qtg  t€&väaiv  ix  X^Q^  avtoxjovtov, 
X.  ovtfog  ofiaifioig  jjff^trly  rjva^Qovr '  uyav; 

verwenden  lielse.  Sonach  ist  meiner  Meinung  nach  Ergänzung 
eines  Verses  das  sicherste  Mittel.  Zu  yivrfuai  ^avarog  vgl.  Suppl. 


V.  562: 

xal  tdv  aov  av&ig  nqoOfAoqav  ddiltpiov. 

Letztes  Wort  ist  natürlich  Glossem,  und  zwar  höchst  wahr- 
scheinlich zu  ofioanonov.  Da  der  Sinn  zu  verlangen  scheint, 


584  M.  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben. 

dass  der  Kretikus  durch  ein  Wort,  wie  nQoaßUTrtav  oder  hoi- 
doQuiv  ausgefüllt  werde,  dürfte  es  nicht  unpassend  sein,  an  nQov- 
aehiov  zu  denken,  was  in  den  Handschriften  an  den  wenigen 
Stellen,  wo  es  überhaupt  vorkommt,  durch  Tttjoaeldv  vertreten 
wird.  —  V.  544  ist  x^tjqoq  richtig  von  Weil  als  Glossem  zu 
dayiovg  erkannt  und  dafür  Täxog  eingesetzt.  Möglich  wäre  auch 
TTVQyov,  oder  etwa  ^acQov? 

V.  613  verlangt  das  Metrum 

S^  >m^  f        S^  >^  >m^  —         KJ  —" 

Dagegen  gibt  unser  Text:  fjineveQas  releid-*  dg  noXig  evrvxf^. 
Aber  fmeriqag  ist  offenbar  Glossem  zu  XiTotg  oder  zu  nolig, 
wie  aus  Schol.  OP  erhellt:  Xirag  ^fiercgag  und  kurz  darauf 
nochmals :  f x  rTjg  rnxeriQag  Ttolewg  Tqinovxeg  ra  ano  %ov  noli- 
^lov.  Das  Scholion  aber  ist  alt  und  trägt  ganz  das  Gepräge 
von  A.  Dies  vorausgesetzt,  bleibt: 

TikeTd-*  <ag  s^    —    s^    s^    >^   cuTv^j 

SO  ZU  ergänzen,  dass  dazu  sowol  rfxereqag  jtoXewg  Glossem  sein 
konnte,  als  auch  nohg  als  Lesart  des  Textes  sich  genügend 
erklären  lässt.    Dies  wird  leicht  erreicht  durch: 

Vgl.  Soph.  Ant.  163  avdqeg,  za  fiiv  dij  Ttoleog  acq>ahig 
&€ol  [wQd'(oaav.  Der  Chor  fasst  sein  Gebet  absichtlich  so  unbe- 
stimmt, weil  er  dem  fronmien  weisen  Amphiareus  nichts  Böses 
anwünschen  mag.    Die  folgenden  Worte: 

öo^tnovtt  xdx*  IxTQinov- 

(fg 
Tfg  yag  inifxolovg, 

wofür  andere  Hds.  yag  Tiqbg  inifiolovg  schreiben,  scheinen: 

—  Tfg  (og  i/ri/nolovg 

gelautet  zu  haben.  Zu  log  waren  dg  und  Ttfog  gleich  ange- 
brachte Glosseme. 

Y.  674. 

t(  fjiifji(yi>ttgy  rixvov; 

Gegenstrophe  witiodaKi^  o^  ayav.  Also  ist  zu  lesen  nij  fnifiovag 
rinvov;  nach  dem  homerischen  Ttij  ^i^atov.  *  Wohin  strebst  du? 
Kind.'  Dass  sich  von  diesem  IIH  in  der  alten  Variante  /lijU)^ 
vag  eine  Spur  erhalten  haben  sollte,  möchte  ich  nicht  behaup- 
ten. Sehr  schwierig  sind  die  voraufgehenden  Verse  671—73. 
Obgleich  nicht  im  Stande  sie  sicher  zu  corrigieren,  will  ich 
wenigstens  ihren  Inhalt  herstellen.  Es  kann  kein  anderer  sein, 
als  der  von  Dindorf  zu  Grunde  gelegte,  wenn  er  mit  Verwerfung 
eines  Verses  der  Antwort  des  Eteokles  die  Fassunj?  gibt:  daivov 
(.ih  ioTiv  akk  oinwg  ex^i  nkiog.  xakciv  de  mjtox(jiiv  cXniy* 
evTdeiav  igeig.  Die  Keduction  der  Verszahl  auf  zwei  ist  offenbar 
falsch,  da  bis  V.  700  Eteokles  durchweg  seine  Antworten  in 
drei  Verse  fesst,  aber  der  Sinn  ist  allermngs:  *Wenn  jemand 


M,  Schmidt,  Zur  Kritik  der  Sieben  gegen  Theben.  585 

Unheil  erdulden  muss,  so  treffe  ihn  wenigstens  kein  Schimpf 
dabei.  Denn  wer  ehrenvoll  untergeht,  hat  doch  den  guten  Na- 
men gerettet.  Verbindet  sich  aber  der  Schimpf  mit  dem  Un- 
heil, kann  von  ^xleia  keine  Rede  mehr  sein.'  Da  nun  der 
Med.  Scholiast  den  ersten  Vers  umschreibt  ei  olcog  ng  aTvxei 
TMiXop  To  äixcc  alaxvvtjQ^  wird  nichts  darin  zu  ändern  sein, 
höchstens  dass  alaxvvtig  y '  ctreg  wahrscheinlich  dünkt.  Im  fol- 
genden scheinen  die  alten  Schollen  allerdings  itiovop  yccQ  xegäog 
fv  zu  schützen,  so  dass  Weil  nicht  weiter  zu  gehen  gewagt  hat, 
als  h,  Tov  ftr  lano  und  iv  für  JV  zu  schreiben.  Aber  A  scheint 
etwas  ganz  anderes  gelesen  zu  haben,  wenn  er  sagt:  6  yaq  //? 
vwTa  didovg  zöig  ix^Qoig  heivog,  (prjfiUy  tov  d^avazov  eTTidex^cci 
hvi/inog  xal  evxXsaig  xai  aei  iitaiveiTat  ym  lAaycaQiCevat.  Er 
muss  statt  yjQÖog  ein  xvdog  gefunden  haben,  und  für  h,  wie  schon 
Bücheier  vermuthet  hat  Bhein.  Mus.  XV,  p.  298,  er.  Mit  gi-öfserer 
Sicherheit  liefse  sich  corrigieren,  wenn  wir  über  die  Bedeutung 
von  xcfxoy  <p^Qoi  rig  ganz  in's  Klare  kommen  könnten.  Denn 
Tig  kann  der  Leidende,  aber  auch  der  Beleidigende  sein,  mithin 
TiOTiov  q>€Q£iv  Uuglück  dulden,  aber  auch  jemandem  Uebles  zu- 
fügen bedeuten.  Die  Schollen  haben  sich  für  aivx^lv  entschie- 
den; ich  würde  die  zweite  Bedeutung  vorziehen  und  ungeföhr 
folgendes  als  die  Worte  des  Dichters  betrachten: 


Oder: 


*Efxol  xttxöv  (f^Qot^  tig  aiaxi^'tjg  y*  «Vf(>, 
ftn€Q.  fiovi^  yag  xvdog  ei  Ti^rjxoTi, 
Xttxdiv  d^  xi}axQviv  ovTiv*  svxlstav  fQfTg. 

tiniQy  xuxitv  (f^QOi.  m  afaxvvfig  y*  ceriQ. 
aeawauh'ov  yng  xv^og  (v  Tf &vrjx6ai,  u.  s.  w. 


Prometheus. 
V.  12: 

K{MToc  lila  Tf,  an^iv  filv  hToli]  Jioc 
?/€!'  j(Xoc  ^fj. 

Der  Gegensatz  oiff^v  und  iyw  lehrt,  dass  cry^j^j'  nicht  richtig 
sein  kann,  sondern  von  einer  Präposition  abhängig  zu  machen 
ist.  Dies  kann  nur  ex  gewesen  sein.  Von  Euch  her,  d.  h.  so 
weit  Euere  Unterstützung  dabei  in  Anspruch  genommen  wurde, 
steht  der  Vollziehung  von  Zeus'  Auftrag  nichts  mehr  im  Wege, 
mir  fehlt's  nur  noch  an  der  Tok^t]  u.  s.  w. 
V.  15: 

Im  Medic.  steht  tiJL  mit  überschriebenem  tvqoc.  Daraus  möchte 
ipan  schliefsen,   dass  (pagayyi  r^ide  dvaxififp  zu  schreiben  sei. 
Zu  dv<Jxi(Aog  finden  wir  allerwegen  dvaxei^^Qoc  als   Glossem. 
S.  Pers.  565.  Eur.  Bacch.  15.  Sept.  504. 
V.  41 : 

oiov  Tf  ndic  ov  jovTO  SufiaiviiC  nliov. 

Die  ersten  Worte  scheinen  ein  Glossem  zu  sein,  für  aq '  tad^  ojum. 
Jena.  M.  Schmidt. 

2«tttclirift  L  d.  ötterr.  Qymn.  186S.  VlII.  H«ft.  40 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

Vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Gedichten  des  Q.  Horatius 
J<1  accus.  Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  schwierigen  Stellen 
für  den  Schul-  und  PriTatgebrauch,  von  Dr.  G,  A.  Koch.  HannoTer, 
Hahn,  1863.  -  1  Thlr. 

Wenn  sich  der  Hr.  Verf.  ini  Beginn  seiner  Vorrede  die  Mühe  nimmt, 
den  Nutzen  eines  Specialwörterbuches  für  Horaz  zu  beweisen,  so  ist  es 
charakteristisch,  dass  er  hauptsachlich  bei  dem  Gesichtspunct  verweilt,  dass 
er  auch  eine  Vorarbeit  für  einen  Thesaurus  linguae  latinae  liefere,  den 
Schulzweck  aber  rasch  abthut.  Man  mag  dem  Hrn.  Verf.  zugeben,  dass  der 
Schüler  ein  Buch,  das  ihm  besonders  über  die  mancherlei  realen  Schwierig- 
keiten fast  immer  entsprechenden  Aufschluss  gibt,  nicht  ungeme  gebranchen 
wird:  aber  ruht  hierin  zumeist  die  Schwierigkeit  der  Horazlectüre?  Sind 
es  denn  nicht  vielmehr  Inhalt,  Zweck,  Beziehungen,  Abfassungszeit  der 
Gedichte  als  ganzen,  auf  die  in  vielen  Fällen  für  die  Erklärung  das  aller- 
meiste ankommt?  Und  gerade  diese  Art  von  Erklärung  musste  von  dem 
Buche,  soweit  sich  nicht  dieses  und  jenes  an  einen  Namen  anknüpfen  lassen 
konnte,  ferne  bleiben.  Darum  werden  wol  kaum  die  Schüler  neben  dem- 
selben einen  Commentar  entbehren  wollen.  Ob  für  den  wissenschaftlichen 
Gebrauch  ein  solches  Buch,  das  trotz  unverkennbarer  Sorgfalt  noch  nicht 
vollständig  ist,  viel  Bedeutung  gewinnen  wird,  ist  zu  bezweifeln.  Hiefür 
ist  vorläufig  für  die  Oden  und  Epoden  durch  den  Vocabelindex  der  Eel- 
ler'schen  Ausgabe  vollständig  gesorgt,  dem  sich  ho£fentlich  im  zweiten 
Bande  ein  für  die  Satiren  und  Briefe  gearbeiteter  anschliefsen  wird.  Be- 
rücksichtigt sind  so  ziemlich  alle  neueren  Ausgaben,  ohne  dass  man  jedoch 
ganz  sicher  erkennt,  welcher  der  Herausgeber  am  meisten  folgt,  ausserdem 
eine  ziemliche  Zahl  der  neuesten  in  Programmen  und  Zeitschriften  zer- 
streuten Horatiana  ausgebeutet.  Zu  bedauern  ist  es,  dass  das  Buch  kurz 
vor  der  Keller*schen  Ausgabe  der  Oden  erschienen  ist,  die  Feststellung  der 
Ueberlieferung  und  die  fast  ängstliche  Bückkehr  zur  selben  wären  auch 
diesem  Buche  zu  Gute  gekommen. 

Nun  einige  Kleinigkeiten,  die  uns  aufgestofsen  sind.  Dafür,  dass 
auch  dieses  Buch  noch  lange  nicht  vollständig  ist,  vgl.  man  nnter  anderen 
aeuum,  wo  für  die  Bedeutung  'Lebensalter*  Od.  2,  2,  5.  3,  11,  5  fehlen, 


Koch,  Wörterbuch  sm  Horatius,  attg.  v.  X.  Vielhaber.  587 

omnii,  wo  neben  omne  pecus  Ep.  1,  5,  2  oinne  oius  tehlt,  postmodo,  wo  zu 
dem  einzig  angeführten  S.  2,  6,  27  noch  0.  1,  28,  31  zu  stellen  war, 
primuSy  wo  0.  4,  14,  31.  S.  2,  8,  45  fehlen,  qualis,  wo  der  Hr.  Verf.  selbst 
durch  ein  *u.  ö/  angibt,  dass  er  vollständige  Angaben  nicht  beabsicht, 
was  freilich  nicht  recht  mit  der  Vorrede  S.  VI.  stimmt.  Unter  infwrresco 
ist  die  0. 1,  23,  5  f.  von  Bentley,  Meinecke,  Pauly,  Linker  und  selbst  von 
Keller  befolgte  Leseart  erwähnt,  bei  aduentiis  nicht,  ja  uepris,  das  die 
Genannten  an  Stellen  von  ueris  setzen,  fehlt  ganz.  Unter  diens  ist  zu  sehr 
das  ursprüngliche  Verhältnis  hervorgehoben ;  unter  doctus  ist  zu  erwähnen, 
dass  Uoraz  es  nicht  selten  vom  Dichter  gebraucht,  s.  Obbarius  zu  Od.  3, 
8,  5.  Unter  fahula  ist  die  bekannte  absurde,  dem  Oedankenzusammenhang 
schnurstraks  widei-sprechende  Erklärung  des  alten  Verderbnisses  (s.  Keller) 
fabvXaeque  numea  0.  1,  4,  16  ganz  ohne  Hinweisung  auf  das  bedenkliche 
der  Worte  hingestellt.  —  Graitis,  Ein  Gebrauchsunterschied  zwischen 
Grotus  und  Graecus  konnte  nach  Dillenburger  zu  0.  2,  4,  12  genauer 
gegeben  werden.  Eben  so  ist  der  Gebrauch  von  kmare  und  lauere  (nicht 
blo&  im  Infin.)  fest  bestimmt,  s.  Dillenburger  zu  0.  2,  3,  18.  Unter  plenus 
fehlt  die  Verbindung  ad  pleimin  0.  1,  17,  15.  —  Ulcerosus  0.  1,  25,  15 
ist  nicht  genau  erklärt,  s.  Nauck  zu  der  Stelle.  —  Ut.  Seitdem  Wunder 
ut  (dass)  aus  dem  lU  (wie)  abzuleiten  versucht  hat,  ist  mehrfach  die  Schwie- 
rigkeit, die  ut  an  manchen  Stellen  bietet,  durch  die  Auffassung  als  adverbium 
interrogatiuum  zu  heben  versucht  worden.  So  auch  im  vorliegenden  Buche 
furS.2,  1,  50.  Das  richtige  ist  aus  Meiring  Lat.  Graimn.  §.  790—792  zu 
entnehmen.  Nicht  fehlen  sollte  %U  =  seit  0.  4,  3,  41  (vgl.  Nipperdey  zu 
Tac.  A.  14,  53).  —  Depello.  Für  0.  4,  4,  13  f.  wird  die  übliche  Erklärung, 
wonach  nuxtris  ah  ubere  iam  lade  deptUsum  zusammengehören  soll,  ange- 
führt, ohne  dass  die  jedenfalls  bessere,  die  Nauck  gibt,  auch  nur  erwähnt 
wird.  Es  sei  mir  erlaubt  in  möglichste  Kürze  meine  Auffassung  der  Stelle 
zu  geben.  Die  Strophe  lautet: 

Qualemue  laetü  caprea  pascuis 

Intenta  ftütiae  »untris  ab  ubere 

Iam  lacte  depulsum  leoneni 

Deute  nouo  perUura  uideU 
Da  in  den  vorigen  zwei  Strophen  immer  die  zwei  ersten  und  zwei  letzten 
Verse  eng  zusammengehören,  erwartet  man  von  vorne  herein,  dass  auch  in 
dieser  mtxtris  ab  ubere  zum  Subject  gehört  {caprea)  nicht  zum  Object 
Uonem.  Aehnliches  will  Nauck,  nur  hat  er  ab,  das  er,  wenn  ich  ihn  recht 
verstehe,  'entfernt  von*  fasst,  nicht  richtig  verstanden.  In  Erinnerung  an 
den  bekannten  Gebrauch  von  ab  =  'von  —  aus*,  'auf  Seite*  verbinde  ich 
mairis  ab  ubere  zunächst  mit  dem  Subject  caprea  nach  Analogie  von  Stellen 
wie  Liv.  37,  44,  4  und  Tac.  A.  2,  47  Magnetes  a  Sipylo,  Diese  CJonstruc- 
tion  ist  hier  um  so  leichter,  als  das  Zeitwort  uidü  auf  das  Setzen  dieser 
Präposition  eingewirkt  hat  und  mittelbar  dieselbe  auch  aufs  Verbum  zu 
beziehen  ist,  gerade  so  wie  in  dem  bekannten  nXX  ovjoi  t6v  yi^  'At^a 
nuyxoCvov  kifivag  7r«T/(>*  dvaiuaiis.  Also  das  an  dem  Euter  der  Mutter  be- 
findliche Reh  sieht  von  da  aus  den  jungen  Löwen.  Hiermit  ist  aber  durch- 
aas nicht  nothwendig  verbunden,  dass  das  junge  Beh  auch  saugt,  sondern 

40* 


688         Koch,  Wörterbuch  zn  Vergiliuß,  ang.  v.  L,  Vielhaher. 

nur  gesagt,  dass  es  an  die  Mutter  sich  anschmiegt,  unter  ihrer  Hat  das 
saftige  Gras  der  Wiese  weidet  =  intenta  laetis  pasouis.  Wir  haben  also 
den  jungen  Löwen  gegenüber  einem  jungen  Reh,  beide  schon  entwöhnt, 
aber  den  Löwen  schon  auf  Kampf  und  Beute  ausgehend ,  das  junge  Reh 
hilflos  bei  seiner  Mutter  Schutz  suchend. 

Angehängt  ist  ein  'Syntactisch-rhctorischer  Anhangt  der  einige 
grammatische  und  stilistische  Seltenheiten,  die  bei  Horaz  sich  finden, 
vorführt.  Besonders  tief  geht  bis  jetzt  der  Hr.  Verf.  nicht  ein;  so  sind 
zwei  sehr  wichtige  Puncte:  Stellung  eines  gemeinsamen  Wortes  im  zweiten 
Gliede,  die  sich  nicht  auf  Präpositionen  beschränkt  (?gL  0.  3,  4,  6  f.  4,  2, 
5—8  u.  0.  und  auch  Schneider  adn.  crit.  zu  Cses.  b.  g.  5,  7,  9)  und  die  in  den 
Satiren  und  Episteln  so  häufige  Coordination  hypothesischer  Vordersätze 
so  gut  wie  nicht  berücksichtigt.  Da  der  Hr.  Verf.  den  Anhang  selber  als 
Anfang  betrachtet,  so  möge  er  die  Sache  verfolgen,  wobei  jedoch  zu  wünschen 
ist,  dass  er  die  andern  Dichter  zu  Rathe  zieht  (wenn  auch  nicht  für  die 
Beispiele),  dass  er  die  einschlägige  Literatur  möglichst  vollständig  benütze 
(Jacob,  Obbarius,  die  gut  zusammengestellte  praefatio  von  Grjsar  u.  a)  end- 
lich dass  er  sich  einen  festen  Plan  mache,  was  in  diesen  Anhang  gehört 
und  was  nicht. 


Vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Gedichten  des  P.  Vergilius 
Maro,  mit  steter  Berücksichtigung  des  dichterischen  Sprachgebrauches 
und  der  für  die  Erklärung  schwierigeren  Stellen  von  Dr.  G.  A.  Koch. 
Dritte  vielfach  verbesserte  Auflage.  Hannover,  Hahn,  1863.  —  25  Sgr. 

Vorliegendes  Buch  ist  die  neue  Auflage  des  leider  in  den  Schulen 
ziemlich  verbreiteten  Wörterbuches  von  Crusius.  Wenn  ich  gegen  das  Wörter- 
buch zu  Horaz  nur  solche  Bedenken  erheben  konnte,  die  gegen  die  Noth- 
wendigkeit  und  Zweckmäfsigkeit  eines  horatianischen  Specialwörterbuches 
überhaupt  gerichtet  waren,  so  ist,  wenn  man  auch  anerkennen  mag,  dass 
der  Hr.  Verf.  das  Buch  verbessert  hat  —  ich  kann  es  nur  mit  der  ersten 
Ausgabe  des  Crusius'schen  vergleichen  — -  noch  so  viel  zu  thun  übrig,  dass 
wir  vorläufig  es  von  der  Schule  am  besten  fernhalten. 

Das  erste  Erfordernis  eines  Lexikons  ist  Vollständigkeit  der  Artikel 
Wenn  man  noch  auf  lange  hinaus  an  unsere  Handwörterbücher  und  Thesauri, 
ohne  ungerecht  zu  sein,  die  Forderung  einer  Vollständigkeit  in  Eigennamen 
nicht  wird  stellen  können,  wenn  man  nur  im  allgemeinen  fordern  darf, 
dass  die  jeweilig  zuverlässigsten  Texte  zu  Grunde  gelegt  werden:  so  ist  es 
doch  nicht  zu  viel  verlangt,  dass  ein  Specialwörterbuch  sämmtliche  Vocabeln 
seines  Schriftstellers  enthalte,  um  so  mehr  dann,  wenn  man  auf  Eigen- 
namen nicht  besonders  Gewicht  legt  und  in  Bezug  auf  Worte,  welche  erst 
durch  neuere  Conjecturalkritik  in  den  Text  Aufnahme  gefunden,  Aus- 
nahmen gestattet.  So  sollte  G.  4, 270  amellus,  das  seit  jeher  im  Texte  steht, 
nicht  fehlen,  ebenso  wenig  ebendaselbst  135  etiamnum  und  aquori  G.  4, 
193.  In  eine  eigenthümliche  Schwierigkeit  hat  sich  der  Hr.  Herausg.  ver- 
setzt durch  die  Art,  wie  er  der  handschriftlichen  Orthographie  gerecht  zu 
werden  versucht  hat.  Dass  es  gerade  jetzt  eine  mialiche  Sache  ist  hierüber 


Koch,  Wörterbuch  zu  Vergilius,  ang.  v.  L.  VieVhdber.  589 

zu  entscheiden,  hat  vor  kurzem  Professor  £.  Hoffniann  an  ein  paar  Bei- 
spielen gezeigt;  ob  und  wie  diese  Frage  in  einem  Schulwörterbuch  be- 
handelt werden  soll,  mag  fraglich  bleiben,  wiewol  nach  meiner  Ansicht 
die  Inconsequenz  unserer  ältesten  Handschriften  und  kritischen  Ausgaben 
nur  dann  iu's  Lexikon  gehört,  wenn  man  alle  Stellen  auffuhrt:  aber  das 
ist  sicher,  dass  neben  nöthiger  Consequenz  {adpcvreo  neben  apparo  in  un- 
serem Buche)  in  den  Lemmatis  es  nicht  unrichtiges  bringen  soll.  So  hat 
das  Buch  h\o£s  conprimOy  während  doch  G.  4,  87  sowol  Wagner  als  Rib- 
beck compressa  geben.  Selbst  aus  Bücksichten  der  Schule  wäre  es  zweck- 
mä/sig,  bei  jedem  Worte  zu  zeigen,  ob  in  sämmtlichen  Virgilianischen 
Dichtungsarten  oder  in  welcher  es  sich  findet.  Man  vgl.  curare^  das  im 
Sinne  *sich  kümmern*  auch  in  G.  1,  504  und  ferratWj  das  nicht  blo/s  in 
der  Ae.,  sondern  auch  in  den  G.  3,  36  vorkömmt. 

Im  folgenden  will  ich  einzelne  Stellen  anführen,  an  denen  mir  das 
vom  Verfasser  gebotene  fehlerhaft  oder  mangelhaft  scheint.  Ausgeschlossen 
bleiben  Vermehrungen  von  Citaten  in  allen  Fällen,  wo  nicht  eine  Bedeu- 
tung übersehen  ist.  arhor.  Wie  steht  es  zwischen  arbor  und  arbos  ?  —  at. 
Der  elliptische  Gebrauch  von  at  non  G.  3.  349  fehlt.  —  aula.  auch  von 
Bienen,  G.  4,  90.  —  "cliuosus  hügelig,  steil  G.  1,  108.  2,  212  von  diuus 
sanfte  Anhöhe,  Hügel  E.  9,  8.  G.  3,  293.'  —  concurro,  G.  1,  318  ist 
ungenau  angeführt.  —  condo.  für  die  eigentliche  Bedeutung  fehlt  die  Con- 
struction  in  locum  vgl.  G.  4,  66.  —  deterior.  G.  4,  89  ist  deterior  nicht 
Attribut  sondern  Prädfcat.  —  exsto.  G.  3,  370  ist  falsch  erklärt.  Es  ist 
dort  nicht  'in  die  Höhe  ragen  mit  den  Geweihen*,  sondern  aus  dem  Schnee 
herausragen.  —  foiieo.  'cubilia  riniosa  (der  Bienen)  ungue  d.  i.  verstreichen 
und  dadurch  gegen  Frost  und  Ungeziefer  schützen  G.  4,  46.*  Es  ist  doch 
nicht  in  den  Versen  :  tu  tarnen  et  leui  rimosa  cubüia  linw  \  Ungue  fouens 
circum  et  raras  superinice  frondea  etwa  ungue  als  ablativ  gefasst?  Unter 
ungtw  steht  freilich  das  richtige.  —  ghUen  und  lacriina.  Verworren  und 
sich  widersprechend.  —  iinber.  Der  Abi.  imbri  G.  1,  393  fehlt.  —  induresco, 
G.  3,  366  steht  nicht  horridis  barbis  (Versschluss),  sondern  korrida  barbis. 

—  labor.  Auch  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Prädicat  zu  einem  Infin.  — 
Neptunus.  metonym  für  Wasser,  G.  4,  29.  —  ora.  Zu  erklären  ist  ora 
loricae  Ae.  12,  924.  —parcus.  Die  Auffassung  der  Stelle  G.  1,  4  von  Wagner 
und  Forbiger  sollte  mindestens  erwähnt  sein.  —  penUus.  Es  fehlt  die  Be- 
deutung 'tief  drinnen*  G.  4,  43.  —  praeceps.  G.  3,  359  vertritt  das  Wort 
ein  Partie,  perf.  —  profluo.  G.  425  ist  es  nicht  'hervorfliefsen*,  sondern 
'vorwärtsfliefsen*.  —  remitto.  A.  4,  436  musste  erklärt  werden.  -—  scaber. 
In  der  Verbindung  mit  robigo  G.  1,  495  ist  es  'schartig  machend*.  —  sin. 
Anzuführen  war  dn  autem  ohne  hervorgehendes  8t  G.  4,  67.  —  supra.  G. 
4,  246  ist  ungenau  angeführt.  —  terra.  Zu  beachten  ist  der  Plural  im 
abstracten  Sinne  z.  B.  G.  4,  117,  während  von  einem  hestimmten  Land 
der  Singular  steht.  —  usque.  Zu  erwähnen  war  usque  adeo,  G.  4,  84.  — 
uideo.  Das  Passiv  steht  im  eigentlichen  Sinne  G.  4,  89.  —  alter,  ille  alter. 
G.  4,  93.  —  cursus.  metaphorisch  vom  Dichter  G.  1,  40.  —  demitto.  G.  2, 
524  sollte  nicht  fehlen.  —  dem  =  göttHcher  Geist,  Weltgeist.  G.  4,  221. 

—  inflo.  Die  Construction  mit  effectivem  Object  fehlt.  G.  2, 540.  —  inspiro. 


500        Georges,  Deutsch-lat.  Wörterbuch,  aug.  v.  L,  VieJhaber, 

G.  4,  237  ist  nwrsibus  sicher  Ablati?.  —  primus.  Es  fehlt  cum  primis  G. 
1,  178.  —  soliw.  Die  von  G.  4,  199  gegebene  Erklärung  ist  jeden&lls  sehr 
zweifelhaft.  

Kleines   deutsch -lateinisches  Handwörterbuch    von    Dr.  K  E. 
Georges.  Leipzig,  Hahn,  1865.  —  2  Thlr. 

Der  auf  dem  Felde  der  Lexikographie  bekannte  und  geschätzte  Hr. 
Verf.  hat  neben  seinem  gröfseren  deutsch -lateinischen  Handwörterbuch 
das  vorliegende  'kleine*  erscheinen  lassen,  das  vorzugsweise  den  Zwecken 
der  Mittelschulen  dienen  soll.  Indessen  ist  auch  dieses  noch  zu  einem  sehr 
bedeutendem  Umfange  angewachsen,  denn  es  zählt  nicht  weniger  als  84  Bo- 
gen in  Grofsoctav  mit  2690  Spalten.  Und  dieser  bedeutende  Umfang  ist 
derart  ausgefüllt,  dass  manches  weggeblieben  ist,  was  kaum  zum  Vortheil 
des  Buches  fehlt.  So  kann  ich  keinen  Vortheil  darin  sehen,  dass  nicht 
durch  Angabe  der  Auetoritat  oder  durch  eine  andere  kurze  Bezeichnung 
wenigstens  in  wichtigeren  Fällen  zwischen  oratorischer  und  historischer 
Prosa  unterschieden  ist.  So  ist  occupare  z=  'zuvorkommen*  auf  gleiche  Linie 
mit  den  Ciceronischen  Ausdrücken  gestellt,  obgleich  es  dem  historischen 
Stil  angehört.  Diese  Unterscheidung  der  für  den  Zweck  des  Buches  ¥rich- 
tigsten  Stilarten  hatte  vielleicht  noch  zu  etwas  weitergehender  Aufnahme 
von  Ausdrücken  und  Wendungen  der  historischen  Prosa  geführt,  als  deren 
Hauptvertreter  wir  vor  allen  Livius,  Sallust,  Tacitus,  weniger  den  Me- 
moiristen  Caesar  zu  betrachten  haben.  So  möchten  decara  im  Sinne  von 
'militärischen  Auszeichnungen'  und  'ausgezeichneten  Thaten'  s.  Wei.  Tac 
Agr.  34  in.  für  den  historischen  Stil  ebenso  wenig  zu  verwerfen  sein,  aU 
fortuna  «-  'Stellung,  hohe  Stellung*,  das  fast  ein  Lieblingswort  des  Sal- 
lust und  Tacitus  ist.  Obruo  =  begraben  (ohne  terra)  ist  durch  SaU.  J.  79, 8 
gerechtfertigt,  was  freilich  Freund  im  Lexikon  erst  aus  Tac.  belegt.  Of- 
ficium =  'Huldigung*  ist  von  Verhältnissen  der  Kaiserzeit  kaum  zu 
vermeiden,  s.  Tac.  A.  1,  24.  6,  56.  H.  1,  74.  2,  1.  nulla  parte  'ganz 
und  gar  nicht*  omni  parte  'durchaus',  aliqua  parte  'theilweise*  u.  ä.  zu 
brauchen  dürfte  in  historischer  Darstellung  unbedenklich  sein  (s.  Fabri 
Liv.  21,  56,  8);  vielleicht  wenigstens  nicht  ganz  zu  verwerfen  pudendus 
s.  Fabri  Liv.  23,  3,  11,  das  freilich  Freund  nur  als  poet.  und  nachaugust 
gelten  lassen  will.  Und  so  in  vielen  anderen  Fällen.  Raum  hiefUr  konnte 
in  dem  für  die  Schule,  also  die  Schüler  bestimmten  Buche  dadurch 
gewonnen  werden,  dass  Artikel,  die  der  Schüler  aus  der  Grammatik  lernen 
muss  und  zwar  bevor  er  das  Lexikon  in  die  Hand  bekommt,  gestrichen 
werden.  So  sind  auf  der  letzten  Seite  mindestens  18  Zeilen,  welche  mit 
zwölf,  zwölfhundert,  zwölftausend  u.  s.  w.  angefüllt  sind,  tiberflüssig.  — 
Em  weiterer  Punct,  den  ich  anders  behandelt  sehen  möchte,  ist  folgender. 
Es  liegt  allerdings  nahe,  vorzugsweise  auf  ganz  sich  deckende  Uebersetzung 
Substantiv  durch  Substantiv  u.s.w.  zu  sehen.  Aber  wer  die  Natur  unserer  Schü- 
ler kennt,  würde  eher  wünschen  im  d.  1.  Lexikon  ein  Zuviel  in  Bezug  auf 
sogenannte  'Ersatzmittel'  zu  linden  ab  zu  wenig.  Zwar  hat  der  Hr.  Verf. 
diese  Seite  nicht  unbeachtet  gelassen,   wi?  z.  B.  die  Artikel:  ganz,  Mitt«! 


OeorgeSy  Deutsch-lat.  Wörterbuch,  ang.  v.  L,  Vidhaber,        501 

natürlich,  weise  u.  ä.  zeigen:  aber  gleichmafsig  berücksichtigt  erscheint 
sie  nicht  So  fehlen  üebersetzungen  durch  Sätze,  besonders  relative  unter: 
'Ansicht,  Eindrücke,  Inhalt',  so  die  Dasssätze  für  'daran'  u.  ä.  Es  ist  vom 
Hm.  Verf.  auch  auf  den  Wegfall  deutscher  Substantive  und  Adjective  ge- 
achtet, vgl.  'äussere,  innere,  sinnlich,  Grundsatz'  u.  s.  w. ;  doch  liefse  sich 
noch  manches  anfügen  z.  B.  für  'eigennützige  Freigebigkeit'  wird  man 
mit  largitio  ausreichen  (vgl.  Sali.  J.  103,  6),  die  vornehmen  Ahnen  sind 
einfach  maiores  u.  ä.  Ich  weifs  wie  schwer  es  ist,  hier  eine  Grenze  zu  finden, 
indessen  ist  möglichste  Reichhaltigkeit  in  solchen  Dingen  sehr  erwünscht. 
Daran  schliefst  sich  noch  ein  anderer  Wunsch.  Das  Lexikon  würde  wenig- 
stens bei  denkenden  Schülern  noch  viel  mehr  nützen,  wenn  bei  solchen 
Üebersetzungen,  wo  das  lateinische  und  das  deutsche  sich  nicht  decken, 
durch  ein  Wort  der  Weg,  wie  man  zu  dem  Ersatz  kommt,  angegeben  wäre. 
Bei  manchen  ist  es  allerdings  nicht  nothwendig,  weil  er  von  selbst  in  die 
Augen  fallt,  z.  B.  wo  Sätze  ein  einzelnes  Wort  vertreten,  bei  manchen  hat 
der  Verfasser  es  gethan,  z.  B.  bei  Ausführungen  durch  ein  Hendiadyoin, 
aber  in  Fällen,  wo  der  Schüler  nicht  so  leicht  die  Art  des  Ersatzes  sieht, 
z.  B.  bei  üebergang  von  subjectiver  zu  objectiver  Bedeutung,  von  abstractem 
zu  concretem  Gebrauch  u.  ä.,  ist  es  nicht  geschehen.  Man  kann  freilich  hier 
zweifeln,  ob  hiebei  nicht  noch  eine  andere  Einrichtung  praktisch  wäre. 
Wie  im  Antibarbarus  von  Krebs "')  vor  dem  lexikalischen  Theil  eine  Art 
negativer  Stilistik  steht,  die  von  fehlerhaftem  oder  nicht  nachahmenswerthem 
dasjenige,  was  sich  in  Gruppen  vereinigen  lässt,  übersichtlich  vorführt,  so 
könnten  von  dem  deutsch-lateinischen  Handwörterbuch  in  aller  Kürze  die 
Hauptgrundsätze  der  'Topik',  um  einen  Ausdruck  Nägelsbachs  zu  gebrauchen, 
zusammengestellt  werden. 

Von  solchen  Dingen  abgesehen,  verdient  das  Buch  durchaus  das  Lob, 
dass  es  auf  selbständiger  Arbeit  beruht  und  mit  groXiser  Umsicht  gearbeitet 
ist.  Ohne  gerade  zu  den  strengen  Puristen  zu  zählen,  hat  der  Verfasser 
ein  Buch  hergestellt,  das  zu  den  besten  der  vorhandenen  gehört  und  den 
Schülern,  die  nun  einmal  denn  doch  nicht  so  ganz  ohne  Grund  dem  viel 
gehörten  Grundsatz,  dass  ein  d.  1.  Lexikon  unnöthig,  ja  schädlich  sei, 
^viderstreben,  empfohlen  zu  werden  verdient. 

Im  folgenden  will  ich  einige  Ergänzungen,  welche  ich  mir  angemerkt, 
mittheilen,  um  so  noch  einigen  Beitrag  zur  Vervollkommnung  dieses  Buches 
zu  liefern.  Absichtlich.  Nebenden  angegebenen  Uebersetzunger  war  noch 
studiase  Cic  Off.  1, 37, 134  und  stiAdio  Cic.  Rose.  Am.  32,  91  anzuführen,  wo 
die  gewöhnliche  Erklärung  gegen  die  von  Halm  aufgenommene  Nägels- 
bach's  (Stilist.  S.  226  der  2.  Aufl.)  richtig  sein  dürfte.  —  Ausschicken, 
abschicken  ist  doch  ;iuch  durch  emüto  auszudrücken  SalL  J.  773.  — 
Besiegeln.  Das  Sallustianischc  lUum  diem  aut  omnis  Idbores  et  uictorias 
confirmaturum  aut  maxumarum  aerumnarwn  initium  fore,  J.  49,  3, 


*)  Die  vierte  von  Allgay  er  besorgte  Auflage,  von  der  bis  jetzt  zwei 
Hefte  (bis  ignitufi)  erschienen  sind,  hat  durch  die  eigenen  Studien 
des  Verfassers,  sowie  durch  Berücksichtigung  der  Arbeiten  von  Poppo 
Schneider  u.  a.  sehr  an  Richtigkeit  des  einzelnen  und  an  Reichhaltig- 
keit gewonnen. 


502        GeorgeSf  Deutsch-lat.  Wörterbuch,  ang.  y.  L.  Vielhaber. 

ißt  sicher  unbedenklich  zu  verwenden.  Bei  G.  fehlt  ein  Ausdruck  för  diese 
Bedeutung.  —  Changen.  Die  Changen  des  Krieges  und  Friedens  heiXsen 
bei  Sallust  J.  97,  2  belli  atque  pacta  rationes.  —  Felseninsel  fehlt  Die 
Taciteische  Bezeichnung  scopiUi  H.  1,  2  u.  ö.  ist,  wo  es  sich  von  Verban- 
nungen handelt,  kaum  zu  entbehren.  —  Frage.  Es  ist  noch  eine  offene 
Frage  (tamquam)  integrum  est  nach  Cic.  Cat.  4,  3,  6.  —  Gemein.  Der 
gemeine  Menschenverstand  kann  unter  Umständen  auch  durch  das  bloJbe 
sensus  ausgedrückt  werden  s.  Cic.  de  Fin.  4.  19,  55.  —  Gerecht  Streng 
gerecht  kann  auch  durch  seuems  ausgedrückt  werden,  s.  Heraus  zu  Tac. 
H.  1,  37  u.  1,  48. —  Glückskind  kann  unter  Umständen  auch  nach  Cic. 
Lael.  15,  54  qu>08  (fortuna)  complexa  e^t  gegeben  werden',  s.  Seyffert  zu 
der  Stelle.  —  Glückswechsel.  Nebst  den  angegebenen  Wendungen  s. 
auch  C»s.  b.  c.  2,  17,  3  »e  quoque  ad  motus  fortunae  mouere  coepit.  — 
Mafshalten  (Substantiv).  Das  einfache  modus  reicht  aus,  s.  Heraus  Tac. 
H.  1,  83,  wo  auch  Beispiele  aus  Cic.  angeführt  sind.  —  Meeresströmung. 
Diesen  bei  G.  fehlenden  Ausdruck  wird  man  wol  nach  Tac.  Agr.  10  durch 
flumen  zu  geben  haben,  s.  Wex  zu  der  Stelle.  —  Mittel.  Auffalligerweise 
fehlt  res.y  s.  tmtaiis  rebus  Cic.  Mil.  §.  34.  —  Mündlich.  Bei  Abstim- 
mungen auch  pcdam,  vgl.  Nipperdey  Tac.  A.  1,  74.  —  N  u  r.  Die  Wendung 
'auch  nur*  kann  auch  durch  etiam  gegeben  werden,  s.  Cic.  Phil.  2  §.  68 
dazu  Halm.  —  Persönlich.  Für  domesticua  s.  die  bei  Nipperdey  zu 
Tac.  A.  3,  70  angeführten  Stellen.  —Populär.  Gegenüber  dem  popularis 
der  republicanischen  Zeit  ist  das  ciuüis  des  Tacitus  u.  a.  von  den  Verhält- 
nissen der  Kaiserzeit  kaum  zu  vermeiden,  s.  Tac.  A.  1,  54.  1,  33  u.  o.  — 
Religionsverlctzung.  Für  gewisse  Fälle  reicht  einfach  religio  aus,  s. 
Cic.  ad.  Att  1.  14,  1.  —  Schlechthin.  Zu  dem  angeführten  aimpüciter 
ist  noch  das  deiktische  sie  zu  stellen  Cic.  Sest  26,  71.  Obbarius  zu  Hör. 
0.  2,  11,  14.  —  Sofort.  Ueber  d^inde  im  Sinne  des  ironischen  'sofort 
aber*  s.  Halm  zu  Cic.  Verr.  IL  4,  37,  81.  —  Soweit.  Das  angegebene 
adhuc  könnte  so  blofs  hingestellt  zu  Misverständnissen  Anlass  geben. 
Ausser  diesem  auch  Atque  Jmec  quidem  s.  Seyffort  schol.  lat.  I  S.  59,  wo 
auch  für  diese  und  ähnliche  Wendungen  noch  andere  Ausdrücke  stehen.  — 
Spiel.  Freies  Spiel  haben  =  eludere  nach  Cic.  Mil.  12,32.  —  Speciell 
kann  nach  Cic.  Mil.  29,  78  auch  durch  praecipuus  gegeben  werden.  — 
Statthalterschaft  Wenn  von  den  Verhältnissen  der  Kaiserzeit  die  Rede 
ist,  ist  für  die  Verwaltung  der  kaiserlichen  Provinzen  legatio  nicht  zu 
umgehen,  s.  Tac.  H.  1,  13,  Agr.  10.  Ebenso  dürfte  legatio  legionis  (Tac. 
Agr.  9)  vielleicht  zu  verwenden  sein.  —  Stimmensammler  =  rogator 
(s.  Zumpt  zu  Cic.  Mur.  1,  1)  fehlt  —  Subordination.  Modestia  ist 
angeführt,  aber  auch  das  Adjectiv  modestus  findet  sich  in  diesem  Sinne,  s. 
Heraus  zu  Tac.  H.  1,  52.  2,  19  und  ähnlich  ist  die  Wendung  in  Cic.  post 
red.  in  sen.  2,  4.  —  Trotz  bieten  kann  auch  durch  spernere  über- 
setzt werden,  s.  ausser  Ts.c.  12,  5.  12,  3G.  15,  57  auch  Cic.  de  re  publ  1, 
42,  67.  —  Umsturz.  'Allgemeiner  Umsturz'  comvwueri  omnia  nach  Cic, 
Sest  30,  64.  —  Unberechenbar.  Es  ist  blofs  die  eine  Seite  dieses  Wortes» 
ausgeführt  Wenn  es  im  Sinne  von  'zufällig*  o.  ä.  steht,  dürfte  fartuUus 
anzuwenden  sein,  s.  Tac.  H.  1,  4.  —  Verlegenheit  Auch  negotium,  s. 


Ä  Westphal,  System  cL  antik.  Rhythmik,  ang.  v.  W.  Berger.     598 

Cic.  Cat.  4,  5,  9.  —  Werk.  Es  ist  etwas  im  Werke  =  paratur  aHiquidj 
Sali.  J.  102,  15.  —  Wissen.  Der  Unterschied  zwischen  scire  u.  s.  w. 
cwiStat,  notum  est  sollte  angegeben  sein.  —  Zweck  kann  manchmal  auch 
durch  nomen  übersetzt  werden,  s.  Obbarius  Note  zu  Hör.  0.  3,  21,  5.  — 
Zufriedenheit.  *  Zur  Zufriedenheit' kann  auch  durch  cum  ^rcrfta  gegeben 
werden,  s.  Klotz  zu  Ter.  Andr.  422. 

Wien.  L.  Vielhaber. 


System  der  antiken  Rhythmik  von  Kudolf  West phal.  Breslau, 
Leuckart,  1865.  XII  u.  195  S.  -  1  Thlr.  15  Sgr. 

Das  vorliegende  Werk  kündigt  sich  als  System  der  antiken  Rhythmik 
an,  ein  Titel,  den  mancher  für  zu  viel  versprechend  halten  könnte;  aber 
wir  sind  überzeugt,  keiner  wird,  nachdem  er  das  Buch  durch  gründliches 
Studium  sich  zu  eigen  gemacht  hat,  den  Hrn.  Verf.  der  Ueberhebung  zeihen, 
vielmehr  ist  seine  in  der  Vorrede  ausgesprochene  Hoffnung,  „trotz  der  Karg- 
heit und  Zerrissenheit  der  uns  überkommenen  Urkunden  ein  klares,  nicht 
blo/s  in  seinen  Umrissen  ausgeführtes  Bild  der  antiken  Rhythmik"  zu  geben, 
in  vollem  Mafse  erfüllt.  Vor  uns  liegt  in  der  That  die  klare  und  durch- 
sichtige Darstellung  des  ganzen  Systems  in  nicht  blofs  skizzierter  Aus- 
fuhrung, und  der  Hr.  Vf.  hat  es  sehr  gut  verstanden,  die  verschiedenen 
Quellen  theils,  wo  es  galt,  streng  auseinanderzuhalten,  theils  glücklich  zu 
combinieren  und  oft  durch  die  genaue  Interpretation  eines  kleinen  unbe- 
achteten Sätzchens  neues  Licht  über  bisher  nicht  verstandene  Lehren  zu 
verbreiten.  Besonders  beachtenswerth  und  für  alle  Mitforscher  sehr  erwünscht 
ist  die  genaue  Scheidung  des  Sprachgebrauches  in  den  verschiedenen  Quellen, 
denn  gerade  darin  lag  eine  Hauptschwierigkeit  der  richtigen  Interpretation 
der  rhythmischen  Ueberlieferung ,  dass  verschiedene  rhythmische  Quellen 
dieselben  Worte  in  ganz  verschiedenem  Sinne  gebrauchen.  Gleich  das  erste 
Capitel  des  vorliegenden  Werkes  scheidet  genau  die  Ausdrücke  für  die 
Fundamentalbegriffe  der  antiken  Rhythmik,  so  dass  danach  über  die  Be- 
deutung der  Worte  (^vif^/no^-  (vgl.  auch  S.  15.  52),  noig,  atjjunov,  ßaatg, 
tigatg  (vgl.  auch  S.  12.  147)  bei  Aristoxenus  auf  der  einen,  Aristides  und 
den  späteren  auf  der  andern  Seite  niemand  mehr  in  Zweifel  sein  kann. 
Der  Nachweis  der  in  der  Vorrede  S.  X  ausgesprochenen  Behauptung,  dass 
unser  Aristides  aus  drei  verschiedenen  Quellen  (A  B  C)  von  ungleichem 
Werthe  zusammengeschrieben  sei  (Westphal  Harmonik  S.  XL  sq.),  wird 
durch  das  gapze  Buch  hindurch  gegeben,  und  zwar  ist  die  Quelle  C  (bei 
Westphal  Rhythmik.  Frgm.  S.  52,  14  —  60,  15),  die  nichts  von  Rhythmik 
enthält,  mit  Recht  fast  ganz  aus  dem  Spiele  gelassen  (vgl.  S.  53  Anm.), 
die  einzigen  für  die  Rhythmik  brauchbaren  Notizen  aus  ihr  über  die  ge- 
dehnten Spondeen,  den  r^o/uiog  arjfjuvTog  und  oQd^iog  sowie  über  die  irra- 
tionalen Trochäen  und  Jamben  niit  aufgelöstem  schweren  Tacttheile  finden 
wir  S.  185  f.  und  S.  81  f.  verwerthet.  Die  Quelle  B  (Westph.  Rhythm. 
Frgm.  S.  47, 4—53,  13  und  60,  16-63,  12)  hat  S.  52—59  eine  eingehende 
Besprechung  erfahren,  die  in  einem  besonderen  Falle  ihr  Verhältnis  zur 
Aristozenischen  Lehre  vollkommen  klar  auseinandersetzt.  Eben  dies  ist  bei 


504    B.  Westphal,  System  d.  antik.  Rhythmik,  ang.  v.  W.  Berger, 

Gelegenheit  der  Darstellung  des  Textumfanges  schon  S.  14  —  18  geschehen, 
eine  Stelle,  die  dadurch  noch  besonders  interessant  ist,  weil  es  hierbei 
möglich  war,  der  Aristidoischen  Ueberlieferung  die  rein  Aristoxenische  de» 
Psellus  (S.  15)  und  die  mehr  mit  Aristides  übereinstimmende  des  Prgm. 
Parisinum  gegenüberzustellen ,  und  durch  genaue  Vcrgleichung  des  Aristi- 
des mit  dem  Frgm.  Paris,  die  ursprüngliche  Fassung  ihrer  gemeinsamen 
Quelle  überzeugend  darzulegen  S.  16.  Das  Verhältnis  dieser  drei  Quellen 
zur  Aristoxenischen  Tradition  ist  dann  aus  dem  schliefslich  S.  18  gegebenen 
übersichtlichen  Stemma  vollkommen  klar  zu  erkennen.  Was  wir  sonst  dieser 
Aristideischen  Quelle  B  verdanken,  bestätigt  durchaus  das  von  Westphal 
Harmon.  S.  XLI  über  sie  gefällte  ürtheil,  dass  sie  uns  so  gut  wie  gar 
nichts  lehrt,  was  wir  nicht  auch  sonst  aus  Aristoxenus  (oder  dessen  un- 
mittelbareren Compilatoren  wie  Psellus  etc.)  wussten.  Man  vergleiche  nur 
das  vorliegende  Werk  S.  U  —  18  über  die  ^i-yi^n  TioSmf,  S.  52  — 59  über 
ovv&fOtgy  ^laiQtatg  und  oxfi^a,  S.  78.  79  über  die  nloyoi,  S.  93  über  das 
Verfahren  der  /w^/^orr*?  in  Betreff  der  einfachen  und  zusammengesetzten 
Tacte,  S.  119  und  124  über  die  «ywyij,  S.  146  sq.  über  denxQovog  ttq^o^, 
S.  161  über  den  xQ^^^i  ovv(^tjog  bis  zum  jtjQttatifiog,  S.  169.  173  über 
die  xQovoi  iQQv&jnoi  KQQv&fAoc  uud  (^v&fÄO€i^fTg  —  alles  Stellen,  in  denen 
wir  die  Quelle  B  dem  gegenüber,  was  wir  von  Aristoxenus  über  dieselben 
Sachen  erfahren,  leicht  entbehren  könnten.  Eine  erwünschte  Ergänzung  zu 
dem,  was  uns  sonst  überliefert  ist,  gibt  sie  uns  nur  für  die  rhythmische 
fAtraßoXri  S.  131  ff.  so  S.  82  ff.  für  die  TQonot,  (^v&fjtonoUaq  S.  134,  flir  die 
(^vx^jLtonoiifc  selbst  S.  140,  für  die  Pausen  S.  157  ff.,  für  die  arQoyyvloi  und 
nfQinUoi  S.  173. Neu  und  eigen thümlich  ist  ihr  die  Eintheilung  derxQovoi  in 
itnkoT  und  nollanXot,  deren  Sinn  wir  bei  Westph.  S.  154. 160  auseinander- 
gesetzt finden,  doch  ist  diese  Eintheilung  praktisch  von  nur  sehr  geringem 
Werthe.  Dagegen  ist  die  wirklich  gut  Aristoxenische  Quelle  A  (Westph. 
Rhythm.  Frgm.  S.  63,  16  —  65.  30)  in  allen  ihren  Theilen  eingehend 
erörtert  worden,  wie  sie  dies  bei  der  Menge  von  interessanten  und  neuen 
Notizen,  die  sie  uns  bringt,  verdiente.  Ihr  verdanken  wir  nämlich  fast 
alles,  was  wir  von  dem  Ethos  der  verschiedenen  Rhythmen  wissen,  sowie 
den  wichtigen  Unterschied  zwischen  einfachen  und  zusammengesetzten 
Rhythmen  (d.  h.  ganzen  rhythmischen  CJompositionen  im  Gegensatze  zu 
den  einfachen  und  zusammengesetzten  Tacten)  und  diese  Partie  ist  von 
Westphal  S.  124  — 130,  S.  173  f.  185  f.  191  ausführlich  behandelt  worden. 
Dass  aber  Aristides  sich  da,  wo  er  sich  selbst  überlassen  ist,  oft  genug 
üngenauigkeiten  und  Fehler  zu  Schulden  kommen  lässt,  die  nur  ein  Aus- 
flufs  seiner  mangelnden  Sachkenntnis  und  gedankenlosen  Compilation  sein 
können,  dafür  liefern  die  ihm  vom  Hrn.  Vf.  S.  34.  403.  41,  65.  82.  172. 
173.  187  nachgewiesenen  Irrthümer  Beweis  genug. 

Das  „System  der  antiken  Rhythmik"  zerfällt  in  zwei  Theile,  einen 
theoretischen  und  einen  praktischen.  Jener  zeigt  uns  ganz  abstract  die 
Gliederung  der  Zeit  nach  gewissen  Abschnitten  durch  die  Gesetze  des  Rhyth- 
mus, dieser  die  Ausfüllung  jener  Abschnitte  durch  die  concreten  Zeiten  der 
sprachlichen  Längen  und  Kürzen.  Gleich  das  Einleitungscapitel  fuhrt  uns 
aber,  wie  gesagt,  in  die  antike  Terminologie  ein  nnd  setzt  somit  einen  jeden 


R,  Wegtphal,  System  d.  antik.  Rhythmik,  ang.  v.    W,  Berger.    595 

in  den  Stand,  sich  in  den  alten  Quellen  zurechtzufinden  und  selbst  prüfend 
dem  Hm.  Vf.  in  seinen  ferneren  Erläuterungen  zu  folgen.  Zu  diesem  Zwecke  ist 
es  jedoch  nöthig,  den  Text  der  gesammten  rhythmischen  Ueberlieferung  stets 
zur  Hand  zu  haben,  ein  Bedürfnis,  dem  durch  Westphal's  „Fragmente  und 
Lehrsätze  der  griech.  Rhythmiker"  vollkommen  genügt  wird.  Nach  diesem 
ersten  Capitel  lässt  der  Hr.  Vf.  die  Erörterung  der  sieben  ^uetfOQal  no^tav 
des  Aristoxenus  folgen,  deren  Verständnis  jetzt  in  allen  Einzelheiten  er- 
schlossen ist.  Die  Grundzüge  dieser  sieben  Tactunterschiede  fanden  wir  vom 
Verf.  schon  in  der  Vorrede  zn  seiner  Harmonik  S.  XVLIl  —  XLIX  ange- 
geben; in  dem  vorliegenden  Werke  sind  sie  mit  steter  Hinzuziehung  der 
eigenen  Worte  der  alten  Quellen  ausfuhrlich  erörtert,  und  in  den  letzteren 
ist  wieder  das  Wahre  von  dem  Falschen^  das  echt  Aristoxenische  von  dem 
mit  späteren  Zuthaten  Versetzten  streng  geschieden.  Auch  die  von  der 
Aristoxenischen  etwas  abweichende  Anordnung  jener  sieben  Sut(fO(mC  bei 
Westphal  können  wir  nur  billigen,  denn  so  beginnt  das  System  sehr  an- 
gemessen mit  der  Erörterung  der  drei  Tactgeschlechter  und  steigt  dann  natur- 
gemä!\3  von  weiteren  zu  immer  engeren  Kategorien  hinab.  Der  Hr.  Vf.  gibt 
immer  zuerst  die  Worte  des  Aristoxenus  oder  der  von  ihm  abgeleiteten  Quellen 
und  sucht  dann  durch  genaue  Interpretation  derselben  den  Leser  in  ihren 
Sinn  einzuführen.  Besonders  gefallen  hat  uns  in  diesem  Abschnitte  über 
die  sieben  Aristoxenischen  ^ittqoQttl  no^wv  (vgl.  II  — VI)  die  Erörterung 
der  SiaipoQtt  xtaa  tJxfj/an  S.  49  ff.,  dann  die  sich  an  die  SiaifOQn  xnr* 
ttVT(&kaiv  anschlie/sende  Auseinandersetzung,  wie  die  Alten  dazu  gekommen 
sind,  neben  den  drei  gebräuchlichen  Tactgeschlechteni  aucli  noch  epitritische 
und  triplasische  Tacte  zu  statuieren  S.  65  if.,  ferner  die  im  genauen  Anscbluss 
an  die  Aristoxenischen  Worte  zuerst  ganz  abstract  gegebene  Erklärung 
des  Wesens  der  uloyUt  S.  73  ff.  und  die  Erläuterung  dieser  akoyia  durch 
einige  concrete  Beispiele  von  8.  80  an,  woraus  wir  namentlich  die  auf 
Grundlage  einer  Aristideischen  Stellen  gegebene  Auffassung  des  Dochmius: 
-i  -^  — ^  -^  als  eines  novg  ^traßäU-tav  i^  dXoyov  (fg  tiloyov  hervorheben. 
Wesentlich  neu  ist  der  darauf  folgende  Abschnitt  über  die  rhythmi- 
sche Reihe  und  Periode.  Der  Hr.  Vf.  findet  es  an  und  für  sich  unwahr- 
scheinlich, dass  die  Alten  geglaubt  haben  sollten,  eine  blofse  Zusammen- 
stellung und  Aufeinanderfolge  von  Tacttheilen  und  Tacten  gebe  schon 
Rhythmus,  er  verlangt  vielmehr,  dass  sie  wie  wir  verschiedene  einzelne 
Tacte  zu  kleineren  Ganzen  (den  rhythmischen  Reihen)  und  diese  wieder  zu 
grofseren  (den  rhythmischen  Perioden)  zusammenfassten ,  und  erst  eine  so 
gegliederte  Composition  für  eine  wirklich  rhythmische  hielten  S.  85  ff. 
Doch  bleibt  W.  bei  dieser  blofsen  Forderung  nicht  stehen,  sondern  benutzt 
vielmehr  die  uns  erhaltenen  alten  Musikreste  und  die  Tradition  der  alten 
Metriker  dazu,  um  aus  diesen  geringen  Mitteln  durch  einige  äuXserst  scharf- 
sinnige Combinationen  eine  vollständige  Terminologie  aus  alten  Namen  her- 
zustellen, die  einen  wirklich  systematischen  Zusammenhang  zeigt  S.  101. 
102,  und  aus  der  hervorgeht,  dass  die  Alten  so  gut  wie  wir  den  Begriff 
der  rhythmischen  Reihe  {jiovg  avvif^fTog,  xtoXov)  und  der  Periode  (TitQio^og, 
fiixfiov)  kannten  und  anwendeten  (S.  99  —  103  wobei  man  zu  der  S.  102 
gegebenen  Ausführung  über  die  aus  Aristides  beigebrachte  Belegstelle  noch 


506    -B.  Westphal,  System  d.  antik.  Rhythmik,  ang.  v.  W.  Berget. 

das  S.  125  gesagte  und  als  eine  zweite  Belegstelle  Aristid.  S.  66,  1  Westph. 

vergleichen  möge:    ol  avvO^trot  Tin&ijjixwTiQoi  tioi  rit) oxk  ju^v  dno 

d-^aewg,  örk  Sf  ir^Qiog  ttjv  inißoX^v  r^g  nfQioSov  novfTa^i).  Dabei 
erfahren  wir  auch  sofort  etwas  über  den  Umfang  dieser  Reihen  und  Perioden 
durch  die  von  den  Metrikern  überlieferte  Lehre  von  den  ßaang  und  per- 
cussiones  der  Metra  JS.  107  —  117,  die  zugleich  mit  dem,  was  wir  von 
Aristoxenus  über  die  atiufia  der  verschiedenen  einfachen  und  zusammen- 
gesetzten Tacte  wissen,  im  besten  Einklänge  steht  Diese  Herstellung 
einer  längst  vergessenen  Lehre  aus  so  dürftigen  Notizen,  wie  sie  uns  vor- 
liegen, ist  in  der  That  glänzend,  und  was  das  Beste  ist,  sie  beruht  nicht 
auf  willkürlicher  Erfindung,  sonder  auf  guter  alter  Tradition,  und  lehrt 
uns,  dass  selbst  in  so  späten  Metrikem  wie  Marius  Victorinus,  Diomedes 
etc.  noch  ein  guter  Kern  echter  Aristoxenischer  Lehre  enthalten  ist  Das 
folgende  (VIJI.)  Capitel  stellt  das,  was  wir  über  das  Tempo  (nytoyri)  bei 
den  Alten  wissen,  übersichtlich  und  vollständig  zusammen  und  macht  dann 
noch  auf  eine  andere  Bedeutung  des  Wortes  dytoyii  aufmerksam,  auf  die 
wir  weiter  unten  noch  einmal  kurz  zurückkommen  müssen. 

Dann  folgt  im  9.  Capitel  wieder  etwas  neues,  die  Unterscheidung  der 
ganzen  rhythmischen  Compositionen  in  einfache  und  zusammengesetzte, 
die  W.  aus  dem  Aristideischen  Abschnitte  über  das  Ethos  der  verschiedenen 
Rhythmen  Aristid.  S.  64  —  65  Westph.  glücklich  eruiert  hat  S.  125  —  130, 
und  den  Schluss  dieses  Capitels  und  damit  des  ganzen  ersten  Theiles  bildet 
die  umfasseude  Erörterung  der  rhythmischen  Metabole  nach  den  von  W. 
combinierten  Berichten  des  Aristid.  (Quelle  B)  und  des  Bacchius,  die  sich, 
wie  IS.  131  zeigt,  auf  das  schönste  gegenseitig  ergänzen. 

Damit  ist  der  erste  Theil  des  ganzen  Werkes  beendet  Wir  haben 
erfahren,  wie  viel  Tactgcschlechter  es  gibt  und  wie  sich  in  ihnen  die  ein- 
zelnen Tacte  unterscheiden;  wie  sich  die  Tacte  zu  rhythmischen  Reihen, 
diese  zu  Perioden  und  diese  zu  ganzen  einfachen  und  zusammengesetzten 
rhythmischen  Compositionen  zusammenordnen ;  wie  dies  alles  durch  das 
Tempo  beeinflusst  werden  kann  und  wie  genau  endlich  die  Alten  auf  jede 
denkbare  Art  von  Tactwechsel  Acht  gaben.  Jetzt  im  2.  Theile  lernen  wir, 
wie  der  ^vx^^uo7lOl6g  diese  abstracten  mathematischen  Gröfsen,  die  Tacte  und 
Tacttheile,  durch  die  verschiedenen  (n>d^f4iC6ufv((,  die  Sprache,  die  Töne  und 
die  orchestischen  Bewegungen  ausfüllte,  und  zwar  kommt  es  hier  vorzugs- 
weise auf  die  Ausfüllung  derselben  durch  das  ovf^fuCo^ivov  der  Sprache, 
also  durch  lange  und  kurze  Sylben  an.  So  lernen  wir  zuerst  die  Thätigkeit 
des  tU'&^oTTotog  in  dieser  Beziehung  (8.  140)  und  den  aufserord entlich  ver- 
schiedenen Zeitwerth  der  langen  und  kurzen  Sylben  kennen  (S.  141  — 143); 
erfahren  dann  von  der  durchgreifenden  Bedeutung  des  nicht  weiter  thcil- 
baren  /govog  nQtoTog  8.  144  ff.  und  dessen  Bezeichnung  bei  Aristoxenus 
und  den  Späteren  S.  147;- hören  von  einer  neuen  Eintheilung  der  von  der 
^vd^iionoUii  angewandten  Zeitgröfsen  in  /oövoi  (tavrf^froi  und  avv&erot, 
so  dass  wir  das  letztere  Wort  jetzt  in  dreifach  verschiedener  Bedeutung 
gehabt  haben:  no^tg  i\avv(^eTot  und  aiVi^frot  S.  24  ff.,  ^v^^toX  nnXoT  und 
avvd^iroi  S.  125  ff.  und  endlich  XQ^^^*'  fiovvd^troi  und  avv&irot  S.  150  ff. 
besonders  8.  155,  und  erhalten  schliefslich  noch  eine  vollständige  Zusam- 


R  We^phal,  System  d.  antik.  Rhythmik,  anpr.  r.   W.  Berger.     597 

menstellang  der  bei  den  Alten  gebräuchlichen  Pausen  S.  156  — 158.  Nach 
einer  kurzen  Erörterung  einer  Stelle  des  Aristides  über  seine  xQ^voi  nnXol 
und  noXXanlot  folgt  dann  eine  Yollkommen  erschöpfende  Abhandlung  über 
die  irrationalen  Zeiten  und  deren  verschiedenen  Zeitwerth,  die  wir  in  ähn- 
licher Weise  schon  in  der  Vorrede  zur  Harmonik  S.  IX— XXXVIII  aus- 
geführt sehen.  Es  ist  darin  dem  Hm.  Vf.  gelungen,  durch  eine  strenge 
Durchföhrung  c(er  von  Aristoxenus  selbst  angestellten  Vergleichung  zwischen 
den  irrationalen  Intervallen  und  den  irrationalen  Zeiten  den  genauen  Zeit- 
werth der  letzteren  in  allen  einzelnen  Fällen  zu  bestimmen,  und  niemand 
wird  leugnen  können,  dass  diese  Ausführung  ebenso  scharfsinnig  wie  in 
ihren  Resultaten  überraschend  ist.  Die  Identificierung  des  Drittel-/()oi'oc- 
notoTog  mit  dem  öiaösxttrrifioQmr  lovov  halten  wir  für  ebenso  berechtigt 
als  fruchtbar,  denn  mit  Hilfe  dieses  Dnitel'/Qovog-TinüiTog  lässt  sich  wirk- 
lich für  jede  einzelne  uXoyia  ein  leidlich  einfacher  Ausdruck  finden,  und 
er  bildet  die  Grundlage  für  die  im  13.  Capitel  näher  erörterten  /Qovot 
^v&fiOTToUag  f^ioi^  für  die  es  dem  Verf.  noch  in  seinen  „Fragmenten  und 
Lehrsätzen  der  gi'iechischen  Rhythmiker"  S.  235  ff.  nicht  gelungen  war, 
eine  vollkommen  genügende  Erklärung  zu  finden,  vgl.  auch  Harmonik 
S.  XXXVm  und  XXXIX.  Das  12.  Capitel  schiefst  mit  der  Behandlung 
zweier  Stellen  und  dem  Frgm.  Paris,  d.  Aristid.  über  die  xqovoi.  ^oQv&uot^y 
äoQv&fjtoi  und  QVx9^/noei&€Tg,  von  denen  die  letzteren  mit  Recht  mit  den 
uloyo$  identificiert  werden,  und  schliefslich  finden  hier  auch  ihre  beiden 
Classen,  die  vielgenannten  und  vielbesprochenen  aTovyyvloi  und  nfoinl^f^ 
ihre  endliche  Erledigung. 

Wir  kommen  zum  Schlusscapitel  des  ganzen  Werkes:  den  Tacten 
im  ^v^fiiCofitvov  der  Sprache.  Alles  auf  die  Rhythmopöie  bezügliche  ist 
bereits  auseinandergesetzt.  Wir  kennen  die  sehr  verschiedenartigen  Zeit- 
gröfsen  von  der  unter  die  Ein  zeitigkeit  verkürzten  Kürze  an  bis  zu  der 
bis  zur  Fünfzeitigkeit  verlängerten  Länge,  die  dem  (ßu&fjonowg  zu  Gebote 
stehen,  dass  er  mit  ihnen  die  vom  Rhythmus  hervorgebrachten  abstracten 
Tacttheile,  einfachen  und  zusammengesetzten  Tacte  ausfülle.  Jetzt  kam  es 
darauf  an,  von  jenen  verschiedenen  Zeitgröfsen  namentlich  diejenigen 
welche  von  der  einzeitigen  und  zweizeitigen  Sylbenmessung  abweichen,  in 
den  uns  erhaltenen  metrischen  Compositionen  nachzuweisen  und  so  den 
Beweis  zu  liefern ,  dass  die  bis  jetzt  gegebenen  Erörterungen  nicht  blofs 
abstracte  Theoreme  sind,  sondern  tief  in  die  metrische  Pra.ris  eingreifen, 
ja  recht  eigentlich  ihr  festes  Fundament  bilden.  Dies  geschieht  in  diesem 
Schlusscapitel.  Der  dreizeitige  Dactylus  und  der  zweizeitige  Trochäus, 
der  vierzeitige  Trochäus,  der  achtzeitige  Spondeus  und  der  zwölfzeitige 
Molossus,  sie  alle  bekommen  in  den  uns  erhaltenen  Poesien  ihre  Stelle  an- 
gewiesen. Die  Pausen  finden  in  den  katalektischen  Tacten  ihren  Platz  und 
die  alte  Terminologie  dieser  letzteren  gibt  einen  neuen  Beleg  für  die  von 
Rossbach  in  seiner  Rhythmik  zuerst  statuierte  und  jetzt  immer  mehr  zur 
Geltung  kommende  Synkope.  Endlich  am  Schlüsse  bei  Besprechung  der 
metabolischen  Tacte  gelingt  es  dem  Hm.  Vf.  noch  durch  aufmerksame  Be- 
trachtung ihrer  offenbar  etwas  gemeinsames  enthaltenden  Namen  —  sie 
heifiien  die  lahmen,  schiefen  und  gebrochenen  —  nicht  nur  den  Beweis  zu 


596    i?.  WettphcU,  System  d.  antik.  Rhythmik,  ang.  v.  TT.  Befgef. 

liefern,  dass  die  von  ihm  angegebenen  metabolischen  Tacte  wirklich  zu 
einer  und  derselben  Kategorie  gehört  haben  müssen,  sondern  auch  für  die 
ihnen  gegenüberstehenden  tactgleichen  Metra  den  entsprechenden  antiken 
Namen  aufzufinden:  sie  worden  nämlich  jenen  /(oAo/,  66xfitoi,  dvuxXtofierot^ 
gegenüber  die  oQxf^oi  genannt. 

Somit  ist  die  antike  Bhythmik  durch  das  vorliegende  Werk  za  einem 
wirklich  systematischen  Abschlüsse  gebracht  worden,  so  weit  er  immer  bei 
den  uns  zu  Gebote  stehenden  Quellen  möglich  war.  Alles,  was  in  diesen 
von  echter  rhythmischer  Tradition  enthalten  war,  ist  gründlich  ausgenützt 
und  hat  seine  entsprechende  Stelle  in  dem  Zusammenhange  des  ganzen 
Systems  erhalten.  Dabei  ist  mit  besonderer  Anerkennung  hervorzuheben, 
dass  sich  der  Hr.  Vf.  nicht  damit  begnügt  hat,  bloüs  in  den  Sinn  der  alten 
rhythmischen  Quellen  einzufuhren,  sondern  dass  er  sich  überall  die  Auf- 
gabe gestellt  hat,  die  gegebenen.Erklärungen  der  rhythmischen  Lehren  in 
ihrer  Bedeutung  für  die  metrische  Praxis  nachzuweisen.  Keine  Erklärung 
bleibt  ungenützt  liegen,  sie  wird  stets  auch  für  die  Metrik  ausgebeutet. 
Gerade  darin  liegt  der  Werth  des  vorliegendeu  Werkes  für  alle,  die  sich 
mit  der  griechischen  Metrik  in  irgend  welcher  Beziehung  befassen  wollen, 
darum  sei  es  uns  vergönnt,  dies  wenigstens  an  einem  Beispiele  nachzuweisen. 
S.  72  ff.  wird  zuerst  ganz  allgemein  auseinandergesetzt,  was  wir  uns  unter 
Irrationalität  ((IXoyiu)  zu  denken  haben,  und  dafür  S.  77  der  leicht  ver- 
verstäudliche  Ausdruck  gefunden:  irrationale  Zeitgröfsen  sind  solche,  die 
nicht  durch  ein  multipluui  des  ;^ooi^o^  n(}üiTog  bestimmbar  sind,  sondern 
sich  nur  durch  Bruchtheile  des  /(*.  nf).  bestimmen  lassen.  Dazu  werden 
von  S.  80  an  einige  concrete  Beispiele  von  Versfüfaen  zur  vorläufigen 
Erläuterung  gegeben.  Jene  Erläuterung  von  S.  77  wird  dann  S.  161  ff. 
wieder  aufgenommen.  Wir  wissen:  irrationale  Zeitgröfsen  sind  nur  durch 
Bruchtheile  des  /(>.  7i(i.  bestimmbar,  es  fragt  sich:  durch  welche  Bruch- 
theile? Diese  werden  von  S.  162  an  angegeben  und  mit  ihrer  Hilfe  S.  164 
bis  167  der  genaue  Zeitwerth  einer  jeden  möglichen  dXoyüt  bestimmt. 
Schliefslich  werden  dann  die  so  gefundenen  Zeitwerthe  von  S.  181  —  185 
in  wirklich  und  oft  in  der  Metrik  «vorkommenden  VersfüXsen  nachgewiesen. 

Die  Sprache  ist  durchgehends  klar  und  leicht  verständlich  auch  für 
solche,  die  sich  bisher  mit  der  antiken  Rhythmik  nur  sehr  wenig  oder  gar 
nicht  befasst  haben.  Doch  hat  sich  leider  wegen  der  Entfernung  des  Hm. 
Vf.  vom  Druckorte  eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  von  Druck-  und 
Flüchtigkeitsfehlern  eingeschlichen,  die  allerdings  von  dem  in  diesen  rhyth- 
mischen Fragen  schon  geübten  sofort  als  solche  erkannt  werden,  aber  den 
noch  ungeübten  doch  hin  und  wieder  stutzig  machen  könnten.  Da  wir  aber 
das  vorliegende  Werk  gerade  auch  diesen  letzteren  empfehlen  möchten,  so 
geben  wir  in  der  Anmerkung  hier  ein  möglichst  vollständiges  Verzeichnis 
aller  einigermafsen  bemerkenswerthen  Fehler,  die  man  vor  dem  Gebrauche 
des  Buches  berichtigen  möge*). 


*)  S.  18,  Z.  23  von  oben  lies  O^iaig  statt:  ft(>ff*tf.  —  24,  4  von  unten  lies 
TioJf?  st.  /(iovo*.  —  31,  18  V.  u.  1.  16  zeitigen  st.  16  zeiligen.  — 
34,  2  V.  0.  l.  G.  Hermann  st.  J.  Hermann.  —  38,  17  v.  o.  1.  avyxHvrtu 
st.  avyxtlvrai.   ~  46,  6  v.  u.  1.  verschieden  von  den  Theilen  st 


B.  Wesipfuü,  Sjstem  d.  antik.  Rhythmik,  ang.  v.  W.  Berger.    500 

Endlich  wird  der  Hr.  Vf.  wol  nichts  dagegen  haben,  wenn  wir  S.  17, 
Z.  10  V.  0.  und  S.  122,  Z.  5  v.  u.,  sowie  in  seinen  Frgm.  der  Rhythmik 
S.  80,  Z.  ö  V.  0.  iiav  iv  ravT^  Xoyt^  nodwv  statt  roJr  ^v  rtvTtp  l.  n.  lesen. 
Von  seinen  eigenen  zahlreichen  und  trefflichen  Conjeeturen  können  wir  nur 
der  auf  S.  78.  79  an  Aristid.  S.  53,  10  — 13  versuchten  nicht  beistimmen, 
iowie  uns  die  S.  122.  123  dem  Worte  dyfoyri  beigelegte  zweite  Bedeutung 
nicht  recht  geüülen  will,  d.  h.  insofern  auch  sie  Aristoxenisch  sein  soll. 
Auch  stimmt  die  dortige  Ausführung  mit  dem  S.  17.  18  über  dieselbe 
Sache  gesagten  nicht  überein.  Unser  Hauptgrund  gegen  die  Auffassung  auf 
S.  122  ff.  ist  der,  dass  man,  wenn  man  die  tlytjyrj  als  to  nQoif^Qfa&ai  rci 
fiey4&fi  Twy  no^iav  twv  Aoyaiy,  auCofn^vary  ovi  at  S-^aetg  noiovvrtti  UQog 
T«f  uQaetg  fasst  und  demgemäXä  als  ein  avUo&at  der  /Qovoi-nomot'Zahl 
innerhalb  derselben  Taetart  erklärt,  dass  man  dann  diesem  durchaus  pas- 


versch.  v.  d.  Tacten.  —  52,  23  v.  u.  1.  ttg  no^ag  (hnlvo/nsvoi  st.  ttg 
X^ovovq  ttval,  •—  53,  19  v.  o.  L  viersilbige  Päon  st.  einsilbige  Päon. 

—  53,  17  V.  u.  1.  nvanMaji.x6v  st.  avTianaajixov.  —  54,  12  v.  o.  1. 
i^aafjf^og  6axr,   —  ^|-^    ^-|^  —   st.   -v^|-^    v>|^    —  ~. 

—  55,  6  V.  0.  1.  xn\  Tovg  /nh  st.  xal  rovrovg  fii^r.  —  56,  21  v.  o. 
Fehler  in  den  Zeichen  (desgl.  S.  94,  Z.  4  v.  u.,  157,  7  v.  u.,  158, 
1  V.  0.,  Z.  13  V.  u.,  190,  6  u.  7  V.  o.).  -  56,  23  v.  o.  1.  §.  104  st. 
§.  101.  —  56,  6  V.  u.  1.   J^  h  (w»^^(^   st.    J^  (w^fi^.  —   59,  1 

novs  TT.  7iov<;  novi  n,  novg 

V.  0.  1.    —  ^^|-^^|-ww    st.    -^^I^^l-^^^. 

—  67,  3  V.  u.  1.  inruarifjog  st.  TSTQtiarjjuog.  —  69,  23  v.  o.  l.  Xoyog 
T()i7iXdawg  st.  Xoyog  InUQtrog.  —  70.  3  v.  o.  streiche  „Komiker 
und".  —  7,  21  V.  0.  1.  xavovixol  st.  xuvtttvixoC  und  ebenso  S.  72, 
2,  4,  5,  7.  —  75,  1  V.  0.  streiche:  also  nicht  einmal  auf  ganz  1'/, 
XQovoi  no.  —  82,  20  u.  21  v.  o.  vertausche:  iufißoei^rj  und  tqo- 
ycuoH^ij.  —  104,  3  V.  u.  1.  naQiare  st.  naQfari,  — 106,  14  v.  u.  1. 
Melik  st.  Metrik.  —  110,  3  v.  u.  1.  /h^tqu  aus  4  päonischen  st. 
8  päonischen.  —  IIb,  1  v.  o.  1.  S.  104  st.  S.  00.  —  120,  1  v.  u.  L  xal 
rag  nvrag  st.  xal  (WTttg,  ebenso  S.  122,  3.  —  127,  18  v.  o.  1.  vor 
jenem  st.  von  jenem.  —  135,  5  v.  o.  1.  systaltischen  st.  hesychasti- 
schen.  -—  138,  19  v.  o.  \.  ytvo^^vag  st.  ytvofiivrig.  —  l^,  7  v.  u.  1. 
(k^atai  st.  aqmai,  — 142,  13  v.  o.  1.  in  einem  Tacte  oder  Tacttheile 
st.  in  einem  Tacttheile  etc.  —  143,  7  v.  u.  1.  %  x^-  ^Q-  ^t.  Vs  XQ- 
ng.  — 147,  12  v.  o.  1.  notis  signant  atque  aestimant  st.  notis  atque. 

—  148,  2  V,  0.  1.  avyxQtaiv  st.  avv^iotv.  — 148,  15  v.  o.  1.  insofern 
sie  untheilbar  ist  st.  insof.  sie  theilb.  ist.  — 148,  10  v.  u.  1.  ayrjua 
st.  atifieTu  —  149,  19  v.  u.  1.  eva  st  iva.  —  151,  5  v.  o.  l.  S.  l39 
st  S.  138.  —  151,  12  y.  u.  1.  Grenze  hin  st  Grenze  hier.  —  154, 
24  V.  u.  1.  ist  es  ein  avvi^trov  st.  ist  es  ein  uavv(^trov.  —  155,  10 
V.  0.  hinter:  „Eine  Silbe"  fehlt  wol  unabsichtlich:  nur  Ein  Ton. — 

—  156,  14  V.  0.  1.  beim  üebergange  st.  vom  Uebergange.  —  157, 
6  V.  0.  1.  fxiraßnatg  st  ^eraßaaeig.  —  158,  5  v.  u.  1.  lOl  st.  100.  — 
160,  4  v.  0.  1.  TtoXXarXovg  st  anXovg.  —  169,  23  v.  o.  1.  ^uihfioH^tlg 
vor  st  (wd^fi.  von.  —  173,  16  u.  5  v.  u.  1.  neQtnXtui  st  neginXet^t 
und  ebenso  S.  174,  12.  —  173,  13  v.  u.  1  xiXQa/nh'ot  st  xfxgauin^voi, 
180,  19  V  0.  1.  fig  t«  iravt^tt  st  (ig  hnvrCa.  —  181,  15  v.  u.  1. 
xvXivSiJo  st  xvXtvSiTtti,  —  184,  10  v.  o.  streiche:  auf.  —  185,  7 
u.  8  V.  0.  1.  ot  Sk  /Liiaoi  xexQUfi^voi  t€  i$  ti/mpoTv  xal  avfifAiTQot 
Ttiv  xaraaTttaiv.  — 185,  15  v.  u.  1.  gedehnten  Kürzen  st.  gedehnten 
Längen.  —  188,  7  v.  u.  1.  ein  einfacner;  noch  vgl.  st.  ein  einfacher 
»och.  Vgl 


600    Heidelberg  u.  a.,  Gramm,  d.  deutsch.  Sprache,  toig.  v.  Ä,  Egger. 

siven  Verlialton  doch  schwerlich  eine  Svvafjtig  (J"«*  rriv  rrig  uyctyyijg  Svvafny) 
beik^gen  kann.  Doch  davon  \ielleicht  ein  andennal  ausführlicher. 

So  möge  dieses  Buch  allen  empfohlen  sein,  denen  die  griechische 
Metrik,  allen,  denen  die  griechische  Poesie  am  Herzen  liegt,  denn  auch 
diese  ist  ja  ohne  Kenntnis  der  Metrik  nicht  vollkommen  zu  durchdringen. 
Und  es  hat  Anspruch  darauf,  gekannt  zu  werden,  denn  es  gibt  nicht  bloft 
dem  Mitforscher  eine  sehr  willkommene  Bereicherung  seiner  Kenntnisse 
und  mannigfache  Anregung,  sondern  es  ist  auch  ganz  geeignet,  den  mit 
metrischen  und  rliythmischen  Fragen  noch  unbekannten  nicht  blofs  ober- 
flächlich in  dieselben  einzuführen,  da  es  ihm  für  das  Verständnis  der  alten 
Rhythmiker  den  Schlüssel,  für  das  Studium  der  griechischen  Metrik  die 
Fundamente  bietet. 

Cottbus.  Dr.  W.  Berger. 


I.H.Heidelberg,  Elementargi-ammatik  der  deutschen  Sprache 
für  untere  Gymnasial-  und  Realclassen,  für  Bürger-  und  höhere  Töchter- 
schulen. Zweite  verbesserte  Auflage.  Celle,  Capaun-Karlowa,  1864.  — 
6  Sgr. 

2.  E.  Hermann,  Der  deutsche  Satz  für  die  untersten  Classen 

der  Mittelschulen.  Wien,  Beck,  1865.—  25kr.ö.  W. 

3.  E.  und  Fr.  Wetzel,  Die  deutsche  Sprache.  Eine  nach 
methodischen  Grundsätzen  bearbeitete  Grammatik  für  höhere  Lehr- 
anstalten und  zum  Selbstunterrichte.  Berlin,  Stubenrauch,  1865.  — 
%  Thlr. 

Die  beiden  erstgenannten  Werkchen  begegnen  sich  im  Zwecke,  wei- 
chen aber  in  der  Methode  völlig  von  einander  ab.  Beide  wollen  dem 
Elementarunterrichte  in  der  deutschen  Sprache  dienen,  und  geben^darum 
nur  den  noth wendigsten  grammatischen  Stoff  in  kurzer  und  übersichtlicher 
Fassung,  aber  während  bei  Heidelberg  das  Regelwerk  überwiegt,  lasst 
Hermann  die  Beispiele  als  Hauptsache  hervortreten.  Ersterer  rechnet 
offenbar  auf  ein  passendes  Lesebuch  zur  Einübung  der  Regeln,  letzterer 
aber  bietet  ein  vollständiges  Material  für  grammatische  Uebungen,  und 
erwartet  vom  Lesebuche  nur  allgemeine  geistige  Anregung.  Ref.  kann 
nicht  umhin,  der  zweiten  Methode  entschieden  den  Vorzug  zu  geben.  Die 
praktische  Erfahrung  lehrt,  dass  eine  unmittelbare  Verbindung  von  Regel 
und  Beispiel  den  Schüler  fördert  und  den  Unterricht  erleichtert,  wahrend 
ein  Aufsuchen  des  Passenden  in  verschiedenartigen  Lesestücken  Zeit  und 
Mühe  kostet,  und  die  grammatische  Analyse  eines  anregenden  Inhaltes  dem 
jungen  Gemüthe  die  reine  Freude  am  Ethischen  und  Aesthetischen  desselben 
stört.  Muss  man  auch  anerkennen,  dass  Heidelberg  sich  mit  pseda- 
gogischem  Tacte  auf  das  nothwendigste  beschränkt  hat,  so  erscheint  uns  die 
karge  Vertretung  der  Beispiele  doch  als  ein  Mangel  seines  Schulbuches. 
Dagegen  möchte  Ref.  in  der  Methode,  die  Hermann  anwendet,  einen 
didaktischen  Fortschritt  begrüfsen.  Die  Bedeutung  des  Beispieles  ist  noch 
in  keinem  Elementarbuche  so  in  den  Vordergrund  getreten,  als  hier;  sie 
bilden  den  Hauptinhalt  jedes  Paragraphen,  und  ihnen  folgen  die  „Lehr- 
sätze" in  einfacher  und  präciser  Fassung,  kleingedruckt  Alles  überflüssig« 


Üeidelberg  u.  lt.,  Qramm.  d.  deutscli.  Spiaclie,  ang.  v.  Ä,  Egger,    6Öi 

logische  Schematisieren  föllt  weg  und  der  Schüler  fühlt  recht  lebendig, 
dass  die  grammatische  Regel  sich  aas  der  Sprache  ableite ,  nicht  aber  die- 
selbe meistere.  Der  Hr.  Verf.  hat  vorläufig  nur  die  Syntax  nach  diesen 
Grundsätzen  bearbeitet;  Referent  zweifelt  nicht,  dass  wenn  auch  die  For- 
menlehre so  behandelt  würde,  die  deutschen  Mittelschulen  Oesterreichs 
ein  vortreffliches  Lehrbuch  gewännen.  Das  orthographische  Wörterverzeichnis, 
welches  der  Lehre  vom  Satze  beigegeben  ist,  wird  freilich  nicht  so  allseitig 
befriedigen.  Es  wird  zwar  kaum  jemanden  gebon ,  der  jede  Vereinfachung 
der  deutschen  Schreibung  hartnäckig  verwürfe,  aber  wenige  werden  sich 
mit  Aenderungen  befreunden,  die  der  geläufigen  hochdeutschen  Aussprache 
Gewalt  anthun,  z.  B.  betriegen  st.  betrügen,  Lerm  st.  Lärm.  Selbst  T  e  st. 
Thee  ist  zu  befremdend. 

Den  eben  besprochenen  bescheidenen   Lehrbüchlein  gegenüber  tritt 
das  Werk  der  Gebrüder  Wctzel  in  Berlin  mit  einer  gewissen  Prätension 
auf.   Es  kündigt  sich  als  eine  nach  methodischen  Grundsätzen  be- 
arbeitete Grammatik  an,  und  die  Verlagshandlung  nennt  es  selbst  eine 
hervorragende  Erscheinung.    Die  Vorrede  erklärt,  dass  hier  der  ganze 
Unterrichtsstoff  auf  drei  Stufen  methodisch  vertheilt  sei ,  so  dass  die  Ety- 
mologie auf  alle  drei  Stufen  sich  ausdehne,  die  Orthographie  vornehmlich 
der  ersten  und  zweiten  Stufe  anheimfalle,  die  Syntax  und  Interpunctionslehre 
aber  besonders  auf  der   zweiten   und  dritten  Stufe  zu  behandeln  seien. 
Dem  Inhalt  nach  sollen  sich  diese  drei  Stufen  dadurch  unterscheiden,  dass 
die  beiden  ersten  das  Anschauliche  der  sprachlichen  Erscheinung  darstellen, 
während  die  dritte  aus  den  Erscheinungen  den  Begriff  entwickelt.  Aeufber- 
lich  sind  dieselben   durch  verschiedene  Schriften  und  durch  die  Margi- 
nalbezeichnungen  1,  II,  III  unterschieden.   Referent  kann  diese  Methode 
nur  billigen  y  hat  er  doch  selbst  vor  einiger  Zeit  in  dieser  Zeitschrift  den 
Wunsch  nach  einem  so  geordneten  Lehrbuche  ausgesprochen.    Die  Stufen- 
eintheilung  jedes  Paragraphen  macht  eine  Auswahl  leicht  möglich ,  ohne 
den  Stoff  zu  sehr  zu  zersplittern,  und  nothigt  den  Schüler  zugleich  zur 
Wiederholung  des  Vorhergehenden.  —  Man  muss  zugeben,  dass  die  Hrm.  Vf. 
als  praktische  Lehrer  für  jede  Stufe  das  passende  gewählt  und  den  üeber- 
gang  vom  Leichten  zum  Schwierigen  richtig  festgehalten  haben.  In  diesem 
Sinne  ist  ihr  Buch  eine  wirkliche  Bereicherung  der  Schulliteratur.  Aber 
in  anderer  Beziehung  erscheint  es  uns   veraltet  und  unbrauchbar. 
Die  Hrm.  Verf.  stehen  nämlich  noch  ganz  auf  dem  Boden  der  Beck  er 'sehen 
Doctrin,  ja  sie  sind  hinter  dem  Musterwtti»  ihrer  Schule,  der  Schulgrammatik 
von  K  P.  Becker,  noch  zurückgeblieben.  Denn  diese  wurde  in  ihrer  neue- 
sten (8.)  Auflage  nach  den  Grundsätzen  der  historischeD  Grammatik  um- 
gestaltet und  hat  dadurch  an  wissenschaftlichem  Werth  gewonnen.  Im  vor- 
liegenden Werke  findet  sich  keine  Spur  einer  historischen  Auffassung  der 
Sprache,  wol  aber  ist  die  Etymologie  durch  die  crassen  Irrthümer  der  phi- 
losophischen Anschauung  verunstaltet.    Insofeme  die  Grundsätze  Jakob 
Grimm's  auch  für  Schulbücher  bereits  herrschend  geworden  sind,  können  die 
Becker's  heute  als  veraltert  gelten,  und  insofeme  wissenschaftlich  unrichti- 
ges Rir  die  Schule  nie  empfohlen  werden  kann,  muss  man  dieses  Buch 
unbrauchbar  nennen. 

2c!tAcb»m  f.  <].  9ster  Ojrmn.  1S6&.  Vm.  II«ft.  41 


60t    Heidelberg  u.  a.,  Gramm.  ^  deutsch.  Sprache,  ang.  v.  Ä. 

Um  zu  zeigen,  wie  wenig  die  Hrm.  Verf.  die  deutsche  Sprache  wis- 
senschaftlich bewältigt  haben,  weil  sie  es  verschmähten,  sich  an  Grimmas 
Grammatik  zu  schulen,  will  ich  nur  einiges  hervorheben.  S.  2  helfst  es: 
„Der  Name  Buchstabe  für  die  Zeichen  der  Sprachlaute  errinnert  daran, 
dass  im  Anfange  der  Buchdruckerkunst  die  Lautzeichen  auf  Stäben  von 
Buchenholz  ausgeschnitten  wurden."  —  War  denn  den  Hrm.  Verf.  wirklich 
unbekannt,  dass  das  Wort  p%u>Jistap  lange  Jahrhunderte  vor  Erfindung  der 
Buchdruckerkunst  schon  im  Althochdeutschen  in  Gebrauch  war?  —  Wenn 
es  auf  derselben  Seite,  Anmerkung  d  helfst:  Verschiedene  Buchstaben  bezeich- 
nen denselben  Laut,  wie  f  und  v  in  fiel  und  viel,  g  und  ch  in  selig,  welt- 
lich, —  mag,  mach,  so  müssen  wir  Süddeutschen  das  als  ein  unberechtigtes 
Vordrängen  einer  Mundart  zurückweisen. 

S.  4  sind  als  Beispiele  des  Ablautes  auch :  stechen,  stecken,  schwingen, 
schwenken  angegeben ,  während  in  der  Wissenschaft  der  Ablaut  rein  voca- 
lischer  Natur  ist.  —  Naiv  klingt  die  Bemerkung  S.  12,  dass  die  Substan- 
tiva  auf  o^,  tU,  od  aus  dem  Mittelhochdeutschen  stammen.  Als  ob  nicht 
fast  der  ganze  nhd.  Wortschatz  aus  dem  Mittelhochdeutschen  stammte!  — 
Die  von  Theodor  Becker  selbst  aufgegebene  Unterscheidung  von  Stämmen 
und  Spross formen  ist  hier  noch  beibehalten,  so  wie  der  Irrthum  der 
zweisilbigen  Wurzel  Wörter  und  der  Glaube,  dass  aus  starken  Verben 
nur  Substantiva  und  Adjectiva  abgeleitet  werden  können.  Dass  die  Hrm.  Vf. 
Zusammensetzungen  für  Ableitungen ,  ja  sogar  für  reine  Stämme  (wie 
Gesang)  ansehen,  muss  man  ihrer  Schule  zu  Gute  halten.  —  Als  syntak- 
tische Sonderbarkeit  fiel  uns  S.  118  auf  die  Unterscheidung  von:  Ich 
schwitze  (weil  ich  will)  und:  Es  schwitzt  mich  (ohne  meinen  Willen).  — 
Nach  dem  vorstehenden  lässt  sich  wol  erwarten,  dass  die  von  der  histori- 
schen Schule  angebahnte  Vereinfachung  unserer  Orthographie  im  Buche 
der  Hrrn.  Wetzel  keinen  Eingang  gefunden  hat  Sie  schreiben  inuner  noch 
haar,  MaaTs,  Schaar,  Maal,  bescheeren,  Loos  u.  s.  w.  Doch  in  diesen 
Dingen  ist  auch  die  historische  Schule  noch  nicht  einig,  und  es  gilt  noch 
das  Recht  der  eigenen  Meinung,  aber  in  andern  Fällen  sind  die  Resultate 
der  historischen  Grammatik  so  bestimmt  und  sicher,  dass  eine  Abweichung 
davon  nicht  mehr  als  Originalität,  sondern  einfach  als  Lrthum  gelten  kann. 

Schliefslich  kann  Ref.  auch  das  Bedenken  nicht  unterdrücken,  dass 
die  Herren  Verf.  ihren  Schülern  zu  viel  Grammatik  bieten.  Sie  erklären 
zwar  in  der  Vorrede:  „Sollte  überhaupt  das  Mafs  des  zu  Lehrenden  für 
manche  Verhältnisse  überschritten  aein,  so  glaubten  wir  dem  Grundsatze 
folgen  zu  dürfen:  Wer  vieles  bringt,  wird  allen  Etwas  bringen  und  Aus- 
lassungen sind  ja  leicht  gemacht."*  Aber  dieser  Ansicht  können  wir  nicht 
beipflichten.  Nicht  die  Zahl  der  Seiten,  Paragraphen  und  Zeilen  ist  es, 
was  des  Schülers  Geist  überladet,  »ondern  die  vielen  und  subtilen  logischen 
Unterscheidungen  in  der  Wort-  und  Satzbildung.  Diese  hängen  so  innig 
mit  der  ganzen  Methode  zusammen,  dass  sie  eben  nicht  einfach  durch  Aus- 
lassung entfemt  werden  können.  Sie  quälen  eben  den  jungen  Verstand  und 
fördem  die  Stilbildung  in  keiner  Weise.  Man  kann  dem  Scharfsinne  der  Hrm. 
Verf.  volle  Anerkennung  zollen,  wenn  sie  den  logischen  Bau  der  Sprache 
ergründet,  und  doch  ihre  Darstellung  für  die  Schule  unbrauchbar  finden. 

Wien.  A.  Egger. 


Literarische  Notizen.  60S 

Literarische  Notizen.  Neue  Auflagen. 

Re8  gestehe  divi  Augusti  ex  monumentis  Ancyromo  et  Apölloniensi 
edidii  Th.  Mommsen.  Accedunt  tabulae  tres.  Berolini  apud  Weid- 
raannos.  1865. 

Wegen  der  Wichtigkeit,  welche  dem  mofitwientum  Ancyranum  für 
die  Geschichte  des  Augustus  zukommt,  hat  Mommsen  dassellie  in  vorlie- 
gendem Buche  gesondert  herausgegeben,  obgleich  es  natürlich  im  corpus 
inscriptionum  ebenfalls  veröflfentlicht  wird.  Die  abgesonderte  Herausgabe 
ist  darum  geschehen,  damit  Raum  zu  Erklärungen  geschafft  würde,  die 
im  Corpus  nicht  aufgenommen  werden  können.  Der  Inhalt  des  Buches 
ist  folgender.  Zuerst  die  Geschichte  des  Textes,  um  es  so  zu  nennen, 
seit  seiner  ersten  Veröffentlichung  durch  Busbecqius  bis  zur  letzten  und 
genauesten  Abschrift,  welche  im  Auftrage  des  Kaisers  Napoleon  11 1. 
Georg  Perrot  und  Edmund  Guillaume  von  der  lateinischen  und  griechi- 
schen Inschrift  genommen  und  welche  Mommsen  seiner  Ausgabe  zu  Grunde 
legt.  Ebenso  ist  über  die  ziemlich  unbedeutenden  Keste  der  griechischen 
üebersetzung,  die  zu  ApoUonia  gefunden  worden  sind,  S.  24  gehandelt. 
Es  folgt  der  genaue  Abdruck  des  lateinischen  und  griechischen  Textes  des 
Mon.  Ancyr.  ohne  Ergänzungen  und  zwar  so,  dass  dem  lateinischen  auf 
der  linken  Seite  der  entsprechende  griechische  auf  der  rechten  Seite  bei- 
ffesetzt  'und  dem  letzteren  der  Text  des  mon.  ApoUon.  unten  beigegeben 
ist.  Dieser  Theil  ist  nochmals  auf  drei  Tafeln  enthalten,  von  denen  die 
zwei  beiden  die  lithographische  Nachbildung  der  laieinischen  Inschrift  in 
verkleinertem  Mafsstao,  die  dritte  in  gewöhnlichen  Lettern  den  griechi- 
schen Text  des  mon.  Ancyr.  und  den  des  Apollon.  enthalten.  Es  folgen 
ebenfalls  einander  gegenübergestellt  der  latemische  und  griechische  Text 
mit  Ergänzungen  der  lückenhaften  Stellen.  Der  lateinische  Text  ist  na- 
türlich von  Mommsen  selbst,  der  griechische  von  Kirchhoff  hergestellt. 
Im  nächsten  Theile  ist  der  Commentar  des  Herausgebers  (mit  besonderer 
Paginierung)  enthalten..  Die  Einrichtung  ist  folgende.    Der  in  Capita  ab- 

feÜieilte  lateinische  und  griechische  Text  ist  zur  Bequemlichkeit  des  Ge- 
rauches  nochmals  und  zwar  je  ein  Caput  vorgesetzt  und  daran  gefügt 
was  in  kritischer,  und  ausführlicher  was  in  exegetischer  Hinsicht  zu  be- 
merken war.  Dass  gar  manche  oder  eigentlich  die  meisten  solchen  kleinere 
Artikeln  historische  S])ecialuntersuchungen  geworden  sind,  ist  bei  Mommsen 
selbstverständlich,  so  über  die  Verhältnisse  Roms  zu  den  Daken  S.  88, 
über  die  dem  Augustus  erwiesenen  Ehren  S.  97  ff.  Angehängt  ist  eine  Ab- 
handlung über  die  Reste  einer  Inschrift,  welche  zu  Tibur  gefunden  worden 
ist  (Henzen  N.  5366).  Es  handelt  sich  dort  die  Person  zu  finden,  der  zu 
Ehren  die  Inschrift  gesetzt  war.  Mommsen  bestimmt  als  denselben  den 
P.  Sulpicius  Quirinius.  Dann  folgen  vier  Indices,  erstens  einer  der  im 
monum.  Ancyr.  enthaltenen  Dinge  nach  der  Ordnung  des  Monumentes, 
zweitens  ein  chronologischer,  dann  der  Index  verborum  des  lateinischen 
Theiles,   wobei  die  Ergänzungen  auch  in  den  einzelnen  Worten  kenntlich 

femacht  sind.  Vorangeschickt  sind  diesem  Index  Bemerkungen  über  einige 
ligenheiten  der  Sprache,  über  Orthographie  und  Formen.  Den  Schluss 
macht  ein  Realindex  zu  dem  Inhalt  des  Buches.  Es  kann  dem  Referenten 
nicht  beifallen,  eine  Kritik  zu  üben,  nur  einen  Hinweis  auf  diese  glän- 
zende Bearbeitung  der  umfangreichsten  und  bedeutendsten  lateinischen 
Inschrift  von  dem  dazu  berufensten  Manne  zu  geben  war  seine  Absicht. 
Zugleich  möge  einem  Wunsche  Ausdruck  gegeben  werden,  den  dieses  Buch 
bei  jedem  erregen  wird,  nämlich  dass  der  Verfasser  bald  Mufse  finden 
möge  zur  Fortwtzung  seiner  römischen  Geschichte. 

Dr.  Moratadt,  Beiträge  zur  Exegese  und  Kritik  des  Sophokleischen 
Aias.  Schaffhausen,  1863.  32  S.  4. 

Vorliegendes  Programm  bespricht  eine  Reihe  von  Stellen  des  Aias, 
und  stellt  verhältnismäfäig  zahlreiche  Conjectnren  auf,  die  freilich  meist 

41* 


604  Litorarischd  Noticen. 

ff e wagt  sind  oder  auf  subjectivem  Belieben  beruhen.  Passend  erscheint  uns 
oier  Vorschlag  V.  Iä3  xttxovg,  das  ein  allzu  verschwommener  Gegensatz  zu 
aioifQovas  ist,  mit  Bezug  auf  V.  763  (und  766)  in  (ivohf  zu  ändern,  ebenso 
379  TittvO-'  o^diVf  das  keinen  Tadel  enthält,  sondern  vielmehr  ein  Lob,  in 
ndvraS  pwv  (der  du  alles,  schlechtes  wie  gutes,  thust)  zu  verwandeln.  An- 
sprechend ist  femer  V.  988  die  Umgestaltung  des  Glossems  &avovai  in 
ix^Qoiat ,  welcher  Begriff  an  jener  Stelle  nicht  fehlen  darf,  welchen  Vor- 
schlag i^brigens  auch  die  neueste  Dindorf  sehe  Ausgabe  nach  Herwerden^s 
Vorgang  in  der  prsef.  S.  13  und  Meineke  Analecta  Sophoclea  S.  285  machen. 
Dindorf  hat  ix^-ootai  auch  sofort  in  den  Text  aufgenommen.  Ingleichen 
sind  die  Einwendungen,  die  M.  dagegen  macht,  dass  S^hneidewin  und  Nauck 
die  beiden  Verse  1396  und  1397  für  unecht  erklären  und  demzufolge  ein- 
klammem ,  nicht  ganz  unbegründet,  wenn  auch  seine  eigenen  Vorschläge  der 
Schwierigkeit  der  Stelle  keineswegs  abhelfen.  Berecht^  ist  auch  die  Ab- 
weisung der  Nauck'schen  Athetese  bei  V.  314,  wobei  M.  wenigstens  der  Sache 
nach  mit  Kviöala  (in  dieser  Zeitschrift  1862,  5.  und  6.  Heft)  übereinstimmt. 
Znaim.  Ign«  Prammer. 

Deutsches  Lesebuch  für  die  erste  Gy^ninasuüclasse,  vonK.  A.  Madiera. 
Prag,  J.  L.  Kober,  1865. 

Das  vorliegende  Lesebuch  ist  für  Schüler  bestimmt,  deren  Mutter- 
sprache das  öechische  ist.  Deshalb  ist  demselben  ein  aufmerksam  gearbeite- 
tes deutsch-cechisches  Wörterverzeichnis  beigegeben  (S.  148  —  205).  Die- 
selbe Rücksicht  bestimmte  den  Hm.  Verf.,  die  leichte  V^erwendbarkeit  der 
Iiesestücke  zu  Sprechübungen  besonders  ins  Auge  zu  fassen.  Daher  hat  er 
eine  grofse  Zahl  der  Stücke  aus  Reiser*s  'Stilschule*,  Otto's  'Anleitung* 
und  Ritserts  'Lehre  vom  deutschen  Style'  aufgenommen,  um  den  Lehrern 
Gelegenheit  zu  geben,  die  in  diesen  Werken  gegebenen  Andeutungen  und 
Winke  zur  mündlichen  Ausführung  einer  Reihe  passender  Aufgaben  zu 
benützen.  Die  durchgängige  Kürze  und  einfache  Diction  der  einzelnen  Lese- 
stücke war  durch  den  ^eck  des  Buches  nahe  gelegt. 

Von  mehreren  Seiten  treten  die  gewählten  Stücke  mit  den  übrigen 
Unterrichtszweigen  in  Verbindung.  Au?  naturgeschichtlichen  und  geogra- 
phisch-historischen Lesestoff  ist  entsprechend  Rücksicht  genommen.  Der 
stilistischen  Durcharbeitung  solcher  Stücke  jedoch  hat  der  Hr.  Verf.  weit- 
aus nicht  jene  Sorgfalt  für  correcte  und  gewählte  Form  zugewandt,  welche 
in  Mozart 's  Lesebüchern  unverkennbar  ist.  So  wären  z.  B.  die  Stücke  aus 
den  'geographischen  Bildern  aus  Gestenreich'  (vgl.  N.  145)  oder  aus  Gmbe's 
'Charakterbildern*  (vgl.  N.  111,  114,  123)  in  Hinsicht  auf  Stil  und  An- 
ordnung gewiss  erst  einer  sorgfältigen  Bearbeitung  zu  unterziehen  gewesen, 
ehe  sie  in  einer  Sammlung  von  Musterstücken  Platz  finden  durften.  Die 
aufgenommenen  historischen  Stücke  nach  Grube  sind  überdies  viel  zu 
dürftig  und  trocken,  um  neben  dem  geschichtlichen  Lehrbuch  für  sich  eine 
Geltung  zu  haben.  Zum  Theil  trifft  dieser  Tadel  auch  die  Stücke  aus  der 
Naturgeschichte,  welche  hie  und  da  auch  sachlichen  Bedenken  Raum  geben, 
80  wenn  z.  B.  N.  160  die  Vermuthung  ausgesprochen  wird,  dass  der  un- 
überwindliche Abscheu  mancher  Menschen  vor  der  Katze  'von  den  elektrischen 
Ausdünstungen  dieses  Thieres'  herrühre! 

Dass  in  einem  Lesebuche  für  die  untere  Stufe,  wie  es  hier  der  Fall 
ist,  Fabel,  Märchen  und  Sage  reichlich  vertreten  ist,  rechtfertigt  sich  von 
selbst;  nicht  zu  billigen  ist  es  jedoch,  wenn  in  der  Fassung  der  letztem 
zweifelhaft  bleibt,  ob  man  es  mit  Geschichte  oder  Erfindung,  mit  wunder- 
baren Thatsachen  oder  blofsem  Spiele  der  Phantasie  zu  thun  habe.  Es  ist 
mislich,  wenn  der  Lehrer  in  solchen  Fällen  den  Fragen  der  Schüler,  ob 
das  Erzählte  auch  wahr  sei,  wird  begegnen  müssen,  während  die  blofse 
Form  derartiger  Lesestücke  einer  Aufklärung  zur  Beseitigung  abergläubi- 
scher Wirkung  überheben  soll.  Dem  widersprechen  aber  z.  B.  das  Lesestück 
N.  52  'die  weiTse  Frau*  oder  N.  156  'Krok  und  seine  Töchter*. 

Aus  nahe  liegenden  Gründen  entschied  sich  der  Hr.  Verf.  in  der 
Kegel  für  jene  Orthographie  und  Interpunction,  welche  in  den  Ar  die  Haupt- 


Literarische  Notizen.  605 

schulen  vorgeuchriebenen  Lehrbüchern  befolgt  ist  und  die  Franz  Herrmann 
in  dem  Schriftchen  'die  deutsche  Schreibung  und  Satzzeichnung*  dargelegt 
hat.  Doch  kommen  im  vorliegenden  Buche  zahlreiche  Verstöfse  dagegen 
vor.  Das  Haupterfordernis  jedes  Schulbuches,  Correctheit,  ist  in  diesem 
Pnncte  derart  verletzt,  dass  in  einer  zweiten  Auflage  Verbesserungen  nach 
dieser  Richtung  dringend  geboten  sind.  Hiefür  erlauben  wir  uns,  das  dem 
Buche  angehängte,  ziemlich  ausgedehnte  Druckfehlerverzeichnis,  wo  einiges 
einschlägige  corrigiert  ist,  zu  ergänzen.  In  der  Setzung  des  ss  nach  kurzem, 
des  fs  nach  langem  Vocal  herrscht  grofse  Verwirrung.  So  steht  fehlerhaft  S.55 
u.  97  niüfsen,  S.  56  mufst,  S.  83  mufste,  S.  92  müi^,  S.  56  wufkte,  S.  110 
wufste,  ebenso  S.  79  Spass  (stat  Spafs),  dazu  S.  9()  Spassigkeit,  dann  S.  91 
Müfsiggang,  S.  146  Strassen;  fehlerhaft  steht  ferner  S.  125  masiv  (massiv), 
S.  54  und  oft:  wohl  statt  wie  sonst  vorkommt:  wol,  S.  70  Brod  (sonst 
Brot),  S.  147  Koncert,  wo  nach  des  Verfassers  angenommener  Re^el  Konzert 
zu  drucken  war,  S.  120  Ceremonie,  während  S.  29  Zeremonie  steht  u.  s.  w. 

Mit  Tilgung  der  Dehnungsbuchstaben  bei  einzelnen  Wörtern  kann 
man  nicht  einverstanden  sein,  da  sie  in  ganz  ähnlichen  nicht  durdigeführt 
ist.  Der  Hr.  Verf.  druckt  S.  17  gestolen,  S.  71  stelen,  S.  96  stralt,  S.  39 
u.  ö.  wamehmen,  aber  zahlen,  mahlen,  mahlt  u.  s.  w.  Femer  liest  man 
S.  121  Sper,  S.  107  mosig.  dagegen  Loos,  Aussaat  u.  s.  f.  Ebenso  auflTallend 
inoonsequent  ist  das  Buch  in  betreff  des  th.  Da  schreibt  der  Verfasser 
S.  55  u.  sonst  Gemüth,  S.  62  Irrthum,  S.  67  röthlich,  S.  70  Noth,  aber 
dberall  Wert,  Wirt,  S.  83  Armut,  S  80  sogar  mietete,  ebd.  geraten  (aber 
S.  65  wieder  rathschlagen ,  S.  87  räthselhaft) ,  S.  90  Geräthschaft  u.  s.  w. 

Verwirrung  herrscht  auch  in  der  Initiale  der  adverbiel  gebrauchten 
Substantive,  die  einmal  grofs  das  andere  mal  klein  gedruckt  ist.  So  S.  71 
Nachts,  S.  75  tags,  S.  116  Anfang,  S.  117  anfangs,  S.  64  abend  u.  s.  f. 
Ebenso  wäre  durchgängig  das  Komma  vor  einem  Satztheile  mit  'und*  zu 
tilgen ,  wenn  derseloe  kein  eigenes  Subject  hat.  Da  treffen  wir  hier  das 
Komma  bald,  bald  nicht.  Auch  die  vorkommende  Setzung  zweier  Zeichen, 
wie  S.  20  u.  f.  des  Komma  und  de:  Pause,  ist  überflüssig. 

Zu  verbessern  ist  noch  S.  45  allmälich  (sonst  immer  allmählich), 
S.  24  Lichtenstein  in  Liechtenstein,  S.  65  Bockhorn  in  Bockshorn,  S.  73 
Stack  in  itak  u.  e.  a.  Noch  wollen  wir  sagen,  dass  auffallenderweise  das 
allein  richtige  Brosame  (altd.  brosamä,  wahrscheinlich  aus  brohsama,  das 
verbum  brohoson  confringere  voraussetzend)  im  Druckfehlerverzeichnis  in 
das  unbedingt  verwerfliche  Brotsame  verschlechtert  ist. 

So  wie  an  durchgängiger  Correctheit  des  Stils,  so  vermag  dies  Lese- 
buch auch  an  Reichhaltigkeit  des  Inhalts,  geschmackvoller  Auswahl  und 
Anordnung  des  passenden  Lesestoffs  mit  dem  entsprechenden  Band  des 
Mozart'schen  Lesebuches  sich  nicht  zu  messen.  Die  harmonische  Pflege 
idealer  und  realistischer  Bildungsmomente  verleiht  den  Lesebüchern  Mozart's 
fürs  UG.  den  Charakter  eines  einheitlichen  Ganzen.  Ein  Vorzug,  dessen 
wohlthätige  Folgen  im  Unterrichte  der  Referent  durch  jahrelange  Erfah- 
rung beobachtet  zu  haben  glaubt.  Auch  in  dieser  Beziehung  hat  der  Hr. 
Verl,  das  Lesebuch  Mozart's  sich  zum  Muster  genommen,  doch  ohne  dasselbe 
zu  erreichen,  geschweige  denn  zu  übertreffen.  Erwägt  man  jedoch  die  ein- 
gangs angegel^ne  eigene  Tendenz  des  vorliegenden  Buches  und  die  dadurch 
bedingte  besondere  Einrichtung  desselben,  so  kann  die  Einführung  des- 
selben in  Schulen,  in  welchen  die  Mehrzahl  der  Schüler  dechischer  Zunge 
ist,  nichts  anders  als  empfohlen  werden.  Dass  der  Preis  dieses  Buches  um 
etwa  20  kr.  ö.  W.  höher  steht  als  jener  des  entsprechenden  Mozart'schen 
Bandes  (72  kr.),  mag  durch  die  geringere  Aussicht  auf  Absatz  gerecht- 
fertigt sein. 

1,  J,  G.  Fr.  Cannabich's  Schulgeoarnphie.  Neunzehnte  Auflage. 
Zum  zweiten  Male  neu  bearbeitet  von  Dr.  Friedrich  Maximilian  Oertel, 
zweitem  Professor  und  Lehrer  der  Geschichte  und  Geogranhie  an  der  königl. 
Sachs.  Landesschule  zu  Meissen.  Weimar,  Voigt,  1865.  kl.  8.  274  S. 

Wer  die  vorliegende  Bearbeitung  des  Lehrbuches  mit  den  altern 


806  Literarische  Notizen. 

Sewagt  sind  oder  auf  subjectivem  Belieben  Auflafj^en  desselben  vergleicht, 
er  würd  die  Mühe  nicht  verkennen,  welche  auf  die  Verbesserung  dieses 
Lehrmittels  verwendet  wurde.  Bei  den  vielen  Berichtigungen  und  Zusätzen, 
welche  das  Buch  hat  erfahren  müssen,  ist  es  erklärlich,  wenn  noch  hie 
und  da  einzelne  Unebenheiten  zurtickblieben ,  wie  z.  B.  S.  134,  135,  137, 
Angaben  bei  einzelnen  Orten  wie  Gastein,  Klagenfurt,  Olmütz,  die  nicht 
ganz  zutreffen.  Im  Ganzen  ist  jedoch  die  umfangreichste  Partie  des  Lehr- 
buches, die  politische  Geographie,  sorgfältig  durchgesehen  und  verbessert 
worden.  Dagegen  bleibt  dem  HerauseelSr  noch  immer  eine  wichtige  Arbeit 
tlbrig,  der  er  sich  auf  die  Lange  der  Zeit  nicht  wird  entziehen  können, 
wenn  das  Lehrbuch  den  jetzigen  Anforderungen  entsprechen  soll,  wir 
meinen  eine  mehr  zusammenhängende  und  ausfuhrliche  Darstellung  der 
oro-  und  hydrographischen  Momente.  Cannabich^s  Entwurf  hat,  wie  über- 
haupt alle  älteren  Lehrbücher,  diesen  Momenten  nur  eine  untergeordnete 
Stelle  eingeräumt;  die  Bahn,  welche  Sydow's  Wandkarten  gebrocnen,  be- 
weist, dass  diese  Momente  die  Grundlage  sind,  auf  welcher  die  politische 
Geographie  aufgebaut  werden  solle.  Die  Ausstattung  des  Buches  ist  gut. 

2.  Schuf^eographie.  Elfte,  wesentlich  verbesserte  und  vermehrte  Be- 
arbeitung des  Leitfadens  für  den  geographischen  Unterricht  von  fmst  von 
Seydlitz.  Gröfsere  Ausgabe.  Mit  51  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen 
und  geographischen  Skizzen.  Nebst  einem  geographisch  -  geschichtlichen 
Namen-  und  Sachregister.  Breslau,  Hirt,  1865.  kl.  8.  286  S. 

Kleine  Schulgeographie,  kleinere  Ausgabe  der  elften  Bearbeitung  des 
Leitfadens. 

Die  neue  Bearbeitung  der  Lehrbücher  von  Seydlitz,  über  die  wieder- 
holt in  diesen  Blättern  referiert  wurde,  rechtfertigt  das  früher  bereits  ab- 
gegebene ürtheil,  dass  diese  Lehrbücher  mit  Umsicht  und  Sachkenntnis 
verbessert  und  für  den  Schulunterricht  eingerichtet  werden.  In  dieser  Auf- 
lage ist  namentlich  den  statistischen  Momenten  eine  besondere  Sorgfalt 
gewidmet  und  erstrecken  sich  die  Berichtigungen  und  Zusätze  in  gleicher 
Weise  auch  auf  die  Länder  des  österreichischen  Kaiserstaates.  Die  Anzahl 
der  Skizzen  ist  um  drei  vermehrt,  die  älteren  Skizzen  wurden  revidiert  und 
zum  grofsen  Theile  gleich  den  der  Menschen -Racen  neu  im  Holzschnitt 
ausgenihrt. 

3,  Wiederholufigshw^h  zu  den  Charakterbildern  aus  der  Geschichte 
utid  Sage  von  A.  W.  Grube.  Leipzig,  Brandstetter,  1865.  8.  70  S. 

Das  vorliegende  Büchlein  verdankt  seine  Entstehung  der  Aufforde- 
rung von  sehr  achtbaren  Schulmännern  an  den  Hm.  Vf.,  zu  seinen  Ge- 
schichtsbildern noch  ein  Repetitionsheft  zu  geben.  Statt  eines  zum  Aus- 
wendiglernen bestimmten  Auszuges  hat  der  Hr.  Vf.  ein  Wiederholungsbucb, 
bestehend  aus  Fragen  zusammengestellt,  welche  sich  mit  dem  Inhalte  seiner 
Geschichtsbilder  beschäftigen.  Diese  Fragen,  welche  der  Repetent  neben 
seinem  Geschichtsbuche  vor  Augen  haben  und  nach  deren  Anleitung  den 
Stoff  wieder  durcharbeiten  soll,  sind  vorzugsweise  für  die  häusliche  Repeti- 
tion  bestimmt  und  können  einzelne  derselben,  wo  Zeit  und  Kraft  vorhanden 
ist,  auch  schriftlich  beantwortet  werden. 

Den  Vorgang  in  seinem  Wiederholungsbuche  rechtfertigt  der  Hr. 
Vf.  mit  der  Bemerkung,  dass  das  Auswendiglernen  von  Namen  und 
Zahlen  nur  dann  von  Nutzen  sei,  wenn  der  Schüler  mit  eigener  Thatig- 
keit  in  seiner  Wiederholung  zuvor  inwendig  gelernt,  selber  für  das 
Inwendiglernen  gearbeitet  habe ;  und  die  Wiederholung  bestehe  nicht 
in  dem  blofsen  Wiederdurchlesen  des  Lehr-  und  Handbuches,  auch  genüge 
es  nicht,  dass  der  Lelirer  das  Vorgetragene  fragend  und  nachhelfend  wieder- 
hole: den  Schülern  müsse  Anleitung  gegeben  werden,  dass  sie  selber  das 
Wiederholen  lernen.  ~  Die  Winke,  welche  der  Hr.  Vf.  in  diesen  Ansichten 
über  den  Geschichtsunterricht  niederlegt,  sind  im  ganzen  richtig;  das  was 
über  Verwcrtliung  des  Gelesenen  hier  gesagt  wird,  lässt  sich  eben  so  gut 
auf  den  Vortrag  des  lichrers  anwenden.  Soll  nämlich  das  Gelesene  oder 
Vorgetragene,  kurz  das  einmal  Gelernte  sich  auf  lange  Zeit,  wo  mög- 


Literarische  Notizen.  607 

lieh  auf  immer  einprägen,  so  ist  es,  sagt  Herbart  (ümriss  pädagogischer 
Vorlesungen.  2.  Auflage.  Göttingen,  1841.  §.  82,  2),  nur  ein  zweideutiges 
Mittel,  das  nämliche  immer  von  neuem,  so  oft  es  vergessen  war,  zum 
Memorieren  aufzugeben.  Der  Ueberdruss  kann  CTöfser  werden  als  der  Gewinn. 
Es  gibt  nur  ein  tüchtiges  Mittel,  und  das  ist  uebung  durch  beständige  An- 
wendung im  Zusammenhange  mit  dem ,  was  wirklich  interessiert.  Auf  den 
historischen  Unterricht  angewendet  besteht  dieses  Mittel  darin,  dass  der  Stoff 
durch  zweckmäfsige  Fragestellung  von  verschiedenen  Gesichtspuncten  durch- 
gearbeitet wird.  Die  ZweckmäTsigkeit  der  Fragestellung  wird  beding  theils 
durch  die  Materie  selbst,  theils  durch  die  Entwicklungsstufe  derjenigen, 
an  welche  die  Frage  gerichtet  wird.  Diese  bedingenden  Momente  können 
nan  bei  einem  Lesebuche ,  wie  die  Ge^hichtsbilder  es  sind ,  nicht  in  jener 
Schärfe  hervortreten,  wie  dies  bei  jenem  historischen  Stoffe  der  Fall  ist, 
welcher  in  dem  Schulunterrichte  gewöhnlich  geboten  wird,  wo  zwei  bis 
drei  Stufen  des  historischen  Unterrichtes  unterschieden  werden.  Und  darin 
mag  jene  Ungleichmäfsigkeit  in  der  Fragestellung  ihre  Erklärung  finden, 
wenn  Fragen,  wie  z.  R  „Woher  der  Name:  „freie  Maurer**  ?  Was  verstand 
man  unter  einer  Bauhütte  und  wo  waren  die  grofisen  Bauhütten  ?  Welches 
sind  die  beiden  gröfsten  und  ehrwürdi^ten  Denkmale  mittelalterlicher 
Baukunst?  Wann  war  der  Kölner  Dom  r)egonnen,  wann  d«r  hohe  Chor 
vollendet?  Wie  viel  FuTs  Höhe  erreichte  dieser?  Wie  viel  FuXfe  der  Biesen- 
thunn  von  Strafsburg?**  —  eine  Frage  beigesellt  wird:  „Wie  spiegelte  sich 
der  christliche  Sinn  und  Geist  in  der  ganzen  mittelalterlichen  Baukunst?** 
Abgesehen  jedoch  von  derlei  etwas  weit  gehenden  Fragen,  deren  es  im 
ganzen  wenige  gibt,  ist  die  Einrichtung  des  Wiederholungsbuches  wol 
geeignet,  einer  fmchtigen  Leetüre  der  Charakterbilder  vorzubeugen,  voraus- 
gesetzt, dass  die  Lehrer  selbst  den  entsprechenden  Antheil  an  der  Controle 
Übernehmen. 

i.  lieber  Sichtskarte  des  Alpen- Systems,  für  den  Schulgebrauch  ent- 
worfen und  gezeichnet  von  Hermann  von  Baczko,  Hauptmann  und  Com- 
paffnie-Chef  des  Cadettencorps  in  Wahlstatt.  Lith.  Druck  und  Verlag  von 
C.  Flemniing  in  Glogau.  Mit  einem  Begleitworte  unter  dem  Titel:  An- 
leitung zum  Gebraucn  der  Uebersichtskarte  des  Alpensystems  von  Hermann 
von  Baczko. 

Obwol  es  an  Karten  des  europäischen  Alpengebietes  in  den  Atlanten 
nicht  fehlt,  so  leiden  noch  viele  derselben,  wie  der  Hr.  Vf.  mit  Recht  her- 
vorhebt, an  zwei  Gebrechen:  einmal  enthalten  sie  nicht  auf  Einer  Bild- 
ffäche  die  Darstellung  des  Gesammt^ebietes,  dann  ist,  was  die  Ausführung 
in  der  partiellen  Darstellung  betrifft,  gerade  das  Zuviel  des  Details  ort 
störend.  Die  Einsicht  in  diese  Uebelstände,  sowie  die  Erfahrung,  welche 
sich  der  Hr.  Vf.  durch  einen  mehrjährigen  Unterricht  erworben,  bestimmten 
denselben  diese  Karte  zu  entwerfen  (im  Mafsstab  von  1 :  2,500000),  worin 
folgende  Gesichtspuncte  mafsgebcnd  waren: 

1.  Die  Eintheilung  des  Alpengebiets  soll  in  gröfscrer  Schärfe  anschaulich 
(durch  Colorierung)  dargestellt  werden. 

2.  In  der  Urographie  .sollen  die  Hauptketten  von  den  Nebenketten  genau 
unterschieden  und  der  Zusammenhang  der  verschiedenen  Ketten  er- 
sichtlich gemacht  werden. 

3.  In  der  Hydrographie  soll  das  Flusssystem  namentlich  durch  präcise 
Hervorhebung  der  Quellengebiete  genau  bestimmt  werden. 

4  Auf  Grundlage  einer  genauen  Bestimmung  der  oro-  und  hydrographi- 
schen Momente  sollen  die  Communicationen  (Pässe,  Strafsen,  Eisen- 
bahnen etc.)  80  wie  die  Lage  der  Orte  ersichtlich  gemacht  werden. 
Wie  man  sieht,    so  spiegelt  sich  in  den  Gesichtspuncten  der  me- 
thodische Vorgang  des  Hr.  Vf.  bei  seinem  Unterrichte  ab,  und  wir  werden 
nicht  in  der  Annahme  irren,  dass  diese  Karte  das  Resultat  der  Bemühun- 
gen des  Hr.  Vf.  ist,  seinen  Schülern  auf  der  Tafel  ein  klares  und  ansehau- 
Uohes  Bild  von  dem  Alpengebiet  zu  verschaffen.  Und  derlei  praktische  Er- 
folge auB  dem  Sehulieben  verdienen  jederzeit  eine  Beachtung,  weshalb  wir 


008  Literarische  Notizen. 

diese  Karte  als  einen  Beitrag  zur  methodischen  Behandlung  eine«  ftr  Geo- 
graphie und  Greschichte  hödist  wichtigen  Objectes  willkommen  heiüaen. 

2,  FlusS'  und  Gebirgskarte  von  Deutschland.  Nach  Di  eh  Ts  plasti- 
scher Darstellungsart  auf  Stein  gezeichnet  von  E.  Serth.  Bl.  L  Süd* 
Deutschland.  Verlag  von  J.  P.  Dienl  in  Darmstadt 

Auch  diese  Karte  (im  Mafsstabe  von  1 :  2^000000)  hat  zum  Greeen- 
Stande  die  Darstellung  des  Alpengebietes.  Die  Vortheile,  welche  Diehl's 
Darstellungsart  bietet,  sind  bereits  bei  der  Anzeige  seines  Schalatlas  her^ 
yorgehoben  worden,  und  es  ist  jedenfalls  als  ein  erfreulicher  Fortschritt 
zu  oezeichnen ,  dass  die  Flusszeichnung  nirgends  durch  die  Schraffierung 
der  Gebirgstheile  in  Schatten  gestellt  wurde,  weshalb  der  Gesammteindnick 
des  Bildes  als  ein  wirksamer  Dezeichnet  werden  kann. 

Dagegen  lässt  die  Detailausführung  an  einzelnen  Stellen  eine  nach- 
bessernde B^nd  als  wünschenswerth  erscheinen.  So  ist  z.  B.  das  Quertbal 
des  Inn  bei  Cemez  nicht  genug  hervorgehoben ;  die  Zeichnung  der  Drau 
von  Toblach  bis  Lienz  fehlt  ganz,  auch  das  Verhältnis  des  Glanflusses  zum 
Gurkflusse  ist  nicht  genau  gegebe  \   Eine  Anhäufung   von  Zuflüssen  ist 

Ciss  nicht  zu  billigen;  allein  wo  es  sich  um  Zuflüsse  handelt,  die  eine 
dschaft  charakterisieren,  da  vermisst  man  selbe  ungern,  wie  z.  B.  bei 
der  obem  Salza  im  Pongau,  die  Zuflüsse  Steyer  und  Salza  bei  der  Eons.  Im 
obem  Draugebiete  hätte  der  Weissen-  der  Millstädter-See  noch  Baum 
finden  können. 

3.  Als  Ergänzung  zu  dem  Sydow'schen  Gradnetzatlas  in  16Kar^ 
ten  (Gotha,  J.  Perthes)  ist  eine  ^Cfradnetzkarte  für  das  KaiserÜMm  OesUr- 
reim"'  erschienen. 

Die  Zweckmäfsigkeit  dieses  Lehrmittels  ist  allgemein  bekannt  und 
anerkannt;  der  Preis,  1  Ngr.  für  das  Blatte  ermöglicht  den  wirklichen 
(gebrauch. 


Programme   österreichischer  Gymnagien  und 

Realschulen. 

(Fortsetzung  v.  Hft.  VU.  S.  520.) 

I.  Abhandlungen  philologischen  und  linguistischen  Inhaltes. 

1.  Conrad  Pasch,  Die  Frage  über  die  Entstehung  oder  den  Dichter 
des  Nibelungenliedes.   (Programm  des  k.  k.  Gynmasiums  zu  Cilli  1864.) 

2.  Joh.  Tuzina,  Die  üntersuchunaen  über  die  Entstehung  des 
Nibelungenliedes.  Ein  geschichtlicher  üeberDlick.  (Jahresbericht  der  Ober- 
realschule  zn  Ellbogen  1865.) 

Es  ist  zwar  nicht  sehr  erfreulich,  aber  für  die  wissenschaftlichen 
Zustände  Oesterreichs  bezeichnend,  dass  in  der  Heimat  des  Nibelungenliedes 
aufser  Prof.  Dr.  Fr.  Pfeiffer*s  akademischem  Vortrag  über  den  Dichter  kein 
Werk  von  irgend  einer  Bedeutung  über  dasselbe  erschienen  ist,  während 
Nord-  und  Suddeutschland  wetteifert  in  der  Erforschung  und  Erläuterung 
des  Nationalepos.  Die  gutgemeinten  Untersuchungen  des  oberösterreichi- 
schen Ritters  von  Spaun  (1840—44)  und  Wilhelm  Gärtner's  Entdeckungen 
des  Konrad  von  Göttweih  (1856^  können  nur  aln  literarische  Curiositäten 

feiten.  Erst  nach  geraumer  Zeit  fanden  hier  Lachmann's  Forschungen 
lingang^  und  die  Vertreter  von  Holtzmann's  gegentheiligen  Ansichten  trafen 
hier  noch  frischen  Boden.  An  dem  literarischen  Kampfe  „um  der  Nibelungen 
Hort"  seit  1864  nahm  hier  meines  Wissens  nur  Josef  Hermann  öffent- 
lichen Antheil,  der  sich  in  einem  Schriftchen  „über  Lachmann's  firitik* 
n.855)  von  den  Lehren  seines  Meisters  Prof.  Bahn  lossagte.  In  neuester 
Zeit  hat  sich  ihm  ein  Schüler  Prof.  Pfeiffers,  M.  Thansing  in  seinen 


Literarische  Notizen.  609 

-Nibelungjenstudie«**  (1864)  angeschlossen.  —  Mehr  als  für  die  gelehrte 
Forschung  ist  Ar  die  Popularisierung  der  alten  Sage  in  Oesterreich  ge- 
schehen. HebbeTs  Nibelungentragoedie,  die  von  Wien  ausgegangen,  ist  in 
erster  Reihe  zu  nennen;  dann  ist  Sage  und  Dichtung  durch  die  österrei- 
chischen Schulbücher  verbreitet  worden  und  hat  das  Interesse  der  Jugend 
Seweckt.  —  Zu  den  Schriften,  welche  geeignet  sind,  die  Theilnahme  für 
as  Edos  in  weitern  Kreisen  zu  wecken,  möchten  wir  auch  die  beiden  vor- 
Hegenaen  Abhandlungen  rechnen.  Beide  belehren  in  allgemein  fasslicher 
Weise  über  den  Gang  und  den  Stand  der  Untersuchungen,  die  man  in  Deutsch- 
land in  Bezug  auf  das  Nibelungenlied  angestellt,  ohne  sich  auf  eine  gründ- 
liche Prüfung  oder  selbständige  Würdigung  der  kämpfenden  Parteien  ein- 
zulassen. Pasch  sieht  in  PfeiflFer's  Vortrag  die  Frage  nach  dem  Dichter 
erledigt,  Tn^ina  konnte  noch  die  vermittelnde  Lösung  der  Nibelungen- 
frajpe  durch  Karl  Bartsch  (1865)  in  seineu  „geschichtlichen  Ueberblick** 
au&ehmen.  Erst^rer  geht  in  seiner  Darstellung  von  Lachman  aus,  letz- 
terer greift  bis  Bodmer  zurück  und  ist  auch  insofern  vollständiger,  aber 
die  o&n  genannten  österreichischen  Schriften  ignorieren  beide;  Pasch  über- 
j[eht  sogar  die  Vertheidiger  Lachmann's  gegen  Holtzmann.  —  Für  gebil- 
dete Laien  und  strebsame  Schüler  haben  diese  Abhandlungen  dessenun- 
geachtet ihren  Werth  und  sind  darum  nicht  ohne  Verdienst.. 

3.  E,  Kurz,  Das  Wiederaufleben  detUscher  Dichtuna  in  Oester- 
reich seit  der  zweiten  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts.  (Jahresbericht 
der  Landes-Oberrealschule  zu  Krems  1864.) 

Der  Herr  Verfasser  bezeichnet  seine  Arbeit  als  schwachen  Erstlings- 
versuch zur  Herstellung  einer  österreichisch-deutschen  Literaturgeschichte, 
bekennt  nur  Hilfswerke  benützt  zu  haben  und  will  nur  Auswahl,  Zusam- 
menstellung und  vielleicht  Andeutung  des  Planes  als  sein  Eigen  betrachtet 
wissen.  Niemand  wird  auch  von  einer  Programmabhandlung  eine  gründ- 
liche Bearbeitung  eines  so  umfassenden  Themas  erwarten,  und  wird  be- 
friedigt sein,  wenn  er  den  Plan  in  allgemeinen  Zügen  entwickelt  findet. 
Diese  Schrift  gewährt  aber  dem  Leser  diese  Befriedigung  nicht.  In  der  Ein- 
leitung heiflst  es,  dass  der  Stoff  in  zwei  Abschnitte  geordnet  sei,  wovon  der 
erste  die  Zeit  der  Revolution,  der  zweite  die  Zeit  der  Reaction  dar- 
stelle. Zugegeben,  die  Eintheilung  einer  österreichischen  liiteraturgeschichte 
nach  diesen  politischen  Gesichtspuncten  sei  die  richtige,  so  wird  man  ge- 

rnt  sein,  wie  der  Herr  Verfasser  das  Verhältnis  der  Schriftsteller  zu 
grollen  weltgeschichtlichen  Bewegungen  auffasst,  und  ist  überrascht 
zu  finden,  dass  diese  leitende  Idee  in  der  eigentlichen  Darstellung  fast  ganz 
fidlen  gelassen  wurde,  und  die  Dichter  nach  SBsthetischen  Momenten,  Lyrik, 
Epik  und  Dramatik  geordnet  erscheinen.  Fast  alle  Bemerkungen  über  Schrift- 
steller und  Werke  sind  rein  biographischer  oder  sesthetischer  Natur.  —  Dass 
manche,  wie  Adalbert  Stifter,  zu  wenig  gewürdigt  werden,  liegt  wol  in 
den  engen  Grenzen  des  Programmaufsatzes.  Auffallend  aber  ist  es,  dass 
MlUiner,  wie  Tschabuschnigg,  Alfred  MeiXlsner,  Moriz  Hartmann  u.  a.  (auch 
Sealsfield  hätte  dem  Hrn.  Verf.  schon  bekannt  sein  können)  gar  nicht  ge- 
nannt sind,  dass  unter  den  Werken  Anastasius  Grün's  der  „Pfaffe  vom 
Kahlcnberg«  (1850)  fehlt,  und  der  Mörder  Kotzebue's  Georg  Sand  (statt 
Karl)  genannt  wird.  Die  Eintheilung  der  österreichischen  Literaturgeschichte 
in  ein  Zeitalter  der  Revolution  und  Reaction  möchte  Referent  übrigens  nicht 
als  die  richtige' anerkennen.  Denis  und  seine  Zeitgenossen  stehen  der  Re- 
volution geisrag  viel  zu  ferne,  als  dass  sie  als  Vertreter  derselben  gelten 
könnten.  Und  wie  wenig  passend  für  das  19.  Jahrhundert  der  Titel  Reac- 
tion ist,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  auch  Lenau  und  Grün  unter 
dieser  Firma  aufgeführt  werden  müssen.  Die  österreichische  Literatur  kann 
vor  allem  nach  mren  Verhältnissen  zui  allgemeinen  deutschen  eingetheilt 
werden,  wird  aber  auch  hie  und  da  eigenthümliche  politische  und  Ästhe- 
tische Gesichtspuncte  bieten,  die  in  den  speciellen  österreichischen  Verhält- 
nisscn  liegen. 

Wien.  A.  Egger. 


Vierte  Abtheilung, 


Miscellen. 


Ueber  die  Bedeutung  der  Namen  Europa,  Asia, 

Afrika. 

Die  Namoii,  mit  welchen  die  drei  Erdtheile  der  alten  Welt  be- 
zeichnet werden,  sind  semitischen  und  zwar  phönizischen  Ursprungs.  «An- 
fangs hatte**,  so  bemerkt  Herodot,  ^ Europa  so  wenig  als  die  andern  Erd- 
theile einen  Namen."  IV.  45.  Erst  nachdem  die  kühne  Schifffahrt  der  Phö- 
nizier die  Länder  erschlossen  und  das  Getrennte  und  Einzelne  f&r  die  An- 
schauung zu  einem  Ganzen  verdunden  hatte,  können  die  drei  Erdtheile  ihre 
Namen  erhalten  haben.  Diese  semitischen  Vocabeln  bezeichnen  das  Ver- 
hältnis der  drei  Continente  zu  den:  Mittelmeere,  und  zwar  ¥on  dem  Stand- 
puncte  Phöniziens  aus.  Es  sind  Schifffahrtsausdrücke  der  Phönizier,  welche 
eben  deshalb  erst  spät  bei  den  übrigen  Völkern,  deren  geographischer  Ge- 
sichtskreis weit  enger  war,  für  die  Geographie  in  Aufnahme  gekommen  sind. 

In  den  hebräischen  Schriften  fehlen  diese  Namen,  obwol  eine  An- 
zahl Völker  aus  den  drei  Erdtheilen  genannt  werden,  I  Mos.  10,  ebenso  steht 
dem  engen  Gesichtskreise  der  homerischen  Geographie  noch  die  Anschauung 
dreier  grofser  Continente  fern,  aus  dem  Nebel  seines  Jahrhunderts  können 
die  Namen  Europa,  Asia,  Afrika  noch  nicht  auftauchen,  die  den  sidonischen 
Männern  wol  längst  schon  geläufig  waren. 

Die  Bedeutung  und  das  sprachliche  Verständnis  dieser  drei  Namen, 
deren  Ursprung  auf  die  älteste  Periode  der  phönizischen  Seeherrschaft  um 
1300  V.  Chr.  zurückdatiert  werden  muss,  war  um  das  Jahr  450  v.  Chr.,  ah 
Herodot  seine  Geschichte  schrieb,  schon  vollständig  erloschen  —  eine  Folge 
der  starken  Formänderung,  welche  diese  Worte  im  Laufe  eines  Jahrtau- 
sendes erfahren  hatten.  Das  griechische  und  römische  Alterthum  hatte  den 
Schlüssel  der  Erklärung  verloren  und  man  musst«  sich  bis  zum  heutigen 
Tage  mit  mythologischen  Namen  begnügen. 

Das  es  aber  den  Forschern  des  Alterthums  keineswegs  gleichgiltig 
war,  die  Frage  um  den  Ursprung  dieser  drei  Namen  zu  lösen,  sehen  wir 
am  deutlichsten  ans  den  Bemühungen  des  Herodot.  „Ich  kann",  sagt  Hero- 
dot, „keinen  Grund  dafür  finden,  weshalb  die  Erde,  die  doch  nur  Eine  ist, 
drei  Namen  trägt,  die  nach  den  Namen  von  Frauen  ffebildct  sind."  IV.  45. 
Wie  wenig  diese  Art  der  Erklärung  von  Europa,  Asia,  Libva  den  zweifelnden 
Herodot  befriedigt,  ersehen  wir  aus  seiner  skeptischen  Haltung  gegenüber 
der  mythischen  Tradition.  „Wir  müssen",  sagt  er,  „es  bei  diesen  Annahmen 
bewenden  lassen."  IV.  45.  Die  Nainen  der  Erdtheile  waren  Hieroglyphen 
geworden,  deren  Entzifferung  iiiclit  jErelingen  wollte.  Die  Erklärung  der- 
selben auf  Grundlage  der  phönizischen  und  der  hebräischen  Sprache  ergibt 
folgendes : 


Miscellen.  611 

Für  die  Phönizier  war  Europa  das  Abendland^  sie  erst  nannten 
diesen  Continent  Europa,  d.  h.  Aoendland,  denn  ereb  bedeudet  der 
Abend. 

Das  Land,  welches  den  Phöniziern  diesseits  des  Mittelmeeres  lag, 
nannten  sie  das  diesseitige.  Asia,  enstanden  aus  hazeh  —  dieses  da  — 
bedeutet  das  diesseitige  Land. 

Das  Land  jenseits  des  Mittelmeeres  nannten  die  Phönizier  Afrika  — 
der  Stamm  ist  afer  —  das  jenseitige  Land,  denn  eher  bedeudet  jen- 
seitig. Hieraus  erklärt  sich  das  Auffallende,  dass  in  der  Geographie  des 
Alterthums  (Herodot  IV.  39)  Acgypten  nicht  zu  Afrika,  sondern  zu  Asien 
ffchört,  weil  es  für  Phönizier  weniger  jenseits  als  ,vielmehr  diesseits  des 
Meeres  liegt. 

So  weisen  diese  drei  Namen,  ereb,  hazehy  eber,  die  auch  sonst  noch 
als  geographische  Bezeichnungen  viefach  auftauchen  —  Europus  Oropus 
ArtwiOy  loeria  Iberus  Ebora  Hibernia  Iverna  ebur  Hebräer  Ophir  — 
wie  Strahlen  auf  Phönizien  als  ihren  Ausgangspunct  hin  und  zeigen  uns 
dieses  alte  Cu}turland  als  die  Geburtsstätte  der  Erdkunde.  Das  phönizische 
Volk,  welches  schon  in  der  Zeit  des  Neko  den  grofsen  Gedanken  einer  Um- 
schulung Afrikas  zur  Ausftihrung  brachte,  wkundete  eine  erofse  welt- 
historiscne  Sendung  dadurch,  dass  es  seine  Cultur  gleich  einer  Leuchte  den 
rohen  Völkern  en&egen  trug  und  auf  dem  Wege  des  Handels  zugleich 
der  Bildung  und  Wissenschaft  Bahn  brach. 

Dieses  friedliche  Volk  wird  durch  den  Mythus  von  Kadmus  und 
Europa  als  Brudervolk  Europas  bezeichnet.  Kadmus  —  kedetn  —  der 
Orient,  Europe  der  Occiaent  —  dies  ist  die  Bedeutung  der  Namen  — 
sind  Geschwister,  und  ihre  Völker  sind  eines  Ursprungs.  Die  älteste  euro- 
päische Cultur  erblühte  unter  phönizischem  Einflüsse  in  Kreta,  wohin  Zeus, 
wie  es  heifst,  die  Europe  über  das  Meer  entführte.  Dem  Herodot  bereitet 
der  Name  Europa,  den  er  nicht  zu  deuten  weifs,  wie  auch  der  Mythus, 
unüberwindliche  Schwierigkeiten,  die  er  mit  der  Verzichtleistung  auf  eine 
Losung  in  folgender  Weise  ausspricht:  „Was  Europa  anbelangt,  so  ist  uns 
keine  Kunde  zugekommen,  weder  ob  es  rings  mit  Meer  umgeben  ist,  noch 
woher  es  seinen  Namen  erhalten  hat,  noch  auch  wer  diesen  Namen  j?e- 
geben  hat,  falls  wir  nicht  sagen  wollen,  dass  dieser  Erdtheil  von  der  Eu- 
ropa aus  Tyrus  den  Namen  erhalten  habe.  Vorher  also  war  es  ohne  Na- 
men, sowie  die  andern  Erdtheile.  Die  Europa  stammt,  wie  es  scheint,  aller- 
dings aus  Asien,  ist  aber  nicht  in  dasjenige  Land  gekommen,  welches  jetzt 
von  den  Griechen  Europa  genannt  wird,  sondern  etwa  aus  Phönizien  nach 
Kreta  und  aus  Kreta  nach  Lycien.  Doch  genug  hiervon,  denn  wir  müssen 
es  bei  den  üblichen  Annahmen  bewenden  lassen. **  IV.  45. 

Kreta  war,  wie  die  Mythologie  zeigt,  das  erste  Land,  an  welchem 
sich  der  Name  Europa  fixierte  und  von  da  aus  erweiterte  sich  die  phöni- 
zische Kunde  des  Aoendlandes,  so  dass  der  Begriff  Europa  einen  immer 
reicheren  Inhalt  erlangte,  desgleichen  auch  die  Begriffe  Asia  und  Afrika. 

Hat  auch  keine  schriftliche  Aufzeichnung  die  Kunde  überliefert,  dass 
die  Phönizier  es  sind ,  welche  die  Erdtheile  der  alten  Welt  benannt  haben, 
so  tragen  die  Namen  in  ihrer  harmonischen  Zusammengehörigkeit  doch 
diesen  Beweis  in  sich  selbst  und  treten  nach  zweitausendjähriger  Vergessen- 
heit wieder  an  das  Licht  des  sprachlichen  Verständnisses. 

Neisse.  Dr.  Krause. 


Zu  Tacitus  Histor.  Hb.  1.  IL 

In  der  Teubner'schen  Sammlung  commentierter  Schulausgaben  hat 
vor  einiger  Zeit  der  durch  seine  kritischen  Arbeiten  über  Tacitus  bekannte 
and  geschätzte  K  Heraus  die  ersten  beiden  Bücher  von  Tacitus  Historien 
herausgegeben.    Die  Ausgabe  wird  durch  ihren  inneren  Werth  und  ihre 


ÜVt  Miscellen. 

Zweckmäßigkeit  sich  gewiss  bald  Ausbreitung  in  den  Schulen  versebaffen, 
um  so  mehr,  da  sie  eine  in  der  ähnlichen  Weidmännischen  Sammlung  bis- 
her noch  gebliebene  empfindliche  Lücke  ausfüllt.  Im  Nachfolgenden  soll 
nicht  eine  eigentliche  Recension  dieses  Buches  gegeben,  sondern  es  sollen 
nur  einige  Stellen  besprochen  werden,  in  denen  eine  Aenderung  der  An- 
merkungen wünschenswerth  scheint  oder  ein  Zusatz;  in  letzterer  Hinsicht 
ist  es  freilich  schwer  das  einzuhalt-ende  Mafs  mit  voller  Sicherheit  zu  be- 
stimmen. 

Lib.  I  cap.  2  heifst  es  von  den  delatores :  (dii  8€u;erdotia  et  c<m8tdat%u 
ut  spolia  adepti.  Hier  verdiente  der  Sarcasmus  delatores  .  .  .  tU  spolia 
adepH  eine  kurze  Bemerkung.  Die  delatores,  die  in  ehrloser  Weise  durch 
geheime  Machinationen  ihre  Opfer  verderben,  erhalten  dafür  Consulate  und 
Priesterthümer,  besonders  der  Verurth eilten,  zum  Lohne,  als  hätten  sie  ihren 
Feind  im  offenen,  ehrlichen  Kampf«  besiegt  und  ihm  seine  Rüstung  abge- 
nommen. In  ähnlicher  Weise  sarcastisch  ist  Agr.  45  von  dem  Angeber  des 
Arulenus  Rusticus  gesagt;  una  adhuc  victoria  Carus  Metixis  censehatur. 

—  ibid.  fin.  quUms  deerat  inimiais,  per  amicos  oppressi.  U,  63  vernichtet 
der  Prätor  Plancius  Varus  seinen  intimen  Freund  Dolabella  durch  seine 
Anzeige;  IV,  1  werden  reiche  Römer  den  siegreichen  Soldaten  Vespasian's 
zum  Behufe  der  Plünderunj?  von  ihren  Freunden  verrathen  (alii  ab  atnicis 
monstrabatUur) ;  ibid.  cap.  10  P.  Celer,  testis  in  Bareanu  proditor  amicir 
tiae ;  Ann.  IV.  33  fallnces  amicitias  wie  XVI,  32  von  P.  Egnatius  (emptus 
ad  opprimendum  amicum). 

cap.  10  verdient  nuüis  honisqtie  artihus  mixttts  eine  Bemerkung: 
es  ist  mivtusy  wie  sehr  oft  bei  Tacitus,  auf  die  Person  (das  Subject)  Mu- 
cianus  bezogen,  statt  auf  den  Abi.  artihtis.  Ebenso  cap.  9  fin.  exercUus  — 
nee  vitiis  nee  tnribus  mücebantur.  Anders  cap.  65  von  den  Lugdunensem 
und  Viennensern :  uno  amne  discretis  connexum  odium ,  wo  man  mit  Be- 
ziehung auf  das  ))ersönliche  Subject  erwartete :  discreti  connexi  odio.  Auf 
die  Wahl  des  Dativs  discretis  scheint  dort  das  vorausgehende  aemiUatio 
et  invidia  eingewirkt  zu  haben,  denen  entsprechend  auch  der  Nom.  odium 
gesetzt  wurde. 

cap.  11  post  experimentum  domini  minoris,  ist  es  uns  unmöglich,  in 
domin^i  minoris  „den  Ausdruck  bitteren  Hohnes  über  seine  (des  Clodius 
Macer)  Tyrannei**  zu  finden.  —  cap.  20  ist  gesagt,  dass  In  Xii  htswürdigen, 
die  Nero  so  reichlich  beschenkt  hatte,  von  air  den  ungeheueren  Summen 
nur  die  instrumenta  vitiorum  geblieben  waren.  Diesen  Ausdruck  erklärt 
H.  in  der  Note:  „Die  Einrichtung,  das  Mobiliar**  synonym  mit  supeUex. 
Allein  dann  passt  der  Plural  vitiorum  nicht,  der  doch  anzeigt,  dass  von 
verschiedenen  Lastern  die  Rede  ist,  auf  deren  Befriedigung  das  von  Nero 
verschwendete  Geld  vergeudet  worden.  Darum  möchten  wir  es  vorziehen, 
mit  Ruperti  unter  instmmenta  vitiorum  die  gefräfeige  Kehle,  die  luxuriös 
ausgestatteten  Bäder  und  die  Maitressen  (gtdifi,  bfdnea,  scorta)  jener  Günst- 
linge Nero's  zu  verstehen.  —  cap.  22,  Z.  3  ist  es  wenigstens  nicht  noth- 
wendig,  regnorum  lilndin^s  mit  Ritter  concret  aufzufassen,  als:  Gegenstände 
despotischer  Willkür  (Laune)  oder:  Gegenstände  der  Wollust. 

cap.  31,  Z.  16  Germanica  i^exilla  diu  ntttavere.  Nach  Suet  Galbt 
cap.  20  machten  sie  sich  auf  den  Weg .  um  Galba  zu  unterstützen ,  kamen 
aber  zu  spät,  weil  sie  sich  auf  dem  Wege  verirrten. 

cap.  33  sagt  ein  Theil  der  Anhänger  Galba's:  occurrendum  discrimini: 
id  Othoni  invidiosius  etc.  Diese  Voraussagung  bewährte  sich ;  siehe  II,  31, 
wo  es  von  Otho  heifst:  addiderat  huic  terrorem  atque  odium  caedes  Galhae. 

—  cap.  34  fin.  erscheint  der  Relativsatz  in  der  von  arhitrabantur  abhängi- 
gen oratio  obliqua  (qui  .  .  .  vulgaverint)  in  der  Anmerkung  aus  Versehen 
als  abhängiger  Fragesatz ,  vielleicht  veranlasst  durch  Nipperdey's  Note  zu 
Ann.  1 ,  61 ,  wo  er  unsere  Stelle  aus  den  Hist.  citiert.  —  cap.  37 ,  Z.  11 
scheint  uns  deditos  ein  nachträglich  in  den  Text  gedningenes  Glossem  zu 
dem  nachfolgenden  Relativsatze  (quos  deprecantes  in  fidem  acceperat)  zu 
Btin,  wenn  nicht  durch  die  Häufnng  das  grausame  der  That  hervorgehoben 
werden  soll. 


Miscellcn.  018 

cap.  45  init.  kann  cdium  crederes  senatum,  alium  populwn  —  um 
die  plötzliche ,  nur  durch  die  Gesinnungslosigkeit  des  Senates  und  Volkes 
motivierte  Sinnesänderung  zu  bezeichnen,  passend  übersetzt  werden:  'aus- 
gewechselt schien  der  Senat,  ausgewechselt  das  Volk.'  —  cap.  47  contHcia 
ac probra,  quae  pramiscue  iacta  haesisse  animo  eins  (Othonis)  nemo  sensit. 
cf.  Sali.  Jug.  11  quod  verbtwi  {Hiempsalis)  inpectus  Jugurihae  altius  quam 
quisquam  ratus  erat,  descendit.  —  ibid.  Z.  7  verlangt  per  stragem  iacen- 
Hum  eine  Verweisung  auf  cap.  40  disiecta  plehe ,  proculceUo  senatu  .  .  . 
forum  inrumpunt 

cap.  48,  10  ist  stuprum  reflexiv  oder  passiv  zu  nehmen :  sie  waete  es, 
sich  schänden  zu  lassen.  —  Was  die  CharaKt^rschilderung  des  T.  Vinius, 
wie  sie  in  diesem  Capitel  gegeben  wird,  anbelangt,  so  konnte  in  einer  An- 
merkung kurz  berührt  werden,  dass  es  einigennafsen  auffällig  ist,  wie 
Tacitus  den  T.  Vinius,  von  dem  er  doch  selbst  sagt,  er  habe  sein  Leben 
vari^is  moribus  zugebracht,  dem  er  nur  zwei  (freilich  arge)  fUtgitia  vor- 
wirft, während  er  auch  Gutes  an  ihm  anerkennt  —  wie  also  Tacitus  diesen 
Mann  cap.  6  so  schlechtweg  deterrimus  nwrtalium  nennen  konnte  Diese 
allzu  grofse  Strenge  des  Urtheils  lässt  sich,  wenn  man  nicht  der  tacitei- 
schen  Rhetorik  einen  Einfluss  gestatten  will,  wol  aus  den  aristokratischen 
Grundanschauun^en  unseres  Scnriftstellers  erklären,  denen  zufolge  ihn  jene 
beiden  Ehrgefühl  und  Anstand  so  grob  verletzenden,  ganz  plebejischen 
flagitia  des  T.  Vinius  auf  das  tiefste  empören  mussten. 

cap.  49  init.  ist  folgende  Stellung  der  Worte  überliefert:  Galbae 
corpus,  diu  neglectum  et  licentia  tenehrarum  plurimis  ludibriU  vexatum 
dispensator  Argius  .  .  .  humüi  sepultura  .  .  .  contexit.  Hier  hat  H.  die 
Worte  licentia  tentbrarum  mit  Döderlein  und  Halm  nach  vexatum  gestellt, 
^nachdem  schon  Jacob,  der  die  beiden  Worte  vor  contexit  stellte,  erkannt 
hatte,  dass  nicht  sowol  der  rohe  Pöbel  zur  Mishandlung  des  Leichnams, 
als  der  mitleidige  Sclave  zur  Beerdigung  des  Schutzes  der  Nacht  benöthigt 
war."  Allein  licentia  tenebrarum  heifst  nicht  „unter  dem  Schutze  der  Nacht**, 
zu  dessen  Bezeichnung  man  eher  obtentu  noctis  (wie  Hist.  II,  14)  oder  ähn- 
liches erwarten  würde,  licentia  hat  vielmehr  einen  schlimmen  Sinn :  Ztigel- 
losigkeit,  die  Freiheit,  mit  der  man  sich  herausnimmt,  das  zu  thun,  was 
man  nicht  thun  sollte,  cf.  c.  72  volgi  licetitia;  82  licentiam  in  omnes; 
U,  49  const emotione  ac  licentia  militum;  ibid.  64  Triariae  licentiam  mit 
seinem  Gegensatze  modestum  exemfiHum  etc.  So  pa.sst  also  licentia  tenebra- 
rum sehr  wohl  zu  plurimis  ludibriis  vexatum,  von  dem  es  nicht  zu  trennen 
ist,  und  für  den  rohen  Pöbel,  der  unter  dem  Deckmantel  der  Nacht  (in 
nächtlicher  Zügellosigkeit)  seinem  Muthwillen  und  seiner  Bestialität  erst 
recht  die  Zügel  schiefsen  lässt  —  aber  nicht  für  den  mitleidigen  Sclaven, 
der  seinem  unglücklichen  Herrn  die  letzte  Ehre  erweisen  will.—  ibid.  Z.ll 
ist  von  Galba's  sträflicher  Indolenz  und  Gleichgiltigkeit  (also  Willens- 
schwäche) die  Rede,  mit  der  er  gute  und  schlechte  Freunde  und  Freigelassene, 
je  nachdem  sie  ihm  durch  eine  Laune  des  Zufalls  zu  Theil  geworden,  hin- 
nahm und  ertrug.  Im  Texte  heifst  es  nun:  amicorum  libertorumque ,  übt 
in  bonos  incidisset,  sine  reprehensione  patiens,  st  mali  forent^usque  ad 
culpam  ignarus.  An  diesem  ignarus,  das  in  unanpnessener  Weise  eine 
Ver Standesschwäche  bezeichnen  würde,  haben  bereits  Acidalius  und  Hein- 
sius  Anstofs  genommen,  während  z.  B.  Walther  die  Ueberlieferung  vertheidigt. 
Die  beiden  genannten  Gelehrten  machten  den  scharfsinnigen,  auch  in  palao- 
graphischer  Hinsicht  acceptablen  Vorschlag,  ignavus  zu  lesen  (mit  Bezug- 
nahme auf  das  nachfolgende  segnitia).  Vielleicht  ist  jedoch  im  Med.  etwas 
anderes  als  dieses  Verschreiben  von  v  (u)  zu  r  eingetreten.  Es  dürfte 
nämlich  der  Genetiv  amicorum  libertorumque ,  der  nachdrücklich  an  die 
Spitze  des  Satzes  gestellt  ist  und  dann  in  zwei  Glieder  {uhi  in  bonos  in- 
cidisset und  si  nuui  forent)  gctheilt  wird,  der  Construction  nach  nicht  blofs 
zu  sine  reprehensione  paiiens,  sondern  auch  zu  dem  Glicde  usque  ad  cul- 
pam gehören.  Demnach  wäre  also  patiens  nach  sine  reprehensione  zu  strei- 
chen und  erst  nach  usßue  ad  culpam  zu  setzen.  Irgend  ein  Abschreiber 
mochte  dann  schon  bei  sine  repreh^nsioiH  dieses  patHn9  Tennissen,  und 


614  MiHoellen. 

setzte  es  hinauf:  und  die  dann  nach  tisque  ad  culpam  entstehende  Lücke 
wurde  später  durch  das  unpassende  igtiarus  ergänzt.  Patiens  bezeichnet 
treffender  als  ignaims  diese  Hinnahme  guter  ^wie  schlechter  Freunde  von 
Seiten  Galba's.  Aufserdem  würde  dadurch,  dass  trotz  der  Trennung  des 
an  den  Anfang  des  Satzes  gestellten  amicorum  libertorumque  in  die  bei- 
den Sätze  mit  uln  und  sH,  trotz  der  beiden  Gegensätze  sine  re^ehensione 
und  uaque  ad  ctdpam  der  eine  Ausdruck  jpa^i'ens  ^emeinschaftüch  zu  allen 
wäre,  die  auch  bei  dem  Wechsel  der  Umstände  sich  immer  gleichbleibende 
und  durch  nichts  zu  erschütternde  Indolenz  des  Galba  schon  durch  die 
äufsere  Form  psssend  angezeigt  sein. 

Die  Note  zu  c.  50,  Z.  11  noia  —  nomina  möchten  wir  als  über- 
Üüssig  streichen,  weil  jeder  Octavaner  die  dort  angeführten  Daten  entwe- 
der weiTs,  oder  doch  leicht  in  einem  geschichtlichen  Handbuche  findet  — 
c.  52,  4  ist  ambiiione  wol  ebenso,  wie  83,  3  ambitiosum  imperium  erklart 
ist,  durch  „Haschen  nach  Gunst"  zu  interpretieren.  —  ibid.  Z.  17  ist  die 
Note  zu  male  fidaa  zu  ausführlich,  da  dieser  Gebrauch  von  male  ohnehin 
schon  c.  17  erwähnt  worden.  Es  genügte  eine  einfache  Vorweisung.  ~ 
57,  9  konnte  zu  ingenio  vfdidus  das  ganz  gleiche  Ann.  II,  83  citiert  wer- 
den. —  c.  59  init.  ist  ferox  wol  'trotzig'  =  leicht  reizbar  —  nicht  „kampf- 
lustig", wie  es  H.  erklärt.  Auch  cay.  b8  helfst  es  nichts  anderes.  —  imd. 
Z.  7  damnatos  fidei  cnmine,  gravissimo  inter  desdscentes  cf.  cap.  31,  13 
das  von  Longinus  gesagte:  fidm  pruicipi  suo  et  desdscentibtu  Sfispectior 
erat.  —  cap.  62,  7  ist  in  der  Anmerkung  das  Geringschätzige,  das  in 
sagi^m  gravis  liegt,  durch  die  verblasste  Uebersetzung  .mit  überladenem 
Magen"  nicht  gegeben,  sagina  wird  von  der  Mästung  der  Schweine  und 
der  Gladiatoren  gebraucht  —  hier  von  dem  Imperator  Vitellius,  also  etwa 
mit  Koth  vollgestopft.  Derselbe  herbe  Ausdruck  kommt  II,  88  von  der 
Fütterung  der  Soldaten  durch  denselben  Vitellius  vor,  wobei  noch  gladiO' 
tariam  wegen  des  Gegensatzes  zu  müitilnts  beigefügt  ist.  —  ibid.  fin.  ea 
quies  interritae  alitis  fuit,  ut  Miid  dubiiim  magtiae  et  prosperae  rei  omen 
acciperetur.  Hier  verdiente  die  des  knappen  Ausdruckes  halber  gewählte 
Coordination  nuiffiwe  et  prosperae  rei  eine  kurze  Note.  Man  erwartete 
nämlich  ^yrospen  magmie  rei  eventus  omen  oder  tnagtmm  rem  prosperum 
eventum  luihituram  (prosfero  eventu  fore),  —  cap.  67,  7  ist  die  Anmer- 
kung zu  epistiUis  (von  einem  Schreiben)  an  den  unrechten  Ort  gerathen. 
Sie  gehört  vielleicht  zu  70,  11,  wo  H.  statt  des  überlieferten  ipsos  die 
allerdings  nicht  nothwendige  Coujectur  Wurm's  episttUas  aufgenommen 
hat.  —  cap.  74,  11,  wo  elinfalls  mehrere  Briefe  zu  verstehen  sind,  ist 
unpassend  auf  obige  Note  verwiesen.  —  c.  68,  1  Uli  (Helvetii)  ante  discri- 
men  feroces,  in  j^^^iculo  paindi.  Dasselbe  sagt  Tacitus  von  den  Britten 
(und  Galliern)  Agric.  11.  —  cap.  69  fin.  sind  bei  impetravere  wol  natür- 
licher die  legati  als  Subject  zu  verstehen  (so  ßuperti),  und  nicht  die  erst 
aus  vtdmis  zu  entnehmenden  Soldaten,  wie  H.  erklärt.  —  cap.  77  in  mtdta 
pace.  Dasselbe  auch  Hist.  III,  71  bei  Erstürmung  des  Capitols;  IV,  35 
fehlt  in. 

cap.  78,  3  verdächtigt  H.  nach  dem  Vorgange  von  Lipsius,  Savilius 
u.  a.  (siene  Walther  und  Euperti  zu  der  Stelle)  aas  überlieferte  Lingomlms, 
während  es  schon  Byck  in  angemessener  Weise  gerechtfertigt  hat.  Aus  dem- 
selben Grunde,  den  H.  aus  der  dem  Otho  feindlichen  mltung  der  Lin- 
gonen  (von  der  dieser  zur  Zeit  der  Erlassung  des  Edictes  noch  nichts  wis- 
sen konnte)  gegen  die  lUchtigkeit  der  Leseart  hernimmt,  könnte  auch  au 
den  Belohnungen  und  Auszeichnungen  der  Hispalienser  und  Emeritenser 
und  der  proinnciu  Baetica  gerüttelt  werden :  denn  Spanien  ist  ja  für  Vitel- 
lius c.  76,  wobei  Otho  noch  durch  einen  falschen  Bericht  getäuscht  den  Clu- 
vius  Bufus  belobt.  —  ibid.  Z.  6  heifst  es  von  Otho:  ne  tum  quidem  im- 
memor  amorum  etc.  —  womit  seine  Leichtfertigkeit  in  der  ernsten  und 
geftüirvollen  Lage  getadelt  wird.  Noch  schärfer  von  Fabius  Valens  III,  41: 
7ie  in  tafUo  quidem  discrimine  infamia  caruit  etc.  —  c.  80  sollte  bei  ob- 
sequia  meliorum  nox  absttderat  statt  c.  79  adempta  eauorum  permcOate 
lieber  Hist.  JII,  85  deformitas  exitus  misericardiam  äbstuUrat  citiert  sein.  — 


Miäcelieu.  615 

c.  81,  Z.  10  steht  rari  nicht,  wie  in  der  Note  gesagt  ist,  im  Gegensatze 
zu  dem  entfernteren  frequentia,  sondern  zu  dem  anmittelbar  nachfolgenden 
plurimif  und  heilet  darum  nicht  „einzeln^,  sondern  „wenige."  So  fasst  es 
z.  B.  ßuperti.  In  derselben  Bedeutung  steht  II,  84  fln.  ranasimus  quisque. 
An  den  von  Ruperti  citierten  Paralielstellen  Germ.  2  und  Agr.  37  liat 
rarus  wol  seine  gewöhnliche  Bedeutung  „vereinzelt."  —  c  82,  16  erklärt 
H.  otium  durch  „Ruhe  und  Friede",  während  er  es  cap.  46,  13  richtig  als 
„Freiheit  vom  Dienste",  also  Entlassung  erklärt,  und  dabei  auf  unsere 
Stelle  verweist.  —  ibid.  heüjst  es  gleich  darauf:  sensit  invidiam  mües,  H. 
erklärt  mit  Ruperti:  invidiam  „das  Gehässige  seines  Benehmens",  also  «n- 
vidiam  auf  mües  bezogen.  Das  hatte  aber  der  Soldat  schon  früher  gefühlt, 
siehe  Z.  10  deiecti  in  terram  müitum  vultus.  Es  ist  im  Gegentheile  invi- 
dia  gesagt  von  dem  bittern  und  kränkenden  Vorwurfe,  der  fUr  die  Soldaten 
in  dem  unmittelbar  vorher  geschilderten  Benehmen  ihrer  Centurionen  und 
Tribunen  liegt,  die  den  Imperator  bei  seinem  Eintritt«  in  das  Lager  um- 
ringen, ihre  militärischen  Itangabzeichen  abwerfen,  und  erklären,  sie  sähen 
nur  in  der  Entlassung  ihr  Heil.  —  83,  22  erklärt  H.  plures  in  der  Note 
aus  Versehen:  „die  Mehrzahl",  während  es  doch  mit  offenbarer  Beziehung 
auf  das  vorausgehende  wrns  alterve  gesetzt  ist.  Auch  II,  8,  2  heifst  iAurilms 
nicht  die  Mehrzahl ,  wie  H.  zu  Anfang  unseres  Capitels  bemerkt.  Das  Citat 
bei  Nipperdey  Ann.  I,  32  bezieht  sich  eben  auf  diesen  Anfang  vulgus  et 
plures.  —  c.  84,  19  imaginem  mjandam  exercitus  Iwbet.  Heraus  legt  auf 
imoffinem  (*ein  blofses  Schattenbild,  Schemen*  zu  sehr  Gewicht.  Der  Zu- 
sammenhang gebietet  vielmehr  exercUus  schärfer  zu  nehmen :  Vitellius 
hat  allerdings  Soldaten,  die  zusammen  wie  ein  Heer  aussehen ;  aber  u.  s  w. 
—  c.38  ciemulis  urhibus  regibusve  —  urhes  heifst  hier,  wie  sonst  pomili  in 
Verbindung  mit  regesi  Freistaaten.  Die  Anmerkung  zu  exdssis  gehört  in 
den  Anhang  oder  kann  ganz  entfallen.  —  c.  42  tum  incubuit  hostium 
acies,  integris  ordinibus,  robore  et  numero  praestantior :  Othmiiani,  quam- 
quam  dispersi,  paucioreSy  fessi  .  .  .  Hier  konnte  die  Stellung  der  Gegen- 
ätze {abc  —  a,  c,  &,)  und  die  Bedeutung  von  robore ,  die  sich  aus  seinem 
Gegensatze  fessi  ergibt,  kurz  berührt  werden.  —  ibid.  Z.  15  konnte  zu  exo- 
sculairi  auch  Hist.  1,  45  citiert  sein.  —  c.  59  fin.  halten  wir  Classen's  Con- 
jectur  (Einschiebung  eines  nee  vor  rebus  adversis)  für  den  Sinn  der  Stelle 
für  nothwendig.  —  c.  VA,  5  heifst  es  von  der  Ermordung  des  Dolabella 
durch  Vitellius:  magna  cum  invidia  novi  principatus,  cuius  Iwc  primum 
specimen  noscebatur.  Cf.  Ann.  I,  6  von  Tiberius:  primum  facinus  novi 
principatus  fuit  Postumi  Ägrippae  caedes.  Der  Re^erungsantritt  beider 
Fürsten  ist  durch  Blut  und  Mord  gleichsam  eingeweiht.  Ann.  13,  1  pi'ima 
novo  principatu  mors  Junii  Süani  paratur  —  aber  ignaro  Nerone.  — 
c.  70,  6  heifst  es  von  dem  empörenden  Servüismus  der  Cremonenser:  nee 
minus  inhumana  pars  tnae  . . .  III,  83  wwwc  inhumane  securitas.  —  76,  9 
positum  est.  est  ist  wol  mit  Haase  zu  streichen.  —  ibid.  Z.  17  sagt  Mucian: 
(ibiit  iam  et  tratisvectum  est  tempus ,  quo  posses  videri  concupisse :  confw 
giendum  est  ad  imperium.  An  dieser  Stelle  scheint  es  kaum  möglich,  ohne 
Einschaltung  eines  non  vor  concupisse  einen  erträglichen  Sinn  zu  gewin- 
nen. Der  wahrscheinliche  Sinn  der  nicht  ganz  einfachen  Stelle  ist  wol  der, 
dass  Mucian  dem  Vespasian  gegenüber  denselben  Grnnd  geltend  macht, 
wie  I.  52  Fabius  Valens  vor  dem  schwankenden  Vitellius :  tres  patrui  con- 
sulatus  .  .  .  et  imponere  iam  pridem  imperatoris  dipuxtionem  et  auferre 
privati  securitatem.  In  gleicher  Weise  erinnert  Mucian  an  Corbulo's  Ge- 
schick, und  fügt  l)edeut8am  hinzu:  satis  darus  est  apud  timetüem  quis- 
quis  iimetur.  „Die  Zeit  deiner  Sicherheit  ist  vorüber,  du  stichst  durch 
deinen  Waffenruhm  und  durch  dein  Ansehen  dem  Vitellius  zu  sehr  in  die 
Augen,  als  dass  er  dir  nicht  ein  Streben  nach  dem  Throne  zumuthen  sollte." 
Das  con  vor  coticupme  ist  wol  nicht  zu  ändern  (in  «07*,  wie  es  vorge- 
schlagen worden),  weil  es  wegen  des  Gleichklanges  mit  dem  unmittelbar 
nachfolgenden  confugiendum  gewählt  scheint,  wodurch  eben  der  sachliche 
Gegensatz  schärfer  hervortritt.  —  c.  82,  12  kann  der  Singular  Parthum 


616  Misceiicft. 

Armeniumque  ebenso  gut  Ton  dem  ganzen  Volke  gesagt  sein,  als  von  den 
Königen.  —  c.  84,  2  ist  vom  Gelde  j^esagt:  eos  esse  beUi  civüis  nervös. 
cf.  32,  Z.  18  die  Ansicht  des  Suetonius  raulinns:  pectmiam  inter  civües 
discordias  ferro  vdUdiorem.  Cic.  orat.  Phil.  V,  2  nervi  civüis  heüi  pecuma 
infinita.  —  ibid.  Z.  7  scheint  iniquitates  in  der  Note  doppelt  erklart, 
zuerst  mit  Ruperti  concret  als  „Ungerechtigkeiten'',  also  =  iniauM  res  oder 
iniqiui  et  initista  facta  —  und  dann  =  iniquas  senteniias  iuaicum.  Es  ist 
wof  nur  das  erstere  richtig.  —  c.  86,  9  heilst  es  von  Antonius  Primus : 
discordiis  et  seditionibus  potens,  Cf.  Verg.  Aen.  XI,  340  von  Dranoes:  se- 
ditione  potens. 

Als  allzu  weitläufige,  fast  zu  grammatischen  oder  sachlichen  Excursen 
ausgesnonnene  Anmerkungen  erschienen  uns  I,  cap.  1  die  Noten  zu  inseitia 
rei  pMicae  und  zu  obtwxius;  cap.  2  die  etymologische  zu  sttecuhrum, 
femer  die  zu  procurationes  und  zu  agerent  verterent;  c.  7  zu  uUro ;  46  zu 
in  libertum;  70  fin.  zu  subsiffnanum  müitem  et  grave  legümum  agmen; 
77  zu  videri  maiestatem;  78  zu  volgits  u.  a.  m.  Dagegen  muss  anerkannt 
werden,  dass  der  Verfasser  nirgends  durch  die  Note  eine  Schwierigkeit  zu 
bemänteln  versucht,  wie  es  in  so  manchen  (auch  sonst  vortrefflichen)  Aus- 
gaben der  Fall  ist. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  noch  eink^e  Druckfehler  registrieren.  S.  39 
soll  zu  Z.  8  in  der  Anm.  zuletzt  statt  aVI,  15  —  14  citiert  sein;  S  52 
ist  in  der  ersten  Spalte  der  Note  inritis  statt  invitis  zu  lesen,  an  der  Spitze 
der  nächsten  Zeile  ist  statt  5  4  zu  schreiben,  und  vor  ut  in  magnis  men- 
daciis  5;  S.  61  fehlt  in  der  letzten  Zeile  des  Commentars  vor  fälia4t;  S.  80 
ist  in  der  Note  zu  proturbatus  cap.  31  (statt  32)  zu  schreiben;  S.  92  im 
Texte  Z.  20  das  Komma  nach  foedavit  zu  tilgen;  S.  93  in  der  Anm.  zu 
c.  74,  9  fin.  *konnt€*  statt  *könnte*  zu  setzen;  S.  95  im  Texte  cap.  77,  3 
quaedam  statt  quaedem  zu  lesen;  S.  112  steht  in  der  Note  zu  90,  1  Ver- 
gantung?; S.  113  ist  in  der  Note  zu  M.  Galerius  Trachalus  am  Schlüsse 
das  Citat  U,  60  fin.  weggefallen ;  S.  191  fehlt  in  der  Note  zu  Jiaud  perinde 
bei  dem  Citate  aus  Agr.  perinde  vor  attoJli. 

Znaim.  Jgn.  Prammer. 


Fünfte  Abtheilung, 


Verordnungen  für  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

Verzeichnis 

der  an  österreichischen  Mittelschulen  allgemein  zulässigen  Lehrbücher  upd 

Lehrmittel. 

Im  Zusammenhange  mit  der  Verordnung  vom  25.  Juni  1.  J.,  die 
Einführung  von  Lehrbüchern  und  Lehrmitteln  an  den  Mittelschulen  be- 
treffend (vgl.  Heft  Vn.  S.  544  ff.],  hat  das  k.  k.  Staatsministerium  unter 
dem  15.  Juli  1.  J.  zunächst  für  die  Mittelschulen  mit  deutscher  Unter- 
richtssprache das  nachstehende  revidierte  und  vervollständig  Verzeichnis 
der  allgemein  zulässigen  Lehrbücher  und  Lehrmittel  pubhciert. 

Für  Gymnasien. 

I.    Lateinische   Sprtiche. 
1.  Schinnagl  M.,    lateinische  Grammatik  für  Gymnasien.   3.  Auflage. 

gr.  8.  Wien,  Beck's  Üniversitäts-Buchhdlg.,  1862.  Preis  1  fl.  80  kr.  ö.  W. 
2. Schultz  Dr.   Ferd.,    kleine  lateinische  Sprachlehre   zunächst  für  die 

unteren  und  mittleren  Classen  der  Gymnasien  bearbeitet.  8.  Auflage. 

8.  Paderborn,  Schöninfifh,  1864.  Preis  13%  Sgr. 

3.  Siberti  M.,  lateinische  Schulgrammatik  für  die  unteren  Classen  be- 
arbeitet. Neu  bearbeitet  und  für  die  mittleren  Classen  erweitert  vom 
Gymnasial-Director  M.  Meiring.  16.  Auflage,  mit  einem  Wörterver- 
zeichnisse zu  den  lateinischen  Beispielen  der  Syntax  für  die  unteren 
Gassen.  Bonn,  Habicht,  1863.  Preis  20  Sgr. 

4.  Ellen  dt  Friedr.,  lateinische  Grammatik  für  die  unteren  und  mitt- 
leren Classen  der  höheren  ünterrichtsanstalten ,  bearbeitet  von  Mor. 
Seyffert.  6.  Auflage.  Berlin,  Weidmännische  Buchhandlung,  1864. 
Preis  15  Sgr. 

5.  Schinnagl  M. ,  theoretisch  -  praktisches  lateinisches  Elementarbuch 
für  die  erste  Gymnasialclasse.  5.  Auflage.  Wien,  Beck,  1864.  Preis 
72  kr.  ö.  W. 

6. Schinnagl  M.,  lateinisches  Lesebuch  für  die  zweite  Gymnasialchisse. 
Als  Vorübung  zur  Leetüre  des  Cornelius  Nepos  nach  Putsche's  lateini- 
scher Grammatik  geordnet  und  bearbeitet.  4.  Auflage.  Wien,  Beck, 
1859.  Preis  96  kr.  ö.  W. 

7.  Dünnebier  J.  A.,  Elementarbuch  der  lateinischen  Snrache  für  die 
ersten  ünterrichtsstufen.  Nach  Putsche's  lateinischer  Grammatik  be- 
arbeitet. I.  Cursus.  3.  Auflage.  Auch  unter  dem  Titel:  Lateinisch- 
deutsche und  deutsch-lateinische  Uebersetzungsbeispiele  aus  classischen 

ZciUchria  (.  d.  öaterr.  Gymn.  ISfid.  YIU.  Haft.  42 


616  Verordniingen  f.  d.  Ssi  Gymnasien  u.  Bealsclialen. 

Schriftstellern.  Za  gründlicher  und  stufenweise  fortschreitender  Ein- 
übung der  Formenlehre  derselben  Grammatik  versehen.  3.  Auflage. 
Jena,  Mauke,  1861.  Preis  7'/,  Sgr. 

8.  Schultz  Ferd.,  Uebungsbuch  zur  lateinischen  Sprachlehre,  zunächst  für 
die  unteren  Classen  der  Gymnasien  bearbeitet.  5.  Auflage.  Paderborn, 
Schöningh,  1863.  Preis  20  Sct. 

9.  Ro2ek  J.  A.,  lateinisches  Lesebuch  für  die  erste  und  zweite  Classe 
der  Gymnasien  des  österreichischen  Kaiserstaates.  1.  Theil.  Wien,  C. 
Gerold's  Sohn,  1860.  Preis  40  kr.  ö.  W. 

10.  Ro2ek  J.  A.,  Uebungsbuch  zum  üebersetzen  aus  dem  Deutschen  in's 
Lateinische.  I.  Theil.  Casuslehre.  Wien,  1863.  Preis  60  kr.  ö.  W. 
Desselben  Werkes  II.  Theil  ^empus  und  Moduslehre).  Preis  80  kr.  ö.  W. 

11.  Meiring  M.,  Uebungen  zur  lateinischen  Grammatik  für  die  mittleren 
Classen  der  Gymnasien,  Real-  und  höheren  Bürgerschulen.  I.  Abtheilung. 
Bonn,  Habicht,  1863.  Preis  12  Sgr. 

12.  Süpfle  E.  Fr.,  Aufgaben  zu  lateinischen  Stilübungen,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  von  Krebs  Anleitung  zum  Lateinschreiben  und 
Zumpt's,  Schultz's  und  Feldbausch^s  lateinischen  Grammatiken  und  mit 
Anmerkungen  versehen. 

I.  Theil.  Aufgaben  für  untere  und  mittlere  Classen.  13.  Auflage.  Carls- 
ruhe, Groos,  1862.  Preis  28  Sgr. 

13.  Desselben  Werkes  U.  Theil.  Aufgaben  für  obere  Classen.  11.  Auflage. 
Carlsruhe,  Groos,  1863.   Preis  1  Thlr.  3  Sgr. 

14.  Seyffert  M.,  Uebungsbuch  zum  Üebersetzen  aus  dem  Deutschen  in's 
Lateinische  für  Secunda.  7.  Auflage.  Leipzig,  0.  Holtze,  1864.  Preis  1  Thlr. 

15.  Grysar  C.  J.,  Handbuch  lateinischer  Stilübungen.  I.  Abtheilung  für 
die  untere  Stufe  des  Obergjrmnasiums.  3.  Auflage.  Köln,  Schmitz,  1851 
Preis  16  Sgr. 

16.  Historiae  antiquae  usque  ad  Caesaris  Augusti  obitum  libri  XIL  locis 
ex  scnptoribus  latinis  excerptis  contezuit  et  scholarnm  in  usnm  edidit. 
Em.  Ho  ff  mann.  Editio  VUl.  Wien,  Gerold,  1864.  Preis  65  kr.  ö.  W. 

17.  Ro^ek  J.  A.,  kurze  Chrestomathie  aus  lateinischen  Dichtem  zusam- 
mengestellt und  mit  Anmerkungen  versehen.  Umgearbeitete  und  ver- 
mehrte Auflage.  Hermannstadt,  Th.  Steinhaussen,  1862.  Preis  32  kr.  ö.  W. 

18.  P.  Ovidii  Nasonis^  carmina  selecta  in  usum  scholarum  edidit  C.  J. 
Grysar.  Editio  VII.  Wien,  Gerold,  1864.  Preis  65  kr.  ö.  W. 

19.  P.  Ovidii  Nasonis  Metamorphoses.  Auswahl  für  Schulen  mit  erläutern- 
den Anmerkungen  und  einem  mvthologisch-geoeraphischen  Register 
versehen  von  J.  Siebeiis.  I.  Heit,  Buch  I  —  IX  und  Einleitung  ent- 
haltend. 4.  Auflage.  Leipzig,  Teubner,  1865.  Preis  15  Sgr.  Desselben 
Werkes  II.  Heft,  Buch  X  —  XV  und  das  mythologisch -geographische 
Register  enthaltend.  3.  Auflage.  Leipzig,  Teubner,  1862.  rreis  i5  Sgr. 

20.  Memorabilia  Alexandri  Magni  et  aliorum  virorum  illustrium  selectasque 
fabulas  Phaedri  in  usum  scholarum  edideruntC.  Schmidt,  0. Gehlen. 
Vindobonae,  typis  Sommeri  1865.  Preis  1  fl.  ö.  W. 

IL  Griechische  Sprache. 
Grammatiken. 

1.  Cur t ins  G.,  griechische  Schulgrammatik.  6.  Auflage.  Prag,  Tempsky, 
1864.  Preis  1  fl.  12  kr.  ö.  W. 

2.  Kühner  R.,  Elementar-Grammatik  der  griechischen  Sprache.  20.  Auf- 
lage. Hannover,  Hahn,  1860.  Preis  26  V,  Ngr. 

Grammatikalische  Uebungsbücher. 
Für  die  IH.  und  IV.  Classe. 

3.  Sehen  kl  K.,  griechisches  Elementarbuch  für  die  DI.  und  IV.  Classe 
der  Gymnasien  etc.  5.  Auflage.  Prag,  Tempsky,  1863.  Preis  92  kr.  ö.  W. 

Für  die  V  —  VIE.  aasse. 

4.  Sehen  kl  K.,  Uebungsbuch  zum  üebersetzen  aus  dem  Deutschen  und 


Verordnungen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Realschulen.  019 

Lateinischen   in's  Griechische,   für  die  Classen   des  Obergymnasiums. 

2.  Auflage.  Prag,  Tempsky.  1861.  Preis  92  kr.  ö.  W. 

5.  Franke  Friedr.,  Aufgaben  zum  Uebersetzen  in  das  Griechische  nach 
den  Grammatiken  von  Buttmann,   Kühner   und  Krüger.    III.  Cursus. 

3.  Auflage.  Leipzig,  Brandstetter,  1857.  Preis  17'/,  Sgr. 

Leetüre  in  der  IV.  und  V.  Classe. 

6.  Sehen  kl  K.,  Chrestomathie  aus  Xenophon.  4.  Auflage.  Wien,  Gerold. 
Preislfl.30kr.ö.W. 

HL  Deutsche  Sprache. 

1.  Heyse  J.  C.  A.,  Leitfaden  zum  gründlichen  Unterricht  in  der  deutschen 
Sprache  für  höhere  und  niedere  Schulen  nach  den  gröfseren  Lehr- 
büchern der  deutschen  Sprache.  20.  Auflage.  Hannover,  Hahn'sche 
Hofbuchhandlung,  1863.  Preis  10  Sgr. 

2.  Bauer  Friedr.,  Grundzüge  der  neuhochdeutschen  Grammatik  für 
höhere  Bildungsanstalten.  9.  Auflage.  Ausübe  für  katholische  Schulen. 
Nördlingen,  Beck'sche  Buchhandlung,  1863.  Preis  14  Sgr. 

3.  Hoff  mann  K.  A.  J.,  neuhochdeutsche  Elementar-Grammatik,  mit 
Rücksicht  der  historischen  Grammatik  bearbeitet.  6.  Aufl.  Clausthal, 
Grosse,  1865.  Preis  16  Sgr. 

4.  Mozart  J.,  deutsches  Lesebuch  für  die  unteren  Classen  der  Gymasien: 
I.  Band.  14.  Auflage.  Wien,  Gerold,  1865.  Gebunden  70  kr.  ö.  W.  — 
n.  Bd.  8.  Aufl.  Wien,  Gerold,  1863.  Geb.  90  kr.  ö.  W.  -  III.  Bd. 
8.  Aufl.  Wien,  Gerold,  1864.  Geb.  75  kr.  ö.  W.  —  IV.  Bd.  6.  Aufl. 
Wien,  Gerold,  1864.  Geb.  70  kr.  ö.  W. 

5.  Mozart  J.,  deutsches  Lesebuch  für  die  oberen  Classen  der  Gymnasien: 
L  Band.  7.  Auflage.  Wien',  Gerold,  1863.  Preis  1  fl.  30  kr.  ö.  W.  — 
n.  Bd.  7.  Aufl.  Wien,  Gerold,  1864.  Preis  2  fl.  ö.  W,  -  UI.  Bd.  3.  Aufl. 
Wien.  Gerold,  1863.  Preis  1  fl.  50  kr.  ö.  W. 

6.  Wein  hold  K.,  mittelhochdeutsches  Lesebuch  mit  einer  kurzen  Gram- 
matik des  Mittelhochdeutschen  und  einem  Glossar.  2.  Auflage.  Wien, 
Braumüller,  1862.  Preis  1  fl.  50  kr.  ö.  W. 

7.Beichel  K.,   mittelhochdeutsches  Lesebuch   für  Gymnasien.    Wien, 

Gerold,  1858.  Preis  1  fl.  5  kr.  ö.  W. 

Anmerkung.    Wolfeile  Schulausgaben  einzelner  Werke  oder  der 

Gesammtwerke  deutscher  Classiker  können  ebenfalls  als  Ersatz  der  Leetüre 

der  oberwähnten  Lesebücher  oder  zur  Ergänzung  dieser  Leetüre  verwendet 

werden. 

IV,  GeograpMe  tmd  Geschichte. 
1.  Schubert   Fr.  W.,   Grundzüge   der  allgemeinen  Erdkunde  für  die 
unteren  Classen  der  Gymnasien  und  Realschulen  bearbeitet.  4.  Auflage 
mit  2  lithographierten  Tafeln   und   mehreren  Holzschnitten.    Wien, 
Gerold,  1865.  Preis  40  kr.  ö.  W. 
<    2.  Beilin  ff  er  J.,  Leitfaden  der  Geographie  in  zwei  Cursen  für  die  k.  k. 
Österreichischen  Gymnasien  und  Unterrealschulen.   15.  Auflage.  Wien, 
Gerold,  1865.  Preis  30  kr.  Ö.  W. 
3.Ptaschnik  J.,  Leitfaden  beim  Lesen  der  geographischen  Karten.  Für 
die  erste  Classe  der  Gymnasien  entworfen.   2.  Auflage.   Wien,   Beck, 
1861.  Preis  28  kr.  ö.  W. 

4.  Voigt  F.,  Leitfaden  beim  geographischen  Unterricht.  Nach  den  neueren 
Ansichten  entworfen.  21.  Auflage.  Berlin,  W.  Logier,  1864.  Preis  10  Sgr. 

