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ZEITSCHRIFT
für iVie
österreichischen
O Y M N A S I E N.
Verantwortliciie Redacteures
J. 6. Seidll H. Bonitz, Fr. Hoelief |^er.
H t^u Curl Gf rdlii
Inhalt des sechzehnten Jahrganges
der
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.
(1865.)
Erste Ablbellong.
Ahhandlwfi^fen.
Bemerkungen zur Texteskritik des Sophokles. Von M. Schmidt. S. 1—20.
Ueber das Jota subscrintum. Von J. La Boche. S. 89— 12S.
iuT Kenntnis und Beurtneilung einiger Vergil- Handschriften. (L Die Fraff-
mente des 'Codex Augusteus*; II. Der Codex Minoraugiensis ; DX Die
Wiener Vergil - Handschrifbon). Von Emanuel Hoffmann.
S. 129-148.
8. 477-öOa
Die Ereignisse der Jahre 1903—1305 im ungarischen Thronkampfe de|
Premysliden und Anjous. (Portsetzung u. öchluss v. J. 1863, Hft VIII
u. IX. S. 639 ff.) Von F. Krones. 8. 237-252.
Untersuchungen über die Entstehung der Odyssee. (Fortsetzung y. JT.
1864, Hft. VII, 8. 473-502) Von Dr. W. Hartel. 8. 317-342.
Beitrage zur Texteskritik der Fabulae des Avianus. Von Dr. Karl SchenkL
8. 397—418.
Ueher die Betonung, mit Rücksicht auf den deutschen Versbau. Vo]|
Theodor Vernaleken. 8. 414—421.
Zur Kritik der Sieben gegen Theben. Von M. Schmidt 8. 558-585.
Kritisch - exegetische Bemerkungen zu Aeschylus. Von Joh. Ob er dick
S. 633-64?!
Zu Piaton. Von H. Bonitz. a 647— 64a
Die herculanischen Rollen. L U. Von Th. Gomp^rz. 8. 717— 726l
8. 815-828.
Zur deutschen Metrik. Von W. Seh er er. & 797-814.
Zweite Abtlieilung.
Literarische Anzeigen,
Ahlbory (6.), Zur Erklärung griechischer Classiker. Qreifsw^ld, B. Scharff,
1863. angez. v. J. La Roche- 8. 281—282.
Aucassin und Nicolette, s. Hertz (W.).'
Baczko (Herm. y.), Uebersichtskarte des Alpen - Systems. Glogau, C.
Flemming. 8. 607. 608.
Bellermann (Dr. Frdr.), Griechische Schulgrammatik und Lesebuch zur
Erlernung des attischen Dialektes. 2. Aufl. 1. Thl. Grammatik.
Leipzig, A. Felix, 1864. angez. v. Johann Lief sn er. S. 21—5)6.
Berger (Dr. £.), Griechische Grammatik für den Unterricht auf Gym-
nasien. 8. Aufl. Cell?, Capaun-Karlowa, 1865. angez. y. A. Fleisch-
mann. S. 357—359.
Lateinische Grammt^t^)^ für den Unterricht auf Gymnasien und Pro*
gymnasien. 5. Aufl. Celle, Capaun-Karlowa, 1864. angez. y. L.
Vielhaber. 8. SOT-
IV
Berger (Uebnngsbücher zu der griechischen Grammatik v.)- Herausg. Ton
Dr. E. Berger und Heinr. Heidelberg. 1. u. 2. Cursus. Celle,
Schulze, 18fö. angez. v. A. Fleischmann. S. 359-361.
Bernhardy (G.), Grundriss der römischen Literatur. 4. Bearbeitung.
Braunschweig, Schwetschke u. S., 1865. S. 56. 57.
Böhden, Pflanzen zeichnen schule in Kupferstichen. Berlin, T. Walloch,
S. 519.
Böhme (Dr. Gottfr.), Aufgaben zum Uebersetzen in's Griechische. 2. Aufl.
Leipzig, Teubner, 1864. S. 674.
Bröal, Bfercule et Cacus. Paris, Durand. 1863. angez. v. H. Stein thal.
S. 39 ff.
Brehm (Dr. A. E.), Illustriertes Thierleben. Hildburghausen, Biblioi^r.
Institut, 1864. S. 208. 209.
Bumüller (Dr. J.), Geschichte des Alterthums. 1. Tbl. Freiburg i. Br.,
Herder, 1863. angez. v. Zeifsberg. S. 447—450.
C (paar 18 (C, I.), Commeniarii de hello ciuäi., Erkl. von Kr. Kraner.
3. Aufl., bes. V. Frdr. Hofmanln. Berlin, Weidmann, 1864. angez.
V. L. Vielhaber. S. 422-434.
— — De hello ciuüi commentarii tres. Erkl. v. Alb. Doberentz. 2. Aufl.
Leipzig, Teubner, 1863. angez. v. L. Viel ha her. S. 422—434.
Cssars (Julius) Geschichte. Vom Verf autoris. Uebersetzung. 1. Bd.
Wien, C. Gerold's Sohn, 1865. S. 295-299.
Cannabich (J. G. Fr.), Schulgeographie. 19. Aufl. bearb. v. Dr. Frd.
Max Oertel. Weimar, Voigt, 1865. S. 605. 606.
Cbolevius (Dn L.), Dispositionen und Materialien zu deutschen Auf-
sätzen. 1. Bdchen. 3. Aufl. Leipzig, Teubner, 1864. angez. v. K.
Tomaschek. S. 511—513.
Cicero ni 8 (M, T.) de amicitia Über qui ifiscrihitur Laelius. Erkl. von
Gust. Lahmeyer. Leipzig, Teubner, 1862. angez. v. L. Vielhaber.
8. 509. 510.
Curtius (Ernst). Göttineer Festreden. Berlin, W. Hertz, 1864. S. 370. 371.
Dam b eck (K.), Methodisches Lehrbuch der mathemat. Geogranhie und
Astronomie für mittlere Classen der Gymnasien und Realschulen.
Halle, H. W. Schmidt, 1864. angez. v. Dr. J. Frischauf. S. 367—370.
Daniel, (}eograp .ische Lehrbücher. (Lehrbuch, 14. Aufl., Leitfaden,
25. Aufl.) Halle, Waisenhausbuchhdlg.. 1864. 8. 374.
Demosthenes als Staatsmann, s. Gomperz.
Deschner (Ck)nr.), Wandtafeln für den Elementarunterricht im Zeichnen
der Ornamente. S. 519.
80 Wandtafeln, Anfangsgründe im Ornamentzeichnen. Heilbronn,
Class'sche Buchhdlg. S. 519.
DeBor (E.), Der Gebirgsbau der Alpen. Wiesbaden, Kreidel, 1865. angez.
V. E. Suefs. S. 188-19L
Diehl (J. P.), Fluss- und Gebirgskarte von Deutschland, s. Serth.
j^toyivuavov (j4iX(ov) JhouQyonivriTfg, s. Hesychii (A.), Lexicon.
Dommerich (Dr. F.), Lehrbuch der vergleichenden Erdkunde u. s. w.
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Eckstein (F. A.), Jugendbibliothek, s. Osterwald.
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Dr. M. Seyffert. Berlin, Weidmann, 1862. angez. v. L. Vielhaber.
S. 150. 151.
Buripides (Ausgewählte Tragoedien des). Erkl. von F. G. Schöne.
2. Bdchen : Iphigenie in Taurien. 2. Aufl., bearb. von H. Köchly.
Berlin, Weidmann, 1863. angez. von J. KviCala. S. 829-844.
Suripidis {Emoidatio^ies in Ivhigenwm Tawricam. I.^V. pars. Zürich,
Meyer u. ZeUer, 1860—1862. angez. v. J. Kvicala. S. 829-844.
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S. 202-903.
Hesychii Älexandrini Lexicon. Ed. min. cur. M. Schmidt. Jenae,
Fr, Mauk, 1864. bespr. v. C. 0. S, 203—205.
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L. Heyse. 20. Aufl. Hannover, Hahn, 1864. S. 57. 58.
Hoff mann [J. L.) , Uebungsstücke zum Uebersetzen in^s Lateinische,
3. Aufl. Nürnberg, Baur u. Raspe, 1864. angez. v. I*. Viel haben
Homer i Ilias, emend. et illustr. Dr. Lud. Doederlein. Lipsiae, Dörffling '^
n. Franke, 1863-1864. 2 Thle., der 2. bos, v. Dr. G. Anteil» ^
rieth. angez. v. J. La Roche, «. 264— tlQ,
VI
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1864. bespr. v. H B. S. 201. 202.
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Schöningli, 1863 1864. 1., 2. u. 3. Hft. angez. v. J. La Roche.
8. 253-264.
Moratii Flacci (Q.), opera rec. 0, Keller, VcH. I. Lipsiae, Tetibner,
1864. angez. v. W. Hartel. S. 26-30.
Horatius Flaccus (Q.), s. Koch.
Ilias (21. u. 22. Buch der). Herausg. von C. A. Jul. Hoff mann. 1. u.
3. Abthlg. Clansthal, Grosse, 1864. angez. von J. La Boche.
S. 270-276.
(Anmerkun^n zur) von K. Prdr. v. Nägelsbach. 3. Aufl. bearb.
V. Autenrieth. Nftmberg, Geiger, 1864. angez. v. J. La Roche.
S. 276-280.
Kappes (K), Erz&hlungen ans der Geschichte fttr den ersten Unterricht
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mit Anmerkungen und Wörterbuch. Frankfurt a/M., G. Hamacher,
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K15den (G. Ad. v.), Geographischer Leit&den fAr die Elementarclassen
der Gymnasien und Realschulen. 2. Aufl. Berlin, C. G. Lttderitz'sche
Buchhdlg., 1865. S. 373. 374.
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Horatius Flaccus. Hannover, Hahn, 1863. angez. v. L. Vielhaber.
S. 586-588.
— — Vollständiges Wörterbuch zu den Gedichten des F. Vergilius Maro.
8. Aufl. Hannover, Hahn, 1863. ancfez. v. L. Vielha ber. S. 588 - 590.
Kolbe (Dr. Alex.), De sufflxi &iv usu Homerico oommentatia Greifewald,
R. Scharff, 186a angez. v. J. La Roche. S. 282. 283.
Koppe (Karl), Anfangsgründe der Physik, a Aufl. Essen, G. D. Bädeker,
1864. bespr. v. Dr. Jos. Kr ist. S. 208.
Koienn (B.), Grundzüge der Geographie. Wien u. Olmütz, E. UölzeL
8. Aufl. 6 5 r g ^^^
Oio-hydrographiscber Atlas. Wien u. Olmütz, Hölzel, 1864. S. 873.
Krebs (Dr. J. Ph.) , Antibarbarus der latein. Sprache. Anhang von Dr.
F. X. All gayer. Frankfurt a^li., Brönner, 1862. angez. v. Dr.
M. Ott S. 30-36.
Kühner (Dr. Ruphael), Elementargrammatik der lateinischen Sprache.
25. Aufl. Hannover, Hahn, 1864. bespr. v. L. Vielhaber.
S. 307. 308.
Kurzgefasste Schulgrammatik der griechischen S|M^he. Statt der
4. Auil Hannover, Hahn, 1865. angez. v. A. Fleischmann.
8. 664-667.
üebungsbuch, enthaltend deutsche und griechische Uebersetzungs-
stücke. Hannover, Hahn, 1865. S. 674.
Kuhn (Adalb.), Die Herabkunft des Feuers und des Göttertrankes. Beriin,
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Pflanzen u. s. w., mit einem Vorworte von Dr. L. Babenhorst.
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2. Aufl. Dresden, 'Höckner^ 1865. S. 516. 517.
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Wörterbuch zu dessen Uehungsbüchem. Leipzig, Teubner, 1863.
an^ez. v. L. Vielhaber. S. 670.
Uebungsbuch zum Uebersetzen aus dem Lateinischen in's Deutsche
u. 8. w. 1. Abthlg. 2. Aufl. Leipzig, Teubner, 1863. angez, von
ebendems. S. ^9. 670.
Lateinisches Vocabularium für Anfänger. 1. Abthlg. 2. Aufl. Leipzig,
Teubner, 1863. angez. von ebendems. S. 669. 67D.
Osterwald (K. WX Erzählungen aus der alten deutschen Welt für Jung
und Alt. 1. Tbl. 3. Aufl. Halle, Waisenhausbuchhdlg., 1865.
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S. 54. 55.
vm
Schultz (Dr. FenL), Kleine lateiniscbe Sprachlehre. 7. AuB. Paderborn,
Schöningh, 1863. an^ez, v. L. Vielhaber. S. 151.
Lateinische Sprachlenre, zunächst fftr Gymnasien. 5. Aufl. Paderborn,
Schöningh. 1862. angez. v. ebendems. 8. 151—169.
Schwärt z (F. L. W.), Der Ursprung der Mythologie, dargestellt in grie-
chischer und deutscher Sage. Berlin, Hertz, 1860. angez. v. H.
Steinthal. S. 36. 39 ff.
Der heutige Volksglaube und das alte Heidenthum. 2. Aufl. Berlin,
Hertz, 1862. angez. v. ebendems. S. 36. 39 ff.
Serth (E.) und Diehl (J. P.), Fluss- und Gebirgskarte von Deutschland.
1. Bl Darmstadt, J. P. Diehl. S. 608,
Seydlitz (E. v.). Schulgeographic. 11. Aufl. Breslau, Hirt, 1866. S. 606w
Seyffert (Dr. M.), Syntax, s. Ellen dt (Dr. Frdr.).
Sophoclis Antigona. Recens. et brevi adnotatione instruxit M. Seyffer-
tus. Berlin, Weidmann, 1865. angez. v. Job. Kviöala, S. 649-664
Sophokles Aias, s. Morstadt.
Spamer (Otto), s. Welt der Jugend.
Spiegel (Fr.), Zoroastische Studien, s. Windischmann.
Spiels (E.), Uebungsbuch zum Uebersetzen aus dem Lateinischen in^s
Deutsche u. s. w. 1. Abthlg. 16. Aufl., 2. Abthlg. 8. Aufl. Essen,
Bädekcr, 1865. angez. v. L. Viel habe r. S. 669.
— — Griechische Formenlehre. 5. Aufl. bearb. v. Dr. Th. Breiter. Essen,
Bädeker. S. 674.
Uebungsbuch zum Uebersetzen aus dem Griechischen in's Deutsche.
6. Aufl. bearb. v. Dr. Th. Breiter. Essen, Bädeker. S. 674.
Stahl (H.), Di^ 'VV'asserwelt vom Standpuncte der neuesten naturwissen-
schaftlichen Anschauung. 2. Aufl. Leipzig, 1864. bespr. v. E. S.
S. 209.
Steinhaus er (A.), Atlas für die erste Stufe des geographischen Unter-
richtes in den österreichisch-deutschen Schulen. 2. Hft. Wien, Ar-
taria u. Comp, angez. v. J. Ptaschnik. S. 303—305.
Atlas für die erste Stufe des geographischen Unterrichtes. 3. Hft.
Wien, Artaria u. C, 1866. bespr. v. ebendems, S. 747.
Stieler's Schul-Atlas. Neue Aufl. S. 309,
Stieler und Sydow, Kariienwerke, s. Ficker.
Süpfle (K. FrO, Praktische Anleitung zum Lateinischen u. s. w. L Ab-
theilung. Karlsruhe, Groos, 1862. aneez. v. L. Vielhaber. S. 149. 150.
— — Griechische Chrestemathie, s. Feldbausch.
Sydow, Gradnetzatlas. (Als Ergänzung dazu: „Gradnetzkarte für das
Kaiserthum Oesterreich.**) Gotha, Perthes. S. 608.
und Sticler, Kartenwerke, s. Ficker und Stieler.
Tacitus (Com.), erklärt von K. Nipperdey. 1. Bd. 4. Aufl. 1864;
2. Bd. 2. Aufl. 1857. Berlin, Weidmann, angez, v. L. Vielhaber.
S. 343-357.
Thurnwald (A.), Lehrbuch der mittelhochdeutschen Sprache. Prag, JE.
Tempsky , 1864. angez. v. J. P c 1 1 e r s, S. 170—180.
Verbesserungen dazu. S. 311
Trappe (Albert). Die Physik, für den Schulunterricht bearbeitet. 3. Aufl.
Breslau, F. Hirt, 1865. angez. v. J. Stefan. S. 670—673.
Troschel (Hugo), Monatsblätter zur Förderung des Zeichenunterrichtes
an Schulen. Beriin, Nicolai. 1. Jhrg. 1865. S. 376. 377. 519.
Vergilius Maro (P.), s. Koch.
Verhandlungen der 22. Versammlung deutecher Philologen und SchnU
männer m MeiTsen. Leipzig, B. G. Teubner, 1864. bespr. von H. B.
S. 55. 56.
Wagner, Rom. 2. u. 3. Bd. Mit Tonbildem nach Deimling, Leute-
mann u. a. Leipzig, Spamer, 1863 — 64. angez. v. H. Ficker.
S. 364-367,
Weiske (G. AJ, Materialien zum Uebersetzen aus dem Deutschen in's
Griechische. Halle. 1864. bespr. v. A. Fleischmann. S. 306. 307.
IX
Welker (P. G.), Tagebuch einer griechischen Reise. Berlin, W. Hertz,
1865. 1. ü. 2. Bd. S. 518.
Welt der Jugend (die). Leipzig u. Berlin, Spamer. S. 676.
Westphal (Bud.), System der antiken Rhythmik. Breslau, Leuckart, 1865.
angez. v. W. Berg er. S. 593-600.
Wetze 1 (E. u. F.), Die deutsche Sprache u. s. w. Berlin, Stubenrauch,
1865. angez. v. A. Eeger. S. 601. 602.
Wiese (Dr. Ludw.) , Das höhere Sshulwesen in Preu&en. Berlin , Wie-
gandt u. Grieben, 1864. angez. v. F. Hoch egger. S. 191—201.
Windischmann (Fr.), Zoroastrische Studien. Herausg. v. Fr. Spiegel,
angez. v. H. Steinthal. S. 39 ff.
Wuestemann (E. F,), Prompttutrium sententiarum. Ed. altera, cur.
M. Seyffertus. Nordhusae, F. Förstemann, 1864. S. 371. 372.
Zaranski (St.), Weltgeschichte in Annalen-, Chroniken- und Historien-
weise. IL Bd. Wien, Zamarski u. Dittmarsch, 1865. angez. y. Fr.
Krones. S. 180.
• Der Geschichtsunterricht auf Grundlage der Geschichtsschreibung.
Wien, ebend. 1865. angez. v. Fr. Krones. S. 180-186.
Schulprogramme österreichischerGymnasien undRealschulen.
A, Niederösterreich. Krems, Landes-OR. (Mit e. Abhdlg. v. E. Kur».)
Bespr. V. A. Egger. S. 609.
B. Oberösterreich. 1. Linz. (Mit c. Abhdlg. v. Jos. Bayerl.) Bespr.
V. J. Frischauf. S. 864. — 2. Salzburg. (Mit e. Abhdlg. v. Jos.
Ampferer.) S. 520.
D. Tirol Innsbruck. (Mit e. Abhdlg. v. Jos. Dwofäk.) Bespr. v. J.
Frischauf. S. 864. 865.
E. Steiermark. 1. Cilli. (Mit e. Abhdlg. v. Conr. Pasch.) Bespr. v. A.
Egger. S. 608. 609. — 2. Marburg. (Mit e. Abhdlg. v. J. Rom.
Schaller.) Bespr. v. J. Ptaschnik. S. 858. 859.
G. Krain. Laibach. (Mit e. Abhdlg. v. J. J. Nejedli.) Bespr. v. J.
Frischauf. S. 865. 866.
H. Küstenland. Görz. (Mit e. Abhdlg. v. Job. Je senke.) Bespr. v. F.
Krones. S. 452. 453.
K. Böhmen. Ellbogen, OR. (Mit e. Abhdlg. v. Job. Tu4ina.) Bespr. v.
A. Egger. S. 609.
L. Mähren. 1. Brtinn. (Mit e. Abhdlg. v. Dr. Erasm. Schwab.) Bespr.
V. F. K r 0 n e 8. S. 451. 452. — 2. Troppau. (Mit e. Abhdlg. v.
AuOTst Decker.) Bespr. v. J. Frischauf. S. 866. — OR. (Mit
e. Abhandig. von Dr. Georg Ullrich.) Bespr. von Dr. S. Subic.
S. 861-864.
-B. Militär- Grenze. Vinkovce, k. k. Staats- OG. (Mit e. Abhdlg. von
Vanidek,nachv. Kukuljeviö.) Bespr. v. F. Krones. S. 859-861.
S. Siebenbürgen. 1. Kronstadt. (Evg. G., mit Abhdlgen. von Fr. Schiel
und V. W Teutschländer.) — 2. Schäflsburg. (Evg. G, mit e.
Abhdlg. von G. Bell) — 3. Bistriz. (Evg. G, mit e. Abhdlg. v.
Fr. Storch.) Bespr. von Heinr. Ficker. S. 453—455. — 4. Her-
mannstadt (k. k. Staats-G., mit e. Abhdlg. v. J. Alex. Ro2ek.)
Bespr. V. L. Vielhaber. S. 857. 858.
Abhandlungen in Gyrrnumal- und RealschuH-Programmen.
I. Abhandlungen philologischen uad linguistischen Inhaltes»
1. (Cilli, k. k. OG.) Die Frage über die Entstehung des Nibelungen-
hedes. Von Conr. Pasch. Bespr. v. A. Egg er. S. 608. 609.
2. (Eilboten, OR.) Die Untersuchunffen über die Entstehung des Nibe-
lungenliedes. Von Joh. Tu i Ina. Bespr. v. A. Egger. 8. 609#
3. (Krems, Landes-OR.) Das Wiederaufleben deatscber Dichtung in Oetter-
reich seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Von E. Kurs. Bespr.
V. A. Egger. S. 609.
4. (Hermannstadt, k. k. Staats -G.) De natura latinitatis Justinianae
scripsit J. Alex. Bo2ek. Bespr. v. L. Vielhaber. S. 857. 858.
IL Abhandlungen aus dem historisch-geographischeD
Gebiete.
1. (Brunn, k. k. G.) Historische Skizze der Gründner Stidte. Von Dr.
Erasm. Schwab. Bespr. v. F. Krön es. S. 451. 452.
2. (Görz, k. k. OG.) „Geschah die Erstürmung Roms unter dem Herzog
Karl von Bourbon mit oder ohne Vorwissen des Kaisers Karl V.?**
Von Job. Jesenko. Bespr. y. F. Krone s. S. 452. 453.
8. (Kronstadt, evang. G.) Matrikel des Kronstädter Gymnasiums vom
J. 1544-1810. Von Fr. Schiel. Bespr. v. Heinr. Ficker. S. 453. 454.
4. (Kronstadt, evg. G.) Zur Geschichte des Turnens im Siebenbürger
Sachsenlande, von W. Teutschländer. Bespr. v. Heinr. Ficker.
S. 454. 455.
5. (SchäflBburg, evg. G.) Geschichte des Schäfsburger Gymnasiums. Von
G. Bell. Bespr. v. Heinr. Ficker. S. 455.
6. (Bistritz, evg. G.) Ueber den Einfiuss der reformatorischen Bestre-
bungen des 16. Jahrhunderts auf die Entwickelune und Bildung der
Schulen. Von Fr. Storch. Bespr. v. Heinr. Ficker. S. 455.
7. (Salzburg, k. k. Staats-G.) Ueber den Mönch von Salzburg. Von Jos.
Ampferer. S. 520.
8. (Marburg, k. k. CXj.) Die Bedeutung des ager publicus in der römi-
schen Geschichte vor der Zeit der Gracchen. von Jos. Rom. Schaller.
Bespr. V. J. Ptaschnik. S. 858. 859.
9. (Vinkovce, k. k. Staats-GG.) Der Kampf der Kroaten mit den Mon-
^len und Tartaren aus der Abhandlung: ^Borba Hrvatah s Mongoli
1 Patari*" v. Kukuljeviö, mitgetheilt von Vaniöek. Bespr. v. F.
Krones. S. 859—861.
III. Abhandlungen aus dem niathematisch-physikaliscben
Gebiete.
1. (Troppau, k. k. GG.) Ueber Theiibruchreihen. Abhandig. von August
Decker. Bespr. v. J. Frischauf. S. 866. — (GR.) Die Brillen der
Weitsichtigen und Kurzsichtigen, von Dr. Greorg Ullrich. Bespr. v.
Dr. S. äubic. S. 861-864.
2. (Linz, k. k. OG.) Die Transversalen des ebenen Dreieckes. Abhandig.
von Jos. Bayer 1. Bespr. v. J. Fr i schaut S. 864.
S. (Innsbruck, k. k. OG.) Auflösung der Zahlen^pleidiungen des 3., 4.
und 5. Grades mit einer Unbekannten. IL Reciproke (mit Einschluss
der binomischen) und ihnen ähnliche Gleichungen bis zum 8. Grade
incl. III. Bemerkung zur Cartesischen Auflösungsformel biquadratischer
Gleichungen u. s. w. Abhandig. von Jos. Dwofäk. Bespr. v. J.
Frischauf. S. 864. 865.
4. (Laibach, k. k. OG.) Elementare Ableitung der Budan- Homerischen
AuflÖsungsmetbode höherer Zahlengleichungen. Von Dr. J. J. NejedlL
Bespr. V. J. Frischauf. S. 865. 866.
Dritte AbthelluDg.
Zwr Didaktik und Pcedagogik,
üebtr die deutsche poetische Schullectüre und über SchulauBgaben grdfserer
deutscher Dichtungen. Von Dr. Karl Tomaschek. S. 59-73.
XI
Einige Bemerkungen über den naturwlBsenschaftlichen Unterricht an un-
seren Gymnasien. Von Dr. M. Wretschko. S. 74—78.
Zur Reform der Maturitätsprüfung. Von Gustav Lindner. S. 211—914.
Ueber Maturitätsprüfung aus der Geschichte und Geographie. Von J.
Wolf. 8.215—221,
Zur Reform der Realschule. Von A. Beer. S. 378—386.
Das Deutsche bei der österreichischen Maturitätsprüfung. Von A. Egger.
S. 456—464.
Versuch auf genetischem Wege in dem Begriffe der Bildung zu gelangen.
Von Joh. Apren t. S. 521-541.
Ans der Gjmnasialpraxis. (I. Schuldisciplin in den untersten Classen.) Von
Joseph Wolf. S. 677-683.
Ein Votum über die Stenographie an Mittelschulen, besonders an Gym-
nasien. Von Leop. Vielhaber. S. 683—689.
VIeHe Abthellang.
MisceUen.
Aus der „Mittelschule.** Versammlung vom 1. April, 22. April, 6. Mai,
20. Mai, 18. November (Jahresversammlung des 8. Yereinsjahies)
und 2. December 1864. S. 79—85.
Versammlung vom 3. Februar 1865. S. 780—785.
Zu Sophokles' Aias v. 15. Von Leop. Dwof äk. S. 222—223.
Zu Livius. Exegetische Bemerkungen. Von Ed. GcebeL S. 223—225.
Bemerkungen zur Mythologie. (1. ZHQfjveg und Znlrirol; 2. Zu Platon's
Symposion 189, e.) Von Karl Sehen kl. S. 225. 226,
Erklärung (betreffs der üebersetzung der vom Kaiser Napoleon verfassten
Geschichte Julius Csesar's). Von Frdr. BitschL S. 226.
Die Schulprogramme und Dissertationen und ihr Vertrieb durch den Buch-
handel. Berlin, S. Calvary u. Comp. Bespr. v. H. Bonitz. S. 387. 388.
Das königliche philologische Seminar der Universität Leinzig. S. 388—390.
Prüfung für das Gymnasial-Lehramt im Herzogthume Nassau. S. 390.
Zu Piaton (64 C). Von H. Bonitz. S. 465-467.
Zu Suidas. Von J. Oberdick. S. 467. 468.
Preisfragen, ausgeschrieben von der fürstl. Jablonowski^schen Gesellschaft
in Leipzig (für die Jahre 1865, 1866, 1867 und 1868). I. Aus der
Geschichte und Nationaloekonomie; U. aus der Mathematik und
Naturwissenschaft S. 468. 469.
Bekanntmachung, die 24. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer (zu Heidelberg vom 27.— 30. September 1865> betreffend.
S. 542. 543.
Ueber die Bedeutung der Namen Europa, Asia, Afrika. Von Dr. Krause.
S. 610. 611.
Zu Tacitus Histor. lib. L IL Von Ign. P ramm er. S. 611—616.
Zu Philodem n^ql evatßefag. Von Th. Gomperz. S. 704. 705.
Bericht über die Verhandlungen der 24. Versammlung deutscher Philo»
logen und Schulmänner zu Heidelberg, vom 27.— 30. September 1865.
Von Alexander Riese, Ignaz Petters, Dr. Schell, Conze und
Alois Müllej. S. 690-704. 749—780.
1. Ueber den Ursprung und die Bedeutung der Zahlwörter; 2. Ueber die
Bedeutung der Penates und Pontifices. Von Dr. Krause. 8. 867—869.
Uebungsbuch zum Uebersetzen aus dem Deutschen in's Lateinische. 1. n.
2. Thl. Wien, C. Gerold's Sohn, 1863 u. 1865. Von Joh. Alex. Ro2ek.
S. 869—878.
Entgegnung auf die Anzeige (von K. A. Madiera*s deutschem Lesebuch)
in Heft VIIL Von A. Madiera. Beilage zum X. Heft S. L 3.
Erwiderung vom Referenten. Beilage zum X. Heft. 8. %
XII
Fttnfle Abtheilung.
Verordnungen für die österreiehischen Gymnamen und Realschulen;
Personalnotizen; Slatistik.
Erlass des k. k. Staatsministeriuras, Abtheilung für Cultus und Unterricht,
vom 24. Jänner 1865, Z. 300, betrefls der vom k. k. ö. Museum für
Kunst und Industrie zu beziehenden Zeichnungsvorla^en. S. 227.
Erlass des k. k Staatsministeriums, Abthlg. f. C. u. U., die 2^ulassung zur
Maturitätsprüfung betreffend, vom 10. März 1865, Z. 156. S. 470.
Erlass des k. k. Staatsministeriums, Abthlg. f.(-. u.U., die Zeit der mündlichen
Maturitätsprüfungen betreffend, vom 4. Mai 1865, Z. 3325. S. 470. 471.
Verordnung des k. k. Staatsministeriums, Abthlg. f. C. u. IT., die Ein-
führung von Lehrbüchern und Lehrmitteln an den Mittelschulen
betreffend, vom 25. Juni 1865. S. 544—547.
Verzeichnis der an österreichischen Mittelschulen allgemein zulässigen
Lehrbücher und Lehrmittel. Erlass des k. k. Staatsministeriums,
Abthlg. f. C. u. ü., vom 15. Juli 1865, Z. 5962. S. 617-628.
Stati s tik.
Statistische üebersicht über die Österreichischen Gymnasien und Real-
Bcbulen am Schlüsse des Schuljahres 1864/65. Heft XII der Zeitschrift für
die österreichischen Gymnasien 1865.
Personal- und Schulnotizen.
(Mit Einbesug der Personen- and Ortsnamen in den Miscellen.;
Abbene, Comm. 475. Abegg, Dr. J. Fr. H. 549. Accurti, Jos. 312.
Adami, Heinr. 793. Aderholz, Phil. 232. Afzelius, And. Job. 233. Ahn,
Dr. J. Frz. 791. Ahrens, Dr. H. 549. 692. 699. 765. Aichner, Dr. Simon.
548. Albites. 235. Algine, Prof. 793. Alleux, Dr. 749. Altcjlt. 234. Alt-
Bchul, Dr. Elias, 552. Ambro2, Joh. 228. Araerling, Frdr. §29. Ammann,
Karl. 394. Ampferer, Jos. 520. Ananian, Dr. Gregor. 631. Andelew, Frau.
792. Ander, Alois. 231. Andjeliö. 630. Andräfsy, Karl. 787. Andriewicz,
Constantin. 786. Antinori, Vicenzo. 552. Arany, Job. 229. Ardigo, Robert.
780. Arendt, Dr. 792. Arndts, Dr. Ludw. 548. 787. Arncth, Dr. Alfr. Rit-
ter V. 549. 788. Arnold, Prof. 780. Asher. 700. Auer, Dr. Johann. 548.
Auersperg, Dr. Ant. Alex. Graf v. 549. Aufrecht, Ant. 232. AnguHt (Stu-
gau). 472. Auvert, Dr. Alex. 232. Aytoun, Wül. Edm. 632. Buch, Frdr.
792. Baer, Karl Ernst v. 472. 549. Bagatti, Pietro. 88. Bageesen v. 395.
Baikie, Dr. W. ßalfour. 230. 316. Bain, G. A. 88. Bakhuizen van den
Brink, Dr. 632. Bank, Heinr. 629. Barack, Dr. Aug. 749. 750. 755. Baroni,
Sisinio. 86. Barrande, Dr. Joachim. 545. Bartal, Georg. 790. Barth, Jos.
474, Bartsch, J. A. 793. Bartsch, Prof. K. 749. 751. 752. 753. 755. Bar-
tuliö, Ign. 86. Barwinski, Martin Bitter v. 394. Bauer, W. 775. Baum,
Dr. Wilh. 549. Baumert, Dr. Mor. 793. Baumgartner, Se. Exe. Andrea»
Prhr. V. 552. Bayer, Dr. Hieron. 549. Bayer, Dr. Joh. Jac. 549. Bayerl,
Job. 628. 864. Bazancourt, Baron v. 234. Beckel, Jos. 551. Becker, F. G.
552. Becker, Gottfr. 475. Becker, Prof. J. 779. Becker, Hofr. Th. 749.
Beer, Augustin. 630. Beer, Dr. Jakob. 229. Behagel, Hofr. 759. 760. 761.
762. Bchr, Dr. Karl. 231. Beldian, Joan. 786. Beneke, Dir. 764. Benger,
Dr. Mich. 548. Benicky, Emil. 230. Bergk, Dr. Th. 696. Bergmann, Dr.
Jos. 549. Bergmann, Dr. K. Georg. 395. Bergmann, Prof. 749. Bemard, Dr.
Claude. 549. Bemays, Dr. Ad. 232. Berner, Dr. Alb. Frdr. 549. Bernhard,
Kart. 876. Bemhardy, Dr. G. 696. Bernstein, Dr. H. A. 792. Bernt, Dr. Karl.
787. Bcrr, Frz. 548. Beugnot, Graf Arthur. 316. Bidermann, Dr. Herm. 391.
Bienert, Vinc. 874. Binder, Dr. Matthäus. 548. Binzer, Karl. 550. Bippen, Dr.
Wilh. V. 474. Birk, Dr. Ernst. 549. Bitta, Jos. 312. Bischof, Dr. Gustav.
649. Bischoff, Dr. Ferd. 629. Blotnieck, Jul. 632. Bluntschli, Dr. J. G. 549.
Bock, Dr. Frz. 473. Bock. Wilh. 234. Böckh, Dr. August. 549. Böhm, Jos.
xm
Daniel 79a Bois-Reymond , Fei. Henry du. 315. Bokränyi, Dr. Job. 86.
Bolla, ProBper. 547. Bolza, Dr. Johann. 229. Boniface, Jos. Xavier. 234.
Bonnard, Karl. 233. Bonnaz, Se. Uochw. Alex. 87. Bonvicini, Angelo. 228.
Bopp. 700, Borbis, Job. 786. Bosko» Ludw. 786. Bossange, Martin. 794.
Bossler, Dr. 692. ßotta, Domenico. 396. Bonillet 232. Bozd^cb, Franz. 23.
BracbelU, Dr. Hugo Frz. 392. Brandes, Dr. Karl. 548. Branik, Job. 628.
Brätranek, Dr. 392. BraumtiUer, Wilb. 229. 789. Braun, Dr. ötepb. 548.
Br^bolles, Dr. Alfons Huillard. 549. Breitenbacb, Ludw. 232. Breither,
Frz. 794. Brencian. Alex. 472. Brenneke, Dir. 769. Brinz, Dr. Alois. 549.
Brockbaus, Frdr. 791. Brockhaus, Prof. 780. Bromme, Traug. 792. Brücke,
Dr. Ernst. 313. 630. Brünnitz. 790. Bruns, Dr. Victor v. 549. Bücher,
Aug. Leop. 230. Buckeisen, Dr. Frdr. 629. Bücheier, Dr. Fr. 753. 754.
Bülau, Dr. 699. Bürckholdt, Frz. 790. Buhl, Dr. 329. Bulnheim, C. 0. 315.
Bunsen, Dr. Robert. 549. Bunsen, Dr. William Rob. 549. Bugat, Dr. Paul.
552. Burg, Adam Ritt. v. 549. 789. Burgstaller, Dr. Frz. 391. Burian, Dr.
Hermann. 228. Burian, Dr. H. F. 787. Bursian, Prof. 777. 778. 779. Bur-
zynski, Dr. 329. (^adenhach, Lyc. Rect. 690. 700. 757. Cadorin, Ludo-
vico. 229. Canal, Abate Nobile Pietro. 312. Carlisle, Fred. Howard J. Earl
V. 231. Cameille. 793. Carus, Dr. Gust. Karl. 549. Cassian, Dr. Heinr. 233.
Castellani, Forti Pio. 232. Cavalleri, Maler. 792. Ceccbini, Dr. Job. B. 228.
Cerioli, Cavaliere Dr. Gasp. 792. Cesar, Jos. 86. Cessner, Dr. Karl. 789.
Charras, J. B. Adolf. 234. Cbarwat, Frz. 629. Cbelius, Dr. Max. 549.
Chezy, Wilb. v. 315. Cbladek, Frz. 791. Chmeliczek, Johann. 471. 472.
Christallnig, Graf Alfr. 230. Christy, Henry. 475. Christie, Samuel, Hun-
ter. 236. Cle^hom, Elise, s. Gaskell. Cobden, Rieh. 349. Coglievina, Dr.
Frz. 788. Colland, Karl. 630. Comenius s. Komensky. Constantin, Demetr.
794. Conze, Prof. 776. 777. 778. Ck)oke, G. Wingrowe. 476. Court, Jos.'
Desirö. 234. Crecelius, Dr. Wilb. 749. Creizenach, Prof. Tb. 694. 699. 749.
750. 751. 752. 754. 756. 757. Crelinger, Auguste. 394. Crusenstolpe, Mag-
nus Jacob. 233. Cselko, Jos. 786. Culloch (M'). 88. Cuming. Hugh. 6SS.
Curtius, Prof. 777. Czarkowski, Ant. 547. Cyerlunczakiewicz, Dr. Jos. 548.
Czermak. Dr. J. 313. Czermak, Prof. Dr. 781. 782. Cziruly, Joseph. 233.
Czoemig, Karl Freihr. v. 788. Dall*Arqaa Giu^ti, Ant 788. DanieU,
Dr. W. Fr. 631. 632. Danko, Dr. Jos. 787. Dante-Stiftung. 473. Dastich,
Jos. 788. Decker, Aug. 866. Deimling, Hauptmann. 694. Deinhardt, Prot
82. 700. DelJtiewicz, Dr. Jos. 228. Demassio, Fortunato. 786. Demerghel,
Em. y. 395. Denzinger, Dr. Heinr. 549. Depas^, Jos. 391. Deshayes, Dr.
Paul. 549. Deveria. 236. Dias, Dr. Ant. Gon^lv. 235. Diemer. Dr. Jos.
313. 391. 548. Dietrich, Dr. Frz. 749. 751. 752. Dietrich, Udo Waldemar.
551. Dietz, Dr. Frdr. Christian. 549. Dieudonn^, Dr. 791. Dithmar, G.
Tb. 749. Dittel, Dr. Leop. 229. 548. Divis, Jos. 787. Dlauky, Dr. Job. 787.
Doli, Dir. 79. Döllinger, Dr. Job. 549. Doergens. 700. Donders, Dr. Com.
549. Dove, Dr. Heinr. Wilb. 549. Drach, Paul Louis. 232. Dragoni, Scbul-
rath. 79. Dubois-Reymond , Dr. Emil. 549. Dudik, Se. Hocbw. Dr. Beda
Frz. 472. 473. Düntzer, Dr. Heinr. 749. 753. Düringer, Dr. Frz. 549. Du-
manoir, Phil. Fran^. 876. Dunajewski, Dr. Julian. 313. Duveyrier, Bar.
876. Dwofaiek, Dr. Job. 229. 316. Dvofäk, Jos. 864. 868. Dzierzkowski,
Jos. 233. Erkstein, Beet. Dr. 692. 693. 696. 698. 699. 703. 704. 757. 758.
768. 770. 771. Egger, Dr. Frz. 787. Egger, Jos. 629. 874. Egger, Prof.
784. 785. Eisenrieder. 86. Eiserle, Eugen. 234. Emmert, A. 749. Eitelber-
ger, Dr. Rud. v. 472. 789. Eltör, Ant. 791. Encke, Dr. J. Frz. 791. En^el,
Sr. Hochw. P. Wolfg. 235. Engert, Erasra. 788. Engerth, Eduard, m
Ernst, Heinr. Wilbehn. 794. Essenwein, Bauratb. 230. 629. Euting. 780.
Everett, 235. Fä»I, Dr. Job. Ulr. 474. Falvay, Job. 312. Feiler, Karl. 86.
Ferguson, Dr. R 551. Ferrari, Job. Petro. 630. F^iis, Dr. Georg. 630.
Peuermüller. 875. Feyerfeil, Dir. 782. 783. 784. Ficker, Dr. Wolf. 84. 229.
Picker. Heinr. 85. Ficker, Prof. 783. Ficker, Reg. Rath. 785. Fickler, Prof,
C. E. A. 69a 700. 777. 779. Filipuzzi, Dr. Franz. 228. Fioroni, Car. Liiigl
475. Firsinger, Jak. 395. Fischer, Karl. 316. Fischer, Kuno. 775. Fit
Rob. 395. Pleckeiten, Dr. 692. FleißcheT. Prof. Job. 694. 695. 780. Ple
XIV
majm, Prof. 85, 781 (t. Fliedl, Johann. 781 Florentini, P. Theodor. 235.
Ftoter, Dr. A. 315. Forchhammer, G. 700. 775. Fomasari-Verco, 4n<br.
Sdlir ▼. 876. Forst, s. Schall Fowler, John. 230. Fox, Frz. 87i. Fränkel«
SuisnL 232. Franchini, Alex. N. 471. Frank, Leop. 629. Frank, M^or
Bitter ▼. 230. Frankl, Dr. Lndw. Aug. 229. 473. 789. Franqu^, Dr. J. B. v.
23a Frei, Jos. 475. Frerichs, Dr. Theod. 549. Freudenberg, JProf. 779. Frey,
Joh. 793. Fridrich, Sr. Hochw. Frz. 236. Friedländer, Prot 777. 779. Eried-
lein, Dr. 775. Fritzscbe. Prof. 692. 693. 704. Froment. Gust 236. Frost,
St. Hochw. Wzl. 47a Puchshofer, Joh. 874. Fnlda. 775. Furrer, P. 476.
daadon. 88. Gaskell, Elisabeth Cleghom. 876. Gasser, P. Johannes. 876.
GannOTdorfer. 312. Geiger, Peter Job. 229. Gerhard, Dr. Ed. 549. Ger-
havd, Joh. B. 692. 693. 775. 776. Gerhard, Dr. 0. 749. Gerold, Frdr. 789.
Gejling, Jos. 229. Gildemeister, Prof. 780. GilliX^, J. M. 314. Gleich,
08& 86. Glembek, Augnst 629. Gnesotto, Ferd. 786. Gödel-Lannoy, Rad.
478. Göwber. Dr. 875. Göttl, Wenzel 231. Göttweig, Hochw. Abt v. 313.
Gi^ Beet 761. Götz, Bemig. 629. Goldbacber, Alois. 312. Golebiowski,
Ed. 874. Gosche, Prof. 780. Gottmann, Andr. y. 551. Gräfe, Dr. Ernst. 549.
Gratiolet 236. Greistorfer, Karl 874. Grefsly, Armand. 394. Griesinger, .
Dr. Wilh. 549. Grillparzer, Dr. Franz. 549. 788. Grimburg, Rud. Bitter
y. 812. Grinitz, Dr. Hans Bruno. 549. Groben, Franz. 314. Groisz, Gust
472. Grotefend, Dr. 692. 778. Grün, Dr. Anast 548. 549. Grün, Prof. 85.
781. 785. Gürtner, Dr. Karl 549. Guillery, Frln. Anna Justine. 231.
Gonesch, Dr. Wilhelm. 875. Gumey, Hudson. 88. Gyurits, Anton. 228.
Hiibcrl, Jos. 629. Hackmann, Nikol 391. Hädy, Wilh. 314. Hansel. Wilh.
790. Hagen, Dr. 701. 702. 704. Hagenow, Dr. Frdr. y. 794. Haidinger,
Dr. Wilh. Bitter y. 229. 789. Haimberger, Ant Frhr. y. 632. Haimerl,
Dr. Franz X. 229. 786. Hajnik, Dr. Emer. y. 228. 874. Hainz, Matth. 312.
Halibnrton, Dr. Th. Chandler. 791. Haller y. Hilib, Karl. 472. Halm, Dr.
692. 69a 696. Halmschlag, Joh. 785. HaWany, P. Joh. 232. Hamilton,
Will Bowan. 792. Haneberg, Dr. Daniel 549. Hanisch, G. Frdr. 791.
Hankiewicz, Hilar Bitter y. 472. Hartig, Sr. Exe Beichsgr. Frz. de Paula.
388. Haussen, Dr. Georg. 549. Hasert, 2>r. Prof. 232. Hasner, Bitter y.
Aftha, Dr. Leop. 629. Bassler, Dr. 692. 767. 768. Hatoffenns, J. 792.
Haner, Dr. Frz. Kitter y. 549. Hauer, Jul Bitter y. 630. muff, Dr. Herrn.
790. Hauler, Dr. 82. Haupt. Dr. G. 395. Haupt, Dr. Moriz. 549. Hauser,
Dr. Jos. 476. Hechelein, Karl 62a Hefele, Dr. Karl y. 549. Hegenborg,
Joh. 792. Heger, Dr. Ign. 391. Hegewisch, Frz. Herrn. 475. Herr, Dr. Os-
wald. 549 Herz, Frz. 396. Hesse, Dr. Andreas. 391. Hcfsler, Dr. Ferd.
794. Heidel, Herrn. 793. Heidelolff, Karl v. 793. Heider, Dr. Q. 472. Hejja,
Andreas. 628. Heim. 875. Heinel, Dr. Ed. 236. Heinrich, Se. kais. Hob.
Erzherz. 313. Heinz, Beruh. 228. Heinz. 787. Hcinzl, Dr. Bich. 874. Hej-
rowsky, Job. 474. Heibig, Jos. 473. Helbling Ritter y. Hirzenfeld, Johann.
794. Helferich, J. K. Chr. 233. Helfert, Se. Exe. Jos. Alex. Frhr. v. 875.
Helmholtz, Dr. Herm. 549. 550. Henle. Dr. Gust Jak. 549. Herbich, Dr.
793. Herbst, Dr. Eduard. 789. Hering, Dr. Ew. 630. Hermann, Sr. Hochw.
Heinr. 234. Herring, J. Fr. 793. Hettinger, Dr. Frz. 549. Heyder, Dr. Ed.
791. Hildebrandt, Herrn. 231. Hildebrand, Dr. Bud. 749. 757. Hildenstob,
Frz. 786. Hille^ Sr. Hochw. Bisch. Augustin Barth. 395. Hingenau, Dr.
0. Frhr. y. 789. Hinrichs, Prof. 394. Hirsch, Phil. 793. Hi^rsdher, Dr. J.
B. y. 772. Hitzig, Prof. 780. Hlasiwetz, Dr. Heinr. 229. Hlawatschek, Frz.
629. Hlayaty, Job. 236. Hloch, Job. 629. Hochstettör, Dr. Ferd. Bitter y.
472. Hörnes, Dr. Moriz. 472. HolSer, Herm. 81. 82. Hofmann, Dr. Aug.
Wilh. 549. Hofmann, Jos. 628. Hofihiann y. Fallersieben. 696. 698. 7^.
Hoffmann, Dr. Paul 788. Holland, Dr. W. L. 779. j^IoUbunmer, Di, Job.
548. Holtzendorff, Dr. Fr. y. 549. Holtzmann, Prof. A. 749. 757. Holti-
_ _ _ ,5.0.
an, Karl y. 395. Holnb, Frz. 471. Homeyer, Dr. C. 0. 549. Homoky,
Emerich. 789. Hooker, W. Jackson. 790. Honrati^ Cherubin. 547. Hoesiu
y. D66z8i, Ladisl 478. Huber, Sr. Hochw. Martin. 232. Huber, Dr. Victor
Aini^. 549. Hudec, Hubert 790. 791. Hudtwalker, Dr. 790. Hübner, Fi«.
AK MOÜner, QoM Frdr. 790. Hunphrys, William. 234. Huiter-Am-
xr
Frdr. v. 791. Hurtalg, Georg. 794. Hyrtl, Dr. Joseph. 548. 789.
Iherling, Dr. Bad. 549. Ihne. 700. Incledon, Charles y. 551. Isopescnl,
Demeter. 547. Istvänfff, Paul Ritter t. 472. Italiano, Peter. 630. JacobI,
Dr. 876. Jäger, Dr. Albert 550. 788. Jäger, Dir. 760. 761. 762. 764.
Jakosch, Chnstoph. 549. Jan, Rect. v. 701. 704. Janikowski, Dr. 230. 231.
Januszewski. TheophiL 316. Jarocki auf Jaroczyn, Dr. Felix Paul. 894.
Jechl, Dr. Frz. 396. Jelinek, Dr. 392. Jonak, Dr. Eberh. 788. Josephi,
Jos. 876. Jdsika, Bar. Nikolaus. 314. Jftlg, Prof. 690. Julius, Karl 682.
Junghans, Dr. W. 234. Jurkovii, Johann. 312. Jurkowski, Dr. Ludwig
Bitter y. 313. Jurmann, Georg. 547. Justi, Dr. 697. 698. Kalil, Uhald. 86.
Kaiser, Dr. Joh. Nep. 315. Kaiser, Paul. 475. Kayser. 700. Kanitz, F. 478.
Kanka, Dr. J. N. 394. 395. Kaplan, Alois. 629. Karajan, Theod. v. 788.
Kaiell, Armand Gust 786. Karl Ludwig, Se. k. Hoheit Erzherz. 313. 392.
Karmarsch, K 473. Kasangia, Abb^. 552. Kaschl, Franz. 785. Keller, Dr.
A. ▼. 696. 749. 756. Keller, Mich. 394. Kellner, Dr. Andreas Ed. 551.
Kerekjarto, Joh. 628. Kersten, Peter. 232. Kessels, Heinr. 792. Khlojber,
Leopi 229. Kickh, Dr. Clem. 787. Kicki, Jos. 548. Kiesewetter, Maler. 782.
Kiesewetter, Wilh. 791. Kirchhoiff, Dr. Gust. Bob. 549. 692. Ki/s. Aug. 3ia
KiBser, Dr. Jos. 787. Klapsia, Gust. Heinr. 793. Klebelsberg, Joh. y. 549.
Kleckner, Dr. AI 86. Kleibl, Prof. 81. 84. Klein, Georg Theodor. 314.
Klein, Thomas. 874. Klemeniö, Dr. KarL 472. Klinger, Dr. Franz. 22a
Klinamann, Dr. 476. Klöber, Prof. August v. 232. Klob, Dr. JuL 472.
Knies, Dr. 692. Knittl, Franz. 391. Koch, Ant. 786. Koch, Dr. J. B. y.
629. Koczihski, Dr. Mich. 788. Kodriö, Andr. 874. Kekjhly, Prof Dr. 690.
691. 693. 694. 696. 698. 699. 762. 763. 770. 771. 773. Köhler, Dr. Beinh.
749. KöUiken, Dr. Alb. 349. Kokeil, Frdr. 316. Kolb, Dr. GustaY. 315.
Kolb, Dr. Julius. 313. Kolbenheyer, Karl. 786. Kolar2, Frz. 235. Koma-
romy, Dr. Ed. 548. Komensk^. Joh. Amos. 631. Kompert, Dr. Leop. 789.
Ko&yalina, Leop. 547. Kopetzky, Dir. Dr. 82. 83. 85. Kopetzkv, Dr. K.
Libor. 630. Kopp. Dr. Herrn. 549. Kopp, Dr. Jos. Eutychius. 549. Kordos,
Gust 786. Kofutka, Dr. Karl. 230. 472. 549. Körody, Steph. 787. Kosmi^ki,
Alex. 628. Ko8sow-Gerronay,Alb.787. Kostiö, Jos. 547. Koziol, Heinr. 547. Kral,
Schulrath. 82. Kramer, Prof. Dr. 696. Kraska, Jos 629. Krausmann, 692.
Krautschneider, Dr. Jos. Perd. 629. Kratz, Prof. 701. Kreling, A. 473.
Krieg, Kanzleirath. 316. Kriehuber, Joh. 788. Krones, Dr. Franz. 86. 87.
238. jfcruschitz, Joh. 786. Krzeczunowicz, Ign. 230. Kubiöek, Franz Jaros-
lav. 236. Kucmiski, Dr. 392. Kukula, Wilh. 471. Kuku^eyia y. Sokciisld,
Joh. 229. Ku&anek, Vinc. 88. Kulmer, Sr. Hochw. Ant. Günther Frhr.
Y. 475. Kummer. 82. Kunzek Edler von Lichton, Dr. Aug. 316. Kupffer,
Dr. Ad. Ed. 549. Kupffer. Ad. Theod. 475. Kupida, Frz. 630. Kurz, E. 609.
La Combe, Louifi. 232. Ladom^n^, Victor. 548. Lämmer, Dr. Hugo.
549. Lagrange, 791. Lamorici^re, Cfbr. L. L. Juchault de 792. Landau,
Dr. Georg. 236. Lang, Dr. Donat Aug. 391. 392. Lang, Dr. Vict y. 629.
Langenbeck, Dr. Bud. B. 549. Langsdorff, Prof. 693. 699. 757. 758. 759.
760. 761. 762. 763. 764. 765. 767. 768. 769. 770. 711, Laufberger, P. 393.
394. Launitz, Prot y. d.696. 697. 771—773. 779. Lawrowski, Marceil. 874.
Lftiar, Matth. 39L Le Clerc, J. Victor. 876. Lechner, Jos. 632. Lefeyre,
Addlle. 88. Lehmann, Bud. 235. Lehr, Paul. 794. Leinweber, Adolf. 629.
Lwtch Ritchie. 235. Lemcke, Prof. Dr. 749. Lengerich, Heinrich. 794,
Lenz, Prof. 235. Leo, Dr. Heinr. 757. Lerch, Joh. Alex. 787. Leutsch, Hofr.
Y. 700. 701. Lewis, Lady Theresia. 876. Libert, Frln. Maria Anna. 23a
Lies, Joe. 234. Liebig, Dr. Just Frhr. v. 54a Liebrecht, Prof. Felix. 696.
749. Lieyen, I^. 701. Lilie, Dr. Frdr. Wilh. 794. Lincoln, Abraham. 395.
Lindenschmidt. Dir. 779. Lindnör, Q. 695. Lindner, Dr. Frdr. Wilh. 88.
Lianenann, Ed. 788. Linzbauer. Ed. 315. Lippich, Ferd. 629. Liptay, Sr.
Hoehw. 282. Lissoni, Major. 475. Luithlen, T^of. 781. Löbenstem, J. D.
79g. Loehle, S. 700. 757. Loos, Jos. 628. Lorenzoni, Julius. 547. Lubbock,
Jühn Williaro. 561. Luck, Wilh. Bitter y. 814. Ludwig Joseph, Sr. k.
Bahdt Eriken. 281. Lndidg, Dr. Karl 549. Ludwig, Otto. 236. Lübbed.
Dr. Aug. 696. 84a 75a LlJbeck, Joh. Heinr. 285. 814. M\)Ve,Ih.^\V\i.4'ft,
XVI
Lnkesch, Flor. 396. Lunibe, Dr. Jos. 789. Luzatto, S. D. 793. Lyell,Dr*
Karl. 549. Macher, Dr. Andr. 229. Mädler, Dr. Job. Heinr. 549. Mäht,
Fidel. 312. Maler, Dr. Jos. 875. Maistrello, Barthol. 630. MaJecki, Dr.
Anton. 228. 652. Malgaigne, Prof. 794. Mali, Jean Cornelius. 234. Mali-
nowski, Dr. Ludw. 313. Malinowski, Nik. 632. Malipiero, Dr. Leop. 786.
Mallet, Frdr. Ludw. 396. Malmström, Bemh. Elias. 551. Malpaga, Prof.
552. Mannhardt, Dr. Wilhelm. 749. 750. Mannheimer, Isvak Noa. 315.
Marcean, Alex. 791. Maresch, Johann. 473. Maria Antonia, kais. Höh. 631.
Markiö, Sr. Hochw. Georg. 229. Maschka, Dr. Jos. 788. Masius, Ernst
Alb. 476. Matic. 630. Mathieu de la Drome. 315. Matusik, J. N. 787.
Maurer, Dr. Georg Ludw. v. 549. Maurokordatos , Alex. 790. Mayer, Dr.
392. Mayer, Dominik. 471. Mayer, Dr. F. J. K. 876. Mayer, P. Matthias.
231. Maver, Dr. Rud. 632. M* CuUoch. 88. Megerle, Therese v. 551. Mehr-
lein, Geh. R. V. 232. MeUler, Andr. Edler v. 472. 549. Meister, Prof. 81.
Melesville, 876. Menin, Abbate Ludw. 548. Menzel. Dr. Rud. 749. Meran,
Franz Graf v. 230. Merian, Dr. Peter. 549. Mertens, Dr. Frz. K. 788.
Mesek, Jos. 547. Messedaglia, Dr. Angelo. 471. Meszäros, Ferdinand. 628.
Metzger, J. C. 233. Meulenbergh, D. F. J. 235. Meyer, Dr. Joach. 234.
Meyer, Dr. Lamb. 632. Meynert, Dr. Theod. 788. Meza, Christ. JuL de.
792. 793. Mich, Jos. 312. Michalics, Michael. 548. Michl, Dr. Adalb. 629.
Mielichhofer, C. 395. Migliarini. M. Ang. 793. Miholek, Stephan. 313,
Miklosich, Dr. Frz. X. 787. Milbeck, Dr. Karl. 630. Militzer, Dr. Herm. 472
Mitscherlich, Dr. Karl Gust. 549. Mitteldorpf, Dr. Albin Y. 549. Mitter-
mayer, Dr. C. J. A. 549. Mocquard, Constant. 231. Moddl, Elise. 793.
Mohl, Dr. Robert v. 549. Mommsen, Dir. Tycho. 765. 769. 773. Momy,
Ch. Aug. L. Jos. Herzog v. 315. Morsolin, Bemardo. 228. Mosenthal, Dr.
S. H. 87. Mräz, Frz. 628. Mrazek. Wzl. 630. Mühlau, Dr. 780. Mühl-
mann, Jos. 875. Müller. 690. 875. Müller, Dr. Alb. 692. 701. 704.
Müller, Dr. Andreas. 233. Müller, Dr. Ernst. 471. Müller, Dr. Franz. 472.
Müller, Dr. J. H. 473. Müller, Prof. Wüh. 749. Müller, Rechn. Rth. 791.
Muhr. 235. Murchison, Dr. Roderich. 549. Mussafia, Ad. 630. 690. 696.
749. Muzzi V. Prato, Luigi. 315. Napp, Sr. Hochw. Cyrill Franz. 473.
Narbutt, Theod. 88. Naumann, Dr. Karl Heinr. 549. Nautevil-Leboeuf,
Charles. 875. Na?e, J. 393. Nawratil, Jos. 395. Neff, Lehramtepract. 749.
Neilreich, Dr. August. 549. Neilson, J. B. 235. Nejebse, Wenzel. 395.
Nejedli, Dr. J. J. 865. 866. N6meth, Alex. v. 235. Neubauer, Jos. 475.
Neuhauser, Franz. 86. Neumann, Alois. 471. Neumann, Dr. Franz. 312.
Neamann, Frdr. 315. Neumann, Dr. K. Aug. 229. Neumanu, Ludw. Gott-
fried. 552. Neupauer, Dr. Ferd. Ritter v. 552. Nicolai. 775. Nicolai de
St. Aubin, Andreas, s. Bernhard. Niebour, F. 315. 316. Niedner, Dr. Christ.
Wilh. 632. Nokoliö. 630. Nossek, Dr. Max. 552. Novotn^, Ftsluz. 547.
Nowotny, Frz. X. 316. Nusch, A. 749. Oberin«*ir, EmUie. 876. Oblak,
Joachim. 315. Olisar, Graf Gust. 232. Ollendorf. 394. Oncken, Dr. 692.
699. 700. Oppolzer, Dr. Job. 229. 630. Osadca, Dr. Mich. 394. Oskard.
Andreas. 228. Pabst, Prof. Dr. 749. Palmerston, Viscount. 794. Palzer,
Karl. 787. Pander, Christ. 793. Pantke, Theod. 312. Pareto, Lorenzo. 476.
Passalacqua. 396. Pasch, Conr. 608. 609. Pasta, Giuditta. 394. Pawlowski.
Dr. Alex. Ritter v. 228. 392. Paxton, Joseph. 475. Pebel, Dr. Leop. 228.
Peerlkamp, Peter Hofman. 394. Pellegrinetli , P. Dr. Hyacinth. 550.
Perrot-Gentil. 396. Pertz, Dr. Georg Heinr. 549. Peter, Dr. 758. 763. 764.
Peterffy, Jos. 87. Petheö, Damian. 313. Petreanu, Dr. Georg. 790. Petten-
kofer, Dr. Max. 549. Petters, Ign. 690. 696. 749. Peuly, Charles Desire
du. 875. Peyscha, Job. 394. Pfeiffer, Dr. Frz. 471. 690. 749. 756. Pfeiffer,
Heinr. 790. Phillimore, John George. 475. Philippens, Wilh. Jos. Const.
632. Piatkowski, Dr. Frz. Ser. 235. Piccoli, Karl. 547. Pichler, C. 236.
Pick, Prof. Dr. 81. 781. Picot-Mallet, Prof. 232. Piderit, Dr. 763. 765.
769. 773. Pilat, Jos. Ant. Edler v. 396. Piotrowski, Dr. 392. Piper, Prof.
758. 763. 766. 767. 770. 779. Pirogoff, Dr. Nikol. 549. Planck, Prof. 701.
704. 761. Planer, Joe. 472. Platz, Hofr. 700. 701. 703. 704. Pleterschnik,
Mm. 547. 628. Pöter, P. Anton. 234. 236. PoiAl, J. N. Prhr. v. 790.
XVÜ
Pokorny, Dir. 783—784- Pokorny, Prof. Dr. 84. 85. Polidori, Pll. Luitfl.
794. Pollak, A. M. 790. Pongraii, Dr. Jak. 228. Popel, Dr. Matth. 814.
Popiel, Clementine. 394. Popp, Ernst. 391. Porszasz, Jos. 228. Proksch,
Job. 231. Proudhon, Pierre Joseph. 238. Puff, Dr. Rud. Gust, 476. Purf-
italler, Dt. Joseph. 550. Porkinve, Dr. Joh. 549. Riidelic, Johann. 874.
Badisid, Sr. Hochw. Spiridion. 229. Rätxsch, Heinr. 235. Bafialt, J. 792.
Rahl, Karl. 552. Bais, Dr. Joh. 548. Barn, Dr. 475. Bamsay, William. 236.
Bau, Dr. K, H. 549, Banmer, Dr. Karl v. 475. Baumer, Dr. L. G. v. 560.
Bebecque, Const. de. 232. Bebhann, Georg. 86. Bebitsoh, Elias. 238. Bech-
berger, Sr. Hochw. Augustin. 231. Behdantz, Prof. 764. 765. 771. Beichel,
Jos. 547. Beichel, Bud. 547. Beichert, Dr. Karl. 549. Bein, Dr. 395. 778.
Beiner, J. 392. Beinisch, Dr. S. 392. 54a Beinke, Dr. Lorenz. 549. Bein-
warth, Anton. 228. Beisinger, Dr. Joh. 229. Beitlechner, Dr. Karl. 874.
Relaton, Dr. August 549. Bemak, Dr. Bob. 791. Beslhuber, Sr. Hochw.
Augustin. 548. 549. Beufs, Dr. August. 550. 788. Bichardson, John. 476.
Bioholls, Sir George. 316. Bichter, Franz. 228. Bidolfi, Marchese CoaiiiM).
314. Biedler, Ludw. 681. Bieger, Dr. Max. 749. 754. 755. 757. Biese, Ale«.
7a). 702. 703. 704. Bimely, Dr. Karl v. 549. Bitter, Dr. Heinrich. 550.
Bivas, Herzog V. 551. Boberti, Pierre Albert. 231. Boberts, David. 88.
Bodler, Inst. Vorst 84. Bömer, Dr. Perd. 550. Bosner, Karl. 789. Böfsler,
Dr. Ed. 874. Bohn, Sr. Hochw. P. Frz. 474. Boishamer, P. Konrad. 875.
Bokitansky, Dr. KarL 392. Bomani, Feiice. 234. Bomberg, Cypriano. 794.
Bomberg, Dr. M. H. 549. Böse, Dr. Aug. 550. Bosenegger, Sebast. 286.
Bossi, Aug. 476. Bossi, Dr. Joh. Bapt. y. 549. Boszai, Emil 312. Both,
Ernst. 793. Both, Dr. Franz. 749. 780. Botter, Dr. Bich. 391. Bottmann,
JuL 396. BoÄek, Joh. Alex. 471. Budigier, Sr. Hochw. Jos. 550. Büdig«r,
Dr. Ludwig. 475. 775. Buete, Dr. Theod. Christ. 548. Bumpf, Dr. Jakob.
628. Buth, Dr. 749. Saek<!ii, Dr. Ed. Frhr. y. 789. Saintine, X. s. Boni-
faoe. Salin, Lorenzo. 228. Saudhaas, Dr. Georg. 86. 87. Sattler, Dr. Ed.
315. Scarpa, Pietro. 228. Scanzoni, Dr. Frdr. v. 549. Scanzoni, Prof. 229.
Seiborski, Joh. Gabr. 234. ScitovMv, Se. Eminenz Johann. 473. Schalck,
Ernst. 791. Schäfer, Prof. 765. Schafgotsch, Franz GoUh. Graf v. 282.
Schau V. Falkenhorst, Jos. 876. Schaller, Gustav. 550. Schaller, L, 395.
Schallhof, Ferd. 874 Schaub, Dr. Franz. 629. Scheffel, Dr. J. V. 749. 752.
Scheffler. V. 694. Scheler, Ad. 396. Scheler, Dr. Sigm. 790. Schell, Dr.
Franz. 792. Scheller, Moriz. 550. Scherer, Dr. Martin. 789. 791. Scherer,
Dr. Johann. 700. 749. Schcrzel, Alois. 628. Scherzer, Karl Bitter v. 548.
Schierer, Franz. 236. Schilder, Franz. 875. Schiller, Prof. 757. Schilling,
Dr. Frdr. Adolf. 234. Schimmer, Gustav. 228. Schlager, Dr. Ludwig. 2*.
Schlivian, Dr. Karl. 395. Schmalfoffe, A. 551. Schmidt, Frdr. 313. ^80.
Schmidt, Jos. 394. Schmidt-Szöreny. 791. Schmidt, J. H. G. 476. Schmitt,
Frdr. v. 394. Schmied, Frz. 472. Schmirger, Joh. 629. Schmued, Prof. 81.
Schnitzer, Prof. Dr. 749. Schnitzler, Dr. Joh. 312. Schocher, Andr. 396.
Schögler, Mich. 474. 475. Schömer, Sr. Hochw. P. WiUibald 234. Schom-
burgk, Bob. Herm. 315. Schopf, Alois. 784. Schott, Dr. Heinrich. 314.
Schotter, J. P. 793. Schrader, P. Dr. Clem. 550. Schramm, Dr. Johann
Heinr. 314, Schreck, Dr. Adam. 548. Schreiber, Dr. Egyd. 86. Schreiner,
Paul. 547. Schröer, Dir. 81. 85. Schröter, Dr. A. W. 790. Schrötter, Dr.
Ant. 550, 789. Schuh, Prof. 229. Schuller. Joh. Karl. 396. Schulz, Emilian.
548. Schwanda, Dr. Matth. 788. Schwarz, Ant. 228. Schwarz, Dr. H. 629.
Schwarze, Dr. Frdr. Oscar. 540. Schwerdfeger, Engelbert, Hochw. Abt,
8. Göttweig. Schweers, Dr. 396. Sedlaczek, Joh. 396. Sembera, AI. v. 392.
Semmelweifs, Dr. Ign. 632. Ser^nyi, AI. Graf v. 433. Setzer, Dr. Fr. 548.
Seyfried, Ferdinand Bitter v. 794. Seyrock, Joh. 228. Sieber, Ludw. 749.
Siebold, Dr. Karl Theod. v. 472. Sigoumey, Mrs. Lydia Huntley. 551.
Süberstein, Dr. August. 630. Simrok, Prof. Karl. 749. Sincich, Joh. 789.
Smolcr, Frz. X, 315. Smyth, W. H. 793. Soldan, Karl 88. Sonndorfer,
Prof. Bud. 85. 86. 784. Sosnowski, Dr. 392. Sostmann, Frau Wilhelmine.
230. Southey, Dr. 476. Späth, Dr Joa^h. 787. Sparmann, K. Chr. 231.
Spengel, Prof. 77a Sperka, Pranj. 88. Spitaler, Fraiu. 787. ^U\>e\\, P.
xvm
TheocL 876. Stadler, Sr. Hochw. Franz. 551. Stägemarn, Vict. Aug. ▼. 315.
Stähelin, Prof. 780. Stalin, Christ, v. 550. Stange, Advoc 232. Stanzl.
Adolf. 550. Stark, Prof. Dr. 690. 692. 694 699. 700. 768. 773. 776.
Stefan, Jos. 472. Stefano, Gabriel de. 876. Steiner, Privatdoc. 780. Steiner,
Victor. 785. Steinmeyer, Dr. 704. Steintbal, Prof. Dr. 749. 750. 780. Stel-
lig, Sr. Hochw. Ign. Alph. 236. Stephan, Sr. kais. Hob. Erzhrz. 472. Stif-
ter, Adalb. 875. Stix, Edmund. 391. Stokar v. Neuforn, Kari. 395. Stolz,
Dr. Alban. 549. Stoy, Prof. Dr. 761. 769. Strafser, Alois. 631. Streber.
Dr. Franz. 88. Streffleur, Valent. 312. Streller, Heinr. 875. Stronski, Frz.
Ritter v. 394. Strofsmayer, Se. Excell. 550. 780. fetruwe, Fr. G. W. 88.
Stuart-Mill, Dr. John. 549. Stubenrauch, Dr. Moritz Edler v. 792. Stüler,
Dr. Frdr. 315. Stürenberg, Dr. 552. Stülz, Dr. Jodok. 548. Stugau, Kari.
472. Stummer, Dr. Arnold. 548. Stummer, Jos. 630. Sturm, Dr. Johann
Wilh. 233. Suchecki, Heinr. 629. Suniö, Ant. 548. Sunstenau v. Schutzen-
thal, Heinr. Frhr. v. 793. Susil, Dr. Frz. 86. 548. Svillovich, Lucas. 628.
Swoboda, Kari. 391. Szlavik, Karl. 228. Ta^inanii, Dr. 232. Tallandini.
Leander. 786. Tamäsi, Dionys. 31 4. Teliga, Dr. 392. Temple, Henry John,
s. Palmerston. Tersch, Dr. Ed. 549. Teuffei, Prof. 701. 703. 704. Terier.
Victor. 235. Theimann, Assist. 84. Thiel, Dr. Andr. 549. Thielen, Max
Ritter v. 316. Thöl, Dr. Heinr. 549. Thomsen. Christian- Jürgensen. 474.
Thurwieser, Sr. Hochw. P. Karl. 234. Timoni, Franz v. 876. Tkaleö, Dr.
Franz. 474. Tomaschek, Dr. Kari. 471. Topler, Alex. 547. Torkos, Alex.
551. Torkos, Steph. 235. Tomau, Gust. v. 231. Tositti, Job. 874. Töth,
Dr. Job. Nep. 234. Traglauer, 8r. Hochw. Job. 474. Travnicsek, Hubert.
471. Trebuchet, Dr. Ad. 793. 794. Trevisan, Frz. 786. Trollope. Theodo-
8ia. 396. Trop, Franz. 476. Troyon, C. 316. Trumauer. Fridolin. 315.
Trumpp, Dir. 780. Tschnetzoff. 793. Tunner, Peter Ritter v. 86. Tuzina,
Johann. 609. Uchaliiis, Frz. Ritter v. 472. ügolino, Filippo. 233. ühl,
Frdr. 313. Uhlmann, Wilh. 86. Ulbrich, Dr. H. 750. ÜUmann, Dr. Karl.
233. Ullrich, Dr. Georg. 861—864. Ulm (Ubra), J. 794. Uriiohs, Hofrath.
698. 773-775. 779. Valencientip», Prof. 394. Vämbery. Hermann. 548.
Vangerow, Dr. K. Ad. v. 549. Vela, Paul. 757. Vercellone, Dr. Kari. 548.
Vernaleken, Prof. Th. 85. Vesz, Alb. 787. Vetter, Wilh. 236. Vielhaber,
Prof. 81. 83. 84. 85. 785. Vierordt, K. Frdr. 231. Vizkelety, Franz. 229.
Voemel, Dir. 773. Volmar, Prof. Dr. 875. Volpi, Dr. Alex. 313. Vofs,
Ludwig V. 232. Vukasoviö, Zivko. 786. Waclismath, Dr. Adolf. 394.
Wächter, Ludwig. 314. Wächter, Dr. E. G. v. 549. Wagner, Dr. Joseph.
548. 692. Wagner, Moriz. 315. Wahlberg, Dr. W. E. 787, Waitz. Dr.
Georg. 550. Waldmüller, Fr. G. 791. Waldstein, Max. 630. Wallaöe, Will.
Vinc 794. Wallnöfer, Dr. Kari. 312. Walser, Dir. 84—85. Walter, Jak. 629.
Wangberg, Karl. 315. Wartenberg, s. York. Wassmannsdorff, Dr. 694. 761.
Wastler, Lehramscand. 787. Waterton. Charles. 475. Wattenbach, Prof
W. 696. 700. 749. 755. Weber. 787. Weber, David. 793. Weber, Dr. G.
700. 764. 765. Weber, K. Gottl. 314. Weber, Dr. Otto. 549. Weber von
Ebenhof, Wenzel Ritter. 236. Wehr, Jos. 472. Wegscheider, J. B. 475.
Wegscheider, Leop. 235. Weidner, Dr. 704. Weil, Dr. Jak. 88. Weil, Jos.
788. Weil, Prof. 780. Weiler, Jos. 471. Weiner, Dr. Ant. 475. Weinmayr,
Franz. 874. Weismann, Dr. G. 696. 700. Weifsbrodt, Dr. J. B. v. 233.
Weiter, Gotthilf. 474. Werner, Dr. Gust. 312. Werner, Prof. 750. Werther
V. Numvär, Frdr. 396. Westreicher, Engelbert. 550. Weyrauch, Aug. Heinr.
v. 316. Weyrauch, P. Erw. Ant. 314. 315. Wex, Dr. Frdr. Kari. 632.
Wieck, Prof. 231. Wiegmann, Rud. 395. Wieloglowski, Valer. 552. Wiertz,
Anton, 476. Wieseler, Prof. 779. Wieser, Dr. Frz. 549. Wietersheim, Dr.
Ph. Ed. 395. Wilczek, Dr. 392. Wilhelm, Dr. Jos. 789. Windisch, P, Jos.
85. 874. WinCTove, Cooke G. 476. Winkelblech, Prof. 233. Winter, Dr.
Berth. 548. Wiseman, Sr. Emin. Nikolaus. 235. 236. Wislicenus, Dr. Hugo.
750. Wittstock, Dr. Alb. 775. Wöhler, Dr. Frdr. 550. Wölfflin, Dr. 700.
Wöri, Prof. 394. Wolak, Frz. 632. Wolff, Dr. 780. Wolfsohn, Dr. Wilh.
632. Wordword, Dr. S. P. 632. Woriicek, Frz. Lad. 474. Wraxall, Lascel-
les, 476, Wretscbko, Dr. Matthias. 471. 785. Wülker, Stud. Ernst. 750.
XIX
Wölleretorff , Frhr. v. 229. Wurzbach , Dr. Const. v. Tannenberg. 548.
Wymetal, Dr. 782. Wyf s, Dr. Georg v. 550. York, Graf Louis v. Warten-
berg. 552. Zarharftt, Dr. H. A. 549. Zacher, Dr. Jul. 757. Zahlberg,
Karl 632. Zahn, A. V. 473. Zalka, Ant. 874. Zangl, Joh. 476. Zaymusz,
Vinc. 786. Zobel, Dr. Johann. 790. Zeller, Ferd. 700. 794. Zepharovich,
Victor Ritter v. 472. Zhuber, Dr. Joh. v. 236. Zimmermann, Dr. Roh. 787.
Zimmermann, Thom. 234. Zingerle, Anton. 874. Zirkel, Dr. Ferd. 472.
Zitek, Joh. 548. Älik, Andr. 316. Zoll, Dr. Frdr. 788. Zöller, Dr. 700.
Zöpfl, Dr. Heinrich. 549. Zumpe, Johannes. 231. Zveiina, Franz. 787.
Zwerger, Dr. Johann. 548.
Die Namen sämmtlicher österreichischer Gymnasien und
Realschulen (mit Angabe der Zahl der Lehrer und Schüler, der Ergeb-
nisse der Classification, der Maturitätsprüfungen u. s. w.) erscheinen in der
statistischen Uebersicht, welche das XIL Heu dieses Jahrganges bildet. —
Admont. 475. — Agram. O.-G. 474. 547; Erzbischöfl. Lyc. 472; Rechtsakad.
391. — Altenburg (Ungar.). Landwirthsch. Lehranst. 550. 874. — Andrä.
St, Diceces. Lehranst. 234. — Bistriz. Ev. G. 455. — Bochnia. Ü.-G. 87. —
Böhmen. Lehramtscand. Prüf. Commiss. 229. — Böhmisch- Leipa. 547. —
Brixen. Diceces. Lehranst. 551. — Brunn. 451. 452; OR. 391. 548. 550. 629;
techn. Lehranst. 87; Normal- Hptsch. Lehrerbildungsanst. 471 472; theol.
Facult. 86. — Brüx. O.-G. 86. — Brzezany. 471. 547. — ßrunek. 476. —
Budweis. Piar. Colleg. 234; Diceces.-Lehranst. 396. — Cäcov. 786. Capo-
distra. O.-G. 312. 393. 787. - Cilli. O.-G. 547. 608. 609. 786. — Croatien
und Slavonien. 312. 393. 551. — Czemowitz. 471. 473. 628; gr. or. OR,
874; gr. or. Lehranst 391. 547. 629. — Djakovo. Lehrerbildungsanst 548.
— Drohobyg. R.-G. 874. - Dublany. agron. Seh. 230. — Eger. 231. —
Ellbogen OR. 609. — Eperies. Kath. O.-G. 312. 786. Domcap. 548. —
Essegg (Essek)391. 786. 874. — Feldkirch. C.-ü.-R. 558. Fiume. Ü.-R.
87. — Freiberg. U.-G. 629. — Fünfkirchenstädt U.-R. 787. — «örz.
391. 482. 453. 471. 628. O.-R. 86. 548. 351. 787. 874. -^ Graz (Graz).
86. 87. 230. 392. 474. 874; techn. Hochsch. 230. 393. 629; Univ. 228.
316. 391. 392. 471. 629; Kunst- und Industrie Verw. 313. — Grofsau. Landes-
Ackerbausch. 86. — Grofs- Kanisza. 313. 789. — Grofs-Kikinda. Ü.-R.
228. — Grofswardein. gr. kath. Präparandie. 787; Rechtsakad. 228. 874-
— Gyergyo-Szentraiklos. U.-R. 787. — Hall. 230. — Hermannstadt k. k.
kath. Staats-G. 312. 393. 471. 473. 628. 629. 857. 858; Rechtsakad. 87.
631. - Hollabrunn (Ober). U.-R. 393. — Iglau. 313. 473. 475. 547. —
Innsbruck. 629. 630. 864. 865; O.-R. 230. 232. 471. 473. 629; Univ. 228.
391. 550; Univ. Bibl. 789. — Imharding. Landes -Ackerbausch. 551. —
Kato<^sa. 232. — Karlsstadt. U.-G. 547. — Kaschau. Rechtsakad. 86. 228.
630. 874 — Kefsthely-Georgikon. 87. — Klagenfurt. 789. O.-R. 392. —
Klausenburg. Rechtsakad. 87. 472. 631. - Kolomea. städ. U.-G. 87. —
Komotau. 86. - Krain. Museal ver. für, 392. — Krainburg. U.-G. 547.
628. — Krakau. 87. 235; Univ. 87. 313. 392. 394. 472. 548. 629. 788. Krakauer
Verw. Geb. 228. 229. — Krems. Landes-O.-R. 230. 609. — Kremsmünster.
Ben. Stft. 548. 549. — Kronstadt Ev. G. 453. — 455. — Kutten berg. C.-O.-R,
472. 787. - Laibach. 235. 471. 628. 865. 866; O.-R. 312. 473. 787. -
Leitmeritz. theol. Lehranst. 395. — Leitomischl. 236. 547. — Lemberg.
Frz. Jos. G. 874; 2. O.-G. 313; Akad. G. 394. 628; O.-R. 230. 315. techn.
Akad. 391; Univ. 87. 228. 313. 394. 472. 548. 629. 788; Univ. Bibl. 473.
— Leoben. Bergakad. 86. 550. — Leutschau. Kath. G. 547. 548. 786. —
Linz. 475. 550. 628. 864. 874; O.-R. 229. 471. 550. 874; Priest. Sem. 231.
— Lomb. Venet. 86. 228. 547. 786. 874. — Lagos. 87. — .>lantua. 186.
Marburg. 88. 476. 547. 858. 859. — Mariabrunn. 550. — Mariatheresiopel.
628. 786. — Martinsberg. 313. — Mediasch. 876. — Meran. 875. — \agy-
Körös. helv. G. 229. — Neuhaus. 790. 791. — Neu-Sandec. 87. 316. 630.
786. 874. — Neusatz. 630. Neusohl. 628. 786. — Neustadt (Wiener). Landes-
O.-R. 230. 631. — Ober-HoUabrunn. 8. Hollabrunn. — Ol)ei5&\ieiiev::ti ^1b.
XX
— Oedenburg. Praparandie. 787. — Ofen. 628; Josephs-Polytechn. 228. 632;
Univ. 549. — Olmütz. 312. 547; O.-E 313. 391. 393. 548. 629; Norm.-
Hptsch. Lehrerbildungsanst. 472. — Ostgalizien. k. k. Gymnasium. 474.
— I»adua. Staats-G. 786; Univ. 228. 391. 393. 548. 630. — Pancsova.
Deutsche O.-R. 87. — Pesth. (Pest), k. O.-G. 471. 630. 874; Josephinum.
312; üniv. 229. 234. 313. 548. 550. 630. 631. 632. 788; Akad. 229; BUnden-
Inst. 232; Juristen- Verw. 312. — Petrinje. Ü.-R. 393. — Pirano. ü.-ß. 391.
789. — Polten, St. Landes-O.-R. 86. 230. 391. 631; Landes-R.-G. 228. —
Pozega. U.-G. 86. — Prag. Kleinseite G. 471; deutsche O.-R. 629; böhm. O.-R.
87. 472. 548; Polyt.-Inst. 230. 313. 391. 472. 474. 631. 789. 795; Univ.
228. 313. 394. 395. 472. 549. 788. 790. 791. 794; Gesellsch. d. Wissensch.
229; Museum 236; Conserv. 315; Gesellsch. parriot. Kunstfr. 228. — Preft-
burg. kath. O.-G. 312; ev. Cyc 235; O.-R. 787. 875; Rechtsakad. 86.
228. 630. — Pfibram. Berffakad. 550. 630. — Hakovac. k. k. O.-R. 390.
— Reichenberg. R.-Sch. 314. 315. — Roveredo. 786. — «Salzburg. 230.
520. 875; O.-R. 230. 392. 629; Lyc. 234; med. chir. Lehranst. 313. —
Sambor. 547. 628. — Sandec s. Neu-Öandec. — Schäfsburg. ev. G. 455.
Schemnitz. Kath. G. 786; Rergakad. 550. — Schlackenwerth. G. 631. —
Siebenbürgen. 396. — Spalato. O.-G. 228. 313. 314. 628 ; O.-R. 629. —
Spital am Semmering. 475. — Stanislau. 552. 628. 631. 874. — Steiermark.
KTunstver. 230. — Steinschönau. Industrie-Sch. 229. — Steyr. O.-R. 629;
Ü.-R. 471. 474. 787. — Stockerau. L^ndes-U.-R. 86. — Suczawa. 547 ; gr.
Orient. G. 786. — Szathmar. kath. O.-G. 228. 628. — Szegedin. U.-R. 2&.
— Tarnopol. Ü.-G. 230. 628; kath. U.-R. 548. — Tamow. O.-G. 87. —
Taui^. U.-R. 874. — Teschen. G. 312. 314. 393. 471. 547. ev.-G. 316. 474.
475. 550. 786. — Treviso. O.-G. 86. 547. 786. — Trient. 786; theol. Lehranst
472. — Triest 87. 312. 547. 551. 631; hydrogr. Anstalt. 312; Marine-Akad.
395. 629. — Troppan. O.-G. 312. 866; O.-R. 629. 631. 861—864. — Tymau.
473. — üdine. Ü.-R. 228. — Venedig. 547; Dioeces. G. 630; Partriarch.
Sem. 630; Akad, der seh. Künste. 228. 229. 788; Istituto di sc, lett. ed
arti. 312. — Vicenza. O.-G. 228. 547. — Vinkovce. O.-G. 859—861. —
Wadowice. U.-R 789. 790. — Waidhofen a. d. Ybbs. Landes-Rsch. 86. -
Warasdin. 391. 550. 789. — Wien. Staatsministerium (C. ü.). 87. 22a
392. 472. 548. 629. 874, 875. 876. ünterriciitsrath. 392. 471; Akad. -G. 85.
471. 629; Josephst. G. 231; Schotten-G. 474; Theres. G. 85; Comm. R.-G.
392. 393; Comm. R-G. in der Leopoldstadt. 85. 874; Comm. R.-G. in
Maria-Hilf. 85; Stadt, Bauernmarkt. O.-R. 79; Landstrasse. O.-R. 86;
Schottenfeld. O.-R. 86. 87; Rofsau. Comm. O.-R. 85. 392. 787; Wieden.
Comm. O.-R. 392; Stadt, Öt. Anna, Ü.-R. 396; St. Leopold, Ü.-R. 228;
Gumpendorf, Comm. R. 392. 629; ev. Seh. 85; Polytechn. 312. 39L 392.
472. 556. 630. 789. 790. 794; H^ndelsskad. 312. 875; Theresian. Akademie.
82. 232. 312. 393. 395. 788. 789; üniv. 228. 229. 312. 313. 315. 316. 392.
471. 472. 548. 550. 629. 630. 786. 787. 789. 792. (Bibl.) 313. 391; Pazma-
neum. 849; Staatsprüfungscommiss. 312. 875; Hofbibl. 551. 630. 788;
Münz- u. Ant.-Cab. 789; Bildergallerie, 788; Hof-Mineral-Cab. 472; kais.
Priv. u. Pideicomm. Bibl. 229; Akademie der bildenden Künste. 228. 229.
630. 631. 789. 791; Museum f. Kunst u. Industrie. 227. 472. 473. 789;
feolog. Reichsanst. 229. 789; CeutralAust. f. Meteorol. u. Erdmagnetismus.
92; Ost. Gesellsch. f. Meteorologie. 392; statistische Central-Commiss. 788;
f. administr. Stasistik. 228. 229. 630; Centralcommiss. z. Erforschung u.
Erhaltung d. Baudenkmale. 875 ; Akad. der Wissenschaften. 231. 314. 472.
552; Haus-, Hof- und Staatsarchiv. 472. 549. 788; Oriental. Akademie.
551; Josephs-Akad. 550. 630. 788; Milit. Thierarzneiinst. 472; Irrenhaus.
788. — Wiener-Neustadt s. Neustadt. — Wildenschwert. 631. — Zara.
Centr. Sem. 229. — Zengg. O.-G. 86. 228. 473. 531. — Znaim. O.-G. 228.
— Zombor. Ü.-R. 631 ""
iengg.
. 875.
Erste Abtheilung.
Abhandlungen.
Bemerkungen zur Texteskritik des Sophokle's.
Unter den in letzter Zeit zur Antigene vorgeschlagenen
Yerhesserungen hat keine gleich grolse Anwartschaft auf allge-
meine Billigung, wie ^die Nauck'sche zu V. 790 ord* afieQuov
üi y (gewöhnlich In*) avd^Qtojtov. Vgl. Bonitz Beitr. zur ErkL des
Soph. U. S. 5 Anm. Zwar hat ihr W. Dindorf auch in der 4. Aus-
gabe des Dichters noch die Aufnahme in den Text verweigert
und ihrer nich^ einmal in der Vorrede gedacht (ebenso Bergk),
allein das ist offenbar nur denr sehr mislichen bti xjdiwv OT. 18
m liebe geschehen und mit der Zeit wird man sich zu ae ^
av^ffmtfov verstehen lernen. Eine Conjectur von gleicher Probabi-
lität, mindestens von gleicher wie die Dindorf sehe zur Anti^. 578
ev di Toade x^ Ywäiitag Ikai beanspruchen darf, hoffe ich in
Folgendem zu liefern. V. 960 liest man:
xiivog kniyvto fiavCiug
^avtov tov &iov iv xBQTOfjiCotg yltoaamg»
naveax€ fikv yuQ ivd-iovg
ywaixctg eviov re nvq
tfüuKvXovg r* rJQi&ii€ Movaag,
Nun hat man allerdings erkannt, dass xbaimv fehlerhaft ist,
trotzdem es in den Schollen eine Stütze zu nahen scheint, welche
construiert wissen wollen: x£?yog iTtivvco tov -d-eov lUQroinioii;
yXtoaarjg (sie) iiaviaig ipavwv, allein sdiwerlich ist durch ^qovwv
(Nauck kritisch. Anhang S. 165) geholfen. Man hätte sich viel-
mehr fragen sollen, für welche Olosse xpavcov das übliche Olossem
zu sein pflegt, und würde dadurch nicht nur dem Fehler auf die
Spur gekommen sein, sondern auch die Heilung mit sidierer Hand
ermöglicht haben; der Scholiast iiber würde in ähnlichen Fällen
als eine sehr zweifelhafte Autorität betrachtet worden sein.