5.  Daniel  H.  A.,  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  Geographie.  23.  ver- 
besserte Auflage.  Halle,  Buchhandlung  des  Waisenhauses,  1864.  Preis 
VU  Sgr. 

6.  Daniel  H.  A.,  Lehrbuch  der  Geographie  für  höhere  Unterrichtsan- 
st^ten.  15.  Auflage.  Halle,  Buchhandlung  des  Waisenhauses,  1864. 
Preis  15  Sgr. 

7.Klun  V.  F..  Leitfaden  für  den  flfeographiBchen  Unterricht  an  Mittel- 
schulen. 4.  Auflage.  Wien,  Gerold,  1864.  Preis  1  fl.  30  kr.  ö.  W. 

42* 


680  Verordnungen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Realschulen. 

8.  Kozenn  Bl.,  Grundzüge  der  Geographie.  3.  Auflage.  Wien  und  Olmütz, 
1864.  Preis  40  kr. 

9. Pütz  W.,  Grundriss  der  Geographie  und  Geschichte  der  alten,  mitt- 
leren und  neueren  Zeit,  für  die  mittleren  Classen  höherer  Lehranstalten. 

—  I.  Ahtheilung.  Das  Alterthum.  12.  Auflage.  Cohlenz,  Bädecker  1863. 
Preis  10  Sgr.  -  II.  Ahth.  Das  Mittelalter,  lO.  Aufl.  Mit  historischen 
Karten.  Cohlenz,  Bädecker,  1861.  Preis  10  Sgr.  lU.  Abth.  Die  neuere 
Zeit.  8.  Auflage.  2.  Abdruck.  Cohlenz,  Bädecker,    1863.   Preis  10  Sgr. 

10.  Pütz  W,.  Grundriss  der  Geographie  und  Geschichte  der  alten,  mitt- 
leren und  neueren  Zeit  für  die  oberen  Classen  höherer  Lehranstalten. 

—  I.  Band.  Das  Alterthum.  11.  Auflage.  Cohlenz,  Bädecker,  1863.  Preis 
25  Sgr.  —  n.  Bd.  Das  Mittelalter.  9.  Auflage.  Mit  2  Karten.  Cohlenz, 
Bädecker,  1861.  Preis  20  Sgr.  —  in.  Bd.  Die  neuere  Zeit.  9.  Auflage. 
Cohlenz,  Bädecker,  1863.  Preis  20  Sgr. 

11.  Welt  er  Th.  B.,  Lehrbuch  der  Weltgeschichte  für  Schulen,  ein  frei 
bearbeiteter  Auszug  aus  des  Verfassers  gröfserem  Werke.  20.  Auflage. 
Münster,  Coppenrath,  1864.  Preis  25  Sgr. 

12.  Gindely  A.,  Lehrbuch  der  allgemeinen  Geschichte  für  Obergymnasien. 

—  I.  Band.  Prag,  Bellmann,  1860.  Preis  1  fl.  14  kr.  ö.  W.  —  11.  Bd. 
Prag,  Bellmann,  1863.  Preis  92  kr.  ö.  W.  —  lU.  Bd.  Prag,  Bellmann, 
1864.  Preis  92  kr.  ö.  W. 

V.  Für  den  fnathematischen  Unterricht. 

A.  Untergymnasium. 

Für    den    arithmetischen   Unterricht. 

A.  Für  den  Unterricht  in  der  I.  und  11.  Classe,  und  zum  T  heile  auch  in 

der  m.  und  IV.  Classe. 

1.  Heis  E.  Dr.,  Rechenbuch  für  die  Gymnasien,  Realschulen  und  Gewerbe- 
schulen Oesterreichs.  4.  Auflage.  Köln,  Du  Mont,  1864.  Preis  20  Sgr. 
Damit  in  Verbindung  lässt  sich  als  die  Regeln  enthaltend  gebrauchen: 

2.  Baltzer  R.  Dr.,  Rechenbuch  ftlr  den  Standpunct  der  Mittelschulen. 
Leipzig,  1850.  Preis  V,,  Thlr. 

Für  den  Unterricht  im  Buchstabenrechnen  u.  s.  w.  in  der  III.  und 
IV.  Classe  die  einschlägigen  Paragraphe  von: 

3.  Heis  £.  Dr.,   Sammlung  von  Beispielen  und   Aufgaben    aus  der  all- 

femeinen  Arithmetik  und  Algebra.  14.  Auflage.  Köln,  Du  Mont,  1864. 
*reis  1  Thlr. 

B.  Modnik   F.  Dr.,    Lehrbuch   der  Arithmetik  für  die  Untergymnasien: 

I.  Abtheiluug  für  die  I,  und  II.  Classe.  13.  Auflage.  Wien,  Gerold,  1864. 
Preis  80  kr.  ö.  W.  —  II.  Abtheilung  für  die  in.  und  IV.  Classe.  9.  Auf- 
lage. Wien,  Gerold,  1862.  Preis  55  kr.  ö.  W. 

Für  den  geometrischen  Unterricht. 
A.  Für  den  Unterricht  in  allen  vier  Classen: 

I.Fried  leben  Th.  Dr.,  Leitfaden  zum  methodisch-praktischen  Unter- 
richt in  der  Formenlehre  und  der  gemeinen  Geometrie.  2.  Aufl^e. 
Frankfurt  a.  M.,  J.  D.  Sauerländer,  1851.  Preis  12  Ngr. 
2.  Modnik  F.  Dr.,  geometrische  Anschauungslehre  für  das  Untergym- 
nasium: I.  Abtheilung  für  die  I.  und  II.  Classe.  6.  Auflage.  Wien, 
Gerold,  1864,  Preis  50  kr.  ö.  W.  —  II.  Abtheilung  für  die  III.  und 
rV.  Classe.  5.  Auflage.  Wien,  Gerold,  1864.  Preis  50  kr.  Ö.  W. 

B.  Obergymnasium. 
Für  den  arithmetischen  und  geometrischen  Unterricht. 
1.  Wiegan d  A.  Dr.,  Lehrbuch  der  Mathematik.  Halle,  Schmidt,  a)  All- 

femeine  Arithmetik.  4.  Auflage.  1859.  Preis  12 '/;,  Sgr.  b)  Planimetrie. 
Cursus.  7.  Aufl.  1864.  Preis  10  Sgr.,  IL  Cursus.  6.  Aufl.  1863.  Preis 
10  Sct.  c)  Ehene  Trigonometrie.  4.  Aufl.  1860.  Preis  10  Sgr.  d)  Stereo- 
metrie. 4.  Aufl.  1862.  Preis  15  Sgr.  e)  Analytische  Geometrie  der  Ebene. 
1854.  Preis  12'/,  Sgr. 


Verordnungen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Realschulen.  621 

2.  Eambly  L„  Elementar- Mathematik.  Breslau,  F.  Hirt,  a)  Arithmetik 
und  Algebra.  7.  Auflage.  1864.  Preis  12%  Ngr.  b)  Planimetrie.  11.  Aufl. 
1864.  Preis  12 'A  Ngr.  c)  Trigonometrie.  4.  Aufl.  1865.  Preis  12  V,  Ngr. 
d)  Stereometrie.  4.  Aufl.  1865.  Preis  12%  Ngr. 

3.  Brettner  H.  A.  Dr.  a)  Leitfaden  beim  Unterrichte  in  der  Buchstaben- 
Arithmetik,  Algebra  und  Combinationslehre.  5.  Auflage.  Breslau,  Jos. 
Max  &  Comp.  1857.  Preis  20  Ngr.  b)  Lehrbuch  der  Geometrie.  5.  Aufl. 
Breslau,  Jos.  Max  &  Comp.,  18&.  Preis  1  Thlr.  5  Ngr. 

4.  Boy  mann.  J.  R.  Dr.,  Lehrbuch  der  Mathematik.  Köln  und  Neuss, 
Schwann'sche  Buchhandlung,  a)  Geometrie  der  Ebene.  3.  Auflage.  1865. 
Preis  20  Sgr.    b)  Ebene  Trigonometrie  und  Geometrie   des  Raumes. 

1859.  Preis  22'/    Sgr.  c)  Arithmetik.  1861.  Preis  22%  Sgr. 

5.  Koppe  R.,  Anfangsgründe  der  reinen  Mathematik.  Essen,  Bädecker, 
a)  Arithmetik  und  Algebra.  6.  Auflage.  1862.  Preis  27  Ngr.  b)  Plani- 
metrie. 8.  Aufl.  1862.  Preis  18  Ngr.  c)  Stereometrie.  6.  Au£  1863.  Preis 
12  Ngr.  d)  Ebene  Trigonometrie.  3.  Aufl.  1860.  Preis  16  Ngr. 

6.  Moönik  F.  Dr.  a)  Lehrbuch  der  Algebra  für  die  Obergymnasien. 
8.  Auflage.  Wien,  Gerold,  1863.  Preis  1  fl.  ö.  W.  b)  Lehrbuch  der 
Geometrie  für  die  Obergymnasien.  7.  Aufl.  Wien,  Gerold,  1862.  Preis 
1  fl.  40  kr.  ö.  W. 

Bemerkungen.  Für  den  arithmetischen  Unterricht  ist  bei 
jedem  dieser  Werke  als  Uebungsbuch  Dr.  E.  Heis's,  Sammlung  von  Bei- 
spielen und  Aufgaben  oder  eine  andere  Aufgabensammlung,  deren  Zulassung 
zum  Gebrauche  früher  nachzusuchen  ist,  erforderlich.  Für  den  geometri- 
schen Unterricht  erfordern  2,  4  und  5  einen  Leitfaden  für  den  Unter- 
richt in  der  analytischen  Geometrie,  als  welcher  Wieg  and 's  analytische 
Geometrie  der  Ebene  zulässig  ist. 

VI.  Naturgeschichte. 
A.  Für  Untergymnasien  und  Unterrealschulen. 

1.  Föllecker,  Anschauungsunterricht  in  der  Mineralogie,  für  die  k.  k. 
österreichischen  Untergymnasien  und  Unterrealschulen.  Mit  vielen  Holz- 
schnitten. Wien,  Gerold,  1857.  Preis  32  kr.  ö.  W. 

2.  Po  kor  ny,  Naturgeschichte  des  Mineralreiches,  für  österreichische 
üntergymnasien.  Mit  46  Dlustrationen.  Wien,  k.  k.  Schulbücherverlag. 
Preis  25  kr.  ö.  W. 

3.  Pokorny,  Naturgeschichte  des  Pflanzenreiches,  für  österreichische 
Gymnasien  und  Uuterrealschulen.  Mit  Holzschnitten  und  8  Tafeln 
Naturselbstdruck.    Wien,  k.  k.  Schulbücherverlag.    Preis  54  kr.  Ö.  W. 

4.Kukula  W.,    Leitfaden  der  Naturgeschichte  des  Thierreiches.    Wien, 

Braumüller.  1863.  Preis  1  fl.  ö.  W. 
5.  Pokorny,  Naturgeschichte  des  Thierreiches,  für  die  österreichischen 

Untergymnasien.  Mit  83  Holzschnitten.  Wien,  k.  k.  Schulbücherverlag. 

Preis  48  kr.  ö.  W. 

B.  Für  Obergymnasien  und  Oberrealschulen. 

1.  Fellöcker,  Leitfaden  der  Mineralogie  und  Geognosie  für  Obergym- 
nasien. 2.  Auflage.  Wien,  Gerold,  1860.  Preis  80  kr. 

2.  Bill,  Grundriss  der  Botanik  für  Schulen.  3.  Auflage.   Wien,   Gerold, 

1860.  Preis  1  fl,  30  kr.  ö.  W.  ') 

3.  Leunis  S.,  Schulnaturgeschichte.  Botanik.  Mit  zahlreichen  Holz- 
schnitten. 3.  Auflage.  Hannover,  1852.  Preis  28  Sgr.  ') 


')  Bei  der  gröfseren  Ausdehnung  und  streng  wissenschaftlichen  Be- 
handlung des  Gegenstandes  werden  die  Lehrer  besonders  an  Ober- 
realschulen beim  Vortrage  eine  etwas  beschränkende  Auswahl  treff'en 
müssen. 

')  Es  gilt  jedoch  die  Beschränkung,  dass  die,  die  specielle  Bestimmung 
der  Pflanzen  betreffenden  Abschnitte  keinen  unmittelbaren  Gegen- 
stand des  Lehrens  und  Lernens  bilden,  sondern  nur  als  Hilfsmittel 
dienen  sollen. 


682  Verordnungen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Realschalen. 

4.  Giebel,  Lehrbuch  der  Zoologie,  zum  Gebrauche  im  Unterrichte  an 
Schulen  und  höheren  Lehranstalten.  3.  Auflage.  Mit  104  Abbildungen. 
Darmstadt,  18B5.  Preis  18  Sgr. 

5.  Schmidt  Ose.  Dr.,  Leitfaden  der  Zoologie,  zum  Gebrauche  an  Gym- 
nasien und  höheren  Unterrichtsanstalten.  Mit  158  Holzschnitten.  Wien 
Gerold,  1860.  Preis  1  fl.  20  kr.  ö.  W. 

6.  Schabus  Dr.,  Anfangsgründe  der  Mineralogie,  mit  einem  kurzen  Ab- 
risse der  Geo^uosie,  zum  Gebrauche  an  Oberr^dschulen  uni  Ober- 
gynmasien.  Wien,  BraumuUer,  1859.  Preis  1  fl.  SO  kr.  ö.  W. 

VIL  Für  die  Physik. 
A.    Im    Untergymnasium. 

1.  Brettner  H.  A.  Dr.,  Leitfaden  der  Physik  auf  Gymnasien,  Gewerbe- 
schulen und  höheren  Bürgerschulen.  16.  Auflage.  Breslau,  Jos.  Max  k 
Comp.,  1864.  Preis  25  Sgr. 

2.  Kr  ist  Joseph  Dr.,  Anfangsgründe  der  Naturlehre  für  die  unteren 
Classen  der  Mittelschulen.  Wien,  Braumüller.  1864.  Preis  1  fl.20  kr.  ö.  W. 

3.  Kunze k  A.  Dr..  Lehrbuch  der  Experimental-Physik.  7.  Auflage.  Wien, 
Braumüller,  1864.  Preis  1  fl.  40  kr.  ö.  W. 

4.Pi8ko  F.  J.,  Lehrbuch  der  Physik  für  Untergymnasien.  2.  Auflage. 
Wien,  Gerold.  Preis  1  fl.  20  kr.  ö.  W. 

5.  Schabus  J.  Dr.,  leichtfassliche  Anfangsgründe  der  Naturlehre.  9.  Auf- 
lage. Wien,  Gerold,  1863.  Preis  1  fl.  5  kr.  ö.  W. 

6.  Koppe  K.,  der  erste  Unterricht  in  der  Naturlehre  für  mittlere  Schulen. 
Essen,  Bädecker,  1859.  Preis  12  Sgr.') 

7.  Subic  S.,  Lehrbuch  der  Physik  für  die  unteren  Classen  der  Gym- 
nasien und  Realschulen.  Pest,  Heckenast,  18<>l.  Preis  1  fl.  .50  kr.  ö.  W. 

8.  Pick  H.  Dr.,  Vorschule  der  Physik.  Wien,  (Gerold,  1863.  Preis  1  fl. 
20  kr.  ö.  W. 

9.  Weiser  J.  Dr.,  Anfangsgründe  der  Physik.  3.  Auflage.  Wien,  L.  W. 
Seidel,  1860.  Preis  1  fl.  ö.  W. 

B.  Im  Obergymnasium. 

1.  Kunzek  A.  Dr.,  Lehrbuch  der  Physik  mit  mathematischer  Begrün- 
dung. 3.  Auflage.  Wien,  Braumüller,  1865.  Preis  4  fl.  ö.  W. 

2.  Subic  S.,  Lehrbuch  der  Physik  für  Obergymnasien.  Pest,  Heckenast, 

1861.  Preis  3  fl.  ö.  W. 

3.  Koppe  K.,  Anfangsgründe  der  Physik.  S.  Auflage.  Essen,  Badecker, 
1864.  Preis  1  Thlr.  8  Sgr. 

4.  Wiegand  A.  Dr.,  Grundriss  der  mathematischen  Geographie.  2.  Auf- 
lage. Halle,  H.  W.  Schmidt,  1851.  Preis  63  kr.  ö.  W. 

5.  Pisko  F.  J.,  Lehrbuch  der  Physik  für  Obergymnasien.  Brunn,  Winiker. 
1859.  Preis  3  fl.  40  kr.  ö.  W, 

6.  Schabus  J.  Dr.,  Grundzüge  der  Physik.   3.  Auflage.    Wien.   Gerold, 

1862.  Preis  3  fl.  20  kr.  ö.  W. 

,  7.  Weiser  J.  Dr.,  Lehrbuch  der  Physik,  auf  Grundlage  der  Elementar- 
Mathematik.  Wien,  L.  W.  Seidel  &  Sohn,  1857.  Preis  4  fl.  ö.  W. 
Anmerkung.  In  Bezug  auf  die  Lehrbücher  von  Kunzek,  Weiser 
und  Pisko  ist  zu  ^merken,  dass  nicht  der  Umfang  dieser  Bücher,  sondern 
der  Organisationsentwurf  die  Grenze  bestijnmt,  innerhalb  welcher  der  Lehr- 
stoff" zu  nehmen  ist. 

VIII.  Für  die  philoaophiscfie  Proprpdeutik. 
1.  Lichtenfei s   R.  J.,   Lehrbuch    der  Einleitung   in   die  Philosophie. 
5.  Auflage,  Wien,  BraumüUer,  1863.  Preis  2  fl.  ö.  W. 

')  Wäre  besonders  an  solchen  Gymnasien  brauchbar,  wo  wegen  der  vielen 
lebenden  Sprachen,  welche  aie  Schüler  zu  lernen  haben,  der  physi- 
kalische Unterricht  noch  gröfsere  Schwierigkeiten  findet. 


Yerordnangen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Realschulen.  628 

2.  Zimmermann  R.  Dr.,  philosophische  PropaBdentik.  2.  Auflage.  Wien, 
BraumtiUer,  1860.  Preis  3  fl.  ö.  W. 

3.  Beck  J.  Dr.,  Grundriss  der  Logik.  Stuttgart,  Metzler,  1863.  Preis  8  Sgr. 

4.  Lindner  G.  A.  Dr.,  Lehrbuäi  der  formalen  Logik  nach  genetischer 
Methode.  Gratz,  Leykam's  Erben.  1861.  Preis  80  kr.  ö.  W. 

5.  Drbal  M.  A.  Dr.,  Lehrbuch  der  propädeutischen  Logik.  Wien,  Brau- 
mtiUer, 1865.  Preis  1  fl.  ö.  W. 

6.  Drobisch  M.  W.,  neue  Darstellung  der  Logik.  3.  Auflage.  Leipzig, 
Voss.  1863.  Preis  1  Thlr.  10  Sgr. 

7.  Ho  ff  mann  K.  A.  J.,  Abriss  der  Logik.  Clausthal,  Grosse,  1859. 
Preis  10  Sgr. 

Für    Realschulen. 

I.  Deutsche  Sprache. 

a)   Für   ünterrealschulen. 

1.  Heys e,  Leitfaden  für  den  gründlichen  Unterricht  in  der  deutschen 
Sprache.  20.  Auflage.  Hannover,  Hahn,  1863.  Preis  10  Sgr. 

2.  Bauer,  Grundzüge  der  neuhochdeutschen  Grammatik.  9.  Auflage. 
Nördlingen,  Beck,  1863.  Preis  14  Sgr. 

3.  Hoff  mann  K.  A.  J.,  neuhochdeutsche  Elementar-Grammatik  mit  Rück- 
sicht der  historischen  Grammatik  bearbeitet.  6.  Auflage.  Clausthal, 
Grosse,  1865.  Preis  16  Sgr. 

4.  Knappe,  Grundzüge  der  Grammatik  für  ünterrealschulen.  Der  2.  Auf- 
lage 6.  Abdruck.  Wien,  Beck'sche  Sortimentsbuchhandlung,  1862. 
Preis  42  kr. 

5.  Deutsches  Lesebuch  für  die  unteren  Classen  der  Gymnasien  von  Mozart. 
Wien,  C.  Gerold.  I.  Band.  14.  Auflage.  1865.  Preis  70  kr.  ö.  W.  — 
U.  Bd.  8.  Aufl.  1863.  Preis  90  kr.  ö.  W.  —  HI.  Bd.  8.  Aufl.  1864. 
Preis  75  kr.  ö.  W.  —  IV.  Bd.  6.  Aufl.  1864.  Preis  70  kr.  ö.  W. 

6.  Deutsches  Lesebuch.  Eine  Grundlage  für  den  Sprachunterricht  von 
Franz  Herrmann.  Prag,  Fr.  Tempsky.  L  Theil.  4.  Auflage.  186L 
Preis  40  kr.  ö.  W.  -  II.  Theil.  3.  Aufl.  1863.  Preis  60  kr.  ö.  W.  — 
111.  TheiL  3.  Aufl.  1862.  Preis  80  kr.  ö.  W. 

7.  Deutsches  Lesebuch  für  die  österreichischen  Unterrealschulen  und 
ähnliche  Lehranstalten  von  Theodor  Vernaleken.  Wien,  L.  W.  Seidel 
&  Sohn.  L  Theil.  Preis  50  kr.  ö.  W.  -  H.  Theil.  Preis  50  kr.  ö.  W.  — 
in.  Theil.  Preis  65  kr.  ö.  W. 

b)  Für  Oberrealschulen. 

Literaturbuch,  deutsches  Lesebuch  von  Theodor  Vernaleken.  Wien, 
W.  Braumüller.  I.  Theil,  aus  dem  Alterthum.  6.  Auflage.  1865.  Preis 
1  fl.  40  kr.  ö.  W.  -  n.  Theil,  aus  dem  Mittelalter.  4.  Aufl.  1861. 
Preis  1  fl.  40  kr.  ö.  W.  -  IlL  Theil.  3.  Aufl.  1857.  Preis  1  fl.  40  kr.  ö.  W. 

Scheinnflug  B.,  deutsches  Lesebuch  für  die  oberen  Classen  der  Mittel- 
schulen. L  Theil.  2.  Auflage.  Brunn,  Buschack  &  Irrgang,  1860.  Preis 
1  fl.  ö.  W.  —  IL  Theil.  Frag,  Mercy,  1855.  Preis  80  kr.  ö.  W.  — 
m.  Theil.  Brunn,  Buschack  &  Irrgang,  1856.  Preis  1  fl.  20.  ö.  W. 

Mozart's  Lesebuch  für  die  oberen  Classen  der  Gymnasien.  Wien.  C.  Gerold. 
11.  Theil.  7.  Auflage.  1864.  Preis  2  fl.  ö.  W.  —  UI.  Theü.  3  Aufl. 
1863.  Preis  I  fl.  50  kr.  ö.  W. 

II.  Geographie  und  Geschichte. 

1.  Schubert  Fr.  W.,  Grundzüge  der  allgemeinen  Erdkunde  für  die 
unteren  Chissen  der  Gymnasien  und  Realschulen  bearbeitet.  4.  Auflage 
mit  2  lithographirten  Tafeln  und  mehreren  Holzschnitten.  Wien, 
Gerold,  1865.  Preis  40  kr.  ö.  W. 

2.  Bellinger  J.,  Leitfaden  der  Geographie  in  zwei  Cursen  für  die  k.  k. 
österreicnischen  Gymnasien  und  Unterrealschulen.  15.  Auflage.  Wien, 
Gerold,  1865.  Preis  30  kr.  ö.  W. 


624  Verordnungen  f.  d.  öst  Gymnasien  n.  Realschulen. 

S.Hauke,  Lehrbuch  der  Geographie.  17.  Auflage.  Wien,  Braumüller. 
1%5.  Preis  1  fl.  40  kr.  ö.  W. 

4.  Klun,  V.  F.,  Leitfaden  ftjr  den  geographißchen  Unterricht  an  Mittel- 
schulen.  4.  Auflage.  Wien,  C.  Gerold,  1864.   Preis  1  fl.  30  kr.  ö.  W. 

5.  Daniel  H.  A.,  Lehrbuch  der  Geographie  für  höhere  Untenichtsan- 
stalten.  15.  vermehrte  Auflage.  Halle,  Buchhandlung  des  Waisenhauses, 
1864.  Preis  15  Sgr. 

6.  Voigt,  Leitfaden  für  den  geographischen  Unterricht.  21.  Auflage. 
Berlin,  W.  Logier,  Preis  10  Sgr. 

7.  Ptaschnik  J.,  Leitfaden  beim  Lesen  der  geographischen  Karten.  Für 
die  erste  Classe  der  Gymnasien  entworfen.  2.  Auflage.  Wien,  Beck, 
1861.  Preis  28.  kr.  ö.  W. 

8.  Kozenn  BL,  Grundzüge  der  Geographie.  3.  Auflage.  Wien  und  Olmütz, 
1864.  Preis  40  kr. 

9.  Warb  an  ek  W.  F.,  Leitfaden  für  den  geographischen  Unterricht  für 
Unterrealschulcn.  3  Bandeben.   Wien,  JSallmaver.  Preis  ä  70  kr.  ö.  W. 

10.  Klun,  Allgemeine  und  Handelsgeographie.  2.  Auflage.  Wien,  Gerold, 
1861.  Preis  2  fl.  60  kr.  ö.  W. 

11.  Pütz,  Grundriss  der  Geographie  und  Geschichte  für  die  mittleren 
Classen  der  Gymnasien  und  höheren  Bürgerschulen.  Koblenz,  K.  Bä- 
decker. I.  Band.  Das  Alterthum.  Preis  10  Sgr. 

12.  Pütz,  Grundriss  der  Geographie  und  Geschichte  für  die  oberen  Classen 
höherer  Lehranstalten.  Koblenz,  K.  Bädecker.  IL  Theil.  Das  Mittel- 
alter. Preis  20  Sgr.  —  III.  TheiL  Die  neuere  Zeit.  Preis  20  Sgr. 

13.  Gindely,  Lehrbuch  der  allgemeinen  Geschichte  für  Obergymnasien. 
2  Theile.  Prag ,  Bellmann.  I.  Theil.  1856.  Preis  95  kr.  ö.  W.  - 
n.  Theil.  1860.  Preis  1  fl.  20  kr.  ö.  W. 

14.  Schmued  Ludwig,  Leitfaden  zum  geschichtlichen  Unterricht.  L  Theil. 
Wien,  1864.  Preis  90  kr.  (Für  die  zweite  Unterrealclasse.) 

HL  Für  den  mathematischen  Unterricht. 
A.  Für  Unterrealschulen. 

a)  Arithmetik. 

1.  Mocnik  Fr.  Dr.,  Anleitung  zum  Rechnen  für  die  I.  und  IL  Classe 
der  Unterrealschule.  Wien,  Schulbücherverlag.  Preis  geb.  53  kr.  ö.  W. 

2.  Mocnik  Fr.  Dr.,  die  angewandte  Arithmetik  etc.  für  die  dritte  Classe 
der  Unterrealschule.  Wien,  Schul bücherverlag.  Preis  geb.  51  kr.  ö.  W. 

3.  Villicus  Fr.,  vollständiges  Lehr-  und  Uebungsbuch  der  Arithmetik 
für  Unterrealschulen.  3  Theile.  Wien,  L.  W.  Seidel  &  Sohn.  1861  —  64. 
Preis  ä  75  kr.  ö.  W. 

4.  Streb  1  Job.,  Handbuch  der  Arithmetik  für  Unterrealschulen.  3  Theile. 
Wien,  Sallmeyer  &  Comp.  Preis  ä  64  kr.  ö.  W. 

5.  Heis  E.  Dr.,  Rechenbuch  für  die  Gymnasien,  Realschulen  und  Ge- 
werbeschulen Oesterreichs.  4.  Auflage.  Köln,  Du  Mont,  1865.  Preis  20  Sgr. 

6.  Balz  er,  Rechenbuch  für  den  Standpunct  der  Mittelschulen.  1850. 
Preis  12  Sgr. 

b)  Geometrie. 

1.  Glas  1  C,  Lehrbuch  der  Geometrie  für  Unterrealschulcn.  4.  Auflage. 
Wien.  W.  Braumüller,  1858.  Preis  1  fl.  50  kr.  ö.  W. 

2.  Fialkowsky ,  Lehrbuch  der  Geometrie  und  des  Zeichnens  für  Unter- 
realschulen. Wien,  Gorischek,  1864.  Preis  1  fl.  20  kr.  ö,  W. 

3.  Friedleben  Theodor  Dr.,  Leitfaden  zum  methodisch  -  praktischen 
Unterrichte  in  der  Formenlehre  und  der  gemeinen  Geometrie,  zunächst 
für  Bürgerschulen.  2.  Auflage.  Frankfurt  a.  M.,  Sauerläuders  Verlag. 
1851.  Preis  12  Ngr. 

c) 
Blodig  Hermann  Dr.,  Darstellung  der  österreichischen  Zoll-  und  Monopolt- 
oronung  für  die  k.  k.  Realschulen.  5.  Auflage.  Wien,  Prandel  &  Mayer. 
1860.  Preis  65  kr.  ö.  W. 


Verordnungen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Bealschulen.  625 

B.  Für  Oberrealschulen. 

1.  Salomon  Josef  Dr.,  Lehrbuch  der  Elementar-Mathematik  für  Ober- 
realschulen. Wien,  Gerold.  I.  Band  Algebra.  Preis  1  ii,  60  kr.  ö.  W.  — 
IL  Band.  Geometrie.  Preis  2  fl.  10  kr.  ö.  W. 

2.  Schnedar  R.,  Grundziige  der  darstellenden  Geometrie.  S.Auflage. 
Brunn,  Winiker,  1865.  Preis  1  fl.  70  kr.  ö.  W. 

3.  Heis  E.  Dr.  und  Eschweiler,  Lehrbuch  der  Planimetrie  und 
Stereometrie.  Köln,  Du  Mont.  Preis  I.  Theil.  25  Sgr.  IL  Theil  25  ISgr. 

4.  Wiegan d,  Lehrbuch  der  Mathematik.  Halle,  Schmidt.  Allgemeine 
Arithmetik.  1859.  4.  Auflage.  Preis  12  Va  Sgr.  —  Planimetrie  1.  Curs. 
1846.  7.  Aufl.  Preis  10  Sgr.,  IL  Curs.  1865.  6.  Aufl.  Preis  10  Sgr.  — 
Ebene  Trigonometrie.  1860.  4.  Aufl.  Preis  10  Sgr.  —  Stereometrie. 
1862.  4.  Aufl.  Preis  15  Sgr.  —  Analytische  Geometrie  der  Ebene.  1854. 
Preis  12 '/j  Sgr.  Algebraische  Analysis  1865.  3.  Aufl.  Preis  15  Sgr. 

IV.  Für  Naturgeschichte. 
Siehe  oben  VI,  Naturgeschichte  für  G^Tunasien. 

V.  Physik. 

A.  Für  Untergymnasien. 

1.  Kunze k  A.  Dr.,  Lehrbuch  der  Experimental-Physik.  7.  Auflage.  Wien, 
Braumuller,  1864.  Preis  1  fl.  40  kr.  ö.  W. 

2.  Weiser  J.  Dr.,  Anfangsgründe  der  Physik.  3.  Auflage.  Wien,  L.  W. 
Seidel  &  Sohn,  1860.  Preis  1  fl.  ö.  W. 

3.  Pisko  F.  J.,  Lehrbuch  der  Physik  für  Unterrealschulen.  6.  Auflage. 
Brunn,  Winiker,  1864.  Preis  1  tl.  20  kr.  ö.  W. 

4.  Seh  ab  US  J.  Dr.,  leichtfassliche  Anfangsgründe  der  Naturlehre.  9.  Auf- 
lage. Wien,  Gerold,  1863.  Preis  1  fl.  5  kr.  ö.  W. 

5.  Kr  ist  Joseph  Dr.,  Anfangsgründe  der  Naturlehre  für  die  unteren 
Classen  der  Mittelschulen.  Wien,  Braumüller,  1864.  Preis  1  fl.  20  kr.  Ö.  W. 

6.  Netolicka  E.  Dr.,  Leitfaden  für  den  ersten  Unterricht  in  der  Physik 
für  Unterrealschulcn.  7.  Auflage.  Brunn,  1860.  Preis  1  fl.  8  kr.  ö.  W. 

7.  Pick  H.  Dr.,  Vorschule  der  Physik  für  die  unteren  Classen  der  Mittel- 
schulen. Wien,  Gerold,  1863.  Preis  1  fl.  20  kr.  ö.  W. 

8.  Koppe  K.,  der  erste  Unterricht  in  der  Naturlehre  für  mittlere  Schulen. 
Essen,  Bädecker,  1859.  Preis  12  Sgr. 

9.  Subic  S.,  Lehrbuch  der  Physik  für.  die  unteren  Classen  der  Gym- 
nasien und  Realschulen.  Pest,  Heckenast,  1861.  Preis  1  fl.  50  kr.  ö.  W. 

B.  Für  Oberrealchulen. 

1.  Kunzek  A.  Dr.,  Lehrbuch  der  Physik  mit  mathematischer  Begrün- 
dung. 3.  Auftage.  Wien,  Braumüller,  1865.  Preis  4  fl.  ö.  W. 

2.  Schab  US  Dr.,  Grundzüge  der  Physik  für  die  oberen  Classen  der  Gym- 
nasien und  Oberrealschulen.  3.  Auflage.  Wien,  Gerold,  1862.  Preis  3  fl. 
20  kr.  ö.  W. 

3.  Weiser  J.  Dr.,  Lehrbuch  der  Physik  auf  Grundlage  der  Elementar- 
Mathematik.  Wien,  L.  W.  Seidel  &  Sohn.  1857.  Preis  4  fl.  ö.  W. 

4.  Pisko,  Lehrbuch  der  Physik  für  Oberrealschulen.  Brunn,  Winiker, 
1860.  Preis  3  fl.  40  kr.  ö.  W. 

5.  Subic  S.,  Lehrbuch  der  Physik  für  Obergymnasien  und  Oberreal- 
schulen. Pest,  Heckenast,  1861.   Preis  3  fl.  ö.  W. 

VI.  Chemie. 

A.  Für  Unterrealschulen. 

1.  Berr  Franz,  Anfangsgründe  der  Chemie  oder  Lehrbuch  für  unter- 
realschulcn. 6.  Auflage.  Brunn,  Buschak  &  Irrgang,  1864.  Preis  1  fl. 
6  kr.  ö.  W. 

2.  Hinterberger  Fr.,  Lehrbuch  der  Chemie  für  Unterreal-  und  Ge- 
werbeschulen. 8.  Auflage.  Wien,  Braumuller,  1862.  Preis  2  fl.  ö.  W. 

3.  Hornig  E.,  Anfangsgründe  der  Chemie.  Wien,  Gerold.  Preis  1  fl. 
5  kr.  ö.  W. 


6t6  Verordnimg«!!  f.  d.  öst.  Gymnasien  n.^  Bealscholen. 

4.  Quadrat  B.  und  K.  J.  Badal,  Elemente  der  Chemie  f^  (Jnterreal- 
schulen.  Brunn,  C.  Winiker,  1860.  Preis  90  kr.  ö.  W. 

B.  Für  Oberrealschulen. 

1.  QuadratB.,  Lehrbuch  der  Chemie  für  Oberrealschulen  und  technische 
Lehranstalten.  Brunn,  C.  Winiker,  1856  —  1867.  I.  Abtheilung.  Unor- 
ganische Chemie.  Preis  1  ü.  58  kr.  ö.  W.  —  II.  Abtheilung.  Organische 
Chemie.  Preis  1  fl.  58  kr.  ö.  W. 

2.  Will  ig  k  E.,  Lehrbuch  der  Chemie  für  Real-  und  Bürgerschulen.  Prag, 
Temps%.  1.  Theil.  2.  Auflage.  1864.  Preis  1  fl.  50  kr.  ö.  W.  —  2.  ThciL 
1860.  Preis  1  fl.  50  kr.  ö.  W. 

VIL  Geometrisches  Zeichnen. 

1.  Hieser  J.,  die  zeichnende  Geometrie  als  Vorschule  für  die  Projections- 
lehre,  das  technische  Zeichnen  und  die  Feldmesskunst.  Für  Real-  und 
Gewerbeschulen.  Mit  15  Steintafeln.  3.  Auflage.  Wien,  L.  W.  Seidel 
&  Sohn,  1864.  Preis  2  fl.  ö.  W. 

2.  He  issig  F.,  Vorschule  zum  perspecti vischen  Zeichnen  geometrischer 
Objecte  nach  der  Anschauung,  enthaltend  das  Zeichnen  geometrischer 
Formen  in  der  Ebene  aus  freier  Hand.  Mit  15  Tafeln.  2.  Auflage. 
Wien,  Gerold,  1858.  Preis  1  fl.  80  kr.  ö.  W. 

3.  H eis 8 ig  F.,  Anleitung  zum  Zirkel-  und  Linearzeichnen  als  Vorschule 
für  die  darstellende  Geometrie,  das  Architektur-,  Maschinen-  und 
Situationszeichnen.  Wien,  Gerold,  1855.  Preis  1  fl.  30  kr.  ö.  W. 

VIIL  Baukunst  an  BealscJiuHen. 

1.  Gabriel y  A.  v.,  Grundzüge  der  Baukunst  für  Real-  und  Gewerbe- 
schulen. 7.  Aufl.  Brunn,  Buschak  &  Irrgang,  1864.  Preis  1  fl.  80  kr.  ö.  W. 

2.  Schnedar  J.,  Anleitung  zur  Baukunst.  Zum  Gebrauche  für  Real-, 
Sonntags-  und  Gewerbeschulen.  Mit  einem  Atlas  von  10  Kupfertafeln. 
Wien,  Gerold,  1856.  Preis  2  fl.  10  kr.  ö.  W. 

Anhang. 
AUgefnein  zulässige  Atlanten  für  Mittelschulen. 

1.  Sydow  E.  V.,  Schulatlas  in  42 Karten.  Neueste  Auflage.  Gotha,  Perthes. 
Preis  1%  Thh-. 

2.  Stiel  er  Ad.,  Schulatlas.  Ausgabe  fftr  die  österreichische  Monarchie 
in  39  illuminirten  Karten.  Gotha ,  Perthes.  Preis  1  '4  Thlr.  Ausgabe 
in  45  illuminierten  Karten  1*4  Thlr. 

3.  Berghaus  H.,  Schulatlas  der  österreichischen  Monarchie  nach  der 
neuesten  politischen  und  gerichtlichen  Eintheilung.  Neueste  Auflage. 
In  7  illuminirten  Karten.  Gotha,  Perthes.  12  Sgr. 

4.  Kozenn  B.,  geographischer  Schulatlas  für  Gymnasien,  Real-  und 
Handelsschulen.  31  Karten.  Wien  und  Olmütz,  Ed.  Hölzel  Preis  2  fl. 
60  kr.  ö.  W. 

5.  Steinhauser  A.,  Atlas  für  die  erste  Stufe  des  geographischen  Unter- 
richtes in  den  österreichisch-deutschen  Schulen.  Wien,  Artaria  &  Comp. 
I.  Heft.  6  Karten  zur  allgemeinen  Erdbeschreibung.  Preis  60  kr.  ö.  W. 
—  IL  Heft.  Karten  zur  Vaterlandskunde  7  —  15.  Preis  1  fl.  40  kr.  ö  W. 
(einzelne  Karten  7  — 14,  je  15  kr.,  Karte  15  zu  20  kr.  ö.  W.). 

6.  Simony  Fr.,  kleiner  Schulatlas  für  den  Elementarunterricht,  besonders 
zum  Gebrauche  zu  Belli  ng  er 's  Leitfaden  der  Geographie.  7  Karten  und 
4  Blätter  Text.  Wien,  Gerold.  Preis  54  kr.  ö.  W.,  für  die  erste  Classe 
zulässig. 

7.  Lange  Henry,  gröfserer  Schulatlas.  34 Karten  in  Stahlstich  und  Bunt- 
druck. Braunschweig,  Westermann.  Preis  1  Thlr.  10  Sgr. 

8.  Lichtenstern  Freih.  v.  und  Lange  Henry,  neuester  vollständiger 
Schulatlas.  44  Karten  in  Stahlstich.  Braunschwoig,  Westenuann.  Preis 
2  Thlr.  9  Sgr. 


Verordnungen  f.  d.  ösi  Gymnasien  u.  Realschulen.  887 

S.Kiepert  H.,  historisch-geographischer  Schulatlas  der  alten  Welt. 
16  Karten  mit  4  Bogen  erläuterndem  Text.  15.  Auflage.  Weimar,  geo- 

faphisches  Institut.  Preis  1'/^  Thlr. 
iepert  H.,  Atlas  antiquus.  10  Karten  zur  alten  Geschichte.  3.  ver- 
hesserte  Auflage.  Berlin,  D.  Reimer.  Preis  1  Thlr.  15  Sgr.,  jede  Karte 
einzeln  6  Sgr. 

11.  Menke  Th.,  Orbis  antiqui  descriptio  in  usum  scholarum.  3.  Auflage. 
1860.  18  Karten.  Gotha,  Perthes.  Preis  1%  Thlr.,  jede  Karte  ein- 
zeln 2  Sgr. 

12.  Spruner  K.  V.,  historisch-geographischer  Schulatlas.  22  illuminirte 
Karten  in  Kupferstich.  2.  Auflage.  Gotha,  Perthes.  Preis  2'/,  Thlr., 
jede  Karte  einzeln  4  Sgr. 

Wandkarten  für  die  Schule, 

1.  Sydow  E.,  Erdkarte  in  2  groXsjen  Planigloben,  12  Sectionen  mit  Text. 
4.  Auflage.  Preis  1%  Thlr.,  aufgezogen  37,  Thlr. 

2.  Sydow  E.,  Europa  in  9  Sectionen  mit  Text.  4.  Auflage.  Preis  1'/,  Thlr., 
aufgezogen  3'/«  Thlr. 

3.  Sydow  E.,  Asien  in  9  Sectionen  mit  Text.  3.  Auflage.  Preis  1%  Thlr., 
aufgezogen  3  Thlr. 

4.  Sydow  E.,  Afrika  in  6  Sectionen  mit  Text.  3.  Auflage.  Preis  1  Thlr., 
aufgezogen  2%  Thlr. 

5.  Sydow  E.,  Australien  in  6  Sectionen  mit  Text.  Preis  1'/^  Thlr.,  auf- 

fjzogen  2%  Thlr. 
ydow  E.,  Nord-  und  Südamerika  in  10  Sectionen  mit  Text.  3.  Auf- 
l^e.  Preis  l'/a  Thlr.,  aufgezogen  3  Thlr. 

NB.  Die  Wandkarte  von  Deutschland  wird  demnächst  in   neuer  Be- 
arbeitung erscheinen. 

7.  Bergbaus  H.  und  Stülpnagel  Fr.  v.,  Chart  of  the  world.  3.  Auf- 
lage in  8  Sectionen.  1864.  Preis  4  Thlr.,  aufgezogen  5'/,  Thlr.  (1  —  7 
bei  J.  Perthes  in  Gotha.) 

8.  Scheda  J.,  Planiglobien  der  beiden  Hemisphären  1  und  2.  Preis 
6  fl.  30  kr.  ö.  W. 

9.  Scheda  J.,  Wandkarte  von  Europa.  Preis  3  fl.  15  kr.  ö.  W. 

10.  Scheda  J.,  Wandkarte  von  Mitteleuropa.  Preis  5  fl.  25  kr.  ö.  W. 
(8  —  10  im  k.  k.  Schulbücherverlag  zu  Wien.) 

11.  Kiepert  H.,  die  alte  Welt.  8  colorierte  Blätter.  Preis  2V3  Thlr. 

12.  Kiepert  H.,  Altgriechenland.    11  coloriei*te  Blätter.   Preis  3'/3  Thlr. 

13.  Kiepert  H.,  Altitalien.  12  colorierte  Blätter.  Preis  4  Thlr. 

14.  Kiepert  H.,  Umgebungen  von  Rom.  Preis  l'A  Thlr. 

15.  Kiepert  H.,  das  römische  Reich.  Preis  4i%  Tnlr.  (11  —  15  im  geo- 
graphischen Institute  zu  Weimar.) 

16.  Spruner  K.  und  Bretschneider  A.,  historisch  -  geographischer 
Wandatlas.  10  Karten  zur  Geschichte  Europa's  im  Mittelalter  bis  auf 
die  neueste  Zeit,  coloriert  roh,  Preis  18%  Thlr.,  aufgezogen  30  Thlr., 
jede  einzelne  Karte  roh  3'/3  Thlr.,  aufgezogen  4'/,  Tnlr. 

17.  Stülp  nage  1  Fr.  v.,  Wandkarte  von  Europa  mit  Angabe  der  politi- 
schen Eintheilung.  2.  Auflage.  1864.  Preis  roh  \%  Thlr.,  aufgezogen 
2V,  Thlr. 

18.  Stülpnagel  Fr.  v.,  Wandkarte  von  Deutschland  mit  Angabe  der 
politischen  Eintheilung.  Preis  roh  1'/,  Thlr.,  aufgezogen  SV»  Thlr. 

19.  Stülpnagel,  Berghaus  und  Petermann,  Karte  des  österreichi- 
schen Kaiserstaates  mit  einem  Plane  von  Wien  und  9  Cartons.  Preis 
1%  Thlr.,  aufgezogen  2  Thlr.  (16  — 19  bei  J.  Perthes  in  Gotha.) 

Zur  Erläuterung  des  vorstehenden  Verzeichnisses  hat  das  k.  k.  Staati- 
ministerium  in  dem  Erlasse  vom  15.  Juli ,  durch  welchen  das  Verzeichnis 
den  einzelnen  Länderstellen  mitgetheüt  ist,  folgendes  erklärt: 

a)  Das  unter  Nr.  III  für  deutsche  Sprache  an  Gymnasien  verzeich- 
nete Lehrbuch:  Hoflfmann's  neuhochdeutacne  Elementar-Grammatik,  war 
W6g«n  einiger  Eigenthümlichkeiten  in  der  Orthographie  aufser  Gebrauch 


688  Personal-  und  Schulnotizen. 

gesetzt;   dieser  Anstand  ist  aber  in  den  neueren  Auflagen  dieses  an  sich 
sehr  trefflichen  Buches  beseitigt  worden. 

b)  Die  von  Dr.  Mocnik  herausgegebenen  mathematischen  Lehrbücher 
werden  noch  für  jene  Schüler,  welche  in  den  Schuljahren  1867./t>8  bezüglich 
in  die  1.  und  5.  Classe  gelangen,  zugelassen ;  die  ^ulässigkeit  dieser  Lehr- 
bücher für  die  Schüler  ,  welche  vom  Schuljahre  1868/69  an  in  die  L  und 
5.  Gymnasialciasse  gelangen,  wird  jedoch  von  einer  solchen,  bis  dahin 
durchgeführten  Verlfesserung  derselben  abhängig  gemacht,  welche  einen 
gedeihlichen  Erfolg  des  Unterrichtes  nach  ihnen  erwarten  lässt. 

c)  Aehnliches  gilt  auch  von  Dr.  Hillardt's  geometrischen  Wandtafeln, 
denen  der  Anspruch  auf  allgemeine  Zulassigkeit  erst  dann  wird  zuerkannt 
werden,  bis  eine  Ausgabe  derselben  im  Quartformate  mit  viertelzölligen 
Entfernungen  der  Punkte  und  zu  billigem  Preise  veranstaltet  sein  wird, 
so  dass  eine  solche  Autlage,  deren  Erscheinen  vom  Verfasser  im  Laufe  des 
Schuljahres  1865/66  in  Aussicht  gestellt  wurde,  neben  Friedlcben's  Leit- 
faden oder  Moßnik's  geometrischer  Anschauuugslehre  als  entsprechendes 
Hilfsmittel  wird  dienen  können. 

d)  Durch  die  im  „Anhange  des  Verzeichnisses**  eingeführte  Ver- 
mehrung der  approbiert^jn  Wandkarten  für  die  Schule  ist  der  ünterrichU- 
Ministerial-Erlass  vom  10.  Juli  1854  Z.  7635,  insoweit  derselbe  den  aus- 
sch  lief  suchen  Gebrauch  der  darin  verzeichneten  Schul  Wandkarten  zum 
Gegenstande  hat,  als  aufgehoben  zu  betracliten. 

Da  dem  Ministerium  daran  gelegen  ist,  eine  gleiche  Revision  und 
geordnete  Uebersicht  solcher  an  den  Mittelschulen  bereits  allgemein  oder 
speciell  zugelassenen  Lehrbücher,  welche  in  einer  anderen  Landessprache 
als  der  deutschen  verfasst  sind ,  zu  veranlassen  und  eine  thunliche  Ver- 
vollständigung der  bezüglichen  Verzeichnisse  zu  ermöglichen,  so  wird  die 
unter  einem  beauftragt,  zu  diesem  Behufe  ein  möglichst  vollstän- 
diges Verzeichnis  der  im  letzten  Decennium  im  Drucke  erschienenen  .... 
ßchuUiteratur  mit  Angabe  des  Verlages  und  Preises  bei  jedem  Buche  ent- 
weifen  zu  lassen  und  zu  Ende  September  d.  J.  anher  vorzul^en,  wobei 
bezüglich  der  bereits  eingeAihrten  Lehrbücher  der  Ministerial-Erlass ,  mit 
welchem  die  allgemeine  oder  specielle  Zulassung  ausgesprochen  wurde,  an- 
zuführen ist. 

Personal-  und  Schulnotizen. 

(Ernennungen,  Versetzungen,  Beförderungen,  Auszeich- 
nungen u.  s.  w.)  —  Se.  k.  k.  Apost.  Majestät  haben  mit  Allerhöchster 
Entschliefsung  vom  10.  September  1.  J.  den  Hofrath  der  oberösterreichi- 
schen Statthalterei,  Adolf  Ritter  von  Kriegsau,  zum  Sectionschef  im 
h.  k.  k.  Staatsministerium  Allergnädigst  zu  ernennen  geruht. 

Der  Lehrer  am  Hermannstädter  G.,  Dr.  Jakob  Rumpf,  zum  Lehrer 
am  k.  k.  G.  zu  Laibach;  der  Gymnasiallehrer  zu  Krainburg,  Maximilian 
Pleterschnik,  zum  Lehrer  extra  statum  am  k.  k.  G.  zu  Görz;  der 
prov.  Director  des  G.  zu  Spalato,  Lucas  Svillovich,  zum  wirklichen 
birector  dieser  Lehranstalt;  der  wirkl.  Lehrer  am  Stanislauer  G.,  Johann 
Kerekjarto,  zum  Lehrer  am  akadem.  G.  zu  Lemberg;  der  bisherige 
prov.  Director  des  SamborerG.,  Alexander  Kosminski,  zum  wirklichen 
Director  derselben  Anstalt;  die  Gymnasiallehrer  Johann  Branik  zuStanis- 
lawow  und  Joseph  Hof  mann  zu  Tarnopol,  dann  der  Gymnaaialsupplent 
Joseph  Bayerl  zu  Linz  und  der  Lehramtscandidat  Alois  Scherzel  zu 
Gymnasiallehrern  extra  statum  am  k.  k.  OG.  zu  Czernowitz;  der  Gym- 
nasiallehrer zu  Mariatheresiooel,  Ferdinand  Meszaros,  zum  ordentlichen 
Lehrer  am  k.  OG.  zu  Ofen;  aie  Supplenten  am  OG.  zu  Neusohl,  Joseph 
Loos  und  Franz  Mräz,  zu  wirklichen  Gymnasiallehrern  daselbst;  der 
Supplent  am  G.  zu  Mariatheresiopel,  Andreas  Hejja,  zum  wirklichen 
Gymnasiallehrer  daselbst;  der  Supplent  und  Weltpriester  Karl  He  che  lein 
zum  wirklichen  Lehrer  der  Philologie  am  OG.  zu  Szathmär;  dann  der 


Personal-  und  Schutnotizen.  6tO 

Supplent  am  k.  k.  0.  G.  zu  Innsbruck,  Jakob  Walter,  der  Lehraintscandi- 
dat  am  k.  k.  akad.  G.  in  Wien,  August  Glembek  und  der  Supplent  am 
k.  k.  G.  zu  Czemowitz,  Joseph  Kraska,  zu  wirklichen  Lehrern  am  k.  k. 
Staats-G.  zu  Hermannstadt. 


Der  Lehrer  an  der  k.  k.  OR.  zu  Troppau,  Franz  Charwat,  zum 
wirklichen  Lehrer  an  der  k.  k.  OR.  in  Salzburg;  zum  wirklichen  Lehrer 
an  der  k.  k.  OR.  zu  Steyr  Leopold  Frank;  der  Supplent  an  der  k.  k. 
OR.  zu  Innsbruck,  Joseph  Egger,  zum  wirklichen  Lehrer  an  dieser 
Lehranstalt;  der  Lehrer  an  der  OK.  in  Spalato,  Dr.  Friedrich  Buckeisen, 
zum  wirklichen  Lehrer  an  der  k.  k.  OR.  in  Brunn;  der  Supplent  am  UG. 
zu  Freiberg,  Alois  Kaplan,  zum  wirklichen  Lehrer  an  der  k.  k  OR. 
zu  Ol  mutz,  und  der  Hilfslehrer  an  der  Prager  k.  k.  deutschen  OR., 
Adolf  Leinweber,  zum  wirklichen  Lehrer  an  der  griech.  Orient.  OR.  zu 
Czemowitz. 

Zum  Lehrer  für  Naturgeschichte  und  Geographie  an  der  Gumpen- 
dorfer  RS.,  Dr.  Joseph  Ferdinand  Krautschneider,  und  zum  Lehrer 
der  Arithmetik  und  Physik  an  derselben  Lehranstalt  Joseph  Haberl. 

Der  Director  der  hydrograühischen  Anstalt  in  Tri  est,  Dr.  Franz 
Schau b,  zum  Director  der  Hanaels-  und  nautischen  Akademie  alldort. 

Der  steirische  Landesausschuss  hat  unter  Gutheifäung  des  Staats- 
miniateriums  folgende  I^ehrkanzeln  an  der  Grazer  technischen  Hoch- 
schule besetzt:  die  Lehrkanzel  der  theoretischen  und  angewandten  Statik 
und  Mechanik  wurde  dem  Hrn.  Ferdinand  Lippich,  Assistenten  der  Physik 
an  der  k.  k.  Universität  und  am  Landespolytechnicum  in  Prag,  verliehen ; 
die  Lehrkanzel  für  Hochbau  dem  städtischen  Baurathe  Hrn.  August  Essen- 
wein  in  Graz;  jene  für  Maschinenbau  dem  Hrn.  Franz  Hlawatschek, 
Maschinenbauingenieur  in  Prag;  für  Forstwirthschaft  dem  Hrn.  Jobann 
Schmirger,  erstem  Assistenten  in  Maria-Brunn ;  die  Lehrkanzel  für  Strafsen- 
und  Wasserbau,  Wiesencultur  und  Drainagearbeiten  dem  Hrn.  Remigius  Götz 
aus  München,  Assistenten  und  Repetitor  an  der  k.  Bau-  und  Ingenieur- 
schule in  München ;  für  chemische  Technologie  dem  Hm.  Dr.  H.  Sc  nwarz, 
außerordentlichen  Professor  der  Gewerbekunde  an  der  Breslauer  Univer- 
sität ;  die  Lehrerstelle  für  Figuren-  und  Landschaftszeichnen  dem  Hm.  Hein- 
rich Bank,  Assistenten  des  Freihandzeichnens  an  der  k.  k.  deutschen  OR. 
in  Prag;  die  Stelle  eines  honorierten  Docenten  ftlr  Bau-  und  politische 
Verwaltungsgesetze  dem  Grazer  Universitätsprofessor  Hrn.  Dr.  Adalbert 
Michl  im  Berufungswege,  jene  für  landwirthschaftliche  Thierhpilkunde 
dem  Hrn.  Dr.  J.  R.  v.  Koch,  Director  der  landwirthschaftlichen  Hufbe- 
schlagslehranstalt  in  Graz,  im  Berufiingswege  verliehen. 

Der  bisherige  Präsident  des  Unterrichtsrathes  Dr.  Leopold  Hasner 
Ritter  von  Art  ha,  nach  der  auf  sein  Ansuchen  in  Gnaden  ihm  bewillig- 
ten Enthebung  von  diesem  zur  vollen  Allerhöchsten  Zufriedenheit  versehenen 
Amte  und  unter  Genehmigung  seiner  Bitte  um  Rückversetzung  in  die 
lehramtliche  Thätigkeit  und  zugleich  taxfreier  Verleihung  des  Titels  und 
Charakters  eines  Hofrathes,  zum  ordentlichen  Professor  der  p<)litischen 
Wissenschaften  an  der  Wiener  Universität;  der  aufserordentliche  Pro- 
fessor der  Physik  an  der  Grazer  Hochschule  Dr.  Victor  v.  Lang,  zum 
ordentlichen  Professor  desselben  Faches  an  der  Wiener  Universität;  der 
ordentl.  Professor  der  Lemberger  Universität  Dr.  Ferdinand  Bischoff  zum 
Professor  der  deutschen  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  und  des  deutschen 
Privatrechtes  an  der  Grazer  Hochschule;  der  a.  o.  Professor  der  deutschen 
Sprache  und  Literatur  au  der  Lemberger  Hochschule  Johann  Hloch, 
zum  ordentlichen  Professor  dieses  Faches  an  derselben  Lehranstalt;  der 
aufserordentl.  Professor  der  polnischen  Sprache  und  Literatur  an  der  Uni- 
versität zu  Praff  Heinrich  Suchecki  zum  aufserordentlichen  Professor 
für  vergleichende  slavlBche  Spiachknnde  an  der  Hochschule  zu  Krakau. 


680  Personal-  and  Schnlnotizen. 

Der  Lehrer  der  französischen  Sprache  am  Pester  00.,  Karl  Coli  and, 
zum  Lehrer  der  französischen  Sprache  an  der  königlichen  Universität  zu 
Pest;  der  Priester  Bartholomäus  Maistrello  zum  ordentlichen  Pro- 
fessor  der  Eirchengeschichte  und  der  Priester  Peter  Italiano  zum  ordent- 
lichen Professor  des  Bibelstudiums  alten  Bundes  und  der  orientalischen 
Dialekte  an  der  UniYersität  zu  Padua. 

Der  Privatdocent  der  Physiologie  zu  Leipzig  Dr.  Ewald  Hering, 
zum  Professor  der  Physiologie  und  medicin.  Physik  an  der  k.  k.  medicinisch- 
chirurgischen  Josephsakademie  in  Wien,  zugleich  tax^i  zum  MitgUede 
des  liulitärsanitätscomite. 

Zum  Adjuncten  und  Bibliothekar  an  der  k.  Rechtsakademie  zu  Prefa- 
bnrg  Dr.  Karl  Milbeck  und  zum  Adjuncten  und  Bibliothekar  an  derk. 
Rechtsakademie  zu  Kaschau  der  Conceptsprakticant  der  kön.  ungar.  Statt- 
halterei  Dr.  Georg  Fesüs. 

An  der  nunmehr  zum  Rang  einer  „k.  k.  Bergakademie"*  Allergnädigst 
erhobenen  k.  k.  Montanlehranstalt  zu  Pribram  ^n  der  zugleich  die  Errich- 
tung einer  besonderen  Lehranstalt  für  Berg-  und  Hüttenmaschinenlehre  und 
Baukunst  Allergnädigst  genehmigt  wurde) ,  der  PHbamer  proY.  Bergrer- 
waltersa4junct  und  Bergschullehrer  Augustin  Beer,  zum  Professor  der 
Bergbaukunde,  der  2.  Probierer  des  Wiener  Generalprobieramtes  Wenzel 
Mrazek  zum  Professor  der  Probier-  und  Hüttenkunde  und  der  Schemnitzer 
Maschineninspectorsadjunct  Julius  Ritter  v.  Hauer,  zum  Professor  der 
Berg-  und  Hüttenmaschinenlehre  und  der  Baukunst. 

Der  Rector  des  Patriarchalsenünares  in  Venedig  Johann  Peter  Fer- 
rari, zum  Residenzialdomherrn  und  der  Präfect  des  dortigen  Dicecesan-G. 
Laurenz  Nobile  de  Canal  zum  Ehrendomherm  an  dem  Patriarchalcapitel  zn 
Venedig. 

Der  Archimandrit  Andjeliö,  der  Erzpriester  Nokoli^  und  der 
Major  Matiö  zu  Patronen  des  G.  zu  Carlo witz. 

Dem  Professor  an  der  Wiener  Universität,  Hofrath  Dr.  Johann 
Oppolzer,  ist,  den  kais.  russischen  St.  Annen-Orden  2.  Cl.,  dem  Professor 
an  aerselben  Universität,  Dr.  Ernst  Brücke,  das  Ritterkreuz  des  kön.  schwe- 
dischen Nordstern-Ordens,  dem  Professor  amk.  k.  Polytechnicum,  Joseph 
Stummer  zu  Wien,  das  Commandeurkreuz  des  päpstl.  St.  Georg-Ordens,  dem 
Universitätsprofessor  in  I n n s b r u c k ,  Dr.  Karl  Libor  Kopetzky,  das  Ritter- 
kreuz des  kais.  mexicanischen  Guadalupe-Ordens,  dem  Professor  ander  Aka- 
demie der  bildenden  Künste  in  Wien,  Oberbaurath  Friedrich  Schmidt, 
das  Ritterkreuz  des  kÖn.  sächs.  Albrecht-Ordens  und  dem  Assistenten  bei  der 
k.  k.  Direction  für  administrative  Statistik,  Max  Wald  stein,  die  herzogi. 
Sachsen-Coburg-Gotha'sche  Medaille  ftir  Kunst  und  Wissenschaft  annehmen 
und  tragen  zn  dürfen  Allergnädigst  gestÄttet;  femer  dem  Amanuensis  der 
k.  k.  Hofbibliothek  in  Wien,  Adolf  Mussafia,  die  kais.  österr.  gol- 
dene Medaile  für  Kunst  und  Wissenschaft  und  dem  k.  k.  Landesgerichtsaus- 
cultanten  Franz  K  upido  in  Brunn,  in  Anerkennung  seiner  schriftstellerischen 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Numismatik  und  Archsoloeie  von  der 
Universität  Jena  den  Titel  eines  Doctors  der  Philosophie  verliehen;  endlich 
der  hiesige  Schriftsteller,  Dr.  August  Silberstein,  zum  Ehrenmitglied 
und  Meister  des  deutschen  Hochstiftes  zu  Frankfurt  a/M.  ernannt  wowen. 

Das  bisher  Gclassige  G.  zu  Neu-Sandeö  (Galizien)  ist  mit  Aller- 
höchster Entschliefsung  vom  20.  Juni  1.  J.  zu  einem  Sclassigen  vervoll- 
ständigt und  gleichzeitig  der  Stadtcommune  die  hochortige  Anerkennung 
für  ihre  Opferwilligkeit  zum  Frommen  des  öffentlichen  Unterrichtes  ausge- 
sprochen worden. 

Das  G.  zu  Neusatz  ist  mit  Allerhöchster  Entschliefsung  vom  5. 
Juli  1.  J.  zum  OG.  auf  Staatskosten  unter  Belassung  seines  confessionellen 
und  nationalen  Charakters  mit  dem  Rechte  der  Oeffentlichkeit  und  der  Aus- 
gabe von  im  ganzen  Reiche  giltigeu  Zeugnissen  erhoben  worden. 


Personal-  und  Schulnotizen.  681 

Ihre  kais.  Hoheit  die  Frau  Maria  Antonia,  Grofsherzogin  von 
ToBcana,  widmete  neuerdings  ein  Capital  von  lO.OOOfl.  Ö.  W.  dem  Gyra- 
nasialfonds  zu  Schlackenwertb,  mit  der  Bedincfung,  dass  von  den  ent- 
fallenden jährlichen  Interessen  430  fl.  ö.  W.  zur  Unterhaltung  eines  Leh- 
rers für  die  3.  Hauptschulclasse  aus  dem  Piaristen -Orden  verwendet  wer- 
den. Von  gleicher  Seite  wurden  Auslagen  für  Herrichtung  der  Professoren- 
zimmer mit  600  fl.  bestritten. 

Hr.  Ludwig  Ri edler  hat  zu  Schulzwecken  am  RG.  in  Mariahilf 
in  Wien  100  fl.  gespendet. 

Der  zu  Triest  verstorbene  Dr.  Gregor  A  nani an  hat, nebst  zahlreichen 
anderen  Legaten  zu  wohltbätigen  Zwecken,  auch  namhafte  Stipendien  für 
Studierende  („Fondazione  di  stipendi  scolastici  Ananiare**)  gestiftet,  darunter 
je  zu  200  fl.  für  Triester  Gyninasialscbüler  und  zu  je  SOO  fl.  ö.  W.  für 
Studierende  der  Rechtswissenschaften  der  Medicin  n.  d.  Technik  in  Wien. 


Am  5.  September  1.  J.  fand  zu  Wildenschwert  in  Böhmen  die  feier- 
liche Enthüllung  des  dem  bekannten  Psedagogen  und  Schriftsteller  Job. 
Amos  Komensk^  (Comenius)  (geb.  zu  Comna  in  Mähren  lö92,  gest.  zu 
Kaarden  bei  Amsterdam  1671)  statt. 

Ueber  die  Aufnahme  der  Schüler  an  der  k.  k.  Akademie  der 
bildenden  Künste  in  Wien  für  den  nächsten  Studiencurs  s.  Wr.  Ztg. 
V.  10.  September  1.  J.,  Nr.  207.  S.  683. 

(Erledigungen,  Co ncurse  u.  s.  w.)  Z om bor,  selbst.  UR.,  Lehr- 
stelle für  Freihandzeichnen  und  Schönschreiben,  mit  Berücksichtigung  der 
Kenntnis  der  un^ar.  u.  serb.  Sprache,  Jahresgehalt  525  fl.,  mit  Quartierrelu- 
tum  von  105  fl.  Holzrelutum  von  63  fl.  ö.  W.  und  Pensionsfähigkeit.  Ter- 
min: 15.  October  1.  J.,  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  v.  7.  September  1.  J.,  Nr.  205. 
—  Tronpau,  k.  k.  OR. ,  Lehrstelle  für  Naturgeschichte  als  Hauptfach, 
Jahresgehalt  630  fl.,  eventuel  840  fl.  Ö.  W.  und  Anspruch  auf  Decennal- 
zulagen.  Termin :  17.  October  1.  J.,  s.  Aratsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  10.  September 
L  J.,  Nr.  207.  —  Pesth,  k.  une.  Universität,  Lehrkanzel  der  nraktischen 
Medicin  und  medicin.  Klinik  für  Wundärzte,  Jahresgehalt  1365  n.,  eventuel 
1680  fl.  u.  1995  fl.  Ö.  W.  Termin:  15.  October  l  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg. 
V.  12.  September  1.  J.,  Nr.  208.  —  Hermannstadt  u.  Klausenburg, 
k.  Rechtsakademie,  2-3  Privat-Docentenstellen  an  derselben  für  eventuelle 
Vorlesungen  in  rumänischer  Sprache,  Remuneration  200—250  fl.  ö.  W. 
nebst  Bezug  des  Collegiengeldes.  Termin:  1.  November  1.  J.,  s.  Amtsbl. 
z.  Wr.  Ztg.  v.  16.  September  l  J.,  Nr.  212.  —  St.  Polten  u.  Wiener- 
Neustadt,  Landes-OR.,  an  ersterer  Lehrstelle  für  Mathematik,  an  letz- 
terer für  deutsche  Sprache  und  Geographie,  Jahresgehalt  800  fl.  Ö.  W. 
und  Anspruch  auf  Decennalzulage.  Termm :  10.  October  1.  J.,  s.  Amlsbl.  z. 
Wr.  Ztg.  V.  19.  September  1.  J.,  Nr.  214.  —  Zengg  (Militärgrenze),  k.  k. 
OG.,  Lehrstelle  für  classische  Philologie,  Jahresgehalt  735  fl.  ö.  W.,  mit 
Vorrückungsrecht  u.  Anspruch  auf  Decennalzulage,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg. 
V.  21.  September  1.  J.,  Nr.  216.  —  Stanislawow,  k.k.G.,  Lehrstelle  für 
Mathematik  und  Physik,  Jahresgehalt  735  fl.,  eventuel  8^  fl.  ö.  W.,  nebst 
Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  Concursfrist ,  s.  Amtsbl.  zur  Wr. 
Ztjg.  V.  24.  September  1.  J.,  Nr.  219.  —  Prag,  polytechn.  Landesinstitut 
mit  deutscher  Unterrichtssprache,  Lehrkanzel  der  mechan.  Technologie, 
Jahresgehalt  2000  fl.,  eventuel  2500  fl.  und  3000  fl.  ö.  W.  Termin:  Ende 
October  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  26.  September  1.  J.,  Nr.  220. 

(Todesfälle.)  Am  18.  L  J.  zu  Hall  (Tirol)  der  dortige  Bürger- 
meister Advocat  Dr.  Alois  Strafser  (geb.  1806  zu  lenbach  in  Tirol),  als 
echter  Kenner,  Freund,  Schilderer  und  Vertreter  seiner  Landsleute  bekannt, 
in  dessen  Nachlasse  viel  Volksthümliches  sich  finden  dürfte.  (Vergl  Beil. 
z.  A.  a.  Ztg.  V.  8.  Auffust  1.  J.  Nr.  220,  8.  3580.;; 

—  Am  26.  Jonil  J.  zu  Southampton  Dr.  WiUiam  Freemau  Daniell 


632  Personal-  und  SchulnotizeiL 

(geb.  1818  zu  Liverpool),  Vf.  geschätzter  Monographien  über  die  Einge- 
hörnen  an  der  westafricanischen  Küste,  so  wie  über' die  dortigen  omci- 
nellen  Gewächse  (von  denen  der  westafricanischc  Weihrauchbaum  nach  ihm 
Daniella  benannt  worden). 

—  Anfangs  Juli  1.  J.  zu  Warschau  der  in  weiten  Kreisen  als  Rechts- 
kundiger und  Geschichtsschreiber  bekannte  Nik.  Malinowski,  im  66. 
I^ebensjahre. 

—  Mitte  Juli  1.  J.  zu  London  Dr.  S.  P.  Wood  wo  rd,  Mitelied  der 
geologischen  Gesellschaft,  auch  als  Archseolog  bekannt,  und  zu  Haag  der 
Keichsarchivarius  Dr.  Bakhuizen  van  den  Brink,  auf  den  Gebieten  der 
Geschichte,  der  Archseologie  und  der  classischen  wie  der  modernen  Litera- 
tur gleichbewandert,  im  55.  Lebensjahre. 

—  Am  4.  August  1.  J.  zu  Böhmisch-Trübau  der  Concipist  des  böhm. 
Landesauschusse«  Franz  Wolak  (geh.  1829  zu  Lidmafi  bei  Tabor),  als 
czechischer  Schriftsteller  (namentlicn  durch  Uebersetzung  polnischer  Romane) 
bekannt,  und  William  Edmondstoune  Avtoun  (geb.  zu  Edinburg  1813), 
Professor  der  Rhetorik  und  der  schönen  Wissenschaften  ander  Universität 
zu  Edinburg,  namentlich  durch  seine  „Lays  of  the  Scottish  Cavaliers"  und 
seine  geschmackvolle  Uebersetzung  Gcethe'scher  Lyrik  (mit  Th.  Martin) 
bekannt.  (Vgl.  A.  a.  Ztg.  v,  10.  August  1.  J.  Nr.  222,  S.  3603.) 

—  Am  5.  August  1.  J.  zu  Ober-Siebenbrunn  (im  Marchfelde,  unfern 
von  Wien)  Wilhelm  Jos.  Constantin  Phillippens,  Professor  der  firanzö- 
sichen  Sprache  und  Literatur ,  im  61.  Lebensjahre,  und  zu  Graz  Se.  Exel- 
lenz  der  k.  k.  wirkl.  geh.  Rath  und  Staatsrath  Anton  Freiherr  von  Haim- 
berper  fgeb.  am  3.  Mai  1795  zu  Seitenstetten  in  Nieder  -  Oesterreich), 
durch  lange  Jahre  k.  k.  Universitätsprofessor,  auch  als  juristischer  Schrift- 
steller (-Lehrbuch  des  römischen  Rechtes")  bekannt.  (Vgl.  Wr.  Ztg.  vom 
27.  Sept.  1.  J.  Nr.  221,  S.  858.) 

—  Am  7.  August  1.  J.  zu  Wien  der  Schauspieler  Karl  Julius, 
auch  als  dramatischer  Schriftsteller  und  Bearbeiter  fremdländischer  Thea- 
terstücke bekannt,  im  Alter  von  45  Jahren,  und  zu  Krukanitz  der  frühere 
Director  und  Professor  der  Astronomie  am  Josephs-Polytechnicum  zu  Ofen , 
Se.  Hoch  würden  Dr.  Lambert  Meyer,  Prämonstratenser  des  Stiftes  Tepl, 
im  70.  Lebensjahre,  femer  der  befähigte  Lemberger  Maler  und  Zeichner 
Julius  Blotniecki  durch  einen  Sturz  vom  Gerüste  beim  Malen  in  dergr. 
kath.  Kirche  zu  Uhnow. 

—  Am  8.  August  1.  J  zu  Gmunden  der  dortige  k.  k.  Tabak-  und 
Stempelhauptverlcger  Hr.  Joseph  Lechner  (geb.  zu  Wien  179^),  auch  als 
Schriftsteller  („Volkasagen",  „Zur  Gmundner  Chronik'*  u.  m.  a.)  bekannt, 
und  zu  Schwerin  der  Director  des  dortigen  Gymnasiums  Dr.  Friedrich  Kaii 
Wex,  in  der  philologischen  Welt  mit  Ehren  genannt,  namentlich  um 
Sophokles  hochverdient,  im  Alter  von  63  Jahren. 

—  Am  10.  August  1.  J.  zu  London  Hugh  Cum  in g  (geb.  im  Fe- 
bruar 1791  zu  West-Alvington  in  Devonshire),  durch  seine  reichen  zoo- 
logischen, besonders  Pflanzen-  und  Muschel-Sammlungen  bekannt. 

Am  10.  (?)  AugTist  1.  ,1.  zu  Reichenhall  der  Pianist  und  grofs- 
herzogl.  badische  Hofmusicus  Karl  Zahl  borg,  auch  als  Componist  be- 
kannt, im  Alter  von  24  Jahren. 

—  Am  12.  August  1.  J.  in  Loucim  bei  Klattau  Dr. Rudolf  Mayer,  durch 
zahlreiche  poetische  Producte  in  der  neuesten  böhmischen  Literatur  vor- 
theilhaft  bekannt,  im  Alter  von  28  Jahren,  und  zu  Berlin  Consistorialrath 
Dr.  Christian  Wilh.  Niedner,  Professor  an  der  dortigen  Universität,  durch 
seine  Werke  auf  kirchen-  und  dogmengeschichtlichem  Gebiete  bekannt. 

—  13.  August  1.  J.  in  der  Döblinger-Heilanstalt  nächst  Wien  Hr. 
Med.  Dr.  Ignaz  Semmelweifs,  Professor  an  der  medic.  Facultät  der 
Pesther  Universität,  im  Alter  von  47  Jahren,  und  zu  Dresden  der  bekannt« 
Schriftsteller  und  Dramatiker  Dr.  Wilhelm  Wolf  söhn  (geb.  zu  Odessa),  im 
Alter  von  44  Jahren. 

(Diesem  Hefte  sind  ftlnf  literarische  Beilagen  beigegeben.) 


Erste  Abtheilung. 


Abhandlungen. 

Kritisch-exegetische  Bemerkungen  zu  Aeschylus. 

Qro&e  und  mannigfache  Schwierigkeiten  für  Exegese  und 
Kritik  bietet  die  Stelle  in  den  Supplices  des  Aeschylus  v.  995  ff. 
ed.  Dindorf. 

vuag  <f*  fnaivm  fitj  xoTtuaxuviiv  ifiiy 

aQav  <f*  ixovaas  ti^vS*  in(arqinTov  ß^xotq. 

riQUv^  oniüQa  J'  evtfvXaxros  ovSa^üq. 

^^Q€S   ^k   XriQtt(V0vai    Xttl   ßqOTOl   TlfAV^V 

x«l  xvfo^ala  nTf Qovvra  xai  ni^oariß^t 
xaQTitüfiaTa  araCovra  xfiQvoau  KvTtQig 

HV 

xaXfoQa  xtoXvovaav  ^(oa  fjiivtjv  Iq^ü 
xal  nagd^ivviv  jifiUJartfAV  x.  x,  l. 

Es  sind  zu  diesen  vielfach  verdorbenen  und  entstellten  Versen 
mancherlei  Verbesserungsvorschläge  gemacht  worden;  indessen 
finden  wir  bei  näherer  Prüfung,  dass  alle  Ausleger  an  den  ^rQeg 
und  yLviodaXa ,  so  wie  an  Kvnoi^  und  i^  gescheitert  sind.  Es 
wird  daher  nöthig  sein,  die  Stelle  in  ihrem  Zusammenbange 
nochmals  darzulegen,  um  für  die  Erklärung  und  Ejitik  neuen 
Boden  zu  gewinnen.  —  Nachdem  die  Danaiden  von  ihren  Ver- 
folgern glücklich  befreit  sind,  ermahnt  der  Vater  Danaus  seine 
Töchter,  den  Argivem  für  ihre  gastliche  Aufnahme  und  filr  den 
ihnen  gewährten  Schutz  zu  danken  {v.  980—988).  Alsdann  bittet 
er  sie  dringend,  Tugend  und  Unscnuld  zu  wahren  (988 — 1013). 
Der  Bede  des  Vaters  nun  entsprechend  zerföUt  der  folgende  Chor- 
gesang eben&lls  in  zwei  Abtheilungen:  1.  Segenswünsche  auf 
Argos  (1014—1030);  2.  Bitten  zu  den  Göttern,  sie  vor  einer 
Ehe  zu  bewahren,  zu  der  sie  mit  Gewalt  gezwungen  werden 
sollen.  Was  nun  die  Ermahnungen  des  Vaters  betrifft,  so  erin- 
nert er  selbst  an  die  früheren  Rathschläge,  die  er  ihnen  ertheilt 
habe  v.  991. 

noXXoTaiv  äXXoig  awpqoviafiaatv  natQog, 
Ztltfohrlft  1  d.  5tt«rr.  Otüui.  iSGft.  IX.  Etil.  43 


684   Kritisch-exegetische  Bemerkungen  zu  Aeschjlus,  y.  J,  Oberdidc. 

Hiermit  bezieht  er  sich  auf  die  Rede,  die  er  v.  176  —  204  an 
seine  Töchter  gehalten  hat,  worin  er  sie  besonders  zur  Demuth 
und  Bescheidenheit  ermahnt  und  ihnen  empfiehlt,  die  Augen 
züchtig  niederzuschlagen;  denn  ein  frecher  Blick  ziemt  keiner 
Jungfrau;  wol  aber  erkennt  man  aus  dem  Funkeln  der  Augen 
das  Weib,  das  die  Liebe  des  Mannes  erfahren  hat,  wie  Aes(£y- 
lus  in  den  To^otidegy  Fgi  255  bei  Hermann  sagt: 

vias  ywaixog  ov  fi€  fi^  Xud^  (fXiytüv 
6(^'&uXu6g,  fJTig  dvJgos  j  yfyevfi^vti' 
^w  de  TovTiav  ^vftdv  iknoyvfofiovtt. 

Der  Jungfrau  aber  geziemt  Verschämtheit  und  ein  ruhiger  Blick. 
Hierauf  gehen  die  vielfach  misverstandenen  Worte  (v.  198  ff.): 

t6  fi-^  jbiuTatrOV  (f*  ix  fiertontüv  atMfgovtav 

Hermann  hat  hier  für  das  verdorbene  fietd^io  aoHfqovwv  (Med.) 
oder  ^etanio  aioipQovioVy  welches  Eobortellus  in  fierofTnav  auxp^- 
v(ov  verwandelte,  mit  Person  fierwTtoauKpQonoy  geschrieben,  wäh- 
rend er  im  folgenden  Verse  statt  des  n^awitov  des  Mediceus 
aus  dem  Wolfenbüttler  Codex  nQoacjTtcov  aufnimmt  Schmidt 
ml\  ^teyiGToaioijpQovuiVf  wahrscheinlich  nach  Hermann  zu  Eum.  44 
emendieren,  wie  auch  Suppl.  709  ähnlich  ^eyiaroTi^ov  gesagt 
ist.  Indessen  sind  hier  die  fthioTta  ot'fQova  durchaus  nöthig 
zur  Vervollständigimg  des  Oemäldes,  welches  Danaus  von  den 
züchtigen  Jungfrauen  entwirft.  Dieses  würde  nun  auch  durch  die 
von  Dindorf,  Schwerdt,  Kjruse  aufgenommene  Cönjectur  aeaa/- 
q)Qovigfteviüv  festgehalten;  jedoch  bedarf  es  einer  so  gewalt- 
samen Aenderung  nicht.  Der  Fehler  ist  offenbar  in  dem  folgen- 
den 7t^aw7tov  zu  suchen,  wo  die  Aenderung  in  n^aeqnov  auf 
der  Hand  liegt: 

t6  firi  /naraiov  J'  ix  fAHtonbiV  ato^qovtiv 
txo)  TTgoü^QTiov  oufjiaTog  nttf)*  ijav/ov. 

Ein  Gegenstück  zu  diesen  Ermahnungen  bietet  unsere  Stelle. 
Gar  leicht,  sagt  der  Vater,  erhebt  sich  wider  den  fremden  An- 
kömmling die  Lästerzunge.  Darum  ermahne  ich  euch,  mir  keine 
Schande  zu  bereiten,  da  ihr  nunmehr  zu  dem  Alter  erblüht  seid, 
das  die  Männer  anlockt.  -—  Sie  sollen  also  züchtig  und  rein 
leben  und  sich  hüten,  ihre  Jungfräulichkeit  Preis  zu  geben.  Nun 
aber  weifs  Danaus,  dass  er  seinen  Töchtern  eine  sdiwere  Pflicht 
auferlegt;  denn  nicht  leicht  ist  die  liebliche  Frucht  zu  hüten. 
Ihr  stellen  die  Thiere  nach,  geflügelte  und  vierflifsige  und  nach 
der  Jungfrauen  herrlichen  Gestalten  werfen  die  vorübergehen- 
den Männer  der  liebetrunkenen  Blicke  Geschofs.  So  würde  die 
Rede  des  Danaus  im  Zusammenhange  lauten.  Denn  es  ist  wol 
klar,  dass  jener  den  Satz:  TfQeiv'  OTrioQa  d'  evipilcncTog  ovia- 
l,uZg  im  folgenden  dadurch  begründet,  dass  einmal  die  ^^ 
ihr  nachstellen,  sodann  die  Männer,  welche  sie  voll  Verlangen 
anschauen.  Hermann  scheint  sich  nun  die  ^^^  an  unserer  Stelle 


Kritiscli-exegetisclie  Bemerkungen  xu  Aesohylns,  t.  J.  Oherdidc  6S5 

nicht  haben  erklären  können.  Daher  verändert  er  mit  Wieseler 
'^Q€$  in  dTioaig^  indem  er  den  Vers  liest: 

Der  Sinn  aber  soll  sein:  arcere  dicitur  Venus  congressnm,  quia 
etiam  bestiae  feminae,  quum  nondum  matorae  sunt,  marem  ad- 
mittere  detrectant.  Abgesehen  nun  davon,  was  Welcker,  Bh.  Mus. 
1854,  p.  185  mit  Bern  bemerkt,  „man  begreife  nicht,  warum 
Danaos  seine  Töchter  von  diesem  schwierigen  Natiurgesetz  unter- 
halten solle  y  das  zu  gewahren  die  Gelegenheit  nicht  so  häufig 
sei,  um  die  Jungfrauen  füglich  darauf  verweisen  zu  können, 
wenn  es  sonst  schicklich  wäre",  sind  ja  schon  die  Jungfrauen 
zum  reifem  Alter  erblüht  und  es  ist  auch  die  Emendation  in- 
sofern unmöglich,  weil  jenes  Wort  im  folgenden  Verse  voraus- 
Sesetzt  wird,  wo  es  nämlich  in  ytvwSala  Tcteqovvra  wxl  tt«- 
ooTißfj  specialisiert  wird,  wie  Dr.  Burgard  in  seiner  Disser- 
tation über  fiiv  und  Si,  p.  93  gegen  die  Schwerdt'sche  Umstel- 
lung weiter  ausführt  Daher  ist  zu  untersuchen,  ob  sich  nicht 
^fjQeg  rechtfertigen  und  erklären  lässt  &fjQ€g  sind  nun  die 
göUerentsprossenen,  sagenhaften  Gestalten  der  Urzeit,  die  halb 
Mensch  y  halb  Thier  waren.  So  nennt  Aeschylus  die  Sphinx  in 
den  Spt.  V.  558: 

iixio  ifiQOvta  nolifi{ug  in*  aantSoq, 

Ebenso  nennt  Sophokles  im  Oed.  Col.  v.  1568  den  Cerberus : 

aüfia  T*  dvtxajov  S'tiQof, 

In  den  Trach.  bezeichnet  derselbe  Dichter  die  Centauren  häufig 
mit  diesem  Namen  (v.  680,  576,  1164),  die  sonst  auch  in  der 
Dias  und  bei  Pindar  cpfjqeg  heifsen.  Von  den  Satyren  heifst  es 
bei  Eurip.  Cycl.  620: 

Siyare  ttqos  ^fwy,  ^QH,  fjov/dCite. 

Dass  diese  Halbmenschen  schönen  Frauen  und  Jungfrauen  nach- 
zustellen pflegten,  ist  aus  der  Mythe  bekannt.  Der  Centaur  Nessns 
wollte  der  Deianira  Gewalt  anäiun.  Pasiphae  gebar  von  einem 
Stiere  den  Minotaurus,  Jupiter  nahte  sich  der  Leda  in  Schwans- 
gestalt, der  Europa  in  der  Gestalt  eines  Stieres.  Mit  Bezug 
hierauf  lässt  Aeschylus  den  Apollo  von  den  Eumeniden  sagen 
(^-  '^0):      ^ 

vnvtp  TTeaovatu  S*  al  xaxdnrvaxoi  xoqtu 
NvxTog  naXacal  natSig,  alg  ov  u(yvvz<u 
S^iüiv  TIS  ovd'  avd-Qtonog  ovok  ^i^Q*  noT€, 

Er  unterscheidet  also  hier  die  Beiwohnung  der  Weiber,  die  von 
einem  Gotte,  oder  einem  Menschen,  oder  einem  @i;^ ,  d.  i.  von 
einem  jener  Wesen,  die  halb  Mensch,  halb  Thier  sind,  oder 
wenigstens  in  einem  Thierkörper  menschliche  Neigungen  haben. 
Auf  ähnliche  Weise  sind  auch  die  Verse  in  den  Choephoren 
V.  595—601  zu  verstehen: 

43* 


686  Kritisch-exegetiBche  Bemerkungen  xu  Aescbylos,  ▼.  J.  Oberäkk. 

dX^  v7ri(}tol/nov  dv^fidg  (f^ovfifiu  xlg  Uyoi 
xal  ywatxüh  ipQialv  rlttfjLovwv 
navTokfjiovg  igonag  aratat  awvofiovg  ßQortav; 
avCvyovg  <f'  o^avKag 
&riXvxQ€CT7Jg  dniqtarog  I^Qfag  nuQavix^ 
KVta^ttlwv  rc  xal  ßgoimv, 

Aeschylus  spricht  hier  von  der  Ausartung  der  Weiber,  indem 
er  zunächst  die  unnatürliche  Liebe  {aTtiqonaq  eMog)  mancher 
zu  den  ^f^g  erwähnt^  während  sie  die  passenden  Verbindungen 
verschmähen,  wobei  ihm  die  Pasiphae,  Leda  u.  s.  w.  vorschweben 
mochten.  Nur  ist  hier  ßQorwv  zweifelsohne  corrupt.  Da  nun 
xv/Saka  hauptsächlich  die  auf  der  Erde  wandelnden  Thiere  be- 
deutet, indem  so  besonders  die  Kentauren  genannt  werden,  so 
ist  statt  ßQOToiv  wol  TtTSQwv  zu  lesen.  Es  ist  nun  hiemach  wol 
klar,  dass  unsere  oben  gegebene  Erklärung  der  Stelle: 

^fJQ€g  J^  xij()a{vovat  xal  ßQOtol  Ti^fÄi^v 
xal  xvüt^aka  nnqovvTa  xal  nedoaußij 

„Die  Thiere  aber  beschädigen  sie,  sowohl  die  geflügelten  Un- 
geheuer, als  auch,  die  auf  der  Erde  wandeln^,  nicht  sdlein  statt- 
haft ist,  sondern  ganz  den  Aeschyleischen  Anschauungen  ent- 
spricht, zumal  Danaus  in  einer  Zeit  lebte,  wo  dergleichen  una- 
daXa  die  Töchter  der  Menschen  zu  beunruhigen  pflegten.  —  In 
der  That  rechtfertigte  ja  auch  die  Zukunft  die  Besorgnis  des 
Vaters:  Tioeiv^  onioqa  d'  evqn^XaycTog  ovdotfifjjg  und  es  erscheint 
hier  die  Herbeiziehung  der  %viodahx  eine  vom  Dichter  beab- 
sichtigte Anspielung  auf  das  folgende  Satyrspiel,  wie  Kruse, 
Hik.  p.  24  mit  Recht  bemerkt.  Denn  Amymone,  des  Danaus 
Tochter,  traf  bei  dem  Suchen  nach  Wasser  statt  des  Hirsches 
mit  ihrem  Speere  einen  schlafenden  Satyr,  der  nun  ihrer  Liebe 
begehrte.  Zur  rechten  Zeit  aber  erscheint  Poseidon  und  ver- 
scheucht das  Thier  und  mit  ihrem  Eetter  enteilt  „das  lachende, 
eben  nicht  spröde  Mädchen."  Wir  sehen  demnach,  dass  Hermann 
mit  dem  gröfsten  Unrecht  Wieseler  folgte  und  d^rjQaig  schrieb. 
Dadurch  aber,  dass  er  die  Stelle  verke&t  auffasste,  entstanden 
seine  übrigen  In-thümer.  Er  glaubt  nämlich,  nach  v.  1000  sei 
ein  Vers  ausgefallen.  Denn  es  sei  undenkbar,  dass  da  die  Vögel 
und  die  Vierfülsler  erwähnt  wurden,  die  Fische  übergangen  wor- 
den seien,  zumal  von  einem  Athenischen  Dichter.  Auch  werde 
durch  die  Inconcinnität  der  Diction  die  Lücke  angedeutet.  Des- 
halb schiebt  er  folgenden  Vers  ein:  xat  vqxra  navtcjg  iattv 
a^Tra^ovT*  ideiv.  Hermann  vermengt  hier  Wahres  und  Falsches. 
Die  Erwähnung  der  vr]XTa  ist  völlig  unstatthaft,  da  von  der- 
artigen Neigimgen  der  Fische  zu  den  Töchtern  der  Menschen 
nichts  weiter  bekannt  ist.  Mit  Eecht  verwirft  auch  daher  Welcker 
diese  Herbeiziehung  der  Fische  (Eh.  Mus.  1854,  p.  185).  Aller- 
dings fehlt  nun  die  Concinnität  der  Dielion.  Aber  die  Störung 
des  Gedankenganges  ist  anderswo  zu  suchen.  Streichen  wir  näm- 
lich die  beiden  Verse  1000—1002: 


KriÜBch-exegetische  Bemerkungen  zu  Aeschylus,  ▼.  /.  Oberdick,    6S7 

xttQntafKtxa  cfraCovra  xtiQvaan  Kvngis 
x£U(OQa  xtoXvovöav  d-toüfdiveiv  igdi 

an  dieser  Stelle,  so  erscheint  alles  in  schönster  Ordnung;  denn 
seine  Behauptung: 

begründet  Danaus  auf  doppelte  Weise:  erstens  die  ^fjQeg  stellen 
ihr  nach,  und  zwar  die  xvtodaXa  Ttxeoovvxa  und  die  7t€doGti8rj; 
zweitens  suchen  sie  die  sterblichen  Männer  zu  gewinnen,  inaem 
er  zugleich  die  Mittel  angibt,  deren  sich  diese  bedienen,  um 
ihren  Zweck  zu  erreichen,  nämlich  die  zo^evf^ata  o^^anav. 
Es  schliefsen  sich  also  die  Worte  tloI  TtaQ&iviov  u.  s.  w.  eng 
und  naturgemäfs  an  das  xal  xvcjdaXa  TtreQovvra  xai  TteSocvißfj 
an.  Nachdem  so  durch  das  Ausstofsen  jener  beiden  Verse  der 
unterbrochene  Gedankenzusammenhang  wieder  hergestellt  ist, 
bleibt  uns  noch  übrig,  die  Corruptelen  geringerer  Art  auszu- 
merzen. Offenbar  sind  die  Worte  xai  ßgorol  Ti/Ltrjv  verdorben, 
da  dieselben  in  keiner  Weise  erklärt  werden  können.  Man  könnte 
nun  mit  leichter  Veränderung  xal  ßQorwv  ri^rjv  lesen  und  das 
Tifirjv  als  gleichbedeutend  mit  yiqag  auffassen,  so  dass  es  sich 
auf  T€^iv  OTtwQa  bezöge;  indessen  scheint  dem  ganzen  Ge- 
dankengange entsprechender  zu  sein,  Tifirjv  in  dixr]v  zu  ver- 
wandeln, um  das  eigenthümliche  der  Vorstellung  xHj^g  de 
nrjQaivovai  zu  mildern,  so  dass  also  die  ganze  SteUe  nunmehr 
lautet: 

T^Qtiv*  onwQd  J'  ^vtfvXttXTog  ovSa/nais 
&rjQts  ^k  xrjQctfvovai  xai  ßqoTWif  SCxtiv 
xal  xvioSaXtt  nriqovvTa  xal  nf^oöTirß^, 
xttl  nttQ&ivtov  x^SaXaiv  ivfjioQipoig  fni  x.  t,  X. 

Das  Object  zu  xrjQaivovac  ist  aus  dem  vorigen  leicht  zu  ergän- 
zen. —  Es  erübrigt  nun  noch,  die  Verse,  die  wir  von  dieser 
Stelle  entfernt  haben,  an  ihren  richtigen  Ort  zu  stellen  und  zu 
emendieren : 

xttQncifÄCCTn  arnCovra  xrjQvaan  Kvnqi^ 

HV 

xnXfOQtt  xfoXhovCnv  &mi  fi^vrjv  iQm. 

Wenn  nun  auch  der  Vater  Danaus  mit  Eecht  seine  Töchter 
ermahnt,  Tugend  und  Keuschheit  zu  bewahren,  so  kann  er  doch 
unmöglich  gegen  ein  rechtmäfsiges  Ehebündnis  etwas  einwenden. 
Denn  eine  Jungfrau,  die  unverehlicht  bleibt,  gleicht  ja  der  Wein- 
rebe, die  ohne  die  stützende  Ulme  traurig  am  Boden  hinschleicht 
und  von  Niemand  geachtet  wird.  —  üeberhaupt  ist  ja  die  Ehe 
die  Grundidee  des  Stückes,  die  Ehe,  welche  gegenseitige  Zu- 
neigung schliefst.  Derartig  ist  aber  nicht  der  Bund,  den  die 
Aegyptiaden  erstreben.  Einmal  verbietet  ihn  der  Vater;  dann 
aber  fliehen  die  Töchter  voll  Abscheu  diesen  avroy^vfj  yafxov 
aaeßf]  r«,  die  ja  immerfort  zum  Zeus  flehen,  sie  vor  der  ver- 
hassten  !Bhe  zu  bewahien; 


0S8  KritiBeh-ezegetische  Bemerkungen  zu  Aeschylus,  ▼.  /.  Oberdkk, 

O  fÄfyas  Zivs  dnaU^ai 
yafAOV  ÄtyvitToyivii  fiot  (v.  1053) 
und:    Zivg  ava^  dnoaxiqoCfi  yd/uov  SvadvoQu, 

Nur  das  Ehebündnis  ist  ihnen  erwünscht,  das  K^ris  schlieTst 
und  dem  Eros  zulächelt.  —  Hierauf  gehen  die  Worte  des  Chors 
von  V.  1036  an.  —  Unter  der  Bedingung  möge  auch  uns,  so 
flehen  sie,  ein  Ehebund  beglücken,  wie  so  viele  Frauen  der 
Vorzeit: 

^«To  nollmf  äk  ydfitnfSde'tiUvtd 

Jetzt  aber  sollte  sie  frevelnder  Baub  in's  Ehebett  reifsen,  den 
allerdings  der  Qötter  schützende  Obmacht  gn&dig  abgewendet 
hatte;  namentlich  hatten  sie  diese  Hilfe  Kvpris  zu  verdanken, 
der  ehestiftenden  Göttin,  die  an  des  Zeus  Seite  mit  Hera  ver- 
eint herrscht  und  den  Mädchen,  denen  sie  hold  ist,  die  Ver- 
wirklichung der  passenden  Heirat  als  ersehnten  Ziel  von  dem 
Vater  der  Götter  und  Menschen  erfleht,  wie  sie  ja  auch  vordem 
zu  dem  hohen  Olymp  aufstieg,  um  des  Pandareos  Töchtern  der 
Vermälung  Ziel  zu  erbitten: 

xoiQTig  airrjaovaa  xilog  d-aUQoXo  yauoio 
(g  J(a  TfQTtix^Quwov  —  (Od.  20,  75.) 

Daher  richten  sie  an  diese  liebreizende  Göttin,  die  aber  nur  da 
hold  ist,  wo  Eros  und  Anteros  verschwistert  erscheinen,  vor- 
züglich ihre  Bitten,  sie  auch  fürderhin  huldvoll  in  ihren  Schutz 
zu  nehmen.  —  Da  nun  der  Zusammenhang  zwischen  dem  Chor- 
gesange  und  der  Bede  des  Vaters  auf  der  Hand  liegt,  so  sind 
sicherlich  die  oben  erwähnten  Verse  auch  nach  dieser  Beziehung 
hin  zu  erklären,  woflir  aber  auch  die  klarsten  Judicien  vorliegen. 
Wir  haben  hier  ja  die  Kvttqlq  und  f,Qcj,  welches  ursprünglich 
''Eq(^  lautete  und  xaXiooa  yuoXvovaav,  welches  sich  offenbar  auf 
den  von  Kypris  verhinaerten  Raub  bezieht.  —  Ehe  wir  aber  zu 
dem  einzelnen  übergehen,  müssen  wir  über  die  ursprüngliche 
Stellung  dieser  Verse  klar  werden ;  denn  dass  sie  an  der  Stelle, 
wo  sie  überliefert  sind,  unmöglich  gestanden  haben  können, 
ist  oben  nachgewiesen.  Unverkennbar  ist  nun  die  Beziehung 
zwischen  vfiag  d '  inaivui  und  xrjQvaaei  KvTtQtg,  ich  heifse  euch 
—  Kypris  befiehlt  und  es  dürfte  wol  keine  Frage  sein,  dass  das 
KvTtQig  xmvaaei  x.  t.  X.  nur  eine  weitere  Ausfahrung  des  Be- 
fehles des  Vaters  ist.  Daher  schieben  wir  die  beiden  Verse  nach 
V.  997  ein: 

vudg  S^  inaivta  firj  xaratax^^*''^  ^h^ 
toQav  i^^vaag  r^yJ'  InCajQinrov  ß^oroig^ 
XitoTtfOfitna  ardtovra  xtjQvffan  XvTtQig 
xaXü}ga  xtiXvovattv  &afg  fiivHv  ^Egt^. 

Wir  haben  uns  denmächst  über  die  Form  eijw  für  Souni  zu 
rechtfertigen  und  dann  noch  einige  naheliegende  Verbesserungen 
anzureihen.  Bekannt  ist  der  Gebrauch  der  Föhn  ^'E^  für  "^^fog 


Kritisch-exegetische  Bemerkungen  zu  Aeschylus,  y.  J.  Oheräidt.  689 

bei  den  Epikern;  sie  findet  sich  indessen  auch  bei  den  Tragi- 
kern; jedoch  meistens  nur  im  Nominativ  und  Accosativ.  Vgl 
Soph.  Electr.  v.  198  ff.  kgog  6  xTeivag.  Eur.  Med.  152.  zig  aol 
nore  tag  anlatov  nohag  eQog,  Hippel.  337.  olovy  fd^€Qy 
noaadTjg  eqov,  v.  449.  ymI  didovo^  kgov.  So  findet  sich  auch  die 
Glosse  beim  Suidas  ^'Eqov,  tov  sQwra  u.  s.  v.  ''Egtog '  ^^TTixdig 
di  ano  zov  6  egog  tov  kgov  'Äiverai.  Der  Dativ  €Q(p  findet 
sich  Hom.  Od.  a,  212:  "jEip^i  d^  aga  ^//oy  ei^elx^ev  und  den 
Gebrauch  desselben  bei  den  Tragikern  documentiert  die  Glosse 
beim  Hesychius:  "£l?v>  ^'xo^n,  wofür  zweifelsohne  ^'Egant  zu  lesen 
ist,  wie  schon  früher  vermuthet  wurde.  Im  übrigen  sind  nur 
die  Worte  Tuxlwga  Tcwlvotaav  x^iog  stark  verderbt;  jedoch  liegen 
die  Verbesserungen  auf  der  Hand.  Wenn  wir  nämlich  bedenken, 
dass  Eypris  es  war,  deren  Hilfe  die  Danaiden  ihre  Rettung  zu 
danken  hatten,  so  ist  klar,  dass  statt  xakioga  xioXvovaav  d^ioa 
zu  lesen  ist: 

l^ltüQa  xcoXvovaa  cf  *  tag  fAivHV  "E(Hp, 

Denn  die  Silbe  xa  in  ytahoga  ist  wol  nur  aus  dem  vorigen 
7ta-Q7t(o^aTa  entstanden  und  keineswegs  mit  Schütz  in  x^r'^^O^ 
zu  verwandeln.  Nun  kann  aber  der  Vers  Y,ctQ7tia(.icn;a  araKovra 
xwyaaet  Kingig  unmöglich  ohne  Verbindung  mit  dem  vorigen 
stehen;  daher  haben  wir  die  Stellung  der  beiden  Verse  zu  ändern 
und  lesen  demnach  die  ganze  Stelle: 

vuäg  <f*  iTTttii'dift^  XKTruff/vvHV  ift^ 
mQKV  (;(ovattg  rijyJ'  inlarQ^nrov  ß^roTg' 
HXüt^a  xtoivovaa  <f  *  tog  fA(vHv  ^EQia 
xnQJiomftTtt  ard^ovra  xtiQvaOH  Kvngig, 
t(qhv    ÖTKüQa  (T*  ev(fvXaxTog  ov^a^üg' 
d-rJQfg  Sk  xrjQttfvovai,  xal  ßgoTtiv  Stxrjv 
xal  xvtodaXn  mf^ouvra  xal  nfSoüTifitj, 
xal  ntt{)ih(vbrv  x,  r,  X. 

^Euch  heiXs  ich  nun,  mir  zu  bereiten  keine  Schmach, 
Die  ihr  im  Alter  steht,  das  da  die  Manner  lockt. 
Sie,  die  den  Raub  verhindert,  Kypria  auch  befiehlt, 
Dass  nur  der  Liebe  bleib'  bewahrt  die  reife  Frucht. 
Gar  schwer  zu  hüten  freilich  ist  die  zarte  Frucht: 
Nach  Menschen  Art  verderben  sie  die  Thiere  auch, 
Vierfü/s'ge  Ungeheuer  und  geflügelte.'* 

üeber  die  Stellung  des  öi  in  dem  Verse  i'lojga  ntjlvovaa  d'  ug 
fi€v€iv  €Qqß  vgl.  Burgard,  Dissert.  p.66,  und  über  cig  Breitenbach  zu 
Xenoph.  Cyr.  1, 1, 2  u.  VI,  4, 16.  —  Die  Beziehung  des  handschrift- 
lichen igu)  zur  Kypris  fasst  auch  Heimsceth  airf,  dessen  Ansicht 
über  die  von  uns  besprochene  Stelle  ich  kurz  darlegen  will,  um 
daran  noch  einige  Bemerkungen  zu  knüpfen*).  Er  sagt  in  seinem 
Buche:    „Die  Wiederherstellung  der  Dramen  des  Aeschylus**: 


*)  Die  bisherigen  kritischen  Versuche,  die  betreffenden  Verse  zu  emen- 
dieren,  stellt  C.  Kruse  zusammen  „Aeschylus,  Griechisch  und  Deutsch 
u.  s.  w.  L  IKETUEZ^  Strrisund,  1861. 


640  Kritiach-ezegetiBche  Bemerkungen  zu  Aeschylus,  y.  /.  Obefdiek, 

BoTov  als  Glosse  von  ßoexrj^aTa  scheint  auch  HiL  v.  999  an- 
gewandt zu  sein,  wenn  dort  überliefert  ist:  ^VQ^g  di  xfjQcUvovüi 
xal  ßQOToi  TifitjVy  so  scheinen  die  letzten  Silben  die  disiecta 
membra  des  von  der  Glosse  überschriebenen  ßoaurjidctTa  zu  sein 
und  zu  schreiben :  x^ig  re  yirjQalvovai  xal  ßoaxrnicna  xai  xm- 
daXa  TtTSQOvvTa  xal  TtedooTißfj  -MXQTtioiiad-  a  ara^owa  xrjfvO' 
ou  KvfCQiig^  wqcLv  t*  aiMaXvtiag  dqinova^  ^v&ia/^ivmy  oder  wie 
immer  dieser  unkenntlich  gewordene  Vers  geheifsen  naben  mag. 
iQw  am  Schlüsse  des  Verses  wäre  die  Glosse  e^fog  zu  Kvnqig 
und  nun  erst  folgt  zu  dem  ri  der  Thiere  das  xaL  der  Menschen/ 
Einer  Polemik  im  einzelnen  glauben  wir  uns  überheben 
zu  können,  da  hierfür  im  Laufe  der  Abhandlung  genug  ge- 
schehen ist.  —  Was  das  Heimsoeth'sche  Princip  der  Teites- 
verderbung  durch  die  Glossen  betriflft,  so  sind  wir  völlig  mit 
ihm  einverstanden,  dass  demselben  Rechnung  getragen  werde. 
Jedoch  muss  man  sich  hüten,  überall  Glossen  nachzujagen  und 
die  heilig  zu  haltende  Ueberlieferung  so  unglimpflich  zu  behan- 
deln, üeberhaupt  ist  die  ganze  Scholienfhige  noch  immer  nicht 
genügend  gelöst.  Wir  wissen  noch  nicht,  wie  weit  die  Schollen 
Autorität  verdienen,  da  zwar  in  der  letzten  Arbeit  über  die- 
selben von  G.  Frey  nachgewiesen  ist,  dass  sie  auf  Didymus  zu- 
rückgehen, aber  kemeswegs  festgestellt  wird,  nach  welchen  Prin- 
cipien  man  zu  verfahren  hat,  um  die  Frage  zu  beantworten, 
was  von  denselben  alt  und  auf  jenen  Kritiker  zu  beziehen  sei, 
was  aber  neuern  Ursprunges.  Sind  jene  Principien  festgestellt, 
dann  sollte  man  die  in  den  Schollen  zerstreuten  Bruchstücke 
des  alten  Textes  sammeln  und  unter  den  Ausgaben  vermerken, 
wie  die  Lesearten  der  Codices.  —  Wir  wollen  nun  im  folgenden 
auf  einige  Schollen  näher  eingehen  und  mit  Hilfe  derselben 
mehrere  alte  Lesearten  wieder  herzustellen  suchen.  Unser  Ge- 
sichtspunct  nun  ist  folgender:  Kurze,  schlagende  und  genaue 
Periphrase  ist  das  Kennzeichen  der  alten  Schollen.  —  So  lesen 
in  den  Persern  v.  616  ed.  Dind.  die  Handschriften: 

j-fig  aUv  Iv  (fvXloiai  &nlXovafjs  ßlov. 
Mag  man  nun  dieses  d^alXaiv  ßiov  verstehen  wie  diayeiVy  dia- 
tbUIv  ßiov,  welche  Erklärung  wegen  des  Zusatzes  von  h  wvX- 
Xoiat  noch  die  vernünftigste  wäre,  wenn  nur  überhaupt  diese  Ver- 
bindung anginge,  oder  ßlov  als  Lebensunterhalt  erklären,  was 
einmal  wegen  iv  (fiHoiat  nicht  geht,  dann  aber  an  und  für 
sich  nicht  passt,  da  die  Frucht  des  Oelbaumes  unmöglich  ßiog 
genannt  werden  kann;  soviel  ist  ersichtlich,  dass  ßlov  verderbt 
ist.  Daher  will  Dindorf  laov  schreiben,  was  ganz  matt  ist,  Volck- 
mar  Ußag,  was  nichts  besagt.  Der  Cod.  Med.  überliefert  nun  zu 
dieser  Stelle  kein  Scholion;  wol  aber  findet  sich  ein  solches  in 
den  anderen  Codices,  welches,  wie  schon  aus  der  Form  ersicht- 
lich ist,  aus  guten  Quellen  stanmfit  und  ohne  Zweifel  die  alte 
Periphrasis  enthält:  7ta{jao%i  yoirv  talg  ifialg  x^Q^^  xalxaQ' 


Eritisch-eiegetische  Bemerkungen  zu  Aeschylns,  y.  J,  Oberdick.    041 

nog  ilctiag  ^avdijg  tijg  aliv  &akXovorjg  tolg  wvHoig.  Hiemach 
kann  keine  Frage  sein,  dass  in  den  alten  Handschriften  Ttk 
%^  aXh  iv  qwXhnai  d^alXovatjg  x^Qolv  ^avdijg  x.  r,  L  stand. 
Hätte  der  Scholiast  im  Text  nicht  x^Qolv  gelesen,  so  hätte  er 
unmöglich  talg  if^aig  x^^i  erklären  können.  Ebendaselbst  v.  598 
liest  der  Mediceus: 

die  Übrigen  Handschriften  haben  efiTtsiQog,  was  von  den  meisten 
Kritikern  gebilligt  worden  ist.  Der  alte  Scholiast  las  aber  mit 
dem  Mediceus  e^iTco^g,  da  er  die  Stelle  erklärt:  w  q>lXoiy  oarig 
xvQÜ  %al  vTtctQXBc  e^TtoQog  tüv  xofxcSv.  Es  ist  auch  kein  Zweifel, 
dass  dem  Dichter  hier  das  Bild  der  Schiffahrt  vorschwebte,  wie 
die  Ausdrücke  xXvdiov  xanuiv,  orav  dalfuov  evQof],  daifiova  ov- 
Qi€iv  Tvx^  bezeugen.  Ueberhaupt  ist  es  eine  Eigenheit  unseres 
Dichters,  die  man  bei  der  Kritik  wohl  berücksichtigen  muss, 
dass  ihm  zuweilen  ein  Vergleich  vorschwebt,  den  er  zwar  nicht 

Genauer  ausführt,  dass  er  aber  dann  stets  die  einschlagenden 
lusdrücke  anwendet.  —  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  viel- 
fach besprochenen  Bede  des  Königs  in  den  Supplices  v.  438  seq. 

xal  /^fj^iKcr»  fjkv  ix  doutiv  noQ&ovjuivtov 
«Tijy  yi  ueiCto  xal  (jiiy  ijunli^aag  yofiov 
yivoiT*  av  akla  xrrjöiov  Jws  ;(aQiv, 

Der  König  ist  ungewiss,  was  er  thun  soll;  er  muss  entweder 
mit  den  Göttern  oder  mit  den  Menschen  den  Kampf  unter- 
nehmen. Handeln  aber  muss  er  und  zwar  sogleich;  denn  das 
Fahrzeug  ist  fertig  zum  Auslaufen.  Da  ergeht  er  sich  in  allge- 
meinen Betrachtungen.  Ohne  Leiden  gibt  es  keine  Umkehr  zum 
Bessern.  Vieles  er&ägt  der  Handelsherr.  Er  verliert  beim  See- 
sturm sein  Besitzthum ;  aber  dann  mag  er  sich  durch  des  Zeus 
Gnade  wieder  reichern  Besitzes  erfreuen.  —  dass  die  Stelle  so 
aufisufassen  sei,  ist  wol  unzweifelhaft;  yofiog  ist  die  SchiflFs- 
ladung ;  dofiog  ist  das  Schiff  selbst,  welches  oben  v.  135  do^og 
ala  axiyiov  doQog  genannt  wurde  und  ebenfalls  im  Agamemnon 
V.  1008^  so  bezeichnet  wird:  ovx  edv  TtgoTtag  dofiog  Ttr^fioväg 
yifAwv  ayav;  yefiitetVj  welches  von  den  Scholiasten  statt  des 
verdorbenen  ye  f^ei^io  gelesen  wurde,  bezeichnet  das  Betrachten 
des  Schiffes.  —  Es  sind  nun  mit  Hilfe  der  Scholiasten  zu  un- 
serer Stelle  mancherlei  Verbesserungen  gemacht  worden.  Nament- 
lich hat  man  erkannt,  dass  yefniLeiv  xat  niy*  ifinX^at  statt 
ye^ultu)  xat  f.Uy'  i^mlrjOag  zu  lesen  sei  und  ebenso  hat  man 
statt  ^Qr^iaai  die  in  einer  Glosse  aufbewahrte  riditige  Leseart 
XQTj^taT(ov  wieder  hergestellt  (vgl.  Burgard,  Dissert.^p.  61,  62). 
Kruse,  Suppl.  p.  159  liest  zwar  yefieiKiov  ycal  fiiy^  e^iTtXr^aagj 
indem  er  pch  auf  das  Scholion  Jiog  hirtiimhavTog  wxc  ye- 
(AitovTog  atrjg  xov  yo^ov  und  auf  die  L.  A.  des  Escorial.  y« 
fiei^wv  stützt;  indessen  sind,  abgesehen  von  der  so  entstehen- 
den Anakoluthie,  die  zwar  nicht  ungerechtfert^  aber  doch  hfh 


042   KriÜBch-exegetische  Bemerkungen  zu  Aeschylns,  v.  J.  Oberdki. 

denklich  ist  und  bei  einem  so  vorsichtigen  und  conservativen 
Kritiker,  wie  Kruse,  auf^t,  die  Stützen  sehr  unsicher.  — 
Einmal  ist  offenbar,  dass  das  SchoUon  erst  späterer  Fassung  und 
augenscheinlich  nach  dem  schon  corrumpierten  Texte  unagdformt 
ist;  denn  dass  der  Text  arfjg  ye^l^wv  aal  jueV  ifmXr/aaq  yo- 
fiov  —  statt  (xTr}v  —  yo^iov  las  der  Scholiast  dxrß  —  yo^ov  — , 
unmöglich  richtig  sein  kann,  liegt  auf  der  Hand.  Alsdann  aber 
zwingen  die  Participien  ymiCpvnog  und  i^Ttlrjoavtog  keines- 
wegs zur  Annahme  der  absoluten  Nominative;  es  können  viel- 
mehr damit  ebenso  gut  die  Infinitive  erklärt  werden^  indem  der 
Sdioliast  sie  auf  Jiog  bezieht.  Fassen  wir  aber  den  letzten  Cre- 
sichtspunct  auf,  so  liegt  ein  anderer  Schluss  nahe,  nämlich  dass 
der  Scholiast  die  Verse  in  anderer  Ordnung  las,  indem  der  Vers 
yivoir'  av  akka  y,.t.L  zuerst  stand,  welche  Umstellung  schon 
Hermann  wegen  des  concinnen  Baues  dieser  und  der  folgenden 
drei  Verse  vornahm.  —  Eine  andere  Corruptel  schliefslich  haben  die 
meisten  Kritiker  übersehen,  nämlich  aTm —  yofiovy  mit  Ausnahme 
von  Härtung  und  Burgard.  Es  ist  docn  sehr  wunderlich  gesagt, 
„die  Ate  befrachtend  und  gewaltig  anfüllend  mit  Ladung*"  und 
ich  gestehe,  dass  es  mir  unmöglich  ist,  hierfür  Verständnis  zu 
gewinnen.  Besser  wäre  schon  die  Leseart  des  Scholiasten  arrjg.y 
yoftov,  wofür  Härtung  ganz  ungerechtfertigt  und  unpassend  do- 
fiov  setzt,  mit  Ate  die  Ladung  aniuUend.  Was  soll  jedoch  hier 
die  oTTj,  wo  es  darauf  ankommt,  die  xaraar^op^  zu  bezeichnen? 
Der  Fehler  steckt  offenbar  in  arr^v,  wie  richtig  Burgard  sah, 
der  deshalb  adt]v  schreibt,  um  eine  genaue  Responsion  von 
iidrjv  yeixLteiv  und  fisy^  fftjtk^aai  herzustellen.  Es  kann  nun 
zwar  das  Object  aus  dem  vorhergehenden  öoficjv  ergänzt  werden ; 
aber  immerhin  bleibt  die  Structur  hart  und  beim  ersten  Lesen 
fällt  sogleich  dieser  Mangel  der  Diction  auf.  Zudem  ist  der  Grund 
der  Besponsion  kein  stichhaltiger;  denn  diese  drei  Verse  correspon- 
dieren  mit  den  folgenden  ähnlich  gebauten  und  hier  erscheint 
blofs  das  Adverbium  xa^ra  in  dem  Verse:  aXyeiva  dr^iov  xagra 
yuvnvriQia.  Wenn  wir  uns  nun  so  durch  das  iidrjv  nicht  befrie- 
digt sahen,  so  fragt  sich,  was  an  unserer  Stelle  gestanden  haben 
kann.  Erwägen  wir ,  dass  hier  zu  ye/niCwv  und  ifinkrjoai.  das 
Object  fehlt  und  analog  diesen  Verben  der  Begriff  „Fahrzeug" 
notii wendig  ist,  oben  aber  axawog  angewendet  wurde,  wofür 
sich  sonst  auch  axacpr^  (Fgt.  206)  findet,  so  ist  wahrscheinlich, 
dass  Aeschylus  schrieb: 

xal  ;((}rjfittT(üV  ^Iv  ix  ^6/natv  nogS-ovfjiivün* 
y^voiT*  av  älXit  xrrjö^ov  jdiog  X^Q^'^ 
axdtffiv  ysfÄ^Cftv  xal  /niy*  ifinlijaiu  yofiov, 
-Ward  aus  dem  Fahrzeug  auch  die  reiche  Fracht  gestürzt, 
Mag'  anders  Gat  verleihen  der  Schätzewalter  Zeas, 
Das  Schiff  zu  füllen  und  zu  thürmen  hoch  die  Last.** 

Ich  habe  in    der  Uebersetzung  TtoQd^ovfievwv  mit   „gestürzt*" 


KritiBch-exegetische  Bemerkungen  zn  Aeschylns,  v.  J.  Obcrdidc.   64S 

wiedergegeben,  um  an  die  Art  des  Verlustes  zu  erinnern,  da  beim 
Seesturm  die  Ladung  über  Bord  geworfen  zu  werden  pflegt.  Wie 
aber  aus  a}uiq>rjv  ciztjv  entstehen  konnte,  ist  nicht  schwer  zu 
erUären;  das  ax  zu  Anfang  des  Verses  war  ausgefallen,  wie 
sich  z.  B.  Fers.  924  statt  xAcr/|ct>  im  Leipz.  Cod.  ay^w  findet  und 
nun  la^  die  Umwandlung  des  AOHN  in  ATHN  nahe  genug. 
Eine  Uinliche  Stelle,  welche  die  vorliegende  Auffitösung  und 
Emendation  der  besprochenen  Verse  unterstützt,  findet  sich  im 
Agam.  V.  1008  ff.: 

xal  notuos  evd-vnogwf 
äipavTov  %QfJia. 
xvriaCfov  oxvog  ßtdiiv 

OVX    Hiv   TTQOTTag   OOfiOS 

ntjfjioväg  yifAOtv  äyav 
ovo*  inovTUfe  axatpog. 

Der  Ausdruck  afpavrov  %<a  fßhrt  dem  Dichter  das  Bild  der 
Schiffarih  vor  Augen,  die  ihm  von  xai  to  uiv  u.  s.  w.  vorschwebt, 
ohne  dass  er  das  Bild  im  einzelnen  durchfuhrt.  Darauf  deuten 
die  Ausdrücke  om  edv  TiQOTtag  do^iog^  nr^fiovag,  yi^wv  ayav^ 
oid'  inovTioe  OTuctwog,  Von  diesem  Gesichtspuncte  aus  sind  auch 
die  beiden  ersten  Verse  xai  to  ixev  u.  s.  w.  aufzufassen,  welche 
nach  einer  Mittheilung  von  Dr.  Burgard,  der  diese  Stelle  in 
einem  Werke  über  die  absoluten  Casus,  an  dessen  Veröffent- 
lichung ihn  der  Tod  hinderte,  behandelte,  nach  Annahme  einer 
schönen  Conjectur  von  Stenzel,  der  nach  Spt.  770 : 

TiQonQVfÄva  S*  ixßoXdv  tfi^n 

dvSQcüv  dliftjaTttv  okßog  ayav  na^w^ifs 

statt  TtQO  xQrj^cctiav  liest  TtQonfv^va,  folgendermafsen  zu  resti- 
tuieren sind: 

xal  TÖ  fikv  TiQonQv/uva  tov 
xtrjfffov  yofiov  ßaliav 
awevSovag  an*  evu^rgov 
OVX  HJv  TtQonag  oo^og 
nfjuovag  y^/nfav  ayav 
ovo*  Inomae  axatpog. 

XQfj^aztov  erklärt  Burgard  offenbar  richtig  als  Glossem  zu  dem 
von  ihm  fär  oxvog  restituierten  yo^ov  und  &sst  do^og  als  das  zu 
ßalciv  gehörige  Substantiv,  wodurch  die  grammatischen  Schwie- 
rigkeiten dieser  Stelle  beseitigt  werden.  Um  nun  auf  die  be- 
sprochene Stelle  in  den  SuppUces  zurückzukonmien ,  so  bleibt 
uns  noch  übrig,  einen  Blick  auf  die  folgenden  drei  Verse  zu 
werfen,  die  ebenfalls  einer  Erklärung  bedürfen: 

xal  yitioaa  To^evoaaa  urj  ra  xaiQia 
yivoi^To  /LivO^ov  fAv&og  av  d-elxrii^iog 
ukyttvd  &vfjrOv  xtcQTa  xcvrjrrjQia, 

Kruse  interpungiert  hinter  ^ekKttjQiog  und  übersetzt: 


644  KritiBch-exegetische  Bemerkungen  za  Aeschjlus,  v.  /.  Oberdki. 

Und  wird  der  Zunge  Pfeil  entsandt  in  Ungebühr, 

Die  Bede  mi^  die  Bede  wohl  beschwichtigen: 

Es  regt  der  Schmerz  so  sehr  den  Sinn  der  Menschen  auf. 

Wie  unbeholfen  das  aXyeiva  dvfxov  u.  s.  w.  nach  dieser  Inter- 
pnnction  nachhinkt,  brauche  ich  nicht  erst  auseinanderzuseteen. 
Aufserdem  ist  hieme^en  einzuwenden,  dass  nach  den  Gesetzen 
der  Symmetrie  auch  in  den  vorigen  Versen  eine  solche  Intcar- 
punction  nöthi^  wäre.  Burgard  stellt  an  der  schon  dtierten 
Stelle  seiner  Dissertation  den  Vers  um,  da  er  die  entsprechen- 
den drei  ersten  Verse  unverändert  stehen  lässt,  ohne  jedoch  bei 
der  Umstellung  denselben  interpretieren  zu  können.  Da  wir  nun 
schon  erkannt  haben,  dass  die  Umstellung  in  den  vorigen  Versen 
vorzunehmen  sei,  so  lassen  wir  die  Ordnung  der  Verse  hier 
unverändert.  Am  einfachsten  und  natürlichsten  wäre  nun  cf>l- 
yuva,  TLvrftriQia  als  Objectsaccusativ  zu  -d-el^Tr^Qiog  zu  fassen, 
wie  sich  unter  andern  Beispielen  Choeph.  v.  24:  lalrog  At  66- 
^wv  eßav  xoccg  nqoTtOfiTtog  o^x^^Qf-  ^^  xivnt^  findet.  —  Es 
bliebe  dann  nur  noch  eine  Unregelmäfsigkeit  übrig,  nämlich  der 
Genetiv  fw&ov;  es  liegt  aber,  wenn  wir  die  obige  Auffassung 
als  die  der  Aeschyleischen  Sprachweise  entsprechendsten  anneh- 
men, auf  der  Hand,  dass  wir  für  ^ivd-ov  den  Accusativ  /av&ovg 
zu  restituieren  haben.  Dass  2  am  Schlüsse  des  Wortes  konnte 
aber  bei  folgendem  M  leicht  wegfallen.  Es  würde  dann  die  ganze 
Stelle  folgendermafsen  lauten: 

X«i/p»?U«TOW   ukv   ix   SofJLtOV   7TOQ&OVjLt^V(OV 

yivoiT    av  älla  xTfiöiov  ^-^tof /«(>*y, 

axnff'fjv  yffiiCftv  xal  fjiiy^  ijLinlijffat  yofiov' 

xttl  yXtoaöa  To^fvöaaa  firj  rd  xatnux, 

yivotTO  jiivd-ovg  fiv&og  av  &€XxTrjQios 

nly€i'Vn  d^v/nov  xdgia  xivijTi^Qia, 
Ward  aus  dem  Fahrzeug  auch  die  reiche  Fracht  gestürzt, 
Mag  anders  Gut  verleihn  der  Schatzewalter  Zeus, 
Das  Schiflf  zu  füllen  und  zu  thürmen  hoch  die  Last. 
Und  ward  der  Zunge  Pfeil  in  Ungebühr  entsandt, 
So  möchte  wohl  das  Wort  des  Wortes  Heilung  sein, 
Das  sehr  das  Herz  in  bitterm  Schmerz  gekrääct. 

Nicht  selten  werden  durch  die  Scholien  ümstelhmgen 
von  Versen  oder  einzelnen  Worten  angedeutet.  So  lesen  beide 
Scholiasten  zu  Choeph.  v.  484: 

fi  Sk  firj,  TiftQ*  ivSilnvoig  ;^t^oyoff 
äjtfAog  ifjtnvQocöi  xviüwToTg  t^öH 

statt 

ajtfxog  IfinvQotai,  xvi(f(oToig  x^ovog, 

wie  sich  namentlich  aus  dem  zweiten  Scholion  ergibt:  el  de  fik 
aTL/iog  iv  Ttvqoioi  nviüorvoig  ear]  Ttaq^  eidsiTtvoig  x^ovog^  6 
iarc  TtaQcc  xaTOixo^evoig  deiTtvip  Tifuof^evoig'ovriDg  t6  e^fg,  — 
Aehnlich  verhält  es  sich  Eum.  v.  259: 

716qI  ßgird  nli/O^e^g  S-eag  dfAßqoiov 
vn6^ixog  d-iUi  ytvi^^m  /e^ftH^. 


Eritiscli-exegetiscbe  Bemerkungen  zn  Aesclijlas,  v.  J.  Oberdich  645 

Dass  diese  Verse  verdorben  sind,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Zwar 
sucht  Schütz  dieselben  zu  erklären:  non  vult  obnoxius  esse  mani- 
bus  nostris;  indessen  ist  dieses  sprachlich  unmöglich.  Daher 
verbessern  schon  Scaliger  und  Wakefield  XQ^^n  ^^s  auch  Her- 
mann billigt.  Zur  Unterstützung  dieser  Verbesserung  führt  Her- 
mann^ wenn  auch  mit  einem  gewissen  Bedenken,  das  Scholion 
an:  avd'^  iov  fifuv  XQ^iaaTÜy  TtQoaqn)^  d-elei  yeviad-aL  t^  d'eoi). 
Indessen  sagt  er  selbst:  Quamquam  potest  hoc  ad  solum  voca- 
bulum  vTtcSnwg  pertinere,  quod  Hesychius  ita  interpretatur: 
vTisv&wogj  XP*^^^>  evoxog  dUm.  Es  ist  aber  auch  an  und 
für  sich  die  Conjectur  xe«c3y  ofifenoar  unrichtig.  Einmal  ist  der 
Gedanke  nicht  recht  klar:  „Indem  er  das  Bildnis  der  unsterb- 
lichen Göttin  umschlungen  hat,  will  er  sich  Hecht  sprechen 
lassen  wegen  der  Schuld."  —  Die  Eumeniden  sind  vielmehr 
Eichterinnen  über  das  vergossene  Blut.  Daher  beklagen  sie  sich, 
dass  sich  eine  andere  Göttin  in  diesen  Process  einmischt  und  es 
fehlt  in  dem  obigen  Gedanken,  von  wem  er  sich  Recht  sprechen 
lassen  wolle,  unter  welche  Gerichtsbarkeit  er  sich  begebe.  Dieses 
bezeichnet  deutlich  der  Scholiast:  avd-'  wv  rj^lv  x^ewara,  rtpoacpv^ 
d^iUi  yevia&ai  rrjg  d^eov.  Dann  aber  bezeichnet  XQ^og  nimmer- 
mehr die  Blutschuld,  es  ist  und  bleibt  die  Schuld,  die  man 
bezahlen  muss  und  wird  so  im  übertragenen  Sinne  gebraucht. 
So  heilst  es  Ag.  457:  dr^^ioxQovrov  d  ccQag  rivei  XQ^^S-  ^^ 
unserer  Stelle  aber  soll  es  die  Schuld  bedeuten,  wegen  welcher 
Orestes  gerichtet  werden  soll.  In  dieser  Beziehung  lässt  sich 
aber  XQ^^S  i^icht  nachweisen.  Wenden  wir  uns  nunmehr  wieder 
zum  Scholion,  so  werden  wir  sehen,  dass  dasselbe  auf  eine  ganz 
andere  Lesart  hindeutet.  Der  Scholiast  erklärt  offenbar  das  vtco- 
dixog  durch  TTQoacpv^j  Klient,  Schützling.  Analog  erklärt  es 
Hesychius  durch  v7t€v&wog,  XQ^^^'^V^^  evoxog  dUrjg,  —  Dann 
aber  verbindet  er  vnodixog  mit  deag.  Die  Verbindung  ist  aber 
bei  der  jetzigen  Wortstellung  wenn  auch  nicht  unmöglich,  doch 
äufserst  hart.  Daher  ist  wol  als  sicher  anzunehmen,  dass  der 
Scholiast  las: 

vno&ixog  ^^Xh  yiv^a&M  S-tag. 

XSQoiv  und  »€ag  haben  durch  ein  Versehen  des  Abschreibers 
ihre  Stellen  vertauscht  und  nun  verwandelte  man  x^Qoiv  in 
X^Qiiv,  indem  man  es  von  inodi^og  abhängig  machte.  So  foM 
aus  dem  Scholion  zu  Eum.  v.  387:  dvaodonaiTtaXa:  dvcTtaga- 
ßara  aal  TQaxea  Ctoac  xat  TÖig  ^raxovaiv,  dass  statt  des  cor- 
rupten  övaodoTtaiTtaka  y  wo  die  Messung  -'  ^  ^  -  ^  ^  sein 
muss,  dass  diaßaia,  Ttalnahx  zu  lesen  sei.  —  Offenbar  hatte 
der  Scholiast  zwei  Worte  vor  Augen,  die  er  mit  SvaTia^ßara 
und  TQaxia  erklärt.  Wo  überhaupt  die  Paraphrasis  genau  ist 
und,  so  viel  ersichtlich,  unverdorben,  da  hat  man  dieselbe  stets 
genau  zu  berücksichtigen.   Wenn  daher  zu  Suppl.  v.  187  wfitj 


646  Eritiscli-exegetische  Bemerkungen  zu  Aescbjlns,  y.  J.  Oberdkk» 

^v  oQyp  Tovd'  ETtoqvvrai  arolov  vom  Scholiasten  bemerkt  wird: 
Tov  TTQog  ijAag  otoaov  jiera  oQfi^g  Ttouitai,  so  ist  klar,  dass 
er  ffAiv  fiv  OQm  tovd'  ino^vvrav  aT6Xov\B&.  Diese  Lesart  ver- 
dient aber  vor  der  des  Cod.  Med.  entschieden  den  Vorzug  und 
scheint  die  ältere  zu  sein.  —  6(f/r  wird  in  der  Begel  von  dem 
Scholiasten  durch  T^nog  erklärt  (cf.  Spt.  678).  Ueberdies  finden 
sich  6(fpju  und  oq^riv  vertauscht,  wie  Spt.  678  Colb.  b.,  Par.  n. 
und  Vit.  oqixriv  lesen.  Dann  ist  durdiaus  nicht  ersichtlich,  wie 
hier  Danaus  loiiy  ^v  6(fyy  sagen  konnte,  da  er  über  die  Öe- 
sinnung  der  AnKommenden  völlig  im  Unklaren  ist.  —  Auf  ähn- 
liche Weise  verhält  es  sich  im  folgenden,  v.  192  und  193,  wo 
die  Hdschr.  lesen: 

xal  XivxoaTe(f€ig 

Der  Scholiast  erklärt  die  Stelle  folgendermafsen :  o  ianv  avt- 
ix^ad^e  tri  de^i^  Tviv  ayakfKXTioVj  ry  aQiatSQ^  Tovg  xladovg 
xarix^vaai.  —  Hier  scheint  der  Scholiast  ayaliAara  gelesen  zu 
haben  und  aus  dem  aqiOT^  hat  man  evwvifjuav  in  den  Text 
eingetragen.  Indessen  verhält  sich  die  Sache  anders.  Der  Scholiast 
erklärt,  die  Supplices  sollten  mit  der  rechten  Hand  die  Bild- 
nisse umfassen,  während  sie  mit  der  linken  die  Zweige  empor- 
hielten. Daher  muss  er  statt  awwvv^wv  gelesen  haben  o^o;- 
rificov,  was  er  allerdings,  da  oQ&dw^og  nomini  recte  respon- 
dens  bedeutet,  so  und  nur  so  erklären  konnte.  Daraus  folgt 
aber,  dass  das  Eomma  nach  Jiog  zu  streichen  und  fOr  o/oA- 
/iar'  zu  lesen  sei  ayaX^d  %\  so  dass  also  die  ganze  Stelle  lautet: 

xnl  UvxoaTitpeTs 
txTviQ^as  äyttXfitt  t*  aiöoCov  jJiog 
atfAVtag  txovaai  ^ut  x(Qoiv  OQd-favv/ntüv. 

Beiläufig  erwähnen  wir  hier  einer  Lesart  zu  Pers.  v.  232,  wo 
das  Lemma  den  alten  Text  aufbewahrt  hat.  Der  Scholiast  er- 
klärt nämlich  den  Vers  xal  v^Xe  TtQog  dvaudig  avaxTog  ^HUov 
^ivaafAOTwv  durch  (p&ivaafiaTiov  twv  kr^ewv,  tüv  dvafAÜv  ^ 
Twv  dvoetüv  ^  tüv  hXeixpeiov  ot€  yccQ  diu  6  fJA/o^,  hXalnW 
¥y&ev  xal  Xlifj  6  avsfxog  ano  dva/Äidv.  Jeder,  der  mit  der  Er- 
klärungsweise der  Scholiasten  vertraut  ist,  sieht  auf  den  ersten 
Blick,  dass  hier  zu  lesen  ist:  dva^cSv:  r  tüv  dvaaiov  rj  TtSv 
inleltpetüv  •  oVe  yccQ  dvec  6  ijhog,  hdeiTtet '  kv&ev  xcfi  Juip  6 
avB^og  ano  dvofÄWv.  —  q)&ivaafiaTa)v :  twv  lrj§€(av.  —  Im  Texte 
der  Scholiasten  stand  also: 

xal  Tfjli  TTQog  Svafitäv,  ttvaxrog  *Hl(ov  (f&ivaafiarofv, 

Schliefslich  möge  noch  eine  leichtere  Emendation  zu  Suppl. 
V.  784  hier  Platz  finden.  Der  erste  Vers  der  Antistrophe  a 
lautet  in  den  Handschriften 

ttfpvüTov  <f*  ovxit*  &v  niXo^  xiag. 


Zu  Piaton,  Y.  H.  Banite.  047 

Mit  vollem  Eechte  verändert  Hermann  ag>mrov^  welches  hier 
ganz  widersinnig  jst^  in  dlmrovy  indem  er  höchst  scharfsinnig 
bemerkt,  jenes  t6  dgwKTov  bei  Suidas  sei  einem  Scholion  zu 
unserer  Stelle  entnommen.  Für  xiag  will  er  alsdann  v'ag  schrei- 
ben, welches  so  viel  als  q)daua  bedeuten  und  den  Herold  be- 
zeichnen soll.  Indessen  wird  das  Wort  selbst  schon  von  Lobeck 
bezweifelt;  au&erdem  aber  wäre  es  sehr  sonderbar,  den  Herold, 
oder  besser  das  Schiff  ein  q>aafia,  ein  Traumbild  zu  nennen. 
Im  Gegentheil  ist  es  baare  Wirklichkeit,  die  ihnen  vor  Augen 
steht.  Was  sie  sich  vorher  gewünscht  haben,  das  sind  leere 
Träumereien,  nichtige  Gedanken,  die  unmöglidi  r^lisiert  wer- 
den können.  Aus  diesen  Träumen  ruft  sie  das  an  das  Land 
stofeende  Schiff  zurück  und  sie  sehen  ein,  dass  sie  der  Wirk- 
lichkeit nicht  entrinnen  können.   Daher  vermuthe  ich: 

ttlvxtdv  ä*  ovx  /t*  Sv  niXoi^*  vna^, 

Neisse.  Joh.  Ob  er  dick. 


Zu  Piaton. 


Bep.  I.  340  C  Ktt{  /noi  eini,  tj  Q^aavfiaxe  *  tovro  rjv  o  ißovXov 
Xiyav  t6  S^xaiov,  t6  tov  xQfdxovog  ^vu^Hqov  doxovv  ilvai  r^  xgeirrovi, 
iav  T€  ^v/tiifiQTf  idv  re  (at^;  oiJtoi  Oi  (fw/usv  Xiyeir; 

Thrasjmachus  hatte  als  die  Definition  von  Sixaiov,  durch  welche 
die  nichtigen,  von  Sokrates  im  Gespräche  mit  Polemarchos  geltend  ge- 
machten Bedenken  beseitigt  würden,  den  Satz  aasgesprochen  wfifil  iyt!^ 
tlvai  rö  Sixtuov  ovx  alio  ti  rj  tö  tov  xgeirrovog  ^vfHpiQov^  doB  C,  und 
diese  Definition  näher  dahin  erklärt,  dasis  er  unter  xqhttov  verstehe  to 
tt^X^  ^^  ixaariji  noln  338  D.  Die  herrschende  Macht  in  jedem  Staate  trifit 
die  Anordnungen  zu  ihrem  Vortheile,  in  der  Befolgung  ihrer  Vorschriften 
besteht  die  Gerechtigkeit,  also  t6  SCxatov  to  roif  xq€(Ttovog  ^v^tpigov. 
Nun  gibt  aber  Thrasvmachus  zu,  dass  es  einerseits  Forderung  der  Gerech- 
tigkeit sei,  den  Anordnungen  der  regierenden  Macht  in  allen  Fällen  Ge- 
horsam zu  leisten,  anderseits,  dass  diese  Anordnungen,  wenn  sie  auch 
überall  den  Vortheil  der  regierenden  Macht  bezwecken,  doch  ihn  keines- 
w^  immer  treffen,  sondern  gar  manchmal  das  dieser  regierenden  Macht 
selbst  Nachtheilige  fordern  fvgL  Gorg.  466  D  ff.J.  Indem  nun  die  Gerechtig- 
keit den  Gehorsam  gegen  die  Anordnungen  der  regierenden  Macht  aus- 
nahmslos fordert,  so  ergibt  sich,  dass  in  den  Fällen,  wo  diese  Anordnungen 
zu  der  Befehlenden  eignem  Nachtheile  gereichen,  to  iJ/xioor  nicht  mehr 
TÖ  TOV  xQeirrovog  ^vu^iqov,  sondern  tö  tov  xQilxrovog  d^vfiwooov  ist. 
Den  hierdurch  zu  Tage  tretenden  Widerspruch  sucht,  während  Thrasy- 
machus  noch  zu  erwidern  zögert^  ein  ihm  befreundeter  Mitunterredner  da- 
durch zu  lösen,  dass  er  erklärt,  unter  „zuträglich  dem  Stärkeren**  verstehe 
Thrasjmachus  das,  was  dem  Stärkeren  zutr^Uch  zu  sein  scheint,  tö  tov 
XQfiTTOvog  ^vfA^'igov  iUytv  o  tjyoiTO  6  xgehrtov  avr^  ^vuwfgHV.  Es 
fragt  sich  nun,  ob  Thrasjmachus  diese  Modification  seiner  Dennition  des 
dCxaiov  annimmt  und  auf  diese  Weise  die  erhobenen  Einwendungen  be- 
seitigen wül.  Diese  Frage  richtet  Sokrates  an  Thrasjmachus  in  dem  oben 
an  me  Spitze  dieser  Bemerkung  gestellten  Satze.  Der  Sinn  dieses  Satzes 
ist  schon  durch  den  Zusammenhang  so  sicher  gesteUt,  dass  darüber  kein 
Zweifel  sein  kann;  aber  die  grammatische  Construcüon  ist,  obwol  meines 
Wissens  noch  kein  Heransgeber  daran  Anstofs  genommen  hat,  unerklärlich. 


648  Zu  PlatoD,  V.  H.  Bonus. 

Interpungiert  man,  wie  oben  nach  dem  Vorgänge  aller  neueren  Ansgaben 
geschehen  ist,  so  ist  in  dem  Satztheile  ro  tov  —  xqs^tjovi  entweder  roi 
x^e^TTovog  oder  t^  xQilxTovi  zn  viel.  Wenn  Schleiennacher  übersetzt: 
„war  es  dieses,  als  was  du  das  (gerechte  beschreiben  wolltest,  das  dem 
Starkeren  als  ihm  zuträglicher  erscheinende**,  so  scheint  es  wirklich,  dass 
er  oonstruiert  habe  ro  t^  XQiirrovi'  Soxovv  itvav  (vuu'iQov  toü  xQi(novog^ 
im  Widerspruche  mit  seinem  sonst  bewährten  feinen  Tacte  für  das  sprachlidi 
Mögliche  und  Unmögliche.  Einen  anderen  Weg  der  Construction  schlägt 
die  Mttller^sche  Uebersetzung  ein:  „war  es  das,  was  du  für  das  derechte 
erklären  wolltest,  das  dem  Starkeren  ErsprieXlsliche,  was  dem  Stärkeren  es 
zu  sein  scheine'',  eine  Uebersetzung,  bei  der  stillschweigend  eine  andere 
Interpunction ,  nämlich  ein  Komma  nach  (vfuf^^^v  vorausgesetzt  wird. 
Aber  sie  wird  dadurch  sprachlich  noch  nicht  m^lich;  denn  zu  dem  Par- 
ticipium  Soxoihf  müsste  eben  so  nothwendig  der  Artikel  t6  gesetzt  sein, 
wie  vorher  zu  ^vuifiqov;  und  wenn  nicht  unmöglich,  so  doch  höchst  un- 
wahrscheinlich ist  es,  dass  in  dem  Ausdrucke  doxovv  ilvui  t^  xQiijjovi, 
der  Begriff  ^vfitfinov^  um  den  es  sich  handelt,  sollte  aus  dem  Vorigen 
ergänzt  werden;  deshalb  stilistisch  unwahrscheinlich,  weil  dadurch  der 
Gegensatz  zu  lav  n  luu  </)/(>  y  luv  rf  fin  die  Schärfe  des  sprachlichen 
"  de.  Die  -•'••'•' 


Ausdruckes  verlieren  würde.  Die  Schwierigkeiten  verschwinden,  wenn 
voraussetzt,  dass  hier  der  Fehler  begangen  ist,  in  den  bei  der  unmittel- 
baren oder  fast  unmittelbaren  Aufeinanderfolge  desselben  Wortes  bekannt- 
lich Abschreiber  und  Setzer  am  leichtesten  verfallen,  und  mit  einer  solchen 
Ergänzung  schreibt: 

Ka£  fjLoi  ünif  o5  BQaavfittxij  touto  tjv  o  ißovXov  l^ysiv  rö  S(x(uov 

10  TOV  XQftrroi'og  ^vfi(f}f(}0Vy  ro  ^vfxif^qov  Soxovv  elvai  r^  XQflr- 

Tow,  i(tv  re  (vf4(f^QTji  idv  ts  ^i}. 
d.  h.  „Sage  mir,  Thrasymachus,  war  dies  der  Sinn  in  welchem  du  das 
Gerechte  als  das  dem  Stärkeren  Zuträgliche  definiertest,  dass  das  Gerechte 
das  sein  sollte,  was  dem  Stärkeren  zuträglich  zu  sein  scheint,  mag  es  nun 
wirklich  zuträglich  sein  oder  nicht**  Durch  die  ersten  Worte  t6  S(xnwv 
tö  TOV  xQt(TTovog  (vuifi^Qov  wM  dio  vom  Thrasjrmachus  wiederholt  ge- 
gebene Definition  (to  <S(xmov  ovx  aXXo  r^  ^  t6  tov  xQifxTovog  ^vfiw4QOv 
338  C,  navTaxov  tlvai  t6  avro  Slxaiov^  t6  tov  xQS^TTOvog  ^vfitfä^ov  339  A) 
möglichst  unverändert  wiederholt;  durch  die  folgenden  t6  ^vfia>(Qov  Soxovv 
älvttir  T^  xQitTTovi  wird  die  von  dem  Freunde  des  Thrasymachus  gegebene 
Erläuterung  o  r^yoiTo  6  xqs{tt(üv  avTtp  h'jii(fiQS&v  in  diejenige  Form  ge- 
bracht, in  welcher  ihr  Unterschied  gegen  die  ursprüngliche  Definition  scwf 
hervortritt. 

Wien.  H.  Bonltz. 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

Sophoclis  Antigona.  Ad  novissimam  optimi  codicis  conlationem 
recensuit  et  brevi  adnotatione  inatruxit  Mauricius  Seyffertus.  XIV 
u.  133  S.  Berlin,  Weidmann,  1865.  —  24  Sgr. 

Nach  einer  gegen  die  Verächter  der  (modernen)  Teiteskritik  gerich- 
teten Polemik,  die  mehr  rhetorisch  ausgeschmückt  als  überzeugend  ist  und 
in  der  sich  manche  bedenkliche  Aeusserungen  *)  finden,  gibt  der  Hr.  Verf. 
in  der  Vorrede  als  Veranlassung  zu  der  vorliegenden  Ausgabe  der  Antigone 
die  auülserordentliche  Fehlerhaftigkeit  von  Dindorfs  Ausgabe  an.  Ueber 
diese  wird  das  Urtheil  gefällt:  „Rem  longe  secus  cecidisse  (nämlich,  als 
als  man  nach  der,  Dindorf  zu  Gebote  stehenden,  von  Dübner  besorgten 
Collation  des  Laurentianus  erwarten  konnte)  evenisseque,  hodie  ut  nuUa 
facile  editio  corruptior  atque  deformior  extaret  Dindorfiana,  si  quis  est  in 
Sophocle  paulo  versatior  qui  non  ipse  usu  compertum  habeat,  hac  nostra 
editione,  quae  ducentis  paene  locis  ab  illa  distat,  faciam  ut  intellegat". 
Hierauf  werden  die  Fehler,  von  denen  nach  Herrn  Seyffert's  Urtheile  Din- 
dorfs Ausgabe  strotzt,  in  Classen  eingetheilt  und  für  jede  etliche  Beispiele 
zum  Beweise  gebracht  (Vorrede,  S.  Vü— XÜ).  Dies  geringschätzige  Urtheil 
ist  unseres  Erachtens  unbillig.  Ref.  hatte  allerdings  in  seinen  „Beiträgen 
zur  Kritik  und  Erklärung  des  Sophokles"  auch  öfters  Veranlassung,  Din- 
dorfs unbegründeten  Ansichten  entgegenzutreten  (vgl.  die  Bemerkungen 
zu  £1.  Id2  Ant.  59,  231,  577  ff.  u.  a.)  und  er  stimmt  auch  an  vielen  an- 
deren Stellen,  die  in  den  „Beiträgen**  nicht  besprochen  werden,  mit  Din- 
dorf theils  in  kritischer,  theils  in  exegetischer  Hinsicht  nicht  überein;  aber 
trotzdem  ist  er  weit  davon  entfernt,  Dindorfs  Ausgabe  für  eine  solche 


*)  So  treffen  wir  S.  VI  folgenden  Ausdruck  übertriebener  Bescheiden- 
heit an:  „Postremo  ex  omnibus  dissensionibus,  ad  quas  ubique  vel 
naturae  vitio  vel  cupiditate  quadam  animi  facilius  vocamur,  hoc  unum 
debet  hauriri  imprimique  animis  certissimae  scientiae,  viam  veritatis 
multorum  semper  erroribus  obstructam  atque  im^ditam  esse  neq^ue 
quemquam  ruisso  mortalium,  qui  si  quid  aliquando  in- 
venent  veri,  id  süa  potius  sapientia  quam  aliorum  vani- 
tate  (!)  consecutus  sit. 
ZolUobrirt  f.  d.  OiUr.  Oymn.  186A.  IX.  n«ft.  44 


660  Sophocl  Antig,  ed,  M,  Seyffert.,  ang.  v.  J.  Kvidäla, 

Carricatur  einer  Ausgabe  anzusehen,  wie  sie  Hrn.  S.  erscheint;  und  obzwar 
wir  einerseits  Nauck's  ürtheil  ^)  fiir  zu  günstig  halten,  können  wir  uns  doch 
anderseits  noch  viel  weniger  Hrn.  S.'s  wegwerfendem  ürtheil  anschliersen. 
Hr.  S.  sagt,  dass  seine  Ausgabe  von  der  Dindorfs  an  fast  200  Stellen  sich 
unterscheide.  Diese  Differenz  würde  nur  dann  als  giltiger  Verdammnngs- 
grund  gegen  Dindorfs  Ausgabe  gebraucht  werden  können,  wenn  die  üeber- 
zeugung  des  Hm.  Verf.'s,  dass  er  an  allen  diesen  Stellen  im  Rechte,  Din- 
dorf  dagegen  überall  im  Unrechte  sei,  begründet  wäre.  Aber  unter  diesen 
200  Fällen,  in  denen  zwischen  den  beiden  Ausgaben  ein  Unterschied  statt- 
findet, gibt  es  Tiele,  vielleicht  die  Hälfte  (eine  genaue  Zählung  haben  wir 
freilich  nicht  vorgenommen),  in  denen  unserer  Ansicht  nach  Dindorf  gegen 
den  Hm.  Verf  im  Rechte  ist.  Wir  können  nicht  umhin,  auf  das  Sünden- 
register, das  Hr.  S.  in  so  schroffer  Weise  Dindorf  vorhält,  näher  einzu- 
gehen, um  die  oben  hingestellte  Behauptung,  Hm.  S.'s  Ürtheil  sei  unbillig, 
zu  begründen.  Wir  glauben  dies  um  so  eher  thun  zu  können,  als  sich 
dabei  die  Gelegenheit  ergeben  wird.  Hm.  S.'s  eigene  Leistungen  zu  be- 
sprechen. 

Die  Unbilligkeit,  mit  welcher  Hr.  S.  über  Dindorfs  Ausgabe  urtheilt, 
erhellt  am  klarsten  daraus ,  dass  Dindorf  unter  anderem  in  vollem  Ernste 
auch  das  zum  Vorwurfe  gemacht  wird,  Conjecturen  nicht  selbst  gemacht 
zu  haben,  welche  Hr.  S.  selbst  gemacht  hat.  S.  YHI  lesen  wir  nämlich  in 
der  Reihe  der  Vorwürfe  auch  diesen:  ^Non  vidit  vemm  facillime  elid  posse 
ex  eiusdem  (nämlich  des  Cod.  Laur.)  scripturis  leviter  cormptis  211  xQ^tJv, 
376  tlfjKfivooüi  (sie  pr.  m.),  519  rovrovi,  578  ix  dk  räa^e  XQ^  ^^'  Ö55 
noXvVf  941  ßcca^Mtt,  1098  Xax€iv,  innumerabilibusque  (!)  aliis,  quae  quoniam 
etiam  in  apographis  depravata  sunt,  nunc  omitto**.  Angenommen,  aber  nicht 
zugegeben,  diese  Conjecturen  Hm.  S.'s  seien  wahre  Emendationen',  war 
Hr.  S.  berechtigt^  Dindorf  einen  Vorwurf  daraus  zu  machen,  dass  er  nicht 
glücklich  genug  war,  ihm  die  Conjecturen  xvQ€lv  (211),  afAifivotav  (376), 
xoivovg  (519),  ev  t^erilg  J^  xQn  (^'^^)  ^*  ».  w.  vorwegzunehmen?  Ist  denn 
Hr.  S.  seiner  Sache  so  sicher,  dass  er  behaupten  könnte  und  wollte,  es  sei 
keinem  Nachfolger  mehr  möglich  „verom  elicere  ex  Laurentiani  scripturis 
leviter  cormptis"?  Und  wenn  er  dies  nicht  behaupten  kann  und  nicht  be- 
haupten will,  muss  er  da  nicht  im  vorhinein  sich  darauf  geüasst  machen, 
dass  ein  glücklicher  Nachfolger,  dem  dasselbe  an  anderen  Stellen  gelingen 
kann,  was  Hrn.  S.  nach  seiner  Meinung  an  den  angeführten  Stellen  gelungen 
ist,  denselben  Vorwurf  machen  könnte,  den  er  jetzt  Dindorf  macht?  Und 
wamm  macht  er  diesen  Vorwurf  gerade  Dindorf?  Derselbe  trifft  ja  ebenso 
alle  die  Kritiker,  die  sich  seit  Veröffentlichung  der  Dübner'schen  CoUation 
mit  der  Kritik  der  Antigone  befasst  haben;  denn  keiner  von  ihnen  verfiel 
auf  die  Conjecturen,  die  Hr.  S.  an  den  genannten  Stellen  macht  und  in  den 
Text  aufnimmt.  Uebrigens  sind  die  Aenderungen  theils  unnöthig,  theils 
sogar  unnöthig  und  unrichtig  zugleich;  nur  zwei  derselben  sind  möglich, 
aber  auch  nur  möglich;  als  evidente  Emendationen  können  sie  nicht  be- 
zeichnet werden. 


^)  Jahn's  Jahrb.  1862.  Bd.  85.  S.  153  ff. 


Sophod,  Antig.  ed,  M.  Sey/fert.,  ang.  v.  J.  Kvüdla,  9S1 

Diese  zwei  möglichen  Aendenmgen  sind  die,  welche  im  V.  211  und 
941  gemacht  werden.  An  der  ersten  Stelle  hat  L  aoi  tuvt*  a(tiax€i,  not 
Mivoixifog  Kq^oxv  (apogr.  Kq^ov),  t6v  rySf  dvavow  xal  tov  ev^evrj  ttoIh. 
Diese  Ueberlieferung  ist  allerdings  corrupt;  denn  die  Annahme,  dass  der 
Accnsativ  mit  uQiaxu  zufolge  einer  Construction  x«r«  avveaiv  (als  hätte 
dem  Dichter  vorgeschwebt  au  raura  öimaai  voug)  verbunden  sei,  ist  ein 
höchst  unwahrscheinliches  Auskunftsmittel.  Hr.  S.  nun  schreibt  für  Kq^üjv 
mit  einer  allerdings  nicht  bedeutenden  Aenderung  xvQiTv,  wovon  der  Acc. 
lavra  als  Object  anhängen  würde.  Aber  diese  Aenderung  ist  nicht  die  ein- 
zige Möglichkeit.  Ebenso  gut  möglich,  ebenso  scharfsinnig  und  äuX^rlich 
noch  wahrscheinlicher  ist  Dindorfs  Aenderung,  der  Kqiov  beibehält  und 
im  nächsten  Verse  xal  in  xdg  verändert  Eine  andere  Möglichkeit  hat  schon 
Scaliger  wahrgenommen,  der  nach  V.  211  eine  Lücke  annahm.  Ebenso 
wäre  die  Annahme,  dass  V.  212  eine  Interpolation  ist,  nicht  unmöglich. 
Im  Hinblick  auf  diese  möglichen  Fälle,  denen  sich  sicherlich  noch  andere 
anreihen  lassen,  können  wir  Hrn.  S.*s  Ueberzeugung ,  seine  Conjectur  sei 
die  sichere  Emendation,  nicht  theilen.  —  Gefallig  ist  im  V.  941  die  Aen- 
derung TT^y  ßteadu^icv  fjLovvr\v  loinriv,  ZU  welcher  Emperius  dem  Hm.  Vf. 
den  Weg  gewiesen  hatte.  Aber  die  Ansicht  Dindorfs,  der  V.  941  streicht, 
schreiben  wir  nicht  ohne  Grund  einen  ebenso  hohen  Grad  der  Wahrschein- 
lichkeit ZU.  —  Entschieden  unrichtig  ist  die  Aenderung  im  V.  376.  Hr.  S. 
glaubt  in  der  Ueberlieferung  des  L  it/uifivood},  die  nichts  weiter  als  ein 
Schreibfehler  für  dfjufivob}  ist,  die  echte  Leseart  t^fitfirodiv  entdeckt  zu 
haben,  und  sieht  sich  deshalb  veranlasst,  im  folgenden  Verse  ro<f«  in  rore 
zu  verändern.  Die  so  gestaltete  Stelle  erklärt  er:  „qui  nuper  (?)  in  pro- 
digium  ambiguus  essem,  quomodo  nunc  postquam  scio  esse,  haue  Antigonam 
esse  negem?"  Diese  Aenderung  und  Erklärung  ist  aus  vielen  Gründen  un- 
statthaft, die  hier  zu  entwickeln  zu  weit  führen  würde;  wir  bemerken  nur, 
dass  t6t€  hier  die  vom  Hm.  Verf.  geforderte  Bedeutung  nicht  haben  kann 
und  dass  Stellen,  wie  El.  278  keine  ausreichende  Analogie  darbieten.  — 
Unnöthig  und  unwahrscheinlich  ist  die  Conjectur  im  V.  519  o/noig  o  y 
^A^i\q  Toiig  vo/novg  xoivovg  no&H,  Einzig  richtig  ist  tovg  vojnovg  laoug, 
was  Dindorf  mit  richtigem  Getlihl  und  guter  Begründung  aufgenommen 
hat;  ein  evidentes  Zeugnis  für  die  Richtigkeit  von  Tüovg  bietet  das  folgende 
raog  (V.  520)  dar.  Vgl.  meine  Erörterung  im  2.  Hefte  der  Beitr.  S.  67  ff. 
Ebenso  schreibt  der  Hr.  Verf.  sehr  mit  Unrecht  im  V.  578  tv  dentg  ^k 
XQ^  ywaixng  ilvm  xiia^e.  Auch  Dindorf  hat  an  dieser  Stelle  den  Text 
mit  greller  Willkür  veranstaltet.  Hm.  S.'s  Aenderung  ist  den  Schriftzügen 
nach  weniger  gewaltsam,  ja  sogar  sehr  unbedeutend,  aber  sicherlich  un- 
nöthig (vgl.  meine  Verthcidigung  der  Ueberlieferang  II,  S.  100  ff.)  und 
sprachlich  gewagt  ißixitg  soll  «  St^ifiivtig  sein;  aber  bekanntlich  ist  der 
Gebrauch  der  einfachen  Verbaladjectiva  im  Sinne  eines  Part.  perf.  pass. 
auf  wenige  Fälle  beschränkt)  und  dem  Sinne  nach  unrichtig ;  denn  gewiss 
hat  Kreon  sich  mit  dem  Befehle,  die  beiden  Mädchen  im  Hause  zu  be- 
wachen, begnügt.  An  eine  Fesselung  ist  nicht  im  geringsten  zu  denken. 
Auch  würde  Antigene  bei  ihren  Klagen  V.  806  ff.  gewiss  nicht  unterlassen 
haben,  ihre  Fesselung,   wenn  eine  solche  stattgefunden  hätte,  als  Beweis 

44* 


65t  Sophoel.  ÄnÜg.  ed.  M.  Seyffert.,  ang.  y.  J.  KvUtaa. 

der  schmaclivollen  Behandlung  hervorzuheben.  —  Die  Conjectur  im  V.  855 
{noXvg  für  noXvv  oder  nolv;  jenes  bietet  i,  dieses  die  übrigen  Handschriften, 
mit  Ausnahme  von  Lb)  ist,  wenn  man  auch  die  Richtigkeit  des  von  Hm.  S. 
nach  dem  Vorgange  anderer  an  dieser  Stelle  angenommenen  Gedankens 
gelten  lassen  wollte,  sprachlich  gewagt.  Die  einzige  Stelle  Od.  cf,  709,  an 
welcher  novlvg  als  Femininum  vorkommt,  ist  keine  sichere  Stütze  für  diese 
Coigectur.  Bei  Tragikern  findet  sich  von  den  Adjectiven  auf  vs  nur  ^Jlt;; 
als  Femininum  gebraucht,  ein  Wort,  bei  welchem  dieser  Gebrauch  leicht 
erklärlich  ist.  Dass  ein  Tragiker  auch  noXvg  —  noXli^  sollte  gebraucht  haben, 
ist  unglaublich.  Uebrigens  ist  auch  der  an  dieser  Stelle  angenommene  Ge- 
danke entschieden  unrichtig,  wie  ich  im  3.  Heft  meiner  Beiträge  (das  sich  un- 
ter der  Presse  befindet)  dargethan  habe.  —  Die  Aenderung  endlich  im  V.  1098 
(Iw^fti',  L  hat  Xaxnv,  die  übrigen  Codd.  Kq(ov)  ist  unnöthig.  Die  üeber- 
lieferung  des  L  kann  aufrecht  erhalten  werden,  wenn  man  den  Satz  als 
Frage  nimmt.  Der  schüchterne  Chor  wagt  es  noch  nicht,  Kreon  entschieden 
zur  fvßovX(a  aufzufordern,  sondern  fragt,  ob  er  tvßovXCag  (gute  Rath- 
schläge;  der  Plural  auch  bei  Aesch.  2,  75,  freilich  in  anderem  Sinne)  aus- 
sprechen solle,  er  wartet  erst  die  Erlaubnis  ab.  Uebrigens  kennen  wir 
keine  Stelle,  an  der  ivßovXCav  Xafxßttvuv  oder  ßovXfiv  Xafißdviiv  in  dem 
hier  erforderlichen  Sinne  vorkäme,  und  wir  möchten  Hm.  S.'s  Conjectur 
für  einen  Latinismus  halten. 

S.  XI  tadelt  Hr.  S.  auch  das  als  einen  Fehler  der  Ausgabe  Din- 
dorf 's,  dass  er  an  einigen  Stellen  aus  den  Schollen  nicht  die  echte  Leseart 
emiert  hat.  „Mtiltas  ex  illius  interpretatione  et  praeclaras  scriptnras  vel 
ab  aliis  iam  ductas  esse  vel  duci  etiam  posse  ne  Dindorfius  quidem  igno- 
ravit, . . .  scd  idem  tarnen  multo  plura  neglexit  vel  ab  aliis  iam  inventa . . . 
vel  ad  hoc  tempus  praetermissa,  ut  612  (nahv),  961  {yX^oatfag), 
1301  (o^vTrXrjxTogy.  Auch  dieser  Vorwurf  ist  unbillig.  Angenommen,  Hr.  S. 
hätte  an  diesen  Stellen  wirklich  die  echte  Leseart  aus  den  Schollen  restitu- 
iert, so  wäre  er  dennoch  nicht  berechtigt  gewesen,  Dindorf  (und  implicite 
auch  allen  anderen  Herausgebern  und  Kritikern  der  Antigone)  einen  Vor- 
wurf daraus  zu  machen,  dass  es  ihm  nicht  gelungen  ist,  an  diesen  Stellen 
denselben  glücklichen  Griff  zu  machen.  Gewiss  wird  Hr.  S.  nicht  behaupten 
wollen,  er  habe  die  Schollen  behufs  der  Textesgestaltung  vollständig  aus- 
genutzt und  den  Nachfolgern  bleibe  in  dieser  Hinsicht  nichts  mehr  zu 
thun  übrig.  Was  nun  diese  drei  mit  Hilfe  der  Schollen  vorgenommenen 
Aendemngen  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  betrifit,  so  sind  wir  der 
festen  üeberzeugung ,  dass  sie  nicht  richtig  sind.  Hr.  S.  schreibt  to  t* 
inena  xal  to  juiXXov  xal  ro  nttXiv  InuQxiaH  vo/nog  8^  und  ergänzt  zu 
naXiv  das  Part.  ^iXXm\  Dass  diese  Ergänzung  möglich  sei,  erscheint  uns 
unglaublich;  wir  halten  vielmehr  diese  Textesfassung  für  unverständlich 
und  unmöglich.  Aber  y^to  naXiv  sine  dubio  legit  scholiasta  sie  interpretatus 
TO  iao^fvov  xal  ju(t  fxfivo  fxiXXov  xal  naUv  laojusvov'^.  Mit  nichten! 
Der  Scholiast  erklärt  mit  to  laof^fvov  den  Ausdruck  to  Itthtk  und  mit 
der  Periphrase  xal  fin^  fxeh'o  fi^XXor  xal  naXiv  iao/Lierov  den  zweiten 
Ausdruck  xa)  t6  u^XXor.  Er  fand  es  bemerkenawerth ,  dass  auf  einen  die 
Zukunft  bezeichnenden  Ausdruck  (to  tTreiTa)  abermals  ein  ähnlicher  Aus- 


Sophod.  Antig.  ed.  M.  Seyffert.,  ang.  v.  J.  Kviöala.  65  S 

druck  (t6  fiÜXov)  folgt,  und  so  war  er  denn  bemüht,  diesen  letzteren  recht 
genau  zu  erklären  und  fügte  den  Worten  xal  /ust  ixeTvo  /u^XXov  den  gleich- 
bedeutenden Zusatz  x€tl  TtaXiv  ia6fA€vov  an.  Nur  dann,  wenn  der  Scholiast 
xal  nnliv  ^ilXov  geschrieben  hätte,  würde  gefolgert  werden  können,  dass 
er  x6  Ttdliv  las  und  fiiUov  ergänzte.  —  An  der  zweiten  Stelle  schreibt 
Hr.  S.  xftvog  in^yv(o  fAKviavg  -tpitvütv  tov  &i6v  iv  xiQJOfi(oiq  yXm(aagt 
wobei  xtQTOfi^oig  als  Substantiv  (ra  xiQtofjiut)  genommen  wird.  Die  Schollen 
bieten  freilich  den  Genetiv:  xelvog  iniyvta  tov  9i6v  x(QxofA(oiq  yltiaarig 

aig 
fiav(ag  timvojv.  Aber  xigiofiia  yltoaatjg  ist  unwahrscheinlich,  weil  der  Zu- 
satz yltaaarig  überflüssig  und  matt  ist;  es  gibt  keine  anderen  xi^iofAut 
als  xtQTojnia  yloiaatjg;  und  wir  glauben,  dass  Soph.,  wenn  er  schon  die 
homerische  Beminiscenz  hier  hätte  anbringen  wollen ,  sich  ganz  an  Homer 
gehalten  haben  würde.  Möglicherweise  ist  ylutoatig^  wie  Dindorf  glaubt, 
nichts  als  ein  Schreibfehler  für  yXtaaamg.  Die  Einwendung  des  Hrn.  Verf. 
gegen  yXuaaaig  „plurali  numero  quis  yhoaaag  dixerit  dicta  non  novi**  ist 
von  keinem  Belang.  Bekanntlich  wird  im  Griechischen  yXdaau,  ebenso  wie 
in  anderen  Sprachen  die  entsprechenden  Wörter,  metonymisch  in  der  Be- 
deutung „Sprache*'  gebraucht;  folglich  konnte  vermittelst  derselben  Me- 
tonymie auch  yXdiaaai  zur  Bezeichnung  wiederholter  Reden  des  Lykurgos 
gebraucht  werden.  Vgl  Verg.  Aen.  3,  361  volucrum  linguas.  Phaedr.  1, 
23,  5,  sowie  yXdHaaa  in  der  Bedeutung  „Provincialismus ,  veralteter  Aus- 
druck**. —  An  der  dritten  Stelle  ist  die  Aenderung  ö^vnXrfxiog  sehr  zweifel- 
haft Sie  könnte  nur  dann  für  eine  sichere  Emendation  ausgegeben  werden, 
wenn  die  Emendation  des  ganzen  Verses  Hrn.  S.  gelungen  wäre.  Aber,  was 
Hr.  S.  schreibt,  fcT*  o^inXtixjog  ^J«  (foivCav  dngl^  Xvh  xtXatva  ßX^tfaQcc, 
ist  offenbar  unrichtig.  „Perditum  luctu  regem  vocat  nuntius  ad  moriendi 
aspectum  verbo  /cT^.**  Der  Sinn  dieser  Bemerkung  ist  uns  vielleicht  nicht 
recht  klar.  Oder  hat  Hr.  S.  wirklich  gedacht,  dass  Eurydike  erst  jetzt 
vor  Eroon*8  Augen  verscheidet  (vocat...  ad  moriendi  aspectum)?  Wir 
finden  diese  Annahme  so  ungerechtfertigt,  so  sonderbar,  dass  wir  lieber 
glauben  wollen,  den  Sinn  der  Bemerkung  nicht  richtig  erfasst  zu  haben. 
Unserer  Ansicht  zufolge  kann  es  gar  nicht  zweifelhaft  seiu,  dass  der  Bote 
hier  etwas  vergangenes  erzählt,  dass  Xvh  historisches  Präsens  ist, 
gerade  so  wie  xajxvaaaa  und  ii^vfxvriaaaa  auf  die  Vergangenheit  sich  be- 
ziehen. Unverständlich  ist  uns  auch  dnQ(^.  Soll  es  mit  o^inXuxxog  oder 
mit  litt  verbunden  werden?  In  keinem  von  beiden  Fällen  vermögen  wir 
zu  errathen,  wie  die  bekannte  Bedeutung  von  ängl^  zu  den  andern  Worten 
stimmen  soll.  Für  o^vnXfixrog  beruft  sich  Hr.  S.  auf  das  Scholion  o^v^tixjog] 
oUlov  Xaßovaa  ifXrjyrjv.  Aber  der  Scholiast  hat  dabei  offenbar  nicht  an  die 
Wunde,  die  sich  Eurydike  beigebracht  hat,  gedacht;  denn  o^dav  Xaßovaa 
nXrjyrjv  wäre  für  die  Selbstverwundung  ein  höchst  sonderbarer  Ausdruck. 
Vielmehr  glaube  ich,  dass  der  Scholiast  mit  nXiiyii  den  Unglücksschlag 
(Haimon's  Tod)  bezeichnet  und  vermulhe  o^v^ijxTog  für  o^v&tixrog.  Juxvhv 
wird  bekanntlich  oft  vom  heftigen  und  plötzlichen  Schmerz  gebraucht  Auf 
o^vSfixTog^  d.  L  „von  scharfem  Stich  getroffen**,  um  mit  Böckh  zu  reden, 
würde  die  Erklärung  des  Scholiasten  sehr  gut  passen. 


654  Saphod.  Antig.  ed.  M.  Seyffert.,  ang.  v.  J.  Kviidia, 

S.  XU  wird  Dindorf  getadelt,  dass  er  Corruptelen,  die  er  hätte  ent- 
decken sollen ,  nicht  entdeckt  hat.  ^lam  vero  quid  dicam  . . .  quam  saepe 
quae  depravata  esse  vel  alii  cognoverant  vel  ipse  debebat  cognoscere, 
ea  intacta  reliquerit?**  Offenbar  auch  ein  unbilliger  Vorwurf!  Es  ist 
eine  bekannte  Erfahrung,  dass  man  oft  bei  zehnmaligem  Lesen  einer  Stelle 
alles  glatt  und  in  der  Ordnung  findet,  während  man  das  eilftemal  plötz- 
lich, vielleicht  bei  einem  oberflächlichen  Anblick,  Fehler  entdeckt,  welche 
bisher  übersehen  zu  haben  man  sich  wundert.  Und  heutzutage,  wo  zahllose 
Kritiker  an  zahllosen  Stellen,  die  gewöhnlich  für  richtig  überliefert  ge- 
halten werden,  Corruptelen  theils  mit  Recht,  thcils  mit  Unrecht  entdeckt 
haben,  ist  es  vollends  begreiflich  und  leicht  zu  entschuldigen,  wenn  einem 
Kritiker  an  der  einen  oder  anderen  Stelle  eine  wirkliche  Corruptel  ent- 
geht, wie  sie  vielen  anderen  vor  ihm  entgangen  ist  und  vielleicht  vielen 
anderen  nach  ihm  auch  entgehen  wird,  bis  endlich  einem  Nachfolger  es 
glückt,  sie  wahrzunehmen.  Es  geziemt  also  in  dieser  wie  in  anderen  Hin- 
sichten human  über  fremde  Leistungen  zu  urtheilen,  wofern  nur  nicht 
Nachlässigkeit  oder  unverzeihliche  Ignoranz  im  Spiele  ist.  Sehr  richtig 
bemerkt  der  Hr.  Verf.  selbst  S.  VI:  „Quam  modestos,  quam  in  iudicando 
aequos,  quam  denique  humanos  d«ceat  esse  eos,  qui  se  criticos  volunt,  quis 
est  quin  intellegat?  Enimvero  veri  amans  nemo  est,  qui  falsa,  modo  verum 
serio  sequantur,  süperbe  fert  aut  hinc  illius  lucem  accendi  ingrate  obli- 
viscitur".  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dass  diese  Mahnung,  die  im  Prindp 
von  allen  als  richtig  anerkannt  wird,  auch  in  der  Praxis  befolgt  würde. 

Gehen  wir  nun  zur  Beurtheilung  der  vorliegenden  Ausgabe  selbst 
über.  Im  ganzen  kann  Ref.  über  dieselbe  das  ürtheil  fallen,  dass  aus  ihr 
für  Kritik  und  Exegese  der  Antigene  ein  nicht  unerheblicher  Gewinn  er- 
wachsen ist,  obzwar  die  Mehrzahl  der  aufgestellten  Conjecturen  und 
eine  nicht  geringe  Zahl  der  mitgetheilten  exegetischen  Bemerkungen 
nicht  annehmbar  ist. 

Beachtenswerth  und  wahrscheinlich  sind  nach  unserer  Ansicht  von 
den  ziemlich  zahlreichen  neuen  Conjecturen,  welche  diese  Ausgabe  bie- 
tet, nur  folgende.  An  der  vielbesprochenen  Stelle  V.  351  schreibt  Hr.  S. 
dvttaaercu.  Ref.  hat  dieselbe  Conjectur  bereits  vor  mehreren  Jahren  in 
dieser  Zeitschrift  (1859,  S.  606)  aufgestellt  und  neuerdings  (Soph.  Beitr.  I, 
S.  101)  empfohlen.  Statt  n//^do(/>(^i  C^'yv,  wie  Hr.  S.  nach  Kayser's  Con- 
jectur schreibt,  hält  Ref.  d/LKfdoifov  C^'yt^  für  wahrscheinlicher,  wie  er 
a.  a.  0.  S.  102  f.  darzuthun  versuchte.  —  Für  richtig  halten  wir  ferner 
die  im  V.  528  gemachte  Conjectur  vecfürj  d'  6(fgv(ov  ineQuifiaroev  (für 
6(f>Qv(ov  iniQ  cä/Ltarotv)  (i^&og  tda/vvitf  zu  deren  Begründung  Hr.  S.  be- 
merkt: „Admonitus  et  conlocatione  praepositionis ,  quam  Lehrsius  primum 
notavit,  et  attributo  (df^arosv  per  se  admodum  ambiguo  scripsi  id,  quod 
res  {ala/vv€i)  flagitat,  vTreQcu/LtctToev,  in  quod  ipsum  Schneidewini  inter- 
pretatio  cum  maxime  cadit.  'OtfQvtov  viif>og  simpliciter  posuit  Eurip.  Hipp. 
173".  —  Im  V.  718  schreibt  Hr.  S.  dXl"  eixe  &v/u(^  xal  jueTccaiaaiv  ^tSoig 
(überliefert  ist  (T/cTot').  Von  den  zahlreichen  Conjecturen,  die  an  dieser 
Stelle  versucht  worden  sind,  hält  Ref.  diese  für  die  beste  (vgl.  meine  Beitr. 
3,  S.  13  f.),  ja  er  steht  nicht  an,  sie  für  eine  sichere  Emendation  zu  er- 


Sophod,  Antig.  ed.  M.  Seyffert.,  ang.  v.  J.  Kvidala.  655 

klären.   Aber  die  Priorität  dieser  Emendation  gebührt  G.  Hennann.    Von 
Hermann  aber  glaubt  Ref.  bezüglich  der  Erklärung  von  ^vfi^t  abweichen 
zu  müssen  und  er  stimmt  Wunder  bei  (a.  a.  0.).  In  Betreff  der  von  Hm. 
S.  gegebenen  Erklärung  des  xaC  (postulat  filius,  ut  est  modestissimus,  a 
patre,  ut  cedat  nihil  aliud  faciens  quam  ut  iratum  animum,  id  quod  suapte 
natura  poscerc  videtur,  in  contrarium  se  sinat  vertere.  Vis  igitur  particulae 
xal  eadem  est  quae  Ai.  345  ra/  av  yciQ  aiStü  xdn   i/nol  ßXi^fag  Xaßoi), 
deren  Berechtigung  wir  nicht  einzusehen  vermögen,  verweisen  wir  auf  die 
von  uns  a.  a.  0.  gegebene  Erläuterung,  —  Sehr  gefällig  ist  die  Conjectur 
os'iv  ßXifXfiuai  ntnjHq  (V.  782),   die  man  nach  der  vom  Hm.  Verf. 
gegebenen  Begründung  wol  für  eine  glückliche  Emendation  halten  darf. 
Früher  (Jahn's  Jahrbb.  87.   S.  497)  hatte  Hr.   S.   6V   tv  y'    o/ufiaat 
n(7tJHq  vorgeschlagen,  welche  Conjectur  er  mit  Recht  aufgegeben  hat,  da 
die  Partikel  yi  geradezu  unerträglich  ist.  ~  Ebenso  ist  im  V.  1149  die  Con- 
jectur ncil  Jtov  (für  Jtog)  yivi&Xov  sehr  ansprechend;  denn  in  der  Strophe 
muss  jedenfalls  xal  vvv  geschrieben  werden;  xal  vw,  was  Böckh  um  der 
Responsion  willen  vorschlug,  ist  offenbar  unstatthaft. 

Die  übrigen  Conjecturen  sind  theils  unnöthig,  theils  unwahrschein- 
lich, manche  auch  aus  sprachlichen  oder  inneren  Gründen  unrichtig.    So 
ist  z.  B.  gleich  die  erste  Conjectur  unstatthaft.    Hr.  S.  glaubt  die  viel- 
besprochene Stelle  23  ff.  durch  die  einzige  Aenderxmg  xi^fjOTog  (f^r  xQfio&€(g) 
heilen  zu  können,  welche  Conjectur  er  bereits  früher  (a.  a.  0.  S.  483)  auf- 
gestellt hat.  XQtjOTog  soll  bedeuten  „virum  probum  se  praebens**.  —  Ebenso 
unmöglich  ist,   was  V.  138  f.  geschrieben  wird:   (7x€  J*  ällog  t«  /li^v, 
aXXa  <f*  ^/r*  uXXotg  Imyto^a  arvifMi^itiv  fxiyttg  ^A^rig^   was  erklärt  wird: 
,sed  haec  (impetum  eins,   qui  Ltinvu  ^i^nalg  Ix^Catwv  dvifuov)   alius 
cohibuit,  alia  autem  inter  alios  dispensavit  prae  se  agens  et  adurgens  Mars**. 
Unter  aXXog  soll  Zeus  verstanden  werden:    JiXXog,  quem  lovem  fuisse 
novimus,  nQoXfinnxiog,  ut  vulgo,  refertur  ad  Martem**.  Diese  Conjectur  und 
Erklärung,   die  Hr.  S.  auch  schon  früher  (a.  a.  0.  S.  484)  veröffentlicht 
hat,   ist  so  unstatthaft,   dass  sie  einer  Widerlegung  nicht  bedarf.  —  Im 
V.  156  wird  xq(C(ov  zur  Ergänzung  der  metrischen  Lücke  eingeschoben  und 
Kq^chv  6  Mivoix^üig  xQi((ov  vioxfJLog  erklärt  „rex  recens  factus**.    Kq%ltov 
wäre  an  und  für  sich  höchst  anstöfsig,  hier  ist  es  neben  Kqitav  doppelt 
anstöfsig  und  vollkommen  unstatthaft;  denn  man  wird  doch  dem  Chor  nicht 
zumuthen  wollen,  dass  er  dies  frostige  Wortspiel  beabsichtigt  habe.  —  Im 
V.  241  ist  die  treffliche   handschriftliche  üeberlieferong  iv  yi  <yTo/«f<t 
(vgl.  über  den  Sinn  derselben  meine  ßeitr.  2.  S.  25  ff.)  durch  die  Conjectur 
ajox(^H  verdrängt  worden.  — Im  V.  263  wird  die  cormpte  Ueberlieferung 
ÄXX"  ^(f€vy€  t6  fi^  Miviu  verändert  in  dXX*   itpfi  t6  ^^  dSivai.    Eine 
ähnliche  Conjectur  hatte  Göttling  gemacht,  tlXV  lif'aaxe  jurj  ei^^vM,  welche 
sich  von  der  des  Hm.  Vf.  zu  ihrem  Vortheile  dadurch  unterscheidet,  dass 
der  anstöfsige  Artikel  fehlt.  —  V.  593  ff.   schreibt  Hj.  S.   «e/«'"«   '« 
Attfi^ax^äp  6 6 jLKov  (in  der  Vorrede  aber  sagt  er:  „pro  Jo^ow^  quod  metro 
flagitante  (?)  pro  otx(ov  substitui,   nunc  malim  rox^wy'*)    oQtofiav  mi^tcr'^ 
ixifvvTtJV  inl  nrifjiaai  7iCnT0VT\  ovä'  dnaXXdaau  yivtdv  yivog,   «U* 
Inilytv  ^e«y  t^,  was  den  Sinn  geben  öoU,  »mala  quae  in  domo  Labda- 


656  Sophod.  Antig.  ed.  M.  Seifffert.,  ang.  v.  J.  Kvicäla. 

cidarum  versantur  antiquitus  in  mala  cadunt  s.  evadunt  postgeDitonmi". 
Und  über  das  treffliche  handschriftliche  ^Qt^nn  wird  bemerkt:  „Ab  hoc 
perpetuae  calamitatis  a  familia  ad  familiam  propagatae  descriptione  alienis- 
sima  (!)  imago  est  snbruendi,  qnae  non  ad  postgenitomm  seriem  (ytreav 
y^vo^),  sed  duutaxat  ad  domos  apta  esset;  at  domomm  cogitationem  ei 
primo  autistrophae  versu  mente  repetere  molestissimum  est**.  Natürlich 
ist  als  Object  y^vog  zu  denken,  und  zwar,  da  o«;J*  dnaXXdaaei  yevedv 
yivog  vorausgeht,  in  dem  Sinne  „jede  Generation**.  Inwiefern  das  in  Iq^Itih 
liegende  Bild  an  unserer  Stelle  unpassend  sein  soll,  ist  nicht  abzusehen. 
Der  Hr.  Vf.  gibt  keinen  Grund  an.  Oder  wollte  er  etwa  mit  den  Worten 
„ab  hac  perpetuae  calamitatis  a  familia  ad  familiam  propagatae  de- 
scriptione" einen  Grund  angeben?  Aber  der  Umstand,  dass  hier  die  Schil- 
derung einer  „perpetua"  und  „a  familia  ad  familiam  propagata  calamitas" 
stattfindet,  berechtigt  doch  nicht  im  mindesten  zu  einem  Zweifel  an  der 
Angemessenheit  und  Echtheit  von  ^Qt^ufi^.  Fortwährend  ist,  will  der  Dichter 
sagen,  irgend  ein  Gott  damit  beschäftigt,  eine  Generation  der  Labdakiden 
nach  der  anderen  zu  vertilgen,  wie  wenn  ein  Holzhauer  (vom  Fällen  der 
Bäume  nämlich  ist  das  Bild  entlehnt)  einen  Baum  fällen,  und  wenn  an 
dessen  Stelle  ein  neuer  emporwächst,  wiederum  an  diesen  die  Axt  legen 
würde.  Ucbrigens  spricht  für  iQtfnei.  unverkennbar  der  Umstand,  dass  in 
den  folgenden  Versen  dasselbe  Bild  sich  findet,  wozu  offenbar  durch  iQe^nu 
Veranlassung  gegeben  ist  (man  beachte  yttQ  im  V.  599).  —  Sehr  auffallig 
ist  auch  die  Conjectur  V.  648  /uri  vvv  not\  ta  not,  xng  (pQivag  x^^^ 
rjdovrjs  yvvaixog  ovvtx'  ixßdlrjg.  Xvrd  soll  für  /i/Jiyr  stehen.  Abgesehen 
von  der  Unglaublichkeit  dieser  Annahme  wäre  aber  auch  /vStiv  hier  un- 
möglich. Xv^rjv  und  das  lat.  temere  decken  sich  nicht  ganz;  hei  x^^^l^ 
ist  der  Begriff  der  Menge  („durcheinander**)  unerlässlich ;  hier  aber  haben 
wir  als  Object  rag  (fQivag.  —  Im  V.  687,  wo  die  handschriftliche  Ueber- 
lieferuug  lautet  yivono  fi^vruv  /dr^^fp  xaXdig  ^x^v,  schreibt  Hr.  S.  x^^^Qov, 
Als  Grund  gegen  die  Ueberlieferung  wird  angeführt:  „In  vulgata  scriptura 
quid  sit  xttXbig  ^/oy  admodum  obscurum  atque  incertum  est**.  Darauf  ist 
zu  erwidern,  dass  es  um  nichts  dunkler  und  unsicherer  ist  als  bei  der 
Conjectur  /«r^^or.  XäieQov  erhält  Licht  durch  die  vorausgehenden  Worte 
oTiüjg  av  firi  Xfyng  oQd^dig  rd^e;  auf  eben  diese  Worte  kann  sich  auch 
jlfar/^cfi  ebenso  gut  beziehen.  Der  Unterschied  ist  nur  der,  dass  x^t^^Qov 
speciel  im  Gegensatze  zu  rd^e  steht,  während  der  Gegensatz  von  x^^QV 
in  €fv  zu  suchen  ist.  Nach  Hrn.  S.'s  Conjectur  würde  der  Satz  vollständig 
lauten  yivoiro  fiivräv  /«rf^ov  Xeyofievov  (was  aus  l^yetg  zu  ergänzen  ist) 
xaXüig  ^or.  Nach  der  handschr.  Ueberlieferung  hat  man  zu  ergänzen: 
yivoiTo  fiivruv  x^^^QV  Xiyovrv  xaXtjg  Hx^v,  wozu  nicht  etwa  ri  als  Sub- 
ject  zu  denken  ist,  wie  manche  irrthümlich  meinen,  sondern  to  vir*  avrov 
(näml.  von  dem  €T€Qog)  Xfyofnvov.  Dass  die  Ueberlieferung  viel  besser  ist, 
als  die  Conjectur  ;f«r*(>oy,  kann  man  zuversichtlich  behaupten;  offenbar 
verlangt  av  einen  Gegensatz,  der  eben  durch  x^^^QV  gegeben  wird.  Aus 
diesem  Grunde  ist  auch  die  Leseart  /«r^(>(ü?,  auf  welche  das  Scholion  hin- 
weist, zu  verwerfen,  obzwar  sie  an  und  für  sich  einen  guten  Sinn  gäbe, 
Freilich  dürfte  man  keinesfalls  mit  dem  Scholiasten  erklären,  di/^^orpy  dk 


Sophoch  Antig.  ed.  M.  Seyffert.,  ang.  v.  J,  Kviiala.  657 

xal  h^Qtag  xalwg  ^^raßovUvaaadM,  sondern  zu  x^^^Q^  ^Äre  einÜEich 
UyofAivov  r»  zu  ergänzen.  —  In  hohem  Grade  unwahrscheinlich  sowol  in 
sprachlicher  Hinsicht  als  auch  hinsichtlich  des  Gredankenzusammenhanges 
iiit  die  Conjectur  V.  1035  xwv  vnai  yovovq  (überliefert  ist  rwr  <f*  vnu^ 
y^vovg)  i^TifinolfifAuv  xaxnnpo^ia^ai  naXtu  (s.  über  diese  Stelle  meine  Er- 
örterung im  3.  Hefte  der  Beitr.)*  —  Eine  unmögliche  Conjectur  macht  der 
Hr.  Verf.  im  V.  1118  xlvräv  og  d^^inug  tfVTaliav  (überliefert  ist 
'htik(av)  bezüglich  deren  er  sich  einer  grossen  Illusion  hingibt,  wenn  er 
sie  „certissima*'  nennt.  Alle  übrigen  Conjecturen,  wie  *IxaQiap,  Kt^aXiav, 
^HyaUttv  würden,  wenn  die  üeberlieferung  corrupt  wäre,  was  wir  nicht 
glauben,  den  Vorzug  vor  derselben  verdienen,  weil  sie  auf  der  richtigen 
Ansicht  beruhen,  dass  hier  ein  Eigenname  einer  Landschaft  unumgänglich 
erforderlich  ist.  Neben  fji(6ng  Ttayxoivotq  'Eleva^vittg  ^rfovg  iv  xoXnoig 
und  den  folgenden  Angaben  specieller  Lieblingsorte  des  Bakchos  ist  (fviaXiav 
unerträglich.  —  Ungerechtfertigt  ist  es,  dass  der  Hr.  Verf.  an  av&tg 
(V.  1204)  Anstofs  nimmt  und  ev&vg  schreibt.  Wenn  der  Dichter  sagt  xal 
Tvfißov  OQd-oxQitvov  olxifttg  /d-ovog  x^aamg  avS^ig  nqog  U&oaT^mtov 
xoQtjg  vvfupHQv  Z-ltäov  xotXov  iiafßaiyofÄtv,  so  bezieht  sich  ccu^t; 
natürlich  darauf,  dass  Kreon's  Diener  mit  ihrem  Herrn  früher  schon  einen 
Gang  gemacht  hatten,  nämlich  zu  dem  Orte,  auf  dem  Polyneikes'  Leiche 
lag  (iyto  J/  atp  noöayog  iano/^tjv  noaci  ntiCov  in  äx^v  V.  1196  f.). 
Und  so  könnten  wir  denn  auch  von  den  übrigen  Conjecturen  darthun,  dass 
sie,  wie  oben  gesagt  wurde,  theils  unnöthig,  theils  unwahrscheinlich,  manche 
auch  aus  verschiedenen  Gründen  unrichtig  sind. 

Günstigere  Resultate,  als  auf  dem  Gebiete  der  Conjecturalkritik,  hat 
der  Hr.  Verf.  durch  Aufnahme  mancher  gewöhnlich  mit  Unrecht  vernach- 
lässigter Lesearteu  des  Laurentianus  und  durch  Vertheidigung  der  hand- 
schriftlichen Üeberlieferung  an  solchen  Stellen,  wo  dieselbe  angefochten 
wird,  erzielt. 

So  wird  ohne  Zweifel  mit  Becht  im  V.  374  ^ijrf  fioi.  nach  L  ge- 
schrieben. Aller  Nachdruck  liegt  auf  noQiax^og  und  laov  tp^ovdiv.  Wenn 
man  /ui^t'  ifioC  schreibt,  so  erweckt  dies  die  Erwartung,  dass  ein  Gegen- 
satz zu  lfio£  folgen  soll.  —  Ebenso  wird  richtig  im  V.  386  die  Üeber- 
lieferung des  L  gegenüber  der  Leseart  der  anderen  Codd.  eig  6iov  gewahrt; 
vgl.  auch  meine  Bemerkung  zu  diesem  Vers  im  2.  Heft  der  Beitr.  —  Auch 
im  V.  575  ist  nach \L  'LMrjg  6  navötav  tovaöe  lovg  yd/noug  ifiol  mit 
Recht  der  Üeberlieferung  €ipv  vorgezogen  worden.  —  Im  V.  326  ist  ohne 
Zweifel  r«  dewd  x^QÖri  ntj/uovog  i^yu^tTM  richtig  und  änld  eine  alte, 
aber  unglückliche  Conjectur  (vgl.  Beitr.  2,  S.  39  £).  —  üeber  mxQag 
(V.  423  xuvttxüjxvei  ncxQug  oQvi&og  o^lv  tpx^yyov)  wird  bemerkt:  nixQagf 
quod  est  in  libris,  recte  se  habet:  avis  <fMc  ri/LKogiav,  ut  ait  Arist.  Rhet. 
I,  10,  8,  acerba  i.  e.  exacerbata  est,  non  lugubris,  ut  volunt,  vel  maesta**. 
In  derselben  Weise  hat  Ref.  (a.  a.  0.  S.  57  f.)  die  Üeberlieferung  vertheidigt. 
—  Mit  Recht  wird  V.  630  iiTtdrag  Xtx^ojv  vmqaXywv  in  Schutz  genommen. 
„In  vv.  dnuing  X^x^iav  qui  de  adulterio  cogitandum  censent  idque  ipsi 
poötae  vitio  vertunt,  ingenio  certe  perperam  abutuntur.  Quae  sit  ista  fraus 
coniugio  facta,  quam  Haemon  qaeritur,  vel,  quod  magis  credo,  falsa  d9 


658  Soj^d,  ÄtUig.  ed.  M.  Seyffert.,  ang.  v.  J.  Kviöala, 

coniugio  spes  atque  opinio,  quis  sanus  non  intellegat?  Scholiasta  recte,  nt 
videtur,  vn^Q  rrjg  twv  lex^tov  dnoTv^^ag  «/^cJ^fvoj**.  In  dflr  That  hat  der 
Scholiast  durch  dnorvx^a  den  Sinn  gut  wiedergegeben.  Freilich  darf  man 
dndiag  Xixifov  nicht  verstehen  in  dem  Sinne,  dass  Haimon  Yon  Kreon  um 
die  Gattin  betrogen  wurde;  denn  das  konnte  der  furchtsame  Chor  nicht 
auszusprechen  wagen.  £s  bezieht  sich  vielmehr  dnaraq  darauf,  dass  Hai- 
mon's  HoflEhung  sich  als  trügerisch  erwies.  —  Gebührender  Mafeen  wird  der 
Angriff  auf  die  Ueherlieferung  im  V.  652  f.  (tC  yaQ  yivoit  av  Uxog  fjieTCot 
ij  (pdog  xaxog;  alXd  ntvaag  taaiC  re  dvö/Lievfj  fjtiB^fg)  zurückgewiesen,  und 
ehenso  V.  680,  den  Meineke  getilgt  wissen  wollte,   genügend  vertheidigi 

—  Ebenso  sind  wir  einverstanden  mit  der  Beibehaltung  der  Ueherlieferung 
im  V.  1090  (töv  vovv  t  dfiilvta  ttHv  (pgevaiv  fj  vvv  (piQei).  „Dubium  non 
est  quin  coniungenda  sint  verba  rov  vovv  rdiv  (fQ€vdiv  eadem  vi,  qua 
yveifirf  (fQtywv  Oed.  B.  524;  mentem  animi  item  dixisse  Latinos  dooent 
lexica".  Jene  Kritiker,  welche  tov  vovv  ruiv  (fQcvtHv  für  unmöglich  hielten, 
weil  sie  dieser  Verbindung  keine  andere  als  die  absurde  Bedeutung  „ Ver- 
stand des  Verstandes**  abgewinnen  zu  können  glaubten,  übersahen  unhegrif- 
licher  Weise,  dass  vovg  unzähligeraal  nicht  „Verstand",  sondern  die  ein- 
zelne concreto  Bethätigung  des  Verstandes,  die  einzelne  Ansicht,  das  ein- 
zelne Vorhaben  {yviü/xr],  votj/Lta)  bedeutet  und  dass  somit  vovg  in  dieser 
Bedeutung  ebenso  gut  mit  (fQtvaiv  verbunden  werden  kann,  wie  man  findet 
yvtofAf]  (f>Q€vtov  oder  rC/rre  cT^  aoi'^  tf^Xt  rixvoVf  ivl  (f^taX  tovto  v6r\fjia 
tnX%jo  (Od.  ß,  363),  womach  ja  auch  rdiy/i«  (fQcvdfv  gesagt  werden  könnte. 

—  Auch  V.  1156  wird  die  Ueherlieferung  ovx  ?<y^*  onolov  axavt^  av 
ttvd^^mnov  ß(ov  ovt*  aMaMfi^  liv  ovte  fiifjL\ptt(fitiv  nori,  die  ohne  Zweifel 
unantasthar  ist,  vertheidigt.  Vgl.  unsere  Erörterung  dieser  Stelle  im  3.  Hefte 
der  Beitr.  —  Ebenso  hält  der  Hr.  Verf.  mit  Recht  an  der  Ueherlieferung 
im  V.  1179  mg  cJcf'  ix^vrwv  rtiXXa  ßovXevuv  nttQa  fest.  „Si  integra  sunt 
verba  a  libns  prodita,  id  quod  minime  dubito,  nihil  possunt  valere  nisi 
hoc:  rehus  sie  se  habentihus  reliqua  deliherare  licet.  Reliqaa 
autem  post  caedcm  factam,  quae  quidem  in  deliberationem  veniant,  quaenam 
esse  putas  nisi  res  ad  maestitiam  regis  consolandam  et  ad  funus  faciendum 
necessarias?  Atque  id  ipsum  velle  nuntium  mihi  persuasum  est:  scd  ita  ille 
quod  vult  pronuntiat,  ut  et  homiuem  se  praebeat  pauIo,  ut  Plautino  maxime- 
que  proprio  vocabulo  utar,  delicatiorera,  quasi  penes  ipsum  sit,  deliberentne 
patres  nee  ne  —  nam  naga  dicit  —  et  vero  curiosum".  Ref.  hat,  he  vor  ihm 
noch  die  vorliegende  Ausgabe  zu  Gesichte  kam,  die  Ueherlieferung  (im 
3.  H.  d.  Beitr.)  vertheidigt  und  ersieht  jetzt,  dass  er  sich  hier,  sowie  ao 
einigen  anderen  Stellen  (V.  326.  351.  423.  429.  718.  1006.  1156),  in  fast 
vollständiger  Uebereinstimmung  mit  dem  Hrn.  Verf  befindet. 

An  einigen  Stellen  ist  der  Hr.  Verf.  zwar  der  handschriftlichen  üeber-  • 
lieferung,  aher  nicht  der  richtigen,  gefolgt.  Für  sehr  irrig  und  schädlich 
hält  Ref.  das  Vorurtheil  gegen  die  von  zweiter  (alter)  Hand  dargehotenen 
Lesearten  des  L,  welches  Vorurtheil  freilich  der  Hr.  Verf.  mit  den  meisten 
Kritikern  theilt.  „Alteram  manum,  quam  antiquam  vocat  Dübnerus,  aucto- 
ritate  ad  primam  aut  nulla  aut  non  magna  esse  eamque  fere  cum  apographis 
consentire,  ut  125,  130,  765.  1036,  aut  recta  cormpisse,  ut  569,  735,  non 


Sophod.  ÄfUig.  ed.  M.  Seyffert.y  ang.  v.  J.  Kviiäla.  659 

mnlta  emendasse  facile  apparef*.  Dies  geringschätzige  ürtheil,  das  man 
so  häufig  antrifft,  hat  Ref.  im  1.  Hefte  der  Beiträge  S.  10  ff.  dnrch  Bei- 
spiele aus  der  Elektra  zu  widerlegen  versucht  und  gelegentlich  auch  in 
den  Bemerkungen  zur  Antigene  (2.  3.  Heft  der  Beitr.)  auf  die  Nichtigkeit 
desselben  hingewiesen.  Es  ist  ein  grofser  Irrthum,  wenn  man  die  von 
zweiter  Hand  dargebotenen  Lesearten  flir  Conjecturen  ansieht;  sie  be- 
ruhen vielmehr  auf  Vergleichung  einer  von  dem  Original  des  Laur.  ver- 
schiedenen und,  wie  sich  beweisen  lässt,  vorzüglichen  Handschrift.  Freilich 
ist  gerade  bei  der  Antigene  die  Ausbeute,  die  sich  aus  der  von  zweiter 
(alter)  Hand  dargebotenen  üeberlieferung  machen  lässt,  viel  geringer  als 
bei  den  anderen  Tragödien,  wie  denn  überhaupt  die  Summe  der  von  dieser 
Hand  dargebotenen  Lesearten  in  der  Antigene  sehr  gering  ist.  Die  echte 
Leseart  bietet  diese  zweite  Hand  z.  B.  im  V.  125,  664,  1036  dar.  Im  V.  125 
muss,  wie  Bonitz  (2,  32  f.)  dargethan  har,  amnakov  dQaxovrog  gelesen 
werden,  wälirend  die  erste  Hand  die  Dative  bietet.  Ebenso  verdient  im  V.  664 
die  von  zweiter  Hand  dargebotene  üeberlieferung  roTg  xQarovaiv  Iwotl 
vor  toTg  xQcavvovaiv  votl  den  Vorzug  (vgl.  meine  Bemerk,  zu  dieser  Stelle 
im  3.  H.).  Ebenso  ist  im  V.  1036  xdxTrttfOQT&ajuai  ohne  Zweifel  die  echte 
Leseart  und  nicht  die  üeberlieferung  der  ersten  Hand,  wie  an  dieser  Stelle 
Hr.  S.  selbst  anerkennt. 

An  einigen  Stellen  hat  der  Hr.  Verf.  mit  unrecht  die  von  erster 
Hand  gemachten  Aenderungen  (wir  bezeichnen  sie  mitZr*)  verworfen  und 
das  was  der  Schreiber  des  Laur.  ursprünglich  geschrieben  (L)  aufgenommen, 
obzwar  er  im  Principe  mit  Dinderf 's  unzweifelhaft  richtiger  Ansicht,  dass 
die  Autorität  von  i>'  in  der  Regel  gröfser,  als  die  von  L  ist,  übereinstimmt, 
um  die  Autorität  von  L^  zu  schwächen,  führt  Herr  S.  Aenderungen  an,  die 
auf  Conjectur  beruhen  sollen;  aber  der  gröfsere  Theil  derselben  verdankt 
sicher  seinen  Ursprung  nicht  Conjecturen.  und  wenn  man  anderseits  die 
Fälle  betrachtet,  in  denen  L  *  offenbar  die  echte,  nicht  aus  Conjectur  her- 
vorgegangene, Leseart  darbietet*),  so  wird  man  da,  wo  sowol  die  von  L 
als  die  von  L^  gebotene  üeberlieferung  aus  sprachlichen  und  inneren 
Gründen  möglich  ist,  von  vornherein  mehr  dieser  als  jener  vertrauen  dürfen. 
Wir  behaupten  demnach  im  Gegensatze  zu  dem  Hm.  Verf.,  dass  V.  315 
limlv  Tb  ^(oaeig  (nicht  eincTv  J^  Sutatig;  rj  atQatfelg  ourtog  fw;  So  inter- 
pungiert  der  Hr.  Verf.,  was  vollends  unstatthaft  ist ;  er  hätte  doch  wenigstens 
iinnv  6h  dioaetg^  rj  arQatfilg  oiitog  fto;  mit  anderen  Herausgebern  schreiben 
sollen),  im  V.  486  ofjimfioveaUQa  (was  auch  viel  passender  ist,  als  das  an 
und  für  sich  freilich  nicht  unmögliche  ofiaifAoviaxiQag),  im  V.  1105  fioUg 
fiiv,  xttQ^Utg  6"  i^^arafiat  t6  SqHv  zu  schreiben  ist.  An  der  letzten  Stelle 
schreibt  der  Hr.  Verf.  nach  L  ftoXig  fiiv  xagdiif  ^^iniarafiM  jo  Sqav 
(jedoch  mit  Auslassung  des  handschriftlich  überlieferten  d"  nach  xff^wTr^). 
Den  Sinn  gibt  er  in  folgender  Weise  an :  „Aegre  equidem  ab  animo  impetro 
ut  faciam.  .  .  .  'E'itnlarafjim  dicit  a  vate  scilicet  et  choro,   postquam  diu 

')  Z.  B.  327  L  (TOI,  2y'  ro^;  406  L  evQ^&rj,  i'  W^»?  (was  auch  dem 
Schol.  vorlag);  604  L  6vvafiiv,L^  övvaa^v;  60b  L  «y»i^y,  L^  «y»i^wf, 
was  einzig  und  allein  angemessen  ist. 


MO  Sophod,  AtUig.  ed.  M,  SeyffeH.,  ang.  v.  J.  Kvieaia. 

yestitit,  edoctos*'.  Offenbar  ist  diese  Erklärung  unmöglich;  die  Worte 
i$exi0TafAai  t6  dQÜv  werden  ganz  willkürlich  und  unberechtigt  in  dem 
Sinne  iU^ltnufiM   Sqnv  fi€  ^€iv  genommen. 

Wir  haben  oben  gesagt,  dass  der  Hr.  Verf.  günstigere  Resultate,  als 
auf  dem  Gebiete  der  Conjecturalkritik,  durch  Vertheidigung  der  handschrift- 
lichen Ueberlieferung  erzielt  hat.  Freilich  finden  sich,  wie  wir  jetzt  hinzu- 
fügen müssen,  manche  sehr  auffallende  Ausnahmen.  Der  Hr.  Verf.  unter- 
nimmt es  zuweilen,  Stellen  zu  vertheidigen,  die  heutzutage  mit  fast  voll- 
ständiger üebereinstimmung,  wenigstens  mit  Uebereinstinmiung  jener  Kriti- 
ker, die  nicht  verblendete  Anhänger  der  Ueberlieferung  sind,  für  interpoliert 
oder  corrupt  gehalten  werden. 

Am  meisten  befremdet  die  Vertheidigung  der  berüchtigten  Verse  905  ff 
Der  Hr.  Verf.  glaubt  auch  nicht  einen  einzigen  Vers  tilgen  zu  müssen  und 
legt  bei  seiner  Vertheidigung  hauptsächlich  Gewicht  auf  seine  Behauptung, 
dass  die  in  der  Antigene  eintretende  Peripetie,  die  in  diesen  Versen  dar- 
gestellt ist,  sehr  angemessen  seL  „Sapientissime  po^ta  et  ad  tragoediae 
veteris  consilium,  xd&ttQaiv  dico,  perapposite  quam  in  Creonüs  partibus 
instituerat  niQtnixiunv,  eandem  effingit  in  persona  Antigonae**.  Den  Grün- 
den, dio  gegen  die  Echtheit  dieser  Stelle  vorgebracht  worden  sind,  wird 
gar  kein  Gewicht  beigelegt.  Das,  was  andere  in  diesen  Versen  für  absurd 
und  unmöglich  halten,  erscheint  dem  Hm.  Verf.  nur  „minus  perfecte  et 
ezplanate  dictum**,  ja  er  wagt  sogar  die  Behauptung,  dass  gerade  darin  feine 
Berechnung  und  Kunst  zu  suchen  ist  „Quod  si  hac  tanta  animi  fluctuatione 
quaedum  minus  perfecte  et  explanate  dixit,  ut  dizit  sane,  hoc  profecto 
Qon  interpolatoris,  ut  volunt,  temeritati  atque  inscitiae,  sed  ipsius  po^tae 
sapientissimi  consilio  artificioque  nobis  videmur  attribuere".  Nur  einen 
einzigen  von  den  Gegnern  vorgebrachten  Grund  ist  er  einigermafiaen  geneigt 
als  haltbar  gelten  zu  lassen.  „Tertium  num  ab  ipso  po^ta  profectum  sit 
dubium  potest  viderL  Nam  quod  ait  v.  910  x€tl  ndig  an  alXov  tfunoq, 
gl  Tovd*  fjfiTtlaxoVf  mirum  est,  quod  et  sine  causa  sumitur  maritum  ante 
Ulli  mortem  esse  vita  defunctum  ,  et  quod  lovde  pronomeu  ad  (ptorog  potius 
quam  ad  uatg  refcrendum  videtur" *).  Diesem  Uebelstand  könne  aber,  meint 
Hr.  S.,  durch  die  Conjectur  xal  naTg  av  tlXXoifavjoq,  ei  rov^*  tjjanXaxov 
abgeholfen  werden.  Bei  hat  über  diese  Verse,  sowie  über  die  ganze  Rede 
der  Antigene,  eine  ausführliche  Erörterung  im  3.  Hefte  der  Beiträge  an- 
gestellt^}, ohne  auf  die  Vertheidigung  Hrn.  S.'s,  die  bereits  in  den  Jahr- 
büchern für  class.  Philol.  veröffentlicht  ward,  Rücksicht  zu  nehmen,  um  nicht 
den  Umfang  jener  Erörterung  übermäfsig  auszudehnen  und  weil  ihm  diese 
Vertheidigung  ganz  und  gar  unstatthaft  erschien.  Hier  wollen  wir  nur  auf 


*)  In  den  Jahrbb.  f.  class.  Pha  1863.  S.  498  hatte  Hr.  S.  eine  ent- 
schiedenere Ueberzeugung  von  der  Ungereimtheit  dieses  Verses;  er 
nennt  daselbst  die  diesen  Vers  betreffende  Ausstellung  „die  einzige, 
wie  ich  zugestehen  muss,  begründete". 

*)  Einen  Punct  bedauert  Ref.  m  dieser  Erörterung  übergangen  zu 
haben,  nämlich  die  Frage  nach  dem  Alter  der  Interpolation.  Es  ist 
wichtig,  auf  diese  Frage  einzugehen,  weil  die  Vertheidiger  der  Verse 
auf  das  aristotelische  Zeu^is  grofses  Grewicht  l^n.  Ref.  will  die 
Erörterung  dieser  Frage  ein  andermal  nachtragen. 


Sophod.  ÄfiHg,  ed.  M,  Seyffert^  ang.  t.  J.  KvüaUL  661 

einen  erst  jetzt  vorgebracliten  Pnnct  (in  den  Jahrfob.  a.  a.  0.  ersclieint  er 
nicht)  anfmerksam  machen^  um  zu  zeigen,  zn  welchen  sonderbaren  Aos- 
kunftsmitteln  die  Vertheidiger  dieser  Verse  zu  greifen  sich  veranlasst  sehen. 
„Postremo  quod  absurdissimum  esse  clamant  l'dque  aperte  ex  imitatione 
Herodoti  III,  119  temcre  huc  inlatum,  ut  quae  apud  illum  Intaphemis  uzor 
de  fratre  dizerat  superstite,  ea  ab  Antigona  ad  occisi  fratris  corpus  accom- 
madarentur,  oblinscuntur  sagacissimi  homines  hoc  velle  Antigonam,  firatrem, 
si  insepultum  reliquisset ,  ita  sibi  perpetuo  defuturum  fuiase,  ut  eins  amore, 
quoniam  in  yivis  iam  non  esset,  ne  apud  mortuos  quidem  frui  videretur.  Hac 
enim  spe  tanquam  solacio  se  duci  modo  ipsa  professa  erat  t.  897  sq.:  nam 
amieos  apud  viTos  nullos  invenerat,  omnem  amoris  spem  positam  habebat 
in  mortuis**.  Eine  Stelle,  die  auf  solche  Weise  gerettet  werden  müsste, 
ist  wahrlich  unrettbar  verloren!  Man  braucht  nur  die  Verse  fArirq6g  <r  h 
"Aidov  xal  noTQog  Tcixiv^otoiv  ovx  Hot  ddiltpog  oatig  av  ßlaaroi 
TT OT i  zvi  lesen,  um  sofort  zu  sehen,  dass  Hr.  S.  den  Sinn  dieser  Verse,  auf 
welche  sich  seine  Vertheidigung  bezieht,  vollständig  ignoriert  hat.  Was 
nützt  eine  solche  Vertheidigung,  wenn  der  klare  Wortlaut  jedem  unbefeai- 
genen  zeigt,  dass  der  Verfasser  der  Verse  nicht  so  gerechtfertigt  wer- 
den wollte! 

Für  verfehlt  halten  wir  femer  die  Beibehaltung  der  Verse  465—468. 
Hr.  S.  hatte  diese  Verse  bereits  in  den  Jahrbb.  a.  a.  0.  S.  488  f.  ver- 
theidigt,  fÖr  rov  i$  ijuijg  /urjTQog  die  Aenderung  tov  /|  hog  ntnqog  vor- 
geschlagen und  weiter  ä^anrov  rjvxojutjv  vixw.  Diese  beiden  unstatt- 
haften Conjecturen  hat  jetzt  Hr.  S.  aufgegeben  und  schreibt  im  V.  466 
Toi^  ^1  ofiiig  firjjQog  (obzwar  ofxog  nur  episch  ist)  und  im  V.  467  nach 
Wolff  uTtttpov  ttvta/ojLiTiv y  von  welcher  Conjectur  er  früher  gesagt  hatte, 
dass  sie  an  sich  nicht  viel  innere  Wahrscheinlichkeit  hat  und  nicht  die 
unbedingte  Anerkennung  von  Bonitz  verdiente.  Vgl.  über  diese  Verse  meine 
Beitr.  2,  S.  59  ff. 

Im  V.  368  hält  Hr.  S.  an  dem  handschriftlichen  naqi(^tjv  fest  und 
stellt  für  die  Worte  vofiovg  naQiiQtov  x^ovog  ^e£v  t*  ivoQXov  d(xuv  vi///"- 
noUg  folgende  Erklärung  auf,  die,  was  Kühnheit  und  Unnatürlichkeit  be- 
trifft, ihres  Gleichen  sucht:  „Uli  —  r^p  inrixavoevri  xixvag  —  si  inserit 
i  e.  admiscet,  tanquam  lemniscos  corollae,  humanas  divinasque  leges, 
in  summo  civilis  dignitatis  gradu  versatur**.  Wir  zweifeln  nicht,  dass 
Pflugk*s  Conjectur  niQuivatv  (oder  noch  wahrscheinlicher  ntQaiQtav),  die 
dem  Hm.  Verf.  nicht  gegenwärtig  gewesen  zu  sein  scheint  (sie  wird  näm- 
lich von  ihm  neben  den  anderen  Conjecturen  gar  nicht  genannt),  die  rich- 
tige Emendation  ist  (vgl.  Beitr.  2,  S.  41  f.). 

Auch  V.  1175  f.  wird  die  Ucberliefemng  vertheidigt.  Den  Wider- 
sprach, der  zwischen  der  Meldung  des  Boten  Atfiwv  okadevtivToxdQ  cf* 
atfAttüaerai  und  der  Frage  des  Chors  nortQa  noTQipag  ij  nQog  oixifag 
XfQog;  stattfindet,  sucht  Hr.  S.  durch  eine  unmögliche  Erklämng  von 
auToxetQ  zu  beheben.  „Avio^hq^  t(vToa(f>ayrjg  et  quae  sunt  similia  mihi 
videntnr  non  caedem  a  cognatis  lactam  (dies  ist  gegen  Lobeck's  Erklärang, 
der  Hr.  S.  früher  beistimmte,  gerichtet)  significare,  sed  vim  vitae  a  quoHbet 
inlatam  vel  mortem  violentam  et  necessariae  oontrariam^. 


<Mt  Sophod.  Anüg.  ed.  M.  SeyffeH,,  ang.  v.  «T.  Kvi^äla . 

Die  Exegese  der  Antigone  hat  durch  die  vorliegende  Ausgabe  in 
manchen  Fällen  eine  anerkenncnswerthe  Berichtigung  oder  Bereicherung 
erfahren.  Zunächst  gebührt  Hm.  S.  das  Verdienst,  an  manchen  Stellen,  die 
in  Folge  ungenügenden  Verständnisses  oder  in  Folge  eines  Vorurtheils  für 
interpoliert  oder  für  corrupt  gehalten  werden,  die  richtige  Erklärung  ge- 
funden und  dadurch  die  Ueberlieferüng  gestützt  zu  haben.  Beispiele  hiefÜr 
sind  bereits  oben  angeführt  worden.  Aufserdem  hat  Hr.  S.  aber  auch  in 
rein  exegetischen  Bemerkungen,  deren  Zahl  freilich  im  ganzen  gering  ist, 
für  Exegese  manches  geleistet  So  halten  wir  für  yoUkommen  richtig  die 
Erklärung  von  roT^  xoafiov^ivovg  (V.  677  ovtojg  ufAvvrf  iarl  tois  xoOfAovfii- 
voi^\  was  gewöhnlich  in  dem  Sinne  „Anordnungen"  aufgefasst  wird.  ^Immo 
sunt  ol  xoa^ovfÄtvoi  iidem,  qui  ot  oQ&ovfAfvoi  v.  675,  i.  e.  ii,  qui  ut 
ordinem  servent  facile  adducuntur,  quibus  mulier  scilicet  contumax  opposita 
est.  Cfr.  v.  730  nxoa/uovvrfg'^. 

Freilich  finden  sich  auch  manche  unstatthafte  Erklärungen,  die  Hr. 
S.  theils  nach  dem  Vorgange  anderer  aufgenommen,  theils  selbst  auf- 
gestellt hat. 

So  sind  z.  B.  gleich  die  ersten  zwei  Erklärungen  verfehlt,  lieber 
die  Construction  von  V.  2  f.  wird  bemerkt:  „Pro  commotiore  Antigonae 
animo  ab  instituto  orationis  cursu  («<(>*  ola&'  ort)  paulum  deflexum  videtur 
et  pro  ov&lv  ov  non  recta  interrogationis  forma,  quod  poterat,  noioy  oi///, 
sed  illud  adrairationis  dolorisque  plenum  (a/trhttarixov)  onoTov  ovxl 
positum**.  Freilich  scheint  Hr.  S»  von  der  Richtigkeit  dieser  Erklärung 
selbst  nicht  fest  überzeugt  zu  sein ,  da  er  auch  die  Conjectur  xf^notov 
(natürlich  mit  Beibehaltung  von  o  n)  mittheilt.  Ref.  hat  dieselbe  Con- 
jectur gemacht,  hält  sie  aber  nicht  für  nothwendig,  da  sich  noch  ein  anderer 
Weg  der  Erklärung  zeigt.  Vgl.  Beitr.  2.  S.  1  ff.  —  Der  Sinn  von  V.  3  f. 
wird  angegeben:  „Nihil  enim  neque  acerbi  neque,  omissa  calamitate,  aut 
turpis  aut  ignominiosi  est,  quod  non  —  viderim".  Es  stimmt  diese  Er- 
klärung im  wesentlichen  mit  der  Böckh's  überein  und  ist  ganz  unwahr- 
scheinlich. —  Für  unrichtig  hält  Ref.  femer  die  Erklärung  zu  V.  10: 
y^Tüiv  Ix^Qviv  xctxa  sunt  mala,  quae  hostibus  inferri  solent,  non,  ut 
vult  scholiasta,  quae  ab  hostibus  parantur".  Gewiss  würde  der  Dichter, 
wenn  er  den  Sinn  „Uebel,  welche  Feinde  treffen  sollen**,  beabsichtigt  hätte, 
sich  deutlicher  ausgedrückt  haben.  Ttüv  ix^Quiv  ist  subjectiver  Genetiv  und 
auf  Kreon  zu  beziehen.  Wenn  Hr.  S.  bemerkt  „Creontem  sie  hostem  de- 
scribere,  qui  quidem  et  rex  suae  patriae  et  cognatus  esset,  vix  poterat 
Antigona",  so  ist  darauf  zu  erwidem,  dass  raiv  Ix^qwv  nicht  „meiner** 
oder  „unserer  Feinde**  ist,  sondern  „der  Feinde  unserer  </YXo*** ;  kurz  Kreon 
wird  damit  als  ix^^Qog  des  Polyneikes  bezeichnet,  was  ebenso  natürlich  ist 
als  der  Umstand,  dass  Polyneikes  ein  ix^^gog  Kreon's  war  und  von  ihm 
als  solcher  behandelt  ward  (vgl.  Beitr.  1,  S.  100  f.).  —  Entschieden  un- 
richtig ist  die  Erklärung  von  V.  70  (l/nou  y  «r  r^Sifag  SQ^r\g  ^^r«):  „Nee 
iubebo  iam  te  facere,  nee  si  velis  facere,  credo  te  libenter  esse  facturam 
mecum,  quae  quidem  longo  aliter  sentiam  ac  tu**.  Unzweifelhaft  ist  ^cf«a>f  «= 
Hiiag  i^ol,  vgl.  Beitr.  2,  S.  8  ff.  —  Unrichtig  ist  auch  die  Brklärang  von 
V.  226  o^olg  xvxXmf  IfiavTov  dg  avaaTgoff-r^v:    „Dicit  custos  cogitationes 


Saphod,  AnHg.  ed.  M.  SeyffeH.,  ang.  t.  J.  Kviöäla,         G6S 

Buas  et  cüras  effecisse  ne  porro  pergeret,  sed  srpatiia  fadendis  {o^oig)  in 
orbem  se  circumagens  iret  rediret.  Verba  igitar  stg  opaar^otpriv  non  con- 
siünm  reversionis  significant,  sed  effectum  jov  xvxXdv:  ita  ut  eodem 
revolverer**.  Unwahrscheinlich  ist  hiebei  die  Anf^sang  von  (fg  «vu- 
OTi^otpr^v,  während  die  Auffassung  „znr  Umkehr**  die  natürliche  und  nahe- 
liegende ist.  Die  Einwendung  „nam  qui  reverti  vult  cur  tandem  in  orbem 
se  circumfenit?**  ist  nicht  stichhaltig.  Der  Wächter  legte  eine  Strecke 
zurück;  dann  blieb  er  stehen  und  drehte  sich,  nehmen  wir  an,  rechts  um, 
um  zurückzugehen;  nachdem  er  eine  Zeitlang  in  dieser  Richtung  zurück- 
gegangen war,  drehte  er  sich  wieder  nach  derselben  Seite  (rechts  hin)  um 
und  gieng  wieder  vorwärts  und  so  wiederholte  es  sich  mehrmals.  Er  be- 
schrieb also  eine  krumme  in  sich  zurückkehrende  Linie,  und  der  Dichter 
nannte  die  Umdrehung,  welche  der  Wächter  machte,  um  zurückzukehren, 
mit  Recht  ein  xvxXfTv  lautov.  —  Ebensowenig  kann  die  Erklärung  von 
393  (^  . . .  nnq  il7r(^ag  /«(>«  ^oixtv  «iLAiy  fiijxog  ovdh  jJcTovJ)  befriedigen. 
„Verba  fdvjxog  ovSiv  non  seiungenda  sunt,  sed  valent  nulla  mensura 
—  nam  magnitudines  rerura  metiri  solemus  —  conferri  potest  cum 
alia  voluptate  h.  e.  aliarum  voluptatum  mensuram  multo  superat**. 
Es  scheitert  diese  Erklärung  an  dem  Umstände,  dass  fiiixoq  nicht  =  men- 
suram ist.  —  Im  V.  536  (6iSQaxa  rovQyoVy  ifnfQ  ijd'  ofjioQQoS^ei)  wird 
die  Erklärung  des  Scholiasten  (oqu  nuig  ittvrrjv  nQoSrjlov  (6g  avxotfavTovaav 
noiH'  ofjLoXoyu  yaQ  nenQttx^vM  TttvTrjg  awri&Bfiivfig)  angenommen,  die 
sicherlich  falsch  ist;  vgl.  ßeitr.  2,  8.  71  ff.  —  Unrichtig  ist  femer  die 
Erklärung  der  Verse  556.  557;  vgl.  Beitr.  2,  S.  78  ff.  —  V.  715  {avrvig 
6h  vttog  oöTig  iyxQUTfj  n66a  reivag)  wird  vadg  lyxQitrijg  novg  erklärt 
„funis,  qui  navem  in  potestatc  sua  habet  i.  e.  quo  navis  regitur**  und  Über 
die  richtige  proleptische  Auffassung  von  iyxQUTrj  {no^a  rt^vfiv  äan  iyxQftrrj 
iJvm),  die  sich  bei  Dindorf  findet,  gesagt  „quod  quid  sibi  velit  prorsus  me 
fugit**.  Wie  iyxQctTtjg  a(SriQog  (474)  festes,  hartes  Eisen  ist,  so  wird  auch 
von  einem  straff  gespannten  Tau,  das  zufolge  der  straffen  Spannung 
nicht  so  leicht  nachgibt  (vn€(xHv)j  wie  ein  locker  gespanntes  Tau,  also 
gewissermafisen  fest  ist,  sehr  passend  iyxQttTtjg  genannt.  —  Unverständlich 
ist  uns  die  Erklärung  von  ^vyyvot/niv  im  V.  926  {na^ovreg  Rv  ^vyyvoTfitv 
fi/uttQTTjxoTfg):  „Non  metri  causa,  ut  ait  Gu.  Dind.,  ^vyyvolfjKv  posuit 
poSta  pro  yvolfifv  (dies  ist  allerdings  eine  sehr  oberflächliche  und  nach- 
lässige Auffassung),  sed  quadam  faceta  verbi  inversione:  nam  si  vere  pia. 
esset  Antigona,  non  ^vyyvoifi(v  dicere  debebat,  sed  ^vyyvoCfifd-a'^,  Die  ein- 
fache und  richtige  Erklärung  glaubt  Ref.  im  3.  H.  der  Beitr.  gegeben  zu 
haben.  —  Ueber  tvvtig  rrig  xnrto  tp&oQuv  (V.  1224)  wird  bemerkt;  „sepul- 
turam,  placidam  requietis  sedem,  amissam  queritur  Haemon:  nam  sperare 
debebat  fore,  ut  et  Antigona  et  ipse  in  spelunca  insepulti  iacerent**.  So 
auffallend  uns  auch  der  überlieferte  Ausdruck  in  dem  gewöhnlich  ange- 
nommenen Sinne  „coniugera  iam  apud  inferos  agentem**  erscheinen  mag, 
so  ist  doch  die  von  Hm.  S.  gegebene  Erkläreng  ans  mehreren  Gründen 
noch  auffallender  und  gewiss  unzulässig.  —  V.  1277  will  Hr.  S.  tog  nicht 
mit  Hoixag,  sondem  mit  den  folgenden  Participien  verbunden  wissen:  „tan- 
quam  unus,  qui  ad  ea,  quae  habet,  alia  acqnisivit**.   Uns  scheint  hier 


4184    R'  Kitimity  Grieeh.  Schulgrammatik,  ang.  t.  A.  Fleitdimaim. 

Dindorf ,  der  tog  io^tcas  als  Ezclamation  verbindet,  offenbar  im  Rechte  xn 
Bein  und  wir  zweifeln  nicht,  dass  tog  hier  dieselbe  Qeltang  bat,  wie  an 
vielen  anderen  Stellen,  mit  denen  diese  unverkennbare  Aehnlichkeit  hat 
Eine  solche  Stelle  führt  Dindorf  selbst  an,  nämlich  1270  otßi  mg  ioutag 
6\lfk  xftv  J/ariyy  IShv.  VgL  noch  Ai.  354-  oXfi  tag  iotxag  6(>^  fjtagiwvqiXv 
ayav.  El.  1185  tag  ovx  ä^*  ySrf  riav  ifitov  ovSkv  xaxdiv.  Trach.  871  m 
natdtg,  tag  äg*  i^filv  ov  Ofjuxqw  xaxäv  tjQ^iv  ro  SutQor  'H^xlit  ro 
nofinifiov  XL  a. 

Prag.  Johann  Kvfdala. 


Eurzgefasste  Schulgrammatik  der  griechischen  Sprache  für  die 
unteren  und  oberen  Gymnasialclassen ,  von  Dr.  Baphael  Kühner. 
Statt  der  vierten  Auflage  der  Schulgrammatik.  Hannover,  Hahn,  1865. 
276  S.  8. 

Die  Elementargrammatik  des  verdienstvollen  Hrn.  Verf.'s  ist  den 
meisten  Lesern  dieser  Blätter  bekannt;  die  meisten  haben  darnach  die 
Elemente  der  g^echischen  Sprache  gelehrt  oder  gelernt.  Neben  derselben 
bestand  eine  bei  uns  weniger  bekannte  Schulgrammatik  für  die  oberen 
Gymnasialclassen.  Endlich  hat  sich  der  Hr.  Verf.  entschlossen,  eine  Gram- 
matik auszuarbeiten,  welche  dem  Unterrichte  im  Griechischen  von  der  un- 
tersten bis  in  die  oberste  Classe  genügen  soll.  Dieselbe  enthält  wesentlich 
dasselbe  System  wie  die  Elementargrammatik,  bis  auf  gewisse  aus  didak- 
tischen Gründen  in  der  letzteren  vorgenommene  Umstellungen  in  der  For- 
menlehre; auch  sie  hat  die  bekannten  Eigenthümlichkeiten ,  wie  die  Auf- 
fisissung  des  Optativs  als  Conjunctivs  der  historischen  Tempora  und  dem- 
nach auch  äoTserlich  die  Verbindung  des  Optativs  Präs.  und  Perf.  mit 
dem  Imperf.  und  Plusquamperf. ,  die  Bildung  des  Perf.  I  der  labialen  und 
gutturalen  Verba  mittelst  der  Endung  a,  die  Eintheilung  der  Syntax  nach 
gewissen  Denkformen.  Dem  Zwecke  des  Buches  entsprechend  entfielen  die 
Aufgaben  zum  Uebersetzen,  welche  das  Elementarbuch  enthielt,  dagegen 
wurde  der  grammatische  Stoff  vermehrt,  die  rationale  Auffiassung  der  Sprache 
durch  Verwerthuug  der  Resultate  der  Sprachforschung  f&r  die  Formenlehre 
und  durch  Darlegung  der  Sprachgesetze  in  ihrem  Zusammenhange  ange- 
strebt. Das  Buch  entspricht  in  hohem  Grade  seiner  Bestimmung,  wie  es 
von  dem  Hr.  Verf.,  der  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  unermüdet  in 
dieser  Richtung  arbeitet,  nicht  anders  zu  erwarten  ist.  Besonders  zweck- 
mäf^ig  ist  §.  8  die  Unterscheidung  der  Contraction  der  Vocale  in  eine 
lautliche  und  eine  grammatische,  und  die  unter  letzterem  Namen  zu- 
sammengestellten Ausnahmen  von  den  Regeln  der  lautlichen  Contraction; 
§.  123  die  Aufzählung  aller  Verba  mit  der  attischen  Reduplication ;  die 
Wortbilduugslehre  zeichnet  sich  aus  durch  genaue  Angaben  der  Betonung 
und  der  Bedeutung  der  einzelnen  Bildungsarten;  ausführlich  und  lehrreich 
ist  die  Lehre  vom  Artikel,  ebenso  die  vom  Part,  besonders  die  Anführung 
der  Verba,  welche  antaer  dem  prädicativen  Part,  mit  Verschiedenheit  des 
Sinnes  auch  mit  dem  Inf.  construiert  werden.  Doch  erachtet  Ref.  manche 
Ausführungen  für  überflüssig,  und  zwar  alle  jene,  deren  Inhalt  dem  Schüler 


B*  Kühner,  Griech.  Schulgrammatik,  ang.  ▼.  Ä,  Fleischmann,    665 

ans  der  deutschen  und  lateinischen  Grammatik  schon  bekannt  sein  muss. 
So  §.  38  die  Aufzahlung  und  Definition  der  Wortarten ,   §.  39  die  Ein- 
theilung  des   Substantivs,   §.  238  Begriff  des  Satzes,  vom   Subject  und 
Prädicat;  im  §.  315  die  Begriffsbestimmung  der  Beiordnung,   §.  316  die 
der  Unterordnung,  §.  321  die  der  Adverbialsatze,  §.  330,  1  die  Einthei- 
Inng  der  Fragesätze.    Manche  Unebenheiten  und  Ungenauigkeiten,  die  sich 
darin  finden ,  werden  hoffentlich  in  einer  folgenden  Auflage  beseitigt  wer- 
den.   Dahin  gehören  §.  8.  A.  1.  c.  und  §.  62:  oa  werde  in  ov  contrahiert 
im  Acc.  Plur.  von  ßovg,  da  dieses  eben  so  wenig  als  yQuvg  durch  Contrac- 
tion  entstanden  ist    §.  13,  3  wird  gelehrt,  in  der  Formations d eh nung 
werde  «  auch  in  «*  gedehnt  wie   in  ifaCvto,   im  Widerspruche  mit  §.  21. 
2.  d,  der  die  richtige  Erklärung,  durch  Einschiebung  des  j,  und  dasselbe 
Beispiel  enthält.    Damach  ist  auch  die  Vorbemerkung  zu  §.  158.  y^ßaCvu» 
hat  den  Stamm vocal  «  in  «*,  lXauv(o  in  av  gedehnt**,  zu  berichtigen.  §.  82 
wird  unter  den  Adjectiven,  welche  bei  der  Steigerung  den  Endvocal  o  ab- 
werfen, auch  das  nur  poet.  nsQulog  ohne  Bemerkung  angeführt,  während 
sonst  die  poetischen  Formen  wenig  berücksichtigt  werden.    §.  112  Anm. 
wird  ißovXiva  als  Tempusstamm  des  Aor.  I.  angesetzt,  zwar  entsprechend 
der  Definition  von  Tempusstamm,  aber  in  diese  ist  das  Merkmal  ^in  Ver- 
bindung auch  mit  dem  Augmente**    mit  Unrecht  aufgenommen  worden, 
wenn  nämlich  der  Hr.  Verf.  unter  Stamm,  dessen  Begriff  er  nicht  erklärt 
hat,  den  Theil  des  Verbs  versteht,  der  allen  Formen  desselben  zu  Grunde 
liegt,  womach  man  also  unter  Tempusstamm  den  Theil  des  Verbs  denken 
muss,  der  allen  Formen  des  bestimmten  Tempus  zu  Grunde  liegt.  —  §.  114 
werden  die  Personalendungen  des  Optativs  Act.  in  Verbindung  mit  dem 
Modusvocal,   die   des  Optativs  Med.  aber  ohne  denselben  angeführt  — 
Während  Curtius  sieben,  Müller-Lattmann  acht  Tempusstämme  oder  Bil- 
dungsgruppen statuiert,  werden  hier  im  §.  128  drei  sogenannte  Reihen  von 
Zeitformen  aufgestellt:  1.  Zeitformen,  welche  den  reinen  Stamm  verstärken 
können,  2.  welche  einen  Tempuscharakter  ansetzen,  3.  welche  von 
dem  reinen  Stamm  ohne  Tempuscharakter  gebildet  werden,   doch  in  ge- 
wissen Fällen  eine  Veränderung  des  Stammvocals  erleiden  können.    Von 
den  in  einer  solchen  Reihe  liegenden  Zeitformen  sage  man,  dass  sie  von 
einander  abgeleitet  werden.  Denmach  müsste  man  sagen  können,  dass  z.  B. 
aus  dem  Futurum  das  mit  demselben  in  einer  Reihe  liegende  Perfectum 
und  umgekehrt  abgeleitet  werde,  was  aber  unwissenschaftlich  und  unprak- 
tisch wäre.    Man  kann  höchstens,  und  zwar  nur  bei  einer  größeren  Zahl 
von  solchen  Reihen  sagen,  dass  Inan  nur  das  erste  Tempus  einer  jeden 
Reihe  zu  kennen  braucht,  um  darnach  die  zu  derselben  Reihe  gehörigen 
Tempora  bilden  zu  können.    Die  Eintheilung  in  nur  drei  Hauptreihen  hat 
keinen  wissenschaftlichen  und  keinen  praktischen  Werth.   Keinen  wissen- 
schaftlichen; denn  der  oben  angegebene  Charakter 'der  ersten  Hauptreihe,  des 
Präs.  und  Impf.,  kommt  einem  grofsen  Theile  der  Verba  nicht  zu;  femer,  zur 
zweiten  Hauptreihe  gehören  die  tempora  prima,  insbesondere  a)  das  Perf.  I 
und  Plpf  I  Act,  davon  werden  gebUdet  das  Perf.  und  Plpf.  Med.  oder 
Pasa.,  aber  ohne  Tempuscharakter;  also  ein  Tempus  jener  Reihe, 
Ztltwhrift  t  d.  «ttcrr.  Gymn.  1865.  IX,  B^ll.  45 


606    B.  Kühner f  Oriech.  Schulgrftmmatik,  ang.  ▼.  Ä.  FleisckmanH, 

welche  einen  Tempuscharaliter  ansetzen,  und  doch  ohne  TempuBcharakter. 
Keinen  praktischen  Werth.  Es  dient  zu  nichts,  dem  Schüler  zu  sagen, 
dass  z.  B.  das  Fut.  L  unter  die  Tempora  gehört,  welche  einen  Tempus- 
charakter ansetzen;  man  muss  denselben  eben  nennen.  Soll  der  Schüler 
die  Tempusbildung  kennen,  so  muss  er  seine  sieben  oder  acht  Tempus- 
stamme  nach  ihren  Merkmalen  genau  lernen;  solche  weite  Kategorien 
nützen  ihm  nichts.  In  der  That  wird  auch  diese  Obereintheilung  der  Tem- 
pora in  dieser  Grammatik  selbst  nicht  weiter  berücksichtigt.  —  §.  129,  1 
sagt:  „Die  Verba  pura  setzen  die  Tempusendungen  an  den  unveränderten 
Charakter.**  Es  muss  heiTsen:  die  Verba  pura  mit  langem  Charakter- 
vocal  u.  s.  w. ,  sonst  stünde  sie  im  Widerspruch  mit  der  2.  Regel:  der 
kurze  Charaktervocal  des  Präs.  und  Imperf.  wird  in  den  übrigen  Zeitformen 
verlängert.  —  Nach  der  Vorbemerkung  zu  §.  162  wird  nur  nna/to  von 
der  Regel  ausgenommen,  dass  a^  an  den  Verbalstamm  mittelst  eines  i  an- 
gehängt wird,  wenn  der  Stammcharakter  ein  Consonant  ist.  Aber  aufser- 
dem  sind  ausgencnnmen  ;^»airai,  ^Maxw,  dann  die  poet.  X«ox(o  nXvaxto. 

Die  Lehre  vom  hom.  Dialekte  i;^  ausführlich  und  mit  zahlreichen 
Beispielen  versehen,  doch  wäre  noch  ein  kurzes  Verzeichnis  derjenigen  un- 
regelmäfsigen  Verba,  welche  der  Schüler  nach  den  gegebenen  Regeln  nicht 
erklären  kann,  für  die  Präparation  und  Privatlectüre  nicht  überflüssig.  Die 
Ableitung  des  Aor.  y^rro  aus  J^^Xio  (§.  228)  ist  nicht  sicher.  Grundz.  der 
grieoh.  EtymoL  v.  G.  Curtius  U.  S.  321. 

In  der  Syntax  stimmt  die  Anordnung  des  Stoifes  mit  der  voraus- 
geschickten Eintheilung  nicht  genau  tiberein.  Im  I.  Abschnitte,  Syntax 
des  einlachen  Satzes,  handelt  das  1.  Cap.  von  den  Bestandtheilen  des  ein- 
fachen Satzes,  von  der  Congruenz,  vom  Artikel,  von  den  Arten  des  Verbs, 
von  den  temporibus  und  modis  S.  155  —  186.  Das  2.  Cap.  handelt  auf 
zwei  Seiten  von  dem  attributiven,  das  3.  von  dem  objectiven  Satzverhält- 
nis.  Dazu  werden  gerechnet  a)  die  Casus,  b)  die  Präpositionen  in  Ver- 
bindung mit  den  Casus,  c)  der  Inf.,  d)  das  Part.,  e)  das  Adv.  Man  muss 
nun  erwarten,  dass  diese  Partien  als  Unterabtheilungen  des  3.  Cap.  nach 
einander  folgen  werden;  aber  es  folgen  unter  I.  und  II.  nur  die  Casus- 
lehre und  die  Präpositionen,  und  auf  einmal  erscheint  als  4.  Cap.  die  Lehre 
vom  Pronomen  und  darauf  als  5.  die  vom  Inf.  und  Part. ,  und  als  6.  Cap. 
die  vom  Adverbialobjective.  Im  2.  Abschnitte,  Syntax  des  zusammengesetzten 
Satzes  werden  auch  die  einfachen  Fragesätze  behandelt.  Die  Anmer- 
kung zu  §.  240  über  den  Gebrauch  des  Duals  gehört  nicht  hieher,  wo  von 
der  Congruenz  die  Rede  ist,  sondern  vielmehr  zu  §.  242  unter  die  Eigen- 
thümlichkeiten  im  Gebrauche  des  Numerus.  §.  808,  3  ist  das  Beispiel 
KvQoq  ttViy^Xaofv  Inl  rtp  XQefrrovi  tov  ffQWfoq  (f^taxovr^  ilvrn  für  eine 
Schulgrammatik  wol  unpassend. 

Die  Ausstattung  des  Buches  ist  anständig,  nur  ist  der  griechische 
Druck  etwas  zu  klein  und  nicht  ganz  correct.  So  muss  es  heifsen  §.  57 
«.  1  nv^og,  66,  11.  riy/,  113,  1.  Perf.  Ind.  ßovXiv-o-^air,  3.  Pers,  Opt- 
ßovUv'Oi'To,  161,  11.  nw^vofAai.,  179.  2.  iävvita&rjv  220.  3.  im  Act* 
(st.  Akk.),  234. 8.  a,  Properisp.  (st  Paroxyt.),  eben  dort  yuvtux^ios,  237. 2. 
naV'iiyvQis,  240.  10.  ixaUiTO,  260.  2.  a  ytyvofiipw  st  ytyofiivmp,  eben 


dort  ist  *  subscr.  ausgefiallen  in  ija&iro,  dasselbe  270.  2.  in  ija^ono  und 
Anm.  2  in  v^xtfev,  270.  3.  soll  es  heifsen  i^nuQog,  imaT^/LKov  eifil  etc. 
272.  4.  neiQw,  27b,  1.  o  (fdfZ,  282.  2.  naTdtg,  282.  7*  roirrtp.  S.  231  Z.  1: 
§§.  313.  314.  -  §.  323.  1.  iig  8,  323.  3.  A.  1.  rdiv  st  rwf.  330.  3.  A.  4. 
den  letzten  ftUif  Zeilen  fehlt  je  der  erste  Buchstabe. 

Wien.  A.  Fleischmann. 

Griechische  Chrestomathie  für  die  zwei  ersten  Jahrescurse  im 
griechischen  Sprachunterricht,  von  Peldbausch  und  Süpfle.  Achte 
Auflage.  Leipzig  und  Heidelberg,  Winter,  1865.  VUI  u.  228  S.  — 
20  Sgr. 

Das  Buch  ist  für  die  zwei  ersten  Jahrescurse  bei  etwa  vier  Lehr- 
stunden wöchentlich  bestimmt.  Der  erste  Cursus  enthält  griechische  und 
deutsche  Sätze  zur  Einübung  der  regelmäfsigen  Formenlehre  mit  Einschluss 
der  Verba  auf  f^i  und  der  unregelmaXäigen  Verba  yi?^^,  elfdC,  eljui,  oUa 
und  xelfjiai  S.  1—79;  der  zweite  enthält  Uebersotzungsaufgaben  aus  dem 
Griechischen,  u.  z.  äsopische  Fabeln,  mythologische  Erzählungen,  Geschicht- 
liches aus  dem  Leben  Alexanders,  Anekdoten  und  Erzählungen,  S.  80—152. 
Der  erste  Cursus  nimmt  Bücksicht  auf  eine  Methode,  deren  Zweckmässig- 
keit dem  Ref.  nicht  einleuchtet.  Da  nämlich  die  Lehrer  der  Anstalten, 
in  denen  das  Buch  eingeführt  wurde,  die  Beispiele  so  zu  vertheilen  pflegten, 
dass  sie  in  einem  Jahre  die  Paragraphen  mit  ungeraden  Zahlen,  im  an- 
deren die  mit  geraden  übersetzen  Uelzen,  so  sind  seit  der  vierten  Auflage 
die  Paragraphen  so  geordnet,  dass  sich  nicht  nur  jeder  Abschnitt  in  zwei 
gleiche  Hälften  theilen  liefs,  sondern  dass  auch  die  griechischen  und  deut- 
schen Beispiele  der  eben  besagten  Vertheilung  entsprechen.  Es  wird  also 
im  ersten  Jahre  eigentlich  nur  die  Hälfte  eines  jeden  Abschnittes  absolviert, 
die  andere  Hälfte  im  zweiten  Jahre.  Diese  Hälften  unterscheiden  sich  aber 
nicht  etwa  in  formaler  oder  didaktischer  Hinsicht,  sondern  sind  von  der- 
selben Qualität,  setzen  dieselben  Kenntnisse  voraus,  so  dass  man  die  Para- 
graphen mit  geraden  Zahlen  ebenso  gut  im  ersten  Jahr  und  die  mit  ungeraden 
im  zweiten  übersetzen  könnte.  Wiederholung  des  im  ersten  Jahre  Erlern- 
ten ist  gewiss  nothwendig,  und  es  ist  anzunehmen,  dass  die  Schüler  nach 
einer  einjährigen  Uebung  die  andere  Hälfte  des  Lehrstoffes  vom  1.  Cursus 
in  einer  verhältnismäfsig  viel  kürzeren  Zeit,  etwa  in  einem  Drittel-  oder 
gar  in  einem  Vierteljahr  verarbeiten  werden;  aber  selbst  diese  Zeit  ist 
keine  Kleinigkeit,  wenn  für  das  Griechische  wöchentlich  nur  vier  Stunden 
bestimmt  sind,  und  diese  Zeit  ist  insofeme  verloren,  als  der  Schüler  keine 
neuen  Formen  lernt,  während  er  diese  lernen  und  doch  auch  die  im  ersten 
Jahre  erlernten  weiter  üben  kann ;  verloren,  insofeme  ein  Stoff,  der  eigent- 
lich für  das  erste  Jahr  bestimmt  ist,  für  die  geübtere  Kraft  des  Schülers 
im  zweiten  Jahre  viel  zu  leicht  ist. 

Abgesehen  von  dieser  Eigenthümlichkeit  (und  man  kann  von  ihr 
absehen,  indem  man  entweder  eine  Auswahl  unter  den  Sätzen  trifft  oder 
alle  der  Reihe  nach  vornehmen  kann)  ist  das  Buch  dort,  wo  nicht  die 
Grammatik  von  Curtius .  eingeführt  ist,  sehr  brauchbar.  Sowol  die  ein- 
seinen Sätze  alt  auch  die  zusammenhängenden  Stücke  sind  im  ganzen  in- 

46» 


668    Boffmaum  ti.  a.,  Lai  TJebiingBbftclier,  ang.  t.  L.  VUXkäber. 

lialtsToU  und  den  Vorkenntnisseii  der  ScMler  angemessen.  Nor  in  letiteier 
Bezielmng  ist  es  nicht  zn  billigen,  dass  nicht  wenige  dem  Schüler  noch 
unbekannte  Formen,  besonders  Verbalformen  aufgenommen  wurden,  deren 
üebersetzung  in  den  Anmerkungen  steht,  die  dann  der  Schüler  mechanisch 
nachsagt.  So  z.  B.  schon  im  §.  15,  am  Anfange  der  dritten  DecL  i^mxe, 
ijXaaev,  §.  16  itoQaxa,  xarißaU,  fisuviäv,  aß^wvrai.  Mit  Rücksicht  auf 
den  Wortschatz  der  griechischen  Beispiele  sind  mit  Geschicklichkeit  die 
mannigfachsten  Sätze  zur  Üebersetzung  in*s  Griechische  gebildet.  Der 
zweite  Theil  enthält  den  Stoff  zur  Einübung  der  unregelmäfisigen  Yerba 
und  der  Syntax.  Nach  genauer  Aushebung  aller  darin  vorkommenden  un- 
regelmäÜBiger  Yerba  fand  sich,  dass  nur  wenige  und  seltener  vorkommende 
Yerba  fehlen.  Auf  die  Regeln  der  Syntax  wird  fleiTsig  hingewiesen;  nur 
Über  die  häufig  vorkommenden  hypothetischen  Sätze  ist  eine  genauere  Be- 
lehrung wünschenswerth,  als  die  blofse  Üebersetzung  bietet,  wie  z.  B.  §.  152,2. 
§  253, 5.  §.  255,  17,  oder  eine  Regel  wie  §.  235, 10  J&iQamveg  av  vertritt 
die  Stelle  des  Imperf.  Conj.:  „so  würdest  du  nicht—."  §.  212  in  dem  Satze 
6  xpiiaTTjg  xa\  aXtid-rj  Xiytov  ovxiT&  marfviTai  verdiente  sowol  xal  Uywv 
als  auch  das  Pass.  niarfvirai  eine  Erklärung ;  letzteres  erhält  sie  erst  im 
§.  261.  —  §.  130  kommt  die  Form  ^fAifa«?  das  erstemal  vor,  ohne  dass,  wie 
es  sonst  geschieht,  in  einer  Anmerkung  das  Präs.  angegeben  wäre.  —  Die 
sachlichen  Anmerkungen  sind  kurz  und  gut,  dass  Wörterbuch,  S.  153—288, 
enthält  auch  die  Eigennamen  mit  den  nöthigen  geschichtlichen,  geogra- 
phischen, mythologischen  Notizen,  und  bei  den  unregelmäfsigen  Verben  die 
Hauptformen  der  abweichenden  Tempora,  damit  der  Schüler  dahin  gelei- 
tet werde,  mit  dem  Memorieren  der  Wortbedeutung  auch  die  Wortformen 
sich  zu  bemerken.  Die  Ausstattung  und  der  Druck  sind  gefällig,  der  grie- 
chische Text  aber  nicht  ganz  correct:  es  finden  sich  folgende  Fehler:  §.  8, 
Z.  1  To,  §.  60,  Z.  4  V.  u.  kfyovai,  §.  65,  Z.  2  v.  u.  ynfüfir)v,  §.  124,  Z.  3 
V.  XL  oXii&ai,  §.  131,  Z.  2  dno^^fiveog,  §.  161,  Z.  1  flaatXevatv,  ib.  Z.  4  v.  u. 
tlnovTog,  ib.  Z.  1.  v.  u.  rovriOri  st.  Tovriari,  wofür  besser  rovt^  for*  wäre, 
§.  190,  Z.  6  Ig  «(favovg  st  i^  atfavovg,  §,  198,  Z.  7  V.  u.  inofi^^fi,  §.  202, 
Z.  4  V.  u.  AXt^ttvSQov,  §.  213  Anm.  ImatQitfo. 

Wien.  A.  Fleischmann. 

TJebungsstücke  zum  TJebersetzen  in 's  Lateinische  für  eine  Alters- 
stufe von  zwölf  bis  vierzehn  Jahren,  bearbeitet  von  J.  L.  Hoff  mann. 
Dritte  vermehrte  und  sorgfältig  verbesserte  Aufiage.  Nürnberg,  Bauer 
u.  Raspe,  1864.  —  %  Thlr. 

In  einer  Zahl  von  416  üebungsstücken ,  von  welcher  nicht  wenige 
in  zwei  geschieden  sind,  wird  die  ganze  Syntax,  wie  sie  in  unserer  Tertia 
und  Quarta  durchzunehmen  ist,  vorgenommen.  Die  Stücke  sind  alle  zu- 
sammenhängende Beschreibungen  und  Erzählungen,  mit  einer  gewissen 
Vorliebe  solche,  welche  einen  heiteren  Anstrich  haben,  aus  den  verschie- 
densten Zeiten  und  Verhältnissen  hergenommen.  Hiemit  könnte  man  zu- 
frieden sein,  ebenso  mit  der  ziemlich  fließenden  deutschen  Diction  und 
den  Anleitungen  zum  Uebersetzen  (Noten  unter  dem  Text);  die  Gelegen- 
heit zur  üebung  der  einzelnen  Regeln  ist  zahlreich  sowol  doxeh  die  gXQÜM 


Spiefii  a.  a.,  Lat.  Uebongsbücher,  ang.  v.  L,  Vielhabtr.        069 

Zahl  der  Stücke  als  dadurch,  dass  in  geschickter  Weise  in  den  einzelnen 
inuner  Anlass  zu  Verwendung  gegeben  ist:  kurz,  man  könnte  das  Buch 
recht  angelegentlich  auch  für  unsere  Schulen  empfehlen,  wenn  der  prote- 
stantische Verfasser  einige  Nummern  tilgen  wollte.  Schon  Nr.  101  der 
Mausethurm  und  Hatte  von  Mainz  bliebe  besser  weg.  Nr.  212.  Selbst  für 
protestantische  Schüler  möchte  der  Schluss  der  Beschreibung  derXrappisten: 
'Dass  man  ihnen  befiehlt  ihre  Zeit  auf  die  Wissenschaften  zu  wenden, 
habe  ich  nicht  gelesen.  Aber  ich  bin  dennoch  überzeugt,  auch  der  faulste 
von  euch  ist  nicht  darauf  aus,  dass  man  ihm  das  Bürgerrecht  der  Trap- 
piiten  schenke',  zu  frivol  gehalten  sein.  Selbst  die  anagrammatischen  Spi&* 
lereien  Nr.  245  und  246  bliebeu  besser  weg. 

Vorläufig  kann  das  Buch  nur  den  Lehrern  als  eine  Fundgrube  von 
Aufgaben  zu  Compositionen  empfohlen,  unseren  Schülern  kann  es  erst  nach 
einer  auf  solche  Dinge  gerichteten  tilgenden  Durchsicht  in  die  Hand  ge* 
geben  werden. 

üebongsbuch  zum  üebersetzen  aus  dem  Lateinisclien  in's  Deutsche 
und  aus  dem  Deutschen  in*s  Lateinische,  von  E.  Spiefs.  Erste  Ab- 
theilung: Für  Sexta.  Sechzehnte  vermehrte  und  verbesserte  Aufiage. 
Essen,  Bädeker,  1865.  —  7  \  Sgr.  Zweite  Abtheilung:  Für  Quinta.  Achte 
Auflage.  Essen,  Bädeker,  1865.  -  12  V,  Sgr. 

Beferent  kann  auf  seine  Anzeige  der  vorliegenden  Bücher  in  dieser 
Zeitschrift  1862,  S.  203  f.  verweisen  und  hat  um  so  weniger  zuzusetzen,  als 
die  dort  gemachten  Ausstellungen  in  den  neuen  Auflagen  sämmtUch  be- 
rücksichtigt sind;  nur  von  dem  germanistischen  Gebrauch  von  heuere 
S.  8  f.  hat  sich  der  Besorger  des  Buches  nicht  ganz  trennen  wollen.  So 
steht  noch  immer  feminae  et  ßiae  naiUarum  habent  inopiam. 

Vielleicht  ist  es  gerade  jetzt  an  der  Zeit  auf  die  Bücher  von  Spiels 
hinzuweisen.  Denn  je  schärfer  der  diglotte  und  polyglotte  Charakter  mancher 
unserer  Gymnasien  hervortreten  wird,  desto  wünschenswerther  sind  Uebungs- 
bücher,  welche  so  einfEMshe  Sätze  verwenden,  dass  sie  in  dem  Wort-  und 
Gedankenkreis  selbst  der  Schüler  liegen,  welche  der  deutschen  Unterrichts- 
sprache vielleicht  nur  unvollkommen  mächtig  sind.  Für  solche  Verhältnisse 
sind  neben  dem  Uebungsbuch  von  F.  Schultz  die  Spie£s*schen  Bücher  an- 
deren selbst  an  sich  besseren  vorzuziehen. 

Lateinisch  -  deutsches  und  deutsch  -  lateinisches  Wörterbuch  zu 
Ostermann's  lateinischen  Uebungsbüchern  für  Sexta  und  Quinta,  alnha- 
betiscb  geordnet  von  Dr.  Ch.  Ostermann.  Leipzig,  Teubner,  1863. 
-  %  Thlr. 

Uebunffsbuch  zum  Üebersetzen  aus  dem  Lateinischen  in's  Deutsche 
und  aus  dem  Deutschen  in's  Lateinische,  von  Dr.  Ch.  Ostermann. 
Erste  Abtheilung:  Für  Sexta.  Zweite  verbesserte  Auflage.  Leipzig, 
Teubner,  1863.  —  %  Thlr. 

Lateinisches  Vocabularium  für  Anfänger,  von  Dr.  Ch.  Oster- 
mann. Erste  Abtheilung:  Für  Sexta.  Zweite  verbesserte  Auflage. 
Leipzig,  Teubner,  1863.  —  3  Sgr. 

Das  Uebungsbuch  und  das  Vocabular  hat  Bef.  in  dieser  Zeiti»chrift 
1962,  S.  207  £  besprochen  und  bat  um  so  weniger  Ursache  auf  die  ueue 


670  Ä,  Trappe,  Leitfaden  der  Physik,  ang.  v.  J,  Stefan. 

Auflage  weiter  einzugehen,  als  alle  dort  gemachten  Ansstellungen  berücksich- 
tigt sind.  Für  die  Methodik  ist  die  wichtigste  Neuerung  die,  dass  diejenigen 
Yerba,  welche  unregelmällsige  Perfecte  bilden,  sowol  im  Uebungsbuch  als 
im  Vocabular  von  den  regelmäTsigen  getrennt  sind,  so  dass  es  dem  Lehrer 
ohne  jede  Beeinträchtigung  möglich  ist,  die  unregelmäfsigen  Yerba  ganz 
auszuschliefsen.  Das  neu  hinzugekommene  Wörterbuch  hat  vor  allem  den 
Zweck,  den  Gebrauch  des  Uebungsbuches  auch  solchen  Schülern  der  Quinta 
(IL)  möglich  zu  machen,  welche  in  Serta  (I.)  sich  eines  anderen  Uebungs- 
buches bedient,  also  nicht  gerade  dieselben  Vocabeln  gelernt  haben,  welche 
Ostermann's  Uebungsbuch  und  Vocabular  für  Quinta  schon  Toraussetzt. 
Nicht  ganz  einverstanden  ist  Ref.  damit,  dass  im  deutsch -lateinischen 
Theil  die  Verba  mit  abweichendem  Perfect  nur  im  Infinitiv  angeführt  sind. 
Denn  angenommen,  mancher  Lehrer  verwende  das  Wörterbuch  sogleich  in 
der  untersten  Classe,  weil  er  mit  Vocabularien  nicht  einverstanden  ist,  wo 
hat  der  Schüler  das  Perfect  eines  solchen  Verbs  zu  suchen  V  In  der  Gram- 
matik kann  er  es  nicht,  weil  er  den  betreflfenden  Theil  noch  nicht  durch- 
genommen; im  lateinisch-deutschen  Theil  des  Wörterbüchleins  findet  er  wol 
das  Gesuchte :  aber  ist  es  nicht  Zeitverlust,  ohne  irgend  sonstigen  Gewinn, 
ihn  zum  doppelten  Nachschlagen  zu  zwingen? 

Wien.  Leopold  Vielhaber. 

Die  Physik,  für  den  Schulunterricht  bearbeitet  von  Albert  Trappe. 
Dritte,  wesentlich  verbesserte  und  bereicherte  Auflage.  Breslau,  Ferd, 
Hirt,  1865.  296  S.  —  25  Sgr. 

Der  Hr.  Verf.  dieses  Lehrbuches  sagt  in  seiner  Vorrede:  „Von  dem 
Lehrer  muss  vorausgesetzt  werden,  dass  er  des  von  ihm  vorzutragenden 
Gegenstandes  mächtig  sei,  dass  er  seine  Kenntnisse  nicht  erst  aus  dem 
Schulbuche  zu  schöpfen  braucht ;  dieses  soll  ihm  aber  den  mit  dem  Schüler 
durchzunehmenden  Stofi*,  die  Art  der  Entwicklung  und  die  Reihenfolge 
geben,  in  welcher  der  Stoff  vorzutragen  ist."  —  Man  soUte  diese  Bemer- 
kung für  eine  von  selbst  verstandliche  und  daher  überflüssige  halten.  Dass 
jedoch  dem  leider  nicht  sa  ist,  glaube  ich,  zeigt  schon  ein  flüchtiger  Blick 
in  die  verschiedenen  Werke,  welche  von  ihren  Verfassern  zu  Lehrbüchern 
für  unsere  Mittelschulen  bestimmt  worden  sind.  Ihr  meist  sehr  bedeuten- 
der Umfang  sowol  als  auch  die  Art  der  Darstellung  im  einzelnen  lassen 
sie  vielmehr  als  Handbücher  für  den  Lehrer  erscheinen  als  für  den  Schüler. 
Das  eine  ergeht  sich  in  detaiUierten  Beschreibungen  von  Apparaten  mit 
allen  ihren  Modificationen,  als  wäre  es  dazu  bestimmt,  den  Katalog  einer 
Fabrik  physikalischer  Instrumente  zu  illustrieren.  Das  andere  wieder  strebt 
in  langwierigen  mathematischen  Entwickelungen  scheinbar  elementarer  Na- 
tur eine  Gründlichkeit  an,  die  von  Unverständlichkeit  nicht  mehr  weit 
entfernt  ist.  Ein  geschickter  Lehrer  wird  zwar  aus  einem  noch  so  um- 
feingreichen  Buche  immer  das  herauszufinden  wissen,  was  sich  für  den  Un- 
terricht eignet,  er  wird  es  immer  \  erstehen,  schwierige  Entwickelungen  zu 
umgehen  oder  durch  leichter  fassliche,  wenn  auch  die  Frage  nicht  ganz 
erschöpfende,  zu  ersetzen.  Aber  was  soU  dann  solch  ein  Werk  in  der  Hand 
des  Schülers,  für  den  es  doch  eigentlich  beetimmt  ist?  Und  wa6  damii 


A,  Trappe,  Leitfaden  der  Physik,  ang.  v.  J.  Stefan.  671 

wenn  der  Lehrer  in  der  Darstellungsweise  eines  solchen  Werkes  das  Ideal 
der  Wissenschaffclichkeit  erblickt,  was  fast  immer  der  Fall,  sobald  sein 
Wissen  über  den  im  Buche  gezogenen  Horizont  nicht  hinausreicht?  Dann 
wird  die  Physik  für  d6n  Schüler  zu  jenem  Gegenstande,  an  den  er  nur 
mit  Grauen  zu  denken  vermag,  sehnlichst  die  Zeit  herbeiwünschend,  wo 
er  ihm  für  immer  den  Eücken  wird  kehren  dürfen. 

Namentlich  in  Bezug  auf  mathematische  Begründung  werden  in  den 
Lehrbüchern  die  gröbsten  Verstöfse  gemacht.  Was  soll  es  z.  B.  heifsen, 
wenn  in  einem  für  Mittelschulen  bestimmten  Lehrbuche  die  Mechanik  mit 
dem  Principe  der  virtuellen  Bewegungen  eingeleitet  wird,  einem  Principe, 
dessen  Auffassung  allein  schon  schwierig  ist,  dessen  Beweis  nur  nach  tie- 
ferer Einsicht  in  die  Lehren  der  Mechanik  begriffen  werden  kann.  Und 
wozu  wird  diese  Anleihe  bei  der  analytischen  Mechanik  gemacht?  Man 
sollte  glauben,  damit  werde  zu  viel  allgemeineren  Sätzen,  zu  tieferer  Er- 
kenntnis der  Weg  gebahnt  werden,  als  dies  mit  den  gewöhnlichen  Mitteln 
geschehen  kann.  Aber  dies  ist  nicht  der  Fall.  Das  kunstvolle  Princip 
wird  benützt  zum  Beweise  des  Satzes  vom  Parallelogramm  der  Kräfte,  eines 
Satzes,  der  in  anderer  Form  ausgesprochen  von  unmittelbarer  Klarheit  ist 
und  eines  Beweises  gar  nicht  bedarf. 

Man  überschätzt  gewöhnlich  den  Werth  der  mathematischen  Be- 
weise für  den  physikalischen  Unterricht  an  einer  Mittelschule.  Soll  dem 
Schüler  ein  physikalisches  Gesetz  klarer  erscheinen,  wenn  es  den  Schluss- 
satz einer  langen  mathematischen  Entwickelung  bildet,  in  welcher  ihm  je- 
der üebergang  von  einer  Form  zur  anderen  wie  zufällig  erscheint?  Es  ist 
nicht  zu  läugnen,  dass  z.  B.  die  elementaren  Ableitungen  der  Schwin- 
gungsdauer des  Pendels,  einer  gespannten  Saite  und  andere  sehr  scharf- 
sinnig sind,  aber  sie  sind  auch  sehr  künstlich  und  eben  deshalb  kann  es 
dem  Anfänger  nicht  zugemuthet  werden,  dass  er  dieselben  sich  zum  Ei- 
genthum  zu  machen  im  Stande  sein  müsse.  Wozu  ihm  solche  Plage  auf- 
erlegen, deren  Resultat  ein  die  Examinationsstunde  kaum  überdauerndes 
Wissen  ist 

Mehrfach  hört  man  Lehrer  der  Physik  klagen,  dass  es  in  den  wenigen 
dem  physikalischen  Unterrichte  zugewiesenen  Stunden  nicht  möglich  sei, 
mit  dem  Lehrstoffe  fertig  zu  werden.  Und  eine  solche  Klage  bedeutet 
meistens  doch  nur,  dass  nicht  der  ganze  Stoff  vorgetragen  werden  könne. 
Wie  steht  es  denn  mit  der  Einübung  desselben?  An  die  wird  wol  gar 
nicht  gedacht.  Und  doch  soll  ja  die  Physik  nicht  blofs  vorgetragen,  es 
soll  in  der  Physik  unterrichtet  werden.  Die  Ursache  aber,  die  es  den 
Lehrern  so  schwer  macht,  das  richtige  Verhältnis  zwischen  dem  zu  leh- 
renden Stoffe  und  der  dazu  verfügbaren  Zeit  zu  treffen,  wo  soll  man  sie 
suchen,  wenn  nicht  in  den  umfangreichen  Lehrbüchern,  deren  ausgedehnter 
Inhalt  das  für  eine  Mittelschule  passende  Mafs  bei  weitem  überschreitet. 

Wenn  das  vorliegende  Werk  mich  zu  diesen  Bemerkungen  führt,  so 
liegt  die  Veranlassung  darin,  dass  es  von  den  bei  uns  im  Gebrauch  stehen- 
den Lehrbüchern  bedeutend  absticht.  Schon  sein  mäfsigeres  Volumen 
macht  einen  gewinnenden  Eindruck.  Und  auch  seiner  ganzen  Anlage  nach 
exBchfittt  e»  als  ein  für  die  Schule  nicht  nur  bestimmtes,  sondern  auch 


07S  A.  Trappe,  Leit&den  der  Physik,  ang.  v.  /.  Stefan, 

sehr  brauchbares  Bach.  Einen  besonderen  Vorzug  desselben  bilden  die  vielen, 
jedem  physikalischen  Gesetze  angehängten  Beispiele  von  leicht  anzostellen- 
den  Versuchen  oder  leicht  sich  darbietenden  Erscheinungen,  an  welchen 
das  Gesetz  zur  Anwendung  kommt.  Denn  nur  dann  wird  das  Allgemeine 
begriffen,  wenn  es  an  vielen  speciellen  Fällen  nachgewiesen  wird. 

Ich  will  im  folgenden  mich  specieller  nur  über  jenen  Theil  des  Baches 
verbreiten,  welcher  der  Lehre  von  der  Ruhe  und  Bewegung  der  Körper 
gewidmet  ist,  weil  ich  gerade  in  diesem  Theile  manches  anders  geordnet, 
manches  anders  gelehrt,  manches  weggelassen  wünschte,  wenngleich  mir 
die  hier  eingehaltene  Darstellung  dieses  Capitels  besser  zusagt,  als  die  in 
unsem  Lehrbüchern  übliche. 

Es  wird  dieses  Capitel  mit  allgemeinen  Erklärungen  über  Bewegung 
eingeleitet.  Dieser  Weg  ist  nach  meiner  Ansicht  der  richtige,  nur  ist  er 
auch  hier  nicht  consequent  genug  verfolgt.  Denn  die  Erklärung  der  gleich- 
förmig beschleunigten  und  verzögerten  Bewegung,  sammt  der  Ableitung 
aller  darauf  Bezug  nehmenden  Formeln  gehört  vor  die  Betrachtung  des 
Begriffes  Kraft.  Wenn  diese  als  Ursache  jeder  Veränderung  in  dem  Zu- 
stande eines  Körpers,  als  Ursache  der  Bewegung  definiert  wird,  so  kann  sie 
ja  nur  durch  letztere  als  ihre  Wirkung  bestimmt  werden.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit ist  es  dann  erst  nothwendig  und  möglich,  den  Begriff  der  Masse 
zu  erklären,  und  die  Beziehung  zwischen  dieser,  der  Kraft  und  der  er- 
zeugten Beschleunigung  auseinander  zu  setzen.  Der  Erklärung  dieser  Be- 
ziehung ist  in  dem  vorliegenden  Werke  mehr  Raum  gegönnt,  als  dies  ge- 
wöhnlich zu  geschehen  pflegt,  doch  ist  darin  manches  nach  meiner  Mei- 
nung nicht  zu  billigende  enthalten.  So  spricht  der  Hr.  Verf.  von  einer  ein- 
pfündigcn  Masse,  als  ob  Gewicht  und  Masse  eines  Körpers  einerlei  wären. 
Unrichtig  ist  die  Definition:  „Quantität  der  Bewegung  ist  die  Kraft,  die 
ein  Körper  vermöge  seiner  Bewegung  besitzt."  Denn  diese  Definition  ist 
mit  dem  Begriffe  der  Kraft  nicht  vereinbarlich.  Quantität  der  Bewegung 
ist  die  von  einer  Kraft  in  einer  gewissen  Zeit  hervorgebrachte  Wirkung, 
so  wie  die  von  ihr  auf  einem  bestimmten  Wege  geleistete  Wirkung  Arbeit  ist 

Der  Satz  vom  Parallelogramm  der  Kräfte  soll  als  Folgesatz  eines 
andern,  in  der  Lehre  von  der  Zusammensetzung  und  Zerlegung  der  Bewe- 
gungen vorgetragenen  behandelt  werden.  Der  in  diesem  Buche  gegebene 
Beweis  desselben  scheint  mir  nicht  klar  genug.  Der  Beweis  för  die  Con- 
struction  der  Resultierenden  zweier  Kräfte  ist,  nachdem  der  erwähnte 
Satz  vorausgeschickt  ist,  wol  überfiüssig. 

Es  folgt  nun  auch  ein  Abschnitt  über  die  bekannten  einfeushen 
Maschinen,  ftlr  welche  das  Verhältnis  der  sich  Gleichgewicht  haltenden 
Kräfte,  von  welchen  natürlich  eine  immer  zur  Last  degradirt  wird,  zur 
Erörterung  kommt.  Nach  meiner  Meinung  ist  die  gesonderte  Betrachtung 
dieser  einfachen  Maschinen  überflüssig.  Die  schiefe  Ebene  gehört  als 
Beispiel  zur  Lehre  von  der  Zerlegung  der  Kräfte.  Der  Hebel  gehört  als 
Beispiel  zur  Lehre  von  der  drehenden  Bewegung.  Von  der  festen  Bolle 
muss  schon  früher  dort  gesprochen  werden,  wo  gezeigt  wird,  wie  jede  nach 
beliebiger  Richtung  wirkende  Kraft  durch  den  Zug  eines  Gewichtes  er- 
setzt werden  kann.   Die  specielle  Betrachtang  der  Schraube  und  des  Keik. 


A.  Trappe,  Leitfaden  der  Physik,  ang.  v.  J,  Stefan.  678 

als  Maschinen  halte  ich  für  yoilkommen  nutzlos.  Es  gibt  viel  wichtigere 
Dinge  in  der  Physik,  die  gewöhnlich  übergangen  werden,  zu  besprechen, 
als  diese  es  sind.  Speciel  das  vorliegende  Werk  betreffend  ist  noch  zu 
bemerken,  dass  der  Beweis  für  das  Stattfinden  des  Gleichgewichtes  von 
Krftften  an  einem  Hebel  mit  Hilfe  des  Gleichgewichtssatzes  für  die  Bolle 
unpraktisch  ist. 

Nach  den  einfachen  Maschinen  kommt  der  Hr.  Verf.  erst  zur  Lehre 
vom  Schwerpuncte.  Diese  sollte  jedenfalls  vor  der  Betrachtung  des  Hebels 
abgehandelt  werden.  Während  der  Hr.  Verf.  sonst  schwierigere  mathema- 
rische  Deductionen  vermeidet,  macht  er  hier  eine  Ausnahme  und  berechnet 
die  Lage  des  Schwerpunctes  für  ein  Trapez,  eine  abgekürzte  Pyramide, 
einen  Kreisbogen,  eine  Eugelkappe  und  für  die  Ausschnitte  und  Abschnitte 
eines  Kreises  und  einer  Kugel.  Solche  Dinge  gehören  wol  nicht  in  ein 
für  Mittelschulen  bestimmtes  Lehrbuch,  sie  geben  ihm  fast  den  Anschein 
eines  Tummelplatzes,  auf  dem  der  Verfasser  mit  seinem  Wissen  sich  breit 
machen  will. 

Darauf  kommt  der  Hr.  Verf.  zu  den  durch  die  Wirkung  der  Schwere 
erzeugten  Bewegungen.  Die  Formeln  für  die  Endgeschwindigkeit  und  den 
Weg,  den  der  fallende  Körper  in  einer  gewissen  Zeit  zurücklegt,  werden 
auf  dem  Wege  der  Induction  gefunden.  Was  die  letztere  Formel  anbetrifft, 
so  glaube  ich  ist  es  wol  am  zweckmäTsigsten ,  sie  nach  Aufstellung  des 
Begriffes  der  mittleren  Geschwindigkeit,  der  doch  auch  erklärt  werden  soll, 
abzuleiten  oder  eigentlich  nur  anzuschreiben,  da  eine  Ableitung  dann  nicht 
mehr  nothwendig  ist  Was  die  Fallmaschine  betrifft,  so  ist  zu  bemerken, 
dass  dieser  Apparat  nicht  blof^  zur  Verdeutlichung  der  Fallgesetze  ver- 
wendet werden  soll,  sondern,  was  vielleicht  noch  wichtiger  ist,  auch  zur 
Erklärung  der  Beziehung  zwischen  Kraft,  Masse  und  Beschleunigung. 

Die  Formel  für  die  Schwingungsdauer  eines  Pendels  ist  nicht  ab- 
geleitet, was  vollkommen  gebilligt  werden  muss,  so  lange  keine  einfachere 
Ableitungsweise  derselben,  als  die  bisher  gebrauchten,  gefunden  ist.  Hin- 
gegen ist  deutlich  gemacht,  was  auch  nothwendig  ist,  in  welcher  Weise 
die  Schwingungsdauer  von  der  Pendellänge  und  der  Beschleunigung  der 
Schwere  abhängt.  Statt  der  hier  gelehrten  Anwendung  des  Pendels  zur 
Bestimmung  der  Dichtigkeit  der  Erde  wäre  es  wol  einfacher  gewesen,  die 
zur  Bestimmung  derselben  Gröfse  führende  statische  Methode  zu  erörtern. 

Es  wäre  gut,  die  Keppler'schen  Gresetze  nicht  blofs  anzuführen, 
sondern  auch  dabei  wenigstens  anzudeuten,  auf  welche  Weise  Keppler  zu 
ihnen  gelangte. 

In  dem  letzten  Abschnitte  über  mechanische  Arbeit  und  lebendige 
Kraft  ist  in  den  Formeln  wieder  die  Identificierung  von  Gewicht  und  Masse 
störend.  Auch  ist  es  unpassend,  den  Buchstaben,  mit  dem  man  sonst  die 
Beschleunigung  der  Schwere  bezeichnet,  den  Fallraum  in  der  ersten  Se- 
cunde  bedeuten  zu  lassen.  Zeichen,  welche  von  den  Mathematikern  und 
Physikern  in  allen  Specialarbeiten  consequent  immer  mit  einer  bestimmten 
Bedeutung  verbunden  werden,  sollen  doch  auch  in  den  Lehrbüchern  die* 
selbe  Bedeutung  haben. 

Wien.  J.  Stofftiu  • 


074  Literarische  Notizen. 

Literarische  Notizen.  Neue  Auflagen. 

Uehungsbuch,  enthaltend  deutsche  und  griechische  üehersetzungs- 
stücke  zur  Erlernung  der  Formenlehre  und  der  Syntax«,  als  Anhang  zu 
des  Verfassers  kurzgefasster  griechischer  Schulgrammatik,  von  Dr.  Baphael 
Kühner.  Hannover,  Hahn,  1865.  128  S.  13V,  Sgr. 

Die  Uebersetzungsaufgaben,  welche  in  die  ElementarCTammatik  an- 
gereiht waren,  in  der  Schulgrammatik  aber  keinen  Platz  fmden  konnten, 
sind  wesentlich  unverändert  sammt  den  jeder  Aufgabe  voraas^^chickten 
auswendig  zu  lernenden  Wörtern  hier  zusammengestellt  Es  sind  leichte 
griechische  und  deutsche  Sätze  zur  Einübung  der  l  ormenlehre,  und  deutsche 
Sätze  zur  Einübung  der  Syntax.  Der  Inhalt  ist  zwar  bekanntlich  nicht 
bedeutend  und  mannigfach,  die  aToaTidtitti  und  noUfitot  spielen  da  eine 
grofse  Rolle;  aber  der  vorhandene  Sprachstoff  kann  um  so  sicherer  einge- 
prägt und  die  Einübung  der  Formen  am  bekannteren  Stoffe  leichter  er- 
zielt werden. 

Aufgaben  zum  Heber  setzen  itCs  Griechische  für  die  oberen  Classen 
der  Gymnasien,  von  Dr.  Gottfried  Böhme,  Professor  und  Prorector  am 
Gymnasium  zu  Dortmund.  Zweite  verbesserte  Auflage.  Leipzig,  Teubner, 
1861.  VUI  u.  304  S.  8.  24  Sgr. 

Die  erste  Auflage  hat  volle  Anerkennung  in  dieser  Zeitschrift  1859, 
S.  500  f.  gefunden.  Die  Veränderungen  dieser  neuen  Auflage  bestehen  in 
einer  bedeutenden  Vervollständigung  und  Verbesserung  des  Wörterverzeich- 
nisses und  in  der  Hinzufugung  eines  neuen  nach  Thukyd.  IV,  2—41  bear- 
beiteten Abschnittes  unter  Nr.  190» —190*  „Der  Kampf  bei  Pylos.«  Das 
Buch  besteht  aus  zwei  Cursen,  von  denen  jeder  zuerst  einzelne  mit  Rück- 
sicht auf  die  Grammatik  von  G.  Curtius  geordnete  Sätze,  dann  zusammen- 
hängende Stücke  enthält,  und  zwar  der  erste  zur  Einübung  der  Casus- 
lehre, der  zweite  zur  Einübung  der  Tempus-  und  Moduslehre.  Endlich  hat 
es  einen  Anhang  lateinischer  Uebungsstücke.  Sollte  es  daher  an  irgend 
einer  Anstalt  wüuschenswerth  sein,  Ssa  Uebunpsbuch  von  Dr.  Schenkl  auf 
eine  Zeit  lang  abzuschaffen,  so  wäre  die  Emführung  dieses  Buches  zu 
empfehlen. 

Griechisclie  FarmetUehrc  für  Anfänger,  von  Fr.  Spicfs.  Fünfte, 
berichtigte  Auflage,  bearbeitet  von_Dr.  Th.  Breiter,  Director  des  Gym- 
nasiums in  Marienburg.  10  Sgr. 

Vebungsbuch  zum  üebersetzen  atis  d^m  Griediischen  in's  Deutsche 
und  aus  dem  Deutschen  in's  Griechische  für  Anfänger.  Begründet  von  Fr. 
Spiefs.  Sechste,  berichtigte  Auflage,  bearbeitet  von  Dr.  Th.  Breiter. 
Essen,  Bädeker.  122  u.  184  S.  15  Sgr. 

Die  beiden  Bücher  sind  in  dieser  Zeitschrift  wiederholt  eingehend 
besprochen  worden,  die  2.  Aufl.  1854,  S.  24  ff.,  425  ff.,  die  3.  Aufl.  1858, 
S.  283  ff.,  endlich  die  4.  Aufl.  des  Uebungsbuches  1862,  S.  721  f  Wir 
können  uns  mit  der  Hinweisung  auf  diese,  nur  dem  Uebungsbuche  günsti- 

fen  Anzeigen  um  so  mehr  begnügen,  als  die  darin  gemachten  begründeten 
usstellungen  und  Vorschläge  tast  ganz  unberücksichtigt  erscheinen.  Nur  die 
eine  Bemerkung  können  wir  nicht  unterdrücken,  dass  die  griechischen  Typen 
bezüglich  der  Haar-  und  Schattenstriche  den  Eindruck  einer  im  Spiegel 
gelesenen  Schrift  macheu.  und  der  Druck  überhaupt  so  dicht  ist,  dass 
man  die  Bücher  schon  deshalb  im  Interesse  der  Augen  der  Schüler  nicht 
empfehlen  könnte. 

Auswahl  aus  Lobeck's  akademischen  Beden.  Herausgegeben  von  Al- 
bert Lehnardt,  Director  des  kgl.  Gymn.  zu  Thorn.  Berlin,  Weidmann, 
1865.  Vm  u.  230  S.  8. 

Wer  Lobeck  nur  aus  semen  gedruckten  Werken  kennt,  der  sieht  in 
ihm  mit  auMchtiger  Hochachtung  den  Gelehrten  im  eminenteiteii  Sinne 


Literarische  Notizen.  675 

des  Wortes,  den  der  Umfang  des  Wissens,  die  sichere  Herrschaft  über  seine 
reichen  Schätze,  und  die  strenge  Gewissenhaftigkeit  der  Forschung  unter 
die  Heroen  seiner  Wissenschaft  versetzt.  Von  dem  persönlichen  Charakter 
Lobeck's  ^eben  kaum  einzelne  Stellen,  namentlich  in  Vorreden,  die  äufscr- 
sten  Umnsse  eines  Bildes,  die  zugleich  den  Wunsch  erwecken,  eine  voll- 
standigere  Anschauung  desselben  zu  gewinnen.  Denn  wenn  es  sich  leider 
manchmal  findet,  dass  mit  der  wissenschaftlichen  Bedeutung  von  Gelehrten 
der  Werth  ihres  persönlichen  Charakters  nicht  im  Einklänge  steht,  und 
man  wünschen  möchte  den  Mann  zu  vergessen,  um  nicht  die  Achtung  vor 
dem  Gelehrten  zu  beeinträchtigen,  trägt  bei  Lobeck  jeder  Zug  des  persön- 
lichen Charakters,  jeder  Ausdruck  seiner  Gesinnung  dazu  bei,  die  voll- 
ständige Harmonie  zu  zeigen,  in  welcher  das  Wissen  und  das  Leben  dieses 
Mannes  stand.  Die  „Mittheilungen  aus  Lobeck's  Briefwechsel",  welche  Fried- 
länder im  Jahre  1861  veröffenthchte  (vgl.  in  dieser  Zeitschrift  1861.  S.  747  f.), 
haben  in  dankenswerthester  Weise  dazu  beigetragen,  ein  anschauliches  Bild 
von  Lobeck  allen  denen  darzubieten,  die  ihn  bis  dahin  nur  aus  seinen 
Schriften  kannten.  Noch  werthvoller  und  reicher  ist  die  vorliegende  Schrift 
In  der  Einleitung  gibt  der  Herausgeber  zunächst  S.  1—28  Nachricht  über 
Loheck's  literarischen  Nachlass.  jLn  der  Rotunde  der  königlichen  Biblio- 
thek zu  Königsberg  ist  Loheck's  literarischer  Nachlass  aufgestellt.  Derselbe 
besteht  aus  mehr  als  130  zum  Theil  sehr  starken  Quartbänden  und  zu- 
sammengeschnürten Fascikeln.  Ein  Fremder,  der  aus  Neugier  die  Räume 
durchwanderte,  würde  staunen,  wenn  er  diese  stattlichen  Reihen  über- 
blickte und  erführe,  dass  dies  nicht  die  ganze  Arbeit  eines  Menschen- 
lebens, dass  es  der  Rest  nur  ist  von  Vorarbeiten,  zu  deren  Vollendung 
das  Leben  des  einen  Menschen  nicht  mehr  ausgereicht  hat."  Mit  diesen 
Worten  leitet  der  Herausgeber  den  genauen  Bericht  ein,  den  jeder  Philo- 
loge mit  dem  lebhaftesten  Interesse  verfolgen  wird,  da  er  in  die  Art  und 
den  ümfimg  der  Vorarbeiten,  aus  denen  Lobeck's  Schriften  hervorgegangen 
sind,  einen  Einblick  thun  lässt.  Dem  Gegenstande  der  vorliegenden  »Samm- 
lung unmittelbar  dient  der  folgende  Abschnitt  der  Einleitung  S.  29—70 
^Lobeck  als  akade^nkcher  Redner.*^  Als  professor  eloquentiae  hat  Lobeck 
in  den  42  Jahren  seiner  Königsberger  Lehrthätigkeit  mehr  als  achtzigmal 
bei  Feiern  der  Universität  mo  Festrede  gehalten,  bald  in  lateinischer, 
bald  in  deutscher  Sprache.  Der  Herausgeber  verzeichnet  S.  36— 42  die 
Themata  aller  derienigen  Reden,  die  sich  in  dem  literarischen  Nachlasse 
Loheck's  vorgefunden  haben  und  schliefst  hieran  eine  treffende  Charakteristik 
der  akademischen  Reden  Lobeck*s.  Bei  einem  so  häufigen  Anlasse  zu  Reden 
war  es  unvermeidlich,  dass  manche  der  behandelten  Themata  einander  nahe 
standen;  man  kann  es  daher  nur  billigen,  dass  der  Herausgeber  eine  Aus- 
wahl getroffen,  welche  jede  Wiederholung  ausschliefst,  und  dass  er  zu- 
gleich die  allgemeine  Charakteristik  benützt  hat,  aus  den  nicht  abgedruck- 
ten Reden  einzelnes  mitzutheilen.  Unter  den  hier  zum  Abdrucke  ausge- 
wählten 41  Reden  S.  71—230  einzelnes  hervorzuheben  und  die  Leser  auf 
sie  besonders  aufmerksam  zu  machen,  würde  schwer  sein.  Die  gleiche  Herr- 
schaft über  die  Sprache,  mögen  die  Reden  deutsch  oder  lateinisch  abge- 
fasst  sein,  die  Klarheit  und  der  Adel  der  Gedanken,  die  Wahrheit  der  Ge- 
sinnung, welche  jede  leere  Phrase  ausschliefst  und  sich  in  Scherz  und 
Ironie  so  sicher  und  treffend  ausprägt,  wie  im  Ernste,  werden  diese  ganze 
Sammlung  nicht  blofs  den  Fachgenossen,  sondern  einem  weiteren  Leser- 
kreise lieb  und  werth  machen.  Wenn  wir  auf  eine  Rede,  die  bei  der  Säcular- 
feier  der  Königsberger  Universität  gehaltene,  hinweisen,  so  geschieht  es, 
weil  in  dem  zweiten  Theile,  in  der  Darlegung  der  Gefahren,  welche  der 
Entwicklung  der  Wissenschaft  drohen,  grundsätzliche  Ueberzeugungen  Lo- 
beck's  den  kürzesten  Ausdruck  gefunden  haben.  Die  Hochschulen  nöherer 
Greistesbildung  überhaupt  sieht  Lobeck  bedroht  von  ^den  Eumeniden  der 
Glaubenszwietracht",  von  der  immer  lauter  werdenden  Forderung,  „dass 
die  Wissenschaft  ihre  Lehre  fortan  ausscbUef^lich  auf  die  VennehitUiff  der 
Erwerbsmittel  und  den  Bedarf  der  WeHanannsbildnng  berechne  Im  bo« 


676  Literarische  Notizen. 

Bduränke**,  und  von  dem  „Pharisäismas  der  WiBsenschaft,  welcher  den 
Resultaten  modemer  Forschung  das  Oaukelwe^k  spielender  Comhinaücn 
entgegenstellt" 

Die  Welt  der  Jugend.  Neue  Folge  von  Otto  Spamer's  Illustrierter 
Jugendbibliothek.  Leipzig  und  Berlin,  Spamer.  Einzelnes  Heft  10  Sgr., 
im  Abonnement  7»/^  Sgr.  Heft  1,  2,  3. 

Die  ,,Welt  der  Jugend**,  welche  in  zwanglosen  Heften  von  80—100 
Seiten  in  sorgfältiger  Ausstattung  erscheint,  sucht  ftU:  das  Jagendalter 
von  12—16  Jahren  „eine  passende  Lectüre**  zu  schaffen ,  eine  Sache ,  die, 
wie  der  Prospect  sagt,  heutzutage  immer  seltener  und  schwieriger  wird. 
Darum  empfiehlt  auch  die  Yerl^shandlung  dieses  Unternehmen,  welches 
eine  so  schmerzliche  liücke  auszufüllen  bestimmt  ist,  ganz  besonders  den 
Familien,  den  Lehrern,  den  Vorstehern  der  Volks-  und  Schulbibliotheken 
und  verspricht  mit  der  Ehre  ihrer  Firma  fELr  die  zweckdienlichste  Ausföh- 
rung  dieses  Programms  einzutreten.  Jedes  Heft  bildet  gewissermalsen  ein 
geschlossenes  Ganzes,  enthält  drei  längere  Erzählungen,  von  denen  gewöhn- 
lich die  erste  einen  histoiischen  Stoff,  die  beiden  anderen  das  Tbier-  und 
Pflanzenleben  zum  Gegenstande  haben.  Daran  schliefst  sich  ein  Abschnitt 
„Erholungsstunden**,  in  denen  allerhand  Notizen,  Schach-,  Rösselsprnngauf- 
gaben,  Kätbsel  Bechenezempel  etc.  zusammengetragen  sind.  Damit  auch 
aas  Auge  nicht  leer  ausgeht,  sind  zahlreiche  Illustrationen,  die  gröfsten- 
theils  gut  sind ,  und  je  ein  Titelkupfer  beigegeben. 

Dies  alles  ist  gewiss  recht  gut  und  das  Bestreben  überhaupt  nur 
lobenswerth.  Leider  scheint  es  uns  nicht  alle  Hoffnungen,  die  es  selbst  er- 
weckt, zu  rechtfertigen.  Die  ersten  drei  Hefte,  die  unter  den  Titeln  „Heute 
und  ehedem**,  „Draufäen  und  Daheim**,  „Oben  und  Unten**  ersdüenen 
sind,  bringen  allerdings ,  wie  ihre  Titel  dies  wol  andeuten  sollen,  mannig- 
faltiges genug,  aber  auch  manches,  dessen  Werth  für  die  Jugend  wenigstens 
fraglich  ist.  Die  Erzählung  „Unter  der  Fahne**  vom  Hauptmann  a.  von 
Deaenroth  gibt  allerdings  eine  patriotische  Schilderung  des  letzten  Schl^wig- 
Holstein-Erieges ,  in  dem  auch  die  mannigfachen  Anekdoten  über  diesen 
Krieg  geschickt  zusammengetragen  sind;  ebenso  ist  auch  die  Erzählung 
„ein  deutscher  Krieger**,  welche  das  Leben  Gneisenau's  behandelt,  eine  pas- 
sende Unterhaltung  für  die  Jugend.  Die  Schilderung  Pompeji*s  und  Her- 
culanum's  unter  dem  Titel  „Die  begrabene  Stadt**  erhebt  sich  freilich  schon 
nur  wenig  über  das  Niveau  des  schon  oftmal  dagewesenen ;  aber  es  würde 
doch  immerhin  noch  nichts  unpassendes  sein.  Erschreckend  aber  war  uns 
die  in  Heft  3  enthaltene  Novelle  „Die  Heise  im  Finstem**.  Wie?  ist  unsere 
Jugend  von  12—16  Jahren  schon  so  blasiert,  dass  man  einen  solchen  Schwidl 
von  Ungeheuerlichkeiten  aufbieten  muss,  um  sie  zu  interessieren?  Den 
Charakter  dieser  abenteuerlichen  Geschichte,  wie  sie  sich  selbst  nennt, 
wiederzugeben,  nur  dieses.  Auf  Seite  3  entflieht  der  Held  nicht  nur  drei- 
mal der  entsetzlichen  Todesgefahr,  auch  seiner  Mutter  Tod  erlebt  er  auf 
diesem  kurzen  Blatt.  Die  weiteren  dreif^ig  Seiten  schildern  uns  seine 
Eeise  von  Europa  nach  Peru,  die  er  bergehoch  unter  Fässern  und  Kisten 
im  unteren  Schiffsräume  verpackt  mitmacht  und  dort  „im  Finstem**  von 
Schiffratten  sich  nährt,  die  inm  begreiflicherweise  „köstlich  wie  Hammel- 
fleisch schmeckten.**  Und  dies  alles  erleidet  der  Held  nicht  als  gedrückter 
Flüchtling,  als  entflohener  Sclave,  sondern  weil  er,  ein  IGjähriger  Bursch, 
sich  auf  das  Schiff  gestohlen,  um  die  Fahrt  mitzumachen,  dann  zwischen 
den  Fässern  einschläft,  die  während  der  Nacht  von  den  Matrosen  über- 
packt werden. 

Wenn  die  „Welt  der  Jugend**  noch  viele  derartige  Geschichten  zu 
bringen  beabsichtigt,  so  wird  sie  die  Worte  des  Prospectes  lügen  strafen, 
welche  uns  versichern,  dass  die  Verlagsbuchhandlung  es  verschmähe  „durch 
Kriminalgeschichten  und  Sensationsnovellen  etc.,  wie  sie  die  Mehr- 
zahl der  Volkspresse  jetzt  bringt**,  das  Interesse  des  Pablicoms  auf  sich 
zu  ziehezL 


Dritte  Abtheilung* 


Zur  Didaktik  und  Pädagogik. 

Aus  der  Gymnasialpraxis. 
I.  Schuldisciplin  in  den  untersten  Classen. 

Es  ist,  wenn  ich  nicht  irre,  in  diesen  Blättern  einmal  bemerkt  wor- 
den, man  müsse  die  Kenntnisse  und  Fähigkeiten  der  neu  eintretenden  Gym- 
nasialschüler nicht  zu  hoch  anschlagen,  sondern  den  Unterricht  unter  der 
Voraussetzung  heginnen,  dass  man  Ejiahen  vor  sich  habe,  die  im  allge- 
meinen geläufig  lesen,  richtig  schreiben,  ein  wenig  rechnen  können  und 
—  nichts  weiter.  Diese  Bemerkung  ist  gewiss  eine  ganz  richtige;  denn 
welcher  Lehrer  wüsste  nicht,  dass  selbst  die  erwähnten  mafsigen  Kennt- 
nisse bei  gar  vielen  der  aufgenommenen  Schüler  nur  theilweise  vorhanden 
sind  und  dass  darüber  hinaus  nur  selten  einer  oder  der  andere  etwas  er- 
kleckliches vermag.  —  Ich  möchte  dem  noch  hinzufügen,  dass  man  auch 
in  disciplinärer  Beziehung  bei  Knaben  der  untersten  Classe  anfangs  mit 
geringem  sich  bescheiden  müsse.  Es  muss  da  in  der  That  genügen,  wenn 
der  Knabe  nur  zu  gehorchen  weifö,  wenn  er  Scham  und  Ehrgefühl  genug 
besitzt,  um  für  Lob  oder  Tadel  von  Seite  des  Lehrers  empfänglich  zu  sein.  Was 
über  diese  allgemeinen  Anforderungen  hinausgeht,  ich  habe  hier  speciel 
das  richtige,  angemessene  Verhalten  der  Schüler  während  des  Unterrichtes 
im  Auge,  das  wird  von  den  Neulingen  im  Gymnasium  weit  weniger  ver- 
langt als  ihnen  vielmehr  beigebracht  werden  müssen.  Man  sehe  nur  einmal 
zu,  was  die  Knaben  in  dieser  Beziehung  in  die  höhere  Lehranstalt  mit- 
bringen. Da  sind  ihrer,  die  in  der  Bank  zumeist  stehen  oder  wenn  sie  ja 
sitzen,  gewohnheitsmäTlsig  mit  den  Füfsen  schlenkern.  Und  wie  diese  ihre 
FüX^e,  so  beschäftigen  andere  ihre  Hände,  sei  es  nun,  dass  sie  bei  jeder 
Gelegenheit  durch  Aufheben  derselben  die  Aufmerksamkeit  des  Lehrers 
auf  sich  zu  lenken  suchen,  oder  dass  sie  allerlei  herumtändeln,  schnitzen, 
zeichnen,  in  Ohr  und  Nase  fahren  u.  dgl.  Wieder  andere  sind  nicht  im 
Stande  zu  schweigen.  Sie  denken  laut,  reden  unwillkürlich  mit  sich  und 
zu  anderen,  antworten  ungefiragt  oder  verlangen  ungestüm  von  dem  Lehrer 
zur  Antwort  aufgerufen  zu  werden.  Von  noch  ganz  anderen  Unarten  gar 
nicht  zu  reden,  welche  manchmal  die  den  Knaben  vordem  zu  Theil  ge- 
wordene Schulerziebung  gar  seltsam  illustrieren.  —  Ich  meine  nun,  man 


•78  J,  Wolfy  Aus  der  Gymnasialpraiis. 

müsse  die  Knaben  um  all  dieser  Unzukömmlicbkeiten  willen  nicht  ohne 
weiteres  entrüstet  anfahren.  Sie  meinen  es  damit  zumeist  gar  nicht  so  übel 
und  sind  sich  überhaupt  der  Unziemlichkeit  alles  dessen  gar  nicht  so  sehr 
bewusst.  Vieles  davon  wurde  eben  von  ihren  früheren  Lehrern  entweder 
nicht  beachtet  oder  auch  geradezu  hingenommen;  manches  glauben  sie 
sich  auch  erlauben  zu  dürfen,  gerade  weil  sie  in  einer  hohem  Anstalt  sich 
befinden.  Zwar  enthalten  die  Disciplinarvorschriften,  die  jeder  Schüler  bei 
Beginn  des  Schuljahres  zu  hören  bekommt,  die  nöthigen  Weisungen  be- 
züglich des  Verhaltens  in  der  Schule.  Allein  einmal  sind  diese  Weisungen, 
wie  es  auch  nicht  anders  sein  kann,  mehr  allgemeiner  Natur,  und  dann  möge 
man  nicht  vergessen,  dass  nicht  blofs  der  Knabe  weniger  nach  dem  ab- 
stracten  Gesetz,  als  vielmehr  nach  dessen  praktischer  Auslegung  und  Hand- 
habung sich  zu  richten  pflegt  Es  ist  daher,  wie  bereits  bemerkt,  durchaus 
noth wendig,  dass  der  Lehrer  ausdrücklich  und  bestimmt  vorschreibe,  wie 
sich  zu  verhalten  sei:  Ein  jeder  hat  zu  sitzen  und  zwar  so  zu  sitzen,  dass 
er  den  Lehrer  sieht  und  er  von  dem  Lehrer  gesehen  werden  kann.  Auf- 
zustehen hat  nur,  wer  aufgerufen  wird.  Wird  ein  Schüler  aus  der  Bank 
herausgerufen,  so  haben  die  neben  ihm  sitzenden  sofort  die  Bank  zu  räumen, 
damit  er  nicht  genöthigt  sei,  über  die  Bank  hinweg  zu  steigen  oder  gar 
unter  derselben  durchzukriechen,  was  nebenbei  gesagt,  gar  viele  zu  thun 
gewohnt  sind.  Zu  reden  hat  nur,  wer  gefragt  wurde,  und  zur  Antwort  hat 
sich  keiner  zu  melden,  wenn  der  Lehrer  nicht  hiezu  auffordert  —  u.  s.  w. 
Sind  einmal  diese  und  ähnliche  positive  Weisungen  ergangen,  dann  erst 
und  nicht  früher  mag  verlangt  werden,  dass  man  sich  darnach  verhalte. 
Aber  letzteres  muss  nun  auch  consequent  und  unnachsichtlich  verlangt 
werden  und  der  Lehrer  wird,  so  beharrlich  und  lästig  es  ihm  auch  ankom- 
men mag,  jede  auch  noch  so  geringe  Ausschreitung  übel  vermerken  und 
sei  es  auch  nur  durch  einen  Blick  den  Schüler  deshalb  zurecht  weisen 
müssen.  Ich  bemerke  dies  von  jeder  geringen  Ausschreitung,  denn  Versuche, 
über  die  unbequemen  Schranken  der  Disciplin  wenn  auch  nur  einigermaTsen 
sich  hinauszusetzen ,  treten  an  den  folgsamsten  £jiaben  heran  und  pfl^en 
gröfseren  Ausschreitungen  in  der  Regel  vorherzugehen.  An  derartigen  grös- 
seren Ausschreitungen  ist  demnach  der  Lehrer  mitschuldig,  der  es  unter- 
lässt,  schon  die  Versuche  dazu  hintanzuhalten.  —  Das  Hauptgebot  indessen 
ist  und  bleibt,  dass  während  des  Unterrichts  die  ungestörteste  Ruhe  herrsche. 
Dies  zu  Wege  zu  bringen,  ist  bekanntlich  um  so  schwieriger,  je  leichter 
und  je  lieber  es  den  Knaben  ist,  irgend  ein  für  sich  geringfügiges,  durch 
das  Beisammensein  vieler  aber  immerhin  störendes  Geräusch  zu  machen. 
Es  braucht  eben  nur  zur  gleicher  Zeit  der  eine  zu  räuspern,  ein  zweiter 
zu  spucken,  ein  dritter  zu  schnauzen,  ein  vierter  die  FüXlse  zu  wechseln, 
ein  fünfter  in  einem  Buche  zu  blättern,  ein  sechster  seinem  Nachbar  etwas 
suzulispeln  und  sofort  jeder  Schüler  einen  ganz  unscheinbaren  Theil  dazu 
beizutragen,  so  wird  eine  Unruhe  entstehen,  bei  der  ein  gedeihlicher  Un- 
terricht nicht  möglich  ist.  Um  eine  derartige  Unruhe,  die  kein  einzelner 
verschuldet  und  an  der  doch  alle  Theil  haben,  zu  verhüten,  werden  bekannt- 
lich gar  verschiedene  Mittel  angewendet.  Der  eine  nimmt  z.  B.  den  eisten 
besten,  der  ihm  211  dem  GerftuBche  mit  beizutragen  scheint,  hexans  und 


«r.  'Woif,  Ans  der  GjmnasialpraxiB.  670 

lässt  ihn  znm  warnendem  Exempel  für  alle  hülfen.  Ein  anderer  herrscht 
von  Zeit  zn  Zeit  der  Classe  ein  kräftiges  n^^hig**  zu,  worauf  in  der  That 
die  gewünschte  Stille  einzutreten  pflegt,  aber  nur  um  nach  wenigen  Mi- 
nuten allmählich  wieder  zu  weichen.  Wieder  ein  anderer  sucht  Abhilfe 
darin,  dass  er  das  herrschende  Geräusch  überbietet,  indem  er  nicht  nur 
selber  mit  lauter  Stimme  peroriert,  sondern  auch  von  den  aufgerufenen 
Schülern  verlangt,  dass  sie  so  laut  als  möglich  reden.  Umgekehrt  end- 
lich greift  mancher  auch  zu  dem  Mittel,  den  Ton  seiner  Stimme  zu  mäfsi- 
gen,  je  vernehmlicher  das  Geräusch  wird,  um  so  wenigstens  denjenigen 
Theil  der  Schüler,  dem  daran  gelegen  ist,  zur  unbedingten  Ruhe  während 
des  Unterrichtes  zu  nöthigen.  Eine  von  diesen  Methoden  oder  eine  ganz 
andere  als  die  zweckmäfsigste  zu  bezeichnen,  das  fällt  mir  natürlich  nicht 
bei,  denn  hiebei  kommt  es  eben  zu  sehr  auf  die  Individualität  des  Lehrers 
an,  auf  die  Art  und  Weise,  wie  er  gewohnt  ist,  der  Classe  gegenüber  auf- 
zutreten. Eines  aber  erachte  ich  doch  als  unbedingt  geboten,  nämlich 
dass  der  Lehrer  überhaupt  einen  bestimmten  Vorgang  beobachte  und  dass 
er  diesen  Vorgang  consequent  beobachte.  Ich  will  damit  sagen,  dass  man 
nicht,  wie  es  denn  doch  nicht  selten  geschieht,  heute  in  dieser,  morgen  in 
jener  Weise  verfahre,  oder  dass  man  gar  bei  einem  Theil  der  Schüler 
hingehen  lasse,  was  man  dem  andern  Theile  verargt,  und  was  dergleichen 
Fehlgriffe  mehr  sind.  Die  Schüler  wissen  eben  gar  gut,  wie  sie  mit  jedem 
Lehrer  daran  sind  und  benehmen  sich  durchaus  darnach.  Wer  ihnen  nur  einige 
Male,  sei  es  aus  Bequemlichkeit  oder  aus  einem  anderen  Grund,  die  Zügel 
schleusen  liefs,  der  wird  fortan  zu  thun  haben,  sie  im  Zaum  zu  halten. 
Und  so  wird  desgleichen,  wer  nur  einigemal  in  der  Schule  plötzlich  auf- 
brauste, um  eben  so  schnell  sich  wieder  zu  beruhigen,  nicht  leicht  mehr 
im  Stande  sein,  die  Knaben  ohne  Aufwand  besonderer  Mittel  zu  beherr- 
schen. Daher  denn  auch  die  auffallende  aber  doch  sehr  erklärliche  Erschei- 
nung, dass  ein  Lehrer  durch  seine  blofse  Gegenwart  bewirkt,  was  ein  an- 
derer durch  alle  pädagogischen  Mittel,  durch  Belehrung,  Ermahnung, 
Rüge  oder  Strafe  nicht  zu  Wege  bringt.  Wie  schwer  es  einem  indessen 
auch  ankomme,  die  Ruhe  in  der  Classe  zu  erhalten  und  wie  gering  auch  der 
Erfolg  dieser  Mühe  sei,  so  hüte  sich  der  Lehrer,  oder  bedenke  sich  wenig- 
stens sehr,  ehe  er  in  dieser  Beziehung  die  Beihilfe  eines  dritten,  sei  es  nun 
des  Classenlehrers  oder  des  Directors  in  Anspruch  nimmt.  Ein  derartiger 
Schritt,  wenn  nicht  unbedingt  geboten,  kann  nicht  anders  als  dem  Ansehen 
dessen  Eintrag  thun,  der  ihn  unternimmt.  Ich  meine  daher,  dass  Classen- 
lehrer  oder  Directoren,  besonders  wenn  sie  von  jüngeren  Lehrern  zu  einer 
derartigen  Beihilfe  aufgefordert  werden,  sich  ihrerseits  immer  fragen  soll- 
ten, ob  die  verlangte  Beihilfe  auch  zu  leisten,  oder  ob  es  nicht  gerathener 
sei,  lieber  den  betreffenden  Lehrer  über  das  Unpaedagogische  seines  Vor- 
ganges und  Über  die  geeignete  Handlungsweise  zu  belehren. 

Eine  ganz  besondere  Veranlassung  zur  Störung  der  Ruhe  während 
des  Unterrichtes  ist  unstreitig  das  so  häufig  vorkommende  „Hinaus  begehren** 
der  Schüler.  Letzteres  hat  seine  verschiedensten  Ursachen.  Diesen  befällt 
ein  plötzliches  Unwohlsein,  jenen  drängt  die  Nothdurfb,  aber  es  fingiert 
auch  gar  mancher  das  eine  oder  das  andere,  sei  es  nun,  nm  sich  auf  einige 


680  Jl  Wolf,  Ana  der  GymnAsialpraxia. 

Augenblicke  Kurzweil  zu  verschaffen,  oder  um  über  ein  bestimmtes  Thema, 
das  eben  an  die  Reihe  kommt ,  nicht  etwa  befragt  zu  werden,  oder  aus 
anderen  Gründen.  Es  ist  keine  Frage,  dass  in  dem  ersten  und  dem  zwei- 
ten der  angegebenen  Fälle  dem  Begehren  des  Schülers  stattgegeben  wer- 
den muss;  ebenso  auTser  Frage  steht  jedoch  das  Gegentheil  in  den  letzteren 
FSUen.  Damit  wäre  die  Sache  abgethan,  wenn  es  eben  nicht  seine  Schwie- 
rigkeit hätte  zu  constatieren,  welcher  Fall  just  vorhanden  seL  Die  Knaben 
wissen  sich  bekanntlich  in  einer  Weise  zu  verstellen,  dass  ihnen  der  Lehrer 
beinahe  schlechterdings  glauben  muss.  Und  wie  gewagt  es  ist,  dem  Hi- 
nausbegehren eines  Schülers  nicht  statt  zu  geben  auf  den  blofsen  Verdacht 
hin,  dass  es  am  Ende  nicht  nothwendig  sei,  das  dürfte  allgemein  bekannt 
sein.  Es  darf  dem  Knaben  hinterdrein  nur  das  geringste  thatsächliche 
Unwohlsein  zustossen,  so  wird  der  Umstand,  dass  er  trotz  seines  Hinaus- 
begehrens von  dem  Lehrer  im  Schulzimmer  zurückgehalten  wurde,  sicher- 
lich als  ein  Grund  jenes  Unwohlseins  mit  angeführt  werden.  Aus  alle  dem 
kann  und  darf  aber  nicht  folgen,  dass  man  die  Schüler  während  des  Un- 
terrichts aus-  und  einfliegen  lasse,  wie  in  einem  Taubenschlag.  Die  Sache 
lässt  sich  zwar  nicht  schlechtweg  verbieten,  aber  sie  lässt  sich  doch  auf 
ein  gewisses  Mafs  einschränken.  Um  letzteres  zu  erreichen,  wird  der  Leh- 
rer zuvörderst  nicht  unterlassen  dürfen,  die  Schüler  allen  Ernstes  zu  be- 
lehren, wie  ein  derartiges  Ab-  und  Zulaufen  nicht  blofs  für  die  betreffen- 
den, sondern  für  den  Untei  rieht  überhaupt  vom  Nachtheile  sei.  Die  Schüler 
werden  auch  darauf  aufmerksam  gemacht  werden  müssen,  wie  es  besonders 
für  einen  höhere  Bildung  anstrebenden  Menschen  nothwendig  sei,  sich  früh- 
zeitig daran  zu  gewöhnen,  derartige  Verrichtungen  immer  zur  gelegenen 
Zeit  abzuthun.  Es  wird  deshalb  sogar  nicht  überflüssig  sein,  ausdrücklich 
zu  bemerken,  dass  man  vor  dem  Eintritt  in  die  Classe,  wie  vor  dem  Be- 
suche jeder  längere  Zeit  in  Anspruch  nehmenden  Versammlung  von  Meh- 
reren sich  dessen  immer  im  Vorhinein  versehen  müsse.  Man  belächle  diese 
Bemerkungen  nicht.  Zu  einem  gewissen  Grade  von  Urbanität  kann  in  die- 
ser Beziehung  der  Knabe  nicht  früh  genug  angeleitet  werden.  —  Bei  der 
Belehrung  allein  jedoch  darf  man  es  freilich  nicht  bewenden  lassen.  Ich 
habe  daher  in  der  Regel  nebenbei  wenigstens  einige  Monate  hindurch  den 
der  Thüre  zunächst  sitzenden  Schüler  ein  Verzeichnis  führen  lassen,  welches 
ersichtlich  machte,  wie  oft  einer  in  einer  bestinmiten  Zeit  hinaus  begehrte. 
Es  stellte  sich  da  gewöhnlich  heraus,  dass  nur  eine  geringe  Zahl  von 
Schülern  es  ist,  welche  so  hinauszulaufen  pflegt  Hat  der  Lehrer  nun  auf 
diese  geringe  Zahl  ein  besonderes  Augenmerk,  verbindet  er  mit  dem  jedes- 
maligen Hinausbegehren  eine  Art  Sühne,  indem  er  die  betreffenden  bei- 
spielweise nach  Schluss  des  Unterrichtes  das  Versäumte  nachholen,  oder 
indem  er  sie  überhaupt  dafür  etwas  arbeiten  lässt,  dann  wird  auch  jene 
geringe  Zahl  von  Hinausläufem  noch  abnehmen  und  es  werden  end^ch 
nur  noch  jene  übrig  bleiben,  deren  schwächliche  Natur  in  der  That  nicht 
gestattet,  dass  sie  längere  Zeit  an  einem  Orte  verweilen.  Uebrigens  unter- 
lassen die  Schüler  das  Hinausgehen  von  selbst,  sobald  sie  merken,  dass 
es  der  Lehrer  wirklich  nicht  gerne  sieht  und  dass  er  die  Sache  nicht 
gleichgiltig  geschehen  lässt,  wie  ich  denn  hier  wiederholt  nicht  umhin  kann 


J.  Wolf,  Ans  der  Gymnasialprazis.  OSl 

zu  bemerken,  dass  all  die  verschiedenartigen  piedagogischen  Hansniitid 
ihre  Wirknng  verfehlen,  wenn  der  natürliche  Respect  vor  der  Person  und 
vor  dem  Willen  des  Lehrers  bei  den  Schülern  nicht  vorhanden  ist. 

Eine  ganz  besondere  Aufmerksamkeit  und  eine  eigene  Handhabung 
erheischt  die  Aufrechterhaltung  der  Disciplin  in  den  Zwischenstunden.  Das 
einfachste  wäre  hier  freilich,  die  Schüler  nie  allein  zu  lassen.  Allein  abge- 
sehen davon,  dass  dies  bei  dem  Fachlehrersysteme  gar  nicht  ausführbar  ist, 
10  scheint  es  mir  auch  engherzig,  ja  vom  podagogischen  Standpunct  gera- 
dezu verwerflich,  von  den  Schülern  sofort  sich  gröblicher  Ausschreitungen 
zu  versehen,  wenn  der  Lehrer  nicht  fortwährend  die  Zuchtruthe  über  sie 
schwingt,  und  sie  darnach  zu  behandeln.  £ine  wolgesittete  Classe  muXls  im 
Gegentheile  auch  in  Abwesenheit  des  Lehrers  nicht  nur  wissen,  wie  sie 
sich  zu  verhalten  hat,  sondern  sich  auch  so  verhalten.    Eine  unbedingte 
Stille ,  wie  während  des  Unterrichtes ,  kann  und  soll  hier  natürlich  nicht 
verlangt  werden;  es  muss  den  Knaben  gestattet  sein,  innerhalb  bestimmter 
Schranken  sich  etwas  freier  zu  bewegen,  wobei  es  auf  ein  gewisses  Geräusch 
nicht  ankommt.   Aber  die  berührten  Schranken  müssen,  wie  gesagt,  be- 
stimmt sein  und  das  gestattete  Geräusch  muss  seine  Grenze  haben.   Es 
darf  z.  B.  nicht  lauter  geredet  werden,  als  nothwendig  ist,   um  sich  den 
zunächst  sitzenden  verständlich  zu  machen.  Insbesondere  aber  darf  es  den 
Schülern  nicht  freistehen,  ihre  Sitze  beliebig  zu  verlassen.   Letzteres  kann 
nur  jenen  gestattet  sein,  die  sich  deshalb  bei  dem  abgehenden  Lehrer  ge- 
meldet und  von  ihm  die  Erlaubnis  hiezu  erhalten  haben.   Nicht  unwesent- 
lich für  die  Erhaltung  der  Disciplin  in  den  Zwischenpausen  der  einzelnen 
Lehrstunden  ist  auch  das  kategorische  Verlangen,  dass  jeder  Schüler  beim 
Eintritte  des  nachfolgenden  Lehrers  die  nothwendigen  Bücher,  Schreibma- 
terialien etc.  sofort  in  Bereitschaft  habe  und  nicht  etwa  erst  nach  bereits 
begonnenem  Unterrichte  darnach  herumsuche.  Ein  solches  Verlangen,  un- 
nachsichtlich  gestellt,  beschäftigt  mehr  oder  minder  jeden  und  hält  ihn  ab, 
sich  anderweit  die  Zeit  zu  vertreiben.   In  der  Regel  beauftragt  man  auch 
einen  oder  den  andern  Schüler,  auf  das  Verhalten  der  Classe  während  der 
Abwesenheit  des  Lehrers  zu  achten,  und  die  etwaigen  Ruhestörer  namhaft 
zu  machen.  In  den  untersten  Classen  scheint  mir  dieser  Vorgang  auch 
durchaus  geboten.   Ich  bin  natürlich  weit  entfernt  hiemit  etwa  der  Pflege 
von  „Angeberei«*  unter  den  Schülern  das  Wort  zu  reden.    Im  Gegentheile 
glaube  ich,  dass  gerade  durch  das  Bestellen  eines  bestimmten  Aufeehers 
in  den  unteren  Classen  jene  Angeberei  vermieden  wird.  Wenn  nämlich  ein 
Schüler  ausdrücklich  von  dem  Lehrer  angewiesen  wird,  über  das  Verhalten 
der  Einzelnen  zu  wachen  und  darüber  auf  Verlangen  Bericht  zu  erstatten, 
beziehungsweise  diejenigen  namhaft  zu  machen,  die  sich  gegen  die  bekann- 
ten Vorschriften  vergiengen,  so  ist  dieser  Schüler  kein  Angeber,  denn  er 
thut  alsdann  nur,  was  ihm  aufgetragen  wurde.  Durch  das  Bestellen  eines 
solchen  Aufsehers  wird  aber,  wie  bemerkt,  alle  Angeberei  vermieden,  denn 
der  Lehrer  hat  unter  diesen  Umständen  nicht  nöthig,  auf  diejenigen  zu 
achten,  die  sich  bei  jeder  Gelegenheit  geneigt  zeigen,  ihre  Mitschüler  an- 
zuschwärzen.  Selbstverständlich  darf  auch  auf  solche  freiwillige  Ankläger 
nicht  geachtet,  ja  es  muss  ihnen  ihre  Bereitwilligkeit  sogar  verwiesen  wer- 

Zoltwhrlfl  f.  d.  »iUrr.  Oymsai.  IW.  IX.  H«lt  46 


66t  J.  Wolf,  koB  der  0  jmnasialpTazis. 

den,  sobald  die  Anfsicht  einem  einzelnen  Schüler  übergeben  wurde,  und 
dieser  zum  Mistrauen  in  sein  Aufseheramt  noch  keine  Veranlassung  gebo- 
ten hat.  Dass  zur  Aufsicht  über  seine  Mitschüler  nur  ein  in  jeder  Bezie- 
hung tadelloser  Schüler  berufen  werden  darf,  steht  wol  auOser  Frage.  Ich 
würde  dies  auch  gar  nicht  erw&hnt  haben,  wenn  nicht  doch  hie  und  da 
die  Meinung  herrschte,  dass  zu  AufiBehem  über  die  Classe  gerade  die  ärg- 
sten Ruhestörer  am  besten  sich  eignen,  weil  sie,  einmal  mit  dem  Amte 
betraut,  nicht  nur  selber  fortan  sich  eines  ruhigeren  Verhaltens  befleiMgen, 
sondern  auch  ihren  Mitschülern  am  meisten  zu  imponieren  verstehoi.  Das 
w&re  alles  recht  schon,  wenn  die  üebertragung  der  Aufsicht  über  seine 
Mitschüler  nicht  eine  Bevorzugung  des  betreffenden  Schülers  wi&re,  und 
wenn  dieser  Schüler  nicht  gewissermaÜBen  in  Stellvertretung  des  Lehrers 
handelte,  ganz  abgesehen  davon,  dass  die  Schüler  der  unteren  Classen  jede 
ausnahmsweise  Beschäftigung,  zu  der  sie  von  dem  Lehrer  berufen  werden, 
als  eine  besondere  Vergünstigung  anzusehen  gewohnt  sind.  Der  Knabe 
bildet  sich  viel  darauf  ein,  wenn  ihn  der  Lehrer  mit  einer  kleinen  Besor- 
gung beauftragt,  oder  wenn  er  Kreide  und  Schwamm  aufzuheben  und  her- 
zurichten berufen  ist;  um  so  mehr  nun,  wenn  ihn  der  Lehrer  gar  zum 
Aufseher  Über  die  anderen  macht  Diese  Einbildung  soll  man  dem  Knaben 
nicht  vorzeitig  nehmen,  sie  verliert  sich  ohnedies  früh  genug. 

Nicht  gerade  zur  Schuldisciplin,  ganz  gewiss  aber  zu  den  Gegenstän- 
den, denen  der  Lehrer  der  untersten  Classe  seine  Aufinerksamkeit  zuzuwen- 
den hat,  gehört  der  äuTsere  Anstand  der  Schüler  im  Verkehre  mit  andern. 
Der  gebildete  Mensch  kann  sich  eben  gewissen  herkömmlichen  Formen  die- 
ses Anstandes  nicht  entziehen,  mit  andern  Worten,  es  ist  nicht  gleichgil- 
tig,  wie  einer  grüJElst,  kommt  und  geht,  wie  er  fragt  und  antwortet  u.  dgl 
Ich  komme  darauf  zu  sprechen,  weil  man  in  dieser  Beziehung  gegen  neu 
eintretende  Gymnasialschüler  häufig  unbillig  ist.  Man  verlangt  nämlich  ohne 
weiteres  von  ihnen,  dass  sie  alle  Begeln  des  Anstandes  beobaditen  und 
ist  nicht  selten  höchlich  entrüstet  über  ihr  ungeschicktes,  unanständiges 
Benehme,  bedenkt  aber  dabei  nicht,  dass  vielleicht  die  meisten  der  Knaben, 
die  man  vor  sich  hat,  in  der  That  noch  gar  keinen  Begriff  davon  haben, 
was  der  Anstand  erheischt,  oder  dass  ihre  Begriffe  in  dieser  Beziehung 
ganz  eigenthümliche  sind,  je  nachdem  sie  da  oder  dort,  unter  diesen  oder 
jenen  Umständen  herangewachsen.  Die  Knaben  vom  Lande  z.  B.  sind 
meist  gewohnt,  jedermann,  dem  sie  begegnen,  ein  ^Gtelobt  sei  etc.**  zuzuru- 
fen und  dabei  die  Mütze  ein  wenig  zu  rücken.  In  der  Stadt  merken  sie 
sofort,  dass  ihr  herkömmlicher  Grui^  hier  nicht  üblich  ist  und  sie  unterlassen 
ihn  daher;  aber  sie  merken  nicht,  dass  das  blofse  Bücken  der  Mütze  da- 
für nicht  genügt,  sondern  dass  der  Anstand  einnud  das  völlige  Abnehmen 
der  Kopfbedeckung  und  überdies  auch  eine  Art  Verbeugung  verlangt 
Desgleichen  sind  nicht  bloXk  die  Knaben  vom  Lande  zumeist  ganz  vnitaer 
Stande,  den  Lehrer  oder  eine  andere  fremde  Persönlichkeit  in  der  ge- 
bräuchlichen Form  anzureden.  Sie  wissen  gewöhnlich  nur,  dass  man  sich 
dem  Lehrer  und  dergleichen  Persönlichkeiten  gegenüber  nicht  der  unter 
bekannten  gebräuchlichen  Ausdruckswoise  bedient,  und  da  ihnen  die  hier 
angemessene  Form  der  Rede  nicht  geUhifig  ist,  so  stottern  sie  oder  reden  gar 


L,  Viethciber,  Üeber  Stenographie  an  Mittelschulen.  688 

nichts  auch  dann,  wenn  sie  recht  gat  wissen,  was  sie  zu  sagen  haben  und 
solches  auch  sonst  zn  sagen  verstehen.  —  Es  lieXise  sich  da  noch  vieles  an- 
f&hren,  besonders  auch,  was  die  Reinlichkeit  des  Körpers ,  die  Sauberkeit 
in  der  Kleidung  und  dgl.  anbelangt;  allein  meine  Absicht  ist  nicht,  den 
Gegenstand  erschöpfend  zu  behandeln,  sondern  ich  wollte  nur  bemerken, 
dass  es  geboten  sei,  von  dem  Knaben  nicht  blofs  äu&em  Anstand  zu  ver- 
langen, sondern  auch  solchen  zu  lehren.  Wessen  besondere  Aufgabe  diese 
Belehrung  ist,  ob  des  Directors,  des  Classenlehrers ,  des  Katecheten  oder 
wessen  immer,  das  bleibe  vor  der  Hand  unberührt,  aber  nothwendig  ist 
jedenfalls,  dass  einer  sich  der  Aufgabe  unterziehe,  denn  wofür  mehrere 
verantwortlich  sind,  dafür  ist  bekanntlich  in  der  That  keiner  verantwortlich. 

Ich  schlieüto  mit  dieser  Bemerkung,  um  ein  andermal  wieder  damit 
zu  beginnen. 

Eger.  Josef  Wolf 

EinYotuin  über  die  Stenographie  an  Mittelsclialen, 
besonders  an  Gymnasien. 

In  den  letzten  Jahren  ist  die  Frage,  ob  die  Stenographie  in  den 
Kreis  derjenigen  Unterrichtsgegensl&nde  einzubeziehen  sei,  welche  au  den 
Mittelschulen  gelehrt  werden,  und  im  Falle  der  Bejahung,  ob  als  obligater 
oder  ^Eicultaiiver  Lehrgegenstand,  vielfach  ein  Gegenstand  der  Erörterung 
gewesen.  Denn  abgesehen  davon,  dass  in  den  Fachzeitschriften  der  zahl- 
reichen stenographischen  Vereine  der  Gegenstand  vielfach  besprochen  wor- 
den ist  und  besprochen  wird,  haben  seit  der  Zeit,  als  das  Abgeordneten- 
haus in  Preui^en  im  Juni  1862  sich  mit  der  Frage  beschäftigte,  die  Schul- 
männer PreuTsens  und  Norddeutschlands  überhaupt  die  Frage  vielfEUsh 
erörtert.  So  sind  in  Stiehrs  Centralblatt  1863  S.  265  fünf  Gutachten 
abgedruckt,  so  ist  zweimal  in  den  Sitzungen  der  pädagogischen  Section 
der  Fhilologenversammlung  —  in  Augsburg  und  Hannover  —  über  die  Steno- 
graphie gesprochen  worden,  so  hat  kürzlich  im  92.  Bande  der  Jahrbücher 
für  Philologie  und  Paedagogik  S.  291  ff.  J.  Tietz  in  Braunsberg  gegen- 
über einem  Votum  der  Versammlung  westph&lischer  Directoren  zu  Soest 
die  Frage  einer  ziemlich  ausführlichen  Erörterung  unterzogen.  So  weit 
mir  die  betreffenden  Verhandlungen  bekannt  sind,  haben  in  der  Kegel  die 
Schulm&nner  mit  Ausnahme  jener  Bayem's  sich  abwehrend  gegen  die  Steno- 
graphie verhalten*),  so  dass  Tietz  ziemlich  allein  steht;  für  welche  Hal- 
tung ihnen  freilich  von  Seite  der  zünftigen  Stenographen  mancherlei  Ver- 
unglimpfung zu  Theil  wurde  *).  Wenn  ich  hier  die  Frage  aufiiehme,  so  ge- 
schieht es  deshalb,  weil  es  mir  scheint,  als  ob  in  der  ganzen  Discussion 
weder  von  den  Freunden  noch  von  den  Gegnern  der  Stenographie  diejeni- 
gen principieUen  Fragen  gestellt  und  erörtert  worden  sind,  die  gesteUt 
und  beantwortet  sein  müssen,  ehe  man  einen  Unterrichtsgegenstand  in 
die  Mittelschule  einfahren  oder  bestimmt  von  ihr  abweisen  kann. 


Bas  Programm  von  Bielefeld  1863  habe  ich  nicht  einsehen  können. 
I  Einen  £aftau8druck  gegen  die  ionoranten  Gegner  der  Sten^^nhi« 
8.  in  der  Zeitschrift  far  Bealschiuen  und  Gymnasien  1862.  S.  69. 

46* 


6d4  L.  Vklhaber,  Ueber  Stenographie  an  MiUelsclialen. 

Um  jedoch  für  die  Erörterung  dieaer  Frage  die  nöthigen  Gesichts- 
puncte  zu  gewinnen,  wird  es  passend  sein,  früher  mit  wenigen  Worten 
das  Wesen  der  Stenographie  zu  charakterisieren. 

Beide  in  Deutschland  bestehende  Systeme  der  Stenographie,  das  Gabels- 
berger'sche  und  das  Stolze'sche,  welche  im  wesentlichen  sich  so  vertheilen, 
dass  das  G.  im  südlichen  und  mittleren,  dass  Stolze*sche  im  nördlichen 
Deutschland  Geltung  hat,  wenn  auch  das  G.  im  Norden  immer  mehr  An- 
hanger findet,  haben  ein  vollständiges  Alphabet,  beide  mit  einer  solchen  Aus- 
dehnung über  die  Currentschrift ,  dass  auch  für  viele  Doppelconsonanten 
wenigstens  anscheinend  einfache  Zeichen  vorhanden  sind.  Die  Zeichen  sind 
nahezu  in  beiden  Systemen  dieselben  —  man  stellt  ziemlich  willkürlich 
als  Grundfigur  den  Kreis  mit  zwei  sich  rechtwinklig  schneidenden  Durch- 
messern hin  —  nur  ist  die  Verwendung  der  einzelnen  Zeichen  für  die 
einzelnen  Laute  insoferne  verschieden,  als  Stolze  vor  allem  darauf  sah, 
dass  der  stenographische  Buchstab  ein  Theil  des  entsprechenden  der  latei- 
nischen Gurren tschrifb  sei,  während  Gabelsberger  vor  allem  die  Verbindungs- 
f&higkeit  und  Schreibeflüchtigkeit  einzelner  Zeichen  in*s  Auge  fasste  und  da- 
her für  die  am  häufigsten  vorkommenden  Buchstaben  die  einfachsten  Zeichen 
und  zwar  solche  wählte,  die  sich  mit  den  Zeichen  der  Laute,  mit  denen  der 
betreffende  am  häufigsten  verbunden  wird,  am  leichtesten  vereinen  lassen- 
Hiedurch  ist  zwar  eine  Zeitersparung,  aber  noch  lange  keine  solche  ge- 
wonnen, dass  man  dem  gesprochenen  Worte  in  graphischer  Darstellung 
folgen  konnte.  Deshalb  sind  beide  Systeme  fortgeschritten  zum  System 
der  Yocalunterdrückung  oder  wenigstens  zu  einer  nur  andeutungsweisen 
Bezeichnung  der  Yocale  durch  Lage,  Verdickung  und  Schärfung  der  Con- 
sonantenzeichen.  Da  hiedurch  auch  das  eben  bezeichnete  Ziel  noch  nicht 
SU  erreichen  war,  so  ist  Stolze  dahin  gekommen,  fQr  eine  groX^  Zahl  häufig 
vorkommender  Worte  Siglen,  d.  i.  nach  einem  bestimmten  Plan  ein  für 
allemal  festgesetzte  Abkürzungen  aufzustellen,  während  das  Gabelsber- 
ger*8ch6  System  von  den  Siglen  einen  sehr  mäfsigen  Gebrauch  macht,  da- 
ftlr  durch  das  Mittel  der  sogenannten  logischen  oder  Prädicatskürzungen 
es  der  geistigen  Gewandtheit,  der  Vertrautheit  mit  dem  jeweiligen  Gegen- 
stande sowie  dem  Selbstvertrauen  des  Schreibenden  überlässt,  wie  viel  oder 
wie  wenig  des  gehörten  er  nur  andeutungsweise  zu  fijueren  brauche,  um 
das  geschriebene  wieder  lesen  zu  können.  Dass  mit  beiden  Arten  nichts 
neues  gegeben,  sondern  nur  die  Abkürzungen ,  welche  auch  vor  G.  und  St. 
jeder  zu  schnellerem  Schreiben  genöthigte  in  der  Currentschrift  anwendete, 
weiter  ausgedehnt  und  zu  einer  Art  System  vereinigt  worden  sind,  liegt 
auf  der  Hand.  Ebenso  braucht  kaum  noch  erwähnt  zu  werden,  dass  alle 
jene  Erörterungen,  wie  sehr  die  Buchstaben  zeichen  z.  B.  des  Gabelsber- 
ger*schen  Systemes  die  Art  des  gesprochenen  Lautes  charakteristisch  dar- 
stellen, mehr  oder  weniger  Geflunker  und  unnütze  Phantasmen  sind,  so  wie 
es  selbst  unter  den  Stenographen  von  Profession  nur  sehr  wenige  geben  wird, 
welche  im  Ernst  glauben,  dass  das  eine  oder  das  andere  System  je  unsere 
Currentschrift  verdrängen  werde.  Gegen  solche  üeberschwänglichkeiten, 
wie  die  eines  Sprechers  auf  der  Philologenversammlung  in  Hannover,  der 
von  dem  Anbrechen  einer  atenographischeB  Aera  sprach,  ist  es  nnnöthig 


X.  Vielhdber,  Ueber  Stenographie  an  Mittelscliulen.  885 

zu  polemisieren,  da  die  Erfahrung  bereits  das  ürtheil  gesprochen  hat. 
Ich  kehre  nach  dieser  einleitenden  Uebersicht  zur  eigentlichen  Frage 
zurück. 

Jedesmal  wenn  ein  ünterrichtsgegenstand  in  die  Kette  einer  Schul- 
einrichtung als  festes  und  för  alle  bindendes  Glied  eingeführt  werden 
soll,  ist  zuerst  zu  fragen,  ob  derselbe  solche  Momente  in  sich  trägt,  die 
zur  Erreichung  des  Zweckes  der  Schule  wesentlich  beitragen,  dass  deren 
Nichtberücksichtigung  eine  wesentliche  Lücke  in  dem  Kreise  des  Wissens 
und  Könnens  lässt,  welches  die  betreffende  Schule  zu  yermittcln  hat.  DieM 
Frage  setzt  die  Bestimmung  des  Zweckes  der  Schule  voraus.  Wenn  wir 
nun  den  Zweck  der  Mittelschule  bestimmen,  so  können  wir  die  eine  Seite 
der  durch  die  Schule  zu  vermittelnden  Bildung,  die  ethische,  bei  Seite  las- 
sen, da  die  Stenographie,  ernst  betrieben,  ebenso  wie  jeder  ünterrichts- 
gegenstand, wenn  er  mit  ernster  Thatigkeit  von  dem  Schüler  gefasst 
wird,  sittlichend  wirkt,  eine  unmittelbare  sie  vor  andern  auszeichnende 
Qualification  zur  ethischen  Bildung  ihr  nicht  innewohnt.  Wir  können  uns 
somit  auf  die  didaktische  Seite  der  Frage  beschränken.  Von  dieser  Seite 
aus  definiert  man  gewöhnlich  den  Zweck  der  Mittelschule  als  die  Mitthei- 
lung allgemeiner  Bildung.  Allgemeine  Bildung  im  Gegensatz  zur  Fach- 
bildung (Universität)  und  zu  den  Vorbildungen  der  Bildung  (Volksschule) 
kann  nur  eine  solche  Bildung  bezeichnen,  welche  hinausgehend  über  die 
Erfordernisse  des  praktischen  Lebens  in  dem  Individuum  eine  solche  Summe 
propädeutischen  Wissens  vereinigt,  dass  auf  Grund  derselben  jede  wissen- 
schaftliche Beschäftigung  mit  Erfolg  getrieben  werden,  und  eine  solche 
geistige  Gewandtheit  bewirkt,  dass  jede  Art  geistiger  Operation,  wie  sie 
eben  die  einzelne  Wissenschaft  fordert,  ohne  Schwierigkeit  und  mit  Sicher- 
heit gemacht  werden  kann.  Sehen  wir  nun,  ob  die  Stenographie  zu  der 
Erreichung  einer  solchen  Bildung  soviel  beiträgt,  dass  sie  in  den  Kreis 
der  obligaten  ünterrichtsgegenstände  aufgenommen  weiden  mnss.  Begin- 
nen wir  bei  der  der  Stenographie  unbedingt  günstigsten  letzten  Seite,  so 
ist  es  nicht  zu  läugnen,  dass  7wei  Seiten  der  Stenographie  in  gewisser 
Weise  formal  bildend  wirken.  Da  in  stenographischer  Schrift  kein  Strich 
und  kein  Punct  umsonst  gesetzt  wird,  so  liegt  hierin  gegenüber  der  Lax- 
heit der  Currentschrift,  bei  der  es  P4if  einen  Schnörkel  mehr  oder  weniger 
nicht  ankömmt,  eine  gewisse  Zucht  des  Geistes,  die  das  Zusammenhalten 
der  Gedanken  befördert.  Indessen  gar  zu  bedeutend  ist  der  Gewinn  aus 
dieser  Eigenschaft  nicht,  zumal  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Schule  Ün- 
terrichtsgegenstände hat,  die  diese  geistige  Zucht  und  Beschränkung  auf 
das  streng  sachgemäTse  in  noch  ganz  anderer  Weise  erzwingen.  Jeder  Be- 
weis eines  noch  so  einfachen  mathematischen  Salzes,  jede  üebersetzung 
aus  dem  Lateinischen  und  Griechischen  und  umgekehrt,  die  Beschreibung  des 
einfachsten  Naturgegenstandes  wirken  unmittelbarer  und  eingreifender. 
Femer  kann  jeder  Lehrer,  wenn  er  diese  speciel  aus  der  Schrift  fliefsende 
Zucht  für  nothwendig  hält,  sie  auch  bei  der  gewöhnlichen  Schrift  erzielen, 
wenn  er  nur  darauf  dringt,  dass  keine  unnützen  VerschnÖrkelungen  be- 
sonders der  Majuskeln  gemacht  werden.  Bedeutender  ist  der  Gewinn,  der 
aus  den  höheren  Stadien  der  Stenographie,  besonders  der  nach  Gabelsberger, 


MO  L.  Vidhaber,  Ueber  Stenographie  an  MiHelBchnlen. 

flieTst.  Die  Abkürzungen  einzelner  Worte,  sei  es  dadurch,  dass  die  Endung 
weggelassen,  hlota  der  Stammvocal  mit  oder  ohne  Vorsilbe  angedeutet,  oder 
blofs  die  Endung  gesetzt  wird,  erfordert  rasches  Ueberlegen,  schnelle  Ueber- 
sicht  des  Satzes,  Combination  des  folgenden  aus  dem  schon  gesprochenen. 
Noch  mehr  ist  das  der  Fall  bei  den  eigentlichen  Satzkürzungen,  wenn 
ganze  Sätze  durch  ein  paar  charakteristische  Worte  angedeutet  werden 
sollen.  Indessen  ist  hiebei  doch  zweierlei  zu  beachten.  So  sehr  allerdings, 
vom  Standpunct  der  Schule  aus  betrachtet,  gerade  hierin  ein  Vorzug  des 
Gabelsberger'schen  Systems  gegen  das  Stolze*sche  liegt,  so  ist  doch  diese 
Art  Kürzung,  wie  schon  oben  gezeigt  worden  ist,  nichts  der  Stenographie 
eigenthümliches,  sondern  mehr  oder  weniger  oonsequent  von  jedem  Sdinell- 
schreiber  in  Currentschrift  angewendet  worden.  Zweitens  setzt  die  einiger- 
mal^en  erfolgreiche  Anwendung  dieser  Kürzungsmittel  die  erwähnte  gei- 
stige Gewandtheit  zum  guten  Theil  schon  voraus,  setzt  femer  genaue 
Kenntnis  der  Grammatik  sowol  nach  der  Seite  der  Formenlehre  als  be- 
sonders der  Syntax  voraus.  Denn  will  ich  das  gewöhnlichste  Wort  abge- 
kürzt schreiben,  so  muss  mir  der  Unterschied  von  Stamm,  Endung,  Vor- 
und  Ableitungssilben,  Zusammensetzung  u.  s.  w.  schon  so  gelaufig  sein, 
dass  ich  so  wenig  mehr  daran  zu  denken  brauche,  als  z.  6.  beim  Ciavier- 
spielen daran,  welche  Taste  den  betreffenden  Ton  gibt.  Will  ich  den  ein- 
fachsten Relativsatz  abkürzen,  so  muss  ich  schon  geübt  sein,  die  Trager 
eines  Gedankens  zu  finden,  ja  fast  instinctmäfisig  zu  fühlen,  ich  muss  femer 
die  Gesetze  des  deutschen  Satzbaues  so  genau  kennen,  dass  ich  wol  weift, 
der  so  begonnene  Satz  muss  so  oder  so  schlieX^en.  Daraus  folgt,  dass  die 
Stenographie  von  dieser  Seite  betrachtet  nichts  neues  gibt,  sondem  eine 
praktische  Einübung  der  Grammatik  jener  Sprache  in  der  man  schreibt  ist, 
und  zwar  Uebung  zu  einer  Zeit  und  auf  einer  Stufe  der  Sprachkenntnis, 
wo  sie  nicbt  mehr  besonders  noth wendig  ist.  Darin  liegt  natürlich  schon 
enthalten,  dass  diejenige  formale  Bildung,  welche  diese  Seite  der  Steno- 
graphie gewähren  kann,  am  Beginn  der  Ausübung  schon  vorhanden,  also 
durch  andere  Unterrichtsgegenstande,  wesentlich  den  Sprachunterricht, 
schon  bewirkt  sein  muss.  Wenn  man  daraus,  dass  die  Stenographie  ein 
System  ist,  ableitet,  dass  ihre  Erlernung  solche  Vortheile  für  formale  Bil- 
dung bringt,  wie  sie  die  Uebung  jeder  systematisch  geordneten  Wissen- 
schaft, Kunst,  Fertigkeit  u.  s.  w.  bewirkt,  so  kann  man  das  zugeben,  ob- 
gleich der  Stenographie  zu  dem  Charakter  des  systematischen  eine  sehr 
wesentliche  Eigenschaft  fehlt :  aber  für  die  Frage,  um  die  es  sich  hier  han- 
delt, wird  dadurch  gar  nichts  gewonnen.  Denn  systematisch  soll  jeder  Un- 
terricht sein,  selbst  auf  den  Stufen,  auf  welchen  anscheinend  keine  Syste- 
matik zu  treiben  ist,  z.  B.  den  Sprachunterricht  auf  der  untersten  und 
mittleren  Stufe.  Zudem  gibt  es  Unterrichtszweige,  die  selbst  in  der  Mittel- 
schule, wenigstens  auf  der  oberen  Stufe  derselben,  nach  einem  strengen  Sy- 
steme gelehrt  werden,  so  dass  auch  diese  Seite  der  Stenographie  uns  kein 
neues,  den  anderen  Unterrichtsgegenständen  mangelndes  Bildungselement 
zuführt. 

Aus  dem  bisher  gesagten  ergibt  sich  also  das  Besultat^  dass  in  Be- 
zug auf  formale  Bildung  die  Stenographie  keine  Seiten  bietet,  weldie  der 


Xr.  Vielhäber,  Ueber  Stenographie  an  Mittelschiüen.  687 

Schale  neue,  von  den  anderen,  anerkannt  nothwendigen  ünterrichtsgegen- 
ständen  nicht  zu  vermittelnde  Elemente  zuführten,  dass  also  yon  Seite  der 
formalen  Bildung  sie  keinen  Anspruch  erheben  kann,  als  integrierender 
Bestandtheil  in  den  Lehrplan  der  Mittelschale  angenommen  zu  werden. 
Noch  weniger  freilich  vom  Gesichtspunct  der  realen  Bildung  aus.  Sollte  sie 
von  dieser  Seite  aus  überhaupt  nur  den  Anspruch  machen  können  in  die 
Mittelschule  eingef&gt  zu  werden,  so  müsste  sie  entweder  selbst  eine  Wissen- 
schaft sein,  oder  doch  den  Zugang  zu  einer  Wissenschaft  öfinen,  welche 
auf  der  Hochschule  ihre  eigentliche  Statte  fände.  Zum  Begriff  der  Wissen- 
schaft gehört  aber  ganz  unerlasslich,  dass  sie  ihren  Zweck  in  sich  seihet 
hat,  womit  natürlich  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  sie  in  der  mannigfach- 
sten Weise  für  den  Gebrauch  des  Lebens  verwendet  werden  kann  und  ver- 
wendet wird.  Wie  die  Schrift  überhaupt  ist  auch  die  stenographische  Schrift 
nicht  im  geringsten  Selbstzweck,  sondern  ist  nur  Mittel  zum  Zweck.  Wie 
daher  die  Schreibekunst  überhaupt  nicht  eine  Seite  der  Bildung,  sondern 
nur  eine  Vorbedingung  unserer  Bildung  ist,  so  ist  um  so  weniger  die 
Stenographie  unter  die  constitutiven  Bestandtheile  der  Bildung  zu  rechnen. 
Hatte  zwar  die  stenographische  Schrift  je  Aussicht  die  Currentschrift  zu 
verdrängen,  so  müsste  freilich  der  Unterricht  in  ihr  —  wenn  auch  noch 
nicht  jetzt  ~  obligatorisch  eingeführt  werden,  aber  nicht  in  die  Mittel- 
schule, sondern  in  die  Volksschule.  Aber  um  nur  eines  anzuführen,  man 
denke  sich  die  schwere  Hand  eines  Landmannes  oder  die  eines  Schmiedes 
welcher  schon  die  Buchstaben  unserer  Currentschrift  zu  fein  und  zu  zart 
sind,  in  die  Nothwendigkeit  versetzt,  in  stenographischer  Schrift  Worte  zu 
schreiben,  und  zwar  nach  Gabelsberger'schem  System,  das  eine  schwerere 
Hand  noch  viel  eher  verträgt  als  das  Stolze'sche :  glaubt  wirklich  jemand 
im  Ernst,  dass  das  von  einem  solchen  Manne  geschriebene  überhaupt  noch 
Schrift  sei?  Unsere  Currentschrift  ist  so  recht  die  Schrift  der  deutschen 
Arbeit  und  wird  es  bleiben. 

In  Wahrheit  ist  die  Stenographie  nichts  als  eine  von  vorne  herein 
auf  die  Kreise  Gebildeter  beschränkte  Abkürzung  des  mechanischen  Schreibe- 
geschäftes vomehniiich  zu  dem  Zwecke,  wörtliche  Aufnahme  der  gespro- 
chenen Worte  zu  ermöglichen.  Nun  entsteht  weiter  die  Frage  —  und 
hiemit  kommen  wir  aus  dem  Gebiete  der  Nothwendigkeit  in  das  der  Zweck- 
mäfsigkeit,  —  ob  die  Stenographie  je  die  Schrift  der  Gebildeten  in  ihrem 
Verkehr  untereinander  werden  kann.  Auch  diese  Frage  ist  entschieden 
zu  verneinen.  Erstens  gibt  es  mit  Ausnahme  des  vertraulichen  Briefes 
und  der  zu  eigenem  Gebrauche  gefertigten  Notizen  kaum  eine  Nothwen- 
digkeit zu  schreiben,  ohne  dass  das  Geschriebene  auch  Leuten  geringeren 
Bildungsstandes,  denen  nach  dem  oben  gesagten  die  Stenographie  immer 
ferne  bleiben  wird,  verständlich  sein  soll;  man  denke  z.  B.  an  den  kauf- 
männischen Verkehr;  zweitens  kommt  jeder,  der  sich  zu  den  (Gebildeten 
zählt,  unzählig  oft  in  die  Lage,  in  einer  fremden  Sprache,  sei  diese  eine 
sogenannte  classische  oder  eine  moderne,  schreiben  oder  lesen  zu  müssen. 
Nun  ist  es  natürlich,  dass  jedes  stenographische  System  so  auf  die  be- 
treffende Sprache  gebaut  ist,  dass  es  ungeändert  für  keine  andere  passt: 
wie  viel  ßchriftsyateme  müsste  ein  Kaufinann,  der  eine  nur  mäfbig  aiuige- 


688  L,  Vidhaher,  tJebet  Stenographie  an  Mittelscbulen. 

dehnte  Correspöndenz  fuhrt,  oder  ein  Gerichtsbeamter  in  einem  zwei  nnd 
mehrsprachigen  Lande,  oder  ein  Gelehrter  haben,  der  mit  französischen 
und  englischen,  mit  italienischen  und  russischen  Fachgenossen  in  Ver- 
bindung steht? 

Nach  dem  angef&hrten  stellt  sich  nunmehr  die  Frage  so:  Wenn 
die  Stenographie  zur  Bildung  nicht  nothwendig,  sondern  nur  eine  f&r  be- 
stimmte Zwecke  nützliche  Fertigkeit  ist,  wenn  demnach  von  ihrer  Ein- 
reihung unter  die  obligaten  Unterrichtsgegenstande  der  Mittelschule  keine 
Bede  sein  kann:  ist  ihre  Nützlichkeit  der  Art,  dass  sie  als  facultativer  Un- 
terrichtsgegenstand einzuführen  ist,  falls  überhaupt  die  Mittelschule  noch 
irgend  einen  Baum  für  sie  hat?  Wie  ist  femer  die  fEusultative  Einführung 
zu  denken?  Dass  die  Schule  selbst  den  Unterricht  in  die  Hand  ninmit 
und  nur  die  Betheiligung  freistellt  (in  Bayern),  oder  sich  nicht  weiter  um 
den  stenographischen  Unterricht  kümmert,  als  dass  sie  allenfalls  das  Locale 
hergibt,  wie  es  wenigstens  dem  Wesen  nach  bei  uns  ist,  trotz  eines  Prü- 
fungsreglements für  Lehrer  der  Stenographie? 

Dass  die  Stenographie  von  maainigfiachem  Nutzen  ist,  unterliegt 
keinem  Zweifel;  nur  sind  auch  da  Ueberschwänglichkeiton  in  der  Werth- 
schätzung  zu  Tage  getreten.  Für  Schüler  und  Studenten  halte  ich  sie, 
insofeme  sie  dazu  dienen  soll  die  Vorträge  nachzuschreiben,  eher  für  schäd- 
lich, da,  wie  mich  die  eigene  Erfahrung  belehrt  hat,  über  dem  Fixieren 
des  Wortes  es  fast  unmöglich  ist  dem  Gedanken  zu  folgen.  Ich  habe 
dieses  Bedenken  schon  in  den  Bemerkungen  geäussert,  die  meinem  Be- 
richt über  die  dritte  Sitzung  der  psdagogischen  Section  der  ein  und  zwan- 
zigsten Philologenversammlung  in  Augsburg  beigefügt  sind  (Z.  f.  öst  G. 
1862,  S.  802),  und  die  oben  erwähnten  Gutachten  in  Stiehl's  Centralblatt 
sowie  die  Soester  Directorenconferenz  haben  gerade  auf  diesen  Punct  ent- 
schiedenes Gewicht  gelegt.  Lidessen  steht  es  in  der  Macht  des  Lehrers, 
unnütze  Schreiberei  zu  verhindern.  Nach  Vollendung  der  Studien  wird  die 
Kenntnis  der  Stenographie  dem  Prediger  zum  Entwurf  seines  Vortrages, 
dem  Bichter,  dem  Polizeibeamten  nützlich  sein.  Bei  nicht  wenigen  Männern 
anderer  Berufskreise  dagegen  hat  es  mir  oft  geschienen,  als  ob  der  Um- 
stand, dass  sie  nicht  recht  wissen  was  sie  mit  ihrer  Stenographie  machen 
sollen,  Schuld  trage,  dass  sie  sich  möglichst  in  recht  kleine  'Stenographen- 
vereiue*  zusammenseparieren.  Auf  die  Heranbildung  von  Stenographen  von 
Profession,  welche  durch  Aufnahme  von  Parlamentsreden  u.  s.  w.  ihren 
Unterhalt  verdienen,  darf  die  Mittekchule  an  sich  gar  nicht  Bücksicht 
nehmen,  soll  sie  ihrem  Charakter  nicht  untreu  werden.  Allerdings  aber 
wird  bei  der  veränderten  Gestaltung  des  öffentlichen  Lebens  gerade  bei 
uns  in  Oesterreich  ein  bedeutender  Theil  der  ietzigen  Gymnasiasten  der- 
einst der  Stenographie  aus  äuTseren  Gründen  nicht  wol  entrathen  können ; 
daher  ist  es  gewiss  wünschenswerth,  dass  das  Gymnasium  seinen  Schülern 
die  Möglichkeit  biete,  diese  Fertigkeit  zu  erlernen.  Damit  ist  die  ganz- 
liche Passivität  der  Schule,  die  es  dem  Zufall  überlässt,  ob  sich  im  Orte 
jemand  findet,  der  die  Stenographie  lehrt,  nicht  wol  vereinbar,  schon  des- 
halb nicht ,  weil  da  gar  manche  kleinere  Anstalten  keinen  Lehrer  haben 
würden.    Ferner  ist,  wie  in  allen  sogenannten  freien  Hchem,  der  Unter* 


L.  Vielhaber,  Ueber  Stenographie  an  Mittelschulen.  089 

rieht  vielfach  ein  illusorischer  ,  wenn  er  nicht  von  einem  Mitglied  des  Lehr- 
körpers selbst  ertheilt  wird,  znmal  das  erste  Erlernen  der  Stenographie 
nichts  weniger  als  interessant  ist.  Aus  diesen  Gründen  ist  wenigstens  für 
Oesterreich  das  in  Bayern  befolgte  System  das  entsprechendste,  nach  wel- 
chem wo  möglich  Lehrer  der  Mittelschulen  selbst  den  Unterricht  erthei- 
len  sollen.  Eine  gewisse  Bücksichtnahme  hierauf  lasst  sich  bei  Anstellun- 
gen von  Lehrern  ganz  wol  mit  den  sonstigen  Erfordernissen  vereinen. 
Dann  hat  es  die  Schule  auch  in  der  Hand,  gewissen  Befürchtungen,  wie 
dass  Orthographie  und  Kalligraphie  leiden,  die  Spitze  abzubrechen.  Sie 
lasse  eben  keinen  Schüler  zum  stenographischen  Unterrichte  zu,  der  nicht 
die  Muttersprache  richtig  schreibt,  und  dessen  Cnrrentschrift  nicht  einen 
gewissen  ausgesprochenen  Charakter  hat.  Wann  man  den  Unterricht  be- 
ginnen soll,  hangt  wol  auch  von  localcn  Verhaltnissen  ab,  keinesfalls  vor 
unserer  Quarta,  s.  Z.  f.  öst.  G.  1862,  S.  799  und  802.  Dass  bei  uns  wie 
in  Bayern  eine  wenn  auch  kleine  Summe  aus  dem  Staatsbudget  für  den 
stenographischen  Unterricht  ausgeworfen  werde,  ist  nicht  zu  hoflfen;  eher 
dürfte  es  möglich  sein,  dass  für  manche  kleinere  Anstalten  die  Landtage 
eine  mäfsige  Remuneration  (in  Bayern  60—100  fl.)  bewilligen.  Die  innere 
Einrichtung  des  Unterrichtes,  die  Stundenzahl,  die  Dauer  desselben  u.  s.  w. 
hängt  natürlich  ebenfalls  vielfach  von  den  Verhältnissen  der  einzelnen  An- 
stalten ab,  im  allgemeinen  dürfte  der  gegenwärtige  Usus,  der  sich  dem  in 
Bayern  geltenden  nachgebildet  hat,  zu  behalten  sein. 

Das  scheinen  nun  diejenigen  Puncte  zu  sein,  auf  welche  die  Frage, 
ob  die  Stenographie  obligatorisch,  facultativ  oder  gar  nicht  an  den  Mittel- 
schulen einzufuhren  sei,  zurückgeführt  werden  muss,  eine  Anzahl  anderer, 
die  von  Gegnern  wie  von  Vertheidigern  der  Stenographie  angeführt  werden 
—  man  findet  sie  bei  Stiehl  und  bei  Tietz  beisammen  —  sind  nach  meiner 
Ansicht  ganz  unwesentlich  für  die  Entscheidung  der  Hauptsache  und  sind 
von  mir  absichtlich  bei  Seite  gelassen  worden. 

Wien.  Leopold  Vielhaber. 


Vierte  Abtheilung. 


Miscellen. 


Bericht  über  die  Verhandlungen  der  24.  Versamm- 
lung deutscher  Philologen  und  Schulmänner  zu 
Heidelberg,  vom  27.  bis  30.  September  1865. 

Auf  der  vorjährigen  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer zu  Hannover  war  das  schöne  Heidelberg  zum  Orte  der  24.  Ver- 
sammlung erwählt  und  zum  Präsidenten  Prof.  Dr.  Edchly,  zu  Viceprasi- 
denten  Prof.  Dr.  Stark  und  Lycealdirector  Cadenhach  erwählt  worden, 
welcher  letztere  leider  durch  Krankheit  verhindert  war,  sich  an  der  Ver- 
sammlung zu  betheiligen.  Bereits  in  den  letzten  Tagen  vor  der  Versanun- 
lung,  besonders  aber  am  26.  September  traf  eine  grofse  Anzahl  der  Fest- 
theünehmer  in  Heidelberg  ein,  welche,  noch  ehe  sie  die  mit  deutschen 
und  badischen  Fahnen  geschmückte  Stadt  betraten,  sich  sogleich  in  das 
auf  dem  Bahnhofe  eingerichtete  Empfangsbureau  begaben  und  dort  ihre 
Mitgliedskarte  und  auTserdem  eine  Anzahl  der  weiter  unten  aufzuzaJilenden 
Begrüfsungsschriften  in  Empfang  nahmen.  Von  Nachmittags  3  Uhr  an 
fand  am  26.  September  gesellige  Zusammenkunft  in  den  Oartenanla^en  der 
Schlosswirthschaft  statt,  die  sich  Abends  bei  sehr  lebhafter  Betheiligung 
in  dem  grofsen  Saale  der  Museumsgesellschaft  fortsetzte.  Ehe  ich  zu  der 
ofificielien  Eröfihung  der  Versammlung  übergehe,  will  ich  aus  dem  gedruck- 
ten Mitgliederverzeichnisse,  welches  in  dem  während  der  ganzen  muer  der 
Versammlung  erschienenen  ^Tageblatt"  desselben  veröffentlicht  ist,  einige 
Nachrichten  herausheben.  Die  Gesammtzahl  der  Mitglieder  betrug  476 
und  war  somit  die  höchste,  deren  sich  je  eine  Philologenversammlung  zu 
erfreuen  gehabt  hat.  Die  Stadt  Heidelberg  war  darunter  durch  genau  100 
Mitglieder  vertreten,  worunter  40  der  Universität  und  8  dem  Lyceum  an- 
gehörten ;  85  Mitglieder  waren  aus  dem  übrigen  Baden  erschienen,  37  aus 
Würtemberg,  20  aus  Baiern,  6  aus  Oesterreich  (Jülg,  Müller,  Mussafia, 
Petters,  Pfeiffer,  Schell).  Aus  Preufsan  kamen  52  Mitglieder;  die 
Gymnasiallehrer  der  östlichen  Provinzen  waren  zumeist  durch  die  ungün- 
stige Lage  ihrer  Ferien  von  der  Betheiligung  abgehalten.  Königreich  Sachsen 
stellte  17  Mitglieder,  Thüringen  3,  Hessen  Cassel  24,  Hessen  Darmstadt  17, 
Frankfurt  a/M.  22,  Nassau  6.   Der  deutsche  Norden  wurde  durch  18  Mit- 

flieder  aus  Hannover,  2  aus  Braunschwei^,  2  aus  Oldenburg,  1  aus  Holstein, 
aus  Hamburg,  1  aus  Lübeck,  3  aus  Medclenburg  und  1  aus  Lippe  Detmold 
vertreten.  Auf  die  Schweiz  kamen  19  Mitelieder,  auf  Frankreich  6  (darunter 
5  auf  Strafsburg),  auf  Belgien  1,  auf  Holland  1,  auf  Grofsbritannien  2, 
auf  Italien  1,  Kussland  3,  Griechenland  2,  Orient  (Cäsarea  und  Magdala)  2, 
Mordamerika  3.  lu  Hinsicht  auf  die  Hervorhebung  herronagendei  Nanieiii 


Miseellen.  691 

die  zahlreich  vertreten  waren,  wird  es  genügen,  auf  die  Mitgliederliste  zn 
verweisen,  welche  den  im  B.  G.  Tenbner^schen  Verlage  erscheinenden  Ver« 
handlungen  der  Yersauuulung  beigegeben  werden  wird. 


Allgemeine  Sitzungen. 

Erste  Süeung,  Zf,  September.  Präsident  Professor  Dr,  Köchly. 

Anfang  9  Uhr. 

Der  Präsident  erklärte  die  Versammlung  fnr  eröffnet  und  be« 
grü/ste  dieselbe  mit  einer  schwungvollen  Rede,  welche  von  der  Erinnerung 
an  die  Humanisten,  die  einst  in  Heidelberg  gewirkt  hatten,  ihren  Ausgang 
nahm  und  viele  derselben  in  kurzen  markigen  Zügen  treffend  schilderte. 
Aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  wurde  Geltes,  der  gekrönte  Dichter, 
Luther's  Vorgänger  Wessel,  Agricola,  der  classische  Lateiner,  Johannes 
Reuchlin,  der  „Phönix  der  Deutschen",  und  der  eifrige  Schulmeister  Wimpfe- 
ling  erwähnt,  sowie  der  Kanzler  Dalberg,  der  gemeinsame  Mäcen  der 
Humanisten ;  dann  aus  dem  Zeitalter  der  Reformation  der  ritterliche  Her- 
mann von  dem  Busche  und  der  ernst  fromme  Simon  Grvnäus,  besonders 
aber  Jacob  Micyllus,  der  grofse  Schulmann,  um  den  sich  das  schöne  Heidel- 
berg und  das  reiche  Frankfurt  lan^e  Zeit  gestritten,  an  uns  vorübergefuhrt. 
Letzterer  sei  nicht  nur  ein  tüchtiger  Humanist  und  lateinischer  Dichter, 
sondern  auch  einer  der  „fröhlichen  Gesellen,  deren  Stadt  Heidelberg  heiXto**, 
gewesen.  Darauf  wurden  der  gelehrte  und  eifrige  Uebersetzer  Holzmann, 
genannt  Xylander,  nebst  Aemilius  Portus,  dem  Bibliothekar  und  grofsen 
Kritiker  Johann  Sylburg  und  dem  vielverschlagenen  Janus  Gruterus  als 
die  Säulen  der  letzten  Blüthezeit  des  Humanismus  in  Heidelberg  kurz  ge- 
schildert. Die  traurigen  Zeiten  des  Verfalls  und  der  Zerstörung  im  17. 
und  des  Scheinlebens  der  Jesuitenuniversität  im  18.  Jahrhundert  wurden 
bei  dieser  Gelegenheit  natürlich  nur  kurz  angedeutet.  Aber  auch  die  Zeit 
der  neuen  Gründung  und  Blüte  der  Universität  seit  Carl  Friedrich  dürfe 
hier  nicht  eingehend  geschildert  werden.  Man  sage,  der  Lebende  hat  Recht; 
das  ist  in  allem  wahr,  nur  nicht  darin,  dass  er  über  seine  eifi^ene  Zeit  ein 
maÜBgebendes  UrtheU  zu  fallen  das  Recht  habe ;  denn  nur  die  Weltgeschichte 
ist  das  Weltgericht.  Nur  dürfe  er  die  Namen  dreier  Männer  nicht  ungeehrt 
lassen,  die  längst  dahin  gegangen:  er  müsse  Creuzer  nennen,  der  gleich 
am  Anfang  die  Gründung  eines  philologischen  Seminars  verlangt  und  dessen 
Bestimmung  in  den  Hauptzügen  richtig  gezeichnet  habe,  sowie  seinen 
kräftigen  Gegner,  den  Rationalisten  gegen  den  Romantiker,  den  Eutiner 
Leuen  J.  H.  Voss,  der  Heidelberg,  wenn  auch  nicht  eigentlich  der  Univer- 
sität angehört  habe.  Der  dritte,  Carl  Friedrich  Hermann,  rufe  ihm  die 
vor  20  Jahren  gehaltene  Darmstädter  Philologenversammlung  lebhaft  in 
die  Seele  zurück,  wo  er  über  die  Laokoonsgruppe  gesprochen  und  dadurch 
Creuzer  zu  den  begeistertsten  Ausdrücken  über  die  Kunstwerke  der  Zeit  des 
Phidias  veranlasste,  „die  kein  Mensch,  sondern  ein  Gott  gemacht  habe*, 
während  die  süäteren  Werke  nur  „in  Marmor  gehauene  Bravourarien"  ge- 
wesen seien.  Hermann  habe  sich  damals  scharf  gegen  die  Bildung  von  Sec- 
tionen  erklärt,  der  Redner  für  dieselben,  und  so  habe  auch  die  Versamm- 
lung entschieden.  Hermann  sei  nun  auf  ihn  zugekommen  und  habe  gesagt: 
„Ich  ehre  ihre  Ueberzeugung  und  die  Art,  wie  Sie  dieselbe  vertheidigt  haben ; 
aber  die  Philologenversammlung  haben  Sie  gesprengt**.  Diese  Weissagung 
sei  zum  Glück  nicht  in  Erfüllung  gegangen,  vielmehr  sei  erst  durch  die 
Sectionen  das  rechte  Leben  in  sie  gekommen.  Dies  führt  den  Redner  auf 
die  Betrachtung,  ob  die  Philologie  überhaupt,  die  ja  wissenschaftlich  in 
jeder  Beziehung  fortschreite,  auch  ihre  praktische  Aufgabe  noch  löse  ?  Drei 

SroXto  Erfolge  habe  sie  schon  errun^n:  dass  sie  Rom  der  griechischen 
ildnng  unterwarf,  im  15.  und  16.  Jahrhundert  den  Humanismus  hervor- 
rief, im  1&  die  BUMiMeit  dw  d^ntedieii  Uteratiur  mitbegründete.  Es  sei 


60t  Misoellen. 

auch  jetzt  noch  lange  nicht  mit  ihr  zu  Ende,  wie  so  mancher  behaupte, 
der  auf  ihren  Heimgang  speculiere.  Wer  frühe  ohne  Gmnd  todt  gesagt 
werde,  lebe  noch  lange;  so  werde  es  auch  unsere  Wissenschaft  thun,  und 
zwar  zum  Segen  der  Welt.  Denn  in  der  heutigen  Zeit  der  groläartigsten 
Erfolge  auf  allen  Gebieten  menschlichen  Strebens,  wo  so  viel  auf  das  arme 
Menschenherz  einstürme,  dass  es  bei  allen  Einzelgenüssen  oft  des  Lebens 
selbst  nicht  froh  werde,  da  thue  es  vor  allem  Noth,  die  alte  hellenische 
aamQoavvrj,  den  animus  antiguus  des  Livius  wieder  zu  gewinnen,  die  mafs- 
volle  Euhe  und  Festigkeit,  die  Harheit  des  Bewusstseins,  dass  jeder  auf 
sich  selbst  stehen  solle.  Das  solle  die  Philologie  wirken,  indem  sie  dem 
Verstände  nicht  nur,  auch  dem  Herzen  und  Gemüthe,  ja  auch  der  Phan- 
tasie das  Alterthum  in  seiner  ethisch  bildenden  Kichtung  erschliefse,  dass 
es  dem  Schüler  zu  Fleisch  und  Blut  werde.  Dieser  We^  müsse  befolgt 
werden,  die  Philologie  müsse  wieder  zu  Humanismus  werden,  sonst  werde 
sie  ihre  alleemein  bildende  Stellung  in  Schule  und  Leben  immer  mehr 
verlieren.  Aber  gerade  die  Philologen- Versammlungen  hätten  zur  Belebung 
dieser  Richtung  entschieden  beigetragen  und  Kraft  und  Lust  verliehen, 
für  diese  höchste  Wirkung  das  ganze  Leben  einzusetzen;  auch  hier  gelte 
ja  des  Dichters  Wort:  und  setzet  ihr  nicht  das  Leben  ein,  nie  wird  euch 
das  Leben  gewonnen  sein. 

Nach  diesem  Vortrage  begrüTste  Hr.  Dr.  Knies  die  Versammlung 
im  Namen  der  grofsherzoglichen  Regierung,  wobei  er  hervorhob,  wie  wichtig 
das  Tagen  dieser  Versammlung  in  Baden  m  einer  Zeit  sei,  wo  dort  eine  Neu- 
gestaltung der  Mittelschulen  durchgeführt  werden  solle,  Herr  Bürgermeister 
Krausmann  im  Namen  der  Stadt,  der  rector  magnificus  Hr.  Prof.  Kirch- 
hof f  im  Namen  der  Universität,  Hr.  Dr.  0  ncken  im  Auftrage  des  historisch- 
nhilosophischen  Vereins.  Zu  Secretären  wurden  sodann  auf  den  Vorschlag 
des  Präsidenten  erwählt:  Dr.  0 ncken  aus  Heidelberg,  Dr.  Alb.  Müller 
aus  Hannover,  Dr.  Bossler  aus  Darmstadt  und  der  unterzeichnete  Bericht- 
erstatter. Dann  theilte  der  Secretär  Dr.  0  ncken  mit,  welche  neuen  Zusen- 
dungen die  Versammlung  erhalten  habe  (s.  u.).  Dieselben  wurden  sodann 
an  die  Versammlung  verthcilt.  Ein  Geschenk  des  Geh.  Bath  Prof.  Ger- 
hard aus  Berlin  veranlasste  den  Präsidenten,  die  Anwesenden  zu  ersuchen, 
dem  unter  ihnen  weilenden  verehrten  Manne  ihre  Theilnahme  an  seinem 
vor  Kurzem  gefeierten  fünfzigjährigen  Doctorjubiläum  durch  Erhebung  von 
ihren  Sitzen  zu  bezeugen. 

Professor  Stark  theilte  einen  Vorschlag  des  abwesenden  Hofrathes 
Prof. 's  Gervinus  mit,  dass  die  Versammlung  cÖe  Betheiligung  an  einer  von 
der  Gesellschaft  der  Archseophilen  in  Athen  zum  Zwecke  der  Förderung 
gröfserer  planmäfsiger  Ausgrabungen  in  Griechenland  unternommenen  Lot- 
terie befürworten  solle.  Es  wird  beschlossen,  die  Sache  der  archseologischen 
Section  zur  Erwägung  anheimzugeben,  die  in  der  letzten  allgemeinen 
Sitzung  darüber  referieren  solle. 

Nach  einigen  unwesentlichen  Mittheilungen  wurde  die  Commission 
zur  Bestimmung  des  nächsten  Versammlungsortes  ernannt;  sie  ward  aus 
den  Herren  Prof.  DD.  Hassler,  Wagner,  Eckstein,  Pleckeisen, 
Halm,Ahrens  und  G r o t e f e n d ,  als  den  anwesenden  Präsidenten  früherer 
Philologen- Versammlungen,  zusammengesetzt. 

Nach  Erledigung  aller  dieser  Geschäfte  bestieg  Prof.  Fritzsche 
aus  Leipzig  die  fSdnerbühne  und  hielt  seinen  angekündigten  Vortrag: 
^Wodurch  begründete  Theokrit  seinen  Ruhm  als  bukolischer 
Dichter"?  In  der  Einleitung  wies  er  auf  J.  H.  Voss  und  Hebel  hin,  zwei 
Idyllendichter,  an  die  ihn  dieses  Heidelberg  erinnere,  wo  wol  mancher 
schon  gerufen  habe  *Tityre,  tu  patulae  rccubans  sub  tegmine  fagi'.  Wodurch, 
fragte  der  Redner  dann,  hat  Theokrit  jenen  Ruhm,  warum  nennt  ihn  Longin 
den  evTvx^OTitTog  der  BukolikerV  Nicht  seine  höfische  noch  seine  erotische 
Poesie  bildete  seinen  Ruhm,  sondern  die  bukolische,  mit  der  er  in  einer 
Zeit,  wo  iede  Art  hoher  Begeisterung  geschwunden  war,  das  kleinere  Still- 
leben wahrhaft  plastisch  dargestellt  hat.  Nicht  durch  Originalität  noch 
durch  Universalität  oder  Idealität  rage  er  herror,  Bondem  imh  Innigkeit 


Miscellen.  60S 

und  treue  Natürlichkeit.  Auch  den  stolzen,  eigentlich  rauhen,  durch  epische 
Einwirkung  aber  veredelten  dorischen  Dialekt  habe  er  glücklich  gewählt 
Die  gehäuften  Cäsuren  entsprechen  dem  wirklichen  Leben,  der  fünfte  Fuss 
sei  ort  meisterhaft  als  Echo  des  ersten  verwendet^  die  Symmetrie  und  den 
Wechsel  in  Bede  und  Antwort  habe  Köchly  bestens  dargethan.  Er  zeige 
wecie  Gelehrsamkeit,  wie  Tibull,  und  lasse  sich  auch  nicht  zu  breiter 
Landschaftsmalerei  verführen,  was  Humboldt  im  Kosmos  an  ihm  anerkenne. 
Dadurch  sei  die  Einheit  gerettet,  der  Hirt  selbst  sei  Mittelpunct.  Seine 
Gestalten  haben  Realität,  auch  wo  sie  mythologische  sind;  ihre  Liebe  ist 
naiv,  nicht  sentimental,  und  verläugnet  das  Begehren  nicht.  Besonders 
Pol^hem  und  die  liebenswürdig  kokette  Galathea  seien  ausgezeicheet  ge- 
schildert. Auch  Allegorie  und  schalkhaft  eingestreute  Satire  —  r«  ^|a>^fv, 
wie  Longin  sagt  —  würzen  seine  Darstellung.  Die  beabsichtigte  Yergleichung 
mit  Vergil  lässt  der  Redner  der  vorgerückten  Zeit  we^en  weg. 

Es  schliefst  sich  an  diesen  Vortrag  keine  Discussion  an.  Rector  Eck- 
stein aus  Leipzig  weist  in  Betreff  der  oben  erwähnten  Lotterie  in  humoristi- 
schen Worten  auf  die  ernste  Thatsache  hin,  dass  es  in  den  meisten  Staaten 
verboten  ist,  in  fremden  Lotterien  zu  spielen;  man  möge  lieber  zu  frei- 
willigen Beiträgen  auffordern.  Der  Beschluss  bleibt  auf  cße  letzte  Sitzung 
verschoben. 

Geh.  Rath  Prof.  Gerhard  spricht  seinen  herzlichen  Dank  aus  für  die 
Ehre,  die  ihm  vorhin  von  Seiten  der  Versammlung  zu  Theil  geworden  sei. 

Der  Präsident  fordert  die  einzelnen  Sectionen  auf,  sich  in  den 
ihnen  bestimmten  Localitäten  zu  constituieren ')  und  schliefst  die  Sitzung 
um  11  Va  Uhr.  

Am  Nachmittag  wurden  im  Marstallhofe  verschiedei^  Seiten  des 
antiken  Kriegswesens  zu  realer  Anschauung  gebracht.  Freiwillige  des  Heidel- 
berger Lyceums  führten  unter  dem  Coromando  des  Prof. 's  v.  Langsdorff 
Uebuneen  aus  der  ^echisch-macedonischen  Elementartaktik  ans.  Es  waren 
folgende:  Die  naQuta^iq  nach  den  Commanders  «v«  €h  r«  onXa  (in's  Ge- 
wehr!), a(ytt  xal  nQuOi^^  rtp  nctQayyiXfAatt  (still!  Achtung!),  iutarri&t^ 
aiofx^i,  CvyH  (Distanz  genommen!  Rotten,  resp.  Glieder  gerichtet!),  ^f^ov 
ovrtug  (Halt!),  —  die  fi  irtt^e  ^qk^is  {nvto  ra  (f o(>«rct  Gewehr  auf;  xad-sg 
T«  (fo^ara  fallt's  Gewehr;  »iad^e  r«  ojila  Gewehr  bei  Fufs  — abh  —  die 
xXiaftg  oder  Wendungen :  inl  (Joqv  xJirroi' rechts  um,  i/t*  naitfoa  xlTvoy 
links  um;  inl  ^6qv  und  in  aant^a  furaßaXov  rechts,  links  um  kehrt; 
iig  oQ&ov  dnodog  zurück;  —  die  «yaiyjf  oder  der  Anmarsch:  nQoaye 
(Marsch!)  natav^Ctov  (mit  Päan)  oder  Sqq^k^  (im  Laufschritt);  tx^v  ovtok 
(Halt!h  inl  q-aXayyog  ngoaye  (in  Linie  aufmarschiert)  oder  ini  xiQtog  eis 
€va  {ovo)  TTQOityi  (in  Colonne  ein  fzwei]  Mann  hoch  sich  gesetzt);  ■—  die 
dtnXuataafioC  mit  den  Commaiiao's  xctr»  xonov  (resp.  xaT  aqid-^ov)  xo 
urjxog  (resp.ro  ßa&og)  ^tnXttnla^i  (Auflösung  in  zwei  Theile;  bei  uns  un- 
oekannt)  und  dTioxttiaajTiaov  (hergestellt!):  —  die  imaTQotfaC  oder 
Schwenkungen :  ln\  ^6{iv,  resp.  in  uanCäa,  in(aTQ€(fs  (Viertelschwenkung), 
ntQtaitn  (halbe)  und  ixnfqlanu  (Dreiviertelschwenkung);  lni.xaTaait]aov 
(zugeschwenkt);  —  endlich  die  i^eXi^yfiol  (Contrcmärsche ,  Ge^enzüge): 
jov  Attxtm'Uy  Tov  M(cxe&6va  und  tov  Kqtitixov  (oder /o^*oy)  x«ra  Xo^oug, 
resp.  xara  ^vy«,  i^iXiaof. 

Alle  Uebungen  wurden  mit  grofser  Pracision  ausgeführt.  Der  Zweck 
dieser  durch  den  ersten  Kenner  des  alten  Kriegswesens,  den  Vorsitzenden 
der  Versammlung,  arrangierten  Uebungen  war,  zu  zeigen,  dass  sie  von  den 
Gemein-  und  Massenübungen  des  Spiefs'schen  Systems  gar  nicht  wesent- 
lich verschieden  sind  (nur  dadurch  war  es  möglich,  dass  niesige  Lyceisten, 
bei  denen  dieses  System  eingeführt  ist,  zum  Theil  ganz  junge  Knaben,  die 
noch   kein  Griechisch  verstehen,   in   vier  Wochen,   bei  nur   zweimaliger 

^  Die  mathematisch -piedagogische  Section,  die  sich  zum  erstenmale 
im  voriofen  Jahre  in  Hannover  constitniert  hatte,  kam  wegen  Man- 
gel an  Theilnahme  nicht  in  Stande. 


«04  IfiseeUett. 

wöchentlicher  Ueban^,  es  zn  der  hier  gesehenen  Vollendung  brinc^  konnten), 
dass  also,  da  die  Erlernung  so  leicht  ist,  die  Gymnasien  es  sich  znr  Pflicht 
machen  sollten,  durch  Einführung  dieser  üebungen  die  lebendige  An* 
schauung  des  Alterthums  bei  ihren  Schülern  bedeutend  zu  heben.  —  Daran 
schlössen  sich  Wurftibungen  mit  römischen  Pilen,  deren  eine  groDM  An- 
zahl .theils  denen  der  casarianischen,  theils  der  trajanischeu  Zeit  nach- 
g)bildet  angefertigt  war,  unter  Leitung  des  Dr.  Wassmannsdorff,  Ton 
eiwilligen  Turnern  vielfach  mit  Kraft  und  Geschick  ausgeführt  —  Sehr  lehr- 
reich waren  endlich  die  im  Auftrage  des  groMerzogl  Eri^^tministeriums 
nach  den  Angaben  der  alten  Mechaniker  construierten  Geschütze:  Katapulte 
und  Balliste;  mit  der  Katapulte  wurden  auch  durch  Hm.  Hauptmann 
Deimling  völlig  befriedigende  Schieftproben  vorgenommen').  Manche 
Twenn  nicht  die  meisten)  der  Philologen  und  Schulmänner  werden  an  diesem 
Nachmittage,  sowie  spater  z.  B.  bei  dem  Vortrage  des  Prof.  v.  d.  Launitz 
über  die  Toga  und  Palla,  ihre  Anschauung  und  damit  ihre  Kenntnis  vom 
Alterthum  in  nicht  geringem  Grade  vermehrt  und  belebt  haben  *). 

Am  Abend  fand  das  sehr  belebte  Banket  in  dem  reich  geschmückten 
Banketsaal  des  Schlosses  statt.  Um  den  Raum  nicht  übermal^  in  An- 
spruch zu  nehmen,  hebe  ich  unter  den  vielen  Trinksprüchen  nur  den  des 
Germanisten  Prof.  Creizenach  aus  Frankfurt  auf  die  Verdienste  der 
Germanisten  als  den  launigsten  hervor  und  erwähne,  dass  die  prächtige 
bengalische  Beleuchtung  des  Schlosshofes  und  in  anderer  Weise  der  Vor- 
trag eines  historischen  Schwankes  „das  Heidelberger  Fass*»  von  V.  Scheffler 
allgemeine  Freude  erregten. 


Zweite  Süzwng.  28.  September. 
AnfiEmg  11  Uhr. 

Die  Sitzung  wurde  durch  einige  geschäftliche  Berichte  eröfihet; 
darauf  machte  der  Präsident  Prof.  Dr.  Köchly  Mittheilungen  über  die 
für  den  Nachmittag  angesetzte  Fahrt  zur  Festaufführung  im  Carlsruher 
Hoftheater,  und  übertrug  darauf  das  Präsidium  für  diese  Sitzung  an  den 
ersten  Vice-Präsidenten  Prof.  Dr.  Stark. 

Professor  Fleischer  aus  Leipzig  hielt  darauf  seinen  angekündigten 
Vortrag  über  „den  Morgenländer  in  Europa",  zu  welchem  er  durch 
den  Präsidenten  der  Orientsdisten-Section,  Herrn  Airchenrath  Hitzig,  aufge- 
fordert worden  sei  und  durch  den  er  der  Versammlung  nicht  sowohl  eme 
Belehrung,  als  eine  Unterhaltung  zu  bieten  beabsichtige.  Der  Inhalt  war 
im  Wesentlichen  folgender.  Nacndem  in  früherer  Zeit  mehrere  fingerte 
Reisen  von  Orientalen  nach  Europa  mit  bestimmten  Tendenzen  geschneben 
worden  waren  (am  berühmtesten  sind  Montesquieu's  Lettres  fersanes),  habe 
jetzt  zum  erstenmale  ein  Morgenländer  die  Eindrücke  semer  wirUichen 
Reise  durch  Europa  in  einem  Buche  veröffentlicht,  welches  unter  dem  Titel 
-Das  Buch  der  ergötzlichen  Reisebeschreibungen"  im  Jahre  1856  in  der 
Missionspresse  zu  ßeyrut  erschienen  ist.  Selin  Bisteris  gibt  in  dieser  Be- 
schreibung seiner  Reise  uns  sachlich  nichts  Neues;  aber  sein  ruhiger,  vor- 
urtheilsfreier  Blick  von  einem  ganz  anderen  Bildungsstandpuncte  aus  gibt 
der  Erzählung,  die  nach  orientalischer  Art  auch  durch  (mittelmäfbige^  Ge- 
dichte gewürzt  wird,  ihr  besonderes  Interesse.  Uebrigens  ist  der  Autor 
Christ  und  dadurch  viel  besser  zur  Beurtheilung  europäischer  Verhältnisse 

*)  Photographien  der  Balliste  und  Katapulte,  durch  Hm.  Schnitze  hier, 
Plöckstrasse  79,  aufgenommen,  sind  auch  verkäuflich  zu  haben. 

*)  Hier  wird  am  besten  die  Nachricht  anzuschliel^n  sein,  dass  Modelle 
der  Katapulte  und  Balliste,  sowie  eine  Anzahl,  vom  Museumsdirector 
Dr.  Lindenschmitt  in  Mainz  eingesandte  antike  Waffen  zur  Besich- 
tigung aufgestellt  waren,  sowie  dass  Donnerstag  10  Uhr  die  hiesige 
Jugendwehr  üebungen  hielt,  zu  deren  Besichtigung  die  Philologen 
eingeladcoi  waren. 