Vavcjv ist nichts als Glossem für QirSiN und dies selbst ein
/^Uehrtft r. d. Aattrr. nymn.IK65. E. Heft. 1
t M, Schmidt, Zar Tezteskritik des Sophokles.
leichter Schreibfehler für QHlQN, Da nun die Schollen offen-
bar \pavcov im Texte fanden (denn nur so erklärt sich ihr Be-
mühen, durch gezwungene Construction der Syntaxis des Verbl
'Wavwv gerecht zu werden), so ist klar, dass sie einen durch
Glosseme gefälschten Text ausdeuten, der in unserem Falle bereits
drei Wandlungen erfahren hatte:
GEFON . GHrSlN . SmiN . ^PAYSIN.
Aber hiermit sind durchaus noch nicht alle Schäden der Stelle
geheilt. Worin das Vergehen des Dryassohnes Lykurgos gegen
Dionys bestand, sagt der Dichter selbst V. 963 — 65. Darin steht
aber kein Wort von übermüthigen Spöttereien, wie man
yL€QTOfuotg ylwaaaig (schol. ytx'jaarjc:) und oben schon (V. 955)
x€QTOfitoig OQ'/alg deutete, mit Bezugnahme auf Aeschyl. fr. 59.
Es ist also ylioaaaig falsch, und muss durch ein zu V. 963 ff.
passendes Wort ersetzt werden, welches zur Noth durch yXcoaaaig
interpretiert werden konnte. Ein solches ist A^BAIC^ was alle-
dings oftmals auch mit yle^^i gleichbedeutend ist. Demnach sagt
der Chor: Jener kam zur Erkenntnis, dass er in seinem Wahn-
witz den Gott erbitterte durch herzkränkende Schmach.
Eine zweite Stelle, an der ich der Sicherheit meiner Con-
jectur ziemlich gewiss zu sein glaube, ist V. 1013. Nachdem
Tiresias die verunglückten b^icvqa beschrieben hat, schliefst er
mit den Worten ab:
xoutvra nai^oi tuv^* ifidv&ttvov naQa
qd-lvovra affxvoiv 6f}y(utv ^uvriv^aTa,
Hier ist tr^hovra aefjvüv von Nauck statt (f&ivow^ acrjucov ein-
gesetzt, Ol) mit Eecht, macht Hesych. darjincov'aqKxvcüv ayvüHTTwv
einigermafsen zweifelhaft; doch erscheint aatjiAiov allerdings nicht
passend. Noch unpassender aber ist MANTEYMATA, wofür
nicht sowol mit Nauck ftayeifiaza, sondern AATPEYMATA
herzustellen sein dürfte. So nSviov XarQevinara Trach. 357. In
der Sphaere des Tempeldienstes noXvxQvaa lavotvuctta Iph.
T. 1275.
Ob ich auch an einigen anderen Stellen dieses Dramas mit
mehr Erfolg als andere Kritiker mich versucht habe, sei dem
ürtheil der Leser überlassen. In dem prächtigen Hyporchem
V. 1115 ff. leidet V. 1128
Ir^a KwQvxiai
KaaraKag ts väfAa
an zwei^ metrischen Schäden. Denn die Strophe lautet yivog,
xXvTctv og dfiq)^7t€ig, mit reiner jambischer Tetrapodie. Nun hat
zwar W. Dindorf orlxoiai (Hesych. atlxovar ßadil^ovrai
noqevovvai) wagen zu dürfen geglaubt, und vvfiwai mit jambi-
scher Messung schützte man durch C. I. vol. II. add. p. 1080.
n. 2423 c. 3155, ». IV. n. 7679. 7760. C. KeU onom. spec. c. IV. p. 57
M, Schmidt^ Zur Texteskritik des Sophokles. 9
anal, epigr. p. 173, aber jeder fohlt wol, dass das nur kritische
Nothbehelfe sind, deren man gerne entriethe. Der Ursprung des
Fehlers liegt, soviel ich sehen kann, in der Annahme, dass
Kaazaliag vafxa ein Nominativ sei, der nebst hyvv^ mit oVwx«
zu verbinden sei, während vielmehr von h&a an bis m//a alles
Ausführung der Oertlichkeit des Parnass ist, und vä^ia als Accu-
sativ zu betrachten ist. Denmach muss auch V. 1128 ein Ethni-
kon im Accusativ enthalten haben. KioQVTuai schätzen die Hand-«
sdiriften und Schollen {ai IlaQvaaaldeg). Also liegt der Fehler in
dem metrisch fehlerhaften viftq^m, das sich auch selbst als
Accusativ ausweist, wenn wir das C des seiner Bedeutung nach
anstöfsigen (denn die Nymphen tanzen und kommen nicht in
langem feierlichen Zuge) und metrisch unzulässigen Wortes
crdxovoi heranziehen. Vergegenwärtigen wir uns endlich die alte
Sophokleische Orthographie NYN] (DACTEXOCl, so erscheint
T als ein dem folgenden ze entsprechendes r«, und EXOCI als
das in derartigen Fügungen überaus häufige iyoiai. S. Thes. III c.
2625 C. Es erübrigt aus dem so gewonnenen NYM(DA1C oder,
wie das Metrum zu schreiben zwingt, aus NYOAIC die Oertlich-
keit zu ermitteln. Bei Hes. findet sie sich treu erhalten in der
Glosse yvvq^ah vaTtai, zu corrigieren wie jetzt erhellt /Vrya/*
Naitf] und zu verstehen von der xniXr] ß^aaa, Nanr,, über die
Meineke zu Eallimach. S. 154 ausreichend gehandeU hat. Mir
ist es zweifellos, dass die Alexandriner in ihrem Texte:
rNY^ACTEKO CIBAKXUEC
Torfonden, dass sie aber, wenigstens Didymus, yvttjpal % z^ovai
B€txxidag lasen und aus dieser Leseart das Hesychische Iwipal
flofe. Andere mögen Nv/xwai avü^ovat gedeutet haben und zur
Hebung des metrischen Verstofses ein atixovai riskirt haben, ob
aber daher Hesych. atixovai zu erklären ist, steht sehr dahin.
In demselben Chorgesange lesen wir V. 1118 immer noch
das befi*emdliche :
xh'tav OS nfÄtfiniii
Ich glaube nicht, dass der Dichter des fernen Landes hier ge-
dacht hat, zumal er sich des Ausdruckes a^iq^eneig bedient, der
nur die fürsorgliche Bewachung eines kleineren, besonders theuren
Baumes bezeichnet. Doch gefällt weder 'iTiaglav (Bob. Unger)
noch Kidah'av (Bergk), da TiXvrdv auf eine hochberühmte Stitte
Bakchischen Cultes hinweist. Die Hdsch. hat 'ixalaiav^ d. i.
meiner Meinung nach (DlFAuiElAN^ 0iyaliav der arkadische
Ort mit seinem berühmten Dionysostempel. Allerdings misst
j sowol Rhianus ap. Steph. Byz. als auch dag Orakel bei Pausan.
VIII 42, 4 das Wort ^ ^ - ^, wie das Epos nicht anders konnte,
aber dass Länge der ersten Sylbe erlaubt war, beweist Lycophr. 212
dhyaXevg, L. Bachmann hat sich zwar, eben aus metrischem
' 1*
4 M, Schmidt, Zar Texteskritik des Sophokles.
Grunde, fiir die stark vertretene Variante 0ryaX€vg entschieden,
aber gerade seine besten Hdsch. Par. A. Vindob. III (Vat. 1307)
gaben 0iyal€vg. S. Pausan. VIII 39, 4.
Auch zwei viel versuchte Stellen des ersten Stasimons sei
es gestattet wieder zur Besprechung zu bringen, da an der einen
das Richtige bis jetzt schwerlich gefunden ist, an der anderen
der Bonitz'sche Versuch die Vulgata zu vertheidigen nicht be-
friedigen kann. Der Mensch, heifst es V. 351
kttOiav/iva d-^
ovQHov r' ttXfÄTJTa Tav()(ry,
Das Metrum verlangt eine daktylische Tetrapodie. Franz suchte
dieselbe zu gewinnen durch X/tTiov oxfictC^zaL afitpi X6(pov Ciy<^
(seh. Apoll. Rh. I 743 Eur. El. 817) und hat mit seiner Con-
jectur ziemlich allgemeinen Beifall gefunden. Gleichwol gestehe
ich nicht einzusehen, warum wir nicht den einfachsten Weg zum
Ziele gehen wollen; zumal die Erklärung der Schollen uns dabei
als ViTegweiser dient. Eine ganz gewöhnliche Phrase der Tragoddie
ist tvybv cL^KfißctXkeLv, vgl. z. B. Aesch. Pers. 50. 72. Aus Homer
ist ferner die Construction des Verbi afiq^ißctXUiv xivl zi und
die Tmesis der Präposition bekannt, letztere sogar überwiegend.
Wenn nun vollends die Schollen sagen avd tov 7C£qißahav ccvr^
tvyov Tteqi tov lotpov, was ist klarer, als dass sie die Phrase
C170V Aoqrv afi(fißalu)v erklären ? Und wenn femer von ihnen
vno supplirt wird : kunu ^ vno' ino tvyov ayei, ano xoivov to
a
vno l^vyov y^srctij so sollte man meinen es stehe auTser Zweifel,
dass sie statt des gewöhnlichen vTiayet das Simplex ayet vor-
fanden, üeber l'/r/rov ayeiv vgl. den Thes. s. v. Hesych. ayeiv
To v/rayetv kann auf diese Stelle gehen, geht aber^ wahrschein-
licher auf eine Stelle der attischen Komoedie, wo ayeiv = vna-
yeiv = niveiv gebraucht war. Es handelt sich also einfach darum,
die gewonnenen Worte dem Rhythmus anzupassen und zu schrei-
ben : i/iTtov ayei tiyov ccftq^l Aoyc^ ßaXcjv. Der doppelte Accusativ
bei a^i(pißaXleiv kommt vor, doch ist der eine dann ein Accus,
der Person, nicht ein Körpertheil. Ich kann daher die andere
LA. der Schollen a^icpiloq^ov nur far einen Schreibfehler halten.
Auf die Frage, woher denn ^^erai entstanden sei, geben freilich
unsere Scholientrümmer keine Auskunft mehr, sie ist aber aus
Hom. II. i/; 266. 655 zu beantworten iWov e^he^ ad^ir[rm und
J^ftlovov f^eri' ad/nTirrjv ijv^ ccXylarrj dafiaaad-ai. Anders ireilich
Lpsyrt. p. 263: diev^ yeyovoTa tov nüXov ix, rrjg ay^Xrß ^'yovai
xai daf^icttovoi in Uebereinstimmung mit Simon p. 58, 3 ed. Frid.
Blass im Liber Miscellan. Bonn. 1844. — Weiterhin V. 316
heifst es vom Menschen:
M. Schmdt, Zur Teztcskritik des Sophokles. 5
ov
t6 fiiXXov. m^n fi6vü)i
ipiv^iv ovx iird^iTai,
voaojv ^nfATD^avünf (fvyaq IvfinifffmOTai.
Die Erklärung^ der Scholien lautet: elg navra ^mavag i^ev-
Qiaxütv xat iff ovdiv ccTio^g rciv fielkovrwvy &avaTOv ^ovov
ovx ^Q^ uxfia. Daraus ist klar, dass ein Futurum ihnen nicht
vorgel^en hat und demnach eine Vertheidigung der Vulgate nicht
möglich ist, selbst wenn die Worte heüsen könnten: „Die
Kunst dem Tode zu entrinnen wird er sich freilich nicht her-
beifuhren (aneignen, nicht erlernen).** Was sie sonst vorfanden,
ist leider nicht klar, aber aufißlllig bleibt ihr ivqsv la^a, wozu
unser heutiger Text keinen Anlass gibt. Hätten sie diesen vor-
gefunden, wurden sie wol far q^ev^iy oder ttv^iv ein wiyrjv als
Umschreibung gewählt haben. In Anbetracnt nun, dass auch
die unmittelbare Aufeinanderfolge von cpev^iv und q>vyag etwas
armselig bedünken will, ist ihr ia/xa wohl geeignet uns auf den
Verdacht zu bringen, dass dies Wort ein Glossem für axr^ sei
und der letzte Vers vielmehr:
gelautet habe, wodurch jedenfalls eine gröfsere Anschaulichkeit
als durch qfvyag erreicht wird. Ist dies aber der Fall gewesen,
dann wird im vorausgehenden Verse q)6v^iv das Glossem, (pvyr^v^
oder vielleicht yrya^, die Glosse gewesen sein, abhängig von
einem nicht auf -^x^evai, sondern auf -aLevat ausgehenden
Worte. Und dieses Wort glaube ich in EYTYKAZETAI ge-
funden zu haben. Es steht sicher aus Aesch. Sept. 149, wo der
Med. hrvrMLCpy {h in litura pro n) bietet, aber Hesych. «iJr '-
%aT^ov (lies exTüVKoCov) ' &iTvx,Tov (lies &jtvxov) eve, yvoi/iov !%€.
EJML 399, 16 €VTt;x /^€t v* Iroi^m^fi/K Hesych. fiVTi/xe ao y'ßvrtnt^
nolmov. Daher hat denn L, Dindorf Thes. HI. c. 2484 C.^ G.
Dinaorf praef. p. XXXn, C. G. Cobet orat. p. 152 evrvxa^ov
hergestellt, während Härtung, Enger, Prien und Weil nach
einer anderen, wohlhippokrateischen (Foes. Oecon. Hippocr. p. 379)
Glosse des Hesych: ev rvxcitov^ im Wesentlichen auf dasselbe
hinauskommend, vorziehen. In den alten Scholien des Med.
findet sich zu d. St. keine Bemerkung, denn p. 41 sind die
Worte €v nvxal^oVy ano tov nvxa tov eniQQrjiAaTog a. m. sec. 13
beigeschrieben, aber p. 319 ist aus A, der nächstältesten Scho-
lienredaction, angemerkt: i^oi iwixvcog xat emoTYi^ioviog evTQi'
TiitiB TO TO^ov. t6 yccQ 7tVY,a OLvrl TOV ETtLatmiovwg ftaQaXafi-
ßaretau Daraus zog denn B mit glücklichem Treffer sein evvQi-
nil^e yuxta rciv Ttolefilwv. Denn in A laufen zwei verschiedene
Deutungen, zwei verschiedene Lesarten in einander, insofern
ersichtlich die erste Hälfte und der Schluss seiner Erklärung auf
jtvmtpVj die zweite Hälfte auf ziymI^ov geht. Denn hoiina^e
8 M. SdwMäX, Zur Texteskritik des Sophokles.
Genetiv stecken, über den die Sache selbst keinen Zweifel auf-
kommen lässt. Die Folgen der Ate, ohne welche sie keinen
Menschen beschleicht, sind n^iata. Man dürfte sonach zu
schreiben haben:
Oü<r av %^not
Das böse TIAMIIOAIC entstand aus der Verschreibung JIH-
MHONC statt nHMONHC oder nHMATOC.
Ich lasse noch die Besprechung anderer angefochtener
Stellen folgen. V, 466 f. sagt Antigene:
ovxfog tfxoiyi xoZSe tov fioQov rv^fTv
nag* ovökv aXyog, dXX* ar, fi rov 1$ if^VS
firiTQog dxtvovT ad-unxov ijrffjjfo^ijy vixvv
xstvoig av rjXyow, rota^f if* ovx dlyvvofiat.
Wenn es sich hier nur um das fehlerhafte rjvcxo^irp^ handelte,
könnte man sich wohl mit G. WolflTs Vorschlag maipov dveaxo-
firp^ begnügen , wiewol es bedenklich ist, die von Aristophanes
m einer lyrischen Parthie gebrauchte Form zu verwerthen. Seit-
dem aber erkannt ist, dass auch aXyog, aXX' av, i^ ifirjg firjTQog
9av6vr Unmöglichkeiten sind, kommen wir so bequem nicht
mehr fort. Sicherlich war aXyog metrische Stütze des defect ge-
wordenen Trimeters und der Ausgang des nächsten Verses, wie
Nauck sah, fjvaaxojurjv. Es gilt j5so, die Worte:
nuQ* ovdiVf all* av et tov /| f/Ltijs f^fltQog
S-avovT ad-anxov vixw i^veox^firjv
wieder herzustellen. Nun scheint es freilich das einfetchste zu
schreiben:
nag ovökv, dXld fJLtirqog tl rov i^ ^jU^ff
ßlaarovT ä&anrov dxriQrj t ^vfOxofJifJ'^t
doch wird Sophokles schwerlich so geschrieben haben und würde
die heutige Leseart daraus ihrem Ursprung nach kaum zu er-
klären sein. Aber auf den richtigen Weg leitet dieser Versuch
denn doch. Zunächst hat eine besonnene Kritik zu fragen, wo
konmit aXX* av, wo ^avorc' her? Die Beantwortung der letzten
Frage wird uns die erste lösen helfen. Es hilft nichts d^avovr
—vixw durch V. 26 zu vertheidigen , aber dieser Vers zeigt,
woher der Corrector sein d^avowa entnahm, welches Wort er
vielleicht auch nur verlas. Unser obiger Herstellungsversuch gibt
ßXa<rz6vT\ und solcher Begriff wird vermisst. Das QANONTA
am nächsten liegende Wort dafür aber ist &OPONTA. Vgl.
Hom. h. Apoll. 119 Ac ^ e&oQev 7iQO(powade, Philost Imag. I,
14 Tfjg fdiv firjTQog ix&Q/axei (Bacchus). Doch man lese ^o-
Qovta oder fiXacTovra , jedenfalls ermöglichen wir uns dadurch
die Verbesserung des voraufgehenden Verses, wenn wir uns
nur streng an das überlieferte aXXavei halten, was Sophokles
AAAANE geschrieben haben muss. Der Mutterleib ist die
M. /Sdbmictt, Zar Texteskritik des Sophokles. 0
ttjjlivg und erinnern wir uns an D. fi 496 ^ir^ h vrfiiag tflov^
80 haben wir, was Sophokles schrieb:
TOP mfifis fAflXQOg
nAPOYJENjiAAANEJYOCTONEKMIAC
BOPONTASAjrrONEINEKYNENECXOMEN.
Wie daraus unsere Leseart wurde, sieht nun jeder. Wie nun an
unserer SteUe das Olossem fifjfVQog in den nächsten Vers hin-
eingerathen ist, so hat Y. 45 das Olossem adeltpov sogar einen
zweiten Vers gegen alle Oesetze der Stichomjthie geschaffen.
Auf die Frage Ismenens, ob Antigene emsthch daran denke,
Polyneikes gegen das öffentliche Verbot zu beerdigen, antwortet
Antigene:
roy yovv ifiov »«l xov aov tjv av firj t^^Xi};
tt&tlff'OV, ov yÄQ &rj ngo^ovif aXtaaofiai,
Nauck sowohl wie W. Dindorf sahen ein, dass nur ein Vers
hier gestanden haben könne, aber in ihrer ünechterklärung der
Verse ^ehen sie weit auseinander. Nauck schreibt l)t(i/6 tov
ifiOTy xov aov ^v av fttj ^eXjjg; Dindorf: tov yovv ad€Xq)6v ov
nffodow aldaofiai. Ich kann mit keinem einverstanden sein,
am wenigsten mit Nauck, da Antigene noch wenig Orund hat
an der Itereitwüligkeit der Ismene zu zweifeln. Ich erblicke in
adahfov das Glossem zu T^aatVy womit V. 45 schloss, und lese:
TOV yovv ifxov xal rov aov, ^ ^ifjuit xdaiv.
Valkenaer zu Eurip. Phon. 902 p. 340 behauptet zwar, dass
Sophokles nie y ^ifiig gesagt habe, aber warum sollte er es nicht
haben thun- können, so gut wie Lycophr. 369 (og wd-iTwv ^e^ug
irgend welchem älteren Tragiker entlehnt hat? Wenn f %)^€fiig
in fjv &ileig verschrieben war, folgte fest mit Nothwendigkeit
die Conjectur ^ av /tti] felsig nach.
^ V. 678 macht Hämon den bescheidenen Einwurf yivnito
\iiv% av xa%eq(i} T^Xiog c'xov, wobei das Fehlen eines rt höchst
auffällig ist und der Verdacht einer Corruptel um so näher liegt,
als die Scholien xaTifjiag erklären. Held hat gesehen, dass mr
yivoiTo ein dem layeig 685 entsprechendes Zeitwort nöthig ist,
bringt aber mit geringerem Glücke q>d^iyyoiro in Vorschlag. Es
war zu schreiben:
AEror
4>AIN0r TI MENTANXATEPOCKAASICEXON
*E8 dürfte jedoch auch ein anderer etwas vorbringen, was nicht
übel ist.' 0aiv€iv ertog für aussprechen, sagen ist aus der
Trago&die bekannt genug.
V. 856 gibt der Chor zu, dass sich die Handlungsweise
der Antigene auf die Dike stütze, aber verschweigt ihr auch
nicht, dass sie bis an die äußerste Grenze des Trotzes vorge-
gangen sei. Dann schliefst er mit den Worten ab: TtaxQtpoy
oiuxiveig tiv a^lov. Ich verstehe dieselben ebeA^wenig, wie
10 M. Schmidt, Zur Texteskritik des Sophokles
die Anmerkung zu ihnen in der S. N.'schen Ausgabe. Entweder
ist ixTiv€ig falsch oder dMov, Man hat an arav gedacht, aber
wenn auch die atr^ der Väter von der Gottheit noch an den
Kindern heimgesucht und gestraft wird, so darf man doch hier
von dieser Vorstellung keinen Gebrauch machen, da Antigone
vom Chore selbst TtQoßaaa hc kaxcczov O^gdooic; genannt wird
und ihre eigene Schuld büfst. l^d^Xov ist sicher richtig. Die
^vftfpoQct der Antigone hat in der That gi-ofse Aehnlichkeit mit
der ihres Vaters. Beide handeln im Dienste der Dike, aber beide
mit einer Hartnäckigkeit, dass sie nicht sehen, welchen Ausgang
ihr Handeln nothwendig fCir sie selbst nehmen muss. Der Chor
konnte also sehr wohl ihren aMog mit dem des Vaters ver-
gleichen. Folglich ist ixTtveis falsch, steht auch gar nicht in
der Handschrift, sondern Uxdvug. Mir scheint der Dichter das
Bild Ttqoatjiweg %tI. fortgesetzt und geschrieben zu haben:
UATPOION. lETCEniTNECAGAON
Mit voller Sicherheit wird sich freilich über naiQoiov erst dann
urtheilen lassen, wenn man sich über das Schlusswort des vor-
hergehenden Verses noXvv in's Klare gebracht hat. Denn mög-
licherweise ist noTQf^ov in naxqifiiov zu verwandeln und zu
schreiben :
TjQoa^nfOsg «5 t^xvov, novtov
„und 80 ranntest du denn in das Drangsal der väterlichen Lei-
den (d. h. der Leiden, wie der Vater) hinein." Auch gegen
^ ilajucvelg XIV ad^kov durfte unter dieser Voraussetzung nichts
einzuwenden sein.
Eine der schwierigsten Stellen ist V. 1035 ff., wo Kreon
dem Teiresias antwortet:
w TiQ^aßVf navTig San to^otiu axonov
To^tver^ dv^(}6g rov^f, xov^k ^invrtxrjg
ii7ii}(txTog v/uTv (ffif, Tön'cT vnal yh'ovg
Mit den Schollen v(f v/nwv tüv fAccvrewv xal xtiv (jvyyevaiv ist
nichts anzufangen; sie lehren nur, dass der Fehler yevovg alt
ist. Es kann zu nichts führen, wenn man dafür zolai & iv yivei
setzt, so lange nicht fAavtrKrjg a/iQanTog erklärt ist, Gleichwol
kann ich auch Bonitz II, S. 59 nicht beistimmen, der geneigt ist
sich bei rcor viral yevovg zu beruhigen. Ich beziehe noiaßv vor
allem nicht auf Teiresias, sondern auf den Chor, der wahrschein-
lich nach Teiresias einige Worte an Kreon gerichtet hatte, um
ihm Beherzigung der Seherworte zu empfehlen. Den Tiresias
redet er erst 1045 an (obschon neuerdings Morstadt diese drei
Verse hat streichen wollen), nachdem er vorher gegen den Qior
seine Galle ausgelassen hat, weil er ihn im Bunde mit dem
Seher und allen denen hält, welche auf Bestattung des Poly-
M. S^ämiöX, Zar Texteskritik des Sophokles. 11
neikes dringen. Ist dies richtig, so wird der Gegensatz zu r/av
nicht xüv 6 , sondern t^ ^ sein, da nicht die nächsten Ange-
hörigen, sondern der Chor und Teiresias dem Kreon gegenwärtig
Yerajilassung geben sich zn ereifern. Von beiden glaubt er sich
verkauft und verrathen: von dem Seher schon längst. Sollte
also YnuiHENOYC nicht aus YnAPlYPOY verdorben sein
(vgl. 322 eTt'a^qi^. Thuc. VII, 48 vno XQW^^\J I^^ habe
wol auch einmal, verfuhrt durch ixTtewoQTia^ai an 07V(og yiuog
gedacht, gebe aber vn dfyvQov schon darum unbedingt den Vor-
zug, weil es das räthselhafte vTtai y— sehr leicht erklärt Ueber
xüvdi — el^ii endlich hat sich meine Ansicht dahin festgesetzt,
dass uns der Ausfall eines Verses zwischen (tiavTin^ und a/r^a-
xtog des sichern ürtheils beraubt. Indessen ist so viel klar, dass
airgcrKTog in aitQayLxnq (o aTroaxTog) oder noch wahrscheinlicher,
um im Bilde zu bleiben, in dTCQarog (o au^cnog) zu verwandeln
ist So passend auch Kreon sich als einen aTrQoxrog (mit dessen
Bearbeitung sie nicht zu Stande kommen, also einen vergeblich
bearbeiteten, nicht breitzuschlagenden) bezeichnen würde, so gibt
man doch wol zu, dass er sich im Gegensatz zu der Käuflich-
keit aller anderen, namentlich des Sehers, noch passender of/r^a-
rocr (PoU. VII, 10 6 f^ti] nurqaai^wv iaxrcov) dvrjQ nennen kann.
Meiner Ansicht nach hat Kreon ungefähr Folgendes geäufsert:
jo^ivit dv^Qog TOtJJe, xov &u ^avrixijg
[yvävai ratf, tag unaat 6v(Jxf(>r,g iyw]
ajiQOTog vfitv effit. rot cf' vn ciQyvQov
i^rifjLnokrifiM xdxnttfOQTiafiai naXui,
So viel Über Stellen, durch deren Besprechung man nicht
gerade lästig zu werden zu fui'chten braucht, da sie nicht zu
den vielbesprochenen Problemen des Stückes gehören. Mit eini-
ger Zaghaftigkeit gehe ich d^egen an den ven*ufenen Anfiing
der Antigene V. 2, 3.
UQ olaO-* oTi Zivg rtav an OtSCnov xaxtiv
onoiov ovx^ vt^v h& Cf^aaiv T«A«r.
Die Versuche ou — oitoiov zu erklären sehe man bei Bonitz
Beitr. II. S. 12 — 17. Seitdem ist die Kritik andere Wege ge-
gangen. Nauck dachte an eine Umstellung der letzten Vershäl^:
onoiov ovx^ Toiv an* Oidlnov xaxiav.
Das würde heifsen: An allem Unglück, was uns traf und treffen
wird, ist Oedipus schuld. Ein ganz ungehöriger, mit dem folgen-
den unvereinbarer Gedanke, Meineke's olad^a dr Zeig ist viel
zu leicht, um glaublich zu sein, und entfernt überdies die Stö-
rungen des Sinnes, den wir verlangen müssen, nicht Letzteres
gilt auch von Blayde's und W. Dindorf s p. XLIX Vorschlage:
o^' olod^ (iad^) 0 Ti — ikkeiTiov oixL — Nach Antigone's Uel^r-
zeagung gibt e& kein irgend denkbares xtxKovy d^en Bekannt*
12 M. Schmidt, Zur Texteskritik des Sophokleti.
scbaft ZU machen Ismene und sie nicht von Zeus ausersehen sei.
Doch unterscheidet sie zwei Cüassen von xaxa, die air Olduiov
und die, welche ohne sein unmittelbares Verschulden seine Fa-
milie treffen, deren eines schon wieder im Anzüge ist. Und zwar
ist die von Oedipus nicht verschuldete Leidenmasse in solcher
Menge und Stetigkeit über sie hereingebrochen, dass dadurch
die Erinnerung an die Oldlnov ytxx^a fast verblichen ist, dass
es sich schon längst nicht mehr um sie handelt. Die Meinung
der Antigene ist: Wir scheinen vom Zeus bestimmt zu sein,
alles mögliche Unsal zu erdulden, nicht blois derartiges wie es
Oedipus über seine Familie brachte. Denn zahlloses, fast alle
mögUchen Formen erschöpfendes Leid haben wir schon erduldet,
und jetzt ist schon wieder eines im Anzüge, wie man es seinen
schlimmsten Feinden anthut. Ich sehe deshalb keinen anderen
Ausweg, alö zu schreiben:
«^' olad^ h* oiyfl töÜv an OiStnov xttxwv
onolov ov Z(vg v^ tlri ^(pacuv zfXfi.
Ueber die Stellung It* ovxl s. Trach. 44. OB. 137. Der Ursprung
des sehr alten Fehlers ist nun klar. Der Grundtext:
APOICSETO YXlTONAnOlJinOKAKON
OnOlONOYZEYCNOlNETlZOCAINTEAEI
kam durch Versetzung von ov^i und Zeig zu Schaden. OYOYXI
durch Tilgung des überschüssigen 07 in OYXI zu emendieren,
schien das Metrum zu fordern, und aus ETZEYC ein OTIZEYC
zu machen, lag abgesehen vom Zwange des Metrums, schon
wegen der gewöhnlichen Formel ag" oloO^ ovi nahe genug, wie
denn zufallig Aristophanes sogar ccq' ola^^ ou Zeig gesagt hatte.
— Auch über das famose ovv^ atr^g areq V. 4 sei es gestattet
meine jetzige Meinung vorzutragen. Der Vers lautet in den
Büchern :
ov^kv yaQ ovt dXyHVov orr* (cTtjg äfSQ.
Die Conjecturen arm yifxov, aTTjOi^iov sind bekannt, doch mag
wol niemand ihre Kichtigkeit verbürgen. Nun haben die alten
Lexikographen eine Form alyrjQog angemerkt, welche sie dui*ch
akyeivog erklären. Legt man dem Verse diese Form zu Grunde,
indem man aXysivov als Schreibfehler oder Glossem betrachtet,
so gewinnt er folgende Gestalt:
O rJENFAPO YTAArHPONO YTATHCATEP
Und diese scheint die Lösung des Kät&sels zu ermöglichen, so-
bald wir die Phrase daiva Tial deivüv nega zu Hilfe nehmen.
Ich vermuthe: ovdiv yuQ ovt autjQov ovt* avr^g TtiQot, Didymus
schon war auf dem rechten Wege, hätte er nur dreist den Fehler
in axBo gesucht.
Erwäge ich solche Stellen wie die eben besprochene, so
scheint mir eine allzu grosse Scheu vor Verbesserung offenbarer
alter Schreibfehler übel angebracht. Immer noch quält man sich
ab V. 149 das a;ia^ eifir^fUvoy ANTIXAPEIÜA zu commen-
üf. Sdnmdi, Zur Texteskritik des Sophokles. 13
tieren. Warum setzt man denn nicht lieber das einzig sinn-
gem&fse und verständliche ^PTI OANEICA ein ? Einem Text,
der ju^riy iXtaatov in igeamov verschrieben aufweist, und aus
niga areg macht, aus fr^ftarog naiinoXig^ wird wol keine Ge-
walt angethan, wenn man annimmt ANTlXAPElGui sei aus
ANTM>APE1CA durch fehlerhafte Nachbesserung entstanden.
Ohnehin konnte darauf V. 105 itpavdijg nfn führen.
Ueber einige andere Stellen begnüge ich mich kürzere An-
deutungen zu geben. V. 106 betrachte ich 1/itgyo^sv als ein
Glossem zu Tfjleda/r^^ da die letzte Sylbe von levxaamy lang
sein muss. — V. 2(>3 xovSdg ivaqyrjg ail^ sipeiye /r/^ eidhat
bandelt es sich, wie von anderen richtig eingewendet ist, nicht
um das Wissen, sondern um die Thäterschaft, daher fii) ddivai
nothwendig falsch ist. Mir erscheint die ganze letzte Hälfte des
Verses als eine ziemlich elende Stümperei, der Dindorf zu viel
Ehre anthut, wenn er Ttag t6 f,i^ für ausreichend hält Ich ver-
misse eine Wendung, wie ifiq>avuig eq^vgedtlg. Vgl. Stob. Flor.
I p. 428 : xliivf(üv orav rtg i/Ltq^ayiog itferoed^^. — V. 287 ist
allerdings eTceivwv unmöglich, aber deshalb oie Verse 285 — 288
ganz zu vemrtheilen, oder auf das Mafs zweier zu reducieren,
scheint nicht nöthig. Für exQVTtrov wird sich leicht ein anderer
Ausdruck finden l^sen, fiir ixeivcov aber liegt yievdawv nahe.
— V. 575 bezweifle ich auch die Bichtigkeit der Ueberlieferung
^'liörfg 6 Ttavaiov tovoöb rovg yajtiovg i/aoi. Nur war ich für
ifwi^ wofür Meineke hvqh, Nauck ^ovog schreibt, auf FAMEI
ver&llen, und geneigt, hinter Atdrig ein aw einzuschieben,
[o/rwraiy?] — Aehnlich wie V. 287 liegt die Sache V. 393. Die
Stelle ist entschieden corrupt, aber sofort in das von N. aus-
gesprochene Verdanmiungsurtheil einzustimmen, kann ich mich
niiit entschliefsen. Wenn man ^'xw* rrioQ^idv, xat Tva^wv
afrwfiOTog yioQrp^ ayio Trjvd* liest, ist wenigstens bezüglich dieses
Verses der Hauptanstofs weggeräumt ; den vorausgehenden emen-
diert vielleicht ein anderer mit Glück.— V. 528. Ist nicht ai^taroev
ein ifieQoey? — V. 648 ist das echte Wort durch vq>* rjdov^g,
ein Glossem zu ywmxog ovvex^ verdrängt. Ist rag q^^evag richtig,
so genügt dvaßovlia; ist aber auch rag cpQivag eingeschwärzj;,
so stehen viele Möglichkeiten der Ergänzung offen; vriv q^Qenov
svßovXiav? — V. 927 ist afiagravoiai, larj yclelio xcrxa vielleicht
aus ä^aQTavovoiv, alyuo xcrxa entstanden. — V. 941 nennt sich
Antigene die letzte ihres Stammes: rijv ßaatlida fnoivrjv
XoiTTfjv, Der Vers kommt in Ordnung, wenn wir rijv Aaßdcnudav
corrigieren. Da die alte Semasie TENAABJAKUAMMO-
NENAOIIIEN war, lag es nahe bei der Umschreibung in die
neuere Orthographie THMBAClAlJA daraus zu machen. —
V. 972 befremdet i^ ayqlag da^iaqiog ohne Angabe, dass es die
Gattin ihres Vaters, ihre Stiefmutter war, welche sie blendete.
Entweder wird yvvaiyLog nöthig sein, oder in tvtfho^iv steckt
14 3f. Schmidty Zur Texteskritik des Sophokles.
ein Fehler. Letzteres ist das wahrscheinlichere, da ein Scholion
zu aQaxO^ev sagt avrl rov vt^wkioO^ev, Denn hier aQax^^ev, Unten
TVfphoO^ivvujv zu schreiben, gent schon darum nicht, weil ofifAcnci
ciQctaaeiv eine der Tragoßdie geläufige schöne Phrase ist. Man
könnte yovrpg, TOKrjog oder q^waXfiiov '^ vermuthen. — V. 1021
evoTOfiovg? Die schlechte Cfäsur des Verses wird freilich auch
so nicht fort^eschaflPt, und in der That ist nicht einzusehen,
warum der Dichter nicht ovd^ evarofinvg ^oitovaiv ovd^ oQvip
ßoag hätte schreiben sollen. — V. 1108. Für JV" genügt oXd\
— V. 1 156 onolov craw av\ ojnog ßeßr^xor oder otttj n^cowa
rayd-Qio/iov /^/V? — V. 1185. Man erwartet w* vcexreg oliov,
oder wenigstens Grjßrjg avaxveg^ rcov. — V. 1203 ohatag] yiel-
leicht o'Aqidog.
Ich knüpfe noch einige Bemerkungen zu den Trachi-
nierinnen an, in denen es noch viel zu thun gibt. V. 831
klagt der Chor: Wenn denn das Gift des Centauren wirklich an
Herakles Leibe klebt, wie sollte er am Leben bleiben? Dieser
einfache Gedanke ist aber in einem solchen Wortschwall ver-
schwommen, dass die Ueberlieferung unmöglich recht sein kann:
/()/€* doXojiotoi nvtcyxu
TtXevQtt nQoaxuxivTog iov xtX.
Die alten Erklärer wissen denn auch sich nicht recht zu helfen.
Sie fessen entweder <pnvia vecpeXa als Nominativ und nehmen
doXonoiog avayy,a als Apposition dazu, Ttlavq^ aber als Dativ,
wobei (Tqrfi natürlich nur auf Herakles bezogen werden kann,
oder sie verstehen unter 6. a. die Deianeira, unter aq^a das
Gewand, und nehmen y. v, als Dativ. Darin jedoch kommen
beide überein, dass (povia verp^ka = to alfia to S'avaaifiov sei.
Keine dieser Erklärungen entspricht den Absichten und dem
Stil des Dichters, doch haben sie, namentlich die erste, wenig-
stens den Vorzug der Leichtigkeit und gröfseren Verständlichkeit
vor der Schneidewin'schen voraus, nach der cp. v. die verderb-
liche Umhüllung mit dem Peplos sein soll, welche den Herakles
umfängt, gleich einer das Licht raubenden Wolke. Diese Aus-
drucksweise bezeichnet daher Nauck im krit. Anh. mit ßecht als
seltsam , ohne einen Versuch zu machen, die entdeckte Corruptel
zu heben. Und doch scheint mir das Heilmittel recht nahe zu
liegen. Man braucht ja nur Q)0]^lAlNE(DEAAl durch richtigere
Auflösung der scriptura continua in:
MONTAN E<f*^r\MAN
zu verwandeln. Deianeira hatte ja auf den Rath des Kentauren
gehandelt. Vgl. Find. Fyth. IV 233. na/ttcpagfiaKov ^alvag
iq^CTfialg.
Weniger auf der Hand liegt das Remedium V. 117
M. Schmidty Zur Texteskritik des Sophokles. 51
oZt(ü ^i rdv Kaduo^'Bvii
TQ^qei t6 J* av^ei ßwtov
nokvnovov waniQ n^Xayoc
Es handelt sich darum das Bild von den Wogen, welche das
Sdiiff hinabziehen und wieder heben, richtig durchzuführen. Dass
%(^(f€i für diesen Zweck ein ungeeigneter Ausdruck ist, leuchtet
ein; aber OTQ^qm ist weder ein correcter Gegensatz zu cnjSei,
noch wird man sich lange besinnen dürfen avSei gegen ein
malerisches Wort aufzuopfern. Wenn wir, wie es doch immer
unsere Schuldigkeit bleibt, zunächst die Schollen abhören, so
scheint es auf den ersten Anblick, als ob auch sie uns im Stiche
lassen wollten^ und sich ebenfalls in der Verlegenheit befunden
hätten, die heutige üeberlieferung rgiast und av^si nach besten
Kräften zu erklären. Aber ich hoffe doch zu beweisen, dass selbst
aus ihrem Gewäsch sich die richtige Lesart noch ermitteln lässt,
dass wenigstens Aristarch dieselbe noch vor Augen hatte, und
an allem Unheil nur Didymus (oder Pius) Schuld sind, indem
sie einen einzigen Buchstaben in Aristarchs Paraphrase ver-
lasen oder verschrieben. Das älteste Scholion lautete meiner
üeberzeugung nach (p. 132. 133 Elmsl.) t6 fiiv avtov TLaTanivu
noQovy TO ^ av^ei xat KooKpot. Sobald dies Scholion in Tiara^
novai — 7iOQvq>ovTai entstellt worden war, musste die heilloseste
Verwirrung hereinbrechen. Auf dieser Fassung beruht nun die
Anm. z. V. 112 to fiiv xi naqov Xvnä xo d* av^ofievoy
an6(i7ti)x€ixai , femer x6 /niv xwv KaKuiv ex^i avtov ^ xo de
ca^erai xar* avxov; endlich die unsinnige Bemerkung xQtq^i
avil xov xQißei, als deren Berichtigung xQta^si avvi xov i'x^i,
erscheint, obgleich deren Verfasser auch nur natte läuten hören,
aber nicht zusammenschlagen. Denn man kann wol sagen ro£9)£t
tig novov^ aber nicht novog xQtcpei xov äaiya. Aus dieser Dar-
stellung folgt, dass Aristarch las:
ovTfü ^k Tov Ka<fit(y)'ivfj
P04>ETT0JAIPETB10T0 xtL
Hesycb. ^o(ptl' Kaxanlvei . a i'p £ t • avSei .xoqvtpovxai* otv^B'
xai. „Bald schlingen die Wogen seines vielbewegten Lebens den
Herakles hinab in ihren Strudel, bald heben sie ihn hoch auf
ihre Kämme."
Auch V. 196 vermag ich das Scholion xo no^ovv] xo
nodmffiiyov für kein altes zu halten, so wenig wie V. 102
no^otfuvf = no^ovay sein kann {IirOOYMENAl richtig
Meineke). Der Vers lautet:
oi)J* 1/«* ßttivHv ngoata,
TO yd^ no&ovv ^xaarog ix^aS-dv ^iltav
ovx av fitd^etro nqkv xa&* rj^ovtjv xlvuv.
Unmöglich kann man xo nod^ovv, wie Hermann wollte, mit
iimaxog verbinden = 6 nod^wv Uwg. Denn dadurch würde dem
16 M, 8dmiMy Zar Texteskritik des Sophokles.
Dichter gerade in einer simplen Botenrede eine recht arge Un-
klarheit aufgebürdet. Nauck's Vorschlag" va yao naqov^^ —
nod'tiv haut den Knoten durch und lässt unberücksichtigt, dass
h^iaOüv 9^iXaiv eine sehr beliebte Wendung ist. In beiden Fällen
endlich müsste noch V. 195 €X€t in ia verwandelt werden, wozu
doch an sich kein Grund vorliegt. Ion vermuthe, dass die Ele-
mente TOVAPIl sehr jungen Gepräges sind und glaube ihren
Ursprung ziemlich evident nachweisen zu können. Wenn wir
schreiben :
OSONEKONEKAGTOCEKMABENBEJOI
d. h, o&ovvex,' uy hcaarog h.(.iad'Blv x^ilocy darf doch wol be-
hauptet werden, dass der Bote ein&ch und verständlich rede
und dass an ex^c nicht gerüttelt zu werden braucht. Wenn aber
bei der Transscription die Elemente ONEK aus Versehen nur
einmal berücksichtigt wurden, entstand der defecte Trimeter:
o&ow%xttaTog ixftitd-(Tv S-^Xoi
der M,nz geeignet war, den Metriker zur Ergänzung des fehlen-
den Fufses am Anfang herauszufordern, zumal ein yaQ unent-
behrlich schien. Qeloc musste alsdann d^ihov werden. Lichas
kommt nicht von der Stelle, weil keiner seiner Zuhörer auch
nur eine Frage über den Gegenstand seines Interesses fahren
lassen wird, bevor seine Neugier völlig befriedigt ist. Eine Be-
stätigung f&r meine Emendation gewährt auch die Construction
von jti€^aro, da ^u&iead^ai rivog bedeutet, einen Theil wovon
aufopfern. S. Valcken. Phoen. 271.
An zwei Stellen des Stückes ist die richtige Lesart durdi
denselben Irrthum des alten Schreibers entstellt, V. 11 und
V. 94. An jener heifst es von Achelous; tpovtiov ivaqyrg
TovQog aUxn aioXog dQoxiov eliTCTog. Da fragt man doch billig,
was denn ein ^leibhaftiger Stier' sei, und ist nicht geneigt, sich
durch Citate abfertigen zu lassen, in denen von Göttern die Bede
ist, welche den Menschen iva^yelg q^ahowai. Herwerden ex.
crit. p. 123 hat KeQaatr]g vermuthet, den Zügen näher liegt
Meineke's (Soph. OC. p. 288) C':^njectur ftiv aQyrjg, gegen die
Nauck's Einwurf Anh. p. 145 nicht stichhaltig ist; aber das
richtige wird sein de oQy^g. An zweiter Stelle wird Helios an-
gerufen :
Man lasse sich hier durch die Kühnheit des Bildes nidit be-
stechen, haQil^o^iva blos mit tUt€i verbinden zu wollen und
xaiewa^ei so nachhinken zu lassen. Das Particip muss, wenn
der Dichter bei Sinnen war, mit beiden Verbis verbunden einen
Sinn geben, eine auf der Naturanschauung begründete Vorstel-
lung erwecken. Nun endet aber die Nacht, wenn die Sonne auf-
geht, und bricht herein, wenn sie untergeht; Aufgang und Un-
tergang der Sonne sind die Grenzen der Nacht. Insofern aber
M. Schmidi, Zur Texteskritik des Sophokles. IT
die Nacht das Licht des Helios gehiert und es zur Ruhe hettet,
setzt sie sich die Grenzen ihrer Herrschaft selbst, schliefst sich
selbst in ihre Grenzen ein. Folglich konnte der Dichter nur
ein Wort gebrauchen dioQiLOf^eva:
8v atola W'l 6iOQi^ofAiva
tCxTH xaTiuva(H T€ (pXoyiC6fi€Vov
"jiUov *!dliov altm.
V. 68 xai nov xXveig viv, riT^vov, idQva&eu, x^ovog. Es
moss nJiveig oq>€ Ttxvov oder xXmig Ttuvov viv heifsen. Wer
darauf aufinerken will, wird finden, dass aq^e besonders häufig
nach einem auf a schliefsenden Worte steht
V. 126 ist dvalytfua sicher falsch. Der Sinn ist: halte nur
die Hoffnung aufrecht; denn nicht einmal Zeus, der Gott des
festen Entsdilusses, pflegt über die Sterblichen Unabänderliches
zu verhängen. Diesem Sinn würde dvalXay.Ta entsprechen, doch
scheint mir dies Wort nicht recht dichterisch.
V. 689 exQtoa ^iv xar* olytov iv do/noig nQvtfy. W. Din-
dorf vermuthete ivdvTOv xptyj; ich würde iv do^ioig vq^tjv vor-
ziehen.
V. 885 scheint mir das Metrum zu verlangen:
Otcvarov ;
TP, Ävvaaaa (xova arovotviog iv tofi^ ai^aQov
und V. 893:
fifydXtev hexiv fxtyaXav
66 fAOig roiaS* l^ivvv.
V. 1263 dürfte es das einfachste sein AIQOKOAAHTON
auf NEOKOAAHTON oder veaQOKjtirjTov zurückzuführen.
Eine nicht geringe Anzahl von Versen des Stückes sind
von den Kritikern als Interpolationen verdächtigt worden, dar-
unter namentlich die V. 781 f.
xofiris 6k Xtvxcv fivelov Ix^Cvu fiiaov
XQaros 6iaanttQivTog aXfitnog d^ ofiov
trotzdem Athen. II. p. 66 A dieselben genau in dieser Fassung
citirt. S. Meinek. Beitr. p. 42. Die Uebereinstinmiung des Athe-
näus mit den überlieferten Fehlern unserer Handsciu'iften kann
j^och unmöglich ein Beweggrund für uns werden, den zwei
Versen ohne weiters den Process zu machen, da die Quelle des
Athenäus schwerlich eine andere als Famphilus war, dessen
Quellen wiederum die nämlichen alexandrinischen Granmiatiker
waren, mit deren Becension wir es zu thun haben. Im ersten Verse
ist alles heil ausser xo/m;^, Subject zu iyiQaivet ist Herakles,
wie bei Eurip. Kykl. 404 zu i^iqQave iyyUcpalov der Kyklops.
Im zweiten Verse liegt der Fehler gerade da, wo man ihn am
wenigsten gesucht hat, in d^ ofxov und dem dadurch afficierten
diaanagevrog. Giaff hat zwar bereits ähnlich geurtheilt und
ßol^ — dia^Qayevvog alfictroaTayovg vorgeschlagen, aber so tief
ZcilMbrlA I. d. 5tMrr. 0> inn, 18C&. I. Heft. 2
18 M. Schmidt, Zur Tezteskriiik des Sophokles.
sitzt der Fehler lange nicht. Der Dichter will sagen: er ver-
spritzt des Lichas weifses Hirn und schwarzes Blut (wie
Uhland: des Ritters rothes Blut flofs in den weifsen Schnee).
Der Begriff schwarz (nach Ath. VII vniqv^qov itiilav) steckt
eben in GOMOY^ und wird wieder gewonnen sobald wir
dutanaQivta S* ctYfjaTog d-oXov
herstellen. So erklärt der Scholiast zur Ära des Dosiades in
der Anthol. Pal. XV, 25 richtig oXog durch alf^(x. olog aber,
oder, wie Lob. ProU. 102 schreibt, olog ist eine attische Neben^
form von ^oIoq, was jedoch, wie man aus Phrynich. app. soph.
12, 23 sieht, ebenso gut attisch war. Zweifelhafter ist die Emen-
dation von KOMEC. Schwerlich hat Th. Bergk mit y^oQGTjg,
oder Graff mit ßokfj das rechte getroffen, ob aber KONAlC
(xoyalg) oder ob KONXHC (xoy/ijc: Hirnschale) zu lesen ist,
schwanke ich selbst. Jedenfalls, bin ich überzeugt, ist durch
meine Andeutungen der Weg der Emendation bezeichnet. Das
Weitere wird davon abhängen, ob ^oX — ol — oder 6l — die
hier gewählte Wortform war und ob das Wort auch im Plura
gebraucht wurde. Unter letzter Voraussetzung würde ich es bis
auf weiteres mit:
xovtttg ^k Uvxov fiveXov affiarog ^' oXovg
XQardg SmanaQ^vrag lxQtt(v€i fiiöov
versuchen.
An anderen Stellen hat zuerst oder nach anderen Nauck
den Verdacht der Unechtheit geäufsert. Ein paar derselben glaube
ich ebenfalls in Schutz nehmen zu müssen. So gleich V. 25
fArj liot TO Y.aXkog alyog e^evQoi tcotL Dass wir 24, 25 nicht
vermissen würden, wenn sie fehlten, ist ganz richtig, ebenso
richtig ist die Bemerkung Dobröe's, dass sie wie eine Tautolo-
gie aussehen und dass xaAAog geradezu eine Widersinnigkeit
hineinbringt, weil Deianeira hier ihr Wohl und W^ehe nur vom
Ausgange des Kampfes, nicht von ihrer Schönheit abhängig
machen kann. Darum eben hätte man aber den Fehler in y,alh)g
suchen und nicht summarischen Process mit zwei ganzen Versen
machen sollen. Der Zusammenhang ist: xat zqoTtov fiiv — rilog
d", d. h. wie der Verlauf des Kampfes war, weifs ich nicht,
aber der Ausgang war nach Wunsch. Die ganze Parthie ist
Ausführung von axXverai ^uc, was V. 26 wieder aufgenommen
wird, erweitert durch xaAc3c:, um et öi] xaXcog anzuknüpfen. In
gleicher Weise ist auch das erste Glied der Ausführung erwei-
tert durch die Begründung, warum sie den Kampf nicht be-
schreiben kann. Es fehlte ihr natürlich die Gemüthsruhe der
übrigen Schaugenossen. Diese konnten sich der ^ia mit ge-
spannter Aufmerksamkeit überlassen, sie safs da betäubt von
der Angst vor einem möglicherweise für sie unglücklichen Aus-
gang des Kampfes. Es muss mithin in wiXXog em Wort stecken,
welches auf riXog vorbereitet, und dies ist piiiXov^ „das, was
M. Schmidt, Zur Texteskritik des Sophokles. lü
sich da vorbereitete." Gegen: ^r fioi to (iiXlov alyog i^&V'
Qoi Ttfyri ist absolut nichts einzuwenden.
V. 584 ff. ist Nauck freilich nicht so weit gegangen, durch
Klammem auszuscheiden, aber aus dem kr. A^. ersieht man
doch seine Geneigtheit, W. Dindorf s Urtheile beizustimmen, und
585 wird in den Noten mit Wunder verworfen. Auch hier
scheint es sich mir nur darum zu handeln, einen Textfehler zu
heben, dessen Sitz z. Th. schon von Nauck selbst entdeckt ist,
z. Th. von mir nachgewiesen werden soll. Fehlerhaft ist erstens
iav TttüQy sodann aber auch vTteQßalovf^ied^a, Es ist vjieQßalov^
ftivf] zu schreiben, sc. ^o/, und daraus folgt, dass EAMTIOC
ein *Adverbium darstellt, wahrscheinlich^^FiJßCoder ^2\r^-
TfiC, denn der milde, arglose Charakter Deianeira's wiU sich
der lole zwar entledigen, aber ohne ihr persönlich wehe zu thun.
Darum versichert sie dem Chore: „Wittre du nicht etwa hinter
meinem Thun 7(.(xY.0Lg roXfiag, Pfui über die Weiber, welche in
ihrer Eifersucht zur Giftmischerei und anderem bösem Zauber
greifen ! Ich habe diese Veranstaltung getroffen als eine, welche
mit ganz unschuldigem Liebeszauber den Sieg über dies Mäd-
chen davontragen wird." Im Partie, fut. spricht sich die Zuver-
sichtlichkeit ihrer Hoffnung aus, trotz deren sie sich besserer
Einsicht unterwerfen will — ei tl fii] u. s. w.
Aehnlich scheint die Sache V. 79 zu liegen, wo die dritte
S. N'sche Auflage a&Xov — ijör] wegschneidet und tovz^ dvarlas
für rovTov aqag in Vorschlag bringt. Die üeberlieferung lautet
nämlich:
(og fj reXevTrjv tov ßlov fiiXUi t^Utv
^ TovTov aQug ad^Xov €ig tov vOt^qov
tov lomov ^drj ßCoxov kva(tov l^x^iv.
Der geringste Anstofs ist tov Xotnovy mit %6 Xoinov ist.
leicht geholfen. Der erheblichste ist aqag ad-Xor. Aber was
nöthigt denn beide Worte zu verbinden? was ad^lov in der Be-
deutung Mühsal, Kampf, statt in der anderen Kampfpreis
zu fassen? Kann denn nicht das Orakel den ßiorog eiaiojv als
ein a&lov in Aussicht gestellt haben ? War dies der Fall, dann
entbehrt tovtov aqag freilich seines Nomens, aber dasselbe ist
doch wahrlich nicht so schwer zu errathen. Was Heraklerf gegen
Oechalia unternimmt, ist ein azolog, und jeder weifs, dass man
OToXov aiQsiv sagt. Zum IJeberfluss schliefst der voraufgehende
Vers auf TeXeiv, was doch schwerlich etwas anderes ist als ar«-
Xuy und nicht so dreiste Vorschläge wie Xveiv oder neq^v hätte
hervorrufen sollen. Den Wortlaut der (xcLvxua maiä erfahren
wir aus Herakles eignem Munde V. 1170:
ij fioi XQ^'^'V ^V C<u>iT» xttl TTttQOvri vvv
i(faaxt ^ox^tov Ttov ((pfaTeoratv i/uoi
Xvaiv reXiiaS-ai. xa^oxovv nQa^Hv xnjlaic.
TÖ d'^y tt^* ov^kv icXXo nXr^v d-avtlv ifii.
2*
so üf. Schmidt, Zar Texteskriük des Sophokles.
Im Stile der alten Orakel mag das etwa gelautet haben: 'Im
dritten Monat aber wirst du die Stadt Oechalia zerstören, und
alsdann ist dir das Ende deiner Mühen und als Eampfpreis
bescheert ein hinfort glückseliges Leben/ Im dritten Monat —
denn wenn Herakles V. 156 in seiner letztwilligen Verfügung beim
letzten Abschied von Deianeira 15 Monate als äuTserste Dauer
seiner Abwesenheit ansetzt, so rechnet er das Jahr seiner Dienst-
barkeit bei Omphale mit ein, welches natürlich das Orakel der
Seilen nichts angeht. Da er sich den Spruch aufgezeichnet hat,
und das Täfelchen, welches ihn enthielt, der Deianeira einge-
händigt, vorgelesen und daran weitere Aufträge geknüpft Imt,
80 weifs seine Gattin den Wortlaut ebenfalls genau und ihre
Angst kann demnach nicht darin ihren Grund haben, dass der
Spruch von einer zelevri] tov ßiov gesprochen hatte, wenn er
auch die Möglichkeit eines glücklichen Ausganges offen liefs,
sondern einfach darin, dass <Ue angegebene Zeit da ist und alle
Orakel zweideutig sind. Zu einem ^— JJ, wie unser Text gibt,
hat sie gar keinen Grund. Hat doch Herakles selber seine Ver-
fagungen nur getroffen, um für alle Fälle gesorgt zu haben,
den Zug aber in dem guten Glauben auf glückliche Heimkehr
und ein ferneres müheloses Leben unternommen. Das ^—r} scheint
mir irgend wer verschiüdet zu haben, der ^oTtri nicht richtig
verstand. Während Deianeira den Sohn auffordert, dem Vater
im kritischen Momente zur Seite zu stehen, dsmiit sich die
Wagschale zu seinen Gunsten entscheide, meinte jener, es handle
sich schon V. 79 f. um Leben und Tod, wie in der -Wendung
V. 83, 84. Alle diese Erwägungen bestimmen mich zu glauben,
dass ungefähr folgendes dastand:
(og ig Tf Jlfi;Ti)i' ruiv novwv fiillsi areXuv
xal TovTov UQug tov aroktov navvaTarov
t6 Xomov a^kov ßtoxov tvaCtuv i/tiv.
Jena. M. Schmidt.
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
Griechische Schulgrammatik und Lesebuch zur Erlernung des
atÜBchen Dialektes yon Dr. Friedrich Bellermann, Director des Ber-
liner Gymnasiums zum muen Kloster. Zweite umgearbeitete Auflage.
Erster Theil. GrammatiS. Vm u. 245 S. Leipzig, A. Felix, 1864. —
20Sgr.
Was der Recensent der ersten Auflage in dieser Zeitschrift 1853,
8. 902 ff., Prof. Georg Curtius, als einen Mangel bezeichnet hatte, das
Fehlen eines Vorwortes, worin der Verfasser dem Leser seine Abeicht kund
gäbe, dem ist diesmal abgeholfen, indem eine Vorrede vorausgeschickt ist.
Darin er£ahren wir, dass jetzt Grammatik und Lesebuch getrennt sind,
und dass wer die Grammatik dem Unterrichte zu Grunde lege, allerdings
wohl thun werde, auch das Lesebuch zu gebrauchen, da dieses sich genau
dem in der Grammatik befolgten (jange anschliefse. Letzterer ist aber
auch ein dem Verf. ganz eigenthümlicher und besteht darin, im An&nge nur
das in die Grammatik aufzunehmen, was unumgänglich nothwendig ist,
um so schnell als möglich zur Leetüre schreiten zu können. Es werden
darum in den §. 1 — 34 die Leseregeln, die noth wendigsten Aocentregeln,
das wichtigste von der sogenannten ersten und zweiten Declination, sowol
Subetantiva als Adjectiva und die Comparation und Adverbialbildung der letz-
teren behandelt Ja der Vf. fUgt gleich einige Pronomina bei und beschlieM
dies mit einem Capitel «über die Stellung der Adjectiva und des
Artikels.** Das ist aber nebst einigen Präpositionen und den Verbalfor-
men iarl, etai und f<pti das ganze Material, um zur Leetüre des Abschnittes I
im Lesebuche schreiten zu können. Auch im nachfolgenden ist der Stoff
stets so getheilt, dass dem regelmäfsigen und leichteren das unregel-
mäTsige und schwerere in einem spateren Abschnitte folgt. Das eigenthüm-
liche unserer Grammatik zeigt sich schon hier; es ist das Bestreben, die
Sjntaz mit dem etymologischen Theile zu verbinden und den ganzen 9toff
stufenweise in entsprechenden Gaben den Schülern vorzulegen. Für prak-
tische Schulzwecke können wir diesem Verfahren nicht den Werth abspre-
dien, da mehr oder weniger ebenso jeder Lehrer, wenn er auch eine an-
22 F. BeUermanfiy Griech. Gramm., ang. v. J. Lifsner.
dere Grammatik gebraucht, verfahren muss; aber diesen Gang in einer
Grammatik einzuschlagen, ist doch auch mit Nachtheilen verbunden.
Vor allem wird dadurch oft zusammengehöriges getrennt.
So werden die Adjectiva nirgends im Zusammenhange behandelt, sondern
sind unter die erste und zweite Declination, die dritte Declination und
die unregelmafsige Declination vertheilt; ebenso die Pronomina, die §. 82,
83, 52, 89, 90 zerstreut stehen, wozu dann noch der dritte Abschnitt mit
sehr eingehenden syntaktischen Erläuterungen tritt Auch von den Zahl-
wörtern steht die Declination von elg, (Tro, TQtTg, riaaaQeg §. 91, während
das übrige §. 231—241 behandelt ist, wobei wir gleich erwähnen, dass
§. 89— 92 unregelmäfsig declinierte Pronomina und Zahlwörter behan-
delt werden und §. 231 steht, dass r^aauoeg ^Tege\m'&t%ig nach der
dritten Declination abgeändert wird." Also steht riaaaQig §. 91 nur, weil
es der Schüler ftir's Lesebuch eher braucht ! Rücksicht auf praktische Zwecke
ist es auch, wenn Capitel 8 ntu^tixü im Indicativ durch alle Tempora und
Genera durchflectiert wird und dann im Capitel 9 S. 84 ff. noch einmal
durch alle Modi, Tempora und Genera flectiert erscheint. Denn das achte
Capitel soll eher gelernt werden, ehe das vollständige Paradigma an die
Reihe kommt. Freilich wird mancher meinen, dass der Schüler den Indi-
cativ von nai^evto ebenso gut lernen kann, wenn neben ihm noch der Con-
junctiv, Optativ u. s. w. steht, als wenn diese fehlen.
Diese Methode, den Lehrstoff bruchstückweise darzustellen, zwingt
andererseits öfter zu Wiederholungen. So ist §. 83 unter der Aufschrift
'Nomina mit gemischter Flexion' tlyxf^vg wieder aufgeführt, ungeachtet
alles, was zu sagen war, schon §. 58 steht. Die Accentregel §. 182, 3, b
über Conjunctive wie Svvto^av steht schon §. 181 u. ä. Zum Theil gehört
hieher §. 80. Nach der Aufschrift: *Unregelmäfsige Declination. 1. *Sub-
stantiva* fahrt der Hr. Verf. fort: „Nicht eigentlich unregelmäfsig
... sind: Zivg, nvv$, xvtov, ^(>^^," von denen aber 1 zum Theil und 3
vollständig schon §. 70 behandelt sind. Und nun folgen §. 81 Wörter,
welchc^wirklich unregelmafsige Casus haben. Jedoch auch diese
sind zum Theil schon früher fast vollständig behandelt, wie xli(g und
fuciQTvg §. 57, yvvrj §. 53, tivq §. 76 im Verzeichnisse. Dasselbe gilt vom
ganzen siebenten Capitel „Genusregeln**, dessen zweiter Theil: 'Genusre-
geln der Substantiva nach ihrer Endung', Wiederholungen von früher vor-
getragenem enthält, namentlich über die dritte Declination sind §. 78 schon
viele Regeln aufgestellt.
Das Capitel der Lautlehre fehlt so zu sagen gänzlich. Nur hie
und da finden sich die nothdürftigsten Bemerkungen. Dass der Hr. Verf.
auch in dieser Auflage den alten Standpunct beibehielt, wollen wir ihm
nicht zum Vorwurfe machen, hoffen aber, dass nach dem, was in der Rich-
tung zum bessern bereits geschehen ist, in nicht gar femer Zeit eine For-
menlehre, wie sie noch vor 30 Jahren erklärlich gewesen, nicht mehr mög-
lich sein werde. Curtius hatte auch dies schon gerügt, aber so weit wir,
da uns die erste Auflage nicht vorliegt, zu beurtheilen vermögen, hat es
dem Hm. Verf. nur an äusserst wenigen Stellen, z. B. §. 54. 3 und §. 4
beliebt, auf jene Ausstellungen Rücksicht zu nehmen. Allerdings liefse
F, BeUermannf Griech. Gramm., ang. v. /. Lifsner. ft9
sich manches nar beseitigen, wenn von einer ganz anderen Gmndan-
schanung ausgegangen wird. Warum aber §. 123 „kein Augment erleiden
auch alle sonst zu An&nge der Yerba vorkommenden Yocale und Diph-
thongen: t, i;, 17, Ol, (i, ovj nur dass i und t;, wenn sie kurz sind,
lang werden**, trotz der Einsprache vonCurtius unverändert blieb, ver-
mögen wir nicht einzusehen. Nicht viel besser als dies ist §. 183: „Die
Flexion auf fii ist also eine Flexion ohne Bindevocal und verhält sich zur
gewöhnlichen, wie liebte zu liebete, oder ferrem, fertur zu legerem, le»
güur. Daher nennt man sie auch syncopierte (Konjugation, was aber nicht
heifsen soll, dasss ie aus der gewöhnlichen durch Syncope entstanden sei,
sondern es sind zwei verschiedene Arten, die Endungen mit dem Stamme
zu verknüpfen.** Das helfet also, man nennt sie syncopierte Conjuga-
tion, weil (?) sie nicht synoopiert ist. Nachdem wir im §. 45 gelernt, dasa
' man, um ein Wort der dritten Declination flectieren zu können, a) aufser
dem Nominativ noch einen anderen Casus z. B. den Genitiv, und b) wis-
sen m&sse, wie der Yocativ singularis lautet, da er zwar bei den meisten
Wörtern dem Nominativ gleich sei und nur in gewissen Fällen eine eigene
Form habe, werden §. 53 diese Fälle aufgezählt und da lesen wir zweitens
am Schlüsse: „Oxytona also, die nicht auf tiq ausgehen, haben keine eigene
Vocativform. Z. B. o noifirjv Hirt . . . tw noifirjv, aaipcd^g^ /? sicher. . .
m datfitlig,'^ Also ist hier der N»)minativ Neutr. als Yocativ für das Mas-
culinum gebraucht?! §. 137 lesen wir: „Die Yerba auf ito, z. B. tfiUn,
werden so contrahiert:
Imit e wird u
mit o wird ov
vor 1?, «t, »?, w.
o« fällt aus,
d. h. das € wird nur mit den kurzen Lauten i und o zu neuen Lauten t
und ov verbunden, vor den sechs langen wird es so aufgenommen
(verschlungen), dass kein neuer Laut entsteht.** e fällt also doch nicht
aus und die Erläuterung zur Regel hebt diese selbst auf. — Das auffälligste
im ganzen Buche aber ist für uns folgende Lautregel gewesen: Nach
§. 142, 2 und 3 soll nämlich aus tt, ß, (p mit nachfolgendem x ein </>, aus
», y, X ^^^ * *^ ^^ X eiitstehen können. Die Regel ist aufgestellt ge-
legentlich der Bildung der Perfecta activa aus Stämmen auf Lippen- und
Kehllaute, z. B. ßXinto perf. ßißXi(fa aus ßfßXenxa oder nkixoj perf. n^nX^xn
aus n^f/iAfx-x«??
Zu manchen Absonderlichkei£en verleitet den Hm. Yerf. das Stre-
ben nach Originalität, verbunden mit der Sucht, alles zu schematisi-
ren. So lautet die Regel über das « im Yocativ der Masculina der soge-
nannten ersten Deklination auf 17? §. 21: „Es wird also in den Casibus
des Singulars der Yocal des Nominativs (« oder rf) beibehalten, aufser. . .
im Yocativ derer auf 1??, dessen Endung meist « ist. Nämlich 1; haben im
Yocativ nur die nicht auf rifig ausgehenden Nomina propria, welche
nicht Yölkemamen sind, z. B. l-iiQfiJtjg u. s. w. Alle übrigen haben «,
nämlich: a) alle Appelativa, z. B. yeM^ixQrig . . . d^xnatrig, die Mehrzahl
dieser endigen auf ri]g^ b) alle Nomina propria auf ri??, z. B. "OQ^aTtig,
O^oyrijf, t) alle Yölkemamen, z. B. JTi(tatjg,*^ Das erste, was man berechtigt
24 F. Bettermann, Griech. Gramm.^ ang. t. J, lAftner.
ist von einer Regel zu fordern, ist, dass sie mit Bestimmtheit das Gesetz
hinstellt, also vor allem posiliv lautet; dämm ist es entschieden zu tadeln,
wenn es heifst: „Die nicht anf rrig ausgehenden N., welche nicht
etc." üeherdies waren der Natur gemäfb zuerst, wie es in Kühner §. 27,
Curtius §. 121, Krüger §. 15, 4, 3 geschieht, die Fälle aufzuzählen, wo
R eintritt und dann kurz zu sagen: die übrigen haben 17. Auch sonst kön-
nen wir der Gliederung der «-Fälle nicht nur keinen Vorzug vor der her-
kömmlichen Eintheilung bei Kühner und Curtius zugestehen, sondern
müssen in ihr vielmehr eine unnöthige Verwirrung des von andern schon
längst klar geordneten Stoffes und eine Erschwerung für ^hüler sehen,
denen so etwas zum Auswendiglernen geboten wird.
Da der Verfasser auch hinsichtlich der Terminologie seine Vorgän-
ger unbeachtet lässt und absichtlich herkömmliche Termini vermeidet, so
geschieht es ihm bisweilen, dass er lange Umwege machen muss, die nach
unserer Ansicht schwerlich dem Schüler zu statten kommen. Die Unter-
scheidung der Tempora in historische und Hauptzeiten hat Ret nirgends
in dem Buche gefunden und demgemäTs auch nicht die Benennung „Per-
sonalendungen der historischen und Haupttempora.'' Hätte der Hr. Verf.
letztere Ausdrücke gebraucht, so würde es im §. lüO wol kurz lauten: „Die
historischen Tempora haben in der dritten Person dualis activi Tfir, die
Haupttempora top*', und §. 117, 2. »Dei^ Conjunctiv hat die Personalen-
dungen der Haupttempora, der Optativ jene der historischen Tempora.*
Statt dessen liest man §. 100: „Die Tempora, welche das Augment I nicht
haben (das Präsens, Perfectum und die Futura) bilden die zweite und
dritte Person des Dualis gleichlautend auf ov. In den Temporibus dage-
gen, welche es haben (im Imperfectum, Aoristus und Plusquamperfectum)
geht die zweite Person des Dualis auf ov und die dritte auf ijr aus*', und
g. 117, 2: „Die zweite Person des Dualis endigt auf ov in allen Modis
aller Tempora, die dritte aber in allen Conjunctivis und in den mit dem
Augment i nicht versehenen Indicativis; auf i?y endigt sie in allen Opta-
tivis und Indicativis, die das Augment ( haben etc.** Welcher Vortheil da-
gegen aus der Eintheilung in Consonanten- und Vocalendungen erwächst,
ist nicht einzusehen, besonders da wir bei der Conjugation auf fii wieder
hören, dass diese eine bindevocallose Flexion ist. Freilich steht, wie
oben bemerkt, gleich dabei die Beschränkung, dass sie auch sjncopiert
heifse, folglich vocalische Endungen gehabt habe.
Wie sehr der Hr. Verf. es liebt, die möglichen Fälle aufzuzählen,
unbekümmert darum, ob die Sprache dazu stimmt, zeigt §. 148, 2, wo ea
helfist: „Die Abweichung (der Verba liquida) von der Flexion der übrigen
Verba betrifft gerade die fünf Tempora, welche sonst den durchgehenden
Endungsoharakter a haben, also das Futurum Activi und Medii, den Aori-
stus Activi und Modii, das Futurum exactum Passivi.** Und in demselben
Paragraphe unter c) steht: „Das Futurum exactum fehlt bei allen
Verbis liquidis." Hieher rechne ich §. 180, wo Folgerungen aus der
Flexion der Verba, die nach tarriftt gehen, gezogen werden, besonders den
Schluss: „Aus diesen Beispielen ersieht man, dass das Präsensaugment eine
mit » gebildete Beduplication ist ... . und dass mehrere Präsentia dieaer
F. BeUetmomn, Griech. Gramm., ang. y. J. Liftner. tS
Flexion ohne Augment sind; so aya/daiy dvvafitu, iniatafiaij* Die letzte
Folgerang ist zum mindesten überflflssig.
Wenn wir noch bemerken, dass das Material fltr den attischen Dia-
lekt mit gröMer Genauigkeit und vollständig zusammen getragen ist,
glauben wir den in unserem Buche behandelten etymologischen Stoff hin-
reichend gekennzeichnet zu haben und wenden uns nun zum syntakti-
schen Theile. Was diesen anlangt, so ist, wie schon oben angedeutet wor-
den, Ton einer Tollständigen Syntax keine Bede. Namentlich fehlt die Ca-
roslehre gänzlich, wenn man nicht etwa die hie und da in der Formen-
lehre eingestreuten kurzen Notizen daf&r nehmen will, wie, wenn §.264, 2^
der oomparative Genitiv gel^entlich der comparativen Ck>i^unctionen
erwähnt wird, wenn g. 122, wo vom Augment der Verba mit ^, einem
Doppeloonsonanten oder zwei Consonanten auliser Muta cum liquida die Bede
ist, neben den Beispielen der Casus eingeschaltet wird, den sie regieren,
L B. (ivfifiovivfo erwähne (auch mit dem Genitiv), axfqito beraube (mit
dem Genitiv der Sache), fp&ov^w beneide (mit dem Dativ). Besonders fin-
det dies im Verzeichnis der unregelmäDsigen Verba statt. Dass aber dann
manche (^ebrauchsarten — Genitivus absolutus, Accusativ der Beziehung
— gar nicht vorkommen, ist nicht zu verwundem. Die Lehre von der
Congruenz des Verbs ist vertreten durch eine kurze Note in §. 117, ö.
Daselbst wird von der Bildung des Conjunctiv und Optativ perfecti passivi
gehandelt und zum Plural beigesetzt: „Zum Neutrum Pluralis setzt man'
aber im Griechischen überall das Verbum im Singular."
Zum Thcil sehr eingehend, in manchen Puncten ausführlicher als
in anderen gröfseren Grammatiken, handelt der Hr. Verf. im dritten Ab-
schnitt: „Uebersicht der Pronomina, Zahlwörter und inflexiblen Bedetheile**
&ber den Gebrauch der Pronomina personalia, ein Abschnitt, den gewiss
mancher mit Befriedigung lesen wird. Der vierte und letzte Abschnitt be-
handelt den „Gebrauch der Tempora und Modi" und zwar wird zuerst L der
Indicativ, dann n. die Tempora des Particips, lU. die Bedeutung der Modi
in den verschiedenen Temporibus, IV. der Conjunctiv, V. der Optativ,
VI. die indirecte Bede durchgenommen. Ein Anhang gibt noch 1. die Ueber-
ächt des Gebrauches der Partikel äv, 2. eine Uebersicht der hypothetischen
Sätze und 3. eine Tabelle über die Modi Wie schon die Gliederung des
Stoffes eine dem Hrn. Verf. eigene ist, so bietet auch die ganze Behand-
lung sehr viel beachtenswerthes dar, w6nn wir auch nicht immer beizu-
stimmen vermögen, wie z. B. §. 275, wo gelehrt wird, dass die Partidpien
des Aoristes und des Perfectums im wesentlichen gleichbedeutend sind.
Namentlich scheint uns die Erklärung von idv und anderen Partikeln und
Relativen mit dem Conjunctiv (von Bellermann §. 282 Conjnnctivus con-
ditionalis genannt) mit dem PrsBsens oder Futur im Hauptsatze und dem
entsprechend der Optativus iterativus mit einem Pneteritum im Hauptsatze
(§. 291) mit Scharfsinn behandelt und eingehende Berücksichtigung zu ver-
diene. Auch sonst bietet sich noch manches dar, was den erfahrenen
Schulmann und kundigen Gelehrten verräth, nur verbietet uns der Baum
des weitem einzugehen. Eines müssen wir aber noch erwähnen. B. hat ge-
wiss mit Becht die Beispiele in der Syntax mit entsprechender deutscher
20 Horatü carm. ed. 0, Keller et Ä, Holder, ang. v. W, Hartel.
üebersetzung versehen, und hoffentlich wird ihm niemand darob einen Vor-
wurf machen, wie es neulich der Curtius'schen Grammatik geschah , wo
gich der Referent derselben in Jahn's Jahrb. so weit verstieg, den Grund
der Uebersetzungen darin zu finden, dass in Oesterreich die Lehrer nicht
selbst zu übersetzen verstanden. Man sieht: si duo faciunt idem, non est
idem.
Wenn wir nun zum Schlüsse unser ürtheil abgeben sollen, ob wir
das Buch für geeignet halten, dass es dem Unterrichte zu Grunde gelegt
werde, so müssen wir nur sagen, dass wir von einer griechischen Schul-
grammatik verlangen, dass sie für das ganze Gymnasium ausreiche, was
Bellermann*s Werk nicht kann, da es sich nur auf den attischen Dialekt
beschränkt und die Syntax bruchstückweise behandelt Selbst wenn es
diese Mangel nicht hätte, müssten wir noch immer gestehen, dass wir
bessere Schulbücher für den Elementarunterricht und auch sonst kein
Bedürfnis des Wechsels haben, ohne darum irgend läugncn zn wollen, dass
auch aus B.'s Buche recht gut Griechisch gelernt werden könne.
An Druckfehlem mangelt es nicht, z. B.: Seite 37 Zeile 4 v. o.
lies 6 fjLUQTvg statt ficci^vg, S. 37 Z. ö v. o. 1. §. 81 st. §. 78. S. 48 Z. 4
V. u. 1. iviXnig st. (vXfTiig, S. 49 med. fii€Xnv6/Q0)g st. /ufynXoxQtos. S. 51
Z. 8 V. 0. 1. TTQonuv st. TTQnouv, S. 51 Z. 9 V. 0. 1. fi^kuv st. /Lt€X^V,
S. 64 Z. 11 V. 0. 1. §. 207. 5 st. 208. S. 78 Z. 4 v. u. 1. §. 104 st 105.
S. 108 Z. 6 V. u. L ögng st ogrtg u. dgl.
£ger. Johann LiJfsner.
Q. Horatü Flacci opcra rec, 0, Keller et A, Holder. Vol. L
Carminum libri IUI. Epodon liher. Carmen Saectdare. Lipsiae. In
aedibus Tettbneri 1864. 304 S. 8. - 2 Thlr.
Das vorliegende Werk zählt unter die wichtigsten Arbeiten der ge-
sammten Horazliteratur; es bildet den Anfang eines gröfseren Unterneh-
mens, in dessen Durchführung sich die Herren 0. Keller und A. Holder
in der Art theilten, dass ersterer die vier Bücher der Oden, die Epoden
und das Carm. S. sammt dem dazu gehörigen Texte der Schollen, letzterer
die Satiren und Episteln mit ihren Schoiien edieren wird. Was die äufsere
Einrichtung des Buches betrifft, so ist sie der Ribbeck'schen Vergilausgabe
conform. Unter dem Texte stehen funächst die testimonia, deren Samm-
lung für die Kritik zwar weniger als vielleicht für Exegese abwerfen dürfte,
die aber in dieser Vollständigkeit bis jetzt noch überall fehlte. Auf die
testimonia folgt die varia lectio, welche die Varianten der wichtigsten drei-
zehn Codices durchgängig und wo es nothwendig erschien, die Lesearten
weiterer siebenzehn, die im übrigen von geringerer Bedeutung sind, ent-
hält; ferner wird man in ihr nicht leicht vermissen, was irgend nur aus
den Scholiasten zu gewinnen war.
Die hier geübte, auf Grund der Tradition fufsende Texteskritik ist
streng conservativ; über die in ihr befolgten Grundsätze gibt ein Aufsatz
des Verf.'s im Rhein. Mus. XIX. 2. Heft (1864) „Vorwort zum ersten Tlieil
einer Ausgabe des Horaz^ näheren Aufschluss. Zunächst ist die Annahme
Horatii carm. ed. 0. Keßer et A. Holder, ang. v. W. HaHd. 27
Ton Interpolationen ganzlich bei Seite gelassen, da sie in der B^l
nur durch lesthetische Argumente, welche nicht unter die solidesten kriti-
schen Waffen zählen, sich vertheidigen lieljscn; Verdachtigongen , wie sie
C. I 20. 30. 37. n 17. 20. III 25 n. s. w. erfahren , hätte man nicht
nntemommen, ,,wenn man den Humor des Dichters verstanden und ge-
würdigt*' (vgL a. a. 0. S. 211) und das gesteigerte Pathos nicht misver-
standen hätte. Von dem Meinekischen Yierzeilen- und dem Martinischen
Antistrophengesetze, welche die Annahme von Athetesen zu unterstützen
scheinen, sei nicht viel zu halten; »gerade der Umstand, dass sie sich auf
unseren überlieferten Horaz nicht ohne Gewaltmafsregel anwenden lassen»
beweist, dass sie auf Illusionen beruhen. Für einige Zeit allerdings habe
der Machtspruch Lachmann*s die meisten Herausgeber im Bann der vier
Zeilen gehalten; doch könne es anders kommen*' (S.213). DemgemäTb fehlt
auch in der Ausgabe die strophische Abtheilung der betreffenden Oedichte
und Ton dieser Seite hielt den Herausgeber kein Bedenken ab, sich Butt-
mann's (vgl. Mützell's Zeitschr. XTITI. 843) allerdings auf Porphyrie sich
stützenden Ansicht anzuschliefsen und Carm. L 7 in zwei Gedichte zu zer-
legen, deren erstes V. 1—14, deren zweites 15—32 umfasst.
Von den mehr als 1000 Conjecturen, die bis jetzt zu den Oden
nnd Epoden gemacht und publiciert worden sind, wurden selbst die specio-
seren Vorschläge, die in guten Texten Aufnahme fanden, abgewiesen. Dar
hin zählen zunächst die Aenderungen an geographischen Namen, deren
Verwendung zu poetischen Zwecken man nicht richtig erfasste, wie I 2, 39
Marsi stett des überlieferten Mauri, I 25, 20 Euro statt Hebro, I 37, 20
Paeoniae statt Haemomae, 11 13, 15 Thynus und Thoenus für Poenus:
der Dichter meine mit einem cyprischen, bithynischen , pontischen Schiff
überhaupt ein gutes Schiff, mit dem Hebrus einen kalten Strom, der gerne
zugefriert, mit dem maurischen Krieger (pedes böte also keinen Anstofte?!)
einen wilden Soldaten u. s. w. So finden wir femer, um einige vielbe-
sprochene Stellen zu nennen, die Ueberlieferung geschützt in I 6, 19 sectiSy
I 12, 46 Marceüi, I 32, 15 mmque, 1 37, 24 reparavü (gegen mehr als 14
zu dieser Stelle vorgebrachte Conjecturen), n 2, 5 wterque Poenus, II 20, 13
nUior, HI 20, 6 ne statt Lachmann's vielgelobten hie. IV 2, 49 teque dum
procedis, io Triumphe! non semel dicemue, io Triumphe l IV 4, 25 iam lacte,
Hr. Keller föhlt sich überzeugt (vgl a. a. 0. S. 220), „dass sich die Theorie von
den kranken Stellen und den nothwendigsten Emendationen nur im klein-
sten Mafse auf solche Schriftsteller anwenden lässt, wo die Tradition so
reichlich flieM, wie bei Horaz." Demnach erfuhren nur einige wenige Stel-
len thoils durch Conjectur, theils durch Recipierung bis jetzt minder ge-
schätzter Lesearten einö veränderte Gestalt: I 4, 16 liest Keller: fabulae'
que Manes (cf. anthoL L. 1703, 10), I 7, 27 CMspice Teucri, 1 15, 36
igni9 Pergameas domos, I 23, 5 vepris, I 26, 9 Pimplea didcis, nä sine
ie mei prosunt, U 3, 11 quo et ohliquo, 11 7, 5 Pompei, 11 11, 24 in
comptum Lacaenae more comas religata nodum, II 17, 14 Gyas (cf. III
4, 69), in 4, 10 nutrids extra limina PuUiae, Ul 17, 5 ducit, HI 24, 4
terrenum ovitte tuis et mare publicum, Ul 26, 7 vcctes ei ascias, IV 4, 17
88 Horatii carni. ed. 0. Ketter et Ä, Holder, ang. v. W. Hartd,
Eaetis, IV 10, 5 Liffurine, Ep. I 5 ä, V 37 exsucta, 88 humana ifwicem,
X 22 iuoem.
Wichtiger als in diesen beiden Richtungen ihres Verfahrens ist die
Keller*sche Ausgabe dadurch, dass die für die Texteskritik des Horatius
wichtigste Streitfrage, welche vor nicht gar langer Zeit angeregt ward,
nun mit aller Entschiedenheit auf die Tagesordnung gesetzt wird. Be-
kanntlich hat schon Bentley die diplomatische Wichtigkeit des Blandinius
vestustissimus erkannt und widerholt hervorgehoben (vgl. zu S. I 6, 126
C. IV 7, 15 und epist ad Graevium); nach Bentley erklärten Lachmamt,
Meineke, Haupt ihn als Grundlage der Kritik. Bei dem heutigen Stande
der Wissenschaft wäre es ein leichtes, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit
dieser Annahme endgiltig zu entscheiden, wenn die famosen Blandinii uns
noch erhalten wären. Doch diese giengen wahrscheinlich im August des
Jahres 1566 durch die Bilderstürmer in Gent sammt dem St Peterskloeter,
dem sie gehörten, zu Grunde. Kurz zuvor hatte Professor Jacob Cruquiut
die Hss. nach Brügge geschickt erhalten, wo er mit Muflse ihre Lesarten
und Scholien excerpieren konnte. Auf den Horazausgaben des Cruquius,
über deren Zahl und Aufeinanderfolge wir bei einer anderen Gelegenheit
gesprochen (vgl. in dieser Ztschr. 1864, S. 597) '), auf den in ihnen an-
geführten Lesarten beruht unsere Kenntnis der Blandinii und vor allem
des antiquissimus. Nun gieng Cruquius, wie es zu seiner Zeit eben nicht
anders Sitte war, in der Zusammenstellung seiner annotatio eritica und
der Ausbeutung seiner Hss. nicht mit der heutzutage üblichen Akribie zu
Werke. Seine Collation ist all zu unvollständig, im Ausdrucke oft zu un-
genau, die erste und zweite Hand nicht immer genau unterschieden, als
dass die Reinheit und Ursprünglichkeit seines Codex vetutissimus auch
über allen Zweifel erhaben wäre. Th. Bergk trat zuerst mit seinem Ver-
dachte öffentlich hervor, indem er im Phil. XIIU. S. 389 folgende These
aufstellte: „Die Angaben des Cruquius über die von ihm benutzten Hss.
des Horaz beruhen zum Theil auf Fälschung; wie man darauf die Kritik
des Dichters basieren kann, ist mir nie begreiflich erschienen. Mir ftllt
also nicht ein, die Existenz jener Hss. und ihre Benutzung durch Crnquius
zu läugnen, sondern ich behaupte nur, dass man darauf nicht die Kritik
im Horaz gründen dürfe, weil sich sowol in den Angaben der Lesarten
als auch in den Scholien bei Cruquius handgreifliche Fälschungen finden.*
Den Beweis dafür zu liefern, nachdem manche Stimme für den ehrlichen
Cruquius sich inzwischen erhob (vgL Jahn. J. 1862, S. 727), versuchte
zuerst 0. Keller in seinem Aufsätze „Kritische Glossen zu Horaz" Rhein.
Mus. XVIII. S. 281; denn Bentley's sein wollenden Fortsetzer und Nach-
folger Schwerdt „Probe einer neuen Horazrecension" , der geringschätzig
an dem Codex vetustissimus Blandinius (vgl. S. 8) vorbei geht, kann ich
wol unerwähnt lassen. Zwar denkt auch Keller nicht bei gewissen Ver-
^ Berichtigend füge ich dem dort gesagten bei, dass die bis jüngst
noch für verschollen gehaltene Ausübe des 4. Buches der Oden von
Cruquius sich auf der königlichen Bibliothek in München vorfand;
K. Zangenieister, der durch RitschPs Verroittelung das Buch erhielt,
berichtet im Rh. M. XIX. S. 321-339 (1864) über dieselbe.
Horatii cann. ed. 0. KeUer et A. Halder, ang. v. W. Hrnid. 29
dächtigungen und falschen Angaben, die er entdeckt zu haben glaubt, an
eine absichtliche Täuschung Cruquius', sondern dieser „scheint sich viel-
mehr in solchen Fällen zu allererst selbst betrogen und sich weis gemacht
n haben, dass er in seinen Blandinischen Hss. wirklich das gefunden habe,
was er eben finden wollte.'
Gegen diese Ausführung richtet sich Zangemeister in dem oben be-
rührten Aufsatz und hat die Unrichtigkeit einiger Behauptungen Keller^s
wohl erwiesen. Namentlich scheint es bedenklich, wie dies Keller thut,
den Beweis nur auf die Oden und Epoden gründen zu wollen, die Satiren
und Episteln aber ganz bei Seite zu lassen. Indessen wollen wir nicht
Torachnell entscheiden und Holder's Prolegomena, welche die praef. p. X
in Aussicht stellt, abwarten.
Keller suchte nun, nachdem er dem Blandinius antiquissimus seine
eigentliche Bedeutung genommen, nach einer neuen Grundlage für die
Kritik. Die Gesammtheit aller Hss. zerfällt ihm in drei Classen, deren
jede einen eigenthümlichen , mehr oder weniger durch gegenseitige Beein-
flussung getrübten Charakter zeigt.
Die erste Classe zeigt keine Spuren einer systematischen Emen-
dation; die Fehler tragen mehr das Gepräge der Unabsichtlichkeit. Die
wichtigsten Vertreter dieser Reihe sind yr = Parisin. 7975 und Turiceus.
Carolin. 6; dazu kommen noch G = Pulmanns ältester Gemblacensis (in
unvollständiger CoUation), A =- Parisin. 7900 A, n — Parisin. 10310, ersterer
viele Lesarten der zweiten, letztere nicht wenige der dritten Classe ent-
haltend. In etwas sind auch yr durch eine Handschrift der dritten Ord-
nung in ihrer Eigenthümlichkeit alteriert. Diesen ersten Classen ist nun
vor allen zu folgen.
Die zweite Manuscriptenreihe trägt das Gepräge absichtlicher Emen-
dation und rührt diese nach dem Zeugnis der Subscriptio in einigen Mss.
von dem Dichter Mavortius (Consul im J. 527) her. Zu ihr gehören: B -»
Bemenais 363, a — Sangaliens, oppid. 10, X » Parisin. 7972, G = Gotha-
nus B. 61 (und der obige A zum Theil). Die Emendationen des Mavortius
nnd viel geschmackvoller ab jene der folgenden Classe. Zu ihnen zählt
Keller: m 24, 4 mare Ponticum statt publicum (weil Mavortius einen
guten Theil des Lebens in Ck)nstantinopel zubrachte!), IV 4, 65 mersus
profunda pulckrior evenit, IV 6, 10 aut impressa cupresaus Euro, Rich-
tige Lesarten fand Keller in diesen Hss. erhalten und setzte sie in den
Text: IV 1, 11 conUssabere, IV 2, 7 fervü, Epod. 16, 14 videre.
Die Hss. endlich der dritten Classe, in welcher das ignobile vulgus
von Schreibern, Mönchen u. dgl. seine conjecturale Weisheit und Unwissen-
heit niederlegte, sind vor allen U - Parisin. 7973, g — Paris. 8072, P —
die den Mss. tp = Paris. 7974 und ip — Paris. 7971 gemeinsamen Lesarten,
zum Theil nX und der Blandinius vetustissimus, wenigstens die Mehrzahl
der aus ihm angeführten Lesarten. Vielbesprochene Varianten dieser Ord-
nung wie I 12, 23 paretUum statt parentis, 11 20, 13 ociar statt notior,
m 5, 37 aptius statt inaciua, HI 18, 12 pardus statt pagus, Ul 23, 19
moUm statt maUivU, IV 5. 31 venu statt redit, IV 6, 17 victar statt
30 F, X, AUgayer, Zu KreW Antibarbanis, ang. ▼. M. Ott.
captis, IV 7, 15 pater Aeneas statt pius, IV 7, 17 vitae statt summae
wurden demnach bei Seite gelegt.
üeberhanpt kranken alle Horazhandschriften daran, „d^s j^^ ein-
zelne durch HinzufÜg^ng von Lesarten anderer Classen den ursprünglichen
Charakter ihrer eigenthümlichen Eecension mehr oder minder verwischt
hat, 80 dass stets nur bedingt behauptet werden kann, eine Hs. gehöre
einer bestimmten Classe an und dass man am Ende besser thäte, von
Lesartenclassen als von Handschriftenfamilien zu sprechen" (vgL
a. a. 0. S. 225). In diesem Geständnisse liegt allerdings etwas, das die
Resultate so langjähriger und mühsamer handschriftlicher Forschungen^
wie sie der Hr. Yt durchmachte, nicht besonders lohnend darstellt und
manchen Zweifel erzeugen könnte.
Was die Lesarten der Scholiasten betrifft, so weisen manche An-
gaben Porphyrio's auf einen anderen Archetyp, als den unserer Mss., hin,
und da enthalten sie allein das richtige (Vgl. I 20, 10. I 27, 5. III 6, 9.
IV 4, 36). Noch gröfseren Werth hat der sogenannte Acron*) in seinen
verschiedenen Redactionen, ohne jedoch wie Porphyrio auf einen anderen
Archetyp zu leiten.
An den Text der Oden und Epoden schliefst sich ein äufserst sorg-
sam gearbeiteter Index verborum S. 234 — 300 von Holder's Hand. Die
Orthographie endlich ist dem neuesten Standpuncte der Forschung voll-
kommen angepasst; wir lesen also: paelex, harena, erus, umor, discribere,
voltus, fuluos, flauom, aequos, oblicum, apstinens, optigit, querqueta,
Danuuius n. s. w.
Nach dieser Darstellung wird es der Versicherung nicht bedürfen,
dass wir es hier mit einer durchaus bedeutenden wissenschaftlichen Lei-
stung zu thun haben. Mag man auch über einzelne Puncto anderer Mei-
nung sein, das grof^e Verdienst wird man ihr stets zuerkennen müssen,
das kritische Material zum ersten Male in solcher Vollständigkeit und
üebersichtlichkeit zusammengetragen und in die chaotische Verwirrung
handschriftlicher Notizen einige Ordnung gebracht zu haben.
Wien. W. HarteL
Dr. J. Ph. Krebs, Antibarbarus der lateinischen Sprache. An-
hang: Zusätze und Berichtigungen von Dr. F. X. Allgayer, Gym-
nasialrector a. D. Frankfurt a./M. , Heinr. Ludw. Brönner, 1862. gr. 8.
Vin u. 821 S. — 6 fl. 60 kr. ö. W.
So grofs auch die Verdienste des Erebs'schen Antibarbarus um die
Lateinstudien sind, und so bereitwillig man anerkennen mag, dass er noch
heutzutage mit vielem Nutzen zu gebrauchen sei, so wird das einstimmige
ürtheil der Philologen und Schulmänner doch dahin gehen, dass das Buch
einer allseitigen und gründlichen Verbesserung nachgerade sehr bedürftig
geworden ist. Was seit den 21 Jahren, welche die dritte und letzte Auflage
') Richtigere Anschauungen über den Namen Acro und die Acron.
Scholien verdanken wir üsener ^de scholiis Horatianis im Ind. lect.
Bern, 1863, eine Abhandlung, die mir bei Abfassung meiner Becen-
sion 1864. S. 595 ff. dieser Zeitschr. noch nicht be^nt war.
J^. X. ABffoyer, Zu Krebs* Antibarbaros, ang. ▼. M, Ott. Sl
oniunehr hinter sich hat, für Textkritik der römischen Classiker geschehen
ist, wäre allein schon geeignet, zu mannigfacher Revision Anlass nnd Stoff
in bieten. Aber davon abgesehen sind die Fehler und Gebrechen, welche
dem Werke in Folge mangelhafter Beobachtung und Fixierung des langst
feststehenden Sprachvorrathes anhaften , so zahlreich und erheblich , dass
nicht leicht ein philologischer Schulmann dasselbe längere Zeit hindurch
gebrauchen wird, ohne ob den manchen Berichtigungen und den vielen
Zweifeln, die sich ihm dabei ergeben, zu einer gewissen mistrauischen Vor-
sicht im Gebrauch überhaupt bestimmt zu werden. Dass das Werk vor dem
Misgeschick des Veraltens bewahrt, mittels durchgreifender Verbesserungen
in seinem wohlerworbenen Ansehen und seiner lange bewährten Brauchbar-
keit wieder sichergestellt werde, war nicht nur um des verdienstvollen Hm.
Verf/s willen, sondern mehr noch im Interesse philologischer Wissenschaft
und Schule zu wünschen.
Hiezu ist durch die oben verzeichnete Schrift des Herrn Rectors AU-
gajer ein so umfassender und ergiebiger Beitrag geliefert worden, dass
man sich die Substanz seiner „Zusätze und Berichtigungen*' nur in den
Inhalt und Context des Antibarbarus aufgenommen und diesen darnach
umgestaltet denken darf, um das Bild einer bereits weit gediehenen Umar-
beitung des Werkes zu gewinnen. Der Ertrag, welcher dabei für verschie-
dene Zweige der Theorie des Lateinischen, für Lexikon, Synonymik, Gram-
matik und Stilistik abfällt, ist ein ansehnlicher, wie sich an einer Reihe
treffender Beispiele leicht erproben liefse. Indes gilt es hier zunächst zu
oonstatieren, dass Hr. A. durch seine grof^tentheils mit erschöpfender und
überzeugendster Gründlichkeit geführten Erörterungen dem alternden Werke
von Krebs zur Gewinnung neuer Gediegenheit und Brauchbarkeit den kräf-
tigsten Succurs geleistet hat. Der Werth dieser Erörterungen macht sich
von selbst, und nicht selten 4n überraschender Weise bemerklich, so in Ar-
tikeln von hervorragender Bedeutung wie auctor, cotnmendare , desperate,
Heere, distribuere, honor, idem, ititerdudere , nemo unus unter nvUus,
opmiOf pecunia, quotidie; bisweilen aber wird er durch eclatante Unrich-
tigkeiten Krebs'scher Lehre, die sich im Lichte derselben herausstellen,
noch besonders beleuchtet, z. B. unter a, ala, cognattOy coffnoscere, desinere,
maritus, guare, solvere, tenehrae. Das Ergebnis der Untersuchung ist in
den meisten Fällen, dass puristisch oder ohne sichern Grund angefochtene
Ausdrücke und Verbindungen für die richtige Latinität gewahrt werden ;
wobei einzelne Abschnitte des Antib&rbarus, wie über post (S. 4), causari,
degener, lex, mater, os als vollkommen halt- und gegenstandlos geradezu
über Bord fallen. Seltener hat sich die Veranlassung ergeben, gegen Aus-
drücke und Verbindungen, welche eine unverdiente Empfehlung gefunden,
Einsprache zu erheben und das bezügliche Gute und Beglaubigte geltend
zu machen, so unter inflammarCj interrogare (aententiam) , quisque, auinere,
— Zwar hat sich unser Hr. Verf. regelmäfsig nur zur Aufgabe gestellt,
schiefe oder mangelhafte Aufstellungen von Krebs zu berichtigen; doch sind
gelegentlich auch neue auf Abwehr von Barbarismen zielende Fragopuncte,
deren Zahl man gerne vermehrt sähe, zur Behandlung gekommen, so unter
derivare, locus, auspendere, vereor.
st Jh\ X: AUgayetf Zu Krebs* Antibarbaros , ang. ▼. M. OtL
Nach dieser Kennzeichnung des vom Hm. Verf. Gebotenen möge es
gestattet sein, seinen Ausf&hrungen einzelnes zur Ergänzung, beziehnngs-
weise Berichtigung beizufügen. — Zwischen älter und aUertUer wird denn
doch, wie von Heerwagen zu Liv. 21, 8, 7 geschieht, ein Unterschied der
Bedeutung zu statuieren sein. — Für die gute Auseinandersetzung über
altus und profundus (S. 15) sind drei sehr treffende Beweisstellen nachzu-
tragen: Tac. Ann. 2, 61: Nili profunda dlHtudOy und Liv. 31, 1, 5: iam
provideo animo, velut qui proximis littori vadis inducti mare pedibus in-
grediuntur, quidquid progredior , in vastioremme altitudinem t^yelnt
profundum invehi; Senec. Suasor. 1. init magna etiam Ooeano portenta,
quae profunda ista vastitaa nutrit. — Für den Singular amor — Lieb-
ling ist die von Hm. A. beigebrachte Stelle Cic. Verr. II, 4, 1, 3: ünde
igitur potius indpiam, quam ab ea civitate, quae tibi una i n amore atque
in deliciis fuit, nicht beweisend. Dagegen sind der aus Sueton angeführten
zutreffenden Stelle (Tit. 1: Titus cognomine patemo amor ac deliciae ge-
neris humani) einige weitere beizufügen. Auson. Csbs. 11 heifst Titus expera
civilis sanguinis, orbis amor und Lat. Pacat. Drep. paneg. in Theod. c. 11
amor generis humani; Eutrop. 7, 21 wird er gepriesen als vir omnium vir-
tutum genere admirabilis adeo, ut amor et deliciae humani generis di-
ceretuT. Wie man sieht, ist der Ausdmck bei den Alten stereotyp für Titus.
— Conqueri apud aiiquem ist nicht nur nachclassisch , sondem classisch,
vermöge Liv. 8, 33, 4: cum maxime conquereretur apud patres vim atqud
iniuriam dictatoris. Auiüserdem ist die Verbindung mit ad zu beachten, bei
Cic. Verr. U, 5, 67, 171: Si haec, non ad dves Rom., non ad aliquos ami-
eos nostrae civitatis, non ad eos qui populi Rom. nomen audissent, denique
si non ad homines vemm ad bestias , aut etiam .... si ad saxa et ad sco-
pulos haec conqueri ac deplorare vollem. — Unter consumere wird von A.
gelehrt, consumere äliquid aliqua re oder in (üiqua re werde gleich gut
verbunden. Damit soll Krebs' Lehre berichtigt werden, der sagt: „Etwas
auf etwas oder auf einen verwenden , mit etwas hinbringen , heifst eans,
ciiquid in al, re oder in ailiquo . . , nie, wenigstens bei Cicero nicht, aUqua
re*'. Nun wird freilich das consumere aliquid aliqua re von unserem ^n.
Verfl durch eine betrachtliche Anzahl Belegstellen aus Cicero und Cnsar,
und durch eine noch gröfsere aus Livius für die classische Latinität voll-
kommen vindiciert; und soweit ist er, wie gegen Krebs, so auch gegen
Madvig (zu Cic. Fin. 5, 19, 53), dem sich Seyffert (Pal. Cioer. 145) an-
schlieXist, entschieden im Recht Indes hat Seyffert a. a. 0. ohne Zweifel
den ciceronianischen Sprachgebrauch richtig getroffen, wenn er für unser:
etwas an-, auf-, verwenden für etc. nur die Construction in mit dem Ablat.
zulassen will. Denn in allen von Hm. A. aus Cicero angeführten Stellen
bedeutet cons, aiiquid al, re nur: eine Zeit mit etwas hinbringen, verbrin-
gen, eine Zeit vergeht, verstreicht mit etwas. Mit den zwei aus CsBsar ent-
nommenen Stellen verhält es sich ebenso. Unter der grollen Anzahl von
Liviusstellen erheischt oder gestattet zwar die eine und andere die üeber-
setzung mit verwenden auf etc.; aber, eine einzige Stelle (41, 27, 10) aus-
genommen, ist das im Accusativ stehende Object immer ein Zeitbegriff.
Erwägt man nun, dass das Gleiche an sammtlichen Stellen bei Nachclassi-
F. X. AUgayer, Zu Krebs* Antibarbarus, ang. ?. M, OU, Ht
kern, die Hr. A. citiert, der Fall ist, vergleicht man damit im Lexikon von
Klotz die groite Menge von Beispielen, namentlich ans Cicero^ in welchen
die Constmction in al, re in der Bedeutung: auf, für etwas verwenden,
mit geringen Ausnahmen einen anderen Objectsaccusativ als den eines Zeit-
begriffes aufweist (Verbindungen wie aetcUem, totum diem u. dgl. consu^
mere in al, re » auf etwas verwenden, sind natürlich nicht ausgeschlossen),
nimmt man hinzu, dass die besagte Ausnahmsstelle des Livius einem Ca-
pitel angehört, das der Textkritik zahlreiche starke Blöfsen bietet, so wird
ein Zweifel an der Echtheit des hier befindlichen coftsumere aliquid cd. re
(statt in (ü. re) wol erlaubt sein; jedenfalls ist es bei Peststellung einer
Begel über die Construction von consumere unbrauchbar; und unser Re-
sultat ist somit: in der Bedeutung verwenden für, auf etc. ist die Con-
struction consumere aliquid al. re zum wenigsten dann unzulässig, wenn
es nicht ein Zeitbegriff ist, der als Object in den Accusativ zu trelen hat —
Dem dare coenam, epulum, eptäas, prandium (S. 35) gesellt sich aus Cic.
PhiL 2, 6, 15 bei : dat nataliciam in hortis, er gibt einen Geburtstagschmaus.
Ausser dominum dare aiicui, was in der Bede pro Scauro neunmal vor-
kommt, gebraucht Cicero malum dare alicui, Verr. II, 2, 10, 27: cohora
tota iUa, quae plus mali dedit Siciliae, quam si centum cohortes fugiti-
vomm fuissent; so auch Horaz, Carm. 3, 6, 7: di multa neglecti dederunt
Hesperiae mala luctuosae; wozu man beiziehen kann Auct. ad Herenn. 4,
26, 36: eam quomodo victoriam appellem, quae victoribus plus calam.tatis
quam boni dederit; vgL Xen. Mem. II, 2, 7: rj&ij ntonoxf ovv ? Saxovaa
jtttKov ri aoi t^mxiv rj laxtiaaatt, damit tritt das damnutn dare aus seiner
Vereinzelung als technischer „Ausdruck der juristischen Sprache'' doch
einigermafben heraus; und noch mehr dürfte es an seiner Eigenart ver-
lieren, wenn man in Betracht zieht, dass dare bei Livius zu verschiedenen
Phrasen im Sinne von facere verwendet erscheint, die nur gerade nicht
bedeaten: ein Uebel anthun; impetum dare Liv. 2, 51, 4. 3, 5, 10. 4, 28, 1;
impressionem dare 4, 2b, 6; stragem dare 4, 30, 8. 4, 33, 8. 7, 23, 10.
8, 30, 6. 21, 33, 8 (vgl. Fabri zu dieser St.); cuneum dare 22, 47, 8^
ebenso Virg. Aen. 12, 575; dare viam Liv. 3, 48, 3 (vgl. Weifsenbom z.
d. 81). — Den unter detrectare für unser: Gehorsam verweigern gege-
benen Phrasen möchten sich anschliefsen spernere imperium und aspemari
imp., nach Liv. 41, 10, 9: ab eo quoque spretum consulis imper.um est,
und 6, 4, 5: et primo fremitus aspemantium imperium. — Feims reliqyMi
(diquem in die dichterische und späte Latinität zu verweisen ist nicht
nöthig, es kann classische Geltung beanspruchen durch Cic. Att. 8, 6, 5:
Tironem nostrum ab altera (sc. quartana) relictum audio. — Die zwei Citate
für florens, von der Rede oder einem Redner gebraucht, werden sich mit
Vortheil an die reichhaltige Auseinandersetzung Nägelsbach's (StiL 2. Aufl.
361) über den tropischen Gebrauch von florer e und florem anlehnen, und
zur Vervollständigung stehe hier nur noch florens von einem Historiker
pradiciert bei Tac. Ann. 3, 30: C. Sallnstius, rerum Rom. florentissimus
auctor. — Conjux — der Gemal findet sich bei Tacitus nicht nur Ann.
3, 34, wie Hr. A. angibt, sondern auch Ann. 13, 44. -- Den Belegstelle
Ztiuchritt f. d. öst«rr. «Jyuio. 1S65. i Ueft. 3
84 F, X. ÄUgayer, Za Krebs' Antibarbaras, ang. v. M. Ott.
für üerare in der einfachen Bedeutung: wiederholen, dürfte angereiht wer-
den Liv. 9, 22, 6 iterare proelium und 6, 32, 7 iterare pugnam, wofür Li-
vius sonst integrare pugnam u. dgl. gebraucht — Neben morti vicinus und
adtnottis supremis, wofür ja nur eine Beweisstelle aufzubringen ist, wird
das maturo propior funeri bei Hör. Carm. 3, 15, 4 einen Platz verdienen.
Da immerhin für unser dem Tod nahe der congruente Ausdruck bei latei-
nischen Autoren höchst spärlich vorliegt oder beinahe fehlt, so mag auf
einen jezuweilen ganz brauchbaren Ersatz hingewiesen werden, der sich in
der gut gebräuchlichen Wendung mors propitiqtM alicui u. dgL darbietet
Cic. de div. 1, 30, 65: Hectoris, qui moriens propinquam Achilli mortem
denuntiat; ib. 64: appropinquante morte; Id. Fin. 5, 11, 31: mors quam
appropinquet; Sali. Fragm. Kritz 11, 49: cuius aetati mors propior erat —
Wo antiker Anschauung ein Ausdruck vorliehen werden darf, ist für 'eines
natürlichen Todes sterben' auch fato obire nach Tacitus Ann. 6, 10.
14, 62 und sonst gut zu gebrauchen — Für „mit leichter Mühe, ohne grofse
Mühe (Arbeit)" hat unser Hr. Vf. facüi negotio aus Aurel. Victor und levi
negotio und levi labore aus Amm. Marcellinus in Bereitschaft. Beizufügen ist
Sen, Ep. 76, 4: ne levi quidem opera aut parvo labore cognoscitur. Aber
auch das von Krebs verworfene und von unserem Hrn. Verf. nicht in Schatz
genommene parvo negotio dürfte durch Cic. Verr. 11, 5, 68, 175: omamenta
ista et beneficia populi Rom. non minori negotio retinentur quam oom-
parantur, hinlänglich gedeckt sein. Warum sollte auch der Lateiner mn
parvo ne^o^io schlechterdings missen? Krebs will für die bewusste deutsche
Phrase nur ntdlo negotio oder sine ^negotio zulassen, aber dass sie mit dem
einen oder anderen unter allen Umständen gleichbedeutend sei, kann ihr
doch nicht zugemuthet werden. — Opinionis aiiciijus esse , was Hr. A.
„sich nicht erinnert irgendwo gelesen zu haben", lässt sich wenigstens mit
Colum. 2, 11, 6 belegen, wo es heifst: cujus opinionis etiam Cornelius
Celsus est; übrigens bleibt des Hrn. Verf.'s Darlegung und Begründung
des Unterschiedes von alicujus sententiae und in opininne (ü. esse in ihrem
vollen Recht und Bestand. — Mit (pacis) dicere leges, was als der eigent-
liche Ausdruck für: Bedingungen vorschreiben, dictieren (S. 102 f.) statuiert
und reichlich belegt wird, kommt in der Bedeutung wesentlich überein
eges imponere, wofür u. A. zu verweisen ist auf Cic Fam. 16, 12, 4: id
pi fecerit, s^Mis est pacis non honestae — leges enim imponuntur; Liv. 21,
41, 9 : qui graves iuipositas victis Carthaginiensibus leges fremens maerens-
que accepit; vgl. Virg. Aen. 6, 852: pacis imponere morem. — Der Artikel
über a primo dürfte ausfallen, da die gegebene Berichtigung nicht zutref-
fend scheint; vgl. Cic. PhiL 2, 30, 75 und dazu Halm. — Zu den zwei
aus Tacitus geschöpften Belegstellen für procul habere kommt als weitere
Tac. Ann. 6, 32: arma procul habere, und vielleicht auch Sali. Cat 4:
actatem a republica procul habere. — Unter remitiere wird gelehrt, „dass
der Ausdruck: etwas im Studium u. s. w. nachlassen lateinisch durch
remütere aliquid alicujus rei oder rem, aliquid de oder ex al. re zu geben
sei". Dieser Satz bedarf der Ergänzung, dass remütere im angegebenen
Sinne mit de oder ex cd. re auch ohne hinzutretenden Accusativ eines
Theilbegriflfes, wie nliquid, nihü, muJtum u. dgl. verbunden werden kann.
F X. JUgayer, Zu Krebs' Antibarbaros, ang. v. M. Ott. S5
Ofi. B. Q. 5, 59, 6 : aequo animo remittcndnm de oeleritate czistimabant.
CicL Verr. II, 3, 35, 82: illam — remitiere de summa non potuisse, wofür
unmittelbar vorher summas imminuere steht; ib. in illo repreheuditur, quod
ex ea pecunia remiserit; ib. qui de capite vectigalium remisisti (wofür es
im Torhergehenden Paragraph demere de capite heifst). Liv. 4, 43, 11:
quin illi remittendo de summa quisque iuris mediis copularent concordiam.
Auch verdient Erwähnung, dass die Verbindung remittere aliquid ab cH.
re nicht ohne Beispiel ist; Liv. 6, 24, 10: nihil neque apud duces neque
apud milites remittitur a sunimo certamine. Sofort ist eine weitere Bedeu-
tung von remittere zur Sprache zu bringen. Diese ist : nachgeben, ablassen,
den Widerspruch, Widerstand aufgeben. Liv. 6, 36, 6: remittentibus tri-
bunis plebis comitia per interregem sunt habita, vgl Weifsenbom z. d. St
In dieser Bedeutung nimmt es auch die Construction de oZ. re (in Betreff,
in einer Sache) an, wie Liv. 5, 12, 13: hac victoria comitiorum exultantes
triboni plebis — de tributo remiserunt. Aber auch mit dem Accusativ kann
dies remätere, vermöge einer Prägnanz, verbunden werden. Liv. 6, 17, 6:
remisso, id quod erepturi erant, ex S. C. Manlius vinclis liberatur, nach-
gebend, der schroffen Haltung entsagend, räumte man ein, gewährte man.
Aehnlich Liv. 6, 18, 7: ius ipsi remittent, das (in Anspruch genommene,
angemafete) Recht, den Rechtsanspruch aufgeben, davon ablassen. Hiemit
ist ohne Zweifel auch die richtige Erklärung von Cna. B. C. 3, 17, 2: si
hoc sibi remitti vellent, remitterent ipsi de maritimis custodiis, an die Hand
gilben. Wenn daher der Hr. Verf. behauptet hat, „dass remittere de aU'
qua re (C»8. B. C. 3, 17, 2: si hoc sibi etc.) — ist, an einer Sache gänzlichen
NacSüass, d. h. ein gänzliches Aufhören derselben eintreten lassen, wie Held
a. B. 0. richtig bemerkt**, so dürfte er jetzt wol geneigt werden, die ziem-
lich mühsame und geschraubte Erklärung, der er hier das Wort geliehen,
mit der oben angezeigten einfacheren und einleuchtenden zu vertauschen. —
^Eigidus in dem bildlichen Sinne von streng , rauh , finster" kann sich
weiterhin berufen auf Tacitus, Ann. 16, 22, wo die Rede ist von des Pätus
Thrasea sectatores rigidi et tristes. — Venia — Erlaubnis hat Livius auJüser
33, 11, 3 auch 7, 2, 9: Livius post aliquot annis.. venia petita puerum
ad canendum ante tibicinem cum statuissct etc.
Diese Nachträge zu unserem „Anhang**, die theils zur Bestätigung
und Sicherung, theils zur Berichtigung seines Inhaltes dienen sollen, kön-
nen wir nicht schlieTsen, ohne zu erinnern, dass auch nach den vielen sehr
dankenswerthen „Zusätzen und Berichtigungen'' der Antibarbarus noch
mancher theils leichterer, theils eingreifenderer Verbesserungen bedarf.
Dass unser Hr. Verf. dem Buche auch fernerhin seine hilfreiche bessernde
Hand leihen werde, darf wol mit Grund gehofft werden. Ob aber gleich
sein „Anhang" so bedeutenden Gehalt und Werth besitzt, dass er neben
dem Krebs'schen Buche jetzt schon als ein ganz unentbehrliches Hilfsbuch
erscheint, so wird doch die Behauptung nicht fehlgegriffen sein, dass der
beiderseitige Gewinn sich wesentlich steigern würde, wenn die bereits vor-
liegenden wie die zu hoffenden Ergänzungen und Verbesserungen einer
neuen gänzlich umzuarbeitenden Auflage des Antibarbarus einverleibt wür-
den. Da eine solche ein allgemein anerkanntes Bedürfnis ist, und da su
3*
86 Ni .. . re Sebriften aber Tergleieh. Mjrthologie, ftng. t. H. Sieinthtü,
solcher Arbeit unser Hr. Vf. seinen entschiedenen Beruf documentiert hftt,
80 können wir zum Schlüsse den Wunsch nicht unterdrücken, aus seinen
erprobten Händen recht bald einen umgestalteten und yeijnngten Anti-
barbarus hervorgehen zu sehen.
Rottweil am Nekar. Prof. Dr. M. Ott
ITeuere Arbeiten über vergleichende Mythen-
forschung.
Adalbert Kuhn. Die Herabkunft des Feuers und des Götter-
trankes. 266 S. Berlin, Dümmler, 1859. — 1 Thlr. 20 Sgr.
Desselben: Sagen, Gebräuehe und Märchen aus Westphalen und
den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands. 2 Thle. 692 S. Leipzig,
Brockhaus, 1859. -- 3 Thlr.
W. Mannhardt. Germanische Mythen. 760 S. Berlin, Perd.
Schneider, 1858. — 4 Thh".
Desselben: Die Götter der detitschen und nordischen Völker.
Vm u. 328 S. Berlin, Schindler, 1860. — 2 Thh".
F. L. W. Schwartz. Der Ursprung der Mythologie, dargestellt
in griechischer und deutscher Sage. XXIV u. 299 S. Berlin, Herti
(Besser'scheBuchh.), 1860. - 1 Thbr. 21 Sgr.
Desselben: Der heutige Volksglaube und das alte Heidenthom.
Zweite Auflage. XV u. 142 S. Daselbst, 1862. — 24 Sgr.
Fr. Windischmann. Zoroastrische Studien. Abhh. zur Mytho-
logie und Sagengeschichte des alten Iran. Nach dem Tode des Verf.'s
herausgegeben von Fr. Spiegel. XII u. 324 S. Berlin, Dümmler,
1863. — 2 Thlr. 20 Sgr.
M. Br6al. Hercule et Cacus, 6tude de mythologie comparfie.
Paris, Durand, 1863. — 3 Frcs.
Während gegen die vergleichende Sprachforschung sich keine Stimme
mehr erhebt, wollen die meisten unserer Philologen, und darunter vor-
treffliche Manner, die vergleichende Mythenforschung noch immer nicht
anerkennen. Ja Welcker (Griechische Götterlehre S. 46, 48) spricht sich
gegen dieselbe in einer Weise aus, die Verwunderung erregen muss. Denn
er gesteht nicht blofs überhaupt die ursprüngliche Einheit der indoger-
manischen Völker und Sprachen zu, sondern in zwei wichtigen FäUen lässt
er sogar auch innerhalb der Mythologie die Hilfe der altindischen Hymnen
(Veda) zu; er lässt es sich gefallen, dass Zevg und d^eos aus der Sprache
der Veda erklärt werden. Sollte man nun wol glauben, dass derselbe Mann
in dem Versuche, auch Hermes, die Erinnyen u. s. w. nach Namen und
Wesen aus denselben Veda zu erklären, nichts anderes sieht als „die immer
neu erwachende Sucht, in irgend einer neu beliebten Richtung der Wurzel
und Bedeutung griechischer Götter- und selbst Dämonen-Namen in wei-
testen Formen nachzuspüren V" Scheint hier Welcker nicht sich selbst gänz-
lich vergessen zu haben? Denn vor Alters konnte man meinen, Indien
liege „in weitester Feme" von Griechenland; für denjenigen aber, der
Neaere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. y. H, Steinthal, 87
Bopp*8 vergleichende Grammatik nicht für eine individuelle Thorheit hält,
also auch für Welcker, liegt ja sogar Litauen und Island ganz nahe an
Indien! Und kann man eine Richtung „eine irgend neu beliebte" nennen,
in welcher die Forscher in Petersburg, Kopenhagen, Paris, Nordamerika
mit denen in Norddeutschland, und diese mit denen in Süddeutschland
und der Schweiz so übereinstimmen, dass sie ihre Ergebnisse nicht nur
gegenseitig anerkennen, sondern auch ergänzen, prüfen, verbessern? Setzt
ein solches Verhältnis nicht voraus, dass die Bichtung dieser Männer in
dem objectiven Zuge der Wissenschaft ihren Grund hat? dass sie sich auf
festem Boden in fester Ordnung (Methode) bewegt? Und die Ergebnisse
soldier Bichtung will man zusammenstellen mit den Einfallen Zoega^s^ von
denen nicht blo& heute niemand mehr etwas weiXs, sondern an denen auch
zu ihrer Zeit niemand aufser ihrem Urheber Theil nahml
Liest man, was Welcker im Anfange seiner Einleitung sagt (S. 8—10),
80 sollte man meinen, er werde sein ganzes Werk auf die Veda gründen.
Ich will ihn nur selbst reden lassen ; denn ich kann es nicht besser sagen :
«Von der neuen vergleichenden Sprachwissenschaft aus ist ein grofsea
Licht auf alte Geschichte und Mythologie gefallen, besonder?
auch auf die Griechische ... In Hinsicht des ursprünglichen Cultur-
itandes der arischen (oder indogermanischen) Völker ist besonders bemerkcns-
werth die Gemeinsamkeit der Wörter für Feldfrüchte, Gerste oder Spelt
oder Getreide,. C^ce, für die zahmen Thiere, fhr die Familienglieder, für das
Haus, das Pflügen, das Weben, auch das Mahlen.** Femer g^bt es gemein-
same Namen für Haus und (harten, Stadt und Dorf; für Metalle und Werk-
zeuge, für die drei wilden Thiere Bär, Wolf und Schlange, für Nachen
und Ruder (nicht Meer) und endlich für die Zahlen von eins bis hundert.
Hiernach sagt Welcker weiter: „Auch in der Mythologie wird das Gemein-
same in Hauptsachen und besonders auch in charakteristischen Neben-
zügen immer reiner und bedeutender hervortreten . . . ; und ebenso werden
Untersuchungen . . . aus dem Heldenlied arischer Völker einfache Grundzüge
mythischer Natur, auf die es wie geimpft ist, Erinnerungen aus der ge-
meinsamen Heimat in bestimmtem Zusammenklang erkennen lassen. Auf
eine wunderbare Einstimmung der Bechtsformen und Sätze in verschiedenen
Ländern dieses Volksstammes machte J. Grimm aufmerksam (Deutsche
Rechtsalterthümer). Bekannter sind die Gottesurtheile im Griechischen, in
Indien und in Deutschland. Wie die Kinderspiele in vielen Gegenden, wo-
hin der arische Stamm gelangt ist, dieselben seien, ist verschiedentlich
nachgewiesen worden." Und nichtsdestoweniger müssen sich 40 Seiten
später dieselben Männer, welche vorstehendes gelehrt haben, neben Zoega
stellen lassen! — Es kommen noch hinzu die vielen Uebereinstimmungen
in Sitten, Aberglauben und Gebräuchen der indogermamschen Völker (z. B.
in den Hochzeits-, überhaupt Heiratsgebräuchen, vgl Weber, Indische
Studien V, S. 410 f.), selbst in der Bauart ihrer Häuser (Kuhn, Zeitschr.
V, 454 f. VI, 239 t). Nun überlege man sich, welch ein Leben für das
einheitliche urindogermanische Volk aus so weit reichender, tief in die
innersten Verhältnisse eingreifender Uebereinstimmung seiner später abge-
fionderten Zweige mit Nothwendigkeit \orau8gesetzt werden rouss; wi^ jenea
J8 Neuere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. v. H. Steinthdl,
Volk gedacht werden muss als ein besonders Viehzucht und Ackerbau
treibendes, dessen ganzes Leben nach bestimmter Sitte und Ordnung ge-
regelt war; man überlege, welch hohen Grad von Civilisation es schon
erreicht haben musste, besonders aber, wie das Mafä und die Regel für
seine Anschauungsweise und seine Gesittung mythisch -religiös war, und
dann frage man sich, ob die Griechen, als sie sich vom gemeinsamen
Stamme trennten, noch in der Nothwendigkeit waren, nun erst „in selb-
ständiger Erflndxmg" die wesentlichsten Götter zu schaffen und „die ober-
sten Begriffe oder Haupteigenschaften ihrer Götter aus sich selbst heraus
in Namen auszudrücken** ; man frage sich, ob nicht die Griechen vielmehr,
als sie sich vom gemeinsamen Stamme lösten, schon eine Fülle mythischer
Combinationen und benannter göttlicher Persönlichkeiten mit davon ge-
tragen haben müssen.
Wenn nun Welcker trotzdem fest daran halt, dass „die Griechen,
gleichwie auch die anderen Völker, den Gedanken jedes Gottes, die Er-
scheinungen und inneren Erfahrungen, worauf ihre Religion sich gründet,
in ihrer eigenen Mundart aussprachen*' : so hat das seinen besonderen Grund,
der nicht verschwiegen wird. Dieser liegt in Welcker's Ansicht von der
Urreligion des Menschen, vom ursprünglichen Monotheismus und der Ent-
wickelung des Polytheismus. Auf diese Frage einzugehen, ist hier der Ort
nicht. Nur dies wollte ich zeigen, dass Welcker's Abneigung gegen die
vergleichende Mythologie einen apriorischen Grund hat. Wer nun nicht
dieselbe Ansicht vom Wesen der ursprünglichen Religion wie Welcker hat
(und die wenigsten Philologen werden sie haben!), der kann sich auch
nicht auf Welcker*8 Autorität gegen die vergleichende Mythologie berufen;
wer sie aber theilt, der hat sich allerdings zu fragen, ob er sie vor den
Thatsachen, welche die vergleichende Mythologie theils schon sichergestellt,
theüs wahrscheinlich gemacht hat, noch aufrecht zu halten vermag. Wir
könnten an einigen Mythendeutungen Welcker*s, eines Mannes von solcher
Gelehrsamkeit, solcher Kritik und Sinnigkeit, zeigen, wie alle diese Eigen-
schaften ohne die wahre geschichtlich - vergleichende Methode und ohne
gesunde historisch -psychologische Principien nur weitab vom rechten füh-
ren zu völlig haltlosen und blofs individuellen Meinungen. Jedoch auch
dies liegt ftür diesmal unserer Absicht fern.
Bevor wir versuchen einen Ueberblik über die neuesten Leistungen
der vergleichenden Mythologie zu gewinnen, müssen wir die in der üeber-
sicht genannten Werke einzeln charakterisieren.
Li jeder Beziehung die bedeutendsten sind die Arbeiten von Kuhn.
Wenn es sich um Forschungen in einer Wissenschaft handelt, die eben
noch im Entstehen ist, so dürfen wir an die Darstellung keine Forderung
stellen. Denn wo jeder Schritt vorwärts durch allseitige Schwierigkeiten
gehemmt wird: da ist an jedem Puncte eine allseitige Umsicht und Arbeit
nöthig, und man kann nicht geradeaus zum Ziele vordringen wollen. Es
soll also keine beschönigende Redensart sein, wenn ich sage: bei Kuhn
sind die Mängel der Darstellung Tugenden der Forschung. Nur durch
Excursc über Excurse gelangen wir hier vorwärts: ein ermüdender Gang,
aber von der Sache gefordert. Wer nicht blofs Ergebnisse sich aneignen.
Nenere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. v. U, Steinlhdl. ^m
sondern die Methode der vergleichenden Mythologie kennen lernen will,
besonders nni auch selbst forschen zn lernen, den verweisen wir an Knhn*8
Arbeiten.
Kuhn zunächst möge Windischmann genannt werden, weil anch
er unmittelbar ans den Quellen schöpft, und d. h. in unserem Falle : die
Quellen zugänglich macht Kuhn betrachtet auTser den altindischen, vor-
züglich den vedischen Mythen die griechischen, lateinischen und deutschen.
Windischmann beschrankt sich mehr auf die Erforschung der altpersischen
Mythen, was ohne ausführliche Berücksichtigung der altindischen nicht
müglich ist; weswegen diese viel&ch von ihm herbeigezogen werden. Be-
kannt ist, von welcher Wichtigkeit die religiösen Vorstellungen der Peiser
auch für die Geschichte des Judenthums und Ghristenthums sind. Die
Forscher auf diesem Gebiete werden dem verstorbenen Verf. für die üeber-
setzung und Erklärung umfassender Stellen aus den alten religiösen Schrif-
ten der Perser ein dankbares Andenken bewahren.
Br^al, ein Franzose, der im Zusammenhange mit den deutschen
Forschem arbeitet, gibt im angezeigten Buche eine Darstellung und Deu-
tung des bekanntesten, von den römischen Dichtem verherrlichten, römi-
schen Mythos. Die Aufgabe aber, die er sich gestellt hat, führt ihn mit
Nothwendigkeit viel weiter. Die einzig wissenschaftliche Methode der Deu-
tung eines Mythos liegt in dem Nachweise seiner Entstehung und wei-
teren Entwickelung oder Umgestaltung. Auch hierin gleicht der Mythos
der Sprache; von beiden gilt: ihr Wesen liegt in ihrem Ursprung und
Wachsthum. Um nun die Geschichte des Mythos zu finden, wie die der
Sprache, bedarf es der Vergleichung. Darum werden von Bröal die dem
vorliegenden römischen Mythos entsprechenden griechischen und indischen
Mythen herbeigezogen, um so die ganze Bildung und Geschichte desselben
zu entwickeln. So gelangt der Verf. zu einem wahren Mittelpuncte und
Kern der gesammten indogermanischen Mythenmasse. Die Einleitung aber
macht mit der Natur des Mythos im allgemeinen bekannt Aus der Wich-
tigkeit des behandelten Gegenstandes und der Klarheit der Darstellung
erfolgt der Werth des Breal'schen Buches von selbst *).
Mannhardt und Schwartz behandeln die deutsche Mythologie;
sorgfältige und umfassende Kenntnis, namentlich der deutschen Mythen,
aber auch der indogermanischen überhaupt, ist beiden Verf. zuzuerkennen;
aber sie arbeiten nicht in gleichem Geiste. Aus den indischen Quellen selbst
schöpft zwar weder der eine noch der andere; aber dennoch scheint mir
Mannhardt sich viel enger an Kuhn*s Weise anzuschliefsen, als Schwartz.
Ja dem Principe nach tritt ein Unterschied zwischen Mannhardt und Kuhn
nur an einem secundären Puncto hervor, nämlich in der Ansicht über die
heute noch im Volke lebenden Sagen, und ist hier sehr fein; blofs durch
den Mangel der Quellen-Studien in Bezug auf die indischen Mythen steht
Mannhardt unter Kuhn. Dass sich hieraus bei ihm manche Unsicherheit,
*) Von den verfehlten Einzelheiten scheint mir nur die von einem tüch-
tigen Forscher behauptete, aber doch unhaltbare Einheit des "0(}0^QOi;
mit ind. Vritra zu erwähnen.
(j 4(L Neuere Schriften über vergfleich. Mythologie, ang. v. H, Steinthai,
mancher Fehler im Einzelnen ergibt, ist unläugbar. Eben so sehr aber
ist auch nicht zu verkennen, dase hiervon abgesehen Mannhardt die Ver-
gleichung der Mythen mit grofser Sorgfalt und Feinheit ausgeföhrt hal
Seine Analysen sind scharf und seine Combinationen tactvoU; und im
Ganzen wird hier so viel Vortreffliches geboten, dass wir für einzelnes Ver-
fehlte wohl entschädigt werden. Da sich die meisten Philologen von der
rauhen Bahn, welche Kuhn sie führt, abgestochen fühlen werden: so ist
ihnen zur Einleitung in die vergleichende Mythologie Mannhardt vor-
eugsweise zu empfehlen. Dies gilt namentlich für die Germanisten. Die
Darstellung ist so vortrefflich, besonders so übersichtlich, wie sie in den
wissenschaftlichen Werken der Deutschen immer noch selten ist. Das später
erschienene Werk: ^Die Göttef der deutschen Völker** enthält vor der Be-
trachtung der einzelnen Grötter und Göttinnen, ihres Wesens und der «ich
an sie knüpfenden Mythen und Sagen, eine ausführliche einleitende Dar-
legung des Wesens der Mythen im Allgemeinen und der Gesetze ihrer Ent-
wicklung, femer eine kurze üebersicht der uralten indogermanischen Mythen
und der Entwicklung und Eigenthümlichkeit der deutschen Mythen. Diese
Capitel werden höchst geeignet sein, um classische Philologen und Qe>
manisten über die Grundanschauung der neuen Mythologie aufzuklären, und
können ausreichen, um sie vor vielen Irrthümem zu schützen. Wir wünschen
sehnlichst, dass ^ dem Vf. vergönnt sein möchte, recht bald die Fort-
setzung dieses Werkes zu veröffentlichen, welche die Demonen, die Welt-
schöpfung und den Weltuntergang, den Kosmos nach deutscher und nordi-
scher Vorstellung darlegen soll. — Wenn Mannhardt selbst dieses Buch
auf dem Titelblatte „eine Darstellung** nennt, so bezeichnet er sein frühcrea
Werk „Germanische Mythen" als „Forschungen**. Und hiermit ist allerdings
der verschiedene Charakter beider Werke richtig bezeichnet; doch fürchte
man auch in dem letzteren nicht etwa absto/bende Gelehrsamkeit Zwar
schon, dass diese „Forschungen**, von mehr als dem doppelten Umfange im
Vergleiche zu jener „Darstellung**, sich doch nur um zwei Götter bewegen,
um den Gott Thunar, nordisch: Thörr, und die Göttinn Holda, während
sein anderes Buch alle Gottheiten zur Darstellung bringt; schon dies, sage
ich, beweist genügend, dass in den Forschungen viel mehr auf das Ein-
lelne eingegangen wird, aber ohne dass die üebersichtlichkeit verloren
gienge. Das Inhaltsverzeichnis stellt die mit einander verglichenen mythischen
Züge in zwei Spalten in wörtlichen Parallelismus, und ein alphabetisches
Register erleichtert die Aufsuchung der Einzelheiten. Auch das ist nicht
willkürlich geschehen, dass gerade Thunar und Holda aus der Zahl der
Gottheiten herausgerissen sind; sondern da es dem Verf um die Dar-
legung der Methode zu thun war, so boten ihm gerade diese beiden mythi-
schen Gestalten Gelegenheit zu zeigen, wie sich die Methode nach der
Natur des Gegenstandes und der Quellen modificiert. Während fast sämmt-
liche Züge, welche das Wesen Donars ausmachen, in die Urzeit Eurück-
reichen und Vergleichung mit dem altindischen Gotte Indra erlauben und
zu ihrer richtigen Deutung fordern: ist die Gestalt der Holda nach Form
und Bedeutung in höherem Maf^e eigenthümlich deutsch und ihr Wesen aus
mittelalterlichen und neueren Ueberlieferungen zu begreifen. Hier bewegt sich
Neuere Schriften über Tergleich. Mythologie, ang. v. SL StewUhaL 41 '
die FoTBchung in engerem Kreise und nnr wenige, aber wesentliche Grund-
züge reichen in die Urzeit der Indogermanen. Ueberhaupt mag schon hier
bemerkt werden, dass die üebereinstimmung der Mythen der indogermani-
schen Völker vorzngsweise die Götter nnd Heroen betrifffc, während die
Göttinnen nnr eine viel abstractere Aehnlichkeit zeigen.
Was Schwartz betrifft, so moss ich, um mein Urtheil über ihn aus-
xnsprechen, zwischen der Grandanschauung vom Wesen des Mythos nnd
der Behandlung der einzelnen Mythen unterscheiden, wie innig auch diese
mit jener zusammenhängt; und nun meine ich, dass Schwartz im Einzelnen
wenig Vertrauen einflöM, während er doch das Princip richiiger erfasst
nnd ausgesprochen hat, als die meisten Mythologen. Buttmann hatte, wie in
der Grammatik, so auch in der Mythologie eine tiefe Ahnung des Richtigen,
wenn er sagt: «Nicht nur dass Götter seien, sondern auch dass diese und
jene bestimmte Gottheit sei, ist den rohen Völkern ein Gegenstand der
£r&hmng, so wie die Existenz dieses oder jenes Menschen*'. Dieser Grund-
gedanke, ohne den die Entstehung der Mythen durchaus räthseihaft bleiben
mnss und den sich der Mytholog nicht genug zu eigen machen kann, tritt
I. B. bei Max Müller viel zu sehr in den Hintergrund und vielleicht selbst
bei Mannhardt nicht hinlänglich bestimmt hervor. Aber Schwartz spricht
ihn entschieden aus, wenn er sagt (S. VI): ^Die mythischen Wesen in
Thier- und Menschgestalt sind nicht, wie man bisher gemeint, Bilder für
gewisse Erscheinungen; sondern dem Glauben der Urzeit gemäfis in der
Natur lebende und sich in den verschiedenen Naturerscheinungen bekun-
dende Wesen". Wollte nun Schwartz diesen Satz durch Deutung der Mythen
bestätigen und erklären, so musste er natürlich die alterthümlichsten , so
lu sagen, rohesten Formen der mythischen Anschauung hervorsuchen, wie
sie theils in den ursprünglichsten Gülten, theils in dem schlichten, der
Cultur und Poesie fem gebliebenen Volksglauben lebten und leben. Hier-
aus indessen würde sich für sein Buch kaum auch nur in der Auswahl
des Stoffes eine Eigenthümlichkeit ergeben; denn auch die anderen Mytho-
logen werden die Volks- und Cultus-Sagen nicht unbeachtet lassen. Nun
aber lässt er sich in dem Gefühle der Gewissheit seiner Sache weiter hin-
reifiien, als die nothwendige Nüchternheit verträgt Er bedenkt nicht, wie
wenig Bürgschaft jenes allgemeine Princip für die Richtigkeit der Deutung
im Einzelnen gewährt, und scheint zu glauben, der Beweis für den Sinn
eines mythischen Zuges sei geliefert, wenn er die Wiederkehr desselben
oder eines ähnlichen Zuges durch möglichst viele Mythen verfolgt und
überall mit Zugrundelegung desselben Sinnes zu einer Deutung gelangt,
die ihm wahrscheinlich oder gewiss ist Dagegen fürchte ich, dass selbst
in den Fällen, wo ich seine Deutung für gelungen halte, nur den wenigsten
Philologen mehr abgewonnen werden kann, als ein ungläubiges: „Es kann
sein". Sein Buch ist anziehend und anregend nicht blofs durch weit reichende
Combinationen, sondern auch durch die unläugbare Fähigkeit, sich in den
schlichten Sinn der Volkes zu versetzen; aber Schwartz versteht nicht zu
beweisen. Dadurch, dass er das Gebiet der griechischen und deutschen
Mythen verlässt und gelegentlich nicht bloXs auf Grenzgebiete übertritt,
sondern nach den fernsten Gegenden Streifzüge unternimmt, fordert er
42 Neuere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. v. H. SteifUhäl,
nicht blofs seine Sache nicht, sondern schadet ihr. Es ist gar nicht wahr-
scheinlich, dass alle Völkerstämme der Erde ihre Mythen in gleicher Form
bildeten, so wenig ihre Sprachen übereinstimmen. Zunächst ist festzuhalten,
dass dieselben Grenzen, welcl^e sich die Sprachforschung in der Vergleir
chung steckt, auch für die Mythologie gelten mOssen.
Auch dies jedoch ist es noch nicht, was ihn wesentlich von Kuhn
unterscheidet. Es liegt in folgendem: Weil es ihm um den Ursprung der
Mythen zu thun ist, so steht er eigentlich gar nicht mehr auf dem Boden
der Geschichte, den die Forscher von grö/berer Besonnenheit fast niemals ver-
lassen; sondern er betritt das schwierige Gebiet psychologischer Erklärung,
ohne das rechte Bewusstsein von dem Wesen und der Schwierigkeit dieses Un-
ternehmens zu haben. Darum weht in seinem Buche eine ganz andere Luft,
als in dem von Kuhn, und nach dem oben gesagten mehr Sturm, als Luft
Der Unterschied tritt uns in einem Puncte sehr handgreiflich entgegen«
Während nämlich Kuhn das höchste Gewicht auf Etymologieen legt, wie die
Mythologen von jeher mit vollstem Rechte gethan haben : verschmäht Schwarte
diese Hilfsmittel. Er sagt (S. XX): ^Etymologische Untersuchungen bietet
mein Buch nicht. Es ist dies ein Mangel, zugleich aber auch gewissermafSsen
ein Gewinn". (Fiel denn dem Verf., als er dies schrieb, nicht Leasings
erste Fabel „die Erscheinung" ein?) „Ich verkenne am allerwenigsten die
bedeutenden mythologischen Resultate, die namentlich J. Grimm und Kuhn
auf diesem Wege zu Tage gefordert haben; aber einmal dürfte gerade eine
Untersuchung, die parallel der etymologischen läuft, für die mythologische
Wissenschaft selbst um so förderlicher sein; dann ist auch gerade bei der
Mythologie nicht die Deutung aller Namen für das Verständnis in gleicher
Weise ergiebig. Menglada-monili laetabunda gibt eine Anschauung; bei
Berchtha oder Gharon ist es nach der Etymologie zweifelhaft, ob der Name
auf Sonne oder Blitz geht, und nur der Mythos entscheidet.* Von jedem
Worte aber gilt, dass es an sich von schwankender Bedeutung ist und erst
im Zusammenhange des Satzes einen bestimmt individualisierten Sinn erhalt ;
ist darum die Etymologie des Wortes für die Erkenntnis seines Gehaltes un-
wichtig? So mag immerhin auch der mythische Name erst im Mythos feste,
genauer begrenzte Bedeutung gewinnen; dennoch gibt erst die Etymologie
die sichere Grundlage ab für die Deutung des Mythos. Hiermit soll nicht
gesagt sein, dass jeder mythologische Forscher Etymologieen machen
soll; aber wol soll er die von Sachverständigen gemachten und von be-
fugten Richtern gebilligten prüfen und seinen Untersuchungen zu Grunde
legen. Denn etymologisieren ist allerdings nicht jedermanns Sache; es er-
fordert aufser eigenthümlicher Begabung auch noch vieler besonders darauf
gerichteten Uebung.
Die Vernachlässigung der Etymologie ist jedoch nur ein Symptom
und nicht der Grund der verschiedenen Betrachtungsweise Schwartz's.
Ebenso nicht Grund, sondern blofs Folge ist ein gewisser Mangel an Be-
stimmtheit der Anschauung. Alle mythischen Wesen gelten ihm als Gte-
mtterwesen, und meist wird ein bestimmterer Zug nur gelegentlich einge-
führt Der Mythos aber beruht auf ganz bestimmten Anschauungen; er
führt uns immer ganz besondere Dinge vor, diese oder jene Thierart^ diese
Neuere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. v. H. i^einthal. 48
oder jene Pflanze ; und an dieser Besonderheit liegt alles , sie ist zn er-
klären. Knhn verliert diese Aufgaben nie aus dem Auge ; für Schwartz ist
sie ganz secundär. So ist z. B. auf zehn Seiten (Urspr. d. Mjth. S. 171 — 181)
von den ^Gtewitterblumen" die Bede, und nur zum Schluss wird die Be-
merkung hingeworfen, ^dass meist noch specielle, bei den Wolkenbildungen
am Himmel hervortretende Momente mitgewirkt , um diesen oder jenen
Baum, diese oder jene Pflanze besonders heranzuziehen".
An einem Beispiele wenigstens mag der Unterschied, der sich so
zwischen Schwartz und Kuhn herausstellt, erläutert worden. Jede Seite
konnte dazu dienen; bleiben wir bei dem ohne besonderen Grund herausge-
griffenen Falle der (jewitterblume stehen. Auch das Famkraut, sagt Schwartz
(S. 176), ist eine Gewitterblume; denn es ist polnischer Aberglaube, dass
das Famkraut, um Johannis in der Mitternacht gebrochen, Reichthum und
die €Jabe der Weissagung verleihe; unter dem Brechen aber erhebe sich
Sturm und Donner. Sein Same macht nach deutschem Aberglauben un-
sichtbar, was sonst dem Wolkenhelm zugeschrieben wird**. Hierdurch, das
ist nicht zu läugnen, wird das Famkraut mit einer Reihe anderer Pflanzen
als mythisch verwandt zusammengebracht. Mehr aber ist auch wol kaum
geleistet. Besonders aber wird der Philologe den Beweis dafOr vermissen,
dass überall, wo Blumen im Mythos auftreten, eine Hindeutung auf das
Gewitter gegeben sei Dass „wir von den sich entwickelnden Gewitterwol-
ken sagen: dort blüht ein Gewitter auf, wird niemand als einen hinläng-
lichen Beweis gelten lassen, sondern nur als Erklämng daf&r, wie der
YerL auf seine Deutung verfiel; und so kann seine Ansicht nur als eine
ganz subjective erscheinen. Sie ist aber in der That mindestens unbestimmt,
und sie vermischt, was zu unterscheiden ist. — Dagegen lese man, wie
Kuhn (S. 219—224) das Famkraut als den zur Pflanze verwandelten Blitz
erweist, und vergesse nicht, dass diese fünf Seiten ihre feste Grundlage
auf den vorangehenden 218 Seiten erhalten. Denn auch insofem besteht ein
tie^^ifender Unterschied, dass bei Kuhn ein fester Zusammenhang zwi-
schen den besprochenen Einzelheiten herrscht, vermöge dessen eines das
andere stützt Er enthüllt nur eine in sich zusammenhängende mythische
Weltanschauung. Bei Schwartz fallen alle Einzelheiten auseinander, weil
das sie einigen sollende Band zu unbestimmt, inhaltslos, abstract bleibt.
Hier mag nun von Kuhn's Begründung nur ein Punct herausgehoben wer-
den. Nicht unmittelbar wird das Famkraut als Blitz gedeutet. Es tritt die
vermittelnde An^hauung des Blitzes als Vogels ein. Diese Anschauung ist
ausführlich bewiesen worden; und nun war es möglich sicher fortzuschrei-
ten. Nur was die Etymologie hierbei hilft, sei erwähnt. Unser Wort „Fam"
entspricht dem sanskrit. parna, welches zunächst Blatt und Feder be-
deutet, also eine ganz passende Benennung der betreffenden Pflanze abgibt,
wie es auch im Sanskr. eine für den indischen Mythos und Cultus sehr
wichtige Bauniart benennt, und wie ähnlich im Griech. das Famkraut nr^Qig
bei/Ist, welches ein altes Femininum zm jirfQuv ist. So begreifen wir nicht
blofs den Namen dieser gefiederten Pflanze, sondern damit zugleich ihre
Verwandtschaft mit dem Vogel, von welchem Kuhn vorher gezeigt hatte
wie er den Blitz darstellt.
44 Neuere SSchriftcn über vergleich. Mythologie, ang. v. H, SteifUhal.
Das Wesentliche aher, wodurch sich Schwartz von Kahn und den ande-
ren in der Ueherschrift genannten Autoren, überhaupt von allen oomparativen
Mjthologen unterscheidet, und woraus sich seine ganz eigenthümliche Betrach-
tungsweise ergibt, ist seine Ansicht von dem heutigen Volksglauben. Daas
dieser «gerade den ältesten Charakter der Mythologie unserer Vorfahren ^)
in seinen rohesten und einfachsten Formen" verrathe, mag man zugestehen;
aber man beachte wohl, was unter diesem Zugeständnisse begriffen sein
kann. Dass die alte Mythologie durch zwei Jahrtausende hindurch in voller
Treue , nicht bloXis ohne Einbufse , sondern auch ohne Umgestaltung be-
wahrt worden wäre, wird Schwartz nicht behaupten wollen; nur dies kann
er meinen, dass aus dem heutigen Aberglauben das alte Heidenthum sich
nach seinen wesentlichen Elementen reconstruieren lasse. Dass die so er-
haltenen Mythen einen rohen und einfachen Charakter zeigen, d. h« dass
die Bohheit im wesentlichen nicht etwa blofls aus nusverstehender Umge-
staltung in christlicher Zeit erfolgt ist, sondern dem alten Volksglauben
selbst angehört, ist ebenfalls richtig. Aber diese Bohheit und Einfachheit
ist eine relative, und man darf nicht übersehen, in Verhältnis zu welchen
andern Mythen sie hervortritt. Es kann aber nur dies behauptet werden,
dass der vom Volke bewahrte Mythos eine rohere und einfachere Form an
sich trage, als der von den Dichtern bearbeitete, wie er etwa in den bei-
den Edden vorliegt. Das hat Schwartz. übersehen. Er meint, der deutsche
Volksmythos zeige „den ältesten"*, d. h. den ursprünglichen Charakter, und
verrathe seinen Sinn und seinen Ursprung von selbst ; er meint, der deutsche
Abergkube eröfihe den Blick in jede Mythenbildung und gebe den Schlüssd
zur Mythendeutung überhaupt Das ist aber ebenso falsch, vne wenn je-
mand das Gothische für die indogermanische Ursprache erklären wollte.
Dieser Irrthum ist es, der llir Schwartz verhängnisvoll geworden ist;
der ihn aus dem Zusammenwirken mit den comparativen Mythologen her-
ausreifst und ihm eine ÜEdsche Originalität gibt Beruft sich Kuhn schlieft
lieh auf die Veden, so beruft er sich auf den heutigen Aberglauben. Dieser
Irrthum veranlasst, dass für Schwartz der Sinn des Mythos nur unmittel-
bar durch Ahnung zu erfassen bleibt; und indem hiermit jede Vermittelang
übersprungen wird; fallt auch Etymologie und Vergleichung und jedes me-
thodische Hilfsmittel weg.
Ich war weitläufig über Schwaitz, um so mein Interesse an seinen
Arbeiten und den Wunsch zu begründen, es möge ihm bei seinem klar er-
fassten Principe noch gelingen , sich in die richtige historische Betrach-
tungsweise hineinzudenken. Nur dies sei noch bemerkt: die germanischen
Mythen zeigen allerdings eine verhältnismäfsig höchst auffallende Durch-
sichtigkeit Indem alle ihre Gestaltungen ungleich weniger plastisch and
poetisch entwickelt sind, als die der griechischen Mythen, zeigen sie ihre
^) Statt .die Mythologie unserer Vorfahren" moss man sagen ,|die My-
then, die Mythenmasse, die mythische Weltanschauung unserer Vor-
fohren". Denn kein Volk als solches hat eine Mythologie, wie der
Mensch als solcher wol einen Körper und eine Seele, aber nicht eine
Physiologie und Psychologie hat, wol Sprache und Wortformen, aber
keine Grammatik.
Neuere Schriften über Tergleich. Mythologie, ang. ?. H. Steifdhäl, 45
arsprGngliche Beziehung aaf die Erscheinungen der Natnr und des mensch-
lichen Lebens viel weniger verhüllt als die letztem. Daher konnte ein Mann
wie Uhland, ein Mann mit solchem Sinne für Natur und die Verhältnisse
der einfachen menschlichen Gtesellung, die Mythen von Thorr, Donar, auch
ohne Vergleichung mit rielem Glücke deuten, wie dies kaum für einen ein-
zigen griechischen Mythenkreis möglich gewesen wäre ; und so konnte auch
Schwartz ohne die eigentliche vergleichende Methode in vielen Fällen sehr
glückliche Blicke thun. Wie sich mythische Vorstellungen und an diese
sieh anlehnende Gebräuche aus uralter Zeit, aus jener Zeit, da der indo-
gennanische Stamm noch ein Volk bildete, unter dem deutschen Land-
folke bis heute wesentlich unverändert erhalten hat, wird durch Euhn*s
genannte Arbeiten bis zur Gkwissheit erhoben. Der conservative Charakter
des meniichlichen Geistes zeigt sich hier in einer Macht, die vor zwei Jahr-
zehenten kaum glaublich erschienen wäre. — Fragen wir nun nach den
vorzüglichsten Ergebnissen der vorgeführten Arbeiten für die Ergründung
der Mythen der classischen und der germanischen Völker.
Zuvor jedoch noch eine allgemeine Bemerkung, um möglichen Mis-
verstindnissen zuvorzukommen. So gewiss alle indogermanischen Sprachen
trotz ihres einheitlichen Ursprunges dennoch jede ihre EigenthÜmlichkeit
in der Behandlung der Laute, der grammatischen Formen nach ihrer Bil-
duttgsweise und nach ihrer Bedeutung, wie endlich in den Constructionen und
im Satzbau zeigt: so bildet auch die Mythenmasse jedes dieser Völker ein
eigenthümliches System mythischer Weltanschauung. Und wie es dem-
gera&fiEi wol kommt, dass irgend eine Form in der Specialgrammatik eine
andere Bedeutung trägt, als die ihr zu Grunde liegende Form der indo-
gennanischen Ursprache hatte; so schattet sich auch die Bedeutung eines
ursprünglichen Mythos in den verschiedenen Mythenganzen der gesonderten
Völker mannigfach ab. Dass Demeter im griechischen Mythos eine Erd-
göttin ist, laugtet niemand; aber hieraus folgt nichts filr das, was sie war,
bevor sie ihre besondere griechische Gestalt annahm, und wovon noch
Spuren genug übrig sind. Denn die Mythenmassen der Völker sind kein
in sich widerspruchsloses System. Wenn daher dem Gefühl des Hellenisten,
der sich in die Homerische Anschauungsweise und in die des späteren, ent-
wickelteren hellenischen Geistes versenkt hat, die Deutung des compara-
tiven Mythologcn schroff entgegensteht: so ist wohl zu beachten, dass jenes
Gefühl wie diese Deutung, jedes für seinen Kreis, richtig sein kann, und
dass der Widerspruch durch Nachweis der geschichtlichen Entwickelung zu
vermitteln ist Ueberhaupt aber ist immer festzuhalten, dass vergleichende
Grammatik und Mythologie geschichtliche Disciplinen, Geschichte der
Sprache und des Mythos sind.
So wird nun wol die Verwunderung, welche sogleich das hier voran-
zustellende Ergebnis erregen kann, sich nicht bis zur Ungläubigkeit stei-
gern, nämlich: dass die Unterscheidung in Himmel-, Erd-, Meer- und
unterirdische Götter, so berechtigt sie auch für die griechische Mythologie
sein mag, dennoch nicht ursprünglich ist, dass man in der Urzeit nur
himmlische Götter kannte, welche zugleich Luft, Wasser und Erde beherrsch-
ten. Die Erd- und Meergottheiten waren zuvor himmlische und sind auf
46 Neuere Schriften über vergleich. M}iihologie, ang. v. H. SteitUhäi.
die Erde und in das Meer herabgezogen worden. Vortreffliche Forscher
sind zwar der Ansicht, dass das älteste Götterpaar der Vater-Himmel und
die Mutter-Erde gewesen seL Ich habe mich von der Richtigkeit dieser
Ansicht noch nicht überzeugen liönnen und meine, dass überall wo uns eine
solche Vorstellung von Himmel und Erde begegnet, sie den Anfang priester-
licher Reflexion bezeichnet, nirgends aber im Volksgeiste lebendig gewesen
ist. Auf diese Frage weiter einzugehen, ist jedoch hier nicht der Ort.
Wenn nun die Sphaeren des Universums als Anhaltspunct für eine
Gliederung der Gottheiten abzuweisen sind, sobald es sich um die ver-
gleichende Mythologie, d. h. um die ursprüngliche indogermanische Mythen-
masse handelt: so haben wir uns hier nach anderen Gesichtspuncten um-
zusehen, von denen aus sich die Massen gruppieren lassen. So weit ich die
Thatsachen überschaue, und wie ich sie auffasse, scheint es mir, als wenn
sich sämmtliche Mythen zu drei Gruppen sonderten. Diese sind freilich
nicht absolut geschieden, da der Mythos die Göttergestalten aus der einen
Gruppe in die andere führt. Dennoch hat jede ihren besonderen Mittelpunct
und trägt einen besundem Charakter, an dem jede in diesen Kreis gehörende
Bildung Theil hat In der einen Gruppe handelt es sich um die Sonne als
Tagesgestim. Helios liefert hier den Mittelpunct, um den sich die anderen
Crottheiten der prächtigen Lichterscheinungen schaaren, wie die Eos, die
Aphrodite, die Chariten, der Eros, die Dioskuren und die Helene, auch die
Selene (der Mond scheint ursprünglich wenig beachtet worden zu sein).
Dieser Kreis trägt einen lyrischen Charakter und aUe seine Gebilde sind
sanft und zart Da er in den oben genannten Werken nicht zur Sprache
kommt, so möge diese Andeutung genügen.
In der zweiten Gruppe handelt es sich um das Licht als welterhal-
tendes und zeugendes Element, oder vielmehr um das Feuer mit seinem
Glänze und seiner Wärme, an das sich unmittelbar auch das Wasser schlieM.
Denn auch das Wasser glänzt und befruchtet. Sowohl das Feuer aber wie
auch das Wasser stammt von oben: und bestinmiter gefasst handelt es sich
hier um Blitz und: Regen. Der Blitz wird dann weiter an die Sonne ge-
knüpft, und der Regen an die Wolke. Aber auch der Blitz stammt ja aus
der Wolke; und so bildet sich die Vorstellung von einem Aufenthalte des
Feuers im Wasser. Oder die Wolke ist die Gattin der Sonne und gebiert
das Zwillingspaar Feuer und Wasser im Blitz und Regen. Das Wasser um-
fesst alles Feuchte; das göttliche Wasser ist der Unsterblichkeitstrank, die
Ambrosia oder das Nektar, dessen irdischer Ersatz der Wein oder sonst das
bei jedem Volke gerade übliche berauschende Getränk, Meth, Bier, Soma
ist. In diesen Kreis gehören also die Göttergestalten und Sagen von Hephie-
stos, Prometheus und Vulcanus, Hestia und Vesta, Poseidon, Demeter und
Köre oder Persephonc, auch dem König und Richter der Unterwelt, femer
Dionysos und wiederum Aphrodite, welche diese Gruppe mit der ersten in
Verbindung setzt. Die hierher gehörigen Mythen sind es, welche Kuhn so
meisterhaft in seiner „Herabkunft des Feuers und des Göttertranks** ent-
wickelt hat. Dieser Kreis, auch von Windischmann vorzugsweise behandelt,
ist reich an tief gemütlilichen und religiösen, auch orgiastischen Keimen,
er beherrscht das Familien- und überhaupt das Hauslebcn, auch die patri-
Neaere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. y. H. SteinÜtal. 47
archalischen Staatsverhältnisäe. Zu ihm gehören auch die Elemente der
später mehr entwickelten Kosmogonieen.
Mannichfach tritt er mit der dritten Gruppe in Verbindung. Diese
ist die reichste, am meisten durch die Poesie bei allen Völker verherrlichte.
Hier erscheint nämlich die Sonne als Held im Kampfe gegen die Dtemonen
der Finsternis um die Weltherrschaft. Die Naturerscheinung, der diese An-
schauung zu Grunde liegt, ist das Gewitter, aber dieses nicht als solches
(denn so lag es schon der zweiten Gruppe zu Grunde) , sondern als Wechsel
der Jahreszeiten. Es handelt sich, um es ganz allgemein auszudrücken, um
den Antagonismus der dem Menschen und den ihn umgebenden Thieren
und Pflanzen wohl- und übelthuenden Wirkungen der Natur, um Abwehr
von Kälte und Hitze, von Dürre und schädlichen Dünsten u. s. w. Man
begreift namentlich hier, wie derselbe mythische Keim sich in den Tropen-
ländem anders entwickeln musste als in Norwegen. Hierher gehören vor-
zugsweise die grossen Götter: Zeus, Apollo und Athene, auch Hermes,
und die Heroen Perseus, Bellerophon, Herakles ; Wuotan, Thunar und Sig-
firid, und sonst noch zahllose Sagen und Märchen. Diesen Mythenkreis
mag man vorzugsweise episch nennen. Er ist Gegenstand bei Breal und bei
Mannhardt, German. Mythen, in der ersten Hälfte.
Nach dieser Uebersicht wollen wir die Grandzüge der zwei zuletzt
genannten Kreise von Mythen etwas ausführlicher vorführen. Wir beginnen
mit der Sage von Prometheus. Sobald man den Namen dieses Titanen hört,
denkt man an des tiefsten und gewaltigsten griechischen Dichters erhabenste
Tngcedie, und fühlt sich dann seltsam überrascht, wenn man erföhrt., welch*
ein&cher Gedanke ursprünglich in Prometheus lag. Aber nehmt doch alle
die Wörter, an welche wir heute den höchsten Inhalt unseres Geistes und
die tiefste Erregung unseres Gemüthes zu knüpfen gewöhnt sind, und fragt,
was sie ursprünglich, etymologisch bedeuten. Wird man darum eine Etymo-
logie verdächtigen, weil sie nicht ahnen lässt, welche Bedeutung das be-
treffende Wort im Laufe der geistigen Entwickelung des Volkes erhalten
hat? Diese Vorbereitung schien nöthig, damit man an Folgenden keinen
Anstofls nehme.
Die Entzündung des IFeuers in ältester Zeit geschah in einer Weise,
die sich bei den Indem für das Opferfeuer und bei den deutschen Stämmen
für den Aberglauben unter dem Volke bis heute erhalten hat, und die sich
auch bei den Griechen nachweisen lässt. Man dreht oder vielmehr quirlt
nämlich ein Stück Holz in einem anderen. Um die Drehung hervorzubringen,
bindet man um das quirlende oder bohrende Holz einen Strick ; indem man
nun bald das eine, bald das andere Ende desselben an sich zieht, muss
sich der Bohrer bald nach rechts, bald nach links in groXser Schnelligkeit
drehen, wodurch sich das Holz entzündet. — In ganz gleicher Weise durch
bohrendes Drehen dachte man sich auch bei den Göttern das erhabene gött-
liche Feuer erzeugt, das man an der leuchtenden Sonne wahrnahm. Pro-
metheus ist nun ursprünglich nach Namen und Wesen nichts anderes, als
die Personification des göttlichen, Feuer erzeugenden Bohrers. Daher erzählt
der Mythos, dass ihm die Menschheit das Feuer verdanke.
48 Neuere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. t. H, Steinthäl.
Der Feuer-Erzeugung ganz analog, ja damit wesentlich identisch,
dachte man sich die Menschenzeugung, da auch das Lehen Feuer und
Wärme ist, also Zeugung ebenfalls Weckung \on Feuer. Darum ist Pro-
metheus, bevor er das Feuer verleiht, Schöpfer der Menschen.
Die Erklärung seines Namens ist noch streitig.
Die Vermittlung zwischen dem irdischen und himmlischen oder
göttlichen Feuer trat dem Menschen der Urzeit im herabfahrenden Blitx
am lebendigsten vor das Auge. Der Blitz konnte angesehen werden als der
zum Menschen herabsteigende Feuergott selbst; und auch die den mensch-
lichen Leib belebende Wärme galt als herabgekommener Blitz. Der Fener-
gott ist der Schöpfer des Menschen; dieser ist eine Blitzgeburt; auch der
Qott selbst entsteht im Blitz.
Der Blitz aber, mythisch als göttliches Wesen gedacht, erschien als
ein goldener Vogel, besonders als Falk und Adler. Als man sich aber die
OÖtter nicht mehr in Thier-, sondern nur noch in menschlicher Gestalt
vorstellte, da glaubte man, Vögel im Dienste des Blitzgottes tragen den
Blitz, wie der Adler des Zeus. Ja, auch alle irdischen Vögel galten als
verwandelte Blitze, besonders solche, welche durch gelbe oder rothe Federn
oder durch das glänzende, blitzende Auge an das Feuer erinnern. Denn
dies ist ein durchgehendes Verhältnis: erscheint der Phantasie des Ur-
menschen zuerst ein himmlisches Ding oder ein Vorgang am Himmel in
der Qestalt eines irdischen Wesens, so gilt nun auch umgekehrt das irdische
Wesen als Symbol, ja als Erzeugnis des himmlischen Wesens, das ihm
gleicht, und geradezu als sein Vertreter (Mannhardt, die Götter der deutschen
Völker S. 23).
Nicht nur die Vögel, sondern auch gewisse Pflanzen galten als ver-
wandelter Blitz, nämlich solche, welche vorzugsweise zur Entzündung des
Feuers gebraucht wurden, oder welche durch Farbe der Früchte, Gestalt
der Blätter u. s. w. an den Blitz oder an Vögel erinnern. In den Domen
erkannte man die hervorstehenden Erallen des Blitzvogels wieder. Lii
Brande aber offenbart sich die ursprüngliche Feuematur des Holzes; der
Brand ist die Bückkehr des Blitzes aus seiner Verwandlung.
War nun der Mensch eine Blitzgeburt, so waren es nach dem eben
angegebenen Zusammenhange die Vögel, welche die Sonder bringen; bei
uns ist in dieser Beziehung besonders der Storch geltend, bei den Latinem
war es der Specht, picus. Dieser Vogel war ursprünglich beim Latiner der
Feuer- und Blitz-Gott, darum Schöpfer der Menschen, und ward später zu
Picus, dem ersten Könige *).
Mit dem Blitze, d. h. dem alles belebenden Feuer, steht in enger
Verbindung das alles befruchtende, belebende, begeisternde Nass : der Regen,
d. i. der Unsterblichkeitstrank, indisch amnta, ufiß^oaCa, genannt. Den
Sagen von der Herabführung des Feuers sind die von der Gewinnung des
Soma ganz analog und sie greifen beiderseitig in einander. Wie der Blitz,
*) Eine psychologische Analyse des Prometheus-Mythos habe ich meiner
Zeitschnft flir VöJkerpsychologie und Sprachwissenschaft (Band U
S. 1 — 2H) gegeben.
NeoAie Schriften ttber Tergleich. Mythologie, ang. v. H. StemUuü. 49
90 stammt auch der Regen ans der Wolke. Besonders bei den Persem ond
Germanen ist von einem gro&en Baume, von der Welt-Esche (skandinaTiach:
Yggdrasill), die Bede, von welchem sowol Fener als Feuchtigkeit stammen.
Hdohst grofoartig haben die Norweger diese Anschanong entwickelt. Bei
4m Griechen ist sie etwas snsammengeschnimpft; die göttliche Esche ist
m Nymphe Melia geworden. Es wird mehrfach von ihr erz&hlt, oder ea
tnten mehrere anf, die diesen Namen führen; immer sind es Okeaninen:
das Meer sengt die Wolken. Doch dieses Zeagungs-Yerhitltnis ist keine
uiprllBgliche Anschaunng. Das indogermanische Unrolk kannte fiberhanpt
das Meer nicht Dim ist die Wolke das obere, göttliche Wasser; und wie
das irdische Feuer nur im Blitz herabgekommenes oberes Feuer, so ist
anch allea irdische Wasser nur im Regen und Thau Yon oben herabgeflEdlenea
Nasa. Wird das Feuer als männlicher Gott gedacht (bei den alten Indem
Agni, bei den Griechen Hephastos, Prometheus), so ist die Wolke, das
Waaser, die göttliche Frau, die Gattin und Mutter des Gottes; denn die
Wolka wird von dem Sonnen* oder Blitzgott befruchtet und zeugt den
Bliti^ Eine MiUa gebiert den 4H)Qtav{v^, welcher der peloponnesische
Pimneihens ist, nämlich Herabbringer des Feuers. Femer gibt es eine Sehaar
malischer Nymphen, von denen das Menschengeschlecht abstammen soll;
und nadi Uesiod scha£ft Zeus das dritte Geschlecht der Menschen aus Esöh«i.
Hadi Modischer Vorstellung trieft Honig als Thau von der Weltesohe auf
die Erde. Das griechische Wort /ntlta aber ist von derselben Wurzel wie
fUh Hon^ und die davon abgeleitete fi^Uxta Biene. In Sftdeuropa gibt
•a Mne Eachenart, fnudnus omus, deren Rinde, geritzt, einen Zuckersaft,
Manna genannt, ausschwitzt. So heiHsen die Ammen des Zeus bald MtXltu^
bald MilMiata^ die honigspendenden, seien es Nymphen oder Bienen. Im
dodonälachen Sagenkreise sind die Ammen des Zeus die Hyaden; Regen ist
der göttliche Honig. Dann heilet es wieder, die erste Nahrung des Zena
sei die Milch der Amaltheia gewesen; und dann wieder, er sei zuerst mit
Nektar genährt. Sojsieht man, wie Esche, Honig, Milch (die Ziege ist die
Wolke), Nektar nur dasselbe bedeuten: den vergötterten Regen. Bei den
Indem und noch mehr bei den Persem wird der entsprechende Soma (pers.
Haoma) geradezu als Gottheit verehrt.
Viele Mythen erzählen, wie der ünsterblichkeitstrank den Göttem
forsnthalten war und von ihnen mit Gewalt und List gewonnen werden
Busate. Auch bei den Griechen finden sich solche Mythen und Sagen, ob-
wol etwas verdunkelt. Das bedeutendste Ergebnis der hierher gehörigen
Forschungen ist der Parallelismus des Dionysos mit dem ind. Soma, dem
pers. Haoma. Dionysos ist also ursprünglich das vergötterte himmlische
Nase, also eigentlich der Regen, wie auch die Hyaden seine Amme sind;
daa himmlische Nass ward aber von den Griechen wie von den Indem und
Persem und Deutschen als begeisternder Trank gedacht, und so ist er
Gott des Weines. Aber die Sage von seiner Geburt zeigt schon, dass er
mit dem Feuer in naher Verbindung steht. Ursprünglich scheint dieselbe
Pflanze zur Ckwinnung des berauschenden Saftes benutzt worden zu sein,
deren Holz auch zur Feuererzeugung gebraucht wurde; und wenn sich
Ztiuchrirt L <L taurr. Oymn. 18(>6. 1. Htft. 4
50 Neuere Schriften ttber Vergleich. Mythologie, ang. t. H, SteintM,
auch dieses Verhältnis während der Wanderung aus dem Stammlande lösen
musste, so zeigen doch die Sagen, Symbole des Cultus und Aberglaube die
enge Verbindung von Feuer und Trank. Nur eines sei hier erwähnt. Pro-
metheus soll den Feuerfunken, den er von den Gröttem zu den Menschen
brachte, in einer Narthexstaude verborgen haben. Aber es wird auch er-
zählt, Dionysos habe mit dem Narthex Wein aus den Felsen geschlagoi,'
und die Bacchanten erscheinen mit dem Thyrsos ausgerüstet, der ein mit
Epheu (oder Weinlaub) umschlungener Narthex- (oder Fichten-) Stab war.
Epheu aber (hedera, mTjog) war besonders zur Feuererzeugung geeignet
und von den Griechen und Römern zum Feuerzeug verwendet.
Geradezu aber als Feuergott wird Dionysos bezeichnet durch das
Beiwort uiixviTrji. Das göttliche Kind, der neugeborene Gott in der „Wiege*
ist eben das immer neu durch Drehung des geweihten Holzes erzeugte Feuer.
So wird auch von den Indem der Feuergott Agni, und bei den Persem die
entsprechende Gottheit, als das neugeborene Kind gefeiert, dem die Göttinnen
ihre Pflege angedeihen lassen , und er heilst „der jüngste** der Götter.
Auch wenn Dionysos mit Wahnsinn straft, zeigt er nur die von Indem,
Griechen, Römern und Deutschen dem Donner und Blitz zugeschriebene
Kraft, den Geist zu verwirren, den Menschen der Sinne zu berauben.
Hierauf beruhen die Ausdrücke „angedonnerf*, attonüus^ ifißQovTfjToc.
Auch der phallische Cultus des Dionysos führt auf den Feuergott
zurück; denn wie schon bemerkt, der Gott, der das Feuer gebracht hat,
ist auch der Gott der Menschen-Zeugung ; das bohrende Feuer-Holz und das
männliche Glied ÜEillen im Mythos ebenso zusammen , wie Feuer und Leben.
Hier tritt nun eine Verwandtschaft des Dionysos mit Hermes her-
vor, der ja auch einen phallischen Cultus hat In der That hat Hermes
eine Seite, wonach er den Feuer- oder Blitz-Gott darstellt. Wie dem Pro-^
metheus, wird auch ihm die Gabe des Feuers zugeschrieben. So heüüst et
im Homerischen Hymnus auf Hermes:
Er ist der Bote der olympischen Götter und besonders Jiog uyyÜLog, wie
der altindische Feuergott Agni; er ist Opferpriester und precum minister,
wie Agni Denn wie der Feuergott im himmlischen Funken, dem Blitze,
als der Götterbote herabfahrt, so steigt er in der aufstrebenden Flamme
das Altars, in der wirbelnden Rauchsäule zum Himmel empor, um den
Göttern der Menschen Opfer zu bringen. Dass der Stab des Hermes und
der Thyrsos des Dionysos ursprünglich dasselbe waren, leuchtet nun wol
Ton selbst ein. Sie waren beide das feuererzeugende Drehholz; sie waren
beide verwandelter Blitz. Zeigt sich dies in Bezug auf den Thyrsos im
Stoffe des Stabes, in der dazu erwählten Holz -Art, so ist für den Stab
des Hermes die Form wichtig. Zu den Vorstellungen des urindogermani-
schen Volkes gehört die Vorstellung vom Blitz als Dreizack, als Kreuz
oder Hanmier mit drei Spitzen. Darum ist auch der Umstand, dass die
Blätter an gewissen Pflanzen dreiständig oder dreizackig sind (letsteres
•m Epheu), eine neue Veranlassung gewesen, sie als verwandelten Bliti
anzusehen. Ebenso ist nun auch der Stab des Hermes r^/r/rijlo; drei-
«prossig, dreiblättrig.
Neuere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. v. R. SteiiUhal. 51'
In welch ausgedehntem Maf^e in dem Aberglauben der neuem Völker
die uralten mythischen Vorstellungen bewahrt sind, lässt sich gerade bei
dieser Gelegenheit schön nachweisen. Denn was Jacob Grimm mehr tact-
und ahnungsvoll erfasst hatte, das hat nun Kuhn bewiesen, nämlich dass
die Wünschelruthe dasselbe ist wie der Stab des Hermes. Einerseits ist
auch dieser eine okßov xal nkovxov ^ß^og; anderseits wird jene von
Blumen geschnitten, welche als Verkörperungen des Blitzes gelten, und sie
hat die Zwieselgestalt, um dadurch an den Menschen zu erinnern: sie ist
Darstellung des Donnerkeils. Dass aber dieser den Menschen Schätze gc*
währt, beruht darauf, dass er die Wolke, d. h. den göttlichen Schatz,
öfl&iei Unzählige Sagen von der Springwurzel und von in Felsen verbor-
genen Schätzen knüpfen sich hier an, wie auch weitverbreiteter, vielfach
gestalteter Aberglaube. Hier mögen diese Andeutungen genügen. Kuhn
hat theils in seiner „Herabkunft des Feuers", theils aber und sehr aus*
fuhrlich in seinen „Westfälischen Sagen, Gebräuchen und Märchen**, diese
letzten Gestaltungen des alten Mythos im Aberglauben aufgewiesen.
Ich komme endlich zum drittgenannten Mythenkreise, der seinen
Mittelpunct in dem Gotte Indra und dessen Gegner hat und den Kampf
beider gegen einander darstellt. Ein sehr einfaches Thema wird hier un-
endlich variiert, so dass es in seiner reinen Gestalt kaum mitzutheilen ist
Die Wolken gelten als die himmlischen Kühe Indra's und der Götter. Der
böse Dämon raubt sie und verbirgt sie in seiner Höhle. Dadurch wird den
Göttern wie den Menschen der Regen, die Nahrung entzogen. Indra er-
aehligt den Dsmon mit dem Blitz, öffiiet die Höhle, befreit die Kühe, und
deren Milch (der Regen) fliefst wieder auf die Erde.
Man nenne den Dssmon Gäcus, setze Hercules statt Indra: und man
hat in vorstehender Erzählung die römische Sage. Von den alten Namen
des Gottes, der hier Hercules genannt wird, nämlich Sancus, Semo, Dius
fidius, Recaranus, ist hier nicht zu reden. Ich bemerke nur, dass Breal
sie ausführlich und gut bespricht. — Ein merkwürdiger Zug der römischen
Sage ist der, dass Cacus die geraubten Kühe rückwärts gehen lässt, uni,
wie man sagt, sich nicht durch die Fufsspuren zu verrathen. Bei den
Griechen, wie in vielen deutschen Sagen, wiederholt sich dieser Zug. Breal
hat ihn richtig gedeutet. Die ursprüngliche Form von Cacus war Csscius,
imd dies ist griechisch KMx(ug^ womit die Griechen einen Wind bezeich-
nen, der die Wolken, wie sie glaubten, nicht vor sich herjagte, sondern
an sich zog. So vrissen wir, was der lateinische Cacus bedeutete. Auch
die Peiaer erzählen von Drachen (denn durchgehende hat der böse Dsemon
die Gestalt eines Drachen), die mit ihrem Athem die Beute, Menschen und
Vieh, sich in den Rachen herein treiben. Allerdings scheinen zuweilen die
Wolken in einer Richtung zu ziehen, die der des Windes gerade entge-
gengesetzt ist: nämlich dann, wenn in der obem und in der untern Luft-
schicht verschiedene Strömungen entstehen.
Sahen wir hier den Wind als bösen Dsmon, so ist doch zu bemer-
ken, dass gewöhnlich der Wind im Dienste des guten Gottes steht, auf
«einer Seite kämpft. Der Wind veijagt ja die bösen Dünste, die Nebel,
welche die Sonne verhüllen, und so erkämpft er dem Gotte des Lichte»
4*
5C Neuere Schriften über vergleich. Mythologie, ang. y. H, SteinihdU.
und der Klarheit, der Sonne am blauen Himmel, den Sieg. So ist es denn
kein Wunder, wenn der Sturm-Gott selbst zum Licht-Gott wird oder mit
einem solchen verschmilzt. So ist in Apollo eine Seite, von der aus be-
trachtet er ein Sturm-Gott war; eben so in Hermes.
Die Götter haben dasselbe Schicksal wie die Wörter; denn ee sind
ja auch wesentlich blofs Wörter, Namen. Wie das eine Wort durch die
Entwickelung seiner Bedeutung von unscheinbarem Anfeinge dazu gelangt,
das Edelste, Höchste zu bezeichnen, das andere Wort dagegen von höherem,
reinem Sinne zu niedrigem, schmutzigem herabsinkt: so werden auch die
Namen göttlicher Gestalten bald zu Olympiern, bald zu Dsmonen des
£[ade8. Wir haben schon gesehen, wie Cacus und Hermes sich bertthren;
auch Hermes ist ja Rinderdieb und bedient sich dei-selben List, wie Cacus.
Bei den Lidern tritt der Wind in Hundsgestalt auf, und zwar ist es ein
Zwillingspaar von Hunden. Bei den Griechen wird der eine von beiden
zum Hermes, der andere, wie A. Weber bemerkt hat, zum Kerberos: das
beweist die Uebereinstimmung der indischen und griechischen Namen. Der
indische Name ^ber, welcher dem x/^/9«^o; entspricht, ist^rvaras, welches
Wort dunkelfleckig bedeutet Dies ist aber die Farbe der Kröte; und
Kröte, (pQvvTj, ist ein Name des Kerberos. Indessen lag diese Verschieden--
heit zwischen den Zwillingen Hermes und Kerberos schon darin vorgebildet,
dass das Hunde-Zwillingspaar auch bei den alten Ladern Schlaf und Tod
darstellten. Genau genommen vertritt Hermes (auch dem Namen nach)
beide Hunde; denn er ist ja Hüter in der Nacht und Psychopomp. Die
letztere Seite aber ist nach ihrem schrecklichen Eindruck auf das Gemftth
in Kerberos vertreten.
Man hat darüber gestritten, welche deutsche Gottheit dem Lidra
entspricht. Nachdem Kuhn mehrfach die Analogie Wuotan's zu Lidra her-
vorgehoben hatte, behauptete Mannhardt, der deutsche Repräsentant des
höchsten Gottes der Lider sei vielmehr Thunar. Man darf aber hierüber
ao wenig streiten, wie darüber, ob Zeus oder Apollon der griechische
Xndra ist. Man muss nämlich festhalten, dass, so wenig ein Wort der einen
Sprache, zumal wenn es in die Kreise der abstracten Vorstellungen gehört»
ein ganz und völlig gleichbedeutendes in einer anderen Sprache findet,
ebenso wenig eine Gottheit des einen Volkes genau und vollkommen einer
Gottheit eines anderen entspricht. Sondern wie die Wörter, so sind aadi
die Göttemamen bei verschiedenen Völkern nicht sowol gleichbedeutend,
als sinnverwandt Und verwandt ist Wuotan dem Lidra ebensowol vrie
Zeus. Aber auch Apollo ist es und auch Thunar, was Mannhardt ausfilhr-
lich gezeigt hat Wuotan ist der Sturm, aber der wohlthätige Frühlings-
wind; und also ist er Frühlings- oder Sommergott, wie Lidra und Apollo.
Wie Indra der Kräftige, der Herr der Kraft heiM, so Thorr: Vater
der Stärke. Im Zorne schüttelt Indra seinen goldenen, Thorr seinen rothen
Bart Indra schleudert die Donnerwaflfe, die immer wieder in seine Hand
zurückkehrt, gerade wie Thunar seinen Hammer. Auch diese specieUere
Vorstellung vom Hammer findet sich in Indien. Thunar ist wie Indra der
Kämpfer gegen die bösen Mächte. Und die nähere Darstellung dieser
Literaritiche Notizen. 6S
Michte xeigt ebenfalls in Namen und Gestaltung die auffallendsten Ueber-
einstimmungen mit den alten indischen Vorstellungen.
Diese Mittheilungen genügen vielleicht, um den Beichthum der an
der Spitse genannten Werke vermuthen zu lassen. Dagegen muss ich frei-
lich fürchten, dass diejenigen, welche nicht schon Freunde der vergleichen-
den Mjthol<^e waren, es durch diese Anzeige nicht geworden sind. Denn,
wonmf alles ankommt, die Beweisftlhrung und der ^Zusammenhang des Ein-
lehieii zum Granzen, gerade hiervon konnte ich an Lesern Orte am wenig-
sten zeigen. Sieht nun aber der geehrte Leser, wie wichtig und nm&ssend
die Eigebnisse der vergleichenden Mythologie sind, unter der Voraussetzung,
dass sie richtig sind, so wird er sich wol getrieben f&hlen, dieselben im
Zusammenhange und mit ihren Beweisen kennen zu lernen.