MiscelleiL  605 

befthigt,  als  ein  Mnhamedaner  es  wäre.  Grand  seiner  Reise  war  der  Bath 
der  Aerzte,  welche  ihm  eine  Lnitreränderung  Yorsehrieben.  Am  37.  März 
1855  reiste  er  Ton  Beymt  ab,  kam  über  Aesypten  nach  Malta,  wo  ihm  ein 
Tanzsaal  ^^r  Herrn  und  Damen*  verwunderlich,  eine  Dampfmühle  sogar 
dämonisch  vorkam,  und  dann  am  «»Hdllenberge*'  Stromboli  vorbei  nach 
Neapel.  Die  Stadt  gefiel  ihm  sehr,  aber  der  jBerg  „Volcano**  flofste  ihm 
Entsetzen  ein.  Von  Pompeji  hörte  er,  dass  es  vor  1200  Jahren  zerstört 
worden  sei,  er  wisse  nicht  wodurch.  Aus  Rom  klagt  er  sehr  über  die 
schlechte  Luft  und  die  Hitze,  wie  ihm  das  Wetter  überhaupt  in  Europa 
viel  zu  schaffen  macht.  Mehr  noch  als  die  Peterskirche  gefiel  ihm  dort  aie 
neue  Kirche  S.  Paolo;  die  ganze  Stadt  machte  ihm  einen  herrlichen  Ein- 
druck. In  Pisa,  meint  er,  „wagt  es  kein  Fremder,  an  dem  schiefen  Thurme 
vorbeizugehen,  aber  die  Einheimischen  thun  es  olme  Furcht*',  üeber  Florenz 
und  Genua  geht  es  nach  Marseille,  wo  ihn  eine  Fabrik  türkischer  Fess, 
ein  Spectakektück,  die  Erstürmung  des  Malakoff  darstellend,  und  eine  Hell- 
seherm  (die  wieder  dämonisch  ist)  besonders  interessieren.  In  Paris,  dem 
„irdischen Paradiese'*  (welches  Epitheton  übrigens  recht  freigebig  ausgetheilt 
wirdVweilt  er  29  Ta^e  und  ist  von  der  Stadt  und  den  Menschen  entzückt. 
Die  Pariser  sind  meist  Rentiers  und  Lustwandler;  doch  gibt  es  auch  sehr 
arme  Leute,  von  denen  sich  manche  in  der  Seine  ertränken.  In  der  Industrie- 
Ausstellung  fand  er  mit  Betrübnis  wenige  türkische  Artikel;  bei  dieser 
Gelegenheit  lässt  er  sehr  vernünftige  Bemerkungen  über  den  Charakter- 
unterschied zwischen  den  Orientalen  und  den  rührigen  Europäern  hören. 
Der  Telegraph,  ein  Automat,  das  Spiel  der  Rachel  und  aui^erdem  ein  Affen- 
und  Hundetheater  (!)  erregen  ihm  wahrhafte  Begeisterung.  —  Ganz  anders 
ist  es  in  London,  wo  ihm  Nebel,  Rauch  und  Rufs  und  die  finsteren  Ge- 
sichter der  Menschen  aufs  Höchste  misfallen;  er  wird  unwohl  und  flieht 
nach  Brüssel,  wo  zum  erstenmale  seine  orientalische  Tracht  Aufsehen  er- 
regt. Ueber  Köln,  das  keine  Merkwürdigkeiten  bietet,  während  die  Gegend 
von  da  bis  Bonn  reizend  ist,  kommt  er  nach  Berlin,  dem  „schönen  Ga^n" 
mit  wohlgesitteten  und  —  gottesfürchtigen  Bewohnern.    Mehr  aber  noch 

gefallt  es  ihm  in  Potsdam,  das  ihm  sogar  zum  Wunsche  begeistert,  ewig 
ort  bleiben  zu  dürfen.  Die  Rückreise  über  Wien  und  Tnest  wird  nur 
flüchtig  beschrieben;  „Böhmen**  nennt  er  eine  Eisenbahnstation;  Schön- 
brunn und  Baden  gefallen  ihm  ausnehmend;  bei  Chios  erleidet  das  Schiff 
einen  Unfall,  doch  besucht  er  noch  das  herrliche  Constantinopel  und  lan|^ 
am  1.  October  1855  wieder  in  Beyrut  an,  glücklich,  die  Heimat  und  aie 
Lieben  wieder  zu  sehen. 

Da  während  dieser  ganz  unterhaltenden  Erzählung,  an  welche  sich 
natürlich  keine  wissenschamiche  Debatte  anlmüpfen  konnte,  die  Zeit  schon 
recht  weit  vorgerückt  war,  musste  leider  der  Vortrag  des  Prof.'s  v.  d.  Launitz 
auf  die  nächste  Sitzung  verschoben  werden.  Um  12%  Uhr  wurde  die  Sitzung 
geschlossen. 

Ein  Eitrazug  führte  um  2'/,  Uhr  einen  grofsen  Theil  der  Mitglieder 
der  Versammlung  nebst  einer  Anzahl  ihrer  Damen  nach  Carlsruhe  zur 
Festvorstellung,  welche  um  QV^  Uhr  in  dem  den  Gästen  vollständig  zur 
Disposition  gestellten  ^ossherzogl.  Hoftheater  ihren  Anfang  nahm.  „Brutus 
undf  CoUatinus",  eine  Tragcedie  von  Lindner,  einem  Philologen  in  Rudol- 
stadt,  war  zur  Aufführung  erwählt  worden.  Das  Stück  wirkte  nach  der 
Ansicht  der  Meisten,  trotz  mancher  Längen,  nach  Inhalt  und  Form  recht 
befriedigend,  und  die  ausgezeichnete  Darstellung  erhöhte  den  Gfenuss  noch 
bedeutend.  Um  11  Uhr  brachte  ein  Extrazug  die  Festgenossen  nach  der 
Musenstadt  zurück. 


Dritte  Sitzung.  29.  September.  Präsident  Prof.  Dr.  Köchly. 
Anfang  10V,  Uhr. 

Hofrath  Halm  aus  München  weist  auf  eine  auf  dem  Bureautisch 
vorliegende  Abhandlung  Theodor  Mommsen^s  iä  den  neuesten  Berichten 


066  Miscellen. 

der  Berliner  Akademie  hin  und  legt  der  Versammlan^  in  des  VerÜEUseis 
Auftrag  eine  in  der  Abhandlung  enthaltene  Bitte  an*8  Herz.  Mommaen 
beklagt  nänilich,  dass  in  vielen,  besonders  süddeutschen  Bibliotheken  zweiten 
und  dritten  Ranges  noch  viele  handschriftliche  Schätze  vollständig  ver- 
borgen liegen  und  fordert  insbesondere  auf,  die  von  Fröhner  im  Philologas 
Bd.  16.  1860  S.  719  beschriebene,  bisher  vergeblich  gesuchte  handschrift- 
liche Inschriftensammlung,  welche  sich  noch  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
in  Mannheim  befand,  in  ihnen  aufzusuchen.  An  diese  Mittheilung  schlieM 
Halm  überhaupt  den  Wunsch  an,  dass  man  von  den  Handschriften  in  den 
erwähnten  Bibliotheken  überall  Kataloge  anfertigen  und  veröffenÜidien 
möge,  wozu  sich  besonders  die  Gymnasialprogramme  eigneten.  Man  solle 
sich  nicht  durch  falsche  Scheu,  besonders  durch  die  Furcht,  das  Alter  der 
Handschriften  falsch  zu  bestimmen,  abhalten  lassen;  auch  den  Geübtesten 
begegneten  hier  zwar  Irrthümer,  aber  im  allgemeinen  sei  die  Auf^be  viel 
leichter,  als  man  sie  sich  oft  vorstelle. 

Hierauf  theilte  Rector  Eckstein  aus  Leipzig  mit,  dass  die  Com- 
mission,  welche  zur  Wahl  des  nächsten  Yersammlun^rtes  niedergesetzt 
war,  sich  für  Halle  entschieden  habe,  für  das  er  die  zuvorkommendste 
Aufnahme  im  Namen  des  preufsischen  Cultusministeriums  verbürgen  könne. 
Es  erhebt  sich  kein  Widerspruch;  Halle  wird  als  der  Ort  der  fünfund- 
zwanzigsten,  der  Jubiläums-Versammlung,  festgesetzt  und  Prof  Dr.  G. 
Bernhardy  zum  Präsidenten,  Prof.  Dr.  Th.  Bergk  und  Director  Prol  Dr. 
Kr  am  er  zu  Vicepräsidenten  erwählt.  Dort,  schlug  Rector  Eckstein  vor, 
solle  auch  eine  allgemeine  Revision  der  seit  einigen  Jahren  schon  factisch 
verletzten  Statuten  erfolgen.  Sie  sei  dringend  noth wendig;  das  habe  sich 
besonders  bei  der  Einrichtung  der  kritisch-exegetischen  Section  gezeigt,  die 
der  pädagogischen  viel  Kummer  bereitet  habe. 

Der  Präsident  zeigt  an,  dass  ein  von  Dr.  Weismann  und  Hoff- 
mann v.  Fallersieben  eingebrachter,  von  Mussafia,  v.  Keller,  Lieb- 
recht,  Lübben,  Petters  und  Wattenbach  mit  unterzeichneter  Vor- 
schlag dahin  laute,  das  Präsidium  der  nächsten  Versammlung  zu  ersuchen, 
es  möge  sich  mit  den  Eisenbahnverwaltungen  in  Verbindung  setzen,  um 
eine  Ermäfsigung  der  Fahrpreise  für  die  Besucher  der  Versammlung  zu 
erwirken.  Der  Vorschlag  wird  einstimmig  augenommen. 

Der  Präsident  zeigt  an,  dass  Photographien  der  antiken  Belage- 
rungsgeschütze angefertigt  und  verkäuflich  (s.  o.)  sind  und  ertheilt  hierauf 
das  Wort  an: 

Prof.  V.  d.  Launitz  aus  Frankfurt  a.  M.  zu  seinem  Vortrag  „üeber 
die  Toga  der  Römer  und  die  Palla  der  Römerinnen".  Prof.  v.  d. 
Launitz  begann  seinen  äuf^erst  interessanten  Vortrag  mit  der  Bemerkung, 
dass  er  ihn  theil weise  schon  früher^)  gehalten  und  nur  auf  die  Aufforderung 
des  Hm.  Präsidenten  sich  zur  Wiederholung  entschlossen  habe;  er  wolle 
aber  etwas  neues  hinzugeben,  die  Besprechung  der  Palla.  Er  wolle  übrigens 
keinen  gelehrten  langdauemden  Vortrag  halten,  sondern  nur  ein  kleines 
Prakticum  geben.  Der  Unterschied  zwischen  der  freieren,  individuelleren 
Kleidung  der  Griechen  und  der  der  Römer  und  Etrusker  bestand  im  Schnitt 
des  Gewandes  und  der  Art  des  Umwurfs.  Das  paUiumj  die  griechische 
Tracht,  war  viereckig;  die  römische  Toga  oval,  von  abgerundetem  Schnitt. 
Letztere  Tracht  machte  der  Redner  dadurch  in  hohem  Graäe  anschaulich,  dass 
er  sie  einer  schon  mit  der  tunica  bekleideten  Modellfigur  wirklich  umlegte, 
von  der  linken  Schultor  hinten  herab  um  die  rechte  Hüfte  herum  bis 
wieder  auf  die  linke  Schulter  herauf,  von  welcher  weiter  das  letzte  Drittel 
entweder  wieder  über  den  Rücken  herab  oder  (so  meist  bei  den  Griechen) 
Über  den  linken  Arm  nach  der  Seite  herunter  geworfen  wurde.  Meistens 
aber  wurde  bei  den  Griechen  auch  der  rechte  Arm  in  das  Gewand  ver- 
schlungen, und  es  ealt  dies  als  elegantere  Tracht.  Den  einfacheren  Umwurf 
zeigte  Redner  an  der  Abbildung  einer  Statue  des  Zenon,   die  elegantere 


*)  Auf  der  Versammlung  mittelrheinischer  Gymnasiallehier  in  Frank- 
furt, Pfingsten  1865, 


Miscellcn.  697 

Ansbildung  an  der  einer  Statue  des  Aeschines.  —  Ganz  ähnlich  jener 
erstem  war  die  römische  Tracht  bis  za  der  späteren  Zeit  der  Republik. 
Dann  kam  als  Veränderung  der  sinits  auf  f  t^enlms  nuUi  sinus'  Quintil. 
IX  3,  137),  der  durch  eine  theilweise  Verdoppelung  des  Gewandes  unter 
dem  rechten  Arme  her  bewirkt  wurde ;  der  ainus  ward  immer  gröfser,  der 
umbo  und  bcUteus  an  demselben  ausgebildet,  der  rechte  Arm  ganz  frei  und 
lebhafte  Gesticulationen  möglich.  Diese  ausgebildetste  Art  der  Toga  ward 
an  der  Abbildung  einer  Statue  des  Tiberius  gezeigt,  und  sodann  legte 
Redner  selbst  um  das  erwähnte  Modell  eine  Tow  von  feinstem  Stoffe  in 
jener  späteren  Weise,  wodurch  vor  aller  Augen  die  genaue  üebereinstim- 
mung  mit  der  Tracht  jener  Statue  sichtbar  wurde.  Nach  der  Erklärung 
aller  Theile  dieses  Kleidungsstückes  las  Redner  die  Stellen  aus  Quintilian 
(IX  3,  137.  139  vor,  wo  dieser  die  Procedur  des  Umnehmens  der  Toga 
beschreibt,  welche  mit  den  von  ihm  hergestellten  amicius  vollständig  über- 
einstimmten. Diese  elegantere  Toga  verlangte,  um  am  sinus  keinen  zu 
grofsen  Wulst  zu  bekommen,  eine  andere  Art  von  Zuschnitt  des  Tuchs, 
das  statt  oval  nun  halbkreisförmig  mit  einem  runden  Ausschnitt  um  das 
Centrum  des  Kreises  wurde.  Der  Redner  hatte  diese  Form  durch  Zufall 
bei  einer  Demonstration  von  Kegelschnitten  entdeckt.  Die  übergrofse  Sorg- 
falt, welche  die  Elegants  jener  Zeit  auf  ihren  Anzug  verwendeten,  wird 
durch  Steilen  des  Macrobius  (Sat.  III  13,  4)  und  TertuUian  (de  nallio  5) 
anschaulich:  Man  nähte  damals  den  sinus  jedenfalls  an  die  Toga  und  wandte 
Klammem,  Nadeln  u.  s.  w.  viel  mehr  und  künstlerischer  an,  als  viele 
denken.  Endlich  wurde  ein  pontifex  maximus  capUe  obvoluto  dargestellt, 
was  durch  Bedecken  des  Kopfes  mittelst  d^  sinua  und  Heraufziehen  des 
umbo  bewirkt  wurde. 

(Jeher  die  paüa  der  Matronen,  dominae,  will  ich  mich  kurz  fassen. 
Sie  war  auch  ein  üeberwurf ;  unter  ihr  trugen  die  Frauen  die  stola  (tunica 
exterior),  die  ein  Ivdvua  war,  kein  ntgtßkfi^ay  und  unter  dieser  die  tunica 
interior  (intenda,  inausium).  Die  stola  gieug  bis  auf  die  FüTse;  am  Halse 
wurde  die  interula  sichtbar.  Darüber  wurde  nun  die  paüa  geworfen,  ein 
längliches  Viereck  gleich  dem  griechischen  paUium,  deren  Reiz  nicht  sowohl 
in  mrer  Form,  als  vielmehr  in  dem  kungtvoUen  Umnehmen  zu  suchen  ist. 
Diejenigen,  bei  welchen  der  obere  Theil  der  stola  möglichst  frei  blieb, 
welche  somit  die  Tracht  von  Göttinnen  tragen,  sind  zunächst  Kaiserinnen, 
doch  später  auch  andere  Frauen,  die  als  Göttinnen  dargestellt  sind.  So 
die  berühmten  herkulanischen  Statuen  in  Dresden,  die  wohl  nicht  lauter 
Poljmnien  vorstellen,  sondern  nur  eine  aus  deren  Tracht  hervorgegangene 
elegante  Kleidung  haben.  Es  wurden  dann  die  verschiedenen  Arten  dos  Falten- 
wurfes gezeigt  und  erklärt,  wie  die  Damen  ihm  noch  durch  die  Aufnahme 
des  Randes  eine  besondere  Anmuth  zu  geben  wussten.  Zum  Schluss  wurde 
dann  auch  die  Statue  einer  Matrone  (in  welche  die  früher  gezeigte  Statue 
eines  Mannes  einstweilen  umgewandelt  war),  mit  der  farbigen  Palla  über 
die  weifse  Stola  angethan,  der  Versammlung  vorgezeigt. 

Auch  über  diesen  Vortrag,  für  welchen  dem  Redner  lauter,  lebhafter 
Beifall  lohnte  und  der  auch  die  zahlreich  anwesenden  Damen  interessierte, 
fand  keine  Debatte  statt. 

Privatdocent  Dr.  Just i  aus  Marburg,  dessen  Vortrag  „Mi tth eilun- 
gen aus  Winckelmann's  schriftlicnem  Nachlass*'   noch  auf  der 
Tagesordnung  stand,  verzichtete  wegen  der  vorgerückten  Zeit  auf  das  Wort. 
Nach  einigen  geschäftlichen  Mittheilungen  wird  die  Sitzung  kurz 
vor  1  Uhr  geschlossen. 

Der  Nachmittag  brachte  den  Mitgliedern  der  Versammlung  nebst 
den  Damen  der  Gäste  beim  herrlichsten  Wetter  das  Vergnügen  eines  Aus- 
fluges in  das  Neckarthal  hinauf,  wo  man  in  dem  reizend  gelegenen  Neckar- 
steinach  einige  fröhliche  Stunden  bei  einer  von  der  Stadt  Heidelberg  ver- 
anstalteten festlichen  Bcwirthung  zubrachte.  Unter  den  R^iden  nenne  ich 
die  des  Bürgermeisters  Krausmann  auf  einen  „Bund  zwischen  Heidelberg 
und  den  Philologen"  und  die  darauf  folgende,    schon  in  öffentlichen  Blä& 

;Seit$rhritt  t.  U.  ostrrr.  Gyiuii.  lh(>.V  IX.  Heft.  47 


098  Misocllcn. 

tern  vielfach  gedruckte  poetische  Improvisation  von  Hoffmann  v.  Fallers- 
lehen  anf  das  Gedeihen  dieses  Bandes.  Nach  ehenso  schöner  Rück&lüt, 
welche  bis  nach  Neckargemünd  anf  Schiffen  gemacht  wurde,  die  langsam 
durch  die  Abendstille  dahinglitten,  vereinigte  am  Abend  noch  eine  Fest- 
Reunion  in  den  Sälen  des  Museums  die  Jungen  und  Alten  zu  Tanz  oder 
zu  fröhlicher  Geselligkeit. 

Vierte  Sitzufig,  30.  September.  Präsident  Prof.  Dr.  Köchly, 

Nach  10  Uhr  eröffnete  der  Präsident   die  Sitzuns^  mit  einigen 

feschäftlichen  Mittheilungen.  Hierauf  hielt  Hofrath  ürlichs  aus  Wftrz- 
urg  seinen  angekündigten  Vortrag:  „üeber  das  römische  Forum***). 
Der  Präsident  trägt  hierauf  die  ihm  schriftlich  zugekommene  Bitte 
des  Privatdoc.  Dr.  Justi  aus  Marburg  an  die  Versammlung  vor,  dass  ihm 
etwaige  Nachrichten  über  noch  unbekannten  handschriftlichen  Nachlass 
Winckelmann's  gefälligst  mitgetheilt  werden  möchten,  und  schliefst  hieran 
die  Aufforderung  an  Herrn  Dr.  Justi,  seinen  Vortrag  „Mittheilungen 
aus  Winckelraann's  schriftlichem  Nachlass",  den  er  leider  von  der 
Tagesordnung  zurückgezogen ,  in  den  bei  Teubner  erscheinenden  Verhand- 
lungen der  Versammlung  vollständig  abdrucken  zu  lassen. 

Prof.  Fi  ekler  aus  Mannheim  theilt  mit,  was  die  Mitglieder,  welche 
sich  dem  Programme  gemäfs  am  Nachmittage  nach  Mannheim  begeben 
würden,  dort  zu  erwarten  hätten:  die  Besichtigung  einer  kleinen  aber 
werthvollen  Gemäldesammlung,  dann  insbesondere  das  Antiquarium,  aus 
dem  er  eine  Inschrift  mit  dem  ältesten  Namen  von  Heidelberg  {civitas 
Ulpia  Sfevera)  und  14  etruskische  Todtenkisten  hervorhob,  und  Dr.  Lorent's 
grofse  Photographien  (gegen  200)  orientalischer  Gegenden  und  Gebäude. 
Der  oben  erwähnte  Trinkspruch  Hoffniann*6  v.  Fallersleben,  der 
unterdessen  gedruckt  worden  war,  wird  vertheilt. 

Rectoi  Eckstein  aus  Leipzig  hielt  darauf  seinen  angekündigten 
Vortrag  „üeber  Johannes  Sturm.**  Er  wollte  eine  Ehrenrettung  dieses 
hochverdienten  Schulmannes  geben,  der  in  Schmidts  Biographie  fast  nur 
von  der  theologischen  Seite  tStrachtet,  in  K.  v.  Raumer*s  Geschichte  der 
Paedagogik  aber  ganz  oberflächlich  behandelt  sei.  Er  war  1507  in  Schiei- 
den gelwren,  lehrte  nach  vollendeten  Studien  8  Jahre  lang  in  Paris  be- 
sonders über  Cicero  und  Dialektik,  und  heiratete  dort  eine  sehr  gelehrte 
Frau.  Dann  wurde  er  nach  Strafteburg  berufen,  wo  er  Mai  1537  im  Auf- 
trag der  Scholarchen  die  noch  jetzt  berühmte  Schule  gründete.  Sein  Ge- 
halt betrug  Anfangs  40  fl. ,  steigerte  sich  aber  allmählich  auf  die  unge- 
wöhnliche Summe  von  200  fl.  Die  unselige  formula  concordiae  bedrohte 
die  Hochschule  in  ihrer  Existenz.  Als  Sturm  sich  weigerte  sie  zu  unter- 
zeichnen, musste  er  abdanken;  erblindet  und  lebensmüde  starb  er  endlich 
1598.  Die  damals  geltende  Schulordnung  Melanchthon's  von  1&28  hatte 
keine  radicale  Aenderun^  des  mittelalterlichen  Systems  gewollt;  die  „drei 
Haufen  von  Schülern**  sind  noch  das  trivium  und  quadrivium  des  Mittel- 
alters. Jetzt  gibt  es  ihrer  6 ;  schon  Bugenhagen  führte  5  ein ,  nur  in 
Pommern  blofs  4,  weil  es  da  „an  Geistern  fehle."  Sturm  8chwäm:t  fftr 
Griechen  und  Römer,  nur  in  der  Religion  seien  wir  ihnen  voraus;  doch 
tritt  das  kirchliche  Element  bei  ihm  mehr  zurück.  Die  wesentlichste  Schrift 
rtde  ludis  aperiutidis*^  hat  Raumer  nebst  anderen  ganz  unberücksichtigt 

felassen.  Er  wollte  Einheit  der  Erziehung.  7  Jahre  gehören  der  Mutter, 
4  dem  Lehrer,  der  zur  sapiem  cUque  eloqriem  pietas  anleiten  soll.  Die 
„Concentration  des  Unterrichts**,  um  ein  modernes  Schlagwort  zu  gebrauchen, 
war  sehr  streng  durchge^hrt.  Religionsunterricht  kam  damals  in  den  Schulen 
nie  vor.  Sermonis  eleganiia  ist  ihr  Ziel;  nach  einem  aus  Cicero  entnom- 
menen Schema  sind  die  ersten  7  Jahre  bestimmt,  die  Rede  pura  et  dikicida, 
die  nächsten  2,  sie  arnata,  die  Universitätsjahre  sie  eon{fruens  et  cupia  zu 
machen.  Copia  vocabutorum  ist  sehr  wichtig,  sie  wird  in  jeder  Weise  gcför- 

*)  Dieser  Vortrag  wird  im  nächsten  Hefte  mitgetheilt  werden. 


Miscollen.  ÖW) 

dert,  ancli  durch  Aufführungen  des  Plautus  und  Terenz.  Mit  Unrecht  warf  man 
Sturm  eine  unpraktische  Geringschätzung  des  Deutschen  vor:  man  bedenke, 
wie  wichtig  Latein  damals  im  Leben  war^  so  z.  B.  in  diplomatischen  Ge- 
schäften, für  die  er  mehrmals  verwendet  wurde.  Er  „riss"  deshalb  „das 
Deutsche  aus  der  Schule",  bewunderte  aber  doch  Luther's  Deutsch,  und 
wollte  keinen  „lateinischen  Staat  gründen",  wie  man  spottete.  Klarheit 
der  Gedanken  will  er  durch  den  Unterricht  erzielen,  nicht  Phrasen;  des- 
wegen ist  er  entschiedener  Gegner  der  einseitigen  Ciceronianer  und  Eras- 
miauer.  Baumer  sagt,  er  habe  auch  Astrologie  in  die  Schule  aufgenom- 
men, und  bedenkt  nicht,  dass  astrologia  Astronomie  helfst!  Auch  wir 
müssen  die  technische  Seite  des  Alterthums  mehr  hervorheben;  viele  Ver- 
irrungen  und  Verdächtigungen  werden  dann  schwinden.  —  Wegen  der  vor- 
gerückten Zeit  brach  der  Redner  hier  seinen  Vortrag  ab. 

Hierauf  wurden  nach  einer  neu  getroffenen  Einrichtung  die  Berichte 
der  Sectionen  über  ihre  Thätigkeit  vorgelesen.  Prof.  v.  Langsdorff,  be- 
richtete aus  der  piedagogischen  Section,  Dr.  Bülau  aus  der  orientalistischen, 
Prof.  Creizenach  aus  der  germanistischen,  Prof.  Stark  aus  der  archäo- 
logischen, Dr.  Oncken  las  den  Bericht  der  kritisch-exegetischen  Section  vor. 

Da  in  dem  Berichte  der  archseologiachen  Section  die  Versammlung 
auch  aufgefordert  wurde,  sich  über  die  oben  erwähnte  durch  die  Gesell- 
schaft der  Archseophilen  in  Athen  veranstaltete  Lotterie  nunmehr  auszu- 
sprechen, so  adoptierten  sie  die  Ansicht  der  archsBologischen  Section,  dass 
zur  ßetheiligung  an  derselben  nicht  zuzurathen,  sondern  vielmehr  die  un- 
eigennützige Beihilfe  von  Regierungen  und  Privaten  zu  diesem  äufserst 
nützlichen  Unternehmen  zu  erwünscnen  sei. 

Der  Präsident  erhob  sich  darauf  zur  Schlussrede.  Er  constatierto 
mit  Befriedigung,  dass  die  Versammlung  stärker  besucht  war  als  alle 
früheren.  Für  einige  Aenderungen,  die  das  Präsidium  getroffen,  rechtfer- 
tigte er  sich  gegen  den  darüber  vernommenen  Tadel;  so  z.  B.  dass  er  die 
Mitgliederliste  nicht  vorgelesen  habe.  Allen  gefallen  sei  schwer ;  Allen  ge- 
fallen wollen,  thöricht.  Das  Präsidium  habe  sein  Amt  als  eine  dicta- 
tura  betrachtet,  aber  cum  provocatione  ad  populum.  Besonders  sei  die 
Gründung  einer  neuen ,  der  kritisch  -  exegetischen  Section  angefochten 
worden.  Nach  seiner  Meiiung  liege  gerade  in  den  Sectionen  der  Kern  des 
wissenschaftlichen  Lebens  aer  Versammlung;  immer  mehr  und  me]ir  uiüss- 
ten  sie  zur  Blüthe  gedeihen.  In  den  allgemeinen  Sitzungen  seien  allge- 
meinere, für  einen  gröfseren  Kreis  anziehende,  auch  formell  vollendete 
Vorträge  von  Nöthen.  Möge  man  diesen  Gesichtspunct  bei  der  Statuten- 
revision in  Halle  festhalten.  Sei  man  auch  hierüber  uneinig,  einen  gröfse- 
ren Einigungspunct  habe  man ,  ein  Name  sei  der  jedes  Deutsclien  Herz 
begeistere ,  der  auch  in  dieser  Versammlung  freudig  widerhalloji  werde, 
wenn  er  ihn  ausspreche  und  mit  ihm  wolle  er  schliesseu:  ein  einiges, 
freies  Deutschland  —  es  lebe  hoch! 

Nach  dreimaligem  lauten  Hochrufen  der  Versammlung,  ehe  noch 
der  Präsident  die  VersammlungpAhloXs,  erhob  sich  Director  Ahrcns  aus 
Hannover,  um  im  Namen  der  Versammlung  allen  denen  ihren  innigen 
Dank  auszusprechen,  die  durch  ihre  Unterstützung  und  Thätigkeit  das 
Gelingen  der  verflossenen  schönen  Tage  ermöglicht  hatten :  der  grofsh.  Re- 
gierung und  dem  Universitätssenat,  der  Stadt  Heidelberg,  dem  Vorstande 
des  Museums  und  allen  Privaten,  dem  Präsidium  der  Versammlung,  dem 
Localcomite  und  dem  J^ureau.  Ihnen  allen  sei  man  Dank  schuldig.  Die 
Versammlung  gab  demselben  durch  ein  dreimaliges  Hoch  freudigen  Ausdruck. 

Der  Präsident  erklärte  hierauf  nach  1  Uhr  die  vierundzwanzigste 
Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner  für  geschlossen. 


Anhangsweise  sei  eine  Uebersicht  der  der  Heidelberger  Philologen- 
Versammlung  gewidmeten  Festschriften  und  der  in  gröfscrer  oder  ge- 
ringerer Anzahl  von  Exemplaren  vertheilten  literarischen  Geschenke  zu- 
sammengestellt 

47' 


700  Misceilen. 

L  Festschriften,  a)  Pküologos  paedagogosqiie  Germanos  , . .  rite 
reverenter  amice  conscUtUant  Artninius  Koechly  Bemardus  Stark  Ca^ 
rolus  Cadenbach  friumviri  conventui  moderando.  Heidelb.  XXYII  und 
44  S.  gr.  4.  Enthält  e.  Abhandlung  y.  Eöchly  über  den  codex  Palatinus  43 
des  Mus&us,  über  den  sg.  Homerischen  Hynmus  an  Apollo,  der  in  flinf 
Gedichte  zerlegt  wird,  und  über  Aristoph.  Ran.  1420  — 1466.  Sodann  eine 
Abhandlung  von  Stark  über  zwei  Mithrasdenkmäler  aus  hiesiger  Gegend, 
deren  Abbildungen  beigegeben  sind. 

b)  Festschrift  des  nies.  Lyceums:  De  Aristophanis  fabula  quae  in- 
ierüntur  Aves,  scripsit  S.  Loehle.  Heidelb.  88  S.  8. 

c)  Festschrift  zur  Begrüfsung veröffentlicht  von  dem  historisch- 
philosophischen  Vereine  zu  Heidelberg.  Leipg.  1865.  XVI  und  147  S.  8. 
Enthält  Einleitendes  über  den  Verein,  vom  Schriftführer  Dr.  Ondcen;  wis- 
senschaftliche Beiträge  von  Oncken:  Die  Wiederbelebung  der  aristote- 
lischen Politik  in  der  abendländischen  Lesewelt;  Ihne:  Ueber  die  patres 
conscripti;  Zeller:  Eine  Arbeitseinstellung  in  Rom;  Riese:  Üeber  die 
Geschichtswerke  des  L.  Cornelius  Sisenna;  As  her:  Die  bina  iugera  der 
römischen  Bürger;  Doergens:  Ueber  die  Mitregentschaft  unter  Augustus; 
Scherrer:  Ad  vocem  Druides;  Wattenbacn:  Benedictus  de  Pileo; 
Kays  er:  Heidelberger  Philologen  im  sechszehnten  Jahrhundert 

d)  Das  vaterländische  Element  in  der  deutschen  Schule.  Vier  Schul- 
reden von  Dr.  G.  Weber,  Prof.  u.  Schuldirector  in  Heidelberg.  Leipg. 
1865.  Vm  u.  47  S.  gr.  8. 

e)  Fi  ekler.  Römische  Alterthümer  aus  der  Umgegend  von  Heidel- 
berg u.  Mannheim.  Mannh.  1865.  14  S.  gr.  8. 

f)  Forchhammer,  En  schreben  ßreef  an  min  lewe  Pründ  Ed.  v. 
d.  Launitz,  von  wegen  Polyklet  sin  Nägeln.  Kiel  1865.  gr.  4. 

f)  Aufruf  zur  Gründung  einer  Bopp- Stiftung.  Berlin  1865.  gr.  4. 
I.  Geschenke,    a)   Ueber   den   Inhalt   und  Zusammenhang   von 
Plato's  Symposion.   Von  Dir.  Deinhardt    Bromberff.  35  S.  gr.  4. 
b)  V.  Valentin,  Orpheus  und  Herakles.  1865.  a 
Heidelberg.  Alexander  Riese. 


Verhandlungen  der  kritisch-exegetischen  Section. 

Die  kritisch-exegetische  Section  constituiertc  sich  nach  dem  Schlüsse 
der  ersten  allgemeinen  Sitzung,  nachdem  die  von  Prof.  Köchly  an  die 
Herren,  welche  in  dem  filr  die  Sitzungen  der  Section  bestimmten  Hör- 
saale der  Universität  anwesend  waren,  gestellte  Vorfrage,  ob  sie  die  Grün- 
dung dieser  neuen,  im  vorigen  Jahre  erst  projectirten  Section  für  wün- 
schenswerth  hielten,  allgemein  bejaht  worden  war.  Zum  Präsidenten  wurde 
Hofrath  v.  Leutsch  aus  Göttingen,  zu  Schriftführern  Dr.  Wölfflin  aus 
Winterthur  und  Dr.  Zöller  aus  Heidelberg  ernannt.  Nach  Festsetzung  der 
Tagesordnung  fär  die  erste  Sitzung  wurde  die  Vorversammlung  geschlossen. 


Erste  Sitzung.  28.  September. 

Anfang  8  Uhr. 

Nach  einigen  einleitenden  Worten  des  Präsidenten  erhält  Hofrath 
Platz  aus  Carlsruhe  das  Wort  zur  Besprechung  der  vorgeschlagenen 
Frage:  „Sind  die  Verse  des  Horaz  in  den  Satiren  I  4,  81  —  85 
dem  Dichter  oder  dem  Gegner  desselben  in  den  Mund  zu  le- 
flfen?"  Keck  war  es,  welcher  zuerst  in  MützeU's  Zschr.  f.  GW.  1856  S.  860 
diese  Verse  'Ahaentem  qui  rodit  amicum  u.  s.  w.  hie  tUaer  est;  hune  tu 
Bomane  caveto*  dem  Gegner  des  Dichters  in  den  Mund  legte;  und  Dö- 
derlein  und  Krüger  sind  ihm  hierin  gefolgt.  Auf  Horazens  Frage  nach 
einem  Gewährsmann  für  seine  Anschuldigung  exponiere  der  Gegner  lieber 


Miscellen.  701 

den  Begriff  eines  bösen  Menschen  und  subsumiere  daninter  stillschweigend 
den  Horaz.  Redner  sucht  diese  Ansicht  aus  dem  Zusammenhang  der  ganzen 
Stelle  sowohl,  als  aus  dem  Charakter  des  Horaz  zu  widerlegen,  der  ja 
durch  sämmtliche  in  diesen  Versen  vorgebrachten  Vorwürfe  gar  nicht  ge- 
troffen werde. 

Prof.  Teuf  fei  aus  Tübingen  erklärt  sich  mit  der  Verwerfung  der 
Keck'schen  Ansicht  einverstanden;  überhaupt  sei  er  ^egen  neue  Auslegun- 
gen im  Horaz,  an  dessen  Erklärung  sich  schon  so  viele  treffliche  Männer 
abgemüht  hätten,  im  voraus  eingenommen. 

Hofrath  Platz  erklärt  sich  mit  diesem  Grundsatze  nicht  einver- 
standen. Besonders  durch  Aenderung  der  Interpunction  hätte  sich  schon 
manche  treffliche  neue  Erklärung  ergeben,  wie  gerade  in  unserm  V.  81, 
wo  Doderlein  das  Komma  nach  rodü  statt  nach  amicum  setzte. 

Weiterhin  sprachen  sich  noch  Prof.  Kratz  aus  Stuttgart,  Dr.  Albert 
Müller  aus  Hannover,  Prof.  Teuffei,  Bector  von  Jan  aus  Erlangen 
über  die  Stelle  aus.  Letzterer  hebt  hervor,  dass  Doderlein,  sonst  in  seinen 
Behauptungen  sehr  hartnäckig,  gerade  hier  auf  Keck's  von  ihm  angenom- 
mene £)rklärung,  wie  er  aus  Gesprächen  mit  ihm  wisse,  keinen  Werth  ge- 
legt habe. 

Präsident  Ho^th  v.  Leutsch  erklärt,  er  wolle,  durch  Horazens 
Spruch  gemahnt,  sich  für  den  abwesenden  Keck  verwenden.  Wenn  man 
mit  diesem  die  Verse  dem  Gegner  in  den  Mund  lege,  so  sei  der  Zusam- 
menhang dieser:  Auf  die  tVage  des  Horaz,  wer  denn  auctor  dieser  mis- 
günstigen  Ansicht  über  ihn  sei,  antworte  der  Gegner:  dazu  brauche  er 
keinen  Gewährsmann;  es  sei  ja  stadtbekannt,  ein  wie  schlechter  Mensch 
Horaz  sei;  denn  „wer  den  Abwesenden  verläumde**  u.  s.  w. 

Oberlehrer  Dr.  Lieven  aus  Riga  ist  der  Ansicht,  auch  der  Anfang 
der  dritten  Satire  V.  1—19  sei  dem  Gegner  des  Horaz  in  den  Mund  zu 
legen.  Er,  sowie  Prof.  Planck  aus  Heilbronn,  stimmen  der  Keck'schen 
Annahme  theilweise  bei. 

Indem  der  Präsident  dem  Redner  für  seinen  Vortrag  dankt,  consta- 
tiert  er,  dass  wol  die  meisten  der  Anwesenden  sich  für  die  frühere  Er- 
klärung entschieden  hätten  und  TeuffeFs  Scheu  vor  Neuerungen  somit 
diesmal  wenigstens  gerechtfertigt  sei.  Da  viele  der  Anwesenden  sich  an 
den  Verhandlungen  der  archäologischen  Section  zu  betheiligen  wünschen, 
wird  die  Sitzung  um  9V,  Uhr  geschlossen,  nachdem  an  Stelle  des  bald 
darauf  abreisenden  Hofraths  v.  Leutsch  Prof.  Teuf  fei  aus  Tübingen  zum 
Präsidenten  gewählt  worden  war. 


Zweite  Sitzung,  29.  September. 

Anfang  8  Uhr. 

Nachdem  der  Präsident  Prof.  Teuf  fei  die  Sitzung  eröffnet  hatte, 
hielt  Privatdocent  Dr.  Hagen  aus  Bern  einen  Vortrag  Jueber  den  co- 
dex Bernensis  172  saec.  IX— X  des  Servius."  Die  Emendation 
des  Servius  stelle  man  sich  in  der  Regel  wegen  der  Verdorbenheit  der 
Ueberlieferun^  wie  wegen  seiner  unoorrecten  Sprachweise  als  sehr  schwer 
vor;  durch  die  zu  besprechende  noch  unbenutzte  Handschrift  werde  sie 
aber  wesentlich  erleichtert.  Auch  biete  sie  schätzenswerthen  Zuwachs  zu 
dem  Texte,  indem  sich  zur  Aeneis  III  520  ein  unediertes  Fragment  der 
Historiae  des  Sallust  finde:  'et  parvis  modo  velorum  cUis  remissitf*.  Da 
parvi8  sich  wol  auf  veliSf  nicht  aoer  auf  velorum  olis,  eine  ziemlich  poe- 
tische Umschreibung  für  velis  alatis,  beziehen  könne,  so  sei  statt  dessen 
p<»ulum  zu  lesen,  was  sich  durch  Vergleichung  mit  Sali.  Jug.  60  empfehle. 
(Der  Unterzeichnete  schlug  paulisper  als  den  Buchstaben  nach  näher  lie- 
gend vor.)  Die  Stelle  müsse  sich  auf  einen  Seekrieg  beziehen;  und  sehr 
passend  deutete  Redner  sie  auf  die  bei  Plutarch  Sertor.  c.  7  geschilderten 
Ereignisse.  —  Hierauf  legte  Redner  als  Probe  der  Güte  seiner  Handschrift 
einige  mit  ihrer  Hilfe  cmendierte  Stellen  vor.    Zu  Ann.  III  217  gebe  sie 


708  Miscellen. 

mnosum  statfc  annomm;  daraus  sei  saniomm  zu  emendiren.  —  Zu  Aeit 
JII  317  hat  sie  paphas  statt  dapnas:  man  lese  pathos.  —  ibid.  410  wird 
Columtia  an  der  sicilischen  Meerenge  genannt;  cod.  Bern,  bietet  calumna: 
Hagen  liest  daher  Calahria.  Dagegen  weisen  Dr.  Weidner  aus  Cöln 
und  Prof.  Planck  aus  Heilbronn  auf  einen  Witz  in  Cicero's  Sestianabio, 
der  nur  zu  verstehen  sei,  wenn  man  in  jener  Gegend  eine  Oertlicbkeit 
Namens   Columria  annehme.  —  Zu  Aen.  IV  75  steht  statt  indueere  im 

Bernensis  xnQucere,  woraus  sich  ivilicere  ergibt;  und  statt  impendiwn 
cowpetulitim  'Gewinn'.  —  Aen.  IV  215:  prohrosis  enim  non  lenibus  (Siiitz 
und  Dietsch  ergänzten  rerbis):  aus  dem  Bern,  non  linibus  ergibt  sich 
iäheTzeusend  nominibus.  Eckstein  schlug  haminihus  vor.  —  ibid.  216  liest 
H.  auf  Grundlage  der  Hds. :  quod  est  convieium  maius,  non  ifinZtem 
tantum  sed  eiiam  merttricem  vocare,  —  ibid.  404:  quo  ante  Acciua 
«aus  est  de  Indi^.  Bern.:  de  inde  nos.  Hagen  liest  de  MyrfmdowStms, 
An  der  Disputation  betheiligt  sich  Rector  v.  Jan.  Eckstein  emendiert  imt« 
in  item.  --  ibid.  589  liest  Hagen  statt  versum  mit  seiner  Handschrift 
usum.  —  Aen.  V  30.  effigieni  canis  pei'cussum.  Man  ergänzte  nummum 
e ff  igte  c.  p.  Die  Handschrift  aber  bietet  est  cum  effugtem;  also  ist  xa 
lesen:  aes  cum  effigie.  Vorher  hat  sie  richtig  cum  qua  delata  und  cmiii 
ea  fehlt.  —  ibid.  40  iverit;  Bern,  merit;  zu  lesen  maereat  und  mit  der 
Handschrift  reversos.  —  ibid.  117:  dÄ  Bemer  codex  hat  a  quo  nomine 
geas  italic  memmia;  daraus  ist  iiala  herzustellen,  das  übrige  in  dieser 
Fassung  zu  behalten.  Das  folgende  A  quo  —  Memmii  ist  Glossem.  ut 
si  nom.  plur,  hat  die  Handschnft,  als  Hindeutung  auf  ut  sit.  —  ibid.  408 : 
vetteret  und  comideraret  gebe  das  ms.  richtig.  Vertu  virtus  sei  in  v.  cestus 
zu  emendieren.  Diese  Stelle  nebst  andern  zeige  auch,  da  Servius  das  Wort 
vertit  statt  versfU  erkläre,  dass  ihm  ein  corruptes  Vergilexemplar  Torge- 
legen  habe.  — 

Der  unterz.  Berichterstatter  sprach  hierauf  über  das  eollegium 
poetarum  in  Rom.  Auf  der  vorigen  Philologenversammlnng  schlug 
Prof.  Hertz  vor,  da  sich  Horaz  Sat.  II  6,  36  als  scriba  bezeichnet,  ihn 
hienach  nicht  als  Secretär  eines  Quästors,  sondern  als  Mitglied  des  coUe- 
gium  scriharumy  der  römischen  Dichterzunft,  zu  betrachten,  deren  Existeni 
unter  diesem  Namen  0.  Jahn  aus  Festus  s.  v.  scribas  überzeugend  nach- 
gewiesen hat.  Hertz  erklärte  nach  andern  dieses  eollegium  in  der  Zeit 
des  Horaz  als  Sammelplatz  der  Poeten  reactionärer  Tendenz.  Dies  sei  ein 
sehr  unklarer  Ausdruck;  wir  wüssten  von  jenen  Dichtern  eigentlich  nichts 
—  indessen  möge  man  sie  immerhin  als  Anhänger  der  alexandrinischen 
Dichtungsweise  betrachten.  Meine  Frage  betraf  vielmehr  das  Wesen,  das 
Fundament  jenes  CoUegiums.  Als  Vereinigungspunct  von  Dichtem  Einer 
Tendenz,  als  Clique,  hätte  es  sich  eines  senr  Tangen  Lebens  erfreut:  denn 
im  zweiten  punischen  Kriege  gestiftet,  bestand  es  jedenfalls  noch  nach 
90  V.  Chr.  vgl.  Valer.  Max.  JII  7,  11.  Besonders  spricht  eben  die  Stelle 
des  Festus  selbst  gegen  diese  Annahme,  welche   besagt  dass  "cum  ZAviua 

Andronicus  bello  Punico  secundo  scribsisset  carmen publice  ad* 

tributa  est  ei  in  Aventino  aedis  Minervae,  in  qua  lieeret  scrt6ia  (d.  h. 
poetis,  wie  Festus  vorher  erklärte)  histrionibusque  consistere  ac  dona 
ponere,  in  ft&noretn  Litni,  quia  is  et  scribebat  fabulas  et  apebat*.  Also 
fublice,  unter  Staatsautorität,  gestiftet  hatte  das  Colleg  den  officiellen  Zweck, 
in  ienem  Tempel  der  Minerva  sich  zu  versammeln  und  Opfergeschenke 
niederzulegen.  Durch  letztere  Handlung  religiöser  Art  tritt  aas  oolleginm 
in  die  Reihe  der  andern  gleichnamigen  Gesellschaften,  welche  alle  ihre 
Thätigkeit  um  eine  Cultushandlung  gruppieren,  aber  zu  einer  geregelten 
Verfolgung  praktischer  Zwecke  bestimmt  sind.  Letztere  müssen  auch  für 
das  eollegium  der  scribae  aufgesucht  werden.  0.  Jahn  fand  sie  in  der  *He- 
bung  ihrer  bürgerlichen  Stellung*;  dagegen  spricht  wol,  dass  auch  der 
vornehme  Tragilcer  Csesar  Strabo  Mitglied  war.  Sie  werden  sich  vielmehr 
daraus  errathen  lassen,  dass  scribae  und  fUstriones  nach  Festus'  Worten 
die  Genossenschaft  bildeten;  was  erklart  wird  'quia  Livius  et  9cr%htbai 


Miscellen.  708 

fainüaa  et  agebcU^  wobei  weder  seine  damals  so  wichtige  Odyssee,  noch  die 
an  jener  Stelle  doch  besonders  naheliegenden  Cultusheder  erwähnt  wer- 
den. Bemhardy  sieht  diese  Erklärung  ohne  Grund  für  Erfindung  des 
Grammatikers  an ;  natürlich  ist  sie  aber  so  zu  fassen,  dass  Livius  nur  der 
persönliche  Ausdruck  einer  zwischen  den  scribae  und  histrimies  überhaupt 
oestebenden  realen  engen  Verbindung  war.  Diese  beiden  Aeufserungen 
des  Festus  weisen  denn  darauf  hin,  dass  unter  scribae  speciell  dramu- 
tische  Dichter  zu  verstehen  sind.  Solche  waren  Livius,  Attius  und  Caesar 
Strabo,  die  einzigen  bekannten  Mitglieder.  Dass  der  Lj^rikcr  CatuU  das 
Collegium  nie  erwähnt,  zeigt  bei  seiner  Dichtungsweise  sicher,  dass  er  kein 
Mitglied  desselben  war;  dies  ist  natürlich  kein  stricter  Beweis  für  mich, 
doch  immerhin  erwähnenswerth. 

Der  Zweck  des  CoUegiums  muss,  wie  es  nun  vor  uns  tritt,  gewesen 
sein,  die  öffentliche  Thätigkeit  der  dramatischen  Kunst  zu  fördern 
und  zu  erleichtem.  Zur  Erkenntnis,  wie  dies  geschah,  ist  Hör.  sat.  I  10, 
36  fg.  äufserst  wichtig,  obgleich  noch  unberücksichtigt:  Turgidus  Alpinus 
iugmat  dum  Memnofia  dumque  Defingit  Rheni  luteum  Caput,  haec  ego 
ludo,  Quae  neque  in  aede  sanent  certantia  iudice  Tarpa,  Nee  redeant 
iterum  atque  Herum  spectanda  theatris.  Ich,  will  den  unnützen  Wust  der 
Erklärungen  durch  die  hier  fast  vollständig  im  Dunkeln  tappenden  Scho- 
liasten  bei  Seite  lassen  und  vielmehr  auf  den  Zusammenhang  eingehen. 
Während  andere  grofsartige  und  pomphafte  Gedichte  schreiben,  sagt  Horaz, 
thue  ich  das  nicht.  Das  Grofsartige  wird  V.  38  fg.  definiert  als  Dramen 
(v.  39);  38  erklärt  Nipperdey  als  Hymnen,  wozu  aber  certantia  iudite 
Tarpa  nicht  jpasst.  Dieser  Name  (Macius  Tarpa  bei  Porph.)  führt  vielmehr 
coli.  Cic.  ed  Fani.  VII,  1  darauf,  einen  Leiter  dramatischer  Spiele  hier  zu 
erkennen.  Auch  hier  also,  wie  bei  Festus,  dramatische  Poesie  im  Tempel'), 
der,  da  keine  andere  Wahl  möglich,  unser  Minerventempel  sein  muss.  Dort 
fand  also  ein  certare  statt,  erfahren  wir  hier;  und  Tarpa  hatte  zu  ent- 
scheiden. 

Soviel  ist  über  das  collegium  nun  wol  sicher ;  ich  wage  meine  An- 
sicht nun  auf  die  gegebenen  inneren  Gründe  hin  —  denn  äufsere  Beweise 
dafür  habe  ich  nicht  —  in  folgender  Weise  auszusprechen:  Tarna  war  viele 
Jahre  (cf.  Cic.  1.  c.)  eine  Vertrauensperson ,  ein  Beauftragter  aer  Aedilen, 
welche  theatralische  Aufiiihrungen  veransüilteten ;  der  öfientliche  Zweck 
des  Dichter-  und  Schauspieler-CoUegiums  war,  ihm  die  Auswahl  zu  er- 
leichtern, indem  die  neuen  Dramen  dort  vorgelesen  oder  vorgespielt  wurden, 
worauf  er,  wol  mit  Berücksichtigung  der  Meinung  des  Colle^s,  den  Aedilen 
seine  Vorschläge  machte.  Donat.  vit.  Ter.  p.  28,  8  sqq.  Reiff.  steht  nicht 
in  Widerspruch  damit.  —  Horaz  und  die  meisten  seiner  Zeitgenossen  können 
demnach  nicht  Mitglieder  des  collegium  poetarum  (so  Yal.  Max.  statt 
scribarum)  gewesen  sein');  ihre  Freundschartsbünde  sind  entschieden  davon 
zu  sondern.  Auch  mit  den  privaten  Recitationen  hat  es  nichts  zu  thun. 
Die  Dramatiker,  deren  Wohnung  bekannt  ist,  Ennius  und  Cäcilius,  wohnten 
auf  dem  Aventin,  wo  ihr  collegium  auch  war. 

Prof.  Teu  ffel  erklärt  die  Beweisgründe  für  nicht  recht  stichhaltig. 
Die  Worte  quia  is  et  scribebat  u.  s.  w.  seien  doch  wohl  eigener  Zusatz  des 
Grammatikers. 

Rector  Eckstein  glaubte,  die  Horazs teile  sei  in  dieser  Weise  nicht 
zu  verstehen.  Er  verstehe  sie  von  Becitationen.  Auf  die  Fraffe,  was  dann 
iudice  Tarpa  bedeute,  bekannte  er,  ein  vollständiges  Verständnis  der  Stelle 
noch  zu  entbehren. 

Hofrath  Platz  fand  auch  die  Deutung  der  Horazstelle  nicht  an- 
gemessen. 

Der  Berichterstatter  wies  darauf  hin,   dass  diese  lediglich  für 


')  Natürlich  nicht  des  Apollo  Palatinus:  Sat.  I,  10  ist  anfangs  der 

dreifsiger  Jahre  gedichtet,  der  Tempel  erst  28  vollendet. 
^)  Dadurch  fällt  Hertz'  Erklärung  von  scriba  hinweg. 


704  Miscellen. 

sich  betrachtet  ja  auch  willkürlich  wäre;  dass  vielmehr  darch  Yerbindang 
dieser  Stelle  mit  der  des  Festus  Licht  darauf  falle. 

Dr.  Steinmeyer  aus  Wolfenbüttel  zeigte,  dass  die  Beziehnng  des 
T.  38  auf  diese  dramatischen  Proben  zum  Zusammenhanff  sehr  wohl  passt 

AoTserdem  betheiligten  sich  Prof.  Planck  aus  Heilbronn,  Beotorv. 
Jan  aus  Erlangen,  Dr.  Hagen  aus  Bern  u.  A.  an  der  Discussion.  G^;en 
10  Uhr  wurde  die  Sitzung  geschlossen,  nachdem  vorher  noch  besonden 
durch  Rector  Eckstein  vorläufig  ein  entschiedener  Einspruch  gegen  das 
Weiterbestehen  einer  gesonderten  kritisch-exegetischen  Section  erholen  war, 
deren  Objecte  theils  in  das  Gebiet  der  allgemeinen  Sitzungen,  theils  in 
das  der  pssdagogischen  Section  gehörten. 


Dritte  Sitzung.  30.  September. 
Anfang  8  Uhr. 

Der  neue  Präsident,  Rector  v.  Jan  aus  Erlangen,  eröffnete  die  Sitzung. 

Professor  Teuf  fei  hielt  einen  Vortrag  über  Juvenal  9,  118—1^. 
Er  sprach  zuerst  im  allgemeinen  gegen  Ribbeck's  Methode  in  der  Behand* 
lung  des  Juvenal ;  übrigens  fänden  sich  Spuren  doppelter  ftearbeitung,  wie 
z.  B.  an  vorliegender  Stelle,  an  welcher  die  zwei  parallelen  Gedanken 
'linguam  contemnere  servi  und  'linauas  mancipiorum  contemnas*  unmöglich 
so  nebeneinander  stehen  können.  Wir  müssten  vielmehr  zwei  Bearbeitungen 
hier  erkennen;  der  ersten  gehörten  die  vier  letzten  Verse  an,  der  zweiten 
die  zwei  ersten ,  durch  welche  der  Dichter  jenen  Entwurf  (v.  120  —  123) 
verbessert  habe. 

Dr.  Weidner  aus  Köln  suchte  dagegen  den  Zusammenhang  der 
vier  erRten  Verse  nachzuweisen. 

Dr.  Alb  Müller  aus  Hannover  schliefst  sich  dem  Vorredner  an. 
nur  müsse  idcirco  verderbt  sein  und  dafür  ein  Wort  stehen,  welches  fol- 
genden Zusammenhang  herstelle:  „wenn  du  meinen  eben  gegebenen  Rath 
nicht  befolgest,  dann  hüte  dich  wenigstens*  u,  s.  w. 

Dr.  Weidner  schlägt  statt  praecipue  vor  zu  lesen  praeeepium  est. 
Damit  ist  nach  Prof.  TeuffeTs  Ansicht  nichts  gewonnen. 

Aufserdem  betheiligten  sich  an  der  Debatte  Hofrath  Platz,  Rector 
V.  Jan  u.  A.  Auch  wurde  vorgeschlagen,  v.  119  statt  servi  zu  lesen  volgi. 
Ein  bestimmtes  Resultat  ward  nicht  erzielt. 

Da  Prof.  Fritzsche  aus  Leipzig,  welcher  die  Athetese  der  Worte 
Soph.  Antig.  v.  2—3  *Tc5r  nn  Ot6(nov  xaxah  onotov  oh^C*  zu  begründen 
versprochen  hatte,  nicht  anwesend  war,  wurde  die  letzte  Sitzung  nacn  9  Uhr 
geschlossen. 

Heidelberg,  Alexander  Riese, 


Zu  Philodem  neqi  eiaeßelag. 

Aus  den  herculanischen  Rollen. 

Dass  in  dem  oberen  Theile  des  Bruchstücks  auf  Tafel  127  ein 
dichterisches  Citat  enthalten  ist,  dies  hatten  mich  die  wenigen  lesbaren 
Worte:  [xtjoawovv  nv. .  ßokovg  nXaxag  längst  errathen  lassen.  Doch  wniete 
ich  die  Stelle  nicht  zu  restituieren.  Wenn  ich  dies  ietzt  vermag  —  und 
ich  möchte  jeden  Buchstaben  meiner  Herstellung  verbürgen  — ,  so  danke 
ich  dies  einem  glücklichen  Ungefähr. 

Die  Tafel  208  des  4.  Bandes  der  Herculanensia  Volumina  schildert 
in  ironischer  Weise  die  begeisterte  Bewunderung,  welche  die  Beredtsam- 
keit  (oder  aber  vorzugsweise  die  gewaltige  Stimme  ?)  eines  Rhetors  Apollo- 
phanes  zu  Tyros  erregt  habe.  Von  nah  und  fern  seien  Fremde  herbeige- 
strömt, um  ihn  zu  hören:  —  ul  Sk  xnl  xamnUvanvxts  iig  tov  Ufiitw 


Mi^cellen.  705 

xal  naQa<ptta[x]ovTig  iXniStt^  i6g  avrovg  ov&*  av  rö  a€fxv[6v  7f]vQ  ei^ya^ 
&ot  Jtdg  t[61  ^[rj\  ov  xar  äxoiov  7r«^[y]«^ft»'  ^[JlJ^rr  top  €v\^'\a{fAOva  <f*' 
8v  iv&ig . . .  [(fin]v€v(TS-^vTeg  (?)...  Es  mag  nun  mit  der  Reaekunst  jenes 
sonst  unbekannten  Apollophanes  (denn  an  den  stoischen  Philosophen,  den 
Schuler  des  Ariston  von  Cnios,  ist  wol  nicht  zu  denken)  welches  Bewenden 
immer  haben,  die  Beziehung  dieser  Erzählung  zu  dem  übrigen  Inhalt  der 
JlnTserst  merkwürdigen  Schrift  —  ignoti  fortasse  Philoderai  tkqI  noirj- 
uaTtitv  —  sei  noch  so  dunkel:  eines  ist  unbestreitbar,  die  Thatsache,  dass 
hier  zwei  Verse  des  Eurinides  in  scherzhafter  Anwendung  erscheinen,  jene 
Verse  der  Phönissen ,  in  aenen  Kapaneus  auf  der  Sturmleiter  vorwärts  drän- 
gend in  tollem  Uebermuth  ausruft: 

fitj^*  ttv  t6  atfivov  7TVQ  viv  ttgyttd-eiv  ^fiog 
to  firi  ov  x«r*  axQMV  7r«(»j'aaa>y  M*i>  TroJltr  (1 174  -  6  Nauck). 
Wer  nun  frisch  von  dieser  Wahmehmune  wieder  an  die  Käthsel  der  Ta- 
fel 127  des  2.  Bandes  dieser  Sammlung  nerankommt,  dem  kann  es  nicht 
länger  verborgen  bleiben,  dass  auch  hier  zwei  Verse  der  Tragoedie  schlummern: 
—  vn(QßoXtx^[g  ^«Jl']  iin[([ov]'  —  (so  hieüs  es  wol,  obgleich  die  Abschrift  des 
Papyrus  EinHP  bietet)  — 

M»;[cr*  civ  t6  ai\iAv6v  nvg  [vvv  iigytt]S^tiv  dtog 
\t6  firj  ov  xf]oawovv  nv[Qi]ß6lovg  filv  [rccf]  nXaxag  — 
„auch  die  Blitzesflammen  aes  Zeus  würden  ihn  nicht  hindern  die  Fluren 
der  Erde  gluten-schleudemd  zu  versengen"  und  (der  durch  ^(v  erforderte 
Gegensatz  konnte  kaum  ein  anderer  sein)  Ströme   und   Meeresfluthen  zu 
verzehren. 

{nvpißoXovg  „glutgetroffen"  ist  natürlich  proleptisch  zu  verstehen. 
Das  den  Wörterbüchern,  auch  der  letzten  Bearbeitung  des  Thesaurus  graecae 
linguae,  fremde  Wort  bietet  uns  ein  Bruchstück  des  euripideischen  Phae- 
thon ,  Frg.  781 ,  V.  65  Nauck.  nvgfßoXog  —  n  vqlßXvixog  wie  rjXtoßoXog  «* 
TJXioßXrjTog.  Man  vgl.  auch  rjXioßXrjTot  nXitxeg  Eur.  Bacchae  14.) 

Hier  erhebt  sich  nun  eine  lange  Reihe  nur  durch  Muthmaflsungen 
zu  beantwortender  Fragen :  Wie  ist  die  üebereinstimmun^  des  ersten  Verses 
dieses  neuen  Bruchstücks  mit  jenem  Verse  der  Phoenissen  zu  erklären? 
Schrieb  Euripides  einen  älteren,  oder  sich  selbst  aus,  oder  ist  er  von  einem 
jüngeren  Dichter  benützt  worden?  In  welchem  Zusammenhang^e  wurden  die 
zwei  Verse  gedichtet?  Sind  es  etwa  die  vifßiiyoQa  xofxnaa^aTades 
Typhon  (Aesch.  Prom. 362—3  Hrm.)?  Oder  gehören  sie  einer  Darstelluns^  der 
Phaethon-Sage  an,  in  der  Phaethon  (anders  als  bei  Ovid)  durch  die  Drohun- 

fen  und  den  Aufruhr  der  zomentflammten  Sternbilder*)  erschreckt,  selbst 
en  Lauf  der  Sonnenrosse  gegen  die  Erde  lenkte  und  in  jene  trotzig^ver- 
messene  Drohung  ausbrach,  die  sofort  —  gerade  wie  bei  Kapaneus  —  die 
Blitze  des  Zeus  auf  sein  Haupt  herabrief?  Oder  aber  —  und  so  scheint 
jedenfalls  Philoderaos  die  Verse  zu  verwenden  — ,  galten  sie  dem  Sonnen- 
gotte  selbst,  der  dem  Hephästos  Kunde  von  der  Untreue  seiner  Gremalin 
bringt  (tog  [ryl  *H(ftt((TT(p  7T[fol  r^g]  *!AQiiog  ngog  l4[tfQodi(]xriv  ofitHag 
liest  man  im  folgenden,  vgl.  Od.  ^,  270)  —  und  bei  diesem  Anlass,  so 
müssen  wir  hinzudenken,  von  der  Höhe  des  Firmaments  auf  den  Olvmp 
herabsteigend  der  Erde  zu  nahe  kömmt  und  sie  zu  entzünden  droht?  — 
Dann  erkenne  ich  nach  einer  unverständlichen  Zeile  nur  mehr  —  ioxilr. 

liXo[i^g]  ^*  iv  rfy] xal  t«.  . .  Ward  hier  nicht  der  "Hwaiaxog  aa- 

rvQixog  des  Achäos  genannt,  neben  Epicharm's  K(Ofiaaxa\  ij  'L^fftuarog 
eben  das  eine  griechische  Bühnenwerk,  dem  man  in  dieser  Umgebung  zu 
begegnen  erwartet? 

Wien.  Th.  Gomperz. 


♦)  Vgl.  Nonnos  (36,  332  fg.),  dessen  Darstellung  Gottfried  Hermann 
(Opuscula  III,  140  —  141)  durch  die  Heliaden  des  Aeschylus  beein- 
flusst  glaubt. 


Fünfte  Abtheilung. 


Verordnungen  für  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

Organisationsstatut  für  das  k.  k.  poljteebnische  Institut  in 

Wien,  von  Sr.  k.  k.  Apost.  Majestät  mit  Allerhöchster   EntschlieMng 

vom  17.  October  1865,  zur  Reorganisierung  des-  Wiener  Folytechnicunis 

AUergnädigst  genehmigt. 

I.  Allgemeine  Bestimmungen. 

§.  1.  Das  k.  k.  polytechnische  Institut  in  Wien  hat  den  Zweck,  eine 
gründliche  theoretische  und,  soweit  es  an  der  Schule  möglich  ist,  auch 
praktische  Ausbildung  für  jene  Berufsrichtungen  zu  ertheüen,  welche  an 
oemselben  durch  besondere  Fachschulen  vertreten  sind. 

§.  2.  Am  Institute  bestehen  folgende  Abtheilungen: 

A.  Die  allgemeine  Abtheilune,  in  welcher  jene  Gegenstande 

feiehrt  werden,  welche  die  wissenschaftliche  Grundlage  der  darauf  folgen- 
en  Fachstudien  bilden;  B,  die  Fachschule  für  Strafsen-  und  Wasser- 
bau; C.  die  Fachsch.  f.  Hochbau;  2).  d.  F.  f.  Maschinenbau;  E.  d. 
F.  1  technische  Chemie. 

§.  3.  Die  Gegenstände,  welche  am  k.  k.  polytechnischen  Institute 
gelehrt  werden,  sind  folgende: 

A.  Mathematik,  darstellende  Geometrie,  praktische  Geometrie,  höhere 
GeodsBsie,  sphärische  Astronomie,  technische  Mechanik,  analytische  Mecha- 
nik, allgemeine  Physik,  technische  Physik,  unorganische,  Chemie,  org^anische 
Chemie,  analytische  Chemie,  Mineralogie,  Geologie,  Zoologie,  2k>ologie  mit 
Beziehung  auf  Paläontologie,  Botanik. 

B.  Maschinenlehre ,  allgemeine  Maschinenkunde ,  Maschinenbau, 
mechanische  Technologie,  Baumechanik,  allgemeine  Baukunde,  Hochbau 
und  Architektur,  Wasser-,  Brücken-,  Strafsen-  und  Eisenbahnbau,  Terrain- 
lehre, Bauordnungen  und  Amtsmanipulation,  chemische  Technologie,  Waren- 
kunde, Land-  und  Forstwirthschaftslehre. 

C.  Allgemeine  Geschichte,  österreichische  Geschichte,  Geschichte  der 
Baukunst,  Geschichte  der  inductiven  Wissenschaften,  deutsche  Literatur, 
Acsthetik,  Natipnaloekonomie ,  Statijjtik,  Handels-,  Wechsel-  und  Seerecht, 
österreichische  Verfassungs-  und  Verwaltungslehre»  Buchhaltung. 

D.  Technisches  und  Freihandzeichnen,  Ornamentik  und  Ornamenten- 
zeichnen, Landschaftszeichnen,  Modellieren. 

£.  Französische  Sprache,  italienische  Sprache,  englische  Sprache, 
Stenographie. 

Erweiterungen  oder  Veränderungen  des  vorstehenden  Veneichnisses 
nach  Mafsgabe  des  Bedürfnisses  bleiben  vorbehalten. 

§.  4.  Mit  den  Vorlesungen  über  Botanik,  Zoologe,  Geologie,  mecha- 
nische und  chemische  Technologie,  Land-  und  Forstwirthschaftslehre,  Ter- 


Verordnungen  f.  d.  öst.  Gyninasien  u.  Realschulen.  707 

rainlehre,  Maschinenbau  und  die  B&uwissenschaften  sind  die  zum  gründ- 
lichen Verständnisse  noth wendigen  Excursionen  und  mit  der  praktischen 
Geometrie  eine  gröfsere  Vermessung  im  Sommersemester  verbunden. 

§.  5.  Die  Vertheilung  der  obligaten  Lehrgegenstände  auf  die  ein- 
zelnen Jahrescurse  der  allgemeinen  Abtheilung  und  der  Fachschulen  wird 
durch  besondere  Lehrpläne  bestimmt,  welche  nach  Bediirfnis  abzuändern 
sind  und  der  Genehmigung  des  Ministeriums  unterliegen. 

§.  6.  Der  Unterricht  in  den  einzelnen  Lehrgegenständen  wird  theils 
in  Jahrescursen ,  und  zwar  in  der  Dauer  vom  1.  October  bis  Ende  Juli^ 
theils  in  Semestralcursen  ertheilt. 

Das  erste  Semester  schlieM  mit  Ende  Februar,  das  zweite  beginnt 
am  1.  März. 

n.  Von  den  Zuhörern. 

§.  7.  Die  Zuhörer  am  poljrtechnischen  Institute  sind  entweder  ordent- 
liche, welche  in  die  allgememe  Abtheilung  oder  eine  der  vier  Fachschulen 
eingeschrieben  sind  und  an  dem  vollständigen  Unterrichte  nach  den  Be- 
stimmungen des  §.  16  Theil  nehmen,  oder  auf  serordentliche,  welche 
nur  über  einzelne  Lehrgegenstände  die  Vorlesungen  besuchen. 

§.  8.  Die  ordentlichen  Zuhörer  werden  als  solche  in  den  Zeugnissen 
bezeichnet,  sie  sind  im  Vollgenusse  der  Rechte,  welche  der  Besuch  der 
Lehranstalt  gewährt,  und  haben  alle  diesiuUigen  Pflichten  zu  erfüllen.  — 
Die  aufserordentlichen  Zuhörer  geniefsen  im  allgemeinen  die  Rechte  der 
ordentlichen,  werden  aber  weder  zu  den   strengen  Prüfungen  (§.  28)  zu- 

gelassen,  noch  haben  sie  einen  Anspruch  auf  Stipendien.  In  den  öiffent- 
chen  Zeugnissen  werden  sie  ausdrücklich  als  aufserordentliche  Zuhörer 
bezeichnet.  Ihre  Verpflichtungen  kommen,  soweit  nicht  besondere  Aus- 
nahmen gemacht  sind,  mit  denen  der  ordentlichen  Zuhörer  überein.  Sämmt- 
liehe  Zuhörer  unterliegen  der  Disciplinarordnung.  —  Die  ordentlichen  Zu- 
hörer unterstehen  in  Ansehung  der  Disciplin  zunächst  den  Abtheilungt- 
Torständen,  die  aufserordentlichen  dem  Rector. 

§.  9.  Als  ordentlicher  Zuhörer  in  den  ersten  Jahrgang  der  allge- 
meinen Abtheilung  kann  aufgenommen  werden:  1.  Wer  die  Oberrealschule 
oder  das  Obergymnasium  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  absolviert  hat;  2.  wer, 
ohne  seine  Vorbildung  an  einer  Mittelschule  erworben  zu  haben,  sich  der 
Maturitätsprüfung  an  einer  vom  k.  k.  Staatsministerium  hiezu  autorisierten 
Realschule  mit  gutem  Erfolge  unterzogen  hat.  —  Gymnasialschüler  haben 
noch  eine  hinreichende  Fert^keit  im  geometrischen  und  Freihandzeichnen 
nachzuweisen. 

§.  10.  So  lange  Maturitätsprüfungen  an  den  Realschulen  nicht  all- 
gemein eingeführt  sind,  haben  jene,  welche  ein  Zeugnis  der  Reife  nicht 
vorzeigen  können,  sich  einer  Aufnahmspi üfüng  am  k.  k.  polytechnischen 
Institute  zu  unterziehen.  Die  im  §.  9  unter  2  angeführten  Aufnahmsbwerber 
haben  in  diesem  Falle  ein  Alter  von  mindestens  17  Jahren  nachzuweisen. 

Gegenstände  der  Aufnahmsprüfung  sind:  a)  Arithmetik,  Algebra, 
Geometrie,  ebene  und  spbaerische  Trigonometrie,  analytische  Geometrie  in 
der  Ebene;  b)  Geographie  und  Geschichte;  c)  Physik;  d)  Naturgeschichte; 
e)  geometrisches  und  Freihandzeichnen;  f)  Fertigkeit  im  deutschen  Stile, 
zu  erweisen  an  einem  Aufsatze  über  ein  gegebenes  Thema. 

Die  Gegenstände  a)  bis  e)  in  dem  für  Oberrealschulen  vorgeschriebenen 
Umfange,  worüber  insbesondere  vom  Institute  ein  genaues  Programm  zu 
veröffentlichen  ist. 

Für  die  Aufnahmsprüfung  ist  eine  Taxe  von  5  tt.  ö.  W.  zu  ent- 
richten, ¥relche  den  Prüfenden  zufällt. 

§.  11.  Neueintretende,  welche  als  ordentliche  Hörer  für  Gegenständ« 
höherer  Jahrgänge  einer  Fachschule  eingeschrieben  werden  wollen,  haben: 

1.  die  allgemeinen  Aufnahmsbedinguneen   zu   erfüllen    (§.  9)  und 

2.  sich  über  die  weiteren  nothweudigen  Vorkenntnisse  entweder  durch 
legale  Zeugnise  auszuweisen  oder  sich  einer  Prüfung  zu  unterziehen,  für 
welche  eine  Taxe  nicht  zu  entrichten  ist. 

§.  12.    Zur  Aufnahme  als  ordentlicher  Hörer  ist  erforderlich: 


708  Verordiiuugen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Realschalen. 

1.  das  zurückgelegte  Alter  von  17  Jahren  und 

2.  der  Nachweis  der  nothwendigen  Vorkenntnisse,  um  die  gewünsch- 
ten Vorlesungen  mit  Erfolg  zu  hören. 

Dieser  Nachweis  wird  entweder  durch  legale  Zeugnisse  oder  durch 
eine  Aufnahmsprüfung  geliefert. 

Für  jeden  Prüfungsgegenstand  ist  eine  Taxe  ron  2fl.  d.W.  zu  entrichten. 

§.  13.  Die  Aufnanme  der  ordentlichen  Hörer  findet  am  Anfange  des 
Studienjahres  statt.  Dieselben  haben  sich  zu  diesem  Behufe  längstens  bis 
7.  October  persönlich  bei  dem  Vorstande  jener  Abtheilun^  zu  melden  ^  in 
welche  sie  einzutreten  beabsichtigen,  und  demselben  ihr  Nationale  sammt 
den  nothwendigen  Ausweisen  zu  übergeben.  Der  Vorstand  prüft  die  Aus- 
weise, ob  sie  den  Bedingungen  entsprechen,  und  verfügt  erforderlichen 
Falles  das  nöthige  hinsichtlich  der  Aufhahmsprüfung.  Er  ertheilt  sodann 
den  Bewerbern  zum  Behufe  der  Immatriculation  eine  Besdieinigung,  welche 
die  Angabe  der  Abtheilung  und  des  Jahrganges,  in  welchen  cueselben  ein- 
treten, so  wie  der  gewählten  Lehrgegenstände  enthält.  In  zweifelhaften 
Fällen  steht  die  Entscheidung  über  die  Aufnahme  dem  Abtheilungsool- 
legium  zu. 

§.  14.  Die  Meldung  aufserordentlicher  Zuhörer  geschieht  in  gleicher 
Weise  bei  den  Professoren  jener  Gegenstände,  welche  sie  zu  hören  wünschen. 
Für  jene  Gegenstände,  welche  nur  im  Sommersemester  vorgetragen  werden, 
kann  die  Einschreibung  auch  bei  Beginn  des  zweiten  Semesters  erfolgen. 

§.  15.  Nach  Erfüllung  der  in  den  §§.  9  bis  14  ausgesprochenen  Be- 
dingungen und  nach  Entrichtung  der  in  den  §§.  19  bis  21  festgesetzten 
Gebühren  erfolgt  die  Immatriculierung  Neueintretender,  so  ¥rie  die  Ein- 
schreibung bereits  immatriculierter  Zuhörer  durch  den  Rector. 

§.  16.  Die  ordentlichen  Zuhörer  haben  in  der  Regel  die  für  die  ein- 
zelnen Jahrescurse  der  allgemeinen  Abtheilung  und  der  Fachschulen  aufge- 
stellten Lehrpläne  einzuhalten.  Ausnahmsweise  kann  ihnen  jedoch  gestattet 
werden,  sich  einen  anderen  Plan  zu  bilden,  für  den  sie  am  Anfange  des 
Studienjahres  die  Einwilligung  des  Abtheilungscollegiums  einzuholen  haben. 
Diese  Einwilligung  kann  jedoch  nur  gegeben  weroen,  wenn  in  dem  ge- 
wählten Plane 

1.  auf  die  Reihenfolge  der  zum  gründlichen  Verständnisse  nothwen- 
digen und  einander  unterstützenden  Lehrgegenstände  Rücksicht  genommen 
ist,  und 

2.  für  die  gewählten  Unterrichtsfächer  die  Gesammtzahl  der  wöchent- 
lichen Stunden  mindestens  achtzehn  beträgt,  wobei  je  zwei  Uebungs-  oder 
Zeichnungsstunden  als  eine  Stunde  zu  rechnen  sind. 

§.  17.  Aufser  den  in  seinem  Studienplaue  enthaltenen  Lehrgegen- 
ständen kann  der  ordentliche  Zuhörer  auch  noch  Vorlesungen  über  andere 
Gregenstände  besuchen,  für  welche  er  die  erforderlichen  Vorkenntnisse 
besitzt. 

Die  Erklärung  hierüber  ist  entweder  bei  der  Anmeldung  (§.  13)  oder 
spätestens  am  15.  October,  beziehungsweise  15.  März  (§.  6)  persönlich  bei 
dem  Rector  abzugeben. 

§.  18.  Den  Zuhörern  wird,  so  weit  es  angemessen  erscheint,  der  Be- 
such der  Zeichnungssäle  und  Laboratorien  auch  auTker  den  Stunden  ge- 
stattet, welche  durch  den  jeweiligen  Stundenplan  festgesetzt  sind. 

§.  19.  Jeder  Zuhörer  hat  l^i  seiner  ersten  Aufnahme  an  das  Institut 
ein  für  allemal  eine  Matrikelgebühr  von  5  fl.  ö.  W.  an  die  Institutscasse  zu 
entrichten.  Bei  einjähriger  oder  längerer  Abwesenheit  von  dem  Institute 
ist  sie  im  gleichen  Betrage  neuerdings  zu  erlegen.  Eine  Befreiung  hievon 
findet  nicht  statt. 

§.  20.  Jeder  ordentliche  Zuhörer  ohne  unterschied  der  Abtheilung 
und  ohne  Rücksicht  auf  die  Zahl  der  von  ihm  gewählten  Unterrichtsstunden 
hat  ein  jährliches  ünterrichtshonorar  von  50  fl.  ö.  W.  zu  bezahlen.  Das- 
selbe kann  entweder  bei  der  Aufnahme  ganz  oder  in  zwei  Raten  erlegt 
werden,  von  denen  die  erste  bei  der  Aufnahme  und  die  zweite  spätestens 
am  7.  März  zu  entrichten  ist. 


Verordnungen  f.  d.  öst.  Gymnasien  u.  Realschulen.  709 

§.  21.  Das  von  den  aurserordentlichen  Zuhörern  zu  entrichtende 
Unterrichtshcnnorar  wird  in  der  Weise  bemessen,  dass  für  jede  Lehrstunde 
in  der  Woche  per  Semester  1  fl.  50  kr.  ö.  W.  zu  erlegen  sind,  wobei  je 
zwei  Uebungs-  oder  Zeichnungsstunden  als  eine  gerechnet  werden. 

§.  22.  Die  auf  serordentlichen  Vorlesungen  der  Professoren,  die  der 
Privatdocenten  und  der  vom  Staate  nicht  besoldeten  Lehrer  sind  in  dem  von 
denselben  festgesetzten  Betrage  besonders  zu  honorieren. 

§.  23.  Bei  nachgewiesener  Mittellosigkeit  und  gutem  Foi*tgange 
können  Zuhörer  von  den  in  den  §§.  20  und  21  festgesetzten  Grebühren  ganz 
oder  zur  Hälfte  beheit  werden.  Die  Entscheidung  über  die  Befreiung  steht 
über  Vorschlag  des  ProfessorencoUegiums  der  Si&tthalterei  zu. 

§.  24.  Auf  Grund  der  im  Laufe  und  nach  Ermessen  der  Lehrenden 
auch  am  Ende  des  Schuljahres  abzuhaltenden  mündlichen  und  schriftlichen 
Prüfungen ,  sowie  der  durch  Hausarbeiten  u.  s.  w.  dargelegten  Leistungen 
des  Zuhörers  wird  bestimmt,  mit  welchem  Erfolg  er  die  Studien  in  den 
einzelnen  Lehrgegenständen  zurückgelegt  hat.  —  Die  Entscheidung,  ob  ein 
Zuhörer  mit  Bücksicht  auf  seine  Gesammtleistung  zum  Vorrücken  in  den 
höheren  Jahrgang  befähigt  sei,  steht  dem  Abtheilungscollegium  (§.  50, 
Z.  3)  zu.  —  Hat  ein  Zuhörer  in  einzelnen  Lehrgegenständen  nicht  genügt, 
so  hat  er  bei  Beginn  des  nächsten  Studienjahres  und  zwar  längs&ns  bis 
7.  October  nach  Erlag  des  Taxbetrages  von  5  fl.  ö.  W.  durch  eine  Prüfung 
seine  genügenden  Kenntnisse  nachzuweisen.  Unterlässt  er  dies  oder  ist  da^ 
Ergebnis  der  Prüfung  nicht  entsprechend,  so  kann  ihm  das  Vorrücken  nur 
dann  gestattet  werden,  wenn  der  ungenügende  Erfolg  nicht  Gegenstände 
betrifft,  deren  Kenntnis  für  ein  erfolgreiches  Studium  d^  Hauptföcher  des 
folgenden  Jahrgangs  unerlässlich  ist.  Auch  darf  sich  in  diesem  Falle  das 
weitere  Studium  nur  auf  jene  Lehrgegenstände  erstrecken,  welche  die  mit 
ungenügendem  Erfolg  gehörten  nicht  nothwendig  voraussetzen.  —  Für  den 
üebertritt  aus  der  allgemeinen  Abtheilung  in  eine  Fachschule  wird  jedoch 
«in  mindestens  genügender  Erfolg  in  sämmtlichen  lehrplanmäi^igen  Gegen- 
ständen der  allgemeinen  Abtheilung  erfordert.  —  Zuhörern,  welche  zur 
Wiederholung  eines  Jahrganges  verhalten  werden,  ist  es  gestattet,  einzelne 
Lehrgegenstände  des  folgenden  Jahrganges  der  betreffenden  Abtheilung  zu 
besuchen,  für  welche  sie  die  nothwendigen  Vorkenntnisse  auszuweisen  ver- 
mögen. —  Die  Wiederholung  eines  mit  ungenügendem  Erfolge  gehörten 
Gegenstandes,  sowie  die  Wiäerholung  eines  Jahrganges  ist  nur  einmal 
gestattet. 

§.  25.  Jedem  ordentlichen  Zuhörer  wird  am  Schlüsse  des  Schuljahres 
ein  Zeugnis  ausgefertigt,  welches  den  Besuch,  die  Verwendung  während 
des  Curses  und,  auf  Grund  seiner  Gesammtleistung,  den  Erfolg  in  den 
obligaten  Lehrfächern ,  so  wie  das  Verhalten  desselben  bescheinigt.  —  In 
gleicher  Weise,  jedoch  für  jeden  einzelnen  Gegenstand  ausgefertigte  Fort- 
gangszeugnisse werden  den  ordentlichen  Zuhörern  in  Bezug  auf  nicht  obli- 
gate Lehrfächer,  sowie  den  aufserordentlichen  Zuhörern  ertheilt.  —  Der 
Erfolg  wird  durch  die  Noten :  ^vorzüglich ,  gut ,  genügend ,  ungenügend* 
ausgedrückt  Das  Verhalten  wird  mit  den  Noten:  „den  akademischen  Ge- 
setzen vollkommen  gemäfs,  gemäfs,  und  minder  gemäTB**  bezeichnet.  — 
Frequentationszeugnisse,  welche  blofs  den  Besuch  der  Vorlesungen  bescheini- 
gen, werden  ordentlichen  Zuhörern  nur  für  den  Besuch  nicht  obligater 
Lehrgegenstände  ausgefertigt. 

§.  26.  Das  Autgeben  des  Besuches  einzelner  Vorlesungen  ist  bei  den 
betreffenden  Professoren,  der  Austritt  aus  der  Lehranstalt  während  des 
Studienjahres  aber  bei  dem  Bector  zu  melden. 

§.  27.  Als  Gäste  können  zu  den  Vorlesungen  über  einzelne  Gegen- 
stände mit  Bewilligung  des  betreffenden  Professors  Männer  zugelassen 
werden,  welche  rtiäsicntlich  ihrer  Stellung  und  sonstigen  Eigenschaften 
zu  der  Erwartung  berechtigen,  dass  durch  ihre  Zulassung  die  Zwecke  des 
Unterrichtes  nicht  beeinträchtigt  werden.  —  Gäste  sind  von  dem  Nachweise 
ihrer  Vorkenntnisse  entbunden.  Oeffentliche  Zeugnisse  werden  den  Gästen 
nicht  ausgestellt. 


710  Vorordnunj^Pii  f.  «1.  ost.  (lymiiftsit^n  u.  Rt»ftlso1iuIen. 

IIL  Von  den  strengen  Prüfungen  zur  Erlangang  eines  Diploms. 

§.  28.  Durch  die  strengen  Prüfungen  soll  die  Befähigung  des  Can- 
didaten  für  seinen  Beruf  erwiesen  werden.  Sie  haben  den  Nachweis  «u 
liefern,  dass  der  Candidat  die  vollständige  Kenntnis  aller  Prüfungsgegen- 
st&nde  (§.  35)  in  theoretischer  und  praktischer  Beziehung  und  zwar  in 
jenem  Umfange  besitze,  in  welchem  dieselben  an  der  betreffenden  Fach- 
schule gelehrt  werden.  —  üeber  die  bestandene  Prüfung  wird  ein  Diplom 
ausgefertigt. 

§.  §9.  Zur  Vornahme  der  strengen  Prüfungen  wird  für  jede  der  vier 
Fachschulen  eine  besondere  Prüfungscommission  gebildet,  welche  aus  den 
ordentlichen  Professoren  jener  Gegenstände,  über  welche  sich  die  Prüfung 
erstreckt,  und  aus  Fachmännern  besteht,  welche  das  Ministerium  zu  diesem 
Behufe  ernennt.  —  Die  Leitung  der  Prüfungen,  sowie  den  Vorsitz  in  den 
Prüfungscomniissionen  übernehmen  die  Vorstände  der  betreffenden  Fach- 
schulen. —  Die  Prüfungen  selbst  werden  am  k.  k.  polytechnischen  Institute 
abgehalten.  —  Die  näheren  Einrichtungen  werden  durch  eine  besondere 
Instruction  geregelt. 

§.  30.  Wer  zur  strengen  Prüfung  zugelassen  werden  will,  hat  die 
mit  mindestens  genügendem  Erfolge  zurückgelegten  Studien  der  sämmt- 
lichen  in  dem  Lehrplane  der  betreffenden  Fachschule  aufgenommenen  Gegen- 
stände, femer  der  Nationalökonomie,  des  Handels-  und  Wechselrechtes 
und  der  Buchhaltung  nachzuweisen. 

§.  31.  Für  die  Ablegung  der  strengen  Prüfungen  ist  eine  Taxe  zu 
entrichten,  welche  unter  die  Mitglieder  der  Prüfungscommission  gleich- 
mäfsig  vertheilt  wird.  —  Der  Vorstand  der  Prüfungscommission  bezieht 
nebst  seinem  Antheile  als  Prüfender  noch  eine  gleiche  Quote  als  Vor- 
sitzender. —  Die  Taxe  beträgt  in  den  Fachschulen  für  Strafben-  und  Wasser- 
bau, Hochbau  und  Maschinenbau  für  beide  Prüfnngsabtheilungen  (§.  32) 
zusammen  150  fl.;  in  jener  für  technische  Chemie  ^  fl.  ö.  W.  —  Die  für 
eine  Prüfung,  beziehungsweise  Prüfungsabtheilung,  enl fallende  Taxe  ist  im 
vorhinein  zu  erlegen.  —  Befreiungen  von  dieser  Taxe  finden  nicht  statt.  — 
Die  Kosten  der  Ausfertigung  des  Diploms  und  die  Stempelgebühren  sind 
von  dem  Empfanger  zu  oestreiten. 

§.  32.  Die  strengen  Prüfungen  fttr  Straften-  und  Wasserbau,  Hochbau 
und  Maschinenbau  zerfallen  in  zwei  Abtheilungen.  Jede  derselben,  ebenso  die 
strenge  Prüfung  für  Chemie,  ist  schriftlich  und  mündlich  abzulegen.  Die 
schriftliche  Prüfung  besteht  in  einer  Clausurarbeit,  wobei  die  Benützung  von 
Büchern  und  Schriften  mit  Ausnahme  von  Tafeln  nicht  gestattet  ist.  -  Als 
Grundlage  zur  Beurtheilung  für  die  praktische  Befähigung  der  Candidaten 
aus  dem  Strafsen-  und  Wasserbau,  dem  Hochbau  und  Maschinenbau  dienen 
die  in  dem  letzten  Jahrgange  der  betreffenden  Fachschule  ausgearbeiteten 
Entwürfe,  so  wie  ein  gröfseres  Prüfungselaborat  nach  einem  gegebenen 
Programme.  —  Die  DipToniswerber  für  technische  Chemie  haben  vor  der 
Zulassung  zur  strengen  Prüfung  die  Anfertigung  von  mindestens  zwei  Prä- 
paraten nachzuweisen  und  sich  noch  der  Ldsung  einer  gröfseren  praktischen 
Aufgabe  zu  unterziehen.  Für  letztere,  sowie  für  die  Ausarbeitung  der  oben 
erwähnten  gröfseren  Prüfungselaborate  wird  eine  bestimmte  Frist  fest- 
gesetzt —  Die  Prüfungen  werden  in  der  Zeit  vom  1.  November  bis  Ende 
Juni,  und  zwar  die  mündlichen  öffentlich  abgehalten. 

§.  33.  Zur  zweiten  Abtheilung  der  strengen  Prüfung  (§.  32)  kann 
der  Prüfungswerber  nur  zugelassen  werden,  wenn  er  die  erste  Abtheilung 
der  betreffenden  Prüfung  mit  genügendem  Erfolge  bastanden  hat  und  die 
im  §.  32  bezeichneten  Entwürfe  und  Prüfungselaborate  mindestens  für 
genügend  befunden  worden  sind.  —  Zwischen  beiden  Prüfungsabtheilungen 
hat  in  der  Regel  ein  Zeitraum  von  drei  Monaten  zu  verfÜel'sen.  Diese  Frist 
kann  jedoch  auf  Ansuchen  des  Candidaten  über  Beschluss  der  Prufunffs- 
commission  abgekürzt  worden,  wenn  derselbe  bei  der  ersten  Abtheilung  die 
Stimmen  aller  Prüfenden  für  sich  hatte. 

§.  34.  Bei  ungenügendem  Erfolge  kann  eine  Prüfung  oder  Prüfung»- 


Verordnungen  f.  d.  Ost.  (»ynmasien  u.  Realschulen.  711 

abtheilung  wiederholt  werden.  Die  Wiederholung  ist  nur  einmal  und  nicht 
▼er  Ablauf  jener  Frist  gestattet,  welche  die  PrüfungscommisBion  im  ein- 
zelnen Falle  ausspricht.  —  Die  für  die  Prüfung  oder  Prüfungsabtheüxmg 
entfallende  Taxe  ist  abermals  zu  erlegen. 

§.  85.  Die  Gegenstände,  auf  welche  sich  die  strengen  Prüfungen,  und 
zwar  in  dem  an  der  betreffenden  Fachschule  gelehrten  Umfiange  erstrecken, 
sind  folgende: 

I.  Für  Straföen-  und  Wasserbau: 

1.  Abtheilung:  Mathematik,  darstellende  Geometrie,  technische  Physik, 

Mechanik,  allgemeine  Maschinenkunde,  Geologie. 

2.  Abtheilung:  Praktische  Geometrie  und  höhere Geodssie,  Baumechanik, 

Hochbau,  ßtrafsen-  und  Wasserbau. 

IL  Für  Hochbau: 

1.  Abtheilung:  Mathematik,  darstellende  Geometrie,  technische  Physik, 

Mechanik,  allgemeine  Maschinenkunde,  Gesteinslehre. 

2.  Abtheilung:  Praktische  Geometrie,  Baumechanik,  Hochbau,  Geschichte 

der  Baukunst,  Strafen-  und  Wasserbau. 
IIL  Für  Maschinenbau: 

1.  Abtheilung:  Mathematik,  darstellende  Geometrie,  technische  Physik, 

Mechanik,  praktische  Geometrie. 

2.  Abtheilung:  Allgemeine  Bauknnde,  Maschinenlehre,  Maschinenbau  und 

mechanische  Technologie. 

IV.  Für  technische  Chemie: 

Mineralogie,  Botanik  und  Zoologie,  allgemeine  und  technische  Physik, 
allgemeine  Maschinenkunde,  Chemie,  chemische  Technologie  u.  Warenkunde. 

§.  36.  Unter  Beobachtung  der  Bestimmungen  der  §g.  30  und  31  ist 
es  gestattet,  sich  der  strengen  Prüfung  für  mehrere  Fachschulen  zu  unter- 
ziehen. In  diesem  Falle  kann  bei  einer  folgenden  Prüfung  über  Beschloss 
der  betreffenden  Prüfungscommission  eine  Dispens  bezüglich  jener  Gegen- 
stände eintreten,  auf  welche  sich  die  bereits  bestandene  Prüfung  erstreckte. 

IV.  Von  der  Leitung  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes. 

§.  37.  Die  Leitung  des  Institutes  ist  dem  ProfessorencoUegium  über- 
tragen, an  dessen  Spitze  der  Rector  steht. 

§.  38.  Der  Rector  wird  auf  die  Dauer  eines  Jahres  von  dem  Pro- 
fessorencoUegium aus  den  ordentlichen  Professoren  des  Institutes  mittelst 
Stimmzettel  gewählt.  Der  abtretende  Rector  ist  erst  nach  Ablauf  zweier  Jahre 
wieder  wählbar.  Die  Wahl  wird  dem  Ministerium  zur  Bestätigung  vorgelegt. 

§.  89.  Der  Rector  vertritt  nach  aui^en  das  Institut  in  aJlen  seinen 
Beziehungen.  Er  führt  in  den  Sitzungen  des  ProfessorencoUegiums  den 
Vorsitz  und  leitet  dieselben  nach  der  Geschäftsordnung.  Er  vollzieht  die 
Beschlüsse  des  Collcgiums  und  macht  über  die  Art  des  Vollzuges  in  der 
nächsten  Sitzung  die  Mittheilung.  Findet  der  Rector,  dass  gegen  einen 
Beschluss  des  ProfessorencoUegiums  gegründete  Bedenken  obwalten,  so  kann 
er  die  Ausführung  desselben  sistieren  und  hat  sodann  den  bezüglichen 
Gegenstand  in  der  nächsten  Sitzung  des  Collegiuras  zur  nochmaligen  Be- 
rathung  zu  bringen.  Im  Falle  abermaliger  Meinungsverschiedenheit  ist  der 
Gegenstand  durch  das  Protocoll  dem  Ministerium  zur  Entscheidung  vor- 
zulegen. —  Geschäftsstücke,  welche  nur  der  Anwendung  bestehender  Vor- 
schriften in  unzweifelhafter  Weise  bedürfen  oder  bei  denen  Gefahr  im  Ver- 
zuge ist,  erledigt  der  Rector  und  berichtet  darüber  dem  Professorencol- 
legium  in  der  nächsten  Sitzung  aus  dem  Geschäftsprotooolle.  Er  gibt  die 
einzelnen  Fälle  bekannt,  in  welchen  die  liehrenden  ihre  Vorträge  zu  halten 
verhindert  waren,  sowie,  ob  und  welche  Vertretungen  stattfanden.  In  Ver- 
hinderungsfällen wird  der  Rector  von  seinem  Vorgänger  im  Amte  (Pro- 
rector)  vertreten. 

§.  40.  Der  Rector  bezieht  eine  Functionszulage  von  1000  fl.  ö.  W. 
Kr  ist  der  Vorstand  der  Institutskanzlei  und  hat  als  solcher  einen  Seoret&r 
und  das  nöthige  Kanzleipersonale. 

§.  41.  Das  ProfessorencoUegium  besteht  aus  den  wirklichen  ordent- 


712  Verordnungen  f.  d.  («t.  Gymnasien  u.  Kealscbnlen. 

liehen  und  aurserordentlichen  Professoren  des  Institutes  und  zwei  oder 
einem  gewählten  Vertreter  der  an  demselben  lehrenden  Frivatdocenten ,  je 
nachdem  die  Anzahl  derselben  die  Zahl  fünf  überschreitet  oder  nicht 
Letztere  haben  nur  berathende  Stimme.  —  Die  Vertreter  der  Frivatdocenten 
werden  von  denselben  aus  ihrer  Mitte  auf  die  Dauer  eines  Jahres  gewählt 
nnd  sind  dem  Ministerium  zur  Bestätigung  anzuzeigen.  —  Wähll^  sind 
nur  jene,  welche  mindestens  zwei  Semester  hindurch  am  Inatitute  gelehrt 
haben.  —  Honorierte  Docenten  werden  den  Sitzungen  des  Professorencol- 
legiums  in  solchen  Fällen  beigezogen,  in  welchen  es  sich  um  den  Ton  ihnen 
vorgetragenen  Lehrgc^enstand  handelt.  In  dieser  Angelegenheit  steht  ihnen 
eine  entscheidende  Stmime  zu.  —  Professoren  der  Sprachen ,  Lehrer  und 
Supplenten  sind  nicht  Mitdieder  des  ProfessorencoUegiums. 

§.  42.  Die  Sitzungen  des  ProfessorencoUegiums  werden  vom  Rector  nach 
seinem  Ermessen  oder  auf  Verlangen  von  mindestens  einem  Drittheile  des 
CoUegiums  einberufen.  —  Zur  Gilti^keit  eines  Beschlusses  ist  die  Anwesen- 
heit von  mindestens  zwei  Drittheilen  der  Mitglieder  des  Frofessorencol- 
legiums  und  die  absolute  Majorität  der  anwesenden  Stimmberechtigten  er- 
forderlich. —  Keinem  Mitgliede  ist  es  gestattet,  sich  der  Abgabe  der  Stimme 
SU  enthalten. 

§.  43.  Das  ProfessorencoUeffium  ist  für  den  Zustand  des  polytech- 
nischen Institutes  in  wissenschattlicher,  disciplinärer  und  oekonomischer 
Hinsicht  verantwortlich.  —  Alle  Angelegenheiten,  welche  nicht  ausdrück- 
lich dem  Bector,  den  Vorständen  oder  den  Abtheilungscollegien  zugewiesen 
sind,  gehören  in  den  Wirkungskreis  des  ProfessorencoUegiums.  Insbesondere 
bat  dasselbe  darauf  zu  achten,  dass  sämmtliche  Lehrfächer  genügend  ver* 
treten  seien.  Die  Besetzung  erledigter  Lehrstellen  erfolgt  durch  Berufung 
oder  Bewerbung  und  das  Frofessorencollegium  hat  in  älen  Fällen  sowol 
über  den  einzuschlagenden  Weg,  als  rücisichtlich  der  Personen  den  Vor- 
schlag zu  erstatten.  Letzteres  gilt  auch  rücksichtlich  der  Besetzung  der 
Posten  des  Bibliotheks-,  Kanzlei-  und  Hauspersonales.  —  In  Fällen  läneer 
andauernder  Verhinderung  eines  Lehrers  oder  der  Erledigung  einer  Lenr- 
kanzel  hat  das  Professorencollegium,  vorbehaltlich  der  Genehmigung  des 
Ministeriums,  provisorische  Vorkehrungen  für  den  Unterricht  zu  treffen.  Fer- 
ner liegt  es  dem  Professorencollegiuni  ob,  die  Lehrpläne  festzustellen  und 
dafür  zu  sorgen,  dass  sie  stets  den  Bedürfnissen  des  Unterrichtes  entsprechen. 

§.  44.  Sämmtliche  Professoren,  Lehrer,  Docenten,  Supplenten,  Ad- 
juncten  und  Assistenten  haben  in  einer  gegen  das  Ende  eines  jeden  Schul- 
jahres von  dem  Rector  einzuberufenden  allgemeinen  Versammlung  zu  er- 
scheinen. In  dieser  Versammlung  sind  die  Wünsche  und  Anträge  der  Gegen- 
wärtigen in  Betreff  des  Unterrichts  und  der  Disciplin  vorzubringen  und  zu 
besprechen.  Das  Protocoll  dieser  Versammlung  ist  sofort  mit  dem  Berichte 
des  ProfessorencoUegiums  an  das  Ministerium  einzusenden. 

§.  45.  Auf  Grund  der  am  Schlüsse  des  Studienjahres  von  den 
AbtheilungscoUegien  abgefassten  Berichte  über  die  Ergebnisse  des  Jahres 
(§.  50)  und  mit  Rücksicht  auf  die  in  der  Versammlung  des  gesammt^n 
Lehrkörpers  (§.  44)  geäusserten  Wünsche  und  Anträge  erstattet  das  Pro- 
fessorencollegium  aUjährlich  einen  Bericht  über  den  Zustand  des  Instituts, 
welchen  der  Rector  sammt  den  Berichten  der  Abtheilungscollegien  dem 
Ministerium  einbegleitend  vorgelegt. 

§.  46.  Die  einzelnen  Abtheilungen  des  Institutes  werden  zunächst  von 
den  Abtheilungscollegien  geleitet.  Ständige  MitgUeder  dieser  CoUegien  sind 
die  Professoren,  honorierten  Docenten  und  Lehrer  der  obUgaten  ünterrichts- 
gegenstände  der  betreffenden  AbtheUung;  ferner  Jene  Frivatdocenten  der 
obligaten  Lehrfacher,  welchen  die  Berechtigung,  staatsgUtige  Zeugnisse  aus- 
zusteUen,  zuerkannt  worden  ist.  Alle  anderen  Frivatdocenten  obligater  und 
nichtobUgater,  in  die  betreffende  AbtheUung  einschlagender  Disciplinen 
sind  wohl  Mitglieder  der  Abtheilungscollegien,  aber  nur  mit  berathcnder 
Stimme.  —-  Auf  Verlangen  auch  nur  eines  Mitgliedes  können  den  Berathun- 
gen  för  einzelne  Fälle  auch  andere  Mitglieder  des  Lehrkörpers  beigezogen 
werden. 


Verordnimgen  f.  d.  ösi  Gymnasien  o.  Realschulen.  718 

§.  47.  Die  ständigen  Mitglieder  jedes  AbtheilangscoUegiums  wählen 
einen  der  Professoren  aus  ihrer  Mitte  zum  Vorstande  auf  die  Dauer  von 
iwei  Jahren.  —  Der  Austretende  ist  wieder  wählbar.  Nur  dieser  kann  die 
Wahl  ohne  Angabe  der  Gründe  ablehnen;  jedes  andere  Mitglied  hat  die 
Gründe  der  Ablehnung  anzugeben,  über  deren  Zulässigkeit  die  Wählenden 
ohne  Debatte  abstimmen.  Fällt  die  Abstimmung  gegen  den  Ablehnenden 
aus,  so  kann  er  Berufung  an  das  ProfessorencoTlegium  einlegen,  welches 
über  die  Zulassung  der  Ablehnung  endgiltig  cntsche.det.  —  Der  Rector 
kann  nicht  zugleich  Vorstand  einer  Abtheilung  sein.  —  Die  Wahlen  der 
Bämmtlichen  Vorstände  sind  dem  M.nisterium  zur  Genehmigung  vorzulegen. 

§.  48.  Die  Vorstände  der  Abtheilungen  haben  a)  die  ZweckmäTsig- 
keit  des  gesammten  Unterrichts  in  der  Abtheilung,  sowie  die  IStudien,  den 
Bildungsgang  und  die  disciplinäre  Haltung  der  Zuhörer  zu  überwachen  und 
diesen  mit  ihrem  Rathe  beizustehen  und  d)  dem  Professorencollegium  die 
Berichte  über  die  Beschlüsse  der  Abtheilungscollegien  zu  eistatU^n. 

^.  49.  Das  Verhältnis  der  Abtheilungscollegien  zu  ihren  Vorständen 
ist  in  Betreff  der  Geschäftsordnung  dasselbe,  Wie  jenes  des  Professoren- 
collegiums  zu  dem  Rector.  —  Auch  hat  für  die  Verhandlungen  der  Ab- 
theilungscollegien die  Geschäftsordnunff  des  Professorencollegiums  ihre  An- 
wendung. —  Die  Sitzungen  werden  von  dem  Vorstande  nach  seinem  Ermessen 
oder  auf  Verlangen  von  mindestens  zwei  ständigen  Mitgliedern  einberufen. 

§.  50.  Dem  Abtheilungscollegium  liegt  es  ob: 

1.  die  Gesuche  ordentlicher  Zuhörer  um  Bewilligung  zur  Befolgung 
eines  selbstgewählten  SStndienplanes  (§.  16)  oder  um  Dispensation  von  ein- 
zelnen obligaten  Lehrfächern  endgiltig  zu  erledigen; 

2.  in  zweifelhaften  Fällen  über  die  Aufnahme  der  Zuhörer  zu  entscheiden  ; 

3.  über  das  Vorrücken  der  ordentlichen  Zuhöier  zu  beschliefsen ; 

4.  mit  Scbluss  des  Schuljahres  einen  Bericht  zu  erstatten  über  die 
Ergebnisse  dieses  Jahres,  sowohl  in  Betreff  des  Foitganges  als  der  Disciplin 
der  Zuhörer; 

5.  Anträge  zu  dem  Programme  und  Stunden  plane  des  nächsten 
Studienjahres,  sowie  über  die  vorzunehmenden  Ezcursionen  zu  stellen,  und 

6.  etwaige  Vorschläge  über  Aenderungen  im  Unterrichte  zu  machen. 
Zur  Berathung  solcher  Vorschläge  ist  insbesondere  gegen  das  Ende 

des  Schuljahres  eine  Sitzung  abzuhalten  und  zwar  mit  Beiziehung  ausser 
dem  Institute  stehender  Fachmänner,  welche  von  dem  Ministerium  zu  diesem 
Behufe  bezeichnet  weiden  und  denen  das  Recht,  Anträge  zu  stellen,  und 
entscheidende  Stimme  zusteht. 

§.  51.  Die  Abtheilungscollegien  sind  berechtiget,  so  weit  es  ohne 
Beeinträchtigung  der  Beruiepflicht  der  Professoren  geschehen  kann,  auf 
Verlangen  unentgeltliche  Gutachten  abzugeben.  —  Die  fcitzungsprotocoHe 
der  leh] amtlichen  Conferenzin,  sowohl  des  Professorencollegiums,  als  der 
Abtheilungscollegien,  sind  dem  Staatsministerium  zur  Einsicht  vorzulegen. 

V.  Von  den  Lehrkräften. 

S.  ß2.  Für  den  Unterricht  in  den  im  §.  3  aufgeführten  Lehrgegen- 
ständen werden  theils  ordentliche,  theils  aufseroidentliche  Professoren, 
honorierte  Docentin  und  Lehrer  bestellt. 

8.  53.  Svstemisierte  Lehrkanzeln  bestehen  fftr  folgende  Gegenstände : 
a)  zwei  ordentliche  Lehrkanzeln  für  Mathematik;  b)  eine  ordentl.  Lehrk. 
f.  darstellende  Geometrie;  c)  eine  o.  L.  f.  Zoologie  und  Botanik;  d)  eine 
0.  L.  f.  Mineralogie  und  Geologie;  e)  eine  ord.  und  eine  aufserord.  L.  f. 
Physik;  f)  eine  o.  L.  f.  Chemie;  g)  zwei  o.  L.  f.  chemische  Technologie; 
h)  zwei  0.  L.  f.  technische  und  analytische  Mechanik,  Maschinenlehre  und 
allgem.  Maschinenkunde;  i)  eine  o.  L.  f.  Maschinenbau;  k)  eine  o.  L.  f. 
mechanische  Technologie;  1)  zwei  o.  L.  f.  praktische  Geometrie,  höhere 
Geodesie  und  spluerische  Astronomie;  m)  drei  o.  L.  f.  allgem.  Bankunde, 
Hochbau  und  Architektur,  Bauordnung  und  Amtsmanipulation;  n)  zwei  o. 
L.  f  Strafsen-,  Wasser-,  Brücken-  und  Eisenbahnbau;  o)  eine  o.  L.  f.  Land- 
und  Forstwirthscbaftslebre;  p)  zwei  o.  L.  f.  Nationalcskonomie  und  Statistik, 
Handelt-,  Wechsel*  und  Beerecht,  VerOMBOiigs-  nod  Verwaltongtlehre ; 

Z«iuelirlll  f.  d.  ftturr.  OyvB.  1865.  IX.  Ben.  48 


714  Verordniingen  t  d.  ösi  Gymnasieii  u.  Beftlfcholen. 

q)  eine  o.  L.  f.  allgem.  und  österr.  Geschichte.  —  Es  bleibt  vorbcbalten, 
oie  Zahl  der  systemisierten  Lehrkanzeln  io  nach  Bedürfnis  zu  vermehren. 

§.  54.  Der  Unterricht  über  Baumechanik,  Terrainlehre,  Warenkunde, 
Geschichte  der  Baukunst,  Geschichte  der  inductiven  Wissenschaften,  deutsche 
Literatur,  Aesthetik,  Buchhaltung,  technisches  und  Freihandzeichnen,  Orna- 
mentik und  Ornamentenzeichnen  wird  entweder  von  Professoren^  des  Li- 
sütutes  oder  Docenten  gegen  Bemuneration  besorgt,  wenn  nicht  mit  Rück- 
sicht auf  die  verfligbaren  liChrkräfte  oder  bei  zulässiger  Verbindung  ver- 
wandter Gegenstände  die  Ernennung  eines  ordentlichen  oder  aufserordent- 
liohen  Professors  zweckdienlicher  erscheint.  —  Für  das  Landschaftszeichnen, 
Modellieren,  dann  fUr  die  englische,  französische  und  italienische  Sprache,  so- 
wie für  die  Stenographie  werden  Lehrer  mit  Gehalt  oder  Bemuneration  bestellt. 

§.  55.  Die  ordentlichen  Professoren  haben  den  Rang  der  siebenten 
Di&tenclasse  gleich  den  Universitätsprofessoren  und  beziehen  abgesehen  von 
den  bei  Berufungsfällen  im  Wege  des  Uebereinkommens  etwa  festgesetzten 
Bedingungen  den  systemisierten  Gehalt  von  2500  fl.  mit  dem  Vorrückungs- 
rechte  in  3000  iL  und  Sbi)0  fl.  nach  zehn-,  beziehungsweise  zwanzigjähriger 
am  k.  k.  polytechnischen  Institute  oder  einer  demselben  gleichgestellten 
Lehranstalt  in  obiger  Eigenschaft  zufi;ebrachter  Dienstzeit  und  ein  Quartier- 

Seld  von  400  fl.  ö.  W.  Die  aufserordentlichen  Professoren  haben  den  Bang 
er  achten  Diätenclasse  und  beziehen  einen  Gehalt  von  1500  fl.  und  ein 
Quartiergeld  von  300  fl.  ö.  W. 

§.  56.  Die  Lehrenden  haben  die  Verpflichtung:  a)  den  ihnen  oblie- 
genden Unterricht  in  dem  Umfange  eines  von  dem  Professorencollegiura 
angenommenen  Programmes  in  den  festgesetzten  Stunden  zu  ertheilen ;  jede 
Verhinderung  ist  dem  Rector  anzuzeigen;  b)  sich  fortwährend  sowohl  von 
dem  Besuche  als  von  der  Verwendung  ihrer  Zuhörer  durch  die  geeigneten 
Mittel  Kenntnis  zu  verschaffen  und  nach  Mafsgabe  derselben  die  im  §.  24 
vorgesehene  Beurtheilung  auszusprechen;  c)  bei  den  strengen  Prüfungen 
als  Mitglieder  der  Prüfungscommission  thätig  zu  sein  (§.  2&). 

§.  57.  Die  Excursionen  bilden  einen  Theil  des  Unterrichtes.  Der 
betreffende  Professor  l^t  durch  das  Abtheilungscollegium  (§.  50,  Z.  5) 
hierüber,  sowie  über  die  Anzahl  und  Dauer  derselben  seine  Anträge  dem 
ProfessorenooUegium  zur  Genehmigung  vor.  —  Die  excurrierenden  Professo- 
ren haben  unter  einander  das  nöthige  Einvernehmen  zu  pflegen.  —  Ex- 
cursionen, welche  mit  Unterrichtsstunden  coUidieren,  können  nur  ausnahms- 
weise bewilligt  werden.  —  Den  Professoren  und  Adjunclen  gebühren  bei 
Excursionen  Diäten  und  Wagengelder  nach  den  allgemeinen  hiefür  gelten- 
den Bestimmungen.  Zur  Vergütung  der  sonst  aullaufenden  Kosten  und 
Entschädigung  des  betreffenden  Assistenten,  falls  er  an  der  Excursion  Theil 
zu  nehmen  hat,  werden  Pauschalbeträge  ausgeworfen. 

§.  58.  Der  Lehrkanzel  für  Maschinenbau  werden  zwei,  jener  für  Chemie 
ein  Adjunct  zugewiesen.  Die  Adjuncten  werden  auf  Vorschlag  des  Professo- 
rencollegiums  vom  Ministerium  ernannt  und  beeidiget,  stehen  in  der  neunten 
Diätenclasse  und  beziehen  einen  Gehalt  von  1200  fl.  mit  einem  Quartier- 
gelde  von  200  fl.  ö.  W. 

§.  59.  Für  jede  der  im  §.  53  unter  a,  c,  d,  e,  g  bis  n  aufgezählten 
19  Lehrkanzeln,  sowie  für  das  technische  und  d^ks  Omamentenzeichnen 
werden  je  ein,  für  die  Lehrkanzeln  der  darstellenden  Geometrie  und  der 
Chemie  je  zwei  Assistenten  bestellt  —  Die  Assistenten  werden  auf  Antrag 
des  Professors  vom  ProfessorencoUegium  ernannt  und  dem  Ministerium  zur 
Bestätigung  angezeigt.  Bei  entsprechender  Verwendung  kann  eine  Ver- 
längerung der  Anstellung  auf  weitere  zwei  Jahre,  in  besonderen  Fällen 
auch  auf  das  fünfte  und  sechste  Jahr  eintreten.  Sie  beziehen  600  fl.  Ge- 
halt und  ein  Quartiergeld  von  100  fl.  ö.  W. 

§.  60.  Die  Bewerber  um  Adiuncten-  und  AssistentensteUen  müssen 
sich  mit  einem  Diplome  der  einschlägigen  strengen  Prüfung  oder  eines 
Poctorates  ausweisen.  Die  Adjuncten  und  Assihtenten  haben  zum  Behufe 
der  Förderung  des  Unterrichtes  den  Professor  in  seinem  Wirken  lu' unter- 
stützen, nöthigenüJls  zu  vertreten  und  allen  seinen  hierauf  beiüglichen 
Anordnungen  nachzukonunen. 


Yerordnungen  f.  d.  dst.  Gymnasien  u.  Realschulen.  715 

§.  6L  Ettckßichtlich  der  Privatdocenten  gelten  die  Bestimmungen 
der  Unteirichtsministerialerlässe  vom  19.  Uecember  1848  (Ergänzungsband 
lum  K.  G.  ßl.,  Z.  37)  und  vom  13.  Juli  1860  (ß.  G.  Bl,  Z.  335)  mit  der 
MaTsgabe,  dass  behufs  der  Habilitierung  das  Doctorsdiplom  durch  das 
Diplom  über  die  bestandene  strenge  Prütung  der  einschlägigen  Fachschule 
ersetzt  werden  kann.  Jeder  Privatdocent ,  welcher  durch  vier  auf  einander 
folgende  Seroester  am  k.  k.  polytechnischen  Institute  keine  Vorlesungen 
hält,  wird  seines  Lehrbefugnisses  verlustig  und  muss  sich,  wenn  er  wieder 
als  Privatdocent  aufzutreten  wünscht,  einem  neuen  Habilitationsacte  unter- 
ziehen, von  welchem  zu  dispensieren  nur  dem  Ministerium  zusteht. 

VI.  Lehrmittelsammlungen,  Laboratorien  und  Bibliothek. 
§.  62.  Zum  Zwecke  des  Unterrichtes  bestehen  am  k.  k.  polytechni- 
schen Institute  folgende  Lehrmittelsammlungen  und  Anstalten  mit  den 
nebenstehend  ausgesetzten  jährlichen  Dotationen:  1.  die  Sammlung  für 
darstellende  Geometrie  250  fl.,  2.  die  Samml.  für  Zoologie  und  Botanik 
450  fl.,  3.  d.  S.  f.  Mineralogie  und  Geologie  450  il.,  4.  d.  S.  f.  Warenkunde 
150  fl.,  5.  d.  S.  f.  Maschinenlehre  8U0  fl.,  6.  d.  S.  f.  Maschinenbau  1500  fl., 
7.  d.  S.  f.  mechanische  Technologie  1500  fl.,  8.  d.  S.  f.  praktische  Geo- 
metrie 400  fl.  und  für  die  gröfseren  praktischen  Vermessungen  ein  Pau- 
schalbetrag von  200  fl.,  9.  d.  S.  f.  den  Hochbdu  800  fl.,  10.  d.  S.  f.  den 
StraTsen-  und  Wasserbau  800  fl.,  11.  d.  S.  f.  die  Landwirthschaftslehre 
400  fl.,  12.  d.  S.  f.  das  technische  Zeichnen  200  fl.,  13.  d.  S.  f.  das  Orna- 
mentenzeichnen 200  fl.,  14.  d.  S.  f.  das  Landscbaftszeichnen  100  fl.,  15.  das 
physikiiiische  Cabinet  sammt  Laboratorium  1000  fl.,  16.  das  Laboratorium 
für  allgemeine  und  analytische  Chemie  1250  fl.,  17.  zwei  Laboratorien  für 
chemisctie  Technologie,  jedes  mit  der  Dotation  von  1000  fl.,  18.  das  Obser- 
vatorium mit  der  Sammlung  für  höhere  Geodäsie  und  sphärische  Astronomie 
400  fl.,  19.  die  Modellierwei  kstätte  mit  der  Modellensammlung  250  fl.  ö.  W, 
§.  63.  Die  in  dem  vorhergehenden  Paragraphe  angeführten  Samm- 
lungen und  Laboratorien  stehen  unter  der  Leitung  und  Verwaltung  der 
betreffenden  Professoren  als  Vorstände  derselben.  —  Jeder  Vorstand  ist 
dafür  verantwortlich,  daas  die  ihm  anvertraute  Lehrmittelsammlung  mit 
Rücksicht  auf  die  aasgeworfene  Dotation  stets  in  einem  ihrer  Aufgabe  ent- 
sprechenden Zustande  erhalten  werde.  Die  Vorstände  haben; 

1.  Genaue  Inventarien  über  die  Gegenstände  der  Sammlungen  zu  führen; 

2.  sich  bei  Anschaffungen  innerhalb  der  Grenzen  der  Dotation  zu  halten; 
3. die  Verwendung  der  letzteren  alljährlich  auszuweisen; 

4.  zur  Vermeidung  der  Anschaffung  von  unnöthigen  Doubletten  das 
gegenseitige  Einvernehmen  zu  pflegen. 

Die  Sammlungen  werden  an  einem  Tage  der  Woche  den  Studieren- 
den geöffnet. 

§.  64.  Das  den  Lehrkanzeln  beigegebene  Personale  wird  auch  für 
die  Arbeiten  in  den  betreffenden  Sammlungen  verwendet.  —  Aufserdem 
sind  der  Lehrmittelsammlung  für  mechanische  Technologie  ein  Adjunct, 
ein  Eanzlist  uud  ein  Au&eher,  jener  für  Maschinenbau  ein  Mechaniker, 
femer  dem  Laboratorium  für  Chemie  ein  Präparator  und  den  beiden 
Laboratorien  für  chemische  Technologie  je  ein  Laborant  zugewiesen.  —  Die 
Bezüge  dieses  Personales  sind  folgende:  Adjunct  des  technischen  Cabineta 
945  fl.  Gehalt,  126  fl.  Quartiergeld;  Kanzlist  des  techn.  Cab.  420  fl.  G., 
63  fl.  Q.;  Aufseher  des  techn,  Cab.  420  fl.  G.,  63fl.  Q.;  2  Laboranten  für 
chemische  Technologie,  jeder  500  fl.  G.,  100  fl.  Q. ;  Präparator  für  die  all- 
gemeine Chemie  500  fl.  ö.  W.  G.  und  Naturalwohnung.  —  Die  Entlohnung 
des  der  Sammlung  für  Maschinenbau  zugewiesenen  Mechanikers  wird  von 
Fall  zu  Fall  bestimmt. 

J|.  65.  Die  Bibliothek  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes  liat  eine 
otation  von  5000  fl.  ö.  W.  Das  Personal  derselben  besteht  aus  einem 
Bibliothekar,  einem  Custos  und  einem  Scriptor.  —  Der  Bibliothekar  steht 
zu  dem  Institute  in  dem  Verhältnisse  des  Vorstandes  einer  Lehrmittel« 
Sammlung.  Ueber  die  zu  machenden  Anachaffunffen  entscheidet  snnächst 
im  Einvernehmen  mit  dem  Bibliothekar  ein  ans  der  Mitte  der  Professoren 

48* 


716  PersoDal*  and  Schulnotizen. 

mit  Rücksicht  anf  die  Abtheilungen  des  Institutes  in  bestellender  Biblio- 
theksaasschuss  und  im  Falle  abweichender  Meinungen  das  Professorencol- 
legium.  —  Die  Benützung  der  Bibliothek  wird  durch  besondere  Vorschriften 
geregelt.  —  Der  Bibliothekar  bezieht  1600  fl.,  der  Custos  1000  fl-,  der  Scriptor 
700  fl.  Gehalt  in  ö.  W.  mit  einem  Quartiergelde  von  löpCt.  des  Gehaltes. 
VII.  Kanzlei-  und  Hauspersonale. 
§.  66.  Das  Kanzleipersonale  besteht  aus  einem  Secretar,  einem  Cas- 
sier  und  Rechnungsführer,  einrm  Controlor,  einem  Protocollisten  und  zwei 
Kanzlisten.  —  Der  Secretar  steht  in  der  achten  Diätenclasse.  Rücksichtlich 
des  übrigen  Personales  bleiben  die  bestehenden  Bestimmungen  aufrecht.  — 
Die  Obl.egenheiten  des  Kanzleipersonales  werden  durch  eine  besondere  In- 
struction geregelt.  Die  Bezüge  desselben  sind  folgende:  Secretar  1500  fl. 
Gehalt,  Naturalwohnung;  Cassier  und  Rechnungsführer  1200  fl.  G.,  210  fl. 
Quartiergeld;  Controlor  900  fl.  G.,  157  fl.  ÖO  kr.  Q.;  Protocollist  700  fl.  G., 
126  fl  Q.;  1.  Kanzlist  600  fl.  G.,  105  fl.  Q.;  2.  Kanzlist  500  fl.  G.,  105  fl. 
ö.  W.  Q.  —  Das  Hauspersonale  besteht  aus  dem  Hausinspector ,  einem 
Kanzleidiener,  dem  Portier,  2  Bibliotheksdienem,  10  Saaldienem  für  solche 
Lehrkanzeln,  mit  welchen  Lehrmittelsammlungen  verbunden  sind,  9  Haus- 
knechten und,  nach  zeitweiligem  Erfordernis,  den  nöthigen  Aushelfem  zur 
Dienstleistung  bei  der  Bibliothek,  den  übrigen  Lehrkanzeln  und  zur  Ver- 
richtung der  Hausarbeiten.  —  Besondere  Instructionen  regeln  die  Obliegen- 
heiten des  Hauspersonales.  Die  Bezüge  desselben  sind  im  Folgenden  auf- 
geführt: Hausinspector  600  fl.  Gehalt,  Naturalwohnung;  1  Kanzleidiener 
360  fl.  G.,  Naturalw.;  1  Portier  300  fl.  G.,  Naturalw.;  6  Saaldiener,  jeder 
400  fl.  G.,  80  fl.  Quartiergeld;  4  Saaldiener,  jeder  350  fl.  G.,  70  fl.  Q.; 
2  Bibliotheksdiener  a  400  fl.  G.,  80  fl.  Q.;  5  Hausknechte,  jeder  240  fl.  G.. 
60  fl.  Q.;  4  Hausknechte,  jeder  200  fl.  G..  50  fl.  ö.  W.  Q.  —  Zwei  Saal- 
diener und  zwei  Hausknechte  wohnen  im  Institutsgeb&ude. 


Personal-  und  Schulnotizen. 

(Erledigungen,  Concurse  u.  s.  w.)  Olmütz,  k.  k.  OR,  Lehr- 
stelle für  deutsche  Sprache  als  Hauptfach,  Jahresgehalt  840  fl-  ö.  W.,  mit 
Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Tern'in:  Ende  November  L  J.,  s.  Amtsbl. 
z.  Wr.  Ztg.  vom  17.  October  1.  J.,  Nr.  238.  —  Hermannstadt,  k.  k.^ 
kathol.  Staats-G.,  Lehrstelle  f&r  Mathematik  und  Physik  (mit  deutscher 
Unterrichtssprache),  Jahresgehalt  945  fl.  ö.  W.,  mit  Vorrückungsrecbt  und 
Anspruch  auf  Decennalzulagen.  Termin:  6  Wochen  vom  12.  October  L  J. 
an,  s.  Amtsbl.  zur  Wr.  Ztg.  vom  25.  October  1.  J.,  Nr.  245.  ~  Rove- 
redo,  k.  k.  G.,  Lehrstelle  für  classische  Philologie  (mit  italienischer  Un- 
terrichtssprache), Jahresgehalt  735  fl.,  beziehungsweise  840  fl.  ö.  W.,  nebst 
Anspruch  auf  Decennalzulcgen.  Termin:  Ende  November  1.  J.,  s.  Amtsbl. 
z.  Wr.  Ztg.  V.  25.  October!  J.,  Nr.  245.  —  Prag,  Altstädter-G.,  Lehr- 
stelle für  classische  Philologie  (bei  Kenntnis  beider  Landessprachen),  Jahres- 
gehalt 945  fl.,  beziehungsweise  1050  fl.ö.  W.,  nebst  Anspruch  auf  Decennal- 
zulagen. Termin :  6  Wochen  von»  5.  October  l.  J.  an,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Zt^. 
?.  25.  October  1.  J.,  Nr.  245.  —  Pancsova  (in  der  Militärgrenz-Communi- 
tät),  k.  k.  OR.,  Lehrstelle  für  Naturgeschichte  und  deutsche  Sprache,  Jahres- 

? ehalt  C30  fl..  bezüglich  840  fl.  ö.  W.,  mit  Anspruch  auf  Decennalzulagen. 
ermin:  Ende  November  1.  J.,  s.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  v.  26.  October  L  J., 
Nr.  246.  —  West-Galizien,  k.  k.  Gymnasien:  a)  Erakau,  k.  k.  OG.. 
Iichrstelle  1.  Gehalts-Cl.  für  Latein  .und  Griechisch  (durchs  ganze  G.). 
ebend.,  UG.,  Lehrstelle  3.  Cl.  l^r  Latein  und  (Griechisch  (mit  polDischer 
Unterrichtssprache);  b)  Bochnia,  UG.,  Lehrstelle  3.  Cl.  für  Latein  und 
Griechisch  (mit  polnischer  Unterrichtssprache);  c)  Neu-Sandec,  OG., 
Lehrstelle  3.  Cl.  f.  Latein  u.  Griechisch  (mit  deutscher  u.  polnisdier  Ü.Spr.); 
d)  Tarnow,  OG.,  Lehrstelle  3.  Cl.  f.  Latein  u.  Griediisch  (mit  denticher 
u.  poln.  U.  Spr.);  e)  Rzeszow,  OG.,  Lehrstelle  für  latein  u.  Griechisch 
(mit  deutscher  u.  poln.  U.  Spr.).  Termin:  Ende  November  L  J^  ».  Amtsbl. 
a.  Wr.  Ztg.  ▼.  7.  November  l.  J.,  Nr.  255. 


(Diesem  Hefte  sind  drei  literarische  Beilagen  beli^agebeft.) 


Erste  Abtheilung. 


Abhandlungen. 

Die  herculanischen  Eollen. 

Herculanensinm  Voluminum  CoUectio  altera.  Tom.  II,  HI,  IV,  V,  1. 
(Neapel  1862-1865.) 

I. 

Seitdem  L.  Spengel  im  Philologus  (SuppL  Bd.  II ,  Heft  5)  über  die 
neue  Sammlung  herculanischer  Bollen  berichtet  hat,  ist  dem  dort  bespro- 
chenen ersten  Bande  ein  zweiter,  dritter,  vierter  nnd  das  erste  Heft  des 
fünften  gefolgt,  eine  Gesammtzahl  von  fast  siebenhundert  (665)  Columnen, 
der  eine  gleich  umfassende  Besprechung  noch  nicht  zu  Theil  geworden  ist. 
Ich  versuche  es  im  folgenden  diese  Lücke  in  beschränktem  MaTse  auszu- 
füllen. In  beschränktem  Mafse:  denn  während  Spengel  es  sehr  wohl  als 
angemessen  erachten  konnte,  das  erstorbene  Interesse  an  diesem  Literatur- 
zweige durch  reichliche  Mittheilungen  aus  den  neuerschlossenen  Schriften 
zu  beleben,  halte  ich  einen  gleichen  Vorgang  gegenwärtig  für  nichts  weniger 
als  zweckentsprechend.  Ich  bin  mit  der  Bearbeitung  dieser  Schriftenmasse 
unablässig  beschäftigt  und  ich  kann  es  nicht  über  mich  gewinnen  dort 
Unvollkommenes  oder  Unvollständiges  zu  bieten,  wo  ich  fortgesetzter  Be- 
mühung reifere  Früchte  abzugewinnen  hoffen  darf.  Und  von  meinen  Nei- 
gungen abgesehen :  ob  das  Zerpflücken  eines  der  Forschung  neu-gebotenen, 
von  Schwierigkeiten  aller  Art  strotzenden  Materials,  ob  das  Abschöpfen 
des  Anziehendsten  und  Verständlichsten  darin,  während  der  wahrhaft  er- 
schöpfenden Behandlung,  —  und  auf  diese  kommt  im  Grunde  doch  alles 
an,  —  nur  der  trübe  Bodensatz  der  allergröfsten  Schwierigkeiten  überlassen 
bleibt,  —  ob  ein  derartiges  Verfahren  der  Förderung  soldier  Studien  dien- 
lich sei  oder  nicht,  darüber  mögen  Sachkundige  und  Unbefangene  entscheiden. 

So  stehen  denn  meine  gegenwärtigen  Mittheilungen  nahezu  in  um- 
gekehrtem Verhältnis  zu  der  Ergiebigkeit  ihres  Gegenstandes.  Von  den 
hieber  gehörigen  Schriften  die  einer  zusammenhängenden  Behandlung 
mehr  oder  weniger  reiche  Ausbeute  gewähren  ist  eine  in  kritischer  Bear- 
beitung bereits  von  mir  veröffentlicht  worden  {4HXo6rifiov  ntgl  arjfii(a>v 
xal  Qr^fAfwamav) ,  eine  zweite  Publication  steht  unmittelbar  beyor  (^»Ao- 

Zottaohrift  f.  d.  ORterr.  QymBM.  1866.  X.  Heft.  49 


718  Th.  Gomperzy  Die  herculanischen  Rollen. 

«TiJ^oi'  7I€qI  svofßeitts),  für  eine  dritte  und  vierte  (desselben  nenl  noui- 

ficcTütv  E  oder  richtiger  tov  E  itav  elg  6vo  ro  B  und  m^l  ^riTOQtx/js 
[Papyr.  1674  und  1427])  sind  umfassende,  dem  Abschluss  nahe  Vorberei- 
tungen getroffen.  In  Betreff  aller  dieser  Stücke  beschränke  ich  mich  auf 
wenige  vorläufige  oder  ergänzende  Bemerkungen.  Anders  steht  es  mit  dem 
übrigen  Inhalt  dieser  Bände.  Diesen  bilden  Ueberreste,  deren  zerrütteter 
Zustand  jedes  Bemühen  um  Herstellung  eines  irgendwie  fortlaufenden  Tex- 
tes oder  um  Ermittlung  des  Gedankenzusammenhangs  entweder  als  ver- 
geblich oder,  in  Verbindung  mit  anderen  weiterhin  zu  erwähnenden  Um- 
ständen, als  verfrüht  erscheinen  lässt.  Hier  sind  reichere  Mittheilungen 
interessanter  Einzelheiten,  insbesondere  der  zahlreichen  eingestreuten  Citate, 
wohl  an  ihrem  Orte.  In  welche  Kategorie  aber  jede  der  Schriften  gehört, 
dies  soll  unsere  Durchmusterung  der  üeberbleibsel  lehren. 

1)  Columne  1  —  147  des  zweiten  Bandes  werden  von  der  oben  er- 
wähnten Schrift  4>iXdrifjLov  7T(qI  evaeßt^ag  eingenommen,  über  die  in  diesen 
Blättern  bereits  mehrfache  Mittheilungen  erfolgt  sind.  Hier  sei  nur  be- 
merkt, dass  es  mir  gelungen  ist,  ein  Facsimile  des  Oxforder  Apographum 
(im  gedruckten  Verzeichnis  Nr.  1428  „Paginae  25  incerti  auctoris*'  und 
Nr.  1077  „Paginae  5  incerti  auctoris")  zu  erlangen.  Das  letztgenannte  Stück 
enthält  zwei  bisher  unbekannte  Blätter,  das  erstere  auTser  den  zwölf  von 
Hajter  bearbeiteten  Columnen  die  von  diesem  übergangenen  Columnen  I— lü 
und  16  der  durch  die  Neapolitaner  Ausgabe  bekannt  gewordenen  Frag- 
mente. Die  sämmtlichen  facsimilierten  Blätter  werden  in  (bereits  vollen- 
deter) photo  -  lithographischer  Nachbildung  dem  nächsten  Hefte  meiner 
„herculanischen  Studien"  beigegeben  werden. 

2)  II ,  148  — 158 :   <i>cXoSiijLiov  ttcqI   noirifidTtov  J  (oder  ^  d.  h. 

vierte  Abtheilung  des  ersten  Buchs?)  Die  Benützung  des  unveröffentlichten 
Apograph.  Oxon.  Papyr.  Nr.  207  (das  Bruchstück  n  fehlt,  der  Titel  zeigt 
etwas  deutlicher  die  Zeilenzahl  2050,  die  Buchnummer  ist  nicht  erhalten) 
macht  es  mir  möglich  wenigstens  ein  paar  Einzelheiten  aus  den  arg  zer- 
störten Bruchstücken  hieher  zu  setzen,  die  wohlerhalten  unser  lebhaftes 
Interesse  beanspruchen  würden.  Muthmafsliche  Beziehungen  zu  der  Poetik 
des  Aristoteles  (oder  zu  verwandten  Schriften?  zwei  Peripatetiker :  Deme- 
trios  von  Byzanz  und  Praiiphanes  werden  in  3)  genannt)  deute  ich  kurz 
an.  Zu  Luftfahrten  im  Beiche  der  Möglichkeiten  mag  ich  den  Leser  nicht 
einladen. 

Auf  der  (sogenannten)  Oolumne  I  sind  nur  einzelne  Phrasen  lesbar 
wie:  n^^X  noi,r]iia\xoq\,  [v]»?/iil  ^^  [f*]»},  \iov\q  nodttovrag  [x]tt[l  t«c 
nQul^iig,  loyovs,  xal  nUiovlotv],  nmrra  tavx^  tig  xovg,  tSitog  iar{v,  «r- 
Tov  dudsyofiivov  [xal]  SMvrog  ayo^jjuijy].  In  CoL  2  zeigt  ein  Satz, 
dass  die  Malerei  in  den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen  ward:  noXXm' 
j(ov  vaj[eQOv]  (xkv  oQÖhnrai  yQatpal  [joi]ovt(ov,  ttl  «Ti  roTg  tow  — 

Col.  3  enthält  ein  anziehendes,  für  mich  nicht  lösbares  Räthsel  in 
den  Worten:  —  rijg  i[m]aTfJijirfg ,  Sw  xal  Age  {IIq€  in  O  am  Ende  der 


Th.  Gomperz,  Die  herculaniscben  Rollen.  719 

Zeile)  yovo[^]  ov  [x]uTuxQvao[vg]  ttvd-Q[a)]n[ovg  i]n[6]ria(v ,  i7ti/€iQTJ[a]ai 
xivng  yQtt(fmv  i$av&[Q](ü7T[{C](t'V  Trjv  jQctytodyav].  —  Welcher  Bildhauer 
das  kostbarste  Material  den  Göttern  vorbehalten  und  nicht  au  die  Dar- 
stellung von  Menschen  wenden  wollte,  ist  mir  unbekannt');  geht  y^afftav 
auf  denselben,  so  war  es  zugleich  ein  Kunstschriftsteller,  der  überhaupt 
auf  strenge  Sonderung  des  Göttlichen  und  Menschlichen  drang  und  gegen 
jene  bürgerliche  Auffassung  des  Mythischen  und  Heroischen  eiferte,  wie 
sie  vornehmlich  durch  Euripides  auf  der  griechischen  Bühne  heimisch  ward. 
Das  folgende:  tt^v[v]aTov —  [t]o  yag  tj  [A^|]f*  xal  rotg  7iQit[y]fi[aaiv]  — 
[x]aTaUl7ieiv  ist  mir  unverstandlich.  Ein  Gegner  hatte  der  Tragoedie  (und 
dem  Epos?)  als  Darstellungen  göttlicher  und  heroischer  Handlungen  Ko- 
moedie  und  Jamben  entgegengesetzt:  (Col.  4)  €iv^Q[io7T]ix(ü[T]iQag  ^[(>]/[/]- 
lol^ov  [t€  xa\]  liQiaxo^{ttvri\v  \jjfu(ifA]TJad^(u  7r^a^f*[f],  —  wogegen  Philo- 
dem in  leider  verstümmelten  Worten  Einsprache  erhebt:  cJy  [6]  jukv  'Aqx(' 
lox[o\g  oi}cf*  av  juffiii^na&at,,..  (bei  Archilochos  sei  überhaupt  von  /ui/uri- 
aig  keine  Rede),  [6]  «T'  H[()]iaTO(fa[vt}]g —  tv  id  ndvra, ...  lx]aT  avjov  (?) 
IIttva[(o\vog  fJKfju^ri^ivov^  noog  rt^  fii^T  ^nog  etvat  /UiJt«  T()«y^<f/«[r]  r^v 
xoifAt^Cav  xal  t[o]vg  idfißovg  Inlg  äv  ij  [rt]T»?<r*tf.  Die  Discrepanzen  der 
beiden  Abschriften  vereiteln  jeden  weiteren  Restitutionsversuch,  am  Beginn 
der  Col.  scheint  zu  lesen  [jLii]fii^a€ü)g  i[x]T6g  taxat  xu[l  (\xHvog—.  üeber 
den  auch  von  Aristoteles  (Poet.  2  und  Polit.  1340  a,  36)  genannten  Maler 
Pauson  vgl.  Brunn,  Künstlergesch.  II  49—50. 

Col.    5:  xdv  [t]ol[g\   in[€ai,v]   xdv   %a[ig]    t{iayiü6lMg^  [(üS\ax^  ov  Trjg 

filv  xqayioS[(]ag  ro  n  d7Tttyyi[XX]€iv iv  rotg  nXXoig . . .  [i]v  i7t([ai]  t6 

fi6v[ov  dnayyyXXnv . . .  xal  ^aipiX^ategov  t6  [dn]ttyy^XX€iv.  dXld  fxrv  x[ttl 
t6]  UyHv  Tov  ri[Q\(pov  a[xl]xov  [dv\jl  rtav  TQuyixuiv  ^[;|f«]*v,  [avyx]H[a]d'(u 
yd^  Ix  ndvT[ü}v  fi^]TQa)[v  T]i)y  TQaytp^iav  .  . .  [9]Uip€vaTa&  ....  [aT£]xoi'g . . 
TJ  xttTaax€[v]j  TiaQa  zoig  (7ro[noioig] . . .  ratg  TQayto[9{tug] ....  In  alle  dem 
kann  eine  Polemik  enthalten  sein  gegen  Arist  Poet.  c.  5:  z^  ^k  ro 
fiitgov  dnlovv  ix^tv  xal  dnayyiUav  ilvai,  xairtr^  itatfiqovaiv  (vgl.  auch 
c.  24),  wie  man  im  folgenden  eine  Bekämpfung  des  aristotelischen  Aus- 
spruchs (ibid.  u.  c.  26)  wittern  kann:  «  fikv  yuQ  InonoUa  ix^i,  vndgx^^ 
TJ  %gay(fid(tfj  a  ^k  ai)r»{,  ov  ndvTU  iv  TJ  inonoUif, 

CoL  6  folgt  nämlich  nach  einigem  mir  zweifelhaftem  (rrjv  dnay" 
y\iUa]v  (og  jli6qi[ov]  jrjg  .  .  .  artxfjg  dXV  d[v]TurTQ[6](ftog):  ov^k  ndv[T]a 
iv  Tj  TQtt[y(p]6 i(jc  [a]  xal  iv  ixe^vlrf,  T]ovvavT{ov  (f*  ovx  vndQxeiv,  dlld 
xd[fjL\naXiv  dfiv&ri[^^]  oaa  mgiXa/Lißdvetv  (fvaetog  tgya  xa[l]  tvx^£  ««^ 
d-itov  xal  7iav[%\o[Sa\nC}v  Cww[r  etwa  «i'riji'  a]  ov  Svva&*  rj  T^ay^[cf/]a 
[/rpl^y  i[7i*  6]Xiy[ov] . . . ,  wobei  ich  freilich  bemerken  muss,  dass  ich  oben 
[a]  geschrieben  habe,  wo  in  AT  eine  Lücke  und  in  meiner  Abschrift  von  O 
ein  T  nebst  leerem  Raum  für  einen  Buchstaben  zu  sehen  ist. 


*)  Man  wird  wol  ^p«[Tcf]va»'of  ergänzen  müssen,  bisher  freilich  weder 
als  Künstler-  noch  aucn  sonst  als  Personenname  nachgewiesen.  Die 
Zeichen  der  zwei  Abschriften  wenigstens  gestatten  kaum  an  Anti- 
gonos  zu  denken,  den  pergamenischen  Bildhauer  der  nach  Plinius 
(34,  84)  ^Volumina  condidit  de  sua  arte.^ 

49* 


720  Th,  Oompere,  Die  herciilanischen  Bollen. 

Völlig  unergiebig  ist  Col.  7:  ^^r^«  .  .  .  axtifdara  .  .  .  fiiTQa  [rw] 
i-yQÖiv  xal  ^rjQtJV  n.  dgl.  xal  i^a/n&Qtp  xal  navrl  tii[rq](fi  XQ**ih^v[ri  xa]ui 
tov  TovTov  koyov  xa(T[oi]  atXrj(fvla  ^(lonotav  [ti]x6Tü}g  ttv  vofiiCoiTO  .  . . 
ittvriji  ?;tW*M  •  •  •  fdtfiovf^^vrjv  . . .  xaS- '  ^r  . . . 

Col.  8:  noTioig'  f[/]  ^h*  ovx  Iv , . .  [^^J^^w^/rj  [l]yf[ry]«t,  i€y^a[&](ü 
To  HXog  ^/(iv  l[v]  (ftov^  xal  ^6<foi^,  Ind  6*  (f[ol]  Xoyot  /u^itodov/niroi, 
[t]a(ag  h  rovxotg  «ZA*  ovxl  xdv  [t]^  Ao[y]y  to  rdog  %lov[ai]  rrjg  fufirimiog 
fialXov  [5]  ^6v(p  X6y(p  6i>a  to  [</'Wy]3  xa[l  i//6]^tf  a(r[i']y«[Tor]  ilvtu 
TTQeiyfiaTa  fitfieia&ai  xal  firj  fiovov  (f(av€cg  xal  \p6(fovg  aurdfv,  ov  fir^v 
[o]i5J'  tag  nqog  rovg  Tqay(fido[n]otovg  ifa^iiv  tx^iv  rovg  [vnox'lQtxäg  xal 
nQ{6g\  rovg  l[n\onoiovg  rovg  ^ipüi^ovg,  [ovrto]  jiQog  rovg  fiiJLo7iot[ovg] 
Tovg  ^a\pto^o[vg  ^  7TQ6]g  rovg  /Lt(Xo7io[i]ovg  rovg  [avX]fiJag  xal  rovg  rp 
Xv[Q(f]  —  y  eine  Stelle  über  deren  Auslegung  sich  sehr  viel  mathm&fsen 
Heise  und  deren  Ergänzung  nicht  sicherer  sein  kann  als  unser  tastendes 
Verständnis  es  ist. 

Einen  verständlichen  Satz  wenigstens  bietet  uns  Col.  9:  xa[l]  firjv 
ovJ'  Iv  z^  Xoytp  iu[6]vov  i}  rqayt^Sia  näöav  nouTraitriv  iQyaaiaif,  aXXei 
xal  TJ  (püyyj  x^Q^V^^  ^^  [v]7roxgtTtiv  xa[l  t^J]  fi^Xei  tov  T€  avXfiT[ov 
xal]  TOV  Ix]o[qi]xov  (?)  7roXXtt[xi]  —  wobei  man  an  Arist.  Poet.  c.  6  und 
c  26  gemahnt  wird:  ij  ydg  Trjg  TQaytp^tag  dvvafxig  xal  avfv  dym^g  xal 
vTioxQtTühf  lariv  —  und:  cfta  yuQ  tov  dvay&vtiaxHv  (pavsQa  6no(a  tk  iaT{v\ 
Vgl.  auch  c.  14  init.  Vorher  erscheinen  die  Namen  Homer's,  des  Euripi- 
des  und  Sophokles  in  einem  mir  unverständlichen  Zusammenhang. 

Col.  10  scheint  schon  in  den  ersten  Worten  von  den  lyrischen  Lei- 
stungen der  Tragiker  zu  handeln:  o[v]^€v6g  ijrrovg  fulonotav  (so  hier 
immer  geschrieben)  und  alsbald:  ^i  cfi)  ttiv  [T]Q[ayi^]d(a[v\...,aniQ  ^<^[^] 
jfo[*]w,  Tfig  a[v\Trig  itvtu  Tix^vs  ovMg  [6]fjioXoyria€i  (so  scheint  auch  CoL  9 
zu  lesen:  oi5(f'  €i  Trj'g  avrijg  iaT&  r^x^rig),  [x]aTa[y€]XdaiTai  dk  nag  dxovtür,. 
Leider  vermag  ich  in  der  folgenden  über  den  wenig  bekannten  Tragiker 
Dikaiogenes  handelnden  Stelle,  von  dem  höchst  interessanten  in  O  wohl 
erhaltenen  Schluss  abgesehen  nur  einzelne  Worte  zu  entzifferp,  doch  scheint 
über  den  Sinn  „Dikaiogenes  war  in  den  melischen  Partien  ebenso  glück- 
lich als  unglücklich  in  der  Tragoedie  selbst**  kein  Zweifel  zu  bestehen.  Ich 
sehe  sogleich  nach  dxovtov:  ^[»?]cr*  ^ttoi;^  . . .  jJilxa]to[y^v]fjv ,,,  ftkv  [ydq] 
...  \}ii\X[on]otag  [tc3]v  f{(p^  rj\fxmv  (ist  dies  richtig,  so  haben  wir  ein 
Citat  aus  einem  älteren  Schriftsteller  vor  uns) . . .  oiJ  xd[v]  raXg  tQaytfid[C]iug 
oirtug  d[va\TvxovvTaf  X^9^^  ^o*^>  *"*'  ^«[^]*?Ta*  ravTa,  IKvSaQov  fxkv 
[a\n(Q  fig  ttjv  Tqayt^Siav  ^/^^[r  7r^o(T]f ^Jlijy/[r]o*,  /tixa^o- 
yivfj[v]  «T*  faxtix[^v]tti,  T[d]  TtQog  r^r  ^l[«  t]rjg  TQ[ay]iffS[{]ag 
fieXoTiotav.  Der  Lyriker  Pindar  besafs  das  Zeug  auch  zu  einem  Tragi- 
ker, der  Tragiker  Dikaiogenes  nur  das  Talent  für  undramatische  Lyrik.  So 
schlieflsen  diese  wenig  erquicklichen  Ueberreste,  —  zugleich  mit  einem  geist- 
vollen Gedanken  und  einer  schätzenswerthen  Nachricht.  —  Weit  glück- 
licher steht  es  um 


Th.  Gomperz,  Die  herculanischen  Bollen.  7M 

3)  nnd  4)  11 ,  159—197  und  ü,  198  —  208,  zwei  Stücke,  deren 
Besprechong  sich  nicht  wohl  trennen  lässt,  ans  dem  ein&chen  Grande, 
weil  es  zwei  Exemplare  einer  und  derselben  Schrift  sind. 
4)  (nach  der  nnveröffentlichten  Oxforder  Abschrift  Papjrr.  Nr.  1538)  ent- 
halt in  ganz  verschiedener  Zeilen-  und  Columnenabtheilnng  sehr  dtbrftige 
den  Colnmnen  27  (O)  »  25  (N)  bis  zum  Schluss  entsprechende  Beste.  In 
dem  mir  vorliegenden  Facsimile  der  Oxforder  Abschrift  dieser  Donblette 
fehlt  das  Bruchstück  Col.  VII A'),  während  sie  ein  in  der  Neapolitaner  Aus- 
gabe fehlendes  der  Col.  30  (O)  entsprechendes  Stück  enthält.  Wir  verdanken 
dieser  Doublette  die  genaue  Kenntnis  des  Titels:  ^iloSri/xov  mql 
noififturtov  xov  E  rtiv  etg  Svo  lo  B,  d. h.  des  fünften  Buches  zweite 
(nnd  letzte)  Abtheilung,  während  in  3)  nur  lesbar  ist  ^iloSrifiov  m^l 
noififXKTtav  E.  AuTserdem  bietet  sie  uns  (besonders  in  der  von  mir  be- 
nützten Oxforder  Abschrift)  trotz  ihres'  trümmerhaften  Zustandes  manche 
werthvoUe  Ergänzung  einzelner  in  3)  zerstörten  oder  verderbten  Stellen, 
z.  B.  den  Schluss  der  Schrift  und  auf  der  vorletzten  Columne  eine  bereits 
aus  Plutarch  (Mor.  p.  777  C  —  949,  45  DübnerJ  bekannte,  von  Meineke 
(Add.  et  Corr.  ad  Vol.  IV,  p.  122  vor  Jacobi's  Comic,  lect.  ind.  gedruckt) 
einem  unbekannten  Komiker  zugewiesene  Phrase :  o  xal  „^gly  Gioyvtv 
yhyovivtLi,^  xaxilx^ftiVf  hier  wie  bei  Plutarch  zur  Bezeichnung  einer  faden- 
scheinigen Trivialität  verwendet  („das  brauchte  uns  nicht  erst  Theognis 
zu  lehren").  Die  Oxforder  Abschrift  von  3)  ward  bereits  vor  vierzig  Jahren 
(im  HercuU.  Voll  Oxonii  1825  11,  P.  117  sqq.)  der  Oeffentlichkeit  über- 
geben. Sie  gab  bekanntlich  Dübner  den  Anlass  zu  einem  Bestitutions- 
versuch  (Philologis  Gothae  conventum  agentibus  S.  P.  D.  Fr.  Dübner. 
Insunt  Fragmenta  Philodemi  thqI  noirj/uiarüry,  Parisiis,  Firmin  Didot  1840), 
über  den  dieser  sich  selbst  in  folgenden  bemerkenswerthen  Worten  ausspricht : 
«sperabam . . . ,  si  per  dierum  aliquot  otium . . .  sedulo  in  hoc  opusculum 
inquirerem,  me  eo  fuisse  perventurum,  ut  remm  et  argumentationis  seriem 
breviter  significatam  et  locorum  aliquammultorum  cmendationem  Vobis  simul 
Possem  offerre.  At  iis  ausis  excidi  planissime,  ingenii  culpa,  non  nego,  sed 
majore,  ni  fallor,  ipsius  rel  Librarius  enim  hujus  voluminis,  sive  potius 
(quod  mihi  est  persuasissimnm)  lithographus  Oxoniensis  (?)  suo  munere 
adeo  negligenter  functus  est,  ut  vel  in  iis  paginis,  quae  paucis  modo  lit- 
terulis  carent,  non  dico  sententias  sanas,  sed  sententiarum  simulacra  aegre 
expisceris.  Äuget  obscuritatem  Philodemi  institutum,  non  rem  ipsam  trac- 
tantis,  sed  sophistae  alicujus  (fortasse  ejusdem  quocum  in  alüs  scriptis  de 
rhetorica  certat)  et  aliorum,  velut  Peripateticorum ,  placita,  magnam  par- 
tum et  ipsa  ignota,  redarguentis.  Igitur  quum  in  argumenti  serie  dispi- 
cienda  nüllo  modo  proficerem,  ea  quaercnda  destiti,  nnaqne  valere  jussi 
conjecturarum  copiam  satis  amplam,  lusus  inanes,  nisi  continnus  * 
decnrsus  sententiarum  quae  verae  sint,  quae  falsae,  eviden- 
ter arguat."  Dübner,  von  dessen  weiser  Enthaltsamkeit  diese  Worte  ein 
glänzendes  Zeugnis  ablegen,  hat  sich  daher  darauf  beschränkt  die  Oxforder 


*)  Die  zur  angeblichen  Columne  VII  vereinigten  Stücke  A  und  B  sind 
Ueberreste  zweier  auf  einander  folgenden  Colnmnen. 


722  Th.  Gomperz,  Die  herctvXanischen  Rollen. 

Steindruck -Tafeln  durch  geschnittene  Typen  wiederzugehen  und  („ne  pa- 
gellae  hae  prorsus  nihil  de  meo  continere  cum  dedecore  deprehendantur**) 
zehn  Columnen  und  zwei  Bruchstücken  von  solchen  seine  Muthmafsnngen 
heizuschreihen.  Er  ist  auch  im  Laufe  eines  Vierteljahrhunderts  zu  dieser 
Schrift  nicht  mehr  zurückgekehrt.  Ich  selbst  habe  auf  dieser  schätzbaren 
Vorarbeit  fufsend  und  durch  die,  wie  fast  immer  minder  reichhaltige  aber 
diesmal  an  manchen  Stellen  correctere  Neapolitaner  Abschrift  unterstützt, 
dem  schwierigen  Werke  bereits  ein  nachhaltiges  Studium  gewidmet  und  will 
meinem  oben  ausgesprochenen  Grundsatze  gemäTs  mich  hier  auf  eine  Bemer- 
kung und  deren  Erweis  beschranken:  Jedes  ürtheil  über  Inhalt  oder  Form 
einer  nur  in  stückweiser  (und  darum  nothwendig,  äufserst  unsicherer)  Bearbei- 
tung bekannten  Schrift  wie  es  die  vorliegende  ist,  entbehrt  jeder  irgend 
haltbaren  Grundlage,  und  sollte  darum  (es  sei  von  wem  immer  ausge- 
sprochen) auch  jedes  Gewichts  entbehren.  Wenn  z.  B.  ein  so  einsichtsvoller 
Mann  wie  Egger  in  seiner  „Histoire  de  la  critique  chez  les  Grecs**  unter 
directer  Bezugnahme  auf  diese  Schrift  des  Philodemus  urtheilt:  „a  lire  sa 
prose  si  rüde  et  si  obscure  on  le  croirait  etranger  au  plus  vulgaire  senti- 
ment  de  la  poesie"  (P.  241),  so  wird  die  Vermuthung  gestattet  sein,  dass 
dieses  harte  ürtheil  zum  grofijen  Theil  durch  eine  Beschaflfenheit  des  Textes 
beeinflusst  ist  für  die  man  wahrlich  nicht  Philodemus  verantwortlich  machen 
kann.  Und  so  sei  es  denn  bemerkt,  dass  Ausdrücke  und  Wendungen  wie: 
voaov  iqt^VTUj  ars  iXlHnofxevoi  oktog  rijg  iwofag,  TfTQififi^vtji  Siavol(f 
antoatovy  oi^cig  av  eg^ets  Sucvoiav  u.  dgl.  mehr  auf  nachweislich  unrich- 
tigen, durch  die  unzulängliche  Beschaffenheit  der  einen  Abschrift  vielleicht 
erklärlichen  Ergänzungen  beruhen.  Gewiss,  unser  Epikureer  ist  nichts  weniger 
ab  ein  mustergiltiger  Schriftsteller,  ja  er  erinnert  in  einzelnen  Fällen  so- 
gar an  Erscheinungen,  die  der  gesammten  Profan-Literatur  fremd  sind  *) ; 
allein  er  ist  alles  in  allem  doch  um  kein  Haar  schlechter  als  Polybius*), 
dessen  Namen  man  doch  zu  nennen  pflegt  ohne  sofort  in  jene  Scheltworte 
auszubrechen,  die  man  dem  von  der  Ungunst  des  Schicksals  und  von  den 
Heilbemühungen  seiner  Kritiker  gleich  schwer  heimgesuchten  Philodemus 
nicht  ersparen  mag.  Und  damit  das  Gesagte  nicht  jedes  Beleges  ermangle, 
mag  hier  wenigstens  eine  der  Dübner'schen  zehn  Columnen  dem  Texte 
gegenübergestellt  sein,  dessen  Herstellung  sich  mir  aus  der  Benützung 
eines  vollständigeren  Apparates  ergeben  hat: 

Col.  XXIV  Dübn.  CoL  XXU  N  -  XXIV  O 

ei  fikv  li  fikv 

Tovg  ttsqI  tov  *E7i(xovqov  x]oifg  niqi  tov  *EnCxovQOV 

aMTT€Taif  o  ifXvttQit  iJJU-  i}r]/'TT€[T]o,  (f{X\vaQog  rjv, 

^  So  durch  den  Gebrauch  des  Verbums  <fi^«T^cD  (nsol  arj^BCeav  xal 
arjui(ü)af(av  Col.  XI,  Z.  7—8).  Gern  würde  ich  hier  Nauck's  brief- 
licncn  Vorschlag  annehmen  und  av  dwatrian  ändern  in  adwairiaiiy 
allein  der  Gedankenzusammenhang  thut  Einspruch  und  erlaubt  nicht 
Philodemos  von  diesem  Makel  zu  befreien. 

^  Mit  diesem  und  mit  Chrysipp  vergleicht  in  Bezu^  auf  Styl  und 
Sprache  unseren  Schriftsteller  auch  der  jüngste  und  nicht  der  mindest 
treffliche  Bearbeiter  und  Erklärer  des  Lukrezischen  Lehrgedichts, 
J.  H.  Munro  (Lucretius  II,  101,  Cambridge  1864). 


Th.  Oomperz,  Die  hercolanigchen  Bollen. 


788 


&ltoif  xai  yiyovi  xvX  ytvr- 
aeiM  (t4>)  ivTvxom  davfi' 
(pavis' il  S^  ttXkovg  ttvdg, 

OV,    TO    (f*    i%p€V^QVTO,    T«    «fi 

naQ^XitnoVy  urt  HXitTto- 
j£v  darsitov  xal  tpavXwv 

TfOlTIfiaTtÜV 

......    0/  (f^  ipv- 

aixov  dyad'ov  Ifx  noni/na' 
Ti  fAfidkv  ilvat  HyoV' 
xig  ftn€^  TouT*  Htpaaxop, 
ov6k  TfQoai&rixav  o  dcfcce- 
XriTTTov  ivijv.  ^Eyjsv- 
Sovxo  <f'  i^aXXaxrd  nnv- 
ra  vofiiCovrtg  ilvai  xal 
x^iaiv  ovx  vndqx^^'^ 
dariiofv  ijidiv  xal  (pav- 
Xa>v  xo&VTJv,  dXXd  na- 
q'  aXXoig  äXXrjV  log  r^r 
vofxifAiav  l^aXXayriv '  xa- 
&^  o  nofifia  (pvOixov  ov6kv 
uvt€  Xi^tog  ovT€  Sta' 
votj/LiaTog  wf^Xfifia  na- 
^aax€va(H.  /Ii>d  tovto  i- 
|oi  T^g  d^ezfig  iarrixoTcg  | 
vnoxHvrai  axoTtot. 


w]f  xal  [y]iyov€  xal  yivri- 
a[c]TM  [7rQo]'£6vT(ü[v  a]vfi' 
(f[av]ig'€l  (f*  ttXX[ov]g  rtvdg, 

i[xe]lVOt  TO  iLi[kv]   ijillf^fi;- 

o[y,  t]o  <f*  i^€v&[ovT]o,  T«  <fi 
7iaQ^X]Hno[v,  n]a[Q]^XH7rof4, 
fikv  oXtog  T[dg]  iv[v]oiag 
ttav  dariCiav  xal  (fjavXtov 
noififArdTtav  xal  noiri- 
Tc5v],  ijXi^&ltvav]  ^k  yv- 
ai[x]6v  dya&ov  l(x  novijbia' 
T&  firiSkv  elvai  X[f\yoV' 
Te[g]f  ttniQ  rovr*  ttpaaxov 
ov6h  nQ\oa49"nxttv  ddut- 

XriTtTOV   [0V^]^V  '  l^€V' 

SovTo  dh  aa[9-Q\d  rd  ndv- 
la  [ifo\fi(^o[vT]ig  f?ra[i  x\al 
xQt[aiv\  ovx  vndQX([iv  xwv 
dOT^Ctav  inthf  xal  [(pav^ 
Xiov  xo&vijv  dXXd  na" 
Q*  aXXotg  aXXijv  tog  ttjv  (?) 
vOfiifAiav.  (l  yaQ  <T>ot  xa- 
&6  norifia  (pvaixov  ov6lv 
ovTi  Xi^€to[g]  ovTt  J[«a- 
vo]ijfiaTog  mpiXuifia  [na- 
Q]aaxivaZH,  Sid  rovt*  [H- 
oi]  jijg  uQST^g  kaxr^xoxig  \ 
vnoxHvrair,  ix[Hv\oi  — 


Ist  es  mislich  über  die  Form  einer  so  nnyolliommen  gekannten  Schrift 
zu  urtheilen,  welchen  Werth  können  wir  einem  auf  gleicher  Grundlage 
beruhenden  Urtheil  über  den  Gehalt  derselben  beimessen,  über  den  Ge- 
dankengehalt eines  arg  zerrütteten  philosophischen  Werkes,  dessen  Ver- 
ständnis sich  nur  der  hingehendsten  Bemühung  und  auch  dieser  vielleicht 
niemals  vollständig  erschlicfsen  kann?  Ein  solches  Urtheil  begegnet  uns 
bei  Brandis  (Entwickelungen  der  griechischen  Philosophie  II,  52),  der 
die  Abhandlung  mQl  noirifjidTtov  dadurch  charakterisiert,  dass  er  sie  eine 
Schrift  nennt,  die  ihren  Gegenstand  ^lediglich  vom  Standpuncte  der  epiku- 
reischen Ethik  betrachtet**  („dem  Inhalt  nach  sind  erheblicher**,  so  fahrt 
B.  fort,  „die  Bruchstücke  aus  dem  Werke  über  die  Tugenden  und  Laster"). 
Unmöglich  kann  der  ehrwürdige  Veteran  der  antiken  Geistesgeschichte  mit 
diesen  Worten  nichts  anderes  sagen  wollen,  als  dass  die  »sthetische  Ab- 
handlung eines  Epikureers  nichts  enthalte  was  der  epikureischen  Ethik 
widerstreitet.  Denn  dies  wäre  wahrlich  nicht  ein  Tadel,  wie  er  beabsichtigt 
scheint,  aber  freilich  auch  kein  Lob,  sondern  etwas  so  völlig  selbstver- 
ständliches, dass  es  gewiss  niemand  für  charakteristisch  halten  könnte. 
Sollen  aber  seine  Worte  mehr  besagen,  sollen  sie  besagen  dass  moralische 


7E4  Th,  Chmperg,  Die  herculanischen  Rollen. 

Betrachtungen  in  dieser  Schrift  die  Stelle  einnehmen,  welche  den  spedfisch- 
ästhetischen  zukonnnt  (man  denke  an  die  moralisierenden  Knnst-Theorien 
des  vorigen  Jahrhunderts),  so  dass  aus  derselben  für  die  Erkenntnis  der 
bisher  völlig  unbekannten  Aesthetik  der  epikureischen 
Schule  (&st  nur  dem  Namen  nach  kennen  wir  MriJQoSvtqov  m^l  no^firw) 
nichts  zu  gewinnen  wäre,  —  dann  sei  mir  mit  all  der  Ehrerbietung, 
die  einem  Forscher  wie  Brandis^)  gebührt,  zu  bemerken  gestattet,  dass 
eine  grundlosere  Behauptung  niemals  ausgesprochen  worden  ist  An  einer 
der  besterhaltenen  Stellen  unserer  Schrift  wird  eine  Definition  poetischer 
Vortreffliohkeit  mit  dem  Bedeuten  abgelehnt,  dass  dieselbe  dasspecifisch- 
Poetische^  nicht  hinreichend  betone  und  den  Dichter  von  dem  Sitten- 
schilderer  nicht  scharf  genug  unterscheide:  —  oS  fikv  oiofjitvoi  rov  h 
Tois  fxvd'Otg  xal  raig  älla^g  r^&oTtoUavg  Ttnv  t^  X^^h  7ia^nlriaCm[g\ 
^xXcifin6\vTa  ttotjttjv  ttQtaroy  ilvai  l([yov\ai  fih  ta[tD]g  aXri&^g  ri,  tov 
<f^    norjTTJv   TOV   ayad-ov   ov  6i>OQ(^ovat  •  xul    yuQ   fi^fioyqaipov    xal   nQi- 


*)  Derselbe  beklagt  den  Verlust  aller  Schriften  der  älteren  Epikureer: 
„Im  übrigen  erhalten  wir  nur  ein  dürres  Namensverzeicnnis  der 
einander  folgenden  Schulhäupter :  Hermachus,  Polystratus,  Dionysius, 

Basilides Allerdings  ist  uns  mit  den  Schriften  dieser  Manner 

die  Kenntnis  der  Art  verloren  gegangen  wie  sie  angreifend  und  ver- 
theidigend  gegen  ältere  und  neuere  philosophische  Theorien  sich 
verhielten ;  doch  ist  der  Verlust  nicht  hoch  anzuschlagen  wenn  ihre 
Polemik  nicht  eine  eindringlichere  war  als  die  des  Kolotes,  soweit 
Plutarch  uns  Kunde  davon  gibt"  (a.  a.  0.  S.  51).  Diese  Klacre  und 
der  ihr  nacheilende  Trost  würden  wol  ein  wenig  anders  lauten, 
hätte  Brandis  gewusst,  dass  eine,  zum  Theil  prächtig  erhaltene, 
Schrift  des  Poljstratos  (des  Schülers  oder  Enkelschülers  £pikur*s, 
des  Nachfolgers  Hermarch's  im  Schulamte)  in  ganz  ertraglicher 
Bearbeitung  uns  bereits  seit  33  Jahren  vorliegt.  (fioXvaTQarov  n€Qi 
ttloyov  xartt(f>gov^(n(og,  ol  <f'  i7ii,yQ«(Lovai>v  nQog  rovg  Äkoymg  xm«- 
&Qaavvouivovg  T(av  Iv  Totg  noXXoTg  oo^aCo/Li^i'ojv  Herculanens.  Vo- 
lumm.  Tom.  IV,  Neapel  1832.)  Man  mag  über  diese,  von  dem  Hauch 
jueendfrischer  Begeisterung  durchwehte,  Schrift  denken  wie  man 
wiU,  man  mag,  gleich  mir,  dieselbe  mit  ihrer  tief  eindringenden  Po- 
lemik gegen  den  Qmismus,  mit  ihrer,  ich  meine,  siegreichen  Be- 
kämpfung ethischer  Ansichten  die  das  ganze  Alterthum  beherrschen 
(ich  denke  an  die  Auffassung  der  Begriffe  wuch  und  yotc^,  den 
Gegensatz  des  Natürlichen  und  Conventionellen)  sehr  hocn  halten 
oder  nicht,  —  niemand  der  sie  kennt  wird  sie  einfach  als  nicht- 
vorhanden betrachten.  Warum  ich  dies  erwähne?  Nicht  aus  Splitter- 
richterei,  sondern  weil  es  nöthig  schien  darauf  hinzuweisen,  dass 
auch  die  übrigen  Urtheile,  die  der  berühmte  Geschichtschreiber  über 
diese  Literaturgattung  fällt,  dass  vor  allem  seine  Klagen  über  die 
traurigste  „Popularphilosophie",  über  die  Verkommenheit  eines  Zeit- 
alters in  dem  „man  fast  ein  Tausend  solcher  Schriften  aufspeicherte*" 
(a.  a.  0.  S.  51  und  54)  u.  s.  w.  keineswegs  von  jener  umfassenden 
Sachkenntnis  getragen  sind,  die  ihnen  Beachtung  sichern  müsste. 

•)  Auch  der  Ausdruck  ist  Philodem  nicht  fremd.  Vgl.  Ol  27  iV=29  O: 
rj  ^^  avvd-iaig  Xi^ftw  ivnQytig  xal  f^qnxixwg  r^r  vnoTCTayfi^Vfjv 
Stavoittv  [a]rifMaCvovam'  xoi[v\ri  [la]Tt.  xal  Xoyov  navrog  dQetijg  xal 
TOtg  oXoilg  oMt  naq^tfumixal  rcvog  iöCov  xfav  ti^qI  Tfon^- 
fiaiog  aQirtiv  xu\  ^fiXiara  Trjg  (Tvvx^^a[€]tog,  (Hier  beginnt  ein 
neuer  Satz,  in  dem  statt  Dübner's  äfia  noth wendig  zu  schreiben  ist 
«[fl^or,  nämlich  der  Gegner.) 


Th,  Chmperz,  Die  herculanischen  Rollen.  7t6 

Tttlk6y]ov   [ttUr\   Ol    awyqaif.itog   aqnriv   av  ng ')  TavTt}V  (CJol.  JX 

iV  —  XI  O).  Und  wenn  irgend  etwas  in  dem  vielfach  verschlungenen  Ge- 
dankengang dieser  Schrift  sonnenhell  hervortritt  und  für  jeden  weiteren 
Erklärungs-  und  Restitutionsversuch  den  unerschütterlich  sicheren  Aus- 
gangspunct  (gleichsam  die  kritische  Operations  -  Basis)  hilden  kann ,  so 
ist  es  ehen  das  Gewicht,  welches  auf  das  specifisch-künstlerische  und  ästhe- 
tische gelegt  wird  im  Gegensatz  zu  der  Nützlichkeits- Theorie  eines  Geg- 
ners, bei  der  man  nicht  umhin  kann  an  die  Lehren  der  Stoiker  und  des 
Grammatikers  Krates  von  Pergamum  (vgl.  C.  Wachsmuth,  De  Gratete 
Blallota  p.  21—22)  so  wie  an  deren  praktische  Bethätigung  durch  die 
didaktische  Poesie  der  Alexandriner  zu  denken.  Um  aber  dies  zu  erhärten, 
sei  es  mir  erlaubt,  den  Gedankengang  der  ersten  Columnen  dieser  Schrift 
in  freier  aber  wahrlich  nicht  willkürlicher  Darstellung  möglichst  gedrängt 
zusammenzufassen : 

Schon  in  den  ersten  Zeilen  der  ersten  Columne  {Nl  —  03  ■)  finden 
wir  Philodem  in  lebhafter  und,  wie  es  seine^  Art  ist,  nicht  eben  rücksichts- 
voller Polemik  mit  einem  Gegner  begriffen.  Dieser  entpuppt  sich  alsbald 
als  der  Vertreter  einer  jBsthetischen  Richtung ,  die  wir  heutzutage  halb  als 
Gehalts-Aesthetik  und  halb  als  Realismus  bezeichnen  würden.  Das  Wesen 
der  Poesie  (so  scheint  er  etwa  zu  sagen)  ist  die  wirksame  Darstellung  des 
Wirklichen;  diese  schaffe  zugleich  Nutzen  und  Genuss,  und  beides  zu  er- 
zielen sei  die  Aufgabe  der  Dichtkunst.  Die  Naturwahrheit  sei  das  Haupt- 
erfordemis  aller  Poesie,  und  darum  für  den  Dichter  die  Erkenntnis  der 
Natur  (sammt  ihren  Hilfsmitteln,  der  Geometrie,  Greographie,  Anatomie 
u.  s.  w.)  wichtiger  als  die  Kenntnis  aller  Feinheiten  der  Sprache. 

Dagegen  kämpft  Philodem  an:  Vor  allem  habe  die  Poesie  überhaupt 
nidit  nach  Nutzen  zu  streben  und  die  Erzielung  desselben  gewähre  durch- 
aus keinen  MaTsstab  für  die  Beurtheilung  des  Werthes  der  Dichtung  und 
des  Dichters.  Wäre  dem  so,  dann  müsste  man  ja  die  herrlichsten  Erzeugnisse 
der  vornehmsten  Dichter,  da  sie  durchaus  keinen  Nutzen,  ja,  so  viel  an 
ihnen  liegt,  den  gröfsten  Schaden  verursachen,  als  werthlos  verwerfen.  (Diese 
Folgerung  scheint  nicht  der  Gegner  aus  seiner  Definition  gezogen  zu  haben, 
sie  zieht  Philodem  und  muss  sie  ziehen  als  Epikureer,  dessen  rationeller, 
auf  Befreiung  von  Aberglauben  und  auf  Bezwingung  der  Leidenschaften 
gegründeten  Lebensansicht  ein  guter  Theil  der  antiken  Poesie,  die  home- 
rische vor  allem,  als  die  Heimat  und  Pflanzstätte  des  Mythos,  als  die  Ver- 
herrlichung und,  wie  es  Seitus  Empiricus "),  nach  dem  Vorgang  eines  Epi- 

^  (x[Xiyo]iTo? 

•)  Die  ersten  zwei  Tafeln  sind  in  O  als  Columnen,  in  N  als  Frag- 
mente, d.  h.  als  Stücke  bezeichnet  über  deren  ursprüngliche  Stel- 
lung und  Reihenfolge  die  Herausgeber  sich  jeder  Vermuthung  ent- 
halten. 

•)  Adv,  Mathemat.  I,  298  (p.  668  Bekk.):  xa&okov  t€,  oaov  inl  rotg 
ffoiriTttlg,  ovy  olov  avtotffkTjg  t^  ß^tp  alla  xal  ßlaßegündirj  (die 
Grammatik  aß  Interpretin  der  Poesie).  inmix^a/Lin  yuQ  (iv&QtjnfvüJv 

7itt&(av  ij  TTot^rjTixrj  xad-^atrjxev Ta  filv  ovv  vnd  rdiv  aXktov 

XiyofiiVii  xuTit  Tov  toTiov  xal  ^dliara  tmv  'EmxovQiCtov  IfSrl 
ToictvTtt.  Womit  auch  im  Ausdruck  seltsam  übereinstimmen  die 
oben  benützten  Worte  Philodem's  (Col.  1  iV  —  Col.  III  0);  t(  yd^ 


720  Th.  Gomperz,  Die  hercnlanischen  Bollen. 

knreen,  wie  es  scheint,  so  treffend  ausdrückt,  als  die  «feste  Bnrg'  aller 
I^eidenschaften  geradezu  wie  eine  Todfeindin  gegenüber  steht,  so  lange 
sie  nämlich  den  Anspruch  erhebt,  das  Leben  zu  bestimmen  und  zu  lei- 
ten.) Femer  stifte  die  poetische  Darstellung  des  Wirklichen  gar  nicht 
nöthwendig  Nutzen.  Endlich  bestehe  zwischen  poetisch  -  wirksamer  Dar- 
stellung auf  der  einen,  der  Naturwahrheit  auf  der  andern  Seite  keiner- 
lei innerer  Zusammenhang,  —  so  wenig,  dass  die  beiden  Dinge  in  ihrer 
höchsten  Entwickelung  sich  vielmehr  auszuschlieXton  scheinen.  Nicht  nur 
Unwahres,  eben  das  AUermärchenhafteste  sei  bei  den  Dichtem  oft  am 
wirksamsten  dargestellt,  und  —  umgekehrt  —  die  vollendete  Darstellung 
der  Wissenschaft  lasse  sich  kaum  mit  der  dichterischen  Form  vereinigen. 
(Wenigstens  «babe  noch  Niemand  in  der  Heilkunde,  in  der  Weltwebheit 
n.  s.  w.  das  Höchste  erreicht  und  seine  Lehre  zugleich  mit  dichterischem 
Schmuck  auszustatten  vermocht."  —  Ob  freilich  diese  Unvereinbarkeit  in 
der  Natur  der  Sache  ihren  Grund  habe,  darin  dass  die  wissenschaftliche 
und  die  künstlerische  Darstellung  der  physischen  und  psychischen  Phäno- 
mene grundverschiedene  Zwecke  verfolgen  und  daher  auch  völlig  verschie- 
dene Mittel  anwenden  müssen'^),  —  was  der  tiefefe Gedanke  wäre  — ,  oder 
aber  in  der  Schwäche  der  menschlichen  Natur,  der  es  kaum  gelingen  mag, 
so  verschiedenartige  Vorzüge  zu  vereinigen,  dies  wird  weder  ausdrücklich 
gesagt,  noch  lässt  es  sich,  wie  so  vieles  andere  in  unserer  Schrift,  aus 
dem  Gesagten  mit  unbedingter  Sicherheit  erschlieflsen.) 

Wien.  Th.  Gomperz. 


^et  Uy[€iv]  T«  [x«ll  ß[l]aßtiv  xall  fiiW<f[Trj]v ,  oaov  i(f*  [iavrote], 
iJji7T]oiovvTa;  —  Worte,  der6n  Schr^iDunj^  sobald  sie  ^6funden  ist 
wol  von  selbst  einleuchtet  und  gleich  so  vielem,  was  icn  im  obigen 
stillschweigend  als  ergänzt  oder  berichtijB^  voraussetze,  kaum  erst 
der  Begründung  bedan  oder  der  Vertheid^ne  gegen  Dübner*s  völlig 
abweichende  Fassung:  tC  yuQ  ^€t  U^^iv  ra  xal  ßlaßtjv  xal  /ne- 
yCajfiv  voaov  Iff'Uvra,  elnev  6  awra  |  ^ag  dlrj&^arccrov  Xoyov  *  to 
fikv  xtL  Dann  ist  nach  einer  nicht  völlig  sicher  auszufüllenden  Lücke 
ohne  Zweifel  [xajra  t6v  Xoyov  zu  schreiben,  mit  dem  folgenden  zu 
verbinden  und  der  ^^ze  Satz  als  Frage  zu  verstehen,  c^m  Sinne 
nach:  tl  Sh^  x6  xaxa  rov  Xoyov  to  fjilv  xri.  Ln  folgenden  halte  ich 
Dübner's  Svvaad-at  für  völlig  sinngemäfis,  allein  es  entzieht  sich 
jeder  möglichen  Constmction,  wenn  man  nicht  weiter  unten  mit 
diesem  das  KAI  beider  Abschriften  ändert  in  [ieT\vm.  Räthlicher 
scheint  es  mir  —  und  irgendwo  muss  geändert  werden  —  trotz  des 
NA2BAI  beider  Apograpna  etwa  [6]qaa&ai  zu  schreiben.  Wenn  ich 
noch  hinzufüge,  dass  ich  zu  Anfang  Dübner's  Lücke  ergänzen  will 
durch:  d-alvfiaaltog  or[i]  und  zum  Schluss  nach  i^tQyaaiag  stark 
interpungiere  und  zu  lesen  vorschlagen  xal  ^i)  \ä]riT[Mvt  rov  rig- 
novra  fihv  ovx  (oifeXovvra  ^k  notriTix[6]u  ukv  iiviu,  ra  [9k  n]Qayr~ 
filara  fxri  ii6]ivM,  —  so  habö  ich  die  Aulzählung  der  mir  nöthig 
scneinenden  Abweichungen  von  Dübner*s  Recension  in  Betreff  dieser 
Columne  erschöpft. 
'•)  Man  vergleiche  hierüber  die  treffenden  Bemerkungen  Alexander 
Bain's  in  döm  Schluss-Gapitd  seines  epochemachenden  Werkes  „Die 
Sinne  und  der  Geist."*  (The  Senses  snd  the  Intellect,  by  Alex.  Bain, 
2.  Aufl.  London  1864.) 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 

Die  neuesten  Textesausgaben  der  Scriptores 
historiae  Augustae. 

Seit  Salmasias  und  Grnter  ist  für  die  KaisergescMchte  der  sechs 
SchriftsteUer  Aelius  Spartianus,  Julius  Capitolinus,  Aelius  Lampridius, 
Vulcatius  Gallicanus,  Trebellius  Pollio,  Flavius  Vopiscus  Jahrhunderte  hin- 
durch wenig  geschehen.  Eine  Zusammenstellung  der  Noten  von  Casaubonus 
Salmasius  und  Gruter  enthalt  die  Ausgabe  von  C.  Schrevelius:  Historiae 
Augustae  Scriptores  VI  cum  notis  selectis  Isaacii  Casauboni,  Salmasii  et 
Jani  Gruteri  accurante  Comelio  Schrevelio.  —  Lugd.  Bat.  a.*  mdclxi. 
Einen  wesentlichen  Nutzen  f&r  die  Herstellung  des  äufserst  verdorbenen 
Textes  gewährte  darauf  die  Ausgabe  von  Obrecht,  Argentorati  mdclxxth, 
welcher  verschiedene  Stellen  sehr  glücklich  verbessert  hat.  Seit  dieser 
Zeit  hat  sich  die  Kritik  wenig  mit  den  Scriptores  beschäftigt,  lieber  den 
Werth  der  Ausgabe  von  Püttmann  Lpz.  1774  kann  ich  kein  ürtheil  aus- 
sprechen, da  es  mir  nicht  gelungen  ist,  mich  in  Besitz  eines  Exemplars 
dieser  Becension  zu  setzen,  was  ich  um  so  mehr  bedauere,  da  ihn  v.  Wie- 
tersheim,  Gesch.  d.  Völkerw.  II,  p.  9.  neben  Tillemont,  Casaubonus  zu 
den  gelehrtesten  Forschem  zählt.  Erst  in  neuerer  Zeit  ist  den  Scriptores 
gröfsere  Aufmerksamkeit  zugewendet  worden.  So  erschienen:  H.  E.  Dirksen, 
Scriptores  historiae  Aug.  —  Andeutungen  zur  Texteskritik.  Lpz.  1842. 
Bemhardy,  Scr.  h.  Aug.  HaUe  1845.  Pr.  —  Bichter,  Scr.  h.  Aug.  —  Bh. 
Mus.  N.  F.  VII.  —  Einzelne  gute  Conjecturen  finden  sich  in  der  üeber- 
setzung  der  Scriptores  von  Closs,  Stuttgart  1857.  —  Freilich  sind  nun  die  Ge- 
schichtsschreiber der  Kaiserzeit  äufserst  untergeordnete  Persönlichkeiten  ohne 
historischen  Sinn,  verworren,  unkritisch,  von  grofser  Leichtgläubigkeit,  die 
sie  selbst  die  crassesten  Widersprüche  sagen  lässt,  und  von  unglaublicher 
Unwissenheit.  Wenn  aber  auch  ihre  Kaiserbiographien  häufig  nichts  anders 
sind,  als  die  reinen  Düngergruben  romischen  Stadtklatsches  der  allergemein- 
sten  Sorte,  so  sind  sie  doch  in  vieler  Beziehung  von  der  gröfsten  Wich- 
tigkeit für  die  Geschichte  des  2.  und  3.  Jahrb.,  da  für  einzelne  Partien 
derselben  —  ich  erinnere  hier  z  B.  an  des  Julius  Capitolinns  Biographie 
des  Mark  Aurel,  an  Trebellius  Pollio  Gallieni  duo,  an  Flavius  Vopiscus 


7t8    Scri^,  hist.  August,  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  OberdieL 

Anrelian  —  wir  auf  sie  als  die  einzige  oder  wenigstens  die  Hanptquelle 
angewiesen  sind,  üeberdies  sind  diese  Biographien  angefallt  mit  Senats- 
beschlüssen, öflfentlichen  Reden,  Briefen  der  Kaiser  und  hochgestellten  Per- 
sonen und  anderen  Documenten,  deren  Authenticität  im  ganzen  unzweifelhaft 
ist,  da  unseren  Autoren  die  Staatsarchive  offen  standen.  Kurz,  trotz  der 
Verworrenheit  der  Darstellung  und  der  Unvollkommenheit  des  Stils,  durch 
den,  wie  Bemhardy  sagt,  „die  Idiotismen  des  sermo  plebeius,  incorrectc 
Formen,  falsche  Structuren  und  ein  unedler,  besonders  provincialer  Sprach- 
schatz in  die  Literatur  eingeführt  wurde,**  sind  sie  für  die  Zeiten,  welche 
sie  behandeln,  von  der  höchsten  Bedeutung.  Nun  war  bis  jetzt  die  Be- 
nützung der  Scriptores  dadurch  sehr  erschwert,  dass  der  Text  durchaus  un- 
zuverlässig war,  da  man  die  Lesarten  der  beiden  nicht  interpolierten  Codices, 
des  Bamberger  und  Palatinus,  gar  nicht,  oder  wenigstens  nur  für  einzelne 
Stellen  kannte.  Zwar  hat  Salmasius  den  letzteren  bei  seiner  Ausgabe  be- 
nutzt, aber,  wie  es  die  Sitte  jener  Zeit  war,  nur  gelegentlich  dtiert,  ohne 
eine  vollständige  Collation  desselben  zu  geben.  Auch  da,  wo  er  jene 
Handschrift  anführt,  ist  er  nicht  zuverlässig,  da  er,  wie  aus  den  neuesten 
Arbeiten  hervorgeht,  wahrscheinlich  eigene  Conjecturen  für  handschrift- 
liche Lesarten  ausgibt.  Diesem  äufserst  fühlbaren  Bedürfiüise  ist  nun  in 
jüngster  Zeit  abgeholfen,  da  in  kurzer  Frist  zwei  Ausgaben  erschienen 
sind,  welche  beide  zum  erstenmalc  den  Text  geben,  wie  er  durch  den  Pa- 
latinus und  Bamberger  cod.  beglaubigt  ist. 

1.  Scriptores  historiae  Augustae  ab  Hadriano  ad  Numeriamtm,  Henri- 
cus  Jordan  et  Franciscus  Eyssenhardt  recensuerunt,  BeroHini 
apud  Weidmannos  1864,  2  voll 

2.  Scriptores  historiae  Augustae  reeensuit  Hermannus Peter,—  Lipsiae 
in  aedibus  JB.  G,  Teubneri.  1865.  2  voll. 