Berlin. Prot Dr. SteinthaL
Literarische Notizen.
KrUische MiKeUen von Alfred Fleckeisen, Besonderer Abdruck
aas dem Osterproganmi des Vitzthum*schen Gymnasiums in Dresden. Leipzig,
Tenbner, 1864. 64 S. 8. Friedrich Kitschi zur Feier des Abschlusses seiner
f&nfundzwanzi^ährigen Lehrthätigkeit an der rheinischen Friedrich- Wil-
hekm^üniversitat zugeeignet. —- 12 Sgr.
Treffende Conjecturen, besonders zu Plautus, und daran sich reihende
Beiträge zur Geschichte der lateinischen Sprache als Zoll der Verehrung
zu Kitechl's Jubiläum zu bringen, war gewiss ein glücklicher Gedanke.
Und man hüte sich, aus der geringen Seitenzahl und dem anspruchslosen
Intel zu schliefen, es sei nur eine unbedeutende Gabe gewesen. Wie reic^
vielmehr der Inhalt des Büchleins ist, will ich in einer kurzen, bei weitem
nicht erschöpfenden Skizze zu zeigen versuchen.
Den Anfang bildet die kritische Behandlung einer Scene der Casina
und im Anschluss äaum wird ausgeführt, dass noch hie und da im Plan«*
tus die Nominativendung a der ersten DecUnation auch bei echt lateini-
schen, nicht blofi» bei fremden Wörtern, lang gebraucht seL Als Stützen
dieser Entdeckung zieht der Vf. auch andere üeberreste vorciceronischen
Lateins bei und zeigt dann, wie nicht selten die Herausgeber zur An-
nahme von Corruptelen und zu Aenderungen des Textes gebracht wurden,
blofs weil sie die Lange des a verkannten. Eine ähnliche Wahrnehmung
machen wir beim folgenden Gapitel über atqui, wo der Vf. eine gewiss
allgemein überzeugenae Zusammenstellung solcher Plautinischer Verse gibt,
in welchen die Partikel qui ohne oder losgetrennt von at vorkommt Er.
fuhrt an: 10 Stellen mit thercle qui, S mit edepol qui, 1 mit eccistor qui,
3 mit at pol qui^ 6 mit quippe qui, 4 mit ut qui; lauter Stellen, wo die
Ueberlieferun^ bisher angefochten worden ist. Auf die Frage nach der
Entstehung dieser jetzt erst in ihr Recht eingesetzten Versicherungspar-
tikel qui lässt sich der Vf. nicht ein , und schwerlich möchte ihn emer
deswegen tadeln; denn nichts pflegt ja unsicherer zu sein als die Etvmo-
logie von Partikeln. Bei dieser Gelegenheit bespricht femer der Vf. mehrere
Stellen, wo er mit Grund die überlieferte Lesart atque in <üqui umändert;
und die Beobachtung, dass in allen von ihm beigebrachten Stellen auf das
in ai^ui zu verwandelnde atque ein mit i anlautendes Wort folgt, veran-
Usst ihn zu dem Schlüsse, dass man in dieser Corruptel einen Best der
alten Schreibung zu erkennen habe, in der das lange i durch ei ausge-
drückt wurde, also z. B. ATOVEIILLE oder ATQVEILLE. Ob aber
auch in dem Fall, wenn ein Wort mit i aufhörte und das nächste mit i
anfieng, für beide i ein einziges groXises gesetzt werden durfte? — Wir
kommen dann weiter zu einigen btellen, wo der Verf. di«ap«i<ifia atsit
54 Litemrische Notizen.
discifiinay quadrupulus, centupulus y quadrupulari , quadrupuiiUor als
Plautinische Formen s:eltend macht, wie uns scheint mit Recht, obgleick
die Uerleitnng der Wörter ankovg (simpLex) nnd dmkovg (duplex) etc.
(vgL auch multiplex) von jroJli^^ hei manchem auf Widersprucn stoDBeii
wSd, der unter \ergleichung des deu^hen 'einfältig, zwiefälti^* die Her-
leitung Ton nl^xo) plicare vorzieht; während sie der Vf. S. 56 für all«
die Formen in Ahrede stellt, wo der £-laut nicht erhalten ist
Ein weiteres Capitel handelt davon, dass wir nach den Inschrifteii
und nach Traditionen aer alten Grammatiker getrost annehmen dürfen, da»
in dem Autographon der Plautinischen Komödien gar keine oder nur sehr
vereinzelte Consonantenverdopplungen vorgekommen sind. Die Wahrheit
dieses Satzes ist namentlich daran erkcnnhar, dass hisweilen Silben kurz
gebraucht werden, welche im gewöhnlichen Latein w^en Dopj^lconsonans
ung sind, z. 6. siniilurntts, saieleSf cupelex, utisatim und insbesondere
sagita, bei welchem der Verf. ausführlich verweilt.
S. 42 verlässt der Verf. Plautus und wendet sich Cicero zu, bei
dem er annimmt, dass er in den Reden und sonstigen Erzeugnissen seiner
ersten Periode wol noch manche Form gebraucht nat, die spater in der
feinen Conversation und in der Literatur als veraltet galt, und man wird
seiner Ansicht beistimmen müssen, dass auch in Ausgaben, wie die Halmische
Sammlung ist, ohne Nachtheil hie und da eine archaistische Form aufge-
nommen werden könnte, da in einer commentierten Ausgabe ein Wink in
der Note genüge, um den Schüler aufzuklären. Von diesem Grundsatze aus
wünscht Fleckeisen, dass in der Rede pro S. Roscio §. 67 haec statt Jute
beibehalten werde und § 145 si metuis für si metus (wo übrigens met%ii8
[nach Fleckeisen ein alter Genitiv] sehr leicht in Folge des Zusammen-
hanges — es folgt unmittelbar darauf: ah eone dliquid metuis — durch
Nachlässigkeit und Misverständnis entstehen konnte und als einziges Bei-
spiel dieser Form bei Cicero immer etwas bedenklich bleiben wird) ; femer
schlägt der Verf. vor , an mehreren Stellen , wo die Handschriften po-
tuissem bieten, die Grammatik aber possem verlangt, die Form potissem
einzusetzen; eine gewiss enipfehlenswerthe Aenderung, welche durch Beleg-
stellen aus dem fast gleichzeitigen Lucilius gestützt wird. Nachdem der
Verf. dann zwei mit Unrecht verschollene Emendationen Geels und D5-
derleins wieder in Erinnerung gebracht und vertheidigt hat, versucht
er sich S. 51 fT. an der schwierigen Stelle de orat. II, 61, 249 und trägt
eine sehr scharfsinnige Deutung jenes Witzwortes an den Uebelriechenden :
Video me a te circumveniri vor; es sei nämlich heraus gehört worden video
me a te hirco veniri (verkauft, d. i. überlistet, hintergangen werden). Da es
sich hier von Witzen handelt, so darf wol ein Einfall rlatz finden , der viel-
leicht nicht mehr Werth hat als ein schlechter Witz: könnte man nicht
statt circumveniriy circumventiri schreiben und dieses selbstgemachte Wort
mit ventus in einer zwar nicht gewöhnlichen, aber gut classischen Bedeu-
tung zusammenbringen?
Endlich handelt der Verf. noch in musterhafter Weise von zwei
Stellen der vita Terentii und schliefet mit einem Glückwunsch an Ritschi.
Achtzig Stellen römischer Autoren findet man auf diesen wenigen Seiten
mit Gelehrsamkeit und Scharfsinn und dabei in einem so anspruchslosen,
ich möchte fast sagen, liebenswürdigen Tone behandelt, dass das Buch auf
jeden Leser nicht blofs belehrend , sondern auch wohlthuend wirken wird.
Ludwigsburg. 0. Keller.
Aufgabensammlung zur Einübung der laleinisdien Syntax. Zunächst
für die mittlere Stufe der Gymnasien bearbeitet von Dr. Ferdinand Schultz.
Dritte berichtigte Ausgabe. Paderborn, Schöningh, 1864. XVIII u. 342 8.
— 25 SgT.
Seit unserer Anzeige der ersten Auflage des vorliegenden Buches hat
dasselbe auch in Oesterreich bereits eine soldie Verbreitung gewonnen, dass
es überflüssig scheint, noch irgend etwas weiteres zu seiner Empfehlung zu
sagen. Einiger Durchsicht, um manche Unebenheit zu tilgen, bedarf das
Literarische Notizen. 55
Bach Übrigens auch jetzt noch. Einige Puncte aus unserer früheren An-
lei«, die aer Hr. Verf. nicht beachtet hat , wollen wir zur abermaligen
Aonnerksamkeit empfehlen, zu Nr. 42, 151 und besonders 289 vgl. Loers
M Ov. Tr. 4, 10, 14. Wie bei Schultz auch jetzt noch steht, ist der Schlusi
ebenso ungenau, als wenn heutzutage man aus der Angabe, jemand sei in
der eisten Woche des Jänner geboren, ohne weiteres folgerte, er sei am
2. Jinner geboren. — Leider haben wir in dieser Zeit noch nie Gelegenheit
gehabt das Buch in der Schule selbst zu gebrauchen, und können somit
nicht Bemerkungen, die in der Schule selbst entstanden sind, bringen ; wir
wollen ata einer kleinen Grunpe von Uebungsstücken das einer Aendemng
bedürftige nachweisen. Nr. 315—346 enthalten 'Geschichtliche Darstellun-
gen nacm Jnlius Caesar, Nr. 318 erzählt Seh. so, dass man glauben muss»
UBsar habe jenes ^^oh, Kalauqa yaq ayug (Dio Cass. 41, 46, 3 vgl. Plut
£w. 88, 3. App. S. 577, 22 Bekk.) auf der üeberfiahrt von Brundisium
nach PalsBste gesprochen, vgL Kraner zu b. c, 3, 25, 4. — Nr. 322. GsMar
ist nicht acht, sondern neun Jahre in Gallien gewesen (April 58— J&mer
49). — Nr. 326. 'Darauf versuchten die Helvetier an menreren Stellen den
Bhone zn Überschreiten, wurden aber durch die Besatzungen undW äf-
fen der römischen Soldaten zurückgetrieben* u. s. w. Die Zusammenstellung
'Besatzungen und Waffen* ist kaum zu billigen, zumal der Genitiv zu Be-
satzungen nicht wol nasst. Statt 'Waffen* soll femer geradezu 'GeschoXlBe'
stehen, vgL b. g. 1, 8, 4. Gegen Ende ist der angebliche Grund der Ein-
mischung Ctesars in die Angelegenheiten des freien Galliens ungenau wie-
der gegeben. Nicht dass die Helvetier 'so nsJie bei der Provmz ihren
Weg nähmen* beunruhigt CsBsam, sondern, dass sie sich in der Nähe der
nach jener Richtung offenen Provinz ansiedeln wollten, vgl. 1, 10, 2. — Nr. 328
Ist neben ein paar Unebenheiten des Ausdruckes, 'unterdrückte* statt 'über-
raschte*, und aem Satz 'so sei die alte Tapferkeit der Helvetier dem Osar
bekannt genug, dass er sie nicht veracbtete*, der aus sehr ungenauer
Wiedergabe von 1, 13, 4 und 5 entstanden ist, (die auch undeutsch ist,
da es mindestens 'verachten dürfte* heifisen müsste), das wichtigste in dem
Antrag der Helvetier, die Forderung von Anweisung eines Wohnplatzes
übergangen. N. 331 ist die Darstellung so, als ob Csessr dem Dumnorii
etwa wie einem Internierten eine Wache an die Seite gegeben, die ihn nie
verlassen durfte. Natürlich ist 1, 20, 6 an geheime Aufpasser zu denken.
Was ist femer 'das höchste Joch eines Berges?* — N. 333. Der Hr. Verf.
hätte das sichere Verderbnis 1, 26, 5, womach die Helvetier auf der Flucht
in*s Gebiet der Lingonen vier Tage gebraucht hätten, nicht reproducieren
sollen. Der Ausdruä ist zu ändern. N. 324. Die gemachten Ländernamen
wie 'Snequanien' sind nicht zu billigen. — N. 332 res frumentaria ist mit
'Ctetreideangelegenheit* schlecht übersetzt — N. 337. 'Gefangen* ist vom
Beutemachen ein zu enger Ausdruck. Düs Präsens 'wird verboten* ist min-
destens in 'ist (besser 'war*) verboten' zu ändern. N. 341 'So fieng dieser
TheU Deutschlands an von den Bömem bezwungen zu werden* ist
lateinisches Deutsch. N. 345. opinio timoria ist mit 'Voraussetzung von
Furcht* fiist unverständlich übersetzt.
Wien. Leopold Vielhaber.
Verhandlungen der zwei und zwanzigsten Versammlung deutscher
Philologen und Schtdmänner in Meifsen, vom 30. September bis 2. OctO"
her 1863. Mit einer lithograj)hierten Tafel Leipzig, B. G, Teubner, 1864.
imS. 4. — 2 Thlr. 20 Sgr.
Erst vor kurzem, fast um Jahresfrist nach dem Stattfinden der Ver-
sammlung, ist die vorliegende Publication der Veihandlungen ausgegeben
worden, in der trefflichen typographischen Ausstattung, an welche man bei
dem Teubner'schen Verlage gewohnt ist. Die Verzögerung ist ebensowenijj
der Verlagshandlung, die darunter leidet, als dem Präsidium der vorjähri-
gen Versammlung zuzuschreiben, sondern der Säumigkeit einiger Mitglie-
der im Einsenden ihrer Vortrage. Obgleich die Verhandlungen in ihren
wesentlichsten TheQen kein blofä vorübergehendes Zeitinteresse haben.
50 Literarische Notizen.
welches durch den Aufschub der Veröffentlichung Terschwunden w&re, so
bedauern wir doch die Verzögerung im Interesse der pünctlichen Einsender^
welche auf baldige Veröffentlichung zu rechnen einen Anspruch haben, wie
im Interesse der dringend zu wünschenden weiteren Verbreitung dieaer in»
haltreichen Publicationen ; es verdient daher gewiss volle Bill^ng, da«
die letzte Philologenversammlung durch einen ausdrücklichen Beschloss (fvL
in dieser Zeitschrift 1864. S. 755) das einzige praktisch ausführbare luml
ergriffen hat, die Veröffentlichung ihrer Verhandlungen möf^lichst tvl be>
Bohleunigen. — Der vorliegende Band der Verhandlungen gibt ftr diele»
nigen Vortrft^ des philologischen Gebietes , welche in dieser Zeitaclinft
▼oIlstMidig wiedergegeben waren, ein Zeugnis von der gewiroenhafteE Ge-
nauigkeit des geehrten Referenten , dem wir den Hauptbericbt ffBor dkm
Zeitschrift in den letzten Jahren zu verdanken haben. Es versteht skli
dabei von selbst, dass, abgesehen von einzelnen Berichtigungen in den Ikbeiw
einstimmenden Partien, die vorliegende officielle Pubucanon in andam
Theilen wesentliche Ers^zungen zu dem in dieser Zeitschrift gegebenen Be-
richte darbietet Der Vortrag von Dietsch über Lessma äs PhiMo^en^
▼on dem dort nur ein Auszug gegeben war, ist hier voUstftndig und mit
reichlicher Nachweisung der Quellen abgedruckt Prof. Gosche hat seil
Vortrag über phrwiadie Inschriften durch einigte Zusätze bereichert;
diesem Vortrage gehört die beigegebene, ein Facsimile der Inschriften d
bietende lithographierte Tafel. Der wichtige Vortrag des Prof. Lange üiber
die transUio ad plebem ist dem Texte nach im wesentlichen unserem Be-
richte gleich; doch hat der Verfasser mit seiner bekannten Akribie in um-
fassenden Anmerkungen vollständige Nachweisung und eingehende Die-
cussion der Quellenstellen beigefügt. Der Vortrag Stein thal^s Über di€
Bexiehuna der Philologie zur Psycholog*) ist, mit einigen kleinen Be-
visionsänderungen, nach dem stenographischen Berichte in dieser Zeitschrifl
wiedergegeben ; der Verfasser hat unterdessen den Gegenstand umfiusender
bearbeitet, worüber in dieser Zeitschrift nächstens wird berichtet werden.
Von besonderem Interesse wird den Lesern unserer Zeitschrift der genane
und wohlgearbeitete Vortrag Prof. Schwabens „über die Wiedercmfj^ndung
und erste Verbreüwng CmuJVs im 14, Jahrhundert* sein, den wir mur
im Auszuge hatten geben können. H. B.
Neue Auflagen.
Grundriss der römischen Literatur. Von O. Bernhardy. Viert0
Bearbeitimg. Bravmschweigy Säiwetschke u, Sohn, 1865. XXIV u. 9^ 8,8.
— 4 Thh-. 8 Sgr.
Wir erfüllen eine erfreuliche Pflicht, indem wir unseren Lesern Jim
dem Erscheinen dieser neuen Auflage des Bemhardv*schen Werkes Naok-
rieht geben. Die Bedeutung, welche dasselbe für die römische Liteqitsr-
geschichte hat, ist bei dem Erscheinen der ^.dritten Bearbeitung** im Jafaf.
1857 d. Ztschr. S. 603—610 dargelegt und bei allen, die dem Gegenstande
nicht ganz fem stehen, als bekannt und anerkannt vorauszusetsen. Die
schnelle Aufeinanderfolge der Auflagen gibt ein unzweideutiges Zeugnis dflp
für, welches Interesse eine eindringende Darstellung der römischen äteratiir
auch über den Kreis der Fachgelehrten hinaus findet Der Unterschied der
aufeinanderfolgenden Auflagen zeigt nicht nur die unermüdliche Gewissen-
haftigkeit, mit welcher der hochverdiente Verfasser seine Arbeit fortwtturend
der strengsten Selbstkritik unterzieht, sondern gibt zugleich BechensohafI
von den Fortschritten, welche insbesondere auf dem Gebiete der römisdiea
Literatur die philologische Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten ge-
*) Sonderbarer Weise ist der Titel dieses Vortrages sowol im Teite
S. 75 als in der Inhaltsangabe S. III falsch angegeben, das efaienial
„über die Beziehung der Philosophie zur Philologie", das andsrenud
«über die Beziehung der Psychologie zur Philosophie''.
Literarische Notizen. 57
macht bat und macht. Die Bearbeitungen seit der zweiten (1850) unter-
ichd^en sich Ton einander nicht in dem Malte, als diese sämmtUch von
der eisten (1890), deren engheschränkte Grenzen und doctrinär philoso-
phische Sprache alle folgenden Umarbeitungen aufgegeben haben. Trotz
aieser grOtoeren Nähe an die Torausliegende Auflage hat der Verfasser ein
Recht, die vorli^ende als eine «viert« Bearbeitune** zu bezeichnen; ihr
Untenehied von &t vorausgehenden liegt nicht einfich darin , dass neue
Utenuriflche Erscheinungen, Erjrebnisse neuester Forschungen nachgetragen
nd hieduxch der ftultere Umfang des Werkes um mehr als hundert Sei'^
ten erhöht ist Vielmehr war des Verfassers Th&tigkeit vornehmlich der
aChankteristik und Erörterung" zugewendet; wo man diese Bearbeitung
idhtt mit der nächst voraus^gangenen vergleicht, bemerkt man leioht|
wie der Verftsser überall auf schärfere, obiectiv strengere Abffrenzunff
bedacht war, und findet bestätigt» was er in der Vorrede sagt: jform und
Gestalt sollten in dieser Umgestaltung einen Abschluss erhalten, den man
von einer Ausgabe letzter H^d erwarten kann". — Indem wir mit dioBen
Zeikn Torlänng, ohne einem sj^tercn Eingehen auf Einzelnes des Werkes
TOigidfen zu wollen, von dem Erscheinen der neuen Bearbeitune eines Bu-
ches Nachricht ^b^, welches in keiner Gymnasialbibliothek fehlen dar(
können wir schbefblich den Wunsch nicht unterdrücken, dass der geehrte
Verfiwser die nun eintretende Pause in der Ausbildung seiner römischen
Literaturgeschichte in ungeschwächter Kraft zur Vollendung des Werkes
über die griechische Idteratar möchte verwenden wollen.
Das Lehen der Griechen und Eömer, nach ofitiken Bildwerken dar*
geitdU von Ernst Guhl und Wüh. Koner. Zweite verbesserte und «er-
m^rte Auflage, Mit 535 in den Text eingedruckten Holzschnitteti, Berim^
Weidmann, 1864. XVI u. 770 S. 8. — i Thlr.
Die erste im Jahre 1862 erschienene Auflage dieses Werkes ist im
Jahig. 1862 dieser Zeitschrift S. 690—699 ausführlich besprochen worden.
Die Kürze des Zeitraumes, innerhalb dessen eine zweite Auflage erforder-
lich geworden isL bestätigt das dort ausgesprochene Urtheil, dass durch
das vorliegende Werk ein wirklich vorhandenes Bedürfnis richtig erfasst
and demselben in gelungener Weise entsprochen ist. Von den beiden
Verfassern ist unterdessen der eine, Ernst uuhl, durch einen plötzlichen
Tod seinem thätigen und an wissenschaftlichen Erfolgen reichen Leben ent-
rissen wurden; der zweite Verfasser, W. Kon er, der die Revision behufs
der erneuten Auflage allein übernommen hat, widmet in der Vorrede einige
Worte in edler Einfachheit dem Andenken des verstorbenen Freundes. Der
Donmehr alleinige Bearbeiter ^ W. Koner, hat für diese neue Auflage die
von Guhl abgefassten Abschnitte, nämlich die baulichen Alterthümer, nur
durch Entfernung einzelner Unrichtigkeiten und durch das Nachtraben der
durch neuere Forschungen erforderlich gewordenen Zusätze einer die ur-
sprüngliche Form niöghchst schonenden Kevision unterzogen, dagegen hat
derselbe in dem ursprünglich von ihm bearbeiteten T heile, der Darstellung
des Lebens der Alten im Frieden und im Kriege nach Anleitung der noch
vorhandenen Monumente , bei mehreren Paragraphen eine umfassendere
Aeadenuig eintreten lassen. Das Werk wird gewiss auch in dieser verbes-
Berten Form durch seine im besten Sinne des Wortes populäre Darstellung
dazu beitragen, die Kenntnis von dem Leben der beiden classischen Völker
des Alterthumes in weitere Kreise zu verbreiten und hat gegründeten An-
spruch, auf eine dauernde Ausbreitung zu rechnen.
Dr. Joh, Chr. Äug, Tleyse's deutsdie Schuißrammaiik oder kurz-
gefasstes Lehrbuch der dciUschen Sprache, mit Beüiinelen und Uebungs-
aüfgaben. In der Bearbeiiutig von Dr. K. W. L, Herne. Zwanzigste ver-
besserte Auflage. Hannover, Hafm, 1864. XLII u. 486 S. — 1 Thlr.
Indem wir das Erscheinen der zwanzigi^ten Auflage von Hejse's Schul-
srammatik hiemit zur Anzeige bringen, setzen wir voraus, dass unsere
Leser nicht bei dieser Gelegenheit eme eingehende Beurtheilung derselben
58 Literarische Notizen.
erwarten. Jedes Buch ist ein Individuum, und ein Buch, dessen Verfasser
nicht mehr lebt, ist es mehr als ein anderes. Die Grundzüge seines Wesens
müssen geachtet und hingenommen, dürfen durchaus nicht augetastet wer-
den. Manche überfeine und unnütze Distinction, manche allzu eng oder
allzu abstract gefasste Regel gehört mit zu der Individualität des vor-
liegenden. Und wenn wir es gleich nicht tadeln wollen, dass der gegen-
wärtige Herausgeber, Theodor Heyse, sich an dem Werke seines Bruders
einige Nachhilfe in Bezug auf jene Mängel gestattete, so möchten wir ihn
doch bitten, darin nicht weiter zu gehen als er unbedingt für nöthig hält
Dagegen sollte er seine Nachhilfe auch z. B. den altdeutschen Anführun-
gen zu eute kommen lassen, welche einer solchen dringend bedürfen. Wir
sind nicht pedantisch genug, um CTofises Gewicht darauf zu l^n, aber
dn Flecken an dem Buche sind dergleichen Versehen doch, und wir wünsch-
ten es frei davon. Auf S. 73 z. B. sind einmal gothische und althochdeutsche *
Wörter durcheinander geworfen. Ebenda werden altd. san solih bi-ango,
8. 70 altd. iezt und ein Infinitiv verliusen aufgeführt, die es nie gegeben
hat. Die gothischen Substantive und Adjective haben S. 69 bald das No-
minativ-«, bald nicht, Längezeichen über altdeutschen Wörtern sind bald
r letzt, bald nicht Der Erklärungsversuch einer altdeutschen Construction
862, der für eine mundartliche Thatsache einen allgemeinen sprach-
lichen Grund aufstellt, ist mislungen. Und so weiter. — Eine gröfsere Zu-
that des Herausgebers trifft man in der Einleitung Die etwas trockene
nnd blasse literarhistorische Uebersicht hat von S. aJLDL an die geschmei-
digere Feder des CatuU-Uebersetzers durch eine lebhaft gefärbte Skizze
gsKrÖnt, die in raschem Gange von Klopstock bis in die Gegenwart führt
ie Skizze ist sehr hübsch, aber dass sie dem Standpuncte der Schuld
entspreche, bezweifeln wir. Vollends dass der Verf. zu weiterer Belehning
Julian Schmidts Literaturgeschichte empfiehlt, können wir nicht billigen.
Wir haben die bestimmte Erfahrung, dass dieses Buch in den Händen der
Schüler nur Unheil stiftet An der Wahl der repräsentierenden Namen
für die Gegenwart oder „Jetztwelt" (diese aus dem Zeitungs -Deutsch
stammende und einem Grammatiker üoel anstehende Misbildung taucht
zweimal auf) wäre einiges zu tadeln, kaum sonst so viel als an der Aus-
wahl der Theologen S. XXXVI. Neben Schleiermacher werden nur Rein-
hard, Ribbeck, Niemejer, Dräseke aufgeführt. Sie konnten sämmtlich ohne
Schaden wegbleiben, um — wenn schon Möhler, Baur und spätere nicht
genannt werden sollten — wenigstens Daub, de Wette, Marheineke, Nean-
der Platz zu machen. Auch die Unterschätzung der romantischen Schale
S. XXXIII f. wollen ¥rir nicht ungerügt lassen. — Die wieder mit abge-
druckte Vorrede K. Heysc's zur zwölften Auflage des vorliegenden WerSes
liest man jetzt mit l>csonderem Vergnügen, wo man sein vortreffliches
System der Sprachwissenschaft daneben milten und wesentliche Gesichts-
puncte desselben darin wiederfinden kann.
Dritte Abtheilung.
Zar Didaktik und Paedagogik.
Ueber die deutsche poetische Schullectüre und über
Schulausgaben gröfserer deutscher Dichtungen.
Seit Einreihung der Leetüre dentcher Dichtungen unter die ordent-
fichen Cregenstände des Unterrichts insbesondere auf den Gymnasien haben
unbefangen nnd tiefer blickende die Wahrnehmung gemacht, dass der Sinn
ftr die Dichtung als solche und die Freude am Genüsse der Meisterwerke
neuerer deutscher Dichtung, eine Freude, die bei anspannender Arbeit zu
Omen als ersehnter Erholung zurückzukehren drangt, unter der Jugend
dier ab- als zugenommen hat Man kann die Verbreitung einer äuT^r-
lichen Bekanntschaft mit den Werken deutscher Dichtung auf eine gröT^re
Zahl von Schülern zugeben und schätzen , aber ohne Zweifel ist die Ver-
ilachung des Interesses bei den einzelnen dadurch nicht aufgewogen. Gerade
die Begabteren fanden früher meist trotz der Schule von selbst ihren Weg
zu den reinen Quellen poetischen Genusses , da auch diese jetzt so h&ufig
die betrübende Abstumpfung und Gleichgiltigkeit unzweideutig erkennen
käsen. Doch so klar diese Thatsachen im allgemeinen sich herausstellen,
80 dürfen die Fälle nicht übersehen werden, wo die Schule neben dem
fielen Guten, das die deutsche Leetüre zu stiften geeignet ist, wiewol
leider nur ausnahmsweise, das Interesse für die Dichtung bei den Begab-
teren erhöht, durch die schulmäMge Behandlung vertieft und selbst minder
Geweckte zu sinniger Theilnahme heranzieht Diesen Erscheinungen gegen-
über wird man nicht irre gehen, die Methode der Leetüre deutscher Dich-
tungen in der Schule für die mangelnden Erfolge verantwortlich zu machen.
Nicht in der Beseitigung dieses neu gewonnenen Zweiges der Schulbildung,
londem in der sachgemäDsen Behandlung desselben ist das Heilmittel zu
rochen, und so viel auch über die deutsche Schullectüre gesprochen und
geschrieben wurde, in den Thatsachen, von welchen der warme Sinn un-
8»er Jugend für die grofsen Dichtungen der Nation so gefahrlich betroffen
ist, liegt die dringende Anregung, auf die einfachsten Grundlagen einer
iwecknuLGsigen Methode der Leetüre deutscher Dichtungen in der Schule
Ton neuem zurückzugehen.
60 K, Tonutsdieky Ucber SclmlausgÄben deutscher DichtuDgen.
Soll ich das Grundübel, an dem die herrschende Methode krankt,
von vornherein bezeichnen» so möchte ich es darin suchen, dass man die
Dichtungen in der Schule nicht um ihrer selbst willen, sondern zu äa&eren
Zwecken, welche nicht in ihrem Wesen und in ihrer eigenthümlichen Wir«
kong liegen, zu lesen sich gewöhnt hat.
Als man den deutschen Unterricht unter die verpflichtenden Gegen-
stände aufnahm, da waren dessen wärmste Vertreter eifrig bestrebt, ihn
als ebenbürtigen Genossen neben dem altbewährten classischen Unterrichte
erscheinen zu lassen, umsomehr, als die ausschlieXisenden Vertbddiger des
letztem den neuen Zweig als unberechtig^n Eindringling, alt gtohrlichen
lüvalen betrachteten. Unter diesen Umständen, was lag wol näher, ab dass
man die überkommene, in dem Aufschwünge der dassischen Studien neu
gefestigte philologische Methode unangesehen und ohne tiefere Erwägung
der Sachlage auch auf dem Gebiete des deutschen Unterrichts einzubürgern
bemüht war. Die Ueberzeugung von der Richtigkeit des eingeschlagenen
Weges ficmd um so gröftoren Anhang, als gerade die tüchtigsten Vertreter
des jungem Lehrgegenstandes in Ausübung und Schrift für die gleich-
maf^ige Behandlung des classischen und des deutschen Unterrichts ein-
standen. Ja noch mehr, von den Schwierigkeiten, welche Schriftdenkmale
in todten Sprachen und aus einem vollends beschlossenen Zeitalter ihrer
Behandlung in der Schule darbieten, fühlte man sich auf dem neuen Boden
und mit der alten Methode wie befreit und glaubte deshalb, dieser einen
noch gröfaern Spielraum und weitere Ziele geben zu müssen. Man beachtete
dabei nicht, dass gerade jene Schwierigkeiten den Charakter der philologi-
schen Behandlungsweise zum gröfstcn Theile bestimmen und wo sie auf
dem Gebiete der lebendigen Sprache und Literatur hinwegge&llen sind, die
wesentlichsten Grundlagen der Berechtigung joner Methode fehlen. Ins-
besondere hat die Leetüre von Dichtungen unter Misgriffen dieser Art za
leiden. Man findet in ihnen einen willkommenen Stoff zu breit gesponnenen
Wort- und syn taktischen Erklärungen, während die Prosa in näher liegen-
der Verständlichkeit des aufgedrungenen Dienstes sich leichter noch er^
wehren mag. Dichtungen von dunklerer Sprache, wie der Messias und die
Oden Klopstocks, waren und sind deshalb von vielen Lehrern besonders
bevorzugt Dabei werden unsere gröfsten Dichter gemeistert; man müht
sich, allerhand sprachliche Sünden ihnen abzulauern, ja nicht selten ver^
steigt sich die Schule zu Verbesserungsversuchen der volksthümlichstett
Texte. Kein Wunder, sind doch die geschätztesten Commentatoren wie
Götzingcr und Viehoff mit kleinlichen Nergeleien solcher Art vorangegangen.
Und noch in einem andern Stücke ahmt man die Behandlung antiker Leo-
türe nach. Man gibt seine Erklärungen zu der vaterländischen modernen
Dichtung, als gälte es eben so wie aus jener den Charakter einer entlegenen,
fremden Welt und Zeit zu vergegenwärtigen. Die Jugend wird gewöhnt,
unserm eigensten Fühlen und Denken, wie es sich klar und lauter in dem
Munde unserer grofsen Dichter ausspricht, frühzeitig in kalter, gefiüurlicher
Beflerion sich gegenüber zu stellen. Wie man auf jenen grammatischea
Wegen die lebendige Sprache geflissentlich zu einer todten macht und
dadurch den sprachlichen Instinct erblickt und das Sprachbewusstsein hau«
X. Timatehek, lieber BchuUuBgaben dentseher Dichtungen. Ol
figcr stört ab weckt, so lässt man hier, was lebensvolle Gegenwart sein
acAlte, als abgestorbene Vergangenheit erscheinen. Die Zeit ist gekommen,
welche Bürger sich kaum so nahe dachte, als er in einer launigen Epistel
über den Schulknaben spottet, welcher dereinst den in ^dickem Commentare
Wig ingerichteten modernen Dichter lur Schule schleppen und ab Quelle
seiner Plagen verwünschen wird.
Und doch, so muss man sagen, in vielen Fallen wäre es vergleichungs-
webe gut, wenn die Lehrer auf diesen Vorgang sich beschränken würden.
Freilich die lebendige Sprache und Dichtung wird dabei zu todten Pr&pa-
läten herabgesetzt, gleich ab kOnnte man sie erst auf diese Weise der
Sdiulgdehrtheit würdig machen, aber der Gegensatz zu den einfachsten
Forderungen, wie sie im Wesen einer dichterischen Leetüre in der Mutter-
qincfae begründet sind, geht in den mebten F&llen noch viel weiter. Man
■bbraucht das Gebiet der Dichtung zum Tummelplatze für die mannig-
frltigsten Exercitien des Verstandes und Witzes. Sie, deren Lebensnerv
in der einseitigen Wirkung auf den Verstand erstirbt, muss es sich ge-
bllen lassen, wie ein mathematisches Pensum den Auflösungen und üebun-
gen des SchariSnnnes zu dienen. Da wird vor allem Jagd gemacht auf die
den einseinen Dichtungen zu Grunde liegende Idee und deren Verzwei-
gungen. Zu diesem Behufe wird die Dichtung anatomiert und die Theile
mit den Beagentien von allerhand Fragen, die nur irgend sich stellen
bssen, versetzt und geprüft, um endlich aus dem zerschlagenen und wohl
durchrüttelten Ganzen ein möglichst vollkommenes Destillat zu erzielen.
Je verstandesmäl^iger, allgemeiner und abstracter die Ideen sich fassen
bsMB^ desto reiner desto besser. Nicht allein Dichtungen, deren Stoff der
Betedon nahe steht, auch die concretesten, naivsten Dichtungen werden
nldien leisetienden Operationen unterzogen. Je femer diese liegen, je
flinikcher ein einfacher Sinn bei solchen Dichtungen sich verhUt, desto
■dir ndieint man die eigene geübte Denkkraffc dazu aufgefordert, die ge-
bhite Schule dazu verpflichtet zu halten. Wir haben es erfahren, dass
idbst die unscheinbarsten Lieder, oder etvra Dichtungen wie manche Balla-
den ühland*s und Gcethe's, so der Fischer und Erlkönig, von gröÜBem
Werken wb Iphigenie und Hermann und Dorothea ganz zu schweigen,
Extreme dieser Behandlungsweise erleiden müssen und die Schüler dann
m solchen Dichtungen , statt an deren Genüsse sich zu erbben und zu er-
holen, harte, vom Verstand für den Verstand gestellte und vom Dichter
gelöste Denkprobleme erblicken. Wie darf man sich da noch wundem,
wenn die Jugend an den in solcher Atmosphäre verwelkten Blüthen der
IMditnng keine Freude femer empfindet. Und noch nicht genug. Hat
man erst aus dem getödteten Leibe der Dichtung den Gkdankengehalt
glüdcMeh abgezogen, da geht es wieder an ein Zusammenhalten der Haupt>
idce mit den einzelnen Theilen, hunderterlei Fragen schwirren auf, ob auch
dieser Theil zu jener Allgemeinheit stimme, welchen selbständigen Gehalt
und Werth er hat, ob er nothwendig sei für das Ganze u. dgl. ; Dichtung
und Dichter werden belehrt, zurechtgewiesen und bei sich selbst gewisser-
maf^n in die Schule geschickt. Es geht noch gut ab, wenn man sich dabei
innerhalb des Bahmens der vorliegenden Stücke hält und nicht wie so
n K. Tomasehek, lieber SchulauKg^ben deutscher Dichtnngeib
häufig bei den entferntesten Anhaltspuncten zu breiten Erörterungen phi«
losophischer, moralischer und cultnrhistorischer Art Gelegenheit nimmt.
Zugleich sucht man sich auf diesen Wegen eine allzeit bereite Fnndgmba
zu eröffnen für eine Menge häuslicher Aufgaben der schriftlichen Ausar-
beitung. Der Schüler sieht sich genöthigt in der Qual, zu der ihm die
dichterische Leetüre in der Schule geworden ist, auch noch zu Hause sich
herumzuschlagen. Dies trifft dann besonders die grö/lsem Dichtungen, bei
denen gerade das Zusammenhalten der Eindrücke ins Auge zu fassen wäre,
um in den jugendlichen Gemüthem die Wärme für die ganze Dichtung
und den Genuss derselben nicht zu zerstreuen und zu yerflüchtigen. So
hat noch jüngst ein Lehrer des Deutschen zu Hermann und Dorothea ans
seinem durch eine breite Erklärung des Gedichtes aufgespeicherten Vor-
rathe von Hausaufgaben beispielsweise an dreifsig Themata namhaft ge-
macht, deren schriftliche Bearbeitung für dieljcctüre erspriefslich worden
soll '). Darunter finden sich Aufgaben wie die folgenden : *wie vielfach der
abgelegte Schlafrock des Wirthes mit sittlichen Momenten in Verbindung
gebracht ist; wie der Dichter die Natur geschildert und welche Stellen
ausnahmsweise an das Sentimentale streifen ; auf welche Weise der Dichter
in den Schilderungen das Allgemeine individualisiert' u. s. w. Ein noch
entschiedenerer Vertreter ähnlicher Richtungen, der schon für die unter-
sten Stufen des Unterrichtes Analysen, wie ich sie zu charakterisieren suchte,
für nützlich hält, kommt dann in den obem Classen mit seinen Schülern
zu Ausarbeitungen, ob z. B. die Scene mit Montgomery in der Jungfirau
überfiüssig sei oder 'über die echt dramatische Eiiiwebung der Vor&bel h&
der Iphigenie' u. s. f. ^). Hält man schon auf diesem Boden die Schttlor
einer ganzen Classe für sicher, so ist es dann freilich nicht anfi&llend
mehr, wenn derselbe Lehrer dem Schüler, nachdem er ihn *auf diese Weise
zu Höhen, die eine immer weitere Umsicht verstatten*, geführt hat, 'die
Geschichte der Entstehung der in der Schule oder privatim gelesenoi
Werke, den Nachweis ihres Zusammenhanges mit der Weltansicht des
Dichters und mit seinem Bildungsgange' entwickelt und hofft, dies werde
ihm 'ebenso interessant als fasslich sein' '). Und damit in Uebereinstim-
mung steht es, wenn einem anderen StinimfÜhrer die lyrische Dichtung
GoBthes betreffend 'das Wichtigste für die Schule* zu sein scheint, 'dem
Lehrling ein Gesammtgemälde von dem Bildungsgange, den Goethe als
Lyriker genommen hat, vorzuführen. Dadurch würden die Metamorphosen»
die Groethe's Lyrik durchlaufen, ihr Steigen, Culminieren, Sinken, die ver-
schiedenen Interessen, die ihn nach einander bewegten, die verschiedenen
Dichtungsformen, die er nach einander cultivierte, die allmähliche VervoU-
komnmung dieser Formen, seine productiven wie seine unproductiven Pe-
rioden — alles dies würde sich dem Schüler von selbst anschaulich dar-
') Aesthetische und historische Einleitung nebst fortlaufender Erläute-
rung zu GoBthe's Herm. u. Dor. Von Dr. L. Cholevius. Leipzig,
1863. S. XIV ff.
*) Hiecke, der d. Unterr. auf d. Gymnasien. Leipzig. 1842. S. löO ff.
») Ebd. S. 181.
K. Tomaschek, Uebcr Schalausgaben deutscher Dichtungen. OS
stellen* (l) ^ Mit Berufung auf diese und ähnliche Stellen hat schon vor
liager als sehn Jahren Rudolf von Raumer in einer trefflichen Ahhand-
luBg über den Unterricht im Deutschen^ vor dergleichen Verstiegenheit
entschieden gewarnt Aber sein nüchternes Wort scheint leider mehr
oder weniger wirkungslos verklungen zu sein. Zeuge des die Fluth von
Schul- und Hilfsbüchem für alle Stadien der bezeichneten Richtungen,
womit der Büchermarkt noch immer überschwemmt wird. Wie weit die
YeriiTung auf diesem Wege führen kann, mag der Hinweis auf Dr. Friedr.
Joach. Günther's 'Auslegung von Volks- und Vaterlandsliedem für höhere
Iiehranstalten* *) zeigen, darin die einfachsten, durch sich selbst verständ-
lichen Volkslieder, wie das Schwertlied, der gute Kamerad, 0 StraAiburg
u. B. w. zu einer Art von politisch -moralischen Predigten gemisbraucht
nnd, zu denen der eigentliche Gegenstand der Leetüre, die Lieder selbst,
nur unterhalb der Seiten wie kurze Noten zum Texte neben herlaufen.
Wir sahen, wie man auf dem geschilderten Wege besonders sBsthe»
tische Fragen, oft der schwierigsten und subtilsten Art, in den Kreis der
Behandlung zu ziehen geneigt ist Für die ganze Methode ist dies ein
charakteristischer Zug. Blofs auf die reine sesthetische Wirkung ungestört
hinzuleiten, misachtet man und hält es zu gering für die Schule, aber
Reflexionen über diese Wirkung, noch ehe sie auch nur annähernd sich
bilden konnte, sollen ein würdiger Gegenstand schulmäl^iger Behandlung
sein. Nun ist die ästhetische Wirkung im allgemeinen die Grundlage aller
und jeder lesthetischen Betrachtung. Durch unausgesetzte Eindrücke dea
Schönen aber wird die Empfindung für das Schöne am besten gebildet
Gedanken sind nicht vermögend, sie hervorzurufen oder zu ersetzen, am
allerwenigsten bei der Jugend. Hat sich im jugendlichen Gemüthe kein«
bestimmte Empfindung gebildet, so hängt jede sBsthetisch-kritische Be-
merkung in der Luft, ja muss erst wieder zurückgedrängt sein, ehe di«
Sprache des Herzens laut werden kann. Vor Bildung des ästhetischen Ge-
fÜiles aber das ästhetische Urtheil feststellen wollen, heifst Fenster bauen»
ohne daas ein Haus vorhanden ist. Dazu hat die sesthctisch-kritische Zer-
gliedenmg das Eigenthümliche, dass wo sie der schaffenden Conoeption des
Dichten oder dem Nachempfinden des Auftiehmenden vorausgeht, beide
durch sie gestört, wenn nicht gänzlich vernichtet werden. Und da soll dann
bei Knaben und Jünglingen dasjenige die Gefühle nicht hemmen und ver-
wirren und einen Genuss so zarter Art, wie es der sesthetische ist, nicht
aufs Spiel setzen, was selbst der Kritiker von Fach vorerst zurückhalten
wird, um auf Grundlage unverkümmerter Eindrücke sein Urtheil zu he»
gründen. Stets wird daher der Lehrer darauf bedacht bleiben, die Dich-
tung in ihren Theilen und als Ganzes in die jugendlichen Gemüther sich
einleben zu lassen und wird sich wol hüten, während des Genusses fort-
während das Urtheil, während des Fühlens den erkaltenden Verstand zu
*) Viehoff im Archiv für das Stud. d. neuem Sprachen u. Literaturen.
Jahrg. L Bd. 1. Elberfeld, 1846. S. 197.
*) In Karls v. Raumer Gesch. d. Pädagogik. HL Thl. 2. Abthg.
S. 127 ff.
•) Eisleben, 1861. Vgl. in dieser Zt«chr. 1863. S. 225.
84 K. Tamaethek, Ueber Scbalansgaben deutscher IMctituigeiL
beschSftigen. Und noch eines kommt zn erwägen. Das Oeftlhl ftlr das
formell-ttstheÜBche entwickelt sich nnr ganz allm&hlich nnd sehr 8^1
Lange und nachhaltig fesselt das verschiedenartige stoffliche Interesse das
jugendliche Gfemüth. Von seihst aber wird dies Interesse nach und nach
der beste Tiftger des feinen Gef&hls für kftnstlerische Behandlung und
fssthetisohe Eigenthftmlichkeit. Thöricht w&re es, in diesen Entwickelungs-
gang vorzeitig eingreifen, die natürliche Ordnung stören und nmkeihraa
zu wollen. Die Folgen könnten nicht ausbleiben. Man hfitte nur durdi
die bestftndige Ablenkung des Interesses f&r den Inhalt das wachsende Ge-
fthl ftr die Form verkümmert und damit die sichersten Gkundlagen csthe-
tischer Einsichten aufs Spiel gesetzt Wie weit man nun im Widerspruche
in den eben erörterten Principien in der Schule zu gehen geneigt ist,
mag der Vorgang zeigen, den ein vorhin schon erwähnter Lehrer im XJn«
terrichte einhält Es sei nicht genug, sagt er, 'dass man eine fertige
SchöpAing nach ihren Theilen betrachtet; man müsse sich an den Schreib-
tisch des Dichters versetzen, man müsse zusehen, wie das Werk nach und
nach unter seiner Hand entsteht, wie sich jeder Theil ergänzend und vor«
bereitend zu dem andern geselle, wie in jedem einzelnen Puncte der Ge*
danke den Stoff, das Schönheitsgesetz die Form beherrsche, bis der Schluss-
stein den ganzen Bau vollendet*. Deshalb bestehe 'der Haupttheil seiner
Srklärung darin, dass er in jedem Abschnitt des Gedichtes nicht bloA den
Inhalt entwickele, sondern darauf hinweise, wie die Handlung sich all-
mählich aus einer Reihe von Momenten zusammensetze, die einand« be-
dingen und zusammenwirken, wie dabei die Ausführung des Einzelnen von
dem Begriffe der Dichtungsgattung und von den Gesetzen der Darstellung
beherrscht wird*^). Dabei macht sich überdies ein zweifacher Irrthum
geltend. Man habe, so werden wir belehrt, 'die Jugend darauf hinzuftthren,
dass das (Gedicht, welches sie liest, ein Gebilde des erfindenden und ge-
staltenden Gastes, dass es ein Werk der Kunst ist* "). Es gilt, wie weiter
ausgeführt wird, 'die Ahnung und Einsicht im Schüler zu begründen, dass
das Dichten ein bewusstes , von Eunstgesetzen geleitetes Erfinden ist* *),
Unseres Wissens aber beruht gerade alles echt dichterische und künst-
lerische Wesen, ohne die Ueberlegung völlig auszuschlieüsen, auf dem un-
bewusst, naiv und instinctiv schaffenden Geiste, auf jener genialen Krafb,
von welcher bekanntlich schon Kant gesagt hat, dass darin die unbe-
wusste Natur der Kunst die Regel gebe '"). Und damit im Zusammen-
hange macht sich noch eine andere weit gröfsere Täuschung bemerklich.
Der Verfasser meint alles Ernstes durch seine zerstückelnde und theoretisch
a'uflösende Methode seine Schüler dahin gebracht zu haben, der Dichtung
und dem Dichter 'nachzudichten*")! Als ob das Dichten ein Zersetzungs-
process, ein Geschäft des Verstandes wäre, als ob es der Schrauben und
Druckwerke aus der Rüstkammer der Theorie bedürfte, als ob die Dichtung
') Cholevius a. a. 0. S. IX.
•) Ebd. S. VIU.
•) Ebd. S. IX.
hrsg. V. Rosenkranz u. Schubert IV. S. 176 f.
"») WW. hr
") a. a. 0.
K. Tomaaehek, üeber Schulausgaben deutscher Dichtungen. 05
m ein Ctebr&u nach dem Receptierbuche zu Stande käme. Die aufneh-
mende Einbildungskraft zu entfesseln, das unbefangene, ruhige Nach-
empfinden im jugendlichen Gtemüthe hervorzurufen, darüber geht das ge-
schilderte YerfiEkhren hinweg, um die Verstiegenheit eines vermeintlichen
Nachdidiitens sich zum Ziele zu setzen.
Eb ist wol keine Frage, dass die deutsche Leetüre auch auf die an-
deren ünterrichtszweige einen belebenden Einfluss nehmen kann. Dies gilt
natfirlicb vor allem von dem Gebiete der Prosa. Hier werden Lesestücke
mit Recht aufzunehmen sein, die dem Stoffe nach den verschiedenen andern
Zweigen des Unterrichts gehören oder nahe stehen und zugleich durch
asthetiache Momente der Darstellung einen belebenden Einfluss auf das
Gemüth haben. In ähnlicher Tendenz können dann auch schriftliche 'Aus-
arbeitungen hinzutreten. Von diesen Seiten hat man daher dem deutschen
Unterrichte aus dem Gesichtspuncte der nothwendigen gegenseitigen Be-
zi^ung und wechselseitigen Verstärkung der Lehrgegenstände untereinander
eine hervorragende Stelle zuerkannt. Selbst die Leetüre deutscher Dich-
tungen wird insbesondere für den classischen und historischen Unterricht
nicht ohne fördernden Einfluss bleiben. Aber auch in Hinsicht dieser Ten-
denzen hat man das Richtige vielfach ins Absurde verkehrt Man beraubt
die deutsche Leetüre ihrer selbständigen Geltung und bürdet ihr die Auf-
gaben anderer Lehrgebiete auf. Sie soll die Kenntnisse der Schüler nach
allen Seiten hin ergänzen, theilweise sogar den Unterricht z. B. in der
Geechichte, der Alterthumskunde und Greographie selbst übernehmen. Auch
die poetische Lectnre hat unter diesen Misbräuchen zu leiden. Nicht selten
gewinnt es den Anschein, als wollte man in ihr einen förmlichen Lehrcurs
der Geschichte eröffiien. So rühmt sich eine weit verbreitete, als muster-
gfltig angesehene 'Auswahl deutscher Gedichte für gelehrte Schulen* *^,
welche erst vor kurzem in zwölfter Auflage erschienen ist, ihrer 'histori-
schen Vollständigkeit* und dass 'nicht viel bedeutende Persönlichkeiten und
Zustände der mittlem und neuem Geschichte mehr sein werden, die nicht
in dieser Sammlung eine poetische Veranschaulichung fönden*. Dabei wird
es ausdrücklich entschuldigt, 'wenn ein grofser Mann auch nur in einer
oder der andem interessanten, allenfalls auch nur privatlichen Lebenslage
auftritt*, sei ja doch auch dann 'Anknüpfung und Belebung für den histori-
schen Sinn möglich* **). Und eine neuere Sammlung von Gedichten für die
Schule *0 erkl&rt als ihren Hauptzweck, den Geschichtsunterricht zu unter-
stützen und ordnet zu dem Ende die aufgenommenen Stücke nach Völkern
und Jahrhunderten. Nicht lange vorher hatte der VerfjEwser dieser Samm-
lung eine deutsche Grammatik*^ herausgegeben, darin der Versuch vor-
liegt, wie er selbst sagt, 'Naturkenntnis, Logik und Psychologie* zu för-
dern**)! Die in der Sammlung aufgenommenen Gedichte sollen nun sämrat-
»^) Von Dr. Theodor Echtermejer, zuerst 1836.
'^ Vorrede zur sechsten Aufl. von Hiecke. Elfte Aufl. S. XIII.
'<) Declamatorik von Dr. W. Fricke. Mainz, 1862.
»*) 1860.
*•) Declamatorik S. VI.
Zeiuohrift f. d. ö«t«rr. 0> mn. 18G5. 1. Hen. 5
66 JT. Tomascheky Ueber Schalausgaben deutscher Dichtongen.
lieh durch den Lehrer und die Schüler zum Vortrage kommen, unter
welchem der Verfasser ganz eigentlich, wie aus seiner Einleitung entnommen
werden kann, eine theatralische Declamation mit begleitenden Actionen yer^
steht '^; und so verkündigt dann die Vorrede'*), dass der Herausgeber
beabsichtige, 'die Declamation, ohne sie selbst zu beeinträchtigen, zu einem
Lichte zn machen, welches seine Strahlen auch auf Geschichte, Literatur-
kenntnis und Sprachen wirft'! Wie schon in der früher erwähnten Samm-
lung der beabsichtigten historischen Vollständigkeit wegen eine ganze Reihe
der unbedeutendsten Producte Aufuahme fand, so übersteigt in dieser an-
dern die Gleichgiltigkeit gegen den »sthetischen Werth der einzelnen
Stücke allen Glauben. Zu solchen Extremen kommt man aber, wenn der
Zweck der poetischen Schullectüre Überall eher als in der eigentlichen Natur
und Wirkung der Dichtkunst gesucht wird.
Den geschilderten Verkehrtheiten gegenüber liegt der richtige nnd
sicherste Weg ganz nahe. Es ist derjenige, der sein Ziel darin erkönnt»
das jugendliche Gemüth durch die Leetüre selbst für den reinen Genuas
des verschiedenartigen Schönen dichterischer Werke heranzubilden, für deren
ungetheilte tiefste Wirkung empfänglich zu machen und dadurch ein reges
Interesse an der Herrlichkeit der Dichtung zu erwecken. In der auf diesem
Wege allmählich fortschreitenden Sicherung eines richtigen Geschmaekes
liegen die Grundlagen, auch auf ein klares SBsthetisches Urtheil hinznleiten.
Nur nach Maltotab der vollen Wirkung der vorgenommenen poetischen
Leetüre und erst, wenn vom mannigfaltigen Schönen in der Dichtung das
Gefühl, um so zu sagen, durchsättigt ist, mag der Lehrer mit Vorsicht
auch theoretischen Bemerkungen Raum geben. So wenig aber, als die Schule
sich zur Aufgabe stellen kann. Dichter zu erziehen, wird sie darnach streben
Aesthetiker und Kritiker auszubilden. Genuss und Wirkung der gelesenen
Werke, nicht die Einsicht in deren Eunstmäfsigkeit bleibt der Hauptzweck«
Und wahrlich, dieser höchste Zweck aller Kunst ist eben auch für die Jugend
hoch genug.
Es ist nicht unwichtig besonders hervorzuheben, dass es nicht minder
verkehrt ist, wie so häufig geschieht, die Lesestücke als blofse Beispiel-
Sammlung zur Geschichte der Nationalliteratur zu behandeln, als es ver-
kehrt ist, Geschichte an ihnen überhaupt lehren zu wollen. Die Heranbil-
dung eines sichern Geschmackes fordert es, dass die Schule nur muster-
giltige Dichtungen, die als solche von bleibendem Werthe sind, in den
Kreis der Leetüre zieht. Muss man aus diesem Grunde Anstand nehmen^
Gedichte der Gegenwart, die vielleicht blofB durch Momente des Interes-
santen und Charakteristischen fesselnd wirken, zu wählen, so wird man
*') VgL ebd. S. IX ff. Die Schule hat blofs das richtige Lesen zu er-
zielen. Mit Rücksicht auf individuelle Anlage mag man Schulvor-
trägen ausnahmsweise gestatten, der Declamation sich zu nähern.
Da jedoch jede Declamation, sofern sie nicht mit theatralischer Auf-
führung verbunden ist, selbst bei öffentlichen Vorträgen und im Con-
certsale nur in seltenen Fällen und vorübergehend von Gesticulation
begleitet sein darf, so wäre ein Ueberschreiten des Mafses am aller-
wenigsten in der Schulstube am Platze.
'•) a. a. 0. S. VL
K. TomMchek, Uebcr Schulaasgaben deutscher Dichtungen. 67
eben so wenig Stücken die Aufnahme gestatten, die verkehrte Richtungen
früherer Zeit oder Epochen repräsentieren, wo die Dichtung im Werden
oder im VerfiEdle war. Schon aus dieser Ueberzeugung geht hervor, dass die
Schule nicht der Ort ist, an historischen Beispielsammlungen die Geschichte
der Dichtung zu lehren. Für die Wissenschaft der Literaturgeschichte
wnden die Mittelschulen am besten vorbereiten, wenn sie die Jugend mit
den Tollendetsten Werken selbst vertraut machen. Dabei sind literarhisto-
rische Bemerkungen, insofern sie mit dem gelesenen in naher Beziehung
stehen und das Liieresse für dasselbe zu fordern vermögen, selbstverständ-
lich nicht ausgeschlossen. Aber erst, wenn der Geschmack der Schüler durch
und für das vortrefifliche aller Zeiten herangebildet ist, dürfte man es dem
tactvollen Lehrer gestatten, im einzelnen und vergleichungsweise auch auf
das verwerfliche und minder bedeutende hinzuweisen. Die beständige Ver-
wirrung der Eindrücke und Gefühle, wie sie mit der Anordnung der Leo-
tftre nicht zu ästhetischen, sondern literarhistorischen Absichten nothwendig
verbunden ist, wird durch die auf diesem Wege erworbenen Kenntnisse
unstreitig nicht aufgewogen. Auf den untern Stufen des Unterrichts, so
knge, wie bereits angedeutet, das stoffliche Interesse vorherrscht und das
Gefühl für das Schöne und Eunstmäfsige wol vorbereitet aber nicht zum
unmittelbaren Ziele genommen werden kann, mag die Leetüre von essthe-
tisch minder bedeutendem leichter ihre Rechtfertigung finden. Da wird
vielleicht selbst manches der Prosa ganz nahe stehendes Stück, wie z. B.
Bückert'sche Reflezionspoesie, wo diese nicht durch sprachliche Künsteleien
ach ansschlieM, aus psdagogischen Gründen stets jedoch in sparsamer
Auswahl nicht unwillkommen sein. Auf den hohem Stufen aber muss der
für das eigentlich dichterisch Schöne allmählich eröffnete Sinn, um so zu
sagen. Schlag für Schlag für die Wirkung des vortrefflichen eingenommen
werden, soll die Schule ihrer Aufgabe genügen und die Bildung eines reinen
Geschmacks und seiner Genüsse nicht dem Zufall oder der Ueberwucherung
durch allerhand untergeordnetes Interesse überlassen. Des Vortrefflichen und
zugleich für die Schule Passenden ist glücklicher Weise in der deutsehen
Dichtnng eine solche Fülle vorhanden, dass das reichste Zeitausroalb zut
Bewältigung desselben auch mit Hinzunahme der von der Schule geleiteten
Privatlectüre nicht ausreichen würde.
Hat nun im Einklänge mit den voranstehend entwickelten Grund«
Sätzen das Lesebuch für die untern Stufen die Schüler mit einer Reihe von
bedeutenden und schönen kleinem Dichtungen, deren die hervorragendsten
auch gedächtnismäfing eingeprägt sein werden, vertraut gemacht, so schreitet
dann die Leetüre auf den obem Stufen zu gröfsem Dichtungen fort. Wäh-
rend hier das Lesebuch blof^ eine Zusanmienordnong des berdts Gelesenen
nach den einzelnen Dichtungsgattungen hie und da mit einer Ergänzung
zu bieten braucht, wird die meiste Zeit der Leetüre ausgedehnterer, vor
allem dramatischer Dichtungen zu widmen sein. Denn auf der obem Ab-
theilung ist es die Aufgabe der Schule, den Sinn für das Verständnis und
den Genuas gerade solcher Werke zu wecken. Es ist ein gewöhnlicher Mangel
der deutschen SchuUectüre an den Mittelschulen, dass umfangreichere Werke
der Dichtung entweder ganz ausgeschlossen oder in ao dürftigen Fragmenten
5»
68 K. Tomaschek, üeber Schnlansgaben deutscher Dichtungen.
Yorgenommen werden, dass bie Auffieissung des Gedichtes als eines Oanzen
unmöglich ist. Soll die Schule aber dem bezeichneten Zwecke genügen, so
bedarf sie eine hinreichende Auswahl wolfeiler und zweckmäi^ig eingerich-
teter Schulausgaben hieher gehöriger Werke, an denen es leider bis jetzt
noch fjAst g&nzlich gebricht.
Zwar besitzen wir aus der jüngsten Zeit ein paar für 'Schule und
Haus' bestimmte Ausgaben gröDserer deutscher Dichtungen der classischen
Zeit Aber abgesehen davon, dass sie nicht in umfassender Auswahl vor-
handen, nicht nach festen Grundsätzen zu einer bestimmten und durch-
gängigen Benützung in der Schule planmäiüsig angelegt sind, und dass sie
im Preise viel zu hoch stehen, um ihnen als Schulbüchern allgemeine Ver-
breitung zu sichern, ist ihre Einrichtung gröl^tentheils eine solche, die
ihren Gebrauch eher erschwert und bedenklich erscheinen läset, als erleich-
tem und fördern kann. Das letztere gilt auch von der grofsen Zahl von
Erklärungsschriften einschlägiger Dichtungen, die sich unmittelbar an den
Lehrer wenden, um seinen Vorgang in der Schule zu bestimmen, Denn was
wird in derlei Gommentaren nicht alles erwogen, erklärt, getadelt und ge-
lehrt! Vor lauter Erklärung soll der Schüler nicht zum Genüsse der er-
klärten Dichtung selbst kommen, vor lauter Berechnung aller möglichen
subjectiven Beziehungen auf die Auffassung des Lernenden muss das Objec-
tive des Werkes sich gewissermaXiBen verflüchtigen. Die sesthetische Wir-
kung ist durch Buhe und den harmonischen Einklang im Spiel unserer
Seelenkräfke charakterisiert und diese Wirkung wird nach dem Vorgang
dieser Erklärungen durch au^escheuchte Beflezionen aller Art fortwährend
durchkreuzt und zurückgedrängt.
Unter den commentierten Ausgaben zum Gebrauche der Schüler
zeichnet sich ohne Zweifel Schiller's Wallenstein, herausgegeben von K. G.
Heibig"), in vortheilhafter Weise aus. Doch entspricht auch dieses Buch
nur höchst unvollkommen dem Zwecke einer Schulausgabe. Li der Einlei-
tung stellt der Verfasser die historischen Grundlagen der Dichtung mit
den Ergebnissen neuerer Forschung zusammen, wofür er bekanntlich in
einigen Schriftchen zur Geschichte Wallensteins und des dreif^igjährigen
Krieges seine Befähigung bewährt hat. Das historische Bild wird hierauf
mit der poetischen Composition verglichen und einige Momente ans der
Entstehungsgeschichte der Dichtung mitgetheilt Li allen diesen Beziehun-
gen könnte die Darstellung zwar viel knapper auf die Hauptpuncte sich
beschränken, im allgemeinen aber darf diese Einleitung als nützliche Bei-
gabe des Buches bezeichnet werden. Was die fortlaufenden Anmerkungen
unter dem Texte betrifft, so treten sie wol hie und da an erwünschter Stelle
ein, doch sind viele derselben ganz überflüssig oder störend, viele sogar ent-
schieden irrthümlich. Um dies zu zeigen, will ich gleich den Anfang vom
Lager in Betracht ziehen. Hier sind schon die beiden Anmerkungen, um
das *von dem Soldatenhaufen bleiben* (V. 2) und das *Euch* in dem fol-
gendem Verse *sind Euch gar trotzige Kameraden* zu erklären, selbst für
Schüler der unteren Stufe überflüssig. Ebenso die Notizen zu *sich' V. 17,
**) Stuttgart und Augsburg, 1856.
JET. Tomaadiek, Ueber Schulanogaben deutscher IKchtoDgen. 69
VQ *judu5en' V. 28, au 'für' V. 29, lu 'kraus' V. 31, zu *ju8t' V. 39, xu
'komiiien" V. 34. Das Epochen' V. 32 ist mit 'plündern und Unfug machen'
schlecht erklärt, da es jedenfalls 'trotzen, seine Ansprüche mit Gtewalt
i^eltend machen* bedeuten muss, wofür auch sonst der Gebrauch des Wortes
spricht Wenn weiter zu V. 37 'Terschka' 'die der böhmischen Aussprache
Dach rechte Form statt des fehlerhaften Namens Terzky* genannt wird, so
ist dies falsch, denn auch 'Terschka* ist bereits eine dem deutschen ange-
glichene Schreibung und wäre sonach gleichfalls ein 'fehlerhafter Name*.
Doch betrifft dies eine dem Verfasser unbekannte Sprache. Wenn er aber
im V. 43 'die drei scharfe Schützen' rücksichtlich der starken Adjectiyform
als 'Fehler gegen die Grammatik und den Sprachgebrauch' bezeichnet und
ohne weiters räth, den Artikel zu streichen, so ist die grobe Unkenntnis,
die darin 11^, auffallend genug. Denn was den Artikel betrifft, den die
Anmerkung 'ganz unpassend' nennt, da 'von keinen bestimmten Schützen
die fiede' sei, so soll er ja gerade auf die drei Schützen hinweisen, welche
dort 'linker Hand um ein Feuer sitzen', wodurch der Ausdruck sinnlicher,
poetischer und Tolksthümlicher wird, als wenn das unbestimmte und allge-
meinere 'drei sdiarfe Schützen', wie es der Verf&sser vorschlägt, einti&te.
Man sollte glauben, so etwas kaum erst besonders hervorheben zu müssen.
Das starke Adjectiv aber erklärt sich einfiBUih dadurch, dass es mit dem
folgenden Substantiv zu einem Worte zusammengefiust ist, wie man im
Plural ähnlich sagen kann: die hohe Priester (Hohepriester) u. dgL Doch
bleiben wir hier stehen. Gleich in der ersten Soene des Gedichtes sind also
unter 15 Anmerkungen mehr als die Hälfte überflüs^ und drei entschie-
den unrichtig. Eine derselben meistert noch dazu den Text in unberufener
Weise. Und so geht es weiter durch das ganze Werk hindurch. Uebrigens
dürfte eine Schulausgabe der Wallensteindichtung woi darauf verzichten»
den ganzen Text des Werkes zu bringen. Viele Partien, besonders in den
Piooolomini und selbst im Tod könnten übergangen und die Verbindung
nur dnrch einen einfachen Bericht hergestellt sein.
Den Erklärungsschriften gröfserer Dichtungen, welche den Lehrer
selbst bei der Erklärung in der Schule leiten sollen, hat sich neuestens
der breite Commentar zu Goethe's Hermann und Dorothea von Gholevius
angeschlossen. Ich komme hier auf dies Buch zurück, um zu zeigen, wie
verkehrt es wäre, in den Anmerkungen der Schulausgaben durch solche
Schriften sich bestimmen zu lassen. Schon vorhin habe ich aus der Vor-
rede dieses Werkes, worin der Verfcisser sein Ver&hren in der Schule
schildert, einige seiner leitenden Grundsätze herausgehoben. Die 'Einlei-
tung* und die 'fortlaufende Erläuterung' zeigt, wie sehr es ihm damit
Enust war, die Methode bis ins kleinste und kleinlichste durchzuführen.
Was von dem 'Nachdichten', das der Verfasser bezielt, zu halten ist, wissen
wir, wie aber auch nur ein Nachempfinden einigermafsen zu Stande kom-
men soll, wenn mit den langen Erörterungen, die der Commentar je nach
einigen Versen einschiebt, die Leetüre gestört wird, hierüber ist wol keine
Täuschung möglich. Dazu kommt noch, dass der Verfasser mit Vorbedacht
nach einer nüchternen Auslegung strebt und so sind hie und da Fragen
aufgeworfen, die den Sinn ins Prosaisshe und Platte ziehen, mitten in
70 K, Tomaschek, Ueber Schalausgaben deutscher Dichtungen.
warmer ßegeisterung wie ein Sturz Wassers wirken und um so überflüs-
siger sind, als sie dem einfachen Sinne fem liegen, und sie aufzustellen
in den meisten Fällen ganz gesucht und gekünstelt ist. Zu dem Gesagten
mögen hier nachstehend wenigstens einige Beispiele Platz finden. Schlage
wir im Commentare zufallig auf, da fällt uns (S. 121) die Bemerkung zn
L V. 35 ff. in die Augen, wo neben ähnlichem andern vorgebracht wird,
wie *eine bequeme Kleidung in der geschäftsfreien Zeit sonst zum Wohl-
befinden des deutschen Hausvaters gehöre und in den gewöhnlichen Gast-
höfen der Wirth an Schlafrock, Pantoffeln und Mütze herausgeftinden wer-
den könne*. Auf der Seite vorher erhalten wir zu dem Ausdrucke *der
Wirth zum goldenen Löwen* eine Rechtfertigung solcher Bezeichnungen,
'weil es für die Fremden unbequemer ist, sich die Namen der £igenthümer
zu merken* — u. s. w. 8. 125 gibt zu 'Karren* (I V. 117) die Notiz: *der
Karren ist ein Packwagen, dessen oberer Theil aus einem Kasten bestehl
Er hat meistens nur zwei Räder. Cssar erwähnt, dass solche carri bei den
Galliem in Gebrauch waren* u. s. f. Erscheinen solche Notizen als nur
halbwahr, überflüssig und pedantisch, so mag die Anmerkung zu II. V. 127 t
als Beispiel verkehrter und erzwungener »sthetischer Glossen dienen. Da
lässt der Dichter die Mutter zum Schlüsse der Erzählung vom Brande
sagen, die herrlich aufgehende Sonne hätte ihr wieder Muth in die Seele
geflöXbt, und der Verfasser hält es für passend, hieran eine Erörterung zu
knüpfen, *dass die Dichter uns gewöhnt hätten, unsere Erlebnisse und Ge-
müthszustände mit Naturscenen in Zusammenhang zu bringen* u. s. w.
Dazu wahrhaftig bedarf das einfache Gemüth weder des Dichters noch des
Aesthetikers, und auch die angeführten Verse erklären sich und wirken
durch sich selbst. Und nun sei noch ein Beispiel gestattet, das uns beim
Umblättern in's Auge fällt und das die banalen Momente der Erklärung
illustrieren kann. Die Schlussverse des IL Gesanges vermögen in ihrer
rührenden Einfachheit und Schönheit nicht, des Verfassers Befremden zu
unterdrücken, *dass die Saalthüre in dem wohl versehenen Hause noch
einen so einfiEU^hen und altmodischen Verschluss hat. Man drücke übrigens,
wenn man die Thjlre offnen will, nicht auf die Klinke, sondern auf den
Drücker, welcher die Klinke aus dem Haken hebt* (!). In der That, wer ge-
wöhnt wurde, an Stellen von solcher Wirkung wie die vorliegende derartige
Reflexionen zu knüpfen, der ist, fürchten wir, für die Herrlichkeit der Dich-
tung verloren. Wenn man nun weiter noch bedenkt, dass die Erörterun-
gen der Einleitung, die sich über die dichterische Grattung und den »sthe-
tischen Charakter des Werkes verbreiten, überall auch bei der Erklärung
des Einzelnen hinzutreten sollen, so muss am Ende vor der Masse au^^
regter Vorstellungen der einfiache Text und seine Wirkung und damit die
Grundlage des eigentlichen Interesses vollständig in den Hintergrund ge-
drängt sein. Nebenbei möchte ich indes bemerken, dass die Einleitung
durch lobenswerthe Klarheit dem Lehrer allerdings manche Belehrung
bieten kann. Wenn übrigens der Verfasser die theoretischen Aufsätze in
Humboldt's Werke über Hermann und Dorothea als unbrauchbar be-
zeichnet, 80 fällt es auf, dass gerade viele der von ihm selbst entwickelten
Begriffe, wie z. B. der Unterschied objectiv-realer und subjectiv-idealer Dich-
JE. Tonuudiek, Ueber Schulausgaben deutscher Dichtungen. Tl
tongsweiso, die Merkmide der epischen Darstellung u. dgl., wie so manche
ästhetische Kategorien, welche heut zu Tage ganz geläufig sind, bei stren-
gerer Prüfung gerade auf jene Aufsätze zurückzuführen wären.
Nicht für weitläuftige Erklärungsschriften, sondern für zweckmäCsige
Ausgaben grösserer Dichtungen spricht ein dringendes Bedürfnis der Schule.
Einige der vorzüglichsten Gesichtspuncte , aus welchen solche Ausgaben
anzulegen wären, will ich im Nachfolgenden zusammenstellen. Sie ergeben
sich gröfstentheils aus dem bisher Entwickelten.
Die Frage, für welche Dichtungen zunächst solche Schulausgaben
wünschenswerth wären, dürfte kaum eine schwierige sein. Die Meister-
werke Gcethe's und Schillerte müssen hier vor allen und insgesammt be-
rücksichtigt werden, so weit sie nicht durch psedagogische Bedenken wesent-
licher Art ausgeschlossen bleiben. Sie allein schon wären hinreichend, die
einschlägige Leetüre der obem Glassen auszuf&Uen. Gegen die nachstehende
wohl erwogene Liste möchten gegründete Bedenken nicht leicht erhoben
weidML Von Gosthe kommen in Betracht: Götz Yon Berlichingen, Clavigo,
Iphigenie, Tasso, Hermann und Dorothea; von Schiller: Don Carlos, Walleor
stein, Maria Stuart» Jungfrau von Orleans, Wilhelm Teil. Hiezu tritt dann
?on Lessing Minna von Barnhelm und, wenn die Zeit reicht, auch einige
Stücke von Shakespeare, den wir Deutsche uns in mehr als einer Be-
ziehung gewissermaÜBen aneignen dürfen. So etwa Coriolan, Julius Ossär,
Macbeth und Eichard HI ").
Wie ich gelegentlich schon andeuten konnte, so verschlägt es nichts,
wenn in diesen Ausgaben minder wichtige und dichterisch bedeutende
Soenen oder solche, gegen welche unausweichliche pssdagogische Bedenken
FUtz greifen, durch ein möglichst einfach gehaltenes verbindendes Referat
eraetzt werden. Für den Ton eines solchen, doch nur für diesen, könnten
%, B. die Einschaltungen zum Muster dienen, mit welchen Karl Gödeke die
in seine 'elf Bücher deutscher Dichtung' aufgenommenen Fragmente des
Tasao verbindet Bei manchen Werken, so beim Don Carlos und Walleustein,
sind die Auslassungen schon durch die Rücksicht auf den allzugrofsen
Umfimg geboten. Dabei darf aber in keinem Falle eine solche Kürzung
eintreten, ohne dass die Lücke durch einen verbindenden Text angezeigt
und ausgefüllt wird.
Es entsteht nun die Frage, was der Commentar solcher Ausgaben
lu enthalten habe. Die Anforderungen der Lehrer in dieser Beziehung
zeigen bei der Bathlosigkeit und Yerstiegenheit des methodischen Vorgan-
ges ein heilloses Schwanken. Aber die Frage verliert an Schwierigkeit,
wenn man strenge an dem obersten Zwecke aller dichterischen Leetüre in
der Schule festhält und was mittelbar durch sie begründet und erreicht
werden mag bei Seite lässt. Dieser oberste Zweck ist und bleibt aber,
um es wiederholt und in kürzester Form auszusprechen, kein anderer als
die Dichtung den jugendlichen Gemüthern zum Genüsse zu bringen. Auf-
richtig gesagt, bin ich der Meinung, so äufsert B. v. Baumer in seiner
**) Eine zum Theil ähnliche Liste stellt auch R. v. Raumer auf a. a. 0.
S. 137.
72 K. Tonkuchek, Ueber Schalaosgaben deutscher Dichtungen.
Mher gerühmten Abhandlung*^, dass diese Dichtongen ihre grölte und
wesentliche Bestimmung erfüllen, auch ohne dass man ein Wort an ihnen
erklart. Doch gesteht er die Brauchbarkeit eines kurzen Handcommentares
wenigstens für das häusliche Nachlesen zu. Ich glaube jedoch, dass ein
solcher auch bei der Leetüre in der Schule selbst gute Dienste leisten
könne, um so mehr, als es mir nothwendig scheint, dass nicht bloik der
Lehrer vorlese, was nicht ausgeschlossen ist, sondern dass zunächst die
Schüler selbst abwechselnd zur Theilnahme an der Leetüre heranzuziehen
sind. So viel ist jeden&lls gewiss, dass Schulausgaben einschlägiger Dich-
tungen durch einen kurzen Handcommentar an Werth und Verbreitung ge-
winnen werden. Hiezu nun möchte ich folgende allgemeine Puncte ak
mafbgebend bezeichnen.
Als erste Regel für die Erklärung muss gelten, dass sie wirkliche
Hindemisse der Auf&ssung und somit der Wirkung des Textes selbst^ auf
dem kürzesten Wege, wo möglich mit ein paar Worten, zu beseitigen hat
Da gilt es keineswegs alle falschen Vorstellungen, die nur überhaupt
möglicherweise sich bilden könnten, oder gar ein durch Reflexion erst
künstlich hervorgerufenes Misverständnis, welches dem gesunden Sinne feine
li^, wegzuräumen, sondern es gilt thatsächliche Schwierigkeiten aufini-
klären, die durch sprachliche oder sachliche Dunkelheit veranlasst sind.
In dieser Hinsicht z. B. wären ungewöhnliche Ausdrücke und Construc-
tionen, aber auch entfernter liegende Beziehungen historischer und geogra-
phischer Art kurz zu erklären. Ebenso könnte hie und da etwa vor nahe
liegender falscher Betonung gewarnt, femer' auf den stofiPlichen und chro-
nologischen Zusammenhang innerhalb der Dichtung, wo dieser eine Un-
klarheit oder Misverständnis voraussetzen lässt, hingewiesen werden, u. dgL
Für Anmerkungen, die das Verständnis positiv zu fördem bestimmt
wären, spricht im Grunde keinerlei Nothwendigkeit Doch kann hierin
dem sichern Tacte des Erklärers manches anheimgegeben bleiben, sofern
er nur mit seinen Anmerkungen die Fördemng der unmittelbaren Wirkung
der Dichtung und ihrer Theile nicht aus dem Auge verliert, d. i sofern
er sich innerhalb des Spielraums des entwickelten Prindpes zu beschränken
weüÜB. Doch möchte er hiezu, wie mir scheint, kaum häufig Veranlassung
finden; denn das wirksamste eines dichterischen Meisterwerkes bleibt do<^
immer die Dichtung selbst. Belehmngen, die nebenbei über dies und jenes
mit der Dichtung und der bestimmten Stelle nicht unmittelbar und noth-
wendig verbundene sich verbreiten wollten, sind von dem Commentare,
der nichts für sich gelten will, sondem nur um der bestimmten Lectflre
willen da ist, unbedingt auszuschliefsen.
Das angeregte Interesse für die gelesene Dichtung erweckt von selbst
das Interesse für den Dichter. Daher wären kurze literarhistorische No-
tizen als Beigabe nicht abzuweisen. Diese haben sich jedoch strenge auf
den Dichter und sein Gedicht und auf die Entstehungsgeschichte des
Werkes zu beschränken. Als Mafsstab, wie weit man hier in den Bemer-
kungen der Schulausgaben gehen dürfe, scheue ich mich nicht den Sats
^") a. a. 0. S. 138 f
K, Tomagehek, üeber Schnlausgabon deutscher Dichtungen. 78
auszusprechen: so weit als die angeregte Neugierde zu ihrer unmittelharen
BeMedigung verlangt
Endlich scheint es mir nicht unwichtig, die üeberzeugung zu be-
tonen, dass jede überflüssige Anmerkung, in welcher der Schüler eine Stütze
zu finden glaubte und getäuscht wird, in ihm, sagen wir es geradezu, eine
Art Entrüstung hervorruft, welche ihn auch dort die Bemerkungen gering
schätzen lässt, wo sie ihm erwünscht sein müssten.
Hiemach wären solche Schulausgaben derart einzurichten, dass zuerst
der Text, beziehungsweise der verbindende Bericht, wo Lücken bleiben,
gegeben wird und die kurzen Anmerkungen zu einzelnen Stellen unterhalb
der Seiten fortlaufen. Für den Text ist jedenfiedls die schlieMiche Bedac-
tion des Dichters maf^gebend, versteht sich gereinigt von den durch fort-
währenden Wiederabdruck gehäuften Lrrthümem. Varianten oder augen-
scheinliche Parallelstellen aus demselben Dichter selbst oder aus seiner
Prosa, wofern sie die Wirkung der betreffenden Stelle verstärken, dürften
hie und da in den Anmerkungen nicht unwillkommen sein.
Ein Anhang enthielte dann Hauptpuncte aus der Entstehungsge-
sdiichte des Werkes, darunter die Veranlassung, die den Dichter bestimmte,
und Mittheilungen über den rohen Stoff, welcher ihm vorgelegen hat, wo-
fern beides notorisch ist. So können passend zu Wilhelm Teil Stellen aus
Tschudi's Chronik und vielleicht sogar aus Johannes Müller*s Schweizer-
geschichte, oder zu Gtothe's Hermann und Dorothea seine seit 1809 bekannte
Quelle abgedruckt werden. Bei historischen Dichtungen dürfte ein kurzer
Hinweis auf die einschlägige wirkliche Geschichte erwünscht sein. Berich-
tigungen der historischen Grundlagen des Dichters nach neuem Ergebnissen
mögen aber nur sehr behutsam und in den sichersten Puncten Beachtung
finden. Hierauf wären dann einige literarhistorische Notizen meist wol chro-
nologischer Art über die Stellung des Werkes innerhalb der andern voi>
zügüchen Werke desselben Dichters und einem der Werke seine kurze Bio-
graphie anzuschlieX^en. Ich brauche erst nicht zu sagen, wamm ich alle
diese Puncte im Anhange hinzufügen und nicht als Einleitung dem Texte
voranstellen möchte.
Je dringender es wird, die gröfseren Meisterwerke der deutschen
Dichtungen in den Kreis der Schullectüre zu ziehen, desto fühlbarer ist
der Mangel passender und wolfeiler Schulausgaben. Möge die Verlagshand-
lung, welche sich entschlösse, diesem Bedürfnisse abzuhelfen, Männer
finden, die mit Geschick und Lust es übernähmen, unbekümmert um herr-
schende Richtungen Schulbücher der Art von dauemder Brauchbarkeit zu
bearbeiten.
Graz. Karl Tomaschek.
74 M. WretBchko, Ueber den natorwissenschafbl. Unterricht
Einige Bemerkungen über den naturwissenschaft-
lichen Unterricht an unseren Gymnasien.
Ein Zeitraum von fast drei Jahren ist verflossen, seit mehr oder
weniger wichtige Fragen auf dem Gebiete des Unterrichtes von bedeuten-
den Schulmännern eine lebhafte Discussion erfahren, von deren Ergebnis
selbst die Principien unseres heutigen Studiensystemes nicht ganz tot-
schont blieben. Insbesondere wurde eine Beform in dem naturwissen-
schaftlichen Unterrichte an den Gymnasien angestrebt und eine Anzahl
von Broschüren yeröfifentUcht, deren Verfasser zum Theile in der Wissen-
schaft einen bedeutenden Namen haben. Es kann nicht bestritten werden,
dass all die Erörterungen dem Gegenstande, den sie betrafen, neue Seiten
abgewannen, dass manche Ansichten in die Oeffentlichkeit drangen, die
mittelbar oder unmittelbar einen Fortschritt anbahnten, dass manche un-
serer Schuleinrichtungen durch die Angriffe, die sie erfuhren, nur noch
mehr befestigt wurden, während die Mängel anderer desto deutlicher her-
vortraten. Eine der praktischen Folgen jenes Kampfes ist das Inslebentreten
von Realgymnasien; ob durch sie die offenkundigen Wünsche hinsichtlich
der naturvrissenschaftlichen Lehrzweige ihrer Erfüllung näher gerückt wor-
den sind, lässt sich derzeit noch nicht absehen, doch kann man auf Grund
ihres gegenwärtigen. Lehrplanes wol bezweifeln, dass sie in dieser Hinsicht
gegen die Untergjmnasien eine Mehrleistung werden aufzuweisen haben.
Wenn wir von unserem Standpuncte, als Vertreter der Naturwissenschaften
an den Gymnasien, die Frage aufwerfen, welchen praktischen Nutzen jene
mehrseitigen und wie man nicht absprechen kann, von tiefer Ueberzeugung
und vieler Begeisterung getragenen Bestrebungen bis jetzt aufzuweisen
haben, so müssen wir im Angesicht der Thatsache, dass in dieser Be-
ziehung alles un verrückt geblieben ist, leider sagen: keine. Auf welche
Ursachen diese Erscheinung zurückzuführen ist, das will ich nicht unter-
suchen, sondern nur auf einen Umstand hinweisen, der dazu vielleicht nicht
am wenigsten beigetragen hat, nämlich auf die Differenz in der Form der
Vorschläge, welche in den damals erschienenen Druckschriften*) behufs
der Hebung dieses Unterrichtszweiges gemacht worden sind. Ich sage: in
der Form, denn die empfohlenen Verbesserungen giengeu in der That
nur hinsichtlich des Studienplanes, der Methode und der Aufeinanderfolge
der einzelnen naturwissenschaftlichen Disciplinen auseinander, weniger hin-
sichtlich des Stoffes, der zu bearbeiten wäre. Diese Disharmonie unter
den Fachmännern selbst konnte vielleicht hin und wieder zu der Ansicht
verleiten, dass der Zeitpunct noch nicht gekommen sei, wo man etwaige
*) Bemerkungen über den naturwissenschaftlichen Unterricht an unseren
Gymnasien von Eduard Suefs. Wien, 1862.
Die Geologie und der Unterricht in Oesterreich. Wien, 1862.
Ueber die Begrenzung und Vertheilung des naturwissenschaftlichen
Lehrstoffes an Gymnasien von Dr. A. JPokomy. Wien, 1862.
Zur Frage über die künftige Stellung der Naturwissenschaften an un-
seren Gymnasien von Dr. M. Wretschko. Wien, 1862.
JC. Wretschko, Ueber den naturwissenschaftL Unterricht. 75
Aendemngen mit einiger Aussicht aaf Bestand und zum Gedeihen der Sache
vornehmen könnte. Von jedem, der einen solchen Sohluss zieht, muss aber
doch zugestanden werden, dass jene ReformYorschlfige in höchst überein-
stinmiender Weise drei Hauptforderungen aufstellten, nämlich: Erweite-
rung des chemischen Unterrichtes, Versetzung der Minera-
logie am Untergymnasium hinter die Physik, undAbschlieXsung
des natorwissenschaitL Unterrichtes durch die allgemeine Naturkunde
in den obersten Classen. Diese Forderungen, deren Berechtigung im Unter-
richte aus der organischen Entwickelung der Naturwissenschaft unserer
Tage abgeleitet wird, und welche daher auch von der gegnerischen Partei
niemand absprechen darf, lassen sich nicht zurückweisen, wenn, um mich
eines Schlagwortes zu bedienen, unsere Mittelschulen mit dem Zeitgeist e
im Einklänge stehen und jenen Ansprüchen gerecht werden sollen, welche
das Leben unter den gegenwärtigen Verhältnissen der menschlichen Ge-
sellschaft an die naturwissenschaftliche Bildimg macht. Die Erfüllung aller
dieser Puncto ist gleich wichtig und wesentlich, sie erscheint mir als ein
Bedürfiiis unserer Zeit, sie ist aber besonders geboten bei den geselligen
und staatlichen Verhältnissen, wie sie in Gestenreich zumeist bestehen, wo
die allgemeine Bildung durchschnittlich noch eine wenig bcMedigende ge-
nannt werden muss und wo man in der Erwerbung derselben grofsentheils,
jeden&Us mehr, als in Deutschland oder England, auf die Schule hingeh
wiesen iat, ein Umstand, welcher bei Schulmännern, die ein massgebendes
Votum in solchen Angelegenheiten abzugeben haben, einer ernsten Berück-
sichtigong theilhaftig werden möge. Trotz dieser meiner Ueberzeugung sehe
ich doch wol, dass die Gewährung aller dieser Wünsche für die aller-
nächste Zeit noch erhebliche Schwierigkeiten haben wird, daher beschränke
ich mich im folgenden auf das Wenige, was ohne eine namhafte Ver-
rüekong des best^enden Lehrplanes sogleich ins Leben treten könnte,
indem ich meine, dass selbst ein unbedeutender Fortschritt noch viel besser
ist, als reiner Stillstand und zwar gegenüber einer Einrichtung, welche,
ich darf es geradezu behaupten, keinen seiner Sache gewachseneu Lehrer
zoMedenstellt, dennoch aber schon beinahe durch 10 Jahre fortbesteht.
Jn die Reihe dieser bescheidenen Forderungen gehört die Versetzung
der Mineralogie am Untergymnasium aus dem Wintersemester der IIL
in den Sommersemester der IV. und die Voranstellung der Physik in
die drei unmittelbar rorangehenden Curse. Da diese Aenderung in den
oben erwähnten Schriften einstimmig als dringend nothwendig hingestellt
wurde, so brauche ich bei ihrer Begründung nicht lange zu verweilen. Je
länger ich mich mit dem naturhistorischen Unterrichte befasse, desto mehr
befestigt sich in mir die Ueberzeugung, dass insbesondere der mineralo-
gische Zweig desselben bei aller Gewissenhaftigkeit und entsprechender
Vorbildung des Lehrers nur bedauerlich geringe Früchte tragen kann; in
jedem Jahre sprechen neue ErfE^irungen für die Richtigkeit dieser Auffas-
sung. Fast möchte ich glauben, dass dem absolvierten Gymnasiasten die
Bauten des alten Rom geläufiger sind, als das ABC der Zusammensetzung
unserer Erdrinde, auf der wir täglich wandeln, deren Beschaffenheit und
Configuxmtion doch auf unsere Lebensweise, auf unsere Beschäftigung, jfi
76 M, Wretschko, Ueber den natorwisscnschaftL Unterricht.
selbst anf nnsere Gemüths- and Denknngsart vom unmittelbaren Einflüsse
ist Denken wir uns den bestmöglichen Unterricht aus der Mineralogie in
der m. Classe, so dreht sich derselbe doch nur um die Betrachtung ein-
facher Erystallfonnen und etlicher an den bekanntesten Mineralien (Gips,
Schwerspath , Gelbblei etc.) vorkommenden Ck)mbinatiouen, und um aui&l-
lendere Aggregatformen, wozu noch die physikalischen Eigenschaften:
Bruch und Harte sich gesellen. Was sonst noch aus der EiTstallphysik
mitgenommen wird, bleibt ohne Bearbeitung von Begriffen aus fremden Ge-
bieten, wozu man aber keine Zeit hat, mehr oder weniger unverständlich;
hierher gehören chemische und physikalische Verhältnisse, gewerbliche und
technische Verwendung u. dgL Dass man gerade diejenigen Seiten des Ge-
genstandes aus der Schule eliminieren muss, von denen aus man auf das
Bestehen eines Zusammenhanges zwischen den Erscheinungen an einzelnen
Naturkörpem sowol, wie auch z¥ri8chen den Processen auf und in der Erde
selbst, endlich auf die vielfaltige Verwerthung der Mineralien im mensch-
lichen Haushalte in Folge gewisser, ihnen anhaftenden substantiellen Eigen-
schaften hinweisen könnte, ist jedenfeklls nicht erfreulich. Wol bleibt auch
dann, wenn man hauptsächlich blolüs auf die Erörterung morphologischer
Verhältnisse sich beschränkt, noch mehr als genug Stöfif für den Unter-
richt; allein da häufen sich wieder andere Schwierigkeiten, welche aus der
schlechten Orientierung der SchtQer in der Geometrie entspringen; man
muss buchstäblich nebenbei immer Geometrie lehren und so Schritt vor
Schritt sich Bahn brechen, um wieder in den Gesichtskreis des Sch&lers
zu kommen. Bei so vielen methodischen Hindernissen kann es nicht anders
sein, als dass das Resultat des Unterrichtes zum groften Theile in nicht
genug klaren Anschauungen und unvollständig bearbeiteten Begriffen be-
steht, welche nur oberflächlich haftend, alsbald verloren gehen. Meinen £r-
fiihrungen zufolgen besitzen am Obergymnasium stets nur etliche Schüler
Beminiscenzen aus der Mineralogie, während sich diese in der Botanik und
Zoologie doch nicht so selten und so dürftig zeigen.
Durch die Versetzung der Mineralogie in den Sommer der IV. würden
diese Uebelstände groJCsentheils behoben werden, es liefto sich die Betraeh-
tung der Mineralarten in morphologischer wie physikalisch-chemischer Be-
ziehung in jenem Umfange und mit dem nämlichen Erfolge durchführen,
wie jetzt in Quinta, ja sogar mit einem in dem Grade günstigeren, in
welchem das Stundenausmafs für diesen Unterricht das gegenwärtige in
Quinta übertreffen würde. Die Neuheit des Gegenstandes oder der dadurch
bedingte störende Einfluss kommt kaum in Betracht, da, wie gesagt, die
jetzige Vorbildung der angehenden Obergymnasiasten in diesem Fache einen
sehr geringen Werth hat. Die Mineralogie im engeren Sinne in zwei Stufen
zu lehren, nämlich unten und oben, ist nach meiner Ansicht in dem Falle
überflüssig, wenn die Schüler schon das erste Mal über einige Kenntnisse
aus der Geometrie, Physik und Chemie disponieren, und in einem Alter
stehen, wo eben diese Elemente ihre Fassungskraft nicht übersteigen. Alle
Gründe, welche man für die Zweistufigkeit des botanischen und zoologi-
schen Unterrichtes geltend machen kann, deren Gewicht ich nicht verkenne,
wie : Verschiedenheit in der Methode oben oder unten, Reichhaltigkeit des
M. WretschkOf üeber den naturwissenschaftl. Unterricht. 77
Mateiials, fiber das eine Uebersicht angebahnt werden muss, Nothwendig-
keit einer gröXberen Beife behufs des Verständnisses organischer Vorgänge
0. 1. w. haben hier eine geringe oder gar keine Bedentong. Wol aber wäre
es in meinen Angen ein groHser Fortschritt» wenn sich an die synthetische
Mineralogie der IV. die Betrachtung des Baues der Erdrinde im
Wintercnrse der V. anschlösse. Es steht zwar in unserem Lectionsplane
als Lehrstoff ftr das I. Semester der Quinta: „Mineralogie in enger Ver-
bindung mit der Geognosie**, allein dies ist ein eitler Aufputz und
jeder Eingeweihte welfs wol, dass wenigstens in den etwas zahlreichen
Classen von „Oeognoeie** keine Bede sein kann; durch diesen Abänderungs-
forachlag aber würde das, was nur auf dem Papiere in die Oeffentlichkeit
hinausgeschickt wird, in der Praxis verwirklichet werden können. Man for-
dert in der Zoologie und Botanik am Obergymnasium einige Berücksich-
tigung der Palsontologie und zwar mit Tollem Bechte, weil man damit
dem Unterrichte eine Färbung geben will, aus der man die heutige Auf-
&s8iing der Thier- und Pflanzenkunde wiedererkennen soll. Wie ist nun das
möglich, ohne jede geotektonische Unterlage? Es muss auch diese Forderung
fast nur ein leeres Wort bleiben. Als beiläufige Aufgabe für den erwähnten
Wintercursus der Quinta würde ich bezeichnen: Petrographie — Structur
der Gesteine — plutonische, neptunische Gesteine — Lagerung, Schichtung,
Erzgänge — Vulcane — Umwandlung der Gesteine — System der Gebirgs-
arten. Durch die Annahme dieser Modification, welche, wie schon bemerkt,
am bestehenden Stundenplane gar keine Verrückung nothwendig macht
und sich gänzlich innerhalb des Bahmens der gegenwärtigen Studienein-
richtung bewegt, so dass ihrer Ausführung keine principiellen Hinder-
nisse im Wege sein dürften, würden allgemeine Anschauungen über die
Entwickelung des Erdkörpers angebahnt werden^ auf deren Grundlage in
der organischen Naturgeschichte die sachrichtige Erfassung der gegenwär-
tigen Schöpfung nur als einer Phase im stetigen Umwandlungsprocesse
der Erde, nur iJs des Endgliedes aus der langen Kette ihrer Erscheinungs-
formen den Schülern zugänglicher gemacht werden könnte.
Die Physik, welche demnach in Tertia und im Wintersemester der
Quarta zu lehren wäre, hätte dadurch von den Tier wöchentlichen Stunden,
die ihr am Untergymnasiuni jetzt zufallen, '/, Stunde Terloren. Dieser
Verlust an Zeit würde, wie mir wol bekannt ist, den Gegenstand hart
tareffen, um so harter noch in dem Falle, als der Chemie ein gröi^rer
Zeitraum gewährt werden soll, wie ich dies oben befürwortet habe. Wollte
man jedoch in Tertia für die Physik drei Stunden ansetzen, was, falls auf
keine andere Weise, durch Vermehrung der wöchentlichen Lehrstunden
dieser Classe um Eine bewerkstelliget werden könnte, so bliebe nicht nur
ihr gegenwärtiges Becht ungeschmälert, sie Termöchte noch überdies in
der halben Stunde plus gegen jetzt der billigen und dringenden Forderung
zu genügen, etwa drei Monate des Sommersemesters ausschliefslich zu
Gunsten der Chemie abzutreten. Dass in didaktischer Beziehung gegen
den Beginn des physikalischen Unterrichtes schon zu Anfang der Tertia
keine wesentlichen Bedenken zur Geltung kommen, wird selbst von Fach-
männern — unter andern auch von Dr. Pick in Pokorny's oben erwähnter
78 M. WretftchkOy üeber den naturwissenschaftl. Unterricht
Schrift S. 17 — zugegeben , auch ich wüsste nach einigen Erfahrungen in
dieser Beziehung und nach sorgfältiger Prüfang der einschlägigen Um-
stände dagegen keinen erheblichen Grund namhaft zu machen, so dass
nach meinem Dafürhalten die besagte Aenderung mit voller Beruhigung
hinsichtlich des Lehrerfolges durchgeführt werden könnte. Wenn auch der
Gewinnung dieser Einen Lehrstunde gewichtige Bedenken entgegenstehen,
so darf man doch geradezu behaupten, dass Rücksichten daf&r sprechen,
die gegen jene Bedenken sicher das Uebergewicht behaupten. Es sind ja
analoge Abänderungen des Unterrichtsplanes zu Gunsten der Religion, der
Propeedeutik und Mathematik im Laufe des letzten Decenniums vorgenom-
men worden, obschon dafür kaum tiefere Motive vorlagen, wie die zu Gun-
sten der hier angestrebten Modification sprechenden. Möge die h. Un-
terrichtsbehörde auch diese in reifliche Erwägung ziehen!
Habe ich bisher einer zweckmäfsigeren Vertheilung des naturwissen-
schaftlichen Lehrstoffes das Wort geredet, so halte ich es anderseits Pai
dringend noth wendig, auf einen zweiten Uebelstand hinzuweisen, der aus
dem Mangel gewisser Veranschaulichungsmittel, insbesondere bildlicher
Darstellungen im Wandtafelformat hervorgeht. Die Naturgeschichte
ist in diesem Puncto hinter der Geographie zurückgeblieben, obschon für
die Erläuterung mancher Verhältnisse grofse Karten namentlich in zahl-
reichen Classen, wie sie in Oesterreich so häufig vorkommen, ein wahres
Bedürfnis sind; dahin gehören unter andern: Darstellung von Gebirgs-
durchschnitten, Karten über geographische Verbreitung der Thiere und
Pflanzen, Zeichnungen wichtiger Verhältnisse aus der Thier- und Pfianzen-
anatomie u. dgl. Rossmäfsler, gewiss einer der berühmtesten Lehrer
der Naturgeschichte, hat in seiner Schrift: 'Der naturgeschichtliche
Unterricht, Gedanken und Vorschläge zu einer Umgestaltung desselben',
auf dieses Lehrmittel als ein höchst ergiebiges hingewiesen und den sehn-
lichen Wunsch ausgedrückt, dass sich recht bald jemand finden möchte,
dem das Verhältnis der Sache, so wie die Mittel zu einer groftortigen
Durchführung derselben zur Seite stehen. Ich bedauere lebhaft, dass bis
heute nichts derartiges in's Leben gerufen wurde, und schreibe diese Zeilen
in der Absicht, um Freunden naturhistorischen Unterrichtes, die zugleich
so glücklich sind, in Orten grösserer artistischen Institute ihren Wohnsitz
zu haben, diesen schönen, vielversprechenden Gedanken wiederholt nahe zu
legen. Weder Zeichnungen des Lehrers auf der Tafel, noch Darstellungen
mit Hilfe des Sonnenmikrosoopes vermögen das zu leisten, was derartige
mit Sorgfalt und Wahrheitstreue in gehöriger Vergröfserung ausgeführte
Abbildungen (nach Umständen auch Modelle) zu thun im Stande sind.
Der naturgeschichtliche Unterricht ist noch weit davon entfernt,
jenen Einfluss auf Verstandes- und Geraüthsbildung zu üben, der daraus
geschöpft werden kann ; die Ertheilung desselben geschieht noch nicht mit
jener Umsicht, die zu dessen Gedeihen erforderlich ist und die ihm eine
günstige Zukunft sichern kann. Möge es daher an Bemühungen nicht
fehlen , ihn wenigstens innerhalb des uns eingeräumten Gebietes auf das
beste und zweckmäfsigste zu pflegen!
Laibach. Dr. M. Wretschko.
Yierte Abtheilung.
Miscellen.
Aus der ^Mittelschule.^
Yersammlimg vom 1. April 1864.
Als ordentliclie Mitglieder traten dem Vereine bei die Herren Dragoni
Jacob , k. k. Schulratb , Doli Eduard , Director der Oberrealschule am
Bauernmarkt.
Schulratb Kral hält seinen Vortrag über die Gleichstellung
der Gymnasien und tlealschulen sowol hinsichtlich der Be-
züge der Lehrer als auch der Rechte der Schüler.
Das h. Staatsministerium sei dem Wunsche der ReichsYertretung,
-die k. k. Regierung möge für eine Verbesserung der Lage der Lehrer an
den Mittelschulen, sowie für die vollkommene Gleichstellung der Gymnasial-
und Reallehrer nach Rang und Bezügen unverzüglich Sorge tragen**, inso-
weit nachgekommen, dass das Unterrichtsgeld an den Gymnasien erhöht
und ein Drittheil desselben zur Verbesserung der Dotation der älteren Lehrer
bestimmt wurde. Aulüserdem seien in der jüngsten Zeit einige Gynmasien
£0. Classe zu Gymnasien IL oder auch I. Classe erhoben worden. Allein
eine Gleichstellung der Reallehrer mit den Gymnasiallehrern sei nur inso-
fern eingetreten, dass man die Dienstzeit an Realschulen auf 30 Jahre,
wie bei den Gjrmnasien, festgesetzt habe; für die Gleichstellung der Be-
züge sei nichts geschehen, ja das schon bestehende Misverhältnis sei durch
die den Gymnasiallehrem gewährte Begünstigung noch auffallender gewor-
den. So seien z. B. die Gelmltsstufen der Lehrer an den Realschulen in einer
ProYinzialhauptstadt (Brunn, Görz, Innsbruck, Elagenfurt, Linz, Olmütz.
Troppau und Lember^) 630 und 840 fl. , die der Gymnasiallehrer 945 und
1060 fl. nebst der Zdage aus dem Schulgelde, welche nach dem ausge-
stochenen Vertheilungsmodus an einem frequenten Gymnasium wenigstens
300 IL jährlich betragen werde. Und doch seien die localen und socialen
Verhaltnisse dieselben für die Gymnasiallehrer wie für die Reallehrer und
namentlich das Bedürfnis literarischer Hilfsmittel nicht geringer für die
einen als für die anderen. Wol betrage die Decennalzulage an Realschulen
210, an Gymnasien nur 105 tt. ; aber durch diesen Unterschied von 105 ii.
werde das Misverhältnis nicht ausgeglichen, sondern es bestehe schliefslich
noch immer ein Unterschied von 1050 zu 1455 oder von 1260 zu 1560 fl.,
abgesehen davon, dass die Decennalzulage der Reallehrer nur zweimal, die
der Gymnasiallehrer hingegen dreimal eintrete.
Redner kann sich keinen anderen Grund dieser Zurücksetzung der
Reallehrer denken, als entweder die Voraussetzung , dass sie einer gerin-
geren Vorbildung bedürfen, man sie daher auch schlechter dotiere, weU man
geringere Anforderungen an sie mache ; oder weil die Realschule dem Gym-
nasium als Unterrichtsanstalt nachstehe.
80 Misccllon.
Nun finde man bezüglich der Vorbildung der Lehrer an den selbstän-
digen Realschulen , dass der §. 2 der Vorschrift über die Prüfung der Can-
diaaten des Lehramtes an selbständigen Realschulen fast wörtlich ebenso
laute wie §. 2 des Prüfungsgesetzes für Candidaten des Gyiiinasiallehramtes.
Dazu komme noch der Umstand, dass neben vier Gvmnasial-Prüfungscom-
missionen nur eine für Candidaten des Realschullenramtes besteht, diese
auch viel später in's Leben gerufen wurde, daher die meisten Lehrer au
den selbständigen Realschulen von den Gymnasial -Prüfungscommissionen
approbiert worden seien. — Auch an das Lehramt selbst knüpften sich
niäit weniger geistige und moralische, paddajgogische und didaktische Ver-
pflichtungen an Realschulen, als an Gymnasien; im Gegentheile dürfte die
gröfsere Lehrstundenzahl der meisten Lehrer an Realschulen schwer in 's
Gewicht fallen.
Aber auch als ünterrichtsanstalt stehe die Realschule dem Gymna-
sium nicht nach. Beide seien Mittelschulen, beide haben den Zwed^, eine
harmonische Ausbildung aller geistigen Kräfte ulid überhaupt eine höhere
allgemeine Bildung zu gewähren; sie unterscheiden sich nur durch die
Dauer ihres Bestandes und die Mittel zur Erreichung ihres gemeinschaft-
lichen Zweckes. Diese Anschauung sei eine gesetzliche, gerechtfertigt durch
die Worte des Org. Entw. und der Verordnung über den Lehrplan der Real-
schulen ?om Jal^e 1851; für sie sprechen gewichtige Auctoritäten und
unser Verein habe in seiner Denkschrift an den h. Reichsrath in gleicher
Weise sich angesprochen. Es stelle sich demnach als eine unabweisliche
Forderung der Gerechtigkeit heraus, dass die Bezüge der Lehrer an selbstän-
digen Realschulen denen der Gymnasiallehrer gleichgestellt werden.
Die Erwägung des Verhältnisses dieser Mittelschulen zu einander
führe aber auch zu der Ueberzeugung von der Noth wendigkeit der Gleich-
stellung der Rechte der Realschüler mit denen der Gymnasial-
schüler. Redner versteht darunter zunächst das Recht des Uebertrittes an
die Universität, um als ordentliche Hörer aller lener Vorträge immatricu-
liert werden zu können, welche nicht ausdrücklich die Kenntnis der alt-
dassischen Sprachen bedingen; femer alle mit der Stellung eines akademi-
schen Bürgers verbundenen Begünstigungen, z. B. die bedingte Befreiung
von der Militärpflicht, den Eintritt in verschiedene Abtheilungen der Civil-
und Militärverwaltung u. s. w. Gewichtige Stimmen hätten sich für Äi-
lassung derselben zu den medicinischen Studien ausgesprochen , ja selbst
die Möglichkeit , ihnen die theologischen Studien zu eröffhen , sei aus-
gesprochen worden, wenn sie der lateinischen Sprache mächtig wären»
weil sie vermöge ihrer Vorbildung besonders als Landgeistliche an ihrem
Platze wären.
Redner gibt zu, dass die jetzige Einrichtung der Realschule jene
Bürgschaften noch nicht biete, die erfordert werden, wenn dem absolvierten
Realschüler die nöthige Vorbildung zuerkannt werden soll, Universitäts-
studien mit Erfolg betreiben zu können. Darum hält er es für nothwendig,
einige Veränderungen im gegenwärtigen Lehrplane der Realschule zu be-
fürworten. Dah'n gehört erstlich die Erweiterung des Lehrcurses der Real-
schule auf acht Jahre, um unter anderen Vortheilen eine richtigere Ver-
theilung der Lehrgegenstände zu ermöglichen, den Humanitätsgegenständen
ihr Recht und der einen oder anderen modernen Cultursprache Raum zu
verschaffen, endlich für Logik und Psychologie einige Stunden in den bei-
den letzten Jahrgängen der Oberrealschule zu gewinnen. Femer erachtet
es Redner für nothwendig, dass auch der Abiturient der Realschule sich
einer zweckmäfsig vorzunehmenden Maturitätsprüfung unterziehe. Redner
weist auf die bereits erwähnte Denkschrift unseres Vereines hin, welche
im Wesen dieselben Veränderungen befürwortet
Gegen diese Vorschläge werde man vielleicht einwenden, die Schüler,
welche die Realschule besuchen, hätten sich zunächst für das bürgerliche
Geschäftsleben vorzubereiten, um dieses Ziel so schnell als möglich zu er-
reicheii ; daher sei jede Vermehmng der Schulzeit als ein Uebelstand fem-
Mitfcellen. (^]
Inhalten. Aber der Knabe, welcher nach Beendigung der Volksschule, ohne
eine höhere Bildung anzustreben, in das Geschäftsleben übertreten soll*
gehöre nicht in die Realschule, sondern in eine gewerbliche Fachschule
oder in die Bur^rschule. Ein Knabe dagegen, welcher eine höhere Bildung
erhalten soll, habe in die Mittelschule zu treten . mag es nun das Gymna-
sium oder die Realschule sein; beide würden ihn , wenn auch auf ver-
schiedenen Wegen, lu der höheren allgemeinen Bildung führen. Eltern aJao,
welche bei ihren Söhnen diese Abeicht haben, werden die Erweiterung der
Realschule nicht beklagen.
Schliefiilich stellte Redner den Antrag zur Abfassung: ^erstens einer
Denkachrüt über die Reform der Realschule und die daran geknüpfte Gleich*
Stellung der Rechte der Realschüler mit jenen der Gymnasialschüler, zwei-
tens einer an das h. Staatsministeriuro zu richtenden Petition um volle
Gleichstellung der Lehrer an selbständigen R^lschulen mit jenen an den
Gymnasien in Rücksicht auf die Bezüge**.
Bei der hierüber eröffneten Discussion sprachen sich alle Redner für
die volle Gleichstellung der Lehrer an Gymnasien und Realschulen aus;
in Bezug auf die Zulassung der Realschüler zu den üniversitätsstudien aber
äulkerten die Prof. Vielhaber, Meister, Kleibl ihre Bedenken, weil die Auf-
nahme des Lateinischen in den Lehrplan der Realschule allein nicht hin-
reiche, um eine ausreichende Grundlage classischer Vorbildung für die hö-
heren Stadien zu bieten, wogegen Prof. Schmued die Nothwendigkeit des
Studiums der griediischen Sprache, z. B. für den künftigen Mediciner ge»
rsdezu in Abrede stellte, aucn in Zweifel zog, ob z. B. der künftige Lehrer
an einer Realschule zu verpflichten sei, d^ Gymnasium zu absolvieien.
Schlief^lich wurde auf Anregung des Prof. Dr. Pick mit Zustimmung dos An-
tngsstellers Schulrath Kral beschlossen, in der abzufassenden Denkschrift
auszusprechen, dass bei der bevorstehenden Reorganisation der Realschulen
jme Aenderungen im Lehrplane eingeführt werden mögen, die dem absol-
vierten Realschüler den Uebertritt an die Universität ermöglichen.
Versammlung am 22. April.
Hr. Hoff er Herm., Turnlehrer am Theresianum, wurde als außer-
ordentliches Mitglied aufgenommen.
Dir. Schröer las als Berichterstatter des Comite zur Ausarbeitung
dner Denkschrift über das Turnen den Entwurf derselben. Die
Denkschrift ist inzwischen im Druck erschienen und an die Mitglieder ver-
theilt worden. Sie handelt : 1. Von der Nothwendigkeit des Turnens. Der
B^riff der Bildung fordere, dass der ganze Mensen, also auch seine ganze
Leälichkeit, ausgebildet werde. Abgesehen von den praktischen Vortheilen
geübter Kraft und erlangter Gewandtheit, müsse die Würde, die eine durch
Gymnastik erlangte Selbstbeherrschung und Wehrhaftigkeit dem Manne leiht,
als zur Ausbildung gehörig anerkannt werden. Dazu komme das Moment
der Erziehung für die Gesellschaft, die Entwickelung des Gemeinschaft-
simies, welche Aufgabe der Schule sei und vor allem durch die thatsächliche
Gemeinschaft der persönlichen Bethätiguug angestrebt werden müsse. Li
dieser Ueberzeugung werden folgende Wünsche ausgesprochen: dass an allen
Sdiulen für einen entsprechenden Platz zu freier Bewegung gesorgt und
dass bestimmte Uebungsstunden angesetzt werden, dass es dabei der Ju-
ffend an angemessener Ueberwachung und Leitung nicht fehle, dass für
diesen Unterricht nicht besonders zu zahlen und dass er obligatorisch sei
und der Schüler nur auf Grundlage ärztlicher Zeu^isse davon dispensiert
werden kann. 2. Ueber die Mängel des herkömmlicnen „Turnunterrichtes**
und deren Abhilfe. Es kamen häufig Beispiele vor, wo die Jugend das
Turnen wie einen unliebsamen Unterrichtsgegenstand mit Ueberdruss be-
trachtete und gerade die begabteren Schüler sich von demselben abwandten ;
wo der Gesundheit und Entwickelung nachtheilige Uebungen vorgenommen
wurden; wo überhaupt das Turnen zu einer gedankenlosen Uebung von
ZettMbrift r. d. Oft«nr. Gyinn.lS65. I. H«ft. G
8t Miscellen.
Fertigkeiten ohne System und Stufenfolge herabsank. Es scheine erforder-
lich, einerseits dem naiven Alter der ersten Knabenjahre entsprechend den
abstracteren Uebongen eine Stufe voranzustellen, auf der die unwillkttr-
liche Bewegung, durch ein objectives Interesse herbeigeführt, mannigfaltig
und unbewusst geübt werde, eine Spielstufe; anderseits im Hinblick auf
das esthetische Moment eine höchste abschliefsende Stufe hinzuzuftLgen.
in der dasselbe besonders zur Geltung komme. 3. Von den Lehrern und
Leitern der gymnastischen Uebungen. Es sei wünschenswerth , dass e»
Lehrer seien, cue auch in anderen Gegenständen unterrichten, dass daher
an den Präpiu-andien und Seminarien dafür gesorgt werde, dass der künf-
tige Lehrer ein nach dem vom Comitä vorgeschlagenen Lehiplan ausgebil-
deter Gymnastiker werde, und dass er auch zur Leitung von Sing- und an-
deren Spielen, so wie überhaupt zur Ertheilung eines methodischen grm-
nastischen Unterrichtes angeleitet werde. 4. Lehrplan. Nach demselben
werden vier Stufen des gymnastischen Unterrichtes unterschieden. L Stofe
bis zum 14. Leben^ahre (Spielstufe) ; 11. vom 14. bis zum 16. Lebensjahre
^xercierstufe) , Spieltisches Turnen ; III. vom 16. bis zum 18. Lebensjahre
n*umstufe). Jahn'sches Turnen; IV. vom 18. bis zum 21. Lebensjahre Qiöhere
Gymnastik, Kunststufe), wo von der gereiften und ausgebildeten Indivi-
dualität verlangt wird, dass die gymnastischen Uebungen zur kunstschönen
Darstellung kommen.
In der an diesen Vortrag geknüpften Verhandlung erklärte sich
Vielhaber vor allem dagegen, dass das Turnen an allen ^ttelschulen aJs
obligater Lehrgegenstand zu gelten haben solle, indem er dem B^use und
der Familie in dieser Hinsicht ihren Einflnss und ihr Recht gewahrt wissen
wollte. Die Mitglieder Kummer und Dr. Hauler hinwieder sprachen f^
die Obligaterklärung, indem sie betonten, die harmonische Entwickelang
der körperlichen Kräfte sei ein wesentlicher Bestandtheil der höheren all-
gemeinen Bildung, wie sie die Mittelschulen zu gewähren haben, und des-
halb dürfe die Schule den Turnunterricht nicht dem Belieben der ein-
zelnen überlassen, sondern habe die Aufj^be ihn durch allgemein giltige
Normen zu regeln. Das Mitglied Hoflfer, Turnlehrer am k. k. Theresianum,
fieng hierauf in das Meritonsche der Denkschrift ein und vertheidigte das
ahn'sche Turnen gegen den, seiner Ansicht nach harten und nicht gerecht-
fertigten Vorwurf, es sei ihm Unnatur eigen und es nehme auf die indivi-
duelle Ausbildung keine Rücksicht. Auch sprach er sich gegen die Fest-
stellung einer eigenen Spielstufe aus, denn man könne Spiele doch nicht
obligatorisch machen, und unzweckmäfsig sei es, die Knaben bis zum
14. Lebensjahre auf dieser Stufe halten zu wollen. Wenn man femer dem
herkömmlichen Turnen den Vorwurf mache, es nehme zu wenig Rücksicht
auf die verschiedenen Altersstufen und betreibe zu abstracto Uebungen, so
sei zu bemerken, dass das System von Spief^ noch mehr Stufen enthalte
als der Entwurf der Denkschrift vorschreibe, und dass die erwähnten Uebun-
gen vornehmlich dazu dienen , alle Widerstände nach und nach besiegen
zu lehren.
Nachdem hierauf das Mitglied Prof. Deinhardt den Standpnnct
und die Grundsätze, von denen das Comitä bei Abfassung der fraglichen
Denkschrift ausgegangen, in längerer Rede dargelegt hatte, stellte Dr. Ad.
Ficker den Antrag, der Verein möge den Entwurf der Denkschrift im
ganzen gutheiXJsen, die weitere Ausarbeitung derselben aber mit Rücksicht-
nahme auf die in der eben geschlossenen Discussion berührten Puncte dem
Comit^ überlassen. Dieser Antrag wurde von der Versammlung angenommen.
Versammlung am 6. Mai.
Prof. Dr. Kopezky hielt einen freien Vortrag über den jetzigen
Stand der Meteoriten-Theorie, in welchem er zuerst an einigen Me-
teoriten der Mineraliensammlung der Communal- Oberrealschule auf der
Wieden ihre Verschiedenheiten im aufhören Ansehen, in der Struktur und
Dichte demonstrierte, dann auf interessante Einzelheiten der prachtvollen
Miscellen. gS
McteoritensammluDg des hiesigen k. k. Hof-Mineraliencabinets aufmerksam
machte, welche Sammlung durch die Bemühungen eines Schreiber, Bartsch,
Börnes, was Beichthum an Vorkommnissen, Fräparierung der Stücke, wis-
Benschaftliche Verwerthung betreffe, unstreitig die erste der Welt geworden
seL Seit Haidinger durch weitere Ausbildung der Theorie über d^ koa*
mlBchen Ursprung der Meteoriten die Aufmerksamkeit der Forscher neuer-
dings auf diesen Gegenstand gelenkt habe, erfolgen rasch auf einander aus
allen Gegenden der Erde Mittbeilungen über derartige Vorfälle. Dass Stern-
schnuppen, Feuerkugeln und Meteoritenfälle verschiedene AeuXäerungen einer
und derselben Grunderscheinung seien, stehe heutigen Tages fest. Die Ver-
fols^ung dieses Gegenstandes werde nicht nur Beiträge zur Physik der Erde
liefern , wie z. B. die Atmosphsere als bedeutend höher (bis wenigstens
40 Meilen) reichend erkannt wurde , als man bisher annahm , sondern es
niüsse auch die Theorie über die Anordnung der planetarischen Körper
einer Erweiterung entgegengehen, wenn einmal die Ei^orschung der Bahnen
der Meteoriten zum Gegenstand der Astronomie geworden sei
Versammlung am 20. Mai.
In der Versammlung vom 20. Mai hielt Prof. Vielhaber einen Vor-
trag über Vorbereitungsclassen an Gymnasien und Realschulen, dessen kurs-
gefasster Inhalt folgender war:
Die an Mittelschulen jährlich abgehaltenen Aufioahmsprüfungen haben
bis jetzt an sehr vielen Orten ungenügende Vorbereitung der zur Aufiiahme
sich meldenden gezeigt. Dass die Volksschule ihrer Aiugabe nicht genügt,
liegt besonders an folgenden Uebelständen : UeberfüUung derClassen, Verschie-
denheit der Muttersprache oder auch der Schulsprache von der Unterrichts-
sprache der Mittelschule, womit meistens Donpelsprachigkeit der Schule
verbunden ist, endlich Mangel an tüchtigen Lehrkräften. Am einfachsten
wären freilich diese Misstande durch Errichtung neuer Schulen und vor
allem durch anständige Bezahlung der Lehrer zu beseitigen. Aber zum
ersten reichen oft die (Geldmittel einer Gemeinde nicht nin, durch das
zweite sorgt man wol für die Zukunft, nicht für die unmittelbare Gegen-
wart. Man muss deshalb auch auf andere Abhilfen sinnen. Neben dem
engl System der Unterstützung vertrauenswerther Privatinstitute ist die
Errichtung von Vorbereitungsclassen ein solches.
Vorbereitungsclassen sind durchaus provisorischer und localer Natur.
Sie haben sich im aufserösterr. Deutschland vielfach entwickelt, und zwar
in den verschiedensten Formen von vollständigen Hauptclassen bis zu ein-
classigen Vorschulen, mit und ohne Latein u. s. w. In Oesterreich hat
man wenigstens ihre Errichtung vorgesehen, s. ErL des Min. für C. u. U.
2v9. 1852. Z. 9106.
Die Wirkungen solcher Schulen würden etwa folgende sein. Der
überfüllten VolksscniQe wird ein Theil der Last abgenommen, so dass in
ihrer obersten Classe eine kleinere und im allgemeinen gleichmäiSsiffer vor-
bereitete Zahl von Schülern liegt. Ebenso sind die Schüler der Yorberei-
tungsclasse homogener und können streng mit Rücksicht auf die Erforder-
nisse der Mittelschule unterrichtet werden.
Die Einrichtung ist, wie die Errichtung der Schule selbst, natürlich
von den Localverhältnissen bedingt; einige Hauptpuncte dürften jedoch
sich überall gleich empfehlen: 1. Keine Combination mit L des Gymn.
oder der Realsch., aufser allenfalls im Turnen, Gesang und Zeichnen. 2. Das
Hauptgewicht fällt auf die Unterrichtssprache und das Rechnen. 3. Am
b^ten unterrichten die Lehrer, welche aieselben Schüler in der L unter-
richten werden, nothwendig ist das für den deutschen Unterricht. 4. Ein
an einer solchen Schule verbrachtes Schuljahr wird dem an der obersten
Classe der Hauptschule gleich geachtet, die Zeugnisse haben gleiche Gel-
tung für die Mittelschule sowol als sonst.
Die Mittel zur Errichtung solcher Schulen lassen sich ohne grofse
Belastong de» Staates oder der Gemeinde beschaffen, wenn man ein dem
6*
f)4 Misceilen.
an der Mittelschule annähernd gleiches Schulgeld einhebt Da durch die Er-
richtung solcher Classen, felis eine weitere Lehrkraft bestellt wird, tar die
Lehrer die Arbeit nicht wächst, so kann das ganze aus einer Classe ein-
flieJCIsende Schulgeld zur Besoldung eines Supplenten verwendet werden, der
jedoch nicht in der Vorbereitungsciasse zu beschäftigen wäre.
Zum Schlüsse bemerkt Redner noch, er stelle keinen bestimmten
Antrag, da es ihm nur darum zu thun sei, dass der Gegenstand von allen
Seiten beleuchtet werde.
Ln Anschlüsse an diesen Vortrag constatierte Dr. Adolf Picker durch
statistische Daten die Thatsache, dass die Schüler zu Absolvierung des
sechsjährigen Curses der Realschule in der Regel sieben Jahre brauchen.
An den Gymnasien walte nicht durchgängig dasselbe Verhältnis ob, denn
in einsprachigen Ländern absolviere man den vollen Cursus gewöhnlich in
den vorgeschriebenen acht Jahren, in Ländern gemischter BevÖlkerang
seltener, und zwar im Verhältnisse zur Stärke der Mischung. Diese Er-
scheinung weise auf die Noth wendigkeit, die Jahrgänge der Realschule fftr
dasselbe Ausmafs des Lehrstoffes zu vermehren. Würden aber Vorberei-
tungscurse errichtet, so wäre deren Zusammenhang mit der Hauptschule
nicht zu lösen, weil sonst die Wahl des Bildungsganges für den künftigen
Beruf noch früher getroffen werden müsste als jetzt Aus diesem Grunde,
in Verbindung mit anderen Erwägungen, scheine eine zweckmäßigere Ver-
theilung der Lehrgegenstände mit Vermehrung der Jahre an der Volks-
schule selbst am nächsten angezeigt.
In ähnlichem Sinne «klärten sich Dir. Walser und Prof. Sleibl
gegen die Errichtung von Vorbereitungsclassen , auch Prof. Dr. Pokorny
mit besonderer Hinweisung auf dio Schwierigkeit, dieselben zweckmäürig
XU oreanisieren. Nachdem hierauf noch Assistent Thcimann und Instituts-
vorstener Rodler bemerkt hatten, die bei den Aufhahmsprüfungen wahr-
genommene Mangelhaftigkeit der Vorbildung der Schüler in der Sorach-
khre und im Rechnen habe ihren Grund nicnt so sehr in der Einricntung
der Volksschule an sich als in der ün^leichartigkeit der Methode, mit der
diese Gegenstände behandelt würden, dann in der Ueberfüllung der Classen,
die eine Durchübung des betreffenden Lehrstoffes vielfach unmöglich mache,
welche Uebelstände jedoch bei aufrichtigem Bestreben nach Abhilfe durch
die Volksschule selbst zu beseitigen wären, erläuterte Prof. Vielhaber in kurzer
Auseinandersetzung noch einmal die Hauptpuncte seines Vortrages, wobei
er namentlich hervorhob, dass nach seinem Vorschlage die Erricntung von
Vorbereitungsclassen eben nur da eintreten solle, wo besondere locale Ver-
hältnisse dafür sprächen, und dass sie eben nur da als Nothbehelf zu gelten
hätten, wo die Volksschule eine ausreichende Vorbildung für die Mittel-
schule zu gewähren nicht im Stande sei. Da ihn aber die gegenwärtige
Discussion überzeugt habe, dass sein Vorschlag insbesondere in Bezug auf
die Feststellung der Grenzen der Volks- und Mittelschule genaue Erwägung
verdiene, da femer die Frage: „was hat die Mittelschule von der Haupt-
schule zu fordern und wie kann dieser Forderung genügt werden ?** recht
sehr einer eingehenden Erörterung bedürfe, so stefie er den Antrag, „es
werde vom Vereine ein Comit^ gewählt mit der Aufgabe, die eben ange-
regte Frage nach allen Seiten zu untersuchen.**
Dieser Antrag yrurde angenommen.
Jahresversammlung am Schlüsse des dritten Vereinsjahres 18. November 1864.
Nach Anmeldung mehrerer neu eintretenden Mitglieder erstattet der
Vereinspräses den Jahresbericht, dessen Hauptinhalt folgender ist
„Der Verein zählte 103 Mitglieder, aer Rechnungsabschluss zeigte
einen Activcasserest von 380 fl. 67 kr.. Wichtige Fragen seien in diesem Jahre
SFÖrtert worden : so der Versuch einer Einigung in der Rechtschreibung;
worüber der von Professor Pfeiffer zu erstattende Commissionsbericht bald
vorgelegt werden könne; die TumfraffC; ein Antrag auf Gleichstellung
der Reäschullehrer mit den Gymnasiallehrern, — der in dieser Sache an
Miscellen. 85
das h. Staatsministerium gerichteten Petition soll eine ^nstige Erledigung
bevorstehen — sowie der Kealschüler mit den Gymnasialschlüem in Bezag
aaf ihre Rechte. Wie der Verein es sich znr Ehre anrechnen müsse, dass
auf seine Initiative hin neue Mittelschulen in Wien gegründet wurden, so
könne er dieses Jahr darauf hinweisen, dass in seiner Mitte zunächst die
Frage über Möglichkeit und Zulässigkeit von Realgymnasien erörtert und
durch ihn ein Lehrplan festgestellt wurde, der sowol an den beiden hie-
sigen Realgymnasien als auch wenigstens im wesentlichen an den zwei
Landes-Realgymnasien in St. Polten und Baden praktische Anwendung ge-
fanden habe. Wichtig sei der Vortrag über die Aufnahme des Zeichen-
unterrichtes als obli^ten Lehrgegenstandes am Gymnasium, vielfach an-
regend jener über verwerthun^ von Kunstsammlungen zu Unterrichts-
Zwecken gewesen; ausserdem sei die Frage erörtert worden, ob Vorberei-
tungsclassen an Mittelschulen zulässig und ob nach MaTsgabe localer Ver-
baltnisse ihre Errichtung wünschenswerth seL Endlich habe die Erörterung
wissenschaftlicher Fragen von Seiten des Vereines in dem von Dr. Kopetzky
über Meteoriten gehaltenen Vortrag ihre Vertretung gefunden.**
Von den eingebrachten Anträgen auf Statutenänderung wurde zunächst
nur eine Aenderung des §. 26 beschlossen, und zwar in der Richtung, dass
zur Wahl von Ehrenmitgliedem und zu Statutenänderungen die Versamm-
lang beschlusstähig sei, 'wenn mindestens 30 Vereinsmitglieder anwesend sind.*
Die Wahlen für das nächste Vereinsjahr ergaben folgendes Resultat:
Als Präsident wurde gewählt: Professor Fleischmann (ak.G.), als Cassi^:
Prof. Windisch (ak. G.). In den Ausschuss: die Herren Prof Vielhaber
(Theres.), Heinr. Ficker (ak. G.), Dir. Walser (Rossauer OR. Schule) , Dir.
Sehröer (evang. Schule), Dir. Kopetzky (RG. in Mariahilf), Dir. Pokomy
^G. in der Leopoldstadt), Prof Vemaleken (Schottenfelder OR Schule).
Da Vielhaber und Heinrich Ficker das Vicepräsidium ablehnten, trat in
diese Stelle Dir. Walser. Femer trat an die Stelle des ablehnenden Prot
Veraaleken Prof. Sonndorfer (Schottenfelder OR. Schule) ein. Vielhaber
übernahm das Secretariat
Zum Schlüsse sprach die Versammlung dem abtretenden Ausschuss,
namentlich dem Präsidenten und dem Secretäre, ihren Dank aus.
In der Sitzung am 2. December 1864 theilte der Präsident die Con-
stitoierung des Ausschusses mit. Hieraufhielt Prof Grün einen Vortrag 'über
das Unterrichtswesen in Frankreich', in dem er als Einleitung zu fol«
genden Vorträgen zunächst die Gründung der 'Universität von Frankreich*
unter dem ersten Napoleon ') schilderte , dann sich über die Frage ver-
breitete, ob dieselbe auch unter dem zweiten Kaiserreich eine ähnliche Be-
deutung^ habe wie unter dem ersten^). Bei dieser Gelegenheit kam er auf
dem bekannten Concours g^neral in Paris') zu sprechen, von dessen grofs-
artager Inscenesetzung er ein anschauliches Bild entwarf, aber doch aner-
kannte, dass der AermUchkeit deutscher Schulfeierlichkeiten ein höherer
sittlicher Gehalt innewohne.
0 S. pflödagog. EncykL H. S. 451 fL
«) Vgl ebend. S. 465 ff.
«) Ebend. 8. 469 £
Fünfte Abtheilung.
Verordnungen för die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Personal- und Schulnotizen.
(Ernennangen, Versetzungen, BefÖrderQU^en, Anszeich-
nangen a. s. w.) — Der Lehrer am Zengger G., Hr. !^az Bartuliö,
zum wirkl. Director am UG. zu Po^ega, und der bisherige Supplent am
k. k. GG. zu Treviso, Hr. Sisinio Baroni, zum wirkl. Lehrer mit die Be-
stimmung für die lombardisch-venetianischen Staats-Gjmnasien.
Der Bildhauer Hr. Joseph Cesar, zum wirklichen Lehrer an der
OE.aufder Landstrafse und am Schottenfelde in Wien; derSunplent
an der letztgenannten OR, Hr. Rudolf Sonndorfer, zum wirkL Lehrer
an dieser Lehranstalt extra statum, und der Supplent an der OB. in Görs,
Hr. Dr. Egyd Schreiber, zum wirkl. Lehrer alldort.
Der k. k. Bergcommissär, Hr. Oscar Gleich, zum Lehrer der Steno-
graphie an der n. ö. Landes-OR. zu St. Polten; Hr. Franz Neuhauser,
zum Lehrer an der n. ö. Landes-R. zu Waidhofen an der Ybbs, und
der Lehrer Hr. Hutter zum prov. Director derselben Lehranstalt für die
Dauer des gegenwärtigen Schuljahres; femer Hr. Wilhelm Uhlmannzum
Lehrer des Freihandzeichnens und .Schönschreibens an der Landes-UB. zu
Stockerau, und der Lehrer an der Landes- Ackcrbauschule zuGrossau,
Hr. Eisenrieder, zum Lehrer der künstl Fischzucht alldort.
Der Adjunct und Bibliothecar an der Rechtsakademie zu Ea seh au,
Hr. Dr. Alois Eleckner, zum aufserordentl. Professor des römischen und
Kirchenrechtes alldort.
Dem Professor am k. k. polytechnischen Listitute in Wien, Georg
Beb bann, ist das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens, dem Rector des
Piaristen-Collegiums und Director des OG. zu Brüx, Ubald Kahl, sowie
dem Cistercienser- Ordenspriester und Lehrer am G. *zu Kommotau in
Böhmen, Karl Feiler, jedem in Anerkennung seines vieljährigen yer-
dienstlichen Wirkens, das goldene Verdienstkreuz mit der Krone; dem
Director an der Prefsburger Rechtsakademie, Dr. Johann Bokrän^i,
taxfrei der Titel eines kön. Ratbes, und dem bischöfl. Rathe, Consistonal-
beisitzer und Professor an der theol. Facultät in Brunn, Franz Sudil,
eine Ehrendomherrenstelle an der Brünner Kathedralkirche Allergnädigst
verliehen ; dem k. k. Ministerialratbe und Bergakademie-Director in Leoben,
.Peter Ritter von Tunner, die Annahme und das Tragen des Comthur-
kreuzes 2. Gl. des kön. sachsischen Albrechts-Ordens Allergnädigst bewil-
ligt; endlich sind die Herren Professoren Dr. Sandhaas und Dr. Krones
Personal- und Schalnotizen. 87
in Graz zu Ansschnssmitgliedem des dortigen histor. Vereines^ Hr. Dr.
S. H. Mosenthal, der bekannte dramatische Dichter, zum Ehrenmitgliede
und Meister am „freien deutschen Hochstift** zu Frankfurt a/M., und der
als cekonomischer Schriftsteller bekannte Landwirth, Joseph Pöterffy,
zum Director des Georgikons in Eefsthelj ernannt worden.
Se. Hochw. Hr. Alex. Bonnaz, Bischof von Csanäd, hat zur Ver-
mehrung der Besoldung eines am G. zu Lagos angestellten Lehrers den
Betrag von 300 fl. ö. W. gewidmet.
(Erledigungen, Concurse n. s. w.) Fiume, ÜB. (verbunden mit
der itaL Hptsch.), technische Lehrstelle (bei Kenntnis der croat. und ital.
Sprache). Termin: Ende December 1864, s. Amtsbl. z, Wr. Ztg. v. 7. De-
cember 1864, Nr. 294. — Krakau, Universität, Lehrkanzel der class. Philo-
logie mit deutscher Vortragssprache, Gehalt 1260 fl., eventuel 1470 und
1680 fl. ö. W. Termin: 1. Jänner 1865, s. Amtsbl. z. Wr. Zt^. v. 7. De-
cember 1864, Nr. 294. — Pancsova, deutsche k. k. OB., Lehrstelle für
serbische Sprache (wöchentlich 10 Lehrstunden), Bemuneration jährl. 300fl.
ö. W. Termin: 31. December 1864, s. Amtsbl. z. Wr. Ztff. v. 8. December
1864, Nr. 295; femer Lehrstelle für die deutsche Spracne , jährl. Gehalt
630 fl. ö. W., nebst dem Ansprüche auf eine Zulage von 105 fl. nach je
10 Dienstjahren, und auf Naturalquartier oder Aequivalent. Termin: Ende
Jänner 1865, s. AmtsbL z. Wr. Ztg. vom 10. December 1864, Nr. 296. —
Brunn, k. k. technische Lehranstalt, Lehrkanzel der Bau Wissenschaften
(Hochbau, Wasser- und Strafsenbau), jährl. Besoldung 1050 fl. ö. W. Termin :
Ende December 1864, s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 11. December 1864, Nr. 297.
— Prag, böhm. k. k. OB., Directorsstelle mit dem Gehalte von 1365 fl. ö. W.
und dem Anspruch auf die normalmäfsige Decennalzulage. Termin: 4 Wo-
dien vom 10. December 1864 an, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 17. December 1864,
Nr. 302. — Hermannstadt und Klausenbur^, k. Bechtsakademien,
über die Errichtung von 2—3 Privat-Docenturen daselbst für Vorlesungen
(Collegia practica) in romanischer Sprache, mit CoUegiengeldem und Bemu-
nerationen (200—250 fl. ö. W. halbjährig von Fall zu Fall, für schon an-
gesteUte Professoren mit halbjähriger Bemuneration 150—160 fl. ö. W.).
Termin: 10. Jänner 1865, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 16. December 1864, Nr. 302.
— Krakau, OG., Stelle I.Gehaltsstufe für Latein und Griechisch für das
ganze G., dann am UG. Lehrstelle 3. (jehaltsclasse für Latein und Grie-
äiscb; Bochnia, UG., 2 Stellen 3. Gehaltsciasse für Latein und Griechisch;
Sandec, G., 2 Stellen 3. Gehaltscl. f. Latein u. Griechisch, die eine ver-
bunden mit der Befähigung für den deutschen, die andere für den polnischen
Sprachunterricht u. e. Stelle 3. Gehaltscl. für Geographie und (beschichte;
Tarnow, OG. , 3 Stellen 3. GehaltscL für Latein una Griechisch, die eine
verbanden mit der Beföhigung, das Deutsche, die andere das Polnische am
ganzen Gymn. zu lehren. (Der Unterricht im Latein und im Griechischen
in den 4 unteren Gl. polnisch, in den 4 oberen deutsch.) Termin: Ende
December 1864, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. vom 17. December 1864, Nr. 302. —
Prag, böhm. k. k. OB., 2 Lehrerstellen, eine für das Freihandzeichnen als
Haupt- , Modellieren, Kalligranhie, und Baukunst als Nebenfach, die 2. für
Chemie als Haupt-, Physik oaer Naturgeschichte als Nebenfach, Jahres-
f ehalt 840 fl. , eventuel 1050 fl. und Anspruch auf die Decennalzulage von
10 fl. ö. W. Termin: 6 Wochen vom 3. December 1864 an, s. Amtsbl. z.
Wr. Ztg. V. 22. December 1864, Nr. 308. - Kolomea, städt. UG., 2 Lehr-
stellen f^r altclass. Philologie, Jahresgehalt 735 fl. ö.W., Termin: 25. De-
cember 1864, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. vom 22. December 1864, Nr. 306. —
Tri est, k. k. G., Lehrstelle für Physik und Mathematik, Jahresgehalt
845 fl., eventuel 1050 fl. ö W., mit Anspruch auf Decennalzulage und
(Juartiergeld. Termin: 15. Jänner 1865, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. vom 23.
December 1864, Nr. 307. — Lemberg, Univ., chirurgisch -klinische As-
sistentenstelle, Adjutum jährl. 315 fl. ö. W. und Naturalwohnung. Termin :
15. Jänner 1865, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 23. December 1864, Nr. 307.
88 Personal- und ächalnotizen.
(Tode sf alle.) Laat Nachrichten youi 24. Octoher 1864 in der Cap-
stadt, der bekannte englische Geolog G. A. fiain.
— Am 11. November 1864 zu London der rerdiente Staatsoekonoro
nnd Schriftsteller M'Culloch (geb. in Wigtonshire) , 1828 Professor der
Staats- und Volkswirthschaft an der Londoner Universität, seit 1838 Chef
des Bureaus für Eegierungs-Drucksachen (stationary oflfice) , Verf. der „Sta-
tistik des brittischen Keiches'*, 1837, 2 Bde., „Handels- und Schiff-Fahrts-
Wörterbuch" u. m. a., im Alter von 75 Jahren. (VgL Beil. zur A. a. Ztg.
vom 19. Nov. 1. J. Nr. 324, S. 5261), und zu Thun Karl Soldau, seit
längeren Jahren an der dortigen Mädchenschule als Lehrer beschäftigt.
— Am 19. November 1864 zu Frankfurt a./M. Dr. Jacob Weil, Vor-
steher einer dortigen Erziehungsanstalt, als Psodagog, Gelehrter und Schrift-
steller bekannt.
— Am 21. November 1864 zu München Dr. Franz Streber, Conser-
yator des kön. Münzcabinetes, o. ö. Professor der christL Arch»oio|^e und
Kunstgeschichte an der kön. Ludwig-Manmilians-Universität, Mitglied der
kön. bayr. Akademie der Wissenschaften und verschiedener gelehrter Gesell-
schaften, Bitter des kön. bayr. St Michael- und des fwpstl. Georg-Ordena
n. 8. w., durch zahlreiche gediegene Schriften über Numismatik und Archteo-
logie bekannt, im Alter von 59 Jahren.
— Am 23. November 1864 zu St. Petersburg der Astronom Fr. G.
W. Struve (geb. am 15. April 1793 Altona), durch seine Arbeiten im
Gebiete der Beobachtung una Messung der Doppelsteme und in dem der
G^dfißsie, so ^ie durch einschlägige Schriften und resultatreiche Forschun-
gen bekannt, jedenfalls eine der gröfsten Celebritäten in seinem Fache.
— Am 24. November 1864 zu Marburg der dortige Gymnasiallehrer
Franz Sperka (geb. am 19. Jänner 1817 zu Wicomielitz in Mähren), seit
1842 an dem genannten Staatsgymnasium thätig, wegen seines Diensteifen
im Lehrfache, seiner Uumanitöt und Liebenswürdigkeit im Umgange, so
wie weffen seiner Virtuosität im Violinspiele, die in ihm einen der tüch-
tigsten Schüler Mayseder's erkennen liefs, bis zu seinem unglücklichen, durch
Lrrsinn vorfrüh herbeigeführten, Ende, allgemein geachtet und geliebt.
— Am 25. November 18(54 zu London David Roberts (geb. su
£dinbur|[ am 24 Octoher 1796), seit 1841 Mitglied der kön. Akademie der
Künste, im Fache der Architekturmalerei als der ausgezeichnetste Meister
in England bekannt.
— Am 26. November 1864 zu Wilna der polnische Historiker Theodor
Narbutt, pens. russischer Ingenieurcapitän und ehemaliger Professor an
der dort bestandenen Universität, im 81. Lebensjahre.
— Am 27. November 1864 zu Mailand der geschätzte Email- und
Glasmaler Pietro Bagatti.
— Am 29. November 1864 zu Prag Vincenz Kulhanek, pens. Ober-
ingenieur der Landesbaudirection , durch seinen Geschmack in Ausführung
architektonischer Pläne, so wie durch seine rastlose Thätigkeit, der Prag
nebst vielen monumentalen Werken, seit 40 Jahren auch seine meisten
Aerarialbauten zu danken hat, vortheilhaft bekannt, im Alter von 73 Jahren.
— Anfangs November 1864 zu Norfolk Hudson Gurney, Mitglied
der Quäkerfamilie dieses Namens, liberaler Gönner der schönen Künste und
Dichter des in 3 Auflagen erschienenen Gedichtes „Cupid and Psyche**, als
9Qjähriger Greis; zu Paris der Kupferstecher Achille Lefevre, namentlich
durch seine Stiche der Hauptwerke Raphaels und Corre^gios bekannt, und
zu liCipzi^ Dr. TheoL Friedrich Wilhelm Lindner, em. ordentl. Honorar-
niofessor der Pädagogik und Katechetik und auXserordentL Professor der
Philosophie.
— In der 1. Hälfte des November 1864 zu Paris Gandon, als Verf.
mehrerer liter. Werke, wie „Memoires d*un Chasseur d^Afirique*", Trente
deux duels de Jean Gigon u. s. w. bekannt.
(Diesem Hefte ist eine literarische Beilage beigegeben.)
Erste Abtheilung.
Abhandluniren,
o^
Ueber das Jota subscriptura.
Dass wir im Griechischen heutzutage eine von der Ursprünge
liehen in vielen Puncten bedeutend abweichende Oi-thographie
haben, zeigt uns schon eine oberflächliche Betrachtung der Schrif-
ten der alten Grammatiker. Es ist mit der Orthographie gerade
80 gegangen wie mit so vielen anderen Dingen, die mit der
Zeit schlechter werden: so verschlechterte sich die Bechtschrei-^
bong des Lateinischen, so auch die des Griechischen ^ unserer
heutigen deutschen Orüiographie gar nicht lu gedenken. Bei
dem Griechischen war es um so leichter möglich, da hier Spi-
ritus und Accente, so wie das erst später untergeschriebene Jota,^
die leichter verändert oder aus Nachlässigkeit weggelassen wer-
den konnten, mit in den Bereich der Orthographie gehören^
Dieser Nachlässigkeit begegnen wir in den meisten griechischen
Handschriften, in denen nicht nur Spiritus und Accente ver-
wechselt sind, sondern ebenso wie das Jota subscriptom sehr
häufig fehlen, abgesehen von der Verwechslung einander ähn-
lich sehender Lautzeichen oder ähnlieh und gleich klingender
Vocale und Diphthonge wie ai und e, i, rj, et und oi, Dodi
gibt es unter diesen HandscJiriften auch Ausnahmen; dazu ge-
hört, wie ich mich durch eigene Anschauung ül>erzeugt habe,,
der Codex Sinaiticus^ obwol sich auch in diesem € für ai findet,
der Venetus zur Ilias, der Laurentianus zu Sophokles und Apol-
lonlos Rhodius, der Mediceus zum Aeschylus und gewiss noch
andere, jedesfialls aber sind diese guten Handschriften seltene
Ausnahmen von der Regel. Unsere heutige Ortliographie ist so-
ziemlich die der xoivrj, wie sie sich schon vor dem Anfang
unserer Zeitrechnung bildete. Die /joivti hat aber nicht nur die
Orthographie verschlechtert, sondern auch ganz neue der edlen
attischen Sprache völlig fremde, ja sogar nach unserem Sprach-^
gefahl fehlerhafte Constructionsweisen eingeführt: man betrachte
mir einmal die Anwendung der Präpositionen in der späterea
GräcitaL
ZoiUchcirt td.ostor.Gjrmn. IIJCS. U.u.IILU«fl. 1
90 '»/. Lu Boche, lieber das Jota subscriptum.
Während sich so die Sprache und Rechtschreibung immer
mehr verschlechterte, unternahmen es gelehrte Granmiatiker der
damaligen Zeit, diesem Verderbnis entgegenzutreten und so ent-
standen die verschiedenen Schriften Tiegl oQ&oyQafpiag:
diese sind sämmtlich verloren gegangen bis auf die einzige des
byzantinischen Grammatikers Choeroboscus , welche Gramer in
dem zweiten Bande seiner Anecdota Oxoniensia herausgegeben
hat. Ueber Orthographie schrieben die Grammatiker Draco
(Suidas), Tyrannio (Suidas), Didymus (Suidas), Trypho
(Suidas), der Milesier Orus (Suidas, Stephanus Byz. Schol. 5461.
Et. Mg. 81G, 38. Zon. Lex. 1010. Et. Orionis 192, 36), Apol-
lonius Dyscolus (de Synt. III, 30, p. 272), Herodian (/regt
fiov. lel 23, 25. Schol. ^ 129. 0 441. Et. Gr. 17, 16. 40, 21.
57, 29."76, 23. 82, 15. 100, 5. 108, 27. 118, 2. 160, 6. 167, 17.
Bekk. Anecd. 1354. Gram. An. Ox. II, 12, 30. 85, 9. 183, 31),
Ghoeroboscus (Et. Mg. 41, 41. 61, 43. 92, 21. 146, 29.
376, 44), Theognostus (Bekk. Ann. 367, 8. 1101), Eudae-
mon (Et. Mg. 457, 12. Et. Gr. 122, 26) und noch andere, deren
Namen von untergeordneter Bedeutung sind. Dass unter den
Alexandrinern keiner erwähnt wird, der über Orthographie ge-
schrieben hat> ist bedeutungsvoll: es war eben in der damaligen
Zeit die Noth wendigkeit dazu noch nicht vorhanden.
Aus diesen Schriften stammen die meisten Notizen über
das untergeschriebene Jota ; doch sind es auch noch andere, die
hier in Betracht kommen, namentlich die über die einzelnen
Redetheile, so Tragi iynQQtjftdrcov, /regt avrü)vvf.iuov ^ die ver-
schiedenen 6vouaTr/.a und i^r]/iiaTi>Ld, die mavoveg des Theognost,
Choeroboscus Tregl irnaorijrog (Et. Mg. 29, 31. 38, 35. 73, 55.
78, 51. 1(>7, 4), welche Schrift möglicherweise dieselbe ist, die
Gramer An. Ox. II, 283 herausgegeben hat.
Hier drängt sich vor allem die Frage auf, war dieses Jota
in der Aussprache hörbar oder nicht und wie wurde es geschrie-
ben? Der Zufall hat uns eine Notiz darüber aulbewahrt bei
Bekk. Anecd. 1186: „da de yn'daxeiv on ol /niv yga/Äfta-
Tinol log ngog rhv ey.wwvrjOiv diroßkeirovreg Xeyovai to i
dveii(fiovrjTOv eivcti ^ rjvixa evoed-fj rj /uezd vov a ^laxgov r
fterd Tov i] jj juezd tov w. olov rq) XQvay, rc/) aoq^q), t^> ^Iveiff,
Ol di fioraiKol r^g aytQißelag (pqovx Itov reg Xeyov-
aiv OTi fy,q^(x)V€iTai fiev^ ovx i^ay.ovevai de dta to
filye^og rojv f^ta^iQiov fftovr^evrcovel ydq (pcov^iv fom, q>aai\ /riig
övmrai^ ave-Acpcovriiov elvai; dkX^ üaireQ avlnv, tpaai ^ xai oq-
yavov jjxovvriov o avlog am e^aKOverai did ro fiei^^ova tjxov
i'xeivTO OQyctvov xal /xdvyrveiv tov tov avXov tj/ov aoO^eviare-
Qov ovra, tov aviov tqotiov xal to e, dod^evio cbQov vrcdqxov
navTiov Twv (piüvr^evrcov , tjvUa eigexh^ /nerd vov a ftceiiQoi v
fteTcc TOV tj t] fterd tov oj h jtti^ avXlalifj, orx iScncoverai dia
TO ftive&og Tovriov. (in de to i da^eveareQoi' tan /cavtiov rüv
ipiavrfivrwvj öyjXov ivrev&ei'. twv (fojvrjitTcov ra fiev eloi nQO^
J, La Rodie, Ueber das Jota subscriptum. Ol
roxT/xa, Tcc da VjiOTanTiYM ' y,at nqoTanTixa fuv etat ravva, a,
€, jj, o, CO, vjtOTaxTixa äi ovo, i mal v. Y.al t6 v di VTtozaxTi-
wv TioXlaxig eigtoxerai rov t jrQoraxTixoVy olov iv tq) fivla
Htm aQTtvia xal viog xai ip roig o/uoloig, ei aqa ovv tö i ycal
T(w v/iOTaxTixov VTtotaY.viY.6v iau^ dijXov oti aad^aveariQov iavi
ncLvxcjv T(ov qwvrjevtiüv. del ngnaO-eivai ,iX^oQig xüv xara dia-
hxtov^ y inaidi] ol uiioXaig ralg alg o) Xrffovoaig dotiYoig ov
n^oayQCKfovai ro i, tc5 ^Of^irjQio yaQ (paat Y.ai rot aoifiti xcoQlg
Tov 4, YMi naXiv o\ Boioxtoi ralg alg t] Xr^yovaaig öotixaig ov
TtQoayQccffovat to /, rfi ^Elevr] mg cfaoi /ml rrj HfjveXoji t] yojQig
TOV i. tTL dal 7TQoa^aivai „xa^ ytoQig nov öta to ^Utqov."' tati
ycLQ 6 ZaXäg^ tov Lala, rqt uAa, ovtio di Xiyarai xara Qq^Yag
6 (uvog, YMi Tovtov fj dotiYf] avQiGYavai 7iaQ EvQiJtldi] x^'^Q^9
TOV I. ovataiXai yaq ßovX6(.uvog ro a ov Ttqoaiyqaxpa to i,
(iov y^xavxbv noial ro t atziYOv to) Ca?sxi.(Jvi' yaq xagawoig.**
It4 dal jTQOG&alvai „Yai X^'^Q^^ ^f^^ 7iiJrov^6tn)%\^ aatt yciQ T(p
xvavoYaiTOV (sie) xal yivatai x«ra /ii6ia7rXaafi6y T(it YvavoxaiTa
xcd ovY. kx^i TtQoayayQaftiiivov ro i, olop cog 7iaqa ldytii.iaxV
jifttnQL da TLvavoxaita llooaidatovi 7iajcoid^iog,"^
Dieses Jota, welches mit seltenen Ausnahmen überall ger
schrieben wurde, kann nicht blofs Schriftzeichen gewesen sein
wie die Accente, Spiritus, die Koronis und der Apostroph, von
welchen sich in den Inschriften gar nichts mit Ausnahme des
in der frühesten Zeit den Spiritus aspor vertretenden H findet,
so dass es blofs dazu gedient hätte, um äufserlich verschiedene
Wortformen zu unterscheiden, z. B. va^t und vato^ vailig und
vacog^ sondern es muss einmal wirklich hörbar ge-
wesen sein, wenn es auch mit dem dabei stehenden langen Vocal
nicht gleiche Geltung hatte. Wie könnten sonst die Diphthonge
9, Tj und ({i (denn als solche werden sie auch schon von den
alten Grammatikern betrachtet) in der Diäresis erscheinen, z. B.
T^Siadag neben TQ^tadag, drj'ing neben dtjoio, das ionische örjtdiog
neben dem attischen ^^diog, t^Yov neben ijo/ney, Tthot'i^io^ aoidog^
ddi'dag neben jtlqtCtOy (/»dogy d^edag? Da ferner dieses Jota als
Flexionszeichen wie z. B. in ftovaif, cpaivt], /,ah} wesentlicher
Bestand theil der Wortform ist, oder wo es in der Mitte steht^
demselben als zur Wurzel gehörig oder in Folge der Wortbil-
dung zukommt, wie z. B. in r/^or, TTQotr^Vy 7ZQ(!tQay K({ßog, vTia-
Q^v, so musste es auch in der Aussprache eine Berücksichti-
gung finden und dem langen Vocal ungefähr ähnlich nachge-
schleift worden sein wie das a in Ttolacog vor dem lo hörbar
gewesen ist, ohne dass dadurch das Wort dreisilbig wurde. Dass
dieses Jota in späterer Zeit wirklich nicht mehr ausgesprochen
wurde, ist kein Beweis dafür, dass es auch früher unhörbar ge-
wesen sei, verschwand ja auch mit der Zeit das Digamma und
(T in vielen Wörtern, und niemand zweifelt daran, dass beide
früher ausgesprochen wurden. Es lässt sich nichts anführen, was
der oben erwähnten Ansicht der Musiker im Wege steht, dass
7*
92 J' La Boche, Uebcr das Jota sxibscriptum.
nämlich das Jota ausgesprochen wird {r/.(pa)V6iTai)y aber von dem
langen Vocal ül)ertr)nt und darum wenig geliört wird, denn mehr
liegt in dem oi^x fSaKoverai niclit.
Die in der oben citierten Stelle erwähnten Ausnahmen
in Betreff der Dialekte erhalten durch die Inschriften theil-
weise ihre Bestätigung, In den böotischen Inschriften steht für
•/; meist r/, aufserdem aber für a und ai in der Kegel jj, selten
«€, für Ol und f/i öfters oe und für ot meist r, zu vergleichen
ist Boeckh über den böotisclien Dialekt im Corp. Inscr. Gr. I,
p. 722 und 723. Dies gilt besonders von den alten Inschriften
aus Tanagra, so C. J. Nr. 15()2, Z. 2; 101)3, Z. 2; 1564, Z.3
TY JAMY TOß da^iot, dagegen ir)()5, Z. 3 TOI JAMOL
Nr. 15G8, Z. 6 TY JAMY, Z. 10 7'r lAFY ro, )aQ<lß, 1569 a
EPXOMENY 'OQXOftsvo,. FlLiATIH^Elacela. FEAATIHY
(L(
""Hqc^t und TH , dagegen 1607 AMÜH^^Al li^Hfioaa, 1598
IIPAIAI^ jrQ(t(u^ und 1592 AQASAl Uthiv^t (Thisbe).
In den thebanischen Inschriften 1585, 1624, 1625, 1654, 1656
fehlt das Jota, desgleichen in den Inschriften aus Chaeronea
1608, 1609, 1656 b, dagegen steht es in der aus der römischen
Ifaiserzeit stammenden Inschrift Nr. 1()17. Nr. 1652 (Theben)
nOAEUm und XSIPAI ywQcc 1661 und 1662 (Thespiae)
HPEin und HPnr. 1600 (Thoben) AIONYIÜL Nr. 1591,
Z. 57 und 63 TEAElill, Z. 61 UilAlK^L Nr. 1588, Z. 1
TPEQiQNlOl TqoifvUiK 1590, Z. 21 KillO^ Kf7>n^, 1579, Z. 2
■(Orchomenos) JIO.VY^OL Z. 4 AfJONTOI (fdovroc. Merk-
würdig ist die Inschrift aus Orchomenos Nr. 15S3: dort lesen
wir Z. 11 PAH'ATYJO:^, Z. 15 AYAAYYIO^, Z. 19
KIQAPAFYJO^ und so auch Z. 21, 23 und 2^ überall mit
Digamma und v für <;;>, während dieselben Worte ^rr(.^(;>doc,
TQctyfiidog^ rjO^aooßdoc: in der thebanischen Inschrift Nr. 1585
und in der auf dem Helikon 1586 mit ß, aber ohne Jota ge-
-schrieben werden. Die Inschriften aus Oropus, wekhes lange
Zeit zu Athen gehörte, haben überall das Jota, so Nr. 156(),
Z. 2 Tß/, Z. 13 TTHAHI Af&INHI, Z. 14 TÜI lEPiil.
1567, Z. 1 ATAQAl, Z. 6 TAI, Z. 7 ENNOMni EKKAH-
^lAf, Z. 13 AYTiU, 1570a, Z. 1 KOINiU, Z. 11 THl
BOYAHI KAf mi JHMni , KYPnSHl y.iQot^fj, JOKHl
^o'/Sj, Hl ij, lYNTEAEZGHL GirTeliod^t}, während diese Con-
junctivformen in den übrigen böotischen* Inschriften mit H
ohne Jota geschrieben sind.
In den seolischen Inschriften herrscht dassell)6 Schwanken
in Bezug auf das beigeschriebone Jota, Die alto »olische In-
schrift Nr. 11 hat dasselbe übemll, so TOI Jl OAYMllOI
TOI KAJAAKMENOI rfjß JtC "OXv^inii^ n'f /Mdah^^uro^K
TOINTAYT ElPAMENOl r<; "vfcwv" ey^afiftivot, wo nach
J. L(i Rodie, Uebor ilus Jota subscriptuiu. 93
den Kegeln über die Krasis Twvraii;^ gesclirieben sein müsste,
wie i Off 1(7) für rr/) fft(i), xayco für y.cd tyio. In der Sigeischen
Inschrift (Nr. 8) kommt kein Wort vor, welches Jota sub-
scriptum hätte. Die weit späteren Inschriften aus Mjtilene
Nr. 2108, 21G9, 2172, 2174, 2178, 2179, 2186—2189 haben
kein Jota mit zwei Ausnahmen Nr. 2173 QEPMIAI und 2178
NEPOYAI Negoic^, die Inschrift aus Tenedos 2166 hat wie-
derum Jota, aufser in dem Conjunctiv ENJEYH. Die Inschrif-
ten aus Smyrna haben meistens das Jota, in denen aus Kyme
3523 und 3b24 fehlt es, wälirend es 3527 steht. Auch in den
Inschriften von Pergamus und Ilion lässt sich dasselbe Schwan-
ken wahrnehmen.
Dass (f,f], ({f von den Alten als Diphthonge betrachtet
wurden, beweisen die später anzuführenden Angaben aus Theognost
ftir f^ elaiv eifpiovoi, wg y.cd avrog {J, 6 ÖQ^^) ff naiv y al
de TQetg -^axotpiovoiy fj tjv log iv T<iß i^t'cJa, rj (ov log iv r^3
itrvrogy fj vi vjg fv rrp viog'ai de rgeig cifpiovoi, to lo i^al %o
i iog iv 10) OfiW(ifj (iJxodofiovv, (ißvnyoei'TO r] Aal to /, log iv
rot rfi ^Ekivjfjy kmrfjg, i/rrjvoiv. a /iiaxQOv ytal t, cog iv r^t
ifdr^Cy &Q<ji^ y-ai haa xoiavca."' Hier ist schon die Ansicht aus-
gesprochen, dass das Jota nicht hörbar ist: so heifst es auch
bei den Grammatikern //^ ixqxovovftivnv Et. Mg. 38, 34. Et.
Gud. 9, 34, oder häufiger avt/.(piovrjTov Et. Mg. 484, 32. Et.
Gud. 291, 1. 490, 43. 571, 43. Gram. Epim. 20, 30. 220, 24.
Cram. A. 0. II, 86, 5. 142, 10. IV, 394, 7 und öfters. Ich will
nur eine einzige Stelle vollständig hinschreiben Et. Mg. 203, 3
n^oti lOTtov (in ivravO^a nv ovvaiQSiTai dg yttp^oi ^rproi.
ovöeTTore yaQ dormi] iviT^rj f^tovoovlkaßog ixrpiovel
TO ly olov %([* yr/}, rf yrj, ei ovv iyivero Tiara avi»aiQ€aiv ßot
ßoiy efiellev iyjpioveiaÖ^ai r^ i, ottsq iazlv aioitov, v6 yaq i
t6t€ ioTiv avexcpafVTjTOVy jyvtxa iarl ^lexa ^la^QOv
(f(OVl^€VTOg.^
Was nun die Schreibweise betrifft, so wurde das Jota ur-
sprünglich nicht unter den langen Vocal geschrieben, son-
dern immer daneben, wie wir es auch heute noch nach
grofsen Anfangsbuchstaben zu thun pflegen, z. B. '^idtigy ^£2i6v:
es heifst auch immer iwra jcQoayeyqa^iitevov und steht in
guten älteren Handschriften, wie in den oben erwähnten, im-
mer hinter dem langen VocaP). Nichts als Bequemlichkeit war
*) Bei Philemon Lei. techn. p. 73 (ed. Osann) findet sich der Aus-
druck yjavv T<^ v7ToyfyQfcfj.u^vqt /cüt«", ebendaselbst p. 04 v/io-
vQKif üvrat und p. 9a iv v7ioy()(i<fj tov tüh«; an den beiden
letzteren Stellen besserte Osann nqoayodif^ovnu und n{)oGyQMpiJ,
ebenso p. 93 und 174, wo die Hanoschnften vnoyiyQUfifx^vov für
ngoayeyQttfi/iivov haben. Zu vergleichen ist Osann in der Anmer-
04 «A. Lit Roche, lieber das Jota subscriptuin.
die Ursache, dass man es später unter den langen Vocal schrieb,
damit man es gleich sehen konnte, dass es hier nicht ausge-
sprochen werde. In schlechten Handschriften fehlt es meistens,
weit seltener wird es untergeschrieben. In den Inschriften wird
das Jota, wo es überhaupt steht, Haneben geschrieben; in den
ältesten Inschriften fehlt es fast nie, dagegen sehr häufig in
denen der römischen Kaiserzeit, z. B. Nr. 185, 188, 190, 192,
193, 194, 197, 319, 321—326, 329, 916, 1080, 1122—1125,
1339, 1359, 1365, 1701, 1710, 1720 u. ö. Aufserdem fehlt es
in Privatinschriften, z. B. auf Grabmouumenten häufiger als auf
öflFentlichen. In den Inschriften aus der Zeit vor Euklid, wo
für H und ß, deren Erfindung dem Lyriker Simonides zuge-
schrieben wird (Bekk. An. 780, 781, 782), E und O geschrieben
ward, welche beiden Lautzeichen auch noch die Diphthonge El
und OY bezeichneten, wird ebenfalls hinter diese beiden das
Jota gesetzt, so Nr. 3 EKIIHAMVI "ETCffdvtq). Nr. 12 ME20I
fucaiiK 16 (Olympia) TOI Jl xc} Jit 22 (Attika) HOJOl
odqK 26 FEI HODOl FEI AUniAl rrj od(o zfi !^7r7ii(f, in
welcher Inschrift aufser dem Lautzeichen i>, welches sich auch
in der argivischen Inschrift Nr. 14 nEBAFOlKOl furoiTcm
und in der spartanischen Nr. 15 EBEDOFA iörjdojay in letz-
terer sogar für P findet, auch noch die Interaspiration in
ENHODIA hervorzuheben ist. Nr. 27 (Eleusis) JEMOl dfifit^,
29 (Olympia) TOI JIFI rqf Jit (lat. divus, skr. devas). 31
(Olympia) K0I02 Kijmi;. 34 (Peloponnes) NIKEI vUtj. 49
(Ämyklae) OFAI "Oyyv, wofür 48 OFAEI. 50 JAMATFIAI
JaftarQiff. 70 a Z. 9. c Z. 20 (Attika) AFOPAI TEL 71
H]AnAEI anlJj, EN TEI AYAEL EN FOI EAEY2INI0I
(a Z. 36 und 38) HIEPOI hgijß (c Z. 9). Nr. 76 TEI BOAEI
KAI TOI JEMOL TEI AGENAIAI rfj 'A^r^vaiff. Nr. 93,
Z. 12 und 15 ESEAGEI e^ü^^, 1313 und 1314 (Sparta) ZANI
EJEYQEPIOL 1462 EPMEl "Eg/ny, dagegen 14(51 EPMAL
1689, Z. 10 (Delphi) TOI JINYIVI t(^ JiovimiK Es findet
sich auch in einigen Inschriften HI und EI, ill und Ol neben-
einander, so 808, Z. 8 nPilTEI TTgiort], 2266 JOKHI neben
KATAITH^EI TcaTctacrjaj].
Im folgenden sind aie Fragmente aus den Büchern der
* alten Grammatiker über das hoTa 7iqoayey^^iiuvov übersicht-
knn^ zu p. 92, der als Belcjir anführt Strabo XIV, p. 648, wo sich
der Ausdruck fniyQaH'ag findet; Apoll. deSynt. p. 211 nQoaiol-
aar tov t ygffff^p und p. 270 avvyQu^iOfiivov tov *. fiisetns
zu Aristoph. Pax 1160 (tQ/iüxdig ok t6 c ovy v fTtyqa^'Ti nJUn
7i(CQ(yQa(fjr]. In Betreff der Handschriften bemerkt Osann, dass
das Jota erst in denselben seit dem zwölften Jahrhundert unterge-
schrieben werde und dies wird durch Eustathius bestätigt, der noch
den Ausdruck jrooayQnffitv gebraucht. Aber schon weit früher schrieb
man es gar nicht, wie sich aus der angeführten Stelle des Strabo
ergibt, ^ttoXIoI v«o x^Q^^ ''ot' föirn ytHtffovav Tug ^orixng xul (x^
ßnllovai 6k to iChog tfvffixrjv aiiUiv ovx fx^^'*
J. La MacJie, lieber das Jota subscriptum. f)5
lieh zusammengestellt und für das Vorkommen des Jota aus
Inschriften und zwei Handschriften, dem Venetus zur Ilias und
dem Laurentianus zu Apollonius Khodius, nach der CoUation
von Merkel, Belege beigebracht.
I. Declinationsformen.
Das Jota in der Dativendung der ersten Hauptdeclination
ist etwas so gewöhnliches, dass man kaum ein ausdruckliches
Zeugnis dafür erwarten kann, dass die Endungen 9, ij, r/i im
Dativ Singularis mit Jota geschrieben worden seien. Dieses wird
von den Örammatikern überall als bekannt vorausgesetzt. So
heilst es bei diesen, dass die Adverbia auf n Jota hätten, weil
sie Dative der erstiön Declination seien una Schol. B 4G1 to
uiaiio iyravO^a yeviurg TCTioaecog eaziVy od^ev ot'x ex^i rb 1...
otiriog ilqog iv rfj oqd^oyqctwit^c. ev yevtxfj de avTO tTihf-
nrlov Yxti x^^Q^S '^*>^ ^ ^^^ ^0 „erfitelta) nQia/iioio^ {J 47). ovriog
^Hgcodiavog e.y rrj y.aOoXov xal IlToXefialog iv tot niqi
avvalotffTjg, Et. Mg. 203, 4 oidtTroTe yaQ dorixt] ivixrj uovo"
övXXa[iog hjfon'el to i, otov t([) v(^, r^ yy. Cram. A. 0. II,
307, 9 Träaa dnuKrj (vr/xuv re aal dvi'yxov xat TrlrjSvvTincov iv
Tg iaxccry avlXaßfj i'x^i t6 i, iav /niv ahj fiara avfupiovou xat
ßqaxio)V (fiuvrjtvrwvy i^axotevaiy rq) /ntkavi^ rq» !Axii^i, toiv
fiiXavoiVy Toigjiekaai. ei di fieta fiaxQov (piov^rjavfog, ovx cx-
7>a>i'£7rai, olov T(?ß x«A(p, tiT) IUqöt), rolg Mevilaqßg. In den
nschriften und guten Handschriften taben diese Formen immer
das Jota.
Die Endungen des Dativ Pluralis auf yat haben ebenfalls
Jota subscriptum. Et. Mg. 1G6, 30 IdTqaidrpij Qvßyoi, nvltjOi,
doTi'Aat Twv Trlr^OrvTiTiiov. txovat zb i 7€QOGy€yQaf.iftivov xara
Ttjv naqaliyovaav. Sie werden betrachtet als aus den Formen
auf aig entstanden, durch Epektasis aioi %ai TQOTrij Vwwxj t^ai
Tuxl fievei TO t TrqoayayQaftfuvov, Auch in Inschriften findet sidi
das Jota, so Nr. 70 b, Z. 7 (Attika) EnO]nTEI^lN £7ro/rrw-
aiv. Z.30 EN T£/[2VM ^YTESI iv rijoiv aivfjai. Nr. 3044
HI^IN rfjiv; dagegen fehlt es Nr. 939, Z. 1 JPHITOIYNHJSL
948, Z. 4 OJYNH^L 1907, Z. 3 TA(DH:SL 2258 MOY!SHn.
Merkwürdig ist die Dativform r012 TAMIAIIN (roig xa-
ftiaig) in einigen attischen Inschriften, so Nr. 137, Z. 2. 138,
Z. 13 und 24. 139, Z. 2, 3 und 25. Auch die Dativform auf jjg
hat dieses Jota: dies erfahren wir aus einer Notiz bei Didymus
zu A 66 AoioTaqxog to Y,viar^g Ivnaog xara yevixrjv TUToiatv
avev Tov /, dieses avev tov l wäre sinnlos, wenn es nicht eine
gleiche Form gäbe avv ry /.
Der Nominativ Pluralis in der attischen Declination auf
(f wurde mit Jota geschrieben: Et. Mg. 616, 32 01 veqo avv t(^
i. TiQWTOv ajib tov o\ Mevtlaoi xai 01 vaoi yiyove xaza tqo-
nr^v TOV o eig co, xal ^Uvu to l fTQoayeyQafifiivov. öavreQOv di
OTL Ttäaa ei'&eia aqoevixAjjv t€ xal &r]li^iov nli]&vvTiii6iv eig
90 J. La Roche, Ueber das Jota siibscriptum.
won'TjEv Itjynvaa, dve/rr/.rarog y eJg i ly^let ?Jjy£iv. In den von
Boeekh herausgegebenen Urkunden über das attische Seewesen
steht Nr. I a, Z. 34, 40 und 53 nEPJSEill als Plural von
7T€giv€tog. üeber die Schreibweise von arict) B323. i'84. 7 30,
695. ß 240. Tj 144. z 71. i// 93 war man schon im Alterthume
nicht einig, mit Ausnahme der letzten Stelle, wo es nur Ad-
verbium sein kann, worauf gestützt Buttmann Lexil. IL S. l
es nach Aristarch überall als Adverbium fasste und demgemäß
ohne Jota schrieb gegen die Autorität des Venetus, der an allen
vier Stellen avem hat, vgl. Text, Zeichen und Schollen des
Venetus S. 12. Die Zeugnisse der Alten darüber sind folgende:
Apollonius de adv. p. 554 y.at jriQi rov ^!ANEill äi öiaifoqa
Tig yxcra vor ^leQta^ioif elaty/ero jrQog evicoVy atg eYr] uälXoy
ovoiia jchjO^ivur/Mv y l4rrr/,(üc y.axhuevovy oj loyo) y,ai t6 l
7rQooy.6tiitevoi'. p. ooo ort fiev ovv ovrarai ovn/na TikVfd^vvTiy^ov
ilvai actqig M'ret- ,*>€)'. aXXa d7]Xov wg yctt IdQiarttqx^l^ >^«^
Tolg ' -' -'"-' '' ^ ''^ " '■' ' "■*
Xov
fiarto^n
nxtjg 7t((QeX(qißav(-T0y ojisq nv jcctgiuieuo ovofiaai. y.al yerorg
uh elrca dic(/.Qirr/,6v, tan y.al jtov hii yevi/Sig fy.froQasi xo
Toiovvnv yyrj o antt) (sie) dtjy i](Tto"' (ih 93), xca aaipeg ori, et
tioO-etr] fj yQCtffij ovv tio i, doOeitj Rv yxd ro (ivofta tivca to ai'eiog,
Herod. zu /":? 240 (rfr Tfr; i ro aveo), evO^ela tan irhjO^ivnyfj d;ro
rov aveog, Schol. P. zu ij 144 amo : VjOvxoi , ida/reg ftr] orreg
Schol. B zu B 323 ro (U. livKit toöe fiiv dia rov /, im de rov ^fj
d' civeo) dijv r.aro"' ywöic toi /, dafür hat Schol. L falsch f7il
Ir^^iv. y^Ti/TT ctrav) r/frhal>B,^ Zu vergleichen
auch noch Eustath. 1443, IJ) und Matranga Anecd. 471. Spitzner
zu ^323. Wenn nicht ?/» 93 civKo unmöglich wäre, so würde
gewiss niemand auf den Gedanken gekommen sein, dies als Ad-
verbium aufzufassen, da es an allen übrigen Stellen Nom. plur.
von aviofg sein kann und Fonnen attischer Declination im Ho-
mer auch sonst, wenn auch gerade nicht häufig vorkommen. Ich
bin noch immer der Ansicht, dass auf die eine Stelle nicht viel
zu geben und dass man nicht berechtigt ist nach derselben alle
übrigen zu erklären. Wie sehr Aristarch bemüht war, den gan-
zen Homer zu uniformieren, ist bekannt: die Entstehungs weise
der Homerischen Gedichte aber muss uns abhalten, dem Aristarch
auf diesem Gebiete der Kritik zu folgen, obwol die Analogie
sonst im Homer ihre grofse Berechtigung hat.
Ueber die Dative von yeqagy denag und ähnlichen haben
wir eine nicht unwichtige Notiz aus Herodians 'ibcty.rj jiQoaotdla:
>i 385 y.iQa ayXai: ovv nTi i egya^Ktv xiveg ro yjQ<f iva v
ÖOTty.rj, oftouog tfi» „derra (jtehr^deog oYvov^ ;'46; dort steht
J. La Boche, Ueber Jus Joti subscriptuin. 97
aber J^Vrac, d/irof hingegen x 310) xai y^yrfi(^( v^io Xinaqilt'*^
(X 130. il* 283). oviiog de y.cd doy.ai ejrr/.Qanlv r jiaQaäooic;,
bh; yutl ItkXe'iUov ctSioi, Ich habe hier die Schreibweise bei Bekker
und Lehrs beibehalten , obgleich ich ihr jede Berechtigung ab-
sprechen muss, wie ich in diesen Blättern (1803, S. 329) ge-
nauer erörtert habe. Die Alten schrieben KEP AI , JElJAl
und rHPAI und so können wir getrost in unser Scholion
setzen, denn avv rq} i bedeutet nicht dasselbe als tyu to i
7iQoay€yQC(iii^uvov oder ovp rip i are7icpco7'rjT(p. Das Hauptargu-
ment gegen die Schreibweise mit a ist, aass das Jota nur bei
langem a untergeschrieben werden Kann, das a im Stamm dieser
Worte aber kurz ist, ja sogar im Homer auch da manchmal
kurz ist, wo es durch Contraction aus aa entstanden ist, wie in
x^'cr, welches selbst elisionsiähig ist, vgl. Thiersch Griech. Gramm.
§. 188 , 13. Die Dative ^^Qt], rJQot und tQ(i) sind Metaplasmen.
IL Adverbien.
Die Adverbia auf tj haben gröfstentheils das beigeschriebene
Jota, wenn auch der Grund, den die alten Grammatiker dafür
anfuhren, weil sie nämlich Dativformen seien, nur theil weise
richtig ist. Die Zeu^isse dafür sind: Schol. A 120 allrj: avv
uiß L ro aXltj und to de aXlr] oiv T<(i l yQarpovaiy. Schol. e 71
ak).vdig akXrji to a?^Xr] cu^t/a, oO^ev ovdi to i nQooyQa7rreov.
L 138 aXXr: x^^Q^S ^^^ ^^r« ^'^ aXXrjj offenbar ein Beweis da-
jfiir, dass aas Adverbium aXXt] mit Jota geschrieben wurde.
Apoll, de adv. 625 to tjj y.ai nevaTr/.cüg to 7r^ xat Itl to
aogtOTiodtoi; oirrj, 7€QoaTii)-€fiivov tov /, xaO^iog ymI i] Ttaga-
doaig o/iioXoyel, %al tog /tiaXXov tcl Toiavra ovficptQSTai q^iovfj
Tfj TiQog Tag doTtzag^ log t^u ymI to t ai tt] jroQSv^cüfiev,
Cram. A. P. IV, 9, 1; Et. Mg. 78, 26 dsl yivcja/,eiv oti avv to) v
youiparai (sc. a/naQTjjj). tcc yag elg rj XijyovTa emQQmiaia exovCt
to i TTQoayeyQafifievoVy olov aXXj], jrdvTV^ '^Q^^th <^^^>i'<Js>
eixj, oiTfi^ 71 f, elal de Tiva elg rj XrjyovTa eTiiQQrj^tara firj
i'rovTci TO i (es werden dann angeführt ij, yi}, /«r), v^, örj, ifjy
(fßij, rjön, drjXadrj, ßfj das einzige Perispomenon unter diesen).
Xiyei de 6 TexviKog (Choeroboscus) to r^ovxfi ^ctl ciXXrj xcd 7cavry
y.al TCt Toiai'va dia Tovro ovv TtJ) t yQacfeaOat eireidrj aico
doTiKTjg yeyovev, oti yag ano doTtyct^g yeyove drjXol to rarrij.
loTi yag caTr r ev^eia. rj yevi%Y} TUVTrg yat fj öovrAri Tavvt].
a aqa ovv Xeyo/ttev „Ta tTy aneXirio^iev'^ xaL ot Xeyofiev „arrw
ctTreXd-wfiev^ , dfjXov oti ario doTiycfjg yeyovev, ei de tovvo d/ro
doTixvg yeyove, dfjXov otl xal TCt aXXa tcc ixovTct to i oltto
doTiung yeyovaaiv. ovTOjg 6 XoiQoßoaxog eig to ttogottj-
Tog, Et. Mg. 416, 15 ra elg rj Xr/yovTa eTTtQQTjiiiaTa ex^i to i
:iQoayeyQafifiivov, olov aXXtj, TQi/rXt] xofiid^, aearj^ieuoTai Trewe^
vrj, firi, dt), }]dTjy dtjXadrj, dasselbe Oam. Epim. 185, 15. ~
Theognost (Janon. (Gram. An. Ox. II) 155, 21 rrh to eoioTtj/tia"
xiwvj xal avTO neqiOTtionevovy xat avv %(( i. Scnol. zu Tzetzea
08 J. La Roche^ Ueber das Jota subscriptum.
Chil. XII, 51G ijjdey irrav^a, tfjy ivravO^a, IniATaaig zo de.
TTQoayQaiparai de t6 i^ (in xa alg t] y,a0^aQa (?) eiriQQrjftava
nQoayeyQafifievov e'xei to i, ncti'Ttjy allj], Ttevraxf], Ty
xat Tcc of^inia. Theognost Can. 160, 28 la elg XV Irjyopra em^
Qij/itaTa öia xov rj y^cpeiai^ 7CQoaxeifuvov tov /, xat Ttegiana-
rat. olov öixy, ^p^XJjy ^J^^Q^XÜ, cclXaxSy f^ovax^, V^^XV'^
Schol. M430 TravTt] dtj, so schrieb Aristarch; TvqawUov de
ixdex^tai TO 7j ijciQQrjiita co/rixov xal 7tQoarid'mi to i, Zon.