I.  Was  die  erste  Ausgabe  von  Jordan  und  EyiÜsenhardt  angeht,  so 
enthält  dieselbe  in  2  Bänden  zuerst  eine  praefatio  von  Jordan  (p.  I— XXVI), 
worin  über  die  Entstehung  des  Buches  und  die  Handschriften  gehandelt  wird, 
dann  einen  index  vitarum  (p.  XXVU— XXVni) ;  darauf  die  vitae  diversorum 
principum  et  t3rranorum  ab  Divo  Hadriano  usque  ad  Numerianum,  sammt 
dem  kritischen  Apparat,  der  die  Abweichungen  des  Palat.  und  Bamb.  ood. 
enthält  und  schlieüälich  drei  indices  und  zwar  nominum,  rerum,  autorum. 
Einen  dritten  Band  stellen  die  Herausgeber  in  Aussicht  ,i  der  die  Noten 
des  Casaubonus  und  Salmasius  in  verbesserter  und  vermehrter  Crestalt  ent- 
halten solL  In  Bezug  auf  die  Entstehungsgeschichte  des  Buches  ist  fol- 
gendes von  allgemeinem  Interesse.  Bereits  war  der  Bamberger  cod.  von 
Peter  verglichen,  worüber  weiter  unten  das  nähere  gesagt  werden  soll, 
als  bekannt  wurde,  dass  A.  Xiefsling  den  Palatinus,  der  seit  dee  Salmaüos 
Zeiten  verloren  gegangen  war,  durch  einen  glücklichen  Zufttll  im  Winter 
des  Jahres  1861  in  der  vatikanischen  Bibliothek  wieder  aufgefunden  habe. 
Darauf  reiste  Jordan  nach  Rom  und  verglich  dort  an  Ort  und  Stelle  den 
lange  vermissten  Codex.  Alsdann  setzte  er  sich  mit  EyHäenhardt  in  Ver- 
bindung, der  den  Bamberger  Codex  collationiert  hatte  und  beide  zusam- 
men edierten  nun  die  Scriptores,  nachdem  sie  noch  einmal  gemeinschaftlich 
die  Bamberger  Handschrift  verglichen  hatten  und  zwar  so,  dass  Jordan 


Script.  JUsi,  August,  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdick.    729 

die  Redaction  des  ersten  Thcils,   Eyfsenhardt  die  des  zweiten  übernahm. 
In  ihren  Arbeiten  vmrden  sie  von  Mommsen  unterstützt,  der  seine   Con- 
jecturen  den  Herausgebern  mittheilte  (piaef.  XXVI).  Was  femer  die  Unter- 
sachung  über  die  Handschriften  angeht,  so  übergehe  ich  hier  vorläufig 
diese  Frage,  da  sich  die  Herausgeber  im  ganzen  auf  Peter  stützen  und 
ich  spater  darauf  zurückkommen  muss.   Ich  will  nur  mit  einigen  Worten 
über  die  Benützung  des  handschriftlichen  Materials  sprechen.   Leider  ist 
dasselbe  nicht  mit  der  Sorgfalt  benützt,  die  man  nach  den  Worten  Jor- 
dan's  über  die  Collation  der  Bam.  cod.  (p.  V)  „ut  satis  confidenter  spoii- 
deri  possit,  non  multa  de  hoc  libro  nos  fugisse"  billiger  Weiae  erwarten 
sollte.    Aus  der  Vergleichung  des  kritischen  Apparats  bei   den  Berliner 
Editoren  und  bei  Peter  ergibt  sich  nämlich,  dass  jene  viele  handschrift- 
liche Lesarten  entweder  gar  nicht  oder  falsch  notiert  haben.  Ich  verweise" 
hier  der  Kürze  halber  auf  die  Präfatio  bei  Peter  p.  30 ,  wo  jenen  nachge- 
wiesen wird,  dass  sie  allein  aus  dem  Leben  des  Hadrian  20  Abweichungen 
übergangen  und  4  falsch  mitgetheilt  haben.    Offenbar  nimmt  dieses  der 
Ausgabe  einen  grofsen  Theil  ihres  sonstigen  Werthes,  da  ja  gerade  nur 
durch  die  diplomatisch  genaue  Wiedergabe  der  handschriftlichen  Lesarten 
dem  so  fühlbaren  Mangel  eines  sicheren  Textes  abgeholfen  werden  konnte. 
Der  Text  selbst  hat  endlich  durch   einige  recht  gute  Conjecturen  bei- 
der Herausgeber  gewonnen,   wenn   sich  auch  nicht  läugnen  lässt,  dass 
vielleicht   bei  längerer  Durcharbeitung  desselben  sich  manches  anders  ge- 
staltet hätte.    Namentlich  ist  dieses  von  EyXsenhardt  zu  bemerken,  der 
häufig  ohne  Grund,  oft,  weil  der  richtige  Weg  zur  Emendation  erst  bei 
längenn  Verweilen   gefunden  wird,  theils   völlig  richtige  Stellen,  theils 
blofs  verdorbene  aus  dem  Texte  entfernt.    Jordan  verfährt  dagegen  mit 
grösserer  Umsicht  und  Besonnenheit    Daher  überrascht  es  uns  bei  dem 
letztem  ganz  besonders,  dass  er  an  mehreren  Stellen  gegen  die  ausdrück- 
liche üeberliefemng  der  Handschriften  besondere  Eigentiiümlichkeiten  im 
Sprachgebrauche  der  Scriptores  durch  Conjecturen  beseitigt.  Dahin  gehören 
Hadrian  2.  venandi  .  .  .  studiofus  statt  des   handschriftlichen  vencmdo, 
welches  schon  Peter  praef.  32.  mit  Recht  rügt;  ibid.  23.  ne  gratiaa  quidem 
statt  nee  gratias  quidem.  AeL  Ver.  3  quem  non  midtum  proharet  statt 
proharat;  ibid.   4   consiliis  defuU  mit  Monmisen   statt  consüiis  iuvii. 
Anton.  Phil.  16  quis  .  .  .  di^licebat  statt  qui  .  .  .  displicehcmt.  Commod.  9 
in  dracones  redigerentw  statt  degererentur  etc.  Auch  Eyfsenhardt  schreibt 
Maxim,  du.  12  circumventus  esset  statt  est,  womit  Hadrian  27.  zu  verglei- 
chen ist:  nee  appeUcUus  est  ditmSj  nisi  Antoninus  rogasset.   Als  eine  be- 
sondere Eigenheit  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  häufig  mit  dem   gröfsten 
Unrecht  Relativsätze  als  selbständige  Sätze  hingestellt  werden,  ohne  dan 
die  geringsten  Anzeigen  vorhanden  wären,  dass  hier  das  Relativ  zur  blofken 
Verbindung  diene.   Des  Beispiels  wegen  führe  ich  Ver.  c  7  an:  riaui  fitU 
omnibm  Syris  .  quorum  muUa  ioca  m  theatro  in  cum  dicta  exstant.  Offen- 
bar ist  doch  hier  zu  interpungieren:    risui  fuit  omnibm  Syris,  ^t^tcntm 
müUa  u.  8.  w.  —  Dieses  gilt  von  vielen  ähnlichen  Stellen.  —  Was  schlielb- 
lich  die  Ueberschriften  der  einzelnen  vitae  anlangt,  so  richten  sich  die 
Berliner  Herausgeber  genau  nach  dem  im  Palatinua  und  Bamb.  ood.  gldck- 


7S0    Script,  hist.  August,  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdidt. 

lautenden  Inhaltsverzeichnis^  obwol  dasselbe  einen  klar  am  Tage  liegenden 
Fehler  enthält.  Es  heilst  nämlich  hier :  XVIIII  iulii  Capüolim  duo  maxi- 
mini  XX  eiusdem  gordiani  tres  n.  s.  w.  bis  LI  treveUii  poUionis  daudius. 
Es  werden  also  nach  diesem  Index  dem  Jnlins  Capitolinos  die  Maximini 
dno,  Gordiani  tres,  Maximus  et  Balbinus,  Valeriani  duo,  Gallieni  duo  und 
die  Triginta  tyranni  zugeschrieben,  dem  Trebcllius  Pallio  bloiSs  die  vita 
des  Claudius.  Hiermit  stimmen  im  allgemeinen  die  Unterschriften  der  ein- 
zelnen vitae.  Am  Schlüsse  des  Maximus  undBalbinus  heifst  es:  Maximus 
»ive  Pupienus  et  Balbinus  Juli  Capitolini  explicit,  indpit  eiusdem  VäU- 
riani  duo;  ebenso  zu  Anfang  der  Gallieni:  incipit  eiusdem  Chüieni  duo.  — 
Trig.  tyr. :  incipit  eiusdem  Tyranni  triginta.  Nur  zu  Anfang  des  Claudius 
heifst  es  abweichend  vom  Index:  incipit  eiusdem  dipus  Claudius  f elidier . 
Erst  die  jüngste  Hand  hat  trevellii  pöUionis  über  eiusdem  geschrieben.  Am 
Schlüsse  dieser  Biographie  jedoch  findet  sich  die  Unterschrift:  Expilicit 
TreveUii  PoUionis  Divus  Claudius ;  incipit  Flavii  Vopisci  Syracusii  Divus 
Aurelianus.  Es  ist  nun  sehr  auffallend,  dass  die  Ueberschrift  des  Claudius 
ytindpit  eiusdem'^  u.  s.  w.  lautet  und  nicht  TreveUii  PoUionis.  Suchen  wir 
den  Grund  hierfür.  Offenbar  rühren  die  vitae  der  Valeriani  duo,  Gallieni 
duo,  triginta  tyranni  und  des  Claudius  von  einem  und  demselben  Autor. 
Am  Schlüsse  der  Valeriani  duo  (c.  3.)  heifst  es:  et  quoniam  vereor,  ne 
modum  voluminis  transeam,  si  Oäüienum,  Valeriani  ßium,  de  quo  tarn 
multus  noHs  fuit  sermo,  vel  Saloninum,  ßium  (Mlieni,  qui  et  Oal- 
henus  est  dictus,  huic  libro  adiungam,  ad  aliud  volumen  transeam.  Der 
Verfasser  der  Valeriani  will  also  die  Grallieni  in  einem  neuen  Bande  be- 
handeln. Im  letzten  Capitel  der  Gallieni  duo  sagt  derselbe  femer:  Nunc 
transeamus  ad  triginta  tyrannos  ,  qui  Ocdlieni  temporibus  contemptu  mali 
principia  exstiterufU.  Hiermit  ist  die  Einleitung  zu  den  30  Tyrannen  zu 
vergleichen:  Cum  vel  in  Valeriani  vel  in  Gdüieni  vita  pleraque  de  Ms 
dicta  nee  repetenda  tamen  scttis  constet.  Im  81.  Capitel  der  30  Tyr.  be- 
kennt sich  ebenso  der  Verfasser  zu  dem  Leben  des  Claudius:  Nunc  ad 
Claudium  principem  redeo,  de  quo  speciale  mihi  volumen  quamvis  breve 
merito  vitae  illius  videtur  edendum  addüo  fratre  singulari  viro  u.  s.  w. 
Hiermit  in  üebereinstimmung  heifst  es  endlich  im  1.  Capitel  des  Claudius: 
Ventum  est  ad  principem  Clatidium  .-.  .  .  de  quo  ego  idciro  recusare 
non  potud,  quod  alios  tumultuarios  videlicet  imperatores  ac  regulos  scrip- 
seram  eo  libro,  quem  de  triginta  tyrannis  edidi,  qui  Cleopatranam  etiam 
stirpem  Victoriamque  nunc  detinet.  Nach  diesem  Zeugnisse  des  Autors  selbst 
ist  es  unnöthig,  auf  Inhalt  und  Sprache  weiter  einzugehen,  um  auch  hieraus, 
wie  es  leicht  geschehen  kann,  nachzuweisen,  dass  die  vorliegenden  4  Volu- 
mina von  einem  Schriftsteller  herrühren.  Der  Verfesser  dieser  4  Bücher 
war  nun  nach  Flavius  Vopiscus  Aurel.  c.  2.  Trebellius  Pollio:  Et  quonicm 
sermo  nobis  de  TrebeUio  PoUione,  qui  a  duobus  Phüippis  usque  ad  divum 
Claudium  et  eiiAS  fratrem  QuintiUum  imperatores  tam  daros  quam  obscuros 
memoriae  prodidä  u.  s.  w.  Es  sind  also  die  vitae  der  Philippi  duo,  Decii  duo, 
des  Gallus  Hostilianus  und  des  Aemilius  Aemilianus,  sowie  der  Anfang  der 
Valeriani  duo  verloren  gegangen.  Hieraus  ergibt  sich  nun  auch,  v?arum 
in .  den  Handschriften  eiusdem  Valeriam  u.  s.  w.  steht;  es  sind  nämlich 


Script,  Jmt.  August,  ed,  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdick.     7S1 

die  Mhern  vitae  des  Trebellius  Pollio,  worauf  sich  jenes  eiitsdem  bezieht, 
nicht  mehr  erhalten.  Der  Index  des  Bamh.  und  Palat  ist  aber  offenbar 
erst  nach  den  Unter-  und  Aufschriften  der  vitae  angefertigt.  Darum  vin- 
diciert  Peter  mit  Recht  das  Fragment  der  Yaleriani  sowie  die  ührigen 
vitae  bis  einschliefslich  Claudius  dem  Trebellius  Pollio.  Ebenso  handelt 
Peter,  um  das  gleich  hier  zu  bemerken,  durchaus  im  Geiste  des  Flavius 
Vopiscus,  dass  er  die  vita  des  Florianus,  welche  in  den  Handschriften 
durch  die  Unterschrift  des  13.  Cap.  feliciter  explidt  Tacittis,  i^icipit  Floriantis 
als  selbständig  hingestellt  wird,  wieder  mit  Tacitus  verbunden  hat. 

Sehr  störend  beim  Gebrauche  dieser  Ausgabe  sind  die  vielen  Druck- 
fehler, von  denen  namentlich  der  2.  Theil  wimmelt.  Ich  notiere  hier  die- 
jenigen, die  mir  hesonders  aui^efiEdlen  sind:  I  p.  70,  4  etdöluisse  —  ei 
doluisse,  70,  11  manstrabit  —  monstravü.  174,  5  neeem  —  necem.  II  2,  1 
atronibtis  —  latronibiM,  9,  not.  7  Chüierd  —  Maximini,  13,  23  com- 
miUtiones  —  commüüonea.   13,  4  mx  exarsit  —  sie  exarsit  44,  11  gestis 

—  gentis,  79,  13  soüerti  -  soUertia.  ibid.  ülia  —  tot.  84,  31  tota  —  toto. 
92,  12  mereanttir  —  mereatur.  93,  not.  25  canvenietibus  —  convenieniibus, 
113,  5  vUo  —  vitio,  129,  8  Aponino  —  Apennino,  155,  9  tarnen  —  talem. 
157,  10  terore  —  terrore.  ibid,  27  trigides  —  tigrides,  166,  15  unicam 

—  unciam, 

n.  Gehen  wir  nunmehr  zu  der  zweiten  Ausgabe  tlber.  Schon  im 
Jahre  1860  hat  Peter  in  seiner  „historia  critica  scriptorum  historiae  Au- 
gustae**  das  Verhältnis  der  Handschriften  zu  einander  festgestellt  und 
damit  das  Fundament  zur  Texteskritik  geschafifen.  In  dem  Programm  des 
k.  evang.  Gymnasiums  zu  Posen  vom  J.  1863  hat  er  dann  das  in  der 
Dissertation  aufgestellte  Princip  der  Textesconstituierung  an  ungefähr 
74  Stellen  praktisch  durchgeführt.  In  diesem  Jahre  erschien  nun  seine 
Textesausgabe  in  zwei  Bänden,  welche  eine  praefatio  von  32  Seiten,  den 
Text  mit  den  Collationen  des  Bamh.,  Palat.,  der  excerpta  Palatina,  des 
Vaticanus  nr.  1899  und  der  editio  princ.  Mediolanensis  und  schliefslich 
einen  Index  nominum  et  rerum  memorahilium  enthält.  Von  den  Hand- 
schriften hat  Peter  den  cod.  Bamb.  zweimal,  die  ührigen  bei  seinem  Auf- 
enthalte in  Italien  collationiert.  Das  Verhältnis  derselben,  wie  er  es  in 
der  Dissertation  und  in  der  praefatio  entwickelt  hat,  ist  kurz  folgendes.  — 
Es  gibt  zwei  Classen  von  Handschriften,  nicht  interpolierte  und  inter- 
polierte. Aus  beiden  ist  eine  dritte  Art  entstanden,  ein  genus  mixtum, 
welches  diejenigen  Bücher  umfasst,  die  zwar  ihren  Ursprung  aus  der  ersten 
Familie  herleiten,  aber  mit  einem  Codex  der  2.  Classe  verglichen  und  nach 
demselhen  umgestaltet  sind.  In  die  erste  Classe  gehören  der  Bamb.  cod. 
und  der  Palatinus,  die  heide  aus  dem  Archetypus  ahgeschrieben  sind.  Der 
Bamb.  cod.  ist  etwa  um  ein  Jahrh.  älter ,  und  deutliche  Spuren  lassen  er- 
rathen,  dass  damals  der  Archetypus  noch  hesser  erhalten  war.  Im  Uehrigen 
aber  theilen  heide  Handschriften  im  allgemeinen  dieselben  starken  Fehler 
und  Mängel,  woraus  sich  über  die  Beschaffenheit  des  Archetypus  nähere 
Schlüsse  ziehen  lassen.  Namentlich  ist  hier  zu  erwähnen,  dass  in  der  Mitte 
des  Buches  einige  Quatemionen  verloren  gegangen  sind,  andere  aher  in 
eine  falsche  Lage  gekommen  waren,  so  dass  eine  heillose  Verwiming  des 


7S2    Script,  kist,  August,  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdiids. 

Textes  entstand,  cf.  praef.  XIII  u.  hist.  crit  29.  in  die  dritte  Classe,  das 
genas  mixtum,  gehören  die  excerpta  Palatina,  der  Cod.  Vaticanns  5301, 
der  Cod.  Ambrosianus  A.  269  und  Murbaoensis.   Dass  die  editio  princeps 
aus  dem  Cod.  Yaticanus  5301  geschöpft  sei,  weist  der  Herausgeber  p.  XDC 
der  praeü  überzeugend  nach  und  wirft  damit  die  Annahme  Jordan*8  p.  XX 
praef.  über  den  Haufen,  dass  Bonus  Accursius,  der  editor  der  ed.  pr.,  den 
Cod.  Palat.  benutzt  habe.  Zu  der  zweiten  Classe,  also  zu  den  interpolierten 
Handschriften,  gehören  der  Cod.  Yaticanus  n.  1902,  Laurentianus  plut  XX 
n.  6,  Yaticanus  n.  1898,  Laurentianus  plut  LXYI  n.  32,  Ambrosianus  C 
110,  Neapolitanus ,  Yaticanus  1899,  den  der  Herausgober  theilweise  col- 
lationiert  hat,  Yaticanus  1901,  Riccardianus,  Yaticanus  n.  1900,  Yaticanus 
1903,  Ottobonianus,  Laurentianus  plut.  LXIII  n.  31,  der  von  Casaubonus 
benutzte  cod.  Regius  und  andere.— Während  nun  die  Berliner  Herausgeber 
blofs  die  beiden  Handschriften  der  ersten  Classe  benutzt  haben,  würdigt 
Peter  auch  die  schlechten  Codices  seiner  Aufmerksamkeit  und  hat  sie  wenig- 
stens theilweise  verglichen,  um  nachzuweisen,  in  welchen  Abstufungen  der 
Text  derselben  sich  allmählich  so  gestaltet  hat,  wie  er  jetzt  vorliegt.  Sein 
ürtheil  über  diese  Handschriften  ist  folgendes  (praef.  p.  XX.):   „fallitur 
enim  qui  hosce  libros  quamquani  ad  unum  omnes  recentioris  sint  aetatis, 
ea  re  illis  praetulerit,  quod  non  sunt  corrupti  eadem  foliorum  transpositione 
qua  qui  modo  a  nobis  enumerati  sunt  (B.  P.) ;  nam  sive  haec  coUocatio 
rectior  ingenio  eins,  qui  omnium  horum  codicuni  communem  fontem  exaravit, 
debetur,  sive  descriptus  est  ille  liber  eo  tempore  ex  archetypo,  cum  folia 
nondum  erant  inter  se  commutata  aut  denuo  in  pristinum  ordinem  redacta, 
hoc  quidem  constat,  omnino  nihil  ex  eis  peti  posse  ad  ipsa  verba  melius 
constituenda"  . . .  Nun  sind  und  bleiben  auch  jene  Codices  das  Fundament 
jeglicher  Kritik  der  Scriptores,   aber  darum  liegt  gar  kein  Grund  vor, 
die  interpolierten  Handschriften  zu  vernachlässigen,  und  es  ist  die  Be- 
hauptung Peter's,  omnino  nihil  ex  iis  peti  posse  ad  ipsa  verba  melius  oon- 
stituenda,  augenscheinlich  übertrieben.  —  Zwar  lasst  sich  noch  kein  ent- 
scheidendes Urtheil  hierüber  fallen,  so  lange  keine  vollständige  Collation 
eines  dieser  codic^  vorliegt;  nur  ist  eigenthümlich ,  dass  sie  an  verschie- 
denen Stellen  die  richtige  Leseart  aufbewahren ;  so  Anton.  Phil.  12  (p.  52, 
1  Jord.)  tms,  der  Corr.  des  Palat.  statt  vineas.  Hadr.  24  init  sed  Cod. 
Beg.  Casaub.  statt  et  des  Bamb.  u.  Palat.  Maxim,  duo.  C.  1  (Z.  12  Jord.) 
vicino  Exe.  Palat.  statt  vici/ni  des  Pal.  u.  Bamb.  —  Annähernd  richtig  gibt 
der  Cod.  Beg.  Anton.  Philos.  22  statt  des  hi  äliique  des  Bamb.  u.  Palat 
(»yäliiy  wofür  Taifaii  zu  lesen  ist.  Abgesehen  jedoch  hiervon  und  um  von 
dem  Umstände,  dass  die  Transpositionen  des  Bamb.  u.  Palat  sich  in  dem- 
selben nicht  finden,  zu  schweigen,  da  ich  die  Möglichkeit  einer  glücklichen 
Conjectur  gern  zugebe,  wovon  sich  ja  auch  Andeutungen  im  Palatinus 
finden  (Jordan,  praef.  XIY.),  sind  mir  doch  besonders  zwei  Stellen  aufge- 
fallen, die  bei  der  Beurtheilung  der  interpolierten  Handschriften  nicht  un- 
schwer in's  Gewicht  fallen  dürften.   Zuerst  findet  sich  nämlich  im  Leben 
Yalerians  folgender  Passus,  der  im  Bamb.  u.  Palat.  nicht  enthalten  ist 
und  deshalb  für  eine  Interpolation  erklärt  wird:  ,jVicius  est  enim  a  Sapore 
rege  Persarum  dum  ductu  cuiusdam  mi  duds,  cui  summam  omnium  M- 


Script,  hiit  AuguM.  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdidc.     788 

Ikarum  rerum  agendarwn  coinmiserat ,  seu  fraude^  seu  adversa  fortuna 
in  ea  esset  loca  deductus,  uln  nee  vigor  nee  disciplina  militaiis  quin  ca- 
peretwr  quidquam  valere  potuit.  captus  igitur  in  ditioneni  Saporis  pei'- 
venit:  qtiem  cum  gloriosae  vktoriae  successu  minus  honorifice  quam  deceret 
9uperbo  et  elato  animo  detineret  atque  cum  Romanorum  rege  ut  vüi  et 
objecto  mancipio  loqueretur,  lUeras  ab  amicis  regibus  qui  et  ei  contra 
Vcderianum  faverant,  plerasque  missas  accepit,   quarum  seriem  JuHus 
refert.  —  In  der  Sprache  dieses  Excerptes  liegt  nun  nicht  nur  gar  kein 
Grund,  warum  wir  es  dem  Trehellius  Pollio  absprechen  sollten,  im  Gegen- 
theil  ist  der  Stil  des  Autors  hier  durchaus  nicht  zu  verkennen.   Sodann 
verrath  diese  Stelle  eine  solch'  genaue  Kenntnis  der  historischen  Verhält- 
nisse, dass  wir  sie  unmöglich  für  eine  Interpolation  des  XIV.  oder  XV. 
Jahrh.  halten  können,   (cf.  Mcijie  Beiträge  zur  Geschichte  des  römischen 
Orients.  XIV.  Bericht  der  Neisser  Philomathie  p.  56  flf.)  Es  wird  nämlich 
jener  dux,  der  den  Valerian  verrathen  hat,  nicht  mit  Namen  genannt,  aber 
so  deutlich  bezeichnet,  dass  man  ihn  leicht  errathen  kann.    Unzweifelhaft 
ist  nämlich  Macrianus   damit  gemeint.   So  heifst  es  in  dem.  Schreiben, 
welches  Valerianus  vor  seinem  Perserfeldzuge  an  den  Senat  richtete:  Ego 
P.  C.  Persicum  bellum  gerens,  Macriano  totam  rempublicam  credidi  [et] 
quidem  a  parte  müitari.  (30  Tyr.  11).  Aehnlich  bezeichnet  ihn  Dionysius 
von  Alcxandrien  bei  Euseb.  h.  eccL  VII,  10.  og  7tq6t€qov  fih  inl  ruiv 
xa^oXov  loyüxv  Xsyo/usrog  tov  ßnad^ojg  (Rationcüis  Imperatoris^  procurator 
summae  rei.  cf.  Vales.  ad  Euseb.  VIIL  p.  39.,  VII,  13)  oväk  evloyov  ov^^ 
xad^oUxov  iifQovriae.  —  So  heifst  er  auch  beim  Anonjrmus  r«  fiertt  /l(m'u 
(Müller  fgt.  bist.  gr.  min.  IV,  183):  MttxQivog  xofirjg  twv  ^rianvQijv  xal 
itfiOTtog  rj  ilyoQt}  tov  airov.   Ausdrücklich   bezüchtigt  ihn   nun  der  h. 
Dionysius  des  Verrathes  (Euseb.  VII,  10):  ohog  Sh  tJ  ßaadela  n«i)€t  rriv 
d^iav  inifAttviig  xal   tov  ßaaCknov   vnoSvrai  xoOfiov  aSwurCiv  avajtriQoj 
Tifi  0(Ofi((Ti  Tovg  <fi'o  Jtaiäag  rag  7it(T()(i)ag    dvct^e^afiivovg  dfiaQTiag  tiqo- 
san^atero.    Deutlicher  noch   und  bestimmter  spricht  derselbe  Euseb.  VII, 
23:   *ExHVog    {MnxQUtvog)    fAlv  ovv   tüjv  ttqo    kavrov    ßttaiXiüry   tov   filv 
nQoifxEvog,  Tut  dk  Invihifitvog ,  wo  nur  Valerian  und  Gallien  geraeint  sein 
können.    Dass  nun  die  Angabe  des  h.  Dionysius  durch  das  Fragment  des 
Anonymus  bei  Müller  a.  a.  0.  durchaus  nicht  entkräftet   werde,  wie  v. 
Wietersheim  Gesch.  d.  Völkerw.  IL  p.  290  meint,  habe  ich  in  meinen  Bei- 
trägen a.  a.  0.  p.  57.  hoffentlich  überzeugend  nachgewiesen.  Rührt  nun 
jenes  Eicerpt  nicht  von  Trehellius  Pollio  her,   sondern  von  einem  Ab- 
schreiber des  XIV.  oder  XV.  Jahrb.,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  der- 
selbe die  angeführten  Stellen  genau  kannte.   Dann  aber  erregt  es  billig 
unsere  höchste  Verwunderung,   dass  jener  zu  solchen  vorsichtigen  Um- 
schreibungen seine  Zuflucht  nimmt  und  nicht  statt  cuiusdam  sui  ducis 
einfach  Macriani  u.  s.  w.  geschrieben  hat.   Dieser  Umstand  aber  ist  es, 
der  einen  neuen  Beweis  dafür  liefert,  dass  jenes  Fragment  aus  der  Feder 
des  Trehellius  Pollio  herrührt.  Im  Leben  des  Saloninus  Gallienus  112  heüfet 
es  nämlich :  huc  accedit,  quod  quaedam  etiam  studiose  prattermistj  ^le  eius 
posteri  multis  rebus  editis  laederentur.  Scis  enim  ipse  guales  homines  cum 

£titichrift  f.  d.  öiterr.  Gyinn.  1865.  X.  HcfL  50 


784    Script  bist.  August,  ed.  Jordan,  Feter  etc.,  ang.  v.  Oberüet 

his,  qui  aliqua  de  vmioribua  eoruiii  scripseri^U,  quanium  gerant  bfüum.  — 
Nun  lebten  aber  zu  des  Trebellius  Pollio  Zeiten  noch  Nachkommen  des 
Macrianus  zu  Rom,  die  angesehen  und  mächtig  waren.  Unser  Schriftsteller 
selbst  war  mit  Cornelius  Macer,  einem  Abkömmling  aus  jener  Familie,  be- 
kannt und  wurde  von  demselben  zu  Schmausereien  und  Gelagen  eingeladen 
(30  Tjrr.  15).  Daher  ist  es  ganz  natürlich,  dass  er  sich  hier  so  vorsichtig 
ausdrückt  und  den  Verrath  nur  andeutet  —  In  dem  Umstände  endlich, 
dass  es  in  dem  Excerpte  heifst:  ,^quarum  seriem  Julius  refert*^,  liegt  auch 
nicht  die  geringste  Andeutung,  als  sei  hier  die  Hand  des  Interpolators  zu 
erkennen,  der  den  in  den  Unterschriften  des  Bamb.  u.  Palat.  und  in  den 
indices  fälschlich  als  den  Autor  der  Valeriani  duo  genannten  Julias  Capito- 
linus  selbst  citierto.  Wahrscheinlich  ist  hier  Julius  Atheiianus  zu  ver- 
stehen, den  Trebellius  Pollio  30  Tyr.  c.  6  als  seine  Quelle  bezeichnet,  — 
Die  zweite  hierher  gehörige  Stelle  findet  sich  Firmus  c.  5.  Hie  (Firmus) 
ergo  sumpsit  imperium  ad  defendendas  partes  quae  super erant  Zenobiae. 
Sed  Aureliano  de  Thraciis  redeurUe  superatus  est.  Merkwürdiger  Weise 
findet  sich  nun  in  der  ed.  princ.  für  Thraciis  die  Leseart  Carris.  Ist  dieses 
Conjectur  oder  die  Lesoart  eines  Codex?  Eine  Conjectur  kann  es.  unmöglich 
sein.  Im  Gegentheil  ist  jenes  Thraciis  verdächtig  und  tragt  alle  Merkmale 
einer  Conjectur  an  sich.  Flavius  Vopiscus  berichtet  nämlich  im  Leben  des 
Aureliau  c.  30.  31.  32.,  dass  der  Kaiser  nach  der  ersten  Eroberung  von 
Palm3Ta  und  der  Gefangennehmung  der  Zenobia  nach  Emisa  gezogen,  dort 
ein  Kriegsgericht  über  die  gefangenen  Palmjrener  abgehalten  habe  und 
sogleich  nach  Europa  aufgebrochen  sei,  wo  er  die  Carpen  gedemüthigt  habe. 
Da  erhielt  er  die  Kunde  von  dem  neuen  Aufistande  der  Palmyrener,  eilte 
im  Fluge  dorthin,  eroberte  und  zerstörte  die  Stadt  und  nun  heifst  es  c  32. 
Securior  denique  iterum  in  Europam  rediit  atque  illic  omnes  qui  vaga- 
bantur  Jwstes  nota  iJla  suu  virtute  contudU.  interim  res  per  Thracias  Euro- 
parnque  omnem  Aureliano  iiigentes  agente  Firmus  quidam  exstitit , . .  ad 
quem  contimio  AurclUmus  revertü  . . .  Hiemach  ist  es  nun  durchaus  nicht 
einzusehen,  wie  jemand  Firm.  c.  5  de  Thraciis,  wenn  es  handschriftliche 
Leseart  war,  in  Carris  verändern  konnte;  wol  aber  war  es  leicht  möglich, 
dass  ein  Abschreiber  Carris  für  verdorben  hielt  und  dafür  nach  AureL  32 
Thraciis  schrieb,  wie  im  ßamb.  u.  Palat.  vorliegt.  Carris  ist  nun  aber 
nicht  blofs  eine  gute  handschriftliche  Leseart,  sondern  die  einzig  richtige, 
da  sich  Thraciis  aus  historischen  Gründen  nicht  halten  lässt  Einmal  liegt 
es  in  der  Natur  der  Sache,  dass  beide  Aufstände,  der  von  Palmyra  und 
von  Firmus,  zusammenfielen.  Nachdem  nämlich  Palmyra  abermals  unter- 
jocht und  in  den  Staub  getreten  war,  wäre  es  roiner  Wahnsinn  von  Firmus 
gewesen,  wenn  er  sich  nun  noch  gegen  den  übernmchtigen  Aureli&n  erhoben 
hätte.  Zudem  heifst  es  Firm.  c.  5.  Hie  . . .  sumpsit  imperium  ad  defen- 
dendas jmries,  quae  supererant  Zenobiae  und  ebendaselbst  in  dem  Bulletin 
des  siegreichen  Kaisers:  Finnum  etiam  latrofiem  Aegyptium  barbaricis 
moiibus  aestuantem  et  foeminei  propudii  reliquuvi  coüigentem  . . .  fugavimus. 
Dieses  hat  nur  dann  Sinn,  wenn  wir  annehmen,  dass  es  von  der  Zeit  nach 
der  ersten  Eroberung  Palmyra  s  gesagt  sei;  nach  der  Zer8U)rung  und  Ver- 
niclitung  der  Stadt  auf  dem   zweiten  Zuge  Aurelians  gegen  den  Orient 


Script  hiti,  August,  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oherdidc.    785 

kann  von  einer  Partei  der  Zenobia  füglich  wol  nicht  mehr  die  Rede  sein. 
Sagt  doch  Anrelian  selbst  in  dem  Briefe  an  Cerronius  Bassus  (Anr.  31): 
tarn  satis  TcHmyrenorum  caemm  atque  concisum  est.  mülierihus  non  peper- 
eimus,  infcmtes  ocddimus,  senes  iugtdavimuSf  rusticos  interetnimus.  Fallen 
nun  aber  beide  Empörungen  in  ein  und  dieselbe  Zeit,  so  mnss  Anrelian 
unmittelbar  ans  dem  Orient  nach  Aeg3rpten  aufgebrochen  sein,  da  es  ganz 
widersinnig  gewesen  wäre,  wenn  er  erst  wieder  nach  Enropa  seinen  Marsch 
genommen  hätte,  wie  es  Aurel.  32  heiTst.  Abgesehen  hiervon  ist  es  aber 
auch  ganz  unmöglich  anzunehmen,  Anrelian  sei  abermals  nach  Thrazien 
gezogen  und  habe  dort  und  in  ganz  Europa  ungeheure  Thaten  vollbracht. 
Die  erste  Eroberung  Palmyra's  fällt  nämlich  in  den  Anfang  des  Jahres  273; 
gegen  Ende  dieses  Jahres  oder  zu  Anfang  des  folgenden,  274,  wurde  Tetricus 
und  mit  ihm  Gallien  unterworfen;  denn  in  das  Jahr  274  (cf.  Chronic. 
Cassiod.  ed.  Mommsen,  Ck)mm.  der  k.  S.  Gesellsch.  der  Wissensch.  VIII.  p.  644) 
fällt  der  glänzende  Triumph  Aurelians,  in  welchem  Zenobia  und  Tetricus 
aufgeführt  wurden,  (cf.  Vop.  Aurel.  45).  Nach  dem  Berichte  des  Flavius 
Vopiscus  fielen  also  in  den  Zeitraum  von  ungeföhr  zehn  Monaten  der  Rück- 
zug des  Anrelian  von  Pahnyra  über  Emisa,  wo  sich  derselbe  offenbar  längere 
Zeit  aufhielt,  nach  Thrazien,  die  Besiegung  der  Carpen,  der  zweite  Zug 
desselben  Über  Antiochia,  wohin  der  Kaiser  nach  einer  Nachricht  bei 
Zosimus  I,  61,  dass  dieser  zur  Zeit  der  Festspiele  die  Antiochener  über- 
rascht habe,  womit  Malala  p.  284  ed.  Bonn,  zu  vergleichen  ist,  der  be- 
richtet, dass  die  groföen  Spiele  während  45  Tage  in  den  Monaten  Panemos 
und  Loos  abgehalten  würden,  wahrscheinlich  im  Monate  August  des  Jahres 
273  kam,  nach  Palmyra,  der  Rückzug  nach  Thrazien,  verschiedene  dort 
und  überhaupt  in  ganz  Europa  vollbrachte  Kriegsthaten,  der  Zug  nach 
Aegypten,  Besiegung  des  Firmus,  Rückkehr  nach  Europa.  Dieses  ist  nun 
eine  haare  Unmöglichkeit.  Hierzu  kommt  noch,  dass  Zosimus  I.  61.  von 
einem  abermaligen  Rückzuge  Aurelians  nach  Enropa  nichts  weif^,  sondern 
im  Gegentheil  denselben  unmittelbar  nach  der  zweiten  Unterjochung  Pal- 
myra's  gegen  Firmus  ziehen  lässt:  auv  taxn  ^^  ical  'Ale^ttv&Q^ag  araaia- 
attvrag  xtti  n^oq  nnoaraaiv  iSonaq  nttQttarriattfxfvog ,  .  .  Wir  hätten  also 
hiemach  die  Angabe  des  Flavius  Vopiscus  zu  Anfang  des  32.  Cap.,  dass 
Anrelian  aus  Thrazien  gegen  Firmus  gezogen  sei,  für  einen  einfachen  Irr- 
thum  zu  erklären,  der  aus  der  Unkenntnis  desselben  über  die  Begeben- 
heiten im  Orient  herrührt.  Uebrigens  gesteht  unser  Autor  Firm.  2.  selbst 
offen  ein,  dass  er  bei  der  Abfassung  der  vita  des  Anrelian  die  €reschichte 
des  Firmus  nicht  genauer  studiert  habe.  Augenscheinlich  kannte  derselbe 
über  ihn  nichts  anders,  als  den  Siegesbericht  Aurelians.  Daher  berichtigt 
er  ebendaselbst  die  Angabe  im  liCben  Aurelians,  Firmus  sei  ein  Räuber 
gewesen,  aus  Münzen  und  Edicten,  in  denen  sich  jener  ttvroxQatoQa  ge- 
nannt habe.  In  ähnlicher  Weise  scheint  Vopiscus  ibid.  c.  5  bei  genauerer 
Kenntnis  der  Verhältnisse  seinen  Irrthum  im  32.  cap.  Aurel.  dahin  ver- 
bessert zu  haben,  dass  er  nunmehr  Carris  schrieb.  Nur  fragt  sich  noch, 
wie  Anrelian  nach  Carrae  in  Mesopotamien  gekommen  sei,  da  diese  Stadt 
doch  auX^erhalb  seines  Weges  nach  Aeg}  pten  lag.  Weit  entfernt  aber,  dass 
dieser  Umstand  die  Leseart  Ca/rris  redeunte  verdächtigt,  wie  v.  Wieters- 

50* 


786    Script,  hift.  August,  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  OberdM. 

heim  a.  a.  0.  IIL  C.  XIV,  Anm.  15  glaubt,  ist  er  vielmehr  ein  neuer 
schlagender  Beweis  für  meine  Behauptung,  dass  Carris  die  ursprungliche 
LesefuH^  Thraciü  hingegen  bloXlie  Coigectur  sei.  Es  steht  nämlich  fest,  dass 
Aurelian  einen  Feldzug  gegen  die  Perser  unternahm,  obwol  Wietersheim 
a.  a.  0.  dieses  leugnet.  Im  35.  Cap.  der  vit.  Aur.  sagt  Planus  Vop.  aus- 
drücklich: His  gestis  ad  OaUias  profeetm  Vindelicos  ohsidione  barbariea 
liberavit,  deinde  ad  Illyricum  redUt  paratoqMA  magno  patius  quam  ingenti 
exercitu  Perm  quos  eo  quoque  tempore,  quo  Zenobiam  9uperavU,  gUmo9i9- 
sime  iam  vicerat,  bellum  indixit.  Ebenso  heilst  es  in  der  Bede  des  Tacitui 
(ibid.  41) :  itte,  pro  pudor,  orientem  femineo  pressum  iugo  in  nostra  iura 
restituit,  iUe  Per  aas  insuUantes  adhuc  Vakriani  nece  fudü,  fugavit,  op- 
pressit.  Wegen  dieser  Kämpfe  und  Siege  erhielt  der  Kaiser  die  Beinamen : 
Armeniens,  Partbicus,  Adiabenicus  (vit.  Aurel.  c.  30.),  die  zwar  Wieters- 
heim a.  a.  0.  für  unhistorisch  erklärt,  aber  mit  dem  gröHsten  Unrecht,  da 
nach  der  Inschrift  n.  1030  bei  Orelli  vom  Jahre  274  wenigstens  der  Bei- 
name Partbicus  sicher  ist:  Bestitutor.  orbis  Imp.  Caes,  L,  D,  Aureliano 
Pio  Felici  Invicto  ÄugtMto  Pont.  Max.  Germ.  Max.  Oot.  Max.  Part. 
Max.  Trib.  Pot.  IUI  Cos.  III.  Es  fragt  sich  nun,  wann  dieser  Krieg 
geführt  wurde.  Aurelian  war,  wie  wir  wissen,  als  Kaiser  zweimal  im  Orient; 
als  er  sich  zum  dritten  Zuge  anschickte,  wurde  er  zu  Caenofrurium  er- 
mordet. In  die  Zeit  des  ersten  Zuges  gegen  Palmyra  kann  nun  der  Perser- 
krieg nicht  gesetzt  werden,  weil  Aurelian  unmittelbar  nach  der  Einnahme 
von  Palmyra  sich  nach  Emisa  und  von  da  nach  Europa  begab.  (Zosim. 
I,  56.)  Daher  muss  dieser  Zug  nach  der  zweiten  Einnahme  Palmyra's  unter- 
nommen worden  sein.  —  Offenbar  stehen,  wie  ich  schon  oben  bemerkte, 
die  Aufstände  der  Palmyrener  und  des  Firmus,  sowie  die  Bewegungen  der 
Perser  im  engsten  Zusammenhange  mit  einander.  Die  Letztem  erkannten, 
welch'  groPsen  politischen  Fehler  sie  begangen  hatten,  als  sie  ruhig  zu- 
sahen, dass  Aurelian  die  Macht  der  Königin  Zenobia  brach.  Diesen  Fehler 
suchten  sie  wieder  gut  zu  machen,  indem  sie  die  Orientalen  und  Aegypter 
zur  Empörung  reizten  und  ihnen  Hilfe  versprachen.  Aurelian  aber  machte 
durch  seine  Schnelligkeit  ihre  Berechnungen  zu  Schanden.  Noch  ehe  der 
Aufstand  organisiert  war,  schlug  ihn  der  liömerkaiser  nieder,  indem  er 
Palmyra  zerstörte  uud  die  Bedeutung  der  Stadt  für  immer  vernichtete. 
Wahrscheinlich  brach  er  nunmehr  nach  Mesopotamien  auf,  besiegte  die 
auf  dem  Marsche  befindlichen  Hilfevölker  der  Perser  .und  eilte  dann,  nach- 
dem er  den  Satuminus  zum  dux  der  orientalischen  Grenzwehr  (Flav.  Vop. 
Saturn,  init.)  bestellt  hatte,  nach  Aegypten  gegen  den  Firmus. 

So  haben  wir  gesehen,  dass  Firm.  c.  5  ohne  Zweifel  Cktrris  die  ur- 
sprüngliche Leseart  ist,  wodurch  Flavius  Yopiscus  den  Irrthum,  dessen  er 
sich  Aurel.  c.  32  schuldig  gemacht  hatte,  verbesserte.  —  Aus  allem  diesen 
aber  geht  doch  klar  hervor,  dass  der  zweiten  Handschriftenclasse  ein  Codex 
zu  Grunde  lag,  der  dem  Archetypus  näher  stand,  als  deijenige,  aus  welchem 
der  Palatinus  und  Bamberg,  ihren  gemeinschaftlichen  Ursprung  herleiten. 

Betrachten  wir  nun  noch  einige  Augenblicke  den  Text  der  Scriptores, 
wie  er  in  der  Ausgabe  von  Peter  vorliegt.  Vor  allen  Dingen  ist  die  Sorg- 
samkeit und  Accuratesse  der  Durcharbeitung,  sowie  die  BesonBenheit  nnd 


Script  hist  Äuguftt.  ed.  Jmänn,  Feter  etc.,  ang.  v.  Oherdiek.    787 

Umsicht  rühmend  anzuerkennen,  mit  der  die  Texteskritik  gehandhabt  wird. 
Die  besonderen  sprachlichen  Eigenheiten  dieser  Schriftsteller,  die  Jordan, 
wie  oben  gerügt  wurde,  durch  unbesonnene  Conjecturen  theilweise  besei- 
tigt, weiA  er  mit  sicherm  Tacte  an  der  Hand  der  Codices  festzuhalten. 
Nur  geht  er  an  einzelnen  »teilen  zu  weit,  indem  er  mit  zu  grofser  Aengst- 
lichkeit  die  handschriftliche  Leseart  festhält.  So  nimmt  er  Gallien  du.  9. 
die  Lesart  des  Bamb.  und  Palat.  ageret  auf,  während  doch  augenschein- 
lich die  ed.  pr.  das  Richtige ,  agerenty  bietet.  —  Die  Emendationen ,  die 
derselbe  in  den  Text  aufgenommen  hat,  sind  zwar  nicht  alle  sicher,  aber 
treffen  mit  wenigen  Ausnahmen  durchweg  verdorbene  Stellen.  Ungerechtfer- 
tigt scheint  mir  z.  B.  30  tyr.  24  (p.  113 ,  13)  atatim  in  furtim  verändert 
zu  sein,  obwol  schon  Q ruter  das  Wort  verdächtigt  und  in  eo  statu  schreibt 
und  es  bei  Eutrop.  IX,  13  per  lüer(is  occuUas  Aurelianum . . .  deprecc^tis 
heirist.  Statitn  ist  hier  entschieden  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  fest- 
zuhalten „sogleich*",  nämlich  als  Aurelian  gegen  ihn  rückte.  —  Auf  andere 
Stellen  komme  ich  noch  weiter  unten  zurück.  —  Druckfehler  sind  mir  in 
diesem  äuTserst  sorgfältigen  und  säubern  Buche  nicht  aufgestoJDsen. 

Um  nun  mein  Urtheil  noch  einmal  zusammenzufassen,  so  ist  durch 
beide  Ausgaben  ein  bedeutender  Schritt  in  der  Kritik  der  Scriptores  vor- 
wärts gethan,  namentlich  aber  durch  die  von  Peter,  die  wegen  der  gröXIseren 
Fülle  und  sorgfältigem  Ausarbeitung  des  kritischen  Apparates,  sowie  durch 
die  Umsicht  und  sprachliche  Sicherheit  bei  der  Constituierung  des  Textes  einen 
groflsen  Vorzug  vor  der  ersten  hat  und  unter  den  Ausgaben  der  Scriptores 
stets  einen  hervorragenden  Platz  einnehmen  wird.  Uebrigens  bedarf  es  bei 
dem  verdorbenen  Zustande,  in  welchem  der  Text  auf  uns  gekommen  ist, 
noch  mancher  Arbeit,  um  die  vielen  noch  übrig  gebliebenen  Corruptelen 
zu  heilen.  —  Ein  glücklicher  Gedanke  von  Jordan  und  Eyfsenhardt  ist  es, 
die  Noten  von  Casaubonus,  Salmasius  und  Gruter  in  einem  besondem  Bande 
mit  zeitgemäfsen  Verbesserungen  und  Zusätzen  herauszugeben.  Hoffentlich 
werden  die  Arbeiten  der  neuem  Historiker  hierbei  benutzt  und  gewürdigt 
werden.  Namentlich  mache  ich  hier  auf  v.  Wietersheim^s  Geschichte  der 
Völkerwanderung  aufmerksam,  in  welcher  auch  die  Scriptores  mit  groflsem 
Fleifiie  und  selbständiger  Kritik  unter  beständiger  Vergleichung  mit  den 
übrigen  einschlägigen  Quellen  vielfältig  behandelt  worden  sind. 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungeu  gehe  ich  dazu  über,  eine 
Anzahl  verdorbener  Stellen  mit  Bücksicht  auf  die  vorliegenden  beiden 
Ausgaben  zu  besprechen. 

Hadrian.  c.  2.  fuüque  in  amore  Traiani  nee  tarnen  ei  per  pmdaqogos 
puerorum,  quos  Traianus  impensius  diligebat,  Gxülo  favente  defuit.  Jor- 
dan und  Eyfsenhardt  lassen  die  Stelle  unverändert,  Peter  deutet  die  Cor- 
mptel  Crollo  favetUe  durch  ein  Kreuzchen  an,  ohne  sich  für  eine  der  schon 
versuchten  Emendationen  zu  entscheiden.  Casaubonus  schreibt:  CMo  /o- 
ciente  inf)idia  defuit.  Wer  war  nun  dieser  Gallus?  Es  ist  nirgend  mehr 
von  ihm  die  Bede  und  doch  muss  er  in  diesen  Intriguen  eine  solche  Rolle 
gespielt  haben,  dass  man  sich  billig  über  das  Schweigen  des  Aelius  Spar- 
tianus  wundem  müsste.  Daher  corrigiert  Gmter  malefaventia,  und  in  der 
That  scheint  dieses  die  richtige  Weise  der  Behandlung  dieser  Stelle  zu  sein. 


7S8    Script,  hist.  August  ed.  Jordan,  Peter  otc.,  ang.  v.  Oberdkk. 

Nur  ist  gegen  mcUefaventia  zu  erinnern,  dass  es  sich  sonst  nicht  findet; 
daher  möchte  ich  ftudevolentia  vorschlagen.  — 

Ibid.  s.  f.  denique  statim  suffragante  Sura  ad  anUcitiam  Traiani 
pleniarem  redit  statim  ist  oflfenhar  verdorben;  daher  schreibt  Peter  pri- 
vatim. Freilich  hat  das  Wort  nur  die  Bedeutung  „singulariter ,  inprir 
mia,  wie  jener  aus  mehreren  Stellen  beim  Plinius  nachweist;  aber  an 
unserer  Stelle  passt  dieser  Sinn  nicht;  im  Gegentheil  verlangen  wir  hier 
ein  Wort,  welches  „inständig**  bedeute.    Deshalb  vermuthe  ich  ^instanter^ 

Ibid.  24.  Sed  mortuo  Helio  Vero  Casare  Hadrianus  ingruente  tri- 
stissima  vaLetudine  adoptavit  Ärrium  Äntoninum.  ingruente  passt  weder  zu 
dem  folgenden  tristissima  vaietudine  noch  zu  dem  vorhergehenden  ingra- 
vescente  vaietudine.  Darum  vermuthe  ich  inurgente  tr,  txüet. 

Ael.  Vcr.  c.  3.  Hie  tamen  valetudinia  adeo  miserae  fuit  ut  Hadrior 
num  statim  adoptianis  paenituerit  potueritque  eum  amovere  a  famüia  im- 
peratoriaycum  saepe  de  äliis  cogitaret,  si  forte  vixisaet.  Zu  potuerit  findet  sich 
im  Pakt,  eine  Verbesserung  der  3.  Hand  petiverügue.  Diese  Lesart  ist 
zwar  nicht  wol  zu  rechtfertigen,  aber  trifft  offenbar  den  richtigen  Sinn, 
ef.  ibid.  4.  wide  apparet  eum  Iwhuisse  in  animo  alium  detigere.  —  c.  6. 
Etiam  vivente  adhuc  Vero  decreveram.  —  Hieraus  folgt,  dass  oben  zu 
schreiben  sei:  volueritque  eum  amovere  u.  s.  w. 

Anton.  Phil.  22.  Gentes  omnes  ab  Ulyrici  limite  usque  in  CraUiam 
canspiraverantf  %U  Marcomanni,  Varistae  Hermunduri  et  Qwtdi  Suevi 
Sarmatae  Lacringes  et  Buri  hi  aliique  (Bamb.  Palat.  ayaUi  cod.  Reg.) 
cum  Vi4:iuali8  Sosibes  Sicobotes  u.  s.  w.  Statt  hi  aliique  schreibt  Momm- 
sen  VandcUique  und  im  Folgenden  Müllenhoff  OH  Bessi  Cobotes,  Sowol 
in  der  Berliner  Ausgabe  als  auch  von  PetiT  werden  diese  Emendationen 
ohne  weiteres  angenommen.  Ohne  Zweifel  sind  den  Herausgobem  die 
gründlichen  Einwürfe  von  Wietersheim  a.  a.  0.  II.  p.  53  seqq.  unbekannt 
geblieben.  Für  hi  aliique  liest  derselbe  mit  Beatus  Rhcnanus  und  Caaau- 
bonus  Taifalique  cum  VidovaliSf  die  auch  Eutrop.  MII,  2  ntit  don  Vic- 
tovalen  zusammengenannt  werden.  Ebenso  rechtfertigt  derselbe  die  Les- 
arten Sosibes  Sicobotes ,  indem  er  mit  Zcuss  und  Grimm  die  Sicobotes 
für  identisch  mit  den  Sigipedes  erklärt,  während  die  Osi  (Tac.  GernL  43) 
und  Bcssi  {Ihiaaoi  bei  Ptoleiu.  UI.  5  §.  20)  sowie  die  sonst  unbekannten 
Cobotes  ^  die  Müllenhoff  mit  den  Sabokem  bei  Ptolemaeus  a.  a.  0.  idcn- 
tificiert,  nach  Schaffarik,  Slav.  Alterth.  unzweifelhaft  Slaven  waren  und 
sich  von  denselben  aufscr  bei  Ptolemaeus  auch  nicht  die  geringste  Spur 
mehr  findet. 

Vor.  c.  1.  Quem  constat  nofi  inhoruisse  vüiis,  non  dbundasse  virtu- 
tibus,  vixisse  deinde  non  in  stw  libero  2ff^i^^cipatu  sed  sub  Mario  in  simüi 
ac  paria  maiestatis  imperio.  Ä  cuius  seda  lascivia  liwrum  et  vitae  liccn^ 
tioris  nimietate  dissensit  —  a  cuius  secta  wird  nun  ,vou  dessen'  philoso- 
phischen Grundsätzen*'  übersetzt.  Indessen  gibt  dieses  durchaus  keinen 
Gegensatz  zu  dem  folgenden  vit.  lic.  nimietate  und  erat  enim  morum  sitn- 
pUcium  et  qui  adumbrare  nHvH  passet.  Nehmen  wir  nun  noch  hinzu,  da<fs 
M.  Anton.  Philos.  c.  29.  gesagt  wird:  dederunt  et  vitio,  quod  effictus  fuis- 
set  nee  tarn  simplex  quam  videretur  aut  quam  vel  Firn  vel  Verua  fmsset, 


Script  hist.  AwftASt.  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdick.    789 

80  folgt  hieraus,  dass  oben  a  secreta  lasciviu  zu  lesen  sei  und  das  folgende 
morum  et  vitae  licentiaris  nimi^tate  zusammengehöre. 

Ibid.  3.  ab  Antanino  videtur  ob  Iwc  retentm,  qiwd  etim  pater  ita 
in  adoptionem  Pii  transire  iusserat,  tU  Nepotem  appellaret  Pii  ist 
entschieden  verdorben ;  Mommsen  schreibt  sibi,  welches  indessen  hier  über- 
flüssig ist.    Wahrscheinlich  stand  ursprünglich  per  transire. 

Ibid.  c.  4.  sed  Marcus  haec  omnia  nesciens  dissimulab(U  rem  pudore 
iUo  ne  repreli^nderet  fratrem.  Die  Berliner  Editoren  beziehen  rem  auf 
dissimxHabat;  aber  es  iässt  sich  das  Wort  nicht  halten  und  mit  Recht 
nimmt  Peter  die  Emendation  von  Obrccht  an  prae  pudore.  —  Statt 
nesciemj  welches  hier  sinnlos  ist,  liest  Jordan  rescienSf  Peter  schreibt 
non  fiesdens.  Viel  näher  aber  liegt  die  Emendation  bene  sciens. 

Ibid.  c.  9  schreibt  Peter  richtig  de  quo  bello  quidem  quid  per  lega- 
tos...  quid  per  duces,  während  Jordan  diese  Worte  mit  Mommsen  streicht ; 
—  ebenso  liest  im  folgenden  Peter  mit  Recht  r edier unt  quodque  und  in 
demselben  Satze  festinatum  statt  destinatum. 

Ibid.  c.  11.  Nota  est  fabula  qtuim  Mard  non  capit  vita  u.  s.  w.  — 
Diese  Worte  werden  erklärt  „welche  mit  des  Marcus  Leben  nicht  im  Ein- 
klänge steht. "^  Ist  die  Lesart  richtig,  dann  wäre  das  folgende  sed  hoc  nefas 
u.  B.  w.  sehr  überflüssig.  Wahrscheinlich  ist  zu  schreiben:  quam  Marci 
nun c  capit  vita.  cf.  Claud.  1.  eo  libro  ..,  qui  Cleopatranam  etiam  stir- 
pem . . .  nutui  detinet. 

Avid.  Cass.  7.  imperatorio  ammo  cum  processisset  eum  qui  sibi 
aptaverat  omamenta  regia  statim  praefectum  praetorii  fecit.  —  Die  Vul- 
gata  war  hier  imperatorio  nomine.  —  Der  Zusammenhang  indessen  ergibt, 
dass  imperatorio  amictu  zu  schreiben  sei. 

Ibid.  13.  Antonine  cletnens,  di  te  serveM,  —  Mommsen  tilgt  diese 
Worte  als  Wiederholung  des  vorigen  Ausrufes.  Richtiger  erklärt  Peter 
demens  für  corrupt;  vielleicht  ist  patiens  zu  lesen;  unten  heiflst  es  pa- 
tientiae  tuae. 

Commod.  Antonin.  c.  2.  muUerculas  formae  scitioris  ut  prostibtüa 
mancipia  perfidum  (sie  Bamb.  Palat.  perfidens  tert  man.  Pal.)  lupatumum 
et  dibrium  pudidtiae  contraxit.  imüatus  est  propolas  drcumforanos.  Statt 
et  dibrium  gibt  die  Vulgata  unzweifelhaft  richtig  ad  ludibrium;  für  das 
verdorbene  perfidum  schreibt  Salmasins  per  fadem^  Turnebus  j)cr  «peci^m  ; 
die  letztere  Conjectur  ist  in  beide  Ausgaben  aufgenommen  worden.  In- 
dessen verhält  sich  die  Sache  anders.  Richtig  erkennt  Peter,  dass  der  fol- 
gende Satz  mit  diesem  zu  verbinden  ist  und  dass  derselbe  gelesen  werden 
muss :  cotUraxit  imitatus  propolas  drcumforaneos.  Dann  ergibt  sich  aber 
mit  Noth wendigkeit,  dass  statt  perfidum ,  wofür  die  3.  Hand  des  Palat- 
perfidens  bietet,  perspidens  zu  schreiben  sei.  Damach  lautet  der  Satz: 
mulierculas  fonnae  sdtioris  ut  prostibüla  mandpia  perspidens  lupanarium 
ad  ludibrium  pudidtiae  contraxit,  imitatus  propolas  drcumforaneos.  Der 
Genetiv  lupanarium  ist  also  mit  prostibüla  mandpia  zu  verbinden  und 
dieses  sowie  mtdierculas  das  gemeinschaftliche  Obiect  zu  perspidens  und 
contraxit. 


740    Script,  hist.  Aitgmt.  ed.  Jordan^  Peier  etc.,  ang.  v.  Oberdidc. 

JTbid.  5.  Jiac  igitur  lege  vivetis  ipse  cum  trecentis  concubinis  quas 
ex  matronarum  mereiricumque  delectu  ad  formae  speciem  concinity  trecen- 
tisque  cdiie  puheribus  exoletiSy  quos  aeque  ex  plehe  ac  nobilüate  nuptiis- 
que  (Palat.  nieptusque  B.  nuptus  ed.  pr.)  forma  disceptatrice  College- 
rat.  Statt  des  verdorbenen  nuptiis  schreibt  Salmasins  nuptus  quoque,  Jor- 
dan ifüectusque,  Tumebus  vtdtus;  diese  letzte  Emendation  hat  Peter  in 
den  Text  aufgenommen;  aber  die  Verbindung  vultus  forma  ist  hier  un- 
statthaft, da  fortna  an  unserer  Stelle  auf  die  ganze  Körpergestalt  geht. 
Demgemäfs  und  mit  Rücksicht  auf  die  obige  Parallelstelle  delectu  ad  for- 
mae »peciem  ist  statt  nuptiis  wahrscheinlich  ipsisqtic  forma  disceptatrice 
zu  schreiben. 

Maxim.  3.  lods  etiam  miliiiac  a  Severo  adiutus.  Der  Sinn  ist  War; 
Maximinus  wurde  von  Severus  zu  militärischen  Würden  befördert;  aber 
der  Ausdruck  adiutus  ist  doch  wol  nicht  zu  rechtfertigen.  Offenbar  ist  das 
Wort  aus  admotua  corrumpiert. 

Ibid.  c.  12.  nisi  Germmii  amnts  ad  paiudes . .  EyiÜBcnhardt  schreibt 
hier  omnes  ad;  schön  corrigicrt  Peter  aus  Herodian.  VII,  2,  5  ol  Jk  FfQ- 
fiavol  dno  i^lv  tüHv  TreJ/ow  a  campis  ad  .  .  . 

Ibid.  c.  12  (Z.  13.  ed.  Jord.)  Juibuit  enim  hoc  harharicae  temeritatis 
ut  putaret  imperatorem  mami  etiam  sua  semper  debere.  Bemhardj  liest 
hi«r  manum  stiam;  indessen  beweist  die  handschriftliche  Lesart  moftu  sua 
zur  Genüge,  dass  der  Text  lückenhaft  und  „uti^  zu  supplieren  sei. 

Ibid.  c.  15.  paume  civitales  fidem  Jiosii  publico  servaverunty  quae 
prodüis  hiSf  qui  missi  ad  eos  fueroM,  ad  Maximinum  cito  per  indices  de- 
tülerunt,  Casaubonus  nimmt  nach  indices  eine  Lücke  an  und  schreibt  rem 
detuLerunt.  —  Wahrscheinlich  ist  aber  cito  verdorben  und  dafür  cuncta 
zu  lesen. 

Ibid.  c.  17.  alia  die  admissis  amiciSy  qui  eum  videre  non  poterant, 
sed  tacebawt  et  qui  factum  senatus  tacite  laudabant,  cansilium  habuity 
quid  facto  opus  esset.  —  Obrecht  liest  atque  für  et  qui;  Salmasius  er- 
kannte, dass  der  Zwischensatz  sed  tacehatit . . .  laudabant  hinter  die  Worte 
qmd  facto  opus  esset  zu  stellen  sei.  Trotzdem  aber  bleibt  noch  eine  Cor- 
ruptel  übrig.  —  Wie  will  man  nämlich  „gut  eum  videre  non  poterant*^ 
erklären?  Die  richtige  Verbesserung  ergibt  sich  übrigens  unmittelbar  aus 
dem  Zusammenhange.  Die  bisherigen  Freunde  des  Maximinus  sind  in  ihrer 
Treue  wankend  geworden  und  obwol  sie  es  öffentlich  nicht  zeigen  dürfen, 
doch  im  Geheimen  Anhänger  des  Senats.  Daher  Ist  augenscheinlich  zu 
lesen  qui  eum  vitare  non  potera^vt,  die  ihm  nicht  ausweichen  konnten 
und  es  lautet  demgemäfs  die  ganze  Stelle:  dtia  die  admissis  amicis,  qui 
eum  vitare  non  poterant,  consüium  habuity  quid  facto  opus  esset,  sed 
iaceba/nt  atque  factum  senatus  tacite  lauddbant. 

Ibid.  c.  19.  ttmc  Capelianus  victor  pro  Maximino  omn^s  Chrdiani 
mein  {^motu  ed.  pr.)  partium  in  Africa  vnteremü.  Hier  können  die  Worte 
metu  partium  in  Africa  in  keiner  Weise  genügend  erklärt  werden;  daher 
streicht  Casaubonus  dieselben.  Aber  abgesehen  von  diesem  gewaltsamen 
Verfahren  bleibt  die  Stelle  noch  ebenso  unklar,  da  das  blol\»e  onmes  Oor- 
diani  doch  nicht  „alle  Anhänger  des  Gordianus**  gedeutet   werden  kann. 


Scri^.  hiat,  August,  ed,  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdick.    743 

Hon  desselben,  wie  aus  den  beiden  Victor  nnd  Zonaras  erhellt,  gegen  Ende 
der  Regierung  Galliens.  Freilich  war  jetzt  schon  seine  Haltung  zweideutig, 
weshalb  Gallienus  selbst  nach  Illyrien  geeilt  zu  sein  scheint.  Hierauf  geht 
der  übertriebene  Bericht  des  Tr.  PoUio:  cun^  .  .  .  mrum  fortem  frustra 
temptasset  (cf.  Meine  Beitrage  u.  s.  w.  a.  a.  0.  p.  48  Not.  2).  Indessen  zog 
Aureolus  f&r  jetzt  mit  dem  Kaiser  gegen  Postumus  zu  Felde.  —  Daher  ist 
unsere  Stelle  zu  lesen:  ei  cum  (actus  esset  iam  rnlidus  imperator  cumque 
Chüienus  expugnare  virum  fortem  frustra  temptasset,  pacem  cum  eo  contra 
Postumus  pugnaturus  fecU,  quorum  pleraque  et  dicta  sunt  et  dicenda. 

Ibid.  c.  13.  Multa  de  hoc  in  patris  imperio  praelibata  sunt;  qui 
nunquam  impercUor  f actus  esset  ^  nisi  prudentiae  patris  eius  creditum 
videretur.  Jenes  nisi  prudentiae  u.  s.  w.  wurd  übersetzt  „wenn  nicht  die 
Wahl  der  Klugheit  seines  Vaters  anheimgegeben  wäre*'.  Abgesehen  nun 
davon,  dass  diese  Deutung  der  Stelle  sehr  gezwungen  ist,  widerspricht  der 
so  gewonnene  Sinn  auch  durchaus  dem  Bericht  über  die  Wahl  des  Macrianus 
und  seiner  Söhne,  wie  ihn  Maeonius  Astyanax  (c.  12)  als  Augenzeuge  gibt. 
Hiernach  erscheint  die  Wahl  der  Söhne  als  ein  Verdienst  der  klugen  Be- 
handlung des  Heeres  von  Seiten  des  Vaters.  Daher  hat  Trebellins  PoUio 
statt  creditum  wahrscheinlich  meritum  geschrieben,  wie  es  auch  weiter 
unten  hei£st:  ^hic  enim  vehemens  cum  prudentissimo  patre,  cuius  merito 
imperare  coeperat  u.  s.  w.  videri  =  esse.  cf.  Ael.  Ver.  c.  3.  ut  pater 
adoptionis  adfectt/vm,  quo  ei  videhatur  adiunctus  u.  s.  w. 

Ibid.  &  14.  sed  ubi  comperit  Odenatus  qui  olim  u»m  orientem  tenebat 
ab  Äureolo  Macrianum  patrem  quietcum  eius  fratre  Macriano  victos  u.  s.  w. 
—  Die  gewöhnlichen  Ausgaben  lesen  Quietum  et  eitM  fratrem  Macrianum, 
welches  die  Berliner  Editoren  in  den  Text  aufgenommen  haben.  Sonst 
notieren  dieselben  die  Varianten  fratrae  Macriamo  (B),  fratrem  Macriano 
(P),  wogegen  Peter  fratre  Macriano  als  Leseart  des  Bamb.,  fratrae  Ma- 
criano als  die  des  Palatinus  erklärt.  —  Salmasius  verbessert  Quieti  cum 
eius  fratre  u.  s.  w.  und  es  ist  diese  Conjoctur  durchaus  richtig;  denn  von 
Aureolus  wurden  nur  Marcus  Fulvius  Macrianus  der  Vater  und  der  ältere 
Sohn  Titus  Fulvius  Junius  Macrianus  in  Illyrien  besiegt,  während  der 
jüngere  Sohn  Caius  Fulvius  Quietns  mit  Balista  zum  Schutze  des  Orients 
zurückgelassen  war  (vgl.  die  oben  cit.  Abh.  p.  48  u.  62). 

Ibid.  c.  14 —  (läMdesccivtem  cumi  Balista  praefecto  dudum  interemit. 
dudum  ist  oiFenbar  verdorben;  Obrecht  verbessert  dttcum,  welches  Peter 
in  den  Text  aufgenommen  hat,  ohne  dass  dieses  einen  passenden  Sinn  gäbe ; 
Eyfsenhardt  oonjicicrt  nudum,  welches  aber  ebenfalls  nicht  wohl  erklärt 
werden  kann.  Wahrscheinlich  schrieb  Trebellins  Pollio  durius. 

Ibid.  e.  30.  bibit  saepe  cum  ducibus,  cum  esset  alias  sobria;  bibU  et 
cum  Persis  atque  Armeniis,  ut  eos  vinceret.  Wir  können  nun  aber  unmög- 
lich annehmen,  dass  die  Königin  mit  den  Persem  und  Armeniern  um  die 
Wette  getrunken  hätte;  dieses  würde  durchaus  im  Widerspruche  stehen 
mit  allem,  was  wir  über  den  Charakter  der  Zenobia  wissen.  Daher  wird 
hier  wohl  mit  leichter  Aenderung  vinciret  zu  schreiben  sein,  welches  an 
unserer  Stelle  ähnlich  gebraucht  ist,  wie  Tac.  ann.  4,  10. 

Glaud.  c.  6.  Dicat  nunc  quinoi  aäukUumis  accusat,  Claudium  minus 


744    Script  M9t,  August,  ed,  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdick. 

esse  mtiabilem.  —  Die  Liebenswürdigkeit  des  Claudius  folgt  nun  aus  dem 
Umstände,  dass  er  so  viele  Völker  besiegte,  keineswegs ;  wol  aber  verdient 
er  seiner  tapfem  Thaten  wegen  Bewunderung.  Daher  ist  hier  zu  schreiben 
minus  esse  admircMem,  welches,  wie  ich  sehe,  auch  von  Peter  n.  9 
angeführt  ist. 

Ibid.  c.  11.  Sed  dum  haec  a  dito  Claudio  aguntur,  Pälmyreni  duei- 
hus  Saba  et  Timagene  u.  s.  w.  Der  Feldherr,  den  Zenobia  nach  Aegypten 
schickte,  heiTst  bei  Zosimus  I.  44  Zaßdag  und  demgem&fe  wird  auch  wol 
an  unserer  Stelle  Zahda  gelesen  werden  müssen.  Derselbe  Name  kehrt  auch 
in  der  von  Vogüe  zu  Palmjra  gefundenen  Inschrift  wieder:  2€nri^(av 
Zivoßfav  r^v  XttjunQOTdrip'  evaeßrj  ßaa(haaav  £int(fiioi  Zaßda^  6  u4ya^ 
(fTQiCTrjXdTtjs  xal  Zaßßatog  6  iv&a^e  aTQaTrjXdrrig,  Ol  XQnrunoi  r^v  «f^- 
anoivav.  ^Erovg  ßnff  furjvil  Ao^  (Aug.  270  n.  Chr.).  Das  Beiwort  fifyttg 
bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  die  Siege  des  Zabdas  in  Aegypten. 

Aurel.  7.  Müle  SarnuUas  miUe  Francos  semel  et  semel  occidimm 
miüe  Persas  quaerimus. 

Die  Berliner  Editoren  lesen  das  Liedchen  mitCorssen: 

MiUe  Sarmatcis  miÜe  Francos  semel  et  semel  occidimtis 

MiUe  müle  miUe  miUe  müle  Persas  quaerimtis. 

Wenn  auch  die  Soldaten  Aurelians  keine  grofse  Metriker  waren, 
so  werden  sie  doch  gewiss  wohlklingendere  Verse  gebildet  haben,  als  ihnen 
hier  zugemuthet  wird.  —  Oflfenbar  zeigt  sich  in  diesem  Liedchen  blofs 
der  Wortaccent  maTsgebend.  Darum  habe  ich  in  dieser  Zeitschrift  1863. 
p.  788  geschriebene 

Müle  Francos  inüle  simul 
Sarmaias  occidimus: 
MiUe  miUe  müle  müle 
Müle  Persas  quaeritmis. 

Die  Umstellung  von  Sarmatas  und  Francos  wird  iheih  durch  den 
Rhythmus,  theils  durch  die  Folge  der  historischen  Ereignisse  begründest. 
Die  Entstehung  des  Liedchens  fallt  nämlich  (vgL  Beitrage  a.  a.  0.  p.  31 
n.  2.)  in  das  Jahr  258  nach  Beendigung  des  Feldzuges  gegen  die  Sarma- 
ten,  als  Valerian  zu  Byzantium  die  Vorbereitungen  zum  Perserfeldzuge 
traf.   Die  Franken  hatte  Aurelian  vorher  bei  Mainz  besiegt. 

Ibid.  25.  Pugnatum  est  post  haec  de  summa  rerum  contra  Zeno- 
biam  et  Zabam  eius  socium,  Dass  hier  sowohl  wegen  des  Zusatzes  eius 
sociwm,  als  auch  aus  historischen  Gründen  Zabbam  eius  sodam  gelesen 
werden  müsse,  habe  ich  in  dieser  Zeitschrift  L  L  p.  750  nacfagewieeen.  Unter 
Zabha  ist  doch  wol  die  Amalekiter-Königin  Zabba,  Tochter  des  Amm,  zu 
verstehen,  welche  dazumal  ein  von  Amalekitem  und  südarabischen  Stämmen 
bewohntes  Reich  an  der  sjrrisch-arabischen  Grenze  beherrschte. 

Ibid.  26.  Romani  me  modo  dicitnt  bellum  contra  feminam  gcrere, 
quasi  sola  mecum  Zenobia  et  suis  vinbus  pugnet.  atque  hostiumf  quanttwi 
si  vir  a  me  oppugnandus  esset,  in  comcietitia  et  timore  longe  deteriore. 
Salmasius  liest  atqui  hostium;  sonst  ist  für  diese  äuflserst  verdorbene 
Stelle  wenig  geschehen.  Ich  werde  nun  meinen  Emendationsversuch  gleich 
mittheilen  und  denselben  mit  wenigen  Worten  erläutern.  Bomam  me  modo 


Script,  hist.  Augtist,  ed.  Jordan,  Peter  etc.,  ang.  v.  Oberdich    745 

dicunt  beUtitn  contra  feminam  gerere,  quantum  si  vir  a  me  oppugnandus 
esset.  QtMsi  sola  mecum  Zenobia  et  suis  viribus  pugnet  in  conscientia 
et  tifHore  longe  deterior !  Ätqui  hostium  . . .  (lacuna  fors.  expl.  „numerus 
ingens  esf^),  Dici  non  potest  u.  s.  w.  „Die  Romer  sagen,  dass  ich  gegen 
ein  bloT^es  Weib  einen  Krieg  führe,  wie  wenn  ich  einen  Mann  bekämpfen 
müsste.  Als  ob  die  Zenobia  allein  und  blofs  mit  ihrer  Macht  mit  mir 
kämpfte,  und  sie  obendrein  noch  ihr  Schuldbewusstsein  und  ihre  Furcht 
schwäche.  Nun  ist  aber  die  Zahl  der  Feinde  ungeheuer  u.  s.  w.  Nur  so 
wird  der  Gedankengang  des  Briefes  klar.  Den  Vorwurf,  als  ob  die  Zenobia 
allein  mit  ihm  kämpfe,  widerlegt  er  dadurch,  dass  er  die  grofsc  Zahl 
der  Feinde  und  ihre  mannigfaltigen  Kriegsrüstungen  beschreibt.  In  Bezug 
darauf  aber,  dass  mau  ihm  einwendete,  Zenobia  sei  in  conscientia  et 
timore  longe  deterior  bemerkt  er  am  Schlüsse  des  Briefes :  Quid  plura  ? 
timet  quasi  fenUna,  pugnat,  quasi  poenas  tlmentes.  Die  Furcht  hat  sie 
zu  dem  Muthe  der  Verzweiflung  getrieben.  Die  Umstellung  der  Sätze  end- 
lich „qucMtum  si  vir  und  quasi  sola  u.  s.  w.  wird  einmal  durch  den  Man- 
gel an  Zusammenhang,  dann  durch  30  tyr.  30.  angedeutet:  Nam  cum  a 
quib%isdam  reprehenderetur,  quod  mtUitrem  veluti  ducem  oHiquem  vir  for- 
tissimus  triumphasset. 

Ibid  27.  nobis  Persarum  auxüia  non  desunt,  quae  iam  speramus. 
Aus  dem  Zusätze  qtMC  iam  speramus  ergibt  sich,  dass  non  deerurU  ge- 
lesen werden  müsse. 

Ibid.  30.  Chrave,  .  .  de  Longino  phüosopho  fuisse  perhibetur.  — 
Fuisse  lässt  sich  hier  nicht  halten.  —  Vielleicht  ist  fecisse  zu  lesen. 

Tacit.  16.  (Flor.  3.)  Nunc  quoniam  interi  meo  studio  satis  factum 
arbUrans  studio  et  cupidUati  meae.  Obrecht  verbessert  nunc  quiescam  in- 
terim  in  stadio  fneo  u.  s.  w.  Jedoch  lässt  sich  in  stadio  wol  schwerlich 
rechtfertigen.  Wahrscheinlich  schrieb  unser  Autor  :  nunc  quiescam  interim 
meo  stüo,  satis  factum  arbitrans  studio  et  cupiditati  meae. 

Prob.  c.  9.  Pugnavit  etiam  contra  Palmyrenos  pro  Odenati  et  Cleo- 
patras partibus  Äegyptum  defendentes,  primo  feliciter  u.  s.  w.  Die  Erwäh- 
nung des  Odenat  in  diesen  Kämpfen  ist  durchaus  unmöglich,  da  derselbe 
schon  mehrere  Jahre  früher  in  Emisa  von  Maeonius  ermordet  war,  als 
Probus  gegen  den  Palmyrenischen  Strategen  Zabdas  in  Aegypten  kämpfte. 
Daher  habe  ich  im  18.  Bd.  der  Zeitschrift  der  d.  Morg.  Gesellschaft 
Äthenodori  statt  Odenati  vorgeschlagen.  Zenobia  bestieg  nämlich  nach 
der  Ermordung  des  Maeonius  zugleich  mit  ihrem  Sohne  aus  erster  Ehe 
Vaballathus  den  Thron  des  Orients.  Vabtülathus  =r  donnm  deae  el-Lat 
hei&t  griechisch  "A&riv66taQog.  Auf  Münzen  wird  er  OYABAAAASOC 
ASHNO  oder  auch  blofs  A9UN0^f(0P0C  genannt,  in  der  von  Gardner- 
Wilkinson  publicierten  Inschrift  (Böckh  C.  J.  IH.  p.  1174)  («wo)  KPATOPOC 
OYABAAAA  (»ov)  ABHNOdtüPOY.  Flavius  Vopiscus  nennt  ihn  außer- 
dem im  Leben  Aurelians  c.  38.,  wo  er  ihn  mit  seinem  einheimischen  Namen 
Vaballathus  bezeichnet. 

Neifse.  Job.  Oberdick. 


746    Atlanten  v.  A.  Ficker,  Th  Metike  n.  s.  w.,  ang.  v.  /.  FtoBdimk. 


1.  Elementar- Atlas  für  den  Gebrauch  der  Volksschule  in  den 

k.  k.  Staaten.  Aus  den  Kartenwerken  Stieler's  und  E.  v.  Sydow's  zu- 
sammengestellt und  mit  einem  Vorworte  versehen  von  Dr.  Adolf  Ficker, 
k.  k.  Regierungsrath  und  Director  der  administrativen  Statistik.  Gotha 
und  Wien,  Justus  Perthes,  1865.  —  80  Nkr.  in  Silher. 

Die  Kartenwerke  Stieler's  und  E.  von  Sydow's,  ans  denen  dieser 
Elementar-Atlas  znsammengesteUt  ist,  sind  xu  bekannt,  als  dass  es  noth- 
wendig  wäre,  auf  die  Vorzüge  derselben  nSher  einzugehen.  Wichtiger  er- 
scheint der  Geiichtspunct,  von  dem  aus  die  Auswahl  dieser  Karten  getroffen 
wurde.  Im  Gegensatze  zu  Steinhauser's  Atlas  für  die  erste  Stufe  des  geo- 
graphischen Unterrichtes,  der  für  die  allgemeine  Erdbeschreibung  8  Karten 
(Erdkarte,  Europa,  Mittel-Europa)  bestimmt,  9  Karten  der  Vaterlandskunde 
gewidmet  hat,  enth&lt  dieser 'Elementar-Atlas  ffir  den  letzteren  Zweck  nur 
3  Karten  (Oesterreich  physische,  Oesterreich  politische  Karte  und  als  Bei- 
gabe eine  Kronlandskarte,  in  dem  vorliegenden  Atlas  die  Karte  von  Stieler's 
Schulatlas,  Oesterr.  Staat  Nr.  2),  während  die  übrigen  12  Karten  (1.  Mathe- 
matische Geographie,  2.  Hemisphseren,  3.  Europa,  physich,  4.  Europa,  politische 
Uebersicht,  5.  Deutschland,  physisch,  6.  Asien,  physisch,  7.  Asien,  politische 
üebersicht,  8.  Afrika,  9.  Nordamerika,  10.  Süd-Amerika,  11.  Australien, 
12.  Palästina)  für  die  sogenannte  allgemeine  Erdbeschreibung  bestimmt 
sind.  Welcher  der  beiden  Gesichtapuncte  in  der  Auswahl  der  richtigere  soi, 
das  zu  entscheiden  wird  Sache  derjenigen  sein,  welche  sich  mit  den  In- 
teressen der  Volksschule  näher  zu  befassen  in  der  Lage  sind.  Au;;  dem 
Gegensatze  der  Ansichten  und  dem  Umstände,  dass,  wie  das  Vorwort  zu 
diesem  Elementar-Atlas  hervorhebt,  ^ein  eigener  in  gesonderten  Stunden 
zu  ertheilender  Unterricht  über  Geographie  durch  den  Lehrplan  selbst  der 
vierten  Hauptschul-Classe  ausgeschlossen  erscheint*',  folgt  nur,  dass  die 
Gymnasien  an  ihrem  für  die  erste  Classe  festgestellten  Lehrplane  des  geo- 
graphischen Unterrichtes  vor  der  Hand  nichts  zu  ändern  haben. 

Der  Preis  von  80  Nkr.  in  Silber  für  15  Karten  ist  gewiss  billig  zu 
nennen. 

2.  Orbis  antiqui  descriptio.  In  usum  scholarum  edidit  Th.  Me nk  e. 

Editio  quarta.  Gothae.  Sumtibus  Justi  Perthes.  Anno  MDCCCLXV. 
Tabul.  XVm.  —  1  fl.  75  Nkr.  in  Silber. 

Bei  der  geringen  Auswahl  von  Atlanten,  welche  für  das  Studium 
der  Geographie  und  Geschichte  des  Alterthums  empfohlen  zu  werden  ver- 
dienen, glauben  wir  nur  im  Interesse  des  Schulunterrichtes  zu  handeln, 
wenn  wir  die  Aufmerksamkeit  der  Lehrer  auf  die  neueste  Auflage  dieses  Atlas 
lenken.  Herr  Th.  Menke,  welcher  behufs  der  Herausgabe  einer  neuen  Auflage 
von  Spruner's  Atlas  antlquus  in  umfassender  Weise  die  besten  Hilfsmittel  « 
zu  Bathe  gezogen,  hat  eine  neue  Revision  dieses  Atlas  in  einer  Weise  vor- 
genommen, dass  die  4.  Auflage  desselben  als  eine  wesentlich  verbesserte 
erscheint.  Die  Reichhaltigkeit  des  Materials  sowol  in  der  Angabe  der  Orte 
als  auch  der  politischen  Grenzen  nach  den  verschiedenen  Perioden  dürfte 
geeignet  sein,  allen  Wünschen  zu  entsprechen,  welche  sowol  bei  dem  Ge- 


Elementar- Atlas  v.  Steinhauser,  ang.  v.  J,  Ptaschnik,      7  74 

schichtsonterrichte  als  auch  beim  Lesen  der  Classiker  gestellt  werden.  Der 
feine  Stich,  die  gefällige  Colorierung,  verbunden  mit  einer  deutlichen,  leicht 
lesbaren  Schrift,  die  noch  durch  die  äussere  Unterscheidung  des  wichtigen 
Yon  dem  minder  wichtigen  gehoben  wird,  sind  Eigenschaften,  welche  einem 
Schul-Atlas  zur  Empfehlung  gereichen. 

3  Atlas  für  die  erste  Stufe  des  geographischen  Unterrichts  in 
den  österreichisch- deutschen  Schulen,  entworfen,  bearbeitet  und  mit 
Text  versehen  von  Anton  Steinhauser,  k.  k.  Rath.  3.  Heft.  10 Karten 
zur  besonderen  Erdbeschreibung.  Wien,  Artaria  &  Comp.,  1866.  — 
1  fl.  ö.  W. 

Um  vielfachen  Wünschen  nachzukommen,  haben  die  HH.  Autor  und 
Verleger  sich  entschlossen,  die  Grenzen  des  ursprünglichen  Programms 
dahin  zu  ändern,  dass  noch  ein  drittes  und  viertes  Heft  als  Nachtrag  folgen 
sollen.  Das  vorliegende  3.  Heft  enthält  10  Karten  zur  besondem  Beschrei- 
bung der  fünf  Erdtheile  und  zwar  mit  Ausnahme  der  Karten  von  Afrika 
und  Australien,  welche  auf  je  einem  Blatte  die  physische  und  politische 
Uebersicht  enthalten,  je  zwei,  eine  physische  und  politische  Karte  für  jeden 
einzelnen  Erdtheil.  Die  Genauigkeit  in  der  Zeichnung,  die  Sorgfalt  in  der 
Ausführung  sind  Eigenschaften,  welche  auch  diese  Karten  in  gleicher  Weise 
auszeichnen,  und  die  Karte  von  Afrika  beweist  insbesondere,  mit  welcher 
Gewissenhaftigkeit  die  neuen  Forschungen  benützt  wurden.  Die  Begleit- 
worte (7  Bl.)  enthalten  eine  Fortsetzung  der  methodischen  Winke,  welche 
auf  den  Inhalt  und  Zweck  der  Karten  Bezug  haben.  Der  Preis  ist  1  fl. 
ö.  W.  flir  10  Blätter  geb.  nebst  Text.  Einzeln  jede  Karte  10  kr.  ö.  W. 

Wien.  J.  Ptaschnik. 


Die  Lehre  von  den  elliptischen  Integralen  und  den  Thetaftinc- 
tionen.  Von  K.  H.  Sc  he  Hb  ach.  Berlin,  Georg  Reimer,  1864.  X  u. 
472  S.  -  2  Thlr. 

Das  vorliegende  Werk  führt  den  Leser  in  die  Lehre  von  den  ellip- 
tischen Functionen  von  einem  andern  Ausgangspuncte  ein,  als  es  die  bis- 
herigen DarsteUungen  dieser  wichtigen  mathematischen  Disciplin  zu  thun 
pflegten.  Es  würde  uns  auffallen,  wenn  jemand  die  Lehre  von  den  periodi- 
schen Functionen  nicht  mit  der  directen  Untersuchung  der  Eigenschaften 
dieser  selbst,  sondern  mit  einer  Discussion  der  cyclometrischen  oder  Kreis- 
functionen  beginnen  und  aus  den  Eigenschaften  dieser  die  der  ersteren  ab- 
leiten würde.  Und  dieser  Gang  wäre,  wenigstens  zu  Anfang  der  Ent- 
wickelung  dieser  Lehre,  eingeschlagen  worden,  wenn  wir  der  Integral- 
rechnung ihren  Ursprung  zu  verdanken  hätten,  wie  dies  mit  der  Lehre 
von  den  doppelt  periodischen  Functionen  der  Fall  ist.  Die  Lehrbücher 
der  Integralrechnung  müssen  zuerst  die  sich  von  selbst  darbietenden  ellip- 
tischen Integrale  discutieren ,  um  dann  die  Gelegenheit  zu  gewinnen,  von 
diesen  auf  die  inversen  Functionen  überzugehen.  Es  lassen  sich  aber  letz- 
tere sämmtlich  durch  eine  von  Jacobi  eingeführte  Function,  Thetafunc- 
tion   genannt,  ausdrücken.   Diese  wird  nun  in  dem  vorliegenden  Werke 


748  ScheUbach,  EUipt.  Integrale,  ang.  v.  J.  Stefan. 

zuerst  entwickelt,  und  aus  ihr  werden  dann  die  doppelt  periodischen  Func- 
tionen gebildet  und  ihre  Eigenschaften  abgeleitet.  Das  Werk  selbst  besteht 
aus  zwei  Theilen,  einem  theoretischen  und  einem  Anwendungen  enthalten- 
den. In  dem  letzteren  werden  behandelt:  die  Oberfläche  des  EUipsoides 
des  schiefen  Kegels,  die  geodätische  Linie,  das  sphärische  Pendel  und  die 
Drehung  eines  festen  Körpers  um  einen  festen  Punct. 

Ein  solcher  Name,  wie  der  des  Herrn  Verfassers,  macht  es  wol  über- 
flüssig, über  die  Vorzüge  des  Werkes,  sowol  was  die  Menge  und  Neuheit 
des  darin  Gebotenen,  als  auch  was  die  Klarheit  und  Eleganz  der  Darstel- 
lung betriflFt,  zu  reden.  Es  mag  nur  auf  einen,  der  sich  nicht  von  selbst 
versteht,  aufmerksam  gemacht  werden,  der  liegt  in  den  zahlreichen  numerisch 
berechneten  Beispielen,  welche  am  besten  geeignet  sind,  deii  Lernenden 
mit  der  Bedeutung  der  entwickelten  Lehren  vertraut  zu  machen.  Allen 
Freunden  der  mathematischen  Wissenschaft  sei  dieses  Werk  hiemit  aufs 
beste  empfohlen. 

Wien.  J.  Stefan. 


Literarische  Notiz. 

Globus,  iüustrierte  Zeitschrift  für  Länder-  tmd  Völkerkunde,  Chro- 
nik etc.  In  Verbindung  mit  Fachmännern  und  Künstlern  herausgegeben 
von  Karl  Andree.  Hildburghausen,  Verlag  des  bibliographischen  Instituts, 
1865.  Bd.  VIII.  Lieferung  1-5. 

Der  Globus  fährt  fort,  unter  den  vielen  Zeitschriften,  welche  die 
unterhaltende  Seite  des  Wissens  betonen,  eine  hervorragende  Stellung  ein- 
zunehmen. Wir  haben  schon  gelegentlich  einer  früheren  Besprechung  mit 
Freude  hervorgehoben,  wie  diese  Zeitschrift  die  Mannigfaltigkeit  der  geo- 
graphischen Kenntnisse  wiederzugeben  sucht.  Doch  nicht  allein  hiedurch 
bemüht  sich  der  Globus  sich  einen  möglichst  weiten  Leserkreis  zu  sichern 
er  versucht  es  auch ,  den  Lesern  des  verschiedensten  Alters  etwas  zu  bieten 
indem  seine  Aufsätze  die  vielfachen  Nuancen  von  der  ünterhaltungslecture 
bis  zur  wissenschaftlichen  Arbeit  durchlaufen.  So  wird  es  auch  jedenfalls  der 
Zeitschrift  zum  Vortheil  gereichen,  dass  die  Anzahl  der  Verfasser,  die  sich 
nennen,  um  ein  bedeutendes  gestiegen  ist,  z.  B.  Berlepsch,  „die  Sprachen 
und  Mundarten  der  Schweiz",  Emil  Schlagintweit,  „geschichtliche  Entwick- 
lung des  indischen  Kastenwesens",  Leist,  „die  Zigeuner  in  den  Süddonau- 
ländem'*  u.  a.  Der  Aufsatz  „die  Alharabra**  mit  den  beigegebenen  Illustra- 
tionen des  genialen  Dore  geben  neuerdings  Zeugnis,  welch  hohen  Werth 
die  Bedaction  auf  gute  Holzschnitte  le^,  und  wie  viel  man  heute  auf 
diesem  Gebiete  zu  leisten  im  Stande  ist.  In  einem  Aufsatze  „der  Goldreich- 
thum  Australiens"  finden  wir  den  ersten  Band  des  statistisch-commerciellen 
Theiles  der  Beschreibung  der  Novara-Reise,  von  Dr.  Scherzer  herausgegeben, 
sorgfältig  verwerthet,  eine  Quelle,  der  Übrigens  mit  vielem  1^1^  ge- 
dacht wird,  doch  zugleich  mit  einem  Tadel  der  unnütz  prächtigen  Aus- 
stattung. —  Wir  können  diese  Zeitschrift  wieder  mit  gutem  Gewissen  Leh- 
rern und  Schülern  empfehlen. 


Vierte   Abtheilung. 


Miscellen* 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  germanistischen 
Section  der  24.  Philologenversammlung  inHeidelberg. 

Nach  dem  Schlüsse  der  ersten  allgemeinen  Sitzung  begaben  sich 
die  Mitglieder  der  germanistischen  Section  in  das  fUr  sie  bestimmte  Zimmer. 
Professor  W.  Wattenbach  aus  Heidelberg  begrüM  in  Vertretung  des 
durch  Krankheit  verhinderten  Vorsitzenden  Hofrath  Professor  A.  Holtz- 
mann  die  Versammlung  und  übergibt  dem  in  Hannover  zum  zweiten  Vor- 
sitzenden gewählten  Dr.  Max  Rieger  die  Leitung  der  Verhandlungen. 
Dieser  veruest  die  Statuten  der  ^ction,  vrährend  die  Mitglieder  ihre 
Namen  in  das  Denkbuch  einzeichnen '),  und  schlägt  als  stellvertretenden 


')  Die  Namen  der  43  eingezeichneten  Theilnehmer  sind  in  alphabetischer 
Reihe  folgende:  Dr.  AUeux,  Studienlehrer  aus  Hof.  —  Dr.  August 
Barack,  fürstl.  Fürstenbergischer  Bibliothekar  in  Donaueschingen. 

—  Professor  K.  Bartsch  aus  Rostock.  —  Th.  Becker,  Hofrath 
'und  Gymnasiallehrer  in  Dannstadt.  —  Professor  Bergmann,  Decan 

der  Uterär.  Facultät  zu  StralÜsburg.  —  Dr.  Wilh.  Crecelius,  Gym- 
nasiallehrer aus  Elberfeld.  —  Professor  Theodor  Creizenach  aus 
Frankfurt  a.  M.  —Professor  Dr.  Franz  Dietrich  aus- Marburg.  — 
Pfarrer  G.  Th.  Dithmar,  Gymnasiallehrer  in  Marburg.  —  Dr. 
Heinrich  D ü n t z e r ,  Bibliothekar  in  Köln.  —  A.  Emmert,  Studien- 
lehrer in  Speier.  —  Dr.  0.  Gerhard,  Gymnasialoberlehrer  aus 
Wetzlar.  —  Dr.  Rudolf  Hildebrand,  Gynmasiallehrer  aus  Leipzig. 

—  Ho  ff  mann  von  Fallersleben,  vom  Schloss  Corvey.  —  Prof.  Dr. 
W.  Ludwig  Holland  aus  Tübingen.  —  Prof.  Dr.  Ad.  v.  Keller 
aus  Tübingen.  —  Dr.  Reinhold  Köhler,  Bibliothekar  in  Weimar. 

—  Dr.  Lemcke,  Prof.  der  abendländ.  Literatur  in  Marburg.  —  Prof. 
Felix  Lieb  recht  aus  Lüttich. —  Dr.  August  Lübben,  Gymnasial- 
lehrer in  Oldenburg.  —  Dr.  Wilhelm  Mannhardt,  Privatdocent, 
derzeit  in  Danzig.  —  Dr.  Rudolf  Menzel  aus  Dresden.  —  Prof. 
Wilh.  Müller  aus  Göttingen.  —  Prof.  Dr.  Adolf  Mussaf  ia  aus 
Wien.  —  Lehramtspracticant  Neff  aus  Heidelberg.  —  A.  Nu  seh, 
Studienlehrer  aus  Dürkheim.  —  Prof.  Dr.  Pabst,  aus  Bern.  — 
Gymnasiallehrer  Petters  aus  Leitmeritz.  —  Prof.  Dr.  Franz 
Pfeiffer  aus  Wien.  —  Dr.  Max  Rieger  aus  Darmstadt.  — 
Archivsecretär  Dr.  Franz  Roth  aus  Frankfurt  a.  M.  —  Dr.  Ruth, 
Privatdocent  in  Heidelberg.  —  Dr.  J.  V.  Scheffel  von  Karlsruhe. 

—  Dr.  jur.  et  phiL  Job.  Scherrer  ans  Heidelberg.  —  Prof.  Dr. 
Schnitzer  aus  Ellwangen.  —  Gymnasiallehrer  Ludwig  Sieber 
ans  BaseL  —  Prof.  Karl  Simrock  aus  Bonn.—  Prot  Dr.  Stein- 

Zei'uchtlft  L  d.  österr.  Oymn.  186».  X.  Heft.  51 


750  Miscellen. 

Vorsitzendon  Professor  Creizenach  aus  Frankfurt,  als  Schriftführer  Dr. 
Barack  und  Dr.  Weis  mann  vor.  Die  Vorschläge  erhalten  die  Zustim- 
mung der  Versammelten  und  nach  Verlesung  der  eingeschriebenen  Namen 
wird  die  constituierende  Sitzung  geschlossen. 

Erste  Sitzung.  28.  September, 

Der  erste  Gegenstand  der  Tagesordnung  war  eine  'Mittheilung  des 
Dr.  W.  Mannhardt  aus  Berlin:  Ueher  Gründung  eines  Queüenschatzes 
der  aermanischen  Volksüberlieferung\  Der  Redner  deutet  darauf  hin,  zu 
welch  wichtigen  Ergebnissen  die  Sammlungen  zur  deutschen  Mythologie 
seit  J.  Grimmas  Darstellung  der  Grundzüge  des  alten  Glaubens  bis  jetzt 
schon  geführt  haben.  Die  Forschung  finde  hier  in  den  Resten  alter  Cultur- 
stufen  einen  so  reichen  Stoff  wie  in  der  Naturwissenschaft;  die  Methode 
der  wissenschaftlichen  Verarbeitung  sei  aber  nicht  historisch  genug.  Es 
handle  sich  um  eine  vollständige  Geschichte  der  Ueberlieferung;  es  dürfen 
keine  Lücken  gelassen  werden,  weil  sonst  der  Forschung  wesentliche 
Mittelglieder  entzogen  bleiben  könnten.  Man  müsse  den  vollständigen 
Quellenschatz  der  gennanischen  Volksuberlieferung  zusammentragen,  der 

fewissermaX^n  eine  Ergänzung  der  Monumenta  Germaniae  historica  zu 
ilden  hat.  Redner  hat  bereits  vor  11  Jahren  mit  dem  für  unsere  For- 
schung leider  zu  früh  verblichenen  J.  W.  Wolf  an  die  Gründung  eines 
Vereines  zu  diesem  Zwecke  gedacht  und  in  den  Vorreden  zu  seinen  Werken : 
'  Germamsche  Mythenforschungen^  und  'Die  GötierweU  der  deutschen  und 
nordischen  Völker*  Andeutungen  darüber  geliefert. 

Dr.  Mannhardt  ist  gegenwärtig  mit  der  Sammlung  der  agrarischen 
Sitten  und  Gebräuche  beschäftigt,  einem  Stoffe,  der  gewiss  Aussicht  auf 
rege  aUgemeine  Theilnahme  hab^n  kann  und  dessen  hone  Wichtigkeit  sich 
längst,  z.  B.  an  dem  bekannten  Vergödendel,  dem  'Antheile  des  Herrn 
Godan  (Wuotan)'  dargestellt  hat.  Von  besonderem  Interesse  ist  die  mehr- 
fache Begegnung  zwischen  deutschen  und  fremdländischen  Sitten  beim 
Ackerbaue ;  die  Verfolgung  aller  Spuren  muss  zu  merkwürdigen  Aufschlüssen 
über  die  ältesten  Zeiten  führen.  Gerade  in  diesem  Gebiete  müssen  wol  die 
Gebräuche  an  ihren  Fundorten  genuin,  nicht  etwa,  was  sich  in  anderen 
Fällen  nachweisen  lässt,  durch  die  Literatur  eingeführt  sein.  —  Die  ganze 
Arbeit  soll  in  zwei  Theile  zerfallen,  der  erste  den  Stoff  in  ethnographisch- 
geographischer Ordnung,  von  Gau  zu  Gau,  Ort  zu  Ort  enthalten,  der  zweite? 
die  wissenschaftlichen  Ere^ebnisse.  — Wie  wunderseltsam  manche  agrarischen 
Gebräuche  sind,  stellt  der  Redner  aus  der  Gegend  von  Danzig  dar.  Die 
Magd,  welche  die  letzte  Garbe  gebunden  hat,  bekommt  eine  daraus  ge- 
bildete Puppe,  den  Bankart  (d.  i.  Bankert);  diese  wird  wie  ein  hilfloses 
Kind  behandelt,  das  anderwärts  auch  eanz  ähnlich  Hörkind  heifst.  Das 
Getreide  erscheint  wie  ein  dämonisches  Kind,  die  Ernte  als  die  Vollendung 
der  Geburt  des  Jahres.  Der  Redner  hat  eine  groXse  Reihe  einschlägiger 
Fragen  zusammengestellt  und  bereits  70.000  Exemplare  seiner  HugbMtter 
verschickt,  an  Gymnasien,  historische  und  landwirthschaftliche  Vereine 
p.  8.  w.^)  Auch  den  Gegner  Deutschlands  hat  er  sich  zinsbar  gemacht: 
in  Graudenz  hat  er  dänische  ICriegsgefangene  systematisch  in's  Verhör  ge- 
nommen und  schätzbare  Mittheilungen  erhalten.  —  Zum  Schlüsse  dankt 
Dr.  Mannhardt  für  die  ihm  bisher  in  reichem  Mafsc  zu  Theil  gewordene 

thal  aus  Berlin.  —  Dr.  H.  ülbrich  aus  Frankfurt  a.  M.  — 
Gymnasiallehrer  Dr.  H.  Weis  mann  aus  Frankfurt  a.  M.  —  Prof. 
Werner  aus  Braunschweig.  —  Privatdocent  Dr.  Hugo  Wislicenus 
aus  Zürich.  —  Stud.  Ernst  Wülcker  aus  Frankfurt  a.  M. 
')  Wir  dürfen  nicht  unterlassen,  im  Namen  unseres  eifrigen  und  tüch- 
tigen Forschers  die  dringendste  Bitte  um  reiche  Beiträge  an  alle 
Kenner  des  Volkslebens  in  den  Ländern  Oesterreichs  zu  richten.  Die 
Zusendungen  mögen  adressiert  werden:  Dr.  Wilh.  Mannhardt  in 
X>anzig,  HeomarKt  5. 


Miscellen.  751 

Förderung  und  bittet,  die  Section  möge  sein  Unternehmen  dem  Plenum 
der  Philologenversammlung  empfehlen,  damit  diese  den  Schulmännern  die 
Sache  dringend  an's  Herz  lege. 

Präsident  Creizenach  dankt  dem  Redner  für  seinen  anregenden 
Vortrag  und  empfiehlt  sein  Unternehmen  der  thätigsten  Förderung  der 
Versammlung. 

Hierauf  nimmt  Professor  Bartsch  aus  Rostock  das  Wort,  um  im 
Namen  der  in  Hannover  gewählten  Commission  über  die  Angelegenheit  des 
niederdeutschen  Wörterbuches  Bericht  zu  erstatten. 

Nach  den  durch  den  Redner  von  Prof.  A.  Höfer  in  Greifswald  ein- 
geholten, wie  auch  von  letzterem  in  Pfeiflfer's  Germania  gelieferten  Auf- 
schlüssen über  die  Handschrift  von  Kosegarten's  Wörterbuche  ist  nun  die  Ge- 
wissheit vorhanden,  dass  diese  vortreffliche  Grundlage  eines  niederdeutschen 
Wörterbuches  in  zwei  Monaten  an  Ort  und  Stelle  (in  Greifswald)  recht 
wohl  ausgenutzt  werden  kann.  Es  handelt  sich  also  nur  noch  darum,  einen 
Gelehrten  zu  finden,  welcher  mit  aller  nöthigen  wissenschaftlichen  Tüchtig- 
keit ausgerüstet,  sich  die  Herstellung  des  Wörterbuches  zur  Lebensaufgabe 
machen  will.  Die  jedenfalls  sehr  bedeutende  Arbeit  kann  mit  Sicherheit 
auf  die  wärmste  Theilnahme  und  Unterstützung  rechnen.  Bartsch  erklärt 
z.  B.,  dass  der  Grofsherzog  von  Mecklenburg -Schwerin  das  lebhafteste 
Interesse  dafür  besitzt,  und  dass  man  gleiches  vom  Könige  von  Hannover 
hört.  Auch  wissenschaftlich  wird  das  Unternehmen  in  Mecklenburg  gefordert 
werden ;  so  stellt  Dr.  Karl  Schiller  in  Schwerin,  bekannt  durch  seine  werth- 
vollen  Schriften:  *Zum  Thier-  und  Kräuterhuche  des  mecklenburgischen 
Volkes\  seine  reichen  Sammlungen,  die  sich  auch  auf  die  alten  Sprach- 
denkmäler erstrecken,  bereitwilligst  zur  Verfügung.  Da  nun  die  Commis- 
sion (bestehend  aus  den  Professoren:  W.  Müller  m  Göttingen,  A.  Höfer 
in  Greifewald  und  K.  Bartsch  in  Rostock)  die  gewünschten  Schritte  gethan 
hat,  um  Kosegarten's  Nachlass  für  die  deutsche  Lexikographie  nutzbar  zu 
machen,  so  erklärt  sich  die  Commission  nunmehr  ihres  Manaates  entbunden. 

Hierauf  macht  Director  Dr.  Ludwig  Linden  seh  mit  die  versam- 
melten Gäste  aufmerksam  auf  die  übersichtliche  Sammlung  deutscher  Alter- 
thümer  in  dem  von  ihm  verwalteten  römisch-germanischen  Museum  zu 
Mainz  und  zeigt  einen  der  neuesten  und  interessantesten  Runenfunde  in 
Abbildung  vor,  eine  Silberfibula  mit  Runenschrift  von  einem  alemannischen 
Todtenfelde  bei  Nordendorf  in  der  Nähe  von  Augsburg.  Hier  sei  ein  offen- 
barer Beweil  für  das  Vorkommen  alemannischer  Runen  im  6.  —  7.  Jhd. 
geliefert. 

Professor  Dietrich  aus  Marburg  (dessen  sorgfältige  Forschungen 
sich  seit  langem  mit  den  germanischen  Runen  beschäftigen)  knüpft  an  die 
Worte  des  Vorredners  eine  Reihe  von  andern  Mittheiluugen  una  einzelne 
Anfragen  über  deutsche  Runen  (ausser  Skandinavien). 

Eines  der  merkwürdigsten  Runendenkraäler  ist  das  Kreuz  von  Ruth- 
well in  England,  das  volle  vier  Seiten  Runenschrift  enthält  und  zwar 
ein  northumbrisches  Bruchstück  eines  von  Cynevulf  verfassten  Gedichtes. 
(Näheres  hierüber  in  der  Schrift  Dietriches:  "De  cruce  ButhweUenst  etc. 
Marbuj^,  Elwert  1S65.)  Bezüglich  eines  zweiten  englischen  Runendenkmales, 
eines  £^euzes  aus  dem  7.  Jhd. ,  wünscht  der  Redner  freundliche  Auskunft, 
wo  nämlich  die  hierüber  in  Newcastle  erschienene  Publication  aufzutreiben 
sein  könnte.  —  Schleswig-Holstein  gehören  mehrere  Runendenkmäler  an; 
bekannt  ist  besonders  das  goldene  Hörn  von  Tondern,  ein  altes  sächsisches 
Denkmal,  femer  ein  Goldbracteat  aus  Süd-Schleswig,  andere  Bracteaten  aus 
Kaschberg  (?),  eine  bronzene  Spange,  eine  Schildbuckel.  —  Ueber  den  Fund 
von  Dannenoerg  in  Hannover  hat  der  Redner  auf  der  letzten  Philologen- 
Versammlung  berichtet ;  die  Abhandlung  darüber  soll  nächstens  in  Pfeiffer's 
Germania  erscheinen.  —  Auch  der  Süden  hat  seine  Runen.  Bei  Dijon,  auf 
burgundischem  Boden,  ist  ein  grofses  Todtenlager,  von  Chlodwigs  Zeiten 
her,  auch  mit  christlichen  Emblemen  aufgedeckt  worden.  Die  Runen  der 
dort  gefundenen  fibula  gehören  dem  5.  Jhd.  an  und  durch  diese  Runen 
erscheinen  die  Hrabaniscnen  sogenannten  Tseudorunen'  gerettet.   Höchst 

51* 


752  Miscellen. 

werthvoll  siud  femer  die  22  GoldgefäÜBe  des  Banater  Fundes  (aus  der 
2.  Hälfte  des  5.  Jhdts.) ,  die  in  Runenschrift  die  Namen  der  Besitzer  und 
der  Anfertiger  enthalten  (so  mehrmals  den  Namen  Gundivakrs;  ein  ahd. 
Gundowacar  ist  von  Förstemann  im  Namenbuch  1,  562  vemiuthet.  Offen- 
bar sind  die  Formen  Gundacar,  Gundachar,  Gundecar,  Gundichar  u.  s.  w. 
nicht  mit  Gundhar,  Gunthar  für  identisch  zu  erklären,  den  ersteren  liegt 
ein  goth.  vakrs,  den  letzteren  harjis  zu  Grunde,  vgl.  Namenb.  1,  12& 
VACAR).  —  Auch  bei  Verona  ist  ein  Runeudenkmal  gefunden  worden,  ein 
Bronzestab  mit  25  Runen,  den  man  für  Theodorichs  Schwert  gehalten  hat; 
die  Abzeichnung  desselben  in  Peringskjölds  Vüa  Theodorici  ist  jedoch 
sicher  ungenau  und  die  Runen  sollten  neuerdings  veröffentlicht  werden. 
£iner  Aufklärung  bedürfe  auch  der  in  mehreren  Blättern  gemeldete  Runen- 
fund  von  Robenhausen  in  der  Schweiz  (wo  im  Torfmoore  groflsartige  Pfahl- 
bauten entdeckt  worden  sind),  nämlich  zwei  Basaltkegel  mit  Runenschrift  *). 

Dr.  J.  V.  Scheffel  (beiläufig  bemerkt,  der  Dichter  des  Ekkehard 
und  des  Trompeters  von  Säckingen)  sieht  sich  hier  bedrängt,  dem  Redner 
augenblicklich  eine  freilich  sehr  unwillkommene  Aurklärung  zu  geben.  Er 
sei  auf  die  Nachricht  von  dem  höchst  interessanten  Funde  soeleich  nach 
Robenhausen  gefahren,  habe  aber  auf  alle  seine  Nachfragen  nichts  anderes 
als  Grobheiten  bekommen;  die  ganze  Sache  sei  eine  Mystification. 

Nach  dieser  komischen  Unterbrechung  kommt  Prof.  Dietrich  zum 
Schlüsse  seines  Vortrages.  Trotz  dieser  Übeln  Mystification  von  Roben- 
hausen haben  wir  eine  schöne  Reihe  deutscher  Runendenkmäler;  die  Zeit 
vom  4.  —  6.  Jhd.  sei  besonders  reich  an  Goldbractcaten.  Während  nicht- 
deutsche Regierungen  diesen  so  ungemein  werth vollen  Alterthtimem  die 
fi^ebührende  Aufmerksamkeit  widmen^),  hat  sich  bisher  noch  keine  einzige 
aeutsche  Regierung  der  Sache  angenommen  und  unsere  Akademien  machen 
sich  eher  um  alle  möglichen  fremden  Inschriften  verdient  als  um  unsere 
einheimischen  deutschen. 

Präsident  Creizenach  zeigt  der  Section  an,  dass  an  dieselbe  zwei 
Schriften  von  Professor  F.  G.  Bergmann  aus  Strafsburg  gelangt  sind,  be- 
titelt: 'V  unüi  de  V  espece  huntame  et  laplunüUe  des  langties  primitives 
und  'De  V  unite  de  la  compositum  grammaticäle  et  syntcu^ique  datis  les 
differentes  famüles  de  langues' \  hierauf  bringt  der  Präsident  nachträglich 
Mannhardt*s  Unternehmen  nochmals  zur  Sprache.  Wie  sehr  auch  vereinzelte 
Beobachtungen  durch  Anschluss  an  andere  bedeutsam  werden  können,  stellt 
er  an  einer  von  ihm  in  England  beobachteten  Sitte  dar.  Nach  einer  kurzen 
Debatte  einigt  sich  die  Versammlung  zu  dem  Beschlüsse,  die  Angelegenheit 
nicht  geradezu  der  Plenarversammlung  zu  empfehlen,  sondern  bei  der  Ver- 
öffentlichung der  Verhandlungen  nachdrücklich  auf  die  Bedeutung  von 
Mannhardt's  Werk  aufmerksam  zu  machen. 

Zweite  Sitzung,  29.  September. 

Mit  Rücksicht  auf  die  'allgemeine*  Sitzung,  die  um  10'/,  Uhr  be- 
ginnen sollte,  und  das  Interesse  der  römisch-griechischen  Philologen  kam 
zuerst  der  Vortrag  des  Professors  K.  B  a  r  t  s  c  h  aus  Rostock  über  den 
satwmischen  und  altdeutschen  Vers  an  die  Reihe  *). 


*)  Vgl.  Anzeiger  f.  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1865,  Sp.  255. 

*)  So  hat  z.  B.  der  schwedische  Staatsausschuss  1863  1500  Thaler  für 
Aufsuchung  und  Abzeichnung  von  Runensteinen  und  2000  Thaler 
zum  Ankaufe  des  von  Professor  Stephens  herausgegebenen  Werkes 
über  die  alten  Runeninschriften  von  Skandinavien  und  England 
bewilligt. 

^)  Es  sei  mir  gestattet,  meine  lückenhaften  Aufzeichnungen  hierüber 
durch  das  sorgfältige  Referat  der  Kölnischen  Zeitung  (Nr.  274, 
3.  October  1865),  das  der  Feder  Dr.  Heinrich  Dflntzer^a  entstammt, 


ZU  ersetzen. 


Miscellcn  753 

Prof.  Bartsch  ist  durch  eingehende  Studien  über  das  System  der 
deutschen  Metrik  zu  einem  höchst  bedeutungsvollen  Resultate  gelangt,  näm- 
lich zu  der  üeberzeugung,  dass  der  Versus  saturnius  mit  dem  altdeutschen 
Verse  wesentlich  nur  eine  rhythmische  Form  bilde  und  beide  ursprünglich 
aus  acht  Hebungen  bestehen ;  dass  femer  der  griechische  Hexameter  wie  der 
indische  Slokas  den  erstgenannten  Versen  ursprünglich  verwandt  und  alle 
vier  auf  eine  gemeinsame  indoeuropäische  Grundform  zurückzuführen  sind. 

Was  die  Auffassung  des  satumischen  Versmai^s  betrifft,  so  stimmt 
Prof.  Bartsch  der  Darstellung  von  Prof.  Ritschi  bei  Wenn  der  romische 
Dichter  zwar  den  Accent  mit  der  Vershebung  in  Einklang  zu  bringen 
suche,  aber,  wo  dies  nicht  angehe,  eine  Verletzung  des  Accentes  sich  er- 
laube, in  der  zweiten  Vershalfte  weniger  als  in  der  ersten,  so  fordere  der  alt- 
deutsche Vers  auch  das  Zusammenfallen  von  Hebung  und  Woitaccent,  lasse 
aber  dafür  manche  Abweichungen  von  der  prosaischen  Betonung  zu.  Der 
satumische  Vers  löse  auch  die  Länge  selbst  in  dem  Vorschlage  in  zwei 
Kürzen  auf,  der  altdeutsche  dagegen  lasse  dies  nur  im  Vorschlage  zu,  wo 
sich  sogar  drei  Kürzen  fanden.  Eme  Verletzung  der  Cäsur  in  der  Vers- 
mitte gestatte  der  satumische,  nicht  aber  der  altdeutsche  Vers.  In  der 
Freiheit  der  Auslassung  der  Senkungen  stimmten  beide  Verse  überein, 
ja  auch  die  Griechen  kannten  solche,  da  die  Grammatiker  von*leeren  Zeilen' 
redeten.  Dass  der  Vorschlag  des  Verses  fehlen  könne,  dafür  spreche  der 
altdeutsche  Vers  und  es  sei  dies  um  so  wahrscheinlicher,  als  bei  dem 
ursprünglich  zum  Gesänge  bestimmten  Satumius  die  Hebungen  das  eigent- 
liche Gerüste  seien,  worauf  alles  ankomme.  In  jeder  Hälfte  des  Verses 
könne,  wie  auch  Ritschi  will,  eine  Senkung  ausfallen ;  indes  geschehe  dies 
in  der  ersten  Hälfte  nach  der  ersten  Hebung,  in  der  zweiten  nach  der 
zweiten.  Aber  auch  der  gewöhnlich  als  dritter  Fufs  geltende  Schluss  bei- 
der Hälften  enthalte  je  zwei  Füfse,  zwei  Hebungen  nämlich,  hinter  wel- 
chen die  Senkungen  weggefallen  seien.  So  bestehe  denn  der  satumische  Vers 
eigentlich,  wie  der  altdeutsche,  aus  acht  Hebungen  und  entspreche  diesem  ^nz. 

Dr.  Düntzer  aus  Köln  erklärt  sich  entschieden  gegen  die  vom  Vor- 
redner gegebene  Darstellung  des  satumischen  Verses ;  die  jetzt  geltende  Auf- 
fassung sei  vermehrt.  Die  kteinischen  Grammatiker  wissen  nichts  von  einer 
Auslassung  der  Senkung,  wie  auch  bei  den  Griechen  nichts  der  Art  sich 
finde.  Der  satumische  Vers  sei  eine  Verdopplung  des  kleinen  Verses,  den 
man  im  Liede  der  Fratres  arvales  hat :  Enos  Loses  iuvate.  Die  Grabschrift 
auf  den  Dichter  Nävius  bestehe  aus  regelmäfsie^en  sechsfürsigen  Versen 
ohne  Unterdrückung  von  Senkungen.  Aus  den  Tetzen*  des  Livius  und 
Nävius  lasse  sich  alles  machen.  Dass  uns  auch  die  alten  Inschriften  den 
altrömischen  Vers  darbieten,  müsse  erst  bewiesen  werden.  Man  habe  sich 
durch  gewisse  Puncte  und  Lücken  in  den  Inschriften  nach  Niebuhr's  Vor- 
gang zur  Annahme  von  Absätzen  im  Verse  verleiten  lassen,  was  ganz 
verkehrt  sei;  die  unzweifelhaft  prosaischen  Inschriften  zeigen  nämlich 
diese  Zeichen  auch,  die  weiter  nichts  seien  als  starke  Interpunctionen. 
Auch  Altmeister  Böckh  wolle  von  der  Unterdrückung  der  Senkungen  nichts 
wissen  und  lasse  in  den  besprochenen  Inschriften  nichts  als  einen  metrischen 
Anlauf  gelten.  Die  vier  Verse,  deren  ursprüngliche  Gleichheit  von  Prof. 
Bartsch  oehauptet  worden ,  müssen  als  selbständige  nationale  Formen  be- 
trachtet werden. 

Gegen  die  Bemerkungen  von  Dr.  Düntzer  wendet  sich  hierauf  Dr.  Fr. 
Bücheier  aus  Freiburg  i.  IB.  mit  der  gleich  entschiedenen  Erklämng,  er 
sei  mit  dem  Vorredner  m  allen  Puncten  —  nicht  einverstanden.  Die  übrigen 
Vertreter  der  classischen  Philologie,  die  den  Vortrag  von  Prof.  Bartsch 
mit  ihm  angehört  hätten,  seien  mit  der  Methodik  desselben  in  Ueberein- 
stimmung;  er  selbst  habe  bereits  in  ganz  ähnlicher  Weise  sich  über  den 
Satumius  in  einer  Besprechung  der  Monumenta  priscae  latinitatis  geäufsert^. 


Vgl.  Bücheler's  und  A.  Spengel's  Abhandlungen  über  den  satumi- 
schen Vers  in  den  Jahn'schen  Jahrbüchem  1863,  S.  320  ff.  und  im 


Philologus  23.  Band,  1.  Heft. 


754  Miscellen. 

Der  nächste  Vortrag  von  Prof.  Dr.  Bergmann  aus  Strafsburg  hatte 
die  Deutunq  der  Namen  Germanen  und  Deutsche  zum  Gegenstande, 
(üeber  den  Warnen  Germani  sprach  im  vorigen  Jahre  Dr.  Mahn  aus  Berlin 
8.  Gymn.  Z.  1864  S.  869.) 

Mit  derselben  Zuversicht,  mit  welcher  man  heute  die  Erklärung  dfö 
Namens  Germanen  aus  dem  Deutschen  abweist,  spricht  sich  der  Redner 
gegen  die  keltische  Deutung  aus;  er  sieht  in  Germani  nur  das  lateinische 
Wort  Den  Namen  legten  sich  nach  Dr.  Bergmannes  Ansicht  die  Tungem 
bei,  um  leichtere  Aufnahme  in*s  römische  Gebiet  zu  finden,  wie  aus  dem 
zweiten  Capitel  von  Tacitus'  Germania  deutlich  hervorgehe,  wo  ob  metum 
die  Furcht  der  einwandernden  Tungem  vor  den  Römern  und  Kelten  bezeichne. 
Die  Furcht  bewog  die  Tungem  sich  Stammverwandte  der  Trevirer  zu  nennen, 
die  Römer  gebrauchten  den  Namen  nicht  ohne  Ironie.  Das  Etymon  von 
deutsch,  diutisc  sei  im  skythischen  tavitiy  Herd,  zu  erkennen,  welches  Wort 
weiter  noch  die  Bedeutung  Familie,  Göttin  der  Familie  erhalten  habe; 
deutsch  sei  somit  national  im  Gegensatz  zum  Fremden.  Das  Suffix  des 
Wortes  sei  mit  dem  lateinischen  -esco  von  senesco  und  dem  griechischen 
"laxog  der  Deminutiva  identisch.  Sprache,  Religion  und  Sitte  zeigen  nach 
Dr.  Bergmannes  Ansicht,  dass  die  Skythen  Herodots  die  Ahnen  der  Deut- 
schen seien ,  die  deutsche  Forschung  müsse  weiter  hinauf  in's  Alterthum 
dringen  als  bisher;  Tacitus  und  Herodot  seien  herrliche  Fundgraben  unserer 
alten  Geschichte.  Alle  skythisch-getischen  Sprachreste  seien  organisch  aus 
deutschem  und  slavischem  Sprachmateriale  zu  erklären,  wovcm  der  Redner 
an  einem  skythischen  Worte  (hexampaios,  Bezirk  mit  einem  Bjreuzwege 
und  heiligem  Quell,  verwandt  mit  goth.  vigs.  Weg,  skr.  samä,  Begegnung 
und  goth.  veihs,  heilig)  eine  Probe  liefert. 

Dr.  Rieger  dankt  als  Vorsitzender  dem  Redner  für  den  ehrenden 
Besuch  aus  Frankreich  und  seine  Begeisterung  für  das  deutsche  Alterthum, 
hält  aber  dafür,  da  die  Sache  in  die  weitesten  Tiefen  der  Zeiten  sich  ver- 
liere, dass  eine  Debatte  darüber  aufgegeben,  und  die  übrige  Zeit  so  viel 
als  möglich  für  die  anderen  Vorträge  benutzt  werden  möge. 

Es  folgte  nun  der  angekündigte  Vortrag  des  Präsidenten  Theodor 
Creizenach:  lieber  die  ältesten  Spuren  Dante" s  in  der  deutschen  Litera- 
tur, der  eine  Fülle  interessanter  Einzelheiten  enthielt.  Aus  der  wohlgeord- 
neten Reihe  derselben  sei  nur  einiges  hervorgehoben. 

Niklas  von  Wyle,  Steinhöwel,  Albrecht  von  Eyb,  die  doch  von 
Petrarca  Kenntnis  haben,  verrathen  keine  Bekanntschaft  mit  Dante.  Der 
Geschichtschreiber  Baierns ,  Joh.  Aventinus,  bringt  die  erste  deutsche  Stelle 
über  Dante,  den  er  als  Humanisten  bezeichnet.  Flacius  Illvricus  fuhrt  den 
Dichter  unter  den  Zeugen  der  evangelischen  Wahrheit  auf  und  nennt  ihn 
den  heftigsten  Gegner  des  Pabstes.  Zinkgref  liefert  eine  Anekdote  aus 
Dante.  Höchst  interessant  sind  die  *Lectiones  memorabiles*  von  Wolfius 
vom  Ausgange  des  16.  Jhdts.,  hier  wird  Dante's  Muth  gerühmt,  zugleich 
aber  auch  seine  Neigung  zur  Mystik  getadelt. 

Besonderes  Aufsehen  machte  Dantc's  Monarchia,  welche  zuerst  im 
16.  Jhdt.  gedmckt  wurde.  Aus  ihr  erlangten  manche  Stellen  eine  grotäe 
Bedeutung.  So  fängt  die  goldene  Bulle  mit  einer  durch  Dante  zur  Geltung 
gebrachten  biblischen  Stelle  an;  KarVs  V.  Wahlsprach  *Plus  uUra  schliefst 
sich  wol  an  Dante's  Fii^  oltre  und  an  dessen  Anschauungen  von  der  andern 
Hemisphäre  an.  Dante  scheint  die  Versuche  der  Schifffahrer  zu  verdammen, 
wie  alles,  was  über  die  Grenzen  der  alten  Welt  hinaus  will.  Karl  V.  deutet 
mit  seinem  Wahlspruch,  der  auch  zwischen  zwei  Säulen,  d.  i.  den  Säulen 
des  Herkules  steht,  dass  er  über  jene  Grenzen  hinauszukommen  strebt. 

Wegele  hat  uns  die  Spuren  von  Dante*s  Aufenthalt  in  Frankreich 
nachgewiesen,  Creizenach  fuhrt  mehrere  Stellen  an,  die  auch  auf  einen 
Besuch  des  grofsen  Dichters  auf  deutschem  (lebiete  hinweisen  können. 
Dante's  Bildern  sei  in  der  Regel  der  Stempel  eigener  Anschauung  aufge- 
prägt. Er  vergleicht  die  Friesen  von  der  Scheide  mit  Nimrod ,  er  spricht 
von  Bibern  im  Lande  der  gefräfsigen  Deutschen,  von  dem  Schnitt  der 
Mönchskutten  in  Köln,  von  einem  Damme  bei  den  Flamändera. 


Miscellen.  755 

Die  erste  gute  üebersetzunff  aus  Dante  verdanken  wir  dem  viel- 
seitigen Andreas  Gryphins.  Gottsched  kennt  das  nothwendigste  über  den 
Dichter  nur  aus  Bavle's  Dictionnaire ,  das  er  übersetzte.  Boomer  hielt  es 
noch  für  nöthig,  dem  deutschen  Leser  zu  sagen,  dass  er  sich  unter  der 
Dante'schen  *KomÖdie*  kein  Lustspiel  vorstellen  dürfe! 

Der  gelehrte  Redner  schlieM  seinen  schätzbaren  Beitras^  zur  Dante- 
forschung mit  der  Bemerkung,  dass  die  Hingabe  an  Dante,  der  im  Jahre 
1844  hemge  Angriffe  in  Italien  erfahren  hat,  mit  einer  freieren  Auffassung 
des  Christenthums  recht  wohl  vereint  sein  kann  und  dass  uns  die  schöne 
religiöse  Ansicht,  die  sich  in  den  Worten  kundgibt: 
Se  '1  mondo  si  rivolse  al  Cristianesmo, 
Diss'  io.  senza  miracoli,  quesf  uno 

E  tal,  che  gli  altri  non  sono  U  centesmo  (Parad.  24,  106—108) 
noch  lange  wird  genügen  können. 

Nachdem  hierauf  Dr.  Rieger  im  Namen  der  Versammelten  dem 
Redner  Dank  gesagt  hatte,  wurden  einige  Exemplare  einer  Schrift  von 
Professor  Watt enb ach  aus  Heidelberg,  unter  dem  Titel:  'MonumerUa 
Lubens%a\  historische  Denkmäler  des  ehemaligen  Klosters  Lübben  an  der 
Spree,  unter  die  Anwesenden  vertheilt 

Dritte  Sitzung.  30.  September. 

In  der  letzten  Sitzung  las  zuerst  Professor  Bartsch  eine  schöne 
Probe  aus  einer  üebersetzung  von  Dante's  Komödie  vor,  welche  bisher 
ungedruckt  ist  und  unsern  österreichischen  Dichter  Friedrich  Halm  (Prh. 
V.  Münch-Bellinghausen)  zum  Verfesser  hat. 

Hierauf  machte  Bibliothekar  Dr.  K.  A.  Barack  aus  Donaueschingen 
Mütheüungen  über  die  Schicksale  der  Nibelwngenhandschrift  C,  theilweise 
nach  einem  Briefe  des  edlen  Freiherm  J.  v.  Lassberg. 

Was  über  die  Wanderungen  der  beiden  Nibelungentexte,  die  Jahr- 
hunderte lang  auf  dem  Schlosse  Hohenems  in  Vorarlberg  beisammen  waren, 
der  Handschrift  C,  die  sich  jetzt  in  der  Hofbibliothek  zu  Donaueschingen, 
und  der  Handschrift  A,  die  sich  in  München  befindet,  bisher  mitgetheilt 
worden  ist,  ist  theils  unrichtig,  theils  unvollständig.  Die  Schicksale  sind 
wesentlich  folgende.  Als  der  Mannesstamm  der  Gnuen  von  Hohenems  aus- 

Sjstorben,  später  aber  die  Herrschaft  dem  Gemahl  der  letzten  Gräfin  von 
ohenems  Maria  Rebekka,  dem  Grafen  Harrach  zurückgegeben  worden  war, 
versteigerte  die  Gräfin  ihren  Besitz  an  Alterthümem,  unter  welchen  die 
Bücher  und  Handschriften  zehn  Kisten  einnahmen.  Die  beiden  Nibelun- 
genhandschriften und  die  Handschrift  von  Barlaam  und  Josaphat  (die 
sich  heute  mit  C  in  Donaueschingen  befindet)  machte  die  Gräfin  ihrem 
Advocaten,  dem  Dr.  Schuster  in  F?ag  zum  Geschenke.  Dieser  schickte  die 
beiden  Nibelungenhandschriften  nach  München  und  erhielt  für  die  Hand- 
schrift A,  die  für  die  Hofbibliothek  behalten  wurde,  Incunabeln  eingetauscht; 
C  wanderte  wieder  nach  Pra^g  an  ihn  zurück.  Darauf  kam  die  Handschrift 
an  Frickart  in  Wien.  Während  des  Wiener  Congresses  kam  nun  am  Kai- 
sertische die  Rede  auf  das  Nibelungenlied ;  der  Kaiser  wollte  die  Hand- 
schrift von  Frickart  kaufen  und  liefs  ihn  zu  sich  kommen.  Frickart  ver- 
langte tausend  Ducaten,  der  Kaiser  war  es  zufrieden  und  schickte  Frickart 
an  den  Grafen  Oczolinski  zum  Abschluss  des  Kaufes.    Dieser  aber  macht 


Später 

Kauflustige,  A.  W.  von  Schlegel  und  H.  F.  v.  d.  Hagen,  ohne  dass  es  je- 
doch Zum  Kaufe  kam.  Zuletzt  erschien  ein  Engländer,  Lord  Spencer  Marl- 
borough,  und  wollte  die  Handschrift  ftlr  seine  Büchersammlung  erwerben. 
Das  hörte  Lassberg,  und  fest  entschlossen,  auch  sein  letztes  Hemd  zu  ver- 
kaufen, um  nur  die  Handschrift  vor  der  drohenden  Verbannung  zu  retten, 
erklärte  er,  er  werde  dieselbe  nach  einer  bestimmten  Zeit  für  die  verlangten 
250  Speciesducaten  kaufen.  Lassberg  schreibt  hierüber:  *Das  war  nun  gut. 


756  Misoellen. 

aber  —  ich  hatte  das  Geld  nicht,  und  das  war  nicht  gut!'  Betrübt  kam 
er  zur  Fürstin  Elise  von  Fürstenberg.  Sie  sah  ihm  den  Kummer  an,  ent- 
lockte ihm  sein  banges  Geheimnis  und  gab  ihm  edelsinnig  die  verlangte 
Summe.  So  war  nun  die  beste  Handschrirt  des  Nibelungenliedes  für  Deutsch- 
land gerettet.  Nach  Lassbergs  Tode  kam  die  Handschrift  1853  nach  Donau- 
eschingen in  den  Besitz  des  Fürsten  von  Fürstenberg. 

Diesem  das  lebhafteste  Interesse  der  Versammlung  in  Anspruch 
nehmenden  Vortrage  reihten  sich  Mittheilungen  von  Dr.  A.  Lübben  aus 
Oldenburg  an:  'Ueher  aararische  und  territoriale  Benennungen\  Der  Red- 
ner will  auf  Din^e  in  Norddeutschland  hinweisen,  die  noch  viel  zu  wenig 
beachtet  sind.  Zeitungsanzeigen  von  Subhastationen,  Verkaufsantrage  u.  dgl 
bringen  öfters  höchst  seltsame  Bezeichnungen  für  Grundstücke;  Dr.  Lübben 
ist  diesen  alten  Namen  eifrig  nachgegangen  und  hat  eine  umfangreiche 
Sammlung  zu  Stande  gebracht,  aus  welcher  er  einiges  hervorheben  will, 
was  besonders  häufig  auftritt  und  doch  in  unsem  Wörterbüchern  entwe- 
der gar  nicht  oder  noch  nicht  genügend  untergebracht  ist 

Seine  Auswahl  beschränkt  sich  auf  Oldenburg.  Hier  erscheint  in 
Flurnamen  z.  B.  ein  Appellativum  heUe,   das  für  identisch  mit  Halde   zu 

feiten  hat,  wenn  auch  die  Einsenkung  des  Bodens  Manchem,  der  an  Berg- 
alden  gewöhnt  ist,  kaum  bemerkbar  sein  sollte;  weiter  Ueth,  offenbar 
das  mhd.  lite,  ahd.  hlita,  altn.  hlidh,  Bergabhang');  ein  sehr  merkwürdige 
stroth  in  der  Bedeutung  Wald;  das  den  Philologen  von  der  herrlichen 
Eilenriede  so  wol  bekannte  und  doch  kaum  verdändliche  riede,  dessen 
Bedeutung  wol  fliefsendes  Wasser,  dann  Aue  sein  wird;  femer  hammerich, 
ursprünglich  Dorfmarke,  jetzt  Wiese;  wand,  ein  Ackerstück  von  1—20 
Morgen;  ein  völlig  dunkles  regente,  r engte y  renkte,  auch  rehen  u.  s.  w. 
Die  grol^n  Reihen  von  Belegen  für  diese  einzelnen  Wörter  lassen  erkennen, 
vrie  lebendig  diese  noch  vor  Zeiten  gewesen  sind  und  wie  ergiebig  auch 
anderwärts  aie  Forschung  auf  diesem  Gebiete  sein  muss. 

Prof.  Pfeiffer  aus  Wien  erkennt  an,  dass  die  Forschung  hier  zu 
interessanten  Aufschlüssen  führt,  und  betont  nachdrücklich,  dasis  sie  die 
alten  Quellen,  soweit  es  nur  immer  möglich  ist,  also  besonders  die  soge- 
nannten Urbarien  oder  Lagerbücher  zu  Käthe  zu  ziehen  und  auszubeuten 
hat,  darüber  aber  auch  nicht  versäumen  darf,  sich  über  die  Oertlichkeit  sellwt 
genau  zu  unterrichten,  damit  die  Deutung  nicht  zuweilen  von  den  That- 
sachen  natürlicher  Verhältnisse  abirre.  Wie  leicht  man  zu  falschen  Erklä- 
rungen gelangen  kann,  zeigt  ein  Beispiel  aus  Salzburg.  Die  dortige  Kai- 
gasse  heiTst,  wie  Pfeiffer  aus  alten  Urkunden  ersehen  Eeit,  in  früherer  Zeit 
Ohay-,  Oehaygasse  (veL  auch  den  Artikel  Kai  im  Grimmischen  Wh.). 

Prof.  A.  v.  Keller  aus  Tübingen  erklärt,  dass  er  ebenso  wie  Prof. 
Pfeiffer  seine  Aufinerksamkeit  schon  län^t  auf  die  Flurnamen  gerichtet 
habe,  und  dass  es  ihm  durch  seine  Forschung  schon  oftmals  möglich  wurde, 
die  würtembergischen  officiellen  Flurkarten  auf  Grund  der  T^kunden  zu 
berichtigen. 

Präsident  Creizenach  theilt  nun  mit,  dass  für  die  nächstjährige 
Philologenversammlung  Halle  gewählt  wurde  und  schlägt  zu  Vorsitzen- 


^)  Das  Wort  leite  begegnet  häufig  in  Flurnamen  Nordböhmens  und 
wird  auch  im  oberdeutschen  Gebiete  zu  finden  sein;  wir  haben  z.  B. 
Geltschleite  (ein  Abhang  des  Geltschberges),  Schützenleite,  die  kahle 
Leite  u.  dgl.  Stroth  ist  uns  in  den  Waldnamen  Lehmstruth  und 
Struth  aus  der  preui^ischen  Rheinprovinz  bekannt  (Jüngst,  Volks- 
thüml.  Benennungen  S.  117);  Förstemann  verzeichnet  in  seinem 
trefflichen  Buche  über  die  deutschen  Ortsnamen  S.  59  ahd.  Esgene- 
struot  und  Wideiistruot  und  bespricht  das  oldenburgische  hamimrich 
S.  106  u.  271.  Bezüglich  regente  erlauben  wir  uns  auf  reghenoot, 
reenghenoot  in  Hoffmann's  Glossar,  belg.  auiinerksam  zu  machen, 
das  zu  unserem  Worte  ganz  gut  zu  passen  scheint;  rehen  ist  wol 
ein  ganz  anderes  Wort 


Miscellen.  757 

den  der  Section  Prof.  Dr.  Heinrich  Leo  und  Dr.  Julius  Zacher  vor. 
Der  Vorschlag  wird  von  der  Versammlung  angenommen. 

Hierauf  hielt  noch  Dr.  Max  Bieter  seinen  angekündigten  Vor- 
trag :  üeher  Dante" 8  Minnesafig  im  Verhmtnis  zu  Vorgängern  und  Zeüge- 
nossen,  der  ebenso  auf  gründlichen  Studien  beruhte  wie  er  Zeugnis  gab 
von  dem  feinen  Urtheile  des  Redners.  Er  wird,  wie  wol  zu  erwarten 
steht,  in  den  Verhandlungen  der  Versammlung  erscheinen  und  darin  mit 
Creizenach's  Vortrag  einen  schönen  Beitrag  zur  Danteliteratur  des  Jubel- 
jahres 1865  bilden. 

Von  den  sonst  noch  angekünd^ten  Mittheilungen  entgieng  uns 
leider  durch  die  Kürze  der  Zeit  eine  MittheUunj^  von  Dr.  Barack  über 
Fragmente  eines  unbekannten  aUdeutsdien  Retmwerkes  und  eine  zweite 
von  Dr.  R.  Hildebrand,  unserm  trefflichen  Lexikographen,  über  einen 
ostmitteldeutschen  Dativ  des  Pronomen  personale  der  5.  Person;  wir 
hoffen  das  Versprochene  in  den  Verhandlungen  zu  finden. 

Vor  dem  Schlüsse  der  letzten  Sectionssitzung  wurde  die  Angelegen- 
heit des  niederdeutschen  Wörterbuches  nochmals  vorgenommen  und  durch 
Beschluss  das  Mandat  der  in  Hannover  gewählten  Commission,  bestehend 
ans  Prof.  Müller,  Prof.  Bartsch  und  Prof  Höfer,  erneuert.  Der  Commission 
wird  die  Sorge  übertragen,  einen  Herausgeber  oder  Verfasser  des  Wörter- 
buches zu  gewinnen,  diesem  eine  entsprechende  Anzahl  von  Mitarbeitern 
zu  verschaffen  und  endlich  die  nöthigen  Schritte  zur  Erwerbung  von  Un- 
terstützungen zu  den  Kosten  der  Unternehmung  einzuleiten.  Ueber  ihre 
Thätigkeit  soll  die  Commission  in  Halle  Bericht  erstatten. 

Schliefslich  widmet  Prof.  Creizenach  dem  zum  allgemeinen  Be- 
dauern der  in  Heidelberg  versammelten  Germanisten  durch  Krankheit  fern- 
gehaltenen Hofrath  ProL  Holtzmann  einige  freundliche  Worte  der  Erin- 
nerung, denen  sich  die  Section  durch  Erhebung  von  den  Sitzen  anschliefst. 
Nachdem  noch  über  Antrag  von  Prof.  Pfeiffer  und  v.  Keller  dem  Prä- 
sidium und  den  Secretären  der  Section  gedankt  worden  war,  wurden  um 
10 'A  Uhr  die  germanistischen  Verhandlungen  geschlossen. 

Leitmeritz.  Ign.  Petters. 


Bericht  über  die  Verhandlungen  der  psedagogischen 

Section  der  24.  deutschen  Philologenversammlung 

zu  Heidelberg. 

i.  Sitzung,  ^.  September, 
Mittags  12  Uhr. 

Prof.  v.  Langsdorffaus  Heidelberg  eröffnete  mit  einer  begrüf sen- 
den Ansprache  die  Versammlung ,  indem  er  beklagte,  dass  das  Mitglied 
des  Präsidiums,  dem  die  Leitung  dieser  Section  zilomme,  Prof.  Director 
Cadenbach,  erkrankt  sei  Auf  besondere  Bitten  habe  er  in  Folge  dessen 
die  Eröffnung  der  Sitzung  und  die  vorläufige  Geschäftsleitung  übernom- 
men, wünsche  aber  sich  sobald  als  möglich  dieses  Auftrages  überhoben  zu 
sehen  und  das  Amt  in  die  Hände  des  zu  erwählenden  Präsidenten  nieder- 
zulegen; er  erlaube  sich  dazu  den  in  dieser  Eigenschaft  so  oft  bewährten 
Prof  Bector  Dr.  Eckstein  von  Leipzig  vorzuschlagen. 

Eckstein  lehnte  die  Annahme  ab,  weil  er  es  für  durchaus  zweck- 
mäfsig  halte,  wenigstens  den  Präsidenten  aus  demselben  Lande  zu  wählen, 
in  welchem  man  tage. 

V.  Langsdorff  entsprach  nach  zuerst  ganz  entschiedener  Ableh- 
nung zuletzt  doch  dem  dringenden  Wunsche  der  Versammlung  und  über- 
nahm den  Vorsitz,  worauf  er  die  Professoren  Löhle  und  Schiller  er- 
suchte, das  Amt  als  Secretäre  zu  versehen.    Sein  Vorschlag,  die  jedesma- 


758  Miscellen. 

ligen  Sitzungen  dieser  Section  um  8  Uhr  zu  beginnen,  wurde  auf  die  Be- 
merkung, dass  die  germanistische  Section  auf  diese  Stunde  verlest  sei,  von 
der  bereits  constituierten  Versammlung  dahin  abgeändert,  dass  aafar9ühr 
festgesetzt  wurde. 

Darauf  schritt  man  zu  einer  Berathung  über  die  Thesen. 

Nachdem  sich  die  Versammlung  auf  den  Vorschlag  des  Präsidenten 
unter  bereits  aufgestellten  oder  noch  einlaufenden  Thesen  das  Kecht  der 
Auswahl  vorbehalten  hatte,  kam  nach  einer  längeren  Debatte  rücksicht- 
lich  der  Reihenfolge  der  Verhandlungen  der  Vorschlag  Ecksteines  zur 
Annahme,  wonach  es  schon  die  Pflicht  der  Rücksicht,  die  man  dem  Prä- 
sidenten schulde,  als  Act  der  Billigkeit  fordere,  dass  dessen  These : 

„lieber  die  Aufnahme  der  Griech. -Makedonischen  Elementartaktik 
in  den  Turnunterricht"  vor  allen  andern  den  ersten  Rang  auf  der  Tages- 
ordnung für  Donnerstag  den  28.  September  einnehme. 

Gegen  den  weiteren  Vorschlag  desselben,  hieran  konnte  sich  dann 
2.  die  Discussion  der  Thesen  von  Prof.  Dr.  Piper  aus  Berlin: 

„lieber  die  Einführung  der  monumentalen,  insbesondere  der  christ- 
lich-monumentalen Studien  in  den  Gymnasialunterricht**  und  3.  der  Vor- 
trag des  Director  Dr.  Peter  aus  Pforta: 

„lieber  den  obligatorischen  Unterricht  der  alten  Geschichte  in  Prima* 
passend  für  denselben  Tag  anreihen,  macht«  Prof  Piper  geltend,  dass 
seine  Thesen  noch  nicht  gedruckt  seien  und  stellte  deshalb,  unterstützt  von 
Prof.  Dr.  Stoy  aus  Jena,  der  sich  sofort  für  die  Einführung  dieser  Studien 
aussprach,  aber  auch  auf  die  Nothwendigkeit  hinwies,  sich  über  eine  Frage 
von  solcher  Wichtigkeit  vorher  genau  zu  orientieren,  den  Antrag,  die  Ver- 
handlung hierüber  zu  vertagen,  die  in  Folge  dessen  auf  Freitag  den  29. 
anberaumt  wurde. 

Femer  war  Eckstein  der  Ansicht,  man  möge  die  von  Oberlehrer 
Dr.  Voigt  aus  Düren  vorgeschlagene  Thesis: 

„Üeber  das  Latein  an  Realschulen"  nicht  zur  Verhandlung  kommen 
lassen.  Es  seien  doch  vorzugsweise  Gjnoinasiallehrer  hier  versammelt,  es  sei 
deshalb  gewagt,  diesen  allein  irgend  welche  Entscheidung  in  der  fraglichen 
Angelegenheit  anheimzugeben.  Auch  habe  dieselbe  für  Gymnasiallehrer  kei- 
neswegs ein  so  grofses,  allgemeines  Interesse. 

Rector  Götz  vom  Progymnasium  in  Neuwied  bestreitet  die  An- 
sicht des  Vorredners:  Die  These  habe  auch  ihre  allgemeine,  interessante 
Seite  und  die  Anzahl  der  anwesenden  Reallehrer  sei  keineswegs  eine  so 
geringe;  er  bitte  um  Ermittlung  derselben.  Da  diesem  Antrage  wegen  des 
Wegganges  schon  vieler  Mitglieder  nicht  entsprochen  werden  kann,  so  be- 
hält sich  derselbe  auf  eine  aer  nächsten  Sitzungen  seinen  Antrag  vor. 
Schluss  der  Sitzung. 

2,  Sitzung.  28.  September.  Präsident:  Prof.  v.  Langsdorff. 
Anfang  um  9  Uhr. 

Tagesordnung: 
Die  bereits  in  der  ersten  Sitzung  für  diese  Versammlung  bestimmten 
Vorträge : 

1.  von  Prof  V.  Langsdorff  '),  2.  von  Director  Dr.  Peter. 


')  Der  engen  Beziehung  wegen,  in  welcher  ein  Theil  des  auf  den  Nach- 
mittag des  27.  Septembers  zur  Unterhaltung  der  Gäste  aufgestellten 
Festprogrammes,  nämlich  die  „Uebungen  aus  der  Griech.  -  Makedo- 
nischen Elementartaktik"  zu  der  unter  1.  erwähnten,  in  dieser  Sitzung 
zur  Verhandlung  gekommenen  Thesis  steht,  möge  uns  ohne  die  WurP 
Übungen  mit  dem  püttm ,  das  mit  grofser  Geschicklichkeit  und  be- 
deutender Wirkung  auf  erhebliche  Distanzen  abgeschleudert  wurde, 
sowie  die  SchieX^proben  mit  der  Katapulte,  während  die  Balliste  g«  - 
rade  gebrauchsunfähig  war,  näher  zu  besprechen,  der   Hinweis  auf 


Miscellen.  759 

Hofrath  Behagel  von  Mannheim  übernimmt  auf  Ersuchen  des 
Präsidenten,  da  er  über  die  erste  Thesis  einen  Vortrag  halten  werde,  den 
Vorsitz. 

Nachdem  Prof.  v.  Langsdorff  vor  allem  bekannt,  dass  die  Idee 
der  von  ihm  eingebrachten  Thesis  nicht  seine,  sondern  die  des  Prof  Köchly 
sei,  der  um  Verwirklichung  derselben  gebeten,  und  dass  er  trotz  mancher 
anfan^  gehegter  Bedenken  eine  solche  üebung  für  sehr  zweckraäXsig  und 
empfenlenswerth  befunden  habe,  legte  er  die  öründe  der  Mangelhaftigkeit 
dar,  die  sich  Tags  zuvor  in  der  hie  und  da  weniger  exacten  DurchfÜMung 
einzelner  Uebuneen  gezeigt  hätte,  trotz  der  er  aber  hoffe,  dass  die  Ver- 
sammlung, wilcne  als  Augenzeuge  auf  dem  Turnplätze  erschienen  sei,  die 
Ueberzeugung  von  der  leichten  Durchführbarkeit  gewonnen  haben  werde. 
Habe  man  doch  erst  spät  zum  Versuche  schreiten  können.  "Weder  sei  eine 
grofse  Auswahl  von  Schülern  vorhanden  gewesen,  noch  habe  der  Besuch, 
besonders  seitens  der  gröfsem  regelmafäig  stattfinden  können.  So  sei  es 
gekommen,  dass  Schüler  von  16  Jahren  neben  solchen  von  11  gestanden 
seien.  Die  Geschicklichkeit  der  einzelnen  sei  ebenso  verschieden  und  die 
kleinsten  nur  schwer  zu  verwenden  gewesen,  doch  habe  man  sie  für  diesmal 
ihres  Eifers  und  der  Sache  wegen  nicht  zurückweisen  mögen.  Dazu  seien 
noch  die  Ferien  gekommen,  die  der  Uebungen  wegen  in  Heidelberg  zuzu- 
bringen man  die  Schüler  selbstverständlich  nicht  habe  veranlassen  können. 
So  seien  in  den  Uebungsversuchen  der  einzelnen  bald  da,  bald  dort  Lücken 
eingetreten;  ja  er  habe  unter  den  gestrigen  Theilnehmem  einen  wahrge- 
nommen, der  vierzehn  Tage  gefehlt  habe,  während  er  früher  kaum  dreimal 
erschienen  sei.  Noch  andere  Gründe  wolle  er  hier  nicht  zur  Sprache  bringen. 
Er  halte  nach  alle  dem  die  Ausführbarkeit  der  Idee  für  leicht  und  bitte 
nur  die  Versammlung,  dieselbe  nicht  nach  dem  Versuche  des  gestrigen 
Tages  zu  beurthcilen. 

Mit  dieser  Frage  sei  jedoch  die  nach  der  RäthUchkeit  dieser  Uebun- 
gen noch  nicht  gelöst.  Es  handle  sich  darum,  welche  Vortheile  denn  dar- 
aus entspriefsen  würden. 

Was  die  Mühe  und  den  Zeitaufwand  angehe,  so  seien  selbige  nicht 
sehr  gTo£s.  Auch  solle  nicht  der  Schulunterricht  durch  Entziehung  von 
Lehrstunden  hiefÜr  beeinträchtigt  werden,  wol  aber  würden  die  Lehrer 
der  Gymnastik  die  Uebungen  zu  leiten  gerne  bereit  sein.  Dagegen  könne 
man  oei  allen  Schülern  jedes  Alters  eine  aufserordentliche  Lust  und  Liebe 
f^  solche  Uebungen  wahrnehmen.  Man  könnte  vielleicht  sagen,  es  sei  dies 
nur  der  Reiz  der  Neuheit;  allein  die  Beschäftigung  mit  den  Waffen,  die 
Taktik,  die  kriegerische  Seite  des  Lebens  muthe  alle  ungemein  an  und 
übe  einen  ganz  außerordentlichen  Reiz  auf  die  jugendlicnen  Gemüther. 
Und  diese  Richtung  sei  von  den  Pädagogen  nicht  zurückzuweisen.  Damit 
gehe  aber  ein  gewisser  Ernst  Hand  in  Hand;  der  Sinn  für  Ordnung  und 
Gehorsam  finde  ohne  jede  Anwendung  eines  äu/^ren  Zwanges  seine  Pflege 
und  Kräftigung.  Genügen  schon  diese  Bemerkungen  für  die  Einführung 
solcher  Uebungen  in  die  Knabenspiele,  so  erwachsen  noch  andere  Vortheile 

obige  Uebungen   um  so  mehr  gestattet  sein,  als  einige  Redner  im 
Laufe  der  Debatte  darauf  zurückkamen. 

Gewiss  war  es  ein  Schauspiel  echt  griechisch  -  antiken  Gepräges, 
unter  Leitung  des  Thesensteüers  die  Schüler  des  Heidelberger  Gym- 
nasiums, wenngleich  im  Tumeranzuge,  mit  langen  Lanzen,  kleinen 
runden,  mit  einem  u4  bezeichneten  Schilden  diese  Uebungen  aus- 
führen zu  sehen,  wie  sie  bald  in  Reih  und  Glied  dastehend  auf 
Griechisches  Commando  die  Handgriffe,  Wendungen  und  Schwen- 
kungen, wie  wir  sie  täglich  beim  Militär  sehen,  ausführten,  bald 
wieder  unter  Absingung  eines  griech.  Marschliedes  (xnrn  Tvqkuov, 
wie  es  auf  den  in  der  Arena  an  die  Gäste  verheilten  nur  Griechi- 
schen Exemplaren  der  Taxrixa  naoayyiXfjiaxa  heifst),  oder  im  Lauf- 
schritte vorwärts  eilten.  Die  erwähnten  raxtixa  naMxyyiXfiaxtt  finden 
die  Leser  bereits  in  den  allgemeinen  Bericht  S.  693  aufgenommen. 


760  Miscellen. 

aus  ihrer  Pflege,  indem  neben  der  Vertrautheit  mit  dem  Alterthum,  mit 
dem  Hellenenthum,  körperliche  Tüchtigkeit  und  ein  gewisses  kriegerisches 
Wesen  erzielt  werde. 

Redner  glaubt  darauf  für  jene  Herren,  die  sich  mit  dem  Alterthunie 
nach  dieser  Richtung  hin  nicht  näher  befasst  hätten,  die  Bemerkung 
machen  zu  müssen,  &S8  hier  nichts  willkürliches  stattfinde.  Die  Quellen 
seien  bei  Arrian  und  Aelian  zusammengestellt  und  von  Eöchlj  in  seiner 
Geschichte  des  Griech.  Kriegswesens  exact  belegt.  Sonach  weide  dadurch 
eine  gröfsere  Vertrautheit  mit  dieser  Seite  des  classischen  Alterthums,  ja 
mit  der  ganzen  ethischen  Richtung  erreicht  In  den  Wendungen,  Schwen- 
kungen, Contremärschen  liege  allerdfings  nichts  neues  für  die  Jugend,  alle 
diese  Dinge  würden  vom  Militär  und  in  noch  gröfserer  Mannigfialti^keii 
von  den  Turnern  ausgeführt;  allein  die  tiefere  Kenntnis  eines  Gebietes, 
des  Kriegswesens,  übe  einen  ungemeinen  Einfluss  auf  das  jpnze  Verständ- 
nis des  Alterthums,  indem  bei  lebhafterer  Erregung  ein  tieieres  Eindringen 
in  die  Tjcctüre  erzielt  werde ;  die  Vorstellung  gewinne  an  Farbe  und  Le- 
bendigkeit. Habe  er  doch  diese  Erfahrung  an  sich  selbst  gemacht,  habe 
er  doch  selbst  dadurch  manches,  ia  sehr  vieles  gewonnen. 

Was  die  Ausführung  der  Uebungen  anbetreffe,  so  sei  diese  auf  den 
Turnplätzen,  wie  ja  auch  die  Alten  dort  manövriert  hätten,  unter  Anwen- 
dung des  Griechischen  Commandos  sehr  leicht  möglich.  Selbst  der  Thcr- 
inopylenausfall  und  die  Schlacht  bei  Kunaxa  könnten  sehr  leicht  darge- 
stellt werden.  Das  Gebiet  aber,  welches  die  Uebungen  zu  umfassen  hät^n, 
sei  die  Art  der  Taktik,  wie  sie  nach  Vertreibung  der  Perser  allgemein 
herrschend  gewesen  sei.  Auf  die  frühere  Zeit  könne  man  schon  wegen  der 
darüber  verbreiteten  Dunkelheit  nicht  zurückgehen.  Die  Gliederung  der 
Schaar  in  ko^o;,  nfVTtjxoaTvg,  fvcof^orta  hänge  natürlich  von  der  Zahl  der 
Schüler  ab. 

Der  Redner  schloss,  indem  er  nochmals  auf  den  so  geringen  Auf- 
wand von  Zeit  und  Mühe  hinwies  und  neben  der  Lust  der  Schüler  die 
daraus  entspringenden  Vortheile  betonte. 

Präsident  fragt,  ob  jemand  zur  Unterstützung  des  Antrages  oder 
dagegen  das  Wort  ergreifen  wolle. 

Gymnasialdirector  Jäger  aus  Köln:  Im  Turnen  machen  sich  zwei 
Richtungen  geltend:  das  Moment  der  Freiheit  und  das  des  Schulzwanges, 
oder,  wenn  dieser  Ausdruck  zu  scharf  sein  sollte,  das  der  Schuldisciplin. 
Früher  habe  Freiheit  geherrscht,  während  es  jetzt  obligates  Fach  sei ;  im 
letzteren  liege  Gefahr  das  Turnen  zu  „verschulmeistem" ,  so  dass  die  in- 
dividuelle Neigung  zu  sehr  beschränkt  erscheine.  Der  Vorschlag  könne  das 
erste  oder  zweite  Moment  verschärfen.  Als  Spiel  betrachtet,  wie  es  Tags 
zuvor  behandelt  worden,  sei  es,  wenn  Lehrer  die  Sache  in  die  Hand  neh- 
men, gut  und  empfehlenswerth ;  wenn  dagegen  mit  dem  Vorschlage  der 
Rath  gegeben  sein  solle,  diesen  Uebungen  methodisch  eine  Stelle  im  Unter- 
richte einzuräumen,  dann  sei  er  dagegen;  da  würde  jenes  Spiel  zur  un- 
erträglichen Pedanterie.  Herr  von  Laijgsdorff  habe  vielleicht  die  Güte  zu 
sagen,  in  welchem  Verhältnisse  diese  Uebungen  zur  Jäger'schen  Tumme- 
thode  stünden. 

V.  Langsdorff:  Das  Griechische  solle  nicht  auf  den  Turnplatz 
verlegt  werden ;  es  solle  Freiheit  herrschen ;  er  wolle  die  Einführung  tlofs 
denen  empfohlen  wissen ,  die  Gefallen  daran  fänden ,  aber  keine  neue 
Disciplin  in's  Tumwesen  einführen.  Man  solle  der  Jugend  zeigen,  dass  die 
Griecnen  solche  Uebungen  gemacht  und  durch  ihre  Taktik  ganze  Haufen 
von  Feinden  geschlagen  hätten.  Auf  die  zuletzt  an  ihn  gerichtete  Frage 
könne  er  keine  Antwort  geben,  weil  er  der  Entwicklung  des  Systems  nicht 
weiter  gefolgt  sei. 

Präsident:  Es  liege  jetzt  die  Frage  vor,  ob  die  Uebungen  der 
Griech.-Makedonischen  Elementartaktik,  wie  es  nach  der  Meinung  des 
Hm.  Dr.  Jäger  das  Turnen  sei,  obligatorisch  sein  oder  der  Ansicht  beider 
Redner  gcmäfs  frei  stehen  sollen.  Die  Versammlung  dürfte  einverstanden 
sein,  dass  die  Einführung  in  letzterem  Sinne  wünschenswerth  erscheine. 


Miscellen.  761 

Jäger:  Man  könne  es  so  einrichten,  dass  man  nach  dem  Spiefs'schen 
oder  Jäger^schen  Systeme  turnen  oder  dass  man  die  Schüler  sich  selbst 
organisieren  lasse.  Er  sei  nun  mit  Herrn  v.  Langsdorflf  einverstanden,  wenn 
diese  Uebungen  von  einem  begeisterten  und  geistvollen  Lehrer  betrieben 
als  Spiel  behandelt  würden,  nur  möge  kein  Zwang  herrschen ;  es  sei  ohnehin 
von  oben  herab  schon  gar  zu  viel  vorgeschrieben. 

Rector  Götz  aus  Neuwied:  Im  wesentlichen  stimme  er  beiden  Vor- 
rednern bei:  es  solle  Freiwilligkeit  herrschen;  weder  Lehrer  noch  Schüler 
dazu  gezwungen  sein;  doch  gehe  er  rücksichtlich  der  Uebungen  weiter:  es 
solle  nicht  bloXä  die  Griechisch-Makedonische ,  sondern  auch  die  Römische 
Taktik  eingeführt  werden.  £s  mögen  auch  die  Schlachtordnungen,  ja  sogar 
diese  oder  jene  Schlacht  dargestellt  werden.  Ob  Herr  v.  Langsdorff  zu- 
stimme, wisse  er  nicht,  doch  dürfte  die  Sache  ungefährlich  sein. 

Prof.  Dr.  Stoy  aus  Jena:  Mit  Freuden  habe  er  wahrgenommen, 
dass,  wie  in  MeiXlsen  die  Spaziergänge,  so  dies  Moment  hier  Desprochen 
werde.  An  Vorbildern  fehle  es  m  dieser  Beziehung  nicht.  So  habe  der 
Rector  von  Trotzendorf,  von  dem  Melanchthon  sa^e,  er  sei  zum  Schulmeister 
wie  Scipio  Africanus  zum  Feldherm  geboren,  seinen  Senat,  seine  Consuln 
gehabt  und  er  selbst  sei  Dictator  perpetuus  gewesen.  Dies  sei  ein  leuchtendes 
ExempeL  Ja  es  verführen  selbst  Feldherren  ähnlich.  So  lasse  Napoleon  III. 
die  ScMacht  bei  Jena  aufführen.  Er  spreche  deshalb  den  Wunsch  aus, 
diese  Besprechungen  möchten  nicht  zum  Materiale  gelegt  werden  und  die- 
jenigen der  Anwesenden,  welche  Lust  daran  gefunden  und  Versuche  gemacht 
hät&n,  möchten  sich  bei  der  nächsten  Philologen- Versammlung  inre  Er- 
fahrungen mittheilen. 

Prof.  Rehdanz  aus  Magdeburg:  Für  das  Studium  der  Sprache  und 
ihr  Verständnis  seien  solche  Uebungen  sehr  empfehlenswerth ;  nur  fürchte 
er  auch  hierüber  den  allzu  verbreiteten  Vorwurf,  dass  wir  dem  heutigen 
Leben  zu  ferne  stünden.  Ob  es  übrigens,  wenn  solche  Uebungen  betrieben 
würden,  nicht  räthlich  sei,  auch  ein  entsprechendes  Costüm  —  die  Toga  — 
einzuführen?   Es  mache  dies  auch  etwas  dabei  aus.   Dazu  käme  noch  die 

gesunde  Bewegung.  Beides  vereint  dürfte  die  Eltern  von  dem  vortheilhaften 
er  Sache  leicht  überzeugen. 

Prof.  Planck  aus  Heilbronn:  Beide  Wünsche,  das  Element  der 
Freiheit  solle  nicht  beschränkt  werden  und,  es  wäre  wünschenswerth,  diese 
Uebungen  doch  einzuführen,  seien  unvereinbar.  Wir  würden,  was  Herr  v. 
Langsdorff  und  Rector  Götz  zu  erreichen  streben,  nur  dann  zu  leisten  im 
Stande  sein,  wenn  man  sich  nicht  scheue  mit  Schülern  von  elf  Jahren 
solche  Uebungen  durchzumachen.  Herr  v.  Langsdorff  habe  selbst  auf  die 
Schwierigkeiten  hingewiesen;  es  sei  nicht  möglich  das  vorgesteckte  Ziel 
zu  erreichen,  wenn  nicht  schon  von  früh  auf  für  die  Schüler  das  Materiale 
in  die  Uebungen  eingeführt  würde. 

Präsident:  Wir  seien  von  der  Fraj^e  abgekommen  und  würden  so 
in's  unendliche  ^crathen.  Es  handle  sich  jetzt  darum,  ob  in  engerer  oder 
weiterer  Weise  ein  Versuch  gemacht  werden  solU  und  dass  darüber  bei  der 
nächsten  Philologen- Versammlung  Mittheilungen  gemacht  würden. 

Dr.  Wassmannsdorff  aus  Heidelberg:  Er  wolle  als  Lehrer  des 
Turnens  das  Wort  ergreifen.  Mehrere  Redner  seien  nicht  in  der  Lage 
darüber  zu  urtheilen.  Es  sei  Freiheit  und  Zwang  vereint;  in  Jahn's  Methode 
finde  sich  beides;  er  dürfe  annehmen,  dass  bei  dieser  Betriebsweise  der 
Jugend  weder  ihre  Freude  verloren  gehe,  noch  dass  Verweichlichung  und 
lotteriges  Wesen  oder  das  Gegentheil  dadurch  verursacht  werde. 

V.  Langsdorf:  Es  sei  sehr  leicht  mit  vorgerückten  Schülern  die 
Aufgabe  durchzuführen.  Die  Frage  nach  der  Möglichkeit  sei  gjar  nicht 
nothwendig,  da  sie  schon  durch  die  Uebungen  Tags  zuvor  bewiesen  sei. 
Bei  der  nächsten  Versammlung  aber  sei  der  Austauscn  über  die  gemachten 
Erfahrungen  und  Resultate  durchaus  wünschenswerth. 

Rufe:  Schluss! 


702  Misa'llen. 

Dir.  J  äff  er:  Er  müsse  sich  noch  die  Frage  erlauben,  ob  unsere  Turn- 
lehrer im  Stande  wären,  den  Unterricht  zu  ertheilen,  und  ob  dazu  literarische 
Hilfsmittel  vorhanden  seien. 

V.  Langsdorff:  Nach  Vorarbeiten  sei  dies  leicht;  als  eine  solche 
könnten  die  Taxrixa  TTttQayy^/iara  mit  deutscher  Uebersetzung  dienen. 
Die  Schüler  hätten  die  griechischen  Commandos    in  zwei  Stunden   inne 

fehabt.  Für  Schlachtenpläne  verweise  er  auf  das  Werk  von  Rüstow  und 
^öchlj,  das  den  grofsen  Vorzug  besitze,  dass  dessen  Verfasser  auf  dem 
Gebiete  der  Philologie  und  Taktä  bewandert  seien.  Es  würden  sonach  die 
übrigen  Turnlehrer  für  Ertheilun?  dieses  Unterrichtes  ebenso  befähigt  sein 
wie  der  ihrige ;  denn  es  sei  nur  Zufall,  dass  nicht  dieser,  sondern  er  selbst 
Tags  vorher  das  Commando  übernommen  habe. 

Was  die  von  ihm  oben  abgegebene  Erklärung  in  Bezug  auf  die  im 
Turnwesen  hervortretenden  Richtungen  anbetreffe,  so  wolle  er  dieselbe  nicht 
etwa  so  verstanden  wissen,  als  ob  ihm  die  Systeme  unbekannt  seien;  damit 
sei  er  vertraut,  nur  habe  er  die  betreffende  Literatur  nicht  näher  verfolgt. 
Bücksichtlich  der  Erweiterung  des  in  der  These  begrenzten  Gebietes  aus 
der  Taktik  bemerke  er,  dass  noch  manches  im  Dunkeln  liege. 

Rufe:  Schluss! 

Präsident  stellt,  indem  er  die  Debatte  für  geschlossen  erklärt,  an 
die  Versammlung  die  Frage:  Ist  der  Antrag:  „Ueber  die  Aafoahme  der 
Griechisch-Makedonischen  Elementartaktik  in  den  Turnunterricht"  anzu- 
nehmen und  der  Wunsch  auszusprechen,  dass  über  die  hiebei  erzielten  Er- 
folge bei  der  nächsten  Versamnüung  referiert  werde? 

Entschiedene  Majorität. 

Hofrath  Behagel  tritt  vom  Präsidium  zurück  und  an  seine  Stelle 
Prof.  V.  Langsdorff. 

Da  so  eben  die  Nachricht  vom  Eintreffen  der  Jugendwehr  auf  dem 
Turnplatze  eingelaufen  war  (welche  durch  exacte  Ausführung  aller  Stel- 
lungen und  Bewegungen  jegliche  Erwartung  übertraf),  so  erklärte  schliefä- 
lich  der  Präsident  v.  Langsdorff,  indem  er  die  Sitzung  aufhob,  dass  die 
Debatte  über  die  andere  These  den  folgenden  Tag  stattfinden  werde. 

Des  Zusammenhanges  wegen  möge  es  uns  gestattet  sein  die  Worte, 
welche  Prof.  Köchly  bei  der  folgenden  Tagessitzung  noch  in  Betreff  der 
eben  discutierten  Frage  an  die  Versammlung  richtete,  gleich  hier  ihrem 
wesentlichen  Inhalte  nach  anzureihen. 

Vor  allem  dankte  er  der  Versammlung  für  den  Beschluss,  der  die 
Einübenden  und  Leiter  um  so  mehr  ehren  und  erfreuen  müsse,  als  ihnen 
die  Ausführung  zum  Theil  unnützer  Weise  sei  erschwert  worden. 

Die  Uebungen  hätten  keineswegs  eine  Spielerei,  sondern  ein  Beleff 
für  die  gestrige  Debatte  sein  sollen.  Knaben,  die  zum  Theil  nicht  einmal 
Griechisch  verstünden,  seien  in  vierwöchentlichen  Uebungen  mit  öfterer, 
ja  sogar  einer  14tägigen  Unterbrechung  des  Exercitiums  geschult  worden. 
Also,  es  gienge  schon.  Ein  Schritt  sei  somit  wieder  geschehen  den  classi- 
schen  Unterricht  in  Fleisch  und  Blut  übergehen  zu  lassen.  Was  den  Namen 
„Griech.-Makedonische  Taktik"*  betreffe,  so  beziehe  sich  dieser  auf  die  Zeit 
von  Tjrrtäus  an.  Nachdem  der  Redner  mit  Bezug  auf  die  Bewaffnung,  in 
welcher  die  Schüler  vorgeführt  worden  waren,  die  den  Zeitperioden  nach 
dreifache  Art  derselben  erwähnt  und  im  Gegensatz  zur  Homer.-Spartiati- 
schen  die  zur  Zeit  des  Tjrtäus  übliche  in*s  Auge  gefasst  hatte,  fuhr  er 
nach  der  Bemerkung,  dass  das  ui,  welches  man  auf  den  Schildern  gelesen 
habe,  nicht  blofs  ^^ttxf^ttifioviog'^f  sondern  auch  „Lyceist*  bedeuten  könne, 
weiter  fort:  Helm  und  Beinschienen  habe  man  weggelassen;  eine  Maskerade 
habe  man  nicht  gewollt,  weil  dies  unpraktisch  sei. 

Was  das  gesungene  Lied  anbetreffe,  so  sei  mehrfach  die  Bemerkung 
gemacht  worden,  warum  man  eine  neue  Melodie,  nicht  eine  antike  zu 
Grunde  gelegt  habe.  „Die  antike  kenne  ich  nicht;  wer  sie  mir  lieben  kann, 
erit  mihi  et  unus,  ia  sogar  magnus  et  maximus  Apollo."  Die  Trommel 
konnten  wir  nicht  emführen,  die  Melodie  kennen  wir  nicht,  wo!  aber  den 


Miscelleu.  '  768 

Rhythmus.    „Hätte  uns  übrigens  der  alte  Schubueister  von  Aphidnä  exer- 
cieren  sehen,  er  hätte  sich  sicher  darüber  gefreut.** 

Nach  der  Bemerkung,  er  habe  rtic&ichtlich  der  ausgebetenen  Zeit 
(„6  bis  7  Minuten")  Wort  gehalten,  schloss  er  mit  der  Bitte  an  die  An- 
wesenden, welche  diese  Uebunpen  einzuführen  gesonnen  seien,  sich  mit 
ihren  etwaigen  Wünschen  an  sie  zu  wenden,  welche  diese  üebungen  in's 
Leben  gerufen  hätten;  sie  seien  gerne  bereit  ihre  Erfahrungen  mitzutheilcn. 

3.  SUzufig.    29.  September. 
Anfang  um  9  Uhr. 

Tagesordnung : 

1.  Vortrag  des  Director  Dr.  Peter  „Ueber  den  obligatorischen  Un- 
terricht der  alten  Geschichte  in  Prima." 

2.  Thesen  von  Prof.  Dr.  Piper  betreflfend  „Die  Einführung  der 
monumentalen,  insbesondere  der  chnstlich  -  monumentalen  Studien  in  den 
Gymnasialunterricht." 

Nachdem  der  Vorsitzende,  Prof.  v.  Langsdorff  bedauert,  dass  die 
Zeit  allzu  beschränkt  sei,  da  bereits  um  10'/,  Uhr  wegen  der  allgemeinen 
Sitzung  die  Verhandlungen  geschlossen  werden  müssten,  begann 

Dir.  Peter  mit  der  Erklärung,  dass  er  nicht,  wie  es  in  der  Thesis 
heifse,  einen  Vortrag  halten,  sondern  nur  Bemerkungen  machen  wolle.  Die 
alte  Geschichte  solle  ein  Hauptgegenstand  des  Geschichtsunterrichtes  in 
Prima  sein.  Um  Misdeutungen  vorzubeugen  fühle  er  sich  veranlasst,  vor 
allem  anzukündigen,  dass  es  nicht  seine  Absicht  sei,  die  deutsche  Geschichte 
herabzusetzen  oder  zu  verlangen,  dass  nur  alte  Geschichte  in  Prima  ge- 
lehrt werden  solle;  nein,  sie  solle  nur  nicht  ausgeschlossen  sein.  Gestern 
sei  gegen  ihn  mehrfach  die  AeuJfserung  gethan  worden ,  dass  diese  These 
wenig  Widerspruch  finden  werde,  doch  halte  er  dagegen  die  Erfahrung, 
dass  an  mehreren  Gymnasien  gerade  die  alte  Geschiente  in  Prima  nicht 
behandelt  würde.  Nach  seiner  Ueberzeugung  nun  komme  hierbei  nicht  gröfse- 
res  oder  geringeres  Ma&  des  Stoffes  oder  Gleichmäfsigkeit  der  Behandlung 
in  Betracht,  sondern  es  solle  vor  allem  die  Liebe  zum  Gegenstande  ge- 
nährt und  das  historische  Urtheil  geschärft  werden.  Die  Ausbildung  des 
historischen  Sinnes  ist  aber  nur  in  Prima  möglich  und  nur  an  der  alten 
Geschichte  zu  erreichen,  denn  erstens  kann  der  Unterricht  stets  in  Bezug 
zu  den  Quellen  gesetzt  werden,  was  auf  die  historische  Wärme  sehr  nach- 
haltig einwirkt.  Hat  es  für  die  Schüler  schon  groften  Werth  zu  wissen, 
dies  ist  von  Herodot,  dies  von  Sallust  behandelt,  so  ist  es  noch  weit  wich- 
tiger, dass  man  ihnen  Stellen  tiefem  Inhaltes  mittheilt.  Sie  können  auch 
zum  Unterricht  Stellen  aus  Autoren  (z.  B.  Herodot,  Sallust)  lesen.  Erst 
durch  das  Studium  der  Quellen  schlägt  die  Wissenschaft  tiefere  Wurzeln, 
um  reichere  Nsdirung  daraus  zu  ziehen.  Zweitens  ist  nur  die  alte  Geschichte 
in  allen  Beziehungen  so  einfach,  dass  der  Schüler  sie  gründlich  erkennen 
kann.  Die  wirkenden  Kräfte  treten,  wo  alles  schon  zum  vollständigen  Ab- 
schlüsse gelangt  ist,  deutlich  hervor;  selbst  die  Schlachtenbesclireibungen 
sind  so  klar,  wie  dies  in  der  neueren  Geschichte,  wenigstens  seit  l?a- 
poleon  I.,  nicht  der  Fall  ist. 

Ueberzeugt,  dass  das  Gymnasium  bis  jetzt  die  Schüler  mit  histori- 
schem Interesse  und  tieferem  Eindringen  nicht  in  dem  Mafse  ausgerüstet 
habe,  als  es  möglich  sei,  bittet  der  Redner,  dass  die  Versammlung  über 
seineu  Rathschlag  ihre  Ansichten  aussprechen  möge. 

Gymnasialdir.  Dr.  Piderit  von  Hanau:  Im  Principe  halte  ich  es 
etwas  anders.  Deutsche  Gesinnung  zu  wecken  ist  Hauptaufgabe;  unsere 
Schüler  sind  doch  noch  zu  weit  davon  entfernt ,  tiefer  in  das  Studium  der 
Quellen  eindringen  zu  können,  da  sie  noch  zu  viel  anderes  zu  treiben 
haben;  die  Hauptsache  muss  für  die  Universität  übrig  bleiben.  Man  drängt 
sie  sonst  auf  einen  Standpunct,  der  vielleicht  zu  hoch  ist.  Gerade  die  mittel- 
alterlidie  Geschichte  soll  aber  Torzugsweise  das  deutsche  Gefühl  heben. 


764  Miscellen. 

Prof.  Dr.  Weber,  Director  der  höheren  Bürgerschule  in  Heidelberg: 
Das  ^ze  erscheint  mir  zu  fragmentarisch;  wir  müssen  erst  wissen,  wo 
die  übrigen  Theile  der  Geschichte  gelehrt  werden  sollen.  Sollen  wir  femer 
blol^  die  Methode  des  Studiums,  £e  Erwerbung  des  historischen  Sinnes 
in's  Auge  fassen?  Nein,  wir  sollen  auch  vom  modernen  Staatsleben  Kennt- 
nis erzielen.  Aus  der  blol^en  alten  Geschichte  wird  der  jxxTige  Mann  die 
Gegenwart  nicht  verstehen.  Wie  soll  nun  die  deutsche  una  neuere  Ge- 
schichte behandelt  werden?  Ich  meine,  man  solle  sie  gerade  im  Obergjm- 
nasiuni  betreiben. 

Dir.  Peter:  Zur  Vermeidung  von  Abwegen  die  Bemerkung:  Mein 
Vortrag  soll  kein  Präjudiz  gegen  den  übrigen  Geschichtsunterricht  ent- 
halten. Den  Vorschlag  des  Herrn  Dir.  Piderit  habe  ich  vor  einem  Viertel- 
Jahrhundert  drucken  lassen.  Sonach  bin  ich  auch  mit  Dir.  Weber  im  gansten 
einverstanden.  Der  Geschichtsunterricht  soll  eben  so  wenig  als  ein  anderer 
Zweig  am  Gymnasium  abgeschlossen  werden.  Mein  Ziel  jedoch  glaube  ich 
am  besten  durch  die  alte  Geschichte  zu  erreichen.  Mit  beiden  Gegnern  bin 
ich  sonach  einverstanden. 

Gym.-Dir.  Dr.  Beneke  aus  Elbing:  Trotz  wiederholter  Gegenvor- 
schläge seit  25  Jahren,  seit  wann  unser  Lectionsplan  besteht,  bin  ich  von 
demselben  nicht  abzubringen  gewesen.  Die  geschichtliche  Darstellung  ist 
darnach  in  den  beiden  untern  Classen  biographisch.  Die  Knaben  eignen  sich 
so  an  einzelnen  Individuen  den  Sto£f  im  ganzen  und  grofsen  an.  In  Quarta  — 

Präsident.:  Zu  weit!  — 

Bedner  fortfahrend:  Die  griechische  Geschichte  ist  fUr  die  Quarta, 
die  römische  in  der  Tertia  vorzunehmen.  Für  die  beiden  oberen  Classen 
muss  die  Geschichte  fortgehen,  doch  sind  die  schwierigem  Puncte  auf  der 
höchsten  Stufe  zu  behandeln. 

Dir.  Peter:  Ihre  Einwendung  trifft  mich  nicht.  Griechische  und 
römische  Geschichte  soll  nicht  in  den  obem  Classen  allein,  sie  soll  schon 
unten  vorgetragen  und  nicht  auf  die  obem  Classen  beschränkt  werden. 

Dir.  Weber:  Ich  wiederhole  es:  Gerade  die  neuere  Geschichte  ist 
in  den  obem  Classen  zu  behandeln.  Es  ist  naturgemäfs.  Es  werde  mit 
der  alten  Geschichte,  die  so  einfach  ist,  begonnen,  aber  oben  gerade  die 
neue  ausführlich  behandelt,  damit  die  Schüler  audi  etwas  für  das  Leben 
mitbringen.  Die  alte  Geschichte  ist  für  die  Methodik  sehr  gut;  doch  Me- 
thodik allein  reicht  nicht  aus;  das  Nationalgefühl  wird  sonst  zu  sehr 
abgestumpft. 

Präsident:  Zwei  Ansichten  stehen  sich  mehr  oder  minder  schroff 
gegenüber,  die  der  Gymnasien  und  die  der  Realschulen. 

Prof.  Rehdantz  aus  Magdeburg  fragt,  wie  es  bei  diesem  Vorschlage 
mit  dem  Vortrage  zu  halten  sei.  Soll  die  Geschichte  disputando  oder  repe- 
tendo  durchgenommen  werden? 

Dir.  Piderit:  Das  Wort  „Methodik"  könne  leicht  misverstanden  wer- 
den. Er  halte  es  für  übel,  dass  schon  die  Schüler  in  die  Politik  einge- 
führt würden;  politisches  Räsonnement  tauge  nicht  f^  sie. 

Gymnas. -Dir.  Jäger  aus  Köln:  Wie  denkt  sich  Herr  Dir.  Peter 
die  Sache:  der  Unterricht  in  der  neuem  Geschichte  soll  nicht  ausgeschlossen 
sein?  Wie  gestaltet  sich  dann  das  Zeitverhältnis;  wie  viel  Stunden  sollen 
auf  die  alte,  wie  viel  auf  die  neuere  verwandt  werden? 

Dir.  Peter:  In  den  untersten  Classen  soll  der  Unterricht  biogra- 
phisch, in  den  Tertien  und  Secundcn  ethnographisch,  die  griechische, 
römische ,  mittlere  und  neuere  Geschichte  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  deutschen  umfassend,  in  Prima  soll  die  ganze  Geschichte  vom  welt- 
historischen Standpuncte  nicht  repetiert,  sondern  im  höheren  Sinne  unter 
Voraussetzung  des  Unterrichtes  auf  den  untern  Stufen  behandelt  werden. 
Der  Ansicht  des  Herrn  Dir.  Weber  gegenüber  bemerke  er  noch,  dass  wir 
auf  den  Gymnasien  unsern  Lehrpkn  nicht  nach  den  Bedürfnissen  derer 
modulieren  könnten,  die  das  Gymnasium  nicht  absolvieren  wollten. 

Dir.  Jäger:  Es  sei  die  Aeui^mng  gethan  worden,  man  solle  die 
Schüler  nicht  zu  früh  in  das  politische  Leben  der  Gegenwart  einführen; 


Miscellen.  766 

er  dagegen  sei  der  Ansicht,  dass  die  Schüler  an  der  Hand  der  Schule 
durch  einen  verständigen  Lehrer  in  die  bewegte  Zeit  eingeföhrt  werden 
sollten,  nicht  jedoch  durch  Räsonnement,  sondern  durch  Schilderung  der 
Gegenwart.  Dies  sei  besser  als  sie  Parteischriften  lesen  oder  von  einer 
religiösen  Partei  bearbeiten  zu  lassen. 

Dir.  Piderit:  Damit  bin  ich  vollkommen  einverstanden. 

Prof.  Schäfer  aus  Bonn:  Ich  hatte  Jahre  lang  den  ganzen  Ge- 
schichtsunterricht in  den  Händen  und  hielt  es  immer  für  nothwcndig,  mit 
der  neuern  Geschichte  abzuschlieXsen.  Wer  in's  Feuer  soll ,  muss  wissen, 
wo  er  zu  stehen  hat.  Die  Stunden  aber,  die  der  alten  Geschichte  gewidmet 
wurden,  waren  mir  deshalb  sehr  lieb,  weil  ich  dadurch  die  Schüler  zur 
Wissenschaft  hinleiten  konnte,  üebrigens  gentigen  wenige  Stunden,  da  die 
Repetition  auf  das  frühere  basiert  werden  kann.  Ich  möchte  die  Schüler  gern 
patriotisch  ausrüsten  und  glaube  diese  Wirkung  nicht  erzielen  zu  können, 
wenn  nicht  in  Prima  mit  der  neuem  Gesehidlw  abgeschlossen  wird. 

Dir.  Weber:  Der  geehrte  Vorredner  habe  alles  am  besten  zusam- 
mengefasst.  Auf  die  Bemerkung  des  Herrn  Dir.  Peter,  wonach  er  als  Ver- 
treter der  Realschule  dastehe,  erwidere  er,  dass  er  in  seinem  Geschichtswerke 
nicht  als  Lehrer  der  Geschichte  an  einer  Realschule  aufgetreten  sei.  — 
üebrigens  sei  die  Geschichte  zweimal  zu  behandeln:  zuerst  etwas  unvoll- 
ständig und  ohne  pragmatische  Darstellung;  dann  aber  im  Ober-Gymnasium 
pragmfttisch.  Gegen  die  Ansicht,  als  ob  politische  Beziehungen  eingewebt 
oder  die  Lebensanschauungen  der  Schüler  dadurch  bestimmt  werden  sollten, 
verwahre  er  sich. 

Gymnas.-Dir.  Tycho  Mommson  aus  Frankfurt:  Lehrer  und  Schüler 
bleiben  nicht  ganz  unberührt  von  den  politischen  Bestrebungen:  ein  ge- 
wisser politischer  Kern  muss  unwillkürlich  im  Unterrichte  sein.  Mir  ist 
aber  der  Geschichtsunterricht  in  Prima  nicht  Abschluss;  Hauptsache  ist, 
dass  der  Schüler  zur  Wissenschaft  hingeleitet  werde;  mit  welchen  Mitteln, 
durch  Vertiefung  in  welches  Fach  ^es  geschieht,  scheint  gleichgiltig. 

Dir.  Peter:  Lebhaft  bedaure  ich  das  bei  Herrn  Dir.  Weber  ent- 
standene Misverständnis;  ich  habe  nicht  daran  gedacht,  ob  Sie  Gymnasial- 
oder Realdirector  sind;  beide  sind  mir  gleich  werth.  —  Auf  die  Bemer- 
kungen des  Vorredners  erwidert  er:  Selbstverständlich  solle  mit  dem  Ge- 
schichtsunterricht auf  Gymnasien  kein  Abschluss  erfolgen;  weder  der  Ju- 
rist noch  der  Philosoph  solle  die  Sache  später  bei  Seite  setzen.  Rücksicht- 
lich der  Uebereinstimmung  ihrer  beiderseitigen  Ansichten  in  gewisser 
Hinsicht  freue  er  sich,  doch  sei  es  ihm  nicht  gleichgiltig ,  ob  der  politi- 
sche Sinn  unausgebildet  bleibe.  Wird  dieser  übrigens  nicht  auch  durcli 
die  griech.  und  röm.  Geschichte  entwickelt?  Doch  soll  ja  die  neuere  nicht 
ausgeschlossen  sein ;  ja,  es  wäre  wünschenswerth,  dass  sie  recht  weit ,  bis 
auf  die  neueste  Zeit  herabgeführt  werde.  Den  Bemerkungen  dos  Herrn 
Prof.  Schäfer  halte  er  gegenüber,  dass  er  auch  30  Jahre  lang  Geschichte 
vorgetragen  habe. 

Präsident:  Wir  müssen  abbrechen;  an  einem  andern  Platze  wer- 
den wir  uns  vielleicht  einigen. 

Rufe:  Abstimmung! 

Gjmnas.-Dir.  Dr.  Ähren s  aus  Hannover:  Man  möge  die  Entschei- 
dung offen  lassen;  die  Majorität  sei  bei  diesen  Versammlungen  immer  eine 
sehr  wechselnde;  es  könne  daher  leicht  kommen,  dass  ein  früherer  Be- 
schluss  durch  einen  spätem  wieder  aufgehoben  werde.  Deshalb  sei  man 
seit  einem  Decennium  gewohnt,  so  wichtige  Fragen  nur  zu  discutieren,  nicht 
aber  darüber  abzustimmen. 

Die  Anfrage  des  Präsidenten,  ob  vielleicht,  da  eine  definitive 
Entscheidung  nicht  gelegen  sei,  eine  vorläufige  eintreten  solle,  findet  keine 
ünterstüzung. 

Schluss  der  Debatte. 


ZciUohi  :ft  f.  d.  Ötterr.  Gymn.  iBßi.  X.  Ben.  52 


966  MisceÜeiL 

Nach  der  bereits  oben  wieder  gegebeneu  Ansprache  des  Prof.  Dr. 
Köchly  wurde  zur  zweiton  Frage  der  Tagesordnung  übergegangen,  nämlich 
zur  Verhandlung  über  die  hier  im  Abdrucke  folgenden 

Thesen  von  Prof.  Piper, 

betr.  die  Einfahrung  der  monumentalen,  insbesondere  der  christlich-monu- 

mentiäen  Studien  in  den  Gymnasialunterricht. 
(Siehe  den  Vortrag  in  der  Verhandl.  der  XXm.  Philologen- Versammlung.) 

1.  Die  Aufnahme  dieser  Studien  in  den  Gymnasialunterricht  wird 
erfordert  als  Voraussetzung  für  den  Unterricht  auf  der  Universität  in 
dem  ganzen  Kunstgebiet,  insbesondere  in  der  classischen  wie  in  der  christ- 
lichen Kunstarchaöologie. 

2.  Sie  ist  nothwendig  für  den  Zweck  der  Gvmnasialbildung  selbst: 
erstens  nach  der  formalen  Seite,  um  gegenüber  der  Ausbildung  des  Ver- 
standes das  Anschauungsvermögen  zu  entwickeln  und  den  Sinn  für  die 
Sprache  der  Kunst  zu  üben. 

3.  Sodann  dem  Inhalte  nach,  um  durch  die  Vorbilder  aus  der  Blü- 
thezeit  der  classischen  wie  der  christlichen  Kunst  auf  die  Bildung  des 
Charakters  in  der  ethischen  und  religiösen  Richtung  zu  wirken. 

4.  Drittens  um  mit  der  allgemeinen  Bildung  und  deren  Ansprüchen 
die  Leistungen  der  Schule  in  Einklang  zu  setzen. 

5.  Nach  dem  Mafs  dieser  Leistungen ,  das  von  der  Schule  zu  fordern 
ist,  bildet  der  Unterschied  in  der  Begabung  der  Schüler  kein  Hindernis 
der  allgemeinen  Einführung. 

Die  Werke  der  Kunst  sind  geeignet  auf  allen  Stufen  des  Unterrichts 
als  Bildungsmittel  zu  dienen. 

6.  Das  Studium  der  Kunst  auf  Gvmnasien  erfordert  nicht  die  Ein- 
räumung besonderer  Lehrstunden,  sondern  die  Berücksichtigung  in  den 
verwandten  Disciplinen.  Es  stellt  sich  dar  nicht  als  Belastung  mit  neuem 
Stoff,  sondern  als  Ergänzung  und  Erleichterung  der  Methode. 

7.  Der  Ort  dafür  ist :  erstens  die  Lesung  der  Schriftsteller,  vornehm- 
lich der  alten  Dichter  (Homer,  Virgil,  die  Tragiker) :  und  hier  dient  es  so- 
wol  für  das  Verständnis  ihrer  selbst,  nach  der  Wechselwirkung,  in  welcher 
die  Literatur  mit  den  Kunstdenkmälern  gestanden ;  als  mit  ihnen  für  die 
Erkenntnis  des  ganzen  Alterthums,  für  welches  beiderlei  Quellen  gleiche 
Berechtigung  haben. 

Demnächst  die  Lesung  der  deutschen  Classiker,  zumal  Lessins^s 
und  Göthc'ä,  nach  der  Einwirkung,  welche  sie  tbcils  auf  das  Studium  der 
Kunstwerke  geübt,  theils  selbst  daher  empfangen  haben. 

8.  Der  Ort  dafür  ist  zweitens  der  Geschichtsunterricht. 

9.  Drittens  der  Religionsunterricht,  vor  allem  in  seinen  geschicht- 
lichen Theilen:  sowol  der  biblischen  als  der  Kirchengeschichte. 

Auch  die  Einführung  in  die  Glaubenslehre  wird  gefordert  durch 
Benützung  der  christlichen  Kunstwerke. 

10.  Den  meisten  Gymnasien  felilen  die  noth wendigen  Lehrmittel 
für  das  Studium  der  classischen  und  noch  mehr  der  chnstlichen  Kunst. 

Die  Benutzung  fremder  Sammlungen  ist  eine  Aushilfe,  welche  den 
eigenen  Besitz  einer  planmäfsigen  Sammlung  von  Nachbildungen  nicht  er- 
setzen kann. 

Aber  der  letztere  macht  die  Führung  oder  Excursion  zu  einzelnen 
grossen  Originalwerken  der  Kunst  nicht  überflüssig. 

11.  Die  Anlegung  von  Kunstsammlungen  sowol  classischen  als  christ- 
lichen bei  den  G}Tnnasien  ist ,  analog  dem  Besitz  von  Bibliotheken ,  ein 
unabweisliches  Bedürfnis  des  Unterrichts,  dessen  Erfüllung  nicht  gehindert 
werden  darf. 

Gegenüber  der  Ausstattung,  welche  besonders  für  naturwissenschaft- 
liche Zwecke  gewährt  wird,  ist  es  eine  Fordorung  der  Gerechtigkeit,  dass 
in  der  V^erwendung  der  Einkünfte  die  kunstwissenschaftlichen  Zwecke  nicht 
versäumt  werden. 


Miscellen.  767 

12.  Es  erscheint  vor  allem  als  Aufo^be  der  Schale,  mit  den  erfor- 
derlichen Lehrkräften,  wo  sie  fehlen,  sich  zu  versehen. 

Prof.  Dr.  Piper:  Die  Verhandlung  „üeber  die  Einführung  der  mo- 
numentalen, besonders  der  christlich-monumentalen  Studien"  in  den  Gjm- 
nasialunterricht  wurde  bereits  in  Hannover  *)  begonnen ,  aber  auf  Antrag 
des  Herrn  Prof.  Dr.  Stark  aus  Heidelberg  die  Fortsetzung  hierher  verlegt. 
Der  Redner  erörtert  darauf  die  drei  Gesichtspuncte,  die  hierbei  in's  Auge 
zu  fassen  seien,  nämlich:  1.  die  Nothwendigkeit,  2.  der  Ort  im  Lehrplan, 
3.  die  Ausfuhr ung;  und  Ausführbarkeit,  in  folgender  Weise. 

Die  zehnjänrige  Leitung  eines  archsologischen  Seminars  weist  mich 
darauf  hin,  dass  der  Beginn  dieser  Studien  auf  der  Universität  zu  s^t 
ist,  eine  Anleitung  soll  und  muss  schon  auf  dem  Gvmnasium  gegeben  sein. 
Zu  grofser  Freude  gereichte  mir  in  dieser  Hinsicht  die  gestern  über  die 
Einmhrung  der  griech.-makedonischen  Elementartaktik  statt  gehabte  De- 
batte. Wie  der  Schüler  in  die  Welt  des  griechischen  und  römischen 
Geistes  eingeführt  wird,  so  soll  er  auch  hier  zu  einem  tiefem  Verständnis 
der  Kunst  angeleitet  werden.  Zwar  ist  selbst  von  Autoritäten  die  Ein- 
wendung gemacht  worden,  die  Jugend  sei  nicht  durchaus  dazu  geeignet, 
es  Heise  sich  dies  Studium  nicht  jedem  octrojieren;  doch  im  ganzen  ist 
die  Jugend  dazu  befähig  und  der  Gegenstand  für  Sprache,  Geschichte 
und  Religion  sehr  wichtig.  Keine  Stufe  auf  dem  Gvmnasium  ist  zu  früh 
um  darauf  hingewiesen  zu  werden,  aber  immer  noch  soU  eine  höhere  Auf- 
gabe übrig  bleiben. 

Was  den  Ort  anbetrifft,  wo  der  Gegenstand  zu  behandeln  ist,  so 
fordern  erstens  vor  allem  die  alten  Dichter  fortwährend  den  Hinweis  auf 
die  Kunst,  da  sie  —  der  Redner  verweist  auf  Prof.  Stark  in  der  Niobe  — 
entweder  daraus  geschöpft  oder  auf  ihre  Entwicklung  eingewirkt  haben. 
Zweitens  muss  der  Gegenstand  ganz  besonders  in  der  Geschichte  seine 
Stelle  finden  und  drittens  im  Religionsunterrichte.  Während  es  sich  im 
Alterthume  um  Anschauung  handelt,  gilt  es  hier  Ueberzeugungen  zu  pflan- 
zen, auf  die  sich  leben  und  sterben  lässt.  Die  ganze  biblische  Geschichte 
liegt  in  monumentalen  Denkmalen  entwickelt  vor  uns :  durch  Begeisterung 
wird  Begeisterung  geweckt.  Darum  ist  das  Studium  so  wichtig;  die  älteste 
Kunst  ist  aber  an  solchen  Darstellungen  gerade  sehr  reich.  S>  findet  sich 
z.  B.  auf  Sarkophagen  Moses,  wie  er  die  Schuhe  am  Berge  Horeb  auszieht. 
Die  Schuhe  sind  nämlich  ein  BUd  der  Sterblichkeit,  daher  die  weite  Ver- 
breitung dieser  Idee  auf  Grabdenkmälern.  Sehr  häute  sehen  wir  femer  das 
Kind  Jesu  in  der  Krippe  liegend,  von  Ochs  und  Esel  umgeben,  was  deich- 
falls  eine  tiefere  symbolische  Bedeutung  hat.  Es  ist  dies  ein  Bild  der 
menschlichen  Undankbarkeit;  denn  es  heiTst:  „der  Ochs  und  Esel  kennt 
seinen  Herrn.**  Maria  und  Joseph  sind  aber  auf  diesen  ältesten  Denkmalen 
nicht,  weil  der  Mariencult  erst  im  fünften  Jahrhundert  aufgekommen  ist. 

Was  endlich  die  Ausführung  und  Ausführbarkeit  des  Unterrichtes 
betrifft,  so  scheint  die  Nothwendigkeit  der  Lehrmittel  durch  die  Sache 
selbst  geboten.  Goethe  sagt  in  seiner  Italien.  Reise:  „Die  Kunst  ist  da,  da- 
mit man  sie  sehe,  nicht,  damit  man  davon  schwätze.**  Es  müssen  Exem- 
Slare  von  Abbildungen  da  sein.  Wenn  für  Naturwissenschaften  enorme 
[ittel  vorhanden  sind,  so  werden  sie  auch  hier  zu  beschaffen  sein,  so- 
bald die  Nothwendigkeit  dieses  Unterrichtes  anerkannt  ist  Vor  dreißig 
Jahren  waren  am  Gymnasium  keine  Abbildungen;  ich  selbst  trage  den 
Schaden  davon. 

Präsident  eröffnet  die  Debatte  mit  der  Erklärang,  er  wolle  zwei 
Fragen,  eine  allgemeine  und  eine  besondere,  an  die  Versammlung  richten: 
Ist  es  gut  diese  Studien  1.  überhaupt  in  den  Unterricht  und  2.  insbeson- 
dere in  den  Lycealunterricht  aufzunehmen? 

Oberstudienrath  Dr.  Hafsler  aus  Ulm:  Es  ist  nicht  meine  Ab« 
sieht,  mich  über  den  ganzen  Inhalt  der  Thesen  zu  verbreiten  oder  den 
Consequenzen  entgegenzutreten,  sondern  nur  sie  zu  empfehlen.   Ich  habe 

')  Vgl.  Jahrgang  1864  dieser  Zeitschrift  Heft  X,  S.  786  ff. 

52* 


196  Uiscellcii: 

im  speciellen  Vaterlande,  dem  ich  angehöre,  die  Kirchen  zu  besuchen  und 
Fragen  auch  über  Kunstgegenständc  an  die  Geistlichkeit  beider  Confes- 
sionen  zu  stellen.  Sie  gehören  zur  Kategorie  derer,  die  Luther  ^einßlltige 
Geistliche"  nennt.  Damit  mache  er  ihnen  keinen  Vorwurf  hätten  sie  doch 
keine  Gelegenheit  gehabt.  Nachdem  er  noch  auf  eine  Berliner  Scene  hin- 
gewiesen hatte,  indem  ein  Collegium  von  Conservatoren  aus  17  Individuen 
zusammengewürfelt  gewesen  sei,  von  denen  der  eine  Mediciner,  der  zweite, 
nachdem  er  schon  in  anderen  Lebensrichtungen  widerholt  Schiffbruch  gelit- 
ten, zuletzt  als  Diplomat  verunglückt  sei,  der  dritte  dem  Juristenstande 
angehört  habe,  u.  s.  w.,  kurz,  von  denen  jeder  in  allem  anderen  weit  eher 
als  auf  dem  Kunstgebiete  bewandert  gewesen  sei,  schloss  er  mit  den  Worten: 
„Drehen  Sie  es  recht,  dann  wird  es  recht  gehen.** 

Prof.  Dr.  Stark  aus  Heidelberg:  Seit  Jahren  befasse  ich  mich  mit 
Studien  über  Kunst  und  bereits  im  sturmbewegten  Jahre  48  schrieb  ich, 
23  Jahre  alt,  ein  kleines  Werkchen:  ^Kunst  und  Schule**,  worin  ich  auf 
die  Nothwendigkeit  der  Betreibung  dieser  Studien  in  Gymnasien  hinwies. 
Ich  freue  mich  deshalb  um  so  mehr  darüber,  solche  Ansicht  aus  dem  Munde 
eines  protestantischen  Theologen  zu  hören,  als  ich  unter  den  Theologen 
wenig  Empfänglichkeit  für  dies  Gebiet  gefunden  habe.  Rücksichtlich  der 
These  bitte  ich,  die  Versammlung  möge  die  Einführung  der  monumentalen, 
insbesondere  der  christlich-monumentalen  Studien  in  den  Gymnasialunter- 
richt als  durchaus  zu  forderndes  Ziel  hinstellen.  Es  ist  ein  Widerspruch, 
wenn  diese  Richtung  der  höheren  Bildung  auf  Gvnmasien,  wo  man  alles 
andere  treibt,  vernachlässigt  bleibt.  Man  möge  sich  verständigen,  dass,  wie 
die  classischen  Studien  den  Mittelpunct  des  GymnasialuntSrrichtes  aus- 
machen, so  die  archaeologischen ,  die  damit  im  engsten  Zusammenbange 
stehen  ,  angeregt  werden ,  ohne  dass  man  das  andere  darüber  bei  Seite 
setze.  Die  alte  Kunst  ist  für  das  Verständnis  der  Kunst  überhaupt  die 
Grammatik ;  die  mittelalterliche  Kunst  und  Allegorie  können  wir  ohne  sie 
nicht  verstehen.  Es  muss  sonach  das  Classisch-Antike  und  Mittelalterliche 
verbunden  auftreten. 

Die  Versammlung  möge  also  die  Durchführung  der  These  für  eine 
den  Gymnasialunterricht  sehr  fördernde  Aufgabe  erklären. 

Es  müssen  aber  vor  allem  Musterbilder  vorhanden  sein.  Da  nicht 
SBsthetisiert,  nicht  antiauarisch-trockene  Gelehrsamkeit  aufgetischt  werden 
soll,  so  möge  nur  ein  Minimum  von  Apparaten  benützt  werden,  auf  welche 
die  Schüler,  besonders  in  Freistunden,  vom  Lehrer  hinzuweisen  wären. 
Freilich  muss  solch  ein  Hinweis  mit  einem  gewissen  Können  und  Verstehen 
in  Einklang  gebracht  werden.  Doch  hierüber  lassen  sich  keine  speciellen 
Regeln  geben;  der  richtige,  klare  Sinn  muss  leiten. 

Präsident:  Da  die  Zeit  bereits  verstrichen  sei,  finde  er  sich  ver- 
anlasst, für  heute  die  Debatte  zu  schlief sen,  deren  Fortsetzung  morgen 
folgen  möge.  —  Sein  Vorschlag,  die  nächste  Sitzung  um  8  Uhr  beginnen  zu 
lassen,  konnte  wegen  bereits  erfolgten  Weggangs  einer  grossen  Anzahl  von 
Mitgüedem  nicht  zur  Abstimmung  gebracnt  werden. 
Schluss  der  Sitzung. 

4.  Sitzvmg,  30.  September, 

Anfang  um  9  Uhr. 

Tagesordnung: 

1.  „üeber  die  Sommerferien  der  Gymnasien"  von  Rector  Prof.  Eck- 
stein aus  Leipzig. 

2.  Fortsetzung  der  Verhandlung  „über  die  Thesen,  betreffend  die 
Einführung  der  monumentalen,  insbesondere  der  christlich -monumentalen 
Studien  in  den  Gymnasialunterricht**  von  Prof.  Piper  aus  Berlin. 

3.  Verlesung  der  Protokolle.  —  Schlussworte  des  Vorsitzenden. 

Der  Präsident  lässt,  da  Rector  Prof  Eckstein  noch  nicht  anwe- 
send sei,  mit  Nr.  2  der  Tagesordnung,  der  Fortsetzung  der  gestrigen 
Debatte  beginnen. 


Miscellen.  709 

Prof.  Stoy  aus  Jena:  Lassen  Sie  mich  vor  allem  bekennen,  dass 
ich  mit  der  Hauptsache  vollkommen  einverstanden  bin;  ich  will  deshalb 
zunächst  nur  Ergänzungen  geben,  und  zwar  zuerst  zu  §.  6  —  9  auf  die 
hochwichtige  Frage  antworten :  Welche  Stellung  soll  dies  Studium  zu  den 
andern  Fächern  einnehmen  ?  Die  Zahl  der  Lehrstunden  darf  nicht  vermehrt 
werden,  da  die  freie  Zeit  für  den  Schüler  ohnehin  beschränkt  ist.  Der 
Zeichenunterricht  ist  nicht  allgemein  obligatorisch,  obwol  er  sehr  besucht 
wird.  Nachbildungen  und  Analysen  von  Kunstwerken  sind  hier  sehr  prak- 
tisch. Darüber  gibt  das  Werk  von  Prof.  Stark  „Kunst  und  Schule",  das 
der  Verfasser  bereits  selbst  erwähnt  hat,  Anhaltspuncte. 

Auch  das  Herstellen  der  Lehrmittel  ist  sehr  wichtig.  Für  die  An- 
stalten, denen  solche  Sammlungen  abgehen,  müssen  sie  beschafft  werden. 
»Wenn  man  will,  wird's  gehen**,  ist  gesagt  worden;  doch  der  Wille  allein 
reicht  nicht  aus,  die  That  muss  ihm  zur  Seite  stehen.  Würde  man,  wie 
es  einst  bei  physikalischen  Apparaten  geschehen  sei,  kostbare  Hilfsmittel 
anschaffen,  so  dass  der  Schüler  nur  am  äuTserlichen  hängt,  so  wäre  dies 
ein  grofser  Fehler:  nur  das  einfachste  ist  zu  wählen.  Ein  Austausch  über 
die  Mittel  ^  ist  wegen  der  Kürze  der  Zeit  nicht  mehr  möglich.  Die 
Herren,  welche  sich  darum  interessieren,  mögen  sich  über  die  Bestrebungen 
und  Erfolge  mit  Herrn  Prof.  Piper  in's  Einvernehmen  setzen. 

Gymn.-Dir.  Piderit:  Bereits  in  der  jüngst  zu  Frankfurt  stattge- 
fnndenen  Versammlung  mittelrheinischer  Gymnasiallehrer  wurde  eben  dieser 
Gegenstand  von  dem  hier  anwesenden  Prof.  von  d.  Launitz,  der  den  Vor- 
trag über  die  Toga  und  Palla  gehalten,  behandelt.  Er  war  der  Ansicht, 
dass  man  durch  die  Schüler  vieles  könnte  beschaffen  lassen.  Prof.  Launitz 
könnte,  schUefst  der  Redner,  der  ebenfalls  nur  das  „wesentlichste**  der 
Hilfsmittel  betont,  uns  wol  Andeutungen  geben. 

Gymn.-Dir.  Mommsen:  Ich  würde  dasselbe  wie  Prof.  Stoy  sagen, 
nur  statt  der  Ergänzungen  eine  Beschränkung  vorschlagen.  Bei  den  mittel- 
rheinischen Versammlungen  hat  man  sich  dahin  geeinigt,  dass  das  Zeichnen 
dazu  verwandt  werden  solle ,  dass  man  aber  in  andere  Fächer,  wie  die  In- 
terpretation der  Schriftsteller,  dies  Gebiet  nicht  hineintrage.  Die  ganze 
Frage  greift  indessen  in  die  Methode  des  Unterrichts  ungemein  tief  ein. 
Hat  der  Lehrer  keine  Kenntnis  von  der  Kunst,  so  ist  es  schwer  künstle- 
rische Anschauungen  wach  zu  rufen.  Ich  war  in  Italien ;  bloft  durch  Bücher 
ohne  eigne  Anscfiiuung  die  Werke  der  Kunst  kennen  zu  lernen,  ist  kaum 
erreichbar.  Gleichzeitig  müssen  wir  uns  vor  dem  „Zuviel**  hüten.  Der  von 
dem  Herrn  aus  Schwaben  gegen  Geistliche  gemachte  Vorwurf  trifft  nicht 
die  Schule.  Im  übrigen  bescbränke  ich  mich  auf  das  bei  der  mittelrhei- 
nischen  Verhandlung  erwähnte. 

Dir.  Dr.  Brennecke  aus  Posen  nennt  eine  k.  Anstalt,  die  Gyps- 
abdrücke  liefere. 

Präsident:  Für  Beschrankung  der  ünterrichtsgegenstände  bin  ich 
überhaupt,  doch  möchte  ich  die  monumentalen  Studien  nicht  blofs  in  den 
Zeichenunterricht  verweisen,  sondern  auch  auf  die  Leetüre  ausgedehnt  wis- 
sen. So  könnte  man  femer  im  Mittelalter  auf  die  Hauptarten  der  Stile 
eingehen;  denn  es  ist  sehr  zu  beklagen,  wenn  im  Lehrbuche  „vom  gothischen 
Stile**  u.  8.  w.  steht,  ohne  dass  etwas  genaues  darüber  gesagt  wird.  Man 
gebe  Bilder,  nicht  blofs  die  Namen.  „Kunststudien**  ist  ftir  Lehranstalten 
ein  unrichtiger  Ausdruck,  da  eigentlioie  Studien  auf  der  Schule  nicht  ge- 
trieben werden  können.  Sehr  wichtig  ist  es,  wenn  der  Lehrer  zeichnen  kann ; 
Bilder  gibt  es  überall;  auch  die  Photographie  kann  für  diesen  Zweck  sehr 


*)  Wir  bedauern  dies  um  so  mehr,  als  in  Hannover  dieser  wichtige 
Theil  gar  keine  und  hier  nur  eine  oberflächliche  Erörterung  fand. 
Vgl.  Jahrg.  1864  dieser  Ztschr.  Heft  X,  S.  794.  [Zu  theilweiser  Er- 
gänzung aes  hier  vermissten  geben  wir  auf  S.  751  ff.  den  Inhalt 
der  hier  erwähnten  VerhMidlung  der  mittelrheinischen  Gymnasial- 
lehrer.   Anm.  d.  Bed.] 


770  Miscellen. 

ausgebeutet  werden.  Damit  kann  man  aber  den  Schüler  fast  überall  hin- 
führen. 

Prof.  Piper:  Ich  danke  den  Herren  für  die  Ergänzungen  und  Zu- 
stimmungen, ^nz  besonders  aber  dem  Herrn  Präsidenten.  Was  die  Be- 
schränkung dieses  Gebietes  auf  den  Zeichenunterricht  betrifft,  so  kann 
dieser  doch  nur  ausnahmsweise  dazu  dienen.  Vom  Zeichenlehrer  kann  man 
nicht  archaeologische  Kenntnis  verlangen  und  dem  Archieologen  nicht  Fer- 
tigkeit im  Zeichnen  zumuthen.  Auch  sind  die  Archseolog'^n  nicht  immer 
Kritiker. 

Prof.  Spengel  lehnt  unter  Berufung  auf  die  Hannoverischen  Ver- 
handlungen ^)  die  Einfühmng  dieses  Studiums  in  der  geforderten  Weise  ab. 

Prof.  Piper:  Es  soll  nicht  fremdes  eingeführt  werden,  es  soll  nicht 
abstract  bleiben.  Die  Alten  sahen  fortwährend  ihre  Heroenbilder;  unserer 
Jugend  müssen  wir  zum  Ersätze  dieser  Anschauungen  Bilder  vorföhren. 
An  Lehrern  mag  es  fehlen,  doch  sind  sie  zu  beschaffen,  wenn  man  ihr 
Vorhandensein  fordert.  Die  Ausgaben  von  Lehrmitteln  sollen  nur  das  noth- 
wendigste  enthalten;  Abgüsse  gibt  es  in  reichlicher  Menge.  Nachdem 
der  Redner  noch  auf  seinen  Aursatz:  „Ueber  die  Anlage  christlicher  Mu- 
seen", abgedruckt  im  Berliner  Museum,  verwiesen  und  Prof.  Stoy  sowie 
jedem  der  Anwesenden,  der  zur  Durchführung  behilflich  ist,  seinen  Dank 
ausgesprochen  hat,  schliefst  er  mit  dem  Bemerken:  Ich  habe  im  vorigen 
Jahre  zu  meiner  Orientierung  sechs  Wochen  lan^  eine  Reise  durch  die 
Gymnasien  gemacht  und  mich  überzeugt,  dass  einige  Anstalten  etwas  lei- 
sten, ein  solcher  Unterricht  ist  aber  nirgends  eingeführt,  wie  auf  der 
Versammlung  zu  Hannover  behauptet  wurde*). 

Präsident  beklagt  es,  dass  keine  Zeit  mehr  sei,  um  über  einiges 
andere,  was  der  Erörterung  noch  bedürfte,  und  besonders  über  das  christ- 
lich-monumentale weiter  zu  verhandeln,  und  stellt,  da  niemand  mehr  um 
das  Wort  bittet,  folgende  Frage: 

„Hält  es  die  Versammlung  für  zweckmäfsig,  dass  auf  das  monumen- 
tale Studium  in  den  Unterrichtsstunden  der  höhern  Lehranstalten  Rück- 
sicht genommen  wird?** 

Majorität. 

Präsident:  Ich  trage  dann  den  Wunsch  des  Herrn  Prof  Stey  der 
Versammlung  vor,  dass  die  Herren  dem  Antragesteller  ihre  Erfahrungen 
mittheilen  wollen  und  schliefse  hiemit  diese  Verhandlungen. 


Prof.  Köchly  tritt  auf  und  bittet  die  Versammlung  um  Ernennung 
eines  Referenten  zur  Abfassung  eines  Berichtes,  der  jedoch  die  Zeitdauer 
von  etwa  fünf  Minuten  nicht  überschreite,  über  die  Verhandlungen  dieser 
Section,  da  eine  solche  Vorlage  der  allgemeinen  Sitzung  sehr  erwünscht  sein 
würde.  Die  Versammlung  giot  zu  dem  Antrage  ihre  Zustimmung  und  der 
Präsident  übernimmt  auf  deren  Wunsch  die  Abfassung  des  Berichtes. 

Recter  Eckstein,  hierauf  aufgefordert,  den  von  ihm  in  Aussicht 
gestellten  Vortrag  ^über  die  Sommer&rien  an  Gymnasien**  zu  halten,  be- 
schränkt sich,  da  die  vorgerückte  Zeit  eine  wirkliche  Erörterung  des  Gegen- 
standes nicht  gestattet,  auf  folgende  Bemerkungen:  Bei  der  jetzigen  Ver- 
theilun^  der  Ferien  entetehen  im  Unterrichtsjahre  drei  Lücken:  zu  Ostern, 
neben  den  Pfingsttagen  noch  im  Hochsommer  und  im  Herbste.  Diese 
Frage  habe  für  die  südlichen  CoUegen,  die  sich  ja  längerer  Herbstferien 
erfreuten,  wenig  Bedeutung.  Darum  habe  er  auch  die  These  für  die  dies- 
jährige Verhandlung  weniger  nässend  gehalten;  er  wolle  deshalb  lieber 
den  Vorschlag  machen,  für  näcnstes  Jau  viele  hier  einschlagende  Thesen 
festzusetzen,  z.  B.: 


*)  Vgl.  Jahrg.  1864  dieser  Zeitschr.,  Heft  X,  S.  794  die  Worte  des 

Dir.  Dr.  0.  Frick  aus  Burg. 
*)  S.  die  vor.  Note. 


Miscellen.  771 

Die  Ferien  sind  für  den  Lehrer,  der  «chiiler  bedarf  keine ;  man  soll 
sio  für  ihn  möglichst  weni^  störend  machen. 

Wann  sollen  die  Fenen  sein? 

Im  Herbste  sind  eben  nur  vier  Wochen  zu  setzen  aus  Rücksicht  auf 
die  Schüler,  besonders  auf  die  kleinem,  damit  ihre  Arbeit  nicht  allzulange 
unterbrochen  werde. 

Er  verlange,  um  gar  nicht  darauf  hinzuweisen,  wie   höchst   unan- 

fßnehm  die  diesjährigen  Hundstage  gewesen  seien,  für  den  Herbst  längere 
erien. 

Aus  den  angeführten  Gründen  wünsche  er  keine  Discussion. 

Prof.  Köchly:  Ich  will  keine  Discussion,  aber  auf  eines  möchte 
ich  hinweisen.  Trotz  der  überaus  zahlreichen  Betheiligung  an  der  Ver- 
sammlung sind  nur  weni^  Collegen  aus  dem  Norden  gekommen,  nur  weil 
sie,  wie  mir  vielfach  versichert  wurde,  jetzt  keine  Ferien  haben.  Daher  ist 
schon  wiederholt  der  Wunsch  ausgesprochen  worden,  ob  die  im  Statute 
für  die  Philologenversammlung  enthaltene  Bestimmung  über  die  Abhal- 
tung derselben  in  den  letzten  Tagen  des  Sentember  nicht  zu  modificieren  sei. 

Rector  Eckstein:  Das  ist  mir  aus  der  Seele  gesprochen.  Diese  Frage 
muss  auf  der  nächsten  Versammlung  gelöst  werden,  da  nach  fünfnnd- 
zwanzigjährigem  Bestehen  ein  neues  Statut  entworfen  werden  soll. 

Prof.  Kehdantz:  Dem  Wunsche  des  Antra^tellers  rücksichtlich 
der  Ferien  kann  Rechnung  getragen  werden,  wenn  wir  vom  Cardinalpuncte 
anfangen,  nämlich  von  der  Frage,  ob  Schuljahr  oder  Seme^tercurse ?  Im 
erstem  Falle  ist  die  Möglichkeit  vorhanden,  im  zweiten  nicht. 

Präsident:  Soll  der  Antrag  also  weiter  discutiert  oder  verschoben 
werden  ? 

Die  Versammlung  ist  für  letzteres. 

Präsident  bedauert,  dass  es  nicht  mehr  möglich  sei,  dem  Rück- 
blicke noch  einige  Worte  zu  widmen,  da  man  schon  zur  allgemeinen  Ver- 
sammlung eilen  müsse,  und  erklärt  die  Sitzung,  indem  er  an  die  An- 
wesenden Worte  des  Dankes  richtet,  für  geschlossen.  Rector  Eckstein 
spricht  im  Namen  der  Versammlung  dem  Präsidenten  den  Dank  für  die 
gefallig  übernommene  Leitung  aus. 

Salzburg.  Dr.  Schell. 

Anmerkung  zu  S.  766  ff.  Zur  Ergänzung  des  oben  mitgetheilten 
entlehnen  wir  dem  in  der  Zeitschrift  Eos  Jhrg.  IJ.  Heft  2,  S.  254 ff.  ent- 
haltenen „Berichte  über  die  8.  Versammlung  mittelrheinischer  Gjrmnasial- 
lehrer"  dasjenige,  was  unmittelbar  zu  der  hier  behandelten  Frage  gehört. 

Hierauf  erhält  Hr.   Professor  Ed.  v.  d.  Launitz  das  Wort. 

Nach  einer  kurzen  Erklärung,  wie  der  Redner  als  Künstler  dazu  gekom- 
men in  einer  Lehrerversammlung  das  Wort  zu  ergreifen,  legt  er  die  Frage, 
die  er  hier  erörtert  sehen  möchte,  in  folgender  Fassung  der  Erwägung  der 
Versammlung  vor:  „Ob  es  dem  heutigen  Stande  der  Alterthumskenntnis 
und  dem  neu  erwachten  Interesse  für  dieselbe  nicht  entsprechend  sein 
dürfte,  bei  dem  Unterricht  der  alten  Geschichte,  der  alten  Sprachen  und 
der  antiken  Poesie  in  den  Gymnasien  den  Werken  der  antiken  Kunst 
eine  gröfsere  Aufmerksamkeit  zu  widmen  und  ihnen  einen  grö&eren  Werth 
für  die  geistige  Ausbildung  der  Schüler  beizulegen,  als  dies  bisher  ge- 
schehen ist.**    - 

Der  Redner  stellt  seinem  Vorschlage  sogleich  die  3  Haustein  Wen- 
dungen entgegen,  welche  die  muthmarslicnen  Gegner  desselben  mit  schein- 
barer Berechtigung  vorbringen  könnten,  nämlich  1)  dass  es  nicht  rathsam 
sei,  eine  neue  Disciplin,  die  nicht  einmal  der  Wissenschaft,  sondem  der 
Kunst  angehöre,  m  den  Lehrcursus  des  Gymnasiums  aufzunehmen;  2)  dass 
die  ohnedies  knapp  zugemessene  Zeit  der  Lehrstunden  allein  schon  einen 
Ablehnungsgrund  darbiete,  und  3)  dass  für  eine  bei  dieser  Kunstlehre 
nnerlässliche  Kunstsammlung  in  den  allermeisten  Gymnasien  die 
Geldmittel  fehle.  —  Diese  Einwürfe  widerlegt  der  Redner  etwa  durch 


77t  Miscellcn. 

folgende  Enigegnung :  Ersteus  fordere  er  keine  neue  Disciplin,  keine  Kunst- 
lehrc,  keine  Kunstgescliiclite  oder  Kuustphilosopliio ,  sondern  nur  die  Be- 
nutzung der  Werke  der  antiken  bildenden  Kunst,  um  hierdurch  dem  Schüler 
ein  möglichst  treues  und  klares  Bild  des  antiken  Lebens  und  der  antiken 
Denkweise  zu  geben.  Dem  Einwände  des  Zeitverlustes  begegnet  er  durch 
die  schlagende  Bemerkung,  dass  die  Anschauung  das  zeitersuareudste 
Mittel  der  Erkenntnis  sei,  da  das  Verständnis  hier  nicht  aurch  lange 
mündliche  Erklärungen  bewirkt  werde,  sondern  durch  einen  momentanen 
Eindruck  des  Gegenstandes  von  allen  Seiten  und  nach  den  verschiedensten 
Beziehungen  hin.  Dazu  komme  noch,  dass  die  Anschauung  ein  unendlich 
klareres,  unzweifelhafteres  Bild  gebe,  als  jede  Erklärung,  und  dass  endlich 
der  Anblick  eines  Gregenstandes  das  am  längsten  im  Gedächtnis  haftende 
Mittel  der  Erinnerung  sei.  Wenn  man  nun  aber  auch,  dieses  zugegeben, 
die  bildende  Kunst  als  eine  der  rein  wissenschaftlichen  Tendenz  eines 
Gymnasiums  entgegengesetzte  Seite  der  höheren  geistigen  Interessen  be- 
trachte, so  fragt  der  Redner,  ob  denn  die  Gymnastik  des  Geistes,  die  in 
den  Gymnasien  denn  doch  getrieben  wird,  sich  auf  syntaktische  Regelrich- 
tiffkeit,  rhetorische  Formen  oder  dialektische  Schärfe  des  Ausdrucks  be- 
scnränken  solle,  oder  ob  die  classischen  Autoren  lediglich  dazu  dienen  müssen, 
die  Regeln  der  Grammatik  zu  erlernen,  die  Kenntnis  der  antiken  Versmafse 
beizubringen,  und  nicht  vielmehr  dazu,  der  Jugend  ein  Bild  vorzuführen 
von  einem  höheren  Leben  als  die  Wirklichkeit  es  später  bieten  wird,  von 
einer  idealeren  Richtung  des  Geistes  als  die  bloX^en  Realstudien  dies  zu 
geben  vermögen  und  als  das  praktische  Leben  es  später  fordern  kann. 
Diese  ideale  Seite  des  antiken  Lebens,  fragt  der  Redner  mit  Entschieden- 
heit, ist  diese  allein  in  den  geschriebeneu  Werken  der  Alten  zu  fin- 
den und  vielleicht  nicht  noch  in  augenfälligerer  Weise  in  der  antiken 
bildenden  Kunst,  d.h.  der  antiken  Architektur,  Sculptur  und  Malerei V 
Jedenfalls  ist  sie  in  den  Werken  der  Nachahmung  dem  Schüler  am 
leichtesten  nachzuweisen.  Unlogisch  wäre  aber  die  Ablehnung  des  Heroin- 
ziehens der  Kunst  in  eine  rein  wissenschaftliche  Lehranstalt  wegen 
der  so  ausgesprochenen  Verschiedenheit  beider  Geistesrichtungen.  Denn, 
fragt  der  Redner,  macht  nicht  die  Erklärung  von  Kunstwerken  schon   von 

i'eher  einen  Theil  des  Gymnasialunterrichtes  aus?  Und  nicht  gerade  den 
deinsten!  Werden  Homer,  Sophokles  und  Hora^  nicht  als  Repräsentanten 
der  Poesie  gelesen  und  erklärt?  und  steht  nicht  die  Poesie  ooenaii  in  der 
Reihe  der  Künste?  —  Wie  wolle  man  aber  ein  klares  Bild  von  dem  Geiste 
eines  Volkes  erhalten,  ohne  von  dessen  Leben  einen  Begrifl'  zu  geben ,  das 
doch  das  sichtbare  Product  des  Geistes  eines  Volkes  ist?  Nun  gebe  aber 
keines  der  existierenden  Gymnasien  den  Schülern  Gelegenheit  zur  Anschau- 
ung von  guten  alten  Kunstwerken,  und  so  seien  die  Schüler  am  Ende,  falls 
sie  bemittelt  sind,  auf  das  Theater  oder  den  Circus  mit  seinen  römischen 
Costümen,  wenn,  sie  unbemittelt  sind,  auf  die  Wachscabinette  in  den  Mess- 
buden  angewiesen,  um  Darstellungen  von  Griechen  und  Römern  zu  sehen. 
Welches  Bild  des  Alterthums  hieraus  entstehen  müsse,  ist  leicht  einzusehen. 
Den  dritten  Punct,  nämlich  die  Kosten  einer  für  diese  Zwecke  dienlichen 
Sammlung,  erledigt  der  Redner  kurz  durch  die  Bemerkung,  dass  nach  seiner 
Idee  die  Sammlung  für's  erste  nur  aus  Zeichnungen  in  Wandkarten  form  be- 
stehen solle,  die  nicht  einmal  eine  groXse  künstlerische  Technik  zu  haben 
brauchten,  um  dennoch  treffliche  Dienste  zu  leisten.  Sie  sollten  alle  von 
den  Schülern  in  ihren  obligatorischen  Zeichnenstunden  gefertigt  werden, 
und  dürften  theils  aus  Contouren,  theils  aus  leicht  ausgeführten  Kohlen- 
zeichnungen (fixierten)  bestehen,  von  denen  der  Redner  einige  Proben  vor- 
legte. Derselbe  gesteht,  dass  die  Auswahl  der  Stücke  einige  Umsicht  er- 
fordere, sowie  auch  die  Herbeischaffung  von  Originalen  für  viele  Gymnasien 
Schwierigkeiten  hätte,  aber  diese  würden  mit  Leichtigkeit  beseitigt  durch 
das  Vorangehen  eines  oder  mehrerer  Gymnasien,  die  sich  in  Kunststädten 
befänden  und  denen  die  Werke  aus  reichen  Bibliotheken  zu  Gebot  ständen. 
Solche  erste  gefertigten  Zeichnungen  müssten  den  andern  Gymnasien  zum 
Copieren  geliehen  werden,  und  in  wenig  Jahren  würde  sich  ein  jedes  Gym- 


Miacellen.  77S 

nasium  eine  dienliche  klein«^  Sammlung  von  mythologischen  und  Costüm- 
Figuren  sowie  von  Grund-  und  Aufrissen  antiker  Gebäude  selbst  beschafft 
haben.  Schenkungen  von  Privaten  würden,  auch  wenn  sie  an  sich  gering- 
fügig wären,  fiir  die  genannten  Zwecke  immer  schätzbaren  Zuwachs  geben. 
—  Redner  selbst  erbietet  sich  mit  Kath  und  Er&hrung  jeden  Anfang  zu 
unterstützen. 

Director  Piderit  spricht  sich  darauf  für  die  einfache  Erweiterung 
der  iii  den  Gymnasien  schon  vorhandenen  Hilfsmittel  iius. 

Prof.  Köchly  wünscht  eine  ausgedehntere  Berücksichtigung  der 
bildenden  Kunst  im  Gymnasialunterricht,  soweit  sie  nach  dem  Princip  und 
der  Strenge  der  Gymnasial-Studien  ermöglicht  wird,  namentlich  zum  Zweck 
des  gründlicheren  Verständnisses  der  Autoren,  das  nur  zu  oft  über  der 
spracnlichen  Seite  vernachlässigt  werde.  Nur  was  bei  der  Lectüro  vorkomme, 
sei  zu  berücksichtigen  und  dazu  ein  profser  Apparat  nicht  erforderlich. 
Der  Lehrer  soll  wo  möglich  an  der  Taiel  die  Dingo  in  wenigen  Strichen 
darstellen,  z.  B.  das  homerische  Schwert,  den  Helm,  die  antike  Tracht. 

Obcrstudienrath  Wagner  spricht  über  die  Mittel  zu  jenem  Zweck; 
er  hält  die  von  Herrn  v.  d.  Launitz  vorgeschlagenen  Schülerzeichnungeu 
für  nicht  ausreichend;  die  Kosten  für  vermehrte  Anschaffung  von  Muster- 
vorlagen seien  nicht  so  bedeutend. 

In  gleichem  Sinne  Director  Piderit  und  Director  Voemel. 

Prof.  Stark  betont  namentlich  die  Erweckung  des  Sinnes  für  das 
acht  künstlerbche  im  Gymnasium  durch  Anschauung.  Der  Zeichnenunter- 
richt solle  gewissenuarsen  idealer  aufgefasst  werden,  indem  man  vom  Zeich- 
nenlehrer verlange,  dass  er  von  den  antiken  Dingen,  die  or  zeichnen  lasse, 
selber  genaue  Kenntnis  habe  und  den  Schülern  Auskunft  darüber  geben 
könne;  so  könne  bei  den  Schülern  der  künstlerische  Sinn  in  beschränktem 
Umfang,  aber  in  gründlicher  Weise  gefördert  werden. 

Prof.  Köchly  will  unterscheiden  zwischen  allgemeinen  Vorschriften 
für  alle  Gynmasien  und  solchen  Vorschriften,  die  der  Individualität  der 
Lehrer  zu  überlassen  sind.  Die  Forderungen,  welche  Prof.  Stark  an  den 
Zeiehnenlehrer  richte,  könne  man  doch  nicht  allgemein  aufstellen.  Nur  das 
Allernothwendigste  für  das  Verständnis  der  Autoren  sei  beizubringen;  alle 
allgemeinen  Knnstrcgeln  dagegen  fernzuhalten,  insoweit  sie  nicht  vermöge 
einer  richtigen  Bchandlungs weise  der  Sache  von  Seite  des  die  Autoren  er- 
klärenden Lehrers  dem  Schüler  von  selbst  in  die  Augen  springen.  Uebri- 
gens  komme  namentlich  auf  die  Selbstthätigkeit  gerade  des  letzteren,  auf 
seine  Fähigkeit  des  geistigen  Erfassens  sehr  viel  an.  Die  Zeichnenstunde 
könne  dafür  gar  manches  bieteu ,  sei  jedoch  nicht  in  die  erste  Linie  zu 
stellen. 

Director  Moni  rasen  legt  gleichfalls  grollen  Werth  auf  die  momen- 
tane Thätigkeit  des  Lehrers  bei  der  Erklärung  der  Schriftsteller,  insbeson- 
dere vermittelst  Skizzierungen  an  der  Tafel.  Da  sich  indessen  nicht  alles 
80  rasch  darstellen  lasse,  so  seien  Modelle  im  Sinne  von  Prof.  v.  d.  Launitz 
sehr  empfehlenswerth.  Andererseits  dagegen  glaubt  er  doch  auf  eine  weise 
Beschränkung  bei  der  Einführung  des  Schülers  in  die  Kunstwelt  dringen 
zu  müssen,  da  durch  dieselbe  leicht  das  Genussleben  in  verderblicher  Weise 
befördert  werden  könne. 


Nachtrag  zu  dem  Berichte  über  die  allgemeinen 
Sitzungen  der  24.  Philologenversammlung. 

(Vgl.  Heft  IX.  S.  698.) 

Hierauf  erhielt  Hofrath  ürlichs  aus  Würzburg  das  Wort  zu  seinem 
angekündigten  Vortrage  'lieber  das  römische  Forum'.  Er  ^eng  von 
der  constatierten  Thatsache  aus,  dass  an  der  via  sacra  die  zwei  ehernen 
Elephanten  standen,  welche  der  ostgothisohe  JKönig  Theodahat  aul'  den  Be- 


774  Miscellen. 

rieht  des  Präfecten  Honorius  hin,  als  sie  iu's  Wanken  gerathen  waren, 
durch  eine  Untermauerung  stützen  liefs,  die  noch  in  Trümmern  erhalten 
ist,  und  zwar  auf  der  Nordseite  des  Forum,  wo  also  damals  weniestens 
die  via  sacra  sich  hefand.  Diese  Elephanten  waren  an  der  Bi^  auf  dem 
Triumphbogen  des  Augustus  (20  v.  Ch.^,  dessen  parthischer  Triumph  auf 
Münzen  durch  einen  von  Elephanten  gezogenen  Wagen  ausgedrückt  wird; 
vgl.  Schol.  Veron.  ad  Aen.  VII.  606.  Ihm  entsprechend  errichtete  Tiberius 
16  n.  Ch.  auf  der  Südseite  des  Forums  (sub  veteribits)  einen  Bogfm  zur 
Feier  der  deutschen  Siege  des  Germanicus.  Von  zwei  weiteren  Tnum^h- 
bögen,  die  August  errichtete,  ist  wol  der  eine  später  in  den  des  Septimius 
Severus  verbaut.  Der  foi-nix  Fabianus  aber  stand  zwischen  der  nördlichen 
und  südlichen  Strafse.  Welche  von  diesen  beiden  war  nun  die  sacra  via  ? 
Nach  Canina  und  Detlefsen  die  südliche.  Da  aber  die  sacra  via  schon  in 
ältester  Zeit  als  der  heilige  Weg  zu  der  sabinischen  Stadt  auf  der  arx, 
dem  nördlichen  Theile  des  capitolinischen  Hügels,  bestand  und  von  der 
Capelle  der  Strenia  in  der  Gegend  des  Colosseums  ausgieng;  da  ferner 
die  Curie  an  der  Nordseite  des  Forums  stand  und  Caesars  Triumphzug  sich, 
wie  wir  aus  einer  Anekdote  wissen,  an  den  Bänken  der  Tribunen  (d.  h. 
aber  an  der  Curie)  vorüberbewegte,  so  ist  nichts  anderes  möglich ,  als  dass 
die  via  sacra  die  Nordgrenze  des  Forums  bildete.  Das  Forum  war  nur 
630'  lang  und  190'  bis  110'  breit,  wozu  noch  die  Terrasse  des  capitolin. 
Hügels  kommt;  das  Gedränge  ward  allmählich  unerträglich,  wie  Cicero 
klagt.  Die  Basiliken,  später  die  kaiserlichen  Fora,  musst^n  da  Abhilfe 
schaffen.  Rath  und  Volksversammlung  tagten  anfangs  auf  jener  Terrasse, 
dem  sg.  Volcanale.  Tullus  Hostilius  legte  in  dessen  Nähe  auf  dem  Forum 
comitium  und  curia  an,  Tarquinius  Priscus  umgab  sie  mit  Hallen  und 
Buden,  im  5.  Jahrhundert  erst  wurde  der  eigentliche  Marktplatz  durch 
Erbauung  der  rostra,  der  Rednerbühne,  der  politischen  Thätigkeit  eröffnet. 
Durch  Anwachsen  von  dieser  und  von  der  palatinischen  Seite  her  ent- 
stand allmählich  das  Forum.  Ueber  die  Ausdehung  des  comitium  eibt 
es  die  verschiedensten  Ansichten.  Es  wurde  z.  B.  für  den  östlichen  Theil 
des  Forums  erklärt  (von  den  älteren  Italienern,  ßunsen,  Becker),  südlich 
vom  Forum  verlegt  (Canina  und  ähnlich  Niebuhr),  man  liefs  es  auch 
nördlich  aus  demselben  hervorragen  (Detlefsen).  Mommsen's  Entdeckung, 
dem  Ei  des  Columbus  zu  vergleichen,  ist  die,  dass  das  comitium  zunächst 
das  Volcanale  einnahm.  Sie  Dciiiht  auf  sicheren  Angaben  und  lässt  die 
Anordnung  aller  Gebäude  mit'  Leichtigkeit  zu.  Wo  lag  zunächst  die  ama 
Hostüia,  das  durch  Sulla  vergröfserte,  52  v.  Chr.  abgebrannte  alte  Senats- 
gebäude ,  an  deren  Stelle  Lepidus  den  Tempel  der  Felicitas  vor  43  erbaute, 
woraiif  der  Senat  29  dio  neue  curiu  JuXia  bezog?  Der  Redner  wies  letzterer 
in  einer  scharfsinnigen  Untersuchung,  die  ihn  besonders  in  die  spätesten 
Zeiten  herabführte,  ihren  Platz  neben  dem  Chalcidicum  oder  atnum  Mi- 
nervae,  auf  dem  westlichen  Ende  der  Nordseitc  des  Forums  bei  der  Kirche 
S.  Adriano  an  und  neben  ihr  setzte  er  die  curia  Hostüia.  Von  ihr  östlich 
statuierte  er  nach  Anleitung  des  curiosum  den  Tempel  der  Felicitas,  dann 
eine  Strafse,  deren  Verlängerung  er  als  Grenze  des  Comitiums  und  des 
Forums  im  engeren  Sinne  betrachtete,  dann  die  prachtvolle  basilica  AemUia 
und  den  Tempel  der  Faustina.  Auf  der  schmalen  Ostseite  stand  nach  dem 
Bogen  des  Augustus  der  Tempel  des  Ctesar  mit  seinen  rostra,  der  fornix 
Fc3tianu.s  (quer  über  die  Strasse),  viellciclit  auch  ein  zweiter  arctis  Aumsti. 
An  der  Südseite  war  der  Vestatenipel  und  die  Regia  mit  den  fasti  Capi- 
tolini,  der  Tempel  der  Castores  und  der  Minerva,  die  ungeheure  basilica 
Julia,  deren  Grundriss  blofagelcgt  ist,  endlich  der  viats  lugarius.  Am 
clivus  CapitoUnus  endlich  erblicken  wir  noch  jetzt  den  hochemporragendon 
Tempel  des  Saturn,  den  arcM.s  Tiber ii,  eine  Reihe  von  Bureau's  (scftolae), 
die  spätem  rostra  CapitoUmi,  die  ^raecostasis ,  den  Bogen  des  Severus, 
drei  Säulen  vom  Tempel  des  Vespasian  und  A.;  endlich  aen  schauerlichen 
Carcer.  Nach  einer  anschaulichen  Schilderung  des  Lebens  auf  dem  Forum 
in  der  Kaiscorzeit  und  bunten,  belebten  Darstellungen  der  römischen  Welt 
aus  verschiedenen  Zeiten  der  Republik,  wie  sie  sich  auf  diesem  Platze 


Miscellen.  775 

darstellte,  gieug  der  Ivoducr  zu  einer  Beschreibung  des  Platzes  selbst  über. 
Auf  der  durch  Cippussteinc  angedeuteten  Grenze  zwischen  dem  Forum  im 
engeren  Sinn  und  dem  Comitium  standen  hart  an  dem  nördlichen  Ende 
die  rostra,  bis  sie  Csesar  auf  die  Westseite  verlegte,  dadurch  dem  Redner 
freien  Blick  auf  den  ganzen  Platz  gab,  aber  den  Zusammenhang  mit  der 
Curie  löste.  Rechts  von  der  curia  war  das  senactdumy  eine  Art  diploma- 
tische Tribüne  für  die  Volksversammlungen,  dann  die  Graecostasis  für 
f^mde  Gesandte.  Das  Tribunal  des  praetor  urbanus  war  im  coMitium^ 
doch  beweglich,  ohne  bestimmte  Stätte.  Dazu  kam  das  des  praetor  pere- 
grinus  und  später  die  der  verschiedenen  quaestiones,  die  alle  in  einer  Keihe 
von  der  Curie  bis  zum  Carcer  aufgestellt  wurden.  Das  Tribunal  des  prae- 
tor peregrinus  war  bei  einem  puieal,  einer  umzäunten  Bmnnenöffhnng, 
in  welche  Blitze  eingeschlagen  hatten ;  seit  71  benutzte  man  dafür  das 
tribuncH  Aurelii  mit  seinen  Stufen,  dem  Sammelplatze  der  clodianischen 
Urwähler.  Weiter  von  der  Curie  entfernt  wai*  nur  die  Ehrensäule  des 
MaeniuB ;  der  mittlere  Platz  war  frei,  auf  dem  auch  Gladiatorspiele  statt- 
fanden. Die  columna  rostrata  des  Duillius  stand  am  Severusbogen.  Den 
Tribunen  errichtete  Cato  193  ihr  Gebäude,  die  hasüica  Porda,  dicht  an 
der  Mauer  der  curia  j  unter  lebhaftem  Widerspruch  der  Optimaten.  Die 
Zahl  der  tabernae  argentariae  wurde  allmählich  verringert,  doch  blieben  die 
drei  Jani  bis  auf  die  Kaiserzeit,  von  denen  man  den  medius  im  16.  Jahj:- 
hunderte  wieder  fand.  Den  Brand  der  Curia  und  der  ha^ilica  Porcia  be- 
nutzte CsBsar,  seine  Erweiterungspläne  auszuführen,  und  es  entstand  nun 
das  forum  Jüliutn.  Curia^  rostra  und  graecostasis  wurden  von  ihm  mit 
bestimmter  Tendenz  verlegt,  d.  h.  auseinandergelegt.  Das  wenige  politische 
Leben  concentrierte  sich  nun  in  der  curia  Julia;  das  Forum  wurde  ein 
Pracbtmuseum  von  Ehrenstatuen.  Domitian  oder  Aurelian  errichtete  auf 
der  neuen  Graecostasis  die  neuesten  rostra.  Diese  neue  Einrichtung  sehen 
wir  noch  heute  ebenso  wie  sie  uns  ein  Relief  des  Constantinbogens  zeigt, 
auf  dem  der  ganze  Apparat  des  officiellen  Roms  zusammengetragen  er- 
scheint. Dies,  schlofs  der  Redner,  sei  seine  Ansicht  vom  Forum;  Gram- 
matici  certant  et  aähuc  sub  iudice  lis  est:  Parcite,  ^thom  res  est  litigiosa 
forum, 

Nachtrag  zu  dem  Verzeichnis  eingelaufener  Schriften.    , 

Zu  II,  Forchhammer,  Rede  zur  Feier  des  Geburtstages  S.  Hoheit 
des  Herzogs  Friedrich  VIII.  Kiel  1865. 

Geh.  Reg.  R.  Gerhard,  1)  Eine  Zuschrift  mit  einer  photographi- 
schen Abbildung  einer  attischen  Pentere  nach  dem  Modell  von  Graser. 

2)  üeber  den  Bilderkreis  von  Eleusis.  1—3.  Abhandlung.  Berlin  1863. 

Rüdiger,  Demesthenis  orationes  pro  Megalopolitis  et  pro  Rhodio- 
rum  libertate  ill.  Lipsiae  1865. 

Fulda,  Untersuchungen  über  die  Sprache  der  Homerischrn  Gedichte 
1.  Duisburg  1865. 

Nicolai,  Geschichto  der  griech.  Litteratur.  Erste  Hälfte.  Magde- 
burg 1865. 

Blätter  für  das  balerische  Gymnasial wesen,  redigiert  von  W.Bauer 
uud  Dr.  Fried  lein.  1.  Band.  Bamberg.  1865. 

Von  der  Bassermann'schen  Verlagsbuchhandlung  vorgelegt: 
1^  Dr.  Alb.  Wittstock,  Encyklopsedie  der Psedagogik  im  Grundriss. 
2)  Kuno    Fischer,   Geschichto   der   neuem   Philosophie.   Band  I, 
1—2.  Theil.  Zweite  völlig   umgearbeitete  Auflage. 
Zu  I  ist  zuzufügen: 

Statut  für  die  philologischen  Seminarien  in  Heidelberg  und  Freiburg. 
Heidelberg.  Alezander  Riese. 


776  MiflceUcn. 

Verhandlungen  der  archaeologischen  Section. 

Die  Section  hatte  sich  wie  im  vergangenen  Jahro  zu  Hannover  einer 
sehr  zahlreichen  Betheiligung  zu  erfreuen  und  auch  an  Ötoflf  zu  Verhand- 
Inngen  war  üeberfluss  vorhanden.  Das  Präbidium  führte  Herr  Profeagor 
Stark,  die  Sitzungen  fanden  im  Locale  der  akademischen  archieolc^iachen 
Sammlung  statt.  Die  Coustituierung  geschah  am  M  i  1 1  w  o  c  h  d  e  n  27.  S  e  p- 
tember;  man  begrüfste  in  dieser  und  der  folgenden  Sitzung  einen  Vete- 
ranen des  Faches,  Herrn  Geheimrath  Gerhard  aus  Berlin,  gern  als  Theil- 
nehmer. 

Die  erste  ordentliche  Sitzung  am  Donnerstage  den  28.  Sep- 
tember wurde  von  dem  Herrn  Vorsitzenden  mit  einer  einleitenden  An- 
sprache begonnen,  in  welcher  namentlich  hervorgehoben  wurde,  dass  auch 
gerade  au  dem  Orte,  an  welchem  man  dieses  Mal  zusammenkomme,  die 
Archflßologie  ihre  Geschichte  habe.  Leider  weise  dieselbe  allerdings  haupt- 
sächlich aus  älterer  Zeit  Anfange  zwar  nicht  ohne  Bedeutung  auf,  die  dann 
zum  Theil  im  Zusauunenhange  mit  den  Schicksalen  der  ganzen  Landschaft 
zu  keinem  bleibenden  Fortgange  gelangten.  Die  in  Heidelberg  residieren- 
den pfälzischen  Fürsten  waren  unter  denen,  welche  früh  in  Deutschland 
Antikensammlungen  bildeten;  vielleicht  schon  Philipp  der  Aufrichtige, 
jedenfalls  Otto  Heinrich  sammelten;  doch  sind  diese  Sammlungen  ver- 
schollen. Einen  bleibenden  Namen  und  bleibende  Bedeutung  haoen  die 
Erwerbungen  Karl  Ludwigs,  freilich  jetzt  an  anderem  Orte  als  eine 
der  Hau p4'ruw klagen  des  Berliner  Museums,  gewonnen.  Mit  einem  grofsen 
Theile  der  Sammlunjreu  Karl  Ludwigs  gieng  auch  der  Heidelberger  Ar- 
clucologe  Lorenz  Beger,  der  zusammen  mit  Ezechiel  Spanheim fär 
dieselben  thätig  gewesen  war,  nach  Berlin  über.  Erst  nach  längerer  Pause 
begaim  dann  m  Heidelberg  in  neuerer  Zeit  frische  Thätigkeit  für  die 
Kunde  der  alten  Kunstwelt;  grofse  Wirkungen  giengen  auf  diesem  Felde 
hier  von  Creuzer  aus;  auch  die  Sammlung  der  Universität  hat  sich  zu 
einem  ganz  ansehnlichen  Hilfsmittel  für  die  archieologischen  Studien  her- 
angebildet. Der  Vortragende  hielt  eine  Aufforderung,  auch  auf  andern 
Universitäten  die  Localgeschiclite  der  archaiologischen  Studien  eingehend 
zu  verfolgen,  für  zeitgemäfs.  Im  weiteren  Verfolge  gien^  der  Vorsitzende 
zu  einer  zusammengefassten  Darstellung  der  in  dein  von  ihm  herrührenden 
Theile  der  vom  Präsidium  der  Versammlung  gebotenen  Begrüfsungsschrift 
enthaltenen  Ansichten  über  Erklärung  der  Mithrasdenkmiler  über.  Von 
früher  bekannten  Mithrasdarstellungen  bietet  diese  Schrift  das  Neuenheimer 
Belief  in  besserer  Abbildung,  als  man  sie  bisher  besai^,  und  pnblidert  zum 
ersten  Male  das  durch  Beichthum  der  Nebendarstellungen  besonders  aus- 

fezeichnete,  vor  einigen  Jahren  erst  gefundene  Mithraeum  von  Osterburken, 
lerr  Professor  Stark  suchte  hauptsächlich  als  die  richtigere  Deutung  de» 
Stieres,  iiyjlcher  von  Mithras  durchbohrt  wird,  die  auf  den  Mond  statt 
der  bisher  meist  angenommenen  auf  die  Erde  als  im  Symbole  dos  Stieres  be- 
zeichnet zu  begründen.  Bei  längerer  Debatte  sprachen  namentlich  die  Herren 
Voemel,  Bursian,  Curtius,  Preuner  für  die  hergebrachte  Auffassung, 
ohne  dass  eine  auf  so  ausgedehntem  Materiale  beruhende  Untersuchung  in 
der  Debatte  zu  einem  festem  Abschlüsse  hätte  gebracht  werden  können. 

Professor  Conze  legte  hierauf  eine  Reihe  von  Zeichnungen  solcher 
unedierten  athenischen  Bildwerke  vor,  welche  besondere  Schwierigkeiten 
för  die  Erklärung  bieten.  An  dem  Sarkophage  mit  Reliefdarstellung  eines 
von  Kindern  dargebrachten  bakchischen  Opiers  blieb  die  Szene  auf  der 
einen  Seitenfläche,  wie  schon  in  Bursian's  älterer  Beschreibung  (Ger ha rd's 
archjBol.  Anzeiger  1854,  S.  476  f.),  auch  jetzt  unerklärt.  —  Ein  groJbes  in 
der  Sammlung  an  der  Hadriansstoa  zu  Athen  in  mehreren  Stücken  liegen- 
des und  auch  sonst  sehr  zerstörtes  Relief  lässt  noch  eine  auf  einer  langen 
Kline  beim  Mahle  ruhende  Gesellschaft  erkennen  und  zwar  zumeist  rechts 
vom  Beschauer  Herakles,  dann  einen  sterblichen  Mann  und  folgend  acht 
Frauen,  welche  zum  Theil  musikalische  Instrumente  führen.   Am  linken 


Miscellen.  777 

Ende  ist  das  Relief  leider  abgebrochen,  so  dass  noch   andere  wenn  auch 
keinenfalls  viele  Figuren,  verloren  gegangen  sein  können.    Vor  der  Kline 
stehen  Tische  mit  SSix?isen,  Weingefiifse  und   andere  Gerathe,  hinter  den 
Schmausenden  ragen  (Zypressen  und  andere  Bäume  empor.   Eroten  bedienen 
die  Festgenossen,  andere  schweben  oben  in  der  Luft  zwischen  den  Bäumen. 
Der  Vorlegende  vermuthete  in  dem  ganzen  eine  sepulcrale  Deutung,  zu- 
nächst den  u.  a.  von  Stephani  ^ausruhender  Herakles)  behandelten  Re- 
liefs anzureihen.   —  Einem  auf  beiden  Knieen  knieenden  Bronzcfigürchen 
eines  nackten  Mannes  mit  an  den  Leib  herab  anliegenden  Armen,  etwa 
dem  Typus  der  älteren  sog.  Apollofiguren  von  Thera  u.  s.  w.  vergleichbar, 
liefs  sich  nur  ein  Fragment  einer  ähnlich  knieenden  männlichen  Marmor- 
figur zu  Würzburg  an  die  Seite  stellen.    Die  Darstellung  blieb  unerklärt. 
Das  Figürchen  gehört  Herrn  Münzconservator  Portolakkas  zu  Athen. — 
Aus  Athen  herrührend,  jetzt  aber,  wie  nachträglich  Hr.  Professor  Bursian 
eefunden  hat,  im  Museum  zu  Basel  befindlich,    ist  ferner  das  dann  in 
Zeichnung  vorgelegte  Bleirelief  einer  Frau,  die  einen  Knaben  zum  Tode 
fortschleppt.    Professor  Conze  dachte  au  Medea,  wogegen  in  der  letzten 
Sitzung  der  Section  Hr.  Prof.  Friedländer  passender  an  den  Gebrauch 
des  Bleis   zu  Zauberwesen,   wie  namentlich   zahlreiche   Inschrifttäfelchen 
zeigen,  erinnerte  und  im   allgemeinen  das  kleine  Werk   daher  in  diesen 
Kreis  von  Vorstellungen  zu  verweisen  vorschlug;  gerade  Medea  aber  komme 
nicht  mit  nur  einem  Kinde  vor.  ~-  Auf  diese  Werke  zweifelhafter  Be- 
deutung folgte  die  Zeichnung  eines  bei  Athen   gefundenen   inneren  Ein- 
satzes eines  thönemen  Kohlenbeckens;  derselbe  hat  auf  dem  oberen  Rande 
drei   starke  offenbar  zum  gefahrlosen  Anfassen  des    heifsen  Beckens  be- 
stimmte Hervorragungen;   diese  sind  wieder  in  ihrer  nach  dem  Inneren 
des  Beckens  gekehrten  Seite  mit  Silensmasken  mit  übermäfsigcn  vorsDrin- 
penden  Barten  verziert;  die  Barte  sind  eine  originelle  und  sehr  glückliche 
Einkleidung  der  am  inneren  Rande  eines  jeden  Kohlenbeckens  dann  nöthi- 
gen  VorspÄnge,  wenn  ein  Gefafs  zum   Wärmen    etwa  einer  Flüssigkeit 
anf  das  Feuer  gesetzt  werden  soll.  Ganz  gleichartige  abgebrochene  Henkel 
allein   haben  sich  schon  seit  längerer  Zeit  zu  Athen  wiederholt  und  in 
grofser  Anzahl  gefunden.   Nur  ein  Fxemi)lar  zu  Würzburg  war  dem  Vor- 
tragenden bekannt  (gleich  nachher  fand  sich  bei  dem  Ausflüge  nach  Karls- 
mhe  noch  ein  gleicnes  in  der  dortigen  Kunsthalle),   welches   statt   des 
Silens  vielmehr  einen  ebenfalls  starkbärtigen  Kopf  mit  spitzer  Mütze*), 
offenbar  hier  an  der  Verzierung  der  Feuerstelle  die  Mütze  des  Hephaistos 
und  seiner  Feuerarbeiter,   zeigt.    Neben  der  tektonischen  Bedeutung  des 
Kopfes,  für  welche  der  Bart  das  wesentlichste  ist,  glaubte  der  Vortragende 
in  der  Silensmaske  noch  die  ursprüngliche  Bedeutung  eines  hier  die  Feuer- 
steile  schützenden  Apotropaions  zu  erkennen;  er  verglich  dabei  ein  Vasen- 
bild, auf  dem  die  Silensmaske  an  einem  Ofen  angebracht  ist.    Hr.  Prof. 
Bursian  läugnete  dagegen  die  Nothwendigkeit  einer  solchen  symbolischen 
Deutung  ganz,  während  Hr.  Prof.  Curtius  sie  nur  in  anderer  Richtung 
suchte;   dieser  glaubte,  der  Silen  sei  an  dem  zur  Wassererwärmung  b^ 
stimmten  Kohlenbecken  in  seiner  Bedeutung  als  Wasserdämon  augebracht 

Zweite  Sitzung,  Freitag  29.  September.  Herr  Prof.  Fi  ekler, 
dem  wir  für  nachträgliche  briefliche  Unterstützung  dieses  Berichtes  zu 
danken  haben,  trug  über  die  römische  Vorzeit  der  Umgegend  von  Heidel- 
berg in  Anschluss  an  eine  kleine  der  Versammlung  gewidmete  Urkunden- 
sammlung (Römische  Alterthümer  aus  der  Umgegend  von  Heidelberg  und 
Mannheim  von  C.  B.  A.  Fickler.  Mannheim  1865.)  vor.  Auf  die  ältesten 
Bewohner  der  oberen  Rheinebene  und  der  Neckargegend  Helvetier,  dann 
Sueven  folgte  die  römische  Herrschaft  seit  Caesar,  Augustus  und  so  fort 
bis  zum  Verfalle  derselben  im  5.  Jahrhundert  nach  Chr.   Der  Vortragende 


•)  Etwa  fünfzig  solcher  Exemplare  befinden  sich  nach  Mittheilung  des 
Herrn  Professors  Kumanudis  in  der  Sammlung  der  archtTologischen 
Gesellschaft  zu  Athen. 


778  Miscellen. 

verfolgte  die  Hauptereignisse  durch  die  Regierungen  der  yerschiedenen 
Kaiser  hin.  Unter  Augustus  gehörte  die  Neckargegend  zur  Germania  prima, 
es  begann  die  Bildung  von  civitates  mit  decuriones;  abhängig  waren  die 
rechtsrheinischen  Gebiete  von  dem  Commando  der  linksrheinischen  Plätze 
Moguntiacum  u.  s.  w.,  ein  Verhältnis,  welches  noch  in  den  spätem  Grenzen 
der  Bisthümer  geblieben  ist.  Erwähnt  wurden  dann  die  Kämpfe  des  Legaten 
Pomponius  (51)  zum  Schutze  der  römischen  Gebietstheile  am  Neckar,  die 
gleichen  Unternehmungen  des  Domitian,  die  glücklichen  Kämpfe  Txajans, 
die  guten  Zeiten  unter  ihm,  Hadrian  und  Antoninus  Pins,  darauf  die  Bar- 
barenstürme unter  Marc  Aurel.  Septimius  Sevcrus  fügte  nach  der  Vermu- 
thung  des  Herrn  Vortragenden  seinen  Namen  dem  Ulpischen  für  die 
römische  Niederlassung  zu  Ladenburg  hinzu,  vielleicht  dass  sich  auch  die 
Nemeteretadt  zu  Heidelberg  nach  ihm  civitas  Septimia  oder  Severiana  Ne- 
metum  nannte.  Unter  den  freien  feindlichen  Stämmen  treten  unter  Cara- 
calla  statt  der  „Chatten**  die  Alemannen  hervor;  nach  ihrer  Besiegung  ist 
namentlich  unter  Elagabal  Friedenszustand.  Unter  Alexander  Sevems  über- 
fluthen  die  Germanen  wieder  Alles,  der  Kaiser  wird,  ehe  er  den  Rhein 
überschreitet,  ermordet.  Von  nun  an  hören  die  Kaiserdenkmale  auf  dem 
rechten  Rheinufer  auf.  Die  Alemannen  werden  zwar  von  Probus  besiegt, 
das  Land  aber  den  Miethstruppen  und  Bundesgenossen  der  Römer  über- 
lassen. Erheblicher  ist  erst  wieder  der  Zug  Julians  in  das  Neckarland. 
Nach  seinem  Tode  wagen  die  Alemannen  schon  wieder  den  Uebergang  über 
das  Rheineis,  Valentinian  1  treibt  sie  aber  bis  an  die  Donauquellen  zurück; 
um  den  mons  Pirus,  den  Heiligeuberg  bei  Heidelberg,  wird  gestritten.  Den 
Festungsbau  zwischen  Rhein  und  Weckar  verlegt  der  Herr  Vortrafi^ende 
nicht  nach  Ladenburg,  sondern  nach  Altripp,  wo  namentlich  die  Uebcr- 
reste  des  zum  Schutze  der  Mauern  gegen  den  Neckarstrom  angelegten 
Dammes  noch  zu  erkennen  sind,  im  vierten  Jahrhundert  drängen  sich 
nach  und  nach  die  Burgundionen  ein.  Zum  Schlüsse  stellte  der  Herr  Vor- 
tragende die  in  seiner  angeföhrten  Schrift  enthaltenen  romischen  In- 
schriften nach  verschiedenen  Hauptgesichtspuncten  zusanmien,  hob  dabei 
auch  den  Mangel  aller  Spuren  des  Christenthums  hervor  und  betonte  das 
immer  unverwüstlich  wieder  aufblühende  Leben  der  Pfalz  nach  den  da- 
maligen Zerstörungen  wie  nach  späteren.  —  Die  folgende  von  den  Herren 
Rein,  Grotefend  und  dem  Vortragenden,  auch  dem  Herrn  Vorsitzenden 
geführte  Discussion  lies  den  aus  einer  der  Inschriften  geschlossenen  Bei- 
namen Severiana  oder  Septimia  für  Heidelberg  immer  noch  als  sehr  zwei- 
felhaft stehen. 

Herr  Professor  Bursian  begann  nun  in  Zeichnungen,  Photographien 
und  Abgüssen  römische  Alterthümer  aus  der  Schweiz  vorzulegen  und  zu 
erläutern.  Unser  Bericht  benutzt  auch  hier  nachträglich  vergünstigte  brief- 
liche Mittheilunffen.  In  drei  photographischen  Ansichten  wurde  der  an- 
tike Becher  im  Kirchenschatze  der  Abbaye  zu  St.  Maurice  in  Wallis  vor- 
gelegt; die  der  ersten  römischen  Kaiserzeit  entstammende  Darstellung,  nur 
sehr  zweifelhaft  als  Opferung  der  Polvxena  zu  deuten,  ist  in  die  zwei 
Lagen  eines  Sardonyx  geschnitten.  —  In  grosser  theils  farbiger  Zeichnung 
folgte  dann  das  grofse  im  Jahre  1862  bei  Orbe  im  Kanton  Waadt  entdeckte 
und  bereits  von  Klug  mann  im  Bull,  dell'  inst.  1863,  S.  193  ff.  beschrie- 
bene und  wesentlich  richtig  gedeutete  Mosaikbild  mit  Planetengöttem  und 
A.  in  einzelnen  Feldern.  Die  Darstellung  eines  Feldes  ist  etwas  unsicher, 
von  Klügmann  nicht  gedeutet;  hier  dachte  der  Herr  Vortragende  an  eine 
Narkissosscene.  —  Abguss  und  Photographien  brachten  sodann  das  von 
Bachofen  in  Gerhards  arch.  Zeit.  1864,  Taf.  190  herausgegebene  Erzgefifs 
BUS  Avenches  mit  Scenen  ländlicher  Feste  des  Priapus  zu  möglichst  guter 
Anschauung. 

Dritte  Sitzung,  Sonnabend  30.  Septemter.  Zunächst  setzte 
Herr  Professor  B u r s i a n  seine  Mittheilun^en  fort;  er  brachte  namentlich 
noch  weitere  Funde  von  Avenches  zur  Vorlage ,  zwei  Bronzestatuetten,  die 
eine  einen  Schauspieler,  die  andere  einen  GliuUator  darstellend^  an  welchem 


MLscellen.  779 

letzteren  Herr  Professor  Friedländer  eine  Besonderheit  in  der  Tracht 
einer  Beinschiene  bemerkt.  —  In  Avenches  gefunden  ist  auch  ein  Relief- 
stein von  Juramarmor,  welchen  Hen*n  Professor  Bursian  sodann  in  Zeich- 
nung vorlegte.  Der  Finder  soll  sich  übertriebene  Vorstellungen  von  dem 
Werthe  des  Steines  gemacht  und  grofse  Geldforderungen  für  den  Fall 
eines  Verkaufes  gestellt  haben ;  doch  enthält  der  Stein  nichts  als  die  römische 
kindersäugende  Wölfin ;  Beiwerke  sind  Bäume,  in  denen  Vögel  nisten,  und 
auf  der  einen  Seitenfläche  des  Steines  eine  Gans;  der  Herr  Vortragende 
sah  hierin  nur  die  wilde  wasserreiche  Gegend  charakterisiert;  dagegen 
wollten  andere  Mitglieder  der  Section  tiefere  Symbolik  in  diesen  Neben- 
sachen suchen.  —  Don  Scliluss  machte  Herr  Prof.  Bursian  mit  Vorzei- 
gung der  Photographie  einer  schon  seit  dem  16.  Jahrhundert  in  Solothurn 
befindlichen,  aber  noch  nicht  genügend  publicierten  Marmorstatue  einer  Venus. 
Herr  Professor  Freudenberg  theilte  eine  neuentdeckte  Mainzer 
Inschrift  mit;  sie  lautet  mit  des  Herrn  Vortragenden  Ergänzungen  (wir 
benutzen  freundliche  briefliche  Mittheilungj : 

[lOVl]  0[pnMO  MAXIMO]  MESSORIA  PLa[ci]dA  PRO  SALUTE  [a]üGÜ8TA- 
LDilORÜM  INPETRATI   [ET]   AUGÜSTINAE   [FIlIiORUM  SUGRÜM  V.   S.  L.   L.   M. 

Hierauf  referierte  Herr  Professor  Freudenberg  über  noch  eine 
Mainzer  Inschrift  im  Auftrage  des  Herrn  Professor  J.  Becker;  dieselbe 
enthält  eine  Weihung  an  Minerva  von  einem  str.  leg.,  einem  secutor  tri- 
buni  legionis .  .  . ,  wie  gedeutet  wurde.  —  Endlich  erläuterte  Herr  Profes- 
sor Freudenberg  noch  die  durch  Herrn  Director  Lindenschmidt 
ausgestellten  antiken  Waffen,  namentlich  zwei  im  Rhein  bei  Mainz  gefun- 
dene römische  piZa  und  eine  im  Rheinbette  bei  Bonn  gefundene  Schwert- 
klinge (Herrn  Freude  nberg  angehörend)  mit  dem  Stempel  sabini.  Die 
Seltenheit  einer  derartigen  Inschrift  wurde  hervorgehoben. 

Herr  Professor  F ick  1er  zeigte  ein  dem  Herrn  Lisch  in  Köln  ge- 
höriges römisches  Gefäfö  von  Glas  in  Gestalt  einer  hockenden  Figur  mit 
Affengesicht,  dessen  äg}^tisclier  Typus  auf  die  Vermuthung  einer  Verfer- 
tigung in  Alexandria  führe.  Den  jßgjptischen  Typus  des  Affenkopfes  und 
auch  des  Mantels  der  Figur  erkannte  namentlich  Herr  Bildhauer  Professor 
von  der  Launitz  an. 

Herr  Hofrath  Urlichs  war  leider  durch  Unwohlsein  verhindert,  die 
von  ihm  mitgebrachten  Antiken,  einen  kleinen  Marmortorso,  Wiederholung 
des  Pasquino,  und  den  AbguTs  eines  kleinen  Kopfes  selbst  vorzutragen  und 
zu  erläutern.  Eine  Bemerkung  des  Herrn  Professor  von  derLaunitz  führte 
darauf,  den  Kopf  als  einen  Apollokopf  von  einem  Sarkophagrelief  zu  erkennen. 

Ein  von  Herrn  Professor  Wie  sei  er  der  Section  zugesandtes  Manu- 
Bcript  über  Alterthümer  auf  Schloss  Friedenstein  bei  Gotha  konnte  wegen 
Zeitmangels  nicht  mehr  zur  Mittheilung  kommen;  es  wird  in  den  Jaiir- 
büchem  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande  gedruckt  werden. 

Vor  Schluss  der  letzten  Sitzung  nahm  noch  die  Section  das  von 
ihrer  Commission  entworfene  Gutachten  über  einen  Plan  zu  Ausgrabungen 
in  Griechenland  an,  wie  es  später  in  der  allgemeinen  Sitzung  ebenfalls  an- 
genommen wurde.  Der  Gesellschaft  der  Archaßophilen  in  Athen,  von  welcher 
der  erwähnte  Plan  ausgeht,  ist  in  diesem  von  der  genannten  Gesellschaft 
erbetenen  (Jutachten  der  Rath  gegeben,  statt  sich,  wie  beabsichtigt,  auf 
eine  CoUecte  bei  Privatleuten  einzulassen,  vielmehr  die  europäischen  Re- 
gierungen anzugehen  und  die  dann  von  diesen  etwa  bewilligten  Gelder 
unter  Controle  der  betreffenden  Gesandtschaften  zu  Athen  zu  verwenden. 
Die  deutschen  Regierungen  ersucht  die  Versammlung  um  Unterstützung 
des  schönen  Unternehmens.  Zum  Vorsitzenden  der  archseologischen  Section 
bei  der  nächstjährigen  Versammlung  zu  Halle  wurde  der  dortige  Professor 
Conze  bestimmt. 

Die  archaeologische  Section  hat  sich  am  Sonnabend  noch  mit  der 
paedagogischen  zur  Berathung  der  Thesen  des  Herrn  Professor  Piper  über 
Einführung  der  monumentalen  Studien  in  den  Gymnasial  Unterricht  verei- 
nigt; Referent  konnte  hierbei  nicht  zugegen  sein. 

Halle.  Conze. 


780  Miscellen. 

Verhandlungen  der  Orientalisten  in  der  24.  Versamm- 
lung deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 

Eröffnung  der  Orientalistcnscction  am  27.  September,  Schlnss  der- 
selben am  30.  September.  Anwesend  waren  unter  anderen:  Prof.  Arnold 
aus  Halle,  Prof.  Brockbaus  und  Prof.  Fleiscber  aus  Leipzig,  Prof.  Gilde- 
meister aus  Bonn,  Prof.  ReuTs  aus  Strafsburg,  Prof.  Stahelin  aus  Basel, 
Prof.  Steintbal  aus  Berlin,  Diaconus  Dr.  Trumpp  (ebemaliger  Älissionär  in 
Asien)  aus  PfuUinffen,  Prof.  Weil  aus  Heidelberg,  Stadtpfarrer  Dr.  Wolff 
aus  Rotweil.  Den  Vorsitz  führte  Prof.  flitzig  aus  Heidelberg.  Als  Vice- 
präsident  fungierte  Prof.  Roth  aus  Tübingen.  Secretare  waren  Dr.  Müh  lau 
aus  Leipzig  und  Privatdocent  Dr.  Steiner  aus  Heidelberg.  Grchaltcn 
wurden  folgende  Vorträge:  Von  Hitzig  über  die  Verwandtschaft  des  Se- 
mitischen mit  Arischem,  Keltischem,  Turanischem  auf  Grund  einer  frü- 
hesten nichtsemitischen  Bevölkerung  JPalästina's,  Syrien's  und  der  Euphrat- 
und  Tigrisländer;  von  Trumpp  über  die  indischen  Kafir's;  von  Roth 
über  ffelehrte  Tradition  im  Alterthume;  von  Dr.  Ley  über  Alliteration 
im  Hebräischen  (wurde  jedoch  als  bei  der  Kürze  der  Zeit  zu  weit  führend 
nicht  vollendet).  Prof.  Fleischer  las  auszugsweise  den  von  Prof.  Gosche 
ausgearbeiteten  wissenschaftlichen  Jahresbericht  für  die  Jahre  1859—1861. 
Als  besonders  interessant  ist  zu  erwähnen  die  Vorlegung  und  Erläuterung  von 
Druckproben  und  handschriftlichen  Copien  mandäischer  Werke  von  einem 
jungen  Gelehrten  aus  Stuttg-art  Namens  Euting.  Bewundcmswerth  sind 
die  von  ihm  selbst  angefertigten  Copien  wegen  üirer  musterhaften  techni- 
schen Ausführung.  Es  kann  denn  auch  dieser  strebsame  Gelehrte,  wie  Prof. 
Brockhaus  versicherte,  der  Unterstützung  der  deutschen  morgenlandischen 
Gesellschaft  zum  Zwecke  der  Herausgabe  von  Denkmälern  jener  Literatur 
gewiss  sein.  Wie  verlautet,  gedenkt  Herr  Dr.  Euting  das  Studium  der 
von  ihm  zu  publicierenden  mandäischen  Werke  durch  ein  eigenes  Glos- 
sar zu  fördern.  Nicht  zu  übergehen  ist  hier  auch  der  von  dem  mit  Palä- 
stina so  vertrauten  Wolff  gestellte  Antrag,  ob  nicht  von  der  Versammlung 
ein  Grufs  geschickt  werden  solle  an  die  englische  Gesellschaft  zur  Erfor- 
schung Palästina'«  und  zugleich  das  Erbieten,  das  Unternehmen  derselben 
wissenschaftlich  so  viel  als  möglich  zu  fördern.  Die  Versammlung  erklärte 
sich  selbstverständlich  damit  einverstanden,  dieser  Gesellschaft  ihre  Aner- 
kennung zu  bezeugen.  Fleischer's  eigentlich  auch  der  Orientalistensection 
angehörender  Vortrag  „der  Morgenländer  in  Europa"  wurde  in  der  allge- 
meinen Sitzung  gehalten  und  es  riefen  die  naiven  Ergüsse  dieses  modernen, 
seine  Reise  durch  Europa  schildernden  Orientalen  nicht  geringe  Heiter- 
keit hervor. 

Wien.  Alois  Müller. 


Aus  der   „Mittelschule." 

In  den  Versammlungen  vom  IG.,  23.  und  29.  December  1864,  femer 
vom  3.,  5.,  10.,  14.  und  17.  Jänner  1865  wurden  die  Verhandlungen  über 
die  Denkschrift,  betreffend  die  Reform  der  Realschule  und  die  Enveiterung 
der  Rechte  der  Realschüler,  gepflogen.  Dieselben  wurden  sammt  der  Denk- 
schrift in  einer  separaten  Broschüre  der  Oefle  atlichkeit  übergeben,  welche 
in  Folge  Vereinsbeschlusses  allen  Gymnasien  und  Realschulen  zugeschneit 
werden  wird. 

Versammlung  von  3.  Februar  1865. 
Der  Präsident  verliest  eine  Zuschrift   der  Verlagshandlung  Justuä 
Perthes,  mittelst  welcher  dieselbe  21  Exemplare  von  je  3  Karten  Deutsch- 
Hnds  dem  Vereine  zur  Vertheilung  unter  seine  Mitglieder  übermitveli 


MiflcelleA.  781 

Hierauf  wird  die  Wahl  zweier  Ausschüsse  vorgenommen.  Das  Scnitinium 
ergibt  Dr.  Czcrmak,  Professor  am  k.  k.  Josefstädter  Gymnasium,  und 
Herrn  Luithlen,  Professor  an  der  protestantischen  Realschule. 

Der  übrige  Theil  dieses  Versammlungsabendes  war  dem  Vortrage 
des  Dr.  Pick  über  das  Telephon  gewidmet. 

Versammlung  vom  17.  Februar  1865. 

Nachdem  der  Präsident  den  Empfang  bei  Sr.  Exellenz  dem  Herrn 
Staatsminister  gelegentlich  der  Ueberreichune  der  Denkschrift  über  die 
Reform  dar  Realschulen  mitgetheilt  hatte,  hielt  Professor  Grün  seinen 
Vortrag  über  den  Anschauungsunterricht  in  der  astronomischen  Geographie. 

Redner  macht  zuerst  auf  die  Schwierigkeiten  auftnerksam,  mit 
denen  jeder  Lehrer  zu  kämpfen  hat,  der  Knaben  von  neun  bis  zehn  Jahren 
die  astronomische  Geographie  zum  klaren  Bewusstsein  bringen  will,  und 
bedauert,  dass  dieser  Theil  des  geographischen  Unterrichtes  leider  noch 
an  manchen  Schulen  sehr  stiefmütterlich  behandelt  werde.  Es  kämen 
Fälle  vor,  dass  Schüler  als  Abiturienten  eine  Mittelschule  verlassen  und 
nicht  im  Stande  seien,  die  einfachsten  Himmelserscheinungen  zu  erklären. 
Redner  stellte  sich  daher  die  Aufgabe,  den  Anschauungsunterricht  in  der 
astronomischen  Geographie  so  einfach  und  fruchtbringend  als  möglich  zu 
machen  und  theilt  nun  die  in  dieser  Richtung  von  ihm  gemachten  Ver- 
suche und  Studien  mit 

Der  Vortragende  erinnert  zuerst,  dass  er  bereits  vor  zwei  Jahren 
in  diesem  Vereine  ein  von  ihm  construiertes  Modell  einer  ArmillarsphsBre 
besprach.  Dasselbe  war  jedoch,  weil  nur  aus  Holz  verfertigt,  noch  sehr 
unv(dlkommen.  Heute  nun  trete  er  abermals  mit  einem  Modelle  einer 
Armillarsphsere  unter  seine  CoUegen.  Dieses  Modell  ist  von  dem  Mecha- 
niker Merz  aus  Draht  angeferti^  und  bezüglich  der  Ausführung  schon 
bedeutend  vollkommener.  Die  Armillarsphsere  selbst  besteht,  wie  schon  an- 
gedeutet wurde,  aus  einem  Drahtgerippe  und  zwar  aus  zwölf  Meridian- 
nreiaen,  welche  so  gelegt  sind,  dass  einer  derselben  durch  die  Aequinoctial- 
Duncte  geht,  femer  aus  dem  Aequator,  den  beiden  Wendekreisen  und  den 
neiden  Polarkreisen,  und  endlich  aus  der  Ekliptik.  Die  zwölf  Meridiankreise 
benützt  Grün  sehr  zweckmäfsig  zur  Erklärung  der  zwölf  Thierkreise  und 
des  Standes  der  Sonne  in  den  einzelnen  Monaten.  Die  beiden  Pole  sind 
durch  die  Weltaxe  verbunden,  um  welche  sich  der  ^nze  Mechanismus 
drehen  lässt.  Aufserdem  kann  die  Weltaxe  durch  eine  einfache  mechanische 
Vorrichtung  unter  jeden  beliebigen  Winkel  gestellt  werden.  Diese  Vor- 
richtungen sind  nun  allerdin^  nicht  neu;  aber  eine  entschiedene  Verbes- 
serung, die  Grün  anbrachte,  ist  folgende. 

Eine  eijgenthümliche  Vorrichtung  macht  es  möglich,  in  das  Innere 
des  Drahtgerippes  eine  kreisrunde  Scneibe  von  nahezu  ebenso  groHsem 
Durchmesser,  wie  jener  der  ArmiUarsphare ,  zu  bringen.  Diese  Scheibe 
wird  auf  die  im  Oentruni  der  Armillarsphsere  befindliche  kleine  Kugel, 
welche  die  Erde  darstellt,  aufgesetzt,  was  durch  einen  centralen  kreisrun- 
den Ausschnitt  ermöglicht  ist.  Dadurch  ist  bildlich  der  Horizont  darge- 
stellt, und  es  ist  nun  ein  leichtes,  durch  entsprechende  Drehung  der  Ar- 
millarsph»re ,  bei  welcher  natürlich  die  Scheibe  stets  horizontal  oder 
überhaupt  in  ihrer  bestimmten  Lage  bleibt,  den  Schülern  die  einzelnen 
Himmelserscheinungen  anschaulich  zu  erklären.  Um  später  auf  das  ooper- 
nicanische  System  übergehen  zu  können,  benützt  Grün  die  Armillarsphnre 
gleichzeitig  als  Tellurium,  indem  er  noch  einige  mechanische  Vorrichtungen 
an  derselben  anbringt. 

An  den  Vortrag  knüpfte  sich  eine  Discussion,  an  der  sich  nament- 
lich die  Directoren  Kopetzky  und  Doli,  und  die  Professoren  Sonndorfer 
und  Schmued  betheiligten. 

Versammlung  am  3.  März  1865. 
Der  Prüsident  macht  die  Mittheilung,  dass  Dr.  Gzermak  die  auf  ihn 
gefallene  Wahl  eines  AasschuwiB  nicht  aimehmen  könne.   Hierauf  stellt 

Zeltsclirifl  L  0.  österr.  Qjmn,  186».  X  Heft.  63 


78t  Miscollen. 

derselbe  den  als  Gast  erschienenen  Maler  aus  Berlin,  H^rrn  Kiesewetter, 
der  Versammlung  vor,  worauf  dieser  raittheilt,  dass  er  viele  Jahre  hinter- 
einander Asien,  namentlich  den  Kaukasus,  die  Tartarei,  Persien  etc.  hereist 
habe,  um  ethnographische  Studien  zu  machen,  und  dass  er  an  Ort  und 
Stelle  seine  Reisebilder  gemalt  habe.  Er  sei  bereits  im  Jahre  1857  hier 
in  Wien  gewesen  und  habe  namentlich  in  Schulen  seine  Sammlung  ethno- 
graphischer Reisebilder  gegen  Entgelt  gezeigt.  ^  Da  er  nun  dieselbe  seit 
jener  Zeit  sehr  vervollständij^  habe,  so  sei  er  letzt  abermals  nach  Wien 
gekommen,  sie  hier  zu  zeigen.  Er  benütze  daher  die  Gelegenheit  der 
heutigen  Sitzung,  um  den  hier  versammelten  Schulmännern  sein  Vorhaben 
mitzutheilen. 

Hierauf  hielt  Dr.  W^metal  den  angekündi^n  Vortrag  über  die 
historischen  Portraits  der  hiesigen  Galerien.  Der  Vortragende  setzte  zu- 
erst die  Bedeutung  der  historischen  Portraits  überhaupt,  dann  die  Bedeu- 
tung derselben  für  den  geschichtlichen  Unterricht  auseinander.  Die  Maler 
des  16.  und  17.  Jahrhunderts  hatten  eine  sehr  genaue  Kenntnis  der  Für- 
sten, denn  sie  waren  in  der  Regel  sehr  gut  gestellt,  ja  sozusagen  Mit- 
glieder der  fürstlichen  Familien.  Die  Fürsten  der  damaligen  Zeit  wussten 
bedeutende  Künstler,  wie  einen  Tizian,  Rubens  u.  a.  in  ihre  nächste  Nähe 
zu  ziehen;  sie  hatten  daher  vollkommen  Mufse,  den  Charakter  jener  Für- 
sten sehr  eingehend  zu  studieren,  so  dass  die  historischen  Portraits  jener 
Zeit  den  eigenthtimlichen  Charakter  derselben  genau  kennzeichnen.  Die 
Jugend,  welche  Geschichtsunterricht  geniefst,  wird  also  aus  der  Anschauung 
dieser  historischen  Portraits  gewiss  einen  bedeutenden  Nutzen  ziehen.  Allein 
nicht  nur  die  historischen  Portraits  von  Fürsten  und  Staatsmännern,  sondern 
auch  jene  von  Gelehrten  und  Künstlern,  von  schlichten  Bürgern  und  Bär- 
gersfrauen werden,  von  der  Jugend  aufmerksam  betrachtet,  derselben  dnen 
richtigeren  Begriff  der  damaligen  Zeit  geben,  namentlich  wenn  hiebe!  das 
erklärende  und  erläuternde  Wort  des  Lehrers  unterstützend  hinzutritt 

Nach  diesen  einleitenden  Bemerkungen  bespricht  der  Vortragende 
zuerst  die  Belvedere-Galerie  und  macht  auf  die  dort  befindlichen  histori- 
schen Portraits  aufmerksam.  Er  betont  jedes  einzelne  und  knüpft  daran 
sehr  interessante  Bemerkungen ;  namentlich  unterzieht  er  die  Meisterwerke 
Tizian's  einer  eingehenden  Besprechung.  Aus  der  niederländischen  Schule 
erwähnt  Redner  Rembrandt's  „ßürgersfrau"  und  des  „Künstlers  Mutter", 
femer  Van  Dyk's  „Karl  der  1.  von  England."  Hierauf  gibt  er  eine  Schil- 
derung des  grofsen  Rubens-Saales.  Er  beginnt  mit  einer  Charakteristik 
dieses  berühmten  Malers,  bespricht  dann  dessen  Selbstportrait  und  führt 
schlielislich  die  bedeutendsten  Werke  desselben  erklärend  vor,  so  seine  ^Mar- 
garetha  von  Parma",  das  grofse  „lldefonsbild" ,  „Karl  Ferdinand,  Statt- 
halter der  Niederlande"  u.  m.  a.  Von  den  im  zweiten  Stockwerke  befind- 
lichen Bildern  erwähnt  der  Vortragende  unter  andern  des  Portraits  Kaiser 
Max  L  von  Albrecht  Dürer,  femer  einige  Portraits  von  Hans  Holbein. 

Schliefslich  berührt  der  Redner  mit  einieen  Worten  noch  die  Liech- 
tensteinische und  die  Eszterhazy-Galerie.  An  diesen  Vortrag  knüpfte  Dr. 
Hoffer  einige  Bemerkungen  über  die  Benützung  der  modemen  Kunst 
und  meint,  dass  es  auch  sehr  gut  wäre,  wenn  unsere  studierende  Jugend 
öfters  die  Ausstellung  des  Kunstvereins  besuchen  würde,  wo  sie  auch  Ge- 
legenheit hätte,  historische  Darstellungen  zu  sehen.  Auf  diese  Bemerkung 
hin  erwiedem  die  Professoren  Fleischmann  und  Schmued,  dass  dies  am 
akademischen  Gymnasium  und  an  der  Schottenf eider  Oberrealschnle  seit 
längerer  Zeit  regelmäfsig  geschehe. 

Versammlung  am  17.  M^  1865. 
Die  Verlagshandlung  Justus  Perthes  ersucht  um  Begutachtung  des 
historischen  Atlas  von  Sprunner.  Nach  einer  kurzen  Debatte  wird  beschlossen, 
darüber  erst  in  der  näcnsten  Sitzung  zu  entsdieiden.  Da  Dr.  Czermak 
die  auf  ihn  gefallenene  Wahl  eines  Ausschusses  ablehnte,  so  wird  in  der 
heutigen  Sitzung  abermals  die  Wahl  eines  Ausschuftmitgliedcs  vorgenom- 
men. Die  Anwesenden  (22  an  der  Zahl)  wählen  Direetor  Peyerfeil  vom 


Miscellen.  7dSI 

Josephstadter  Gymnasium  einstimmig.  Prot.  F  ick  er  stellt  den  Antrag, 
ein  Mitglied  möge  die  heute  ausgestellte  Karte  von  Italien  in  einer  der 
nächsten  Sitzungen  besprechen,  welchem  Wunsche  Prof.  Grün  nachkom- 
men wird. 

Hieraufhält  Director  Pokorny  seinen  Vortrag  über  eine  CoUec- 
tivausgabe  der  Jahresberichte  der  Wiener  Mittelschulen.  Der  Vortragende 
weist  zuerst  in  schlagender  Weise  daraufhin,  dass  all  die  schätzenswerthen 
Abhandlungen  und  statistischen  Daten,  welche  seit  einem  Decennium  in 
den  Jahresberichten  der  österreichischen  Mittelschulen  erschienen  sind,  in 
keiner  Bibliothek  vollständig  existieren,  dass  es  daher  vorläufig:  nicht  mög- 
lich sei,  ein  vollständiges  Kepertorium  hierüber  anzulegen.  Trotzdem  dass 
der  Programmaustausch  an  den  Schulen  stattfinde,  so  seien  doch  die 
wenigsten  Schulbibliotheken  auch  nur  im  Besitze  der  Programme  der 
ihnen  zunächst  liegenden  Schulen,  ja  es  komme  vor,  dass  einzelne  Schulen 
nicht  einmal  eine  vollständige  Sammlung  ihrer  eigenen  Programme  be- 
sitzen. Diese  Lückenhaftigkeit  könne  nicnt  vielleicht  einer  nachlässigen 
Bibliotheksvenvaltung  zugeschrieben  werden,  sondern  sie  Hege,  wie  j^er 
Bibliothekar  wisse,  in  der  Schwierigkeit  der  Erhaltung  einer  m  jährlichen 
kleinen  Heften  erscheinenden  Druckschrift.  Nur  eine  sehr  rigoros  gehand- 
habte Ordnung  im  Bücherwesen  und  ein  besonderes  Augenmerk  des  Biblio- 
thekars auf  dergleichen  Druckschriften  wäre  im  Stande,  deren  Zerstreuung 
zu  verhüten  und  allmählich  längere  complete  Serien  zu  sammeln.  Sollen 
jedoch  solche  Serien  dann  der  Zukunft  erhalten  bleiben,  so  gebe  es  kaum 
ein  fi^eeigneteres  Mittel,  als  eine  entsprechende  Anzalil  derseluen  in  einen 
Bana  zusammenzubinden.  Bei  dem  Umstände  jedoch,  dass  bisher  in  dem 
Format  dieser  Programme  die  verschiedensten  Variationen  bestehen,  dürfte 
auch  dieses  kaum  ausführbar  sein. 

Diese  Scliwierigkeiten  der  Aufbewahrung  bringen  es  nun  natur- 
gemäJüs  mit  sich,  dass  der  durch  die  Publicatiou  dieser  Programme  ange- 
strebte Nutzen  gröfstentheils  verloren  gehe  und  in  gar  keinem  Verhält- 
nisse zu  den  Kosten  stehe,  welche  dieselben  verursachen.  Wenn  man 
bedenke,  dass  gegenwärtig  im  österreichischen  Eaiserstaate  206  Gymnasien 
und  68  Bealschulen  bestenen,  und  dass  jede  Anstalt  von  ihrem  in  der  Begel 
mehrere  Bogen  starken  Programme  mindestens  800  bis  1000  Erempiare 
drucken  lassen  müsse,  so  könne  man  auf  die  Summe  schlieTsen,  die  hiezu 
verwendet  werde.  Was  aber  hier  durch  die  langjährige  und  aufopfernde 
Mühewaltung  einzelner  und  da  auch  nur  selten  erreicht  werde  —  die  Er- 
haltung der  Schulprogramme  für  die  Zukunft  —  dies  lasse  sich  vielleicht 
rascher  und  ausgiebiger  durch  die  Macht  der  freien  Association  erreichen. 

Der  VoriJagende  sagt,  er  habe  zunächst  nur  die  Wiener  Mittel- 
schulen vor  Augen,  und  le^  nun  einen  Plan  vor,  durch  den  auf  eine  höchst 
einfache  Weise  die  Programme  dieser  Anstalten  in  allen  Bibliotheken,  für 
die  sie  doch  eigentlich  Destimmt  sind,  bleibend  erhalten  und  überhaupt  in 
der  Schulliteratur  nicht  nur  ihrem  Umfange,  sondern  auch  ihrem  Inhalte 
nach  einen  hervorragenden  Platz  einnehmen  würden.  Dieser  Plan  besteht 
darin,  eine  CoUectivausgabe  der  Jahresberichte  der  Wiener  Mittelschulen 
unter  einem  gemeinschaftlichen  Titel  und  mit  einem  gemeinschaftlichen 
Inhaltsverzeichnisse  zu  vcranstelten.  Hiedurch  würde  ohne  besondere  Mühe 
und  Kosten  eine  Art  Jahrbuch  der  Wiener  Mittelschulen  geschaffen,  welches 
die  statistischen  Verhältnisse,  den  Lehrplan,  die  Chronik  etc.,  zugleich 
aber  auch  eine  Beihe  interessanter  wissenschaftlicher  Abhandlungen  bringen 
würde.  Eine  solche  Vereinigung  würde  femer  ganz  leicht  sehr  lehrreiche 
Vergleiche  zwischen  den  einzelnen  Lehranstalten  zulassen  und  das  Auffin- 
den einzelner  Aufsätze  erleichtem.  Ebenso  würde  dadurch  der  Verschlep- 
pung und  Zerstreuung  dieser  Druckschriften  vorgebeugt.  Ein  besonderer 
Nutzen  dürfte  jedoch  der  sein,  dass  sich  auf  diese  Weise  eine  gröfsere 
Gleichfbrmiflrkeit  in  der  Darstellung  statistischer  Daten  ergeben  werde  und 
dass  der  Inhalt  der  wissenschaftlichen  Abhandlungen  nur  gewinnen  müsse : 
denn  jetzt  werde  den  Schulprogrammen  manche  werthvolle  Arbeit  durch 
den  Gedanken  entzogen,  dass  dieselbe  durch  das  Programm  kaum  in  die 

53* 


784  lüseeUeiL 

Oefifentlichkeit  gelange,  um  schnell  wieder  zu  verschwinden.  Eine  solch« 
Collecti?aaseahe  werde  femer  auch  die  Anhnerksamkeit  der  Faclyonmale 
auf  sich  ziehen  und  Besprechungen  in  denselhen  veranlassen;  ja  eine  An- 
zahl Exemplare  könnte  vielleicht  in  Commissions-Buchhandel  gegeben  wer- 
den. Was  femer  die  Wiener  Mittelschulen  thun,  das  dürften  vielleicht 
dann  auch  die  Mittelschulen  anderer  Städte  oder  ganzer  Provinzen  unter- 
nehmen und  der  erste  Schritt  zur  Concentration  der  Schulproeramme  wäre 
somit  geschehen.  —  Director  Pokorny  setzt  nun  in  sehr  eingenender  Weise 
auseinander,  auf  welche  höchst  einfache  und  wenig  kostspielige  Weise  eine 
solche  Collectiv- Ausgabe  veranstaltet  werden  kann,  bespricht  das  zu  wäh- 
lende Format  —  g^enwärtig  hat  fast  jede  Wiener  Mittelschule  ein  an- 
deres Format  —  und  übergibt  schlieMich  diese  Idee  vertrauensvoll  seinoi 
Bemfs^enossen  zur  weiteren  Würdigung.  —  Wegen  vorgerückter  Stunde 
wird  die  Debatte  über  diesen  Vortrag  auf  die  nächste  Versammlung  vertagt. 

Versammlung  am  7.  April  1865. 

Herr  Johann  Fliedl,  Beligionslehrer  am  Bealgvmnasium  in  Maria- 
hilf,  trat  dem  Vereine  als  ordentliches,  Herr  Alois  Schopf,  Privatlehrer, 
als  ausserordentliches  Mitglied  bei. 

Professor  Egeer  stellt  den  Antrag,  man  möge  die  von  der  Verlags- 
handlung Justus  Perthes  angesuchte  Begutachtung  des  Sprunner*schen 
Atlas  nicht  zurückweisen,  denn  es  sei  dies  gewiss  eine  des  Vereines  wür- 
dige Aufgabe.  Der  Redner  führt  weiter  aus,  dass  das  Gutachten  ein  dop- 
peltes sein  könne,  ein  didaktisches  und  ein  wissenschaftliches.  Der  Verem 
möge  nur  mit  dem  ersteren  sich  befassen.  Nachdem  noch  Vielhaber, 
Schmued  und  Ficker  darüber  ihre  Ansichten  geäui^ert,  wird  schlief^lich 
der  Antrag  Egger*s  angenommen. 

Der  Präsident  eröffnet  nun  die  Debatte  über  den  in  der  letzten 
Sitzung  von  Director  Pokomy  gehaltenen  Vortrag.  Zuerst  emeift  Director 
Pokomv  selbst  das  Wort,  vriederholt  mit  einigen  Worten  die  Hauptmomente 
seines  Vortrages  und  stellt  schlieJHalich  den  Antrag:  „Der  Verem  Mittel- 
schule mö^e  aussprechen,  dass  eine  solche  Golleäivaus^be  zweckmäßig 
und  wünschenswerth  sei."  Der  nächste  Redner,  Director  Fey  er  feil,  hebt 
zuerst  hervor,  dass  die  Programme  wol  durch  Anlegung  von  Katalogen 
und  Aufopferung"  einiger  Mühe  der  Lehranstalt  bleibend  erhalten  weiden 
könnten,  wie  z.  B.  dies  am  Josefstädter  Gymnasium  der  Fall  sei,  welches 
2000  wohlkatalogisierte  Programme  besitze,  dass  jedoch  eine  Collectivaus- 
gabe  auch  so  manches  Gute  für  sich  habe.  Um  die  Zeit  möglichst  zu 
sparen,  beantragt  derselbe  schlief  such ,  man  möge  sich  bei  der  heutigen 
Debatte  streng  an  den  Antrag  Pokoray's  halten.  Professor  Vielhaber  er- 
klärt sich  entschieden  gegen  rokomy's  Antrag.  Derselbe  führt  in  einer 
längeren  Rede  mehrere  Gründe  gegen  die  Zweckmäf^igkcit  einer  solchen 
Collectivausgabe  vor,  namentlich  den,  dass  dadurch  die  Benützung  der 
Programme  erschwert  würde,  und  erklärt,  wenn  schon  eine  Collectivausgabe 
veranstaltet  würde,  dass  dann  die  beiden  Arten  von  Mittelschulen  strenge 
gesondert  werden  müssten.  Hierauf  bekämpfen  Pokomy  und  Feyerfeil  die 
von  Vielhaber  vorgebrachten  Gründe,  wobei  ersterer  überdies  noch  einige 
erläuternde  Aufklärungen  beifügte.  Professor  Sonndorfer  spricht  im 
selben  Sinne  wie  der  Antragsteller,  weist  nochmals  auf  die  ZweckmäXfeig- 
keit  einer  solchen  Collectivausgabe  hin  und  empfiehlt,  einigen  speciellen 
Gründen  Vielhaber's  entgegnend,  die  Annahme  des  von  Pokomy  gestellten 
Antrages.  SehlieXblich  wurde  dieser  Antrag  mit  grol^er  Majorität  angenom- 
men. Director  Pokorny  theilt  nun  mit,  dass  er,  gestützt  auf  diesen 
Beschluss,  die  Directoreu  der  Wiener  Mittelschulen  zu  einer  freundlichen 
Besprechung  einladen  und  ihnen  seine  Propositionen  vorlegen  werde. 

Versammlung  am  21.  April  1865. 
Der  erste  Gegenstand  der  heutigen  Tagesordnung  sollte  die  Beschluss- 
fassung über  den  §.  26  der  Statuten  sein.   Da  jedoch  nur  50  ordentliche 
Mitglieder  anwesend  sind,  nach  den  Statuten  jedoch  52  nothwendig  wären, 
so  kann  die  Beschlussfassung  nicht  vorgenommen  werden. 


Miscellen.  785 

Prof.  Egeer  macht  eine  Mittheilung  über  das  gegenwärtig  ausge- 
stellte Grofsglocknerpanorama.    Pof.  Grün  bespricht  nun  die  bereits  in 
der  Versammlung  am  17.  März  ausgestellt  gewesene  Karte  von   Italien. 
Er  wies  zuerst  darauf  hin,   welche  Schwierigkeiten   sich  der  Ausfuhrung 
eines  vollständigen  Terrainbildes  auf  einer  Qeneralkarte  von  Italien  bei 
der  geringen  Breite  und  der  grofsen  Längenausdehnung  entgegenstellen, 
um  so  mehr,  als  noch  ein  Theil  der  Alpen  darauf  erscheine,  welchen  gegen- 
über, da  man  auf  einer  und  derselben  Karte  weder  eine  doppelte  ßeduc- 
tion  noch  eine  zweifache  Böschungsscala  anwenden  könne,  aie  Apenninen 
etwas  gedrückt  erscheinen.    Dies  sei  auch  der  Grund,  warum  diese  Karte 
aus  der  Entfernung  rücksichtlich  der  Bodenplastik  keinen  oesonderen  Effect 
mache;  trete  man  jedoch  näher,  so  sehe  man,  dass  bezüglich  der  Situations- 
zeichnung wirklich  das  Beste  geleistet  worden  sei.    Der  Redner  bespricht 
nun  das  Detail  der  Karte  noch  näher  und  sa^  schliefslich ,  dass  er  sich 
einer  Bemerkung  über  die  zum  mindesten  sonderbare  Färbung  der  Grenzen 
auf  dieser  Karte  nicht  enthalten  könne.    Während  nämlich  die  politische 
Grenze  gegen  Frankreich  hin  scharf  markiert  und  gegen  Savoyen  und  Nizza 
bloXs  schwach  gelb  verwaschen  sei,  so  besitze  man  gegen  die  Schweiz  einen 
Anflug  an  die  Farbe  der  Hoffnung.  Ganz  Venetien,  Istrien  und  auch  sogar 
noch  das  Küstenland  seien  jedoch  mit   der   das   ganze   Königreich   um- 
schliefsenden  rothen  Farbe  eingesäumt,  welche  sich  hier  nur  dadurch  unter- 
scheide, dass  sie  ein  etwas  schmutziges  Roth  sei.  —  Nach  dieser  Bespre- 
chung hielt  Professor  Vielhaber  einen  längeren  Vortrag  über  das  „Leben 
CsBsar's"  von  Kaiser  Napoleon.   Der  Vortragende  erwähnt  zuerst,   dass  er 
sich  nicht  nur  mit  diesem,  sondern  namentlich  auch  mit  dem  Momm- 
sen'schen   „Csesar**   eingehend  beschäftigt  habe,  und   dass   er  Napoleon's 
Werk  nur  vom  rein  wissenschaftlichen  Standpuncte  beleuchten  werde.  Diese 
Beleuchtung  bot  ein  vielseitiges  Interesse,  indem  sie  bis  in  das  Innerste 
des  Werkes  ihre  Streiflichter  warf.  Es  seien  deren  nur  einige  erwähnt. 

Trotzdem  der  kaiserliche  Autor  in  der  Vorrede  die  geschichtliche 
Wahrheit  als  heilig  hinstelle,  so  kämen  doch  zu  wiederholtenmalen  sehr 
arge  Verstofse  gegen  dieselbe  vor.  So  werden  z.  B.  die  Cimbem  zu  Gal- 
liern (Kelten)  gemacht.  Um  dies  zu  können,  werden  die  Teutonen,  deren 
Name  wahrscheinlich  zu  unkeltisch  geklungen  hätte , .  gar  nicht  erwähnt, 
entsprechend  der  Weise,  wie  die  Napoleon'sche  Karte  des  alten  Galliens 
die  Tribokken  und  Nemeten  aufs  rechte  Rheinufer  versetzte,  um  Strafis- 
burg  zur  urgallischen  Stadt  machen  zu  können.  Ein  anderer  arger  Verstofs 
sei  die  Verwechslung  der  conventus  mit  den  conventus  civium  Komanorum 
u.  dgl.  m.  Ebenso  tadelnswerth  sei  es  femer,  die  Reden  in  den  Werken 
der  alten  Historiker  für  wirkliche  historische  Ueberlieferungen  auszugeben, 
wie  dies  sehr  oft  von  dem  Verfasser  geschehe,  oder  Anekdoten  als  wahre 
Geschichte  darzustellen.  Das  Gute  im  Buche  bestehe  nur  in  einer  Reihe 
staatsmännischer  Raisonnements ,  die  freilich  etwas  vorsichtig  beurtheilt 
werden  müssen,  und  in  einem  Ueberblick  über  die  Zustände  der  Mittel- 
meerländer. Der  erste  Band  enthalte  so  gut  wie  nichts  Neues  und  auch 
bezüglich  des  Reproducierten  müsse  man  sehr  auf  seiner  Hut  sein.  Mehr 
sei  von  dem  zweiten  und  dritten  Bande  zu  erwarten. 

Versammlung  am  20.  October  1865. 

Nach  mehrmonatlichen  Ferien  hielt  der  Verein  an  diesem  Tage 
wieder  seine  erste  Versammlung  ab.  Als  ordentliche  Mitglieder  traten  dem 
Vereine  bei:  H.  Johann  Halmschlag,  Professor  am  Leopoldstädter  Real- 
gymnasium, Dr.  Michael  Wretschko,  Professor  am  akademischen  Gym- 
nasium, und  H.  Victor  Steiner,  Professor  am  Mariahilfer  Realgymnasium. 
Herr  Franz  Kaschl,  Zeichnungslehrer  am  akademischen  Gymnasium, 
wurde  als  aoGserordcntliches  Mitglied  aufgenommen. 

Ilierauf  hielt  Herr  Regierungsrath  Dr.  F  ick  er  einen  sehr  eingehen- 
den Vortrag  über  sein  neuestes  Werk  „Geschichte,  Systematik  und  Sta- 
tistik der  österreichifchen  Volks-  und  Mittelschule." 


Fünfte  Abtheilung. 


Verordnungen  für  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

Personal-  und  Schulnotizen. 

(Ernennungen,  Versetzungen,  Beförderungen,  Auszeich- 
nungen u.  s.  w.)  —  Se.  k.  k.  Apost.  Majestät  liaben  mit  Allerhöchster 
Entschliefsunff  vom  17.  November  1.  J.  dem  o.  ö.  Professor  an  der  Uni- 
versität zu  Wien,  Dr.  Franz  Haimerl,  den  Titel  und  Charakter  eines 
Hofrathes  taxfrei  zu  verleihen  und  Allergnädiffst  zu  genehmigen  geruht, 
dass  demselben  die  Leitung  des  Unterricntsratlies  übertragen  werde. 

Der  bisherige  Lehrer  am  k.  k.  G.  zu  Rovercdo,  Fortunato  De  massi o, 
zum  Lehrer  am  k.  k.  G.  zu  Trient;  der  Beligionslehrer  der  unteren 
Classen  am  k.  k.  GG.  zu  Cilli,  Johann  Eruschitz,  über  Vorschlag  des 
fürstbischöfl.  Ordinariates  zu  Marburg,  zum  Religionslehrer  für  alle 
Classen  dieses  G.;  der  evang.  Pfarrer  augsb.  Confession  zu  Cäcov  in  Un- 

fam,  Lic.  theol.  Johann  Bor  bis,  zum  Religionslehrer  und  Armand  Gustav 
^arell  zum  Supplenten  am  k.  k.  evang.  G.  zu  Tcschen;  der  suppl. 
Religionslehrer  amG.  zu  Neu-Sandec,  über  Vorschlag  des  betr.  bischöiL 
Ordinariates,  zum  wirklichen  Religionslehrer  an  derselben  Lehranstalt; 
der  prov.  Religionslehrer  Constantin  Andriewicz  und  der  Hauptschul- 
lehrer zu  Suczawa,  Joan  Beldian,  über  Vorschlag  des  betr.  bischöii.  Or- 
dinariates, zu  wirklichen  Religionslehrem  an  dem  mechisch-oriental.  G. 
zu  Suczawa;  der  Rupplent  am  kön.  OG.  zu  Pest,  Ludwig  Bosko.  zum 
wirklichen  Gymnasiallehrer  ebendaselbst ;  der  bisherige  Supplent  am  kath. 
G.  zu  Schemnitz,  Joseph  Cselko,  zum  wirklichen  Lehrer  für  classische 
Philologie  alldort;  der  bisherige  Supplent  am  kathol.  G.  zu  Neusohl, 
Vincenz  Zaymusz,  zum  wirkbchen  Lehrer  an  derselben  Lehranstalt;  die 
Supplenten  am  evang.  Staats-G.  zu  Loutschau,  Gustav  Kor  dos  und 
Kairl  Kolbenheyer  zu  vnrklichen  Gymnasiallehrern  an  derselben  Lehr- 
anstalt; der  Supplent  amG.  zu  Mariatheresiopel,  Franz  Hildenstob, 
zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  daselbst;  der  Lehramtscandidat,  Anton 
Koch,  zum  Lehrer  für  Naturgeschichte  am  kathol.  OG.  zu  Eperies;  der 
Hofconcipist  d.  kÖn.  croatisch-slavon.  Hofkanzlei,  Zivko  Vukasoviö,  zum 
wirklichen  Director  des  OG.  zu  Essek;  der  supplierende  Religionslehrer  am 
Staats-G.  zu  Mantua,  Canonicus  Robert  Ardigö,  über  Antrag  des  betr. 
bischöfl.  Ordinariates,  zum  wirklichen  Religionslehrer  daselbst;  der  Gym- 
nasiallehrer zu  Treviso,  Ferdinand  Gnesotto,  zum  Lehrer  am  Staats-G. 
zu  Padua,  der  prov.  Director  des  G.  zu  Rovigo,  Dr.  Leopold  Mali 
piero,  zum  wirklichen  Director  dieser  Anstalt;  endlich  der  bisherige  Gym- 
nasialsupplent  zu  Mantua,  Franz  Trevisan  und  der  Lehramtscandidat 
Leander  Tallandini,  zu  wirklichen  Lehrern  für  die  lombardisch- 
venezianischen  Gymnasien. 


Personal-  und  Schulnotizen.  787 

Der  Lchramtscandidat  Joseph  Divis  zum  Lehrer  an  der  ÜB.  zu 
Steyr;  der  Lchramtscandidat  Wastler  zum  wirklichen  Lehrer  an  der 
k.  k.  OR.  in  Laihach;  der  Gymnasiallehrer  in  Capo  dlstria  Franz  Spi- 
taler und  der  Lehrer  an  der  Communal-OR.  in  Kuttenherg,  Franz  Zv er i na, 
zu  wirklichen  Lehrern  an  der  k.  k.  OR.  in  Görz;  der  suppl.  Lehrer  an 
der  Stadt.  OR.  zu  Prefshurg,  Karl  Pal z er,  zum  wirklicnen  Lehrer  der 
Geschichte  alldort;  der  Hilfslehrer  Albert  Vesz  an  der  städtischen  ÜR. 
zu  Fünfkirchen  zum  wirklichen  Lehrer  dortselbst;  femer  der  Piaristen- 
Ordenspriester  und  Gymnasiallehrer  Johann  Nepomuk  Matusik  zum 
1.  Lehrer  und  Director,  dann  Karl  Andrafsy  und  Stephan  Korody  zu 
Lehrern  an  der  neuerrichteten  UR.  zu  Gyergyö-Szent-Miklös;  end- 
lich der  Inhaber  einer  Privat- Lehr-  und  Erziehungsanstalt  in  Oeden- 
burg,  Albert  Kossow-Gerronay,  zum  Präparandenlehrer  an  der  dor- 
tigen Präparandie,  und  der  griech.  kath.  Priester  und  Lehrer  am  Belenyeser 
G.,  Paul  Vela,  zum  Lehrer  an  der  griech.  kathol.  Präparandie  in  Grof  s- 
w  a  r  d  e  i  n.  

Zu  Turnlehrern  an  der  Rofsauer  C.  OR.  in  Wien  Heinz  und  am 
C.  RG.  in  der  Leopoldstadt  ebenda  Weber. 

Auf  Grundlage  des  über  die  Organisation  der  akademischen  Be- 
hörden unter  dem  27.  September  1849  erflossenen  provisorischen  Gesetzes 
und  der  Erläuterung  des  hohen  k.  k.  Staatsministenums  vom  26.  Juli  1862 
wurden  im  Juni  und  Juli  an  der  hiesigen  k.  k.  Universität  die  Wahlen 
der  akademischen  Würdenträger  für  das  eben  besonnene  Studienjahr  1865/66 
vorgenommen  und  es  sind  hiebei  gewählt  worden: 

a)  Bei  der  theologischen  Facultät:  zum  Decan  des  Doc- 
torencollegiums  Hr.  Theol.  Dr. Clemens  Kickh,  Capitularpriester  des 
Benedictiner-Stiftes  zu  den  Schotten  in  Wien  und  zu  Telky  in  Ungarn, 
k.  k.  Hofprediger  und  Professor  am  k.  k.  Schottengymnasium,  und  zum 
Decan  des  k.  k.  ProfessorencollegiumsHr.  Theol.Dr.JosenhKisser, 
Weltpriester,  k.  k.  o.  ö.  Universitätsprofessor  u.  s.  w.  Als  Proaecan  des 
theolog.  Professorencolle^iums  ist  dessen  letztjähriger  Decan,  Hr. 
TheoL  Dr.  Joseph  Danko,  Weltpriester  und  Ehrendomherr  an  der  Metro- 
politankirche  in  Gran,  k.  k.  o.  o.  Universitätsprofessor  u.  s.  w.,  eingetreten. 

b)  Bei  der  rechts-  und  staatswissenschaftlichen  Facultät 
wurden  gewählt:  zum  Decan  des  DoctorencoUegiums  Hr.  U.  J.  Dr. 
Franz  Egger,  Hof-  und  Gerichtsadvocat  u.  s.  w.,  und  zum  Decan  des 
k.  k.  Professorencollegiums  Hr.  U.  J.  Dr.  Wilhelm  Emil  Wahlberg, 
k.  k.  0.  ö.  Universitätsprofessor  u.  s.  w.  —  Das  Prodecanat  des  rechts- 
und  Staats  Wissenschaft  liehen  Professorencollegiums  hat  dessen 
letztjähriger  Decan,  Hr.  U.  J.  Dr.  Ludwig  Arndts,  k.  k.  o.  ö.  Universitäts- 
professor u.  s.  w.,  angetreten. 

c)  Beider  medicinischcn  Facultät  wird  als  Decan  des  Doc- 
torencoUegiums der  Med.  Dr.  Karl  Bernt,  k.  k.  Landesmedicinalrath 
und  Präses  der  ständigen  Medicinalcommission,  am  7.  December  d.  J.  sein 
drittes  Decanatsjahr  vollenden,  und  es  wird  sohin  als  Decan  des  Doc- 
torencoUegiums Hr.  Phil,  und  Med.  Dr.  Johann  Alexander  Lerch, 
Ordinarius  im  Spitale  der  Barmherzigen  u.  s.  w.,  das  erste  Jahr  seines  Deca- 
nats  beginnen.  —  Zum  Professorendecan  ist  Hr.  Med.  Dr.  Johann 
Dlauhy,  k.  k.  o.  ö.  Universitätsprofessor  u.  s.  w.,  erwählt  worden  und  als 
Pro  decan  ist  der  letzl^ewesene  Decan  Hr.  Med.  und  Chir.  Dr.  Joseph 
Späth,  k.  k.  0.  ö.  Universitätsprofessor  u.  s.  w.,  eingetreten. 

d)  Bei  der  philosophischen  Facultät  wurden  erwählt:  zum 
Decan  des  Doctorencoilegiums  Hr.  Phil.  Dr.  Hermann  Ferdinand 
Burian,  k.  k.  Ministerialsecretär  im  Staatsministeriam  u. s.  w.,  und  zum 
Decan  des  Professorencollegiums  Hr.  Phil.  Dr.  Robert  Zimmer- 
mann, k.  k.  0.  Ö.  Universitätsprofessor.  —  Als  Prodecan  ist  der  letzt- 
jährige  Professorendecan  Hr.  PniL  und  U.  J.  Dr.  Franz  Xaver  Miklosich, 
L  k.  0.  5.  UnivenitfttsprofesBor  tu  b.  w.,  eingetreten. 


788  Personal-  und  Schnlnoiizen. 

Indem  nach  der  Reihenfolge  der  Facnltaten  der  Bector  Mafifnificns 
der  Wiener  Hochschule  für  das  Studieigahr  186f/66  aus  der  philosophischen 
Facultät  hervorzugehen  hatte,  so  wurden  für  diese  höchste  akademische 
Würde  sowol  von  dem  Doctoren-,  als  von  dem  ProfessorenooUe^ium  der 
genannten  Facultät  die  Vorschlage  erstattet,  und  der  akademiscne  Senat 
hat  den  Hrn.  Phil.  Dr.  Alhert  Jaeger,  k.  k.  o.  ö.  Universitätsprofessor 
der  österreichischen  Geschichte,  Vorsteher  des  philologisch  -  historischen 
Seminars,  Director  des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung, 
Mitglied  des  k.  k.  Unterrichtsrathes ,  wirkliches  Mitglied  der  kaiserlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  u.  s.  w.,  in  Anerkennung  der  wich- 
tigen und  vielfältigen  Verdienste,  welche  sich  derselbe  sowol  im  Univer- 
siultslehramte ,  als  um  die  Wissenschaft  erworben  hat,  zum  diesjährigen 
Universitäts-Rector  erwählt. 

Die  feierliche  Inauguration  des  neu  gewählten  Universitäts-Rectors 
Magnificus  hat  am  2.  d.  M.  in  dem  —  von  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  dazu  eingeräumten  —  Festsale  des  vormaligen  Universitäts- 
gebäudes stattgefunden. 

Der  ordentliche  Professor  der  Statistik  Dr.  Eberhard  Jonak  zum 
ordentl.  Professor  der  politischen  Wissenschaften,  der  a.  o.  Professor  Dr. 
Joseph  Maschka  zum  ordentlichen  Professor  der  gerichtlichen  Medicin 
und  der  Staatsarzneikunde,  und  der  Privatdocent  Joseph  Dastich  zum 
auTserordentlichen  Professor  der  Philosophie  an  der  Hochschule  zu  Prag; 
Eduard  Linnemann  aus  Frankfurt  a.  M.  zum  aufserordentlichen  Pro- 
fessor der  allgemeinen  und  pharmaceutischen  Chemie  an  der  Universität 
zu  Lemberg;  femer  Dr.  phil.  Franz  Karl  Joseph  Mertens  aus  Wreschen 
im  GroiÜsherzogthum  Posen  zum  auXserordentlichen  Professor  der  reinen 
Mathematik  (in  polnischer  Vortragssprache)  und  der  a.  o.  Professor  des 
römischen  Rechtes  Dr.  Friedrich  Zoll  zum  ordentlichen  Professor  dieses 
Faches  an  der  Universität  zu  Krakau;  der  o.  ö.  Professor  der  Prelis- 
burger  Rechtsakademie,  Dr.  Paul  Hoffmann,  zum  ordentl.  öflfentL  Pro- 
fessor des  römischen  Riech tes  an  der  Pester  Universität. 


Der  Nobile  Antonio  DalTAcqua  Giusti  zum  Professor  der  Kunst- 
geschichte an  der  Akademie  der  schönen  Künste  in  Venedig;  Dr.  Franz 
Coglievina,  vordem  Assistent  an  der  Universität,  dann  Lehrer  der 
italienischen  Sprache  und  Literatur  an  der  k.  k.  Theresianischen  Akademie, 
zum  Professor  desselben  Faches  am  Wiener  Conservatorium ;  der  Maler  Jo- 
hann Kriehuber  zum  Professor  der  Zeichnenkunst  an  der  k.  k.  Theresia- 
nischen Akademie;  der  wegen  seiner  Tüchtigkeit  auf  dem  Gebiete  der 
pathologischen  Anatomie  vortheilhaft  bekannte  Dr.  Theod.  Meynert  zum 
prov.  Prosector  am  k.  k.  Irrenhauie  in  Wien;  der  quiescierte  Universitäts- 
professor Dr.  Michael  Koczinski  zum  überzähligen  Advocaten  in  Krakau. 

Dem  Präsidenten  der  statist.  Centralcommission,  Sr.  Excellenz  Karl 
Freiherm  von  Czoernig,  ist,  bei  seiner  über  eigenes  Ansuchen  erfo^ten 
Versetzung  in  den  bleibenden  Ruhestand,  in  Ai^crkennung  seiner  vieljäh- 
rigen mit  Treue  und  Auszeichnung  eeleisteten  Dienste,  taxfrei  das  Com- 
mandeurkreuz  des  Leopold-Ordens;  dem  Regierungsrathe  und  Vicedirector 
des  geh.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivs,  Alfred  Ritter  von  Arneth,  in 
Ajierkennunfi;  seiner  ausgezeichneten  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  öster- 
reichischen Geschichtsscnreibung,  und  dem  kais.  Rathe  und  Director  der 
k.  k.  Gemäldegalerie  in  Wien,  Erasmus  Engert,  der  Orden  der  eisernen 
Krone  3.  Cl. ;  dann  dem  Scriptor  der  k.  k.  Hofbibliothek  und  Professor  an 
der  Kriegsschule,  Joseph  Weil,  so  wie  dem  Professor  an  der  medicinisch- 
chirurgischen  Josephs- Akademie,  Dr.  Matthias  Schwanda,  in  Anerken- 
nung seines  besonders  erfolgreichen  Wirkens  im  Lehrfache,  das  Ritterkreuz 
des  Franz  Joseph-Ordens,  AUergnädigst  verliehen;  ferner  ist  dem  vater- 
ländischen Dichter  Hofrath  Franz  Grillparzerdas  GroMreuz,  dem  Gustos 
der  k.  k.  Hofbibliothek  Theodor  von  Karajan  das  Ck>mmandearla:eaz,  und 


Personal-  und  Schulnotizen.  780 

dem  Hof-  und  Universitätsbuchhändler  Wilhelm  Braumüller  das  Ritter- 
kreuz des  kais.  mex.  Guadalupe- Ordens,  dem  Director  der  geologischen 
Reichsanstalt  Hofrath  Wilhelm  Ritter  v.  Haidinger  den  kais.  russ.  St. 
Annen- Orden  2.  Cl.,  dem  Wiener  Buchhändler  Friedrich  Gerold  das 
Ritterkreuz  der  kais.  französ.  Ehrenlegion,  dem  Wiener  Universitätspro- 
fessor Dr.  Joseph  Hyrtl  den  kön.  preufs.  Eronenorden  2.  Cl.  und  dem 
Wiener  üniversitätsprofessor  Med.  Dr.  Karl  Cefsner  denselben  Orden 
4.  CL,  dem  Schriftsteller  Dr.  Ludw.  Aug.  Fr  an  kl  das  Ritterkreuz  des 
kön.  schwedischen  Wasa-Ordens,  und  dem  Schriftsteller  Dr.  Leopold  Ko  m- 

Sert  das  Ritterkreuz  des  grofsherz.  Sachsen  -  weimarischen  Falken  -  Or- 
ens  annehmen  und  tragen  zu  dürfen  Allergnädigst  gestattet;  dem  Pro- 
fessor am  polytechn.  Institut  in  Prag,  Dr.  Joseph  Lumbe,  in  Anerken- 
nung seines  vieljährigen  verdienstlichen  Wirkens  taxfrei  der  Titel  eines 
kaiserlichen  Rathes,  und  dem  Professor  an  der  Akademie  der  bildenden 
Künste  in  Wien,  Karl  Rösner,  in  Anerkennung  seines  vieliährigen  ver- 
dienstlichen Wirkens  als  Lehrer  und  Künstler,  taxfrei  der  Titel  eines  Ober- 
banrathes  zuerkannt,  und  sind  femer  der  Professor  der  Katechetik  und 
PflBdagogik  zu  Klagen  fürt,  Dr.  Johann  Wilhelm,  zum  Canonicus  theo- 
logalis  an  dem  Gurker  Domcapitel,  der  Director  und  Katechet  an  der  Haupt- 
und  ÜR.  zu  Pirano,  Johann  Sin  eich,  zum  Ehrendomherrn  an  dem 
Kathedralcapitel  von  Triest,  der  Consistorialrath  der  Szathmarer  Dicecese 
und  Lehrer  der  ungarischen  Sprache  und  Literatur  an  der  Theresiani- 
schen Akademie  in  Wien,  ifmerich  H  o  m  o  k  v ,  zum  Vorstande  der  Real- 
abtei zu  Lekör,  endlich  Prof.  Dr.  Eduard  Herbst  zum  Mitglied  der  Com- 
mission  zur  Controle  der  Staatsschuld,  der  k.  k.  Hofrath  Adam  Ritter  von 
Burg  zum  Präsidenten  -  Stellvertreter ,  der  k.  k.  Professor  Dr.  Rudolf 
Eitel  berger  v.  Edelberg  zum  Vertreter  des  k.  k.  Staatsministeriums, 
dann  die  Professoren:  der  k.  k.  Oberbergrath  Otto  Freiherr  von  Hingenau 
und  Dr.  Anton  Schrötter  zu  Mitgliedern  des  k.  k.  öst.  Centralcomite's 
für  die  Agricultur-,  Kunst-  und  Industrieausstellung  in  Paris,  und  aufser- 
dem  Prof.  Dr.  v.  Eitelberger  zum  Präses  des  zum  Zweck  der  Pariser- 
Weltausstellung  aufgestellten  Filialcomit^s  für  Kunst  in  Wien,  der  Custos 
am  k.  k.  Münz-  und  Antiken  -  Cabinet  in  Wien  Dr.  Eduard  Freiherr  von 
Sacken  zum  wirklichen  Mitglied  und  Rath  der  Akademie  der  bildenden 
Künste  in  Wien,  und  der  k.  k.  Oberbergnrath  Freiherr  v.  Hingenau  von 
der  Universität  zu  Bonn  zum  Doctor  iuris  honoris   causa  ernannt  worden. 


üeber  die  öffentlichen  Vorlesungen  an  der  k.  k.  Universität  zu  W  i  e  n 
im  Winter-Semester  1865/B6  s.  AmtsbL  z.  Wr.  Ztg.  vom  21.  October  1.  J., 
Nr.  242.  

Das  G.  zu  Grofs-Kanisza,  aus  dem  so  viele  hervorragende  Persön- 
lichkeiten hervorgegangen  sind,  feierte  am  5.  November  d.  J.  das  lOOjäh- 
rige  Jubiläum  seines  Bestehens;  ferner  beabsichtigt  die  Stadt  Grofs- 
Kanisza  die  Errichtung  eines  OG. ,  wozu  die  Erlaubnis,  das  nöthige 
Capital  auf  dem  Wege  der  öffentlichen  Sammlung  aufzubringen,  ihr  er- 
theilt  wurde.  

Der  am  31.  August  L  J.  verstorbene  Dr.  Martin  Scherer,  k.  k. 
Universitätsbibliothekar  zu  Innsbruck,  hat  die  dortige  k.  k.  Musterhaupt- 
schule, an  der  er  durch  viele  Jahre  als  Katechet  gewirkt,  zum  Erben 
seiner  Bücher  eingesetzt,  und  gleichzeitig  als  Beitrag  für  ein  beantragtes 
Präparandenstipendium  eine  4procentige  Staatsschuldverschreibung  von  100  fl. 
Yennacht. 

Der  Hochw.  Hr.  Bischof  Strofsmayer  hat  dem  Vereine  für  Unter- 
stützung dürftiger  Schüler  am  G.  zu  Warasdin  den  Betrag  von  1000  fl. 
gespendet. 

Sr.  k.  k.  Apost.  Majestät  haben  mit  Allerhöchster  Entschliefsung 
vom  2.  October  1.  J.  die  Enichtung  eines  4clas8.  UG.  in  der  Kreisstadt 
Wadowice  Allergnädigst  zu  genemnigen  geruht,  wobei  die  Opferwillig- 


790  Personal-  nnd  Scholnotizeii. 

keit  der  dortigen  Stadtgemeinde  für  Unterbringung,  Beheizung  nnd  Bei- 
schaffan^  durcn  Einzahlung  eines  Betrages  von  1500  fl.  ö.  W.  in  den  Stndien- 
fonds  mit  verdienter  Anerkennung  zur  Wissenschaft  genommen  wurde. 

Der  Fabriksbesitzer  und  Hauseigenthümer  A.  M.  Po  Hak  hat  dera 
Bürgermeister  von  Wien,  aus  Anlass  des  fünfzigjährigen  Jubiläums  und 
der  Reorganisierung  des  hiesigen  Polytechnicums,  den  Betrag  von  1000  fl. 
mit  der  Bestimmung  überreicht,  dass  hiefÜr  eine  Bibliothek  zur  Benützung 
für  Studierende  der  Technik  und  Gewerbetreibende  gegründet  werde. 

Dem  evang.  Pfarrer  Brunn  ich,  dem  Franz  Bürckholdt  und 
dem  Heinrich  Pfeiffer  in  Rumburg  ist  die  Bewilligung  zur  Errichtung 
eines  Vereines  für  die  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse  unter 
dem  Namen  „Humboldt-Verein"  mit  dem  Sitze  in  Rumbarg,  unter 
Genehmigung  der  Statuten  desselben,  Allergnädigst  bewilligt  woroen. 

(Erledigungen,  Concurse  u.  s.  w.)  Wadowice,  neu  errichtetes 
UG.,  Directorsposten  und  2  Lehrstellen,  die  eine  für  das  historisch-philo- 
logische, die  andere  für  das  mathematisch  -  naturwissenschaftliche  Gebiet 
Termin:  15.  Jänner  1866,  s.  Amtsbl.  zur  Wr.  Ztg.  v.  19.  November  1.  J., 
Nr.  265.  

(Todesfälle.)  In  der  Nacht  auf  den  14.  August  1.  J.  zu  Schwerin 
der  Justizminister  Dr.  August  Wilhelm  Schröter,  früher  Professor  an  der 
Universität  zu  Jena,  in  der  juristisch-  literarischen  Welt  wohlbekannt 

—  Am  14.  August  1.  J.  zu  Babenc  Med.  Dr.  Johann  Zobel,  seiner 
Zeit  Assistent  der  Botanik  an  der  Prager  Universität,  dann  Professor  an 
der  Forstschule  zu  Weifswasser,  auch  durch  gediegene  Fachschriften  bekannt, 
im  53  Lebensjahre. 

—  Am  15.  August  1.  J.  zu  Wien  der  k.  k.  Kammer-Medailleur  und 
Director  der  k.  k.  Münz-Graveur-Akademie  Joseph  Daniel  Böhm  (geb.  am 
16.  Ijiärz  1794  zu  Wallendorf  in  der  Zips),  als  Künstler,  Kunstkenner  und 
Kunstsammler  gleichgeschätzt,  im  Alter  von  72  Jahren;  zu  Kronstadt  Dr 
Georg  Petreanu,  Professor  am  dortigen  griech.  orient.  G.,  im  31.  Lebens- 
jahre ,  und  in  der  sächs.  Landes-Irrenanstalt  Sonnenstein  der  ausgezeichnete 
Postmann,  Gottlieb  Friedrich  Hüttner,  auch  au/öerhalb  Sachsens  durch 
seine  Thätigkeit  als  volkswirthschaftlicher  Schriftsteller  wohlbekannt 

—  Am  16.  August  1.  J.  zu  Prag  der  hoffnungsvolle  Schriftsteller  Wilh. 
Hansel  im  Alter  von  22  Jahren;  zu  Stuttgart  Dr.  Hermann  Hauff  (geb. 
ebendort  am  21.  August  1800),  Bruder  des  bekannten  Novellisten  und 
Dichters  Wilhelm  H. ,  praktischer  Arzt  und  seit  38  Jahren  Redacteur  des 
werth vollen  literarischen  Journals  „Morgenblatt**  (vgl.  Beil.  zu  Nr.  262  der 
A.  a.  Ztg.  V.  19.  September  1.  J.);  zu  Hamburg  der  Senator  Dr.  iur.  und 
theol.  Hudtwalker,  durch  seine  literarische  Thätigkeit  auch  in  weiteren 
Kreisen  bekannt,  im  Alter  von  78  Jahren,  und  zu  London  der  Director 
des  botanischen  Gartens  in  Kew  Sir  William  Jackson  Hook  er,  um  die 
Botanik  durch  einschlägige  Werke  („Flora  Borealis  Americana",  „Genera 
Filicum",  „Flora  Exotica",  „Museologia  Britannica"  u.  m.  a.)  hochverdient 
im  Alter  von  80  Jahren. 

—  Am  17.  August  1.  J.  zu  München  der  quiesc.  kön.  Oberstkämmerer 
Joh.  Nep.  Freiherr  v.  Poifsl  (geb.  1783  auf  Schloss  Loifling  im  bayer. 
Wald),  als  Kunstförderer  und  (Jompositeur  rühmlich  bekannt,  und  zu  Brüs- 
sel der  Bibliothekar  des  Königs  der  Belgier  Dr.  Sigmund  Sehe  1er  (geb. 
zu  Coburg),  73  Jahr  alt. 

—  Am  18.  August  1.  J.  auf  der  Insel  Aegina  der  ehem.  k.  griechisch« 
Ministerpräsident  Alexander  Maurokordatos,der  bekannte  Kämpfer  für 
Griechenlands  Selbständigkeit,  im  Alter  von  77  Jahren. 

—  Laut  Meldung  aus  Pest  vom  18.  August  1.  J.  der  Nestor  der 
Ungar.  Gelehrten  weit,  Georg  Bartal,  eine  Specialität  auf  dem  Felde  der 
Geschichte  und  Rechtsgelehrsamkeit,  im  hohen  Alter  von  86  Jahren. 

—  Am  19.  August  L  J.  zu  Neuhaus  in  Bdhmon  Se.  Hochw.  d«r 


Personftl-  und  Schulnotizen.  791 

Piariiten-Ordenspriester  Hubert  Hudec,  pens.  Director  des  dortigen  k.  k. 
G.,  im  Alter  von  70  Jahren. 

—  Am  20.  August  1.  J.  zu  Reichenau  Franz  Chladek,  Syndicus 
der  Prag  er  Universität,  im  Alter  von  76  Jahren. 

—  Am  21.  August  1.  J.  zu  Reufs  der  G3anna8ialoberlehrer  Dr.  J. 
Franz  Ahn  (geb.  zu  Aachen  17%),  durch  seine  vielen  Schriften  auf  sprach- 
lichem Gebiete,  namentlich  durch  seine  französischen  Grammatiken  weit  über 
die  Grenzen  Deutschland's  bekannt,  und  zu  Alexanderbad  in  Bayern  der 
preuss.  Kechnun^rath  a.  D.  Müller,  Schriftführer  des  Berliner  Zweig- 
vereines der  Schillerstiftung,  auch  als  Lyriker  nicht  unbekannt. 

—  Am  22.  August  1.  J.  zu  Frankfurt  a/M.  der  ausgezeichnete  Maler 
Ernst  Schalck  (geb.  ebendort  1828) ,  namentlich  im  humoristischen  Facho 
geschätzt. 

—  Am  23.  August  1.  J.  der  Maler  Ferd.  GeorgWaldmüller  (geb. 
zu  Wien  am  14.  Jänner  1793),  k.  k.  akadem.  Bath  und  Professor  an  der 
Wiener  Akademie  der  bildenden  Künste,  Ritter  des  Franz  Joseph-Ordens 
u.  s.  w.,  im  Fache  der  Genre-  und  Conversations-,  dann  der  Porträtmalerei 
ausgezeichnet. 

—  Am  26.  Auffust  1.  J.  zu  Spandau  der  berühmte  Astronom,  früherer 
Director  der  Berliner  Kön.  Stemwaixe,  Professor  Dr.  Joh.  Frz.  Encke  (geb. 
zu  Hamburg,  am  23.  September  1791),  Mitglied  der  „Royal  Society"  (vgl. 
Beil.  zu  Nr.  291  der  A.  a.  Ztg.  v.  18.  Octoher  1.  J.). 

—  Am  27.  August  1.  J.  zu  Graz  der  k.  k.  Hofrath  und  Reichshistorio- 
graph  Friedrich  v.  Hu rter- Ammann  (geb.  zu  Schaffhausen  am  19.  März 
I7w),  durch  seine  historischen  Schriften  („Geschichte  Papst  Innocenz  EI.*', 
„Geschichte  Ferdinands  IL**,  „Biographie  der  Erzherzogm  Maria",  „Cri- 
minalgeschichte  des  Kammerdieners  Philipp"  u.  m.  a.)  in  weitesten  Kreisen 
bekannt  (vel.  öst.  Wochenschrift.  1865.  Vi.  Bd.  Nr.  36  S.  343  ff.),  und  zu 
Isleworth  (Grafschaft  Middlesex)  der  Dichter  Dr.  Thomas  Chandler  Halibur- 
ton  (geb.  zu  Windsor  in  Neuschottland),  als  Vf.  von  „Sam  Stick's  Say- 
ings  and  Doings"  u.  m.  a.  bekannt,  im  Alter  von  68  Jahren. 

—  Am  28.  August  L  J.  zu  Pesth  Anton  Elter,  Chormeister  des 
dortigen  Universitäts-Gcsangsvereines,  als  tüchtiger  Musiker  bekannt. 

—  Am  29.  August  1.  J.  zu  Kissingen  Med,  Dr.  Robert  Remak ,  a. 
0   Professor  der  Medicin  an  der  Universität  zu  Berlin,  im  49.  Lebensjahre. 

—  Am  30.  August  1.  J.  zu  Gotha  der  Maler  Wilhelm  Kiesewetter 
feeb.  zu  Berlin),  durch  seine  vieljährigen  Reisen  in  Schweden,  Russland, 
ftr  Tartarei  und  dem  Kaukasus  und  seine  bildlichen  Skizzen  und  Vorträge 
darüber  bekannt. 

—  Am  31.  August  1.  J.  zu  Innsbruck  der  dortige  üniversitäts- 
bibliothekar  Martin  Seh  er  er  (geb.  zu  Satteins  in  Voralberg  am  I.Jänner 
1786),  auch  in  weiteren  Kreisen  bekannt;  zu  Ofen  Se.  Hochw.  Schmidt- 
Ször^ny  aus  dem  Orden  der  Benedictiner,  Mitglied  der  Studiencommission 
bei  dem  k.  ung.  Statthaltcreirathe,  k.  Rath,  Ritter  des  Franz  Joseph-Ordens 
u.  s.  w.,  im  61.  Lebensjahre,  und  zu  Eisenberg  (Sachsen-Altenburg)  Georg 
Friedrich  Hanisch,  der  Componist  des  bekannten  Liedes  .-„Sind  wir  ver- 
eint zur  guten  Stunde  u.  s.  w." 

—  Anfang  Aueust  1.  J.  zu  Brüssel  der  Genieoberst  Lagrange,  zweiter 
Director  der  Knegsschule,  sehr  geschätzter  Militärschriftsteller. 

—  In  der  1.  Hälfte  des  August  1.  J.  zu  Brüssel  Dr.  Dieudonn^, 
Präsident  der  dortigen  medicinischen  und  naturhistorischen  Gesellschaft, 
58  Jahre  alt. 

—  Mitte  August  1.  J.  zu  Frankfurt  a/M.  Dr.  Eduard  Hey  der.  durch 
seine  Vorlesungen  und  durch  sein  Werk:  „Biographien  berühmter  ausge- 
zeichneter Frankfurter"  bekannt,  und  zu  Dresden  Friedrich  Brockhaus 
(geb.  am  ::3.  September  1800  zu  Detmund),  früherer  Mitinhaber  der  Firma 
F.  A.  Brockhaus,  Mitbegründer  und  langjähriger  Leiter  der  „deutschen 
Allgemeinen  Zeitung." 

—  In  der  2.  Hälfte  des  Monats  August  1.  J.  zu  Paris  der  Kupfer- 
fteeher  und  Schriftoteller  Alezander  Marcean,  als  Graveur  und  Drama- 


792  Personal-  und  ScbuinotizeiL 

tiker  bekanut,  im  Alter  von  48  Jahren;  zu  Düsseldorf  der  ymge  talent- 
volle und  bemittelte  Landschaftsmaler  J.  Hatogensis  aus  Holland,  durch 
freiwilligen  Tod  im  Rhein,  und  zu  Rom  der  Maler  Cavalleri,  Pro- 
fessor an  der  Akademie  der  schönen  Künste  alldort,  ein  7Qjähriger  Greis, 
durch  Selbstmord. 

—  Gegen  Ende  August  1.  J.  zu  Rom  der  gewandte  und  mit  feiner 
Naturempfindun^  begabte  Künstler  J.  Raff  alt,  ein  Sohn  des  berühmten 
vor  mehreren  Janren  verstorbenen  Landschaftsmalers,  im  32.  Lebensjahre; 
zu  Speyer  das  Mitglied  der  belg.  Akademie  Dr.  Arendt  (geb.  zu  Berlin), 
Professor  an  der  Universität  zu  Löwen,  durch  staatswissenschaftliche,  hi- 
storische und  politische  Werke  bekannt,  und  zu  Florenz  der  schwedische 
Arzt  und  Naturkundiger  Johann  Hegenborg,  im  Alter  von  fast  79  Jahren. 

—  Laut  im  August  1.  J.  eingegangenen  Nachrichten  aus  den  nie- 
derländischen Colonien  Dr.  H.  A.  Bernstein  (geb.  zu  Breslau  am  22.  Sep- 
tember 1828),  früher  Arzt  in  Batavia,  als  Durdiforscher  von  Neu-Gninea, 
Halmaheira  u.  s.  w.  und  Berichterstatter  über  die  dortige  Bevölkerung,  Pro- 
ducte  u.  s.  w.  alldort  bekannt. 

—  Ende  August  1.  J.  zu  Dorpat  Frau  Andelew,  Schriftstellerin 
auf  dem  Gebiete  der  slavischen  Literatur  und  Nationalcekonomie. 

—  In  der  Nacht  vom  31.  August  zum  1.  September  L  J.  zu  Ober-St. 
Veit  nächst  Wien  Dr.  Moriz  Edler  von  Stubenrauch  (geb.  am  22.  Sep- 
tember 1811  zu  Wien),  Professor  der  öst.  Verwaltungsgesetzkunde  und  des 
Ost.  Handels-  und  Wechselrechtes  an  der  k.  k.  Wiener  Universität, 
Mitglied  der  theor.  Staatsprüfungscomniission  u.  s.  w.,  als  Redactenr  der 
Zei&chrift  für  öst.  Rechtsgelehrsamkeit,  der  allg.  öst.  Gerichtszeitune  und 
als  Verfasser  gediegener  Fachwerke  in  weiten  Kreisen  bekannt ,  durch 
Selbstvergiftung. 

--  Am  3.  September  1.  J.  in  seiner  Wohnung  bei  der  Sternwarte  zu 
Dunkirk  der  engliscne  Astronom  und  Mathematiker  William  Rowan  Ha- 
milton, Professor  der  Astronomie  an  der  Universität  zu  Dublin,  im  Alter 
von  60  Jahren. 

—  Am  4.  September  1.  J.  zu  Graz  Sr.  Hochw.  Dr.  Franz  Schell, 
fürstbischöfl.  Consistorialrath,  Kanzler  des  füritbischöfl.  Ordinariates  u.  s.  w., 
im  50.  Lebensjahre;  zu  Stuttgart  der  bekannte  Schriftsteller  Traugott 
Bromme  {geh.  zu  Leipzig  1802),  der  sich  durch  seine  Reisen  in  America, 
so  wie  durch  seine  Bemühungen  zur  Regelung  der  Auswanderung  und  zur 
Gründung  deutscher  Ansiedelungen  in  Nord- America  vielfache  Verdienste 
erworben  hat,  und  zu  Freiburg  i.  Br.  der  Nestor  der  kathol.  Theologen 
Deutschlands  Dr.  J.  B.  v.  Hir  scher  (geb.  1788),  grofsherzgL  Geheimrath, 
Domdecan,  Professor  der  Theologie  an  der  Universität  alldort. 

—  Am  ö.  Sentember  1.  J.  zu  Werschetz  im  Banat  der  Dichter  Dr. 
Friedrich  Bach  (geb.  1817  zu  Königgrätz),  ein  liebenswürdiges  lyrisches 
Talent,  Vf.  der  ^Sensitiven"  (Leipzig,  1839.  2.  Aufl.  1847}. 

—  In  der  Nacht  vom  10.  auf  den  11.  September  1.  J.  auf  seinem 
Schlosse  Pronzel  bei  Amiens  der  bekannte  französische  General,  zuletzt  Ober- 
commandant  der  päpstlichen  Armee,  Christoph  L.  L.  Juchault  de  Lamo- 
riciöre  (geb.  zu  Nantes  1806). 

—  In  der  Nacht  vom  13.  zum  14.  September  L  J.  zu  Prag  Hein- 
rich Kessels  (geb.  zu  Altona),  Professor  der  mechan.  Technologie  am 
dortigen  polytechnischen  Landesinstitut,  im  Alter  von  30  Jahren,  durch 
Selbstvergiftung. 

—  Am  14.  September  1.  J.  zu  Cremona  der  durch  seine  medicini- 
sehen  und  naturwissenschaftlichen,  insbesondere  chemischen,  Werke  be- 
kannte Arzt  Cavaliere  Dr.  Gaspero  Cerioli,  Entdecker  des  Nicotins,  im 
Alter  von  85  Jahren. 

—  Am  16.  September  1.  J.  zu  Venedig  Dr.  Giovanni  della  Porta, 
seiner  Zeit  als  Zeituuffsredacteur  („ Lombarde- Veneto**,  „L' Indicatore**)  be- 
kannt, im  Alter  von  kaum  43  Jahren. 

—  Am  18.  September  1.  J.  zu  Kopenhagen  der  General  ä  la  suite 
Christian  Julius  de  Meza  (geb.  zu  HelsiDgöi  am  14.  Jännei  1792),  früher 


Personal-  und  Sclmlnotizen,  t9S 

commandierender  General  in  Sclilcswig,  dann  zur  Zeit  des  Ausbruches 
des  letzten  deutsch-dänischen  Krieges  Oberbefehlshaber  der  activen  däni- 
schen Armee,  und  zu  Reichenhall  der  Schriftsteller  Ernst  Roth. 

—  Am  19.  September  1.  J.  zu  Montpellier  der  Professor  an  der 
chirurgischen  Klinik  Alguie,  im  kräftigsten  Mannesalter. 

—  Am  22.  September  1.  J.  zu  Olmütz  der  Redacteur  der  politischen 
Zeitschrift  „Neue  Zeit*'  Joseph  August  Bartsch,  und  zu  Petersburg  der 
durch  seine  naturhistorischen  Untersuchungen  bekannte  Staatsrath  Dr. 
Christian  Pander  (geb.  1794),  namentlich  im  Bergwesen  thätig. 

—  Am  28.  September  1.  J.  zu  Hassfart  der  Professor  an  der  poly- 
technischen Schule  zu  Nürnberg  Karl  v.  Heideloff  (geb.  zu  Stuttgart 
am  2.  Februar  1788^,  Conservaior,  Baumeister ,  Maler  u.  s.  w.,  ein  Meister 
altdeutschen  Baustiles,  durch  seine  Neubauten,  Restaurationen  und  Fach- 
schriften rühmlich  bekannt.  (Vgl.  BeU.  zu  Nr.  280  A.  a.  Ztg.  v.  7.  October 
1.  J.  S.  4547  ff.) 

—  Am  29.  (?)  September  1.  J.  zu  Krakau  der  Militärarzt  Dr.  Her- 
bich, Mitglied  der  k.  k.  Gelehrtengesellschaft  alldort,  Verfasser  mehrerer 
botanischer  Werke. 

~  Zu  Padua  am  29.  September  1.  J.  der  ausgezeichnete  Orientalist 
Samuel  David  Luzatto,  (geb.  zu  Triest  am  22.  August  1800),  Professor 
am  dortigen  Rabbinerseminar. 

—  Am  30.  September  L  J.  zu  Pötzleinsdorf  nächst  Wien  der  Lan- 
desgerichtsrath  Heinrich  Adami  (geb.  zu  Wien  am  16.  December  1807), 
als  Belletrist,  Journalist  und  juristischer  Schriftsteller  vortheilhaft  bekannt; 
zu  Stuttgart  der  geschätzte  Berliner  Bildhauer  Hermann  Heidel  (geb.  zu 
Bonn),  Verfasser  emer  nKünstleranatomie**,  in  der  Blüte  seiner  Jahre,  und 
zu  Frascati  der  treffliche  Landschaftsmaler  Johannes  Frey  aus  Basel. 

—  In  der  1.  Hälfte  des  Septembers  1.  J.  zu  Aylespury  der  Admiral 
W.  H.  Smyth,  auch  als  Gründer  der  geographischen  Gesellschaft  und  Di- 
rector  des  alterthumswissenschaftlichen  Vereines  bekannt,  im  Alter  von 
77  Jahren,  und  zu  Berlin  Professor  Dr.  Moriz  Baumert  aus  Bonn  (geb. 
in  Schlesien),  Mitglied  der  Examinationscommission  für  die  Staatsprüfung 
der  Apotheker,  durch  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Chemie  bekannt. 

—  Mitte  September  1.  J.  zu  Florenz  Michel  Angelo  Migliarini, 
CoBservator  der  Antiquitäten  in  der  dortigen  Galerie,  als  Archaeolog  ge- 
schätzt, im  Alter  von  86  Jahren. 

—  Im  Sentember  1.  J.  zu  Petersburg  der  Landschaftsmaler  Tschenet- 
zoff;  zu  Dresaen  der  holländische  Marinemaler  J.  P.  Schotter,  und 
zu  Frankfurt  a/M.  Dr.  iur.  J.  D.  Loben stern  (geb.  zu  Hanau),  als  Vf. 
mehrerer  in  der  juristischen  Literatur  mit  Anerkennung  genannter  Schriften. 

—  Ende  September  L  J.  zu  London  Job.  Frederik  Herring  (aus 
Holland  stammend),  der  bekannte  Thier-,  namptlich  Pferdemaler,  im  Alter 
von  71  Jahren,  und  zu  Peyraube  (Frankreich)  Carneille,  als  ausgezeich- 
neter Sammler  und  Kenner  von  seltenen  Büchern  bekannt,  im  Alter  von 
97  Jahren. 

—  Am  2.  October  1.  J.  zu  Wien  der  Antiquar-Kunsthändler  David 
Weber  (geb.  zu  Ztlrich  am  15.  April  1790),  eine  Notabilität  im  Kunstfache, 
auch  als  Landschaftsmaler,  Bilderrestaurateur  und  Aetzkünstler  geschätzt. 

—  Am  4.  October  1.  J.  zu  Wien  Sr.  Excell.  FML.  Heinrich  Baron 
Sunstenau  von  Schützenthal,  seit  1798  der  k.  k.  Armee  angehörig, 
auch  als  Fachschriftsteller  („GrundsÄtze  der  Strategie"  u.  m.  a.)  von  Ruf, 
und  zu  Teschen  der  Reli^onslehrer  am  k.  k.  evang.  OG.,  Senior  der 
Bchlesischen  evang.  Gemeinde  und  evang.  Pfarrer  in  Teschen,  Gustav  Hein- 
rich Klapsia. 

—  Am  6.  October  L  J.  lu  Wien  die  geschätzte  Genre-  und  Porträt- 
malerin Elise  Modell  (geb.  zu  Wien  1820),  zuletzt  erblindet  in  ärmlichen 
Umständen. 

—  Am  6.  October  1.  J.  zu  Stuttgart  der  Hofgraveur  Philipp  Hirsch, 
ein  in  seinem  Fache  hochgeschätzter  Künstler,  und  zu  Paris  Dr.  Adolf 
Tr^buchet  (geb.  zu  Nantes  am  11.  October  1801),  Mitglied  der  Aca- 


794  Personal-  nnd  Schnlnotizen. 

demie  de  Medecine,  Sccretär  des  öffentlichen  Gesundheitrathes  u.  s.  w.,  auch 
ab  Fachschriftsteller  geschätzt. 

—  Am  8.  October  1.  J.  zu  Prag  Johann  Helhling  Ritter  von 
Hirzenfeld  (geh.  zu  Prag  am  3.  Decemher  1789),  pens.  a.  ö.  Professor 
der  historischen  Wissenschaften  an  der  k.  k.  Universität  zu  Prag,  Custos 
des  k.  k.  numismatischen  Cahinets,  wirkl.  Mitglied  des  vaterländischen 
Museums  u.  s.  w.,  und  Heinrich  Lengerich,  Maler,  Professor  an  der 
Akademie  zu  Berlin. 

—  Am  9.  Octoher  1.  J.  zu  Wien  der  pens.  Sparcassabeamte  Ferdi- 
nand Bitter  von  Seyfried,  langjähriger  Redacteur  der  Zeitschrift  „Der 
Wanderer",  auch  als  Kunstkritiker  und  Schriftsteller  („Rückschau  auf  das 
Theaterleben  Wien's")  thätig,  im  Alter  von  55  Jahren,  und  zu  Nizza  der 
berühmte  Violinvirtuose  undComponist  Heinr.  Wilh.  £rnst  (geb.  zu  Brunn 
1817),  „Der  erste  Sänger  auf  der  Geige"  genannt.' 

--  In  der  Nacht  zum  11.  October  1.  J.  zu  Wien  durch  Selbstmord 
Dr.  Ferdinand  Uefsler  (geb.  zu  Regensburg  in  Bayern  am  30.  Februar 
1803J,  0.  ö.  Professor  der  Physik  am  k.  k.  Polytechnicum  zu  Wien ,  corr. 
Mitglied  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften,  uemeinderath  u.  s.  w.,  als 
Lehrer  geehrt,  als  Fachschriftsteller  („Lehrbuch  der  Physik**,  „Jahrbuch 
für  Physiker  u.  s.  w.",  „Jahrbuch  für  Fabricanten  u.  s.  w.")  geschätzt. 

—  Am  12.  October  1.  J.  zu  Florenz  Filippo  Luigi  Polidori  (geb. 
zu  Faenza),  Director  des  Staatsarchivs  zu  Siena,  auf  dem  Gebiete  der  Philo- 
logie und  der  italienischen  Literatur  und  Sprache  hochgeachtet ,  und  auf 
Schloss  Bagen  (Dcpart.  der  oberen  Garonne)  William  Vincent  Wallace 
(geb.  zu  Waterford  in  Irland  1815),  als  Operncomponist  („Maritana**,  „Maria 
V.  Ungarn",  „Lurline",  „Die  Ambra-Hexe",  „Die  Blume  der  Wüste"  u.  a.), 
so  wie  als  Violin-  und  Klavier-Virtuose,  bekannt. 

—  Am  13.  October  1.  J.  zu  Neumühlen  der  durch  seine  Compositionen 
und  sein  ViolonceUspiel  bekannte  Tonkünstler  Cypriano  Rom berg,  früher 
Mitglied  der  k.  russischen  Oa]>elle,  durch  Ertrinken  beim  Baden  in  der  Elbe. 

—  Am  14.  October  1.  J.  Bildhauer  Crcorg  Hurt  zig  in  Hannover. 

—  Am  17.  October  1.  J.  zu  Paris  der  Professor  an  der  dortigen 
medicin.  Facultät  Malgaigne,  Vorstand  der  Academie  de  Mädecine,  einer 
der  geachtetsten  Chirurgen  Frankreichs,  im  Alter  von  59  Jahren. 

—  Am  18.  October  1.  J.  zu  Greifswald  der  geschätzte  Geschichtsforscher 
und  Sammler  ponimer'scher  Alterthümcr  Dr.  ^Medrich  von  Hagenow, 
Verf.  e.  trefflichen  antiquarischen  Karte  von  Rügen,  und  zu  Brooket-Hall- 
Herts  bei  London  der  englische  Minister  Henry  John  Teraple,  dritter  Vis- 
count  Palmerston  (geb.  zu  Broadlands  in  der  engl.  Grafscnaft  Hampshire, 
am  20.  October  1784),  eine  der  grüfäteh  diplomatischen  Celebritaten  der 
Gegenwart. 

—  Am  21.  October  1.  J.  zu  Breslau  Dr.  Fried.  Wilhelm  Lilie,  Pro- 
rector  am  dortigen  G.  zu  Maria  Magdalena,  67  Jahre  alt,  und  zu  Salzburg 
der  bekannte  Musiklehrer  Ferdinand  Zeller,  als  Violinspieler,  Pianist  und 
Tonsetzer  gcscliätzt,  im  Alter  von  51  Jahren. 

—  Am  24.  October  L  J.  zu  Strafäburg  Paul  Lehr,  ein  überaus 
gründlicher  Kenner  der  deutschen  Literatur,  als  Uebersetzer  von  Pfeffel's 
„Fabeln"  und  Bürger's  „Leonore"  bekannt,  im  78.  Lebensjahre. 

—  Am  25.  October  1.  J.  zu  Wien  Franz  Breither,  als  Zeitungs- 
redacteur  („Oesterr.  Volksfreund")  bekannt,  im  Alter  von  59  Jahren. 

—  Am  28.  October  1.  J.  zu  Prag  der  Musiker  und  Redacteur  der 
böhmischen  Musikzeitung,  J.  Ulm  (übra),  und  zu  Paris  der  Nestor  der 
Buchhändlerwelt  Martin  Bossange  (geb.  im  Februar  1766  zu  Bordeaux). 

—  Am  29.  October  1.  J.  zu  Arad  der  pens.  Schuldirector  Demeter 
Constantini,  um  das  rumänische  Volksschulwesen  hochverdient,  auch  als 
Literat  geachtet,  im  77.  Lebensjahre. 


(Diesem  Hefte  ist  eine  kritische  Beilage  beigegeben.) 


Beilage 

zur 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien. 

(XVI.  Jahrgang,  X.  Heft.) 

Entgegnung 
auf  die  Anzeige  in  Heft  VIU.  S.  604  u.  005. 

In  dem  letzten  Hefte  der  Zeitschrift  für  die  Gymnasien  Oesterreichs 
findet  sich  auf  Seite  604  eine  Recension  des  von  mir  herausgegebenen 
Lesebuches,  welche  mich  zu  einigen  Bemerkungen  veranlasst. 

Ueber  das  Verhältnis  memes  Lesebuches  zu  dem  von  H.  Mozart 
herausgegebenen  zu  sprechen,  steht  mir  am  wenigsten  zu;  so  viel  erlaube  ich 
mir  aber  doch  zu  sagen,  dass,  rticksichtlich  „der  Reichhaltigkeit  des  In- 
haltes, geschmakvoller  Auswahl  und  Anordnung  des  passenden  Lesestoffes" 
der  Mozart'schcn  Lesebücher  ein  grofser  Theil  des  Lehrerstandes  einer  an- 
deren Ansicht  ist  als  der  H.  Recensent.  Einen  grofsen  Anstofs  nimmt  der 
H.  Recensent  an  der  Orthographie  des  Jjesebuches.  Ueber  diesen  Punct 
glaube  ich  zu  meiner  Rechtfertigung  etwas  bemerken  zu  müssen.  Nach 
reiflicher  Üeberlegung  entschied  ich  mich  für  jene  Orthographie,  welche 
in  den  för  die  Hauptschulen  im  Kaiserthume  Oesterreich  vorgeschriebenen 
Lehrbüchern  befolgt  wird.  Die  Regeln  dieser  Orthographie  hat  Fr.  Hcrr- 
mann  in  recht  fasslicher  Weise  zusammengestellt  in  dem  Werkchen,  auf 
welches  in  der  Vorrede  hingewiesen  wird.  Der  vollständige  Titel  lautet: 
^Dio  deutsche  Schreibung  und  Satzzeichnung  wie  sie  in  den  im  Kaiser- 
thume Oesterreich  vorgeschriebenen  Schulbüchern  angenommen  ist.  Prag 
1856.  K.  Andre.« 

Nach  dieser  Orthographie  ist  also  ganz  richtig  S.  55  und  97  mü- 
ßen,  S.  56  mußt,  S.  83  mußte,  S.  92  müße.  So  gedruckt  findet  man  es 
auch  in  dem  Buche:  Nömeckä  mluvnico  a  ätanka  pro  treti  tfidu  hlav- 
nich  Skol  etc.  S.  96  und  22.  Vergl.  Herrmann  S.  74  und  177.  Die  Schrei- 
bung S.  79  Spass  und  S.  90  Spassi^keit  ist  nach  Herrmann  S.  37,  39  und 
178  eben  so  richtig,  wie  S.  91  Müßigang  nach  Herrmann  S.  74  und  177. 
Seite  54  und  sonst  überall  steht  'wohl'  nach  Hetrmann  S.  48  und  180; 
dass  sonst  auch  'wol'  statt  Vohl*  gedruckt  ist,  ist  zwar  gesagt,  aber  nicht 
nachgewiesen.  Der  H.  Recensent  könnte  hier  höchstens  den  Druckfehler 
S.  9  anführen,  welcher  im  Druckfehlerverzeichnisse  berichtigt  ist. 

Mit  der  Tilgung  des  Dehnungszeichens  bei  einzelnen  Wörtern  ist 
der  H.  Recensent  nicht  einverstanden  und  führt  eine  Anzahl  Inconsequenzen 
an.  Hätte  der  H.  R.  das  so  oft  erwähnte  Buch  von  Fr.  Herrmann  nachjge- 
schlagen,  so  wären  ihm  diese  Inconsequenzen  minder  auffallend  gewesen. 
8.  49  steht  die  Regel:  „Das  Dehnungszeichen  wird  nicht  gesetzt  a)  Wenn 
die  Silbe  einen  zusammengesetzten  Anlaut  (seh  und  st  eingerechnet)  hat," 
und  S.  50:  „Ist  der  An-  oder  Auslaut  zusammengesetzt,  so  bleibt  das 
Dehnungszeichen  weg."  Demnach  steht  S.  17  gcstolen,  S.  71  stelen,  S.  96 
Btralt,  S.  39  u.  ö.  wahi  nehmen  (Herrmann  S.  50);  dagegen  mahlen,  mahlt 
tt.  s.  w.  nach  Herrmann  S.  49  und  176.  Ebenso  hätte  der  H.  R.  bei  Herr- 


mann  S.  49  und  178  Aufschluss  erhalten,  warum  S.  121  Sper  gedruckt  ist; 
S.  107  steht  mosig  nach  H.  S.  20  und  47.  Das  Wort  Loos  kommt  als 
Substantivum  im  Lesebuche  kaum  vor,  Aussaat  ist  richtig  nach  Herrmann 
S.  47.  Nach  diesen  Regeln  wird  es  nicht  auffallend  inconsequent  scheinen, 
wenn  ich  nach  Herrmann  S.  50  sowohl  S.  55  als  auch  an  anderen  Stellen 
Gemtith,  S.  52Irrthum  (Herrmann  S.  60;,  S.  67  röthlich,  S.  70Noth,  aber 
überall  Wert,  Wirt,  S.  83  Armut,  S.  80  sogar  mietete  (Herrmann  S.  bl) 
drucken  liefs. 

Dass  Druckfehler  vorkommen,  ist  am  Schlüsse  der  Vorrede  bemerkt 
und  zugleich  auf  das  Wörterverzeichnis  hingewiesen,  nach  welchem  sich 
die  meisten  berichtigen  lassen.  Wie  schwer  es  hftlt,  gleich  bei  der  ersten 
Aufls^e  die  nöthige  Correctheit  des  Druckes  zu  erzielen,  davon  hätte  sich 
der  H.  R.  überzeugen  können,  wenn  er  den  Druckfehler  S.  13  mit  der 
Berichtigung  auf  der  letzten  Seite  verglichen  hätte,  wo  in  der  Berichti- 
gung selbst  wieder  ein  Druckfehler  vorkommt.  Und  finden  sich  nicht  unter 
viel  günstigeren  Umständen  auch  in  neueren  Auflagen  der  Mozart*schen 
Lesebücher  Druckfehler? 

Nicht  wenig  hat  es  mich  befremdet  zu  lesen :  Noch  wollen  wir  sagen, 
dass  auffallenderweise  das  allein  richtige  Brosame  (warum  auch  nicht  von 
pro  —  Speise  und  samo  —  Korn)  im  Druckfehlerverzeichnisse  in  das  unbe- 
dingt verwerfliche  Brotsanie  verschlechtert  ist.  Hätte  der  H.  B.  besser  lesen 
wollen,  so  hätte  er  im  Druckfehlerverzeichnisse  gefunden:  S.  14,  Zeile  18 
von  oben  Brosamen  statt  Brodsamen. 

Pisek.  A.  Madiera. 


Erwiderung. 

Der  Herr  Verfasser  weist  uns  mit  unsem  bescheidenen  Einwendun- 
gen gegen  sein  Lesebuch  an  eine  andere  Adresse;  dadurch  begibt  er  sich 
wol  der  eigenen  Rechtfertigung,  die  Einwendungen  aber  bleiben  bestehen. 
Für  den  Gewährsmann  seiner  Orthographie  führt  der  Herr  Verfasser  an, 
dass  er  die  orthographischen  Regeln  recht  fasslich  zusammengestellt  habe. 
In  wiefern  damit  die  Brauchbarkeit  von  Herrmann*s  Hilfsbuch  für  die 
Schule  bezeichnet  ist,  müssten  wir  in  allen  Stücken  zur  entgegengesetzten 
Ansicht  uns  bekennen.  Das  Lob  der  Fasslichkeit  übrigens  ist  ein  sehr 
problematisches:  es  kann  in  gröfster  Fasslichkeit  das  falsche  nicht  minder 
als  das  wahre  ausgesprochen  werden;  und  gerade  zu  den  Irrtümern  in 
Herrmann's  Leitfaden  gehören  die  beiden  Regeln,  welche  der  Herr  Verfasser 
zu  seiner  Rechtfertigung  glaubt  anführen  zu  dürfen.  Sie  sind,  wie  jeder 
Fachmann  weiXö  und  schon  die  von  Herrmann  und  dem  Verfasser  selbst 
angeführten  Beispiele  darthun  können,  in  den  Bereich  blosser  Fictionen 
zu  weisen.  Zu  verwundem  abar  und  zu  bedauern  ist  es,  wenn  eine  solche 
Orthographie,  da  sie  sich  auf  die  in  den  österreichischen  Hauptschulen  vor- 
geschriebenen Lehrbücher  stützt  (vgl  Herrmann  S.  III),  mit  der  Präten- 
sion und  unter  dem  Schutze  officieller  GutheÜ^ung  auftreten  kann. 

Der  Referent 


Erste   Abtheil  ung. 


Abhandlungen» 

2ur  deutschen  Metrik. 

Im  Junihefte  dieser  Zeitschrift  lese  ich  einen  Aufsatz  von 
Theodor  Vernaleken  „über  die  Betonung,  nodt  Rücksicht  auf 
den  deutschen  Versbau^,  dem  mir  gestattet  sein  mag  einige 
abweichende  und,  wie  ich  hoffe,  berichtigende  Bemerkungen  ent- 
gegen zu  setzen.  Ich  fahle  mich  um  so  mehr  dazu  aufgefordert, 
als  der  Verfasser  von  den  Principien  der  altdeutschen  Verskunst, 
wie  wir  sie  aus  Lachmann's  umfassenden  und  eindringenden  Un- 
tersuchungen  kennen,  einen  nach  meinem  Dafürhalten  nicht  ge- 
rechtfertigten Gebrauch  macht.  Nichts  geringeres  scheint  er  zu 
unternehmen,  als  die  ganze  neuere  deuteche  Metrik,  wie  sie  seit 
Klopstock  weniger  theoretisch  vollkommen  begründet,  als  prak* 
tisch  vollkommen  ausgebildet  besteht,  mittels  der  altdeutschen 
Yerskuust  aus  den  Angeln  zu  heben. 

Oder  irre  ich  mich?  wäre  seine  Absicht  eine  beschränk- 
tere, und  sollten  nur  die  Theorien  einiger  neuerer  Handbücher 
der  Metrik  angegriffen  werden?  Ich  befinde  mich  in  dem  glück- 
lichen Falle  von  solchen  Handbüchern  wenig  oder  nichts  zu 
kennen.  Und  selbst  dieses  wenige  reicht  allerdings  hin,  um  mir 
die  üeberzeugung  zu  verschaffen,  dass  dieselben  einer  prindpiel- 
len  Verbesserung,  einer  Verschärfung  ihrer  Grundsätze  sehr  wohl 
zugänglich  wären.  Aber  was  Hr.  vernaleken  will,  ist  offenbar 
mehr.  Man  soll  künftig  in  Büchern  über  deutsche  Verskunst 
nicht  mehr  von  einem  „Pyrrhichius  und  Tribrachys  u,  a.  w.** 
lesen.  Was  ist  in  diesem  „u.  s.  w.""  enthalten?  Man  meint:  alle 
übrigen  Benennungen  griechischer  und  lateinischer  VersfüG^ 
findet  sich  aber,  wenn  man  des  Verfassers  ferneren  Erörterun* 
gen  folgt,  in  dieser  Meinung  bald  widerleg  und  bald  bestärk! 

Der  Verfasser  polemisiert  hauptsächlich  gegen  Klopstock^ 
undeutsche  Verse,  schwerfällige  metrische  Formen,  Nachahmung 
antiker  Maläe,  führt  Goethe,  Schlegel  und  Bückert  gegen  ihn 
in*s  Feld  und  sucht  seine  metrischen  Ansichten  zu  verdächtigen 
durch  eine  Probe  seiner  lächerlichen  Orthographie.  Aber  was  der 

Zolt«chrirt  r.  fl.  Sctvr  Qymn.  1H65.  XI  lltft  5^ 


798  W.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik. 

angeführte  Ausspruch  Rückert's,  dass  ein  Dichter  nicht  taub 
sein  könne,  mit  der  vorliegenden  Frage  zu  thun  habe,  ist  nicht 
abzusehen.  Und  Schlegel  hat  selbst  Hexameter  gemacht,  Qoßthe 
nicht  minder.  Die  Stelle  Goethe's ,  auf  die  sich  Vemaleken  be- 
ruft, weist  die  Polemik  gegen  den  Trochäus  im  Hexameter  zu- 
rück. Die  Aeufserung  von  Klopstock  selbst  endlich  über  das  neue 
Silbenmafs,  das  viel  Widerspruch  und  viel  Beifall  gefunden  habe, 
bezieht  sich  auf  seinen  Hexameter  und  dessen  wesentlich  deut- 
schen, dem  griechischen  gegenüber  durch  die  Aufnahme  des 
Trochäus  veränderten  Charakter. 

Zwei  Dinge  mithin  mischen  sich  hier  so  mit  einander, 
dass  man  die  wirkliche  Absicht  des  Verfassers  nicht  zu  erkennen 
vermag.  Will  derselbe  alle  Nachahmung  antiker  Metren  ver- 
bannt wissen,  oder  uns  nur  die  Unmöglichkeit  strenger  Nach- 
ahmung beweisen?  Die  letztere  wird  doch  wol  längst  von  kei- 
nem Einsichtigen  mehr  bestritten.  Das  erstere  aber,  kann  es 
der  Verfasser  im  Ernste  wollen?  Er  gibt  uns  keine  nähere  Auf- 
klärung im  folgenden,  verstrickt  uns  vielmehr  noch  tiefer  in 
die  Zweideutigkeit  seiner  Worte. 

Auch  Platen  wird  herbeigezogen,  soll  sich  aber  selbst  wider- 
sprechen. Der  Dichter  von  marmorglatter  Form  „tadelt  Klopstock 
wegen  des  Hexameters".  Nun,  marmorglatt  sind  die  Klopstock*- 
schen  Hexameter  doch  nicht  und  der  Widerspruch  wäre  also  nicht 
so  grofs.  Aber  Platens  Tadel  bezieht  sich  gar  nicht  auf  die  Form, 
sondern  einen  Irrthum  nennt  er  den  Gebrauch  des  Hexameters 
als  episches  Mass  und  will  ihn  nur  zu  geringen  Gedichten  an- 
gewendet wissen.  Und  was  Platen  vom  italischen  wogenden 
Rhythmus  sagt,  der  jenseits  des  Gebirges  klappernde  Monotonie 
werde,  geht  natürlich  auf  italienische  Kunst  und  knüpft  an  die 
Bemerkung  an,  die  Octave,  im  italienischen  episch,  athme  im 
deutschen  lyrischen  Ton.  Die  Nachahmung  antiker  Metren  zu 
bekämpfen,  fällt  Platen  nicht  entfernt  ein,  und  wenn  er  die- 
jenigen persilBiert,  die  „die  Sprache  verschmähn  und  den  Rhyth- 
mus", so  beweist  das  doch  nicht,  dass  er  „ein  gutes  Stück  selbst 
auf  das  Volksthümliche  hielt"  —  was  in  diesem  Zusammenhange 
heifsen  müsste:  auf  die  nationalen  Principien  der  Verskunsi 
Wie  wenig  er  von  diesen  wusste,  zeigt  sein  Aufsatz  über  das 
Versmass  des  Nibelungenliedes,  im  fünften  Bande  der  gesammel- 
ten Werke. 

Vemaleken  aber  streitet  ganz  im  allgemeinen  gegen  die- 
jenigen, welche  die  Versma&e  der  Alten  unserer  Spradie  ein- 
impfen und  aufpropfen  wollten.  Ganz  im  allgemeinen  spricht  er 
von  den  Gedichten  in  fremder  Fonn,  die  niemals  national  werden 
könnten,  weil  eben  die  fremde  Fonn  uns  kalt  berühre,  da  wir 
den  Rhythmus  nicht  fühlen.  Den  Rhythmus  nicht?  Selbst  im 
Hexameter  den  Rhythmus  nicht?  Aber  der  Verfasser  fugt  ja 
selbst  gleich  begütigend  hinzu:  jene  Gedichte  seien  uns  nicht 
verloren,  wir  lesen  sie  nur  nach  deutscher  Weise.   Und  was  er 


W.  ^Sv/wrer,  Zur  ileutsclioii  Metrik.  7J>J) 

unter  deutscher  Weise  verstehe,  das  gibt  uns  Hr.  Vernaleken 
ziemlich  unzweideutig  zu  erkennen,  wenn  auch  seine  Worte  uns 
wieder  zweifelhaft  lassen.  „Sehen  wir  genau  zu,  sagt  er,  so  stellt 
sich  das  Bestreben  jener  Dichter  und  Uebersetzer  als  eine  Selbst- 
täuschung heraus.  Die  Nachahmer  der  antiken  Masse  glauben 
z.  B.  einen  Spondeus  zu  setzen  und  schreiben  einen  Trochäus." 
Unmittelbar  darauf  nennt  er  einen  solchen  angeblichen  Spondeus 
einen  „sogenannten"  Trochäus,  und  um  die  Scansion  eines  Verses 
anzugeben,  bedient  er  sich  der  für  Länge  und  Kürze  gebräuch- 
lichen Zeichen.  Also  muss  man  doch  wol  in  der  deutschen  Metrik 
von  Trochäen  sprechen  dürfen,  wenn  auch  nur  von  sogenannten. 
Von  Spondeen  aber  darf  man,  wie  wir  soeben  erfuhren,  nicht 
sprechen,  und  ausdrücklich  erklärt  der  Verfasser,  in  einem  deut- 
schen Worte  könne  unmöglich  eine  Silbe  der  andern  gleichge- 
setzt werden,  auch  wenn  diese  eine  Stammsilbe  wäre  (es  sollte 
heifsen:  auch  wenn  beide  Stammsilben  wären).  Pyrrhichius  und 
Tribrachys  dürfen  gleichfalls  nicht  angenommen  werden,  wie 
wir  oben  sahen.  Welche  Versfüfse  also  können  wir  nach- 
ahmen und  welche  nicht?  Diese  Frage,  gleichviel  für  jetzt 
ob  sie  richtig  und  wohlbegründet  oder  nicht,  hat  der  Verfasser 
in  seinem  ganzen  Aufsatze  weder  aufgeworfen  noch  beantwortet, 
obgleich  nur  er  selbst  uns  mit  Nothwendigkeit  darauf  führte 
sie  aufzuwerfen.  Es  ist  aber  klar,  dass  erstens  darin  die  Vor- 
aussetzung liegt:  wir  können  gewisse  antike  Metren 
nachahmen,  wodurch  die  Polemik  gegen  alle  Nachahmungen, 
zu  welcher  wir  den  Verfesser  geneigt  fanden,  zm-ückgewiesen 
wird;  und  das9  zweitens  sich  daran  die  weitere  Frage  schliefsen 
muss:  in  wieferne  können  wir  antike  Metren  nach- 
ahmen? eine  Frage,  welche  der  Verfasser  gleichfalls  nicht  auf- 
wirft und  natürlich  auch  nicht  beantwortet.  Ihre  Beantwortung 
würde  uns  näher  darüber  aufgeklärt  haben,  was  unter  jenem  „so- 
genannten" Trochäus  gemeint  sei. 

Das  mit  deutlichen  Worten  uns  zu  sagen,  wäre  nämlich 
keineswegs  überflüssig  gewesen.  Denn  was  man  darunter  ver- 
muthen  möchte,  die  Ansicht,  der  deutsche  Trochäus  sei  nur 
eine  ßeproduction  von  dem  Rhythmus  des  alten,  aber  mit  anderen 
Mitteln,  scheint  der  Verfasser  ausdrücklich  abzulehnen,  indem 
er  den  antikisierenden  Versen  den  Rhythmus  absprichi 

Was  versteht  Vernaleken  unter  dem  Rhythmus  ?  Vielleicht 
kann  uns  dies  zu  einer  Verständigung  fuhren.  Er  beruft  sich 
S.  416  auf  das  merkwürdige  Buch,  in  welchem  Gottfried  Her-! 
mann  1799  die  antike  Metrik  auf  Principien  der  Kantischea 
Philosophie  zu  gründen  suchte,  und  definiert  übereinstimmend 
damit  den  Rhythmus  als  die  Aufeinanderfolge  von  Zeitabthei-. 
lungen  nach  einem  Gesetz.  Und  dem  entsprechend  nennt  er  bald 
nachher  den  Rhythmus  die  geregelte  Verbindung  der  Zeitabthei- 
lungen unter  einander,  und  fügt  hinzu,  diese  habe  im  Dentscheu 

54* 


800  ^.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik. 

eine  „aDdere""  Grundlage,  eine  andere  nämlich  als  in  der  antiken 
Metrik,  muss  man  verstehen. 

Wenn  aber  der  Verfasser  dann  die  „bestimmte  Benennung 
Metrik*'  in  Beziehung  auf  die  deutsche  Dichtkunst  nicht  gelten 
lassen  will,  „weil  Mafe  (pUtqov,  mensura)  blofs  das  Verhältnis 
der  Länge  der  Zeitabtheilungen  gegen  einander  ohne  allen  Rhyth- 
mus bezeichne^,  also  das  Metrum  dem  Bhythmus  entgegensetzt, 
so  ist  das  von  seinem  Standpuncte  aus  schwer  in  Einklang  zu 
bringen.  Welcher  Unterschied  soll  stattfinden  zwischen  der  „Auf- 
einanderfolge von  Zeitabtheilungen  nach  einem  Gesetz"  und  dem 
^Verhältnis  der  Länge  der  Zeitabtheilungen  gegen  einander''? 
Auf  einander  folgende  Zeitabtheilungen  müssen  sich  zu  einander 
in  irgend  einer  Weise  verhalten,  und  dass  etwa  dies  Verhalten 
rhythmisch  einem  Gesetze  gemäfs,  metrisch  ohne  ein  solches 
geschehen  solle,  ist  gewiss  nicht  gemeint.  Diese  Schwierigkeit 
wäre  verschwunden  durch  einfaches  Festhalten  an  der  antiken 
Theorie,  welche  deutlich  genug  sagt,  dass  das  Metrum  nichts 
anderes  ist  als  der  Bhythmus,  insoferne  er  an  dem  Materiale 
der  Sprachlaute  zur  Erscheinung  kommt. 

Suchen  wir  nun  der  „anderen**  Grundlage  des  deutschen 
Bhythmus  näher  zu  treten.  Der  Verfasser  hebt  drei  Elemente 
des  deutschen  Verses  als  musikalische  hervor.  Wenn  er  im  Gegen- 
satze dazu  auch  von  grammatischen  Elementen  der  deutschen 
Verskunst  weifs  und  diese  in  den  Lauten  und  der  Aussprache 
findet,  so  verstehe  ich  nicht  wie  dies  gemeint  ist;  denn  der 
Vers  als  solcher  wird  durch  Laute  und  Aussprache  in  keiner 
Weise  bestinmit.  Die  musikalischen  Elemente  aber  sind  nach 
Vemaleken:  die  Hebung  und  Senkung  des  Tons,  der  Accent; 
die  Dehnung  und  Kürze,  Quantität;  die  Einstimmung  oder  der 
Qleichklang  der  Laute  und  Silben,  der  Beim  (wozu  später  auch 
die  Alliteration  gefügt  wird).  In  der  Betonung  soll  das  Dyna- 
mische, in  der  Zeitdauer  das  Bhythmische,  im  Wohlklange  das 
Melodische  liegen.  Ich  unterdrücke  die  Bedenken,  welche  sich 
mir  erheben,  wenn  dem  Gleichklange  der  Wohlklang  unterge- 
schoben und  wenn  der  Wohlklang  des  Verses  blofs  in  Beim  und 
Alliteration  gesehen  wird.  Ich  sehe  von  den  Einwendungen  ab, 
welche  die  Herleitung  von  Tact,  Vers  und  Strophe  aus  jenen 
drei  „sprachlich-musikalischen"  Elementen  hervorruft.  Ich  will 
nur  was  den  Bhythmus  betrifft  herausheben. 

Ganz  klar  bezieht  Vemaleken  den  deutschen  Bhythmus  an 
dieser  Stelle  auf  die  Quantität.  Wo  bleibt  also  die  „andere' 
Grundlage  desselben  ?  Sollte  etwa  der  Vergleich  mit  der  Musik 
gehindert  haben,  dass  das  Bichtige  klar  hervortrete?  Schon  die 
Scheidung  und  Nebeneinanderstellung  des  Dynamischen  und 
Bhythmischen  fällt  auf.  Sind  das  in  der  Musik  coordinierte  Be- 

S'ffe?  Dreierlei  constituiert  den  musikalischen  Bhythmus,  das 
rt  jedes  beliebige  Handbuch ,  z.  B.  Marx  allgemeine  Musik- 
lehre S.  79  f.  der  6.  Ausgabe:  die  Geltung  oder  Zeitdauer  der 


W.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik.  801 

Noten,  der  Tact  oder  die  regelmäfsig  wiederholte  Zusammenord- 
nnngje  einer  gleichen  Zahl  von  Zeitmomenten,  und  die  einem 
einzelnen  Tone  zugetheilte  gröfsere  Schallkraft,  der  Accent.  Letz- 
teren kann  man  das  dynamische  Element  des  Ehythmus  nennen. 
Und  wenn  aufserhalb  des  Bhythmus  die  Schallkraft  noch  eine  Be- 
deutung hat,  die  mit  dem  Inhalte  der  Composition  und  der  Wich- 
tigkeit, welche  einzelne  Töne  und  Tongruppen  für  den  letz- 
teren beanspruchen  dürfen,  wesentlich  zusammenhängt:  so  besteht 
allerdings  hierin  die  vollständigste  Analogie  mit  der  Verwendung 
und  Vertheilnng  der  Schallkrafk  im  lebendigen,  d.  h.  im  vor- 
getragenen Verse:  nur  wird  diese  nicht  durch  den  Accent,  son- 
dern speciel  durch  den  Ictus  allgemein  bezeichnet.  Auch  die 
Geltung  der  Noten  föUt  genau  zusammen  mit  der  Quantität  der 
Silben.  Und  wo  diese  Princip  des  Versbaues  ist,  bedeutet  Vers- 
fufs  genau  dasselbe,  wie  Tact.  Also  kann  man  wirklich  den 
musikalischen  Accent,  Geltung  und  Tact  nicht  blols  mit  metri- 
schen Elementen  vergleichen,  sondern  sie  finden  sich  in  der 
Metrik,  aber  nicht  blofs  in  der  deutschen  (ja  in  dieser,  was  den 
Tact  anlangt,  nicht  einmal  vollständig)  identisch  wieder  als 
Ictus,  Quantität  und  Versfufs:  während  z.  B.  die  Melodie  und  die 
Bindung  der  Verse  durch  Alliteration  oder  Beim  kaum  Anlaiii 
zu  einer  richtigen  Vergleichung  mit  einander  bieten.  Sehr  wohl 
vergleichbar  jedoch  ist  der  Tonfall  oder  —  mit  Schmeller  über 
Quantität  S.  742  zu  reden  —  die  Tonhebung  (er  meint  Ton- 
erhebung und  -Senkung  der  Bede)  mit  der  Melodie. 

Aus  dem  gesagten  ergibt  sich,  dass  es  ein  irriger  Aus- 
druck ist,  wenn  Vernaleken  S.  419  aufstellt,  in  unserer  Musik 
bewirke  das  Dynamische  den  Tact.  Und  wenn  er  fortfährt,  im 
Deutschen  habe  der  Accent  oder  die  Betonung  einen  dynamischen 
Einfluss,  indem  er  die  Hebung  bewirke  und  dadurch  den  Bhyth- 
mus erzeuge:  so  ist  der  Ausdruck  zwar  auch  nicht  sehr  exact, 
doch  liegt  ein  wahrer  Gedanke  zu  Grunde,  der  durch  den  aber- 
mals nicht  scharf  gelassten  Satz  „neben  der  Messung  in  den  alten 
Sprachen  bestand  allerdings  auch  eine  Betonung,  diese  muss  aber 
weniger  dynamisch  als  vielmehr  melodisch  gewesen  sein",  ergänzt 
und  S.  420  aus  dem  Grammatiker  Diomedes  näher  bestmimt 
werden  soll.  Der  alte  Accent  bedeutet  die  Tonhöhe  des  Vocals 
und  hat  auf  den  Ictus  nicht  die  geringste  Beziehung,  mit  der 
Vertheilung  der  Schallkraft  im  Worte,  der  Intensität  des  Tones, 
nicht  den  geringsten  Zusammenhangt).  Unser  deutscher  Accent 
ist  beides,  lautester  und  höchster  Ton  des  Wortes.  Und  der  Ictus 
des  deutschen  Verses  kann  in  der  Begel  niemals  auf  eine  andere 
als  die  meistbetontc  Silbe  des  Wortes  faJlen.  Dies  schwebt  offen- 
bar dem  Verfasser  unter  der  „anderen  Grundlage**  des  deutschen 
Bhythmus  vor.    Wie  er  S.  417,  wieder  nicht  mit  der  letzten 


')  Vgl.  z.  B.  Roftbach,  griechische  Rhythmik,  S,  34,  Anin.  7?  auch 
Zeitschrift  fftr  Völkerpsychologie  l,  64  Anm. 


802  ir.  Schcrer,  '/aw  «Icutschen  Metrik. 

Schärfe,  den  Gegensatz  ausdruckt:  die  Alten  messen  ihre  Silben 
und  die  Toudauer  ist  das  wesentliche  Element  ihres  Rhythmus, 
wir  Deutsche  wägen  die  Silben  und  die  Tonstärke  ist  das  wesent- 
liche Element  unseres  Rhythmus.  Oder  S.  420:  im  Deutschen 
ist  der  Accent  für  den  Rhythmus  des  Verses  mafegebend,  bei 
den  Griechen  war  er  nur  begleitend. 

Das  müssen  wir  denn  wol  als  Vernaleken's  eigentliche 
Ansicht  betrachten  und  von  seiner  ersten  Definition  des  deut- 
schen Rhythmus  absehen,  auch  seine  mit  diesen  Erörterungen 
verknüpften  Bemerkungen  über  den  Unterschied  der  alten  und 
neueren  Musik  uns  nicht  anfechten  lassen:  die  Stelle  aus  Gott* 
fried  Hermann's  „Handbuch",  welche  er  darüber  auszieht,  dass 
die  griechische  Musik  von  allem  Tacte  entblöfst  gewesen  sei, 
spricht  eine  Behauptimg  aus,  die  von  niemand  mehr  gebilligt 
wird.  Wir  haben  ausdrückliche  und  bestimmte  Nachricht  von 
drei  griechischen  Tactarten,  welche  im  wesentlichen  mit  der 
zwei-,  drei-  und  fünftheiligen  Tactordnung  der  modernen  Musik 
(die  fünftheilige  z.  B.  in  dem  Liede  „Pnnz  Eugenius  der  edle 
Ritter**)  öberemkommen.  Was  vollends  der  Verfasser  zur  Er- 
läuterung der  Hermann*schen  Lehre  anführt,  ist  zwar  zum  Theil 
aus  Schmeller  über  Quantität  S.  745  Anm.  entlehnt,  aber  darum 
nicht  treffender  als  die  Behauptung,  welche  es  stützen  soll,  über- 
dies durch  die  Art  und  Weise,  wie  dabei  an  den  Gegensatz 
zwischen  ambrosianischem  und  gregorianischem  Kirchengesang 
erinnert  wird,  undeutlich  gemacht  Der  „alte  Kirchengesang, 
der  keines  Tactes  bedurfte",  ist  eben  der  sogen,  gregorianische: 
was  sich  aus  den  Worten  des  Aufsatzes  nicht  entnehmen  lässt. 
Ueber  die  musikalischen  Schlussbetrachtungen  beistimmend  oder 
widerlegend  mich  zu  äufsem,  darauf  wüi'de  ich  am  liebsten  ver- 
zichten, weil  es  mir  nicht  gelang,  in  ihre  Absicht  und  Bedeu- 
tung genügend  einzudringen.  Den  rhythmischen  unterschied 
zwischen  dem  gesungenen  Liede  und  der  reinen  Musik,  wenn 
es  einen  solchen  gäbe,  zu  erforschen,  müsste,  scheint  mir,  eher 
im  Interesse  der  Compositionslehre  als  der  Metrik  liegen.  Wie  in 
der  Liederpoesie  Hebung  und  Senkung  durch  „das  Musikalische*^ 
raodificiert  werden  solle,  vermag  ich  nicht  einzusehen.  Und  was 
wäre  in  der  Liedercomposition  der  Tact,  wenn  nicht  reinmusi- 
kalisch? Mir  genügt  es  festzuhalten,  dass  bei  uns,  anders  wie 
bei  den  Alten,  der  Rhythmus  der  Musik  nicht  zugleich  mit  dem 
Rhythmus  des  Textes  gegeben  ist,  dass  also  im  geraden  Wider- 
spruche zu  Vernaleken's  Ansichten  beide  ganz  ohne  Einflnss  auf 
einander,  ganz  unabhängig  von  einander  bleiben  müssen.  Die 
Freiheit  des  Componisten,  dass  er  auf  jeder  Silbe,  unangesehen 
ihre  Quantität,  beliebig  lange  verweilen  darf,  findet  sich  schon 
in  der  ältesten  Melodie  eines  deutschen  Gedichtes,  die  uns  er- 
halten ist,  in  der  Notation  des  S.  Petrusliedes  aus  dem  neunten 
Jahrhundert, 


W.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik.  803 

Wie  steht  es  nun  mit  der  Behauptung,  dass  deutschen 
Versen,  welche  antike  Metren  nachzubilden  suchen,  der  Bhyth- 
mus  gebreche?  Und  noch  einmal:  was  haben  wir  unter  dem 
„sogenannten"  Trochäus  zu  verstehen? 