Lex. 1487 ovoainy: avii tov ovdafuogy ixei de xo i log aiio
doxixfg.
auagxij, Herodian zu E 656 xo auagxfj daoiiüg. neoianq
oe YMi o Aayial(x)vtxi]c xar oi 7tAetoig.n§vvei oe o ^qi-
axaQxog ßovXo^ievog avxo xoi afiaQirjdrjy a/ronexoqyO'ai y dio
xal xar* avxov x^^^ '^^^ ' yeygaipexai» eic mgarel (.livvoi xb
TteqLanw^ievov jcaQcc xo ccfia Kai xo aqxiOy ausfuhrlicher Eu-
stathius zu dieser Stelle. Herod. zu O 162 dfnaQxfj: Tteqta/ca-
axiov aal avv t^5 l ygaicxeov /Mxa xov x^Q^'^^^Q^^ ^^^ **? '^^
Xtf/owtov ejtiQqnhictnov. xat dieXiyxei t] naqadooig xov
l^QiaxaQxo^ ex^ovaa xo i. Cram. A. P. III, 292, 7 afiagt^
neQianaxcLL xal ovv xiTi t yodqierai, eaxi ydg nagd xo df.iaoxo},
6 de l^qiöTCtqx^g dlxcc (Cod. dtd) xov £, a/tb xov dfioQXfjdtfv
leyiov aTioKtKOcpO^ai xrjv It^iv, ^axcog. Et. Mg, 78, 20 dfiaqxrjy
imQQr^fia. amiaivei xo ofiov xal naxd xb avxo. 'axxl o fiev
u^giaxagxoc tx xov ditagTT)drjV leyei ytaxd avyyiojrrv xal oSvvsi
((Jod. ogvverai), o oe Hqcoöiavog ex xov a/tta Y.ai xov aQxo) . . .
del yircoaxeiv otl aiv xqf i ygdcpexai. Et. Gud. 42, 7 d^iagxyi
imQQijfia [arjfiaivov] xb b/nov, Kai wrfliv L^giaxaQXOQ ex xov
dfiaQxrjdrjv xax' a7ioyi07ii]v d/nagxi] xai o^vverai (sie), avxixei-'
Tat de avx<i) t] Ttagadoöig (.lexa xov icita oiaa, b de^Hgc^dia--
vbg fx xov aiia ycal xov aorc3, a/ia^ reu, xcct dfiagxy. Zon. Lex. 164
dfiaQxy: ofwv nat xaxa xb avxo. xai b fxiv !^Qiaraoxo>g x^-
Qig xov i^ liyei ygcKpead^ai avib^ oxi djtb xov d/nagurjonv xara
dTvoxoTrrjv. (ouvi oi ovv^dovat xd xfjg Tvagadbaewg, fj yag Tta-
SddoGig GW x(lß t olde ygdcpead^ai (Cod. ygdfpeiv) avxo. Hgu)-
tavbg de (prjoi avvd^exov elvai djib xov a/iia xal xb agzw, xat
yivexai a/io aficpoxegiov l/ilggr^^ia^ d/nagxfj yuxl bfiagxij. iaxlov
de oxi xd aTib doxinrjg yivofieva Ijovat xb i, oiov xavxn
em^QTjiiia, Craui. A. P. IV, 8, 35 dfiagr^y otj/nalvaL xb ouov i^ai
Y.aza xb avxb ojxx] (sie) xai itY). dei ywofO/^iv ort avv T<j) l
ygacpexai. Bei Homer kommt das Wort viermal vor E 656.
2*571. (/) 162. X 81, daneben die Variante bfiagrij: der Venetus
hat überall djuagxfj mit Jota, nur 2 571 am Rand bfiaqxri. ^
yxi oder ^x^- Schol. A zu -^ 607 l^glaxaQx^S ^o rxt
XfJt^glg TOV i yQdq>et %al Jiovvaiog. TTaqaxid^exai de 6 Jio-
vvaiog xovg Jugielg Xiyovxag axt- Schol. B xb tjxt xcoglg xov i
xeXetm ygarpiaO-ai Jiovvaiog. Cram. A. P. III, 6, 29 ^giaxagxog
%ai Jioviaiog dixcc xov i. Schol. A zu -^ 76 ligloxagxog X^^^S
J. La Boche, Ueber das Jota subscriptum. 99
toi I TO r^x^, Schol. y 87 ^qlazaQXO^ öi to rjxi avev tov i
(ffjfsi xadiXjreQ icai to t]fpL ßirjcpi.
Anders Et. Mg. 41(3, 12. Gud. 252, 24. Gram. Epim. 185, 13
jX' iTtiQQrjfna T07ny,ov xai oaovvazai nai nEqiönavai, eanv ij
tnlqqri^m xai xar^ hrluLTaaiv TTji; x^ TV- */^^ ^^ ^"^ ^o i
n^oayeyQaiitiiiivov. ra €ig t] Irjyovra emqqrjfiaTn ixovai zo i
nqoayeyQaufdvov u. s. w. wie oben. Et. Mg. 417, 1 lozeov (in
TO Tjxiy TO yiv6/n€vov iitexTaaet t^ x^ ovXXaßyg, tog to vai\
vaixh Ol Jioqulg axt leyovai dta tov a „axi Aixct ftaya aa/na^,,
Tovriaviv oicov tov udixcx to /aeya /nvr^fulov, aal „axi o ydei-
vog ^^fitq'iTQtKovidf^,^ TtoXXaJy di IsyovTiov ovv Tf/; i y^a-
if€a&ai xai ttoXXwv dvTtXeyovTiov x^^Q^'S ^^^ ^> ^^S
fiivTOi Ttaqadoaeiog ixovar]g to /, dixaiov ^/oiftaiy nav-
rag TtaQaxQOvacutevog ti] iTaqaöoaei fiovtj S/read^ai xat fir] dicc
luvrjg yQd(feiv, a x^fi/a oim tan. Der Paradosis folgt auch der
Venetus und der Laurentianus.
rj d^ifng eOTi oder Jj. Lehrs Qu. Ep. p. 44. Die Alten
schrieben meist ij und fassten es als Adverbium auf in der Be-
deutung von cog und oxytonierten es zum Unterschied von w =
OTTOv. Apoll, de adv. 559 Trjg avTrjg avvTa^ecog exo^evov eazi
10 ytfjte ^eivcov d^ifiig iavi^ {i 268) xai dixcc lov tc avvöaofiov
„5 i^ifiig FaTiv"" (/ 33, 276) iv loqf t<(j wg O-e^ig ioTi. Herod.
zu £ 73 ^ d^ifiig ioTi: to ij daavvziov, ov yaq iazi aiv-
dea^ogy aiX laodvvafiovv t^) aig imQQmia, 1 134 zo rj öaavv-
tiov. eazi yag laodvva^iovv ztli ojg, dio Ttal 6 t€ TtQooziO^ezai
aivöeofiiog TioXXayug. log yctg kiyofiev „üaTe yag ?J naideg vea-
Qoi'^ (iB209), ovziog „ij tb ^eiviov S^efug eotiv"' (a 268). Gram. Ep.
192, 6 iq öaavvoinevov xal o^vvofuvov ar]^aivu Ttivre, darunter
auÄ ayzi tov dg 7taqaßolrj „fj (Cod. y) M^tg ioTiv ava^
ayo^^ (/ 33), dasselbe Gram. A. P. III^ 301, 16; dagegen 126, 15
daavvofievov öi aal TteQiancjfievov avzl tov wg »i) cüc? (sie)
^€fug €C7ri." Im letzteren Falle müsste es das Jota subscriptum
haben, wie es sich auch findet bei Eustath. 1463, 17. 1754, 15
und in den Ausgaben bis auf Bekker. Die Stellen im Homer
sind B 73. I 33, 134, 276. T 177. ^ 581. ß 652. y 45, 187.
i 268. X 451. 1 130. lo 286.
Buttmann im Lexilogus I, S. 240 und Spitzner Exe. II
zu B 73 befarworten mit Eecht die Schreibweise rj ^i/atg iazi,
wie der Venetus überall hat auch I, 33, was Spitzner, der sich
nach Villoisson's Ausgabe richtete, nicht wissen konnte; doch
hat der Venetus (n77 fehlt dort ganz) überall fj ohne Acc^nt,
aufser B 73 und ich fürchte beinahe, dass er auch dort keinen
hat und ich es blofs übersehen habe. Dieses ij ist Relativpro-
nomen, nicht Adverb, vgl. ui 779 ^elvia r' ev TtaQi^rpuv o r«
^livcjy ^i^tig iaTiv, wenn nicht vielleicht zu schreiben ist /ra^'-
dr^X ' \ ^* wiö i 268 doi'm dcoTivr^v ij tb ^uvcdv O'ifug iarL
Noch aeutlicher wird die Sache durch w 286 r (= avzrj) yof
H^ug ocTig vnoQ^tii die, welche das Demonstrativ nicht be-
100 J. La JRücJte, Uober «las Jota subsoriptum.
tonen, wie Bekk. 1. Dind., Ami'is, sclireil)oii mit Recht t), wollen
also auch von einem Adverb nichts wissen. Hier konnten auch
die Alten kein relatives Adveib = (h , sondern höchstens ein
demonstratives = üg annehmen. Die alten Grammatiker sind
wieder einmal in ihrem Bestreben, alles zu sondern und zu
unterscheiden, zu weit gegangen: J/ ist überall Kelativura, nur
10 28(j Demonstrativum.
i()/^)r, drj finale^. Cram. A. 0. IV, 333, 1 7riaa 7VT(üaig
firtQQr^/iiatiyJjv avvrct^iv dvade^afuvt] rrjv or/.etav vqacprjv TrjQei,
olov y^wKrog 'AaO^evde y.al fjtitfQag tQya^ov.*^ dio xai ro Idiif
xal dr^fioal^e avv ro) i XQt] yQmpeiv ^ Fird a/co Sorr/ifjg Tino-
aecjg eial xavia. Apoll, de adv. p. 5()0 TQUfpwv q^tjalv log ra
elg a Ifjyovra sitiQQtj/iiava (iqayjrALtrahfACct eariv, ov y£;'^0€-
rat QQce to ^IJIA ytal JHMO^IA avv rot t. ApoUonius wider-
spricht dem, indem er sagt, dass die Adverbia bald auf kurze,
bald auf lange Vocale endigen wie r^Ac, oijfe, tao), t^io, eXXrj-
viait mit kurzem, ay,oviTi und 'vaijucoTi mit langem Jota,
p. 0(51 ^rjTtov ovv IriQiii X6y(t) yat naql yQCuptjg rfjg dia rov i.
r) ano nov ovoftauov aifi7ncf)atg aig ra iiiiQQrjfiaTa^ y.ad^^ ovg
koyovg idelSa/iiei' ev cJ^x^ft: (p. 530) jrdrriog nerd nov //a^-
TTOfievojv tx^i yal rag yqaifdg avvvjraqyovaag^ so drQ£y,ig^ xa-
}jov, €vqv, y,a)2iaTa, irvurn. Wenn nun, f§.hrt Apollonius fort,
JHM02:[A vom Nominativ kommt, so wird es ohne Jota ge-
schrieben, wenn vom Dativ mit Jota. Diese Adverbia kommen
aber vom Dativ des Femininums wie ovöcxfijj, alXn und raii})
und tf^ÖBy denn wenn diese beiden letzteren aus dem Nominativ ge-
bildet wären, so müssten sie «rrij und \]öe lauten. didwATai
aqa (in 7raQd öortyceg ai roictvzai fTriQQr^fiariyal jrqofpoqaL ei
de naqct öortyag, öriXov (og yxd yeyQaiffezai ovv 7(^5 «. yal ei
TOVTO, yal TO idicf aga yat drjfiooiff Ttaqct doTty.dg, nal ovtiog
ra iTCiQQijfiarct yeygdifßeTai ovv TtT) i, ovx cog <prjOi
T'Qvcpiov did TO fiay.QOv a.
In den Inschriften erscheinen diese Adverbialformen mei-
stens mit Jota, so UfAI Nr. lOo, Z. 13. 205(5, Z. 7. 20(51,
Z. 5. 225(), Z. 8. 22G7, Z. 10. 2268, Z. (5. 2556, Z. 6. 3049, Z. 10.
JHMO:S£A£ 2353, Z. 6. KOINAl 2554, Z. 312. 2555, Z. 9.
2556, Z. 47 und 60. 3049, Z. 10. KOINH! 2161, Z. 5. 2267,
Z. 10. 2268, Z. 7. KOINEf 105, Z. 16. o.rrj findet sich in den
drei Formen Onm 2554, Z. 56. 01IEI 1844, Z. 16. OHAf
2484, Z. 22, 3053, Z. 11. THU 223(5, Z. 2; dagegen FHJE
2257, Z. 13. EKATEPHI 2556, Z. 77; dagegen dreimal ohne
Jota Z. 20, 26 und 28. HANTH in der aus sehr später Zeit
stanmienden Inschrift Nr. 1080 B dreimal. MHJAMHl in der
Inschrift bei Boeckh, Staatsh. TT, S. :536, Z. 27. Im Venetus haben
diese Adverbien durchweg das Jota.
Ad^Tjvrjot y,al Orjßvoi: tcl rotavia rmQQrifiaTa otv
T([i i yoarpeTai Et. Mg. 25, 13; dann weiter 19 yQccfperai oiv
tqi i 6iQ TO avve^ineoelv xaig xoiavzmg ^lupixaig douiuxig. Aus
J, La Boche, Ucber das Jota subscricptum. 101
Bfjßaig und durch Ektasis Q/jßaioi, ionisch Qi^ßfjUL xal fuvei
To 1 7rQooy£yQafuvov. In der bekannten Inschrift m. 2374 (Chron,
Par.) steht Z. 51, 52, 53, 54, 57, 00, 21, 62 und öfter u4@H-
NHnN ohne Jota.
ßir^q)i. Die durch m gebildeten Adverbia haben nach der
Lehre der Alten kein Jota, doch stimmen auch hier die ein-
zelnen Angaben nicht überein. Apoll, de adv. p. 576 TiQoaXig
öi xal TO hxßeiv otl iv rq) r,r]cpi ßiijrpiv'' ohr/Jkvfiog tj itaQa--
ytxjfri. sl yccQ av rj jraQayiijyi] ovoixelov ylverai mpatQeriKrj, (og
int yevixijg tov v, naaaaXoifi T^al xaAxo(/)/v, (og iic alzianxfjg
rov Vy de^iov de^i6(fiv^ aQiavaQov aqiaveqmpiVy dodi^aevai ort
xai xara tov hoyov Tfjg öoTixrjg v(piaai to t, y,al Ta Ttjg oq-
i^oyQaffiag ovTiog xaTaaTt]a£Tai öixa tov i yQa(p6-
fieva. y.ai aaifig oci to, 7rQoy.elfi6va, dytoimtsva t'xovTa azoixda^
jiQffdrilov iaxB xal ttjV afpaiQeaiv, tcc di tv Tfj öoTiy.Jj ovyl i^e-
qtovu to I. oaqtfg yovv rm, xöv iXleiil'i] to iy ov TiQodtjXov
t?€t Ttp^ VTtoöToXrjv, Schol. V zu M 153 to dißlr^fpi /w^ic:
tov i eOTiv. Schol. y 81 läqiOTaqyog da to r]Xt OfVei' tov i (prjot
TUi^anaq xai to rjwi ßirjfpi. Theognost Can. 160, 14 jj ytaTct
TtTuaiv yivofievrj aig rpi ejtexTaatg dia roi; i yQücpaTat (d. h.
am Ende, oder es ist diva zu schreiben) olov aTagtjq^i, tovto
ano evithiag am tov tTtga. uno yiviv.rjg x^^^-öyi. tni doTtxrjg
(paivofuvmi „C(5t: q^grjTQf] cpQrjTQtjfpiv aQtjyei (pvXa di qvkoig^
(B 363). Ctara. Ep. 360, 18 n^.Au4MHl(I)IN: 7CQoayQaff€i to
i ix TTaQaäoaetog. So viel scheint gewiss, dass einige, wo die
Form auf ijoni statt des Dativs steht, dieselbe mit Jota ge-
schrieben haoen: so hat auch der Venetus an einigen Stellen,
z. B. / 58 yevefjifpiv. K 30 yMpaXriupiv, 257 yafpaktjKpiy, 4ü6
K€(paXrji<fiv. A 350 yLa^akrufpi, ß 6üO qaivo^iavriiffi, 2" 341
ßir^q^ij an den übrigen zehn Stellen ßirjcpt.
e§io, TiQOTaQix). Et. Mg. 544, 12 xtxAr^'i amQgrjfta To/n-
%6v . . . ax^t da to i TfQoayayQaftfiavov cog aito öotr^fjg. to ftav-
TOI TtoQQio xal a^io xol afpvw ov naqa (Jonxac. öio ovda
jtQoayayQafiftavov a'xai to i. Et. Mg. 663, 21 oooi to ayyvriQM
ymI ayyvTOTw xat tcc o/nota avv Tq) i ßovlovrai ygacratrOai,
aito doTtx^g kayouaiv avTct alvai. /xu kayai o EjcacpQodtrog
Oll Tiva Tuiv ö^/a/wv avTiyqa fpcov av t({) i aiynv avca
yayQaftftava. HQaJTTOv da aaci x^^Q^^ ^^^ / Tavrct ygcapaoO^ai.
kayai da 6 Taxvixog ort at Ttg to a^io gvp t^) i ygcKpai a;taidfj
Ol ^vQa'Aovatoi aSot Xayoratv, ovy. fjnyaiQal y.ahog. So hat auch
der Venetus an einigen Stellen oirmnoi Z 352, 450. N 193.
7iQOTaQiüL -2" 387. ^F490, 526. aKaaicircoi Ä 113; der Lauren-
tianus jcQOTaQcoi A ^2^ 374. B 537, 864 und sogar Txqoiioioiaa
/'1288. 7caQoiTaQm i'686. lycxqtaQiot B Hbp, vgl. Schol. f 1 72.
Choerob. Orthogr. 281, 17 otra: ahv TtJ) i ai'd tov ioaaha.
Et. Mg. 825, 23 wird ebenfalls ijna (ayai da to i) aus (üoaiie
hergeleitet a/roßoXfj tov a xal ycQaaai Toi lo /xd e loca, ebenso
Cram» Epim. 446 , 24 und Et. Mg. 822, 50 r/W^ ovv Tqt i au3
lOB J. Ln Rod^y lieber das Jota sabtteriptam.
(oaeiJieQ durch Ausstofsung des a und Contraction, wobei dad
I bleibt Es sind diese Notizen nur angeführt als Belege dafttr,
dass ^r€ und ^)7r€Q das Jota haben, weniger weil darüber Zweifel
erhoben werden könnte, als der Vollständigkeit halber.
TTw oder rr/). Der Codex Venetus zur Ilias hat mit Aus-
nahme der Stellen, die von zweiter Hand geschrieben sind (P 340,
^88, 563. T 220, 3(K). ß 428), überall rc5 ohne Jota und das
war die Schreibweise der Alten. Schol. B 373 t<;5: to vq) tcoXUol
arjfiaivei. ini ^lev tov roiovrov jxeqiajiärai y.ai to i avx Ijf«.
Am ausführlichsten ist die Notiz im Et. Mg. 773, KJ — 53 tio:...
TovTO di o /aev ^iroXkioviog oHvei , o de ^Hguöiavog
TcegiOTT^, Xiyojv oci ovTiog tx^i r jcagadooig . . . to, xal
xar^ kxTaaiv reo wg iv ^iXiaöog ß" (250) „rio ovx, av ßaoilijag
ava OTOiii^ ex^ov ayoqevoig,^ y.al itaqiünäiai xaca ^HQiodiai'ov^
TOVTO di TO TW orjinalvei jnvTa (vgl. Schol. B 373) ovoftay oq-
S-Qov, avTcovvfiiav ^ avvöea/iov aiTioloyinoy^ tloI ^tj^ia.
Die angeführten Stellen B 250 und 354 dienen zum Beweise,
dass die Alten dieses tco für eine Conjunction ansahen und es
nicht mit der Dativform des Artikels oder Demonstrativums
identificierten. Gram. Epim. 416, 6 Tt^r. arjfiaivei to dio^ tuxI
TregiOnaTai y.ccra ^HQiodiavov. Wenn es aber weiter heifst, es
sei aus to durch Verlängerung des o in o; entstanden, so müssen
wir annehmen, dass der Abschreiber hier das Jota zusetzte,
denn wer tco aus to durch Verlängerung herleitet, kann es un-
möglich mit Jota geschrieben haben. Phot. Lex. 450 rc5: x^*Qk
TOV i avTi TOV dio, tm TreQtaTtw/niviog dio, xat ovciog avsv
TOV i. Man vergleiche ferner Suidas IV, 1183. Schol. y 134.
In Zon. Lex. 1758 steht Tot, ebenfalls in Apoll. Lex. 156, 9
und 13. Bei keinem der alten Grammatiker aber wird ausdrück-
lich angegeben, dass toj Jota subscriptum habe und die Schreib-
weise mit Jota scheint nur dadurch entstanden zu sein, dass
man dieses Wort als Dativ des Demonstrativpronomens betrach-
tete. Der Lauren tianus zum ApoUonius hat Tii) A 334, 633.
B 15, 183, 247, 335, 389, 455, 799, 873, 889, 1058, 1203.
r 5, 428, 525, 601, 978, 1107. J 307, 368, 670, 700, 802,
1086, 1168, 1206; nur A 113 tw. Der Wolfenbüttler Codex
zu ApoUonius hat überall rw, nur J 802 und 1086 tu ohne
Accent. Merkel schreibt in der gröfseren Ausgabe tw, in der
kleineren (später erschienenen) tCo und das mit Hecht. In der
Inschrift Nr. 911, Z. 4 steht Till, wozu Boeckh bemerkt: „sed
offendit tamen in hac sententia illud t({) Vs. 5, nisi scripseris
rov", sonst habe ich dieses Wort in keiner Inschrift gefunden.
^a. Apoll, de adv. p. 566 ovdk fiijv ixeivo VaTi naqa-
di^aa&at, log o^ioiov eovt to) Idii^ xal drjf^ioal(fy xa0^6[ov] avv-
efiTTiTTTei ovojiiati, ica&ajieQ /xd tcc 7CQ0'K€ifi€va, boti ye fti]v
7T€qI T^g yQctfffjg fTrtaTrjaai, el nat aiv tiT) i yeyQctil^BTai
TO ^d'ovdi yao ^ tojv avTiyqa(fO)v 7t(tQadoövg i^co-
^laXiGTO. acpoQ^irj ftiv ovv FyiveTo tov öi'xcc tov i yQa(fia&ai
J. La Rache, üeber das Jota sabscriptum. 10t
TO frQoy.€ifi€vov i/riQQrjfta fj rnv ^ia (n'vaXoiq)rj ^ rov e xort a
iig fiaxQoy a ai'vrjQmieviov, rjv ov naqadi^aiiAad-* av xara TtQcd-
rov fiiv loyovy xad^ovL 01) negiOTtaraiy xal na^tog si7tOfi€v, ozi
tm TtQoad-eaig scttl tov i. xara de devTSQov diaTtOQrjceielv av]
uQy Ttolqf Xoyq) ol ^loleig zo ß TtQoae^rjxav. /nTjTtore ovv
ygarrTdoy avv n^ i,
qifioi oder oj fiot. Et. Mg. 822, 34 oiinoi: ix tov oi'fioi
nara ixraaiv vov 0 elg 10 (pfini. el ds yQccfperai x^^Q^S '^^^ h
ylverai d/ro tov 10 (Cod. 10) cu/iiot. Choerob. Orthogr. 281, 16
({ifiOii dixiog fx TOV oYftftoi (sie). Crara. Epün. 450, 6 toIwv
d/ro tov 0) oifioi, aal to i ovx tyu. Die Alten waren hierin
nicht einig: der Venetus hat überall cdi^ioi^ so auch öfter der
Lauren tianus, z. B. r 674.
#;J«/. Choerob. Orthogr. 281, 1 loiai: avp r^5 i ij /ra^a-
doaig. (ice oxeThaofiov ioTiv emQQrjfia.
III. Pronomina.
Dass Pronominalformen, wie Tf/5, iij, g, avr<i}, avrfj^ av-
T^i und ähnliche, die der Declination der rfomina folgen, mit
Jota geschrieben werden müssen, ist so selbstverständlich, dass
wir uns nicht weiter nach Belegen dafür in den Schriften der
alten Grammatiker umzusehen brauchen: es dürfte sich auch
schwerlich einer dafür beibringen lassen. In guten Inschriften
und Handschriften werden diese Formen durchgehends mit Jota
geschrieben.
Es konunen hier nur die Dualformen v({)v und arpqjv in
Betracht, die bei Homer stets in der Diäresis erscheinen notv
und atf^üiy: eine einzige Stelle macht eine Ausnahme d 62 ov
yoQ a(f(ov ye yivog diroXcoXe toxtjcov^ all (O'dQwv yevog eaT€
SiOTgeq)€wv ßaaikrjcov: dazu Schol. H. M. yjoQig tov i rj aipiovy
(og ^QiGTaQxog xai ^Hgiodutvog, u4/tollu)yiog di ev T^f Treqi
dvTtavv^uüv (p. 110 A) ygafpei avrrjv fueta TOt /, iV 5 devvtQov
nQOOiünov yuxza atnfaiQsaiv. dll^ ovx eavi jtoTe naQct TiTt :roii]T}j
yeyixi] xai dotixrj ^irj sxcpwvovaa xtI. Schol. M. V. ovy t<i) l
yQaTrriovy W t] atfüiv dv'ixiog. Seh. E asarjfienoTat to atpiov
irrl SevTtQov nqoawnov lafißavofuvov. Die im Schol. erwähnte
Stelle aus Apoll, de pron. lautet „towUto d^ m to „01? ydg
a(pq)y ye yevog d/Tolioie toxtjiov^, oiteq idoxei iirifiefutrov alvai
lüg TQiTOV 7clr^dvvTixov dixcc tov t yQaq)6/n€vov^ tov loyov ctTrai-
TOvvTog öevT€Qov ' Tiqog yaq avcovg^ ov neQi avuov. Was in dem
obenerwähnten Scholion noch unklar sein könnte, wird deutlicher
durch eine Stelle des Et. Mg. 610, 2 tovto yaq eitaO^oy xai r)
viüiv xai ly aifwiv xara avvaiQtaiv yevo/nevai vqßv xai afffifv,
iva dicc Tfjg avvaiqiauog iSafiavQ(od-?j rj Tzaqdloyog Taaig, del
yivixHJxeiv OTL l^QtOTaQx^g TO „ov yaQ O(pcov dnohole Toxrjcov^
{eari di ^OfirjQov) ycogig tov l d^iol yqawead^aiy liyiov ort tqi-
jov TtQoacjTtov iari tiov nltjdrvTixtVy rj^icoVy vfuov^ ocfm\ avci
öivnQOv dvixov. avd yaQ tov Offioiv xiivai, all' tOTiv eluelv
104 J. La Rodte, Ucber das Jota subscriptum.
oFi x^'^Q^^ ^^^' ' yqctcfBTaiy eiieiör ovSt iroTB tfj ye^
viKii y.ai dovi'/.t] rwr dv'ixiov y.!yot]iai o noirnvhg ei
/!?; x«r« öiaXvaiv^ xoiv voitv^ otftoiv (f)fioiiv. €i ovv
ivtaviha ro l elyav^ (jirpeila y.cctct öiccXva iv cli^at^).
Hier haben wir den einzig vernünftigen Grund, der Aristarch
bewog diese Verse ixx verwerfen und oben ist zu schreiben fx-
(piovovaa to t. Verdorben ist auch das folgende ro yaq Xeyeiv
Y.al (djnou'v y,al noöoViv * //6ra rot? / Xeyei öiavllaßioq^ denn
die beiden angeführten Dualfornien sind ja dreisilbig: vor juercr
muss offioiv ausgefallen sein, welches bei Homer sonst nur
zweisilbig vorkommt, und der Sinn ist „ebenso wie die Gene-
tive des Duals jtoöouv und idfioii'v stets nur iv diaXvou vor-
kommen, so ist auch oqKoiv immer zweisilbig, dasselbe was
in dem anderen Scholion ausgedrückt ist durch ro yaq afpioiv
ovx ^O/arjQiyiidg fiovoavllaßcog e^rjvexO^rj.^ Dass Aristarch, aufser
bei Homer, die einsilbigen Formen gelten liefs, sehen wir aus
den Worten „i/iiTt^deg de liqlaraQyo^ dO-eroifiivioy ziov arix^v
'Aal ar€v xov i iXaoe ttjv yQCtq^^rjVy %va xa« xovio noog zijv
ad^hrjaiv Xaftßavrj.*^ Apoll, de pron. p. 113 ai re yeviicac avcüv
(von Vi!) und aq^io) exXoycog dia rov l yQaq^ovrai , er/s TTctvvog
dvi/Mv ev&€ia fiiv tv eyei (pcjvrjiVy yeviy.ij öi dvo^ cor to Ö€v-
T€QOv i. aXXa nal TreQiOTraod'rjaovTat, €iye ra o^vvova twv dvi"
y^y [^ovoavlXaßa ?] TiegiaTtavai ytaza ysnxrjv.
Auch die Formen des Nominativs und Accusativs wurden
von einigen mit Jota geschrieben. Et. Mg. 609 , 39 yw : a/ra^
iXQ^fi^^i^ Torrrjy rfi leSet o /lom^irg iv TJj Odvaaeitf (o 475)
xcft iv Ikiadog li (219) . . . ort ro v(o y.ai ro 0(po} avy Ttiß i
Ttvig ygarpovai, Xiyovvtg airn rnv vioi xal Offtoi' yiveaO^ai
xara acvaiQeaiv rov (o y.ai i elg rrjv (t) öUpl>oyyov. alk^ rj naqa-
doatg ovx, olde ro / iyxelftevov. tri yaq xara avptOTifjv
Xiyovai x^^Q^^i^ ^^^ '• «^^« leyet 6 rfixwxoi; (Apoll, de pron. 112),
(in €l ano xov vtxü y.ai Oiptoi ovrexo/rrj^ lofpeile /regio icccoO-ai.
alXoi de Xtyovaiy to vcj xal orpco ov/, lyivexo ano xov vtoi xal
a(piüi\ aX)M y.ai xaiia eregcov ^e/naxd eiat, leyei de 6 re^fwxosN
or£ a/ro roi; vioi xal aipioC yiyove y.axa ot^'xo/riyr xov i xal
') Die ähnliche Notiz in Zonaras Lexikon p. 1411 muss folgender-
mafsen gebessert werden: „v(;ir x«i amlivi avv rt^ t, djid yao
Tov rtatv x(d (Tr/wi'r yiyove xtcrd avva(()tat.v rov m xaX i etg n)y
((t (Cod. w) 6{(rd-oyyoVj aXltog J^ nnaa öoTi.xri i/il nnvrog fC(fithuov
TO /wr« ?/«*. ^QfaTKQ/og J^ ttko^ 'Ourjotij {Cod. "Ouij^og' ^t)
jjfwpJi' TOV i (l^wt y()(affad-((tf Xfyon' (in tqCtov TTQOOtojrov
iarl T(ov nXrjO-vvTixüiv (Cod. toi« nooatüTin tial xoiv Jiuihivi-
xwr), Vf^fin'j vuMV, aifior. [to cf^ m/wr] iarc i^ftvT^QOv tfvixov (Cod.
iIvtI Tot» (fi'o, (fv'ixor), xtiiav [;'«o] uvt\ tov orr/wtV. dXX' iaxiv ft-
neh' [oTi] /(oolg tov i y()(((f6Tat. , (ntu^ omUnoTi rtj yfvtxjj xnl
TQ öoTLxTji [tü}v ^vixmv] xfyQrjrnc 6 TroirjT^g fi urj xrcTtt SinKvaiVy
olov Toiv Toi'ii'y (üuoiv w/iofci'i', (iXlt'ßoiv dXli^loüy. fi ory (p*
Tavd^a TO i tl/jv (Cod. f;^6/), nuelXe xktcc övdXvaiv ilvtu. Die An-
gaben in dem Lexikon des Zonaras «ind vielüach durch Abkürzun-
gen entstellt. >
J. La Boche, Ueber das J6ta ätibscriptum lOS
o^Lvetai dvaloyiog. xai yaq %o ir Toig dvinolg (o aTto-
avQiweTai Ttjv TteQiafcvD^iivr^v raaiv, Apoll, de pron.
p. 110 ai Idmxat xctva Tr^v ev^siav o^vroviog aveyviaa&mop
Ttofct %ifi TTOimn xal anaai TQCcyiTMiig t€ nat Tfno^u%oig^ ai re
IV. Conjugationsformen.
ßo^g,, ßo^. Gram. A. 0. II, 311, 5 7cav ^mia slg oi X^ov
tfu TO d€VT€Qov /iQoawTtov öicc diq>d^yyov, olov Xiyio liyeig,
tojmo xomag. mal %o ßmo ovv tx^i to devteQOv dia Ttjg ai
ßoq^g. nai to iäv Xiyyg fiera tov i, xot to iav d(p, dc/i^, o^ioiiog,
dieses d(fi ist nicht erste, sondern dritte Person. Der Grund
djdur dürfte wol der sein, dass das Jota der ursprünglichen
Endung w zurückgetreten ist, wie in Teviu} tbivm^ aj^evUov a^iBi-
nay^ iaai sig^ wrfli (prjg. Et. Mg. 637, #3 to ^iv ovv ivteleg tov
iyeCTWTog fxXTiv idij i^g, if ^ieza tov i. tov Si TraqaraTixmi
«Iwy, €iag, €ux ov fiera tov i . . . ei di iveoTcog iaTiv aei
TtiqiaTtmm tuxI avv t(^ i yQafperai. Auch die zerdehnten For-
men des Indicativs haben das Jota, oQcufg, iatf. Et. Mg. 201, 46
ßof ai) nuxi Ttsi^ ov. €X€i to i nqoay&yqa^^ivov. to öi ßoav
xoEt yeXäy otTtaqi^ffxxra ovk exu to i TTQoayeyQa^^ivoy, (iu
auo TOV TtaQOTOTixov yiyove tov ißoa nuxt iyihx^ xctt 6 jcaga-
tomiKog ovx ex^L to i Ttqooyeyqa^i^ivovi etwas wahres ist daran,
da ßoav nicht aus ßocieiv entstanden ist, sondern aus ßoai^iev^
ßoaev und daraus ßoav wie aus ißoae ißoa; denn wäre das i
in der Infinitivendung wesentlich, so müsste der Infinitiv von
xqvcfo nicht x^*aotiv, sondern xQ^'^oiv lauten, nach Analogie
Yon XC^^^^S zpvöToI. Et. Mg. 419, 53 ra elg v XrjyovTa ^rj^aza
nv ^dXßi Ixeii' tiqo tov v tI avenupiovrjfzov^ olov ßoav. Die guten
Handschriften folgen den hier angeführten Regeln; in den In-
schriften kommen derartige Verbalformen äufserst selten vor, so
Nr. 2374, Z. 64 und 82 TEAEYTAl. 2477, Z. 24 EnEPQ-
TAL 3797, Z. 5 EPEYNAI, dagegen 1888, Z. 5 lENNA
und 2239 E20PA2.
Cram. A. 0. 11, 311, 9 nav ^rjfia elg ^tai Xrjyov ixei to
itvreqov irQoaümov elg i Xxf/ov • oipo^iai oi/zw, TVTtTOfiai tv/vt rj,
Uyofiai liyij. Et. Mg. 484, 30. Et. Gud. *290, 40 fu^vr^fiai,
, liffAvrflai und ionisch ^i^vr^ai, daraus durch Krasis /if/117?. xai
utvei TO t aveyuptjjvrizovy so auch na^vj, dvvfj nach Clioeroboscus.
Schol. X 221 dauv^ (ig miQVf . . . daf^vcH^ai cog nei^^ai ytetQ^
iuäo yeqaiÄ^ (ß390) %ai ixiptovov/nevov tov i wg to övvai
(Vind. 133 övvif) rtaf' 'ATTixolg. Das ganze Scholion ist ver-
dorben und dürfte das richtige kaum mehr herzustellen sein.
q}^g und yijg. Cram. A. 0. II, 311, 11 ovöh tiov dg ^
ir^aTwv fnl devTtqov nQoaioirov exei to i • Tid^tjfii rl&ijg , öl-
mgy TtXijv TOV (pvi^u q^r/g (nicht y^$ wie die Handschrift hat,
denn das wäre Conjunctiv). Cram. A. 0. IV, 349, 10 nai aito
Zeitschrift f. d. (Vsterr.Oy ran. 1865. Tl. o. III. Heft. 8
108 J*. Jjn Boche, Ueber das Jota sabseripinm.
rov ifri^l de t6 devregov nQOGüßnov gnjg wweiXey Avat X^Hl^
%oiv ij TQonff Tov fii sig o, aXX^ rj naoaooGtg üvv ry t
oldev avTO yeyQOfifiivoVy olov qn^ (Cod. 9^), tag iv vp
dQd'oyQaq>i{f, ei d-ew tpilov , fiadr^uofieS-a ; ebendaselbst 36^
ly To 9>275 otm olöev o LkTtolXtJviog avv t^ i yey((afifidvaif.
Tf fiivTOi ftaQctdoaig xal 6 ^Hqodiavog avv t^ i oidev ctvro
yeyqafi^ivov ^ wg h t^ oqd^oyqawlffy (og ^€^ q>iloVy ua^Tj-
GOfi€^a.M. Mg. 791 wyg: eig ro p^. dal yinoaxeiv öri tö »91^
TOVTO ycaxiOTOv^ («391) ivearwc eari devriqov TtQoawnov %al cw
%w i yQawerai. xcd oaov xara avahyyiav orx wq>Bikev e%Biv ro «.
Tcc yaQ eig fii rgon^ tov fit eig a to öevtegov Ttoiovaiv . . .
aXka xara laTOQiav^ ^ow xorra Ttagadooiv^ i%ei %b i
TtQoayeyQafifiivov. Für die Feststellung des Begriflfes der Para-
dosis namentlich in ihrent Verhältnis zur Analogie und zur
Schreibweise der vomehnftten Grammatiker ist diese Stelle von
grö&ter Wichtigkeit. Cram.Ep. 432, 25 g>rig: t6 q)ig ov do^at/u
o tex^LTLog (Apollonius) avv t(^ t yQaq>€iv, 17 ^irtov Ttaqa-
doai^ oldev airvo avv t<jJ i yqaqK^fiBvov. eaxi de oltzo Tc3y üg
fit. ov TceqiaTtoTCLi yaq, ta yaq ano Tiov eig fit devTeqa nq/oo-
WTca ivearwTog xoovov ov TtegiaTtärai (cit. qnjg E 473. eig
0 150) TO de y^Tcvig otj ^]g noXifiOio fte^iiiiev^ (Jobl) TtemaTcm-
uevov ^lioviiwv. Herodian zu P 174 og ri fie wrjg: a^uü 6
u4axaXü}viTT^g avayivoKJxeiv öiaviXaßcjg (fi^ aqnK;) int ao-
Qiaxov xQovovy 6 fihroi l4le^l(av (lovoavilaßcog im ivearw'
Tog XQOvoVy dio y.al avv t(^ i yQaq>ea'9^ai, tovto de anauä ^
diavoitty xaycj de avy%ai:at lö-eixcii, dio h tv avwa^u
iyxXiTeov. ogvverai yaq ini evearahog XQovov, Heroa. zu tj 239
TOfffg (Cod. (png) oze avv T<p i yQaq^erai, heaxmog iavi wu
o^verai, ore de avev tov t, Ttagaranyiog iariv ^laxiig (d. h.
ohne Augment) ix tov eq>r)g yeyovtog not TceqiaTtaTai. Zon, Lex.
1805 (pfigi IkqiOTaQxog neoian^ iv* fj in xov eg>T]g. dio tuu
X^Qig rov i yqaq^erai. atjfiaiveL de to eleyeg (Cod. Jieyeig). ygg
(Cod. q)fjg) avv Tip i. qitjfxty (pr^g (Cod. y^) ex^i to i xa5
iaTOQiav rjyow xara Ttaqadoaiv Tore yaq xy \aToqlif XQ^
^e^a, TjvUa ti xaira Ttaqadoaiv yqa(petaiy äa^eq to axeiqwv.
^qiaxaqxog de to (ffjg Tteqian^ nai to i ov yqa(pei. Xiyei yaq
iav elxe to i, iveOTUig ljq>eiXev elvai. Dies ist sicher aus Hero-
dian zu E 473 geschöpft: dort ist der Venetus von zweiter Hand
geschrieben und hat keine Scholien. Eustath. p. 1378, 18 führt
ebenfalls cp^ als Präsens und (pvg als Präteritum an, schreibt
aber rj 239 q>yg. w^fjg als Präsens nahen also Aristarch, Herodian,
Alexio und die raradosis; Apollonius nach der Analogie der
übrigen Verba wTjg ohne Jota, jp^ als Präteritum eben&Us
Aristarch und Herodian und gewiss auch die anderen, da nir-
gends eine abweichende Schreibweise angeführt wird. Bei Homer
ist wfjg zu schreiben E 473. 1] 239. § 117, sonst qmg J 351.
fi 265. P 174. a 391.
Jl La Batke, Ueber das Jota sabecriptani. 107
Augment. Bekk. An. 804 nahv ai^diip&&yyoi al Toalg
HSTOT^ftavcip elg tov jtaQarccTiiioVy al de aXXai ar^Tttoi emi.
(pllAi di Ti ai diq>&oyyog '%qinei yccQTo a elg tl oiov alaxvvofiaiy
fflXwopirpfy aiSov^ai ydov/irp^. atrcS movv. tmu tj^ av diq>9'o/yog
tfd7€€i wxl avri] to a elg fj, otov ctuMo mlovv, avxcS rjo%o\)v. mu
fi oi ditp&oyyog vqinet to o elg t6 oi, otov ojxof^ai ^OfirrVy oXyta
(pyoyj OiTua f^ovyy olxoöofxdi (inwdofiovv. cXri^ di tj oi oig>d'oy-
yog diq>oqä%aiy xai nori fiiv qwloTTei iv %(fi TtaQOTotTiTUfi {xai
h rä^ iveajwi) (ig to olvoxoü olyoxooyp, oiwvl^ouai
oUayitiOfÄtiVy olxovQw o\%ovqow. Ttakiv to oi^ ovoowy ovifio^
doo^a (woiodQO^ow^ eiiffio elQyoVy ehLovit/u} eUovit,ay^ elxaKfa
eixaKop. Oi de lAvuixoc öia tov rj xcd tov i olov ^xa^ov. Gram.
A. 0. n, 310^ 13 loTiov ort Totvra tcc ^rj/dccra ovx evqexpav Ttiv
di€^9i>yyov avTwv iv Tolg na((ff%riiihoig. olov olanl^w oia-
^ovj olovl^ofiaii?) oloviKofAtp^^ oioi4ai{?) oiofAfp^y oivä
Oivowy olvi^u oYviyov, olfidi oifxow, dia to i7tig>^Qea&ai
ipüiv^y ov TqtTtei Ttjv oi dltf^&oyyov iv TcXg na^x^^^oig dia
to Tuxxocpojvov. Am aosfährlichsten ist die einer angeblichen
Schrift Herodians (^£Oi tov fieyalov öi^ocrog entnommene Notiz
in zwei Wiener Handschriften Nr. 172 und 271 noaa elal ^y-
fioira fAfi TQinovra Ttjv oi diq>9x)yvov elg (fi; ^vöexa. olw (2(1
lovfÄCUy d. h. ot(n}^ai) ol(odT. to iuovcidT] {A 401), oifid di"
fifjaep {(o 538) to t^gfimev, oivü oivowy oivi^(o olvijCov (H472
(Äntjorrojy oiotqü oi(rTqovVy olo)vlCofiai ouoviCofXfjv , ol(o-
voGTuoTcCi ohavooKonovVy oloßvoTtokü olatvOTZolovVy olaxlC(o
cicnuCiov, olanovofiw olcnwvouovVf olaxoaTooq>(a olanoaTQO-
(fovp. Tivig di TtooCTiS-iaat xcu to oldalvo) oidaivov, olxovqd
(AxovQOw. olu(oK(o olu(oKov. Tuxi dictTi TotvTa ov Toenovai to
Oi ug (fi; fj Oi agxavictv rj Oi I(aviw)v e^og. Oi yaQ lijveg
TfoXkonug awaQXOfdivovg noioikji Tovg TiaMfixtj^iivovg TÖig Idioig
iveoTÜai. Bei Homer kommen folgende Verba, die mit oi be-
ginnen, im Präteritum unaugmentiert vor oldd^rj A 401. ot-
[ixiae X 140, 308, 311. (o 538. olvil;ovTo H 472. © 546.
oivoxoei Ab98. o 401, so Aristarch, Aristophanes, Zenodot,
Antimachus und die Ausgaben von Argos und Massilia. oixveaxe
E 790. O 640. Immer augmentiert sind olxi(o {B 668. ä 116.
F218. i 200, 400), olxTelQO) (A SU. Hb. «F534), olfid^w
13mal,^o t ;e oft a i 40mal. Et. Mg. 820, 14 (fiyov uvv T(fi t. Zon. Lex.
1881 (fiy(nf avv T(fi i. ano tov oiyw, to avolytOy eyevero^ xal TQonß
TOV o eig (o. üorteq oixofiat (fiX^t^^i^y ^^^^-^ (fimw^ \oYy(ji} (fiyov\. tov-
TOV TO öevregov jtQocumov (^eg, xat (fiye to tqItov.^ Choerob. Or-
thogr. 217, §4 „vofiev (ig exelevaccg^ (x 251^ ajtd tov eYcj tov
noQevofiai Tqonr) tov e elg ru xai tx^v xai to i Tt^yeyga^-^
fiirov. Cram. A.O. II, 373, 28 ^eaav xal nqoaijeaav: to
9ifia eita dia Ttjg ei di(p&6yyov xai dia tov i. ix tov ew to
noQevofiai xai 7tXeovaa^(fi tov i eicoj 6 fiilhav eiao), 6 iiaqa-
Ttsilievog «Ixa, 6 fiiaog ela. xoivtig fiiv diä di(pdoyyovy IAtti-
tüg de dta Tot t/. oi yaq yitriMol to e T(av Jta^xw^^^^ ^h
8*
110 J. La Bodhe^ Ueber das Jota subscriptom.
da^vfjGij Sidoniuß dafivnai. Et. Mg. 247, 11 „t(p dafÄvnai üti%ag
avdqütv^ (E 746. 0 390. a 100) oltd/viog (Cod. ciSrjQog)
avev Tov i, o de l^QiaraQXog avv T(p tj ro fiiv ano rab
ia^vri^i {E 893), to ob ccTto tov da^ivw vnatcncvixov. Aristardi
fasste somit da^vQOi an diesen drei Stellen als Conjunctiv auf:
0 401 kann er deshalb doch dafÄvrjai geschrieben haben , wie
wir es auch an den drei anderen Stellen thun, da zum Con-
junctiv gar kein Grund vorhanden ist: der Venetus hat überall
daixvr^iai. Et. Mg. 431, 34 fja^oi: eariv oQiaTiyiov wu i oi
7iQOoyQaq)ovaiv. ei de iaziv vTtoraxTiTwv /dera tov i ygifperai...
YXti xo fjg OTB fiiv iariv o^otiyjov ov fC^yQwpetat^ro £, ot€
di vnoraxTixoVy ex^t %al xo i, ^av w, iav gg, iav rjy xai xa*
inev&eoiv rijg ai ovHaßrjg yivevat jiai.
Bei Homer kommt noch eine andere Zerdehnung dieser
Coiyunctivformen vor, worüber Spitzner im ersten Excurs zu
jB 34 {avrr]^) gehandelt hat : was dieser darin über die Lesarten
des Venetus sagt, ist nicht ganz richtig. Der Venetus hat
q)avvir^i mit doppeltem Jota T375 und Y 64; av^ttj B598,
wo aber der Codex von zweiter Hand geschrieben ist; Swim
Z 527. X 257. ß 529, sonst dmTj H 81, 292, 397. © 287.
/ 362. n 88. V 661. fl 531, 581. Anstarch schreibt Ä' 73 qxxpnrK
das Scholion hat weder Accent noch Jota. T 27 oaTvim^ Z 432
^fjfr^i auf q>av€iv ii 417 ist nichts zu geben, da dort der Codex
von zweiter Hana ffeschrieben ist. Et. Mg. 787, 26 qfavtjjj:
A-QiaxaQx^g ^^^ oi axQißelg ygafÄ^axixol vjtoTCcuTin
xov avzo exovaiv. b'oti yaq ij fieroxv gxxveigy (pavevzog^ iop
fpccvrj aal TtXeovao/iifp xov tj qxxvrjjj. Seh. F 436 dafiaad'vg:
lAQiOTOQxog da^elrfi^ es wird aber' hier wol zu bessern sein oa^
^irjTfiy da alle übrigen Angaben darin übereinstinmien , dass
Anstarch qjrjTj^ ar^T^, 9^^^ ^^^ die analogen Formen mit zw^
3 geschrieben habe.* mn finden sich aber einige Notizen, in
enen von einem zweiten Jota die Bede ist, wie es auch der
Venetus einigemale hat Choerob. im Et. Mg. 73, 43. Cram. A. 0.
II, 344, 33 äXioiri: del yivcia^iv ozi xo ak(fir^ ^X^^ ^^ ^S
TtaQaXr^yovatj xo i. saxi yaq f.av alqi (sie), iay äXi^g^ iav
aXq), xal xaxa nXeovaa^ov xov ?; yivexat iav alf^tj. e'xo/dev yoQ
TcoXka xoiavxa, olov iav oxy (sie) iav oxf^y iav oxfjy ncal iop
Oxrir^j olov „oxr:rj ijt ' coxvqoii) TtoxaiiKp^ (E 598) xcrt Ttaliv iay
<jpc5, iav (ffjg, iav [yw xat iav] qjjr^, log na^a Ttotrp;^ iv xn
'Odvöaeia {X 128.^ xp'ilb) y^fpm ad-rjQrjloiyov.*^ dvvaxai de xo
iav (Coa. iv) ahln^ fiij exeiv eig xo (o xo i, alX^ elg xo j, Tva
eiTtco^ev avxo ano xQiovllaßov, olov aixo xov iav alioio, iav
aXwrjgy iav aldrj.^ dU.^ iiretÖTj etat noUa iv xf^ TiaoaXnyovat]
e'xovxa xo t xai ano yrXeovaofiöv xo i^, olov oxyr]y qnji], oeinw'
xai oxi aal xo aXi^orj iv xf] naqaXrjfyovarj exet xo i xal ano
nXeovaofiov iaxi xo ry. Cram. A. 0. II, 427, 12 alioiTj (sie):
nXeovaoftog iaxiv xov jy, wg öfty dqkjiy 7cXeovaa/noß xov rj dt^
oiv. Aehnlich wie im Et. Mg. smd auch die Angaben bei Suidas
J. La Bothe, üeber das Jota BabBoriptiuii. Hl
I, 242, 15. Zon. Lex. 138 imter ält^. Eustath. zu « 394, p. 1545
to^de qKxvufi xtva %&v dvTiyQaq)ü)v iv dvalv ^a yQaa>ovaiv
&' g wayy wd xara Tth^ovacfiov qfavTjrj (ohne Jota). Et. 1^.
106, 52 avrjrj: „wr* av ae fjuXiq>^(av vjivog dvriT]^ {B 3^.
tnjfiaivei xaTaliTttj. iariv avwy dvg VTtoraxTixov ^ TtleovaCfi^
%av fj cnffpr^. Dagegen Cram. Epim. 2, 4 av^r^Li „evir' aV ae
fiekiq>QU}v vnvog ccyrifj.^ ^Vf^^ inoTOLYxvMv twv eig ^i. dvcSy
ctv^j dvfjj 'Mtl TtXeovaanifi xov tj 7toimiyu5g. cjg ro OTcci, orfjg^
(rn^g. Yiverai cmjij. Cram. Ep. 430, 17 (pavriTjii „(og d' otav
doTtaaioq yfj vrjxofiivoiai q>avrifj"^ {tp 233) . • . iav cpavy nuxi
ftleovaafiip Tov Tj. wg to atfj, OTrjj], qpd^ vV^VV o(}€^dfievog^
(^805). Tuxl ßfjJfißrTj fiaXa tovg ye (pllei'' (iT94) . . . avx
im TQiTOv di ^ovov nqoatanov tovto evQiaTierai „at xe fiev
awa cxT^j7g"^ (^30). j^^r Tidid^ oQqHxvixop ^^yg^ (Z 432).
eOTi Si yuu äilo vttotoktixov iav (Jc3, d^, d0. dva iydvero
jfdtaf] DUXfi^onrpf^ (X257) TCijoaekd'ovTog tov tj. xal iav ahp
akunj, OTi di VTtoTaxTixov ioTi t6 dwri xal aMirj d^Xov. röig
vmnax^ixöig nqoaiqx^^^ V ^^ ovJULaßv „ix^vg hg x« (fdyifiC*^
(<D 127). „lafiTTQOv TiafiwaivTjaiv^ {E o). yeyovev^ ovv diarjOiv
„ai Tuv Zevg ödtjaiv ^OlvfiTtiog*^ {M 275). drjXov ori vTtacaxzi-
MV ioTi. ^rjzelTat di Treql rot iwra tzotbqov xara
fiiatjv Tfjv li^iv fj iTtl ziXovg Ganz unrichtig ist Cram.
A. 0. IV, 392, 27 a/ro tov dog (sie) dovrog yiverai doirpf tuxI
Tuna exTaaiv tov o dtfiiqv TiQoayeyQafiuiyov tov i „Sfprj xvdog
doiadixi^ (iT88). Man sieht, dass die byzantinischen Gram-
matiker nicht mehr Ynissten, ob das Jota in die Mitte oder an's
Ende gehöre, ob aTrjtj oder oti^tj zu schreiben sei: dass es als
Flexionszeichen unter das letzte j gehört, ist unzweifelhaft. Im
Venetus herrscht ebenfalls diese ünentschiedenheit. Die Stellen
bei Homer, wo diese Subjunctivformen vorkommen, sind Z 432.
JI 96. X 301, 341. o 51. t 403 d'tjr^g und ^r/ff. l 128. ip 275
J>^fj, £598 OTtj^. P30 OTrjyg/r^töe dafi^r^g: M403 hat
erVenet. dafxenqL^ ebenso x'246, an letzterer Stelle ist es
Conjuncüv und muss da^m geschrieben werden. T 375. Y 64.
X 73. ß 417. € 394. i// 233 (favrui. T 27 aaTtrjt]. JT 94
ifißfjlj. iT861 g>^firj, dagegen ¥^805 (p^^oiv, so hat wenig-
stens aer Venetus und nach ihm die neuesten Ausgaben, in
Cram. Epim. 430, 21 lautet die Stelle q>9m oQs^dfiavog. diur^
aufser den oben erwähnten Stellen noch ^ 216. ^ 86. o 87. v 29l
(p 338. X 253. aliin /592. ä 81. P 506 (hier hat der Venetus
alcotr^ von zweiter Hand) und 1 133 als Variante. Das im Vene-
tus bei einigen Optativformen beigeschriebene Jota hat keine
Berechtigung, so z. B. K 368 cpO'ahji, JI 568 tu]i. Y 121 naq-
aTalfjt. M 403 daheim. Q 565 Tlaitji. H 625 doirjcg. V 487
yyoir^ig. üebefr die Opiativformen diinj, yv(i)ri, dlqnj, /reQiJtaKrn]
u. ähnl. vgl. Lobeck zu Phryn. S. 344 und 346.
Von allen diesen Conjunctivformen kommen in den In-
sduriften nur die gewöhnlichen vor, dabei steht meistens das
113 J. La Roche, Ueber das Jota sabscriptiun.
Jota: SO Nr. 70 b, Z. 2 AI^E^QEI avü&r^. 76, Z. 7 nFABEI
nga^tj. 93, Z. 12 u. 15 ESEAGEL 2155 YnAPXEL 2338, Z. 4
SYNTEAEI avvraL 2353, Z. 15. 2483, Z. 14. 2484, Z. 14
.yOHE/. 2374, Z. 34 ASlii2EL 2953, Z. 2 EHAPEL Z. 4
AnOKPYVEL 3044, Z. 37 KATASEL Z. 39 nOIHSEL
2266, Z. 12 KATA2TH:SEI, in derselben Inschrift aber
Z. 6 JOKHL Z. 15 2YNTEAE2@HL JOKIMAIBHL Z.20
EHANIEIAHL 213, Z. 13. 2161, Z. 16 NIKH2HL 1570 a.
1845, Z. 114, 140, 143 JOKHL 1118, Z. 9. 2556, Z. 29 jBXH/.
2161, Z. 13. 3059, Z. 7 £//IH/. 1570 a KYPÜBHL SYNTE-
AE^GHI. HL 1118, Z. 13 HAPEXHL 2161, Z. 13 EnEPQ-
THIHL EniVHOI^HL 2265, Z. 16 HAPABHL 2554,
Z. 49 EAQHL Z. 84. 2555, Z. 8 JOBHL 2556, Z. 50 AJl-
KHIHL MKA:^HL Z. 62 TEGHL 3059, Z. 7 HPOGHL
EnnFH0I2HL 2569, Z. 13 TlMAl Tifi^. 82, Z. 20 ^/z/fl/.
2693 e, Z. 15 AHOJSiL Ohne Jota kommen vor Nr. 126, Z. 33
JOKIMA^QH. 355, Z. 19 HQAHIH. Z. 44 OQPABH.
1755 0YTEYIH, ferner 1844, Z. 16 dox^. 2043, Z. 8 roil/incjw.
2060 ^Ar. 2267, Z. 9 7r«pax«;i^. 2271, Z. 13 do»ij. 2448,
Vni dnaoeix^fj, dvaygaq^^y £VQ€&fj. 2525, Z. 39 fieraHa^fj.
Z. 94 o()cx^.
Optativ. Gram. A. 0. II, 353 öel yntjcneiv oti to ßi(pfi
l'xce ev TJj TiaMzXrffnvay to i. iart d« «t'xrixof wg na^ uiqiaxo^
favu (Kan. 177) „dvaßn^eiv (sie) laf ^cfiliy." Erklärt wird die
orm als von ßiol entstanden, mit Zusatz des i? ßioirj und Ver-
längerung des o in w /5f/<jii?. Ebendaselbst wird unrichtig d(^
als Optativ aufgefasst und ganz auf dieselbe Weise abgeleitet.
Gram. Ep. 93, 25 ßt(pt]v ixet t6 Iwra. eiytTixtj yaq iati. ßioig,
ßtotvTOgy ßioifUy ßioig^ ßioiy xcd xard nXeovaa^iov rof» yj ßioirp^^
(ig TreQiTtOToifu^ neQiTtatöig, 7uqinaxoiy ncal xard ex^aaiv rov
o elg w, 7T€QinaT(ifrp xat doirj, Sf^rji ähnlich Zon. Lex. 390.
Herod. zu ¥^361 nqo7taQO^vTOvrp:iov to fiefnvetpto. y^dcferai
öi ytai avv rqi i to (o. ovtio de xai 6 l4axaliüviTTjg ix rov
/iie^veoiTO Tffoviaevog avro slvai. naqd ftuvroL Ssvoqxxtvtt arev
rov « iüTiv o axmccTiOftog xai 7ip07raQianataL iv Kvqov nai-
deiag 7tQ(aT(i) (6, 3) „dlX^ ore ta aQiava TtQattoiy xove ^idhora
%ov d-Bov ^€/uyfpTo." to de dvdXoyov did rov r, TiQoaxei^tevov
tov t ncLQ^ AQiOTCHpdvei iv nXovTtit SeiTeQM (992) „iVa roü-
jMOv iitidziov q>OQ(üv f^e^vfjTo /«oi«." Sehol. Par. ^361 (Cram.
A. P. in, 292, 22) fi€five(^o nqojtaqo^vToviog xai fiivd rov i.
SBvoawv de (xeiivi^xo avev tov e, Kgativog de ^eitivoiTo,
to de dvdXoyov did tov tj TTQoaxeiiuevov tov l (cit. Arist. Plut.
992). nivdaqog de Jioqixuneqov did Ttjg ai di(fx>6yyov iv ttqO'
atifdioig (sie) „(ne^valaT' doidf^g.*^ Dasselbe Et. Mg. 578, 54, für
K^aTlvog steht jedoch dort KQaTrß : vgl. auch Suidas III, 777
unter /iiefivnTO und Zon. Lex. 1352.
Zon. Lex. 1752 TQvy(^ ymi T^v/Kp: "O^it^Qog (i 384) ^wg
d^ (k^ Tig Tqv7t(ii doqv vrjiov ay^.** to et'xiixov TQvydotfit^
J. La Boche, Heber daa Jota sabacriptum. HS
tfgvyffifUy JQi^i^ (Cod. TQvyüoi) r^y^. ^ttcos av rig ofufcnux
r^y^." orrftig ÜQog 6 Milriaiogy vgl. Et. Mg. 771, 4. In
der aus Homer angeführten Stelle liest man allgemein r^i'7r<j>,
bei Draco de metr. 86, 26 steht toitt^.
Es bleibt noch eine Angabe übrig in BetreflF der Parti-
cipialform agag im Et. Mg. 38, 17 „f.7rt d* laye laog omad^ev.
w^ €i00v %ov vexw ^Qavvag A%aiovg^ (P 126). oei yiviooKSiv
ort t6 i Bxei TTQoayeyQa/it/iievov xara icaqaioaiv. Dazu
bemerkt Choeroboscus, dass es das Jota nicht Imben darf, denn
bei den Participien wird dasselbe ausgesprochen, z. B. ^Trjaa
aitrfjag^ f^axi-va alaxvvag^ so auch g^ aqag (?). alX eneidri
(fraiv o Tf/yfcxoij, oti ^ jcagaSoaig ^xu ro £, ax^jluctriaTiov
avTo ovT(og, asiQiOy acQio, ijetga, aeigag^ xat x^aei tov a y,al
€ elg er fiay^v ^Q<x$y ^'-«^ fnivu to i fiij Ixmovov^ievov , vgl.
auch Orsm. Ep. 3zi\ 33 flf. Also nicht als Pariicipium , sondern
als aus aeiMxg durch Contraction entstanden, hat es das beige-
schriebene Jota.
Die Aoristformen der Verba liquida am aiQw und aivio
haben in vielen Ausgaben und Handschriften das Jota, so im
Laurentianus zu Apoll. ^611 a7rrp^i]vavvOy im Venetus zu H93,
185 und ^^204 avf^vaa&ai und dv/jvazo. ^171. iT228 xa^j-
Q€r. S 270 XTiQ^'^^' ^ 373. £59. S510, 515 r/öcrro und ivtjQaTO.
K 499 fj€iQ€v. Da dieses Jota mit dem Verbalstamm nichts zu
thun hat, sondern nur mit dem Präsensstamm, bei welchem es
am eine Silbe zurückversetzt wird (q^av-tio, (palvo), x^Q-^^9
xaiQOßy wie x^^'wy, x^'Q^^^i d^ev-iojVy djueivwv), so ist die Schreib-
weise mit Jota im Aorist, der vom remen Stamm gebildet wird,
&lBch. Unrichtig haben auch noch drei andere Verbalformen im
Venetus das Jota 0Q(pQ}] I 610. Tu^Xf^aiuro K 300. o^qro (D 390.
V. Die K r a s i s.
Cram. A. 0. IV, 343, 27 za tQia iniv etdrj Trß avva-
loiqirg rd dirla zavia, ^xx^Xiiffig^ yigaaigy avvaiQeaig.
Dann neifst es weiter, dass diese sowol einzeln als auch mit
einander verbunden vorkommen, so:
1. t'/,d^XixJ)ig und Aqaoig: zai iyiOy -/.dyco. r/.^fJßetai
to I TOV ymI awdeofiov, ymI KiQvarai ro a xal e elg a, drjlo-
2. ey&Xixpig und avvaiQeaig: ijnoi vnoövveiy ffiov-
nodvvei. fKO^X/ßerai ydo to t Tfjg oi diq>6^6yyov, zfjgovarjg iv
rj ifiol dvTiüWfii(fy '/ml ovvaiQeizai to o xal to v elg tjjv ov
diq^oyyov.
3. 'AQäoig und ovvaiQeaig: o alnoXog^ fiJTiolog, x/o-
varaL yccQ to o xai a €ig lo xat awatgeiTai to lo xal to i eig
irjv f/i diaOoyyov.
4. exS-Xiipigy TtQaaig und avvaiQeaig: ol al/rolotj
(fiitoloi. ix&UßeTai yaQ to i tfjg [oi] di(piy6yyoVy xal xiqvatai
%o 0 xal fo a dg lOy xcri owat^zai to lo xal to i ügzrv f(M
114 J. Xa Bod^, üeber das Jota flübecriptam.
diq>&oyyov. Dasselbe Bekk. A^. 698, nur steht dort ipnolog tmd
(finoloi für (fiTtolog und tpTtoloi.
Et. Mg. 757, 2iTrjfifj exet to i Ttava tip^^ Xiffovaav xor«
de trpf dqxv^ or, olov ^aftqü di rot trjuy ^olrf^ (/ 654). Icrre
yaq vf] ifxf]y %ai in^Ußerai tov aQd-QOv to i xal xiQvarai to
r^ Tuxl e elg tj. ycal eoxc Xiaqlg tov t (og to „die MevoiTiaSti
T(i(A(fi TLexcLqia^ive dvfxt^*^ (-^608), eari yaqT^ ifi(^ laxl hu-
d-Xißetai TO i TOV t(5 aQ&QOv xal Taqvatai to w lutl to e eig
TO Wy xai yiverai tco//^ X^Q^ ^^ '> ähnlich Zon. Lex. 1728.
1 654 hat der Venetus Ttj ^fxtji, A 608 tw ^/uccJ^ beidemale ohne
Jota, aber nicht zusammengeschrieben.
Et. Mg. 551, 27 xi^yog avti tov xat oivog YJOLTa awa-
loiwrjVy o fiera tov l yQaq)£Tai. liQiOTOCpdvrjg BoTQaxoiS (511)
„x(itvov Tcegavw ylvKVTOTOv."^ avrl tov xal olvov. Sigog^o Mt-
Irjaiog. Et. Mg. 816, 34 x4 (^vfiTioTaiy XV ovyyevelg^ avtl tov
Tuxl ol ^ixTtoTaij Tcat ol avYyeveig. avv t^ i. ovro) yaq Hyovaij
TO fiiv t TOV avvdia^ov ex^lißovTeg xal Ttoiovvceg nQoaiv tov
aoeigTo w. xai TtQoayQwpovai to i t^ dup&6yyov TQenovreg
avayxalwg to x eig Xj olov XV '^vf^TtaviOfioL ovTtog evQOv elg
Tfjv OQ9'oyQCLq>iav 'Siqov tov Mikrjolov.
Die Segeln über die Krasis sind hier so genau gegeben,
als man nur wünschen kann: hat das erste Wort das Jota^
einerlei ob untergeschrieben oder nicht, so wird es ausgestofsen,
hat das zweite das Jota, so bleibt es als Tc^ayeyga^fiivov. Auch
der Spiritus richtet sich nach dem zweiten Wort und man schreibt
ffiTtoXog nicht (^uolog, so auch wkkoi (Schol. B 1. K l) wquaTog^
iovTog In den Inschriften finden sich folgende Beispiele Nr. 8
KAW xoy«. HAI I0n02 6 Aufw/rog (yW^roc nicht (ocia-
Tiog). HAJEA0OI ol adehpoL 39 TSinOAASlNL 1845,
Z. 55 KAYTOL 2134 b, Z. 22 KAHO 3333, Z. 3 KArü.
2554, Z. 181 KAPTEMIN nitiUifieixtv. 2953, Z. 4 KAN
xal av. Eine Ausnahme macht die Kretische Inschrift Nr. 2554:
dort finden wir Z. 119, 120, 126, 127 u. ö. KH2 tüi xal ig.
Z. 135, 136, 167 KHm für xai ejtl. Ferner Nr. 11 TOINTAYT
Tq) WOftT für TWVTaVT^.
VI. Wortbildung.
Die alten Grammatiker achteten sehr genau darauf, ob
einem Worte seiner Ableitung nach das Jote zukomme oder
nicht: ein gewöhnlicher Grund dafar, dass ein Wort das beige-
schriebene Jota haben müsse, war der, dass die Diphthonge (f,
n (f) in der Diäresis vorkamen, so z. B. in xXrjitio xXiJ^w, hoiov
Mjiov, (TcjpcSV a(ftpv, v/reQcoiov vTteQqmv. Auch wenn drei Vocale,
deren letzter Jota war, durch Contraction zu einem Diphthong
wurden, führten sie dies als Grund an, dass das Jota dann
dazu geschrieben werden müsse, so z. B. bei ado) aus aeido)
ilfdog aus aöMg. Es konunen hier nur die Fälle in Betracht*
/. La Bodte, üeber das Jota snbscriptam. IIS
welche von den alten Grammatikem überliefert sind, deshalb
ist von vornherein Vollständigkeit ausgeschlossen.
Die abgeleiteten Verba auf i^6>, deren Stammwort langen
Tocal hat, behalten dieses Jota: so xA^^co, zerdehnt xAijtooy
ans dem Attischen xjl^e^ statt ydelg (Homer hat nur xXrfe,
xkfjidegy vom Verbum xXrfLoev und xXrjiaaiy beides nur in den
letzten Büchern der Odyssee), XQIl^^, ^^^ Homer XQV^^^ ^ ^9.
Q 121, 558. ^ 835, XQV^^ von x^Si welches auch ohne Jota
geschrieben wird, g)(p^(a aus qx^g der Brandfleck, or^^co von
awg und 7tl(^t(o^ welches häufiger in der Diäresis vorkommt.
Verba, deren reiner Stamm auf y ausgeht, wie ol^uaCfa^ x^co^
haben kein Jota. Choerob. Orthogr. 279, 3 x?»?w: iw«^^ rov i,
XQ^t^w yaq. Cram,. A. 0. II, 312^ 22 to de XQy^^ dia tov rj
YQäfpercu xcrt /tiera tov i. inBidri aito tov xQ^^ yiyove Xü^^^^
xat xara Tqonrpf tov e eig to t] xal cwai^iaat tov t yiyove
tgüCia. Theogn. Can. 142, 8 a&jri^eianai to x^Cce> dia tov rj
ygcupofievov xat dia tov i av&^q>wvr[vov» Et. Mg. 815, 4. 2iOn.
Lex. 1858 XQJl^y tjvUa arjfnalvei to dioficuy s'xei to i TtQoaye-
YQcififiivov . . . oT€ öi arjfiaivei to x^ija/u^dcS, eoTiv avev tov t
xaiTTSQ T& hv^oXoyiag ciTTctiTOvar^ avv ti^ i yqaq>ea^cti ....
oiUa fVQog avTidiaOToXijv tov atifialvovrog to dioftai orx
^€£ TO I. Et. Mg. 485, 46 tovto (YxtXrjC^cS) de rffovvTat xccTa
aryxoTT^v yeyovivat xAiJ^cu. orx ecTi de. ev^iamofiev yaq
avTO avv T(p i. aiX arto tov xXiog nXetKuß mal yXrjt^u) %ai
xii^Cfti, eis XQ^p^ W«**Tw W^'^t^ 3(ai xenfw. Et. Mg. 741, 27
af/^co: TO amtio X'^h ^oi; t lAyet 6 Jiöv^og . . .alX ij
nagadooig ex^f- ^o #. to de ad^o) ore fiev ylverat ano tov
awog aauCto, lagkiTtog XerciCo)^ aal naTcc avyaiQeaiv OöiCw, exei^ to
I. ^y/xa Se ano tov accog, aaoCu) yjxl aioKu), orx ixet TTQoaye-
ygafüfiirov to i. Zon. Lex. 1706 üu^Cui ovx, edet exeiv to i. rj
ptevroi Ttaqadoaig exet to i, eq> ooov kx^c to C ycat eOTiv
üneiv, woireQ ano tov avd'qionog avd-QomCtOy ovto xae ajto
TOV aiiog ooHtvD Y,al ycara ovvaiqeaiv at^Ko). Theognost Can.
142, 21 Tcc elg Ija IrjyovTa . . . Aar tov cd fi€)aXov yQaqmvTai,
oiov ^QCjtlOy ol/ilOf^COy ftOTQijtiOj XQ^^O). TO OqJLW, 7tX(i)to) OVV
T(p I, &L^QrjVTai yaq ly diaigiaei, acoito), nhSitit) TQiovllaßmg.
Et. Mg. 677^20 nX(fiKct) exet to i. arj/naivei di to Tthüttu) . . ,
7tho%w xai xcrra uwalgeaiv nXiflCiOy wg xp^/tw XQV^^- Et.
Gud. 571, 42 %^(^tw, orj^aivet to TtXrjaiaCoj. yiveTai de naga
TO ^Q(ogy XQ<^og, xgcor/^co (sie) xar ^lera tov aveKfpwvrjTov laka
XfiV^^' Et. Mg. 803, 47 ^((pKeiv avv t<^ t. 677, 25 jceqHißafievog,
ovtI tov x&iav/iievog, ajio tov (f(pKo), dg XQV^^^t ^^f^^Q i'xei to i.
Zon. Lex. 1838 ^x^itw, to yMito, avv T(it t, ^TQarTig ^aXX' et
fiiXXeig avdgeiiag qxpKeiv.'' Aus den Inschriften lassen sich für
diese Worte nur wenige Belege beibringen, so Nr. 231, Z. 3
ANASSiIZO[MENOi:S\. 2488 I, Z. 7 2ÜIZ0MENAI aipto-
liiva. In der Urkunde über das attische Seewesen bei Boeckh
IV h, Z. 6 sniZOMENH und XXVII der Schiflfsname Jßl-
116 /. La Roche, lieber das Jota sabscriptam.
Z0Y2A. Dagegen in der Inschrift Nr. 1339 SQZEIN und
1794 a liiZQN, wobei zu bemerken ist, dass beide Inschrif-
ten dieses Jota nirgends haben. 2278 JIAIQZE. 175, Z. 4
EYKAEIZQN ivKXrjKüßv, dagegen 1907, Z. 3 KAHZETAL
2483, Z. 22 XPHIZHL 569, Z. 7 XPHZONTA.
Die durch die Ableitungssilben log und «ov gebildeten Worte
behalten das Jota, auch wenn das Stammwort langen Vocal hat,
so Mivfjßog von Miviog, fjQ<iiog von iJQwg, tf/Jov von Kcig, V7t€Q(pov^
wofür bei Homer auch vTreQonov vorkommt. Et. Mg. 26, 38
^"^x^iiog (sie): ar^fiaivei rov iv T((f ^^/i&q) oq€i rifidi^ievov. nuxta
ax^ißjBiav de loq^etlev i'xeiv xo i %ai Tcegaanaa^ai , Irteiörj ano
Tov !A^iog xov OQovg tyivero. za Si ano rov elg (og Sia zov
loog naQayitrya avv xq) t yQaq)exm v.al TtegiOTiaxaiy olov Mlvfog
Mtv(^og, TzcLTQiog naxQ^og^ ^rjxqcog ^iflxQqßog, i^Qvyg VQ^og,
avTO) ytai Z4-^a}g A&(i)og a)q>€ilev elvai, aXlba Ttgoc avxioiaata-
A^v xov axf^fpog xov eni xov aKrjfAiov Aal xo t ajroßaiXei xal
TtqoTtaQoivvecaiy so Choeroboscus. Zon. Lex. 59 xo xo7iix6v^!/^^ioog
XfoQig irov i,^ dasselbe Cram. A. P. IV, 96, 20. Et. Mg. 26, 23
ax^qjog 6 äCr}ixiog. i'x^t xo v in Ttagadooecogy ETreidij «5-
Qr[vai ^wirjy o5g naga lÄq-nkoxu} „wg d* av ae d^ioiij laßot,'*
der Venetus hat N 669 »wiriv. Gram. A. 0. II, 286, 22 xa öia
xov wiog Tcxrjfnrxt diq^&oyyq) TraQaXfjyexai. Kt^g, ly^oc:, Miv({)og,
xivig de xai xo oi^og fAsxa xov i yqaqmvoiv. Theogn. Can. 49, 17
K^og, irjkol de xov TtoXixriV x^g Km. xovxo yaq öia xrig mi
diifd^oyyov yQd(pexai, 49, 19 ra oia xov qmg xxr^xixa dia x^
OK diqi^oyyov yodwexaiy olov Kqmg^ Mtviltog, f^Qi^ogy dvdg^ßogy
aaxQf^fog, Tiaxgtpog. Et. Mg. 551, 29. Lex. Zon. 1275 Kf^pog
avv XM i ygawaxai iTteidi] evQr/xai xaxa dtaaxaoiv. KaXlifiaxog
„r<^5 ixekov xo y^ft^a xo Kioi'ov.^ i) oxi xa elg og y.xrjxixa xq)
i ^iXet TTaQalrjyeoS'ai. eaxioaav de naqadeiy^axa xavxa, ^Hqo^
doxeiogy AqiaxaQxeiogy TraxQt^og, Mii'<poc:(Cod. ^ijv<j5og), ^Qq^og,
ovxiog ovv ytal Kffiog. Zu dem Fragment des Kallimachos, worin
bei Zonaras S. 1275 ygafifAaxelov , S. 1276 aber yga/nfna steht,
bemerkt Tittmann „suspicor autem referri verba ex fragmento,
quod servavit Suidas v. ^i^uoviörjQ. fragm. Call. LXXI. ovde xo
yQa^lxaWijdead^t] xo leyov, (i via AeojTiQeTrecjg \\ 7ie7ad^ai
Kioiov ayÖQa^y wofür aber Suidas Kmov hat. Xay(ü6g und
naxQCJog haben kein Jota nach Et. Mg. 26, 34; Arcadius 42,
24. — Et. Mg. 630, 12 oqeay.t^og: OQeoUotog, xat y.axa ovyTto-
Tifjv xal XQOTirw xov o eig lo OQeaxqjog, xal ftevei xo i nqoa-
yeyQafi^ievov. rhilemon p. 85 ogeaxqßog ... oQeaUoiogy xal
ovyxo7i;f] xal xQOTtfj xov o eig to ^teya OQeoTcqwg, yal /iievei xo
i Tz^a'^^eyQaf.ifxevov, xa yaq dia rov wo^ VTreg dvo avllaßag
e'x^ xo L 'Aaxa xrjv jTaqaXiffovaav y.al 7CQ07regia7iäxai , olov
Ax^Xqiogy Mivqmg^ jcaxQtpogy i]Q(^ogy oQeaxqiog. olg ovve^rixoXoV'
d-rfle 5cai xo dd^^^pog. x^Qf^^ ^^^ xoAwoc:, o atj/iiatvei xov x^oqv-
ßgv. Bei Homer steht ogeoKt^og A 268. i 155 : der Venetus hat
das Jota. Et. Mg. 741, 43 xo de a^og {ekeyev 6 Jidvfiog)
J. La Bodie, Ueber das Jota subscriptum. 117
avv r^7 i ygafperai, wg ano rov 6 atig tov gm. to yag ano
%ov elg €og dia tov cjog [Tragaytaya] avv Tip i [ygawerai]. Mi-
vu)g MivfpoQy ijQCjg ^Qt^tog. 741, 54 Sei de yinoaiuLv ort to aüog
avei^ TOV i fj 7caQadoaig olde , . , ^ de avvrjx^tjg yqaq^ atoog.
liyei de ^Qgog 6 Mikrjciog exetv to t TtQoayeyQafUfuvov. Zon.
Lex. 1703 adßog^ 6 vyitfi- Jidvfjiog avv c(p i ktyei. ano toC
6 actfe TOV ad (Cod. atSg) yivevai Oipog. ra yag otto r"y eig
(üg dia TOV coog naqayopieva avv tm i yQaq>eTaiy olov ijoatg
Wipogy Miviog Mivipog. ovrtog ovv xat awg aqk)g. Schmidt, Di-
aymus p. 340. Philemon p. 147 aiftog, 6 vyit^^ n^oayeyqaufiivov
exei TO £, ioaneq 7raTQqßogy f^^/TQfpog, aipog^ 6 oloxJirjQog, o Ttaga
Toig !^TTiKoig atig Xeyetai^ ^ov, eipog^ TtOTCTttpog, orroi xat
atpog, ix tovtov xai aipCwy o drj ymI TtQoayQacpetai ^ ttjv tov
atpog TiQoayeyQa^t^uvrjV TrjQOvv.
Theogn. Can. 130, lö ra dicc tov wov öiavlXaßa anavia^
dia Tfjg lüi dt(f^6)yov y^aq^ofieva^ a/reg eiiod^e Tcoilaxig nci
diaigeaiv 7iaaxetv tov /, olov tipov tmov, IItwov Tltmovy to
0((og. to Kipov, Ifpov ov ^lovoyev^. ro poy, 7C€qI tovov
diaXla^avj ttjv ygaq^ijv icfvhx^ev. leyerat di xal ev dialvaei
mov xai weov nXeovcLafH{) tov e, loeov kommt vor in einem
Fragment der Orpbischen Theogonie, in b bei Düntzer. Zon.
Lei. 1879 f^ov: txet to i, evQfjTai yag yMTcc äiaaraaiv, wg na^ja
2a7i(poi jtqxxai drj norafLiov vanivO^ivov Ar^dav 7U7tv>iad(.uvov
evgeiv uiiov,'^ alla neu toc dia tov (fiov ovdiTeqa fnovoyevrj -d-i-
Xovaiv exeiv to i, olov C0ov, v7ieQ<p0Vy naooTtpoVy Tteqi-
GTfpoVy ÜTtpov ovofia oQovg. ovTOßg ovv nat f^ov, TtQoaxeiTai
fiovoyevij dia to OMog, xai 6 Cciogy to Kcjov. Ta€Ta yoiQ ovx
exovoiv^ OTi ovx elai uovoyevrj ßaqvrovay olov t'ßovy ÜTipov.
Äeogn. Can. 130, 21 ra dia tov wov VTteQ dvo avilaßac uovo-
yevrj Tf] €01 diq}^6yy(i} TtaqaXrjyerai. iviore de xat avra dia
Tioir/nxijv XQ^^^^ avaXvovraty VTteQipov VTieQaüoVy TtegiOTipov
TieqiaTwiov^ Mivipov Mivaüov (Cod. (xrp^ipov iirjvmov). Philemon
p. 92 naTQipov tov naTQiTLOv arjfiaivei xal eOTt ^ttjciimv ovofia.
yiveTai fiiv ix Ttjg TtaTqog yevixfig 7iaTQo7ogy o tov TtaTgog, (og
TtavTog, TtavTÖiog. xal ixTccaei tov o elg lo TtavQtpogy ixlvovTog
iv 7vQoayqa(ff tov iioTa. ovtü) di vmI to f^itjcQipog ylveraty xai
TiaTinipog, fxquovrid-ivTog di tov 7rqoayeyQaf.iixivov iwra yiverai
7raTQwiogy (ir(iQix}iogy /ia7C7cwiog. ovt(o xav 6 Miv(pog Mivanogy
Tutl TO kipov hii'ovy xat to vjteQifiov VTreganoVy oS^ev to VTiegcoi-
6&ev (Cod. VTieQtiid'ev) 7raoa T(p Ttoirjrij (a 328). Homer hat
^tjT^iov T 410 und /toTQijiog B 46, 180. E 125. Z 215, 231.
T387. r391. (DU, a 175, 187, 387, 417. /? 22, 254, 28Ü.
fi 136. V 188, 251. TT 388. q 69, 80, 522. v 336. x 61 , niemals
die contrahierten Formen. Mivüüog Hym. 2, 218. Philemon p. 174
VTiegipov keyerai to VTtoxelfievov oixijfia, (^ yaq xara yltiaaav
ta oixfjfiaTa . . . exei di itQoayeyqafx^ivov to i.^ Et. Mg. 665, 1
TiegioTwov avv Tfp i yQaq>eTai ^a^oxT^^^ twv diä tov (^v,
TtffanoQOSvvBTai. to de nQoaTipov TtifOffie^naTai. xai äq>ei^
118 J. La Bache, üeber das Jota subeeriptnm.
r xa dvo TtqoTiaqionaod^ai 17 va ovo Tt^iraQO^vead^ai, aXX fj
TtoQadoaig to fiiv ^ oloe TtQOTtafo^vroyov ^ to de %%eQOi¥
TTQOTteQianw/nevov. Zon. Lex. 1778 VTtsQ^ov . . . ^ tov olog
xot T^ VTteQ ftQo&iaecog V7t€Qoiov^ xai av^riaet tov o eig m
(liya VTteqifiovy nai fiivev t6 i TtQoayeyQafjtfievov. Zon. Lex. 967
C^ov^^ nccQa ro Cc3,^ rj oTto xrjg tforjg, y^q>eTai de dia tov £,
iTteidij^ evQrjvat nccra diaa%aaiv (og^ Ttaga 2ifx(aviÖ7j. qmai yof
jfTO d rfuv e^Tterov TiageTtzaro Ctüi'ov yLonuatov.^ nat ota tot
XctQCMTijifa Tiov (Cod. tov) diä tov wov. tcc yoQ dia TOt ino»
ovoirsqa ^ovoy^ -d-ilovatv exeiv Sßvxy Ttaqakrffavarj oder Ttqo
Tikovg\ jtavTOTB to t, olov TIt^v, ovofxa ogovg, TtegiaT^oVj
TtqooTw^Vy vTtBo^ov. ovtvDg ow TO C(^v avv T^ Iura. Graut
A. 0. ll, 371, 23 tt^ov: yiverat naQa t6 Cfjv. 7tQoayQag>eTat
de TO i. TCC diQ TOV ifiov ovdeTega jnovoyevij exovGt to v 7tQO0^
yeyga^fiivov xai TteoiOTttivTai Oiov VTteof^ov, OTifioVy Tte^Tffioy.
Theogn. Can. 106, ^4 tu dia tov wa oiavllaßa tuu vTtiq dvo
ovXXaßag dia Ttjg wc ditpdoyyov ygawovTai^ olov f^a fi /uiyXcori;.
fjf^ay Tiqod'vqifia^ vTteQt^a, Tavra de ov naga näaiv e%u
TO I, Kgicia, ovo^a drjinov lAwiiMyVy xpo&oia ^ xlHoga. Et
Mg. 780, 19 v7t€Q^v . . . e'xei xcw to i ngoayeyqafxixivov. xal
VTteqiPog oixog, ya^r^Timv. Zon. Lex. 946 et^ovi avaroXixoVy o(h
d'Qivov. avv T^ i, ytTTivixov [yaQ] oltio t^ edg. to di eoHjq>o^
Qog ovK exei. Die Handschriften haben in den meisten oben an-
geführten Fällen das Jota (Schmidt Did. p.339): dasselbe findet
sich auch in Inschriften: Nr. 31. 134, Z.H. 139, Z. 28. 161,
Z. 9. 209, Z. 3 K0102 Kifiog. 1590, Z. 21 KQ102. 2236, Z. 3
KQIAL 2509, Z. 3. 2512, Z. 3 KiiliiN. 142, Z. 4 KOOI. 160,
Z. 42 Z0Iu4 ^^. 2448 I, Z. 12 Ziil^. 3538, Z. 15 OY2IZQI
QI. 2694 a, Z. 9. b, Z. 10 YJIEPQI0I2, dag^en 3402 ohne
Jota. 2448 I, Z. 14 HPiilOIS, in den späteren Inschriften aber
fehlt das Jota, so 916 (4mal). 1812, 1981, Z. 3. 1993, Z. 2.
2690 (2mal). 3032, 3039, 3282, 3304, Z. 6. 3359, 3386, Z. 2
und 10. In Siiii Nr. 39 fehlt eben&Us das Jota.
Die Deminutiva auf idiov haben, wenn im Stammwort ein
kurzer Vocal vorhergeht, einen Diphthong in der drittletzten
Silbe, selten blofses Jola, wenn das Stammwort langen Vocal
hat, die uneigentlichen Diphthonge ^, 5, tp. Et Mg. 230, 4
yrjdiov: TQiviv ovriov tiov TtounoTvmav y yf nat yaia real yiay
in Ttoiov TOVTiav yeyove to yrjdiov; Xeyei de 6 Jidvfxogy Sri
ioTt yeq diä tov e. xat iTteidrj, ^vUa tj velevTaia avllaßi] t^
yivinrjc tov 7€QWTOTV7tov ano qxjovrjevTog aQX^ctt^ ^^^ TtaqaXiffei
Tffi e ri Tf^ o. Tore ylverav dia tov diov ^ naqaycüryti nal Ttffoo*
igXBTai Mira Ttiv TiaQaXrjyovaav (sie) to t, oiov TtQo^etog
Ttoa^eidtov, Af^cwg Xe^eidiovy ßovg ßoog ßotdiovy voSg
roog (sie) votäiov^ ovTwg ovv yla yeidiov dia Tijg et di-
q>^6yyov xai xot' ei^Taaiv ^ttixtjv tov e elg rj yrjdiov dia tov
7] Tcai f, wOTteg eina^u) yxa^ov xal eideiv ydeiv, tcb^ de tovtov
^rtu Hg TO nafi tuttjtixüv tov Xoifoßoanov. 1^ Mg*
J, La Boche, üeber das Jota subscriptam. IIQ
486, \& yiaX^diov t6 axoiviov, avv t(^ i ygatperai. neu ciq>€i-
Isv ävai, maXidioyf iTteidri tj '^eXevräia GvlJxxßij Ttjg yevixijg xov
fCfunoTVTtov ano avfiqxavov agxetai, olov TioXog xaXot;. rfne
yao dia %6v idiov yivetai ^ TtaQaycjyrjy olov yvcofiri yvmfxidiov.
a}Xu awe^tpLoXov&ifjae t^ kayt^diov, attpdiov. Der Irrthum
in dieser Angabe ist augenf&Uig, es kann nicht xaXidiov heifsen,
da das nQWTovvTtov nicht xaXog, sondern yaktog ist. Zon. Lex.
1161 Tfuxh^iov ovv* T^ i yg 'q>etai, avve^rjpwhovd^e yoQ tif
Xayi^diovy OTi^dioVy Ttt^diov. arjf^aivei de t6 OTfpdiov %rpf
OToav, Philemon p. 67 Tuxh^diov ovv t^ i yQciq>evai. avve^Tpuo-
hn)9rpB yaq t^ Xay(^iov, oti^dtov^ ^ atoa, xi^diov. Theogn.
Cän. 124, 1 TO dia tov mdiov^ oldheqa f^ovoyev^ 7tgo7taQ0§v-
fwa dia tov t yQaq>€i rrp^ nqh rilovg nal trpf Ttoo avrrjg elg
tip^ loi diq>d^oyyoVj olov tf^öioVj Ttfpdiov, nakffioiovy at(p-
iiov. 121, 32 %o (^(fidiov dia tfjg m 6iq>&oyyov. Choerob. Orthogr.
216, 5 ^i^iov: To fiiv rb <Jt i (ro tia fjifya dia tov i ?), wie
216, 3 c^ov: ro t/uijiiya ovv t(^ i. Et. Mg. 413, 14 ti^iov
avv i(p uSrra, ineidrj evQrrrai xara diaataaiv, *Aqatog (544)
Jjotdiov di € xvidov imxXrjaiv Y.aXiovaiv,'^ r, ineidv iazi Cfpov
C^ov, of€€Q ex^i TtdoayeyQafi^ivov to uora, xal STteidi] t] TeXevrdia
avJiXaßij Tfjg yevix^ tiav i/rQorroTvniov a*rc6 gKovr/evrog agxerai,
vi^erai ^o^idiovy (og €Y(fncaiy tov i ano tov jrgunoTVTtOfv ovTog.