Es  stimmt  zu  jener  Behauptung,  wenn  Vernaleken  den 
Bhythmus  ausschliefslich  auf  die  Zeitdauer  der  Silben  bezieht. 
Es  widerspricht  ihr,  wenn  er  die  andere  Grundlage  des  deutschen 
Bhythmus  andeutet.  Freilich,  wenn  die  Quantität  unserer  gegen- 
wärtigen Sprache  noch  dieselbe  wäre  wie  vor  tausend  Jahren 
und  wir  auf  ihrer  Grundlage  Heiameter  bauten,  so  würden  diese 
in  deutscher  Weise  blofs  nach  dem  Accent  gelesen,  allen  und 
jeden  Rhythmus  verlieren.  Schwebte  ein  solcher  Gedanke  dem 
Verfasser  vor?  Aber  sollte  sein  Ohr  denn  unempfindlich  für 
die  rhythmische  Gleichheit  des  antiken  und  des  neudeutschen 
Hexameters  sein?  Oder,  um  bei  dem  von  ihm  gewählten  Bei- 
spiele stehen  zu  bleiben,  so  wird  man  in  dem  Verse 

Wenn  gesalbt  er  um  die  Schaltern  in  den  Tibris  sich  hinabtaucht 
allerdings  den  Bhythmus  des  lonicus  a  minore  schwerlich  heraus- 
hören.  Weshalb  wählte  er  aber  eine  mislungene  Nachbildung? 
Wie  will  er  in  der  dritten  Zeile  einer  anderen  üebersetzung 
derselben  horazischen  Ode: 

Vor  den  Worthieben  des  Oheims 
oder  in  der  sechsten: 

Das  Einherschimmem  des  Hebrus 
den  ionischen  Bhythmus  läugnen? 

Somit  behalten  wir  schliefslich  von  den  Auseinandersetzun- 
gen des  Verfassers  nichts  übrig  als  die  Annahme  eines  von  dem 
classischen  verschiedenen  Princips  der  deutschen  Metrik.  Und 
jenen  antikisierenden  Versen  gebricht  der  Bhythmus  keineswegs, 
er  beruht  nur  nicht  auf  der  Quantität  und  ist  daher  in  gewisser 
Beziehung  ein  anderer. 

Soll  ich  genauer  sagen,  in  welcher  Beziehung,  so  werde 
ich  über  den  Kreis  der  von  Vernaleken  besprochenen  Gegen- 
stände hinausgeführt  und  muss  selbständig  die  Frage  zu  beant- 
worten suchen,  zu  welcher  sein  Aufsatz  nothwendig  hinführt, 
ohne  sie  auch  nur  ausdrücklich  auszusprechen :  die  Frage,  inwie- 
ferne  antike  Metren  im  Deutschen  nachgeahmt  werden  können. 
Nur  einen  kleinen  Beitrag  gibt  uns  der  Verfasser  zu  ihrer  Be- 
antwortung, und  der  Beitrag  steckt  in  dem  mehrfach  erwähnten 
„sogenannten**  Trochäus.  Wozu  S.  421  die  Unterscheidung 
zwischen  Wortbetonung  und  Versbetonung,  merkwürdiger  Weise 
als  zur  musikalischen  Seite  unserer  Verslehre  gehörig,  tritt.  Die 
erstere,  erfahren  wir,  möge  immerhin  das  Wort  Bergschluckt 
spondeisch  nehmen,  im  deutschen  Verse  gebe  es  „nur  Trochäen, 
Hebung  und  Senkung".  Das  wäre  freilich  ein  eclatanter  Wider- 
spruch, aber,  nach  der  Ausdrucksweise  des  Verfassers,  kein  Wider- 
spruch der  Wortbetonung  und  Versbetonung,  sondern  ein  Wider- 


804  W,  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik. 

sprach  der  Wortquantität  und  Versquantität.  Vergebens  suchen  wir 
nach  einer  Beendung  dieser  merkwürdigen  Ansicht :  wir  können 
wenigstens  constatieren,  dass  Quantität  im  Deutschen  hier  an- 
erkannt wird,  sogar  zweierlei  Quantität.  Blättern  wir  jedoch 
wenige  Seiten  zurück,  so  finden  wir  das  Gegentheil  unzweifel- 
haft angedeutet  S.  417  ist  von  der  „Währung,  gewissermafsen 
Quantität""  die  Bede.  Ja,  durch  den  analogen  Ausdruck  „Be- 
tonung, gewissermafsen  Accent^  wird  auch  ein  eigentlidier 
Accent  im  Deutschen  geläugnei  Mit  dieser  Unterscheidung 
zwischen  Betonung  und  Accent  kann  nichts  anders  gemeint  sein, 
als  die  schon  berührte  verschiedene  Natur  des  Aocentes  im 
Deutschen  und  in  den  classischen  Sprachen,  obgleich  dieselbe 
bei  Vemaleken  nirgends  scharf  gefasst  und  in  ihrer  eigentlichen 
Bedeutung  gewürdigt  erscheint.  Was  jedoch  den  Unterschied 
zwischen  Währung  und  Quantität,  zwischen  gedehnten  und  kurzen 
Silben  im  Deutschen  ^)  einerseits  und  zwiscl^n  langen  und  kurzen 
Silben  im  Griechischen  und  Lateinischen  anderseits  ausmache, 
erfahren  wir  nicht,  und  möchte  auch  wol  schwer  anzugeben 
sein.  Bedarf  die  deutsche  Quantität  noch  eines  Beweises  for  den, 
der  Jacob  Grimmas  Granunatik  und  Lachmann*s  Abhandlung  über 
althochdeutsche  Betonung  und  Verskunst  kennt  und  studiert? 
Oder  musste  uns  der  Verfasser  die  Grunde  nicht  eingehend  vor- 
legen, die  ihn  veranlassen  konnten,  von  Grinmi^s  und  Lach- 
mann's  Ansichten  in  diesem  Puncte  abzuweichen  ?  Ist  ihm  viel- 
leicht der  Unterschied  zwischen  antiker  und  deutscher  Metrik 
im  allgemeinen  so  grofs  erschienen,  dass  er  ihn  unwillkürlich 
im  einzelnen  sich  gar  nicht  zu  grofs  glaubte  vorstellen  zu  können, 
und  Unterschiede  auch  in  Dingen  fand,  in  denen  die  vollstän- 
digste Einstimmung  herrscht?  Oder  macht  sich  darin  eine  Nach- 
wirkung von  Lachmann's  alten,  bald  aufgegebenen  Terminologien 
geltend,  die  man  in  der  Vorrede  zu  seiner  „Auswahl  aus  den 
hochdeutschen  Dichtern  des  dreizehnten  Jahrhunderts"  findet? 
Dann  will  ich  aus  einem  Briefe  Lachmann's  an  Jacob  Grinmi 
vom  17.  Juni  1820  den  Scheingrund  hinzufugen,  der  ihn  ver- 
anlasste, eine  Zeit  lang  ge^en  die  deutsche  Quantität  sich  zu 
sträuben.  „Ich  habe  nichts  dagegen**,  schreibt  er,  „aber  es  ist 
ganz  willkürlich  und  hilft  schwerlich  zu  etwas,  wenn  Sie  Silben 
mit  gedehntem  Vocal  oder  durch  Position  gedehnte  lang  nennen 
wollen,  die  mit  ungedehntem  oder  kurzem  Vocal  aber  kurz.  Die 
so  unter  eine  Classe  fallen,  sind  doch  an  Dauer  ungleich,  und 
in  den  deutschen  Sprachen  hat  schwerlich  jemand  darnach  Verse 
gemacht,  einige  unglückliche  Versuche  abgeredmet** 


')  „Maed,  roth  haben  gedehnte  Vocale,  Macht,  Gott  haben  knne  Vocale." 
Werden  die  Positionsl&igen  von  Herrn  Vernaleken  auch  nicht  aner« 
kannt?  Wir  andern  pflegen  Wörter  wie  Macht,  Gott  fär  folche  n 
halten,  wenn  wir  uns  anch  genöthigt  sehen,  den  Begriff  4er  Poti« 
Üonslänge  im  Nendentschen  anf  betonte  Silben  einznachitnken. 


TT.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik.  805 

Wir  brauchen  (iie8e  Aeufserung  nicht  mehr  zu  widerlegen. 
Mit  Lachmann's  eigener  Beistimmung  dürfen  wir  jetzt  statuieren : 
es  gibt  eigentliche  Quantität  im  Deutschen  und  auch  ganz  eigent- 
lidie  Trochäen  gibt  es,  nicht  blofs  sogenannte.  Aber  die  Quan- 
tität ist  nicht  das  Prindp  des  nationalen  deutschen  Verses  und 
dem  Trochäus  steht  metrisch  der  Spondeus  und  der  Pyrrhichius, 
ja  der  Jambus  vollkommen  gleich,  alle  jedoch  nur  unter  der 
Bedingung,  dass  die  erste  Silbe  den  Hochton  trage. 

Das  Princip  unseres  nationalen  deutschen  Versbaues  dürfte 
gich  im  hellsten  Lichte  darstellen,  wenn  wir  seine  geschichtliche 
Entstehung,  soweit  unsere  Vermuthungen  dahin  zu  dringen  ver- 
mögen, in*s  Auge  fassen. 

R.  Westphal  hat  im  neunten  Bande  von  Euhn's  Zeitschrift 
die  Grundzüge  einer  vergleichenden  Metrik  der  indogermanischen 
Völker  entworfen.  Glieder  der  Vergleichung  waren  dabei  zunächst 
die  indische,  iranische  und  griechische  Metrik:  aber  der  Grad 
ihrer  Congruenz  darf  als  ein  Zeugnis  für  das  Indogermanische 
überhaupt  angesehen  werden.  Die  für  uns  wichtigen  Resultate 
Westphal's  lassen  sich  in  folgende  Sätze  zusammenfassen. 

Erstens:  Die  Elemente  des  iambischen  Dimeters,  des 
akatalektischen  und  katalektischen  Trimeters  der  Griechen  finden 
sich  bei  den  verwandten  Völkern  Asiens  wieder.  Das  älteste 
Metrum  scheint  ein  lediglich  silbenzählendes  gewesen  zu  sein. 
Aber  schon  zur  Zeit  der  Gemeinsamkeit  muss  sich  ein  Fort- 
schritt zur  quantitierenden  Metrik  gezeigt  haben,  indem  streng 
iambischer  Schluss  der  metrischen  Reihe  verlangt  wurde. 

Zweitens:  Der  Dimeter  trat  mit  einem  zweiten  zur  Vers- 
einheit zusammen,  aber  die  Cäsur  sonderte  beide  innerhalb  des 
Verses  von  einander. 

Drittens:  Am  Ende  des  Verses  fand  womöglich  ein  Ab-» 
schluss  des  Sinnes  statt. 

Viertens:  Die  Verse  waren  zu  Strophen  verbunden,  von 
denen  wir  zwei  Formen  als  besonders  wichtig  hervorheben :  die- 
jenigen, welche  in  der  indischen  Metrik  gäyatri  und  anushtubh 
genannt  werden.  Die  gäyatri  besteht  aus  drei  Dimetern  von 
der  Form 


im  griechischen  .  _  ^  _  ^  .  _  ^  - 

deren  beide  erste  sich  zur  Verseinheit  zusammenschliefsen.  Die 
ant^shttAh  besteht  aus  vier  Dimetern,  deren  je  zwei  einen  Vers 
ausmachen.  Die  äufsere  Physiognomie  dieser  Strophe  entspricht, 
wie  man  leicht  sieht,  der  altdeutschen  Strophe  von  zwei  Lang- 
zeilen, und  die  gäyatri  der  Grundform  des  von  Müllenhoffals 
gemeingermanisch  nachgewiesenen  liodhahättr. 

Es  fragt  sich  aber,  wie  die  innere  Umwandlung  zu  denken  sei. 

Von  der  groläen  Aenderung  des  germanischen  Betonungs- 
principes,  welche  den  Hauptton  auf  die  Stammsilbe  warf,  geht 


806  W.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik. 

sie  natürlich  aus.  Schon  damals  ist  der  deutsche  Accent  wahr- 
scheinlich nicht  blofs  Hervorhebung  durch  Tonerhöhung,  sondern 
auch  durch  Tonverstärkung  gewesen.  Das  Festhalten  einer  wesent- 
lich silbenzählenden  Metrik  musste  zu  einem  schwer  erträg- 
lichen Widerstreit  zwischen  den  rhythmischen  Ictus  und  den 
Hochtönen  der  Worte  fuhren.  Die  Aufhebung  dieses  Wider- 
streites wurde  daher  das  Grundgesetz  des  germani- 
schen Verses.  Während  also  zwischen  zwei  selbständigen 
Hochtönen  der  Khythmus  freies  Spiel  hatte  wie  vorher,  war  er 

fezwungen,  das  Verhältnis  von  höher,  tiefer  und  nicht  betonten 
ilben  zu  respectieren.  Sollten  femer  die  zahlreichen  drei-  und 
mehrsilbigen  Wörter  mit  absteigender  Betonung  (wie  steininäe) 
für  den  Vers  nicht  unbrauchbar  werden,  so  musste  man  ein  wie 
es  scheint  bereits  früher  gemeinschaftlich  mit  den  Italikem  aus- 
gebildetes Princip  zur  Anwendung  bringen,  wornach  Hebung  und 
Senkung  durch  eine  einzige  Länge  vertreten  werden  konnten  (vgl. 
die  griechische  tovt]  in  Antispasten :  Bosbach,  Bhythmik  S.  150£). 
Anderseits  theilten  die  Germanen  auch  mit  den  Griechen  da^ 
entgegengesetzte  Vertretungsprincip,  das  die  Auflösung  der  Länge 
in  zwei  Kürzen  gestattete.  Während  nun  bis  dahin  die  möglichen 
Formen  für  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Versfüfse  Spondeus, 
Trochäus,  lambus  und  Pyrrhichius  waren,  konnte  hinfort  durch 
Vertretung  des  Pyrrhichius  (wenn  man  das  so  ausdrücken  will) 
auch  eine  einzige  lange  Silbe  ^),  durch  Vertretung  des  Trochäus 
der  Tribrachys,  durch  Vertretung  des  Spondeus,  unter  gewissen 
leicht  erklärlichen  Einschränkungen  *),  der  Proceleusmaticus  den 
germanischen  Versfufs  bilden. 

Damit  war  das  Princip  der  Silbenzählung  völlig  umge- 
stofsen,  der  iambische  Khythmus  konnte  gleichfalls  nicht  fest- 
gehalten werden,  gemessen  wurde  allein  nach  den  Hebungen, 
gezählt  von  der  ersten  Hebung  ab.  Zurück  blieb  jedoch  aus  dem 
alten  iambischen  Ehythmus  der  Grundsatz,  dass  mit  dem  Ictus 
der  Vers  schloss.  Und  vielleicht  sind  auch  noch  andere  Spuren 
des  verdrängten  Princips  in  der  ältesten  deutschen  Poesie  nicht 

*)  Beiläufig,  an  dem  Grundsatze  der  altdeutschen  Metrik,  dass  ein  mit 
Consonant  seh  lief  sendes  einsilbiges  Wort  mit  kurzem  Vocal  in  der 
Hebung  als  Länge  gilt,  zeigt  sich,  wie  die  Theorie  alter  Musiker 
und  Rhetoren,  welche  Abstufungen  der  Länge  und  Kürzen  unter- 
scheidet und  unter  anderem  den  kurzen  Vocal  ohne  Consonant  f&r 
kürzer  als  den  kurzen  Vocal  mit  Consonant  erklärt,  doch  etwas 
mehr  als  eine  „Spielerei"  (Rofsbach,  Rhythmik  S.  32),  ja  in  der 
Natur  der  Sache  sehr  wohl  begründet  ist  Der  schliefsende  Conaonant 
erpibt  im  Altdeutschen  mit  dem  Halt  am  V^ortende  Position. 

*)  Die  Vertheilung  der  Schallkraft  erfolgt  nothwendig  auf  solche  Weise, 
dass  das  für  die  Senkung  disponible  Mafs  derselben  nicht  ausreicht, 
um  einen  Hochton  oder  stärkeren  (d.  h.  ein  materielles  Wortelement 
enthaltenden)  Tiefton  mit  noch  einer  darauf  folgenden  Silbe  za 
beherbergen:  es  sei  denn  dass  ein  ganzes  Wort  im  Satze  nur  for- 
melle Function  habe,  wie  die  zweisilbigen  Formen  des  Artikels  und 
Utara  bei  Otfrid:  Lachmann  zu  Iwein  S.  391  f. 


ir.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik.  807 

ganz  verschwunden.  Dieser  Meinung  war  wenigstens  Lachmann 
im  Jahre  1824,  und  seine  bezüglichen  Aufstellungen  werden 
bei  der  Bearbeitung  und  Herausgabe  seiner  althochdeutschen 
Metrik  sorgfältiger  Nachprüfung  bedürfen. 

In  welchem  Sinne  es  zu  nehmen  sei,  dass  der  deutsche 
Vers  auf  der  Betonung  beruhe,  das  wird  nun  klar  geworden 
sein.  Das  Princip  war  mit  der  Enstehung  der  germanischen 
Sprache  und  ihrer  eigenthümlichen  Betonungsgesetze  selbst 
gegeben  und  kann  auf  keine  Weise  aus  ihr  wieder  verdrängt 
werden.  Die  speciellen  metrischen  Gesetze,  welche  zu  verschie- 
denen Zeiten  sich  herausbildeten,  und  die  Ursachen,  welche  ihre 
Verschiedenheit  bedingten,  thaten  jenem  Princip  keinen  Eintrag. 
Wol  aber  ging  der  metrischen  Theorie  das  Bewusstsein  desselben 
bald  nach  Opitz  verloren,  und  man  vermeinte,  die  Quantität 
zum  Princip  auch  des  deutschen  Verses  erheben  zu  können.  Ein 
verzeihlicher  Irrthum,  da  die  alte  Quantität  längst  verschwunden 
und  die  neue  ein  Erzeugnis  des  Accentes  war.  Aber  ein  Irrthum 
nichtsdestoweniger,  mit  welchem  unsere  metrische  Theorie  end- 
lich brechen  sollte:  die  metrische  Praxis  ist  niemals  stark  be- 
einflusst  worden  dadurch,  selbst  nicht  in  der  Nachahmung  antiker 
Metren ;  denn  nur  wenn  man,  wie  bei  den  ersten  Versuchen  in 
Hexametern  geschah,  die  antiken  Positionslängen  dem  deutschen 
aufpfropfen  will  (vgl.  o.  S.  804  Anm.) ,  sind  wesentliche  Unter- 
schiede in  den  Ergebnissen  möglich.  Sonst  wird  jede  Erwägung 
zu  denselben  Resultaten  für  den  Gebrauch  der  einzelnen  Silben 
kommen  müssen,  wenn  nur  die  wesentlichste  Grundbedingung 
für  derartige  Untersuchungen  in  demselben  Mafse  erfüllt  ist: 
ein  feines  und  gebildetes  Ohr. 

Das  besass  im  hohen  Grade  Voss,  und  die  fundamentalen 
Aufiitellungen  seiner  „Zeitmessung"  (1802)  würden  durchaus 
mafsgebend  sein,  wenn  es  möglich  wäre,  den  Wahrnehmungen 
des  Sprachgefühles  den  Charakter  des  Individuellen  und  Sub- 
jectiven  gänzlich  abzustreifen.  Der  einzigen  Instanz  für  den  Streit 
verschiedener  Sprachgefühle,  dem  Gebrauche  der  besten  Schrift- 
steller, fehlt  in  metrischen  Dingen  die  Competenz,  weil  der 
gröfste  Dichter  nicht  nothwendig  der  gröfete  Metriker  gewesen 
sein  muss.  Auch  ein  feines  Ohr  und  feine  dichterische  Empfin- 
dung kann  durch  vorgefasste  Meinungen,  durch  allzu  staiTes 
Festhalten  an  der  Consequenz  eines  systematischen  Grundge- 
dankens getrübt  und  verdunkelt  werden.  Das  war  mit  Karl 
Philipp  Moritz  der  Fall,  dessen  interessanter,  schöngeschriebener 
„Versuch  einer  deutschen  Prosodie"  (1781)  gleichwol  Gcethe's 
Beifall  erhielt.  Die  Iphigenie  in  lamben  zu  übersetzen,  schrieb 
er  am  10.  Januar  1787,  hätte  er  nie  gewagt,  wäre  ihm  in 
Moritzens  Prosodie  nicht  ein  Leitstern  erschienen.  „Hier  ist  denn 
doch  ein  Anhalten,  und  wenn  auch  damit  nicht  alles  gethan 
wäre,  so  hat  man  doch  indessen  einen  Leitfaden,  an  dem  man 
sich  hinschlingen  kann'^  —  sagt  er,  nachdem  er  den  Grund- 


g08  ^^.  Scherer^  Zur  deutschen  Metrik. 

gedanken  kurz  mitgetheilt,  dessen  richtiges  sich  im  wesentlichen 
reducieren  lässt  airf  den  Satz:  die  Hebung  muss  höher  betont 
sein  als  die  Senkung,  oder  wie  er  in  genauerer  Fassung  lautet: 
die  Hebung  darf  nicht  geringer  betont  sein  als  die  Senkung. 

Je  mehr  Goethe  das  Bedürfnis  empfand  der  antiken  Form 
sich  zu  bemächtigen,  desto  entschiedener  wurde  Voss  für  ihn 
metrische  Autorität  und  erschienen  ihm  Moritzens  und  Anderer 
Bemühungen  als  schwankende  Versuche,  aus  welchen  erst  Voss 
die  metrische  Lehre  der  erforderlichen  Gewissheit  und  Festigkeit 
entgegen  hebe.  Voss  tritt  bei  Goethe  in  zwei  ziemlich  gleich- 
lautenden Aeufserungen  aus  dem  Jahre  1793,  als  der  Dichter 
sich  angesichts  des  französischen  Eönigsgerichtes  den  fieineke 
Fuchs  zum  Abieiter  seiner  satirischen  Stimmung  wählte,  wie 
ein  metrischer  Magus  auf,  dem  die  Geister  das  wichtigste  Ge* 
heimnis  anvertraut  haben,  um  das  alle  anderen  sich  vergeblich 
bemühen.  Sein  Tadel  der  Beineke-Hexameter  wurde  schmerzlich 
empfunden,  aber  sorgsam  beachtet  Und  als  er  nach  Jena  ge- 
zogen war,  bot  sich  die  lange  gewünschte  Gelegenheit,  im  persön- 
lichen Verkehr  seiner  rhythmischen  Grundsätze  habhaft  zu  wer- 
den. Später,  als  diese  nun  mittlerweile  an's  Licht  getreten,  Vos- 
sens unsterbliches  Verdienst  um  die  deutsche  Bhjthmik  in  der 
schönen  Becension  seiner  Gedichte  von  Goethe  laut  gerühmt 
war,  anderwärts  aber  sich  Widerspruch  erhob:  konnte  in  den  Er- 
wägungen eines  epischen  Teil  bald  der  entfachte  Streit  von  dem 
Plane  ablenken  helfen,  bald  das  gute  Verhältnis  zu  Voss  darin 
bestärken.  Ich  erwähne  das  alles,  weil  es  uns  natürlich  ist,  bei 
jeder  um  Goethe  her  lebendigen  Bewegung  zu  fragen,  wie  er 
sich  dazu  gestellt  habe ;  weil  dadurch  bestätigt  wird,  dass  Goethe's 
Praxis  nichts  entscheiden  kann,  der  sich  hierin  so  ganz  abhängig 
von  der  Theorie  fühlte;  und  weil  Goethe's  Bespect  vor  Voss 
uns  ermahnen  dürfte,  nicht  im  Gefühle  unserer  seither  gewon- 
nenen historischen  Einsicht  allzu  vornehm  auf  ihn  herabzusehen, 
und  seine  Bestrebungen  darum  gering  zu  achten,  weil  wir  uns 
im  Besitze  einer  richtigeren  Grundanschauung  glauben. 

Moritz  und  Voss  halten  wie  Klopstock  daran  fest,  den 
deutschen  Vers  auf  die  Quantität  gründen  zu  wollen.  Voss  be- 
hauptet es  sogar  als  eine  Demüthigung  zu  empfinden,  wenn 
man  in  unserer  Sprache  statt  des  Zeitmafses  nur  ein  Tonmals, 
nur  eine  Quantität  des  Accentes  zugebe.  Aber  sehen  wir  uns 
dieses  Zeitmafs  etwas  näher  an. 

„Die  Silbenzeit  der  Alten  wurde  blofe  durch  das  Ohr  be- 
stimmt, sagt  Klopstock,  sie  war  mechanisch :  die  unsrige  gründet 
sich  auf  Begriffe.  Die  Wörter  und  Silben  sind  bei  uns  lang,  wenn 
sie  Hauptbegriffe,  und  kurz,  wenn  sie  Nebenbegriffe  ausdrücken.** 
Was  Klopstock  die  mechanische  Quantität  nennt,  das  ist  eben 
was  wir  unter  Quantität  überhaupt  verstehen  müssen,  wenn  wir 
nicht  in  allgemeiner  Verwirrung  der  Bezeichnungen  den  festen 
Boden  der  antiken  und  altdeutschen  Quantitätslehre  uns  selbst 


W.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik.  809 

unter  den  Füfsen  wegziehen  wollen.  Was  ist  das  für  ein  Begriff 
der  Quantität,  der  Bestimmungen  wie  die  folgende  zulässt? 
„Wenn  dich  ohne  Leidenschaft  ausgesprochen  wird,  so  ist  es, 
nach  einer  Kürze,  mechanisch  lang:  wenn  aber  mit  Leidenschaft, 
80  ist  es,  ohne  Rücksicht  auf  die  vorhergehende  Kürze,  lang; 
und  dies  ist  es  in  dem  gesetzten  Falle  auch  nach  einer  Länge, 
wo  es  sonst  mechanisch  kurz  sein  würde." 

Und  wenn  Moritz  unter  verschiedenen  Ausdrucksweisen 
den  Gedanken  durchführt,  dass  wir  nicht  Silben  wie  die  Alten, 
sondern  Ideen  gegen  einander  abmessen,  auf  die  Unterscheidung 
von  Haupt-  und  Nebenideen  unseren  Versbau  gründen,  —  wenn 
er  den  stärkeren  oder  schwächeren  „Begrifft'  der  Redetheile, 
ihre  gröfsere  oder  geringere  „Bedeutung'',  ihre  „Unterordnung 
nach  dem  Gewicht  ihrer  Bedeutung"  untersucht  und  dies  für 
das  hauptsächliche  Geschäft  unserer  Prosodie  erklärt:  so  fragt 
man  erstaunt,  wie  er  auf  solchem  Wege  einander  entgegenge- 
stellte Silben  noch  als  lange  oder  kurze  unterscheiden  mochte  % 

Voss  selbst  endlich,  der  eifrigste  Kämpe  der  Quantität, 
muss  nicht  auch  er  anerkennen,  dass  die  Tondauer  der  Silben 
aus  ihrem  Begriff  hervorgeht  und  dass  diese  Dauer  durch  Be- 
schaffenheit der  Buchstaben,  durch  Tonstellnng,  durch  Verhält- 
nisse der  Zeiten  unter  sich  und  durch  den  Tact  des  Verses 
mancherlei  Vermehrung  oder  Verminderung  erhält,  also  keines- 
wegs etwas  constantes  und  fest  gegebenes  ist?  Muss  er  nicht 
seine  Länge,  Kürze  und  Mittelzeit  wesentlich  durch:  Ausdruck 
des  Hauptbegriffs,  des  Nebenbegriffs  und,  was  theils  einen 
schwächeren  Hauptbegriff,  theils  eine  schwächere  Nebenbestim- 
mung ausdrückt,  charakterisieren?  Gewinnen  wir  nicht  an  der 
ungemeinen  Ausdehnung,  welche  er  der  Kategorie  der  Mittel- 
zeit ertheilen  muss  und  den  mannigfaltigen  Erwägungen,  welche 
sich  nothwendig  zeigen,  um  einer  mittelzeitigen  Silbe  zu  ent- 
schiedener Quantität  im  Verse  zu  verhelfen,  einen  einleuchten- 
den Beweis  dafür,  dass  die  eigentlich  mafsgebenden  Mächte  des 
deutschen  Verses  ganz  anderer  Natur  sind? 

Auch  die  Wichtigkeit  der  Betonung  ist  keinem  dieser 
Metriker  entgangen,  ab^r  unterschätzt  haben  sie  sie  sämmtlich, 
am  wenigsten  verhältnismäfsig  Moritz.  „Die  Länge  entsteht  durch 
Anhalten,  sagt  Klopstock,  und  durch  Anstrengung  der  Stimme, 
die  hierbei  nothwendig  muss  erhoben  werden.  Wenn  wir  sagen, 
dass  die  Länge  den  Ton  hebe,  so  meinen  wir  die  Erhebung  der 
Stimme.  Das  Anhalten  erfordert  eine  gewisse  Zeit,  aber  dass 
die  Stimme  während  dieser  Zeit  angestrengt  oder  erhoben  wird, 
ist  das  wesentliche  bei  der  Sache.''  Liest  man  dies  und  wie  er  an 


*)  Vergl.  namentlich  auch  S.  123.  „Im  Versbau  dör  Alten  entstand  das 
Metrum  erst  durch  die  künstliche  Zusammenstellung  kurzer  und 
langer  Silben;  in  unserm  Versbaa  entsteht  die  Länge  und  Kfirze 
der  Silbea  selbst  erst  durch  ihre  ZusammensteUung." 


810  W.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik. 

einer  anderen  Stelle  die  kurzen  Schlagworte  hinstellt:  „Deutsche 
Länge.  Ton  das  Herrschende**:  so  bekommt  man  das  Gefühl, 
dass  es  nur  der  naheliegenden  Fragestellung,  welche  Silben  im 
Deutschen  in  arsi  und  welche  in  thesi  stehen  können,  bedurft 
hätte,  um  Klopstock  zur  Anerkennung  des  Richtigen  zu  bewejgen. 

Voss  täuscht  sich  über  die  Bedeutung  des  Accentprincipes, 
indem  er  fälschlich  die  Zulassung  aller  tieftonigen  Silben  zu 
der  zweiten  oder  dritten  Stelle  des  Dactylus  als  eine  nothwen- 
dige  Consequenz  desselben  behandelt  Moritz  dagegen  weist 
kräftig  darauf  hin,  wie  die  Lehre  vom  Accent  in  die  prosodischen 
Regeln  unserer  Sprache  eingreife.  Weil  der  Nachdruck,  den  wir 
durch  den  Accent  auf  eine  Silbe  legen,  ohne  Ausnahme  inmier 
auf  die  bedeutendste  oder  eigentliche  Begriffssilbe  in  einem  Worte 
falle,  so  diene  er  dem  Silbenmafse  gleichsam  zur  festen  Unter- 
lage, weil  es  in  Ansehung  der  mehrsilbigen  einzelnen  Wörter 
durch  ihn  erst  bestimmt  werde. 

Gerade  diese  in  der  Natur  der  Sache  gelegene  Noth wendig- 
keit, den  Accent  zu  berücksichtigen,  diese  enge  Verschwisterung 
des  Accentes  und  der  Quantität,  von  welcher  wir  aus  der  Ge- 
schichte* wissen,  dass  sie  eigentlich  ein  Causalverhältnis  ist,  hat 
be¥riirkt,  worauf  ich  schon  oben  hinwies,  dass  der  Ausgangspunct 
prosodischer  Betrachtungen  für  das  schliefsliche  Resultat  ziem- 
lich gleichgiltig  ist.  Aber  nur  wem  die  möglichst  genaue  Nach- 
ahmung antiker  Metren  als  die  Blüte  der  deutschen  Vers- 
kunst, die  Theorie  dieser  Nachahmung  als  das  oberste  Ziel  einer 
deutschen  Metrik  erscheint,  wird  sich  veranlasst  finden,  auf  der 
Quantität  seinen  Standort  zu  suchen.  Er  würde  sich  dadurch 
selbst  aller  Aussicht  berauben  auf  die  ganze  grofse  Masse  nach 
reindeutschen  metrischen  Principien  gebauter  Verse.  Was  für 
ein  XJngethüm  von  Theorie  müsste  es  sein,  welche  Drehungen, 
Wendungen,  Verschiebungen  und  Dehnungen  müsste  sie  sich 
gefallen  lassen,  um  auch  nur  den  gesammten  Umfang  von  Goethe 
gebrauchter  Metren  in  sich  zu  beherbergen !  Was  will  die  Theorie 
der  lamben  und  Trochäen  gegenüber  einer  Praxis,  welche  ge- 
legentlich dreisilbige  Senkungen  wagt  oder  Senkungen  vereinzelt 
ausfallen,  Auftacte  ohne  Bedenken  fehlen  lässt.  Und  wie  lautet 
das  Gesetz,  nach  welchem  steigende  und  fallende  Spondeen  mit 
lambus  und  Trochäus  wechseln  ?  Die  Lehre  vom  accentuierenden 
Vers  weifs  solche  Bedenken  ohne  Mühe  unterzubringen,  die 
antikisierende  Doctrin  steht  rathlos  davor,  wie  sie  lange  vor 
dem  römischen  Saturnius  stand,  bis  ihr  eine  germanische  Analogie 
zu  Hilfe  kam. 

Kein  Zweifel,  wenn  nicht  unser  gröfster  Dichter  in  unserer 
Metrik  eine  nur  geduldete  Stellung  einnehmen  soll,  so  muss  die 
theoretische  Erfassung  desGoethe'schen  Versbaues  eine  ihrer  ersten 
und  dringendsten  Aufgaben,  deshalb  aber  die  Darlegung  der  ein- 
geborenen deutschen  metrischen  Grundsätze,  wie  sie  sich  unter 
seiner  Hand  gestalteten,    ihr  hauptsächliches  Bestreben   aus- 


W.  SehereVy  Zur  deutschen  Metrik.  811 

machen.  Und  die  festgehaltene  Einheit  der  geschichtichen  Ent- 
wickelung,  in  welcher  das  mit  dem  Genius  der  deutschen  Sprache 
selbst  gegebene  Princip  sich  consequent  entfaltet,  wäre  nicht 
als  der  geringste  Vortheil  anzuschlagen,  der  aus  einer  solchen 
Darstellungsweise  erwüchse. 

Sollen  wir  aber  nun  die  ganze  metrische  Doctrin  unserer 
modernen  Poesie  in  derselben  Weise  auf  den  Accent  gründen, 
wie  wir  die  altdeutsche  darauf  gründen  müssen?  Sollen  wir 
wirklich  nach  WackernagePs  Verlangeji  (Geschichte  des  deut- 
schen Hexameters  und  Pentameters  bis  auf  Klopstock,  Berlin 
1831)  von  Hexametern  und  Pentametern  „wie  von  andern  deutschen 
dactylischen  Versen  sprechen,  vom  Dactylus  aber  als  von  einem 
Fufse,  der  aus  einer  accentuierten  und  zwei  unaccentuierten 
Silben  bestehe"?  Sollen  wir  die  Hexameter  Vossen's,  Wolfs, 
SchlegeFs,  Platen's  auf  eine  Stufe  mit  den  Dactylen  Ulrich's  von 
Liechtenstein  stellen? 

Ich  verkenne  nicht  das  Gewicht  von  Koberstein's  Gründen, 
wenn  er  (Grundriss  S.  1096)  auseinandersetzt,  wie  ein  deutscher 
Hexameter  niemals  dem  Eindrucke  eines  griechischen  oder  lateini- 
schen gleichkommen  könne,  wenn  er  namentlich  auf  die  Ver- 
schiedenheit hinweist,  die  zwischen  deutschem  geschwächten  e 
und  vollen  kurzen  Vocalen  stets  obwalten  und  empfunden  werden 
müsse.  Aber  wird  er  läugnen  wollen,  dass  die  Dactylen  in  dem 
Hexameter 

Höchstdero  Vers  übertäubt  unser  Obr  gegen  Zeitmafs  und  Tonmafs 

(Voss  Zeitmessung  S.  12)  weniger  den  Eindruck  von  antiken 
iJactylen  machen,  als  in  dem  Vossischen  „Hurtig  mit  Donner- 
gepolter"? Und  doch  sind  beide  gleich  gut,  sobald  man  sie 
lediglich  an  der  deutschen  metrischen  Hauptregel  misst:  die 
Forderung  höher  betonter  Hebung  finden  wir  in  beiden  zur 
Genüge  erfallt. 

Worauf  beruht  denn  überhaupt  die  Möglichkeit,  antike 
Verse  im  Deutschen  nachzuahmen?  Wie  können  wir  den  Rhyth- 
mus annähernd  wiedergeben?  Auf  Gegensätze  gründet  sich  im 
Verse  die  Einheit  des  Fufses.  Dem  Gegensatze  der  Länge  und 
Kürze  entspricht  am  vollständigsten  der  deutsche  Hochton  und 
das  geschwächte  e.  Was  aber  wird  mit  dem  Tiefton?  Diese 
schwierigste  Frage  erhebt  sich  sofort,  wenn  wir  versuchen,  das 
deutsche  metrische  Princip  dem  antiken  unterzuschieben.  Die 
Schwierigkeit  besteht  jedoch,  wie  man  sich  bald  überzeugt,  darin, 
dass  der  Begriff  des  Tieftons,  wie  wir  ihn  im  altdeutschen  ge- 
brauchen, sich  im  neudeutschen  nicht  festhalten  lässt.  In  dank^ 
hare,  liehlicJw  haben  bar  und  lieh  nicht  mehr  den  Tiefton.  Ich 
schlage  vor,  solche  voUlautige  Silben  als  unbetonte  von  den 
schwachlautigen  e  zu  unterscheiden.  Die  Grenze  zwischen  Tief- 
ton und  Unbetontheit  wird  man  dann  im  einzelnen  zu  ziehen 
unternehmen  müssen,  4ind  an  Schwierigkeiten  wird  es  dabei 


812  W.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik. 

nicht  fehlen,  weil  man  kaum  ein  etwaiges  specifisch  neuhoch« 
deutsches  Accentgesetz  zu  entdecken,  vielmehr  wahrscheinlich 
nur  den  Eigensinn  des  Gebrauches  zu  betragen  und  sorgsam^ 
möglichst  vollständig  zu  verzeichnen  hat.  Das  Moment  des  SUben- 
gewichtes,  der  Quantität,  wird  bei  der  Grenzbestimmung  aber 
auch  ganz  nothwendig  in  Betracht  konmien.  Und  dass  in  vielen 
Fällen  eine  Entscheidung  unmöglich,  also  für  den  Yersgebrauch 
ein  freier  Spielraum  hierin  bleiben  müsse,  scheint  mir  unzweifel« 
hait  Das  aber  wird  sich  dann,  von  der  zurückbleibenden  Un- 
sicherheit abgesehen,  als  Begel  für  die  Nachahmung  antiker 
Bhythmen  festhalten  lassen:  Hochton  und  Tiefton  ent- 
sprechen der  Länge,  Unbetontheit  und  Lautschwäche 
der  Kürze;  Zweizeitigkeit  wird  durch  jene,  Ein- 
zeitigkeit  durch  diese  wiedergegeben. 

Ja,  man  wird  die  Behauptung  wagen  dürfen,  dass  damit 
auch  die  Quantitätsunterschiede  des  neuhochdeutschen  auf  die 
antiken  so  ziemlich  reduciert  seien.  Eine  Scala,  in  welcher  die 
Tonwerthe  der  Silben  in  absteigender  Folge  aneinander  gereiht 
würden,  ergäbe  die  gleiche  Abstufung  ihres  Gewichtes.  Und  die 
Allmählichkeit  der  Abstufung,  die  Unmerklichkeit  namentlich  des 
Ueberganges  vom  Tiefton  zur  Unbetontheit  bedingt  eben  die 
Schwierigkeit  dieser  ^nzen  Lehre,  welche  für  die  eigentliche 
Metrik  die  nothwendige  Grundlage  und  Voraussetzung  bildet. 

Nur  muss  sich  an  die  Untersuchung  der  Betonung  im  ein- 
zelnen Worte  auch  die  Untersuchung  der  Satzbetonung  noch 
anschliefsen.  Auch  hier  eine  allmähliche  Abstufung  und  ein 
nicht  wenig  ausgedehntes  Gebiet  der  Unbetontheit.  Die  Satz- 
betonung war  das  Hauptaugenmerk  der  Moritz'schen  Theorie, 
und  es  fragt  sich,  ob  nicht  einzelnes  daraus  könnte  adoptiert 
werden.  Dass  er  im  ganzen  viel  zu  weit  geht,  Distinctionen 
macht,  von  denen  das  lebendige  Sprachgefühl  nichts  weifs  und 
anderseits  durch  die  starre  Consequenz  seines  Princips  doch 
zur  Gutheifsung  schlechter  Verse  verleitet  wird,  liegt  für  den 
aufmerksamen  Leser  seiner  Schrift  auf  der  Hand.  Voss  ist  auch 
hier,  weil  er  sich  von  aller  Systemsucht  fern  hält  und  empirisch 
das  Sprachgefühl  analysiert,  zu  Bestimmungen  gelangt,  denen 
man  wahrscheinlich  nur  eine  andere  Fassung  zu  geben  braucht, 
um  sie  unserer  Theorie  mit  gutem  Grunde  einverleiben  zu  kön- 
nen. Seine  „Mittelzeit"  freilich  wird  unter  Tiefton  und  Unbe- 
tontheit so  vollständig  als  möglich  aufgetheilt  werden  müssen. 
Und  für  den  Best  zweifelhafter  Silben  wird  die  Begel  gelten: 
sie  dürfen  überhaupt  nur  an  solchen  Stellen  des  Verses  gebraucht 
werden,  die  für  den  Bhythmus  desselben  wenig  entscheiden,  so 
dass  das  Gefühl  desselben  durch  sie  nicht  in's  Schwanken  ge- 
rathen  kann. 

An  diesem  Puncto  erst  zeigt  sich  die  ganze  Unumgäng- 
lichkeit der  nationalen  Accenttheorie  auch  für  den  antikisieren- 
den Vers.  Kein  Mensch  wird  läugnen,  dass  z.  B.  drei  unbetonto 


TT.  Scherer,  Zur  deutschen  Metrik.  818 

Silben  oder  eine  unbetonte,  auf  welche  zwei  lautach wache  folgen, 
einen  Dactylus  geben  können.  Und  es  ist  schlechterdings  nicht 
abzusehen,  wie  man  auf  dem  Boden  der  Quantitätstheorie  solchen 
Fällen  anders  beikommen  wollte,  als  höchstens  durch  den  un- 
befriedigenden, höchst  vagen  Begriflf  der  Mittelzeit.  Wir  aber 
entnehmen  daraus  den  Beweis,  dass  die  Grundregel  des 
altdeutschen  Verses  in  ihrer  negativen  Fassung 
auch  für  den  neudeutschen  volle  und  allgemeine 
Geltung  hat.  Nur  müssen  wir  für  den  streng  antikisierenden 
Versbau  die  zweite  Eegel  hinzufügen:  Niemals  darf  eine 
hoch-  oder  tieftonige  Silbe  antike  Kürze  vertreten. 

Wollte  man  zur  Vertheidigung  der  Quantitätstlieorie  Verse 
anführen,  gegen  die  allerdings  nichts  einzuwenden  ist,  Verse  wie 

Brausender  steigt  Meerflüt  im  Orkan . . . 
(einen  schleifenden  Spondeus,  dessen  schwächer  betonte  Länge 
durch  den  Verstact  gehoben  wird,  nennt  das  Voss  S.  129):  so 
gewährt  uns  auch  hiefür  die  reindeutsche  Verskunst  in  der  schwe- 
benden Betonung  die  erforderliche  metrische  Kategorie,  die  man 
auch  sonst  vielleicht  zweckmäfsig  herbei  ziehen  wird. 

Auf  die  eben  angegebene  Art  also,  meine  ich,  hat  die 
neudeutsche  Metrik  zu  zeigen,  wie  antike  Verse  nachgebildet 
werden  können.  Eine  ganz  andere  Frage  aber,  welche  eigent- 
lich einer  Theorie  der  üebersetzungskunst  anheimfiele,  ist  die: 
wie  weit  antike  Verse  im  Deutschen  nachgebildet  werden 
sollen.  Und  hier  wären  alle  Schwierigkeiten  aufzuzählen,  welche 
aus  dem  strengen  Festhalten  der  Grundsätze  sich  ergeben,  es 
wären  die  Vortheile  geltend  zu  machen,  deren  sich  die  ängstlich 
genaue  Nachahmung  entschlagen  muss.  Es  wäre  hinzuweisen 
auf  die  durchschnittliche  Unempfindlichkeit  des  deutschen  Ohres, 
infolge  welcher  auch  ein  Vers,  der  auf  das  glücklichste  Sprach- 
gewandtheit und  Klarheit  des  Ausdruckes  mit  äufserster  Strenge 
des  metrischen  Baues  vereinigte,  immer  ein  nur  von  Wenigen 
gewürdigtes  Schaustück  bliebe.  Die  unmittelbare  Verständlich- 
keit, die  ungezwungene  Einstimmung  mit  dem  Geiste  unserer 
Sprache  muss  durchaus  das  Hauptaugenmerk  jedes  Uebersetzers 
sein,  dem  er  im  Nothfalle  alles  andere  aufzuopfern  hat.  Es  scheint 
mir  in  diesem  Sinne  z.  B.  vollkommen  gerechtfertigt,  dass  man 
sich  hie  und  da  entschloss  in  der  Uebersetzung  griechischer  Dramen 
den  Trimeter  mit  dem  fünflfüfsigen  lambus  zu  vertauschen.  Wer 
aber  wird  vollends  in  der  Nachbildung  griechischer  lamben  und 
Trochäen  sich  Spondeen  nur  nach  griechischer  Regel  gestatten  ? 

Die  Metrik  kann  in  dieser  Beziehung  wenigstens  Einen 
beachtenswerthen  Gesichtspunct  aufstellen,  aer  wol  unmittelbar 
einleuchtet:  die  Behandlung  des  Verses  muss  um  so 
strenger  sein,  je  schwieriger  der  Ehythmus  von  dem 
Ohre  erfasst  und  behalten  wird.  Von  hier  aus  lässt  sich 
der  Trochäus  im  Hexameter  rechtfertigen.  Von  hier  aus  wird 
für  die  prosodischen  Regeln  peinlichste  Beobachtung  nirgends 

Zeluchrlft  t  d.  ösurr.  Gymn.  1Hi;ü.  XI.  H«ft.  55 


814  W'.  Schmr,  Zur  deutschen  Metrik. 

SO  sehr  wie  bei  der  Nachbildung  von  Chören  und  pindarischen 
Hymnen  verlangt.  Nur  dürfte  vielleicht  abermals  die  Theorie 
der  Uebersetzungskunst  das  metrisch  mühsam  Errungene  ziem- 
lich gleichgiltig  bei  Seite  schieben,  wenn  sie  etwa  den  Grund- 
satz aufstellte:  es  seien  zuerst  die  Gedanken  solcher  kunstvoll 
rhythmisierter  Gedichte  darauf  hin  zu  prüfen,  ob  sie  nicht  etwa 
in  einer  anderen  als  der  gegebenen  metrischen  Form  weit  voll- 
ständiger zur  Geltung  gebracht  werden  konnten,  so  dass  die 
Forderung  einer  dem  Geiste  der  Dichtung  entsprechenden  metri- 
schen Neuschöpfun^  oder  die  Anwendung  sonst  bereits  vor- 
handener Formen  sich  erhöbe. 

Wie  sehr  nach  diesem  allen  die  praktische  Wichtigkoit 
eines  vollständigen  Systems  der  neudeutschen  Betonung  zusam- 
menschwindet, sieht  man  leicht.  Die  schlichte  Darlegung  der 
Betonungs-  und  metrischen  Grundgesetze  bleibt  die  Hauptsache. 
Ich  will  öchliefslich  eine  briefliche  Aeufserung  Laehmann's 
an  Jacob  Grimm  vom  17.  Juni  1820  mittheilen,  welche  mit 
den  vorgetragenen  Ansichten  zwar  nicht  durchweg,  aber  doch 
im  ganzen  übereinstimmt. 

„Opitz,  als  er  mit  seinen  Vorgängern  die  Mafse  des  16.  Jahr- 
hunderts abschaffte,  konnte  nicht  die  franzosische  Art  einführen: 
denn  beide  hatten  ganz  einerlei  Fehler.  (Es  wird  zwar  allgemein 
gesagt,  auch  in  italienischen  Versen  sei  Mafs  und  Ac<»ent  gleich- 
giltig  aufser  den  resure ;  aber  ganz  unrichtig :  endecasiUabi  mit 
weniger  als  fiinf  Accenten  sind  wenigstens  rozzi  oder  viehnelu* 
deioli,  Petrarch  selbst  hat  einige  Unverse  mit  sieben  Hochtönen 
gemacht,  Dante  niemals.)  Er  kehrte  nicht  zurück  zur  alten  deut- 
schen Verskunst,  weil  bei  verlornem  Gefühl  für  Betonung  und 
Wohlbewegung  ihm  der  Tiefton  als  Tonlosigkeit  erschien.  Den 
Tiefton  wied(T  herausgefühlt  zu  haben  bei  richtiger  Declama- 
tion  und  voll  aus  tönender  Aussprache,  ist  Klopstock's  Verdienst, 
erkannt  hat  ihn  zuerst  Voss  und  völlig  zu  Ehren  gebracht. 
Will  man  nicht,  wozu  ich  rathe,  ganz  wieder  zurück,  so  muss 
man  durchaus  bei  der  künstlichen  Vossischen  Mittelart  stehen 
bleiben :  volksmäfsig  kann  sie  zwar  niemals  werden.  Bei  Nach- 
ahmungen alter  Versmafse  ist  nicht  anders  zu  verfahren,  als 
dass  ungefähr  bestimmt  werde,  welche  Silben  wol  in  der  der- 
maligen Periode  der  Sprache  den  alten  Längen  und  Kürzen  am 
ähnlichsten  sein  mögen;  dann  ist  Vorsicht  nothig,  und  ein  fein- 
hörender, wie  Voss,  stelle  Regeln  auf  nach  seinem  Ohr,  an 
denen  im  einzelnen  ein  anderes  Ohr  manches  zu  tadeln  findet: 
weiter  kann  es  eine  gelehrte  und  gemachte  Verskunst  nicht 
bringen.  Hauptregel  bleibt  bei  der  Anwendung  aller  fremden 
Versarten  immer,  dass  der  Hochton  nur  der  antiken  zweizeitigen 
Länge  entspreche,  niemals  der  Kürze.  Dies  ward  bei  den  ersten 
Versuchen  in  Hexametern  übersehen,  bei  denen  jaget,  leben  un- 
bedenklich für  P3rrrhichien  galten." 

Wien.  Wilhelm  Scherer. 


Th.  Gomperz,  Die  herculauischen  Kullen.  ^l^ 


Die  herculanischen  Rollen. 

Heroulanenaimn   Voluminum  Collectio  altera.  Tora.  II,  III,  IV.  V,  1. 
(Neapel  1862-1865.) 

IL 
Der  dritte  Band,  zu  dessen  Besprechung  wir  jetzt  gelangen,  hi 
unter  den  bisher  veröffentlichten  der  unergiebigste.  Nicht  durch  seinen 
Inhalt,  dessen  bunte  und  anziehende  Mannigfaltigkeit  vielmehr  schon  aus 
der  Fülle  von  Eigennamen  und  namenlosen  Citaten  ersichtlich  ist,  die  man 
in  den  zerstörten  üeberresten  wahrnimmt.  Allein  welche  Zerstörung!  Nicht 
eine  von  den  209  Columnen  dieses  Bandes  lässt  sich  auch  nur  mit  an- 
nähernder Vollständigkeit  wiederherstellen,  in  weitaus  den  meisten  Fällen 
sind  wir  auf  kümmerliche  üeberbleibsel  angewiesen,  unter  denen  Tafeln 
die  einen  zusammenhängenden  Test  von  einem  halben  Dutzend  Zeilen 
erkennen  lassen,  bereits  seltene  und  glänzende  Ausnahmen  bilden.  Bei  der 
Behandlung  der  zwei  ersten  Stücke  freilich  gewährt  mir  die  Benützung 
der  unveröffentlichten  Oxforder  Abschriften  eine  nicht  hoch  genug  anzu- 
.schlagende  Hilfe;  leider  erlischt  diese  Leuchte  eben  dort,  wo  wir  sie  am 
:  schmerzlichsten  vermissen,  bei  den  ungemein  interessanten  und  beispiellos 
aerrütteten  Bruchstücken  der  dritten  Nummer,  welche  die  ganze  zweite 
Hälfte  dieses  Bandes  einnimmt.  Nur  in  geringem  Mafse  wird  dieser  Mangel 
durch  die  ungewöhnliche  Correctheit  der  Abschrift  ausgeglichen,  welche 
eben  diese  Tafeln  vor  ihren  unmittelbaren  Vorgängern  sebr  vortheilhaft 
auszeichnet. 

Da  zwei  von  diesen  drei  Nummern  (5  und  7)  dem  Werke  oder  besser 
den  Werken  Philodem's  „über  Rhetorik"  angehören,  so  wird  es  vor 
allem  angemessen  sein  die  auf  den  Gesammt- Bestand  dieser  Schriften 
bezüglichen  Daten,  in  soweit  sie  bisher  zu  allgemeiner  oder  zu  meiner 
Kenntnis  gelangt  sind,  dem  Leser  übersichtlich  geordnet  vorzulegen.  In  der 
älteren  Sammlung  der  Herculanensia  Volumina  sind  veröffentlicht  worden ; 

VoL  IV   \ün.):   *aoJ>i|>/oi;]   hcqI  i}r}^ooix[fjg] -^  Papyr.  1426  (hand- 
schriftliche Oxforder  Abschrift).  Paginae  17. 
Vol.  V  (init.)  4^ilod^iuov   mqi  ^J?[T]o(i[*x^ir]  =  P.  1669  (h.  0.  A.). 
Pgg.  38  ').  ^ 

VoL  XI  (in.)  ^vloör^fxov  ntQl  (>rixoQi.x^g  J  t(öv  t\<;  Jto  xo  jiQOTfoov  — 
P.  1423  (h.  0.  A.).  Pgg.  20. 

Vol.  XI  (med.)  'PiXo^^fiov  thqX  ^rjroQixfjg  J  T[(i5v  €]ig  [^vo  ro]  cTf  i;[t]«- 
[qo]v  theUweise  -  P.  1(X)7  (VoU.  Herc.  Oxon.  II 1-45).  Pgg.  69. 

')  Wo,  wie  in  diesem  Fall,  die  Anzahl  der  in  den  zwei  Abschriften  ent- 
haltenen Tafeln  eine  verschiedene  ist,   nenne  ich  die  gröfeero  Zahl. 

55* 


816  Th.  Cromperz,  Die  hercnlanischon  Rollen. 

Dazu  kommen  in  der  Collcctio  altera: 
Vol.  HI  (C.  A.)  1 — 71  4»tXotiriijov  7T€q\  ^rjTOoixrji  v7tOfjivr\u(tiixov  = 

P.  1506  (h.  0.  A.).  Pgg.  71. 
Vol.  m  (C.  A.)  110  —  209  (das  Titelblatt  fehlt)  zum  kleinsten  Theil 

=  F.  1004  (h.  0.  A.).  Pgg.  101. 
VoL  IV  fC.  A.)  42  —  108  ^iXoS/jfjov  [7T€qI  (5»?To](j*[x]?f  [t]?[c  ttoJU- 
r^Ws]  (?)  -  P.  1674  (Voll  Herc.  Oxon.  II,  P. 46-116).  Pgg.  69. 
Vol.  V  (C.  A.)  26—35  4'do^i^fiov  ntQl  ^rjTogtx^^  v7ro/LiVfjiic€Ta}[v]  A 

=  P.    1427    (b.    0.   A.)    <f>aO<flifJOV   TTfQl    ^1]T0QC3(rjg.    Ppg.    10*). 

Vol.  V  (C.  A.)  36-40  4>ao<f^iuou  mql  ^rjroQcxrig  (?)  Pgg.  5. 
Die  hieraus  sich  ergebende  Gesammtzahl  von  400  Columnen  una 
Fragmenten  erfahrt  nun  einerseits  noch  einen  zwiefachen  Zuwachs,  ander- 
seits eine  zwiefache  Verminderung.  Den  Zuwachs  gewähren  die  zwei  noch 
unveröffentlichten  Oxforder  Abschriften  Papyr.  1015:  [4>Uo]^i^fiov  tkqX 
^rjTOQtxrjg  —  Pgg.  77  Und  Papyr.  1672:  4>ilo^i^fiov  n€Ql  ^Togixrjs  B  — 
Pgg.  39.  üeber  die  beiden  zum  Theil  sehr  wohl  erhaltenen  Stücke  sei  hier 
nur  bemerkt,  dass  sie  sowol  durch  ihren  Gredankengehalt  wie  durch  an- 
ziehendes Detail  hoher  Beachtung  werth  sind.  1672  enthält  Anführungen 
laus  Epikur's  wenig  gekanntem  avujToatov  und  desselben  in  diesen  Bollen 
öfter  genannten  Schrift  ntol  ß(m\  1015  zeichnet  sich  aus  durch  Erwäh- 
nungen von  und  Beziehungen  auf  Aristoteles ,  der  Pag.  73  genannt  und 
gewiss  auch  Pag.  70')  gemeint  ist,  Demetrios,   Philipp  von  Macedonien, 

')  üeber  diesen  Widerspruch  der  beiden  Titel  und  was  sich  hieran 
knünft  folgen  weiter  unten  nähere  Mittheilung^.  Der  Zweifel,  den 
ich  oei  der  folgenden  und  bei  einer  früheren  Nummer  durch  ein 
Fragezeichen  ausdrücke,  gilt  nicht  der  Autorschaft  des  Philodemus, 
sondern  einmal  der  richtigen  Ergänzung,  das  andere  Mal  der  Rich- 
tigkeit des  Titels  überhaupt. 

*)  Die  denkwürdige  Stelle  lautet:  —  xal  Jm  ravt^  J^qmQai^o]  rovq 
T(  v6uov[g]  OfVttyojv  afia  t^  ^«^j;t[^]  xal  rag  roaaviag  no- 
XtTi(ag  xal  ra  thqI  rcwy  [r6];iwr  \di\xajnofM  ara  Mal  xd 
nQ[o\g  Tovg  xaiQovg  xal  nav  oaov  ...roiavt'  — -  Der  -Schüler" 
ist  nicht  Herakleides,  an  den  man  der  Politieen  wegen  zunächst  denkt, 
sondern  Theophrast,  auf  dessen  vierbändige  Sammelschrift  ^über 
jwlitische  Opportunität**  —  ITolntxov  (vielmehr  IToli,zixcov,  s,  üsener, 
Analecta  Theophrastea  7)  n^og  rovg  xai^oig  a  ß'  y  cT  (Diogen. 
Laert.  V,  45—121,23  Cobet)  die  letzten  Worte  ebenso  sicher  hin- 
weisen (vgl.  die  Bruchstücke  128,  129,  131  Wimmer  und  worauf 
üsener  a.  a.  0.  verweist)  als  es  nahe  lag  seiner  grofsartigen  juridi- 
schen Sammelwerke  (siehe  die  Titel  bei  Diogenes  v,  44— Izl,  18—19 
Cob.,  die  Bruchstücke  bei  Wimmer  Frg.  97  —  106)  im  Vereine  mit 
denen  des  Meisters  zu  gedenken.   (So  citiert  Parthenius  9  u.  18  ir 

a  und  fv  T(()  J  Twr  noog  rovg  xatqovg.)  Der  Titel  r«  Tießl  rdiv 
Tonotv  SixaiMfuara  stimmt  zudem  auf  Grenz- und  Besitzstreitigkei- 
ten bezüglichen  Inhalt  der  erhaltenen  Ueberreste  der  dtxatiüfiara 
des  Aristoteles  ausnehmend  wohl  und  dürfte  vielleicht  mit  dem  an- 
derweitig überlieferten  Titel  ^ixactofiara  noliutv  zu  verschmelzen 
sein  (vgl.  die  Bruchstücke  bei  Val.  Rose,  Aristoteles  Pseudepigraphus 
542—5).  —  Gegenüber  Rose's  wundersamen  chronologischen  Beden- 
ken (ibid.  543  und  de  Aristotelis  librorum  ordine  et  auctoritate  58), 
die  ihm  den  Anlass  geben,  auch  diese  Schrift  dem  Stagiriten  abzu- 
sprechen« sei   einfach  bemerkt:   die   tarentinische   Expedition  det 


Th,  Oomperz,  Die  berculanischen  Rollen.  817 

Isokrates  (?),  Xenophon  oder  Xenophanes,  Epiknr,  die  Stoiker,  den  Demo- 
kriteer  Nausiphanes,  der  lebhaft  bekämpft  wird.  Und  auch  die  Poesie  geht 
nicht  völlig  leer  aus,  zaui  mindesten  wird  der  eine  von  zwei  bisher  nur 
aus  Philo  (11,  500  Mangey  —  de  incorruptibilitate  mundi  c.  13)  bekann- 
ten und  freilich  durch  (richtige)  Conjectur  bereits  ergänzten  Verse  eines 
unbekannten  Epikers ^^  vervollständigt: 

Papyr.  1015,  74  Philo  ludaeus  1.  1. 

—  orJ^  yvviuxu  t  div  tt  o  rj  r  div  „OrJ^**  ;'«(>  „yt'vij",  tf.tta(y  •nToa- 
tf  ttaxovnav  ovtms  aya(}^ov  rov  üovife  voov  iniriStveTiti  ia&Xov,  Möre 
xetS-varffitiv  (oi  tu  ;|f^^<*oy  i-  x^Qitov  il^a&ai  dfiftvoT^^tav*^  {nn- 
Xia  O^ai  u  fitiVoT^Qüjv  n  tc  n  t-  Qiovxtav  wollte  schon  Mangey  hinzu- 
*vTOiv  —  fügen). 

Vermindert  aber  wird  die  durch  diesen  Zuwachs  um  116  Pgg.  ver- 
mehrte und  auf  516  Pgg.  erhobene  Gesammtzahl  durch  zwei  Wahrnehmungen, 
über  die  ich  im  folgenden  genauere  Rechenschaft  gebe.  Das  erste  der  oben 
angeführten  Stücke  (Herc.  Voll.  Coli.  Prior  Vol.  IV  fin.  -=  Papyr.  1426 
h.ü.  A.  17  Pgg.)  ist  eine  Doublette  des  Schlusstheiles  unserer  sogleich 
näher  zu  besprechenden  Nummer  5)  (Herc.  Voll.  C.  A.  III,  61  fin.  —  71  — 
Papyr.  1506  h.  O.A.  48—57);  die  Seite  47,  die  dem  Beginn  der  Doublette 
entsprechen  würde,  fehlt  in  der  h.  0.  A.,  ^manca  47"  liest  man  auf  P.  46. 
Und  ebenso  ist  das  letzte  der  veröifontlichten  Stücke  (Vol.  V  C.  A.  36—40) 
eine  Doublette  von  Vol.  IV  C.  A.  98  fin.  —  102  fin.  =  Papyr.  1674 
(Herc.  Voll.  Oxon.  II)  106—110  fin.  —  deren,  den  letzten  sechs  Columnen 
des  Papyrus  1674  entsprechendes,  Schlussstück  uns  vielleicht  der  zunächst 
zu  veröflentlichende  Fascikel  bringen  wird. 

So  liegt  denn  ein  halbes  Tausend  von  Columnen  und  Fragmenten 
vor  uns,  deren  vollständige  Verwerthung  selbstverständlich  nur  die  Frucht 
einer  zusammenhängenden  Bearbeitung  dieser  gesammten,  durch  innigste 
Wechselbeziehungen  mit  einander  verknüpften  Ueberreste  sein  kann,  üflfen- 
bar  kann  diese  Arbeit,  zu  der  SpengeFs  im  Jahre  1840  veröffentlichte  Re- 
stitution von  39  Columnen  des  Papyrus  1007  den  Grund  gelegt,  die  mit- 
unter geistreichen,  nicht  oft  methodischen  Versuche  der  italienischen  Ge- 
lehrten der  CoUectio  prior  erwünschte  Vorarbeiten  bieten  —  nur  von  den 
besterhaltencn  Stücken  ausgehen  und  stufenweise  zu  den  schwerer  beschä- 

Alexander  Molossus,  die  in  dem  letzten  der  Bruchstücke  erwähnt 
wird,  fand  nach  Livius  (VO,  3u.  24)  im  Jahre  340,  nach  Grote's 
und  Anderer  Annahme  (H.  of  Gr.  XII,  534)  im  Jahre  332  statt; 
Aristoteles  starb  62  Jahre  alt  im  Jahre  322;  er  war  also,  wenn  wir 
dem  Zeugnis  des  alten  Historikers  Glauben  schenken ,  zur  Zeit  jenes 
Ereignisses  44,  wenn  wir  der  Vermuthung  modemer  Kritiker  fol- 
gen, 52  Jahre  alt!  —  Wer  hier  chronologische  Widersprüche  und 
Unmöglichkeiten  wahniimmt,  dem  kann  es  nicht  schwer  werden  zu 
beweisen,  dass  niemals  jemand  ein  Buch  geschrieben  hat,  da  er  zu 
diesem  Geschäfte  immer  entweder  zu  jung  oder  zu  alt  war. 
^)  Darf  man  vielleicht  an  den  Dichter  der  „kleinen  Ilias**  denken  und 
in  ihm  den  Schalk  vermuthen,  der  hier  weibliche  Geistesstärke  ganz 
ebenso  aufrichtig  preist  wie  anderwärts  die  Körperkraft  und  Aas- 
dauer der  Frauen  {xa(  xe  yvvfi  a.^Qoi  (ix^og  xii.)?  —  Meineke,  der 
die  Verse  gelegentlich  anführt  (Hist  crit.  com.  gr.  68),  bessert,  ge- 
wiss richtig:  wäre  /«^«/oy*  kkia(hat„ 


818  Th.  Gomperz,  Die  herculaiiischen  Rollen. 

di^teti  und  Zerrütteten  vorschreiten,  —  man  muss  anch  hier  wie  Überall 
(um  mit  Epikur  zu  sprechen)  nigt  rCiv  d^rjXcüv  dno  ray  i^'atvofiivtof 
arjfAÜova&m.  Jede  Mittheilung  über  Trümmer,  wie  sie  uns  in  5)  und  7) 
Vorliegen,  müsste  daher  unter  allen  Umständön  den  Charakter  einer  vor- 
16tifigen  Nachricht  besitzen;  ein  weiterer  Grund  zu  solcher  Beschränkung 
in  Betreff  von  5)  liegt  in  der  Möglichkeit  oder  Wahrscheinlichkeit,  dass 
meine  Mittheilungen  über  das  Vorhandensein  einer  weit  besser  erhalte- 
nen Doublette  dieses  Stücks  zu  Nachforschungen  in  Neapel  und  hoffent- 
lich zur  Wiederauffindung  des  vom  Papyrus  1426  losgerissenen  Anfangs 
der  Schrift  den  Anstofs  geben  werden.  In  derselben  Weise  ward  die  hoch- 
wichtige Schrift  des  Polystratos  durch  die  Vereinigung  der  Stücke  1150 
und  33G  gewonnen  (vgl.  Hayter's  Report  P.  37  Anm.)  und  ebenso  sind  23 
tum  Papyrus  1007  gehörige  Columnen  erst  nachträglich  wiedergefunden 
und  der  schon  Jahrzehnte  früher  in  der  Oxforder  Sammlung  veröffentlich- 
ten Schrift  einverleibt  worden. 

5)  m,  1—71  =  P.  1506  (h.  0.  A.)  pp.  71:  4>aoifi^iov  thqX  ^tjto^ 
xrjg  vTrojLtrtj^tdTixov  u4qi&  XXXHHHH  (so  viel  erkennt  man  in  O,  während 
der  Titel  in  N  nur  3100  Zeilen  aufweist)  beginnt  mit  17  Fragmenten,  die 
in  trümmerhalter  Ueberlieferung  nur  in  N  vorhanden  sind.  Von  Eigen- 
namen —  und  diese  sollen  vorzugsweise  den  Faden  bilden,  an  dem  ich 
diese  meine  auf  das  Wissenswertheste  beschiSnkten  Mittheilungen  aufreihe  — 
stofsen  uns  zuerst  auf  Tafel  4,  Frg.  4:  Ki)iToXdo)  xal  l4Q([aTb)rt\  und 
nach  zwei  Zeilen  Kakkia&tv  —  die  ersteren  zwei  ohne  Zweifel  die  Peripu- 
tetiker  dieses  Namens.  Wir  werden  ihren  Namen  und  ihren  Lehren  auch 
dort  wo  sie  niebt  genannt  werden,  in  7)  mehrfach  begegnen  und  dort  auiti 
die  wenigen  hier  und  Col.  15  (in  O)  lesbaren  Worte  und  Zeichen  zu  deu- 
ten suchen.  Kritolaos  erscheint  wieder  T.  5,  Frg.  6.  Die  Tafel  10  er- 
scht'inende  Phrase:  trjv  ldtjTOQ]ixriv  ovx  (?rru  in  Verbindung  mit  den  in 
diesen  Fragmenten  oft  wiederkehrenden  Worten  xvßfQvnv,  xvßfQvrixrn, 
dann  [or^nifyovTct  xu(  nva  xa\  uavfirfooa ,  aotiog  l[7i]t[aT\riuMv  lorlv 
[TOL>]r(i)v  xcti  u).lb)v  (T,  7),  T^i  Tviv  aoqvaT[o)]v  ^ijro^jixfjg  (T.  11)  weisen 
auf  Eiörteningen  über  die  Existenz  der  Rhetorik ,  über  ihr  Verhältnis  zu 
der  auf  Erkenntnis  des  Nützlichen  bemhenden  Politik,  auf  Vergleiche  mit 
anderen  Künsten,  auf  die  Unterscheidung  der  sophistischen  und  der  sonbti- 
gen  Rhetorik  hin,  die  uns  anderweitig  vielfach  begegnen  werden.  T.  12 
kann  man  in:  fnl  ttjv  K6Qcc[xog  t^/vtj]v  (?)  eine  Beziehung  auf  den  Vater 
der  Rhetorik,  weiter  unten  muss  man  wol  in  den  Worten  [ro]*aiTiyr  «ft- 
va/uiv  oy«r  ...  *0(^ v[oa£vg]  xat  A^/arw[^]  xct[l  X6\X(ov  xctl  ©«[luaro- 
xki]g]  (?)  eine  solche  auf  die  heroischen  und  ältesten  geschichtlichen  Vor- 
bilder der  praktisch  -  politischen  Redekunst  erblicken  (unten  lese  ich:  r^^ 
^i[v(tfie(üg  xiu]  Tijg  l/uTTHlQittg]).  Der  zwiefache  Gegensatz  des  rhetorischen 
Technikers  einerseits  zu  dem  empirisch-praktischen  Politiker,  anderseits  zu 
dem  philosophisch  gebildeten  Redner-Staatsmann  durchwaltet  nämlich  dieso 
ganze  Schrift,  und  nur  weil  diese  und  die  übrigen  angeführten  Brocken  sich 
sehr  wohl  in  die&en  Rahmen  fügen,  glaubten  wir  sie  mittheilen  zu  dürfen, 
obgleich  sie  keine  andere  Gewähr  besitzen  als  die  der   diesmal  vÖUig  an- 


Th.  Oomperz,  Die  lifrculuniöcheii  Ri.llcn.  8il9 

auverlässigen  und  oft  bis  zu  totaler  Unkenntlichkeit  entstellten  Neapolitaner 
Abschrift.  Die  Worte:  rov^-  o/noioig  {ioilv  r[o]rs  n.m,  mir  unverständ- 
lich) reov  ixxfCfi^VMV  fj  xul  vij  tov  'ÜQUid^a  tioo^  Tovg  neql  J t]' 
\jji]oa&(vriv  —  bilden  den  Schluss  der  nächsten  Tafel  (13)  und  der  Frag- 
mente überhaupt.  —  Dass  wir  in  der  nun  beginnenden  Columnenfolge 
wenigstens  einiges  interessante  Detail  zu  erkennen  vermögen  —  ich  be- 
schränke mich  fast  ausschliefslich  auf  die  Mittheilung  von  Stellen  die 
Personennamen  erhalten  — ,  dies  verdanken  wir  der  h.  0.  A. ,  die  den 
Rest  der  Schrift  mit  Ausnahme  der  Colunmcn  8.  25  —  30.  47.  52.  53 
wiedergibt. 

Col.  1  erscheint  in  O  oberhalb  der  ersten  in  iV  erhaltenen  Zeile 
wieder  der  Name  des  [Jfifio]aO-irfi[<i]y  von  dem  im  folgenden  auch  an 
Stellen  die  Bede  ist,  in  denen  sein  Name,  unkenntlich  oder  zweifelhaft 
{^worden   ist    Unsicher   ist    dies   tiefer   unten:    ovö^   4>üixiiüv[u]  .... 

xotXiiaf^[iu]  t(fri  Jr)fio[aO](vrig x oiv  iuvrov  Xoytov,  wo  man  an  das 

bekannte  Dictum  gemahnt  wird:  —  oaüxti;  uv  avT((}ü)v  avKp  ^Pcjx^ojv 
dvttßa(vo^  f  Xi'yuv  n()o^-  rovi  avvr'iO^Hs'  „'i/  rcuv  ifxciiv  Xoytjv  xojil^ 
c^vCaruiat,**^  (Plut.  Dem.  Xj  — ,  die  Lückenhaftigkeit  und  die  Discrepana 
der  Abschriften  aber  jede  Gewissheit  ausschlieXst;  (A'  bietet  jTiro.ytvin, 
O  hingegen  Jnfxo.yivrwg.)  Welcher  Diogenes  sogleich  in  den  nächsten 
Zeilen  und  Col.  12  (in  O)  gemeint  ist,  bleibe  dahingestellt;  der  Col.  23 
neben  Chrysipp  {[X^]val[7i]nov)  genannte  ist  wol  kein  anderer  als  der 
stoische  Gegner  unseres  Philodemus,  Diogenes  der  Babylonier. 

Col.  3  (die  links  stehenden  Zeilenreste  in  N  sind  um  je  eine  Zeile 
hinaufzurücken):  —  ua)([oX](av  vnou([vov\Tig  'ivixu  [rjoly  toi^ovtiov^  ovJ' 
vnoTccTTOVTfg  iuvTovg  ov[Jt]vl  tioj/iok  T(x)v  T(t  To[t«t']T«  i7H(ry€U.ofji^v(üv 
—  dann:  xul  jioXhig  ua^uXiag  [xul  x]uxo/iu0^i(([g]  vTro/usfitvrjxuatv  ol 
yi[v]vaiot  T[d)]v  (jtjroQtüv  — .  Aehnlich  Col.  4  (untere  Hälfte):  —  x«l 
7i(ir7i[6l]Xoi'g  i7i^()0L'[g]  HQOTfQOV  xul  vvv  /q6v(i)  x€cl  (SaTTarrj  xal  novocg 
x[u\)  /uaO-rjan  jiQog  jr,v  Inn^avnav  iii^i[x]viiü^(tC  ^r]iovvT[ug\  ov  /nr^v 
aXXa  iwv  — .  Als  illustres  Beispiel  der  Mühen  und  Anstrengungen  grofser  Red- 
ner wird  Col.  4  oben  auf  die  Lehrjahre  des  Demosthenes  verwiesen,  in  einer 
Stelle,  auf  deren  vollständige  Herstellung  wir  vorläufig  verzichten  müssen, 
die  aber  nicht  zeirüttet  genug  ist  um  uns  nicht  ein  beachtenswerthes  Zeugnis 
für  einen  viel  bestrittenen  Punct  in  der  Bildungsgeschichte  des  grofsen  Staats- 
manns und  Redners  darzubieten.  Wir  lesen  nämlich:  x]((l  nXiiatriv ..,  £[/a]*- 
vr)v(y/A^lvov]  dxuvoTriv  cf^  [>']fvo^*[i'oy]  rwv  x«^'  (wt[6p  a]oqwv  —  von  wem 
hier  gehandelt  wird  (gewiss  nicht  von  Themistokles ,  der  zu  Ende  der 
Col.  3  zweimal  genannt  zu  sein  scheint)  und  wie  das  zunächst  folgende 
zu  deuten  ist,  muss  ich  Scharfsichtigeren  zu  errathen  überlassen;  bald 
folgt:   xal   ^r}uo[a(yh']r}v    Tip    xid   IlhiiTiovi  [xal   EjußovXt^H   (1.  Evßov- 

X{Jrj) [ni(Q]aßißXrjx^vai  —  dies  alles  in  N  freilich  völlig  entstellt  und 

verderbt.  Für  den  Verkehr  des  Demosthenes  mit  Eubulides  von  Milet, 
einem  Philosophen  der  megarischen  Richtung  fdem  Urheber  des  ö  iyxixa^ 
Xvfd/bi^vog  genannten  Fangschlusses,  gegen  den,  beiläufig  bemerkt,  Epikur 
in  einem  noch  unveröffentlichten  Stück  von  huji  ((votog  lebhaft  streitet) 


820  Th.  GomperZy  Die  herculanischcn  Rollen. 

und  wahrscheinliches  Schülerverholtnis  zu  demselben  zeugt  die  Persiflage 
eines  alten  Komikers  bei  Diogen.  Laert.  II,  108  (Meineke  Frg.Com.  gr.IV,G18). 
Die  übrigen  Zeugnisse  findet  man  bei  A.  Schäfer,  Demosthenes  I,  S.  296,  der 
allerdings  „nicht  zu  viel  auf  diese  üeberlieferung  geben   möchte",  doch 
sei  ein  Verkehr  beider  Männer  wohl  anzunehmen  und  „an  sich  wäre  nichts 
dagegen  zu  sagen,  wenn  Demosthenes  bei  einem  Philosophen  in  die  Lehre 
gieng,  der  auf  strenge  Folgerichtigkeit  sah"  u.  s.  w.    Ich  denke ,  es  wäre 
auch  nichts  gegen  ein  gutes  altes  Zeugnis  zu  sagen,  welches  den  grofsen 
Staatsmann  bei  einem  Philosophen  in   die   Lehre  gehen   lie/se,   der  mit 
seiner  eigenen  Geistesrichtung  weit  weniger  gemein  hätte.    Wer  erwartet 
denn  in  einem  Genie,  wie  Demosthenes  es  war,  nur  den  Abklatsch  seiner 
„Lehrer**    zu   finden  oder  das  mit  leichter   Mühe   in   seine   Factoreu    zu 
zerlegende  Product  der   Jugendeinflüsse   und  all   der  Bildungsmittel  die 
ein  reicher  und  origineller  Geist   nach   allen   Seiten  ausspähend  aufsucht 
und  begierig  in  sich  aufnimmt,  ohne  darum  an  seiner  Eigenart  die  min- 
deste Einbufse   zu   erleiden.    Die  weit   zahlreicheren   Zeugnisse   für  eine 
gleiche  Beziehung   des   Demosthenes   zu  Plato  hat  Schäfer  ebenfalls  ge- 
sammelt und  erörtert  (a.  a.  0.  S.  280—282).    Wie  sich  freilich  aus  diesen 
Prämissen  und  ihrer  Erörterung  der  Schluss  ergibt  oder  ergeben  kann, 
man  könne   „mitrölliger  Bestimmtheit  aussprechen,    dass  De- 
mosthenes weder  Platon's  noch  Isokrates'  Schüler  gewesen  sei"  (S.  282)  — 
dies  ist  mir,  ich  gestehe  es,  wenig  verständlich.    Die  Sache  steht,  denke 
ich,   einfach  also:  Es  war  im  ganzen  Alterthum  der  Glaube  weit  verbrei- 
tet, —  und   er  wurde  auch  von  Cicero  getheilt  —  dass  Demosthenes  in 
seinen  Jugendjahren  Vorlesungen  (ob  einen  oder  mehrere  Curse  wird  nicht 
gesagt)  bei  Plato  gehört  habe.    An  dieser  Nachricht,  von  der  die  Fraj^e 
nach  dem   beträchtlichen  oder  geringen  Einfluss,    den  der  grofse  Lehrer 
auf  den  kaum  minder  grofsen  Schüler  geübt   haben  mag,   vollständig  zu 
trennen  ist,   haftet  nicht  der  leiseste  Schatten   innerer  Unwahrscheinlich- 
keit    Um  sie  jedoch  in  den   Bereich  urkundlicher  Gewissheit  erheben  zu 
können,  wünschten  wir  das  Zeugnis  eines  der  Zeit  und  den  Verhältnissen 
nahe  stehenden,  unbedingt  verlässlichen  Gewährsmannes   zu  besitzen,  — 
ein  Wunsch  den   freilich   nur   eine   günstige  Laune   des   Zufalls   erfüllen 
könnte.  Suchen  wir  nun  nach  Berichterstattern,  die  uns  über  die  Quellen 
ihrer  Kenntnis   Aufschluss   geben,   so   finden   wir   deren   vier:   Diogenes, 
Cicero,  Aulus  Gellius  und  Plutarch.  Diogenes  Laert.  (III,  47)  verweist 
uns  auf  den  Schriftsteller  Sabinus,  der  unter  Hadrian  lebte  und  nach  sei- 
nen bei  Suidas  (s.  v.)  angeführten  Commentaren  zu  Thukydides,  Akusilaos 
und  anderen  zu  urtheilen  sich  vielfach  mit  der  alten  Literatur  beschäf- 
tigt hat.    Dieser  erwähnte  die  in  Frage  stehwide  Notiz  in  dem  4.  Buche 
seiner  fitXfTrjTi.xrj  l'lt]  betitelten  Schrift  und  führte  für  dieselbe  das  Zeugnis 
des  Mnesistratos  von  Thasos  an,  eines  Autors,  den  wir  nur  aus  dieser 
und  einer  andern  beiläufigen  Erwähnung  bei  Diogenes  (VII,  177)  kennen 
(wenn,  wie  wahrscheinlich,  hier  derselbe  gemeint  ist).  Aus  letzterer  erfahren 
wir  nur,  dass  er  zur   Zeit  des  Ptolemaeus  Philopator,  also  ungefähr  ein 
Jahrhundert  nach  dem  Tode  des  Demosthenes  gelebt  hat,  ob  er  das  Haupt 
der  bei  Athenaeus  (VII,  271)  d)  erwähnten  philosophischen  Secte  der  Mncbi- 


Th,  Gomperz,  Die  herculaiiischen  Rollen.  821 

strateer  war,  lässt  sich  nicht  ermitteln.  Cicero  erwähnt  die  Sache  zwei- 
mal, im  Brutus  31,  121  und  im  ürator  4,  §.  15,  hier  mit  Berufung  auf 
^die  Briefe  des  Demosthenes",  von  denen  einer  auch  an  ersterem  Orte 
beiläufig  erwähnt  wird:  „lectitavisp.e  Platonem  studiose,  audivisse  etiara 
Demosthenes  dicitur...dicit  etiam  in  quadam  epistula  hoc  ipso  de 
sese.*'  Die  gelegentliche  ehrenvolle  Erwähnung  Plato's  in  dem  fünften  der 
erhaltenen,  fftr  unecht  geltenden,  Briefe  (p.  1490)  kann  hier  nicht  gemeint 
sein;  dass  die  Demosthenischen  Briefe  welche  Cicero  las  „höchst  wahr- 
scheinlich unecht"  waren,  ist  eine  Annahme  Otto  Jahn*s  (zu  Cic.  Oratcr.  4, 
§.  15)  und  anderer,  deren  Begründung  ich  nicht  kenne  *).  Das  vieldeutige 
^dicitur**  kann  alles  und  nichts  besagen.  Bei  Aulus  Gellius  (III,  13) 
endlich  scheinen  wir  festeren  Boden  zu  gewinnen.  Dieser  führt  als  seinen 
Gewährsmann  dafür,  dass  Demosthenes  „admodum  adulescens"  die  Aka- 
demie besucht  und  Plato  gehört  habe,  keinen  geringeren  an  als, Her- 
rn ippus,  den  Philosophen  und  Geschichtsforscher,  der  in  der  Schule  des 
Kallimachos  gebildet,  die  Schätze  der  alexandrinischen  Bibliotheken  für 
die  Ausarbeitung  seiner  grofsen  biographischen  Werke  verwerthen  konnte, 
dessen  kritische  Sorgfalt  und  Verlässlichkeit  die  competentesten  Richter 
im  Alterthum  mit  einer  Stimme  rühmen  (vgl.  die  Zeugnisse  bei  Lozinsky, 
Hermippi  Fragmenta  57—58),  der  diese  Notiz  endlich  nicht  beiläufig  und 
aliud  agens,  sondern  in  seiner  mit  Benutzung  des  reichsten  literarischen 
Materials  ausgearbeiteten  Biographie  des  Demosthenes  vorbrachte.  (TJeber 
die  fides  des  Hermippus,  der  von  Parteilichkeit  in  Deutung  und  Grup- 
pierung der  Thatsachen  nicht  freizusprechen  ist,  werde  ich  bei  einem  an- 
deren aus  diesen  Rollen  geschöpften  Anlasse  zu  handeln  haben.)  Und  so 
wären  wir  denn  bei  jenem  höchsten  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  ange- 
langt, über  den  wir  bei  Beurtheilung  abgeleiteter  Nachrichten  im  Alter- 
thum (Hermippus  schrieb  mehr  als  hundert  Jahre  nach  der  Jugendzeit 
des  Demosthenes)  selten  hinauskommen.  Doch  die  kaum  gewonnene  Grund- 
lage soll  sogleich  wieder  —  angeblich  —  erschüttert  werden  —  durch  eben 
dieselbe  Notiz,  die  in  etwas  veränderter  Gestalt  bei  Plutarch  auftritt 
Dieser  führt  nämlich  diese  Nachricht  gleichfalls  aus  Hermippus  an,  be- 
gleitet sie  aber  mit  dem  verdächtigenden  Zusatz,  Hermippus  habe  hier 
aus  ttötanoToig  vnouvrjfiam  geschöpft  (Dem.  ö).  Hier  könnte  man  nun 
etwa  also  folgern  wollen :  Wenn  ein  kritischer  Geschichtsforscher  nach  ge- 
wissenhafter Sammlung  und  Sichtung  aller  Quellen  für  eine  Nachricht  im 
letzten  Grunde  keine  andere  Gewähr  aufzufinden  weifs  als  die  einer  autor- 
losen oder  einer  Schrift  von  zweifelhafter  Autorschaft  (letzteres  meint  wol 
Plutarch  mit  dem  zweideutigen  Ausdruck,  denn  ein  Automame  war  im  Alter- 
thum gar  leicht  zu  beschaffen),  so  muss  es  mit  jener  Nachricht  wol  sehr 
schlecht  bestellt  sein.  Dieser  Schluss  ist  mehr  scheinbar  als  richtig,  er  ist 


^)  Angemessener  scheint  mir  die  Zurückhaltung,  die  hier  Grote  übt 
(Plato  1, 129  Anm.  k):  Cicero  affirms  on  the  authority  of  the  Epistles 
of  Demosthenes  that  Demosthenes  describes  himself  as  an  assidous 
hearer  as  well  as  reader  of  Plato.  I  think  this  fact  highly  pro- 
bable, but  the  epistles  which  Cicero  read  no  longer  exist.  vgl.  auch 
ibid.  123  und  Hist.  of  Gr.  XI,  375-376. 


812  Th,  (xomperz^  Die  herculauischeB  Rvllei». 

vor  allem  in  dem  gegenwärtigen  Falle  völlig  unanwendbar.  Ich  rede  nicht 
von  den  mehr  als  zweifelhaften  Prämissen  („Es  soll  mir  alles  recht  sein*", 
sagte  Wilhelm  von  Humboldt,  „wenn  man  Plutarch  nur  nicht  als  Ge- 
•chichtschreiber  betrachtet") '^y  der  Schluss  selbst  widerspricht  offenkun- 
digen Thatsachen.  Es  gab  andere  Quellen  jener  Nachricht,  zum  miiidesten 
doch  die  von  Sabinns  angeführte  Notiz  des  Mnesistratos  und  jene  Briefe  de^i 
Demosthenes,  die  der  von  einem  erlesenen  Kreise  griechischer  Gelehrten 
umgebene  Cicero  gelegen  und  für  echt  gehalten  hatte.  Ich  sehe  hier  nur 
so  viel:  Herrn ippus  glaubt  an  die  Wahrheit  der  Nachricht,  die  er  mittheilt 
(dies  darf  man  aus  der  Art  der  Anführung  bei  Gellius  entnehmen),  Piutarck 
zweifelt  sie  an ;  warum,  bleibe  dahingestellt,  jedenfalls  widersprach  sie  seiner 
vorgefassten,  anerkannt  unrichtigen  Meinung,  Demosthenes  sei  ohne  Bildung 
und  Unterricht  aufgewachsen,  freilich  nicht  mehr  als  ihr  das  Zeugnis  des  Demo- 
sthenes selbst  widerspricht  ').  Zu  wessen  Gunsten  hier  die  Vermuthung 
spricht  ist  mir  nicht  zweifelhaft.  Volle  Gewissheit  könnte  uns  aber  nur  jene 
genauere  Auskunft  über  die  von  Hermippus  benutzten  Quellen  verschaüen, 
die  der  durch  den  Besitz  vortrefflicher  Hilfsmittel  und  durch  kritische 
Gewohnheiton  gleich  sehr  ausgezeichnete  Forscher  in  so  reichem  MaTse  zi^ 
ertheilen  pflegte  (eine  ebenso  löbliche  als  im  früheren  Alter thume  seltene 
Gewohnheit).  Allein  die  blufse  Thatsache,  dass  seine  Quelle  —  oder  eine 
seiner  Quellen?  —  t^j  «F<rw  ^  r^  Jttv*  (vielleicht  beides  Gewährsmänner 
ersten  Hanges!)  beigelegt  wurde  oder  allenfalls  auch  völlig  namenlos  war, 
kann  gewiss  nichts  gegen  ihre  Güte  beweisen.  Ein  Name  von  gutem  Klang 
an  der  Spitze  eines  Geschichtswerks  ist  eine  vortreffliche  Empfehlung  ihres 
Inhalts,  aber  eine  unerlässliche  Voraussetzung  ist  es  nicht.  Es  gibt  histo- 
rische Schriften  und  Documente  genug,  die  in  ihrer  inneren  Beschaffenheit 
(von  ihrer  Provenienz  abgesehen,  die  der  „Kaliimacheer"  sehr  wohl  kenueu 
und  in  Anschlag  bringen  mochte)  die  voilgiltige  Bürgschaft  ihrer  Treue 
und  Verlässlichkeit  tragen  und  jeuer  Empiehlung  wohl  entruthen  können. 
Welches  Gewicht  nun  das  neu  auftauchende  Zeugnis  des  Philodemus  be- 
sitze, hierüber  wird  das  ürtheil  verschieden  lauten  je  nach  der  Vorstel- 
lung die  man  sich  von  der  Gelehrsamkeit  und  Verlässlichkeit  dieses  Schrift- 
stellers gebildet  hat;  hierüber  erschöpfend  zu  handeln  würde  mich  allzu 
weit  führen. 

Demosthenes  und  De mades  sind  Gegensätze,  die  sich  berühren!  und 
in  der  That,  wenn  unsere  oben  besprochene  Restitution  noch  einer  Bekräf- 
tigung bedürfte,  so  wäre  sie  in  der  gewiss  nicht  zufälligen  Antithese  zu 
finden,  die  dem  in  den  Schulen  der  Philosophen  gebildeten  Redner  sofort 
seinen  naturwüchsigen  Gegner  gegenüberstellt,    der    „mit  ungewaschenen 

«)  Niebuhr,  Vorträge  über  alte  Geschichte  II,  360. 


^  ■')  Plutarch.  Deinosth.  IV 
^*a  re  t)'^  tovto  twv   ffifxtXm'  xal 

^f^Tj^djwv    dnti(6ii)Tog    6oxu    yivi- 


Demosthen.  de  Corona  §.  257 

nut(Sl  jLitv  ovTtr  if^otiar  ttg  m  ji^o- 
otjxovrtt  öiöuOicaXita,  xui  ij^tiv  oou 


Th.  Gomperz,  Die  lierculaiiiöcheu  Rollen.  Bt^ 

Füfsen  von  der  Ruderbank  auf  die  Tribüne  spranf?"  ■).  Wir  lesen  nämlicb 
Col.  5:  drifxdötiv  a[y]oi*ja  rovg  ItcuT^  nuQaßaXXHv  d-(XovTtng  firl  tow 
Si^dcxaXov,  rovT^  larlv  t6[v]  ^^uov  —  d.  h.  Demades  wies  Lenibegierige> 
die  seinen  Unterricht  suchten,  an  seinen  eigenen  Lehrer  und  führte  sie  auf 
ihre  Bitte  sie  zu  diesem  zu  bringen,  vor  das  versammelte  Volk.  Eh«» 
diese,  für  den  Autodidakten  •)  Demades  so  charakteristische  Anekdote  ward 
später  zu  dem  Apophthegma  zugleich  abgeschwächt  und  zugespitzt,  wel- 
ches wir  mit  einer  entsprechenden  Nutzanwendung  versehen  bei  Stobaeu» 
(l'lorileg.  29,  91  —  2,  18  Meineke)  lesen  ").  —  Bei  Gramer  Anecdd.  Oxon. 
IV,  253  wird  derselbe  Ausspruch,  durch  zwei  Schreibfehler  verunzicTt 
(ix(fa(v(üv  und  xQ€fTTcj) ,  mitgetheilt,  der  Name  des  Demades  ist  ausge- 
fallen; nur  dieser  und  die  Nutzanwendung  ist  übrig  geblieben  bei  An- 
tonius in  melissa  p.  57  tur.  Da  an  beiden  Stellen  (auf  die  Sauppe  Or.  att. 
II,  316  b  verweist)  das  y,ix  tüv  jiQiatoi  ^Xovg  xQ^nmf"'  geschöpfte  Dictum 
des  Lasos  von  Hermione,  —  bei  Stob.  Floril.  29,  70  —  2,  8  Mein.  —  un- 
mittelbar vorangeht,  so  darf  man  vielleicht  vermuthen,  dass  eben  dickes 
Stob.  Floril.  29,  90  erscheinende  Lemma  auch  auf  das  folgende,  nur  „^//j/i«- 
<foi**  tiberschriebene,  Apophthegma  zu  beziehen  sei  Welche  Bewandtnis  e« 
aber  mit  diesen,  jedenfalls  auch  Nicht-AristotelLsches  enthaltenden  Chrieen 
habe  (vgl.  Meineke  Hist.  ciit.  com.  gr.  375),  ob  man  sie  mit  Val.  R^äe, 
Arist  Pseudepigr.  611 — 614,  dem  Ariston,  und  welchem,  dem  Keer  oder 
dem  Chier,  beizulegen  habe,  dies  zu  untersuchen  ist  hier  nicht  meines 
Amtes.  —  Eine  Anspielung  auf  diese  Anecdote  begegnet  uns  auch  in  fV 
(C.  A.),  65  =  Vol.  Herc.  Ox.  11,  73,  wo  Philodemns  einem  Gegner  er- 
wiedert:  7tQ(iiT(x)[g]  ftlv  ov  navikg  aXX!  oX(y(i\i\  xoaryaCov(Jiv  n7i[oX]('t/.[t-]' 
xivai,  Tov  /Qovov  [ov  flg  (l]()(fi(JTov  nefiocrtjxaair  xtd  rovg  vioig  ^/rl 
tov  ttVTüiv  llyovai  öt^aaxaXoVy  tov  ^ri\u()\v. 

Vereinigt  erscheinen  die  beiden  Gegner  (Col.  9  oben  ist  Gtu  laro- 
[xXrig]  genannt,  wol  als  Typus  der  SoaorriQiog  avv^aig  und  noXiTixrj  ^h- 
voTTjg  —  arer  Xoyov  xal  n(uSf:(ug,  wie  es  bei  Plutarch,  Themistocl.  2 
heifst)  Col.  10  in  dem  Satze:  —  ro  avf.ißovXfvTix6v  €(VT[fj]g  /u^no[g,  Tov[g] 
^k  t6  öix(evix6]v .  .  xuTa  rag  «^/«[?]  I^^jihqov  o;^  ^nl  [i\uTo[i\xrig  f/fi 
[x]«l  Cf^yoct[ff^(ig]  xal  tip(o[v  äXX(jj]v  [T]f/v(ii[r]  '  xal  rovg  7j[fo)  ztrj]uo~ 
[oO-]ivr}[v]  xctl  z/rjfi(([i^r]v  ro  avußovXf:VTtx6[v\  xa\  Six(ir[ix6v\  tiifog  ix- 
n(nortjx[6Tic]g  (V)  — .  Die  dritte  Rede-Gattung  (das  ^jitötixTixor  f?(Jng)  hatten 
schon  die  Sophisten  und  Isokrates  zu  hoher  Vollkommenheit  entwickelt. 

Col.  20  behauptet  ein  Gegner  die  Nutzlosigkeit  der  Philosophie  für 
den  Staatsmann :  or  uorov,  </»?o[/'y],  ibiv  ^rjTOQiov  ilXXa  xa)  nor  T[i(]g  :ru- 


•)  Syrian.  ad  Hermogen.  in  it.  IV,  39  Walz. 

•}  Wie  gewöhnlich  der  in  diesem  Sinne  typisch  gewordene  Redner  als 
Instanz  gegen  den  Nutzen  der  Rhetorik  angeführt  ward ,  mag  Seit. 
Emp.  adv.  Mathem.  2,  16  -  p.  677,  28  Bekk.  und  Quintil.  II,  17, 
10  lehren,  sowie  was  sonst  Lhardy,  de  Demadc  21—22  zu  diesem 
Behufe  zusammengestellt  hat. 

'•)  /drifAitörig  ^Q(orrj(^f'tg  x(g  nvro"  ^t'^aaxnXog  yfyovMg  ifrj  „i6  TcSr 
*Ax)^rivaluiv"^  ffft]  „ßfjun**,  ^fLitfafrojv,  ort  i)  cTm  tmv  TiQftyjuuTüßV 
iununid  xnfdron'  Tidarjg  ao(^4,aiix^g  Si^ctoxuXiag  laxh'. 


824  Th,  Gomperz,  Die  hcrculanischcii  Rollen. 

iHi  xaToixovvTü)[v] . . .  IJ^Jw^isr  </*Xo(yo[</Y«f  T*r]^f  [yfy]6vaatr  nQli[TixoC] — , 
wogegen  in  der  folgenden  Columne  das  grofse  Beispiel  des  Ferikles  ab 
Schüler  des  Anaxagoras  in's  Feld  geführt  wird:  m[Qi\Klrig  ro(vvv,  or 
[(faai  Jftyjorarov  (?)  j'f[y]o[r^j'at  tü)\v  äilary  ^rirolQon'f  xal  l/iva^tcyoQov 
xal  [ttllanf  rivaiv  rjjxovaev  ^^[Xoaotfanf]  — ,  eine  Stelle,  deren  RestitatioB 
nur  dämm  im  wesentlichen  vor  jeder  Anfechtung  geschützt  ist,  weil  sie 
uns  nichts  neues  mittheilt.  In  Betreff  der  allhekannten,  durch  das  Zeugni» 
Plato's  (Ph«dr.  2G9  E)  gesicherten  Thatsache  hedarf  es  kaum  einer  Verwei- 
sung auf  Cic.  Orat  4,  15,  Quintil.  12,  2,  22,  Schol.  in  Plat  Phasdr.  L  L, 
wo  überall  das  Schüler -Verhältnis  des  Perikles  zu  Anaxagoras  und  jenes 
des  Demosthenes  zu  Plato  als  gleich  hckannt  und  heglaubigt  Yorausgesetzt 
und  in  Parallele  gestellt  wird. 

Col.  24  erscheinen  Demosthenes  und  Kallistratos  nrit  Themisto- 
kies  verbunden:  [J]T]fMoa9^^vTiv  x(tl  Ka[XUaTQ](tTov  xnl  9ffiKrT\oxX\^cc  xal] 
Tove  d/uofovg.  Man  vgl.  Col.  34:  rotv  neol  [Jr]]juoad^^vt}V  xat  AaJUi'[(7]r^- 
Toy,  o?  XfyovTtti  rrjv  nohrtxiiv  xexrrja&ai  dvv[a]uiv  —  vorher  gieng: 
B€fiia[To]xXi]g  xal  ITtQt[x]Xrjg  x[k]1  Ton  [xal]  vvv  ax^o[r]ffrof  toovvtm. 
Ebenso  Col. 42:  Jri^[o]ad'ivTiv  [xal  KaXXfa]TQaTov;  in  Verhindimg  mit  an- 
dern attischen  Rednern  Col.  33  unten:  Jrjfdoüd^^vrjv  x[al]  ^rxovlQy]oT 
xal  *Y[nt]Qe(^rj[v  Ttttl  K{d]XiaTQaTov  (wo  man  der  Curiositat  halber 
N  vergleichen  mag);  nur  xal  ^vxolv]nyo[v  xi€]l  /lijfda[d]riv  CoL  32  unten^ 

Dass  C^l.  32  die  Namen  Epikuros  und  Metrodoros  erscheinen, 
sei  nur  der  Vollständigkeit  halher  erwähnt,  so  wie  das  Vorkommen  des» 
Demokriteer's  Nausiphane8,desin  diesen  Rollen  mehrfach  genannten  und 
bekämpften  angeblichen  Lehrers  Epikur's  (vgl.  Diog.  Laert.  X,  7.  8. 14)  auf  Col. 
40.  Mit  dieser  Columne  beginnt  eine  Recapitulation  des  gcsammten  Inhalts 
der  Schrift,  die  bis  zum  Schluss  fortgeht  und  mit  den  Worten  eingeleitet 
wird:  —  tkcqu  roTg  «(>;|f«/o[*^]  nug  6  Xiytuv  iv  ^nf^h»]  (tt}Tü)Q  (xaXii[io\. 
Twr  ö^  l[x\xtl^^^vo}V  «[«</]«  A  «/wr  kxaaxov  vno\ui\iAvriaxt:[tv 
ni]iQaa6\}i]i&a  6 i[a  rovTtov  (?)'  T]o[Ly]aQovv  — 

Col.  44  unten  erblickt  man  (in  N)  die  Zeichen:  ^'^^fjUN^ 
Sie  sind  trotz  ihrer  Vereinzelung  vollkommen  ausreichend  um  uns  zu 
lehren,  dass  hier  ein  Brief  des  Herraarchos  citiert  oder  erwähnt  war, 
den  dieser  unter  dem  Archontat  des  Menekles  an  einen  sonst  unbekann- 
ten Theopheides  schrieb,  in  O  aber  erkennt  man,  wenn  man  die  am 
Riind  rechts  und  links  zerstreuten  Buchstaben  zusammenliest:  [E:i(]x()v{yui 
if'Tjfnv  h'  [Till]  ttsqI  (}rj[T]oQi^xfig  xal  MlrjTQn(f]o)(}og  iv  [rja/f^j  ttooito)  [jTtQ]i 
7Toi[Tjfta]T(av  xal  "E[(}fAa]Q/og  [ItiI]  MtvtxX^ovg  [(]v  t[j  nQo\g  [öf]oy*i'- 
Sriv  i[7i]i[aToXtJ\  —  eine  Citatenreihe ,  die  im  Papyrus  1674  in  ähnlicher 
Weise  wiederkehrt  und  dort  dem  Erweise  des  Satzes  dient,  dass  die  Schnl- 
häupter  die  sophistische  Rhetorik  für  eine  wirkliche  Kunst  hielten,  ein 
Ausspruch  der  befremdend  klingt,  für  den  aber  auch  der  Papyrus  1672 
und  der  weiterhin  zu  besprechende  Papyrus  1427  überreiche  Beweismittel 
enthalten.  Die  Citate  in  1674  aber  lauten,  um  mit  dem  letzten  zu  be- 
ginnen: IV  (C.  A.)  99  --  Vol.  Ox.  U,  107  (beides  ergänzt  durch  die  Dou- 


Th.  Gomperg,  Die  herculanischen  Rollen.  825 

blotte  V,  38,  wo  »eU^amer  Weise  fünf  Zeilen  zweimal  freschnebon  sind,  das 
Auge  des  Schreibers  irrte  von  rtfol  noi^fiarog  am  Schlasse  des  Satzes  ab 
zn  Ttiol  jToirjunroyv  und  er  wiederholte  die  dazwischen  liegenden  Worte) : 
xttl  MriTQO^biQog  (v  t^  nQwrn)  nfQl  noirjiiKTaiV  Ixttvtag  ioixfv  netQffjtfitf- 
VHV  t6  rfiv  aoffiaTixrjv  ^rjroQixrjv  r^;jfrj;r  v7icto/HT '  SmXsyofifToq  yao 
nnog  rirrt  rm*  nto)  7i[otrj]uaTog  avy[y]€'yQa(f{6T(ov]  — .  Wir  lernen  aus 
diesen  zwei  Stellen  den  richtigen  Titel  der  bisher  7tf(A  noiiiroiv  genann- 
ten Schrift  des  Metrodoros  kennen.  (Ich  selbst  habe  kttrzKch  bei  einer 
gelegentlichen  Erwähnung  der  Schrift  S.  724  dieser  Zeitschrift  dön  aus 
Plutarch  Mor.  1094  a  —  1339  Dübn.  bekannten  Titel  vorläufig  beibehalten.) 
Wenige  Columnen  vorher  werden  diese  Anführungen  eingeleitet  mit  den 
Worten:  (IV  [C.  A.]  93  =  Vol.  Ox.  II  101)  vvv  in*  [i]x(i7'[o]  ßtt(frCü3ufr, 
ort  T^X'^'Tjv  oi'X  Vf^ft"?  l^yo^iv  [rri\v  aorfiaTixrjv  ol  Sh  r^r  [n]r[(>]f(Try 
xriaavTfg  ^fjory  niTiiforyovaiv ^  x[«l]  t[^]v  noltTixTJv  [l]tTTOQ[(](<v  rivci  xtel 
nttQaT'^Q[Tiai]v  aiTrjaxrjf.th'rjv  ovx  ^««K  ftXXa  x«[x]f i>o(f) ,  naQa&riaofia[t, 
<f']  onov  xaX  St*  cjv  ^</>ff[/'ro]v'[r]o  ....TttiJT(tJSittatt(f(Ta^[(c]i.'6  rotwv 
^EnlxovQog  (v  [t]^  ttbqI  i[rj]g  [Srj]TOQtxfjg  oti  (aIv  dittTiXi[Z  X](ywv  t« 
SiSa[a]xttXfTa  rtav  ^rjTOQixüh  xri.  —  es  folgt  eine  mit  leichter  Mühe  her- 
zustellende aber  nicht  sehr  ergiebige  Stelle.  In  der  Mitt«  der  hier  begin- 
nenden Columne  aber  liest  man:  «AA«  ju^v  xcd  '!E(i//«[();f]o?  (ttI  Meve- 
xX^ov[g  ?y]  rivt  nQ[6]g  Bkot^^iidriv  [ini\aToXr][i\  r^r  avTri[v  ^xW]  y^'O)' 
fi[ri]v.  l4X^$[irS]o[g]  ynQ  Iv  ToTg  .  .  Qinyüy}'[oTg]  [x]reTrjyoQov[v]Tog  rtov 
^TjTOQixbSv  [ao]qc(rTMV  or*  „noXXa  ^riTovatv  «;^p»i<Trw?",  wv  ioTt  xal  ro 
TtiQi  Tjjv  Xi^tv  avTfov  nqay^ttjfvfia  xn\  ro  7T(qI  rrjv  (jur]ii/ii;v  xal  iv 
olg  i7TiC[rj]Tovat>  XiyHv  „(*  f^V  Wor[f  a]uijß^ßrjx€v  iv  xoTg  .  ,  Tnoiv*^  tiv 
^APXH.STPAYA  Srj  TTQoß^ßrjxe*^  xnl  ii^qC  Tvvm\y\  «i[>Lo)]v  — .  Ueber 
diese  wichtige  Stelle,  die  ich,  wie  man  sieht,  nicht  vollständig  herzu- 
ateUen  vermag ,  ist  aber  folgendes  zu  bemerken :  Die  Briefsammlung  des 
Hennarchos  kannten  wir  bisher  nur  ans  einem  Citat  b^i  Diogenes 
(10,  15)  '*);  jetzt  erfahren  wir,  dass  auch  seine  Briefe  gleich  jenen  Epi- 
kur's  nach  Jahrgängen  geordnet  waren  (ich  werde  die  mit  dem  Namen 
eines  Archen  Eponymos  versehenen  Citate  aus  letzteren  —  ich  kenne  etwa 
ein  Dutzend  —  bei  der  Besprechung  von  Nummer  6)  zusammenstellen) 
und  gewinnen  eine  neue  Bestätigung  für  den  Eponjrmos  Men ekles.  Diesen 
kennt  man  seit  wenigen  Jahren  aus  einer,  von  Kirchhoff  im  Philo- 
logus  XII  743  ff.  und  XIII  206  -  207  besprochenen,  attischen  Urkunde,  deren 
Abfassung  dieser  Gelehrte  eben  des  neuen  in  ihr  erwähnten  Archen  Epo- 
nymos wegen  „nach  Ol.  122,  1  aber  vor  Ol.  129,  3"  ansetzt,  letzteres  aus 
Wahrscheinlichkeitsgründen  die  Eustratiades  in  einer  dort  angeführten  mir 
unzugänglichen  Abhandlung  entwickelt.  Da  auch  dieser  äuflserste  terminus 
ad  quem  nur  neun  Jahre  nach  dem  Tode  Epikur's  (OL  127,  2)  fallt  und 


")  Dass  eben  diese  Sammlung  das  Verzeichnig  der  Schriften  des  Her- 
marchos  bei  Diogen.  Laert.  (10,  25J  eröffne  und  von  dem  folgenden : 
7rf(>l  *E/j7TtSoxX7ovg  (fxoat  xa\  6vo  zu  trennen  sei  (man  las  bisher 
^EniöToUxa  hsqI  *E/li  mSoxXiovg  xri.),  ist  eine  überaus  ansprechende 
Vermuthung  von  Bernays  in  seinem  jüngst  erschienenen  schönen 
Buche:  Theophrastos'  Schrift  über  Frömmigkeit  S.  139—140. 


826  Th.  Gomperz,  Die  herculanischeii  Rollen. 

es  keineswegs  unwahrscheinlich  ist,  dass  der  Schüler  den  Meister  so  lan^ 
überlebt  liabe.  so  bietet  der  Umstand,  dass  Hermarchos  in  dem  AmtHJahr 
jeues  Eponymos  einen  Brief  schrieb,  -für  die  Zeitbestimmung  des  letzteren 
Jceinön  Anhaltspunct.  Galt  aber  —  wie  nicht  eben  unwahrscheinlich  ^-  das 
in  jenem  Briefe  enthaltene  Citat  einer  kurz  vorher  aufgeführten  Konicedie 
dos  Alexis,  so  könnte  man  wol  versucht  sein,  den  Archonten  Menekles 
^n  Ol.  122,  1  nahe  heranzurücken.  Doch  ist  die  Chronologie  des  Alexi» 
mit  ihrem  Ausgangspunct,  der  angeblichen  Zerstörung  von  Thurii  Ol.  97  3 
(Moinoke,  H.  er.  com.  gr.  375—6  und  Clinton,  F.  fl.ed.  Kr.  l«ö— 6)  viel 
rzu  unsicher  (vgl.  Diodor  XV,  7.  XVI,  15  und  die  Belege  bei  Smith,  Dict 
of  Anc.  Geogr.)  und  nöthigt  ihre  Durchführung  zu  viel  zu  gewaltsamen 
Annahmen  (gleich  jenen  Droysen's  in  Zeitschrift  für  Alterthumsw.  X.  F. 
I  55  ff )  als  dass  es  gerathen  wäre  auf  so  schwankender  Grundlage  fort- 
Äubauen.  —  Ob  der  Titel  der  Komcedie  „[/TfJ^M^ywyo/"  oder  „[Mr]Qictyvjyti'^ 
(sc.  nlol«  oder  rneufft},  Schiffe  von  tausend  Lasten)  oder  anders  lautete 
steht  dahin.  Mit  dem  Paroemiacus  „noXlä  Cr^Tovatv  tiyortürtai**  vergleiche 
man  Alexis,  'Okvv^(a  I,  v.  16  (^Qvy/ag  fVQtifAara  avx^g)  bei  Meineke  HI, 
456.  Einen  zweiten  Paroemiacus  scheinen  die  mir  unverständlichen  Zeichen 
und  Worte :  a();(r]aT(}(c(va)<^rj  7iQoß^ßrj(xe)  zu  enthalten  (die  eingeklammer- 
ten Buchstaben  fehlen  in  A^)  Auch  dem  Trimeter  ist  durch  die  Verstüm- 
melung des  letzten  Wortes  die  Spitze  abgebrochen;  der  Sinn  ist  wol  zwei- 
fellos: „die  Rhetoren  bemühen  sich  Dinge  auszudrücken,  die  sich  niemals 
ereignet  haben  oder  ereignen  können."  Statt  des  erwarteten  —  avfjß^ßtjxsv 
h'  dv(hmjioeg  trat  gewiss  eine  spasshafte  Wendung  ein,  h  Torg  [yv]7if(nv 
(statt  yvijjir)   kann  man  einem  Komiker  wol  nicht  zutmuen  '*). 

Col.  48  unten  entspricht  dem  Anfang  der  Doublette  (vgl.  S.  817), 
auf  deren  Titelblatt  das  Wort  v7iofATr]^axi,x6v  unlesbar  geworden  ist;  als 
Zeilenzahl  erscheint  in  iV:  XE,  in  O  hingegen:  XXX,  wonach  wol  noch  ein 
X  und  einige  H  verschwunden  sind ,  denn  da  der  Inhalt  von  acht  Z«3ilen 
des  P.  1426  nur  fünf  Zeilen  des  P.  1506  einnimmt  (mau  vgl.  die  beiden 
Schlusscolumnen) ,  so  muss  die  Gesaramtzahl  eine  gröfsere  und  kann  un- 
■löglich  eine  geringere  gewessn  sein.  Ich  lasse  den  III  (C.  A)  Col.  56 
med.  =-  IV  (C.  P.j  Col.  12  med.  beginnenden  Schlussabschnitt  hier  fol- 
gen '^).  Die  Abweichungen  von  dem  Texte,  den  Herr  Scotti  im  Jahre  1832 
veröffentlicht  hat,  namhaft  zu  nmchen  und  zu  erörtern,  würde  mich  zu 
weit  fuhren  und  ebenso  wenig  kann  ich  dem  Leser  den,  diesmal  aus  vier 
Abschriften  bestehenden,  kritischen  Apparat  vorlegen,  der  meiner  Textes- 
Recension  zu  Grunde  liegt. 


•*)  N  zeigt:  OMH\ BEBHKENENTOrZ  \  . . .  ZIN 

O  hingegen:  OMHOTOYM.BEBlIKENENTOril   HEZIN 

'^)  Aus  dem  vorhergehenden  sei  nur  ein  Bruchstück  des  Rhetors  Anaii- 
menes  von  Lampsakos  angeführt,  weil  es  in  Sauppe's  Frag- 
mcntsammlung  (Or.  att.  H  320  -  321)  vermisst  und  durch  den  Papyr. 
1506  zugleich  berichtigt  und  ergänzt  wird:  III  (C.  A.)  C.  49  =»  IV 
(C.  P.)  C.  2:  OTiiv  J^  l^yMOiv,  [u}]a/ifQ  l4[ra:]$tu^vr}g,  a>g  ovx  nv 
noTf  7TQoat}(^t.y[f]aar  roi\'   ^fiTooixoii  noyvQior   oiif(r[r](i  */  u^  ?o 


77r.  Gompere,  Die  hercuUnischen  E^Jllen.  817 

Ovxom\  int)  xu)  tuvtk  r^»  ai'Vi/ovarjs  int4(}o\ju]rji  ritivyj,  hn- 
nov  (*r  ttri  dutkitßiiv  i7iiiv[o]  ro  fiiQogy  ti  6  ^i^twq  ivExa  ^rjTOMxi}^'  nytt" 
&6g  UV  yh'oiTo  noXfiTixog.  rov  ft^v  rolvw  SvaxQißixov  ^-^roga  nmg 
iiv  Xiyotfjfv  xa'^oaov  (S/jrwp  ttyaxkov  liv  yfv^a&ai  TtoXftTixov^  og  ye  ovd* 
Sla}g  nokfnixng  evotaxfro  xtcO-oaov  ()j]TO)q;  vttIq  J^  »"[or»]  jroXtiTixov  /J/j- 
Tooog  ünJ[f]  Jnxif^iü^ofjfv  dnoifaiviaOtu'Ttjg  (iya&6[v\  7JoktiT[i]x6[v  <F]*«- 
Xixrov  7ioox[fl]Q(i)[g  ö]riXovarig  ^h  *[«i]  t6[v]  ^wutov  TToXnrixov  xccl 
yivvt'Xtig  ta7ifi[n]ov,  ^rjXovatjg  J^  xicl  [t]6v  anov^uTov  Tolg  i]&i[(i]i  /lo- 
X€iTt.x6v,  x«r«  \f^]^v  t6  nooTfttov  dixxov  xaOo  (^rJTtoQ  dyaff-ov  aurov 
iptt/jfv  tivttt  noXirixoVy  &(f7it{i  xov  nvXrixtiv  xov  xixvefxrjv  xtty)-6a[o]v  av~ 
Xrjxrlg  xt^vi^xr^v  X^youfv  avXrjxi^v,  ovxttjg  cT^  xn)  nyttO^ov  ttvXrjxi^v.  xaxä 
Sk  x6  ^evxfQor  ^ixx[6]v  ovx  i[7i]c[ar)]fjniy6fit[9tt]  X^ynVf  xa&6  ^'}X(oq 
aya&ov  nv  yivia&at  noXH[xi]x6v  xov  ^qroQtt.  tiqwxov  fikv  j^kj?  xttxa 
[xriv  (\fM7fHQ(ttv  xwv  n6X((og  TTOtoüv  ai\u(f(Q6vx(av  vofixai  xal  Xoyov  duvd' 
fiitog  xadti7T€Q  tttXQog  xnxa  xrjv  itav  voOiQtüV  xal  vy[i\Hrwv.  idv  ovv 
ravx*  [?;|fj?],  xdv  OTroioadtJlirox*  y  x]ovg  TQorrovg,  ov  x[a}X]vixac  (ji^xo)Q 
vTUtQ/fi-Vy  xo  J'  avxo  xal  inl  xo[l]  fjrj  ^i]xoi}og  noXfixixov  J^  utt«- 
xo[v]ax^ov' ([x]ct)Xvt[xo]  <f*  «r,  d  xai^o  ^rj]x(oo  dyafkog  (tfpfiXfv  flrat.  x6 
yuQ  xa^o  (5»;'rw()  ovx  uXXo  xi.  Xaußdysxai  vvv  rj  t6  a[vv]  xovxoj  ^r^xü)[Q\ 
iaxl  xal  dno  Trjg  «it^?  (fw&iatütg  xal  ovx  (t[XX](tjg  övvaxat  ^i^xwq  vndo' 
;if<M',  f/Li  fiiao)  xf  [7Ti<]atv  fari  xtf^tvov,  ^loxt  7rd/LinoXXot  (irjxo(}6g  fiiv 
fiat  duvaxtaxaxoi  xo)  cT*  rjO-ei  naunovriQoi,  x6  dl  xa&6  xoiovxoy  xi  iaxl 
TTQoaov  ovx  fjndix^xat  x^jqiö^uov.  od-iv  J^  xal  diu  x6  xav^  ovrcog  f^itv 
ovdk  /p»?ff''w»?v  ^yovfji&a  xr^v  TtoXuxtxrjv  J/rpauiv  ovx*  avxoTg  xotg  xixxtf' 
fLiivoig  ovxf  X€ug  noXtaiv  avxriv  xaO-'  avxriv^  dXXd  noXXdxig  aixlav  xal 
avfifpOQWV  dvrjxiaxttiv,  y  X/ytrat  noXXdxig  afxiov  x6  J*[J]6r  dtfOQfidg. 
[fJii\xd  ^ivfot  xaXoxdyaiXag  Xujj ßavou ^r[r}]r  [x]aTg  fih  noXiaiv  dyad^ 
noXXd  avfjßdXXtaf>at  xal  fnydXa,  xoTg  dl  xfxrrjit^rot^g  ^aTi[v]  oxt  [7r]Xe(to 
xm'  (v  id[i](üxtf(f  TToXXdxtg  dl  x[ax]d  7TXff[o)],  xal  xovxoig  avxov  ofo- 
fif[^]a  xov  ßiov  uaQTVQfiv.  xal  vrj  xov  zU\  dv  xtg  oig  iXnafiiv  7i[Q\oa' 
ßdXXcjv  Xiyij,  dtiv  rar  dya[^o\v  tioXhxixov  noXXdg  ^X^i'V  aQExdg  xal  Gut- 
^ü[9'ai]  xdg  noXetg  o[r]/  vno  Tc5r  drixoQtrv  [rj]  noXuxix^v  dXX*  vno 
ttov  dyaO^biVy  6Q&üig  f[fi]fr.  xaXov  filv  ovv  yivotx*  uv  [(]l  xal  <f>tXoao(p(if 
j^oQtvait-fv  6  TioXtix^xog^  tva  xal  vsavtxbJX^QOjg  dyad-og  i|,  xal  did 
xovxo  X^yoftev  [o]ti  (fiXoao(ffai  xal  xot-vöig  nooaxt&iTaa  JioXtmx^  diU' 
d-ioH  xal  xaxd  fnioog  vnoO^rjxag  TTQoaf/ttg  rj  noXeiTixj  diotxijaei  naga- 
dovaa  dta(fO()dv  ovQavofjirjxrj  norjaO'  nQoq  x6  XQfTxxov.  ov  //r)y  dXXa 
yivon*  dv  dya&og  (jt'jXtoQ  xal  noXtixtxog  xal  noXXriv  r^y  tag  iv  iduo- 
xaig  ej^arv  Inufxeutv  xal  XQ-rjaroTTiTa  xal  xrjv  dXXrjv  fjuxQionad^Cav  xe  xal 
if'Qovriaiv  (X  Xf  xijg  (fvOftog  xal  Xfjg  dyoiy}'rjg  xal  xfjg  uxoXovd^[ov]  xovxotg 
dy/tvoiag.  ^^ 


10 


15 


20 


25 


80 


35 


driiiriy[oQ]fTv  xal  dixoXoyitv  [dno  x^g]  x^x^rjg  avrwv  [niQu]y(vtxo  — . 
Auf  Oig  folgt  in  1506  ör*,  nur  eines  von  beiden  ist  möglich;  über 
dem  zweiten  o  in  nQoar^ioav  ist  in  1506  0.  noch  ein  C  zu  sehen, 
ohne  Zweifel  das  vorangehende,  in  den  anderen  Abschriften  feh- 
fende  E.  —  Aehnlich  behandelt,  wie  ich  nachtraglich  sehe,  die  Stelle 
üsenor,  Quaestiones  Anaiimeneae  29. 


828  r/i.  Gomperz,  Die  herculanischen  Rollen. 

3  noXstTixog:  in  1506,  an  den  wenigen  Stellen  an  denen  das  Wort 
erhalten  ist,  immer  noXirixog  geschrieben.  |  SutTQ^ßixov  (S^roo« :  axoXnan- 
[x6v  ^riTo]Qa  oder  [aW]^«  1506,  eine  Variante,  welche  gleich  eini- 
gen anderen  zeigt,  dass  die  beiden  Exemplare  zwei  yerschie- 
dene  Ausgaben  der  Schrift  darstellen.  8  Die  schlechte  Schreibung 
ytvvixüig  ist  bei  Philodem  vielleicht  nicht  anzutasten.  9  dixrov,  hier  und 
12  „acception  du  terme",  eine  sonst  nicht  nachgewiesene  aber  durch  den 
Gebrauch  von  ^i/ta^at.  —  intellegere,  interpretari  (auch  bei  Philodem  '*), 
^exräog  *  intellcgendus  sowie  durch  die  Analogie  von  accipio  erklärliche 
Bedeutung.  An  das  iexrov  der  Stoiker  ist  wol  nicht  zu  denken.  14  noioiv 
(gen.  plur.  von  jio^ov)  hat  die  Gewähr  dreier  Abschriften,  (in  löOG  X 
[Col.  57  oben]  sind  acht  Zeilen,  von  denen  Reste  in  O  erhalten  sind, 
völlig  verschwunden),  ist  mir  aber  nicht  wohl  verständlich.  Die  Schrei- 
bung des  italienischen  Herausgebers  raiv  noXu  tag  not  tSv  avfKfiQovrtar 
entstammt  wol  einer  Reminiscenz  des  Gedächtnisverses:  Quis?  quid?  ubi? 
quibus  auiiliis?  etc.  19  vuv:  xoixo  [v\uv  lo06  |  a[vv\  xovxf^:  vgL  n, 
atjfi.  X.  arjfjiuoa,  Col.  33,  33  ff.  31  jiolXag:  hier  beginnt  die  Schluss- 
colurone  in  1506  (58  iV),  die  für  die  beispiellose  Unzuverlässigkeit  dieser 
Neapolitaner  Abschrift  manchen  entscheidenden  Beleg  liefert.  So  ist  statt 
uyaO-6[g]  M  älXog  geschrieben,  aus  den  Resten  von  [tov]to  [X]iyo[ut7']  35: 
noXtig  geworden,  aus  [6]ia(po^v  ov[Qa]vo[juiixr]]  37:  fiXXtav .  ayovaav ^  aus 
t[rig]  dxoXov[d<iv]  40:  ,,xttx6}g  v — !  40  (fvoftog:  es  war  ursprünglich  im 
Papyrus  1506  q>Qdaetog  geschrieben,  dies  ist  aber,  wie  O  zeigt  (wo  A 
durchstrichen,  P  zu  Y  verbessert  ist),  nachträglich  berichtigt  worden.  4l 
ayxivo(ag  bieten  nur  die  zwei  Abschriften  von  1426;  in  1506  {N  und  0) 
liest  man  avotag,  was  freilich  nur  die  ävout  für  richtig  halten  könnte. 

Wien.  Th.  Gomperz. 


'^)  Z.  B.  niQl  TTOtrjfiaTtov  Col.  X  Dübn. :  rirag  dxovoiTttg  xal  elya- 
&ovg  avXTjrag  \lßiyHV'  o  TiQog  t6  itu<(^^Qftv  tov  (v  noirOthtrc  tov 
dyaS'Ov  ttoitjtov  ö^yofxat,-  aXy  dnoö^^HXTtti.  —  ein  Satz,  dessen 
Verständnis  vielleicht  nicht  beeinträchtigt  wird,  wenn  wir  ihm  die 
folgende  Fassung  geben  :^  (H  C.  A.  169  =  II  Vol.  Ox.  125)  —  xal 
[ro]  Ttvug  tt\vXovv\Tttg  [ev\  d[)'ci]d^ovg  avXrirVng  6\vx  i'iv[iu\  HQog  to 
iia(f>^Q€iv  TOV  hv]  notovvia  tov  dyad^o\v\  noiriTo[v\  d\i^\o^ah 
dvTaino6td[6o^ai>  — 


Zweite  Abtheilung. 


Literarische  Anzeigen. 


Ausgewählte  Tragödien  des  Euripides.  Erklärt  von  F.  G.  Schöne. 
Zweites  Bändchen:  Iphi^enia  in  Taurien.  Zweite  Auflage,  bearbeitet 
von  H.  Köcbly.  Berlin,  Weidmann,  1863.  48  u.  175  S.  8.  —  14  Sgr. 

Emendcdionum  in  Euripidis  Iphigeniam  Tauricam  pars  L 
1800  (19  S.  4.).  II.  1860  (16  S.  4.).  Hl.  1861  (24  S.  4.).  IV.  1861 
(23  S.  4.).  V.  1862  (19  S.  4.).  Zürich,  Meyer  u.  ZeUer.  -  1  Thlr.  12  Sgr. 


Ref.  hat  vor  kurzem  in  einer  Abhandlung,  die  im  2.  Bande  der 
^Symbola  philologomm  Bonnensium  in  honorem  Friderici  Ritschelii  col- 
lecta"  (S.  647—666)  enthalten  ist,  die  von  Herrn  Köchly  bearbeitete  Aus- 
gabe der  taurischen  Iphigeneia  als  eine  „arg  interpolierte**  bezeichnet  Mit 
dieser  Bezeichnung  ist  jene  Eigenthümlichkeit  angegeben,  welche  haupt- 
sachlich Herrn  Köchly's  Arbeit  charakterisiert  und  durch  welche  sich  diese 
Ausgabe  in  auffallender  Weise  von  allen  bisherigen  unterscheidet.  Herr  K. 
ist  in  gleich  hohem  Grade  kühn  in  der  Annahme  von  Comiptelen,  wie  er 
bei  der  Heilung  von  wirklich  oder  vermeintlich  corrupten  Stellen  gewaltsam 
zu  Werke  geht  und  sich  einer  unbegreiflichen  Zuversicht  über  den  Werth 
seiner  Conjecturen  hingibt.  Aber  nicht  blofs  unnöthig  oder  gewaltsam  sind 
seine  Conjecturen,  sondern  viele  derselben  sind  auch  so  beschaffen,  dass  sie 
als  Corruptionen  bezeichnet  werden  müssen,  welche  auf  Nichtbeachtung 
des  griechischen  Sprachgebrauches  oder  auf  ungenügendem  Verständnia 
der  handschriftlichen  üeberlieferung  beruhen.  Die  geehrten  Leser  dieser 
iZeitschrift  werden  eine  etwas  ausführlichere  und  eingehendere  Begründung 
des  im  vorstehenden  ausgesprochenen  ürtheils  gerechtfertigt  finden.  Pür'a 
erste  bedarf  Ja  ein  ungünstiges  ürtheil  —  und  vollends  ein  in  solchem 
Grade  ungünstiges  —  immer  einer  eingehenderen  Begründung,  als  ein 
günstiges,  wienn  anders  das  Referat  nicht  Gefahr  laufen  soll  für  ein  bloftes^ 
Absprechen  über  ein  Werk  angesehen  zu  werden.  Femer  ist  eine  ausführ- 
lichere Anzeige  der  vorliegenden  Ausgabe,  bei  welcher  natürlich  auch  auf 
die  „Emendationum  in  Eur.  Iph.  Taur.  partt.  V"  desselben  Verfassers  Rück- 
sicht genommen  werden  muss,  auch  deshalb  zweckmäfsig,  weil  eine  solche 
Misachtung  der  handschriftlichen  Autorität,  eine  solche  Vernachlässigung 
der  Grundsätze,  von  denen  sich  der  Kritiker  leiten  lassen  muss,  bei  keinem 
anderen  Gelehrten,  wenigstens  bei  keinem  anderen  Bearbeiter  des  Euripides, 

Zeltnohrift  l  d.  Ostcrr.  Uymn.  ISCS.  XI.  Hf  tt.  ü6 


H80  Kurip.  Iph.  T.,  ?.  H.  Köchly,  ang.  v.  J.  Kvicala. 

sich  findet.  Heim  Köchly's  Ausgabe  ist  ein  klares  Beispiel,  auf  welche  Ab- 
wege die  Kritik  geräth,  wenn  sie  vergisst,  dass  znerst  eine  besonnene 
Prüfung  der  handschriftlichen  üeberlieferung  stattfinden  muss,  welche 
häufig  zur  Achtung  der  üeberlieferung  führt,  während  eine  oberflächliche 
Betrachtung  der  üeberlieferung  häufig  irrthümlicher  Weise  zur  Verachtung 
derselben  verleitet,  wenn  sie  ferner  vergisst,  dass  man  an  entschieden  cor- 
rupten  Stellen  in  der  Aufstellung  eigener  oder  Annahme  fremder  Ver- 
muthungen  sehr  an  sich  halten  muss  und  nicht  den  ersten  besten  Einfall 
für  eine  Emendation  halten  darl 

Herr  K.  hat  sich  über  die  Grundsätze,  die  ihn  bei  der  Kritik  ge- 
leitet haben,  im  Vorworte  der  Ausgabe  nicht  ausgesprochen.  Er  „hatte 
zwar  die  Absicht  gehabt,  in  diesem  Vorworte  sich  über  die  Grandsätze 
auszusprechen,  nach  welchen  er  die  Euripidesaasgabe  von  Schöne  in  Bezog 
auf  Texteskritik,  Commentar  und  Einleitung  zu  bearbeiten  und  fortzusetzen 
begonnen  hatte;  schlierslich  aber  überwog  seine  Abneigung  gegen  der- 
gleichen theoretische  Auseinandersetzungen"  (Vorwort,  S.  V).  Ebensowenig 
änftert  sich  Herr  K.  in  den  „Emendationes**  über  seine  kritischen  Grund- 
s&tze.  Doch  verspricht  er  im  Vorwort  der  Ausgabe:  «Sollte  eine  Darstel- 
lang  dieser  Grundsätze  noch  nothwendig  oder  wünschenswerth  erscheinen, 
00  wird  dazu  das  Vorwort  zur  Medeia  Gelegenheit  bieten,  welche  zunächst 
auf  die  Iphigeneia  folgen  soll".  Wahrscheinlich  wird  Herr  K,  nachdem  er 
bereits  von  anderer  Seite  aufmerksam  gemacht  worden  ist,  dass  eine  solche 
Darstellung,  namentlich  der  Grundsätze  in  Betreff  der  Texteskritik,  wün- 
schenswerth sei,  dieselbe  zu  liefern  nicht  verabsäumen.  Vorläufig  aber  muss 
Ref.  im  Hinblick  anf  die  Resultate,  welche  die  Prüfung  der  von  Herrn 
K.  aufgestellten  Cc>njecturen  ergeben  hat,  die  Ueberzeugung  aussprechen, 
dass  Hr.  K.  im  ganzen  und  grofsen  von  keinen  festen,  d.  i.  allgemein  an- 
erkannten, kritischen  Grundsätzen  sich  hat  leiten  lassen,  dass  er  vielmehr 
bei  seinen  kritischen  Bestrebungen  eine  offenkundige  Misachtung  der  all- 
gemein anerkannten  Grundsätze  der  Kritik  zeigt. 

1.  Bekanntlich  hat  der  Kritiker,  wenn  er  eine  Stelle  für  corrupt 
erklärt,  sichere  Beweise  der  Corruptel  anzuführen.  Herr  K.  dagegen  lässt 
oft,  ohne  eine  gründliche  Prüfung  anzustellen,  durch  seinen  subjectiven 
Geschmack  zur  Annahme  von  Corruptelen,  Interpolationen  und  Transposi- 
tionen sich  verleiten.  So  tilgt  er  z.  B.  V.  59.  60  als  unecht,  während  sich 
evident  darthun  lässt,  dass  diese  Verse  nothwendig  sind,  wofür  Ref.  im 
2.  Hefte  der  Beiträge  zur  taur.  Iph.,  welches  er  zum  Drucke  vorbereitet, 
den  Beweis  führen  wird  ').  V.  105  t6v  tov  &(oü  ^k  XdV^f^^^  °^  xaxiariov 
erklärt  Herr  K.  im  Commentar  ganz  richtig;  aber  im  kritischen  Anhang 
sagt  er:  „Vielleicht  &eov  cT^  /orjof^ov  ov  xaxov  vojuiaT^ov*^y  ohne  sich 
durch  die  Kühnheit  und  auTserordentliche  Ünwahrscheinlichkeit  dieser  Con- 

')  Ueberhaupt  bemerkt  Ref.,  dass  er  für  alle  die  Puncto,  die  in  dieser 
Anzeige  nicht  bewiesen  oder  nicht  vollständig  bewiesen  werden,  in 
diesem  zweiten  Hefte  den  Beweis  liefern  wird,  falls  er  ihn  nicht 
schon  bei  anderer  Gelegenheit  geliefert  hat.  Auch  sonst  wird  Ret 
bei  dieser  Nachleso  Veranlassung  haben,  auf  Herrn  EL 's  Leistungen 
Rücksicht  zu  nehmen. 


Eurip.  Iph.,  T..  v.  H,  Köchly,  aiig.  v.  J.  Kvicaia.  SH 

jectur  von  ihrer  Veröffentlichung  abhalten  zu  lassen.  Im  V.  219  verwirft 
er  das  handschriftliohe  dvax6Qtovg,  weil  er  nicht  znr  richtigen  Auffassung 
desselben  gelangt  ist.  Ebenso  nngerechtfeitigt  ist  die  Annahme,  Xoyov  im 
V.  240  (Herr  K.  schreibt  yoov)  und  ovou  im  V.  246  (Herr  K.  setzt,  ohne 
die  für  ovofi  sprechenden  Gründe  zu  würdigen,  das  unmögliche  oxnf*^ 
in  den  Text)  seien  corrupt.  Und  so  noch  sonst  oft. 

2.  Hat  der  Kritiker  die  Verderbtheit  einer  Stelle  erkannt  und  be- 
wiesen, so  muss  er  bekanntlich,  wenn  er  einen  Emendationsvorschlag  auf*- 
stellt,  entweder  die  Evidenz  oder  doch  wenigstens  die  Wahrscheinlich- 
keit desselben  darzuthun  suchen.  Herr  K.  dagegen  verf&hrt  bei  der  Be- 
handlung von  wirklich  oder  auch  nur  vermeintlich  corrupten  Stellen  ge- 
wöhnlich so,  dass  er  eine  Vermuthung,  die  im  günstigsten  Falle  nur  ein« 
Möglichkeit  unter  anderen  ist,  als  Emendation  entschieden  hinstellt  und 
meist  sofort  in  den  Text  aufnimmt  Die  Begründang  ist  bei  Herrn  K.  in 
der  Regel  eine  unzulängliche  und  leicht  zu  widerlegende;  Zuversichtlich- 
lichkeit  und  Entschiedenheit  der  Behauptung  und  Derbheit  in  der  Be- 
kämpfung fremder  Ansichten  vertreten  meist  die  Stelle  einer  wissenschaft- 
lichen Begründung.  Sehen  wir  z.  B.  wie  die  Aenderuug  im  V.  912  und  943 
befürwortet  wird.  Im  V.  912  bietet  B  ovöiv  ^'  inCax^  V  ovJ*  aTioariiaet 
Xoyov,  Herr  K.  fertigt  nun  zuerst  die  Vermuthungen  anderer  Kritiker  kurz 
und  oberflächlich  ab  ^)  —  auf  eine  wissenschaftliche  Widerlegung  fremder 
Ansichten  lässt  er  sich  überhaupt  selten  ein  und  wo  er  sich  auf  eine 
solche  einlässt,  sind  seine  Gründe  meist  unstatthaft  —  und  fährt  dann 
fort:  »Et  longe  alio  ducit  tragici  sermonis  diligens  observatio.  In  quo 
sermone  si  quis  festinantiorem  alterius  aut  in  dicendo  aut  in  agendo  ardorem 
quacunque  de  causa  reprimere  vult,  responsi  initio  inCaxig  pronuntiare 
solet,  quem  sollemnem  imperativum  hie  quoque  in  librorum  in(axn  latere 
bi  loci  ostendnnt".  Nun  werden  aus  Euripides  neun  Stellen  angeführt,  an 
denen  intaxes  oder  InCaxin  sich  findet,  und  hierauf  wird  folgende  ver- 
wegene Conjectur  aufgestellt:  infaxfS'  ovöky  yd()  fi  dnoatr^an  Xoyov, 
Also  weil  Euripides  an  neun  Stellen  intaxfs  oder  iit(ax€T€  gebraucht  hat, 
80  hält  sich  Herr  K.  für  berechtigt,  auch  hier  mit  einer  unerhörten  Cumu- 
lation  von  Aenderungen  (Umstellung  von  ovJ^v  und  ^',  Tilgung  von  / 
und  oi5<r,  Einschiebung  von  ydg)  iiriaxeg  in  den  Text  zu  bringen.  Dieser 
Schluss  (wenn  man  ihn  so  nennen  darf)  wäre  nur  dann  begründet,  wenn 
es  erwiesen  wäre,  dass  Euripides  nicht  die  Möglichkeit  oder  Geschicklich- 
keit hatte,  das  Verbum  in^x^iv  anders  als  gerade  nur  in  der  Form  inCaxt^ 
anzubringen. 


*)  Es  finden  sich  in  dieser  Abfertigung  (Emend.  V,  d.  14),  wie  über- 
haupt fast  auf  jeder  Seite  der  Ehnendationes ,  erhebliche  Unrichtig- 
keiten. So  sagt  Herr  K.  z.  B.  von  Hermann's  Vorschlag :  „magno^re 
vereor  no  (Hermannus)  scribendo  ov6iv  fJi^  fin  oxj  y  ov^  dnoarriau 
Xoyov  non  tam  „rarius  dicendi  genus**,  sed  prorsus  soloecum 
intulerit,  quamquam  id  etiam  Schoenius  secure  recepit".  Wie  sonder- 
bar! Herr  K.,  der  oft,  wie  sich  nachweisen  lässt,  den  griechischen 
Sprachgebrauch  nicht  beachtet  hat,  wirft  dem-unübertroffenen  Kenner 
der  Qräcität  einen  vollständigen  Solöcismus  vor.  Worin  soll  dieser 
Solöcismus  liegen? 

56* 


838  Eurip.  Iph.  T.,  v.  H.  KöcUy,  ang.  v.  J.  Kvicala, 

Im  V.  940  f.  erzählt  Orestes: 

iTitt  T«  jurjTQog  tav&*  «  atyäifjiiv  xaxd 

filitwo/Aead-tt  (fvydStg,  tvrhiv  fuoi  tioJ« 
lig  Tiig  140-^vag  tfi;  y*  ^irejuipe  Ao^fag, 
dixriv  nttocta^ftv  roTg  dvojvv/notg  ^fciig. 
Herr  K.  nun  schreibt  lar'  i/u6v  ttoJ«  {Ifiov  nach  Elmslej);^^!}««; 
l^.'^ijvaff  eiainifiilfi  Ao^tag,  Wir  wollen  von  der  Unwahrscheinlichkeit, 
welche  abermals  diese  Häufung  von  Aenderungen  hat,  absehen  und  nur 
betrachten,  wie  die  Vennuthung  /(irjaag  begründet  wird.  „Accedit  aliud, 
quod  ut  alibi  ita  hie  quoque  in  perpetuae  narrationis  initio  ipsum  diserte 
nominari  oraculum  desideramus.  Quare  non  dubitandum,  quin  Euripides 
ut  supra  V.  77  not  u  nv  Tr]v&*  ig  (tQxt'v  rjynyfg  yQYfaag  ita  hie  dicentem 
fecerit  Orestem :  Inr*  i^ov  noSu  /Qrjaug  Ud-rjvag  itaiTTfuipi  Ao^tag**"  (Emcnd. 
1,  18j.  Ausser  dem  ;^()»i<y«?  im  V.  77,  welches  die  Hauptstütze  dieser  Con- 
jectur  ist,  fuhrt  dann  Herr  K.  noch  971  ff.  an,  in  welcher  Partie  als  beweis- 
kräftige Analogien  durch  den  Druck  hervorgehoben  werden  V.  973  (^'w^- 
ig  liyvdv  rjXO-ov  av  4>o(ßov  n^^ov)  und  977  f.  imuS-tv  av^rjv  rglno- 
Sog  Ix  ;(Qvaov  Xax(av  'PoTßog  fi'  ^ntuxpi  SfvQO.  Welch'  dürftige  und 
aufserdem  verkehrte  Argumentation!  Weil  Euripides  V.  77  XQ^oag  un«l 
V.  977  einen  ähnlichen  Ausdruck  gebraucht  hat,  so  soll  auch  hier  XQ^^"^ 
angebracht  werden!  Wie  konnte  Herr  K.  übersehen,  dass  an  jenen  beiden 
Stellen  die  Ankunft  des  Orestes  bei  Apollon's  Orakel  ausdrücklich  erwähnt 
wird  (82  iX&wv  cT^  a'  i]Q<i)Trjact,  972  fcjg  fg  ayvov  ^X&ov  av  4>o(ßov  n^tfov)? 
Und  muss  man  nicht  entschieden  behaupten,  dass  Euripides,  wenn  er  auch 
an  unserer  Stelle  von  einem  Orakelspruch  hätte  reden  und  die  Ankunft 
des  Orestes  in  Athen  als  Ausfluss  eines  speciellon  und  unmittelbar  voraus- 
gegangenen xQ'if'^f^og  Apollon's  hätte  hinstellen  wollen,  unzweifelhaft  in 
dieser  ausführlichen  Erzählung  dem  Orestes  die  ausdrückliche  Aeufse- 
rung  in  den  Mund  gelegt  haben  würde,  er  sei  nach  Delphi  gegangen  und 
habe  eine  Weisung  von  Phoibos  verlangt,  worauf  ihn  dieser  nach  Athen 
geschickt  habe?  Und  womit  begründet  denn  Herr  K.  seine  Annahme, 
Orestes  habe  drei  Orakel  von  Apollon  erhalten?  Er  begründet  sie  gar 
nicht'),  sondern  stellt  nur  in  seiner  Ausgabe  zu  V.  78  ff.  die  Behauptung 
hin:  „Es  war  das  dritte*)  Orakel,  welches  Orestes  von  Apollon  erhielt. 
Das  erste  hatte  ihm  geboten,  des  Vaters  Tod ...  zu  rächen.  Das  zweite 
wies  ihn  an,  sich  vor  dem  Athenischen  Gerichtshof  des  Areopag  gegen 
die  Erinnyen  (sie!)*)  zu  verantworten:   s.  V.  941  ff.   Als  aber  trotz  der 


*)  Die  Hinweisung  auf  V.  972  eü)g  ig  ayvov  ^l&ov  a  v  4>o(ßov  niSov 
ist  nur  ein  öcheingrund :  dies  nv  bezieht  sich  gerade  so  wie  V.  77 
Tiol  u  av  Trjv^'  ig  uqxvv  i^ytty^g  X9^^^^i  ^^^  ^^^  erste  Ankunft 
des  Orestes  in  Delphi  vor  dem  Muttermorde,  und  nicht  auf  eine 
fingierte  zweite  Ankunft. 

Schöne  bemerkt  mit  Eecht:  „Es  war  das  zweite  Orakel". 
Diese  unrichtige  Schreibung  des  Wortes  findet  sich  im  Commentar 
Herrn  K.'s  constant,  während  im  griechischen  Text  der  Name  richtig 
mit  einfachem  n  gedruckt  erscheint. 


? 


Eurip.  Iph.  T.,  Y.  //.  KöcMij,  ang.  v.  J.  Küiccfla.  888 

Freisprechung  er  noch  immer  (nach  Euripides'  Fiction)  von  einem  Theile 
der  Erinnyen  in  weiteren  Irrsalen  herumgetrieben  wurde,  so  erzwang  er 
von  Apollon  dieses  dritte  Orakel,  welches  hier  ausführlich  mitgetheilt 
wird:  vgl.  V.  970—978".  Aber  Euripides  weiTs  nur  von  einer  zweifachen 
Ankunft  des  Orestes  in  Delphi  und  nur  von  einem  zweifachen  Orakel 
Apollon's.  Das  zweite  Orakel,  von  welchem  die  angeführte  Bemerkung 
spricht,  ist  eine  nichtige  Fiction.  Nach  Euripides*  Vorstellung  und  Dar- 
stellung war  die  Ankunft  des  Orestes  in  Athen  die  Folge  einer  älteren 
Weisung,  welche  Orestes  gleich  nach  der  Ermordung  der  Mutter  noch 
vor  dem  Beginn  seiner  Irrsale  erhielt,  ohne  dass  er  sich  speciell  an  das 
Orakel  Apollon^s  fragend  gewandt  hätte.  Vgl.  Orest.  1653  ff.  a^  <f'  av 
XQtf^Vf  'OQSOTtt,  ya(ag  rrjad*  vmqßaXovd^  oqovg  ITttQgdrTtov  oixdv  damdov 
h'ittiTov  xvxlov.  xtxli^aeTM  ^k  afjg  (fvyrjg  iiKovvfÄOv  li^oiaiv  l^Qxaaiv  r' 
^OQ^areiov  xaXuv.  ivd^Mi  (T  iXd-(ov  r^v  'Ad-rivatcav  noXiv  ^ixrjv  i/iroa/tg 
aXficLTog  fATiTQoxTovov  Ev/niv(ai  T^iaamg.  Vgl.  auch  El.  1246  ff.  av  cT 
*'AQYog  txXin^  ov  yuq  (Oti  aoi  noXiv  Tt]v^'  (f4ßaT€VHV,  ^irjr^Qa  xjitvnvra 
üi^v.  Seival  6k  xrjoeg  or*  at  xifVMniSeg  S-titi  TQo/rjXaTi^aoifa  iufittvij  nXavfO' 
fiivov.  iX&tüv  S'  'AS-i^vag  ITaXXtt&og  aifivov  ßQirng  nqoamv^ov  xtX. 

3.  Bekanntlich  pflegen  die  Kritiker  ihre  Conjecturen  auch  äufserlich 
wahrscheinlich  zu  machen,  indem  sie  darauf  hinweisen,  dass  ihre  Ver- 
muthungen  den  Schriftzügen  nach  von  der  üeberlieferung  nicht  sehr  ab- 
weichen und  indem  sie  begreiflich  machen,  wie  die  Corruptel  entstehen 
konnte.  Herr  K.  thut  das  erste  fast  niemals,  und  er  kann  es  in  der  Regel 
nicht  thun;  denn  da  seine  Conjecturen  fast  durchweg  von  den  Schrift- 
zügen der  handschriftlichen  üeberlieferung  radical  abweichen,  so  muss  er 
auf  solche  Wahrscheinlichkeitsbeweise  verzichten.  Ebenso  unterlässt  er  es 
regelmäfsig  zu  zeigen,  wie  sich  bei  seinen  Conjecturen  das  Eindringen  der 
Corruptelen,  mögen  diese  irrthümliche  oder  absichtliche  Veränderungen 
sein,  erklären  lässt.  Proben  von  der  aufserordentlichen  Kühnheit  und  Will- 
kür, welche  Herrn  K's  Conjecturen  kennzeichnet,  finden  sich  in  grofser 
Menge.  —  V.  15  bieten  die  Handschriften  6(tv^g  t  dnXo(ag  nvevfiaxwv 
T  ov  Tvyxavory,  worin  jedenfalls  eine  Corruptel  ist.  Ueber  die  wahrschein- 
liche Heilung  dieser  Stelle  vgl.  meine  Erörterung  (Symb.  11,  648  ff.).  Herr 
K.  nun  macht  in  vollem  Ernste  in  dem  kritischen  Anhange  die  Mit- 
theilung: „Wahrscheinlich  (!)  ist  zu  lesen  rv^tov  <f*  anXodtg  nvivfiuKav 
dfivbiv  ßtff'*.  Wie  misbrauchlich  ist  hier  das  Wort  „wahrscheinlich**  an- 
gewandt, da  es  offenkundig  ist,  dass  diese  Conjectur  nichts  anderes  als 
ein  willkürliches  Exiieriment  ist,  dergleichen  sich  an  jeder  Stelle  Dutzende 
machen  liefsen.  Muss  man  nicht  im  Hinblick  auf  solche  Conjecturen  Herrn 
K.  an  seine  eigenen  Worte  (Emend.  II.  p.  12)  erinnern  „quod  domi  pro 
lubitu  facias;  palam  si  exhibeas,  nee  reiopem  nee  tibi  laudem  afferas**?  — 
V.  230  ff.  ist  die  üeberlieferung  t6v  cT*  '!/iQy(ir  SfjaS-^vrtt  xXalto  avyyo- 
vov,  ov  iXiTTov  iniuuaTCJiov  hi  ß(}^(fog  hi>  viov  ht  d-aXog  xrX.  Herr  K. 
nun  bietet  uns  folgende  Fassung  der  Stelle  dar:  t6v  J'  "Agyn,  6fitt(hivra 
xXa((o  olyyovov  dfjoVy  tov  ifXi/iov  hi  ßQ^(fog  intfÄuari^iov  TOTf,  v^ov  hi 
^nXog.  Ref.  wird  diese  Stelle  im  2.  Hefte  der  Beitr.  besprechen  und  die 
Willkür  dieser  Aenderung,  die  freilich  schon  bei  blofser  Vergleichung  des 


884  Eurip.  Iph.  T.,  f.  U.  Köchly,  ang.  v.  J,  JToi^alOL 

von  Herrn  K.  gestalteten  Textes  mit  der  Ueberliefemng  in  die  Aug» 
ipringt,  dartbun.  ^  Man  vergleiche  noch  die  handachriftliche  Ueberliefet 
Tung  von  V.  X403  ff. 

vavTM  cf'  intvifiifdriaav  evxaiatv  ko^c 

nautvtt  yvfAvd^  ix  /f^cuy  iniüfxiJac 

HUJiif  TiQoaaQfioaavTtg  ix  xelevo/iatog. 

fnäXXov  (f^  fiuXXov  n^i  nir^as  sfc«  axatfot 
and  Herrn  K/s  Textgestaltung 

wavrou  cf'  iirtvifiifjrffaav  avxn^aiv  x6(fm 

naiäva,  yvfAvdf  mlivag  intofildiov 

«p-    -^    w   ixßaXovTig  -    o    —  X^gag 

xanri  n{^oaagfi6aavxig  ix  xtUtta^ojog 

fiäkiov  dk  fiäkiov  JtQog  nitQttg  yci  axd(fog. 

Die  80  constroierten  Lücken  glaubt  Herr  K.  dem  Sinne  nach 
etwa  so  ergänzen  zu  müssen:  yvfiväg  wXivag  intüfitdütv  JiQog  ai^iff 
ixßalQVXig,  <^T*  av&ig  x^Q^^  xwnf^  nQoaagfjioaavTig  ix  xiliuCfiatog 
naliQQod-oiOiv  avTimvov  xvfiaatv.  Dies  ist  ein  Aggregat  so  seit* 
samer  Conjecturen,  dass  man  nicht  weüjs,  wo  die  Entgegnung  anfangen, 
wo  aufhören  soll.  Und  das  sonderbarste  ist,  dass  dieses  Aggregat  höchst 
unwahrscheinlicher  und  unpassender  .Conjecturen  als  sichere  Emendation 
betrachtet  und  in  den  Text  aufgenommen  wird. 

4.  Besonnene  Elritiker  hüten  sich  .sorgfältig  bei  ihren  Conjecturen 
gegen  den  Sprachgebrauch  im  allgemeinen  wie  gegen  den  Sprachgebrauch 
des  betreffenden  Schriftstellers  zu  verstofsen ;  Bedenken,  die  von  Seiten  des 
Sprachgebrauches  gegen  ihre  Conjecturen  etwa  erhoben  werden  könnten, 
suchen  sie  im  voraus  zu  widerlegen.  Bei  Herrn  K.  dagegen  findet  sich 
manches,  was  gegen  den  Sprachgebrauch  verstöXät  oder  doch  gegründete 
Bedenken  erregt,  ohne  dass  Herr  K.  es  gemerkt  oder  beachtet  hat.  So 
schreibt  er  V.  633  ^avd^f^  t  ila((^  oüi^a  aov  xarai/zcxcS  (überliefert  ist 
das  sinnlose  xaxaaßiatü).  Nun  ist  aber  die  attische  Futurform  nur  bei 
sehr  wenigen  Verben  auf  dC(a  üblich  gewesen  und  es  wird  uns  von  alten 
Grammatikern  ausdrücklich  gemeldet,  dass  z.  B.  von  dyoj^C^  die  gut- 
griechische Futurform  dyoQaaio  lautet,  während  dyoQa  barbarisch  sei 
Kann  nicht  xaraipixti  ebenso  gut  eine  barbarische  Form  sein?  Mir  ist  es 
wenigstens  aus  dem  (Symb.  II,  665)  angegebenen  Grunde  wahrscheinlich. 
Herr  K.  hat  von  der  Seltenheit  der  att.  Futurform  bei  Verben  auf  oC« 
und  von  jener  Nachricht  alter  Grammatiker  nicht  Notiz  genommen;  sonst 
würde  er  doch  wol  nicht  xaraiptxui  zuversichtlich  für  die  unzweifelhafte 
Emendation  ausgegeben  haben.  Uebrigens  hat  Bef.  a.  a.  0.  weiter  nach- 
gewiesen, dass  xarui^fixta  von  Seiten  des  Sinnes  geradezu  lächerlich  ist,  so 
dass  über  die  Unzulässigkeit  der  Cupjectur  gar  kein  Zweifel  obwalten  kann. 
—  Im  V.  453  setzt  Herr  K.  die  Form  nokru  in  den  Text.  —  V.  1246  wird 
für  das  ohne  Zweifel  corrupte  axi€Qq  xaraxcclxos  ev<pvU,(f}  dd^fvif  ge- 
schrieben QxuQ^  xa^eiixTog  ivif.  J.,  was  bedeuten  soll  „um  den  heiligen 
Lorber  geringelt".  Manche  noch  auffallendere  Fehler  finden  sich,  um  dies 
gelegentlich  zu  bemerken,  im  Coramentar.  Man  muss  z.  B.  staunen,  wenn 


Eurip.  Iph.  T.,  v.  H.  Köchiy,  aiig.  V.  J.  Kviäalu.  8S5 

Herr  K.  S.  62  (zu  V.  560)  folgenden  griechischen  Satz  bildet:  nntm^ 
dixcua  iiaengciiaTo f  nicht  beachtend,  dass  xaixtQ  mit  dem  Participiam 
constraiert  werden  muss.  Anderes  derart  übergehen  wir  f&r  jetzt 

5.  Endlich  ist  es  ein  von  allen  besonnenen  Heraosgebem  anerkannter 
und  befolgter  Gmndsatz,  nur  solche  —  sei  es  eigene,  sei  es  fremde  —  Gon- 
jecturen  in  den  Text  aufzunehmen,  welche  evident  oder  doch  wenigstens 
in  so  hohem  Grade  wahrscheinlich  sind,  dass  sie  nahezu  als  evident  an- 
gesehen werden  können.  Herr  E.  dagegen  nimmt  fast  alle  seine  Conjec» 
taren  (nur  sehr  wenige  schliefst  er  aus)  in  den  Text  auf,  ob/war  die  meisten 
unwahrscheinliche  oder  geradezu  unrichtige  Aenderungen  sind  und  nur 
wenige  derselben  f&r  mögliche  Versuche  erklärt  werden  können.  Mit  der- 
selben Zuversicht  setzt  er  auch  viele  fremde  Conjecturen,  die  nicht  stich- 
haltig sind,  in  den  Text.  Ref.  war  daher  berechtigt  über  Herrn  K's  Aas- 
gabe das  Urtheil  zu  fällen,  das  an  die  Spitze  dieser  Anzeige  gestellt  ist, 
dass  dieselbe  eine  arg  interpolierte  ist  Herr  E.  wird  freilich  vielleicht,  wie 
man  aus  einzelnen  Andeutungen  in  den  „Emendationes'^  schliefsen  kann, 
geneigt  sein,  dies  Verfahren  bezüglich  einiger  Stellen*)  dadurch  zu  ent- 
schuldigen, dass  er  eine  Schulausgabe  liefern  wollte  und  demnach  den 
Schülern  einen  lesbaren  Text  zu  bieten  bemüht  war.  Es  hätte  jedoch  un- 
serer Ansicht  nach  füglich  den  Lehrern  überlassen  werden  können  und 
sollen,  an  corrupten  Stellen,  die  sich  der  Erklärung  entziehen,  den  Schülern 
mitzutheilen,  welcher  Gedanke  beiläufig  erforderlich  sei. 

Bevor  wir  nun  zur  Besprechung  einzelner  Stellen  übergehen,  er- 
scheint es  noch  zweckmäfsig,  einige  Worte  über  das  Verhältnis  der  vor- 
liegenden Ausgabe  zu  Schone's  Ausgabe  zu  sagen. 

Bef.  findet  es  ungerechtfertigt,  dass  Herrn  E.'s  Ausgabe  als  zweite 
Auflage  von  Schöne's  Ausgabe  sich  anmeldet.  Es  gibt  wenig  gemeinsames 
zwischen  beiden  Werken  und  Eöchly's  Ausgabe  hat  mit  der  Schöne's  nicht 
viel  mehr  Aehnlichkeit  als  mit  irgend  einer  anderen. 

Schon  die  Einleitung  ist  eine  vollständig  verschiedene.  Schöne's  Aus- 
gabe bietet  eine  dem  speciellen  Zwecke  vollkommen  entsprechende  Ein- 
leitung dar.  Es  werden  in  derselben  zuerst  die  Mythen  des  Tantaliden« 
hauses,  besonders  der  Iphigeneia- Mythos,  nach  den  verschiedenen  Quellen 
dargestellt  j  dann  folgt  die  Auseinandersetzung  des  Ganges  der  Tragödie 
und  endlich  eine  Beurtheilung  der  künstlerischen  Anlage  derselben.  Herr 
E.  dagegen  bietet  in  der  36  Seiten  langen  Einleitung  zuerst  einige  all- 
gemeine Sätze  über  die  Entwicklungsgeschichte  der  griechischen  Mythologie 
nnd  dann  eine  Behandlung  des  Iphigeneia-Mythos ,  in  welcher  er  zuerst 
die  älteste  Form  und  Bedeutung  dieses  Mythos  nachzuweisen  sucht,  worauf 
dann  der  Gang  des  Mythos  von  Homer  bis  auf  Euripides  verfolgt  wird; 
zum  Schlüsse  folgen  einige  Bemerkungen  über  die  dauernde  Wirkung  der 
euripideischen  Tragoedie,  über  die  günstige  Beurtheilung  derselben,  sowie 
einer  gleichnamigen  Tragcedie  des  Polyeidos  von  Aristoteles  und  eine  kurse 
Bemerkung  über  die  aulische  Iphigeneia.   Die  Deutung   und  Verfolgung 


•)  Wir  sagen  „bezüglich  einiger  Stellen* ;  denn  die  meisten  Aenderungen 
sieht  er  für  Emendationen  im  wahren  Sinne  des  Wortes  an. 


8S0  Eurip.  Iph.  T.,  v.  H.  Köchly,  aag.  y.  J.  Kvi6aku 

des  Iphigeneia-Mjthos  wird  mit  den  Worten  gerechtfertigt :  „Wir  gUaben 
damit  nichts  üeberflüssiges  zu  thnn,  obgleich  gerade  dieser  Mythos  in 
neuerer  Zeit  vielfach  behandelt  worden  ist".  Wenn  nun  auch  dieser  Glaube 
des  Hrn.  Vf.  begründet  wäre,  so  könnte  man  es  doch  nicht  billigen,  dass 
er  seine  auf  die  Deutung  des  Iphigeneia-Mjthos  bezüglichen  Studien,  die 
auf  ein  besseres  Verständnis  der  Tragcedie  gar  keinen  Einfluss  haben,  in 
eine  Schulausgabe  aufnahm.  Warum  hat  er  für  diese  Studien  nicht  einen 
passenderen  Ort  ausgesucht  und  warum  hat  er  dieser  Ausgabe  das  noth- 
wendige  nicht  beigegeben?  Für  noth wendig  aber  oder  doch  wenigstens 
für  sehr  zweckmäiÜBig  halten  wir  die  Angabe  des  Ganges  der  Tragoedia, 
sowie  eine  Beurtheilung  derselben.  Hr.  E.  denkt  hierüber  freilich  anders.  Er 
hat  die  betreffenden  Partien  von  Schöne*s  Einleitung,  welche  eine  Angabe 
des  Ganges  der  Tragcedie  und  eine  Beurtheilung  derselben  enthalten,  ein« 
&ch  gestrichen.  Die  Aufnahme  jener  Abhandlung,  deren  Thema  die  Deu- 
tung des  Iphigeneia-Mjthos  ist,  in  eine  Schulausgabe  ist  um  so  mehr  zu 
misbilligen,  da  sie,  soweit  sie  neues  bietet,  viele  kühne  Hjpothesen,  un- 
genügende Begründungen  und  Unrichtigkeiten  enthält;  in  einer  Schul- 
ausgabe sollen  aber  doch  nur  feststehende  Resultat^  der  Forschung  nieder- 
gelegt werden. 

Es  sei  uns  noch  gestattet,  da  wir  schon  von  der  Verschiedenheit 
der  Einleitungen  Schöne's  und  Eöchlj's  sprechen,  den  Schluss  der  letzteren 
anzuführen.  „Eine  auf  gründliche  Leetüre  gestützte  Analjse  unserer  Tra* 
g(Bdie  und  eine  damit  verbundene  Vergleichung  mit  Gosthe's  Iphigenia  in 
Tauris  wird  zu  dem  Endergebnisse  führen,  dass  beide  Dichtungen,  trotz 
oder  vielmehr  gerade  wegen  ihres  diametralen  allseitigen  Gegensatzes  als 
gleichberechtigte  Meisterwerke  ersten  Ranges  ebenbürtig  neben  einander 
stehen  und  dass  nur  einseitige  Beschränktheit  dazu  kommen  kann,  das 
eine  auf  Kosten  des  andern  zu  erheben."  Es  gilt  dieser  Angriff  offenbar 
zunächst  dem  Vorgänger  Hrn.  K.'s.  Schöne  sagt  nämlich  am  Schlüsse 
der  Einleitung:  „Ein  noch  höheres  Interesse  für  uns  hat  die  griechische 
Dichtung  durch  ihr  deutsches  Gegenstück,  die  Iphigenia  unseres  Goethe. 
Wenn  der  dichterische  Genius  des  Letztern  die  Schöpfung  seines  Vor- 
gängers weit  überflügelt  hat,  so  ist  bei  der  Vergleichung  Beider  auch 
nicht  zu  vergessen,  dass  der  deutsche  Dichter  den  bedeutenden  Vorsprung 
hatte,  den  Stoff  im  Geiste  und  von  der  Höhe  der  um  Jahrhunderte  vor- 
geschrittenen christlich  humanen  Weltanschauung  idealisieren  zu  können.** 
Allerdings  darf  man  nicht  übersehen,  dass  Goethe  einen  bedeutenden  Vor- 
sprung vor  Euripides  von  vorne  herein  hatte.  Aber  die  Tragcedie  des  Euripides 
hat  Fehler  und  Mängel,  die  auch  ein  griechischer  Dichter  vermeiden  konnte 
und  sollte,  die  ein  Sophokles  sicherlich  vermieden  haben  würde.  Mangel- 
haft ist  die  Gestaltung  der  einzelnen  Theile  zum  Ganzen.  Euripides  hat 
der  Anforderung,  dass  das  Drama  ein  organisches  Ganzes  sein  soll,  dessen 
Theile  in  innerer  und  inniger  Verbindung  stehen  sollen,  hier  wie  in  anderen 
Tragcedien  nicht  vollständig  entsprochen,  während  G«the*s  Schöpfung  ein 
harmonisch  abgerundetes  Ganzes  bildet.  Manche  Theile  der  euripideischep 
Tragcedie  haben  nicht  die  nothwendige  innere  Wahrscheinlichkeit,  wir 
meinen  nicht  die   gemeine  Wahrscheinlichkeit  des  gewöhnlichen   Lebens, 


Eurip.  Iph.  T.,  v.  H.  Köchhj,  aiig.  v.  J.  KvicaUt.  887 

»ondern  die  höhere,  die  Wahrscheinlichkeit  der  dichterischen  Ooraposition. 
Und  somit  behaupten  wir,  dass  man,  auch  wenn  man  beide  Dramen  von 
einem ,  wir  möchten  sagen  neutralen  Standpuncte  betrachtet  und  auf  die 
Vorzüge,  welche  Goethe^s  Schöpfung  zufolge  der  idealen  Auffassung  hat, 
keine  Rücksicht  nimmt,  dennoch  zu  dem  Resultate  gelangt,  dass  das 
deutsche  Drama  bei  weitem  höher  steht  als  das  euripideische.  Den  Beweis 
dafür  hier  zu  fuhren  müssen  wir  uns  freilich  versagen. 

Wie  in  den  Einleitungen,  so  zeigt  sich  die  grofse  Verschiedenheit 
beider  Ausgaben  auch  in  der  Textgestaltung,  und  zwar  fast  auf  jeder  Seite. 
In  einzelnen  Fällen  ist  hinsichtlich  der  Textgestaltung  Köchly's  Ausgabe 
im  Vortheile,  weil  an  einigen  Stellen  sichere  Emendationen  anderer  Kritiker 
aufgenommen  worden  sind,  die  Schöne  nicht  kannte  oder  nicht  beachtete, 
femer  weil  an  einigen  Stellen,  an  denen  Schöne  diese  oder  jene  Conjectur 
aufnehmen  zu  müssen  glaubte,  auf  Grundlage  einer  seither  gelieferten  Ver-» 
theidigung  die  Ueberlieferung  beibehalten  worden  ist.  Aber  im  ganzen  und 
grofsen  ist  die  Textgestaltung  Herrn  K.'s  weniger  befriedigend  als  der  von 
Schöne  gebotene  Text.  Es  ist  dies  ungünstige  Verhältnis  eine  natürliche 
und  nothwendige  Folge  der  mafslosen  Willkür  Herrn  K/s.  Wir  wollen  hier 
nur  ein  Beispiel  herausheben;  die  nachfolgenden  Bemerkungen  sowie  die 
oben  hervorgehobenen  verfehlten  Conjecturen  bieten  ja  ohnehin  genug  Be» 
lege.  V.  442  ff.  lautet  die  Ueberlieferung  du(fl  /«/r«y  ^ooaov  (äfiaTrjQuv 
€iXi/&eTaa.  Schöne  hat  dies  mit  Recht  beibehalten,  sehr  passend  auf  V.  622 
{xttfrrjv  ttinfi  afiv  /fovtipo/ucn)  verwiesen  und  ganz  richtig  ih/O-elaa  „vom 
Weihwasser  umwunden,  d.  h.  rings  besprengt",  erklärt.  Ebenso  hat  Ref. 
(Beitr.  S.  39)  die  Ueberlieferung  in  Schutz  genommen.  Herr  K.  aber  hat 
in  diu  „Emendationen"  (IV,  6  f.)  eine  höchst  oberflächliche  und  durchaus 
verfehlte  Untersuchung  angestellt  und  ist  zu  dem  Resultate  gelangt,  dass 
tlXi^X^iiaa  unmöglich  und  ayviaß^titta  die  echte  Leseart  ist.  Hoffentlich 
wird  die  vom  Ref.  über  tihx*>^ftaa  neuerdings  (Symb.  II,  660  ff.)  angestellte 
Untersuchung  auch  von  Herrn  K.  für  eine  genügende  Vertheidigung  der 
Ueberlieferung  angesehen  werden. 

Wir  wollen  nun  der  Reihenfolge  der  Verse  nach  eine  Anzahl  von 
Stellen  besprechen,  an  denen  Herr  K.  theils  seine  eigenen,  theils  fremde 
Conjecturen  aufgenommen  hat. 

V.  77  f.  lautet  nach  der  Ueberlieferung  to  'Poißt,  not  /u*  av  Trjv&* 
ig  UQXW  fjyayfy  XQ^^^^'>  inft^ri  TraTQog  ctifi  htadfjrjv  urjri^n  xaraxTng; 
6iado/ctig  cf'  "EQn'ixüv  i^kcturojufa&a  xtX.  Herr  K.  schreibt  mit  Aufnahme 
von  Markland's  und  Rauchenstein^s  Conjectur:  w  <#>o*/9«,  nol  jn* . ,  ./gi^aag ; 
intl  yctQ  naiQog  füfji^  irwd^riv  /nrjr^ifa  xaraxidg,  di,a6o)^aig  *E()ivv(m)V 
r^kavv6^€a&a.  Die  Ueberlieferung  ist  aber  ganz  tadellos.  Sie  gibt  den  Sinn: 
„Wohin  hast  du  mich  da  wiederum  in  dies  Netz  gebracht,  nachdem  ich 
schon  einmal  durch  dich  in  ein  Netz  gerathen  bin,  damals  nämlich,  als 
ich  zufolge  deiner  Weisung  die  Mutter  tödtete".  Die  Weisung  Apollon's, 
den  Vater  durch  Ermordung  der  Mutter  zu  rächen,  wird  auch  als  ein  ig 
itQxvv  liyHv  bezeichnet.  Orestes  vermuthet  schon  jetzt,  was  er  699  ff.  (Kirchh.) 
entschieden  ausspricht:  rifMäg  <J"  6  *Poißog  /unvTig  wv  iifßfvaaTO '  li/vriv  dk 
&ifAivog  (og  7tQoaa}Tn&'  'EXln^og  dnriXna'  af^oC  jmv  ntiqog  fAavtiV^otxwv. 


818  Eurip.  Iph.  T.,  v.  H.  Köchiy,  ang.  v.  /.  KviiakL 

^  TfdvT*  iyd  Jovg  zn^a  xat  nfiOx^fli  koyoig  /AriTi(ju  xuTuxrds  avro^  urrm* 
Tiollvfitu.  Was  die  Geltung  von  ln€i4ri  an  unserer  Stelle  betrifft,  so  vef- 
gleiche  man  Soph.  Ant.  480  ff.  aurri  (T  vßQ^C^iy  fikv  tot  l^finlOTato, 
fio/novg  vTiiQßatvovaa  Tovg  nqoxu^^vovg'  vßQis  ^\  inel  S^J^axiv,  ij4t 
dkvriQa,  d.  L  ^nach  der  That  (welche  die  erste  vßQ^Q  ist)  ist  dies  ihr 
genehmen  die  zweite  vßQig,**^ 

V.  146  f.,  wo  die  üeberlieferung  wg  fgrivoig  t^yx€ifia$  r«f  oIm 
fVfAOvaov  fxoXnäg  ßodv  dXvgotg  iläyotg  lautet,  schreibt  Herr  K  tig  ^^ifj^oK 
fyxfifHUi  rag  ovx  fv/novaov  fiovaag  fiokjitug^  dXvgotg  lliyotg.  Allerdings  ist 
die  Üeberlieferung  sinnlos;  aber  man  kann  sie  doch  nicht  ignorieren,  sondern 
soll  sie  als  Grundlage  der  £mendation  ansehen.  Gewiss  ist  in  fioXTräg  ßodp 
die  richtige  Leseart  durch  Schreibfehler  entstellt  worden,  und  Ton  ßoaw 
kann  man  nicht  abstrahieren.  Uebrigens  wie  kann  Herr  K.  seine  Conjectnr 
als  sichere  Verbesserung  betrachten,  da  er  (Emen.  III,  6)  selbst  sagt: 
„Quorum  corruptela  aeque  aperta  atque  emendatio,  cum  innum^erabilia  tentaii 
possint,  incerta  est"? 

V.  225  f.  wird  geschrieben  alfjLOQQavrov  ^vatpoQ/aiyya  ^iCvtar  r/y- 
yovfi  ftTttv  ßfojuoig  (überliefert  ist  alfAOQQavran»  dvCipoQfiiyya  ^tirw 
aifddaaova^  utuv  ßof/uQvg)  und  dies  wird  erklärt:  „Eigentlich:  das  blut- 
strömende  mistönende  Verderben  der  Fremden  am  Altare 
netzend,  d.h.  die  Fremden,  welche  unter  Klagegeschrei  geopfert  werden, 
mit  dem  Weihwasser  besprengend".  Diese  Erklärung  ist  eine  der  gewag- 
testen und  unstatthaftesten,  die  jemals  aufgestellt  worden  ist.  "ATa  ^ttviav 
soll  hier,  in  der  Verbindung  mit  z^yyovaa,  bedeuten  „die  Fremden,  die 
geopfert  werden"!  Herr  E.  hat  dieser  Stelle  eine  ziemlich  ausführliche 
Untersuchung  (Emend.  HI,  21  ff.)  gewidmet,  ohne  diesen  Punct  auch  nur 
im  geringsten  zu  erwähnen.  Was  über  die  Unmöglichkeit  von  alfidaaovaa 
gesagt  wird,  ist  unzulänglich.  „Iphigenia  sua  manu  sanguinem  ipsa  num- 
quam  profudit,  sed  mactandos  tantum  sacra  aqua  adspersa  initiari  solet, 
quod  ipsum,  scilicet  ne  sanctissima  virgo  teterrimo  sacrificio  maculata 
introducatur,  pluribus  locis  disertisque  verbis  inculcatur."  Das  ist  richtig; 
aber  konnte  Iphigeneia,  da  die  Opferdiener  ihr,  der  Priesterin,  gehorchten 
und  da  sie  Vorsteherin  des  Opfercultus  war  und  bei  dem  Act  der  Opferung 
persönlich  zugegen  sein  musste  (was  an  sich  schon  natürlich  ist  und  sich 
zum  Ueberflusse  beweisen  lässt),  nicht  von  sich  selbst  sagen  alfidaaovaa^ 
zumal  hier  in  ihrer  schmerzlichen  Erregung?  Hat  Herr  Köchly  V.  852  ff. 
übersehen,  wo  Iphigeneia  ebenfalls  sagt :  nu^  6^  oKyov  dnitfvyeg  oUS^qov 
dvoatov  i^  (jLidv  dai'/iiÖ-flff /"«(»öJv? 

V.  295  (i^f^iig  (T^  avOTaUvreg ,  tog  ^avovfjiivoi^  aiyj  xa9'i^fAf&')  ist 

ohne  Zweifel  d-avovfitvoi  (d-tcvov/nivoi  B,  &avovfi€V(u  C)  echt  und  Stc/uißov' 
fiivoi  eine  unglückliche  Conjectur,  bei  der  man  unwillkürlich  an  Arisi 
Eir.  289  flf.  erinnert  wird:  vvw  tovt  ix€iv\  ijxH  rö  //driöog  fjLilog,..  6g 
fjdofiai  xal  ;^cK/()o^aA  xivtf^aivofiat.  Uebrigens  zeigt  schon  wg,  dass 
^ufißovfjievoi  (auch  abgesehen  von  dem  Solöcismus)  unstatthaft  ist. 

V.  382  schreibt  Hr.  K.  nach  seiner  Conjectur  xvxi(p  6^  n€Qißul6vfii 
^ixXdpofAfv  nin  koiai  x^H^^  ipdoyov.  Schinie  hat  das  hafidschriftliche 


Eurip.  Iph.  T.,  v,  H,  Küchly,  ang.  v.  J.  Kvidala.  8St 

HtxXiiptt^iv  n^TQotai  ganz  richtig  erklart:  J^kxliiifafAtv  ist  ab  Gegensati 
zu  TÖX^i^  gewählt:  wir  bezwangen  sie  nicht  durch  kühnes  und  offenes  An- 
greifen, sondern  durch  die  List,  dass  wir  sie  erst  dicht  umringten  un4 
dann  ihnen  mit  Steinwürfen  die  Schwerter  aus  den  Händen  entrissen**. 
Warum  nirgoioi  nicht  zu  i^xl^ii^ujuiv  und  umgekehrt  passen  soll,  ist 
nicht  abzusehen.  Dass  die  Hirten  die  Jünglinge  im  Kreise  umringten  und 
durch  Stein  würfe  die  Schwerter  ihren  Händen  entwanden,  war  jedenfalls 
ein  ixxX^TiTHv,  eine  List.  Herr  K.  aber  sagt  (Emend.  1, 15):  „Sed  nolumus 
junplius  in  his  titubare  tenebris,  quas  subito  disiiciemus  scribendo  pro 
niTQotci  ninXotai^,  und  im  Comroentar  der  Ausgabe:  ^Die  Hirten  wagen 
68  nicht,  mit  offener  Qewalt  den  Jünglingen  zu  begegnen;  sie  umringen 
$ie  und  werfen  von  allen  Seiten  ihre  Gewänder  über  sie  und  hindern  sie 
dadurch  am  freien  Gebrauche  der  Schwerter,  welche  sie  ihnen  dann  gewandt 
fkus  den  Händen  winden.**  Aber  die  Hirten  hätten  sich  in  die  nächste  Nähe 
4er  Jünglinge  wagen  müssen,  um  die  Gewänder  über  sie  werfen  zu  können« 
Und  dass  sie  dies  nicht  wagten,  kann  man  mit  Bestimmtheit  behaupten. 
Erst  nachdem  den  Fremdlingen  die  Schwerter  entrissen  waren  und  sie  müde 
zur  Erde  sanken,  kamen  die  Hirten  in  ihre  Nähe.  Uebrigens  wäre  die  Scene, 
wie  sie  nach  Herrn  K's  Vorstellung  stattgefunden  haben  soll,  geeignet, 
Heiterkeit  zu  erregen.  Man  stelle  sich  nur  vor,  wie  die  barbarischen  Hii*ten, 
die  schwerlich  überflüssige  ninloi.  gehabt  haben,  ihre  ^leider  ausziehen, 
um  sie  den  Jünglingen  über  den  Kopf  zu  werfen. 

V.  462  ff.  wird  geschrieben:  ti  yäq  oviCqotg  tau  av/ußniti  ^o»,  nokfit 
7iaTQ(p^  TiQTivöiv  vfiVüyv  djioXavfiVj  was  schon  äuXlserlich  von  der  üeber- 
lieferung  yäg  ovi^gaot  avfißa(riv  JofAOig  noln  t€  naxQ(^(f  zu  sehr  abweicht, 
als  dass  es  wahrscheinlich  sein  sollte,  und  worin  nolfi^  sprachlich  unstatt- 
haft ist.  Und  welchen  Sinn  soll  der  von  Herrn  K  gestaltete  Text  geben? 
^'OviiQoiq  tau  ngl^i^^^  ^'^^  Traume"  bezeichnet  zunächst  die  überraschende 
Schnelligkeit,  mit  welcher  der  Chor  in  seine  Heimath  zurückversetzt  zu 
werden  wünscht  (wäre  das  ein  denkbarer  und  vernünftiger  Wunsch?),  dann 
aber  auch  zugleich  die  Uebereinstimmung,  in  welcher  die  Erfüllung  dieses 
Wunsches  mit  seinen  Träumen  stehen  würde.**  Diese  zweite  Auffassung  ist 
unmöglich,  weil  taa  nicht  diese  von  Herrn  K.  angenommene  Bedeutung 
hat.  Herr  K.  führt  zur  Vergleichung  Soph.  Trfwh.  1164  f.  an  (favCi  J*  kyat 
TovToiai,  av/ußuivovT  taa  fjtamta  xtuvä  xolg  nnhu  ^wriyoqa\  wir  begreifen 
aber  nicht,  inwiefern  diese  Stelle  eine  Analogie  darbieten  soll.  Denn  wenn 
wir  auch  an  dem  überlieferten  taa  hier  festhalten  (doch  vgl  Wunderes 
und  Dindorf's  Bemerkung),  so  hat  doch  dies  taa  hier  seine  gewöhnliche 
Bedeutung  und  nicht  die  von  Herrn  K.  an  der  euripideischen  Stelle  ange- 
nommene. Es  scheint,  dass  Herr  K.  die  sophokleische  Stelle  nicht  gehörig 
aufgefasst  hat 

Zu  V.  652  ((SHvtag  yäg  ix  ywaixog  ot^fteu  Off-ayttg)  wird  im  An- 
hange bemerkt:  „Vielleicht  ix  JafxuQTos*^.  Aber  es  ist  bekannt,  daas  ywii 
oft  „Gattin**  bedeutet.  VgL  Soph.  Ai.  1169  dv^gog  roikr«  nah  t«  xal 
ywri.  1111  T^ff  a^f  yvvft^^og,  Ant.  Ö3  (Jt-v^  *«^  Y^^  ^  v.  Was  findet 
also  Herr  K.  an  ywatxog  anstöXäig? 

V.  654  schreibt  Herr  K.  houqos  6  fiiXeog  w  nnd  bemerkt  im  An* 


840  Eurlp.  Iph.  T.,  v.  //.  KöMy,  ang.  v.  /.  KviccUa, 

hange:  ^u^kkatv  die  Bücher,  wofür  man  mit  Musgrave  gew.  /u^Xlaiv  schrieb; 
Schöne  setzte  ju^vor  fiMtav  ein.  Eines  so  unverständlich  als  das  Andere.* 
Schöne  erklärte:  „Der  zweite  Halbchor  richtet  seine  Rede  an  den  Orestes: 
und  du,  wehe,  findest  den  Untergang.  Hieran  knüpft  der  Gesammt- 
chor  seine  Schlussklage:  ach,  ach,  welcher  von  Beiden  wäre  als 
nicht  dazu  bestimmt  {jiiXXiov  dioklva&ui)  anzusehn?  d.  h.  Beider 
Lage  ist  der  Art,  dass  man  von  keinem  allein  sagen  kann,  er  sei  der  dem 
Untergange  Verfallene."  Wir  glauben,  dass  Schöne  den  hier  erforderlichen 
Gedanken  ganz  richtig  getroffen  hat,  obzwar  seine  Aenderiing  metrisch  und 
sprachlich  (statt  ^i)  müsste  vielmehr  ov  stehen)  nicht  zulässig  ist.  Ref. 
hat  nach  Schöne*s  Vorgang  nori^og  ov  /uikXtav  näml.  dtoXlva&tu  (ZtschfL 
f.  d.  Ost.  Gymn.  1864  S.  655)  vorgeschlagen.  Herrn  K.'s  Conjectur  ist  un- 
statthaft, notfoog  6  fd^Xeog  (üv  kann  keine  wirkliche  Frage  sein,  weil  der 
Chor  nicht  zweifeln  kann,  dass  beide  ju^ltoi  sind;  folglich  kann  ernicht 
fragen,  wer  von  beiden  der  unglückliche  ist.  Er  könnte  nur  fragen:  Wer 
von  beiden  ist  der  unglücklichere?"  Eine  rhetorische  Frage  wäre  eben- 
falls unmöglich,  weil  diese  den  negativen  Sinn  ergäbe  ov^^rtgog  (ari  fi^Uog. 

V.  672  behält  Herr  K.  die  Ueberlieferung  «rap  StrjXd^i  ;^«T*(>oy 
koyov  Tivn  bei.  Schöne  schrieb  nach  Markland  S(sX&i,  Porson  hatte  StfjXS^ov 
conjiciert.  Beide  Conjecturen  nennt  Herr  K.  „entschieden  falsch".  Dagegen 
hat  Ref.  in  den  Beiträgen  (S*  48)  und  dann  in  dieser  Zeitschrift  (1864, 
S.  656  f.)  dargethan,  dass  die  Ueberlieferung  unmöglich,  dass  Herrn  K-'s 
Erklärung  verfehlt  und  sprachlich  falsch  ist,  dass  dagegen  sowol  Porson's 
dif^Xd^ov  als  Markland's  SUXß-f  vollkommen  zulässig  ist,  letzteres  aber  wegen 
der  unbedeutenden  Aenderung  den  Vorzug  verdient  Herr  K.  ist  auch  hier 
entschieden  im  Unrecht  gegen  seinen  Vorgänger. 

V.  834  f  wird  geschrieben  ai,  tov  tot*  hi  (überliefert  ist  das  sinnlose 
t6  J/  Ti)  ßo^ffog  Hinov  uyxaXaKfi  vmoov  rgoffoi-,  und  zu  <T^  soll  l;^cu  aus 
dem  vorausgelienden  ergänzt  werden.  Dass  dies  schlechterdings  unmöglich 
ist,  ist  jedem  klar,  der  den  Text  auch  nur  oberflächlich  ansieht. 
Iph.  to  (fiXTicT\  ov6^v  (iXXo,  (ffXTaTog  yaQ  6?, 

Ij^W    <t'    'Oq^OT«,    TTjXvyiTOV 

X^ovog  uJTO  naTqCöog 
liQyoS-fVy  (5  (f(Xog. 
Orest.  xdytj  Oi  t^v  B-avovauv,  (6g  So^n^iTui. 

xaTn  Sh  6uxQV  aSaxnv,  xctTct  tf*  ynog  nun  x^Q^ 
TO  (Jov  vot{^h  ßXitfctooVy  (aanvTtog  tf*  ifiov. 

Iph.    (J^,    TOV    TOT*    hl    ßQ^tf'Og    I^XlrTTOV. 

Die  Rede  der  Iphigeneia  989—1006  (964—981  Kirchh.)  ist  eine  von 
jenen  Partien,  die  von  Herrn  K.  am  kühnsten  behandelt  worden  sind.  Es 
werden  in  derselben  grofse  Umstellungen  vorgenommen  und  so  erscheint 
denn  diese  Versfolge  989-993,  999-1003,  994-998, 1004-1006  (964-968, 
974—978,  969—973,  979—981  Kirchh.).  Die  Unzulässigkeit  dieser  Umstel- 
lungen werde  ich  ein  andermal  darthun;  jetzt  genüge  es  darauf  hinzu- 
weisen, dass  dieselben  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich  sind.  Wie  stellt 
sich  Herr  K, ,  wenn  er  durch  seine  Transpositionen  den  echten  Text  her- 
gestellt zu  haben  glaubt,   die  Entstehung  der  Co^'nptel  in  den   Hand- 


Eurip.  Iph.  T.,  V.  H,  Kädihj.  ang.  v.  J.  Kvicfäa.  841 

schritten  vorV  Ucbrigens  hat  Herr  K.  in  dieser  Partie  eine  grofse  Anzahl 
von  Conjecturen  (nämlich  6  aufser  der  noth wendigen  im  V.  991)  aufgenommen. 
Einige  Verse  später  wird  wiederum  das  Mittel  der  Umstellung  in 
unzulässiger  Weise  angewandt.  Herr  K.  nimmt  nach  1049  (1024  Kirchh.) 
eine  Lücke  an  und  lässt  dann  1051,  1050,  1052,  1058  folgen. 

V.  1214  bieten  die  Handschriften  ok  efxorw^'  ae  nnan  d^nv^inCfi' 
TioXig,  vor  welchen  Worten  eine  Lücke  von  anderthalb  Trochäen  sich  findet. 
Herr  K.  schreibt:  /*.  ttxoTiag  (die  Ergänzung  ist  nach  Hermann,  und  Ref. 
hat  sio  selbst  in  den  Beitr.  befürwortet,  aber  mit  Unrecht).  6»0.  Mg  xufjrn 
xal  a^  Tiüaa  ^avftctCft'  nokig,  was  offenbar  schon  aus  sprachlichen  Gründen 
unmöglich  ist.  Was  soll  xal  hier  bedeuten')?  Wer  ist  es  denn  aufser  der 
Iphigeneia,  den  näaa  S^av/jnCii  nohg?  Und  der  ganze  Gedanke,  wenn  wir 
auch  von  dem  unmöglichen  xn/  absehen,  ist  unzulässig.  Thoas  konnte  hier 
gar  nichts  anderes  sagen,  als  „wie  berechtigt  ist  die  Bewunderung,  welche 
dir  die  Stadt  zollt'."  Darum  ist  an  der  Ueberlieferung  tüg  tixoruig  nicht 
zu  rühren. 