Dies ist insofern nnricntig, als das nqoyroTvnov nicht C<^oy,
sondern OSg ist, davon ist l^^v durch die Ableitongssilbe lov,
tß^iov durch idiov herzuleiten, wie xal(pdiov von xaXtog, layi^h-
diov von layiig. Zon. Lex. 1276 niidiov to diQpia, mSidiov
ykfOVB, xat owaiqlau xi^iov, tuxI to layi^iov i'xei to i, ori
ano TOV layiüogy laycDOv yiyove, xata awdfOfAip^ tov xipdiov
7UU OTi^iov. GTifxaivei de Trpf uixqav gtoov, awe^(d((a(jie Tovroig
xcd TO TfLohydioVy xal ex^i to t nqooyeyqafxfxivov. arjfxaivei de
%o axoiviov. xcocrg, das Yliels, wird im Laurentianus immer mit
Jota geschrieben xifkcg B 211, 871, 1145, 1193. T 2, 13, 29, 339,
375 416. J 102, 1050 u. ö.
Nicht in eine Beihe mit diesen Bildungen sind zu stellen
die Deminutiva xletdiov^ Ttaidiov, difdiov und Xrjdiov,
d^ hier das d zum Stamme gehört, vgl. Arcadius p. 119 ov yag
dia TOV diovy aXka dia tov lov. to yaQ d tov Tt^wrorvTtov
icriv: zu vergleichen ist hierüber Bekk. An. 793, über die auf
idiov Et. Mg. 142, 13. Zon. Lex. 303. Philemon p. 27, 68: die
letzteren sind Proparoxytona, erstere meistens Paroxytona und
diese haben das Jota nur dann , ^ wenn das Prototypon es hat,
wie d<fdiov. Deshalb hat auch yrjdiov das Jota nicht, vgl. Eu-
stath. zu 11.^ £ 352 naqo^vvea&ai ^eXrjaag to AHIJION 6
Jidvpiog aTiooTeqei avvo xal tov '^aTa ttjv naqadoöiv
TCQoayeyQafAfjievov i. f/r«, (frfii^ X^og to TtqioTOTVTtov, o JwqieXg
Xadog q>aaiVy lag lA'h.fxav „Xadog ei^ieva naXov,^ o lati Xrpiov
Medvflirf] evsidig. ano yoiüv tov Xijdogf g>rjalf (atj exovTog i-o
ICO J. La Rodiej Ueber das Jota subseriptum.
t yayovoc: ro krjdiov ovo av avco l'xoi zo i, dazu Schmidt Did.
p. 341. Philemon p. 68 fahrt yr^diov ohne Jota an.
Als Belege aus den Inschriften führe ich an Nr. 155, Z. 35
zm[JlA\ 150 A, Z. 16. B, Z. 9. 151, Z. 7. 153, Z. 10
ENiilJIii Urk. aber das attische Seewesen bei Boeckh XXVll b
KAAaiJlA. Et. Mg. 437, 56 "Hq^drji^h^i %6 i 7r(?oöy«^
yoa/tifiivov, eari yoQ ijgiogy f]Q(oi\ xat ylverai nQondrjg xat xotra
avvaiQeoiv tov w xai i eig TTjy m diipd-oyyov aQ(pdrjg. xai cä-
hjjg. Toc eig drjg TtccTQiaw/ntxa tj tvtcov TtavQwvvfÄinov d'elei
E%eiv TtQO TOV d Itj t6 i rj TO a, olov Ilijkeiöfjgy JlvXadtjgy Mi^
vtpdng. Philemon p. 29 roiog^ rjQcotdrjgy Tuxt awaiQtaet afHfidrfi,
Auch 'Hoqßdiavog hat vielfach das Jota, so Et. Mg. 438, 6.
und bei Eustathius. C. Inscr. Nr. 3155, Z. 5 "HPiilJHS, da-
gegen 2502 zweimal HPiiJH2.
Aufserdem finden sich für das Jota noch bei folgenden
Wörtern Belege in den Schriften der alten Grammatiker:
1. "Aidr^g. Et. Mg. 17, 19 aeidtjgy aal x^aaei tov a xai
€ eig aX(f<x i^aKQov ^drjg. xal fxevei ro i TtQoayeyQafAiaivoy. Homw
hat noch überall !Afidrfi mit kurzem a, mit dem Verschwinden
des Digamma wurde das a lang und Jota dazu geschrieben, wo-
bei der Spiritus asper als Ersatz für das Digamma an die Stelle
des Spiritus lenis trat, wie in ekiaaw, avdavo), SaTteQog, eartawy
yixco, %wv(x. C. I. 2240, Z. 10 AUHI. 3333, Z. 5 AU AN.
2. |dw. Et. Gud. 9, 33. Gram. Ep. 20, 28 aeidwTuxl awai-
qlaet TOV ae eig a ^laxqov ^dco, Kai fiivei t6 i firj hupwvotv-
fievov. Choerob. Orth. 281, 11 (^d^i /uera tov i Tiaq^ to ^dia^
doidt] xal (ifötj, Theogn. Can. 86, 4 a/ro yovv tov aoidog yive%ai
xara KQaaiv tov clo eig wf^dog Sia Ttjg (oi öiipd^oyyovy fxiveiyaq
TO ly utj exwcovovfxevov dia to ^eyed^og tov cu. Ta yovv fB avvav
avyiuif-ieva oia Ttjg loi diq)d'6yyov ygaijpovTai^ olov vf^vtfidog, /m€-
Xf^dog^ TQaywdog, xco/u^do^, tLaXjLKüdog. Choerob. Orth.
281, 13 7C(ofi(pdogy ^leki^dog, ^aif,fqto6g, avv Ttp i naga ro ^^.
Gram. A. 0. II, 308, 8 jtavTa rar eig dog XijyovTa aQoevcTta t^ oi
naqaXrffOfxeva /vaga Ttiv (pdijv yivmieva dia tov to /ueyaXov (? dia
Tfjg ((} 6iq)&6yyov) ygag^ovrai, otov xco^i^dog, i//a>l/t£(^o^, r^-
y(lfä6g, ueXiijdog, Theogn. Can. 141, 7 ra Ttaq ovo^ia (? Tiaqw^
vvfia) eig d(o Xtffovia ^^/ara TieQionwpieva a7io rc5v eig öog
6vof,iaT(üv Tjj OH diw^oyyip naqaXrffoiihiov yivofAeva (pvXttrret
TrjV (jji dl(£^oY)'ov ev rg jcqo TeXovgy olov ^eX^idüy ifAvt^dHy
TQayipdio, ähnlich Et! Gud. 577, 4. In den Inschriften steht
das Jota bald, bald fehlt es: 1579, Z. 4 und 1580 AI JONTOS,
dagegen 803 b AJQN. 3425, Z. 3 iUON Nr. 101, Z. 29. 107,
Z. 23. 1845, Z. 21 und 86. 2338, Z. 6. 2339, Z. 5. 2374, Z. 65,
72, 75. 3088, Z. 11 TPAiniJQN, TPAIÜIJIAI u. 4hnl.
Dagegen fehlt das Jota 108, Z. 31. 1584, Z. 20, 28, 46. 1585,
Z. 12, 15, 16. 1580, Z. 24. 2347 c, Z. 49. K£eAPi2IJ02 152,
Z. 18. 1584, Z. 17; dagegen ohne Jota 1586, Z. 27. 3088 t, Z.a
KQMniJIAI 229, Z. 2 und 3. 3088, Z. 10; ohne Jota 1584^
J. La Boche, Ueber das Jota subscriptum. 121
Z. 22, 48, 50. 1585, Z. 13, 14. 1586, Z. 26. PAWSiUOS 1584,
Z. 7. 2214, Z. 9. 2360, Z.36; ohne Jota 1585, Z. 10. 1587, Z. 15.
AYjiQU02 1584, Z. 13. YMNÜJIA^ ohne Jota 2715, Z. 7.
3160, Z. 7. 3170, Z. 1 und 16. Ueber die Fonnen ^ipafvdog,
M&aQccfvdogy tfccyaJ^vdog , xiofiotj^vdog in der orchomenischen
Inschrift Nr. 1583 ist schon oben gesprochen: die böotischen
Inschriften 1585—1587 haben in diesen Wörtern nie das Jota,
1584 nur in drei Fällen, in den übrigen vier nicht.
3. dlf^fTi. Dieses Wort hat im Cod. Venetus überall das
Jota und es scheint dies auf alter Ueberlieferung zu beruhen.
Theogn. Can. 108, 18 aeamteiarrai äia tov lo /ueyalov yQaq>6-
Heva t6 iQ(Ofj^ iwrj, ah^i} (Cod. aXt^tj). tovto öi ano tov dkoiHi
Ijma^og yeyovbg avv t^ i yQctipetai. Cram. A. P. III, 211, 9 %o
waag fiera Ttoooyeyqaix^ivov i yQdq)Ovaiv oi 7tahxioL Et. Mg.
74, 21 Tia^ To aXoiw yivevai ccXt^rj fieva tov i, dagegen 74, 25
üjunj ar]f4alvei x^*^S ''^ot; i t6 avfiq>wov Xiaqiov nai avvdevdqov
tOTtoVy TtaQa rrpf aXaiv rrjv (w^rfliv. aXdio ovv dXun]^ X^o^lg
%ov iwxa. Vier gegen eins, denn der Venetus muss als voll-
wichtiges Zeugnis gelten.
4. IdxeXf^og, Zon. Lex. 360 i/x«^%^ög> ^ova^iog liqutadiag,
ovp TV t", i7T€ioTj eiQijrai (besser wol evQrjrai) ytava didataaiv
^Ax^Xdiog^ ij ovv oi Boiiorol (Cod. Biayreig) rrp^ w diq>&oyyov
ilg Ol TgiTtovaiv, olov !/4x^^V^S ^AxeloXoCy aidfpog aidolog, Kifiog
Kolog, vgl. Et Mg. 181, 10. Homer hat Uxehiiog (Z)194. ß616.
Die böotische Inschrift 1590, Z. 21 hat Ki2I02, dagegen steht
in der Inschrift Nr. 31 aus Olympia KOIOl, was sowol Kt^g als
Kiäog sein kann.
5. dißou). Bei Homer finden sich die Substantivformen
SrfLOiijffa, dmorfJTiy drjiovfitog (der Nominativ kommt nicht vor)
nur in der Diäresis; bei den Formen des Adjectivs drjiog und
des Verbums drpu) entscheidet das Bedürfnis des Metrums. So
steht dort drjiovy dtftov, drjtti} und d^ioe (die drei letzten immer
vor Wörtern, die vocalischen Anlaut haben) immer in der Diäresis
als Dactylus, dagegen dvowj dnotai, drjwv und drpvg niemals,
obwol fast alle Herausgeoer aucn in diesen Formen, ich weifs
nicht auf welchen Qrund hin, die Diäresis eintreten lassen: so
hat auch der Venetus. Es fehlt zwar im Homer nicht an Bei-
spielen, wo ein Diphthong in der Mitte eines Wortes vor einem
Vocal kurz gebraucht wird, so z. B. olog N 275. -5105. v 89.
viog Z 130. H 47 (Thiersch Gr. §. 168, 13), aber das ist bei rj
und io nidit der Fall, obwol auch rj zu € geworden ist, z. B.
aqy^i € 128 neben dqyhi A 818. Ein zweiter Grund gegen
diese Schreibweise ist der, dass man im Homer damit nicht aus-
reicht, denn es finden sich zusammengezogene Formen, wenn auch
nur vom Verbum, am Versanfange, so 6riüv F 65. drow E 452.
J 71. M 425. 0 708. H 771. dncoaety I 243. dr](oaag B 518.
1 83. Die übrigen Verbalformen, bei denen man gleichfalls keine
ZdUdirllt f. d. Stier. Gymii. 1M{5. IL v. Vh Holt, 9
122 J» La Boche, üeber das Jota subscriptum.
Diäresis eintreten lassen kann, sind dnud^tt^riüv J 417, örjcauag
& 534, difjwGavTeg Tl 158, örjcooeiv I 243 , dywaj] Tl 650, dgw-
aovaiv M 227, dr^waiv ^416, dytoaavre X218, drjiod'ivjeq
t 66, während andere nur in der Diäresis vorkommen, wie drfioatv
P 566. 2 195. "F 176. drjiowyveg A 153. dijiocoyiro JV 675.
drjiofißev d 226. Der Venetus hat in den zusammengezogenen
Formen überall das Jota, mit Ausnahme von E 452, wo er von
zweiter Hand geschrieben ist. Herod. zu F 65 Syiov: 7t€Qi-
aTtaazioVy end yuxl ev heQoig liyet xara Stalgeaiv avv T(f o
„l/X^i dviocov"' {2 195). yeyove de Ttapa ro drji'og,^ dio xat avv
T(^ t ygawevai to drjwv. Zon. Lex. 46 adrjcoTov: artOQ&TjTOv..,
yiverat de naqa ro örm to 7toq&€), tovto Ttaga t6 dai(o ro
xoitTiOy rqoTtrj rov a «ig i^, tov i dveicfpiovmov ovrog. Et. Mg.
263, 39 drjioaag: or^fxalvet t6 öitmoipag, eaxi (Cod. evi) dalw
TO xoTCTü) fj Tcauo. diaXvoev Tfjg cci öiqi&oyyov ylverav datg, yuxl
ovofxa drjiog TQorcy rov ahpa elg rjfia, xal ^^(x(x Srftwy i^ ov
TO drjtovv. ytcd Ttegiancofievwg Stjuo, siza Y^cna ovvaiqeaiv djw,
dißwawy drjcjaeiv, aveleiv, (povevoeiv. Die Wurzel ist AA, davon
d'atg, dattto, ionisch dry-ioc;, dTjioco und zusammengezogen drpm.
C. I. Nr. 175, Z. 2 JAlSi^A^: dc^ioaag für das ionische dtjioaag.
6. 6^g. Im Homer kommen nur die beiden Formen dai'-
dag und datScov vor, der beste Beweis, dass diesem Worte das
Jota zukommt. Et. Mg. 244, 29 d^deg: lajuitadeg. exei to e,
ineidTj svQrp^ai xotcc diaOTaaiv datöiov. yiveiai de ex tov öcuta
TO dicmoTVTio nai naiio. 6 ^leHior öaioo). xat Xoitcov in Toi
daig, xal S^g (sie) xaza awaigeaiv. e^eive de to i dvei^qHjjvrTOv,
Bachm. Anecd. I, 435, 12 d^dcov: tiov dtföicov. ly ev&eia oatg^
dätöogy w yeviXTj tüv nlrj&uvTixciv datdiov , xai [xorra] avvai-
Q£oiv d^öwv. C. I. 2720, Z. 4 iA^AUO(DOPOY y dagegen
JAJ0YX02 185, Z. 12. 188 b, Z. 3. 190, Z. 34. 192, Z. 40.
193, Z. 28. 194, Z. 32. 197, Z. 7. 2388, Z. 12, welche Inschrif-
ten sämmtlich späterer Zeit angehören: so auch 3123, Z. 7
KAHJOYXON,
7. d^Kitf], Der Venetus hat überall das Jota, so schrieben
unter anderen auch Aristarch und Herodian nach Schol. H. Vind.
133 zu T 121 yg. dfj(pciv avv t^j i wt TreQianwfuvcjgy d^Xvxov
yaq ioTi. ovTiog IkQiaTOQXog yial ^Hgodiavog. Did. zu T 333
ovTcog l4qioTaQxog ö/nwagy i'^a) tov t legt gleichfalls Zeugnis
dafür ab, dass das Femininum d^iu^tTj mit Jota geschrieben wurde.
Auch das Femininum Tgi^ttj hat das Jota. Et. Mg. 770, 31
TQ(pag, Tcc ^ev TQi^i arjfxaivei Tag TQ^inag rj ywaiicag ^
Xnnovg (V' 291). to de diiijmi Tag dovlagy nat ovtc ojq>€iXev
exe IV TO t . . .Xeyei de 6 Texvinogy ort e'xei to t iiteidij «J-
Qr/vai xcrra diaoTaaiv ^Tquj'iadag yvvalxag^ {l 139, 281) xai
jyljcTtovg de (Cod. Y,ai) Tqt^ovg"" (^291), dvri tov Tqioixovgy
?J avdQag J? Xnnovgy dnoßoXfj tov x TqoSi'ovg y,ai awaiqiau
TQipovg. Zon. Lex. 1742 TQüfovgy tovq TqoSino'g. e'xBi to i
7tQoayeYQaf4fievov, 1748 TQtpag^ TQUuTuxg ywatxag [ßx^ ^^ *
<T. La Boche, üelier das Jota subscripium. l2«i
TtfoayeyQafifitvovl e7ut evQijvat xata diaataaiv ^TQwiadag yv-
väixag,*^ So wird auch JE 461 zu schreiben sein TQti^ag de
art/ag, Bekker TQtfiag; die Ausgaben von Sinope, Cypem und
Antimachus TQwiagi? TQi^ag); Ptolem. Ascal. Eusi^tb. Schol.
V zu Y 44^ TQwag; Venet. A, Aldin. 2, Steph. Schol. brev.
Clarke Tqwcdv; Ven. B. Harl, Mor. Cod. L. bei Bentley, Heyne,
Crusius, Bäumlein TQwag; Lobeck Paral. p. 88, Wofr, Bothe,
Spitzner, Fäsi, Dindorf, Cram. Ep. 442, 15 To(fiag.
8. igofdiog. Et. Gud. 210, 58 ^HgcDOtayog Uyei oti
wOTiEQ ano Tov ag^oya yivetat aqpiooiogj ovrct) xac ano tov
(jpiUüt} yiverat ^oidiog xai TtXaovaofxtf tov e iqoidiog xal tgoTtf
TOV o elg w i^iodiog. xat i^evei to t itQoayeyQafXfxivov. Genauer
noch ist die Notiz ^im Et. Mg. 380, 30, da steht auch noch xoti
liyovoi Tivag oVt uxpeile ßaqvvBO&OLiy aber es ist Oiytonon, wie
dieübrigen Vogelnamen auf tog, aiyvmog, xagadf^iog^ ßofißvhog.
Cram. A. 0. 11, 214, 9 eQipdiog: ro qw (xeya avv tqi i. xat zo
dl i {? zb QU) dia tov i cf. 216, 5) tj itaqadoaig, al de hv-
lAoloyiat dia(poqovvvai. Abgesehen von der Etymologie steht so
viel fest, dass Herodian nach derParadosis ioqtdiog schrieb: es
kommt vor K 274.
9. ^vaygta. Did. zu ^407 ^£i:a tov ito ^q^ygia 6 liqi-
ata(fxog. Schol. B fista de tov i, iTtel aal SifxvDvidrjjg q^rfil
^6 ^(otüiv xaxiatov eKtrp^ai ßioy,^ vgl. Et. Mg. 413, 23 yQctq>e-^
tai de uerä tov teora, iiceidt] ^Qr^tai nata diaataaiv yuxi naga
Sifiiüvian j^tod^ rifxiv egnetov nagi/ttato ^diov xcnuatovy^
ebenso Zon. Lex. 967. Choerob. Orth. 216, 2C<^aypia: rj Ttaga-
iooig — dabei fehlt dia tov «. Kein Jota hat J^u)y(}aq>og conf.
Et Mg. 412, 53 ; Philemon p. 64 om e^ei de to i irqoayeyqafA"
(levov und Et. Mg. 413, 2 to Kb)oyQaa>og ngdtov aTtoßalXei tb i, xai
oStu) Ttoiu tr^v liQaäiv tov w xat o eig (o xojqig tov i. ^q)ayQia
kommt bei Homer vor ^407. ^462. Jota sollte auch alCtjog
haben (so der Venetus 2 418), da sich daneben auch die Form
ail;7fiog findet, z. B. P 520. n 83.
10. ^PTjanw. Im Venetus hat dieses Wort das Jota, v^l.
Text, Zeichen und Schol. des Ven. S. 10: so nach der Paradosis.
Cram. Epim. 196, 32 tb fiivtoi dyfjamo xat fii/uvrjayuo 6 fiev z/t-
dvfjiog avev tov iwta, iy ^tvtoi Traqadoaig ovx inelad^
airttfi (Cod. ovrolg), inel o\ AloXe'ig ^aiama xat fAvaiawo Xi-
yovaiv.^ Et. Mg. 452, 30 Jidvfiog /w^g tov i. . .oi de Xiyovai
avv tif i , OT«. oi ^lokelg ^vaiaxu) xat ^ivaiano) Xeyovai , , , f]
fiivtoi Ttaqadoaig e'xei tb i. Cram. A. P. III, 323, 26 Ttaqa
tb &vTjaxa)^ tovvo naga tb ^c3, ^vrjawy -d^rjaiuo, e^ei de Tuxt
tb i Ttata Ttaqadoaiv Ttqoayeygafx^ivov ^ dXoycog. fxi^valaiMo
and dyaiaiMj als seelisch führt auch Herodian zu A 799 an. Die
Stellen bei Homer sind A 56, 243, 383. B 106. X 355. Q 734.
» 526. X 424. f4 22. w 33. Auch te&vr^ wird in dem Text
sowol wie in den Schonen des Venetus mit Jota tednjuig ge-
sduieben.
9*
124 /. La Roche, üeber das Jota subscriptum.
11. ©9^^. Zon. Lex. 1051 0^^^, ©p^fxot;, i^ ov /.ai ro
y^&orji'Mq axQOXo^oi^ (z/533), xal Kaza avvaiQeoiv &Q(f§ xcri
G^Tceg. xat navva tcc ott avraiv avyxel^ieva ^rlvna dia tat
Iura yfaq>ovTai, olov Ggriiaoa yvvrj, xat to Qgifxrj de Ix^i ro
I, dasselbe Et. Mg. 454, 21. Bei Homer kommen sowol aufge-
löste Formen vor, wie GQrjixeg B 844. J 533. K 434, 4Ä7.
&Qvixa B 595. Qqrjtyuog K 559. JV 13, 577. W 230, 808, als
aucn zusammengezogene ö^wx^g ß 234. Qqrjfmv J 519, 537.
£462. K 464, 470, 506,^518. JV 4. S 2^7. Barpf^aoi ZI.
eQpiTjJ222. N301, Y4S5. eQtpcrj&ev Ib, 12. QQ^ifjvde ^3ßl.
Der Venetus hat überall das Jota mit Ausnahme von £462,
wo er von zweiter Hand geschrieben ist. C. 1. 1681 QPAKISIL
3374 QFAKL 202, Z. 14 2AM0&PAKE2. 179, 188, Z. 8
&PAIKE2. 134, Z. 20 2AM0ePAIKE2, 195, Z. 9 [2]^M0-
0PAIKE2. 215, Z. 9 2AM0ePA[K[E2]. 209, Z. 5 :?^-
MO0P-^J[Ä£-S]. 145, Z. 4 [-3^MO0P]^/ä:£J. 202, Z 3
ePAIKI02.
12. ^Qqfaxo), ^Q(i)a^i6g. Der Codex Venet. hat überall
S-Qwiayuo und x^Qwia^iog^ auch der Laurent, zu Apoll. ^ 603
ijci^QciioyLei, Cram. Ep. 203, 20 x)^Qiütay,(jü: avv rqj Iwra, Ji-
6 V flog de x^Q^9 '^^^ Iura, aiio ycig tov O^oQmco fuXXovTog
(prfli yeyevtjox^ai. oi di aiJkoi Ttavteg avv T(p lioxa , (mvvDg di
e'x^i Tj TtaQadoaic. aal to d^Q(t)a/iog avv t^ leSra, üiajteQ wxt
!^7toXX(jiviog 6 AQxißiov^ eTtd Ttagä to ^o^laxeiv iarlv.
Et. Mg, 456, 49 dno tov d^oQÜ, d^oQTjaiOy ^OQiaxio, nai &QqHJiMa
yucaa TQo/rrjv. ex^t de ro «. Zon. Lex. 1056 ^oi^Wxcu to Ttrfiio.
6 fiiv Jidvfiog x^Q^S f^ov i, das übrige ist durch Abkürzung
verdorben.
13. xXij^Qa. Zon. Lex. 1220 xXfjd^Qa, rct xXeidla, oltvo
TOV xXelg yiyov€ xX^^Qa, i^ ano tov ^Xeiaio. to di y^Xf^io oi
^'Jwveg dia tov t] xai i^ yQacpovatv, iS ov ymI to xXfj&oa diä tov
tj xal i yQaq^ecai tiol^ eneivoig. rj^mg öi to Y.Xfj&qa Oiq^d'oyyO'
yQawovfiEv^ d. h. xXelO^Qa.
14. iioX(i)6g, Cram. A. P. III, 366, 31. Cram. Ep. 220, 22
xoX(i)6v: eYQrp^ai 7ioX(i)6g jraqa to xXe5 ^rjfia^ o arjfialvei to
q<ov(i, aal yivarai ^rj^iazi^iov ovofia 7d(i)6g, wg aw (Cod. acigf
vgl. Zon. Lex. p. 1230) aioog^ xal ^tXeovaafAqt tov o xoXwbg
fieva TOV avexqKüVYjTOv t. iy. tovsov iyivero hoXmco ^^(icc oev-
TaQag avCvyictg tcjv 7r€Qia7t(0f.iiv(0Vy to öevrcQOv xoMiß^g, 6 naQa-
TaTtxog ixoX(iKf)v xal to tqitov rAoXoja (cit. B 212). ovvio
0iX6^€vog. Auch der Venetus hat A blo yoXfttov und J5 212
ixoX(^a. Abgesehen von der abgeschmackten Etymologie ist an
der Richtigkeit der Ueberlieferung in Betreff des Jota nicht zu
zweifeln. Theogn. Can. 148, 14 tovto UoXiocü) öi xal nqmrfi
xal SevTegag avtvyiag tvjv 7ieQia7C(0(.dvu)v iaTtv. xal naga
0iXo^iv(^ avv Till I. Merkwürdig ist die Verschiedenheit der
einzelnen Angaben in Bezug auf Philoxenus ; denn während es
in den bisher erwähnten heifst, er habe das Jota geschiieben,
Jl Im Boche, Ueber das Jota subflcriptam. 125
steht in ^ den übrigen gerade das Gegentheil, so Schol. A zu
Ablb ano tov ytokoiog iyevero to nohi^og, zov o TQanivxog
üg %o io, dio xal to i [nQoa]y^(p€Tai. 6 de Oilo^evag naQa
%6 TÜitOy o iati z6 xla^iOy %ai oi nqoay^(fu ro t, das näm-
liche Schol. B. D. L. Et Gud. 334, 44 xoAn^ov, namt xo xoilotog,
0 de Oilo^evog (Cod. (OiXoTiovog) naqa %o xXcij TüLa^w^ ano tov
xilctf xotva TtaQaytayTfV, ovde TtQoayQctq^i (Cod. 7tQoayQaq>eTai) z6
Idrra. Dass Philoxenus ohne Jota schrieb, beweist seine Ablei-
tung von nlüy während die, welche dais Wori; von xoXoiogf
t^nf zov o eig m ableiteten, es mit Jota schreiben mussten.
Sonst ist noch zu vergleichen Et. Mg. 525, 53. Zon. Lex. 1229
und 1230, Et. Or. 85, 11. Cram. Epim. 135, 3.
15. IfjazTig. Zon, Lex. 1302 ^.rfizrig^ ano zov XrjtCfiD^ zo
jigaideviDy yiyove Xrjiazrjg inai xaza avvaiqeaiv Xfjazfjg, vgl. Et.
Mg. 563, 22. Et. Gud. 368, 18. Bei Homer kommen nur aufge-
löste Formen vor, so Irji'dog, hjiday Xtjtaaaro, ^5?iörijy, Xrjiazoij
hrjiozfjqeg, daneben Xrjiazoqeg und Xrjtzidi K 460. C. I. 3612
AH^THFIA ohne Jota.
16. k(l>wv, Zon. Lex. 1325 Xiol'ov: -^Qeiaaov, ßiXziov. za
oc wv 'Aa&aqa diaiXXaßa avyxQiziKa diq>&6yy(it naqaXriyezai^
olov nXeioßv, fieiiovy ^qojv^ Xc^wv. xal za fxev ovo hupwvovai
%o I, oloy nXeiojv, fieiiov, za de dvOy olov ^^coVy Xi'iKaVy ov. yive-'
tat de naqa zo XtZ, zo »ihoy vgl. Et. Mg. 570, 47. Et. Gud.
376, 10. Philemon p. 73. Cram. Ep. 263, 6 und 266, 14 za ek
btv xaKhaga diavXXaßa avyxqiziY.a diipd-Syriit &iXovai naqaXtj^
yeüd-ai, ziaoaqa de elol zavza. xat za luev dvo ix(pa)vovat zo
I, olov fxeiMVy 7tXei(0Vy za de dvo avexqxovrjzov avzo exovaij
olov XiJHovy ^(x)v. Bei Homer kommen nur die aufgelösten Com-
parative vor, in den beiden Formen des Neutrums Xatiov und
blofs in der Odyssee {a 376. ß 141) XtStzei^v.
17. Nrjqndeg. Zon. Lex. 1398 NriOrjdegyd^aXaaaioi dai-
^oveg, exet zo icjm, ajco yaq rov iV/;öw*0£c:, tag Bqiarjideg aal
Xqvatjtdegy Nijqfideg, Kad^yjdeg. Et. Mg. 604, 54 Ntfif^deg,
ixei zo i, ano yaq zov Nrjqtjidag y,al Bqiarjideg xat Xquamdeg
yLol Kadf,irjtdeg awrjqe&i] Ntjqijdegy Bqiafjdegy Xqvafjöegy
KadfAfjdeg, C. I. 1064, Z. 6 lEPHIJA Uqfjda.
*l8. 7rqii}rtv. Zon. Lex. 1589 nqt^riv^ exet zo t xaza zrff
naqaXtfyovaav, eozi yaq irqajty ex zovzov yivezat naqdyioyov
nqdiiog , xal zo ovdezeoov nqcoiov , wg xal 6 noirjztjg (O 470^
^tjv edrfla nqioiov.^ zovzov zo ^tjXixov i) nqtota^ fj alziazixrj
{j aiziaziXTj jcqotavy xat exzaaei zov o elg lo nqioi'aVy xav Iw-
viTuog nqwtrp^y xat xaza avvalqeaiv zov w xai i eig zijv lot
diq>&oyyov nqf^rjv. Cram. A. 0. U, 398, 25 nq(pr^: ex zov nqma,
jtqmav jJ alziaztxtj. xal zqo7cfj zov a eig rj yivezat nqiotrjv^
xal xaza avyxonrv nq(^r]v. e%ei de xat zo i. Et. Mg. 692, 11
It6 «71 Jk» BochCy üeber das Jota sabscriptam.
Sei ovv yiv(joay.€Lv ort to Tiqi^rpf avv t<^ i yQaq>eTat, (ig yivo'
fxevov OLTto Tov Ttoioty OTteq oi fiev^ noiVjTal ßaqtvovaiVy oi öi
xoivot xat liTTixoL %al ^Ax^rpraXoi, o^ovaiv. Et. Gud, 482, 17
TTQm daraus TtQwiogy TtQwia, TtQwtaVy ionisch nouSirp^^ xal xata
awaiQeacv rov w xai t elg ^ 7CQ(^r^v. Der Venetus hat E 382
TCQifirpf, il 500 jtQwrjv, wo er von zweiter Hand geschrieben ist.
19. TtQtp^ov, Et. Mg. 691, 56 7tq(^tj0v^ orjf^alvei ro
TtQOXr^icfivov. tXBL To t . . . oTco TOV TtQCjt yivetm TVQwitov wxi
xara awaigeaiv TtotpCßv, ähnlich Zon. Lex. 1585. Bei Homer
findet sich die aufgelöste Form ngwi^a neben x^i^cf und so wie
davon die adverbiale Singularform xx^iCpv vorkommt, so auch
von jenem TiqMitpVy zusammengezogen 7tq(fiCf>v,
20. 7tQ(ifQa. Et. Mg. 692, 26 nqwqa avv np c. . . arto di
Tfjg hvfioloyiag a7to^ tov nqoUvat (die Alten leiteten auch /^
von ievm ab), aal ano r^g diaazaaewg, iTcetörj €VQrfi;ai xara
diaaTaaiv wg Tvaga t(^ noirprH „xvavoTtQioiQOvg^y'Mxi TtOQa
Sifiiondf] „xvavoTtQwiQav.^ to de TtquiiQa o\ fiiv dia tov i
Xeyovaiv cjg oltzo tov nQi^qa xara öiaOTaaiv tov t TtQwiQay 6
de ^Hgwdiavog dia Trjg et diw&oyyov yqacpet TtQog tov xa-
qanTTJQa Twv dia tov €iQa, vgl. Et. Mg. 318, 57. Zon. Lex. 1581
7tQ^Q(x, avv Tut i , . . 0V71 a)q)€i)ie de ex^tv to i (weil man es von
TTöoooov oder von TT^ aJoag ableitet), dXX^ v TtaQadoacg e'x^i
avTOy i7T€idrj naga to rcqo'iivai y.al ajto diaaTaaecjg tov i,
wg TtaQOL T(p 7toirp:fj xvavoicQtoiöovg (Cod. avtxnqtoiQOvg) y aal
Ttaga ^i^cjvidy xvavoTtQf'i'Qav. Theogn. Can. 107, 29 TtQWQa:
TovTo oi Ttleiovg avv t^ i. Die aus Homer angeführte Stelle kann
keine andere sein als y 299, wo wir jetzt lesen viag TcvavoTtqqf-
Qeiovg: jedenfalls beruht die Lesart zvavoTrQcotQovg auf guten
Quellen, da auch Simonides diese Form gebraucht hat. Wenn
nun Herodian für n^dÜQa, welche Form älter sein muss als
^QVQ<^f ^^^iQO' schneb, und zwar, wie es scheint, wegen der
unerklärlichen Länge des Jota (umgekehrt schrieb er QeaTtiav
flir Qianeiav B 498 ; man schrieb auch neiaea für jtiaea, m-
ao^ai fär viaaofiai, q)d^€ir]g für (fx^i/jg), so könnte er möglicher-
weise auch xvavoTTQioelQovg geschrieben haben. Sonst steht bei
Homer nur noch die Form Kvavo7iQ(/)Qoio immer am Versende
mit vorausgehendem vr^g oder veog Ö 693. H' 852, 878. i 482,
539. X 127. A 6. |u 100, 148, 354. ^311. x 465, woför man
überall TcvavonQwtQov schreiben könnte. Dadurch bekämen wir
nur eine einzige Nominativform ytvavo7[QdiiQogy während wir jezt
deren zwei haben, nämlich zvavoTVQiißQog und xvavoTCQqßQeiog.
21. ^^SSog.Et Gud. 489, 21 ^^ßdog „naga to ^cj (sie)
TO q>&€iQ(o exTioXfj (?) tov i ^äßdog, TtqoayQacfOfxivov tov i.
489, 23 und 25 ist* ebenfalls ^ßdog geschrieben, welches diesmal
von ^^ov abgeleitet wird. Auf das ganze Citat ist nichts zu geben.
22. ^(fdcog. Zon. Lex. 1606 ^^diov, ^xoXoVy ex^i to i
in€idf} evQTjTat naTCt öiaaToaiv ^rjiöiov. xat otl oltio tov ^a
yiyove ^eidiov, xai tqotv^ tov b eig t) xai awaiqiau (tjtdtov.
J. La Boche, üeber das Jota sabscriptam. It7
OMC iyevero ^diov ano tov ^Sog, ^ov. Gram. A. P. IV, 16, 23
^diov : l'xce To I, iTteidi] evQmat xara diaavaaiv ^rjtdiov. Gram.
A,0. n, 407, 6 ^Stov: [i^ct to] ^ 7tqoay€yqa(.i^ivov ^ diozt
evQid^i] xorra diaoTaaiv „^rfidiwg avvea^e^ {A 114). Et. Mg.
700, 40 TO de ^öiov bxbl to i /vQoayeyQOUfiSvov y iTteidij ev-
QiaiUTai^ TO i xarä didavaaiv ^mdiov. Et. Gud. 489, 34 ^^dioy
[Ix^e] TO t TVQoayeyQain^iivoVy [sitsiörj] evQ^d^r] xara diaOTaaiv
\ijidiow, Apoll. Dysc. de adv. p. 567 naqa to ^ea ^v tl ^e'tdiog,
0 Tta^ TOig ^'Icjotv iyivero ^rjtdiog, oof ov xat iniqqri^a ^rfcduog
wg (jiaxpidlojg. aq>* ov tniTirev ex ixecad^ioe(ag tov tj elg to a
^tdiog xat ^aidicogy aq>* ov xorra awaiqeatv ^qdiwg.
Zon. Lex. 1607 ^(fÖLOvqyilvi djcoT&v ... Ta TtccQa to
(jqdiov exu to v Ttqoayeyqa^^ivov^ olov ^(f^vfiog, ^(f^v^la^
i^aTwvfj. Et. Mg. 700, 51 Ta de 7raqd to öadiov exovoi to i
fr^y€yQaf4iievov, olov ^q^dv^iog, ^(fOTiovr]. Et. Öud. 489, 41 ^diog
tm, aTcoßoXy tov d ^iog xat avy^onfj ^aog, aal (xivei to i TtQoa-
yeyiiafjifiivovy dabei scheint es dem gelenrten Grammatiker ent-
gsuigen zu sein, dass aus ^^diog durch Ausstofsung des d ^^iog
geworden sein müsste.
Et. Gud. 490, 4 TO de ^^ov exet to t jcQoayeyQafiiiivov , . .
td fiev ovo ey.cfxüvovai to i, to fislovy itkeiovy Ta de ovo dveK-
wbnnjiov cciTo exovaiVy olov ^ov, X^wv, vgl. zu Xtpcov, Et. Mg.
iOly 1 xai ^ov oiioicog exei to i, ot* ev^iaiceTai xai xaT«
öidaTaaiv.
Zon. Lex. 1603 ^^OTog: exet to i TTQoayeyQa^t^tevoVy oti
nquhov fniv ^jqrjfvai xoTcr didoTaaiv, ^rjiOTVjy rj oti ano tov
öaov yeyovB ^^OTog, Im Homer finden sich nur die aufgelösten
Formen ^rvtdiogy Comp, örjkeqogy Superl. ^i'TaTog und ^rJLOTog
(6 565). Die Wurzel scheint FE zu sein, davon das Adver-
bium ^7a.
23. Tijttfjg. Schol. / 605 Tivig to Ttfi^g dtd tov i yQdq)ov-
aiVy ccTto yaQ tov Tifirjetg. otmog xal tyjv ahcaTixrjv ä.7te ,yXai
Xgvaov Tif.ihvTfx"' {2 475). ymitoi "koyog IgtIv ag naaa evS-ela
aQoevi'Kov ovojaoTog iv TJj TelevTaitjc ovo e'xovaa q>wvrj€vva Tavza
hq)0}vel /w^ic tov @Q(f^. om eneiod^r^ de ij Tiaqdöoatg, igt-
OTUQxog yctQ dvev tov i. Aristarch schrieb aber aus einem ganz
anderen Grund das Jota nicht, da er die Form für den Genetiv
von Tif^iTj ansah. Schol. x 38 aal Ti^iog eoTiv: yq, xat Tijtifjgy
1^01 TifATjeig. Aber auch in dem Falle darf das Jota nicht dazu
geschrieben werden, da es nicht zum Wortstamme gehört, son-
dern als Ersatz für die ausgestofsenen Gonsonanten it einge-
treten ist. Philemon p. 178 vipiTTSTr^g ßaqvverai xara l4qiOT(xQxoVy
fiQog diaoToXm tov tiffurerrjg, o drjXol zov i^ vijmvg Tceaovza,
01 de TreQiantJVveg aino 6x Toi; vilUTrerrjeigy wg ri/urjeig Ttf.ir]g
AloXiTLwgy aiylrjetg alvkrjgy jcid^avcog f^ev notovaiv y emY.q(nel
di ofitog rj tov ^^qiotoqxov yQaq)rj, Auch hier ist von keinem
dazu geschriebenen Jota die Kede, sondern die Form zi^i^g wird
emfacn als seolische bezeichnet und Philemon wurde es sicher
128 J. La Boche, üeber das Jota sabscriptaiiL
nicht unerwähnt gelassen haben, wenn das Jota in diesen Wör-
tern dazu geschrieben worden wäre.
24. (p(pg. Et. Mg. 803, 34 qxpg, wq}d6g exu to i xai a^vve-
tat wg d(fg, dqSog . . . e^et di ro i STteidrj leyecai xai qKdtdegf
(og evQOv iv rdig lA^eat utiv ^rfrogcjv. Xeyu de 6 Xoi((oßoaxogj
ort dicvHaßtog xal f.i6vov Xeyevac xara to nahuovy ftqooyt-
yqa^^evov t(^ (o tov l, Zon. Lex. 1836 wfpdeg: ex^i to v ngoa^
yeyQa^jüivov. xo« zrjg qxpdog o^vrovwgy wg dtfdog . . . ixBi de to c.
cr^ijirat de nara diaa-vaaiv qxotdeg. diavXlaßov de Xeyei redigyiog
6 XoiQoßoo^og. aal IdqiaTOipavrjg ev JHovr^ (535) „tvXijv qxp-
diov €x ßaXaveiov.^ Philemon p. 193 q)(ig, ([vdog, exei to i nud
o^vevai (og d^g, dtfdog. eiQrjftai TcaQCc to q>iog, ojteq Totvzov eOTi
%ij} tvvqL Tcal ar^f.taivei tcc iv Tolg aTcileat ytvo^ieva eiouxvfjiaTa
OLTto TOV TivQog. kx^i di TO ly iTceidrj XeyeTai nai qxotdeg.
25. ^a. Et. Mg. 820, 6 ^a, ar^uaivev tJv avanüiaaiv tov
•KoaaTtidov tov i^ctriov. avv Tip i yQaq>eTai, Choerob. Orthogr.
281, 12 (}a (sie) : to tov x<^c3yog aycQov. gieret tov t ij jtaQadoaig.
Zon. Lex. 1879 ^a (sie), to uxqov tov i^ioTiov, ^ o xalovfiev
7t€QiTQaxTjhov, tJtoi TTeqiaTOfuov . . . ^ ar 'xAaaig tov ifLOOtaTti-
dov, ' " "' "^ '" ' "** '
ßo
HOL
TO olg, o Gr]f.iaiv€t to jtQoßaTOVy diaXvaei tov o %al i oig^ xal
iTtav^Tjaei tov o eig o), xal to d^rjkvxov wa. fievev de to i.
TiliveTai qßOy^ qiag, Vgl. Et. Gud. 575, 44. Philemon p.,213.^
26. (^6v. Et. Mg. 822, 39 mov: del yivioaxeiv ort to (fiov
TO i exet, OTi &!)qmai to i xara diaaTaaiv Ttaqa t§ 2a7tq>ol
y^(faai di) noTe Arfitxv va'Aiv&ivov nenvxad^iivov evoelv mov^^
ähnlich Zon. Lex. 1879. Choerob. Orth. 281, 15 i^v: to t^
oQvtg (sie) avv Ttp i.
Wien. J. La R 0 c h e.
K Eoffmann, Zur Kenntnis einiger Yergil-Handschriften. 129
Zur Kenntnis und Beurtheilung einiger Vergil-
Handschriften.
Die Fragmente des 'Codex Angnstens.*
Gkheimrath und Oberbibliothekar G. H. Pertz zu Berlin, dem be-
reits Philologie und Geschichte die Auffindung und Veröffentlichung manch
kostbaren handschriftlichen Schatzes verdanken, hat neuerdings in den Ab-
handlungen der k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin einen Fund
bekannt gemacht*), der in jeder Weise geeignet ist, das allgemeinste In-
teresse der philologischen Fachgenossen in Anspruch zu nehmen. Es sind
dies drei Blatter eines Vergil- Codex, die unter wenig versprechender An-
kündigung in dem Kataloge einer im Haag abzuhaltenden Auction ausge-
boten, sich als drei nübergrofse, doppeltgefaltete Folioblättcr von nie ge-
sehener Schönheit und Gröfse der Capitalschrift** erwiesen. Zugleich er-
kannte Pertz, dass diese Blätter Theile jener Handschrift gewesen sein
mfissten, von der die Yaticanische Bibliothek noch eine Anzahl Blätter
besitze. Zur Zeit, als Mabillon die bemerkenswerthesten Handschriften
dieser Bibliothek durchmusterte, um aus ihnen Schriftproben für sein
'Corpus diplomaticum* zu entnehmen, kamen ihm auch die Beste eines
Vcrgil-Codex zu Gesicht, von dem er nicht zweifelte, dass er dem 1. Jahr-
hunderte unserer Zeitrechnung angehört haben dürfte. £r liefs ein Facsimile
der Verse 302—305 des IV. Buches der Aeneis für sein Werk anfertigen.
Diese Blätter, deren zu Mabillon's Zeit noch 14 waren, stammten aus dem
Besitze des französischen Rechtsgelehrten Claude Dupuy, und waren von
diesem, wie die Aufschrift des ersten Blattes zeigte, dem Römer Fulvio
Orsini zum Geschenk gemacht worden. Nach dem Tode des letzteren
(t 1600) gelangten sie in die Vaticana. Bei einem Brande dieser Biblio-
thek (1768) giengen beim retten der Handschriften zwei jener Vergil-Blätter
verloren; die übrigen zwölf hatte noch Silvestre 1841 in der Vaticana ge-
sehen, gegenwärtig aber finden sich nur mehr noch vier Blätter vor.
Hinsichtlich der drei für die Berliner Bibliothek erworbenen Blätter
hat Pertz auf Grund der unter Anwendung chemischer Reagentien auf
dem ersten Blatte sichtbar gewordenen üeberschrift: 'Ex lihro primo Geor-
gicarum\ darunter '0.4.3' von einer dem Ende des 16. oder Anfang des
17. Jahrhunderts angehörigen Hand, den Schluss gezogen, dass diese drei
Blätter bereits zu der Zeit, als die vierzehn in Orsinrs Nachlass befind-
lichen Blätter in die Vaticana kamen, als gesondertes Bruchstück existiert
haben müssen, und nicht etwa bei dem erwähnten Brände der Vaticana
•) Ueber die Berliner und die Vaticanischen Blätter der ältesten Hand-
schrift des VirgiL Von G. H. Pertz. Aus den Abhandlungen der k.
Akad. d. W. zu Berlin 1863. Hierbei 3 Blätter in Licht-Steindruck,
Berlin, 1863. gr. 4.
180 R Hoffmemn, Zur KenntaiiB einiger Vergil-Handschriften.
aus dieser abhanden gekommen sein können. In den Zügen jener Ueber-
schrift will Pertz die Hand von Pierre Pithou (f 1596) erkennen, wie diese
in ähnlichen Ueberschriffcen von Manuscripten vorliege, die Eigenthnm
dieses Rechtsgelehrten gewesen seien '*), aus dessen Besitz Mabillon, Rainart
und neuestens noch Silvestre im Widerspruche zu der Aufschrift des ersten
der Vatikanischen Blätter auch diese wollten herrühren lassen.
Wie dem nun auch sein mag, immer ist es merkwürdig, wie die
zwei ersten Berliner Blätter sich zwischen die vier Vaticanischen einreihen.
Der Inhalt dieser sechs Blatter ist nämlich*:
Vat. Fol. I - Geo. I, v. 41-80.
Berl. Fol. I - „ „ v. 81—120.
Vat. Fol. U - „ ^ V. 121—160.
Vat. Fol. m - „ ,, V. 161-200.
Berl. Fol. U - ^ „ v. 201-240.
Vat. Fol. IV - „ „V. 241-280.
Dazu noch Berl. Fol. lU mit Geo. III, v. 181—220.
Mabillon -Ruinart, die Benedictiner von St. Maure, die im IIL B.
ihres Nouveau trait^ de diplomatique, p. 41 Mabillon*s Schriftproben wie-
derholten, zuletzt Silvestre, der in seiner Pal^graphie universelle, T. II.,
den Anfang des ersten Vaticanischen Blattes (G. I, 41 — 49) nachbildete,
hatten übereinstimmend die Schrift der Vaticanischen Vergil-Blätter nicht
nur für die eleganteste unter allen bis dahin bekannten erklärt, sondern
zugleich auch in ihr den Charakter des höchsten Alterthums erkennen
wollen. Diesem ürtheil tritt denn auch Pertz in der Art bei, dass er auf
Grund der ausnehmenden Schönheit und GleichmäTsigkeit der Schrift, die
aus Quadrat-Capitalen von ganz ungewöhnlicher Gröfee besteht ('%4" hoch),
von einer Reinheit der Form, die so weit als möglich von den später be-
kannten üncialformen entfernt sei, in diesen Blättern 'das schönste auf
uns gelangte Erzeugnis der vollendeten Kunst altrönüscher Schreiber er-
blickt, wie sie der Zeit des Augustus angehörte und in der Inschrift des
Pantheons ihres Gleichen findet.* Demgemäfs wählte denn auch Pertz für
die Handschrift, aus der diese Blätter stammen, die Bezeichnung *Codei
Augusteus.' Wenn nun auch ein Blick auf die treiFlich ausgeführten Facsi-
mile's der Berliner Blätter im allgemeinen über das hohe Alter der Schrift
keinen Zweifel lassen kann, so fehlt es doch für die Beurtheilung von
Capital- und Uncialschriften bis in das 5. und 6. Jahrhundert nach Chrbtus
noch zu sehr an sicheren Anhaltspuncten , um schon auf Grund der be-
') Pertz gibt S. 102, A. 1 eine angebliche Probe von Pithou's Hand-
schrift aus einem jetzt in der k. Bibliothek zu Berlin befindlichen,
aus Pithou's Besitz stammenden Codex. Vergleicht man iedoch mit
dieser Schrift die bei C. Guil. Müller *de codicibus Virgilii, <jui in
Helvetiae bibliothecis asservantur (Bemae 1841)* tab. II, addit ad
spec. n, C, facsirailierton Namenszüge jenes Rechtsgelehrten, wie sie
sich auf dem ersten Blatte eines Bemer Codex, den Grammatiker
Cledonius enthaltend, finden (T. Pithou.* Darunter *Emi Basilia
1568'), so müssen bei der Gänzlichen Verschiedenheit beider Schrif-
ten wol Zweifel entstehen, ob in der Pertz'schen Schriftprobe Pithou's
Hand zu erkennen sei.
R Hoffimmn^ Znr Kenntnis einiger Vergil-Handscliriften. 181
sonderen Schönheit nnd Gleichmälisigkeit der Schrift zamal in einem Codex,
bei dessen Ansfähmng es ohne Zweifel auf ein ganz aasnahmsweises Pracht-
werit abgesehen war, ein bestimmtes ürtheil über das Alter abgeben zu
können. Den Mangel an Worttrennung nnd Interpunction, so wie die geringe
Zahl von Abkürzungen theilen mit diesen Vergil-Blättem bekanntlich auch
noch Handschriften des 4. und 5. Jahrhunderts, während umgekehrt —
um von den Inschriften aus der Zeit der Republik zu schweigen , wo die
Worte durch Puncto getrennt sind — in dem herculanensischen Papyrus
des 'bellum Actiacum* Worttrennung sich findet. Ebenso erweist sich die
Form einzelner Buchstaben nicht überall als charakteristisches Merkmal
des Alters einer Schrift, da sich die reinste Capitalform insbesondere in
üeber- und Unterschriften noch in spaten Jahrhunderten nachweisen lässt,
wahrend umgekehrt einzelne Uncialen schon in den ältesten Manuscripten
(z. 6. die annähernd h und K gleichenden Formen von H in dem er-
wähnten herculanensischen Papyrus) sich finden. So zeigen denn auch diese
Vergil-Blätter einmal, wenn auch allerdings nur am Ende der Zeile der
Raumersparnis wegen, die Uncialform ^ — G (G. I, 234 in dem Worte
IGNI).
Wenn Pertz die Schrift der Vergil-Blätter för älter erklärt als das
Ton ihm veröffentlichte *Livius-Bruchstück* (bekanntlich seitdem als Frag-
ment des IL B. von Sallust's Historien nachgewiesen, ff. 38 — 41 Ed. Dietsch),
so stimme ich ihm hierin um so lieber bei, als ich das Alter jenes Bruch-
stückes nicht so hoch ansetzen möchte, wie Pertz es that, der dasselbe
dem 1. oder doch dem 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zugeschrie-
ben wissen wollte. Mir wenigstens scheint der Schriftcharakter dieses
Fragmentes durchaus derselbe zu sein, wie ihn das Vaticanische Sallust-
Fragment zeigt*), von beiden aber differiert kaum die Schrift des Plau-
tmischen Palimpsestes *), den A. Mai gleichfalls in zu hoher Schätzung
seines Alters der 2ieit der Antonine vindicieren wollte ^) , während ihn
Niebuhr dem 5., richtiger wol Ritschi •) dem 4. Jahrhundert zugewiesen
wissen wollten.
Wenn im allgemeinen der Schriftcharakter der Berliner und Vati-
canischen Vergil-Blätter sich als der des strengen Festhaltens an der regel-
mä^gen Capitalform, d. i. an der geradlinigen, den Initialen unserer
Druckschrift entsprechenden Gestalt erweist, und wenn dieser Schrift-
*) S. die Copie in A. Mai's Auctt. class. I, p. 416 ff.
^ S. das Facsimile bei A. Mai, Plauti fragmenta inedita, p. 35. Für
alle drei Schriften ist charakteristisch die Neigung, für die geraden
Striche geschweifte Linien eintreten zu lassen. S. insbesondere A
(ohne Querstrich), M und N. Statt V haben alle drei Schriften ü,
und zwar so, dass der linke Schenkel allein die Rundung bildet,
während der rechte senkrecht gehalten und über die Rundung de«
linken nach unten verlängert ist. — Ebenso haben alle drei statt G
die Unciale Q , statt H die Uncialfomien h (so einmal in dem Ber-
liner Livius- oder Sallust - Fragment) und /T (so das Vaticanische
Sallust- Fragment und der Mailänder Plautus-ralimpsest).
*) A. a. 0. p. 10.
•) Plauti Conioed., Vol. I, Prolegg. p. VIU.
1SI2 E. Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriften.
Charakter ohne Zweifel als der ältere gegenüber jenem erscheinen rnnss,
der bereits die Neigung zeigt, statt scharfer Winkel Abnmdnngen und
statt gerader Linien geschweifte eintreten zu lassen, so werden wir aaeh
darin Pertz beistimmen können, das» diese Blätter älter sein müssen als
die drei in Capitalen ausgeführten Yaticanischen Vergil- Handschriften —
die Yaticanischen Fragmente, Cod. Bomanus, und Palat. nebst dem Floren«
tinischen Mediceus, da diese alle bereits jenen jüngeren zur Rundung nei*
genden Schriftcharakter zeigen^.
Dafür aber hätte Pertz auf ein anderes Vergil-Fragment hinweisen
können, das die entschiedenste Aehnlichkeit mit seinen Vergil - Blättern
besitzen dürfte, nämlich auf die zum Theil rescribierten St. Gallener Veigil-
Blätter. Dürfen die von C. W. Müller gegebenen Schriftproben dieser
Blätter ") als genau gelten , dann sind zwar die Capitalen auf den St.
Gallener Blättern minder kräftig ausgeführt als die auf den Berliner und
Yaticanischen und differieren etwa um einen Millimeter in der GröilK %
gleichen diesen aber im übrigen sowol hinsichtlich ihrer Quadratform wie
ihrer Zeichnung überhaupt vollständig. In beiden Fragmenten ist die Schrift
durchaus gerade stehend; die Winkel sind scharf, die geradlinigen Theile
der Buchstaben ohne Krümmung und Schwingung. (Auf den Pertz*schen
Blättern zeigt T als Deckel eine leicht geschwungene dünne Linie; auf
den St. Gallener Blättern ist dieser Deckel dagegen wagrecht gehalten
und endet auch in die Köpfe, die unsere Druck -Initiale T zeigt Solche
Köpfe haben auf den St. Gallener Blättern auch die Querstriche an EFL,
während auf den Berliner und Yaticanischen Blättern diese Querstriche nur
') In den Yat Prgg. sowol wie im Cod. Rom., Palat. und Med. tritt
Y als abgerundetes U auf, und zwar in den Yat. Frgg. und im Med.
in der in A. 4 bezeichneten Gestalt; im Rom. und ralat. sind die
Homer des U nach auswärts umgebogen. L und E sind im Palat.
und Rom. so gebildet, dass der untere Strich, statt den Schenkel
eines rechten Winkels zu bilden, sich als geschwungene Linie unter
dem senkrechten Hauptstrich hinzieht. Auch I P T Y stehen auf
einer solchen, nur kürzeren geschwungenen Linie. Annähernd gleich
ist auch die Form dieser Buchstaben in den Yat. Frgg., nur dass
die Schrift hier ungleich roher ist. Dazu kommt noch in dieser
Handschrift das unciale Q; und auch A, dessen linker von 4em
rechten weit überragter Schenkel meist nach innen gekrümmt ist,
zeigt die Annäherung zur Unciale. — S. die Schriftproben aus diesen
Codices in dem Nouveau traite de diplomatique, t. ID, pl. 35.
•) C. Quil. Mülleri Analect. Bern. P. Ill: de codicibus Virgilii, qui
in Helvetiae bibliothecis asservantur, Bernae 1841, tab. I, Specim.
I, a— e.
•) In Müllers Schriftproben wechselt die Höhe der Buchstaben zwischen
5 und 6 Millimeter; nur F und L messen zuweilen 7 Millimeter.
Wie Müller's Messung zu verstehen sei, der p. 1 die Höhe der ein-
zelnen Yerszeilen auf ö'" (?), den Zwischenraum auf ungefähr 3'"
angibt, und dabei den aus 19 Zeilen bestehenden Text einer Seite
— also doch [19 X 5] + [18 X 3]'" — nur den Raum von 8" 2'"
einnehmen lässt, ist mir allerdingis räthselhaft. Die Höhe der Buch-
staben auf den Beriiner Yergil- Blättern variiert zwischen 6 und 7
Millimeter; nach Pertz betragen Zeilenhohe und Intervalle gleich-
mäffeig 'V«".
R Eioffmann, Zur Kenntnis einiger Yergil-Handschriften. 183
kurz and fl&chtig gezeichnet sind.) V endet in beiden Schriften auf einen
spitzen Winkel, auf den Berliner Blättern insofern von der gewöhnlichen
Gestalt etwas abweichend, als der rechte Schenkel nach unten über den
Scheitel hinaus in einer leicht geschwungenen dünnen Linie verlängert ist
A differiert insofern in beiden Schriften, als es auf den St. Gallener Blat-
tern die Querlinie hat, auf den Pertz^schen Blättern dagegen derselben
entbehrt, auXser wo es als grofse Initiale am Seitenanfange steht. (Dass
das offene A nicht gerade als ältere Form zu betrachten ist, zeigen be-
kanntlich Inschriften aus der Zeit der Republik, wo A bereits wie in den
italischen Alphabeten überhaupt, diesen Querstrich hat.) Von den sonst
noch charakteristischen Buchstaben gleichen sich das spiralförmige G,
femer Y, so wie das breite N; auch überragen F und L in beiden Schrif-
ten die anderen Buchstaben. Abkürzungen kennen die St. Chillener Blätter
noch weniger als die Berliner und Vaticanischen. Erstere bieten nur Q.
für que, während letztere aufser dieser Abbreviatur in der Mitte der Zeilen
auch noch B^ für hus, und am Schlüsse in der kleineren Schrift V — um
bieten. Was die Verbindung von Buchstaben betrifft, so finden sich auf
den St Gallener Blättern nur NS und NT in der Art verbunden, dass
S und T die Stelle des zweiten senkrechten Striches in N einnehmen;
die Berliner Blätter dagegen zeigen, allerdings nur am Ende der Zeilen
in der kleineren Schrift, aufser der gleichen Verbindung von NT auch die
Verbindung von TB (über den etwas nach oben verlängerten senkrechten
Strich des R legt sich der leicht geschwungene Deckel des T) und OS
(das 0 ist durch Schliefsung des unteren Homes von S ausgedrückt);
femer tritt vor das verbundene NT noch V in der Art, dass der rechte
Schenkel des V mit dem linken senkrechten Striche des N verschmilzt.
Weiter findet sich in dieser kleineren Schrift auch einmal das unciale G
(a Anm. 4).
Nach dem gesagten werden wir daher die Berliner und Vaticanischen
Blätter nicht für älter als die St. Gallener betrachten können; über die
Zeit beider wird sich aber schwerlich ein anderes Resultat als das auf-
stellen lassen, dass beide für älter als jede andere bisher bekannte Vergil-
Handschrift gelten dürfen, und dass, wenn etwa die Vaticanischen Frag-
mente frühestens in das 3. Jahrhundert zu setzen sind, jene Blätter nicht
jünger als das 2. Jahrhundert sein können. Wie weit sie jedoch innerhalb
dieses Zeitraumes nach aufwärts zu rücken sein dürften, wird wol unent-
schieden bleiben müssen.
Wenden wir uns nun zu dem Texte der Vaticanischen und Berliner
Blätter.
Hinsichtlich der Orthographie hat bereits Pertz S. 115 darauf hin-
gewiesen, dass der Accus. Flur, der dritten Declination bei Substantivis
10 (richtiger ll)mal auf es, nie auf w, bei Adjectiven und Participien da-
gegen ISmal auf is, dreimal auf es ausgehe. Es sind dies die Accusative
der Substantiva: vires (G. I, 86. JII, 209, 215), crates (I, 95), messes
(l 103), artes (I, 133), aves (I, 156), arces (I, 240), classes (I, 255), fruges
(I, 267), vepres (I, 271), -— und die Accusative der Adjectiva und Parti-
cipia: novoilis (G. 1, 71), fra(fil%s (I, 76), sterüis (I, 84), fHurü (I, 89),
1S4 E. Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Vergil-UandBchrifben.
ifiertiis] (I, 94), mortdlis (1, 147), tenuui (1, 177), pinguis (1, 192), bicami»
(I, 264), ingentis (lU, 207); iacetUis (I, 65), Äuin^is (I, 90), «egH«n<«
(I, 106), oZewhs a, 188), serenHs (I, 193), metuewtis (I, 846), TOtonti»
(m, 181), soncmtis (in, 184), und diesen gegenüber pares (I, 208), ^dtce»
(I, 277), cmtmtes (HI, 218), von denen poures hier und Geo. in, 169 alle
maJbgebenden Handschriften bieten, ftlices an dieser Stelle BP, amcmtcB
aber FE '•).
Die Consequenz, mit der sonacb die Accusative von SubstantiTen
auf es, die von Adjectiven und Participien dagegen auf is formiert sind,
stiebt eigenthümlich ab von dem Schwanken der übrigen Handschriften
hinsichtlich dieser Ausgange, und wenn Wagner trotz dieses Schwankens
behaupten zu dürfen glaubte (Tom. V, p. 401; vgl. p. 395 sq.), dasselbe
sei nicht sowol auf Rechnung des Dichters als vielmehr der Abschreiber
zu setzen, so dass nicht nur für die Accusative der Adjectiva und Par-
tidpia, sondern auch für die der Substantiva die Endung is als Yergilia-
nisch zu erachten sei, so dürften die Blätter des Cod. Aug., wie sie die
Endung is als die normale für Adjectiv- und Particip-Accusative entschie-
den bestätigen, ebenso entschieden die andere Behauptung, dass dieselbe
Endung auch als die normale für die Substantiv-Accusative zu betrachten
sei, umstofsen. Uebrigens zeigt auch ein Blick auf die von Wagner V,
p. 396 — 401 zusammengestellten Substantiv-Aocusative der 3. Declination,
wie gegenüber dem Vorwiegen der Endung is bei Adjj. und Participp.
in den maTsgebenden Handschriften, die Zahl der Stellen nur eine sehr
kleine ist, wo diese Handschriften in der Endung is bei einem Substantiv-
Accusative übereinstimmen * '). Gegenüber dem Verhalten von A hinsicht-
lich dieser Accusativ-Endung wird man es wol nur für ein Versehen des
Schreibers betrachten können, wenn zweimal ein Nominativ Plural der
3. Declination auf is sich findet: G. 1, 161: messis (— P) und I, 215: pwtris.
Was die Assimilation der Präpositionen in Compositis betrifft, so
unterbleibt diese in den Blättern des Cod. Aug. ebenso constant bei od*
{adtritus G. I, 46; adsiduis I, 155; adfiavU 1, 250; und I, 91 weist
der Schreibfehler ABSTRINGIT ebenfalls auf ADSTR. hin), wie sie bd
con- stets eintritt (camminus G. I, 104; compositis m, 192; coUeäum
*®) Zur Bezeichnung der Handschriften wählen wir die Ribbeck^schen
Siglen: F (schedae Vatic), G (schedae Sangall. rescr.), M (cod.
Med.), P (cod. Palat.), B (cod. Rom.), V (schedae Veronens. resc.),
y (cod. Gudianus 70), ahc (codd. Bemenses 172. 165. 184). Mit A
(cod. Augusteus) bezeichnen wir nach Pertz die Berliner und Vati-
canischen Blätter. — Die beigefügten Zahlen: 1, 2 bedeuten: von
erster oder zweiter Hand.
*') Am wenigsten conseqüent erweist sich (r, auf dessen eilf arg ver-
stümmelten Blättern sich im ganzen neun solcher Accusative miden :
aufis G. IV, 349 (aures MP Bybc), solis — noctis ^A. m, 203. 204
(sdes — noctes die übrigen Codd.); dagegen naues A". HI, 4i65 ^noMl
die anderen Codd.) ; penates A. IV. 21 (so auch die Codd. von Rib-
beck). Ferner sonantis G. IV, 364, fla^antis A. I, 710 (beidemal
-=- Codd. Ribb.), — - aber degeneres A. IV, 13 und sublimes A. VI,
720, an der ersten Stelle in üebereinstimmung mit allen l^d-
schriften Ribbecks, an der letzteren mit MP2 Bbc,
E. Moffmtmn, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handflchriften. 185
I, 114 •»). Nnr in Mabillons Facsimile A. IV, 304 steht conpeUut. Dage-
gen findet man in Bezug anf die Assimilation von in vor p m A ebenso-
wenig Conseqnenz wie in 3f. (G. I, 61 ttipomt, 254 inpdlere gegenüber
Ton I, 99 imperat, 263 impreasat (sie), 119 impröbus^^, Vereinzeltsteben
immundum I, 81, wüecebris TU, 217.
Gegenüber der Form iandudum, welche nach Wagner M constant
gibt, und die Ribbeck, jedoch mehr wegen P überall aufgenommen hat '^),
hat ^ G. I, 213 iaimdudmn. (So auch F und G A. IV, 1.) Ebenso gibt A
qHOtanim I, 198 wie M und P an dieser Stelle. Bibbeck schreibt nach der
Mehrzahl der Stellen in P constant guodannia '^).
Weiter kennen die Blätter des Cod. Aug. nur die Schreibung sed,
haud, atque^^; bieten den Superlativ maximus (G. I, 199. 244), und be-
wahren e und u nach v {inuertant G. I, 65; aduerso I, 201; auerso I, 218;
uerUx 1, 242; uacuum I, 62; Carduus I, 152; diuum I, 238'^. Nur G.
I, 158 findet sich aceruom (gegenüber aceruwfn I, 185) und I, 279 saeuom-
que. — G. I, 98 und 239 bestätigt A die Schreibung oUicus, — I, 70. 105.
114. m, 195 harena, — I, 70. 100. 114. 117. 142 umor, umidus, — UI, 219
farmonsa, — I, 143 lammina, und I, 200 sublahsa^*). In der Schreibung
lyntres I, 262 stimmt A mit MPR überein.
Was nun die kritische Beschaffenheit des Textes der Vaticanischen
und Berliner Vergil-Blätter betrifft, so gestattet zwar der Umfang von nur
280, oder mit Hinzurechnung des Mabillon'schon Facsimiles, 284 Versen,
die aus dem einstigen 'Codex Augusteus* übrig sind, noch kein entscheiden-
des Urtheil über die Stellung desselben zu den erhaltenen Handschriften
unseres Dichters, jedoch erkennt man immerhin so viel, dass A bei man-
cher Verwandtschaft mit 3f, B und P ") doch einer anderen Textrecension
:?
**) In G liej^en nur zwei Fälle vor, die aber mit diesem Verhalten von
A übereinstimmen: adstUit A. DI, 194; complexu A. I, 715.
In G finden sich inptdü G. IV, 349, und inpleuit A. IV, 30.
landudum gibt nach Ribbeck P A. IV, 362. V, 27. 513. IX, 186;
zweifelhaft ist die Schreibart A. II, 103 n. VIII, 153. Dagegen steht
G. I, 213, A. XI, 836. XH, 217 iamdudum; A. I, 580. fV, 1 ist
icmdudum von zweiter Hand in iamdudum corrigiert (Die Correc-
turen der zweiten Hand in P entsprechen, wie wir noch sehen wer-
den, meist der Leseart von A,) B gibt constant iamdudum.
'^) M gibt quodannis nur A. VI, 21 und auch da scheint bereits die
erste Hand ein T Über D gesetzt zu haben. — In P steht quod-
4Mni8 E. I, 42. V, 67. G. U, 398. m, 71. A. V, 59. VI, 21; quot-
annis £. V, 79. G. I, 198. Dass der Schreiber dieser Handschrift
nicht einmal in derselben Eclo^e sich constant blieb (s. £. V, 67
u. 79) spricht nicht eben für seme Verlässlichkeit. — B g^bt quod-
a$mi8 E. V, 67. 79. G. I, 198. li, 398. In E. I, 42 ist cf (von
1. Hand?) in t corrigiert; an den übrigen Stellen steht quotannis.
»•) G gibt constant adSte G. IV, 347. 406. 409. A. I, 389. 687) und
ad (G. IV, 360. 416. A. IV, 1) für atque und at.
") So gibt auch G diuum (G. IV, 347. 358; flauum IV, 352; uoluurU,
deuduunt A. UI, 196. G. IV, 349; uuUus A. I, 710. UI, 216; uulnus
A. IV, 2. Dagegen A. I, 383 conuolsae.
'•) G kennt nur diese Schreibart: elabaua G. IV, 410; labaa A. I, 394;
labsfu] A. m, 225.
**) Mit den vatikanischen Fragioanten {F) hat ^ nur die 34 Verse G. lU,
1S6 E. Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Yergil-HandschrütetL
angehören dürften. Mit einer jeden dieser drei Handschriften theüt Ä ge-
wisse Schreibfehler: mit 3f und P G. I, 146 den Fehler duris mrgena (statt
urgens); mit M und R I, 236 glaciae (st. glacie); mit i^ I, 159 solauere
(st. solabere). Auf die Form VEIS (uis), welche il in G. I, 198 bietet,
weisen auch die Züge V/ IS in M hin.
Mit M und R theilt A die Lesarten G. I, 60: aeternaque (so auch
;^ & c nebst Servius und Probus) , wofür Ribbeck dem einzigen P zu Liebe
das für den Zusammenhang der Stelle minder geeignete dltemaque auf-
nahm; I, 203: ülum in praecepn (INCEPS, mit von jüngerer Hand dar-
über gesetztem PRE gibt B) gegen iüum praeceps P; 226: arisüt gegen
aiAenia P; 211 1 Orcus gegen Horcus P; III, 194: tum nocet (so auch
Fyh) gegen prouocet P,
Mit M übereinstimmend gibt Ä: G. 1, 165 Caelei (st. Celei); 194:
[ajmu/rga {amurcaPR)\ 248: densantur {denaetUur PR); DI, 190: acces-
A 8f9
serü (acceperü PR; OCCEPERIT F, 'A manu satis ant. , S S fort, rec'
bemerkt Ribbeck).
Mit R gibt A G. I, 57 das allein richtige miUü (M mütai, PI
mutet); femer I, 155: terram (in R jedoch auf radierter Stelle) gegenüber
herbam MP; 213: rastris gegen aratris Ml PI; 252: praedicere gegen
praediscere MP; femer die Schreibung adtrüus G. I, 46.
Ungleich mehr Lesearten, darunter auch manches fehlerhafte, gibt
A übereinstimmend mit P. So 1, 54: Mnc st hie (in P ist n radiert);
157: unibras {umbram MB); 161: fnessis (als Nom. plur.) In v. 174 gibt
^: 8TIVAQVAEQVE, P: STIVAQVE QVE, das übergeschriebene A von
zweiter Hand. -- V. 186 steht in A corrupt:
ATQVEININOPEMETVENVSFORMICASENECTAE.
Auch P bietet INOPE, doch soll E zu I radiert sein"). — V. 208 geben
A und P die von Servius, Priscian und anderen Grammatikern bestätigte
alterthümliche Genitivform DIE, für welche sich in R und M, in letzterem
jedoch durch Correctur, DEEI findet*'). — V. 218 haben A und P, denen
181—214 nebst den 4 in Mabillon's Facsimile erhaltenen Versen A. IV,
302 — 305 gemein; aber selbst auf so geringem Räume zeigen sich
der Abweichungen so viele, dass beide Handschriften wol am wenig-
sten verwandt gewesen sein dürften. Vgl. G. III, 190: aceesserit A
gegen occeperü Fl; 195: harena A — arena F; 197: Memes A —
hiemis F; 198: natantes A — natantis F; 202: Ate u4 — hmc F;
204: aget A — agit F; 211: houm A — houom F 1 ; ebd.: citf -4 —
quoi F; 212: releaant A — religant F; A. IV, 302: trieterica Baccko
A — trietherica JBacchi (v. jung. H. über t ein o) F.
••) Wahrscheinlich stand in dem Exemplar, von welchem A, und mittel-
bar P herstammen, eine vielleicht schon in dem Handexemplar des
Dichters angemerkte Variante:
INOPIMETVENSFORMICASENECTAE,
so dass nun in den Abschriften eine Vermischung der Lesearten
eintrat.
*') Die erste Wiener Handschrift, von der später die Rede sein wird,
hat libra die^ omnique. (« ist durch ein Komma abgetrennt und
durch ein Häkchen mit dem folgenden Worte verbunden.)
£L Soffmanmy Zar Kenniaiift einig^er Vergil-Handflchriften. 187
sich B anschlieM, anerso, M adnerso, — V. 222 geben ÄP Cnosia, MB
Oiwsia^ und ebenso stimmen sie t. 279 in der Schreibung Typhoea über-
ein, während M Thyphoea, B Thypoea haben. — III, 202 geben AP hie,
N
M mC, 1^ Mnc, — m, 216 steht in AP neq, herhae, in den anderen
nee herhae, — Die Uebereinstimmong von A nnd P in der Schreibung
Mieus, aeenum (I, 158), saeuom (I, 279) wurde schon oben bemerkt
Andere Lesearten von A finden wir in P von zweiter Hand einge-*
tiagen. So I, 57: mitHt {PI miUet); v. 102: Moesia (PI Mysia); v. 114»
eoOeetum (PI cofüeehm); v. 181: iräudwa (PI iraudant; in A steht
wahrscheinlich nur durch ein Versehen, das Simplex Juäunt); v. 213:
rasMs (PI aratris); v. 221: ahscondafaur (PI abscondwntw) ; v. 238:
dtutfifi (PI diuom). Beachtung verdient wol auch, dass an den zahlreichen
Stellen, wo in P Schreibfehler nachträglich verbessert worden sind, A die
richtige, der Correctur entsprechende Lesart bietet So I, 49 messes (PI
meiges); 51: et Horium (PI etturium); 52: sü (PI sie); 76: sttuamgue
(PI sünmque); 97: proscisao (PI procisso; 101: puhiere farra (PI pul-
uera ferra); 102: laetus (PI laetur); 107: exustus (PI existus); 110:
scatebrisque (Pl'^Ml catebrisque) ; 115 : amms (P 1 manis) ; 117 : umore
(PI emare); 127: m medium (PI immedium)-, 136: /Ittuu (PI fluni);
145: ort«« (PI alU8); 171: tn fPl «i); 180: fatiscat (PI /a%rt); 187:
nux (PI fM>a;); 192: ptn^ (PI pingues); 206: ufdis (PI uectua); 228:
POusiacae (PI Pelusaeacae) ; 259: /r^ftiu« (PI tigidus); 276: ipsa (PI
^); 277: olto (PI iOum).
Anderseits bietet A auch einige selbständige und allein richtige Lese-
arten. So G. 1, 114: didueitf wo die gewöhnliche Leseart, quique paludis
eoüeetum umorem bibula deducit arena, veranlasst vielleicht durch rtuos
dedticere v. 269, worauf auch Scrvius verweist, seltsamer Weise bisher un-
angefochten geblieben ist. Wer sumpfigen Boden verbessern will, indem er
durch aufgefieihrenen Sand die Feuchtigkeit zertheilt und auftrocknet,
fon dem kann es nur heifeen, diducU umorem; dagegen passt deducere
umorem nur ftir das Ableiten des Sumpfwassers durch Anlage von Qräben.
G. 1, 135 bestätigt A die (Jonjectur Wagner's: Et aüicis uenis ab-
strusum excuderet ignem, statt des von den Übrigen Handschriften gebo-
tenen uit. Mit Beseitigung dieses nachhinkenden ut (JuppUer mcdum
uiruB serpentibus addidü atris . . . MeUaque decussit foliia ignemque re-
mouit, Et passim riuis currentia uina represttit, l/t uarias U8U8 medUando
extwnderet artes Paulatim et »ulcis frumenti quaereret herham, üt süicisi
uenis oMrumm excuderet ignem —) ist auch der eigentliche Grund zu der
Verdächtigung dieses Verses behoben; denn, dass er seinem Inhalte nach für
diese Stelle, wo von den Erfindungen die Rede ist, zu denen unter Jupiters
Regiment Noth und Erfahrung die Menschen führte, durchaus nothwendig
ist, bedarf kafim der Erwähnung. Die erste Erfindung 'sulcis frument
quaerere herbam* erhielt ihren Werth erst durch dos dem Kiesel entlockte
Feuer; mit dem ^torrere far' begann die gesittete Lebensweise, die Grün-
dung des häuslichen Herdes, wie sich dies in dem römischen Herdfeste der
ZtUMhrlft t d. ftffterr. Oymn. 1805. II. n. III. HeA. 10
188 E. Raffimmn, Zur KenntnlB einiger VergO-HaiidsGlaifteiL
Fomacalia Cßufris torrendi feriae' Plin. H. N. JYUl, 2) ausspricht Die
Möglichkeit, dass v. 135 ans Aen. I, 174: silici scintillam excadit, und
VI, 6: quaerit semina flammae Ahstnisa in venis silicis — von einem Inter-
polator componiert sein könnte (so Ribbeck, Lectt. Verg. p. 4), ist nodi
kein Beweis für die Wirklichkeit dieses Herganges.
G. I, 137 gibt A tunc, wodurch Senrios' Leseart nwnc begreiflidi
wird. Die übrigen £bindschriften haben tum. Beächtet man den Zusammen-
hang: Tunc (ünoa primum fluuU sensere cauatas; Nauüa tum aUHUa mh
meros et namina fecU Pleiadaa, Hyadaa ctaramgue Lycaama Arctan; Tum
laqueis captare feras cett, so ist klar, dass das anreihende tum erst an
dritter Stelle, wo der Dichter zu neuen Erfindungen übergeht , am Platie
ist, während an der zweiten Stelle, wo nur ein einzelnes mit cur Erfindung
der Schifiiahrt gehöriges coincidierendes Moment au^flihrt wird, au^
das coincidierende ttmc besser passt.
In y. 170 könnte die Leseart accepü in A eine Bestätigung für das
*fort. recte* geben ; was Bibbeck zu der gleichen Leseart , die & 1 bietet,
bemerkte.
In V. 175 bietet A exptoret für explorai. In itf ist das e des Con-
junctivs als Variante über a gesetzt (Auch^die erste Wiener Handschrift
gibt exploret,) Obgleich nun dieser Conjunctiv unter dem Einflüsse des
vorausgehenden tarqueat entstanden sein könnte, so ist doch ebenso sehr
auch die umgekehrte Vermuthung gerechtfertigt, dass nur der Gleichmftfttig-
keit wegen mit caeditur (Caeditur et täia ante iugo leuis aitague faguä
Stiuaque quae cttrsua a tergo torqueat imos, Etsuepensa focU exploret
robora fwnus) der Indicativ explorat gesetzt worden sei
V. 183 hat A allein statt des gewöhnliehen federe effoderei mU
oculis capH effodere cubüia tcdpae. VgL effbdere in demselben Sinne des
Ausgrabens einer Vertiefung G. IV, 42: effossiß kUehria 8ub terra fovere
larem; Aen. I, 247: Hie partus dlii effodiunt.
V. 187 gibt A statt der gewöhnlichen Wortstellung cum se nux
plurima siluis Induet in florem et ramoa curuabU oUntia, die ohne Zweifel
nachdrücklichere: cum nux se e. q. 8.
In hohem Grade auffällig ist das Perfect impreseU, welches die Hand^
Schriften v. 263 bieten , da durchgehends die Verrichtungen , welche der
Landmann vornimmt, wenn Regenwetter die Feldarbeit hindert, im Präsens
aufgezahlt sind: durum procudit arator Vomeria öbtun» dentem, cauat
arhore lyntres, Aut pecori Signum out numeroe impreaeit aceruii. Exa*
cuunt alii vaüoa e. q, a. Die Erklärer begnügen sidi impreaaü als 'aoristi-
sches' Perfect zu bezeichnen, oder auf angebliche Parallelstellen su verweisen.
Nun hat aber das lateinische Perfect nur insoweit Aoristnatur, als es eine
Handlung, ein Sein schlechthin als vergangen bezeichnet, also erzählt, — •
einen Aorist hingegen , der im directen Widerspruche zu seiner Zeitform
eine noch im Vollzug begriflfene Handlung ausdrücken könnte C^^preaaU,
«o^iffTojg dictum, ivfyQa\p€Vy imprimit* Heyne), haben nur die ErUarer zum
Zwecke billiger Interpretation erfunden. Ladewig verweist über impreaaU
auf seine Note zu G. I, 49 (lUa aegea demum votia reapondet avari Agri-
cölae bia quae aolem^ bis frigora aenaU; HUua inmenaae ruperunt horrea
JE. Soffmumn^ Zur Kenntnis einiger Yergil- Handschriften. 189
»): Wuperunt, füllen bis zum brechen. Der bei den Dichtem häufige
GebiftQch des Perf. in Erfahrungssätzen — vgl. G. I, 136. 930. 375. cett —
ist durch das Streben der Dichter zu indiTiduaüsieren veranlasst*. Abge-
sehen nnn davon, dass die subjectiven Gründe ttt die Wahl eines Perfecta
an sich gkichgiltig sind , indem es sich nur um die objeetive Natur des-
selben und seine Berechtigung nach MaJfogabe von Logik und Grammatik
handeln kann, — abgesehen auch weiter davon , dass Ladewig in den be-
sfliehneten Citaten Peifecte der verschiedensten Art, rein präsenüsche und
historische oder aoristische unterschiedslos zusammenwirft**), hat jene An-
Dass nßperwnt G. I, 49 ein rein präsentisches Perfeet ist, habe ich
sdion im IL Jahrg. dieser Zeitschrift S. 385 gegen Wagner, der
niperMN^ als — 'rumpere solent* erklärte, und dem Ladewig in der
1. Aus^. beipflichtete, dargethan. — Mit diesem TwperiMd stellt nun
Ladewig die historischen Perfecte, mit denen Yergil G. I, 136 ff.
die aOmäligen Erfindungen der Menschen erzählt, zusammen:
Tune cAnos prinmm fkim sensere cauatas; Navita tunc steUis
numeros et namina fecit...; Tum laqueis captcure feras ...Inven-
tume.q,8, — Umgekehrt sind die Perfecte G. 1, 830 f. rein präsenti-
8 eher Art Der Dichter schildert Gewitterstürme, wie sie oft, wenn
sdion das (Jetraide schnittreif ist, plötzlich hereinbrechen, v. 328 ff.:
Ime Pater media nimbomm in nocte contsca F%Hmma molitur
aextra,mu> maxuma motu Terra tremit; fuger e ferae et mortalia
cor da Per gentes humüia strauit pauor; tue flagranti Aut Athon
aut äUa Ceravma teto BeicU e, q. 8. Hier nun stehen die Perfecte fu-
gere und 8travit in Beziehung zu der (beliebig angenommenen) Ge-
genwart mMur. Wann nun dieses mciin füknina von Seiten Jupiters
eintritt: fuaere ferae, et pauor etrauit mortalia corda — da ist
ff ef lohen das Wild (d. h. es hält sich ängstlich versteckt) und Furcht
bat tu Boden geschmettert die Herzen der Menschen (d. h. sie
sin d muthlos). — In der letzten von Ladewig citierten Stelle G. I, 375
haben wir es wieder mit historischen Perfecten zu thun: numyuam in-
prudentibus imber Ohfuit : aut ülum swrgentem uaUQms imts Aeeriae
fuger e grues, aut bucula caelwn Suspicvens patutie captauit nari-
bu8 auras, Aut arguta lacu8 circumvoUtauit hurundo Et veterem
fH Umo ranae ce einer e querelam. Befremden könnte hier nur, dass
die einzelnen vorangängigen Umstände, auf welche sich das Urtheil
oder der ErfohrungsBatz *fmmquam öbfuit* sttttzt, nicht ihrer loschen
Unterordnung gemäfls in der entsprechenden relativen Zeitform,
d. L im Plusquamperfectum, sondern in selbständiger Zeitform,
ooordiniert gegeben sind. In der asyndetischen Form, in welcher
Yergil die emzelnen Prognostika auffuhrt, stört diese selbständige
Bemmdlung auch weni^r, als wenn dieselben etwa durch ein be-
Cdendee nam in strikte Beziehung zu obfuit gesetzt wären. —
1 zu Aen. YII, 690, wo die Bewaffoungsart der Pränestiner u. s. w.
beschrieben wird, verweist Ladewig auf seine Note zu G. I, 49, wäh-
rend doch kein Zweifel darüber obwalten sollte, dass instituere (^Non
iUie omnibue arma, Nee dipei cwrru8ue sonant; pars-maxuma glan-
des Uuentis pluwlbi 8pargit;par8 apicf4ia gestat Bina manu; ful-
uasfpte lupi de pelle goderos Tegmen habent capiti; uestiaia nuda
simstri Instituere pedie; cruäus tegit oZ^^rapero') als logisches
Perfeet ebenso präsentisch ist, wie sonamt, spargit, gestat, habetit und
das den Gegensatz zu instituere etc. bildende tegit. Es kommt insti-
tuere eben der passiven Wendung vestiaia sunt instituta cett.
gleich. — Wenn von Perfecten in Errahrungssätzen die Rede
Bein soll, so gehört dahin ohne Zweifel das eben besprochene 'num-
10*
140 E, Hoffmaum, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handsclirifteii.
merknng zu dem vorliegenden Falle überhaupt keine Beziehung, da eben
hier mit itnpressü nicht füglich eine Erfahrung ausgesprochen sein kann.
Es handelt sich um die Spocialisierung des generellen Satzes, *tmiUa tNO-
turare daiwr* y. 260 f.; derselben Zeit müssen auch die Sätze angehören,
in denen die einzelnen Verrichtungen aufgeführt werden, und es kann nidit
an procudü, cavat durch cmt als dritte Art jener *muUa, quae maturairt
datur* das 'imprimere Signum pecori out nwmeros aeervis' in der Zeitfaim
des historischen Perfects angereiht werden. Den Streit über diese Stelle
beenden nun die Blätter des Cod. Aug., indem sie für tmpresm^ dieLeeeart
impressat bieten, die bereits Bersmann und nach ihm Cuningham aus dem
zweiten Bottendorphianus und einer Handschrift von P. DanieP*) an^^
nommen hatten. Allerdings findet sich impressare weder sonst bei Vergil
noch bei einem der älteren Dichter oder Prosaiker; erst der späte Cresco-
uius Corippus wendet es an; da aber das Simplex pressare längst im Ge-
brauch war (Vergil hat es — allerdings nur in der Verbindung mit ubera
gleich mulgere — Ecl. lU, 99. Aen. IIl, 642), und da anderseits in Vergil^s
Wortschatz sich gar manches findet, was sich sonst nirgends oder nur noch
bei spätem Schriftstellern nachweisen lässt^^, so entfällt jeder Qrund, das
grammatisch nothwendige und von so alter Teztquelle gebotene itupresM
zu beanstanden.
quam imprudentibus imber ohfuit, G. I, 373 f.. ebenso G. I, 84:
Saepe etiam sterüis incendere pro/uit agros; IIl, 459: Profuit
incensos aesius auertere et inter Ima ferire pedis salientem mm-'
guine uenam; ebd. 509: Profuit inserto latices infundere comu;
— femer G. I, 287: MuUa adeo gelida melius se nocte dedere; —
n , 22 ff. : Sunt älii quos ipse uia sibi repperit usus. Hie pUmtas
tenero absdndens de corpore matrum Deposuit suleis,?ii€ stirpes
ohruit arv& u. dgl. m.; aber gerade diese Perfecta haben wol noch
für Niemand etwas befremdendes gehabt.
^^ Ist diese Handschrift des P.Daniel identisch mit dem Bemer Codex
N. 172 (a) , der aus dem Besitze jenes Gelehrten stammt (s. Müller,
de codd. cet p. 11)? Bibbeck führt zu unserer Stelle keine Variante
aus dieser Haiidscnrift an.
^^) Um nur einiges anzuführen, so ist das Verbum inspicare G. I, 292
nur durch mese Stelle Vergil's belegt; superoccupa/re nur durch
Aen. X, 384. In G. III, 560 scheint abolere nothwendig in der von
Wagner aufgestellten Bedeutung *odore liberare* genommen werden
zu müssen, ohne dass sich dafür ein anderer Beleg beibringen lässt
Ganz vereinzelt steht auch das causativ gebrauchte insoruwe A. VII,
451: (Aüedo) verbera insonuit. — Die Composita insiraius (instra-
tum cu2»ile Lager ohne Streu), inexcUus, trifaux, finden sich gleich-
falls nur bei Verffil in je einer Stelle G. lU, 230. A. VU, 623.
VI, 417. — aduetare A. V, 246 findet sich nur noch bei Lamprid.
Vit. Comm. 15; — dllacrimare , A, X, 628, nur bei Apuleius; »w/o-
bricatus, A. IV, 420, bei Ennodius (zu Ende des 5. Jahrb.). Das
Freguentativ imertare A. II, 672, sowie das Compositum perfurere
A. IX, 343, scheinen gleichfalls Neuerangen Vergil's zu sein, die
dann bei seinen Nachahmern Silius und Statins Aufnahme fanden.
Dasselbe dürfte von immurmurare G. IV, 261, den Substantiven
affaius A. IV, 284, assuUus A. V, 442, von ostrifer G. I, 207, ♦»-
accessus A. VII, 11. VIII, 195, inspoUatus A. Xt, 594 u. a. m. zu
gelten haben.