In  der  Schilderung  V.  1345  ff.  (1313  ff.  Kirchh.)  wendet  Herr  K. 
wiederum  das  beliebte  Mittel  der  Transposition  der  Verse  und  der  An- 
nahme von  Lücken  in  kühnster  Weise  an.  Der  Text  lautet  nach  seiner 
Gestaltung: 

xuvTttvd^  OQoijbLiv  'EXXd^og  veotg  axtiifug  1345 

vicvTttg  T€  tiivti^xovt'  inl  axicXfitov  nkdrctg    1347 
t^ovrag,  ix  dtafjoyv  di  rovg  vtaviag 
iktvO-^Qovg     —     —     —     — 

♦         »      n(}VfxvYiS-iv  iarwreg  vttag 
öTiivdovTfg  riyov  dwi  x^Q^^  n^v^vrjaw,  1352 

xovTolg  J^  n()(^Qcty  ti^ov,  ol  J'  linarldbiv      1350 
(cyxvQav  i^avijnTOv,  ol  ^k  xk{(.taxa 
nojriti)  6i66vT€g  xotv  ^ivoiv  xttx^ltaav.  1353 

V.  1346  raQaq)  xar^Qn  7i(xvlov  imiQiafA^vov  wird  dabei  mit  Her- 
mann nach  1394  gestellt.  Ref.  hat  diese  Stelle  bereits  in  den  Beiträgen 
(S.  76  ff.)  zum  Gegenstande  der  Untersuchung  gemacht  und  wird  auf  die- 
selbe nochmals  im  2.  Hefte  zurückkonimen.  Vorläufig  bemerkt  er  nur,  dass 
er  mit  Herrn  K.'s  Untersuchung  fast  in  keinem  einzigen  Puncte  überein- 
stimmen kann  und  dass  er  dieselbe  für  vollkommen  verfehlt  hält. 

Die  wenigen  Conjecturen  Herrn  K.'s,  welche  Ref.  im  Sinne  hatte, 
als  er  bei  einer  früheren  Gelegenheit  ®)  sagte,  dass  sie  eine  gewisse  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich  haben,  sind  folgende: 

V.  498  lautet  die  Ueberlieferung  (fUorrjTi  y  •  laiilv  d*  ov  xaaiyv^TO), 
yvvM  (voraus  geht  die  Frage  notiQov  a^flifüt  /utixQog  iarttv  ix  /uiUig;);  d* 


'')  Herr  K.  äufsert  sich  über  xal  (Jt  gar  nicht.  Er  sagt  nur  apodiktisch : 
„Ne  multa,  Euripides  scripsit  adverbio,  quod  in  deüciis  habet,  illato", 
worauf  die  Textesfassung  folgt  (Emend.  V.  19). 

')  Ref.  hat  Symb.  II,  647  sich  geäuXsert:  „von  diesen  Aendemngen 
kann  meiner  Ansicht  nach  nicht  eine  einzige  auf  Evidenz  Anspruch 
machen,  und  nur  wenige  haben  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  für 
sich;  alle  übrigen  sind  theils  unnöthig,  theils  fehlerhaft**. 


642  Kurip.  Iph.  t..  r.  H.  Köchiy.  ang.  v.  /.  Kmoda. 

fehlt  in  der  Aldina.  Nauck  vtrinuthet  hier  qiXoxrixi  y*  fofitv,  ou  xaaiyrri- 
xfo  (pvan,  waa  Herr  K.  mit  der  Modification  yivn  fttr  (fvaet  adoptierte. 
Diese  Conjectur  schien  dem  Ref.  früher,  wenn  auch  nicht  evident,  so  doch 
zulässig  und  in  gewissem  Grade  wahrscheinlich.  Jetzt  hält  er  eine  Aende- 
rung  für  unnöthig,  weil  die  üeberlieferung  nicht  nur  kein  gegründetes 
Bedenken  darbietet,  sondern  auch  passender  ist  als  jene  Conjecturen.  r^vH 
oder  (frafi  würde  nur  dann  als  Gegensatz  von  (fiXoTrjri  passen,  wenn  auch 
im  zweiten  Gliede  uJiltffo  stünde  oder  zu  ergänzen  wäre.  Aber  xnaf^^riTo^ 
bedurfte  nicht  nur  nicht  jenes  Zusatzes,  sondern  verschmähte  denselben 
zufolge  der  engbegrenzten  Bedeutung,  die  dies  Wort  hat,  welches  stets  nur 
den  leiblichen  Bruder  bedeutet  und  nie  in  übertragener  Weise  gebraucht 
wird,  während  n^eX(f>6^,  wenigstens  in  adjectivischer  Geltung,  zuweilen 
überhaupt  eine  innige  Verbindung  oder  üebereinstimmung  bezeichnet 
Kaaiyv^xat  yivu  hätte  wol  den  Griechen  auffallend  geklungen.  Dass  zwei 
Verse  vorher  (496)  sich  auch  yvvai  am  Schlüsse  findet,  ist  nicht  sehr 
angenehm;  aber  Beispiele  einer  solchen  Nachlässigkeit,  wenn  man  es  so 
nennen  darf,  finden  sich;  vgl.  542.  546. 

V.  558  ist  die  üeberlieferung  noTQo'g  &av6vTog  rrjv^e  Ti/no}Qovf4(vo( 
etwas  auffallend.  Herrn  K.'s  Conjectur  n(tTQ6g  &fev6vTog  atf  dvTiTi^tüQov- 
fifvog  bietet  eine  gefälligere  Ausdrucksweise  dar,  aber  es  gibt  noch  andere 
Möglichkeiten  (z.  B.  Elmsley^s  al/ucc);  sicher  ist  jene  Conjectur  keinesfalls, 

V.  576  lautet  nach  der  üeberlieferung  (fiv  <f(v'  ri  ^*  rjfJii^i  ot  r* 
i/Liol  yewrjTOQfg.  Aber  Kirchhoff  theilt  mit:  „ol  (t  (fjol  add.  m.  sec) 
yfwrjroQsg  B  ot  t*  ifjol  ysvvi^TOQfg  [C^**.  Herr  K.  schreibt:  t/  S'  ijfilv  ol 
ifiXoi  yivvriTOQtg,  wo  riulv  matt  erscheint.  Rauchenstein  vermuthet  t(  J* 
r^fiüiv  (ftkrarot  yiwriroofg ,  was  passender,  aber  auch  nicht  unzweifelhaft 
sicher  ist.  Die  üeberlieferung  ist  jedenfalls  corrupt. 

V.  875  ist  überliefert  rtva  aot  ttoqov  iVQOfjtiva  naXiv  dno  noXttog, 
dno  ifovov  nfft\po)  nmQtS^  ig  l4Qyf(av.  Herr  K.  bemerkt  (Emend.  IV,  12  f.): 
„Neminem  offendisse  mirura  est  in  nno  noXimg^  cui  certe  pronomen  demon- 
strativum  necessario  addendum  fuisse  ipsae  editorum  interpretationes  docent 
Sed  potius  adjectivum  desiderari,  quo  peregrinae  sive  longinquae  non 
tarn  urbis  quam  terrae  notio  contineatur,  ei  oppositis  ntttQf^'  igU^yttar 
apparet.  Hinc  non  dubito,  quin  Euripides  ilno  ^4vag  scripserit,  cui  quod 
explicandi  gratia  male  adscriptum  est  noXitjg  genuinam  lectionem  expulif. 
Allerdings  wäre  dno  ^(vag  viel  gefälliger;  doch  ist  es  nicht  sicher  gestellt, 
dass  n6X%tog  corrupt  ist  Die  Behauptung,  dass  das  demonstrative  Pronomen 
hätte  nothwendig  hinzugefugt  werden  müssen,  ist  irrig.  Unzähligemal 
werden  bei  den  Tragikern  die  Wörter  noXtg,  /*wy,  yri  ohne  Demonstrativ- 
pronomina, auch  ohne  den  Artikel  gebraucht,  selbst  wenn  von  einer  be- 
stimmten Stiidt,  von  einem  bestimmten  Lande  die  Rede  ist.  Man  vergleiche 
die  Beispiele,  die  Ellendt  (lex.  Soph.  U,  232,  237,  239)  aus  Sophokles  an- 
führt. Es  unterliegt  also  keinem  Zweifel,  dass  dno  noX^ag  bedeuten  kann 
„weg  von  der  Stadt,  d.  i.  von  dieser  Stadt".  Fragt  man  aber,  warum 
Euripides  gerade  dno  noXtajg  sagt,  so  könnte  man  vielleicht  antworten, 
dass  eben  der  Umstand,  dass  Orestes  in  der  Nähe  der  Stadt  sich  befand, 
die  Rettung  erschwerte. 


Eurip.  Iph.  T..  v.  H.  Köchly,  ang.  v.  J.  Kvicala.  ö4S 

V.  1012  ff.  lautet: 

yv(a/urii  cT'  axovaov  €i  nQoaavxig  f^v  rocT« 

xofjttofu  ^'  uyulf.ict  &€('i^  TioXcGu*  f/s"  riuXXttßoi 
xal  aov  TTQoaojTiov  iiaidtiv; 
Hier  ist  die  Annahme  einer  Lücke  nach  V.  1014  wahrscheinlich.  Vgl.  Eraend. 

n,  8  f. 

V.  1046  schreibt  Herr  K.  IfrX(i(Jr}g  J*  o<^*  ^fitv  tiov  Tfra^iTtu  Xoyov 
(überliefert  ist  tfovov;  Nauck  verniuthete  i^qaaov)  „Pylades  aber  hier  ~ 
welchen  Platz  wird  er  in  jener  Rede  einnehmen?".  Diese  Schreibung  wäre 
freilich  leichter  verständlich  als  ifovov)  aber  deshalb  ist  die  Annahme  einer 
Cormptel  nicht  noth wendig.  Rfef.  wird  auf  diese  Stelle,  die  er  schon  ia 
den  Beiträgen  besprochen  hat,  nochmals  zurückkommen. 

Die  letzte  von  den  Conjecturen,  die  noch  als  eine  zwar  mögliche  und 
gefällige,  aber  nicht  evidente  Emendation  anzuführen  ist,  betrifft  V.  1277. 
Die  üeberlieferung  von  1276  ff.  lautet  inl  (der  offenbare  Schreibfehler 
l7jr«l  ist  von  Musgrave  verbessert)  J"  fOfiafv  xofjiav  nuvatv  wx^ovg  öv€iQoug, 
dno  61  lad^oavvav  vvxrwnov  i^eiXiv  ßqoTüiv.  Hier  hat  Badham,  um  das 
Asyndeton  zu  beseitigen,  navaai  für  navatv  vorgeschlagen,  welcher  In- 
finitiv allerdings  von  den  Worten  in\  6'  eaeiaev  xo^av^  da  in  ihnen  ein 
Versprechen  involviert  ist,  abhangen  könnte.  Herr  K.  schliefst  sich  Bad- 
ham  an,  nur  mit  der  Modification,  dass  er  naiauv  aufnimmt,  was  den 
Schriftzügen  der  üeberlieferung  noch  näher  liegt.  Aber  es  gibt  noch  andere 
Möglichkeiten.  Musgrave  hatte  zur  Behebung  des  Asyndeton  vorgeschlagen 
inX  61  ae^aag  xojuav.  Auch  wäre  das  Asyndeton  zwischen  dem  zweiten  und 
ersten  Satze  nicht  auffallend,  wenn  6^  nach  clno  getilgt  würde. 

In  exegetischer  Hinsicht  hat  Herr  KL  den  Commentar  seines  Vorgängers 
bedeutend  erweitert  und  zwar  oft  so,  dass  diese  Erweiterung  als  eine  zweck- 
mäTsige  Vervollständigung  angesehen  werden  muss;  manche  Bemerkungen 
Schöne's  sind  freilich  in  überflüssiger,  zuweilen  übermäfsiger  Weise  aus- 
gedehnt worden.  Anzuerkennen  ist  ferner,  dass  Herr  K.  an  ziemlich  vielen 
Stellen  die  richtige,  von  anderen  Exegeten  gelieferte,  Erklärung  aufge- 
nommen, an  einigen  selbst  zuerst  die  richtige  Erklärung  aufgestellt  hat. 
Es  mögen  einige  Beispiele  folgen. 

Zu  V.  105  (tov  tov  -^eov  6k  ;(Qrjafi6v  ov  xaxiariov)  hatte  Schöne 
Seidler  8  Erklärung  angeführt:  «Non  contumelia  afficiendum  est  dei  ora- 
culum.  Contumelia  enim  erat,  si  oraculo  diffidentes  fugiebant."  Dagegen 
sagt  Herr  K.  mit  Recht,  dass  sich  diese  Worte  auf  die  wirkliche  Be- 
schimpfung des  Orakels,  die  in  den  Worten  ttoI  fi^  av  rijrJ'  ig  agxvy 
iiyayeg  x^n^^^  ü^^ff^i  beziehen.  Seltsam  ist  nur,  wie  oben  bemerkt  worden 
ist,  dass  Herr  K.  trotz  dieser  richtigen  Erklärung  an  der  Echtlieit  der 
Üeberlieferung  zweifelt  und  im  Anhange  eine  höchst  unwahrscheinliche  Con- 
jectur  aulstellt.  —  üeber  dydkfiad^  (V.  273)  hatte  Schöne  bemerkt,  daas  dieser 
Ausdruck  bildlich  für  Nachkommenschaft,  die  eine  Zierde  ihrer  Erzeuger 
ist,  gebraucht  wird.  Richtiger  bemerkt  Herr  K.  ^&yaX(jia  wird  bei  Dichterm 
gern  von  blühenden  Kindern  gesa^,  welche  die  Freude  (VMidoe^'ihnr 


844    /.  Haberly  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F,  Klamwutger, 

Eltern  sind**.  Mit  Kocht  wird  »580  uvx  ?(7i^'  öjiMg  hixiv  ar  t}  ^liog  düuao 
Ar]tM  ToattvTtjv  tljLtaiß-Htv  beibehalten  und  erklärt:  „htxev  äv  steht  in  dem 
gewöhnlichen  conditionalen  Sinne ;  der  dazu  gehörige  Vordersatz  —  tl 
^oTfuig  oiTCüff  (ifja&rjg  ^v  —  ist  in  Toaccvrrjv  afjia(^(av  enthalten,  wie  auch 
wir  sagen:  „Unmöglich  hätte  Zeus'  Gattin  Leto  ein  so  thörichtes  Wesen 
gebären  können**,  d.  h.  wenn  Artemis  ein  so  thörichtes  Wesen  wäre,  könnte 
sie  unmöglich  Zeus'  und  Leto's  Tochter  sein."  Schöne  hatte  hier  die  Aende' 
rung  o7io)g  nor  hixtv  aufgenommen.  —  Richtig  wird  über  die  Worte  i^ 
Ti';;^i;y  J'  iäv  ;^(>*wy  (489)  bemerkt:  y,Trv  tixiv  cT*  iav  XQ^^^  heifist  nicht 
etwa,  wie  man  es  gemeiniglich  erklärt:  „habe  das  Schicksal  seinen  Lauf, 
sondern  vielmehr:  „lasse  man  das  Schicksal  ruhen**,  d.  h.  rede  man  nicht 
davon".  Wir  fügen  hinzu,  dass  für  diese  Erklärung  offenbar  der  Umstand 
spricht,  dass  in  diesen  Worten  eine  Rückbeziehung  auf  die  Worte  der 
Iphigeneia  rag  Tv^ag  rfg  oJJ^  ort  roia^J'  iaovrai  (V.  475)  enthalten  ist 
Prag.  Johann  Kviöala« 

Lehrbuch  der  allgemeinen  Arithmetik  und  Algebra.  Zum  Ge- 
brauche für  Oberrealschuleii  bearbeitet  von  Josef  Hab  er  1.  Wien, 
Braumüller,  1865.  IV  u.  376  S.  —  2  fl.  ö.  W. 

Bei  der  grofsen  Zahl  von  Werken  aus  dem  Gebiete  der  allgemeinen 
Arithmetik  und  bei  den  erschöpfenden  und  gründlichen  Untersuchungen, 
welche  in  diesem  Zweige  der  Mathematik  stattgefunden  haben,  kann  es 
dem  Verfasser  eines  Lehrbuches  der  Algebra  für  Mittelschulen  nicht  mehr 
als  Verdienst  angerechnet  werden,  wenn  er  den  mathematischen  Lehrstoff 
von  streng  wissenschaftlichem  Standpuncte  aus  richtig  behandelt.  Soll  ein 
Lehrbuch  der  Mathematik  für  Mittelschulen  empfehlenswerth  erscheinen, 
so  muss  auf  die  didaktische  Seite  desselben  besondere  Rücksicht  genommen 
werden.  Der  Lehrstoff  soll  mit  steter  Berücksichtigung  der  Fassungskraft 
der  Schüler  kurz  und  bündig  abgehandelt,  die  Erklärungen  über  einzelne 
Rcchnungsoperationen  vollkommen  klar  gegeben,  und  bei  Berechnungen 
selbst  immer  die  zweckniäfsigste  und  einfachste  Form  gewählt  werden. 
Auch  die  äufsere  Ausstattung  trägt  oft  nicht  wenig  dazu  bei,  den  didak- 
tischen Werth  eines  Buches  zu  erhöhen.  Sind  besonders  wichtige  Sätze, 
welche  sich  der  Schüler,  manchmal  selbst  dem  Wortlaute  nach  anzueignen 
hat,  durch  den  Druck  besonders  hervorgehoben,  mathematische  Berech- 
nungen nicht  in  zu  gedrängter  Form  und  ängstlichier  Benützung  des  Raumes 
ausgeführt ,  femer  die  Buchstaben  der  Rechnung  deutlich  verschieden  von 
jenen  des  Textes,  so  wird  dadurch  Klarheit  und  Uebersicht  wesentlich 
gefördert  und  dem  Schüler,  der  sich  mit  Leichtigkeit  in  dem  Buche  zurecht- 
findet, das  Studium  aus  demselben  nicht  verleidet.  Was  nun  die  didaktische 
Seite  des  eben  angeführten  Lehrbuches  von  Haberl  betrifft,  so  ist  nicht 
zu  verkennen ,  dass  der  Verfasser  das  vorerwähnte  Ziel  angestrebt  hat, 
indem  es  dem  Buche  an  Klarheit,  Uebersicht  und  präciser  Darstellung  in 
den  meisten  Partien  nicht  fehlt.  Dennoch  kann  anderseits  nicht  geläugnet 
werden,  dass  einiges  oberflächlich  oder  zu  unbestimmt  behandelt  und  manches, 
was  in  einem  Lehrbuche  der  allgemeinen  Arithmetik  nicht  fehlen  sollte, 


J.  HabeH,  Lehrbuch  der  Anthmetik  etc.,  ang.  v.  F.  Klamminger,    845 

ganz  weggeblieben  ist,  dass  femer  bei  praktischen  Berechnungen  nicht 
immer  die  einfachsten  Methoden  gewählt  sind.  Referent  erlaubt  gich  dieses 
Urtheil  in  der  folgenden  Besprechung  der  einzelnen  Abschnitte  obigen 
Lehrbuches  näher  zu  begründen. 

Die  Einleitung  enthält  die  Definition  über  Mathematik,  stetige  und 
discrete  Gröfsen,  Arithmetik  etc.,  man  vermisst  jedoch  in  derselben,  sowie 
überhaupt  in  dem  ganzen  Buche,  eine  Erklärung  des  Begriffes  „  Algebra *" 
trotzdem  das  Buch  den  Titel  „Arithmetik  und  Algebra"  führt,  und  es 
jedenfalls  eine  ganz  bescheidene  Anforderung  an  ein  wissenschaftliches 
Lehrbuch  ist,  wenn  man  verlangt,  dasselbe  solle  eine  Erklärung  des  Titels 
enthalten. 

Der  Begriff  Algebra  wird  zuerst  auf  Seite  8  erwähnt ,  wo  von  der 
Zahlenreihe  —  4,  —  3,  —  2,  —1,0,+!,  +2,  -|-  3,  +  . . .  die  Rede  ist 
und  dabei  bemerkt  wird :  „Die  Zahlen  dieser  Reihe  werden  mit  dem  Namen 
algebraische  ganze  Zahlen  belegt,  denn  zunächst  war  es  die  Algebra,  welche 
auf  solche  Zahlen  führte.*'  Durch  diese  Erklärung  wird  man  gewiss  nicht 
hinlänglich  belehrt,  was  man  unter  Algebra  zu  verstehen  habe,  ja 
nach  dem  ersten  Satze  würde  man  sogar  einen  sonderbaren  Begriff  von 
diesem  Zweige  der  Mathematik  erhalten,  da  derselbe  die  Deutung  zulässt: 
Algebra  sei  blofs  das  Rechnen  mit  positiven  und  negativen  numerischen 
Zahlen.  Ueberhaupt  wird  in  dem  Buche  zwischen  besonderen  und  allge- 
meinen Zahlen  kein  Unterschied  gemacht  und  die  Eintheilung  der  Zahlen 
in  diese  zwei  Grupi)en  nicht  hervorgehoben,  was  jedenfalls  in  einem  Lehr- 
buche als  ein  Mangel  zu  bezeichnen  ist. 

Der  Einleitung  folgt  eine  kurze  Erklärung  der  verschiedenen  Rech- 
nungsarten, nämlich  der  vier  Grundoperationen,  femer  des  Potenzierens, 
Wurzelausziehens  und  Logarithmierens.  Die  Definitionen  dieser  Rechnungs- 
arten sind  deshalb  bei  den  Capiteln,  welche  dieselben  ausführlich  behandeln, 
weggelassen.  Trotzdem  wäre  eine  Wiederholung  derselben  an  der  Spitze 
der  verschiedenen  Capitel  vielleicht  nicht  überflüssig  gewesen,  indem  z.B. 
beim  Multiplicieren,  Potenzieren  etc.  man  sich  fortwährend  auf  die  Grund- 
erklämngen  dieser  Rechnungsarten  beruft,  und  streng  genommen  aUes, 
was  über  diese  Rechnungsoperationen  gesagt  wird,  mittelbar  oder  unmittel- 
bar auf  diese  Erklärungen  sich  zurückführen  lassen  soll. 

Bei  der  Definition  des  Potenzierens ,  sowie  überall  wo  von  Potenzen 
die  Rede  ist,  hat  der  Verfasser  die  Bezeichnung  „Wurzel**  sorgfaltig  ver- 
mieden, und  dafür  die  Benennung  „Grundzahl  oder  Basis**  eingeführt. 
Wenn  schon  der  Verfasser  die  letzteren  Bezeichnungen  für  besser  hält,  so 
wäre  es  doch  angezeigt  gewesen,  wenigstens  einmal  zu  erwähnen,  dass 
die  Zahl  a  in  dem  Potenzausdmcke  o^  auch  Wurzel  genannt  wird,  um 
so  mehr,  als  der  Verfasser  bei  der  umgekehrten  Rechnungsoperation,  wo 
aus  o»  und  n  die  Wurzel  oder  Basis  a  gesucht  werden  soll,  die  Bezeich- 
nung „Wurzelausziehen**  beibehielt.  Consequent  hätte  auch  hier  das  Wort 
Wurzel  vermieden  und  diese  Rechnungsart  „Basisausziehen**  genannt  werden 
müssen;  aber  freilich  ist  letztere  Bezeichnung  in  der  Mathematik  nicht 
gebräuchlich  und  es  wäre  auch  ganz  überflüssig  dieselbe  einzuführen  j  nur 
Zoltaohrift  f.  d.  Ostorr.  Oymniifi.  1866.  XI.  Heft  57 


846    /.  Haberl,  Lehrbach  der  Arithmetik  etc.,  ang.  y.  F,  Kkmminger. 

darf  die  Bezeichnung  ^Wurzel**  dann  beim  Potenzieren  nicht  ganz  rer- 
mieden  werden. 

Wahrscheinlich  bat  der  Verfasser  die  Benennung  „Grundzahl  oder 
Basis"  im  Hinblicke  auf  die  Lehre  von  den  Logarithmen  beibehalten,  da 
es  gebräuchlich  ist,  die  bestimmte  Zahl,  durch  deren Potenzierung  man 
beliebige  andere  Zahlen  erhält,  ebenfalls  so  zu  bezeichnen.  Ob  diese  über- 
einstimmende Benennung  glücklich  gewählt  sei,  ist  wol  zu  bezweifeb : 
die  Grundzahlen  von  Potenzen  können  eben  verschieden  sein,  während  die 
Grundzahl  eines  Logarithmensystems  eine  constante  Zahl  ist.  Dieser  Unter- 
schied ist  hinreichend,  eine  verschiedene  Benennung  einzuführen,  ja  es 
kann  sogar  die  conforme  Bezeichnung  beim  Anfanger  in  der  Lehre  der 
Logarithmen  zu  unrichtigen  Auffassungen  oder  unliebsamen  Verwechslungen 
führen,  was  später  bei  der  Besprechung  über  das  Capitel  der  Logarithmen 
näher  erörtert  werden  soll.  Da  sich  das  Wurzelausziehen  aus  dem  Poten- 
zieren ergibt  und  der  innigste  Zusammenhang  zwischen  beiden  Rechnungs- 
operationen stattfindet,  da  femer  die  Benennung  „Wurzel"  beim  Badicieren 
identisch  ist  mit  jener  „Basis  oder  Grundzahl"  für*s  Potenzieren,  so  liegt 
es  viel  näher,  eine  gleichmäfsige  Bezeichnung  für  dieselbe  Gröfse  in  diesen 
beiden  Rechnungsoperationen  einzuführen. 

Die  auf  Seite  10  gegebenen  Erklärungen  über  das  Reducieren  sind 
so  unbestimmt,  dass  es  nur  ein  Zufall  wäre,  wenn  ein  Schüler  nach  ihnen 
das  Reducieren  richtig  auffassen  würde.  Dem  Reducieren  muss  unbedingt 
eine  gründliche  Auseinandersetzung  über  gleichartige  Ausdrücke  voran- 
gehen, was  in  dem  Buche  nicht  der  Fall  ist.  Als  Regel  beim  Reducieren 
gibt  der  Verfasser  folgendes  an: 

^Sollen  zwei  algebmische  Zahlen  von  gleichen  Vorzeichen  addiert 
werden,  so  addiert  man  die  Zahlenwerthe  und  setzt  vor  die  Summe  das 
gemeinschaftliche  Vorzeichen;  hingegen  bei  verschiedenen  Vorzeichen  ziehe 
man  die  kleinere  Zahl  von  der  gröfseren  ab  und  gebe  der  Differenz  das 
Vorzeichen  der  gröfseren  Zahl."  Femer:  „Die  Ausmittlung  der  algebraischen 
Summe  nennt  man  gewöhnlich  das  Reducieren;  hierbei  addiert  man  am 
einfachsten  die  positiven  und  negativen  Zahlen  für  sich,  bildet  dann  die 
Differenz  dieser  Summe  und  setzt  das  entsprechende  Zeichen  vor." 

Man  wird  sich  vergeblich  bemühen,  aus  diesen  Erklämngen  etwas 
anderes  herauszufinden,  als  wie  man  numerische  Zahlen  mit  verschiedenen 
Vorzeichen  zusammenfasst.  Die  Art,  Buchstabenausdrücke  mit  Coefficienten 
zu  reducieren,  kann  hiernach  höchstens  errathen  werden,  denn  es  ist  gewiss 
Zufall,  wenn  der  Anfänger  nach  einer  solchen  Anleitung  die  Coefficienten 
reducieii,  den  gleichartigen  algebraischen  Ausdruck  daneben  nur  einmal 
und  zwar  ungeändert  aufschreibt,  wenn  es  ihm  überhaupt  früher  und  aber- 
mals durch  Zufall  gelungen  ist,  die  gleichartigen  Ausdrücke  zusammen  zu 
finden.  Dass  die  vom  Verfasser  gegebene  Erklärung  des  Reducierens  nicht 
blofs  für  eine  Aneinanderreihung  numerischer  Zahlen  mit  verschiedenen 
Zeichen,  sondern  auch  für  Buchstabenausdrücke  gelten  soll,  geht  aus  den 
beigefügten  Beispielen  hervor.  —  Es  wäre  gar  nicht  unmöglich,  dass  ein 
Schüler  nach  obigen  Erklärungen  3«*  -|-  4a'  reduciert  und  allenfalls  7«' 
herausbringt,    da  eben   eine  bestimmte  Erklärung  über  gleichartige  Aus- 


J.  Haberl,  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  Klammnger,    847 

drücke  nicht  vorangeht,  und  nur  inuner  vom  Addieren  und  Subtrahieren 
der  Zahlenwerthe  gesprochen  wird;  mindestens  würde  es  schwer  halten, 
mit  Hilfe  der  oben  angeführten  Regeln  das  unrichtige  einer  solchen  Re- 
duction  nachzuweisen.  Das  Reducieren  ist  des  häufigen  Vorkommens  wegen 
so  wichtig,  und  wird  von  dem  minder  begabten  Anfanger,  sobald  man  zur 
Multiplication  der  Potenzen  kommt,  so  häufig  mit  dieser  Rechnungsart 
verwechselt,  dass  der  Lehrer  ein  grofses  Gewicht  auf  eine  richtige  Auffas- 
sung des  Reducierens  legen  und  deshalb  die  Erklärungen  hierüber  so  präcis 
geben  muss,  dass  bei  genauer  Befolgung  der  ausgesprochenen  Grundsätze 
ein  fehlerhaftes  Rechnen  unmöglich  wird. 

Bei  der  Subtraction  algebraischer  Ausdrücke,  die  nicht  unterein- 
ander, sondern  nebeneinander  in  Klammem  gesetzt  werden,  ist  keine  An- 
leitung gegeben,  wie  die  Rechnung  durchgeführt  werden  soll,  wenn  im 
Subtrahende  mehrere  Klammem  ineinander  vorkommen;  ebenso  fehlen  in 
dem  Capitel  über  das  Subtrahieren  Beispiele  hierüber.  Nur  in  der  am 
Schlüsse  der  vier  Rechnungsoperationen  in  allgemeinen  Zahlen  beigefügten 
Aufgabensammlung  kommt  das  Beispiel  vor:  4a  —  [26  —  (3a  —  5!>)  -f-  4a]  = 
3a  —  76.  Ein  grofser  Theil  der  Schüler  dürfte  ohne  früherer  Anleitung 
diese  Subtraction  fehlerhaft  und  etwa  so  ausführen:  4a  — 26— 3a-|- 
56-4a  =  — 3a  — 7  6. 

Bei  der  Division  von  Potenzen  derselben  Wurzel  wird  angeführt, 
dass  Potenzen  mit  negativen  Erponenten  sich  folgerichtig  aus  einer  Division 
von  Potenzen  ergeben,  bei  welchen  der  Exponent  des  Divisors  gröfser  als 
jener  des  Dividend  es  ist,  weshalb  auch  die  Form  des  Resultates  a-p  in 
dem  Beispiele  a»»  .•  afn-\-p  weder  durch  einUebereinkommcn  der  Mathe- 
matiker angenommen,  noch  überhaupt  beliebig  ist;  ebenso  bestimmt  und 
frei  von  jeder  willkürlichen  Annahme  ergibt  sich  aus  einer  anderen  Be- 
trachtung, dass  a~P  «—  — -  sein   muss.     Nachdem    er   dies   auch   streng 

mathematisch  nachgewiesen,  sagt  der  Hr.  Vf.  in  einer  unmittelbar  auf  den 
Beweis  folgenden  Anmerkung:  „Es  ist  also  Sache  der  Convention,  wenn  man 

-p   als  gleichbedeutend  mit  a-^  annimmt".   Dieser  Satz  lässt  nach 

der    Ansicht  des    Referenten    nicht    leicht  eine   andere    Deutung    zu   als 

folgende:   die  Gleichheit  von  a— ?  und  —  sei  eine  willkürliche  Annahme 

der  Mathematiker,  was  doch  nach  obigen  Bemerkungen  nicht  der  Fall  ist; 
wahrscheinlich  hat  der  Verfasser  sagen  wollen:  „Es  ist  Sache  der  Con- 
vention, statt  —  den  gleichen  Werth  a—P  zu  schreiben." 

Wenn  der  Hr.  Vf.  das  Aufsuchen  der  Primfactoren  einer  numeri- 
schen Zahl  stets  nach  dem  auf  S.  40  angeführten  Musterbeispiele  vor- 
nehmen lässt,  so  muss  man  gestehen,  dass  sich  diese  Methode  eben  nicht 
durch  Kürze  und  Einfachheit  auszeichnet,  da  jeder  Quotient  zweimal  auf- 
geschrieben wird,  und  bei  n  Factoren  (n—  1)  Divisions-  und  Gleichheits- 
zeichen erforderlich  sind.  Wahrscheinlich  hat  der  Hr.  Vf.  nur  zur  leichteren 

57  • 


848    Jl  Haberl,  Lehrbach  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  Klamminger. 

Demonstrierung  des  Verfahrens  diese  Form  gewählt;  dann  wäre  es  aber 
passend  gewesen,  in  einem  zweiten  Beispiele  die  kürzere  und  allgemein 
gebräuchliche  Strich methodc  ersichtlich  zu  machen. 

Der  Zerlegung  in  Factoren  numerischer  Zahlen  und  algebraischer 
Mononome  hätte  sich  folgerichtig  das  Zerlegen  mehrgliederiger  algebraischer 
Ausdrücke  anschlief sen,  und  überhaupt  dem  so  wichtigen  Factorenzerlegen 
ein  eigenes  Capitel  gewidmet  werden  sollen.  Allerdings  kommen  in  dem 
Buche,  nämlich  bei  den  Capiteln  über  Multiplication  und  Division,  einzelne 
Andeutungen  vor,  wie  die  Factorenzerlegung  in  einigen  speciellen  Fällen 
durchzuführen  sei ;  diese  Fälle  beziehen  sich  auf  die  Differenz  der  Quadrate, 
zweite  und  dritte  Potenz  von  Binomen,  endlich  auf  Binome  von  der  Form : 

Aber  weder  bei  der  Division  noch  an  irgend  einer  anderen  Stelle 
wird  das  bei  mehrgliedrigeu  Ausdrückcu  so  häufig  vorkommende  Factoren- 
herausheben  erklärt;  ebenso  wenig  findet  man  Andeutungen  wie  Trinome 
zerlegt  werden  können;  desgleichen  unterblieb  die  Anleitung,  geordnete 
Polynome,  welche  entweder  ganz  oder  theilweise  aus  Factoren  von  der 
Form  05  ±  «  bestehen,  zu  zerlegen.  Sobald  aber  die  beiden  letzten  Arten  der 
Factorenzerlegung  nicht  gelehrt  werden,  mass  das  Aufsuchen  gemeinschaft- 
licher Factoren  bei  Bestimmung  des  gröfsten  MaTses  und  kleinsten  Viel- 
fachen nach  der  mühsamen  und  meist  langwierigen  Methode  der  gegen- 
seitigen Division  vorgenommen  werden,  während  man  durch  Factorenzer- 
legung, wo  dies  überhaupt  angeht,  viel  leichter  und  schneller  zum  Ziele 
gelangt.  Dass  auch  das  Addieren  von  Brüchen,  deren  Nenner  drei-  oder 
mehrgliedrige  Ausdrücke  sind,  viel  Zeit  und  Mühe  in  Anspruch  nimmt, 
ist  selbstverständlich,  und  so  hat  denn  der  Hr.  Vf.  in  den  beigefügten 
üebungsbeispielen  alle  derartigen  Fälle  vermieden,  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  Beispieles  auf  S.  70,  wo  ein  Bruch  mit  dem  Nenner  oj' -(-3a:-|- 2 
vorkommt.  Der  Hr.  Vf.  fand  es  für  nöthig,  daneben  in  einer  Klammer 
zu  bemerken,  dass:  a;'  -f-  3x  -j-  2  =■  (x  -|-  1)  (x  -f  2)  sei,  weil  er  voraus- 
setzen musste,  diese  Zerlegung  könne  der  Schüler  nicht  vornehmen,  er 
müsste  denn  durch  Zufall  oder  systemlose  Versuche  die  Factorenzerlegung 
zu  Stande  bringen. 

Warum  der  Hr.  Vf.  die  Factorenzerlegung  so  stiefmütterlich  be- 
handelte, ist  dem  Referenten  ein  Räthsel,  Dem  etwaigen  Einwurfe,  die 
beiden  zuletzt  berührten  Fälle  seien  für  den  Anfänger  zu  schwierig,  oder 
man  müsse  überhaupt  die  Theorie  der  quadratischen  und  selbst  der  höheren 
Gleichungen  gut  inne  haben,  um  Factoren  von  Poljmomen  aufzufinden,  kann 
der  Referent  sogleich  begegnen.  Ist  z.  B.  das  Trinom  12 o' -|-  17a6-f-66* 
zu  zerlegen,  und  sagt  man  dem  Schüler  die  einfache  Regel,  er  solle  das 
mittlere  Glied  in  zwei  Theile  zerlegen,  deren  Product  gleich  jenem  der 
äuTseren  Glieder  ist,  so  wird  selbst  der  minder  begabte  ohne  Schwierig- 
keiten finden,  dass  hinsichtlich  der  Cogfficienten  die  Zerlegung  von  17  in 
die  Theile  8  und  9  stattfinden  muss,  um  der  angeführten  Bedingung  zu 
entsprechen.  Durch  zweimaliges  Factorenherausheben  wird  man  dann  leicht 
zum  Ziele  gelangen;   man  hat  also:  12a*-f  17 a6  +  6&»  — 12a' -4-806+ 

9a&  +  66»  -  4a (3a  -|-^6)  +  36  (3a  +  26)  -  (3a  +  26)  (4a  +  36).  Fügt 


J,  Haberlj  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  KlamnUnger,    849 

wall  noch  bei,  dass  die  Zerlegung  des  mittleren  Gliedes  in  zwei  subtrac- 
tive  Theile  zu  erfolgen  hat,  sobald  die  Zeichen  der  äufseren  Glieder  ver- 
schieden sind,  so  ist  die  Begel  vollständig,  gilt  für  jedes  Trinom,  das 
durch  Multiplication  zweier  Binome  entstanden  ist,  und  kann  sehr  leicht 
aus  dem  Vorgange  bei  der  Multiplication  nachgewiesen  werden.  Was  end- 
lich die  Zerl^ung  von  geordneten  Polynomen  in  Factoren  von  der  Form 
Ä  i  «  betrifft,  so  lässt  sich  dieselbe  höchst  einfach  mit  Hilfe  der  auf  S.  30 
erklärten  Divisionsmethode  vornehmen;  wenn  auch  die  einzelnen  Werthe 
von  «  manchmal  erst  durch  zwei-  oder  dreimalige  Versuche  ermittelt 
werden  können,  so  liegt  doch  wenigstens  System  in  den  Versuchen,  sobald 
noch  bemerkt  wird,  die  verschiedenen  Werthe  von  «  müssen  Factoren  des 
letzten,  von  x  freien  Gliedes  sein.  Der  Beweis  für  obige  Divisionsmethode, 
welcher  ungleich  schwieriger  ist,  als  die  Anwendung  der  Methode  zur  Fac- 
torenzer legung,  wurde  von  dem  Verfasser  in  das  Buch  aufgenommen,  die 
schönste  Anwendung  hicvon  jedoch  dem  Schüler  nicht  gezeigt.  Auf  solche 
Weise  wird  dem  Schüler  das  Studium  der  Mathematik  eher  verleidet,  als 
das  Interesse  dafür  geweckt. 

Zur  Theorie  der  gemeinen  Brüche,  welche  kurz  und  sehr  fasslich 
gegeben  ist,  sei  nur  bemerkt,  dass  bei  der  Subtraction  der  Brüche  nume- 
rische Beispiele  gerade  nicht  überflüssig  gewesen  wären,  da  eben  hier  Fälle 
vorkommen,  welche  ungleich  mehr  die  Aufmerksamkeit  des  Schülers  in 
Anspruch  nehmen,  als  jede  andere  der  vier  Rechnungsarten  in  gemeinen 
Brüchen.  Ferner  würden  am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  einige  Bemerkun- 
gen über  die  Reduction  solcher  Brüche,  bei  denen  im  Zähler  und  Nenner 
wieder  algebraische  Summen  von  Brüchen  vorkommen,  ganz  am  Platze 
gewesen  sein.  Der  Schüler  wird  nach  den  im  Buche  enthaltenen  Andeu- 
tungen die  Summierung  der  Brüche  im  Zähler  und  Nenner,  und  schlieXb- 
lich  die  Division  der  summierten  Brüche  vornehmen,  während  die  Methode, 
nach  welcher  man  Zähler  und  Nenner  durch  Multiplication  mit  dem 
kleinsten  Vielfachen  der  einzelnen  Nenner  von  Brüchen  befreit,  weniger 
umständlich  ist  Auch  in  der  beigefügten  Aufgabensammlung  fehlen  Bei- 
spiele über  combinierte  Rechnungsarten  mit  numerischen  Brüchen. 

Nach  der  Theorie  der  gemeinen  Brüche  folgt  die  Lehre  der  Gleichun- 
gen des  ersten  Grades.  Obwol  nun  der  Hr.  Vf.  hierin  von  dem  Vorgange 
vieler  Autoren  abweicht,  welche  den  Gleichungen  noch  die  Theorie  der 
Decimal-  und  Kettenbrüche,  der  Proportionen,  Potemzen  und  WurzelgröXfeen, 
ja  selbst  öfters  die  Lehre  von  den  Logarithmen  vorangehen  lassen,  so  kann 
eine  solche  Eintheilung  selbst  vom  wissenschaftlichen  Standpuncte  aus 
nur  als  vollkommen  begründet  und  zweckmäßig  angesehen  werden,  da 
einerseits  das  Vorausgehende  vollkommen  genügt,  um  einfache  Gleichungen 
des  ersten  Grades  auflösen  zu  können,  und  anderseits  man  öfters  in  die 
Lage  kommt,  bei  den  früher  genannten  Capiteln  mit  Gleichungen  operieren 
zu  müssen. 

Was  die  Behandlung  der  Gleichungen  des  ersten  Grades  anbelangt, 
so  vermisst  man  eine  anschauliche  Darstellung,  wie  das  Transponieren  ein- 
zelner Glieder  vorzunehmen  sei;  ferner  ist  die  Auflösung  der  Musterbei- 
spiele ziemlich  schleppend,  weil  fast  alle  Transformationen  durch  Hinzu- 


850     J.  Haberlf  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  KUm^minger, 

fflgung  oder  Verbindung  identischer  Gleichungen  vorgenommen  werden, 
was  doch  nach  den  vom  Hrn.  Vf.  vorangestellten  Regeln,  wie  Gleichungen 
aufzulösen  sind,  nicht  mehr  noth wendig  erscheint. 

Den  Gleichungen  mit  einer  Unbekannten  folgen  jene  mit  zwei  oder 
mehreren  Unbekannten  vom  ersten  Grade.  Wenn  auch  das  Vorausgegangene 
genügte,  um  die  Auflösung  solcher  Gleichungen  richtig  auffassen  zu  lehren, 
so  wäre  es  nach  Ansicht  des  Referenten  doch  vielleicht  zweckmäXlsiger 
gewesen,  diese  Gleichungen  später,  nämlich  vor  jenen  des  zweiten  Grades 
abzuhandeln,  da  die  Auflösung  von  Gleichungen  mit  mehreren  Unbekannten 
früher  nicht  gebraucht  wird,  oder  doch  vermieden  werden  kann,  femer  dem 
minder  begabten  Anfänger  die  Auflösung  solcher  Gleichungen  immerhin 
noch  zu  schwierig  erscheinen  dürfte,  da  er  von  der  Algebra  nichts  kennt, 
als  die  vier  Grundoperationen  in  ganzen  Zahlen  und  Brüchen  und  selbst 
hierin  vielleicht  noch  wenig  Gewandtheit  besitzt.  Noch  unzweckmäüsiger 
aber  dürfte  es  erscheinen,  hierauf  die  Auflösung  der  diophantischen  Gleichun- 
gen des  ersten  Grades  vorzunehmen,  und  zwar  aus  folgenden. Gründen : 
1.  haben  dieselben  keine  Anwendung  in  den  folgenden  Capiteln;  2.  ist  die 
Theorie  derselben  für  einen  Schüler,  welcher  erst  sehr  kurze  Zeit  Mathe- 
matik studiert,  zu  schwierig ;  3.  lernt  man  erst  bei  der  Theorie  der  Ketten- 
brtiche  eine  Methode  kennen,  welche  sich  zur  Auflösung  solcher  Gleichun- 
gen sehr  gut  eignet;  4.  werden  ohnehin  viel  später  abermals  diophantische 
Gleichungen,  nämlich  jene  vom  zweiten  Grade  abgehandelt  und  wäre  eben 
dort  der  geeignete  Platz  gewesen,  die  unbestimmten  Gleichungen  des  ersten 
Grades  vorausgehen  zu  lassen. 

Nach  den  Gleichungen  werden  die  Zahlensysteme  überhaupt  und 
das  decadische  insbesondere  näher  betrachtet.  Wenn  der  Hr.  Vf.  allenfalls 
die  anderen  Systeme,  aufser  dem  decadischen,  also  das  dyadische,  triadische 
etc.  ganz  übergangen  hätte,  so  würde  sein  Lehrbuch  für  Realschulen  an 
Werth  gerade  nichts  verloren  haben. 

Zunächst  folgt  die  Theilbarkeit  der  Zahlen,  in  welchem  Capitel  ein 
recht  hübsches  Theilbarkeitsgesetz  für  die  Zahl  7  vorkommt,  das  grofse 
iVehnlichkeit  mit  der  bekannten  Theilbarkeitsregel  für  die  Zahl  11  hat. 

Im  folgenden  Capitel  über  Decimalbrüche  ist  der  Zusammenhang 
zwischen  denselben  und  dem  decadischen  System  nicht  recht  ersichtlich 
gemacht.   Der  Hr.  Verf.  erklärt  Decimalbrüche  als  Brüche  von  der  Form 

lÖJT'   ^®^*  ^^  ^^^  folgendem  Beispiele  vom  gemeinen  Bruche  -ttt-  aus 

3        2  4 

und  sagt,  derselbe  lässt  sich  auch  in  der  Form :  tr^r  +  ^^  +  ^—^  =  0-324 

AU         A\A/         X\ÄA/ 

schreiben.  Eleganter  und  auch  verständlicher  wäre  der  Vorgang  gewesen, 
jene  Stellen,  welche  im  Sinne  des  decadischen  Systemes  rechts  von  den 
Einheiten  stehen,  Decimalstellen  zu  nennen  und  erst  hieraus  durch  Sum- 
mierung der  einzelnen  in  Fonn  von  gemeinen  Brüchen  aufgeschriebenen 

Stellen  die  allgemeine  Form  =rr^  abzuleiten.  Bei  einer  derartigen  Auffas- 
sung wird  dem  Schüler  klar,  dass  Decimalbrüche  nichts  anderes  als  deca- 
dische Zahlen  sind,  dass  er  also  mit  denselben  ebenso  rechnen  kann,  wie 


J,  Haberl,  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  Klammitiger,    851 

mit  ganzen  Zahlen,  und  nur  zu  berücksichtigen  hat,  nach  jeder  Rechnungs- 
operation den  Decimalpunct  im  Resultate  an  die  richtige  Stelle  zu  setzen. 
Das  Verwandeln  der  gemeinen  Brüche,  welche  endliche  Decimal- 
brüche  geben,  wird  so  oberflächlich  genommen,  dass  selbst  Andeutungen 
fehlen,  wie  man  im  Vorhinein  die  Anzahl  der  Decimalen  bestimmt,  obwol 
der  Verfasser  bei  vorperiodischen  Brüchen  die  Regel  zur  Ermittlung  der 
Anzahl  vorperiodischer  Stellen   genau  angibt.    Ferner   wird  gesagt,   nur 

solche  Bräche  geben  endliche  Decimalbrüche,  welche  die  Form  -^ —  haben. 

2^5' 
In  einem  Lehrbuche  für  Anfänger  wäre  es  nicht  übei-flüssig  gewesen,  die 

zwei  speciellen  Formen  --  und  --   noch  besonders  hervorzuheben,   wenn 
2  ÖP 

auch  dieselben  in  der  ersten  Form  enthalten  sind.  Der  Beweis,  wie  man 
periodische  Decimalbrüche  in  gemeine  verwandelt,  hätte  auf  sehr  einfache 
und  interessante  Art  direct  geführt  werden  können,  statt  durch  wieder- 
holte Berufung  auf  vorhergehende  Gleichungen,  welche  aus  Beweisen 
resultieren,  die  vielleicht  nur  von  der  geringsten  Zahl  der  Schüler  richtig 
aufgefasst  werden. 

Die  Erklärung  der  abgekürzten  MultipUcation  in  Decimalen  ist  so 
schwierig  und  umständlich  gegeben,  dass  ein  Schüler  selbst  nach  mehr- 
maligem aufmerksamen  Durchlesen  derselben  sich  schwerlich  zurecht  finden 
dürfte.  Ebenso  ist  die  Form,  wie  der  Hr.  Vf.  die  abgekürzte  MultipUcation 
ausführt,  unpraktisch,  da  er  die  Factoren  nach  der  bekannten  Regel  nicht 
untereinander,  sondern  blofs  nebeneinander  setzt  und  die  MultipUcation 
dann  unmittelbar  beginnt.  Um  nicht  zu  fehlen,  ist  der  Schüler  genöthigt, 
vor  Entwicklung  jedes  einzelnen  Partialproductes  zu  untersuchen,  mit 
welcher  Stelle  im  Multiplicande  er  die  Rechnung  beginnen  muss,  um 
ein  Product,  entsprechend  der  letzten  noch  zu  suchenden  DecimalsteUe  zu 
erhalten,  oder  wenigstens  alle  Stellen  in  beiden  Factoren  durch  Puncte 
oder  andere  Zeichen  zu  markieren.  Wenn  auch  solche  Untersuchungen  für 
den  Schüler  immer  einigen  Werth  haben,  so  muss  man  doch  berücksichtigen, 
dass  abgekürzte  Multiplicationen  so  häufig  beim  praktischen  Ziffer- 
rechnen vorkommen,  dass  nur  jene  Methode  die  beste  genannt  werden  kann, 
mittelst  der  man  schnell  und  sicher  rechnet.  Das  zweite  Anschreiben  des 
Multiplicators  wird  nach  der  Methode  des  Hm.  Verf.'s  zwar  erspart ;  dafür 
nehmen  aber  die  fortwährenden  Untersuchungen  über  SteUenwerth  bei  län- 
geren Multiplicationen  vielleicht  das  Vierfache  der  ersparten  Zeit  in  An- 
spruch. Ueberdies  ist  so  ein  fehlerhaftes  Rechnen  viel  eher  möglich,  als 
nach  der  anderen  Methode,  bei  welcher  die  Aufmerksamkeit  des  Schülers 
nur  einmal,  nämlich  beim  Ansatz,  in  Anspruch  genommen  wird,  während 
im  Verlaufe  der  Rechnung  ein  Fehler  unmöglich  wird,  wenn  der  Schüler 
nur  überhaupt  das  Ein  mal  Eins  gut  inne  hat  und  addieren  kann. 

Andeutungen,  wie  combinierte  Rechnungen  in  Decimalen,  bei  welchen 
im  Resultate  ein  bestimmter  Grad  der  Genauigkeit  gefordert  wird,  durch- 
zuführen sind,  fehlen  gänzlich,  und  wären  um  so  noth wendiger  gewesen, 
da  gerade  derartige  Rechnungen  nicht  nur  in  der  Mathematik,    Physik, 


852    J.  Häberl,  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  KlamnUnger. 

Mechanik,  sondern  auch  bei  einfachen  Rechnungen  im  praktiBchen  Leben 
häufig  vorkommen.  Rechnet  der  Schüler  nur  immer  in  so  vielen  DednuJen, 
als  im  Resultate  verlangt  werden,  so  kann  es  leicht  sein,  dass  er  glaubt  das 
Resultat  beispielsweise  auf  drei  Decimalen  genau  zu  haben,  während  nicht 
nur  diese  Decimalen  vielleicht  ganzlich  unrichtig,  sondern  oft  selbst  eine 
oder  mehrere  ganze  Stellen  ungenau  sind.  Sobald  der  Schüler  die  Neben- 
rechnungen nicht  so  durchfuhrt,  dass  die  Genauigkeit  derselben  im  Ein- 
klänge steht  mit  der  verlangten  Genauigkeit  des  Resultates,  so  ist  die 
ganze  Theorie  der  Decimalbrüche,  wenn  er  sie  noch  so  gut  inne  hat,  ffSa 
ihn  werthlos,  da  er  stets  fehlerhafte  Resultate  erhält,  wenn  er  anch  jede 
Rechnungsoperation  regelrecht  durchführt.  Dass  man  nicht  alle  beim  prak- 
tischen Rechnen  vorkommenden  Fälle  erschöpfen  kann,  ist  wol  selbstver- 
ständlich und  wäre  auch  ganz  überflüssig;  es  genügt,  wenn  dem  Schüler 
eine  Anleitung  gegeben  wird,  wie  abgekürzte  Multiplicationen  mit  mehreren 
Factoren,  und  Divisionen  auszuführen  sind,  bei  welchen  Dividend  und 
Divisor  oder  beide  zugleich  aus  Factoren  bestehen. 

Es  folgt  nun  die  Lehre  der  Potenzen,  welche  die  gewöhnlichen  Sätze 
enthält,  ¥rie  sie  in  allen  Lehrbüchern  über  allgemeine  Arithmetik  vorkommen. 

Dem  Rechnen  mit  negativen  Exponenten  wäre  der  Satz  l~|        ==  l-j 

beizufügen  gewesen.  Die  Anwendung  dieses  Satzes  gestattet  oft  eine  wesent- 
liche Vereinfachung  der  Rechnung  und  der  Hr.  Vf.  hätte  mit  Hilfe  des- 
selben Beispiel  3.  S.  148  weniger  umständlich  ausrechnen  können,  wo  es  heiXist: 

l— öTi^^i  -  +  5-^n-^z-^  "  Q^m^x^y^'  ^^  ^''  Anwendung 
obiger  Regel  die  Zwischengleichung  entfallen  wäre,  ist  klar;  es  erscheint 
überhaupt  sonderbar  in  obiger  Rechnung  alle  positiven  Exponenten  durch 
Potenzierung  in  negative  zu  verwandeln,  um  sie  gleich  darauf  wieder 
positiv  zu  machen. 

In  den  Paragraphen  über  das  Quadrat  und  den  Kubus  mehrthei- 
liger  Ausdrücke  sollten  die  zweiten  Methoden  zu  deren  Ausführung,  wie 
sie  der  Hr.  Vf.  speciell  erst  beim  Potenzieren  decadischer  Zahlen  anwendet, 
ebenfalls  nicht  fehlen,  da  die  Potenzierung  geordneter  Polynome  nach 
diesen  Methoden  vorzuziehen  ist.  üeber  das  Potenzieren  periodischer  De- 
cimalbrüche  hätte  der  Hr.  Verf.  anführen  können,  dass  dieselbe  niemals 
nach  den  Regeln  für  Potenzen  mehrgliedriger  Ausdrücke,  sondern  stets 
durch  abgekürzte  Multiplication  vorzunehmen  sei. 

Zur  Lehre  von  den  Wurzelgröfsen  sei  bemerkt;  Bei  dem  im  §.  160 
angeführten  und  mit  durchschossenen  Lettern  gedruckten  Satze  soll  es  am 
Schlüsse  statt :  „  ...  mit  derselben  Zahl  multipliciert",  heifsen :  «...  mit 
derselben  Zahl  multipliciert  und  dividiert**. 

Bei  der  Erklärung  und  Besprechung  irrationaler  Zahlen  beweist  der 
Hr.  Vf.  in  den  Paragraphen  170  und  171,  dass  die  Gesetze  der  Multipli- 
cation, der  Potenzierung  und  des  Wurzelausziehens,  wie  sie  für  rationale 
Zahlen  gelten,  auch  bei  irrationalen  angewendet  werden  können ;  diese  Be- 
weise, welche  in  anderen  Lehrbüchern  für  Mittelschulen  nicht  vorkommen, 
sind  vom  wissenschaftichen  Standpuncte  aus  ganz  am  Platze  und  bilden 


J.  Haberl,  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  Klamminger,    85S 

eine  interessante  Bereicherung  der  Lehre  über  die  Wurzelgröllseu ;  nur  ist 
Referent  der  Ansicht,  dass,  den  irrationalen  Zahlen  analog,  auch  in  der 
Theorie  der  Decimalbrüche  ein  Beweis  erforderlich  gewesen  wäre,  dass  mit 
periodischen  Brüchen  so  gerechnet  wird,  wie  mit  endlichen  DecimalbrÜchen ; 
denn  die  ersteren  verhalten  sich,  als  Decimalbrüche  geschrieben,  gerade 
so,  wie  irrationale  oder  incommensurable  Zahlen.  Mindestens  hätte  eine 
Hindeutung  auf  die  vorigen  Paragraphe  stattfinden  sollen,  da  dieselben 
ebenso  gut  für  periodische  Decimalbrüche,  wie  für  irrationale  Wurzel- 
grofsen  gelten  können. 

Das  Rationalmachen  der  Brüche  ist  sehr  ausführlich  genommen  und 
wird  vom  Hm.  Vf.  eine  recht  hübsche  Methode  angefahrt,  um  Nenner  von 

n   __  n  n 

der  Form  «  +  1/a  +  r  «'  -f  l^«*  vom  Wurzelzeichen  zu  befreien.  Die 
kurze  Untersuchung  über  die  Möglichkeit  der  Gleichung  a  +  1/6  =  c  +  Yd 
ist  ganz  am  Platze.  Auch  das  Rechnen  mit  imaginären  Gröflsen  wurde 
vom  Hm.  Vf.  ausführlich  behandelt;  hervorzuheben  wäre  noch,  dass  der 
Hr.  Vf.  die  interessante  geometrische  Bedeutung  von  V— 1,  femer  allge- 
gemein  von  «  +  /S  ]/— 1  erklärt  und  auch  graphisch  darstellt.  Es  wird 
jedoch  nur  das  Rechnen  mit  lateralen  Zahlen  von  Form  y — A  gezeigt, 
und  nicht  ein  Beispiel  angeführt,  wie  Multiplicationen,  Potenzierungen  etc. 
von  vierten  oder  höheren  Wurzeln  aus  negativen  Zahlen  vorzunehmen  sind. 

2h 

Der  Hr.  Vf.  sagt  nur:    „Jede  laterale  Gröfse,  allgemein  |/ _^  läset  sich 

auf  die  Form  «  -f  /9  V— 1  bringen**,  erklärt  jedoch  nirgends,  wie  diese 
Verwandlung  stattzufinden  hat 

Es  folgt  nun  die  Lehre  von  den  Verhältnissen  und  Proportionen, 
sowie  deren  Anwendung  auf  praktische  Rechnungen.  Nach  diesen  werden 
die  quadratischen  Gleichungen  mit  einer  oder  mehreren  Unbekannten  ab« 
gehandelt.  In  dem  letzten  Capitel  fehlen  die  Regeln,  nach  welchen  eine 
Gleichung  vor  dem  Rationalmachen  zu  ordnen  ist,  wenn  in  derselben  eine, 
zwei,  drei  oder  noch  mehr  Quadratwurzeln  vorkommen.  Wird  vor  dem 
Quadrieren  nicht  eine  entsprechende  Vertheilung  der  rationalen  und  irra- 
tionalen Theile  auf  beiden  Seiten  der  Gleichung,  und  zwar  nach  be- 
stimmten Regeln  vorgenommen,  so  kann  es  leicht  geschehen,  dass  nach 
dem  Quadrieren  in  der  Gleichung  ebenso  viele,  ja  oft  noch  mehr  irra- 
tionale Gleichungen  erscheinen,  als  ursprünglich  in  der  Gleichung  ent- 
halten waren.  Eine  interessante  Anwendung  der  im  §.  233  erwähnten  Formel 

rP  ±  9.  V— i  —  aJ  i  y  V---ii   wo   dem  x  und  y  bestimmte  reelle 

4    8  

Werthe  zukommen,  wäre  jene  gewesen,  1/— 1,  ]/— 1...  oder  überhaupt 

a» 

V  —1  auf  die  Form  a  +  ß  ^  —1  zu   bringen;   mit  Hilfe  dieser  Trans- 

formation  und  des  Satzes  V— 1  «=  — 1    wäre  es  möglich   gewesen  den 

in 

Beweis  zu  liefern,  dass  ^  —A  sich  jederzeit  in  der  Form  n  +  ß  V— X 


854    J.  Häberl,  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.,  ang.  v.  F.  Klamminger. 

darstellen  lässt,  welche  Behauptung  zwar  im  §.  175  ausgesprochen,  aber 
nirgends  bewiesen  ist. 

In  dem  Capitel  über  unbestimmte  Gleichungen  des  zweiten  Grades 
sollten  Untersuchungen  nicht  fehlen,  welche  Werthe  dem  x  in  dem  Aus- 
drucke j/«  -\-  ßx  -\-  yx^  beizulegen  sind,  damit  derselbe  rational  werde. 

In  der  Theorie  der  Logarithmen  kommt  der  Satz  vor:  „Der  Loga- 
rithmus einer  beliebigen  PotenzgröJüse  wird  gefunden,  wenn  der  Exponent 
mit  dem  Logarithmus  der  Grundzahl  multipliciert  wird.**  Da  aber  der 
Logarithmus  der  Grundzahl  eines  Sjstemes  «  1  ist,  so  lässt  obige  Regel 
auch  die  Deutung  zu,  der  Logarithmus  jeder  Potenzgröfse  sei  bloft  gleich 
dem  Exponenten  derselben,  sobald  man  nicht  bemerkt,  unter  der  Bezeich- 
nung „Grundzahl"  in  diesem  Satze  sei  nicht  die  Basis  des  Systemes,  son- 
dern die  Basis  der  Potenz  zu  verstehen.  Hätte  der  Hr.  Vf.  in  der  Lehre 
der  Potenzen  die  übliche  Bezeichnung  „Wurzel"  beibehalten,  so  wäre  beim 
logarithmischen  Rechnen  jede  Zweideutigkeit  vermieden. 

Die  Bedeutung  eines  Logarithmus  mit  negativer  Mantisse,  das  Ver- 
wandeln desselben  in  einen  solchen  mit  positiver  Mantisse  und  blofs  n^a- 
tiver  Charakteristik,  femer  eine  Erklärung,  warum  das  Rechnen  mit  Loga- 
rithmen, deren  Mantissen  negativ  sind,  mindestens  am  Ende  der  logarith- 
mischen Reductionen,  also  vor  Aufsuchung  der  dazu  gehörigen  Zahl,  zu 
vermeiden  ist,  hätte  nicht  übergangen  werden  sollen. 

Zur  Lehre  der  arithmetischen  und  geometrischen  Progressionen  sei 
bemerkt,  dass  es  der  Fassungskraft  der  Schüler  entsprechender  gewesen 
wäre,  beim  Interpolieren  dieser  Reihen  die  Einführung  von  Zeigern  in 
Bruchformen  zu  vermeiden.  Man  kann  dem  Schüler  allerdings  einen  richti- 
gen Begriff  beibringen,  was  er  unter  dem  n*«",  (n  —  1)*««,  (n  -f  5)^»  .... 
Gliede  einer  Reihe  zu  verstehen  hat;  es  dürfte  jedoch  schwer  halten,  dem 
gröfsten  Theile  der  Schüler  die  Bedeutung  von  Gliedern  mit  den  Zeigern 

r  A ,  r  A ,  . . .  r  -I klar  zu  machen.    Beim  Intenx>lieren  ge- 

nügt  es,  zwei  beliebige,  aber  unmittelbar  aufeinanderfolgende  Glieder  der 
Grundreihe  zu  betrachten,  das  vorhergehende  Glied  als  erstes  einer  neu  zu 
bildenden  Reihe ,  das  nächste  Glied  aber  als  das  (n  -|-  2)*«  in  der  zweiten 
Reihe  zu  betrachten,  sobald  ^Glieder  einzuschalten  sind.  Ist  die  Einschal- 
tung nur  zwischen  zwei  Gliedern  erfolgt,  so  ergibt  sich  dieselbe  von  selbst 
zwischen  allen  vorhergehenden  und  nachfolgenden  Gliedern  der  Grundreihe. 

Am  Schlüsse  des  Capitels  über  die  Reihen  sind  kurze  Bemerkungen 
über  die  Convergenz  und  Divergenz  der  Reihen  beigefügt,  um  die  Brauch- 
barkeit der  später  entwickelten  Binominalformel  in  bestimmten  Fällen  zu 
erkennen. 

In  dem  Capitel  über  Zinseszinsen  gibt  der  Hr.  Vf  an,  welche  Modi- 

ficationen  die  Formel  fc«  —  ä;  |l  -f  ~^l   erleidet,    wenn   n  keine  ganze, 

sondern  eine  gebrochene  Zahl  ist,  oder  als  solche  aus  einer  Rechnung  er- 
halten wird.  Hiemit,  sowie  durch  Aufnahme  der  Berechnung  über  Rück- 
zahlung verzinslicher  Anlehen  erhielt  das  Capitel  über  Zinseszinsen  wün- 
schcnswerthe  Bereicherungen. 


J.  Kehrein,  Das  Annolied,  ang.  v.  TT.  Scherer,  855 

Den  Schluss  des  Werkes  bildet  die  Corabinationslehre  mit  ihrer 
Anwendung  auf  das  Binominaltheorem  und  die  Wahrscheinlichkeitsrech- 
nung. Die  Ausstattung  des  Buches  ist  prachtvoll  und  kann  als  Muster  für 
mathematische  Lehrbücher  gelten. 

Krems.  F.  Klamminger. 


Das  Annolied.  Genauer  Abdruck  des  Opitzischen  Textes,  mit 
Anmerkungen  und  Wörterbuch  von  Joseph  Kehrein.  Frankfurt  ü/M., 
G.  Hamacher,  1865.  VI  u.  85  S.  -  12  Sgr. 

Hr.  Kehrein  will,  wie  er  in  der  Vorrede  betont,  eine  „Volksausgabe" 
des  AnnoUedes  liefern.  Ob  es  einer  solchen  bedürfe  und  worin  das  volks- 
thümliche  einer  Edition  altdeutscher  Gedichte  bestehen  könne,  darüber 
wäre  manches  zu  sagen.  Jedenfalls  dürfte  der  buchstäbliche  Abdruck  einer 
Handschrift,  vollends  einer  Handschrift  mit  höchst  eigenthümlicher,  ja  selt- 
samer Orthographie,  am  wenigsten  dem  Zwecke  entsprechen.  In  dem  vor- 
liegenden Falle  muss  uns  überdies  eine  mit  mangelhaften  Sprachkennt- 
nissen besorgte  und  durch  offenbare  Druck-  und  Lesefehler  entstellte  Aus- 
gabe des  17.  Jahrhunderts  die  Handschrift  ersetzen.  Damit  wird  nun  „das 
Volk**  wenig  anzufangen  wissen.  Vielleicht  aber  verdient  sich  der  Heraus- 
geber wenigstens  bei  den  Fachgenossen  Dank,  vorausgesetzt  nämlich ,  dass 
jemand  die  Edition  von  Karl  Roth  (München  1847)  verschmäht,  weil  schlechte 
Opitzische  Lesarten  aus  dem  Text  in  die  Anmerkungen  verwiesen  sind:  dass 
Roth  in  üniformierung  der  Orthographie  an  einigen  Puncten  zu  weit  geht, 
föllt  doch  wenig  in's  Gewicht.  —  In  der  Einleitung  wird  über  den  Ver- 
fasser des  Gedichtes  das  famose  Holtzmann*sche  Capriccio  abgespielt, 
worin  derselbe  mit  Lambert  von  Hersfeld,  dem  Pfaflfen  Lambrecht  und  dem 
Dichter  der  sogen,  jüngeren  Judith  zu  einer  einzigen  Persönlichkeit  ver- 
schmilzt, deren  literarisches  Porträt,  sorgfältig  ausgeführt,  ohne  Zweifel 
nur  im  indischen  Kunststil  möglich  wäre,  der  bekanntlich  Mehrköpfigkeit 
gestattet.  —  Unter  den  wenigen  Verbesserungen,  die  doch  lange  noch  keinen 
erträglichen  Text  geben,  ist  mir  keine  neue  aufgefallen :  manche  der  alten 
blieben  besser  unwiederholt.  Z.  598  z.  B.  braucht  das  überlieferte  vure 
dir  wärheite  keine  Aenderung,  vgl.  Schmeller  gloss.  sax.  s.  v.  furi.  Und 
Z.  584.  802  ist  die  Bemerkung,  dass  Hüften  und  atükkelinen  richtiger  wäre, 
unnöthig ,  da  Apokope  des  n  im  Annoliede  häufig  genug  begegnet.  —  Die 
Anmerkungen  hat  Hr.  Kehrein  im  wesentlichen  aus  Bezzenbergers  Ausgabe 
entnommen.  Aber  dass  die  Deutschen  vom  dritten  Jahrhundert  'an  unter 
dem  Gesammtnamen  Franken  auftraten  (zu  Z.  93)  und  die  Bemerkung ,, Gi- 
ganten, Riesen,  grofse  Menschen**  u.  s.  w.  (zu  Z.  152)  gehört  ihm  freilich 
zu  Eigen.  —  Im  Wörterbuch  finden  wir  ganz  dankenswerthe  Zusammen- 
stellungen über  die  Laut-  und  Formenlehre,  auch  zum  Theile  die  Syntax 
des  Annoliedes:  für  ihre  Vollständigkeit  und  durchgängige  Richtigkeit 
kann  ich  mich  natürlich  nicht  verbürgen.  Gleich  Anfangs  S.  48*  werden 
als  Fälle  des  dem  Substantiv  flectiert  nachgesetzten  Adjectivs  u.  a.  aufge- 
führt ein  beri  wilde  (193)  und  drei  Beispiele  (524,  533,  623)  von  nachge- 
setztem vröne ,  aufserdem  Z.  458 ,  was  ich  für  ein  falsches  Citat  nehmen 


850  Literarische  Notizen. 

will.  Das  ganze  Glossar  durchzucorrigieren  habe  ich  keine  Lust.  Unpra- 
cise  Angabe  der  Bedeutungen  scheint  leider  darin  die  Regel  zu  bilden, 
auch  an  z.  Th.  groben  Unrichtigkeiten  fehlt  es  nicht  (vergL  z.  B.  die 
Artikel  biceichenifU ,  Insten,  bivcd,  breite,  genenden  S.  61»,  hus,  truite). 
Manchmal  ist  dem  Hr.  Verf.  das  Gefahl  für  unsere  heutige  Sprache  bei 
seiner  Arbeit  ganz  abhanden  gekommen :  er  schreibt  auch  neudeutsch  *  be- 
zeich enen,  Genade.' 

Wien.  W.  Scherer. 


Literarische  Notizen. 

ErzäMungen  aus  der  Geschichte  für  den  ersten  Unterricht  auf 
Mittel-  und  höneren  Bürgerschulen  zusammengestellt  von  K  Kappes. 
Zweite  Auflage.  Freiburg  i.  B.,  Wagner,  1866.  kL  8.  272  S.  —  24  Sgr. 

In  der  Vorrede  entwickelt  der  H.  V.  kurz  die  Ansichten,  die  ihn  bei 
der  Zusammenstellung- dieses  Stoffes  leiteten.  Dieselben  stimmen  mit  der 
jetzt  allgemein  verbreiteten  Anschauung  überein,  dass  beim  biographischen 
Unterrichte  „ein  gewisser  durch  die  ganze  Reihe  der  £inzelnerzahlungen  hin- 
durch ziehender  Faden  den  innem  Zusammenhang  herstellen  müsse.**  Der 
H.  V.  ist  femer  der  Ansicht,  dass  bei  dem  ersten  Unterrichte  in  der  Ge- 
schichte der  zusammenhängende  Vortrag  gewisse  Grenzen  zu  beachten  habe, 
welche  theils  durch  die  Natur  des  Schülers,  theils  durch  die  Natur  der 
Sache  selbst  geboten  sind,  indem  einzelne  Momente,  wie  das  Geographische, 
Ethische,  Praktische,  die  Vergleichunff  u.  s.  w.  eine  Unterbrechuiig  des 
Vortrages  und  ein  längeres  Verweilen  oei  einem  Factum  nothwendig  her- 
beiführen. Aus  diesen  Gründen  und  mit  Rücksicht  auf  den  so  häufigvor- 
kommenden  Umstand,  dass  die  Classen  sehr  zahlreich  sind,  hält  der  H.  V. 
die  besnrechungsweise  Mittheilung,  das  Wechselgespräch  zwischen  Lehrer 
und  Scnüler  für  den  zweckmäfsigsten  Vorgang  imd  hat  derselbe  für  die 
häusliche  Repetition  der  Schüler  das  vorliegende  Buch  verfasst.  Dasselbe 
enthält  das  Material  für  den  einleitenden  Vorbereitunffsunterricht  oder  für 
die  erste  Stufe  mit  Rücksicht  auf  die  dreifache  Abstuning  des  historischen 
Unterrichtes.  Die  eigentliche  Bestimmung  des  Buches  macht  uns,  die  wir 
nur  zwei  Stufen  des  historischen  Unterrichtes  unterscheiden,  selbstver- 
ständlich einige  Rücksichten  zur  Pflicht,  weshalb  wir  uns  nuV  auf  einige 
Andeutungen  bes'^hränken.  Die  Auswahl  aus  der  Geschichte  der  Griechen 
ist  am  reichhaltigsten  getroffen,  und  dürfte  der  Stoff,  wenn  man  von  der 
wenig  beachteten  Sagenperiode  absieht,  selbst  für  eine  höhere  Stufe,  als 
für  den  s.  g.  einleitenden  Vorbereitungsunterricht  genügen.  Dag^en  sind 
die  Erzählungen  aus  der  römischen  Geschichte  in  manchen  Partien  sehr 
dürftig  ausgefallen.  In  der  Periode  der  Könige  erhielten  nur  Romulus, 
Servius  Tullius  und  Tarquinius  Superbus  eine  Berücksichtigung.  Die  Be- 
mühungen des  H.  V.  die  inneren  Zustände  Rom's  möglichst  verstandlich 
zu  machen,  verdienen  gewiss  Anerkennung,  allein  wir  hätten  gewünscht, 
dass  der  H.  V.  die  schönen  Erzählungen  des  Livius  mehr  für  seine  Zwecke 
benutzt  hätte.  Besonders  wirksam  sind ,  und  nicht  blofs  für  Anfanger 
sondern  überhaupt,  die  Aussprüche,  Sentenzen,  kurze  Reden,  welche  die 
Schriftsteller  dem  Helden  in  den  Mund  legen.  Um  nur  ein  Beispiel  an- 
zuführen, so  hätte  der  H.  V.,  der  für  Hannibals  Ende  einen  besondern  § 
bestimmt,  die  passende  Gelegenheit  benutzen  und  die  letzten  Worte  des 
Helden:  liberemus  diuturna  cura  populum  B,  etc.  (Liv.  39,  31)  anführen 
können. 

Eigen thümlich  ist  femer  die  Gmppiemng  des  Stoffes,  welche  der 
griechischen  Geschichte  vorangeht:  Indier,  Chinesen,  Assyrier,  Israeliten, 
Phönizier,  Perser,  Aegypter.  Dieser  rasche  Wechsel  von  historischen  Schau- 
plätzen dürfte  für  den  einleitenden  Vorbereitungsunterricht  doch  manche 


Literarische  Notizen.  857 

Schwierigkeiten  haben,  abgesehen  davon,  dass  in  der  Geschichte  der  Indier 
und  Chinesen  ein  passendes  Material  flir  den  biographischen  Unterricht 
nicht  so  leicht  zu  finden  ist.  Auch  der  §  16,  Karthager,  zwischen  der 
ägyptischen  und  griechischen  Geschichte  steht  sehr  isoliert.  Weiter  erregt 
es  Befremden,  dass  der  H.  V.,  während  er  Mittheilungen  über  die  religiösen 
Ansichten  der  Indier,  Chinesen,  Perser  macht,  von  der  Religion  der  Kömer 
ganzlich  schweigt.  Die  Auswahl  aus  der  mittlem  und  neuern  Geschichte, 
worin  die  auf  die  Geschichte  der  Deutschen  bezüglichen  Erzählungen  in 
den  Vordergrund  gestellt  ¥rurden,  ist  zweckmäfsig  getroffen,  eben  so  ist 
es  zu  billigen,  wenn  in  einem  Lehrbuche,  das  zugleich  die  Stelle  eines 
historischen  Lesebuches  vertreten  soll,  Abschnitte,  welche  von  den  Erfin- 
dungen und  Entdeckungen  handeln,  in  gröfserer  Ausführlichkeit  geboten 
werden.    Die  Ausstattung  des  Buches  ist  gut. 


Programme   österreichischer  Gymnasien  und 

Realschulen. 

(Fortsetzung  v.  Hft.  VllL  S.  608"  ff.) 

L  Abhandlungen  philologischen  und  linguistischen  Inhaltes. 

4.  De  natura  lattnüatis  Justinianae  scripsü  J.  Alex,  Bozek,  Abhand- 
lung im  Programm  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  in  Hermannstadt  für  das 
Schuljahr  1864/5. 

Der  nicht  ganz  correcte  Titel  bezeichnet  den  Inhalt  der  fleiX^igen 
Abhandlung  nicht  vollkommen.  Derselbe  ist  im  wesentlichen  folgender: 
Von  vorneherein  stellt  der  Verfasser  sich  auf  den  Standpunct,  dass  er  die 
Justinianische  Latinität  nicht  für  sich  betrachtet,  sondern  an  dem  Mafä- 
stab  der  sogenannten  classischen  Prosa  d.  h.  wesentlich  der  rhetorischen 
Cicero's  misst.  Die  ^weniger  fehlerhaften'  Partien  werden  als  wörtlich  aus 
Trogus  Ponipejus  herübergenommen  angesehen  (11, 1.  IV,  1.  XX,  4.  XXX VIII, 
3,  11  ff.  XXXXIIL  1,  3  ff.  XLIV,  1),  übrigens  auch  aus  diesen  einige  Ab- 
weichungen von  der  classischen  Prosa  angeführt.  38,  6,  8,  hätte  nur  nicht 
diu/Uiarum  ieiunm  allein  citiert ,  sondern  angegeben  werden  sollen ,  dass 
auidos  cUque  ieiunos  steht,  wodurch  die  Construction  viel  leichter  ist.  An 
Justinus  selbst  wird  zuerst  die  Vermischung  der  prosaischen  und  poetischen 
Sprache  getadelt;  ferner  der  Gebrauch  des  Plurals  nach  Dichterweise  ohne 
erkennbaren  Grund.  Ich  will  auf  die  angebliche  Bedeutungslosigkeit  des 
Plurals  —  viel  anders  fasst  auch  Grjsar  in  der  Vorrede  zu  seiner  Horaz- 
auswahl  S.  LXXXlIi  die  Sache  nicht  —  nicht  eingehen,  sondern  nur  er- 
innern, dass  der  Plural  animi  in  ähnlichem  Gel^rauch  wie  der  vom  Ver- 
fasser angeführte  ist ,  auch  bei  früheren  nicht  selten  sich  findet ,  s. 
Kraner  zu  Cses.  b.  g  1,  33,  5.  Weiter  führt  der  Verfasser  eine  grofse  An- 
zahl von  Worten  an,  welche  Justin  neu  gebraucht  oder  aus  der  poetischen 
oder  der  Vulgärsprache  in  seine  Prosa  herübergenommen  oder  denen  er 
neue  Bedeutungen  gegeben,  und  zwar  Substantiva,  Adjectiva,  Adverbia, 
Verba,  Partikeln.  Der  verfehlte  Gesichtepunct  der  ganzen  Abhandlung, 
dass  Justin  an  Cicero  allein  gemessen  wird,  statt  dass  vor  allem  seine 
Sprache  mit  der  der  Historiker  Sallust,  Livius,  Tacitus  TvieUeicht  auch 
Veliejus)  verglichen  würde ,  macht  sich  in  dieser  sonst  sehr  oankenswerthen 
Zusammenstellung,  die  unsere  Lexica  ganz  wesentlich  bereichert,  besonders 
bemerkbar.  Cognomentum  z.  B.  statt  cognomen  ist  nicht  dem  Justin  eigen, 
sondern  auch  taciteisch,  vgl.  aufser  den  SteUen  bei  Freund  noch  A  2,  9  u. 
15,  40,  sowie  für  diesen  noch  weiter  gehenden  Gebrauch  Nipperdey  zu  A.  1, 
31.  Ebenso  aüoquium  s.  A.  1,  71.  4,  9,  was  auTserdem  schon  die  Lexica 
auch  aus  Livius  belegen.  Der  oppugnaHo  Spartanorum  steht  der  von 
Fabri  zu  Liv.  24,  8,  16  erörterte  Gelbrauch  des  Verbums  oppugnar0  gegen« 


858  Literarische  Notizen. 

über  u.  s.  w.  27,  2,  6  durfte  frnis  unrichtig  verstanden  sein,  da  intra 
finem  Tawri  monti  nach  Verffleichung  von  Sali.  J.  19,  3  wol  zu  erklären 
sein  wird:  bis  an  die  durch  den  Taurus  gebildete  Grenzmarke.  In  Bezug 
auf  quamquam  und  tametsi  mit  Conjunctiv  ist  doch  nicht  ohne  Bedeu- 
tung, dass  von  den  vier  angeführten  Stellen,  2,  1,  5  u.  2,  2,  9,  in  denen 
quamquam  steht,  an  der  ersten  der  Conj.  pf.  log.,  an  der  zweiten  der  des 
eigentlichen  Praes.  steht,  während  an  den  zwei  andern  13.  5,  15.  9,  1, 10 
tamentsi  mit  Conj.  Impf,  verbunden  ist,  vgl.  auch  Dräger  Progr.  von  Güst- 
row 1860  S.  20.  Nach  Anführung  einer  Declinationseigenthümlichkeit 
sind  die  auffälligeren  Composita  zusammengestellt.  Dann  geht  der  Ver- 
fasser zu  syntaktischen  Eigenheiten  über  und  bespricht  seltenere  Fälle  des 
Gen.  (unter  den  'gen.  attnbutionis'  ist  manches  eingereiht^  was  nicht  dazu 
gehört,  beim  gen.  quäl,  ist  der  Verfasser  zu  rigoros,  s.  Eraner  zu  Css.  b. 
g.  5,  35,  7  und  zu  1,  18,  3),  Dat.  Accus.  Abi.,  des  Pronomens  quisque  und 
der  Demonstrativa.  Dann  wird  der  Indicativ  in  Orat.  obl.,  und  der  Conjunc- 
tiv statt  des  Indic.  in  Relativ-  und  Vergleichungssätzen  angeführt.  Hier 
lassen  jedenfalls  9,  7,  10  u.  10,  1,  7  eine  ganz  genaue  £rkl^ung  zu.  Es 
folgen  Infinitive  besonders  in  Heischesätzen,  femer  Eigenthümlichkeiten  im 
Gebrauch  der  Participien.  Unter  den  Abi.  absol.  blosser  Partie,  fehlt  itUeU 
lecto  38,  3,  6.  Es  folgen  einige  Fälle  der  Synesis,  zeugmatische  und  ana- 
koluthartige  Verbindungen,  endlich  et  vor  dem  dritten  Gliede  einer  Auf- 
zählung. An  dieses  letzte  konnte  die  Verbindung  et  —  que  38',  9,  7  an- 
geschlossen werden.  Manche  andere  Puncte,  die  der  Erwähnung  werth  ge- 
wesen wären,  hat  der  Verf.  nicht  berührt,  z.  B.  den  Conjunctiv  des  histori- 
schen Perfect,  den  Conjunctivus  iterativus,  Gerundia,  Supina  u.  ä.  Referent 
muss  auTser  dem  schon  erwähnten  Uebelstand  noch  bedauern,  dass  der  Ver- 
fasser mehr  eine  Praefatio  für  den  Schulgebrauch  schreiben  wollte,  als 
eine  vollständige  Untersuchung  über  den  gesammten  Sprachgebrauch  des 
Justinus,  um  so  mehr,  als  von  seiner  genauen  Kenntnis  des  Schriftstellers 
sowie  seiner  Sorgfalt  zu  hoffen  wäre,  dass  er  dieser  Aufgabe  vollkommen 
genügen  würde.  Freilich  lässt  sich  dieses  nicht  in  dem  gestatteten  Räume 
eines  Jahresprogrammes  der  wissenschaftlichen  Abhandlung  thun,  aber  es 
hindert  ja  niöhts,  die  Arbeit  auf  mehrere  Programmpublicationen  zu  ver- 
theilen,  wie  es  z.  B.  Richter  und  Lentz  in  ihren  trefflichen  Abhandlungen 
de  supinis  linguae  latinae  und  de  verbis  latinae  linguae  auziliaribus  ge- 
than  nahen.  Als  Muster  solcher  Specialuntersuchungen  möchte  Referent 
das  schon  erwähnte  Programm  von  Dräger  'Untersuchungen  über  den  Sprach- 
gebrauch der  griechischen  Historiker*  und  die  zwei  Hallenserprogramme 
1853  u.  1854  von  Fischer  'die  Rectionslehre  bei  Ciesar*  bezeichnen. 

Die  Diction  des  Verfassers  ist  correct,  aber  etwas  breit.  Von  den  Citaten, 
welche  Referent  im  Jeepischen  Justin  nachgeschlagen  hat,  ist  S.  15  bei  tn- 
crepatus  IX,  3,  5  verschrieben  statt  XI,  3,  5. 

Wien.  Leopold  Vielhaber. 


II.  Abhandlungen  aus  dem  historisch-geographischen 

Gebiete. 
(Fortsetzung  v.  Ilft.  VU.  S.  520.) 

8.  Die  Bedeutung  des  ager  publicus  in  der  röinischen  Geschichte  mr 
der  Zeit  der  Gracchen.  Vom  Gymnasial -Professor  Jos.  Rom.  Schaller. 
Programm  des  kais.  königl.  Gymnasiums  in  Marburg.  1S65. 

Der  Zweck  dieser  Abhandlung  ist  nach  des  Hrn.  V.  ausdrücklicher 
Erklärung  „eine  wissenschaftliche  Frage  von  besonderer  Bedeutung,  deren 
Erörterung  im  Detail  die  karg  bemessene  Unterrichtszeit  im  Gymnasium 
nicht  gestattet,  den  Gymnasialschülern  in  einem  Programmaufsatze  vorzu- 
führen." —  Nach  einer  kurzen  Einleitung,  worin  die  Wichtigkeit  und  Be- 
deutung des  Kampfes  der  römischen  Stände  in  den  ersten  anderthalb  Jahr- 


Literarische  Notizen.  850 

hunderten  der  Republik  hervorgehoben  wird,  geht  der  Hr.  V.  an  die  Losung 
seiner  Aufgabe:  er  bespricht  zuerst  das  Wesen  des  ager  publicus  und  die 
Verhältnisse,  welche  durch  das  gemeine  Land  zwischen  den  beiden  Standen 
waren  geschaifen  worden,  und  weist  dann  in  einer  gedrängten  historischen 
Uebersicht  der  Kämpfe  wegen  der  lex  agraria  auf  den  Einfluss  hin,  den 
dieselben  auf  die  Entwicklung  der  römischen  Verfassung  ausgeübt  haben. 
Die  lex  agraria  des  Sp.  Oassius  und  des  Licinius  und  Sextius  finden  eine  aus- 
führliche Erörterung.  Dass  auf  diesem  Gebiete  heutzutage  jede  Arbeit  eine 
genaue  Vorbereitung  nothwendig  macht,  braucht  nicht  erst  bemerkt  zu 
werden,  weshalb  wir  es  unterlassen,  auf  den  Eifer  und  die  Belesenheit  des 
Hm.  V.  hinzuweisen ;  wir  fügen  nur  bei,  dass  die  Behandlung  historischer 
Themata  für  diesen  bestimmten  Zweck  besonders  dann  für  unsere  Gymna- 
sialschüler von  Nutzen  ist,  wenn  sie  für  das  Studium  eines  solchen  Auf- 
satzes selbst  Vorarbeiten  gemacht  und  einige  darauf  bezügliche  Partien  in 
Livius  durchgearbeitet  haben.  S.  20,  wo  von  dem  tribunus  plebis  Sp.  Idlius 
der  bei  Livius  Sp.  Licinius  (U.  43,  44)  genannt  wird,  die  Rede  ist,  war 
eine  Anmerkung  wünschenswerth ,  welche  die  schwankenden  Angaben  in 
Betreff  des  Namens  erläutert. 

Wien.  J.  Ptaschnik. 

9.  Der  Kampf  der  Kroaten  mit  den  Mongolen  und  Tartaren  atts  der 
Abhandlung:  y^Borba  Hrvatah  8  Mongoli  i  Patari*^  v.  Kukuljevic,  mit- 
getheüt  von  Vanicek.  (16  S.)  Im  Programm  des  k.  k.  Staats-Obergymn. 
zuVinkovce  in  der  kroat.  slavon.  MiliSrgrenze,  veröffentlicht  am  Scnlusse 
des  Schuljahres  1864/5.    Agram,  Dr.  Ljudevit  Gaj,  1865. 

Der  vorliegende  Programmaufsatz  ist  die  theilweise  Bearbeitung  einer 
historisch-kritischen  Abhandlung  in  kroatischer  Sprache,  deren  Verfasser  mit 
Recht  eines  bedeutenden  Rufes  als  Kenner  und  Herausgeber  kroatischer 
Geschichtsquellen  geniefst  und  in  dieser  Beziehung  allerdings  ein  gewichtiges 
Wort  über  den  Antheil  seines  Volkes  in  dem  welthistorischen  Kampfe  des 
Abendlandes  gegen  die  mongolische  Barbarei  sprechen  darf.  Zwei  Umstände 
entziehen  jedoch  das  hier  Gebotene  einer  eigentlichen  kritischen  Besprechung 
und  lassen  nur  eine  kurze  Inhaltsanzei^e  Platz  greifen.  Für's  Erste  steht 
noch  der  Schluss  der  deutschen  Bearbeitung  in  Aussicht,  und  zweitens  er- 
mangelt sie  vorläufig  jener  Quellenangaben,  die  es  wenigstens  theilweise 
erlauben  würden,  sich  ein  selbständiffes  Urtheil  über  die  Verwerthung  der 
Quellen  zu  bilden.  Da  uns  nämlich  Kuku\jevi6'  Abhandlung  unzugänglich 
ist  und  uns  nur  ein  deutscher  Auszug  ohne  alle  Belege  und  Citate  geboten 
wird,  so  müssen  wir  einfach  zur  Kenntnis  nehmen,  dass  iene  „durchgängig 
auf  sorgfältigem  Quellenstudium,  namentlich  auch  auf  Urkunden"  berunt, 
„die  aufserhalb  J^oaticns  wenig  oder  gar  nicht  bekannt  sind  und  von 
denen  17  der  Abhandlung  vollinhaltlich  beigedruckt  sind**,  und  zwar  aus 
der  Zeit  „von  1193  fBela  ILI.)  bis  gegen  das  Ende  des  14.  Jahrhundertes"  (S.  4). 
Ebenso  wenig  dürren  vrir  das  irgendwie  in  Zweifel  ziehen,  was  der  Bear- 
beiter an  derselben  Stelle  weiter  bemerkt:  „Für  die  objective  Anschauung 
di's  Verfassers  bürgt  schon  der  Umstand,  dass  er  nicht  allein  aus  slavischen 
Quellen  schöpfte,  sondern  häufig  auch  aus  solchen,  die,  wie  dies  bei  Archi- 
diakon  Toma  nachgewiesen  ist,  eben  keine  Vorliebe  für  den  Kroatenstamm 
hegten  oder  aber  wie  Fejer  (Cod.  dipl.)  von  magyarischen  Anschauungen 
getragen  wurden." 

Da  aber  die  Art  und  Weise  der  Quellen benützung  doch  die  Haupt- 
sache bleibt  und  wir  so  aufser  Stand  gesetzt  sind,  dem  Qneilenapparate 
und  seiner  Verarbeitung  auf  den  Grund  zu  sehen,  so  können  wir  uns  einer 
gewissen  Befangenheit,  eines  leisen  Misbehagens  nicht  erwehren  und  dies 
umsoweniger,  als  die  einleitenden  Worte  des  Bearbeiters,  Herrn  Vaniöek's, 
wenn  auch  gut  gemeint,  einen  polemischen  Beigeschmack  zeigen,  dessen 
wir  gerne  entrathen  würden.  Wenn  wir  nämlich  mit  ganzer  Seele  das  unter- 
schreiben, was  Herr  Vaniöek  zu  Anfang  si^:  gewisse  Volksstämme  hätten 
„die  vollste  Berechtigung,  sich  jene  historischen  Momente,  die  ihre  Vorfahren 


860  LiicrariHcbe  Notizen. 

mit  ihrem  Herzblute  erkauft  haben,  als  ihr  Ei^enthum  zu  sichern  und 
sich  ihre  bestrittene  oder  unbekannte  geschichtliche  Stellung  zu  dem  einen 
oder  anderen  geschichtlichen  Factum  wissenschaftlich  zu  erkämpfen**  — 
ja  auch  den  Beisatz  ruhig  hinnehmen  wollen,  der  da  jene  Volksstamme 
als  solche  kennzeichnet ,  „deren  Antheil  an  Weltereignisscn,  sei  es  aus  Un- 
kenntnis oder  aus  Mangel  an  Eechtlichkeitsgefuhl  von  der  Geschichtachrei- 
bung (!)  ignoriert  oder  geläugjnet  wurde**,  —  so  verursacht  dagegen  eine 
weitere  Auslassung  unser  billiges  Bedenken,  da  sie  das,  was  Sache  des 
Nationalgefuhls  ist,  mit  dem  zusammenwirft,  was  als  unverrückbares  Ziel 
der  Gescnichtsforschung  dasteht,  da  sie  den  Volksglauben,  die  sagenhafte 
Volksüberlieferung  und  anderseits  die  verbürgte  historische  Thatsache 
auf  eine  Linie  stellt.  Es  heiTst  nämlich  S.  4:  „Wir  begegnen  nicht  dem 
Drange  nach  Befriedigung  nationaler  Eitelkeit,  sondern  dem  Erwachen  des 
nationalen  Selbstbewusstseins  und  dem  Drange  des  Bechtsgefühles,  wenn 
uns  die  Erscheinung  entgegentritt,  dass  cechische  Historiker  für  den  An- 
theil mannhaft  einstehen,  welchen  Jaroslaw  Diedic  mit  seiner  Heldenschaar 
an  der  Abwehr  dieser  Horden  bei  Olmütz  genommen,  dass  femer  die  Kroaten, 
deren  Betheiligung  an  diesem  Defensivkampfe  von  fremden  Hüstorikera 
bisher  ganz  ignoriert  wurde,  den  Sieg  am  „grobnißko  polje**  feiern,  den 
ihre  kampfmuthigen  Vorfahren  an  ihrer  Landesktiste  über  diese  wilden 
Asiaten  erfochten  hatten." 

Diese  Anschauung  ist  ein  sehr  abschüssiges  Fahrgeleise.  Denn  jenes 
„nationale  Selbstbewusstseiu**,  jener  „Drang  des  Kechtsgefühls"  könnte 
auch  leicht  die  Erfindungen  eines  Hajek  von  Libocan,  die  Märchen  eines 
Kadtubek  oder  die  Tendenzlügen  eines  Anonymus  Belae  für  historische 
Wahrheit  nelimen  und  um  jeden  Preis  dafür  einstehen  wollen.  Die  Grenze 
zwischen  dem  Erlaubten  uud  Unerlaubten  in  dieser  Richtung  ist  eben 
schwer  einzuhalten.  Hat  der  Gewährsmann  des  IL  Vanicek,  hat  JCuku^evid 
die  Grofsthaten  des  Kroatcnvolkes  im  Kample  mit  den  Barbaren  wissen- 
schaftlich erwiesen  —  und  wir  zweifeln  nicht  im  mindesten  daran — 
so  war  es  ihm  uui  historische,  um  wissenschaftliche  Wahrheit  zu  thun 
—  und  diese  muss  jedem  unbefangenen  Geschieh tsfreuude  willkommen  sein, 
welchem  Lager  er  auch  angehören  mag.  Da  bedarf  es  dann  nicht  erst 
des  „nationalen  Selbstbewufstseins"  und  „des  Dranges  des  Rechtsgcfühls* 
zu  Hebammendiensten  bei  der  Geburt  historischer  Entdeckungen  —  denn 
sonst  könnte  es  auch  leicht  zur  Untei-scliicbung  unechter  Kinder  kommen. 
Exempla  sunt  odiosa. 

Die  Monographien  und  kritischen  Abhandlungen  über  den  Tartaren- 
einfall  in  die  österreicliischen  I^nde  sind  spärlich  gesät *").  Um  so  mehr 
verpflichtet  uns  Kukuljevic  zum  Danke.  Denn  wir  erfahren  durch  seine  Ar- 
beit, was  sich  im  Süden  zugetragen ;  wir  überblicken  die  äufserste  Verzwei- 
gung des  Mongolensturmes  und  vennögen  die  Lage  des  ungarischen  Reiches, 
aie  Verhältnisse  der  Flucht  Bela's  IV.  richtiger  zu  würdigen.  Der  deutsche 
Aussfug  hebt  mit  der  Erörterung  der  vielseitigen  iKjrsönlichen  Verdienste 
an,  die  sich  der  kroatische  Adel  in  der  vernängnissvoUen  Schlacht  am 
Sajoflusse  um  den  König  erwarb  (5— f>).  »Sodann  kommt  die  Ankunft  des 
flüchtigen  Herrschers  sammt  Familie  und  Gefolge,  zu  Anfang  Mai  1241  in 
Agram,  zur  Sprache.  Bela  IV  blieb  hierorts  bei  10  Monate  und  entsendete 
von  da  Briefe  an  mehrere  Fürsten,  unter  andern  auch  an  den  Pabst  und 

*)  Ich  erwähne  hier:  Boczek:  „Vitez  nad  Mongoly."  Olmütz  1841. 
Palackf :  Der  Mongoleneinfall  i.  .1.  1241  in  den  Abb.  der  k.  bo. 
Ges.  d.  Wiss.  5.  Folge  2.  Band,  Prag  1843  (369—408).  Rosty:  A 
Tatäriäras  törtenelme  negvedik  Bek  kiräly  idejeben.  (Geschichte 
des  Tartarenzuges  in  der  Zeit  Bela's  IV.)  Pest  1856.  Schwammel: 
Der  Antheil  des  österr.  Herzogs  Friedrich  des  Streitbaren  an  der 
Abwehr  der  Mongolen  .  .  .  Gym.  Ztschr.  1856  (665—695)  und  von 
demselben:  Ueber  die  angebliche  Mongolen-Niederlage  bei  Olmütz. 
Sitzungsber.  der  kais.  Ak.  der  Wiss.  XXXÜI.  Bd.  S.  179  ff.  1860. 


Literarische  Notizen.  861 

Kaiser  Friedrich  II.  Er  sammelte  ein  neues  Heer,  liefb  die  Reliquien  und 
Reichskleinodien  von  StahlweiTsenhurg  kommen,  entschloXiB  sich  aber  als- 
dann zur  weitem  Flucht  an  die  Küste.  Denn  die  Tarturen  hatten  bald 
die  gefrorene  Donau  übersetzt  und  eines  ihrer  Heere,  unter  Kadan,  wälzte 
sich  dem  flüchtigen  Arpaden  nach.  Die  Königin  hatte  mit  Kindern  und 
(befolge  den  Anfang  gemacht  und  zunächst  in  Kliä  (Klisa)  ihr  Asyl  ee- 
Ainden,  da  den  Spalatensem  nicht  zu  trauen  war.  Tmiin  kam  auch  der 
König  bald,  indem  er  wahrscheinlich  den  Weg  über  Modru§  und  Bihad 
zur  kroatischen  Küste  und  von  da  weiter  nach  Dalmatien  einschlug  (6—7). 
Es  werden  seine  Getreuen  angeführt,  dann  diejenigen,  welchen  der  König 
die  Yertheidi^ng  wichtiger  Puncte,  so  des  Schlosses  Yeliki  Kalnik  und 
der  porta  lapidea  am  Ausgange  der  Podravina- Ebene  anvertraute;  femer 
Graf  Klet,  der  bei  der  Berennun^  des  Schlosses  Orliava  im  untem  Slavo- 
nien  durch  die  Mongolen  sein  Leoen  verlor ;  es  wird  der  grauenvollen  Ver- 
heemngen  s^edacht,  die  das  arme  Kroatenland,  von  Slavonien  und  Ungam 
aus  im  Umkreise  von  Öasma  und  Agram  traf.  Ende  Februar  1242  war" 
Bela  IV.  in  Spalato  angelangt;  aber  ebenso  wenig  als  die  Königen  zum 
längeren  Verweilen  daselbst  geneigt,  übersiedelte  er  sammt  seiner  Grattin 
nach  Trogir  (Trau)  und  da  er  sich  auf  dem  Festlande  nicht  sicher  föhlte, 
bald  auf  die  gegenüberliegende  Insel  Boja.  Hier  bestätigte  er  den  Grafen 
von  Krk  (Yelja,  Veglia)  als  Herrn  von  Modms  und  Vinodol  ihre  Besitzun- 

fen  und  Freiheiten.  —  Kadan  war  in  Sturmeseile  bis  an  die  i^driatische 
lüste  vorgedrangen^  voll  Begierde  sich  des  Königs  zu  bemächtigen.  Am 
Flusse  Srb  liefs  er  alle  Gefangeneu  niederhauen  (B— 10).  Futtermangel, 
Proviantsorgen  und  Nachrichten  von  bewaffneten  Zusammenrottungen  in 
Kroatien  verzögerten  den  Zug  aus  dem  kroatischen  Littorale  nach  Dalmatien. 
Zunächst  wurde  eine  Recognoscierang  der  Ortslage  von  Spalato  vorgenom- 
men (A.  März  1242),  dann  rückte  Kadan  mit  dem  Hauptheere  nach  und 
bestünute  Klis,  musste  aber  nach  manchen  Verlusten  abziehen,  gerade  da- 
mals, als  die  Nachricht  vom  Tode  des  Grofschans  Oktal  eintraf.  Ebenso 
erfolglos  lagerte  er  vor  Trogir,  das  der  berühmte  Stjepko  Subi(3  von  Bribir 
vertheidigte.  Der  König  b^bachtete  von  der  nahen  Insel  aus,  die  zum 
Andenken  an  jene  Zeit  noch  heute  Kraljevac  helfst,  die  Bewegiingen  des 
Feindes,  der  endlich  nach  erfolglosen  Stürmen  abzog  und  auf  demselben 
Wege  den  Rückzug  antrat,  da  er  in  Erfahrang  brachte,  Bela  IV.  habe 
sich  gegen  die  kroatischen  Küstengebirge  und  gegen  die  Karstinseln  hin 
begeben  (10—14).  Bela  IV.  steuerte  nämlich  auf  eine  Krk  naheliegende 
Insel  zu  ~  Vanicek  (15)  hält  sie  für  Rah  (Arbe).  Jetzt  begann  Kadan 
den  König  zu  Lande  und  zur  See  zu  verfolgen,  indem  er  sich  einiger  Schiffe 
bemächtigte  und  an  der  kroatischen  Küste  ein  Lager  schlug.  Es  kam  für 
Bela  IV.  die  gefährlichste  Zeit,  wo  er  selbst  alle  Hoffnung  auf  Rettung 
aufzugeben  begann  und  sein  Loos  mit  dem  der  israelitischen  Kahel  verglich. 
Hier  bricht  Vanidek*s  Auszug  ab  und  wir  sehen  dem  nächsten  Pro- 
gramme, das  den  Schluss  bringen  soll,  mit  begreiflicher  Spannung  entgegen. 
Denn  gerade  für  diesen  Zeitpunct  bieten  uns  die  bisher  oekannten  Quellen 
nur  die  spärlichsten  Andeutungen. 

Graz.  F.  Krones. 


III.  Abhandlungen  aus  dem  niathematisch^physikalischen 

Gebiete. 

1.  Die  BriUen  der  WeitsicfUigen  umi  Kurasichügen,  von  Dr.  Georg 
Ullrich.  Troppau,  1862.  Abgedrackt  aus  dem  Pro^mme  der  Realschule. 

Dem  Ret.  ist  es  nicht  bekannt,  dass  bisher  irgend  eine  Notiz  über 
diese  gelungene  Arbeit  in  die  öffentlichen  Blätter  ffelangt  wäre,  und  doch 
verdient  die  kleine  Schrift,  die  auf  29  Seiten  in  georängter,  gemein fass« 
lieber  Darstellung  die  dioptrischen  Wirkungen  des  freien  und  brilleu^ 

Z«IUohrlf»  l  d.  öitcrr.  Qjmn.  18G6.  XI.  Hen.  ^ 


862  Literarische  Notizen. 

bewaffneten  Auges  behandelt,  nicht  nur  die  Aufmerksamkeit  der  Schule, 
jBondern,  was  einen  besonderen  Vorzug  derselben  bildet,  auch  die  des  bril- 
lensuchendcn  Publicums.  Die  beigefügte  Anleitung  zur  Wahl  taugli- 
cher Augengläser  sollte  in  der  That  von  jedermann  beherziget  werden, 
der  sich  genöthigt  sieht,  sein  Gesichtsorgan  durch  Augengläser  zu  unter- 
stützen ,  denn  eine  genaue  Berücksichtigung  derselben  lehrt  ihn,  die  aus  der 
Natur  seines  Sehorgans  hervorgehende  Anforderung  an  den  Optiker  zu 
stellen ,  und  sich  eine  Brille  zu  verschaffen ,  die  seine  Sehkraft  unterstützt, 
während  bei  unglücklicher  Wahl  das  Auge  unter  dem  Einflüsse  unpassender 
Brillen  neuen  Gefahren  ausgesetzt  wird. 

Nach  einer  bündigen  geschichtlichen  Einleitung  über  die  Erfindung 
der  Augengläser  führt  uns  der  Verfasser  an  einem  recht  genau  und  deut- 
lich gehaltenen  Holzschnitte  die  optischen  Haupttheile  des  menschlichen 
Auges  vor.  In  dem  Bilde  des  Augapfels  tritt  eine  Genauigkeit  der  Zeich- 
nung auf,  die  wir  selbst  in  unseren  für  Mittelschulen  approbierten  Lehr- 
büchern nur  zu  oft  vermissen;  an  der  Krystall-Linse  sieht  man  nicht  etwa 
die  sonst  üblichen  gleich  gekrümmten  Begrenzungsflächen,  sondern  es  ist 
die  nach  Krause's  Messungen  schwächer  gekrümmte  Vorderfiäche  der  Linse 
auch  mit  einer  schwächeren  Krümmung  verzeichnet.  Die  lichtempfindliche 
Nervenmasse  au  der  hinteren  Wand  des  Augapfels  wird  als  eine  aus  sieben 
Schichten  bestehende  Nervenhaut  bezeichnet,  deren  äufserste,  die  Stäb- 
chenschichte, als  die  für  die  Lichteindrticke  empfängliche  angesehen 
w^den  muss.  ilält  man  in  einem  ganz  dunklen  Zimmer  ein  Kerzenlicht 
vor  das  Auge  und  schaut  gegen  eine  Wand  über's  Licht  hin ,  so  sieht  man 
bekanntlich  seine  eigene  Netzhaut  als  ein  bräunliches  netzartiges  Gewebe 

f leichsam  vor  sich  ausgebreitet,  zum  Beweise,  dass  die  lichtempfindliche 
chichte  hinter  der  vorderen  Netzhaut  liegt,  da  sie  das  Sehen  der  beleuch- 
teten Netzhaut  selbst  möglich  macht. 

Bei  der  physikalischen  Erklärung  des  Sehens  erfahrt  der  Leser,  dass 
die  Brechung  des  Lichtes  im  Auge  in  Folge  der  nicht  sphärischen  und 
individuell  verschiedenen  Krümmungen,  der  ungleichen  Dichte  und  der 
Axenverschiedenheit  der  Au^enmedien  eine  derartige  ist,  dass  für  keinen 
Objectpunct  der  Gang  des  gebrochenen  Lichtstrahls  genau  angegeben  werden 
kann.  Nach  mehreren  vergeblichen  Versuchen  anderer  Forscher  wies  Li- 
sting nach,  dass  man  die  verschiedenen  Lichtablenkungen  im  Auge  durch 
die  Brechung  an  einer  einzigen  Kugelfläche  ersetzt  denken  kann,  welche 
auf  der  einen  Seite  von  Luft,  auf  der  anderen  von  Glasfeuchtigkeit  begrenzt 
wird.  —  Hier  findet  auch  der  von  Helmholtz  1851  erfundene  Augen- 
spiegel, mittelst  dessen  man  das  verkehrte  Bild  des  Gegenstandes  auf  der 
Netzhaut  beobachten  kann,  eine  Erwähnung,  und  zwar  in  der  Form,  die 
Coccius  demselben  gegeben.  Listing  war  es  auch,  der  Zersiareuungskreise 
des  Bildes  bei  verschiedenen  Entfernungen  des  leuchtenden  Punctes  für 
sein  reduciertes  Auge  berechnete  und  mit  dem  Augenspiegel  beobachtete. 
Er  fand,  dass  bei  einer  Näherung  des  leuchtenden  Punctes  aus  unendlicher 
Entfernung  bis  zu  einem  Abstände  von  65  Meter  der  Durchmesser  des 
Zerstreuungskreises  von  00009  bis  0-0011™"»  wächst,  also  um  eine  so  ge- 
ringe Gröfse,  dass  dadurch  keine  Störung  der  Deutlichkeit  des  Netzhautbildes 
und  des  Sehens  bewirkt  wird.  Innerhalb  von  65  Meter  aber  wachsen  die 
Zerstreuungskreise  bedeutend.  Diese  Thatsache  ist  für  die  Accomodations- 
fähigkeit  von  gröfstem  Einflüsse.  Denn  soll  von  verschieden  entfernten 
Gegenständen  auf  der  Netzhaut  ein  deutliches  Bild  entstehen,  so  kann 
dies  nur  durch  Veränderung  in  den  lichtbrechenden  Medien  des  Auges 
geschehen. 

Für  die  Erklärung  der  Accomodationsfähigkeit  sind  die  angeftihrten 
Versuche  von  Gramer  und  Helmholtz  entscheidend  gewesen,  wenn  auch 
der  Mechanismus,  durch  den  die  Formänderungen  im  Auge  hervorgebracht 
werden,  noch  nicht  recht  ersiolitlich  gemacht  werden  kann.  Gramer  und 
Helmholtz  fanden  nämlich,  dass  beim  Nahesehen  die  Krystall-Linse  stärkere 
Krümmungen  annimmt  und  etwas  nach  vorne  rückt:  die  Linse  wird  also 
dicker  und  erscheint  der  Hornhaut  näher  gerückt. 


Literarische  Notizen.  86S 

Nach  Bolchen  treffenden  Bemerkungen  fuhrt  uns  der  Verfasser  zu 
der  Eigenschaft  der  Weitsichtigkeit  und  Kurzsichtigkeit ,  erörtert  die  Ur- 
sache des  Blinzeins  kurzsichtiger  Augen,  schildert  die  Einflüsse,  welche 
auf  die  Accomodationsfahigkeit  wirkend  selbst  ein  organisch  ganz  fehler- 
freies Auge  mit  der  Zeit  der  Fähigkeit  gewisser  Formveränderungen  be- 
rauben, und  dadurch  bald  zur  Kurz-  bald  zur  Weitsichtigkeit  Veranla«- 
sung  geben. 

Zu  den  Wirkungen  der  Brillen  gelangend  führt  der  Verfasser  zu- 
nächst die  Sammellinsen  als  Brillen  der  Weitsichtigen  an,  stellt  dem  Leser 
das  Bild  einer  biconvcxen  Linse  vor,  wie  es  dem  Weitsichtigen  dienlich 
erscheint.  In  gleicher  Weise  versinnlicht  er  dem  Leser  die  Wirkung  der 
BriDe  des  Kurzsichtigen  an  der  Hand  des  durch  eine  biconcave  Linse  er- 
zeugten Bildes. 

Bei  der  Untersuchung  über  die  Brennweite  und  den  Sehbereich  der 
Brillen  schlägt  der  Verf.  einen  doppelten  Weg  ein,  indem  er  zunächst  die 
Regeln  selbst  für  den  Laien  leicht  verständlich  hinstellt,  dann  aber  in 
kleinerer  Druckschrift  auch  mathematisch  begründet.  Dadurch  verschafft 
er  dem  Büchelchen  einen  doj)pelten  Werth,  indem  er  es  dem  Laien  zu- 
gänglich macht,  zugleich  aber  dem  Studierenden,  der  in  der  Schule  die 
(jrleichung  für  die  Bildweite  der  Linsen  ableiten  gcleint,  die  Gelegenheit 
zu  einem  tieferon  Verständnis  der  Brillen  bietet.  Aber  auch  der  pnüctische 
Optiker  und  der  gewöhnliche  Brillonverkäufer  sollte  diese  Schrift  besitzen; 
denn  in  dieser  Hinsicht  empfiehlt  sie  sich  nicht  nur  durch  die  Aufnahme 
der  Nummern  der  Brillen  für  die  beigefügten  in  Zoll  ausgedrückten  deut- 
lichen Sehweiten  der  Weitsichtigen  und  der  Kurzsicht^en ,  sondern  auch 
durch  eine  sclir  praktisch  gehalt<»nc  Anleitung  zur  Wahl  der  jMissenden 
Brillen. 

Die  Untersuchung  der  Ursache,  warum  Wt;itsichtige  bei  der  Betrach- 
tung ferner  (»egenstjinde  die  Brille  ablegen,  führt  zu  dem  Ivesultate,  dass 
der  S eh bc reich  des  brillenbewaffncten  weitsichtigen  Auges  kleiner  ist 
als  das  des  unbewaffneten,  und  dass  dies  noch  abnimmt,  wenn  die  Linse 
schärfer  und  von  kleinerer  Brennweite  ist.  Bei  richtiger  Wahl  ist  der  Seh- 
bereich desto  kleiner,  je  weitsichtiger  das  Auge  ist.  Hingegen  erscheint 
der  Sehbereicli  durcli  die  Brille  des  Kurzsichtigen  vergrOfisert ,  aber  er 
bleibt  doch  stets  kleiner  als  der  des  normalen  Auges.  —  Hier  wird  der 
Umstand  berücksichtiget,  warum  sich  der  Kurzsichtige  zum  Ablegen  der 
Brille  genöthiget  sieht,  wenn  er  kleinere  Objecto,  z.  B.  Banknotendruck 
deutlich  sehen  will,  und  gelangt  Verf.  zu  der  Regel:  Gegenstände,  die 
in  der  deutlichen  Sehweite  des  unbewaffneten  Auges  liegen, 
sollen  nie  mit  der  Brille  betrachtet  werden. 

Was  die  Gröfse  und  Helligkeit  der  durch  die  Brillen  betrachteten 
Gegenstände  anbelangt,  so  zeigt  der  Veri'.,  wie  es  denn  komme,  dass  die 
Brille  des  Weitsichtigen  den  Gegenstand  vergröfsert  zeigt,  die  des  Kurz- 
sichtigen aber  verkleinert;  dass  die  Sammellinse  des  Weitsichtigen  mehr 
Licht  in  das  Auge  bringt  als  ohne  Linse  geschieht,  wird  ebenso  deutlich 
an  der  Zeichnung  ersichtlich  gemacht,  als  dass  die  Zerstreuungslinse  des 
Kurzsichtigen  einen  Theil  des  sonst  in*s  Auge  kommenden  Lichtes  zerstreut 
und  auf  die  undurchsichtige  Schnenhaut  des  Augapfels  wirft.  Die  Hellig- 
keit wird  also  durch  die  Brille  des  Weitsichtigen  gesteigert,  durch  die  des 
Kurzsichtigen  aber  vermindert.  Der  Kurzsichtige  kann  jedoch  sowol  gegen 
die  Verkleinerung  als  auch  gegen  die  Verminderung  der  Helligkeit  eine 
kleine  Abhilfe  schaffen,  indem  er  die  Brille  ganznaheandasAuge  setzt. 

In  der  Partie  über  die  Wahl  der  Brillen  wird  der  Leser  aufmerk- 
sam gemacht,  dass  die  Augengläser,  die  nur  als  Stütze  des  Acco- 
modationsvermögens  wirken  können  ,  nicht  auf  sämmtliche  Gesichts- 
störungen  anwendbar  sind ,  und  dass  durch  den  Grebrauch  des  Augenglases 
manche  Störungsursachen  sogar  in  der  Entwickeluug  unterstützt  werden; 
daher  gibt  der  Verf.  den  Rath,  bei  eintretender  Störung  des  Seh- 
vermögens nicht  beim  Brillenhändler,  sondern  bei  einem  tüch- 
tigen Augenarzte  Rath  und  Hilfe  zu  suchen.  Besonders  wenn  die 

58» 


864  Literarische  Notizen. 

GegeuHtande  trübe,  wie  in  Nebel  gehüllt  uud  in  keinem  Abstände  vom 
Auge  vollkommen  deutlich  erscheinen,  oder  die  Augen  die  Helligkeit  des 
Tageslichtes  ertragen  können,  wird  von  Brillen  wenig  zu  erwarten  sein.  — 
Vor  der  Wahl  der  Brille  muss  die  deutliche  Sehweite  für  jedes 
einzelne  Auge  besonders  ermittelt  und  sofern  die  Augen  ungleiche 
Sehweiten  haben,  für  jedes  eine  besondere  Nummer  eewählt  werden.  — 
Aber  es  kommt  nicht  nur  auf  die  Wahl  der  richtigen  Nummer  an,  sondern 
auch  auf  ein  passendes  Brillengestell;  dieses  darf  weder  zu  breit  noch 
zu  schmal  sein,  sondern  die  Mittelpuncte  der  Linsenöffnun^n  müssen  mit 
der  Augenaxe  möglichst  in  einer  geraden  Linie  liegen,  und  die  Brillen  das 
Auge  ganz  bedecken,  so  dass  ein  Hinwegsehen  über  den  Rand  derselben 
anmögüch  wird. 

Dieses  sind  die  Grundzüge  der  genau  durchdachten  Abhandlung, 
die  Darstellung  ist  durchwegs  eine  gemeinfassliche ,  und  es  ist  dem  Verf. 
gelungen  das  Wissenschaftliche  in  populärer  Form  wiederzugeben,  wodurch 
sich  S&8  Büchelchen  besonders  empfiehlt. 

Graz.  Dr.  S.  Subic. 

2.  Die  Transversalen  des  ebenen  Dreieckes.  Abhandlung  von  Josef 
Bayerl,  im  Programm  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  zu  Linz  für  das 
Schuljahr  1864/65. 

In  dieser  Abhandlung  werden  verschiedene  Sätze  über  Transversalen 
des  Dreieckes  mit  Hilfe  der  analytischen  Geometrie  entwickelt.  Diese 
Behandlung  ist  nicht  neu;  es  werden,  wie  der  Herr  Verfiasser  selbst  an- 
gibt, die  Eigenschaften  der  merkwürdigen  Puncte  eines  Dreieckes  alsUebungs 
aufgaben  ftü:  die  Gleichung  der  Geraden  in  verschiedenen  Lehrbüchern 
der  analytischen  Geometrie  entwickelt.  In  dieser  Abhandlung  werden  zu- 
nächst die  Gleichungen  der  Seiten  eines  Dreieckes  aufgestellt,  aus  diesen 
verschiedene  Ausdrücke  über  die  Höhen,  Segmente  der  Basis  durch  die 
Höhe,  Flächeninhalt  u.  s.  w.  meist  auf  trigonometrischem  Wege  abgeleitet. 
.Von  den  merkwürdigen  Puncten  werden  der  Höhenpunct,  der  Mittelpunct 
des  um-  und  eingeschriebenen  Kreises  und  der  Schwerpunct  behandelt. 
Der  übrige  Theil  der  Abhandlung  enthält,  einige  unwesentliche  Sätze  ab- 
gerechnet, die  Theoreme  von  Ceva  und  Menelaus. 

Die  Arbeit  ist  mit  grofsem  Fleifse  und  vieler  Sorgfalt  durchgeführt, 
enthält  auch  manches,  was  als  Uebungsstoff  für  die  analytische  Geometrie 
verwendbar  ist;  aber  im  Allgemeinen  möchten  wir  eine  derartige  Behand- 
lung der  merkwürdigen  Puncte  eines  Dreieckes  nicht  billigen.  Die  einzig 
zweckmäfsige  Behandlung  der  Theorie  der  Transversalen  ist  die  auf  syn- 
thetischem Wege.  Durch  die  svnthetische  Methode  erhält  man  die  hieher 
gehörigen  Sätze  mit  einer  Einfechheit  und  Natürlichkeit,  wie  auf  analy- 
tischem Wege  nie  möglich  ist  Die  Methode  der  analytischen  Geometrie 
wird  immer  schwerfällig  sein,  zu  langen  Rechnungen  nihren,  namentlich 
wo  es  auf  Segmente  und  Verhältnisse  von  Segmenten  ankommt.  Will 
man  dem  Anfänger  den  Nutzen  der  analytischen  Geometrie  zeigen,  und 
diesen  Zweck  sollte  nach  des  Verfassers  Ansicht  vorliegende  Abhandlung 
erreichen,  so  versuche  man  es  auf  anderen  Gebieten  als  durch  die  Lehre  der 
Transversalen,  auf  Gebieten  wo  die  Behandlung  auf  synthetischem  Wege 
weitläufig,  hingegen  auf  analytischem  leicht  und  kurz  ist.  Im  entgegen- 
gesetzten Falle  wird  man  seinen  Zweck  ganz  verfehlen. 

8.  Auflösufigen  der  ZMen^eichumen  des  dritten,  vierten  und 
fünften  Grades  mit  einer  unbekannten.  IL  Reciproke  (mit  Einschluss  der 
binomischen)  utid  ihnen  ährUidie  Gieichu/ngen  bis  zum  achten  Grade  incl. 
III.  Bemerkung  zur  Cartesischen  Äuflösungsfarmel  Uquadratischer  Gleich- 
wngen.  Schlussbemerkunff.  Die  reeDe  Wurzel  der  Gleichung  a;*— 2a:  — 5  =  0 
in  60  Decimalstellen.  Abhandlung  von  Josef  Dvorak  im  Programm  des 
k.  k.  Staatsgymnasiums  zu  Innsbruck,  1865. 

Der  Hr.  Verf.  bemerkt  am  Beginne  seiner  Abhandlung  >  dass  es  un- 
passend sei;  die  Cardanische  Formel  in  elementare  Lehrbücher  aufzunehmen, 


Literarische  Notisen.  805 

weil  manche  andere  (indirecte)  Auflösungsmethode  schneller  zum  Ziele 
führe,  und  dass  es  zweckmäfsiger  sei,  „eine  Methode  in  die  Lehrhücher 
der  Elementarmathematik  aufzunehmen,  welche  sowol  die  reellen  als  auch 
die  imaginären  Wurzeln  auf  eine  und  dieselbe  Art  berechnen  lehrt**.  Was 
die  unschuldige  Formel  des  Cardanus  verübt  hat,  dass  der  Hr.  Verf.  so 
übel  auf  dieselbe  zu  sprechen  ist,  ist  uns  unbekannt.  Die  Gardanische  Formel 
ist  eine  geschlossene  Formel  und  hat  daher  als  solche  theoretisches  Interesse; 
ihre  Ableitung  ist  so  einfach  und  kurz,  dass  sie  es  vor  allen  verdient  in 
Jahrbücher  der  Elementarmathematik  aufgenommen  zu  werden.  Nach  einer 
Aufzahlung  der  Sätze,  welche  nach  des  Hrn.  Verfs.  Meinung  den  Inhalt 
einer  elementaren  Behandlung  der  Lehre  der  höheren  Gleichungen  bilden 
würden,  be|^nt  derselbe  mit  den  kubischen  Gleichungen.  Hier  rechnet  der 
Hr.  Verf.  eine  (reelle)  Wurzel  nach  Homer's  Methode,  sondert  diese  dann 
aus  der  Gleichung  ab,  und  bestimmt  nun  aus  der  quadratischen  Gleichung 
die  beiden  übrigen  Wurzeln.  Das  Verfahren  ist  ganz  ähnlich  wie  das  von 
Kutherford,  dessen  Abhandlung  über  die  Auflösung  der  numerischen  Glei- 
chung den  Hm.  Verf.  zu  seiner  Abhandlung  veranlasst  zu  haben  scheint. 
Die  Gleichungen  des  vierten  Grades  behandelt  der  Hr.  Verf.  ganz  nach 
Butherford.  Er  leitet  die  rcducierte  Gleichung  ab ,  aus  dieser  die  kubische 
Hilfsgleichung,  aus  letzterer  wird  nach  Homer's  Methode  die  reelle  Wunel 
bestimmt  und  aus  dieser  dann  die  vier  Wurzeln  der  biqnadratischen  Gleichung 
bestimmt.  —  Was  der  Hr.  Vf.  mit  seinem  Programme  eigentlich  bezweckt, 
ist  uns  ganz  unklar.  Die  Homerische  Methode  darzustellen,  was  man  aus 
einigen  Stellen  vermuthen  könnte,  kann  nicht  der  Fall  sein,  denn  kein 
Schüler  wird  aus  den  numerischen  Beispielen,  welche  der  Hr.  Verf.  durch- 
gerechnet hat,  diese  Methode  verstehen.  Ebenso  unwahrscheinlich  scheint  es, 
dass  der  Hr.  Verf.  die  Methode  Rutherford's  erläutern  wollte.  Ueberhaupt  ist 
die  numcerische  Berechnung  der  Wurzeln  einer  Gleichung  das  allerunwe- 
sentlichste  Element,  denn  nur  die  Lehrsätze  werden  in  der  Kegel  benöthiget. 
Die  theoretischen  Sätze  kommen  in  vielen  analytischen  Untersuchungen  vor, 
während  die  numßrische  Berechnung  der  Wurzelwerthe  einer  Gleichung  so 
viel  wie  gar  nicht  benöthiget  wird,  wie  Ref.  aus  seiner  eigenen  Praxis  be- 
zeugen kann.  Die  Bestimmung  einer  Wurzel  einer  Gleichung  auf  60  Ded- 
malstellen  durch  Schüler  müssen  wir  für  die  nutzloseste  Arbeit  erklären, 
welche  man  überhaupt  einem  Schüler  übergeben  kann. 

4.  Elementare  AUeiiung  der  Budan  ^  Homer' sch^  Auflöswngsme- 
thode  höherer  Zahlenglei4:hunge7i.  Von  Dr.  J.  J.  Nejedli,  im  Programm 
des  k.  k.  Obergymnasiums  zu  Laibach,   1865. 

Der  Zweck  dieser  Abhandlung  ist,  wie  der  Hr.  Verf.  am  Beginne 
seiner  Arbeit  ausdrückt,  eine  elementare  Entwickelung  der  Methoden  Budan*s 
und  Horaer*s  zur  Berechnung  der  reellen  Wurzeln  höherer  Zahlengleichungen, 
selbst  ohne  Voraussetzung  der  Binomialformel  und  der  Reihen.  Zunächst 
wird  die  Definition  der  Wurzel  einer  Gleichung  gegeben,  unter  welcher 
anfangs  eine  rationale  Zahl  gemeint  ist.  Im  §  3  wird  dann  die  Zerlegung 
des  Gleichungspolvnom  in  seine  Wurzelfactoren  behandelt,  wir  vermissen 
hier  die  Entwickelung  der  interessanten  Eigenschaften  der  Coefficienten 
einer  Gleichung.  Nach  Aufstellung  der  Begriffe  von  Zeichenwechsel  und 
Zeichenfolge  wird  in  §  ö  der  Harriot-Descartes'sche  Satz  durch  den  Schluss 
von  n  auf  n  +  1  bewiesen.  Warum  der  Hr.  Verf.  nicht  den  viel  ein- 
fachem und  eleganten  Beweis  von  Ghnts  mittheilte,  ist  uns  unbegreiflich. 
Die  Beweise  durch  Induction,  wenn  auch  vollständige,  sollen,  wo  sie  nicht  die 
nothwendigen  oder  erheblich  einfacheren  sind,  doch  nicht  mit  Gewalt  her- 
beigezogen werden.  In  §  6.  Budan's  Methode,  die  sämmtlichen  Wurzeln  einer 
Gleichung  um  eine  Zahl  a  zu  erniedrigen,  zeigt  sich  zunächst  der  Nach- 
theil der  Nichtanwendung  der  Binomialformel  in  der  Theorie  der  höheren 
Gleichungen.  Mit  dieser  Formel,  deren  Beweis  für  ganze  und  positive  Expo- 
nenten doch  der  Theorie  der  höheren  Gleichungen  vorausgehen  dürfte,  lassen 
sich  alle  Sätze  über  Verminderung  der  Wurzeln,  Stetigkeit  des  Gleichungs- 


866  Literarische  Notizen. 

polynoms,  Wegschaffdng  eines  Wnrselfactors  u.  s.  w.  mit  aofserordentliclier 
Einfachheit  beweisen.  Der  Hr.  Vf.  bedient  sich  zur  Rechtferti^ng  des  Bn- 
dan'schen  Verfalurens  des  Schlosses  Ton  n  aofn+l.  Er  beweiset  die  Rich- 
tigkeit desselben  far  n  —  1 ,  und  rechtfertigt  dann  dasselbe  dnrch  die  hö- 
here Induction  för  jedes  n.  Für  den  Anfänger  entbehrt  dieses  Verfahren 
jeder  Natürlichkeit,  bei  n  <- 1  dürfte  derselbe  kaum  das  Gesetz  bereits 
wahrnehmen,  dazu  ist  die  Durchfuhrung  der  Rechnung  für  die  weiteren 
Fälle  n  »  2,  n  —  8  mindestens  erforderlich.  §  7  mehr  als  eine  halbe  Seite 
lässt  sich  auf  folgende  Art  in  aller  Strenge  erledigen:  Ista  positiv,  so  sind 
die  Wurzeln  der  Gleichung  F  (a+t/)  «•  0  um  a  Ueiner  als  die  Wurzeln 
der  Gleichung  F  {x)  »  0,  also  in  ersterer  Gleichung  jeden&lls  nicht  mehr 
positive  Wurzeln,  als  in  letzterer  Gleichung  enthalten.  §  8,  mehr  als  zwei 
Seiten  über  die  Stetigkeit  des  Gleichungspoljnoms,  liefse  sich  mittelst  der 
Binomisdformeln  in  wenigen  Zeilen  geben.  §  10  ist  in  §  5  bereits  ent- 
halten. Nach  einigen  Transformationsregeln  der  Gleichungen  folgt  eine 
Auseinandersetzung  der  Homerischen  Metnode,  die  Verwandlung  einer  Glei- 
chung in  eine  solcne,  deren  Wurzeln  die  recinroken  Werthe  aer  ersteren 
sind,  Budan's  und  Cartesius  Kriterium  über  Wurzeln  in  zweifelhaften  In- 
tervallen, sowie  mehrere  vollständig  gerechnete  Beispiele.  Auch  dieser  Ab- 
schnitt ist  sehr  breit  gehalten  und  voll  von  Wiederholungen ,  ohne  deshalb 
auf  Klarheit  der  DarsteUnug  Anspruch  machen  zu  können. 

5.  Veher  Theübruchreihen.  Abhandlung  von  August  Decker  im 
Programme  des  k.  k.  Obergymnasiums  zu  Troppau  für  1865. 

Diese  Abhandlung  enthalt  eine  allgemeine  Darstellung  der  Theorie 
der  Theübruchreihen,  femer  in  aller  Kürze  die  Entwickelung  eines  Bmches 
in  einer  Kettenreihe,  Zerlegung  eines  Bmches  sowie  einer  gebrodienen 
Function  in  Partialbrüche  (dieses  letztere  hätte  besser  wegblei^n  können), 
sowie  eine  bekannte  Art  Reihenentwickelung  eines  Bmches  mit  Hufe  der 
Kettenbruche.  Der  Hauptgegenstand  der  Abhandlung  sind  die  Theilbmch- 
reihen.  Es  wird  zunäcnst  die  Verwandlung  eines  gemeinen  Bmches  in 
eine  Theilbmchreihe  sowol  allgemein  durchgeführt,  als  auch  durch  speci- 
eile  Beispiele  erläutert.  Hierauf  folgt  die  Summiemng  einer  Theilbmchreihe, 
die  Definition  der  Näherungs werthe  einer  Theilbmcnreihe ,  sowie  die  An- 
wendung derselben  zur  Berechnung  der  Quadrat-  und  Kubikwurzeln.  —  Der 
Gegenstand  der  vorliegenden  Arbeit  ist  für  ein  SchulproCTamm  recht  pas- 
send gewählt,  namentlich  für  Schüler  dürften  die  Theübruchreihen  eine 
sehr  zweckmäfsige  Uebung  sein.  Die  Darstellung,  gröfstentheils  den  Gang 
der  ausgezeichneten  BeispielBammlung  von  Heis  liifolgend,  ist  eine  ganz 
klare  und  natürliche. 

Wien.  J.  Frischauf. 


Vierte    A  b  t  h  e  i  1  u  ii  g. 


Miscellen* 


1.  üeber  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  Zahl- 
wörter. 

Da«  ernte  Hilfsmittel,  dessen  sich  der  Mensch  der  Urzeit  hediente, 
iiH)  die  Hegriffe  der  Zahlen  zur  Anschauung  zu  bringen,  war  die  Hand.  Lto 
lateinische  Wort  mantis  stammt  von  der  semitischen  Wurzel  manah  zählen. 
l)ie  Finger  in  ihrer  Zehnzahl  dienten  zur  symbolischen  Darstellung  der  ersten 
Zahlbegriffe.  Aber  noch  gab  es  keine  Zahlwörter,  um  die  Zahlen  zu  nennen. 

Die  Zahlwörter,  welche  in  der  griechischen,  lateinischen  und  deut- 
schen önrache  wie  auch  im  Sanskrit  sich  als  völlig  abstracte  Begriffe  dar- 
steUen,  nahen  dennoch  die  sinnliche  Anschauung  zur  Voraussetzung,  üeber 
die  Grundbedeutung  der  Zahlwörter  gibt  allein  das  Semitische  vollen  Auf- 
schluss,  und  selbst  das  Sanskrit  beruht  nicht  weniger  als  das  Griechische. 
Lateinische  und  Deutsche  in  diesem  Puncte  wie  in  vielem  anderen  auf 
semitischer  Basis.  Für  die  Zahlwörter  von  Eins  bis  Zehn  ergibt  sich  fol- 
gende Erklärung: 

1.  Etg  bedeutet  das  Feste  im  Sinne  des  Ungetheilten.  Die  semitische 
Wurzel  OS  —  fest  —  erscheint  einerseits  in  dem  fiit.  as  mit  der  Bedeutung 
das  Ganze,  das  Ungethoilte  (haeres  ex  asse)^  anderseits  mit  der  Bedeutung 
des  Festen  in  os  —  Sanskrit  asthi  —  (der  Knochen)  Eis,  Eisen  aes.  So  er- 
klärt sich  dann  flg  unus  Eins  als  das  Feste,  Ganze,  Ungetheilte. 

2.  z/to  bedeutet  das  Verbundene,  das  Paar.  Aus  dem  semitischen 
akad  —  binden  —  leitet  sich  uxor  die  Verbundene,  conjuges  die  Verbun- 
denen, junao  verbinden,  Achsel  axis  die  Verbindung,  jugum  Joch  C^ov 
das  Verbindende,  Ehe  die  Verbindung.  Die  Stammsilbe  jug  joch  gieng  all- 
mählich in  die  Aussprache  von  ^vo  duo  Sanskrit  dtia,  zwo  zwei  über  (wie 
jugum  in  Cv'yov)^  so  dass  diese  Formen  ebenso  identisch  sind,  wie  Diovis 
Jovis  Bis  Zeus.  Der  Stamm  ctkad  hat  sich  in  dxoai  —  Zwanzig  —  und  in 
viginti  stärker  ausgeprägt  erhalten,  als  in  ^vo.  —  Das  Semitische  dagegen 
benützte  den  Stamm  akad  in  der  Form  ecfMd,  um  damit  die  Zahl  Eins  zu 
bezeichnen;  echad  bedeutet  das  Verbundene,  Einheitliche,  als  Zahl  Eins. 
Somit  geht  das  eka  —  Eins  —  des  Sanskrit  auf  semitischen  Ursprang  zurück. 

3.  Tgtig  tres  drei  bedeutet  die  Beihe.   Der  semitische  Stamm  tur 

—  die  Reihe  —  findet  sich  in  series  ardo  wie  auch  in  dem  französischen 
toufj  —  ä  mon  tour.  Die  Dreiheit  ist  die  kleinste  Zahl  der  Elemente, 
welche  eine  Beihe  bilden.  Das  Sanskritwort  tri  —  Drei  —  gehört  dem- 
selben semitischen  Stamme  zu. 

4.  TiTjitQfg^  bedeutet  die  Gliedmafsen.  Die  Vocabeln  HtraQig  ptatuor 
Vier  gehen  sämmtlich  auf  das  ältere  nCavQfg  zurück,  welchem  die  semi- 
tische Wurzel  had  —  das  Glied  —  zu  Grunde  liegt.   Der  Plural  hadim 

—  die  Gliedmafsen  —  nahm  als  Zahlwort  die  Bedeutung  Vier  an.  —  Das 
Zahlwort  des  Sanskrits  tschatuar  —  Vier  —  steht  in  gleicher  Linie  mit 
TirtftQfg  und  findet  mit  diesem  seine  Erklärung  in  der  semitischen  Wuripl 
had,  die  sich  in  nCavQfg  und  quatuor  entschiedener  ausprägt,  als  in 
tschatuar  und  Vier. 


868  Miseellen. 

ö.  nivxi  cpUnque  Fünf  bedeutet  die  Fläche  oder  die  flache  Hand. 
Das  semitische  Stammwort  pcmimj  welches  Flache  bedeutet,  erscheint  in 
novTog  die  Meeresfläche  aequor.  Die  flache  Hand  mit  ihren  fönf  Fingern 
diente  in  der  Sprache  zur  hierogljphischen  Bezeichnune  der  Ftinfzahl.  wie 
denn  auch  das  römische  Zahlzeichen  f&r  Fünf  die  Andentung  einer  Hand 
ist»  die  in  dem  Zeichen  fcLr  Zehn  gedoppelt  erscheint.  Da  nun  nivrs  alle 
.Füiger  der  Hand  begrifflich  zosammenfasst ,  so  ergab  sich  daraus  für 
navTig  cUe  Bedeutung  Alle.  Die  Sanskritform  panüidhan  —  Fünf  —  theilt 
mU  nivT€  und  guinque  den  semitischen  Ursprung. 

6.  "E^  sex  Sechs  bedeutet  die  Lilie.  Die  Sechszahl  findet  sich  in  den 

6  Blättern  und  den  6  Staubpefafsen  der  Lilie  —  schoschan  —  stereotyp 
ausgedrückt.  Das  Sanskrit  weist  schasch  auf. 

7.  *E7trd  Septem  Sieben  bedeutet  die  Wendung,  die  Mondohase.  Die 
semitische  Wurzel  ist  schuib  —  zurückkehren,  sich  wenden.  Da  oie  Phasen 
des  Mondesje  7  Tage  befassen,  so  konnte  der  Bejpriff  der  Siebenzahl  durch 
das  Wort  Wendung  bezeichnet  werden.  Kaum  hefse  sich  in  der  ganzen 
Natur  ein  beauemeres  Mittel  zur  Bezeichnung  der  Siebenzahl  finden.  — 
Die  Zahl  7  erhielt  aber  eine  besondere  Bedeutung,  als  man  die  Sieben- 
zahl der  Planeten  festgestellt  hatte.   Babylon  yerdurte  in  den  7  Planeten 

7  Gottheiten  und  Sieben  erhielt  dadurch  den  Werth  und  die  Bedeutung 
einer  geheiligten  Zahl.  So  blieb  auch  für  die  Hebräer,  die  ihren  Ursprung 
aus  Cnaldäa  herleiteten,  Sieben  die  heilige  Zahl,  alB  längst  die  Beziehung 
auf  den  Cultus  der  Gestirne  aufgehört  hatte.  Der  Sabbath ,  der  Siebente, 
wurde  zum  heiligen  Tage  bestimmt.  Schaba,  schwören,  bedeutet  die  An- 
rufang  der  heiligen  Siebenzahl,  eine  Wurzel,  die  auch  in  dem  griechischen 
aißofAM  und  aißag  sowie  in  schwören  auftritt  —  Es  sei  noch  bemerkt, 
dajBs  Schub  in  der  Bedeutung  Wiederholentlich  identisch  ist  mit  dem  latei- 
nischen saepe  —  zu  wiedernolten  Malen.  —  Das  Sanskrit  bietet  die  Form 
aopfan,  welche  ebenso  wie  ima  Septem  Sieben  gegenüber  dem  Semitischen 
secundär  ist. 

8.  *Oxrcü  octo  Acht  bedeutet  ein  Gespann.  Derselbe  Stamm  akad, 
aus  welchem  cku>  hervorgieng,  bildete  dxrw.  Aus  akad  —  binden  —  ent- 
stand axis  «low  Axe,  aus  axis  aber  Wagen  ufia^a  veho  fahren,  und  so 
bedeutet  oxrto  das  Wagengespann.  Die  Achtzahl  der  Füfse  eines  Gespannes 
wurde  das  Symbol  der  Achtzahl  überhaupt.  Die  Form  aschtan  des  Sanskrit 
hat  sich  Ton  dem  semitischen  Stamme  weiter  entfernt  aJs  oxrto  octo  Acht. 

9.  *Eyv4a  novem  Neun  bedeutet  eine  Dauer  oder  eine  Woche.  Der 
semitische  Stamm  nun  —  dauern  —  existiert  noch  in  vvv  nun  nu/nc  — 
dauernd,  während,  und  in  novus  v^og  neu  — -  dauernd,  während.  Der  Be- 
triff der  Neunzahl  erhielt  seinen  sprachlichen  Ausdruck  in  dem  Namen 
der  „Dauer",  d.  h.  derjenigen  Woche,  welche  immer  den  neunten  Ta^  als 
Buhetag  aussonderte.  Die  Kömer  zählten  von  den  Idus  —  dem  Vollmonde  — 
nur  bis  zu  den  Nonae,  aber  nicht  weiter  zurück.  Dies  war  die  Woche, 
welche  das  semitische  Alterthum  schon  fixiert  haben  musste,  als  es  die 
Zahlen  iwia  novem  Neun  bildete,  die  darauf  fufsen.  Die  Form  des  Sanskrit 
lautet  navan. 

10.  Mxa  decem  Zehn  bedeutet  die  Finger.  Das  Stammwort  dek 
bedeutet  zunächst  Dieser  und  ist  hinweisend,  gieng  aber  in  die  Bedeutung 
Finger  als  des  Hinweisenden  über,  so  in  diaitus  ^dxtvlog  Jiixvvfii  Sixofitu 
Zehen  zeigen  Zeuae.  Die  Zehnzahl  der  Finger  diente  zur  Bezeichnung  der 
abstracten  Zehnzahl  überhaupt.  —  Das  Sanskrit  bietet  die  Form  Sisan. 

So  ergibt  sich  aus  der  Biologie  der  Zahlen  ias  Resultat,  dass 
die  griechische,  lateinische  und  deutsche  Sprache  ebenso  wie  das  Sanskrit 
in  der  Bezeichnung  der  Zahlen  völlig  von  dem  semitischen  Sjprachstamme 
abhängig  sind.  Das  gesammte  Sprachstudium  muss  nothwendig  eine  voll- 
ständige Umwälzung  erfahren,  wenn  man  anfangen  wird,  die  reichen  Schätze 
zu  heben  und  zu  verwerthen,  welche  die  semitischen  Sprachen  in  sich 
beij^en.  Der  Ausgangspunct  der  Sprachen  ist,  wie  dies  die  mosaische  üeber^ 
beferung  bezeugt,  das  Land  Babylon, 


Miscellen.  860 

2.  Ueber  die  Bedeutung  von  Penates  und  Pontifices. 

Der  Name  der  Penaten  ist,  wie  nach  der  römischen  Ueberlieferung 
die  römischen  Penaten  selbst,  ans  dem  Orient  gekommen.  Die  Erklärung 
Cicero's  (nat.  deor.  II.  27,  67),  welcher  den  Namen  von  penus  penüus  her- 
leitet, mnss  als  verfehlt  bezeichnet  werden,  insofeme  diese  Wörter  dieselbe 
Wurzel  zur  Voraussetzung  haben,  wie  Penates.  Es  gilt  vielmehr,  diese 
gemeinschaftliche  Wurzel  nachzuweisen,  wenn  wir  zu  einem  begrifflichen 
Verstandnisse  dieser  Wörter  gelangen  wollen. 

Der  Name  Pe»ia/es  ist  semitisch  und  hciTst  die  Segenverleihen- 
den. Das  Stammwort  ba^iah  bedeutet  zunächst  allerdings  nur  bauen,  wie 
wir  es  in  Biene  Bansem  Wohnung  pom  hau  Gebäude  wiederfinden ;  indes 
hat  bauen  für  den  Orientalen  neben  dem  ursprünglichen  Sinne  auch  eine 
figürliche  Bedeutung.  Wenn  es  von  Jehovah  hcifSt,  di^a  er  das  Haus  Jemandes 
baue  oder  Jemanden  auf  erbaue,  so  ist  damit  der  Segen  bezeichnet,  der 
sich  in  dem  allmählichen  Wachsthum  und  glücklichen  Gedeihen  der  Familie 
kund  gibt  (Psalm  127).  Das  Passivum  ibbaneh  —  aufgebaut  werden  —  hat 
geradezu  die  Bedeutung:  Kinder  erzielen  (I  Mos.  16,  2),  Selbst  ben  der 
Sohn  und  bat  plural.  banot  die  Tochter  —  der  erzielte  Kinderspross ,  der 
Erbau  —  weist  auf  die  Wurzel  banali  zurück;  ebenso  gehören  bonus,  Venus, 
Faunua  und  Pan  —  Gedeihen  gebend  —  dem  Stamme  banah  zu,  welchem 
sich  auch  vüis,  vinum  Wein  olvog  —  das  Angebaute,  Erbaute  und  penus 
—  das  Erbaute,  der  Vorrath  —  anschliefsen.  Penates  bedeutet  demnach 
die  Auferbauenden,  Segenspendenden,  sie  sind  die  Götter,  welche  häus- 
lichen Segen  und  FruchtbarKeit  verleihen.  Weil  nun  die  Penaten  die  Götter 
der  Frucntbarkeit  sind,  so  erklärt  es  sich,  dass  zu  Rom  in  dem  Tempel 
der  Vesta.  welcher  die  Penates  pMicos  poptdi  Bomani  enthielt,  auch  aas 
Symbol  aer  Zeugung  göttlich  verehrt  wurde  (PUn.  bist,  nat  XXVIIL 
4,  7),  und  dass  die  Pelasger  (Herod.  11.  51)  dieselbe  Symbolik  bei  ihren 
Götterstatuen  zur  Anwendung  brachten. 

Die  Verehi;jing  der  Penaten  war  eng  mit  dem  Culte  der  Vesta  ver- 
bunden, d.  i.  des  auf  dem  Herde  lodernden  Feuers.  Dass  auch  dieser  uralte 
Cultus  aus  dem  Orient  stammt,  beweist  der  Name  'Earia  Vesta,  dessen 
semitische  Wurzel  —  esch  —  das  Feuer  bedeutet,  eine  Wurzel,  die  sich  auch 
in  aestus  aestas  hei/^  fayaQa  Äsche  Vesuvius  Aetna  at&rJQ  al^ta  darsteUt. 

Von  Penates  ist  oer  Name  der  Pontifices  abgeleitet  Dieses  räthsel- 
hafte  Wort  greift  über  Numa  hinaus  in  diejenige  Zeit  zurück,  wo  Pena/tes 
nicht  eine  Classe  niederer  Götter,  sondern  die  Götter  überhaupt  bezeichnete, 
noch  jenseits  aller  Individualisierung.  Der  Begriff  der  Penaten  war  sowenig 
als  jener  der  Eabiren  oder  der  jüdischen  Teraphim  dazu  angethan,  streng 
analysiert  zu  werden,  und  die  Versuche  der  Kömer,  die  Namen  und  Zahl 
der  Penaten  festzustellen,  waren  im  Princip  verfehlt.  Die  Götter,  ursprüng- 
lich namenlos  (Herod.  IL  52),  wurden  als  die  Segenspendenden,  PenaJtes, 
angerufen,  und  Pontifices  nennt  man  die  Priester  der  Penaten,  d.  h.  des 
Göttercultus  überhaupt.  Weit  entfernt,  dass  Pontifices  von  pons  und  facere 
abgeleitet  werden  könnte,  ist  vielmehr  der  erste  Bestandtheil  Penates,  der 
zweite  ist  das  Verbum  «o^a,  welches  bedeutet:  freundlich  entgegenkommen, 
bittend  angehen,  andehen,  vermitteln,  —  eine  Wurzel,  die  m  piaculwin 
w^etas  pacare  nax  p(wiscor  erscheint.  Derjenige,  welcher  die  Penaten  d.  h. 
die  Grötter  anneht,  die  Götter  mit  Bitten  angeht  —  dies  ist  der  PonHfex 
nach  der  Grundbedeutung  seines  Namens. 

Neisse.  Dr.  Krause. 

Vebungsbuch  zum  Uehersetzen  aus  dem  Deutschen  in's  Lateinische. 
1.  Theil  (Casuslehre;.  11.  Theil  (Tempus-  und  Moduslehre).  Wien,  Carl 
Gerold's  Sohn,  1863  u.  1865 '). 

•)  Es  liegt  keineswegs  in  der  Absicht  des  Verfassers,  durch  die  nach« 
folgenden  ^Seilen,  in  denen  er  mehr  die  Gründe,  die  ihn  zu  Abfi»» 
snng  des  Buches  bestimmten,  darzulej^n  sucht,  die  Beurtheüung 
desselben  durch  Fachgenossen  irgendwie  zu  präjudicieren.  D.  Eins. 


870  Miscellen. 

In  der  Instruction  für  den  grammatischen  Unterricht  in  der  lateim- 
sehen  Sprache  heifst  es  bezüglich  der  dritten  und  vierten  Classe  des 
Untergymnasinms  S.  109  des  Organisations-Entwurfes  unter  anderem  also: 

„In  den  Händen  der  Schüler  und  des  Lehrers  befindet  sich  eine 
das  Hauptsächliche  in  bündiger  Kürze  umfassende  Schulgrammatik;  der 
Lehrer  liest  aus  derselben  eine  Begel  und  erläutert  ihre  Bedeutung  an 
den  zu  diesem  Zwecke  in  der  Grammatik  hinzugefügten  Beispielen,  welche 
er  von  den  Schülern  übersetzen  lässt,  und  zu  welchen  er  desnalb  eine  vor- 
gängige Präparation  der  Schüler  zu  fordern  hat  Hierauf  lässt  er  die 
Schüler  selbst  ähnliche  Sätze,  in  welchen  dieselbe  Begel 
sich  zeigt,  mündlich  bilden,  und  erst  nachdem  durch  diese  üebung 
der  Umfang,  in  welchem  die  Begel  zur  Anwendung  kommt,  z.  B.  die 
wichtigsten  Verba  einer  bestimmten  Casusconstruction ,  gehörig  durchge- 
arbeitet sind,  geht  er  zu  einer  folgenden  Begel  über." 

Unterzieht  man  nun  dasjenige,  was  in  der  angezogenen  Stelle  der 
Instruction  in  Betreff  der  Bildung  der  Sätze  durch  die  Schüler  gesagt 
wird,  einer  aufmerksamen  Prüfung,  so  findet  man,  dass  die  Worte  „lässt 
die  Schüler  selbst  ähnliche  Sätze  mündlich  bilden**  kaum  anders  zu  deuten 
sein  dürften,  als  dass  darunter  das  Uebersetzen  solcher  Beispiele  zu  ver- 
stehen sei,  welche  der  Lehrer  nach  erfolgter  Erklärung  der  Begel  dem 
Schüler  vorsagt,  von  ihm  wiederholen  und  sodann  in 's  Latein  übertragen 
lässt.  Es  kann  daher  nicht  damit  gemeint  sein,  dass  der  Schüler  selnst 
solche  Sätze  in  der  Unterrichtssprache  zu  entwerfen  und  dann  in's  Latein 
zu  übersetzen  habe;  denn  der  wie  vielte  wäre  dies  im  Stande,  und  was 
für  Sätze  würden  da  wol  zum  Vorscheine  kommen?  Nun  kann  aber  dadurch, 
dass  der  Lehrer  selbst  die  Sätze  entwirft  und  dem  aufgerufenen  Schüler 
jedesmal  vorsagt,  oder  aus  einem  nur  in  seinen  Händen  befindlichen  Buche 
nerausliest  und  von  ihm  bilden,  d.  i.  lateinisch  coniponieren  lässt,  die 
Aufinerksamkeit  und  Thätigkeit  sämmtlicher  Schüler  nicht  leicht  in  einer 
gleichmäfsigen  und  erspriefslichen  Weise  in  Anspruch  genommen  werden, 
weil  der  Satz,  wofern  er  nicht  recht  kurz  ist,  von  dem  schwächeren  oder 
hanfig  zerstreuten  Schüler  leicht  vergessen  wird,  durch  das  Aufnotieren 
der  Beispiele  dagegen,  wozu  man  allenfalls  die  Schüler  verhalten  könnte, 
nicht  wenig  Zeit  verloren  geht.  Es  erscheint  somit  ganz  erklärlich,  wenn 
die  Lehrer  des  Lateins  es  nicht  blofs  für  zweckdienlich,  sondern  in  mancher 
Beziehung  sogar  für  nothwendig  erachten,  dem  Unterrichte  in  der  latei- 
nischen Syntax  ein  Uebungsbucn  zum  Grunde  zu  legen  und  zu  Erzielung 
einer  gleichmäfsigen  Beschäftigung  sämmtlicher  Schüler  einer  Classe,  so- 
wie zur  Anregung  und  Förderung  der  Selbstthätigkeit  denselben  in  die 
Hände  zu  geben. 

Eine  andere  Frage  ist  es  allerdings,  wie  ein  solches  Uebungsbuch 
einzurichten  sei,  damit  es  dem  Zwecke,  wie  ihn  zunächst  unsere  Tertia 
und  Quarta  anzustreben  hat,  gehörig  entspreche,  d.  i.  damit  dasselbe  nicht 
blofs  zu  schriftlichen  Arbeiten,  sondern  ganz  besonders  auch  zum  münd- 
lichen Componieren  zweckmäfaig  geordneten  Stoff  biete  und  hiedurch  zu 
fester  Einübung  der  Syntax  und  Erwerbung  einer  gewissen  Fertigkeit  im 
Uebersetzen  geeignet  sei. 

Geht  man  die  zahlreichen  seit  Krebs  erschienenen,  für  die  Mittel- 
classen  der  Gymnasien  abgefassten  Uebungsbncher  durch,  so  findet  man, 
dass  sich  in  Betreff  ihrer  Einrichtung,  der  Wahl  und  Beschaffenheit  des 
Uebungsstoffes  zwei  verschiedene  Ansichten  unter  den  Verfassern  geltend 
gemacht  haben.  Die  einen  nämlich,  wie  Süpfle,  Gruber,  Schultz,  Dringen 
nur  zusammenhängende  Aufgaben  und  wollen  auch  nur  diesen  das  Wort 
geredet  wissen,  während  andere,  wie  Krebs,  Dronke,  Kühner  u.  a.,  zu 
einem  Ganzen  verbundene  Aufgaben  ausschliefsen  und  im  geraden  Gc^gen- 
satze  zu  den  obgenannten  Verfassern  einen  blofs  in  einzemen  Beispielen 
bestehenden  Uebungsstoff  bieten.  Aus  dieser  Verschiedenheit  oder  richtiger 
ungleichen  Beschaffenheit  des  dargebotenen  Stoffes  lässt  sich  leicht  ent- 
nehmen, dass  die  ersteren  neben  der  grammatischen  auch  die  stilistische 
Seite  berücksichtigen  wollen,  die  letzteren  dagegen   schlechterdings   nur 


MisceUen.  871 

die  Einübung  der  Öyntai  im  Auge  haben.  Nun  fragt  es  sich  aber,  welche 
von  den  angeführten  Arten  von  Uebungsbüchem,  als  die  für  unsere  Zwecko 
geeignetere,  den  Vorzug  verdient?  —  Biese  Frace  wird  sich  am  richtig»teii 
dann  erst  beantworten  lassen,  wenn  man  über  die  Hauptaufgabe  des  gram- 
matischen Unterrichtes  in  unserer  3.  und  4.  Gymnasialclasse  zuvor  den 
Organisations-Entwurf,  dessen  Normen  allein  hierin  mafsgebend  sein  können, 
zu  Käthe  gezogen  hat.  Nach  diesem  ist  nun  in  den  besagten  Classen  des 
Untergymnasiums  die  Einübung  der  syntaktischen  Kegeln  (Casus-, 
Tempus-  und  Moduslehre)  als  Ziel  des  grammatischen  Unterrichtes 
hingestellt,  Erwerbung  des  Sinnes  für  stilistische  Form  da- 
gegen als  Aufgabe  des  Übergymnasiums  bezeichnet.  Es  ist  so- 
mit klar,  dass  diu  stilistische  Moment  im  Untergymnasium  noch  als  un- 
tergeordnet zu  betrachten  sei  und  hauptsächlich  nur  bei  schriftlichen  Com- 
lK)sitionen,  wie  der  Studienplan  selbst  anzudeuten  scheint,  einige  Berück- 
sichtigung finden  könne.  Da  sich  nun  zu  schnellerer  Einübung  acr  Regeln, 
wie  die  Erfahrung  lehrt,  kurze  Sätze  am  besten  eignen,  die  Einföhrung 
zweier  verschiedener  Uebungsbücher  dagegen  in  didaktischer  Beziehung 
kaum  als  zulässig  erscheint:  so  ergibt  sicn  von  selbst,  dass,  sofern  die 
Noth wendigkeit  eines  solchen  Buches  zum  mündlichen  CJomponieren  über- 
haupt eingeräumt  wird,  zwar  jede  der  angeführten  Arten  von  Uebungs- 
bücnem  in  der  ihr  eigenen  Richtung  vielfachen  Nutzen  schaffen  und  den 
Zweck  fördern  könne,  das«  jedoch  keine  derselben  allein  dem  Bedürfhisse, 
wie  es  sich  in  den  Mittelclassen  unserer  Gymnasien  zeigt,  vollständig 
genüge  % 

In  Anbetracht  dessen  hat  der  Unterzeichnete,  geleitet  von  der  Ueber- 
zeugung,  dass  das  richtige  und  nutzbringende  eines  Uebungsbuches  für 
die  erwähnte  Stufe  wol  in  der  Vereinigung  der  beiden  Arten,  wie  sie 
die  genannten  Verfasser  einander  gegenüber  vertreten,  bestehen  dürfte, 
den  versuch  gewagt,  ein  solches  Buch  zusammenzustellen,  welches  theils 
zum  schriftliciicn ,  theils  und  zwar  ganz  besonders  zum  mündlichen  Com- 
ponieren  Stoff  bieten  und  somit  in  doj>pelter  Hinsicht  entsprechen  sollte. 
Zu  diesem  Behufe  hat  er,  der  gewöhnlichen  Eintheilung  der  lateinischen 
Syntax  folgend,  für  jede  Regel  einzelne,  meist  kurze  Sätze  aufgenommen, 
und  erst  nach  Bewältigung  mehrerer  Regeln  oder  eines  ganzen  Capitels 
neben  vermischten,  zu  Wiederholung  bestimmten  Beispielen  auch  zusam- 
menhängende Aufgaben  folgen  lassen.  Diese  Anordnung  des  Uebungsstofies 
traf  er  aber  aus  dem  Grunde,  weil  er  der  Ansicht  und  Ueoerzeugung  ist,  dass 
der  Schüler  jede  Regel  zuerst  einzeln  kennen  lenien,  sie  an  emcr  Reihe  la- 
teinisch-deutscher und  deutsch-lateinischer  Beispiele  einüben,  an  Sätzen  aber, 
in  denen  sich  mehrere  Regeln  zusammenge£Eisst  finden,  sowie  endlich  an  zu- 
sammenhangenden, zuweilen  zu  schriftlichen  Bearbeitungen  zu  verwenden- 
den Aufgaben  befestigen  solle.  Diese  Methode  düifte  denn  auch  den  An- 
forderungen des  Organisations-Entwurfes  im  Ganzen  entsprechen ;  nur  ist 
der  Unterzeichnete  der  Ansicht,  dass  beim  mündlichen  Einüben  der  Regeln 
dem  Schüler  die  Beispiele  nicht  so  sehr  vorzusagen,  als  vielmehr,  um  ihn 
zur  Selbstthätigkeit  anzuregen  und  eine  gewisse  Gewandtheit  im  Ueber- 
tragen  bei  ihm  zu  erzielen,  aus  dem  Buche  zur  häuslichen  Präparation  auf- 
zugeben seien.  Dem  Lehrer  bliebe  es  selbstverständlich  noch  immer  un- 
benommen, die  Sätze  während  des  Unterrichtes  zu  verändern  und  mannig- 
fach umzubUden.  Wollte  jedoch  jemand  den  zusammenhängenden  Aufgaben 
durchaus  den  Vorzug  auch  auf  dieser  Stufe  geben  und  sie  bei  mündlicher 
Einübung  der  Regeln  auch  ausschliefslicli  verwenden,  so  könnte  man  dem- 
selben zu  bedenken  geben,  dass  eine  schnellere  Förderung  des  Zweckes  auf 

')  Bei  einer,  auch  an  Oesterreichs  Gymnasien  stark  verbreiteten  Auf- 
gabensammlung muss  nebenbei  auch  der  Uebelstand  hervorgehoben 
werden,  dass  sie  zunächst  für  die  Bedürfnisse  aufserösterreichischer 
Anstalten  angelegt,  für  die  Moduslehre,  deren  Einübung  Aufgabe 
unserer  Quarta  ist,  gar  keinen  Stoff  enthält,  was  der  Brauchbarkeit 
des  sonst  treftlichen  Buches  keinen  geringen  Abbruch  thut 


87t  Miscellen. 

diese  Weise  schon  deshalb  in  Zweifel  zu  ziehen  sei,  weil  sich  in  derartige 
Aufgaben  nicht  eben  viele  Regeln  zusammenzwängen,  somit  auch  nicht 
viele  Fälle  <lurchüben  lassen,  der  Lehrer  somit  die  auf  den  grammatischen 
Unterricht  zu  verwendende  Zeit  unwillkürlich  mehr  der  freien  Uebersetzung, 
also  der  Nebenaufgabe  statt  der  Hauptaufgabe  widmen  würde ").  Dagegen 
ist  nicht  zu  läugnen,  dass  durch  Uebertragung  von  kürzeren  und  nach  und 
nach  längeren,  sowie  von  solchen  üebungsbeispielen ,  welche  in  der  Con- 
structionsweise  immer  mehr  abweichendes  vom  Deutschen  enthalten,  das 
Stilistische  allmähliche  Anbahnung  und  an  schrifblichen  üebungen  hin- 
reichende Förderung  findet.  Auf  die  etwaige  Einwendung,  dass  Sätze  mehr 
dem  Elementarunterrichte  angehören,  kann  erwiedert  werden,  dass  es  zwischen 
Sätzen  der  ersten  und  zwischen  jenen  der  zweiten  Stufe  denn  doch  einigen 
Unterschied  gebe,  indem  die  Sätze  dort  in  der  Construction  mit  dem  Deutschen 
meist  übereinstimmen  und  oft  nur  eine  wörtliche  Uebersetzung  erheischen, 
während  sie  hier,  wo  ein  wesentlicher  Theil  der  Uebung  gerade  in  der 
Auffassung  der  Verschiedenheit  beider  Sprachen  besteht,  mehr  Nachdenken 
und  gröfsere  Aufmerksamkeit  des  Schülers  in  Anspruch  nehmen,  zugleich 
aber  den  Vortheil  gewähren,  dass  sie  in  derselben  Zeit  die  Durchübung 
mehrerer  Fälle  ermöglichen. 

Diese  wenigen  Worte  hat  der  Verfasser  hier  anzuführen  sich  erhiubt, 
um  Plan  und  Anlage  seines  Buches  hiermit  zu  rechtfertigen.  Ueberdies 
glaubt  er  noch  eines  hervorheben  zu  sollen,  was  ihn  zur  Veröffentlichung 
des  Wcrkchens  mit  bestimmte.  Die  meisten  Uebungsbücher  bieten  näm- 
lich nur  in  spärlichen  Anmerkungen  einigen  Wnrtvorrath  für  die  Ueber- 
setzung. Der  Schüler,  zumal  der  schwächere,  sieht  sich  daher,  wenn  er 
auf  ein  ihm  unbekanntes  Wort  stöffet,  ffenöthigt,  die  Bedeutung  im  Lexi- 
kon aufzusuchen,  oder  doch  jemanden  darum  zu  befragen.  Besitzt  er  aber 
keines  oder  ist  es  ihm  nicht  leicht  möglich,  sich  anderswo  Raths  zu  er- 
holen, so  legt  er  gar  gern  die  Arbeit  bei  Seite  und  verliert  nicht  selten 
alle  Lust  zum  Gegenstende.  Ja  selbst  in  dem  Falle,  als  er  so  glücklich 
ist,  ein  deutsch-lateinisches  Wörterbuch  zu  besitzen,  fehlt  es  ihm  noch 
ziemlich  an  Geschick  und  Kenntnis,  dasselbe  mit  Erfolg  zu  benutzen.  Aus 
diesem  Grunde  glaubte  der  Verfasser  die  Mühe  nicht  scheuen  und  zu 
s&mmtlichen  Üebungen,  welche  bestimmten  Regeln  folgen,  den  erforder- 
lichen Wortschatz  liefern  zu  sollen.  Dies  that  er  denn  auch,  indem  er 
theils  unmittelbar  nach  jedem  Absätze  einzelne  Bedeutungen  anbrachte,  — 
besonders  dann,  wenn  sich  vermuthen  liefs,  dass  bei  der  Wahl  des  Ausdruckes 
ein  Misgriff  stattfinden  könnte,  —  theils  sie  dem  Wortregister  zuwies  und 
zur  Bequemlichkeit  für  den  Schüler  jedem  Theile  ein  solches  beifügte.  Hie- 
durch  ist  es  dem  Schüler  zugleich  ermöglicht,  ohne  vielen  Zeitverlust  auf 
die  einzelnen  Paragraphen  sich  vorbereiten  zu  können. 

Zum  Schlüsse  mag  noch  über  den  Uebungsstoff  selbst  Einiges  ge- 
sagt, beziehungsweise  auch  Rechenschaft  gegeben  werden.  Derselbe  ist 
in  den  ungefähr  2740  Beispielen  beider  Theile  bis  auf  einige  wenige  Sätze 
lateinischen  Schriftstellern,  und  zwar  vorzugsweise  den  bessern  unter  ihnen 
entlehnt.  Die  Üebungen  sind  geordnet  nach  dem  Gange  der  kleinen  Gram- 
matik von  Ferd.  Schultz,  als  der  an  unseren  Gymnasien  am  meisten  ver- 
breiteten, und  dei  Verfasser  war  bestrebt,  alle  Hauptregeln  wo  möglich 
gleichmäfsig  zu  berücksichtigen.  Ueber  seltenere  Spracherscheinungen,  wie 
sie  namentlich  bei  Dichtem  häufig  zu  finden  sind,  so  über  den  griechischen 
Accusativ,  über  Adjectiva  mit  dem  Infinitiv  u.   a.  hat  er  jedoch  eben  so 

*)  Schon  Krebs  spricht  sich  gegen  die  sogenannte  freie  Uebersetzung 
aus,  bevor  man  Beispiele  üoer  einzelne  Regeln  geübt,  indem  er  in 
der  Vorrede  zu  seiner  Anleitung  zum  Lateinschreiben  folgendes  be- 
tont :  „Vor  Uebung  der  Grammatik  und  namentlich  der  Sjmtax  durch 
Beispiele  Schreibübungen  über  nichts  Bestimmtes  (d.  i.  wol  über 
keine  bestimmte  Regel)  machen  zu  lassen,  wie  auf  vielen  Schulen 
geschieht,  ist  gegen  alle  gute  Methode.  Erst  muss  man  einzeln  die 

-    Kegebi  kennen  lernen,  dann  folgt  die  Anwendung  in  Üebungen.** 


MiHCcllcn.  878 

wenig  Uebungen  aafgenoinnien  als  über  den  Intinitivus  historicus,  eines- 
theils  weil  die  in  der  Grammatik  beigefügten  lateinischen  Beispiele  zur 
Erklärung  vorkommender  Fälle  in  der  Leetüre  genügen,  anderestheils  weil 
der  Schüler  Abnormitäten  und  der  guten  Prosa  fremde  Constructionsweisen 
so  wie  auch  den  Infinitivus  historicus,  wenigstens  auf  dieser  Stufe,  nicht 
nachzuahmen  hat.    Was  den  Stoff  in  den  161  zusammenhangenden  Auf- 

faben  anbelangt,  so  ist  auch  dieser  nicht  blofs  zumeist  aus  den  Werken 
es  römischen  Alterthums  entnommen,  sondern  es  sind  sogar  gröfsere  Stellen 
aus  denselben  benutzt  und  mit  der  nöthigen  Umänderung  und  Anpassung 
für  den  Zweck  verwendet  worden.  Von  diesen  Aufgaben  sind  nun  dieienigen, 
die  am  Schlüsse  eines  jeden  Theiles  folgen,  sogenannte  freie  Aufgaben,  die 
sich  an  die  Leetüre  anschlicfsen  und  zu  denen  einzelne  Stellen  des  gele- 
senen Auetors  den  Wortschatz  liefern  sollen,  zum  L  Theile  also  die  historia 
antiqua,  zum  II.  Th.  Csesars  bellum  gallicum.  Dieselben  dürften  sich  in 
dem  Falle,  dass  die  dazu  vom  Verfasser  benutzten  Capitel  in  der  Schule 
gelesen  worden,  vielleicht  zu  Schulcomiwsitioneu  eignen,  da  hiedurch  nicht 
blofs  die  auf  das  Dictieren  zu  verwendende  Zeit  erspart,  sondern  auch  dem 
Lehrer  die  Gelegenheit  geboten  würde,  zu  erfahren,  wie  weit  ein  jeder 
Schüler  die  einzelnen  WOrter  und  Wortverbindungen  aus  dem  gelesenen 
Stoffe  zu  seinem  Eigenthume  zu  machen  sicli  die  Mühe  nahm. 

Indem  der  Verfasser  sein  Werkchen  hiemit  der  nachsichtigen  Beur- 
theilung  und  wohlwollenden  Aufnalune  empfiehlt,  hält  er  es  fUr  angemessen, 
diejenigen  Stellen  der  lateinischen  Werke,  die  er  bei  Bearbeitung  der  zu- 
sammenhangenden Aufgaben  benutzt  hatte,  hier  genau  anzuführen ,  theils 
zu  eigener  Kechtfertigung,  sofern  sich  ein  ähnlicher  Stoff  mitunter  audi 
in  anderen  Uebungsbücheru  verarbeitet  findet,  theils  auch,  um  denjenigen 
Lehrer,  welcher  das  Buch  benutzen  und  das  Original  etwa  nachschlagen 
woUte,  der  Mühe  des  Suchens  zu  überheben. 

1.  Th.:  Nr.  17  lust  XLIV,  c.  4.  —  31  Cic.  de  Ür.  U.  15,  62  (nach 
Wüstemann's  promptuarium  sententiaruin,  S.  148).  -—  33  Eutr.  III.  8.  9.  — 
34  Val.  Max.  VlI,  3  (nach  Fischeri  selectae  e  profanis  scriptohbus  histo- 
riae,  p.  152).  -  35  Liv.  XXIV,  10.  —  45  Pün.  Hist.  nat.  VIU,  19.  — 
46  Cic.  Tusc  V,  32.  -  48  Liv.  LX,  3  u.  Aur.  Vict.  XXX.  —  58  Plin.  hist. 
nat.  XXXVI,  16  ff.  —  66  C.  Nep.  Phoc.  4.  —  67  Liv.  XXUI,  11  ff.  — 
68  Sen.  de  tranq.  VIII,  7  u.  Ael.  var.  hist.  XII,  56.  —  77  lust.  XV,  4.  — 
78  Quinct  U,  16.  -  90  Cic.  Off  lU,  11.  -  91  Aur.  Vict  XXXV,  12.  - 
92  Val.  Max.  VI,  4.  -  94  u.  95  lust.  XLIV,  2.  -  102  (Jell.  N.  Att.  V,  10. 

U.  Th.  Nr.  11  Aur.  Vict.  VII,  9  ff  —  12  Sali.  Cat.  VI  ff.  -  13 
Cic.  Ep.  ad  div.  XlV,  8.  —  14  Cic.  Tusc.  I,  40.  —  15.  Aur.  Vict.  LXXV.  — 
18  Cic.  nat.  deor.  n,  4.  5.  —  19  lust.  VI,  8.  -  20  Eutr.  H,  12.  13.  - 
21  Flor,  prooem.  -  22  Muret.  Ep.  I,  64.  —  24  Plin.  Hist  nat.  XVI,  82. 
33.  —  25  Plin.  H.  n.  X,  24.  —  26  PUn.  H.  n.  XXXV,  10.  65.  —  27  Sen. 
de  benef.  I,  8.  1.  2.'  (ed.  Haase).  —  33  Muret.  Ep.  l,  62.  —  34  VaL 
Max.  VI,  4  (nach  Fisch,  select  hist  III.  61).  —  39  Curt.  VI,  34  u.  85 
(ed.  Zumpt).  —  40  Cic.  Off.  I,  25.  —  41  nach  Wüstem,  prompt  sentent 
p.  135.  u.  136.  —  42  u.  43  Liv.  VIU,  7.  u.  8.  -  48.  49.  50  Curt.  VIIL 
1  ff  -  52  Vell.  Pat  U,  42.  -  58  Muret  Ep.  I,  63.  —  59  Eutr.  VU,  19.  - 
63  C.  Nep.  Thras.  4.-64  Muret  Ep.  I,  60.  —  65  Sen.  de  moribue.  — 
76  Curt  X,  31.  -  77  Sen.  ad  Helv.  12  -  78  Cic.  fam.  XIV,  5.  —  79 
Fisch.  seL  hist  V,  3.  3  u.  IV,  36.  4.  —  80  VaL  Max.  VU,  2.  —  88 
Aur.  Vict  LVn.  —  84  Cic.  Tusc.  I,  47.  -  86  GelL  IV,  18.  —  89  Curt 
VII,  34.  —  90  Cic.  Tusc.  I,  41.  -  91  Curt  VI,  7.  —  92  lust  XXVIII,  2. 
-  93  lust  XXXVni,  4.  6.  —  96  Cic.  Div.  I.  27.  57.  -  97  Fisch.  seL 
hiflt  IV,  28.  2.  -  102  Val.  Max.  lU,  2.  -  103  Aur.  Vict  LXVH.  — 
104  Plin.  H.  n.  II,  63.  —  107  Sen.  DiaL  U,  5.  6.  -  108  Fisch,  sei  hiat 
UI,  54,  4.  5.  —  109  Curt  VU,  19.  -  116  Fisch.  seL  hist  H,  6.  1.  — 
117  Muret  var.  lect  XIX,  21.  -  118. 119. 120  Fisch.  seL  hist  II,  14.  3; 
m,  1.  1.  —  121  VaL  Max.  VU,  1.  2.  — 

Graz.  Joh.  Alex.  Roiek. 


Fünfte  Abtheilung. 


Verordnungen  für  die  österreichischen  Gymnasien  und 
Realschulen;  Personalnotizen;  Statistik. 

Personal-  und  Schulnotizen. 

(Ernennungen,  Versetzungen,  Beförderungen,  Auszeich- 
nungen u.  8.  w.)  —  Der  Staatsminister  hat  die  im  Budgetdepartement 
für  Cultus  und  Unterricht  erledigte  JStelle  eines  Rechnungsrathes  dem 
Rechnungsofficialen  Ferdinand  Schallhofe r  verliehen. 

Der  GjTnnasiallehrcr  zu  Linz,  Karl  Greis  torfer  und  der  Gvninasial- 
supplent  zu  Graz,  Joseph  Egger,  zu  Lehrern  am  G.  zu  Graz;  die  Lehrer 
am  Drohobyczer  RG.  Eduard  Golebiowski  und  Vinzenz  B i e n e r t  zu 
Lehrern  am  k.  k.  Franz  Josephs-G.  in  Lemberg;  der  suppl.  Religions- 
lehrer am  k.  k.  G.  zu  Neu-Sandec,  Franz  Fox  (vgl.  Hft  X.  S.  786, 
Z.  18  V.  0.),  über  Vorschlag  des  betr.  bischöflichen  Ordinariates,  zum  wirk- 
lichen Religionslehrer  an  derselben  Lehranstalt;  der  Sui>plent  Marcell 
Lawrowski  am  k.  k.  G.  zu  Stanislau  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer 
alldort;  der  Supplent  am  kath.  OG.  zu  Pest,  Anton  Zalka  und  die 
Supplenten  am  Esseker  G.  Johann  Radetiö  und  Andreas  Kodri<>  zu 
wirklichen  Lehrern  an  den  genannten  Lehranstalten,  dann  die  Gymnasial- 
supplenten  Johann  Tositti  und  Anton  Zingerle  zu  wirklichen  Lehrern 
für  die  lombardisch-venezianischen  Gymnasien. 

Der  Cooperator  an  der  Stadtpfarre  zu  Wels,  ,Franz  Weinmayr, 
über  Vorschlag  des  Linzer  bischöfl.  Ordinariates,  zum  wirklichen  Religions- 
lehrer an  der  k.  k.  OR.  zu  Linz,  und  der  Lehrer  der  gr.  or.  OR.  in 
Czemowitz,  Thomas  Klein,  zum  wirkl.  Lehrer  an  der  k.  k.  OR.  in  Görz. 

Am  C.  R.  G.  in  der  Leopoldstadt  in  Wien  für  die  nothwendig  ge- 
wordene Parallelclasse :  Dr.  Richard  Heinzl  für  Latein;  Dr.  Eduard  Röfs- 
1er  für  Geographie  und  Geschichte;  Johann  Fuchshofe r  (Volontär)  für 
Naturgeschichte;  P.  Joseph  Win di seh  für  den  Schreibunterricht-  und 
Jakob  Binder  für  den  Gesang. 

—  Die  Gemeindevertretung  zu  Taufs  hat  beschlossen,  die  bisher 
alldort  bestandene  ÜR.  in  ein  RG.  umzuwandeln. 


—  Der  a.  o.  5.  Professor  der  Geschichte  und  Statistik  an  der  R^chts- 
akademie  zu  Grofswardein ,  Dr.  Emerich  von  Hajnik,  zum  a.  o.  ö.  Pro- 
fessor desselben  Faches  an  der  Rechtsakademie  zu  K aschau. 

—  Die  an  der  höheren  landwirthschaftlichen  Lehranstalt  zu  ünga- 
ri&ch-Altenburg  erledigte  5.  Professorsstelle  ist  dem  a.  o.  Professor 
an  dieser  Lehranstalt  Dr.  Karl  Reitlechner  verliehen  worden. 


Personal-  iiinl  »S<rhuliiotizeii.  875 

—  Der  Professor  dor  Wiener  Handelsakailennc  Dr.  Wilhelm  (j  u- 
nescli  ist  zum  Prüfungscommissär  bei  der  judiciellen  Abtheihing  der 
theoretischen  Staatsprüfiinjifscommission  in  Wien  ernannt  worden. 

—  Die  Wahl  des  Universitäfc^prolessors  un<l  derzeitigen  Universitäts- 
rectors  Dr.  Jos.  Majer  zum  Präsijlcnten  «ler  Gelehrtenfifesellschaft  für  das 
.1.  18(>6  ist  Allerh.  ()rt<*s  genehmigt  worden. 

S«\  k.  k.  Apost.  Majestät  halKMi  mit  Allerhöchster  Entschliefsung 
vom  25.  NovemlKjr  1.  J.  dem  ISohulrathe  Adulhert  Stifter  in  Oberöster- 
reich, aus  Anlas«  seiner  Versetzung  in  den  bleibenden  Ruhestand,  taxfrei 
den  Titel  eines  Hofrathes  Allergnii<ligst  zu  verleihen  geruht. 

--  Se.  k.  k.  Aiwst.  Majt^stat  haben  mit  Allerh.  Handschreiben  vom 
21.  November  1.  .1.  den  geheimen  Itath  Josejih  Alexander  Freiherrn  von 
Helfert  in  Gna<len,  unter  Anerkennung  s<äner  vieljiihrigen  und  crsprieflB- 
lichen  Dienstleistung  und  mit  d«Mu  Vorbehalte  seiner  neuerlichen  Wieder- 
aufnahme in  d«'n  activen  Staatsdi«Mist,  in  d«'n  zeitlichen  Ruhesfcind  zu  ver- 
setzen und  zu  genehmigiMi  g«'ruht,  dass  d«'rsclbe  auch  während  der  Dauer 
seines  Ruhestandes  mit  dem  Präsidium  der  Centralcommission  zur  Erfor- 
schung und  Erhaltung  alter  IJaudenkmah'  betraut  bleibe. 

—  Dem  auf  seine  1  litte  in  d<»n  dauernden  Ruhestand  versetzten 
Ministerialrath  im  Finanzministerium  Franz  Srhilder  (seinerzeit  auch 
auf  dem  Felde  der  dramatis<h<'n  Literatur  vorth«»ilhaft  bekannt)  ist  mit 
Rücksicht  auf  seine  fünfzigjährige  treue  und  erspriefsliche  J>ienstleistung 
taxfrei  der  Ordim  der  eisernen  Krone  3.  Cl.  verli<'h«*n  worden. 

(Erledigungen,  Conen  rsr  u.  s.  w.)  Zorn  bor.  selbst.  (Vmim.  UR., 
Lehrstelle  für  eeometr.  Zeichnen,  Haukunst  und  Bauzeichnen  als  Haupt-, 
Geographie  und  Geschichte  als  Nebenfach.  Jahresgehalt  525  fl.,  Quartier- 
relutum  105  fl.  und  Holzrelutum  «vJ  fl.  ö.  W.  Termin;  31.  Jänner  1866, 
8.  Amtsbl.  z.  Wr.  Ztg.  vom  12.  December  1.  J.,  Nr.  2ö3.  —  Pancsova 
(Militär- Grenz -Communität),  k.  k.  OR.,  Lehrst^dle  für  Freihandzeichnen 
und  Kalligraphie,  mit  etwaiger  Befähigung  zu  Vorträgen  über  Landwirth- 
schaft,  Jahresgehalt  63<)  fl.,  eventuel  H4<.)  fl.  ö.  W.  und  Ansjiruch  auf  De- 
cennalzulage.  Tennin:  Ende  Jänner  1866,  s.  Amtsbl.  z.  Wt.  Ztg.  vom  19. 
December  1.  J.,  Nr.  289.  _    

(Todesfälle.)  Anfangs  October  1.  J.  zu  Halle  Dr.  Gösch  er,  ordentl. 
Professor  an  der  juristischen  Facultät  der  dortigen  Universität. 

—  In  der  1.  Hälfte  des  Octobers  1.  J.  zu  Bern  Prof.  Dr.  Volmar, 
Maler  und  Bildhauer,  namentlich  durch  die  Erlach-Statue  in  Bern  und  das 
Girard-Denkraal  in  Freiburg  bekannt. 

—  Im  October  1.  J.  Maler  Heim,  Mitglied  der  Akademie  der  schönen 
Künste  in  Paris,  78  Jahre  alt;  zu  Leipzig  Heinrich  Strellcr,  vorzüglicher 
Holzzeichner,  von  dem  die  Mehrzahl  der  Holzschnitte  zur  Schnaase*schen 
Kunstgeschichte  herrührt,  und  zu  8t.  Germain  der  dramatische  Schriftsteller 
Charles  Desire  du  Peuly,  67  Jahre  alt 

—  Ende  ÜctobtT  f.  J.  zu  Salzburg  der  Hochw.  P.  Konrad  Rois- 
hamer',  früher  Conventual  des  Benedictinerstiftes  Michelbeuem,  Prior  im 
Kloster  zu  Mülln  und  Professor  am  k.  k.  OG.  zu  Salzburg. 

—  Am  1.  November  1.  J.  zu  Paris  der  Bildhauer  Charles  Nauteuil- 
Leboeuf  (geb.  ebend.  1792),  seit  1831  Mitglied  der  franz.  Akademie. 

—  Am  3.  (?)  November  1.  J.  zu  Innsbruck  der  ausgezeichnete  Kunst- 
maler und  Photograph  Joseph  Mühlmann. 

—  -  Am  6.  November  1.  J.  zu  Salzburg  Sr.  Hochw.  Dr.  Phil,  und 
Thcol.  P.  Tlieod.  Stabeil,  Bibliothekar  im  Stifte  St.  Peter,  früher  Gym- 
nasialprofessor,  ein  dun  h  Talent,  umfassendes  Wissen  und  namentlich  aul'ser- 
gewidinliche  Sprachkenntnisse  ausgezeichneter  Gelehrter. 

Am  7.  November  1.  J.  zu  München  der  durch  seine  trefllichen 
Genrebilder  bekannte  Maler  Müller  (vnlgo  FenermtiUer.) 


iT6 


Personal-  and  HchulnotiÄen. 


—  Lfttit  Meldinig  hüb  Viina  Vf>üi  1.  November  1.  J.  xu  Purb  iti?r 
fruditUarü  Drauiatiki^r  MtUcsville  (eigentlich  Baron  Da t tarier),  der 
si?it  181H  nkht  wenigpr  als  ri*Nl  grutw^^-ntheih  niit  Erfolg  aufgeführte  Stücke, 
tlieila  allein^  theOa  getiieiii^airi  mit,  anderffi  Hchriftfitelleni  OmmentUch  nait 
^ribti)  gesciiriebeD  hat. 

—  Am  9.  Novcniber  L  J.  sc.ü  Bonn  der  Geh.  Rath  und  Professor  det 
Anatomk  und  Physioloi^e  ati  der  d^irtigeu  Hochschule,  Dr,  F.  J.  K.  Mayer 
(geb.  tn  HcJiwäbiJsf'h -Gmünd  um  "2.  Hu veni her  1787),  der  einzige  kath.  ür- 
mnarius  der  I^Iedicin  in  PmuJsen,  ü.ueh  als  Faehschriffcifceller  hochgeHchatÄt, 

—  Aai  10.  November  1.  J.  m  Lond*>n  Lady  Theresia  Lewis »  Witwe 
des  fy&hereii  Kriegsministers  Sir  G.  C.  Lewiis,  als  Sdirift-stellerin  bekanat 

—  Am  12,  NoveinWr  1.  J.  'i^u  Heran  8r,  Huchw.  P.  Johannes 
Gasser.  Snperior  des  dortijfen  i-ollegiöins  des*  Benedirtiner-Ötiftes  M&rien- 
Ijerg,  Profeüfcor  am  dortigen  <,Hi;  'm  London  die  als  Erzählerin  auch  in 
PeutÄchland  bcicannte  Elii^aWth  Cleghorn  Garikell^  gek  Stromkin  (gek 
1S22),  Yerfa^erin  von  „Mary  Barton**,  .^Üie  Moorkind  Cotfca^e**,  -Euth" 
u.  t;  a»,  und  au  Paris  J.  Victor  Le  Clerc,  Becftn  der  Faculte  de«  LcsttiQs 
an  der  Pariser  Universität»  Mitglied  des  Institntea  u. ».  w.,  Verfasser  Tiek«- 
ausge zeichnete r  Werke  („Khetoriqiie  fran^^ise" ,  p^Histoire  des  Joumam 
chfiz  lea  llomains",  Ausgabe  dei^  Cic*:To,  UeliersetZTTng  der  Dialoge  Platoii's 
n*  V,  a,),  im  72.   Lebensjabrc. 

—  Am  13.  November  1,  J.  mi  Hietüing  tm:h^t  Wien  Frani  von  Ti* 
inoni  (geb.  txt  Conitantmo]H^t  im  J.  1785),  seiner  Zeit  L  k.  Gtischaftfi- 
trapr  tu  Ila^usa,  ah  KnnHtfrennd ,  Kumtkenner  und  Kunstsammler  in 
^rdtercn  Kreiden  bekannt,  ein  Mann  v<in  warraer  Em|jfindung  und  geläu- 
tertem Gesehmack,  der  sein©  reiclie  ColhH^tiou  vuu  geschnittenen  8t*.inen 
dem  k.  L  Münz- und  Antiken-Cabinet'  mid  seine  i^amndung  antiker  Münzen 
deni  fcseiiotterjütifte  in  Wien  zuwendete;  sau  Baden  bei  Wien  Frau  Emihe 
Überm eir,  Kilns*tlerin  und  [Hchfcerin,  als  Freundin  Ri>ssini^s  und  an- 
derer C^lebri taten  bekannt,  und  zu  Paris  Philippe  Franct^is  Dnmanoir 
(geb.  zu  GnailabmjM:'  am  2h  Jtili  1*50<J),  ^^iner  der  beliebtesten  fransGoi- 
sehen  Bübnenächrit'tsteller. 

—  Am  18,  November  l.  J.  zö  Wien  Joseph  Heb  all  v.  Falkenhorst, 

fenanut  Forst  (gek  zu  Wien  1806),  zuletzt  Obt^r- Regisseur  des  hiesig^iÄ 
osephstadter   'rhcatera,    al«   talentYoller  BchauBpieler  und    dramatisier 
Dichter   biskannt. 

—  Am  19.  Navember  L  J,  zu  Mediaach  der  Gymnasiallehrer  Joseph 
Josephi;  besonders  um  die  Anordnung  der  dortigen  Schulbibliothek  vei^ 
dient,  im  29.  Lebensjahre, 

—  Laut  Meldung  vom  19.  November  L  J,  zu  Neapel  Professor  Gabikl 
de  Stefano,  als  Phikdog  hechgeaehtet 

—  Am  2L  November  I.  J.  zu  Gotha  der  Minis torialrath  Dt,  Jacobi 
(geb.  zu  Jena  179ßJ,  als  elasfiiacher  Phih>log  und  Heb ul mann,  so  wie  durch 
werth volle  Sebriffc*]:n  p«edagogi*^cben  und  iihikdogtschen  Inhaltes  („Die  Eni^ 
hung  deg  weiblichen  Get^ehkehts"  Hrnnburg  1839.  „Handwörterbuch  der 
grieck  u.  röm.  Mythologie"  (.'oburg,  1881  ff.,  2  Bde.  u.  m.  aj  bekannt, 

—  Am  24  November  1.  J.  zu  Wien  Andreas  Edler  von  For naßati- 
Verce,  tii  Professor,  Lehrer  der  italiäniscben  Sprache  und  Literatui'  an 
der  k.  k,  Universität  und  an  der  Maria-Theresianischen  Akademie  au  Wien 
u,  s,  w*,  durch  seine  zahlreichen  gramtna tischen  Arbeiten  bekannt,  im  79. 
Lehensjahre,  und  zu  Kopenhagen  Karl  Bernhard,  eigentlich  Andreaa 
Nicolai  de  St  Äubin,  als  Novellist  bekaunk 


(Diesem  Hefte  bt  eine  Uterarische  Beilage  beigegeben^ 


^^^^^k'                                                                                ^^H 

^^^^^^^^      STANFORD  UNIVERSITY  LIBRARY 
^^^^^^■^M                      Stanford,  California               fl 

\:3* 

j 

^^H 

^HB      1