K Hoffmanny Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriften. 141
Wenn sonach die Berliner und Vaticanischen Blatter auf so be-
schianktem Baume eine Anzahl besonderer und zum Theil allein richtiger
Lesearten bieten, und wenn anderseits, wie wir sahen, gerade die charak-
teristischen Leeearten, welche die einzelnen der maf^ebenden Handschrif-
ten bieten, sich auf diesen Blättern wiederfinden, so dass ihr Text gleich-
sam die höhere Einheit bildet; so kann auch darüber kein Zweifel sein,
dass dieser Text auch höher hinaufreichen und mindestens um eine Stufe
dem Urezemplar näher gestanden haben muss als der der übrigen bisher
bekannten Yergil-Handschriften. Eng verwandt mit A muss insbesondere
die Handschrift gewesen sein, aus welcher der Codex Palatinus und zwar
Ton der Hand eines minder sorgfältigen Schreibers herstammt; nachträg-
lich aber mag letztere Handschrift einer Revision und Correctur auf Grund
derselben Textquelle unterzogen worden sein, aus der unmittelbar der ein-
stige Codex *Augu8teus' stammte.
Zu wünschen bleibt nur, dass es jetzt, wo durch Pertz die Vati-
canischen Blatter endlich der Vergessenheit entrissen worden sind, bei ge-
nauerer Nachforschung in jener noch so manchen ungehobenen Schatz ver-
Bchlie/senden Bibliothek gelingen möge, wenigstens die Blätter wieder auf-
lufinden, die noch zu Mabillon*s Zeit daselbst vorhanden waren.
U.
Der Codex Minoraugiensis.
Von den jüngeren Vergilhandschriften , die bekanntlich nach Hun-
derten zählen, ist nur der kleinste Theil bis jetzt verglichen und für die
Kritik nutzbar gemacht worden. So lange der Mediceus und in zweiter Linie
der Romanus als ausschliefslich mafsgebend für den Text des Dichters gal-
ten, mussten die jüngeren Handschriften in der That auch als ziemlich
werthlos erscheinen, da es für ihr abweichendes Verhalten von jenen stimm-
führenden Handschriften an einer stützenden Auetoritat und ControUe
fehlte. Dies hat sich nun in der neuesten Zeit geändert, seit durch Ribbeck^s
sorgfältige CoUation sowol der Vaticanischen Fragmente wie insbesondere
des Palatinus, die beide an Alter der Florentiner Handschrift voranstehen,
die Auctorität der letzteren erschüttert und dem durch F und P vertre-
tenen Texte als dem ursprünglicheren der Vorrang vor dem glätteren, aber
gerade darum absichtlicher Interpolation verdächtigen Texte von M vindi-
dert worden ist Da nun aber nicht blof^ F sondern auch P durch die
Ungunst der Zeit vielfach verstümmelt ist, so gewinnen selbstverständlich
die jüngeren Codices, die sich nun nach ihrem Verhalten zu jenen älteren
Textquellen gruppieren lassen, sowol für die Stellen Bedeutung, wo F und
P lückenhaft sind '^) , wie auch für solche , wo auch diese Handschriften
von zufälligen oder absichtlichen Corruptelen nicht frei geblieben sind.
'«) Den Bestand von F, beginnend mit G. III, 1 s. bei Wagner, vol. V,
p. XL sq. — In P fehlen, abgesehen von vielen Stellen, wo das Per-
gament durchlöchert oder die Schrift sonst unlesbar geworden ist:
EcL in, 71~IV, 52. G. I, 322-n, 139. IV, 461-Aen. I, 277. A.
IV, 116^162. Vn, 277-645. X, 463-509. XI, 646-692. 737-783.
14C K Hcffnumn, Zur Kenntnis einiger Yergil-HandsohrifteB.
Zu diesen jüngeren snr Sippe von P zählenden Handsclirifton, deren
Werth natürlich ein sehr Terschiedener ist, gehört der Codex Minoran-
giensis, dessen zuerst von Hafeler bekannt gegebene Varianten*^ Bib-
beck bereits in seiner Ausgabe mit der Sigle m verzeichnet hat. Wenn wir
hier auf diese Handschrift zurückkommen, so geschieht es, weil nachtrig-
lich eine genauere Collation der Buoolica aus dieser Handschrift in einem
Programm des Gymnasiums zu Feldkirch *^ erschienen ist, und wir mit
der Besprechung dieses Programmes eine alte Schuld an die Redaction
dieser Zeitschrift abzutragen haben.
Der Codex, YergiFs Buoolica und Aeneis enthaltend, stammt aus der
oberschwäbischen Prämonstratenser- Abtei Weifisenau, Augia Minor '") , kam
nach Aufhebung derselben in Privatbesitz und durch Erbschaft an Geoig
Grafen von Waldburg-Zeil, der ihn bei seinem Eintritte in die Gesellschaft
Jesu mit den anderen Besten der WeiTsenauer Bibliothek dem Orden zum
Eigenthume übergab. Halbier verglich diesen Codex noch auf Schloss Zeil
1854; gegenwärtig befindet sich derselbe in der Bibliothek des Ordens-
hauses zu Feldbach.
HaMer glaubte den Codex in das 10. Jahrhundert setzen zu sollen
und wollte auch sonst den Werth desselben ziemlich hoch angeschlagen
wissen; der ungenannte Verfasser der Feldbacher Collation spricht sich da-
gegen in beiden Beziehungen vorsichtiger aus. Zunächst bemerkt er, was
Hafsler unerwähnt liefs, dass einige Blätter der Aeneide (welche?) von einer
späteren Hand herrühren, und dass die Schrift im allgemeinen der gleiche,
dde man dem 11. und 12. Jahrhundert zuschreibe. Einen Beleg dafür sieht
der Verf. auch in der Schreibung obiicienda E. 3, 7, inndunt 6, 19,
sowie in der auch nur in jüngeren Handschriften sich findenden Leseart
dimiUere E. 9, 8^'). Dass der Verf. auch die Leseart ernte st. aUe E.
6, 80 als einen solchen Beleg anführt, beruht wol auf einem Versehen, da
ante die Leseart sämmtlicher Handschriften, alte aber eine Emendation
Ribbeck's ist'"). — Anderseits legt der Verf. darauf ein Gewicht, dass
Xn, 47- 93, der Bestand von 33 Blättern. — M gibt von Ecl. VI, 48
den Text des Vergil vollständig. — Ueber den Bestand von B s.
Wagner V, p. XL H.
'*) C. D. Hafsler: Collatio Codicis Vergiliani Minoraugiensis. Progr. d.
Gynm. zu Ulm, 1855. 4.
'^ Varianten der Weifsenauer Handschrift zu Viml*s bukolischen Ge-
dichten. — Programm des k. k. Gymn. in FelcQdrch für das Schul-
jahr 1860/61. — Freiburg i. B., Druck von Herder, 1861. 4.
') Im G^ensatze zu Augia Maior oder Dives Augia — Reichenan am
Bodensee.
^ Der Variante dimittere statt demittere kann bei der Frage nach dem
Alter und dem Werthe einer Handschrift nicht füglich ein Gewicht
beigel^ werden, da auch in den besten Codd. nicht selten d«- statt
de- sicn findet. So A. in, 238, wo däapsae st. delapsae auXiser m
auch Py bieten. — Ebenso geben A. X, 475 My2 h c wie m: va-
ginaque caua fulgentem diripit ensem. — dimittere statt demittere
gibt m E. 4, 6 (mitE); Aen. n, 262 (allein); v. 398 {mitMPyl
öl c L); XI, 595 (mit h). — diriguit st. deriguü A. m, 260 (mit a),
V. 308 (aUein). — dissüuü st. de^wt A. X, 453 (mit c).
•") Bin ähnlicher Irrthum ist es, wenn der Verf. zu der Leseart en quis
£ Soffmamiy Zur Kenntnis einiger Veigil-Handsohriften. 14S
in don Codex die Nunensform Vkgüm9 noch niekt die herrschende ge-
worden sei, d» am Anfiuige der Handschrift *Vergii€, am Ende der Aeneis
*VwgU^ stehe; aher die heiden Bemer Handschriften 165. 184 ß. e), die
MtUler a. a. 0. p^ 7 seq. in das 9. Jahrhundert setzt» gehen, wo sich der
Name in den üeher- oder Unterschriften der einzelnen Bücher findet, con-
stant 'VirgüiC, — nnd der Gndianns (y), an Alter and Werth diesen hei-
den Bemer Codices wol noch voranstehend, giht ahwechselnd Vergüü
(Snhscr. G. II), Virgüi (Sahscr. G. lY), Vir^ii (Suhscriptt. G. HI n. A.
TTT^ an letztoer Stelle von jüngerer Hand).
Wenn der Verl weiter hemerkt: *Uns wollte sich immer die Meinung
aufdrängen, der Codex könne nicht vor die zweite Hälfte des zwölften Jahr-
hunderts gesetzt werden*, so steht ans hierüher ohne Antopsie kein ürtheil
sa; dagegen meinen wir, dass derVerfl sich ein bestimmteres Urtheil über
den Werth desselben and über sein Verhalten zu den Handschriften des
Bihbeck'schem Apparates hätte bilden können, wenn er nicht bloXb den Text
der Eklogen, sondern auch den der Aeneis berücksichtigt hätte. Ziemlich
oempromittierend für m ist es, dass er eine Anzahl Verse in der Aeneis
bietet '% die in den alten und malÜBgebenden Handschriften fehlen. Es
sind dies:
A. II, 76: lue haec deposita ccff., welcher Vers in Pyh fehlt, in
Mab am Bande sich findet, in c von zweiter Hand auf radierter Stelle
steht, von Servias übergangen wird. — A. IV, 273: Nee super ipse tua
wMrü kmde hborem, fehlt in MPylhl; steht in c. — A. VUI, 46:
Hie Jocus wrtU erü e, q. s., — fehlt in MP yh-^A. X, 872: Et funis
agitaiua amar cett., — fehlt in MPBy b; steht in c, and in y am Bande
von jüngerer Hand. — A. XTT, 612 f : MüUaque se incueat qwi non acce-
pmit anU Bardamum Äenean generumgue adaduerü uUro, — fehlen in
MPB y b; stehen in cjc-
Ein Blick aaf das Verhalten der Handschriften hinsichtlich dieser
Verse läset schon in vorhinein schlieDsen, dass Cod. m am meisten zu c,
mit dem er eben diese Verse theilt, hinneigen dürfte, nicht aber zu 6, wie
der Verl S. 4 meint; and dies wird denn auch darch die sonstige Text*
beschaifenheit beider Handschriften durchaus bestätigt Cod. b und c stehen
sich zwar ziemlich nahe, tmd wo beide übereinstimmen, tichlieXst sich ihnen
auch meist m an; wo sie hing^;en differieren, geschieht es nur in wenigen
und auch sonst nicht eben marquanten Fällen, dass b und m in einer ab-
weichenden Leseart sich begegnen, während ungleich öfter vereinzelte Lese»
arten von c in m sich wiederfinden«
Vgl. 6 — m: K 3, 100: eheu (heheu c, heu y, heu heu die übrigen
Codd. Ribb.); 3, 101: exitium pecori est st. exitium est pecori; 6, 40:
errant st errent. — A. I, 414: discere st poscere; II, 776: labori st do-
E. 1, 72 bemerkt: 'mit c nnd guten Ausgaben', — Ribbeck notiert:
'en quis cU^*, und ihm bedenkt die Sigle i// die Gesammtheit oder
Mehrzahl der nicht namentlich angeführten besseren Handschriften
aus dem Apparat von Heinsius, wie x die sr^hlechteren bezeichnet.
**) Wo Hafner keine Abweichung von Ladewig's Text notiert, setzen
wir natürlich die Uehereinstimmung mit diesem voraus.
144 K Hoffnumny Zar EenntniB einiger Veigil-HandscIirifteiL
lori (nach VI, 135); HI, 543: est st et; V, 510: nmpU (51) st mj^i;
V, 592: alüer st. alio; VI, 105: percepi (51) st praecepi; VI, 294: dvuer-
herat (b 1) st diaerberet; XI, 595: amissa st demissa; XTT, 452: titfi st
uiro. Dazu IX, 580: rwnpit st mpit^ 790: €mm st nnda, beidemale mit
X; und XI, 93: Tyrrhenigue dwses mit B st. Tyrrh. omnes; XII, 7Ö7:
fragore (in h auf Rasur) mit Codd. Heins, st. tumultu, nach IX, 541.
Dagegen stimmen c undm überein: E. 6, 18: anibos (cl) st. ambo;
Y. 38: eadimt st cadant; 10, 7: simiae (simeae c) st simae; A. II, 139:
ad poenas st et poenas; 719: aH^ractare st attrectare; HI, 145: quem
fessis finem st quam f. f.; IV, 561: Nee te quae st N. quae te; 695: a&-
solfAcret st resolueret; V, 49: m faUor (c durch Correctur) st. nisi f.; 482:
effudü steffundit; VI, 51: propiora (propriora cl) st propiore; 154: 8t^
jgios st. Stjgis; 438: fiOa obstant st £as obstat; VII, 78: Hoc st Id; 313:
esto regnis st regnis esto; 475: animis rutulos (rutulo m) st Rntulos
animis; 515: intonuere st insonuere; 773: m st ad; VUI, 402: potettwr
st potest; IX, 9: peHuü st. petit; 269: Spondeo st Spende; 632: dapua
st adducta; X, 453: Bismlmt st Desiliüt; 602: uietor (in y als Variante)
st ductor; XI, 117: decuü mecum st mecum decuit; 781: incensa (in e
als Variante) st incauta; 784: CorUcit (Coniicit m) st Concitat; 881: /t»-
giunt (c2) st effogiunt; XU, 379: Quem [Quom?] st Cum; 655: Italum
airces st aroes Italum; 882: lam utoftoli» st. Immortalis; 926: Et medkim
st Per medium. ~ AuJberdem mag man die Stellen vergleichen, wo e und
m mit anderen Handschriften übereinstimmend eine Ton b abweichende
Leseart bieten: £. 3, 84: quamuis sü (mit /'^) st. quaimuis est; 8, 34:
proliocaque barba (-=» i/i) st promissaqne b.; A. VI, 297: Cocyti (cl w», -»/)
st Cocyto; 806: uirtute exlendere utres {=^PB) st. uirtutem eztendere
fectis {Mb); Vni, 680: Stans mit allen Codd. Ribb. auüser Bb, welche
Stai haben; IX, 20: discindere (=/) st discedere; 586: armis («»R)"8t
hastis; X, 113: inueniant (c 1 m «> ;/l) st. inuenient; 242: quem dedU
ingens (» codd. Pier.) st. q. d. ipse; 817: Transüü (— /) st. Tranüit.
XI, 624: procumbens (— R) st. procurrens; 672: inertem ('^y) st. inermem;
Xn, 25: haud haec (mit 2 Mentell. u. 2 Hambuigg.) st haec band; 178:
Saiumia Juno ('^ Ml) st. Satumia coniuux; 245: praestantius (— R) st
praesentius.
Trotz dieser zahlreichen Uebereinstunmungen mit c kann sich doch
im übrigen Codex m an Werth selbst nicht mit dieser Handschrift messen,
Wem er in ' zahlreichen anderen Stellen gegen c mit der grollsen Masse
der interpolierten Handschriften von Heinsius geht, an anderen Stellen, wo
er mit seiner Lesart allein steht — abgesehen von Worturastellungen , die
zum Theil gegen das Metrum verstoflsen '^ , und abgesehen von sinnlosen
'*) Der Verf. der Feldbacher Collation hat zu flüchtig Ribbeck's Ann. crit
angesehen, wenn er zu der Variante est in w S. 9 fragt, ob 'allein?'
•^ Solche Umstellungen sind: Ecl. 1, 4: Tüyre tu lentus, st tu, Titvre,
lentus; — 5, 9: phebum certet st. certet Phoebum; — 9, 44: sotum
pura st pura solum. — A. 1, 278: metas nee st. nee metas. — 301:
cüus ae Libyae st. ac Libyae citus. — 513: ObstupuU ipse simul
percussus simul Achates st 0. simul ipse simul p. A.; -- V, 61:
K Hogmatm^ Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriften. 145
Tarianten'^ — theik willkürliche Aendemngen bietet, theils durch in
den Text eingeschlichene Glossen oomunpiert ist
SteUen der ersteren Art, wo m Lesearten bietet, die nur in den
sehlechteien Handschriften sich finden, sind: Ecl. 4,58: Pan deu8 Arcadiae
mecom si indice certet (in x : P<^ ^^^ Arcadia) st : Pan eHam Arcadia
e.q.8. — E.5, 37: Infelix loUom et steriles dotntnon^ur anenae st nascnn-
tor, mit den schlechteren Codd. des Heinsins nach G.I, 154. — £. 10,30:
Dec cythiso satorantur ouea (nach der Feldbacher CoUation durch Correctnr
Ton jüngerer Hand) st apes, mit Cod. Moret IV und einer anderen Hand-
schrift des Heinsins. — A. HI, 341 : Quae tamen et pnero est amissae cura
paientis (mit Cod. Bottendorph. I und 10 schlechteren Codd. Heins.) st
Eequa tamen puero est cett — A. III, 378: Ausonio possis consistere portu
und IV, 349: Qoae tandem Ausonia Teucros consistere terra Inuidia est
^ beiden Stellen mit Hamburg. I) st cofaidere. — HI, 439 f.: sie deni-
qoe uictor Trinacria fims Italos metire reUcta 'mit Cod. Rottend. IH {metiere
b2 c2) st mittere. — 460: cursusque dabit uenerata sacerdos (mit Hamb.
L II, 2 Codd. Moret, Parrhas.) st. secundos. (sacerdos war Glosse zu uene-
lata.) — IV, 376: nunc atictor Apollo (mit Cod. Hugenian.), st augur. —
690: ter sese attollens cubitoque irmixa leuauit (mit Cod. Rottend. I,
Hamb. I) st adnixa. — V, 733: campUxtM pete, nate, meos (mit Cod.
Rottend. L HL Leid, und drei anderen Codd. Heins.) st oongressus. — VU,
214: uestris succedere iectis (mit dem Cod. Venet des Heins.) st. terris. —
YIII, 373: dictis diuinum iwpirat amorem (mit Heins. Venet, Hamb. H,
Itarh., Dorvill.) st adspirat — IX, 146: Sic uos elecH (mit Cod. Reg.;
collect! DonrilL, sdecii MenteL I y. 1. H.) st o lectL — 189 und 236:
uinoque sepuiti (beidemal mit /) st soluti. — 760: caedisque infanda cu-
pido (mit Rottend. I, Voss. U, Sprot, Hamb. I) st insana. — 817 : accepit
fuffieniem (mit /) st uenientem. — X, 135: FUctere iussa (mit/) st. Ver-
tere. — 141: Maeonia generöse domo, cui pinguia culta Exercentque uiri
cett (mit Cod. Lubec.) st ubL — 667: manus ad sidera tdUü (mit x) »^
Troia uobis st uobis Troia; 76: medius magna st. ma^na medius; —
636: per samnum Cassandrae st. Cass. p. s.; VH, 237: ac preamtia
uerba st. ac u. d.; — VUI, 522: »wo cum tristi corde st suo tristi
cum corde; — IX, 432: pectora Candida (mitÄ) st. Candida pectora;
— 7^: miuUa ui st ui multa (oder wie Ribb. nach M ediert: ui
mania); — X, 428: maramque nodmnque st. nodnmque moramque;
— XI, 79: itibet praedam st pr. iub.; — 123 f.: sie orm vicissim
Ore refert st. sie ore uidssim Orsa ref.; — 530: fertwr nota st.
n. f.; XII, 644: Drancis dextra nee st dextra nee Drancis.
**) So £el. 8, 23: semper pastcnrum ille (sc. Maenalus) audit honores st
amores. — A. I, 77: mihi iura capessere üas est st. iussa. — 308:
(quas vento accesserit oras,) Qui timeami st. teneant. — 605: (di tibi)
Praemia digna ferant, quae te digna tulerunt Saecula st. tam laeta. —
U, 204: immensi sordtbus aneues st immensis orbibus. — < HI, 323:
Quae sortitus non impviü ulks st. pertulit. — V, 582: infestaque
dona tulore st. tela, letzteres am Rande von jüngerer Hand. —
X, 723 : specula alta leo ceu saepe peragrans st. stabula. — XII, 300 :
oUi ingens barba refluxü Nidoremque ambusta dedit st. reluxit. —
303: impressoque genu nitens terrae inhplicat ipsura st. adplicat. —
431: oditque moras hastamque recumxt st. ooruscat.
140 K H&tfmatm, Zur Kenntak einiger Yeigil-HaadMlirilbeii.
iendit. — 788: femore (mit x) st. femine. — XI, 386: lUico oonaeiiere
(mit 6 Codd. Heins.) st. Uli oder Olli connenere. -^ 482: Et maesiw alto
fundunt de pectore uoces (mit x) st. limine. — 518 f. : ipse ardua montis
Per deserta iuga properam adnentat ad nrbem (in;if: iugo prapermu) ft
ingo snperans. — 583: oirginitatis honorem Intemerata colit (mit Cod.
Moret. I) st. amorem. — Xu, 444: tarn caeoo uulnere oampas MiMetiir
(mit Menag. II) st. paluere. (anlnns wol ans X, 288: iacta caecam daie
cQspide nulnos.) — 675: Subdideratqae rotas pontisqae instruxerai altos
(mit Cod. DorrilL , Glosse) st instraaerat
Ganz allein steht m mit folgenden, aof wiUknhrlicher Aendermig
beruhenden Lesearten: A. I, 84 f.: Vir e oonspectn Sicnlae telloria in al«
tum Yela dabai laeti et spnmas salis aere ruebat, st Yix — dabant —
ruebant — 487: tendentemqne manns Priamom oonspexit inertet st in-
ermes. (Auch A. XI, 672 hat m — hier jedoch mit yc — dextram labeaü
tendit inertem st inermem.) — n, 678: praedam öbeerMnabümt st. adsema-
bant — • m, 194 f.: snpra caput astitit imber Noctem ignemique ferens
(wol mit Bücksicht auf v. 199: ingeminant abmptis nnbibas ignee) st
hiemem. — VI, 788: Huc geminas nnnc flecte acies, hk aspice gentem st
hanc. — Vn, 144: Creditwr hie subito Troiana per agmina nimor st Di-
ditur. (Deditur yhc, und so ein Theil der Codd. des Heinsint; die sdilaoh-
teren Didtur, Editur.) — X, 566: (Aegaeonem) quinquaginta «lari&MS ignem
Pectoribusque arsisse st oribus. — Xn, 19: quantum ipse /'eroeem üiitnte
exsu^ras st feroci. — 676: lam mos fata, soror, superant st. lam iam.
Dazu die Stellen, wo sich Glossen in den Text von m eingeschlidieD
haben: E. 6, 68: floribus atque apio per crines omatus amaro. Wie hier
die über crines zur Erklärung des Accusativ gesetzte Präposition in den
Text gerathen ist, so die Präposition a in A. Vm, 218: cum iam a stt*
bulis saturata moveret Amphitiyoniades armenta. — A. m, 596 gibt m
statt mox sese ad litora praeceps cum fletu predbusque tnlit — mox sese
ad littora tendU, wo tendit offenbar aus einer Glosse zu sese tuHt entstan-
den ist. — IV, 451 ist das die Construction venrollständigende üUum in
den Text gerathen: mortem orat: taedet üUxm caeli conuexa tueri. — VII,
28: in lento luctantur marmore remi st tonsae. — VUI, 380: Et durum
Aeneae fleuissem saepe dolorem st laborcm. (Vgl. n, 776 wo umgekehrt
m mit h nach Mafsgabe von VI, 135 labori st. dolori hat) — In IX, 28 f.:
summoque hausit de gurgite Ijmphas Multa orans pnmus st Mnlta deos
orans, dürfte das seltsame pronus wol ursprünglich als Glosse über hausit
gestanden haben, mit Rücksicht auf die Bemerkung des Servius: *Locus
autem iste est secundum augurum morem, apud quos fnerat oonsuetudo ut,
si post acceptum augurium ad aquam venissent, i/ndvnaH aquas haiwrirent
exinde manibus cett.* — IX, 747: At non hoc telum, mea quod tibi dextera
uersat, Effugies. Die Glosse tibi hat das von den übrigen Handschriften
gebotene ui verdrängt — X, 86: Quid refercm exustas Erycino in litore
classis? st repetam. — X, 513: proxima quaeque ferü gladio st metit —
xn, 235: uiuasque per ora refertur st. feretur, —entstanden wahrschein-
lich aus der Glosse referetur. (Serv.: 'tanquam de uiuo omnes loq!iientur')
^ XII, 749: Si guem ueluti si quando flnmine nanetns Cenunn eett st
B, Boffinavm, Zur Kenntnis einiger Vergil-HandflchrifteD. , 147
Inehunim. UTspr&nglich mag Si quem ttber si qnando gestanden haben,
Ina es daan an den Anfang des Verses gerieth nnd Inclnsnm verdrängte. —
Xn, 828: oocidit oecideritqae sine com nomine Troia, st. sinas. Das sine
dürfte als Variante über cum gestanden haben (nach der Leseart des Cod.
Vratisl. : sinas sine nomine), von dem Schreiber des Cod. m aber als Vari-
ante von sinas in den Text recipiert worden sein.
SchlieDilich noch ein Wort fiber die Ueberschriften, welche einzelne
Eklogen im Cod. Minoraug. ffihren. E. I, m, V sind überschrieben: 'Dro-
maiieon vd micUcon\ £. 11 'Caenon vel mictican\ ohne Zweifel mit Rück-
sieht anf Donat\i Classification der poetischen Stilarten (s. Donati Vita P.
Virg. §. 107, Ed. Wagner I, p. CVI). Wenn der Verf. der Feldbacher Col-
lation in dem ^Ckienan vel mictiieon^ an der Spitze der IL Ecl. Donat*s
tertinm genas 'commune vel mixtum* {xotvov vel fiucrov) wiederfindet, so
kdnnen wir ihm darin nnr beistimmen , da allerdings diese Ekloge in die
Gattung gehört, *nbi et poeta ipse loqnitnr et introdnctae personae'. Ent-
sprechend ist die Ueberschrift der 11. Ecl. im Cod. Voss. 'Coinan vel mi-
slon\ sowie die Bezeichnnng der 8 Ecl. in den Schollen des Junilius Fla-
grins (oder Jnnius Philargyms) im Cod. Bern. 172 (a): 'Hoc genus carminis
eenon vel miäon didtnr* '^). Was hingegen das barbarische micticon an-
belan^, das sich auch in der Ueberschrift der IL EcL im Cod. Leidens.
des Heinsins findet 'carmen [durch Vorsehen, oder absichtliche Aenderung
für das nicht verstandene coinon] vd micticon\ so können wir dem Verf.
mdit beistimmen, dass es von ^ixtov *der Endung in diamaticon nachge-
Inldet* sei (S. 5). Wie würde dann dieses ^micticovk neben ^dramaticor^
Vax Bezeichnung von EcL I, m, V gepasst haben? Was der Ver£ als
Gnmd sich denkt, dass, wexm man in Betracht zog, dass in einem ä/ramor
Ucon unter einer der introdnctae personae der Dichter selbst zu verstehen sei,
■an versucht war, die Ekloge auch für mtc^on zu halten', ist nicht stich-
baltig, da die Eintheilung in das genus dramaticum, enarrcctivum und mic
tum die allegorische Natur des Gedichtes und der verwendeten Personen
durchaus unberücksichtigt lasst und nur die durchgehends dialogische oder
durchgehends erzfihlende, oder bald dialogisch, bald erzahlend gehaltene
Form beachtet**). Das micticon in der Ueberschrift der zur rein drama-
'•?
8. Müller, de codd. Virg. cett p. 14.
Die Scholiasten des Vereil machen sich zwar viel mit der Erörterung
des allegorischen Charakters seiner Eclogen zu schaffen, aber wenn
sie dieselben sondern in *proprie Imcoluxi und ^non proprie lmcolica\
so ist ihnen dabei nur ma&gebend, ob überhaupt die in den ein-
zelnen Gedichten auftretenden Personen die Elirtenmaske tragen,
gleichgiltig wer etwa hinter dieser sich berge, oder ob der Dichter
als solcher allein spricht. Zu den 'proprie httcolicis" rechnen sie daher
E. I, n, m, V, Vn, Vni, IX, zu der anderen Art, die zusammen-
fällt mit Donaths zweiter Stilgattung, dem genus enarrativum, 'quod
Graeci ^&fjvriiiitntxdv appellant* (in den SchoUen des Junilius zu Ecl. X
pftüUer, ae codd. Virg. Helv. p. 161 wird es genus exepeticon vel
epangelticon genannt), gehören E. IV, VI, X. ö. C. Guil. Müller,
u>mmentaria lunilii Plagrii, T. Galli et Gaudentii in Virffilii septem
priores eclogas, nunc primum ex cod. Bern, edita (Rudolphipoli 1847)
pp. 9. 14. 20. 25. 30. 35. 37 und dess. de codd. Virg. Helv. p. 14,
148 E. Hoffnumn, Zur Kenntaus einiger Vergü-HandBchriftQii.
tischen Gattung zahlenden Belogen I, IQ, V kann daher nnr corrompiert
sein ans mieticon d. i. mimetican, Donaths 'genas acUtmm vel imäatimim*
ist daher nur die getrene Uebersetzong der mit *dramaHcon vd mimeUean*
gegebenen Classification'^, und so wird denn auch die zur rein dnuna-
tischen Qattnng gehörige YQ. Ecloge in den Schollen des Bemer Codex a
als "mimeticon* bezeichnet"). War nun in der Handschrift, ans welcher
des Heinsias Cod. Leidensis und die WeiHBenauer Handschrift die dassifi-
derenden Ueberschriften der Eclogen entlehnten, das mimetioon als PriU
dicat von £. I, m, V, Vn, IX in micUcon corrumpiert, so erklärt sich
wol von selbst, wie dann dieses mictican mit micton identifidert und statt
dieses an die Spitze Ton £. 11 und VIII treten konnte. Ob das ganz
nngeheuerliche nUsticon in einer Randbemerkung zu £. VUI im Cod.
Minoraug. auf einem neuen Versehen des Schreibers beruht, oder ob es ein
beabsichtigtes Bildungs- Analogen zu dem misverstandenen micticon sein
sollte, kann füglich dahin gestellt bleiben.
Wien. Emanuel Ho ff mann.
16. — Mit Unrecht legt übrigens Servius der VI. Ecl. den cha/raeter
mixtus bei (*nam et poeta praefatur et cantare Silenus indudtuf ),
da der Dichter nur den Gesang des Silen dem Inhalte nach refsriert.
'^ A. a. 0. §. 107 : * . . . actiuum Tel irnüaUmun, quod Graed cT^o^or»-
xov appellant, in quo personae loquentes introducuntur sine poetae
interlocutione: ut sunt tragoediae et comoediae; cTo^y enim graece
agere dicitur: quo genere scripta est prima Tityre et [nonaj *<)uo
te Moeri pedes*.
") S. Commentaria lunilii Flagrii cett ed. Müller p. 37: 'Haec, ecloga
proprie bucolicon. Haec ecloga mimeticon [Cod. memeticos] appelk-
tur. Hac ecloga a Meliboeo iudice conflictus totus narratur, cuint
personam Viigilius scribens Indult.* Diese Worte geben zuglddi
einen weiteren Beweis di^, dass die Grammatiker darin noch kdiie
Aenderung des dramatischen oder mimischen Charakters einer Edoge
erblickten , falls der Dichter selbst sich mit einer seiner Personen
identificierte.
(Fortsetzung und Schluss im nächsten Hefte.)
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
Lateinische Grammatiken.
Praktische Anleitung zum Lateinschreiben in Verbindung mit
üebnngsbeispielen nnd zusammenhäiigendeB Aufgaben in iwei Äbthei-
Inngen bearbeitet Yon K. Fr. Sftpfle. Erste Abtheilung, gr. & (XYI
n. äOS B.) Karlsruhe, Groos, 1862. — 1 fl. 80 kr. ö. ^
Wenn durch den Beisatz 'praktisch* indirect ein Unterschied gegen
das bekannte Buch von J. Ph. Krebs, dessen der Hr. Verf. in der Vorrede
wol hätte gedenken sollen, angedeutet sein soll, so müssen wir von Tome-
hirein sagen, daas uns das Uteie Buch diesen Beisatz mehr zu yerdienen
sdieint. Der Hauptfehler des Süpfle^schen Buches scheint uns der, dass es
nicht nach einem festen Plane gearbeitet ist, mit genauer und steter Be-
rfteksichtigung einer bestimmten Alters- und ünterrichtsstufe. Es sieht
fiahnehr aus, ab ob der Hr. Verf. seine Sammlungen aus dem Gebiete der
Giammatik und Stilistik, die für verschiedene Partien an üm&ng und B^
dfiutong verschieden waren, so wie den nach und nach gesammelten Vor-
lath an Mustersätzen aus lateinischen Schriftstellern und an zusammen-
bängenden Au^ben, welche größeren Theils lateinischen Mustern nach-
gebildet sind, yerwerthen wollte. Hiedurch ist ein Buch entstanden, welches
zwischen Grammatik und einer Anleitung zum Lateinschreiben in der Mitte
steht und häufig nach der einen, häufig nach der anderen Seite hinschwankt
Während die Congruenz- und die Casuslehre in ihrem theoretischen Theile
10 ausfUhrlich und mit Berücksichtigung so vieler Einzelheiten — wobei wir
gerne anerkennen, dass nicht wenige feine Beobachtungen und vielfach
eiue entschieden richtige Aufhssung sprachlicher Erscheinungen vor vielen
dieses Buch auszeichnen — behandelt sind, wie nur in irgend einer aus-
f&hrlicberen Sprachlehre, ist der Conjunctiv in freien Sätzen und die Con-
secutio temporum nicht immer richtig und im ganzen etwas dürftig be-
handelt Auch in Bezug auf die eingereihten, leider viel zu spärlichen
stilistischen Bemerkungen ist kein fester Plan sichtbar. Man vergleiche,
wie §. 123 ff. fiut ohne alle Veranlassung Bemerkungen über die Ersatz-
mittel für deutsche SubatanÜTa oomposita kommen; i^Üirend an anderen
160 Lateinische Grammatiken, ang. v. L, Vielhaber.
Stellen, wo sich solcherlei Bemerkungen fast aufdrängen, keine stehen.
Aehnlich ist §. 134 Zus. 3 eine stilistische Bemerkung üher die Ersetning
pradicativer Genit. possess. durch Adjectiva gegeben, während fftr den von
Substantiven abhängigen Gen. possess. lüchts ähnliches gesagt ist; vgl
Nägelsbach Stilist S. 62 der zweiten Auflage. Die Art, wie die Beispiele
gegeben sind, ist keine gleichmäfbige. In der Gasuslehre wird zuerst zu-
sammenhängend der Casus behandelt, dann folgen üebungsstücke, nach
Beendigung derselben ist eine Beihe Nummern über sämmtliche Casus.
Diese genügen im ganzen, die für die Zeitbestimmungen sind sogar ver-
hältnismäflBig zu zahlreich (an sich kennen wir in einem üebongsbuch kein
Zuviel); aber für den Indicativ und Conjunctiv in freien Sätzen sind ent-
schieden zu wenig (gleichviel als über den Imperativ), ebenso über die
Tempuslehre. Aehnliche Misverhältnisse sind noch mehrfach auszustellen.
Wir erwähnen noch, dass in der vorliegenden ersten Abtheilung die Con-
gruenz und die Casuslehre, die Lehre vom Verb^im und seinen Formen
behandelt ist, also ungefähr die Syntax des einfachen Satzes mit Aus-
schluss des Adjectivs, der Pronomina und Participien. Jedenfalls darf Süpfle*8
Buch nicht ignoriert werden und jedem Lehrer ist zu rathen ridi mit
demselben bekannt zu machen; für die Schüler und besonders für die der
mittleren Stufe ist es nicht wohl verwendbar. — Wir wollen nodi ein par
andere Bücher kurz charakterisieren und dann an einer mä&igen Partie
das zusammenstellen, was uns in einem oder dem anderen derselben nicht
ganz richtig scheint
Praktische Sehulgrainmatik der lateinischen Sprache fSr alle
Classen der Gymnasien und Realschulen von Prof. Dr. H. Moiszisstzig.
Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage. 8. (VI u. 398 S.) Beriin,
Gärtner, 1863. - 22% Sgr.
Das allgemeine Urtheil, das wir bei der Anzeige der vierten Auf-
lage in dieser Zeitschrift XJDL S. 198 tt, ausgesprochen haben, bleibt trotz
mancher Verbesserungen auch für die neue Auflage bestehen. Nebst man-
chem anderen Buche ziehen wie ihm das folgende entschieden vor:
Dr. Friedrich Ellendt*s lateinische Grammatik fOr die unteren
Classen der Gymnasien. Fünfte verbesserte Auflage, mit völliger Um-
arbeitung der Syntax zum Gebrauch für die mittleren GymnasialclasaeD
erweitert von Dr. M. Seyffert gr. 8. (Jü u. 263 S.) Berlin, Weid-
mann, 1862. — 15 Sgr.
Diese zunächst aus den Bedürfhissen des Joachimsthal*schen Gym-
nasiums hervorgegangene Umarbeitung der Ellendt'schen Grammatik reicht,
wenn sie auch zunächst für die obersten Classen (Prima und Obersecunda)
nicht bestimmt ist, dennoch für das ganze Gymnasium vollständig aus,
insofern nach dem von Seyffert an einem anderen Orte ausgesprochenen
Grundsatze: 'Der Schule thut eine Grammatik noth, welche nur die all-
gemeinen und traditionellen Typen der chissischen Prosa Ciesars und Cioerot
und nichts weiter zur Anschauung bringt' (Uebungsbuch für Secunda, S. VI),
in dem grammatischen Lehrbuch nur der wirklich vom Schüler tu leniMidt
Lftteiiiiflclie Gninatiken, ang. ▼. L. Vidhäbef. 151
Ldintoff enthBlten sein soll, w&hrend man allerdings daneben tüchtigen
SehtUerB der zwei obersten Classen oder tüchtigen Oberclassen noch ein
gKammatiBdies Natchschlagebnch in die Hände geben kann, wenn die Schü-
kr sdbst Verlangen darnach haben, was nicht eben immer der Fall sein
dSiftd *). Neben dieser Beachrftaknng anf die wirklich classischen Typen
irt et Tonttgüeh die Schärfe und Präcision der Regeln, so wie die bekannte
Ycrtmatheit des yerdienten Heransgeben mit Ciceronianischem Sprachge-
biMich, welche diese Grammatik sn einer der besten Schnlgrammatiken
■lachen. Freilich gibt sich hie und da in erkennen, dass dem Stilisten
M. Seyffert manche grammatische üntersnchnngen, besonders in Program-
BMn lerstrente, unbekannt geblieben, und dass anderseits die Grenzen
iwischen Grammatik und Stilistik nicht scharf genug gezogen sind, vgl.
1. R §. 203 ff., so wie dass manche Partien der EUendt*schen Grammatik
«ne nodi sorgfältigere und weitergehende Ueberarbeitung bedurft hätten.
Doch mag man auch manche Ausstellung erheben können: denen, welche
dem ganaen Lateinunterricht eine Grammatik zu Grunde legen und sich
kiebd nicht mit der kleinen Grammatik von Schultz oder Siberti-Meiring
begnügen, wären zunächst wol folgende Grammatiken zu empfehlen: £1-
kndt-Sejffert, Berger, Englmann, Fromm, zwischen denen die Wahl mehr
foo änfberen Umständen und der subfjoctiYen Ansicht des Lehrers — so
kalt Bich Seyffert an die Zumpt^sche Anordnung, Englmann und Berger
an die Krüger*8 und Kühneres, Fromm ist in manchem ganz eigenthüm-
lidi — abhängig zu madMn sein dürfte.
Kl«iBe lateiniache Sprachlehre, zunächst Ar die unteren und mitt-
leren Classen der Gymnasien bearbeitet ?on Dr. F. Schultz. Siebente
Terbesserte Ausgabe. (Vm u. 255 S.) Paderborn, Schöningh, 1863. —
13'/, Sgr.
Litmnische Sprachlehre, zunächst für Oymnasien bearbeitet von
Dr. F. Schultz. Fünfte Terbesserte Ausgabe. (XYI u. 692 S.) Pader-
born, SchGningh, 1862. — 1 Thlr. 10 Sgr.
Beide Bftdier sind in Oesterreich so bekannt, dass es weiterer Cha-
lakteriaierungen nicht bedarf; aufeerdem haben wir selbst die kleine Sprach-
lehre schon zweimal in dieser Zeitschriffc besprochen. Wir werden in dieser
Anzeige dieselbe nicht besonders erwähnen, da sie jetzt mit der gröfseren
quaUtatiT fibereinstimmt Die grOXI^ere Grammatik hat in dieser Auflage
) Welche Bücher man reiferen Schülern empfehle, ist an sich ziem-
lich ^leidigÜtig, nur ist es wol nicht gerathen, Schülern, welche
an die ZumnVsche Weise gewöhnt sind, Grammatiken zu geben, die
mit mehr ooer minder groDsen Accommodationen an's hergebrachte
auf dem Stendpunct der jBecker^schen Syntax stehen und umgekehrt
Für den einen Fall sind neben Zumpt und Madvig vor allen die
Grammatiken Ton Schultz und Meirin^, für den andern von Kühner
und die nidüit ganz mit Recht ziemlich TerschoUene von Weilen-
bom, so wie für sehr vorgerückte Schüler die von Krüger als pas-
send zu bezeichnen. Natürlich können auch manche der später zu
nennenden etwas knapper gehaltenen so verwendet werden (von
FsMun, Berger, finglmann).
15t Lateinische Grammatiken, ahg. t. L. ViMa^',
manche weiter gehende Aenderongen erfahren. So ist die GasnrieliTe riel-
£em^ geändert und in Uebereinstimmong mit dem kleineren Buche herge-
stellt u. a. Die wichtigste Neuerung ist die, dass der Verfasser, der froher
als ein Vertreter der hergebrachten Orthographie bekannt war^ nunmehr
selbst sich zur Aufnahme der durch die neueren Untersuchungen gewonne-
nen Resultate entschloss. Er hat dies zwar im ganzen mafbvoll gethan,
sowol in der Grammatik als in den anderen von ihm herausg^ebenen Lfkar-
büchem, aber doch geht es nicht ohne einige Störung des ünterridites
ab, wo, was nicht zu Termeiden ist, Terschiedene Auflagen neben einander
im Gebrauche sind. Indessen das thut wenig zur Sache. Ob indee der
Verüasser in Zukunft nicht noch manches, was er jetzt flbr zweifelhaft hSH^
als feststehend betrachten wild, das werden die nächsten Auflagen zeigen.
Sehr dankenswerth ist §. 10, S. 9 ff. eine Uebersicht der Worte, deren
Schreibung von der neueren Forschung anders gestaltet worden ist, nodi
dankenswerther würde sie sein, wenn der Verfasser sich entschlieDien körnte,
diesem gröÜBtentheils nur fär die Lehrer bestimmten Theile Literatnian-
gaben beizufügen, so dass auch der, welcher solche Untersuchungen nicht
selbst mit anstellt, doch jedesmal in den Stand gesetzt wird, zu wiesen,
wo die entscheidende Abhandlung ist Baum wäre auch dadurch leicht in
gewinnen, dass der Verfasser die Vorreden der früheren Auflagen etru^e.
Ueberhaupt wünschen wir, dass das Buch den Charakter eines Lembuoliei
ganz abstreife (Formen hat gewiss noch niemand aus ihr gelernt) und sich
auch in der Formenlehre (in der Syntax ist es mehr oder w^uger bereite
geschehen) zu einer Darstellung des gesammten lateinischen Sprachbaues
erhebe. Damit wäre natürlich verbunden, dass die Quellen- und Literatif*
angaben (natürlich nur Angabe einer wenigstens für jetzt abechliellienden
Behandlung) in ganz anderem Mafsstab einzutreten hätten als jetzt
Wir wollen nunmehr an der Lehre von der Congruenz und den
Casus auJfoer dem AbL zu zeigen suchen, was wir an jedem der beieicli*
neten Bücher für verfehlt oder fehlend halten.
Schultz §. 240. Unter den Subjecten sind die stellvertretenden Ne-
bensätze (vgl. mit si Sali. J. 65, 2. 85, 10, mit cum Tac Agr. 2, guia
Tac. A. 2, 43 und 4, 3 nach der Ueberlieferung von M, und PräpoaiticH
nalsausdrücke Liv. 22, 31, 5. 43, 23 med. Heerwagen zu 22, 41, 2. 24^
5, 12 ib. Fabri 21, 62, 5 Tac. A. 2, 60) zu beachten. Suet Ner. 57
vertritt ein gen. quaL das Subject — £b. A. 1. Die Auslassung des Smb*
jectes war eingehender zu besprechen, man vergl. Fälle wie Nep. PeL
3, 3. Tac. A. 3. 62. 11, 14. 11 , 24 und Formeln me siüa fert u. iL vgl
Tac A. 3, 15. H. 2, 44. — £b. A. 4. Auf die Ausdrücke pro eonsüle,
pro praeiore b]s Prädicate war Rücksicht zu nehmen, Fabri Liv. 28, 30, 19,
auf eben dieselben und besonders bei Tac beliebte Wendungen^ vgL A. 2, 3.
2, 4. 2, 27. 2, 63. 2, 77 wol auch 2, 73. 1, 27, war Rücksicht bei der Ap-
position zu nehmen. Unter den Adverbien verdienten noch tatis, firustra,
inpune (Cic Mil. 12, 31. Orelli zu Tac A. 1, 72) erwähnt zu werden. —
§. 241 A. 3, 4. Für die SynesLs des Prädicates in Genus und Numerus genügt
es für Anordnung, da Genus und Numerus geschieden und in A. 4 doch wieder
ineinander gemengt sind, so wie für manche nicht richtige Behauptung
Lateinische Grammatiken, ang. v. L. ViMaber, 158
anf dia Abhandlung von Gr&ter: üeber die Sjnens in der lateinischen und
gneehischen Sprache, Progr. Ton Münster 1855, zn Yerweisen. Aa/ii6Tdem
Badatfib&ffr, de Sallustii dicendi genere commentatio, Programm des Friedrich
inihdms-Gymn. in Berlin 1868. Auch £11. §. 133 Anm. ist nicht ganz
ridrtig, da doch hei parHm -^partim und selbst bei qmsq^te auch im selben
Satze Ton Cic der Plnral des Piftd. gebraucht wird, s. Grüter a. 0. 8. 12
ind S&. — M. §. d5i A. *Wenn die SnbjectiTe unpersdnliche Gegenst&nde,
gen. fem. sind, so kann das Prftdioat auch im Neutr. plnr. stehen.' Fast
in aUen Grammatiken stehen Sätze wie honores, vietoriae fartuUa suM
(Cic). Labor whiptaique . . . sodetaU gmdam mter ae wUturaU 8wU
nmeUi. — EIL 137. *Die einÜMdiste Art einen Satz zu erweitern, ist die
Beiftgnng einer Bestimmung zum Subjeot Ist diese Bestimmung ein Ad-
jsetiY (Part Pron.), so heifist sie Attribut, ist sie ein SubstantiT, so nennt
man lie Apposition.' Diese Erklärung ist fiu£nrlich und Msch, da sie einen
■idit geringen Theil der Attribute flwnen Bhenus, mare Oeeanus, hämo
Qüüms, tmüier aneüla, ohms saeerdoa u. JL der Apposition zuweisen würde.
Das Attribut macht das Genus zur Species, die prftdicative Beifügung
ckankterisiert einen Gegenstand und hebt ihn, ohne aus ihm etwas an-
deres zu' machen, aus seines gleichen heraus, mües foriis, exercitus prae-
iak^ ex 90on$ u. ä.; die Apposition fügt eine äulbere Bestimmung, statt
als Piftpositionalausdruck oder Satz zum Verb, zum Subject Am wenigsten
ist anch sonst die Verschiedenheit der zweiten Classe von der dritten
beaehtet; Seh. hat §. 243, 1 die zweite und erste nicht geschieden. —
8c1l f. 243 A. 2. Gut sind die Fälle, in denen Präpositionalausdrücke erlaubt
siad, auseinandergelegt bei Grysar, Theorie des lat Stils, S. 110 ff., vgL
anch MIgelsbaeh S. 201 ff. — Eb. A. 3. Nicht auf gleiche Linie sind zu
stellen die DatiTe bei den VerbalsubBtantiTen auf to und or (andere Ver-
bindungen 8. bei Both Agr. Exe. XI) mit den LocalTcrbindungen, die sich
hänfig bei denselben Worten finden, die Appellati va mit Präpos. haben,
bezeichnend ist Cic. Sest 63, 131 und Suet Ner. 15. — Eigenthümliche
Ablat. 8.SalLJ. 85, 29. Liv. 23, 37, 5.-Sch.245 A. 2. Sü.§.45. Wenig-
skens nicht immer ist das AppeUatiyum mit dem appositiven Relativsatz
Tcrbunden, s. WeiÜMubom zu Liv. 1, 44, 4. Fabri LIt. 23, 7, 4. — Eb.
A. 8. Die Congruenz des Piädicats mit der Appos. ist nicht auf Städte-
namen zu beschränken, Tgl. Cic Man. 5, 11. des. b. c. 2, 19, 5, und wol
anch Tac. A. 8, 21, ib. 2, 17, vgl auch Cic. Brut. 75, 262. — Eb. Anm. 4.
Der gemachte Ansatz, die partitive Apposition einzuführen, sollte durch-
geführt werden; die hauptsächlichsten Angaben s. bei Dietsch zu Sali. J.
66, 2, Kirchner Hör. Sat. 1, 2, 101, Schneider zu Cas. b. g. 1, 53, 4, Fabri
lu SalL J. 104, 3. 66, 2. C. 1, 7. 2, 1, zu Liv. 23, 49, 2. 24, 10, 4. Nipp.
Tac A. 12, 40. Ebenso dürfte die Satzapposition (s. Madv. zu Cic. de fin.
2, 23, 75, Grysar Theorie S. 97, Fabri Sali. or. Lic 26, Roth Tac. Agr.
Sic Vm Nipp, zu Tac. A. 1, 27) zu ergänzen sein. — Ell. §. 141 und M.
|. 361 hätten die bekannte Synesis ex eo numero, qw — erant erwähnen
•ollen, s. Grüter a. a. 0. S. 18. Seh. §. 247 vermisst man die Fälle, in
densn Pxon. reL und demonstr. im Neutr. sing, oder plur. stehen, in Be-
CütMlirUI r. d. öttmr. QTnii.UM6. IL ■. III. Holt. 11
156 Lateiniscbe Qrammatiken, ang. ▼. L. Vidhabtf.
'bezeichnet der Acc. den (Gegenstand oder das Objeot, auf w^lchea aicli
die Thätigkeit oder der Zustand des Subjects bezieht oder erstreekt.
Diese Beziehung zwischen Subject und Object ist entweder eine Uolk
äoTserliche zufällige, oder das Object bezeichnet einen solchen Gegenatand,
der aus einer Thätigkeit henrorgebt, die Wirkung oder das Pioduet der-
selben? Das 'Object' ist in einem eigenthümlichen Dämmerlicht iwiadieB
der logischen und grammatischen Bedeutung gehalten; durch das EIb-
schiebsei 'der Zustand* soll offenbar das innere Object und der Acc. der
Ausdehnung in die Definition aufgenommen werden, aber mit den Wortes
'bezieht oder erstreckt' kehrt S. wieder zur gewöhnlichen Auffassung, wie
sie sich bei M. findet, zurück. Die Beziehung endlich zwischen Subject und
Object ist immer eine zu&llige^ denn auch beim effectiven Object, Ar daa
passendere Beispiele beigebracht werden konnten — foedus ferire, foeden
iwngere, castra viam munire, roffore camuleB, misericordiam permcvert,
numare picem , sttdare scmguinem ^) u. ä. — ist das Zustandekommen dei
Objectes nicht davon abhängig, dass das bestimmte Subject diese oder
jene Thätigkeit vollzieht Die Bezeichnung Schultzen's ist ein nicht yob
Bedenken freier Vermittelungsversuch zwischen der ideellen und der sinn-
lichen Auffassung der Casus. — S. 49 führt aufser dem bekannten iuvare eta
noch manche Verba auf, die im latein. transitiv sind, im deutschen intranaitiT.
Manche darunter sind jedoch nicht immer transitiv, so desperare. Über daa
vergl. Hildebrand Progr. Dortmund, 1854, S. 5 ff. Seh. hat dieses §. 261
neben anderen zusammen, die eigentlich intransitiv sind, aber transitlT
gebraucht werden. Leider ist die Ordnung dieses Paragraph eben nicht die
beste. So ist von Anfang an zusammengestellt desperare rem, nuimere aU-
quem, properare rem, queri aliquid u. ä. mit ludere borwm civem, moli-
Ham olere, classes loqui. Von da wird in A. 2 übergegangen zu tnare am'
Indare, scelus anhelare, dtdce ridere, resonare luco8 ccmtu, mcmare mdla,
triumphare gentem. Endlich A. 3 zu den eigentlichen inneren Objecten, deren
Schluss aetatem vivere u. ä. Wendungen machen, die von Dichtem auch
passivisch gegeben werden — eine Beschränkung, mit der vgL Oaa. b. g.
5, 39, 4 gegen 2, 6, 1 u. Su. 58 A.a Besser ist der bei Seh. beabsidi-
tigte Gang von den gewöhnlichen Obj. zu den inneren bei M. §. 369 n.
£. 156, 157 , welche auch darin richtiger thaten , dass sie nicht mitten
zwischen gewöhnlichen Obj. hinein die inneren setzten , wie Seh. Sü. be-
handelt diese Partie §. 54 ff. ausführlich freilich mit manchen Mängeln.
Warum wird unter den zulässigen Verbindungen nicht schon S. 65 servir
tutem servire aufgeführt? s. Cic. Mur. 29, 61 Tischer. Auf ölere vimm
Gut ist dieser Theil behandelt von H. Schreier im Programme von
Olmütz 1862/68. Es ist dort für den Acc. u. Dat. (Nom. u. Voa
zählen nicht mit) der Versuch gemacht, die Darstellung der griechi-
schen Grammatik von G. Curtius, welche trotz ihrer VerstäncUichkeit
wissenschaftlich ist, für die lateinische Grammatik anzuwenden. Ge-
lungen ist das beim Acc. ; beim Dai will uns an sich die Curtius'ache
Darstellung nicht recht befriedigen. Schreier hat sie zwar etwas ver-
bessert aber nicht ganz geändert. Jedenfalls ist zu wünschen, da»
die Fortsetzung bcud folge, und besonders die Darstellung des Gen.
ebenso gelinge als die des Acc.
LateiiiiBche Grammatikeii, ang. ▼. L, VieXh/aher. 167
lU^ dk Reetion der Stftdtenamen, mare (mhuhre, noetes vigüarej dann
Mk€ere se, i$Uerpanere <e o. &., dann wieder Curios, ck^es loqwi, clamare
mduB Aomtnw, audire Labeonem (wovon schon §. 49 die Bede war), end-
lidi wird znm abBolnten und intransitiven Gebrauch der transitiva fortge-
gangen. Nach nnseror Anf^issnng des Acc. ist das sogenannte innere Object
die Gmndbedentnng desselben, alle anderen Gebranchsweisen sind ans dieser,
der Angabe des Inhaltes des Seins, entstanden.
Wir können im folgenden schon des Raumes wegen es nicht ver-
suchen, eine vollständige Darstellung des Accus, von dieser Grundlage aus zu
geben, sondern wollen nur an ein paar Fällen zeigen, dass auch die schein-
bar disperatesten Verbindungen sich ganz wohl aus dieser Grundbedeutung
erklären lassen. Was besonders bei Schreier §. 11—15 schon als inneres
Object aufgeführt ist, wollen wir unerwähnt lassen, uüam Nestoris uiuere
ist nach bekannten Analogien geworden zu Nestora uiuere; mit ersterem
ist dem Sinne und der Construction nach vollkommen gleich uüam mül-
tofwfii annarum uiuere , aus dem durch denselben Gang entsteht midtos
mmo8 uiuere, natum esse, discedere transuermm unguetn ist soviel als
äiicedere diaeeaeionem transuersi unguis. Von ire üionem Eomae (oder
PApositionalverbindung, vgl. Ces. b. c. 1, 4, 5 daselbst die Erklärer) zu
ire Bamam (einen Bomgang machen vgl. das volksthümliche 'Mariazell-
gehen*) bleibt man durchaus innerhalb der sonstigen Analogien. Ebenso
ist es in Wendungen wie uenhs maria onmia uecti (» uecHones maritimas
ueeti). Nicht selten sind Wendungen wie inüium oritur, nascitur s. Fabri
zu Liv. 24, 47, 7. Kraner zu CJas. b. g. 5, 26, 1. Nägelsbach Stil. S. 138
•ftdHHfi inehoare Liv. 32, 29, 5. Tac. G. 30, indieium patefacere s. Dietsch
u. Fabri zu SalL J. 73, 1, in denen offenbar dieselbe Vollständigkeit ist durch
die Angabe, dass das im Genit. oder sonst abhängige der Inhalt des Verbs
sei, wie in den anderen fallen des inneren Objects. Daraus entsteht nun
rem inehoare, caniuraiionem patefacere ganz so wie aus fiiytt xp^vSoq
ipiv^ertu wird fjiiya xp^v^itm. Ebenso wird von factionem facere (man
erlaube diese Verbindung) und dictionem dicere fortgeschritten einerseits
durch facHonem facinoris f, zu facinus facere y anderseits zu facere und
dicere mit einfachen äullseren Objecten. Dasselbe zeigt deutlich das Be-
stehen der selteneren Constructionen audire diiquem s. Nipperd. zu Tac.
A. 4, 23. narraflte (diquem Virgil. Ae. 2, 549. Ov. M. 14, 731. narra/re miror
cvda u. a. neben den gewöhnlichen Constructionen, sowie die Verschieden-
heit (fcr Construction bei purgare excusare, defendere u. a. Wie manche
Verba doppelte Construction zulassen, so kann es sein, dass der Inhalt einer
Handlung sich nach zwei Seiten offenbart (flagitare flagitationem frumen-
tariam u. fl, fi. Haedtwrum — Haeduos frumentum flagitare) oder, dass
ein (Gleichsein oder) Gleichmachen zweier verschiedener Inhaltsformen den
dnzigen Inhalt des Verbs bildet, wo dann eben die beiden im Verhältnis
Ton Object und Prädicat zum Verb treten. Uniueraus popülm dedarauii
dedarationem Oceronis und dedarationem consxdarem, so dass die zweite
an die Stelle der ersten tritt, dafür Ciceronem w. p. canstdem dedarauit.
Dies mi^ genügen um die Ansicht, dass der Accusativ ursprünglieÜ niohti
war ab die Form , durch die man den Inhalt einer J^dlung üiinM
158 LateiniBche Grammatiken, ang. t. L, Vielhaber,
(nominal), und dass von dieser Ansicht aus sich alle Erscheinungen er-
klaren lassen, was hei anderer Auffassung nicht zu sein scheint, wenigstens
zum Theil zu begründen. In den vorliegenden Büchern kann mit Aus-
nahme Seh. freilich von einer solchen Entwickelung keine Bede sein. Sie
müssen vielmehr den gerade umgekehrten Weg gehen und die verhUi-
nismäfsig ferne liegende und nur in nicht zahlreichen Besten übrige Q^
brauchsweise an den Schluss der Darstellung verweisen , das jüngste und
darum eben zahlreichste Product des Sprachgeistes^ die äulseren Objecte
voranstellen, ein Unterschied, der zwischen wissenschaftlichen und den nur
praktischen Zwecken dienenden Darstellungen ja Begel ist. — Sü. §. 61. Es
ist wol zu scheiden, wo eine grammatische Nichtbezeichnung des ans dem
coordinierten oder subordinierten zu ergänzenden Objectes stattfindet, wo
das Object ohne solche Gründe fehlt, weil kein Misverstandnis möglich ist,
und wo kein Object steht, weil eben keines zu setzen möglich wäre, aufser
allenfalls das allgemeinste 'etwas' oder 'welche'. Für's erste bedarf es keiner
Beispiele, da von Grammatikern und Stilisten allgemein darüber gehandelt
wird. Nur der Gebrauch von de statt eines Obj. s. Fischer Bectionslebre
bei Csßsar I, Programm von Halle 1854, S. 12. Kraner C»s. b. g. 1, 42, 1.
4, 13, 5. Badstübner de Sallustii dicendi genere commentatio. Berlin, Pro-
gramm des Friedr. Wilh. Gymn. 1863, S. 12, Pabri zu Sali. 3, 2, u. Fabri
zu Liv. 23, 38, 9; die Phrase res postulal, resposcU J. Sali. J. 12, 3. 70, 3
und Wendungen wie die von Fabri zu Sali. C. 5, 9 und Nipperd. zu Taa
A. 4, 59 besprochenen, verdienten Erwähnung. Wichtig ist die zweite Art,
zu der neben mauere ducere u. ä. auch facere (opfern) proßeri (namen)
iubscribere mereri (stipendia), curare (commandieren), petere (magistrcstum),
adpeüere (landen), ferre (vom Wind u. ä.) gehören. Zur dritten Art rechnen
wir agere und agitare im Sinne von esse s. Fabri SalL G. 6, 5. Tac A. 1, 68.
1, 49 u. a. turbare revoltieren, vgl. Tac. A. 1, 20. tdercure eb. susUnere s.
Gudend. zu Csbs. b. g. 2, 25, 1. his pawtibus pabukUum fnütebat Csbs. b. c
1, 40, 1. Fabri Liv. 21, 48, 9. dabat et famae Tac. A. 1, 7, wo Nipperdey
nicht ganz mit Becht die zur ersten Art gehörigen Stellen Caes. b. g. 1, 13, 5,
Cic. fam. 13, 9 citiert audere Tac. H. 1, 35, 5, 13 u. Kritz zu Agr. 15fin. —
Sü. §. 62. Unter den in eigentliche Intransitiva übergehenden Transitivis
war indinare zu erwähnen, s. Fabri zu Liv. 23, 33, 4. mutare Liv. 3, 10, &
Taa A. 12, 29. deflectere u. flectere s. Cic Coel. 12, 40. Andere s. bei
Haase zu Beisig Anm. 319. Kühner Gr. §. 108, 2. — Seh. §. 240. Anm. 4, E.
§. 159. Anm. M. §. 372. Die bekannte Unterscheidung zwischen aemulari
mit Dat u. Acc. ist zu unsicher, um aufgenommen zu werden, s. Haase
a. a. 0. Anm. 544. — Seh. §. 251, E. §. 156. Als Transitiva konnten ange-
führt werden süere Cic. Mil. 7, 18. Liv. 27, 10, 7 (con)solari Nipp, zu Tac
A. 3, 24. — E. §. 158 behandelt den Accus, bei Compositis am besten, be-
sonders sind die Verba des Uebertreffens nach dem besten Sprachgebrauch
festgestellt. Zu erinnern ist, dass bei Csesar cmtecedere auch in tropischer
Bedeutung nur mit dem Accus, b. g. 3. 8, 1. 7, 54, 4. b. c 3, 82, 5, an-
teire nur absolut , dass egredi nur mit fines munüiones , was auch Seh.
§. 25, 2. AnuL 4 anführen sollte , sonst mit ex extra oder blofsem Abi.
vorkömmt. M. §. 370 durfte nicht egredi wbem als regelmäflsige Construc-,
LateimBche Grammatiken, ang. ▼. L, Vidhaber, 159
tbn hiittielleii, ebenso wenig das erst Livianische (WeiTbenborn zu 1, 29, 6.
2, 37, 8w Fabri xn 23, 1, 3) excedere isuriMn. Bei Cesar steht excedere nur
mit dem AbL mit oder ohne ex, — Sü. §. 53 hätte die Composita mit awtCy
dreum, per, praeter ron den andern sondern sollen, femer war kein Grund,
die Composita mit irans dann adigere aiiqiAem iusctirandumy animttm aduerto
rem wegen der zwei Aocns. von hier weg zu den Verben des Fragens zn
stellen. Dasselbe ist gegen Seh. §. 257, Anm. 2 zn bemerken, der femer
aätke aüquem nicht §. 252, 2, Anm. 5, wie M. §. 400 anf die tropische
Bedentang beschrftnken durfte. Auch E. §. 158 zieht eine nicht gerecht-
fertigte Unterscheidung s. C»s. b. g. 2, 7, 3. 3, 7, 1. 3, 11, 1. 4, 20, 2.
4, 21, 8. 6, 35, 6. b. c 3, 85, 2. 3, 102, 6. 3, 103, 1. — Sü. §. 65, 5. M.
§. 370 Anm. 2 fehlt amms tnUectua u. ä., für Sü. beachtenswerth waren
Stellen wie C«bs. b. c 1, 40, 4. Lir. 21, 56, 8 u. 9. — Seh. §. 253. Nicht
blofs follü me war zu erwähnen, sondern auch der Livianische Gebrauch,
dass ein prädicatives den Uauptbegriff enthaltendes Partie, zum Subject
tritt: nee fefeUit ueniens Tuactäanum ducem Liv. 2, 19, 7 das. WeiX^enbora,
YgL Fabri zu 21, 48, 5. An eine directe Entlehnung aus dem griechischen
ist hier ebenso wenig zu denken als sonst.
M. §. 379. S. §. 65, 2. Die Yerba des Forderns und Bittens werden,
wie es Seh. gethan hat, am besten darnach geschieden, dass zu den ersten
dia Saehobject, zu den zweiten das Personenobject das nächste ist. Da-
duth kommt man auch mit der passiven Constmction am einfachsten zu-
recht. Sft. hätte 3 die Wendung populum (plebem) rogare magistratum
z. B. Liy. 3, 65, 4. 6, 42, 14 erwähnen sollen. Ferner dürfte von Seh.
§. 858 auch precari erwähnt werden. Denn neben deosprecari findet sich
preeari detüB hoc Lucan. 2, 699, precari aiiquid ah aiiquo Nep. Timol. 5, 3,
fgL Cic LaeL 17, 56 und den blofäen Sachaccusativ Tac. A. 2, 26. — Seh.
§. 257. Auch eonsulere aiiquem mit neutr. Pron. war zu erwähnen s. Tischer
zn Cic. Mur. 13, 28. Sowol Seh. als M. g. 382, A. 3, sollten den Gebrauch
der neutralen Accus, weiter ausdehnen, vgl. E. §. 157 b. Nur ist noch eine
Scheidung zu machen. Manche dieser Neutra sind die einfachsten Formen
dee Inhaltsobjectes, man vgl. mit muUa deos aurasque pater testatus inanis
Wendnngoi mit plurimum Sali. J. 99, 1. Liv. 24, 20, 13; aliquid Liv. 21,
12, 4; Fabri zu 23, 13, 4 und zu 21, 52, 4; mit inmensum Tac. A. 4, 27.
12, 28. 3, 30. 3, 20; dagegen sind die meist angeführten id laetor, id moneo,
id eogo, quid ueniat.f iUud quidem addi$ci nan possum Cic. fin. 1, 5, 14,
wozu Madvig, id indignor Liv. 24, 8, 17 dazu Fabri, endlich Fälle, wie
qmd missus huc sum u. ä., wenn auch auf das innere Object zurückzu-
führen, doch schon eine Weiterbildung dieses Sprachgebrauches. Darauf
führt auch Haase bei Reisig Anm. 559. — Ell. §. 193. Beim Acc. der Aus-
dehnung wäre die Art, wie Caesar das Entfemungsmafis angibt, wenn der
Ansgangspnnct nicht gegeben ist, s. Kraner zu b. g. 2, 7, 3, zu erwähnen.
M. §. 384. A. 4 hätte neben crassus auch magfitisvLnäprofundus erwähnen
sollen. £b. A. 5 u. Sü. §. 68 Zusatz ist zuviel behauptet. Denn bei all-
gemeiner Mafsangabe sagt Csesar auch magnum spaHum abesse b. g. 2,
17, 2. — - M. 386 bespricht die Constmction der Städtenamen in Verbin-
duBg mit A4ject. u. Pronom. Da die zusammengesetzten Alba Longa, Äscfih
160 lAteüuBcbe Grammatiken, ang. t. L, Vidkaber.
lum Apulum n. ä. ausgeschieden sind , bleibt flur die Proea wenig übrig;
dagegen übrigens, dass das wohin nur durch den blol^n Aco. ansgedrOckt
werde, s. Kühner §. 116, A. 2. - Eb. §. 388. Seh. §. 259. A. 5. Nicht bloA»
dami cHienae, sondern auch dorn/um regiam SaU. J. 76, 6, also wol ühet-
haupt bei Adj. possess. — Seh. A. 6. httmo 'vom Boden* steht aolber bei Dich-
tem auch Sali. J. 79, 6. A. 8. Die besprochene Pragnanx (Num qmd üo-
ffiant vis u. ä.) ist vor allen in den von Weiüsenbom und Fabri sn liv. 22,
11, 3 besprochenen Verbindungen mit edkere und indicere wichtig. ^ St.
§. 144, A. 2 will die Ländernamen im Acc. auf die Fälle beschränken, wo
man zur See in das betreffende Land gelangt Indessen s. Cic Mar. 16^ 84.
Nep. Dat 4, 1. Etwas vorsichtiger gibt WeilÜB^born Gramm. §. 28L A.5
und zu Liv. 10, 37, 1 dieselbe Bemerkung, dass vorzugsweise Küstenländer
so construiert wurden: indessen wie viele der von den Römern häofigw er-
wähnten Länder waren denn nicht Küstenländer? — Seh. §. 259, A. 6 verdient
orbi terrarutn , s. Halm zu Cic. Verr. 4 , 38 , 82 Erwähnung. Nicht ni-
wichtig femer ist die Bemerkung Teipel's Anl. I, S. 19, dass von Sinope
der Locativ Sinopae lautet, Cic d. leg. agr. 2, 20, 53. — Sü. 146. YlrMn-
dungen wie Syracusis in foro sind nicht Ausnahme sondem Regel, s. Halm
Cic Verr. 4, 29, 67; Wei&enb. Liv. 21, 49. 3. — Seh. §. 260, A. a Wenn
quo mihi forttmatn elliptisch ist, wie Seh. selbst mit Recht angibt, so kann
es nicht zum Acc. des Ausrufes gehören. — Seh. 262 hat unter dem sog.
griech. Acc manches nicht dahin gehörige. So ist das VirgiL ne tamkk
animia adsuescUe heUa s. auch Liv. 21, 33, 4 Fabri gar nicht verschiaden
von manchen anderen sich findenden, die nach der Constmction von eir-
cttmdare gebildet sind, so circumferre Yirg. A.6, 229. adotere ib. 1, 704.
7, 71 s. Wagner zu 4, 500. Ebenso ist magimm agri niodum censeri mie
einfache Fortbildung des Inhaltsobjectes vgl Hör. £p. 2, 3, 383 praeserHm
cenaus equestrem summam. Uebrigens hätte vicem, reUqua, cetera u. ä. s.
Sü. §. 73. Erwähnung verdient, ebenso wrüe accus s. Suet Oci 44. Nipp«
Ta. A. 4, 62. — Sü. §. 72. Für den Medialgebrauch mancher Passiva mit Obj.
ist vor allen bezeichnend Yirg. G. 3, 499. — So lange Seh. §. 215, 1 die A^j.
auf hundus eben als Adj. behandelt, sollte beim Acc. den mit Acc verbun-
denen uitabundus Liv. 25, 13, 4; conHonabundm Liv. 347, 3 o. pcpukh
bwndus Gell. 11, 15, 7 ein Platz eingeräumt werden.
Der Dativ ist sowol was Anordnung als Sorgfalt der Ausföhrung
betrifft, am besten beiSü. behandelt, nur liegt es noch dem Wesen dieses
Casus und der Häufigkeit der Anwendung näher, mit dem Dativ beim
Intransitivum und zwar dem allgemeinsten esse zu beginnen. Für eine
Definition des Dativs hat wol Sü. selbst die Worte des §. 75 nicht geben
wollen, die vorläufige Uebersicht über die Grebrauchsfälle stimmt mit der
weiteren Darstellung nicht ganz. E. steht Sü. näher, während M. den bei
Seh. eingeschlagenen Gang im ganzen festhält. Bezeichnend für So. ist,
dass der Dativ bei Yerbis in Uebereinstimmung mit dem Deutschen bei
Seh. den kurzen §. 263 ausfüllt, während Sü. dazu über zwei Seiten ver-
wendet, kaum zum Yortheil der 'praktischen Anleitung'. — Seh. §. 264^
A. 1. E. §. 166, A. 5. Bei proprius kann kaum von einer Abhängigkeit
des Gen. gesprochen werden, denn dass proprius die Gen. YerbindujQg wm
Lateuusehe Gnunmatiken, ang. y. L. Tielhaber. 161
ferdeatlielit (vgl. communis z. B. Cic. Sest. 3, 8, Mar. 27, 55, Mil. 8, 21.)
ingen recht deutlich die Stellen , wo statt des Genitivs oder Dativs des
FenonalprDiioiiieiis daa Possessiv eintritt; s. Sü. §. 131 G.; Kraner Cibs.
h. e. 3, 20, 3; vgl Haase bei Reisig Anm. 529. — Seh. A. 4. Der Da-
tintB ethieuB gehOrt nicht zum Dativ bei den Adjectiven, sondern bei
Yeibia, ferner stehen quid tifn vis ? o. ä. dem ethischen Dativ weit femer
als der von Sü. §. 85 Anm. nach Seyffert Schol. lat I, S. 134 angeführte
Qebnmch bei Ehiwürfen, da an Stellen wie Cies. b. g. 1, 44, 8. quid
tibi vdki cwr tn mos possesmnes venirel s. Liv. 24, 47, 4 Fabri der
Dativ recht eigentlich ein Dat. comm. ist. Anderes, was mit ebenso viel
Recht hätte angeflkhrt werden sollen, ist von Seh., weil in seinem Schema
kein rechter Platz war, übergangen, so der freilich anch für Cic. in seiner
Ausdehnung nicht recht bestimmte Fortschritt vom gewöhnlichsten Dativus
commodi einerseits zu den fast pleonastischen Formen sanare sibi ipsos
Cic Gal 2, 8, 17 Halm, und suus sibi Seyffert zu Cic. Lael. 13, 45, S. 303.
Haaae bei Reisig Anm. 387 ; anderseits zu dem Dat. zur Angabe eines Ur-
teilenden Sü. §. 83, a, liberum fingenti s. Weif^enbom zu Liv. 26, 38, 10
a. ft.; bei geographischen Angaben bei Partie. WeiXisenbom zu Liv. 1, 8, 5,
Fabri zu 21, 38, 5 u. &. — £. §. 166, Anm. 4. Der Accus, beim Adjectiv
propioT proodmus auch in eigentlicher Localbedeutung ist mit dem beim
Adverb in Bezug auf Häufigkeit nicht auf gleiche Linie zu stellen. S. Fabri
8alL C. 11, 1. Nipp. Tac. A. 15, 15. Bei Gas. ist der Accus, wol auXiser
der angeführten Stelle nur noch 3, 7, 2. Aehnlich steht es bei Sallust. s.
Badatülmer a. a. 0. S. 20 f. — Nach M. §. 392 kann §. 393 nur als An-
■Mrkung gegeben werden. 394. Zu sagen igfni simüis und ignis s. sei gleich
gut, ist keinesfiidls richtig, man kann nur sagen igni s. sei immer zulässig,
nicht aber so ignis «., s. überhaupt Haase bei Reisig Anm. 550. - üeber
vmdere aiicui rem bilden die vorliegenden Bücher eine interessante Reihe.
M. §. 397 lässt es im Activ unumschränkt zu, Sü. 77, 2 fast ebenso, Soh.
% 265, A. 1 findet es seltener, so auch Schreier , welcher das längst ge-
inderte Cic IHisc 3, 2, 8 anführt. E. §. 165 A. verwirft es ganz. Und
diesdbe Unsicherheit zeigen alle Grammatiken. Seit der Accus. mehrÜEU^
dem AbL in den Texten gewichen ist, scheint aulVer der bekannten Stelle
()nintiL 9, 3, 1, wie es sich auch immer mit dessen Behauptung verhalten
mag, es bis nur jetzt aus Dichterstellen nachgeifviesen zu sein. Jedenfalls hätte
Seh. daneben mit Süpfle auch invidere alicui in re s. Cic. Mur. 40, 88. de
or. 2, 56, 228. pro Flacc. 29 , 70 neben invidere alicui re s. Weifbenbom
zu Liv. % 40, 11. Nipperd. Tac. A. 1, 22 aufnehmen sollen. ~ Seh. 265, 4,
M. 403. Die Bedeutung von moderari aiiquid ist viel zu beschränkt, vgl.
die von Dietsch zu Sali J. 73, 4 angefahrten Stellen. Das richtige s. bei
E. §. 169. — E. §. 170. Insistere war mit seinen verscliiedenen Rectionen
anxoführen. So steht bei Csbs. neben dem Dativ auch in mit Abi. b. g. 4,
33, 3 in localer, der Accus, b. g. 3, 14, 3, in mit Acc. b. g. 6, 5, 1 in
übertragener Bedeutung. — Seh. §. 267 konnte zu donare etc. auch noch
iMmerare(i) stellen; vgl. Cic. Dei. 6, 17 mit Inv. 2, 1,3. — M. 406. Ueber
den Unterschied zwischen esse mit Dativ und habere s. Sü. $. 79; neben
inesH in, esse in (das statt des mangelnden Perf. von inesse eintritt) war
16t Latemische Grammatikeii, ang. v. L. VieOiaber,
anch der Qnalitätsablativ zu nennen. — Seh. §.268, A.2. Am emfidigtai
ist der Unterschied zwischen patri domus est und domm est patris, wenn
wir nicht irren von Jacob's in seiner Abhandlung über die Casus so ge-
fasst, dass im ersten domus, im zweiten patris betont ist Neben der Ar
Cic. geltenden Bemerkung Ober die Casus bei namen est (bei Cnsar findet
sich die Wendung nicht) konnten Seh. §. 268, A. 3, Sü. §. 79 das für Tac
geltende Gesetz s. Nipperdey zu A. 2, 16 anführen. — SIL §. 80. Eine
'Wirkung* drückt der Dat. der Bestimmung nicht aus, und die Einsicht in
die Bedeutung des Casus wird dadurch, dass man Bedeutungen, die in den
einzelnen Worten als solchen liegen, auf die granunatische Form übertiigt^
nur verhindert; s. Haase bei Reisig A. 546. — Seh. §. 270. Die Natur des
Dat. graec. zeigen recht deutlich Cic. Mil.24, 64. Tac. A. 4, 48; beachtens*
werth femer ist er bei einem im Sinne eines Passivs gebrauchten Aettv
Tac A. 1, 59.
Seh. §. 271. Sü. §. 115. E. §. 143. M. §. 408. Für Grammataken,
welche nur dem Bedürfnis der Schüler dienen wollen, hat die Aofetellmig
einer Grundbedeutung des Genitivs keinen Werth, da sie jedenfidls so weit
sein muss, dass für den Lernenden die Möglichkeit, selbst eine jedesmal
charakteristische Einreihung zu treffen oder sie auch nur zu fiissen, vsr*
loren geht. Definiert man ihn, wie es mehr oder minder klar alle vier
Bücher thun, als den Casus der substantiellen Subordination, so ist dandt
zunächst nur eine, vollkommen richtige und allein zulässige, formelle Er-
klärung gegeben, welche, wenn man streng darnach eine Gliederung dse
Genitivgebrauches aufstellt, die Schüler eher verwirrte als forderte. Kon
in Schülergrammatiken, was aui^r Seh. alle drei übrigen sein wollen, mnss
bei diesem Casus nur der praktische Gresichtspunct maCsgebend sein. Da-
mit ist natürlich nicht gesagt, dass entschiedene Unrichtigkeiten vorkom-
men dürfen. So soll nicht, wie es gewöhnlich geschieht, der Genit. expbe.
unter den subjectiven im engeren Sinne eingereiht werden. Unrichtig ist
femer, wenn Seh. £ und M. die Eintheilung in den Grenit subject nnd
objectiv. so ti'effen, als wollten sie in diese zwei Rubriken den ganzen Um-
fang des Genitivgebrauches unterbringen, im weiteren aber diesen gemach»
ten Aulauf ganz ignorieren. Hier ist nur zweierlei möglich: entwederman
muss die Eintheilung durchaus zur Geltung bringen, wie es am entschie-
densten Fromm gethan hat, oder sie gar nicht als eine angeblich umfas-
sende voranstellen. Wir wollen im Folgenden ein Schema aufteilen, das
zwar nicht den strengen methodischen Grang einhält, aber doch mit Gon-
cessionen an die Praxis eine rationelle Behandlung zu vereinen sacht
L (jenitivus possessivus. Die 3 ersten Gmppen lassen sich auch in
einen 'Genitiv des Angehörens' vereinigen, ähnlich wie es bei der VL ge-
schehen ist. 1. Bei Substantiven (dazu natürlich auch Apicata Seiani n. ä.);
2. bei Adjectiven (proprius, communis, cHienus, s. später); 3. prädieatiT:
a) bei esse und ähnlichen; b) bei interest und refert.
II. Genitivus subjectivus.
II I. Genitivus objectivus: 1. bei Substantiven; 2. bei Adjectivis relai;
3. prädicatiw bei sum; 4. bei den Verbis impersondlibus, der Gtemüthsstim-
mung; 5» bei den Verbis crimwuis; 6. bei den Verbis memoriae.
Lateiiusche Grammatiken, ang. y. L. VielMber, 108
rV. Oenitiv des Ganzen (des Umfanges?) 1. Der Classe, a) bei Sahst,
b) bei esse; 2. der partitivns, a) bei Subst., b) bei Adject., c) prädicativ
bei esse; 3. Genii. partitivus: a) bei Substant. u. neutr. Adject , b) bei
A^iect (sammt Numerale a. Pronomen), c) pradicativ.
V. Grenitiv der Art: 1. eigentlicher Gen. generis (auch bei Adject
0. pradicativ dotis dare u. ä.); 2. genit. quantit: a) bei Substant., h) bei
snbstant Adject. neutr. ^), c) bei anderen Adject, d) pradicativ bei esse
and seinen Factitivis.
VI. Genitiv des Inhalts: 1. eigentlicher Genitiv des Inhalts bei Sahst,
and substantivierten neutralen Adjectiven sowie pradicativ; 2.' Genit. expli-
eativus; 3. Grenit qualit: a) bei Substant (auch ohne Begens), b) bei Ad-
jectivis. Hieher gehören auch der sogenannte Genit des Zweckes bei Subst
Adject und im pradicativen Gebrauch; 4. Genit pretii: a) bei Subst. , b) bei
Adject, c) bei den Verbis ciestimandi und emendi; 5. Genitiv des Stoffes:
a) bei Subst, b) bei Adject der Fülle und des Mangels, c) bei Verbis.
Manches seltenere, besonders was den pradicativen Gebrauch und
mehiDach den bei Adjectivis betrifft, habe ich hier nur der Vollständigkeit
wegen angenommen. Bei einer praktischen Durchführung hängt natürlich
vieles von dem Umfange, den man dem Buche geben will, ab.
Wir gehen zur Darstellung der uns vorliegenden Bücher über. Unter
den gen. subject., den aber M. §. 408 a nicht schlechthin dem possess.
gleichsetzen durfte, haben Seh E. M. den Genit explic, M. §. 409 auch
den bei causa eingereiht Sü. hat §. 120 unter dem * Genitiv des Stoffes
oder vielmehr des Inhaltes' (sie) aufgeführt den genit. materiae, qualitatis,
expUc. partit (quantit) Im wesentlichen richtig, nur ist für einen Theil
dieser Gruppe die von Madvig §. 28ö vorgeschlagene , von Seh. §. 274 IL
nur für den quantit. gebrauchte Name Genit generis noch richtiger. Femer
sollte noch weiter gegangen sein. Es gehören nämlich hieher die Fälle, in
denen der Genit. die Classe bezeichnet, zu der jemand gehört. So Tac.
H 1, 31. Tribunorum Subnum et Cerium vgl A. 6, 12. Suet Claud. 24,
CstB. 52. Er ist dem partit sehr nahe s. Cic. Brut. 26, 99 u. Fabri Ldv.
22, 40, 6; pradicativ erscheint er Gc. Tusc 1, 18, 42. Nep. Att. 6, 1. An
ihn schlieM sich der gen. partit , dann der eigentliche Genit generis. Da'
hin gehören cimctas senatorii ordinis SalL J. 62, 4. 93, 4. Tac. A. 2, 74. s.
Fabri Liv. 22, 11, 4 vgl Caes. b. g. 5, 35, 7. b. c. 2, 34, 2. 1, 3, 1 u. s.
Haase a. a. 0. Anm. 530; nihü hominis s. Kühner zu Cic. Tusc. 3, 32, 77.
quid hominis Cic. Verr. 2, 2, 134; monstrum liominis u. ä. Grüter Programm
von Münster 1855, S. 4, Anm. 3, wol auch das bekannte tUigines pallidum
Tac. A. 1, 17 u. ä. muUa duritiae ueterum Tac. A. 3, 34, vgl 3, 55. cHia
hanorum Tac. A. 1, 9. 3, 52. 5, 8. tcUenta uiginti dotis dare (auch prädic.
ohne Begens). An ihn schliefst sich der quantit. Endlich dci Genitiv des
Inhaltes Pecoris et mancipiorum praedas Sali. J. 44, 5. praemia pecuni(te
des. b. c. 3, 85, 5 vgl. 3, 59, 2. 1, 86, 1. Nep. Phoc. 1, 3. Tac. A. 2, 86.
praesidifim fortissimorum uirorum Cic. Mur. 26, 52 s. Kraner zu Csbs. b. c.
1, 42, 3 u. g. 5, 47, 5. Weifsenbom zu Liv. 25, 1, 4. airo nubium gloho
') Sonst sind die substant. Adject, unter den Substant mitb^griffen.
164 LateiiUBche Grammatiken, ang. v. L, Vidhaber,
Tac. A. 2, 3. lequm aera Cic Catil. 3, 8, 19 vgl. Tac tt 4, 40. PiÄdicati?
erscheint er Cic. fin. 4, 14, 39. An ihm schlieiÜBen sich der explicat qnalii,
mit welchem der genit. pretii nahe verwandt ist, und der des Stoffes an.
vgl. Haase a. a. 0. Anm. 533. — Seh. §. 272, Anm. 2 handelt von der Ver^
bindnng zweier Genitive mit einem Regens. Wenn man das überhaupt in
die Grammatik *) zu setzen hat, während es doch eigentlich in*s Gebiet der
Stilistik gehört, so moss es vollständiger geschehen, namentlich sind diejeni-
gen Fälle, wo ein Genitiv vom anderen abhängt, nicht zn übergehen. Feiner
ist dabei auf die Stellang Rücksicht zu nehmen. Für Caesar hat Fischer:
Die Rectionslehre bei CsBsar IL §.51, Programm von Halle 1854, S. 29
alles Materiale zusammengestellt, der nur darin mangelhaft ist, dass er
auf die Fälle keine Rücksicht nimmt, in denen der eine Gen. mit dem
Regens eine Begrüfeeinheit bildet, von der der andere abhängt s. b. g. 6,
47, 5. 3, 17, 1. b. c 2, 11, 2 und die nicht seltenen Verbindungen wie
HantdtMn müia hotninum XXIY. b. g. 1, 31, 10 s. das. Eraner. AuHserdem
vgl. Sali. C. 2, 5. Liv. praef. 3. Nep. Ep. 5, 5. Cic. Off. 1, 4, 14 (s. EeL
Cic. S. 358. 3. Aufl.) Reisig, Vorles. S. 609 ff. — E. §. 143, b. A. 2. Es
war aufzunehmen, dass besonders in Verbindungen mit Personsubstantiven
z. B. accusator und mit iniuria u. ä. das Pron. poss. an Stelle des gen. obj.
eintritt s. Haase Anm. 540. Für die Anordnung innerhalb der Lehre vom
Genit. ist nicht unwichtig das von Madv. citierte Beispiel des prädic gen.
obiect Cic. de or. 2, 7, 30. Femer würden unsere Schulgrammatiken wohl
thun, wenn sie, dem Winke TeipeFs Anleitung zum Lateinschreiben L
S. 227 der zweiten Auflage folgend, nicht blofs vom Pron. poss. als Ver-
treter des gen. subj. redeten, und in gewissen Fällen auch des obj. spHI-
eben, sondern auch die Adject. heranzögen. Besonders Sü. , der doch §. 134,
Zus. 3 eine gute ähnliche Bemerkung hat, hätte sich diese Gelegenheit,
eine nicht unwichtige stilistische Bemerkung passend anzufügen, nicht ent-
gehen lassen sollen, s. Nägelsbach Stil. S. 62 der zweiten Auflage. Als
typisch können gelten hostiUa cadaaera SalL C. 61, 3 neben metus hostOii
Sali. J. 41, 2. — Seh. §. 272, A. 4. Sü. §. 122. Seh. macht mit Unrecht
den Unterschied zwischen attrib. Substant. und Gen. explic allein von der
deutschen Uebersetzung abhängig. Denn es stehen in Suet. Vesp. 5 bas
arcUor und Ärbor cupressua grammatisch sich ganz gleich, femer mnss
im weiteren Seh. selbst zu deutschen Compositis Tannenbaum* greifen, Utest
man aber diese zu, so ist seine Theilung falsch. Nach ihm müsste auch
statt phüosophi senes (Cic. Cat. m. 7, 22) uictor exercUus^ fmüier ancSOa
u. ä. eine Genitivverbindung gesetzt werden können. Richtiger ist bei Sü.
das Verhältnis von genus und species verwendet, womit er jedoch das Ver-
hältnis des Inhaltes nicht gleichsetzen durfte), ohne jedoch von verwand-
ten Gebrauchsweisen s. ob. genau zu scheiden. Ferner behauptet Scb. zu
viel, dass ein Fluflsname nie so vorkomme, s. Liv. 8, 13, 5 Astti^ae flumen
vgl. 43, 4- Endlich ist das Gebiet viel weiter als gewöhnlich angenommen
*) Sü. macht natürlich jedenfalls eine Ausnahme. Solche Berühmngs-
Suncte zwischen Grammatik und Stilistik hätte sich der Verfasser
uiduivs nicht entgehen lassen sollen.
Lateinische Grammatiken, ang. v. JL. Vielhaber. 166
wird, da anch tanta onera nauium Cass. b. g. 3, 16, 3 vgl 4, 22, 2 miU-
tum robora Liy.21, 54, 3 das. WeiX^nborn; 24, 46, 2. 22, 6, 2. 23, 16, 8
0. i. , communis ßii pignore Saat Tib. 7 dazu gehören. Femer konnte Seh.
entweder hier oder im §. 462 eligendi optio Cic. de fin. 1, 10, 33 das. Madv.
anfthien, woraus vielleicht Cas. b. c. 2, 16, 3 spatio propinguitoHs zu er-
kUuren ist — Seh. §. 272, A. 6. M. 410, A. 3 erwähnen die Ellipsen des
Benehiuigswortes des Gen. possess. Es ist fast auffallig, dass Seh. auf die
topographischen Bezeichnungen Äctium Carcyrae, Leucopetra Tarentinarum
s. Sü. §. 118, Zus. 2 nicht geachtet hat Zu Sü. vgl. noch Aßparagium
Dyrrhachinomm C«s. b. c. 3, 30, 7. — Seh. §. 273. Sü. §. 121. E. §. 193.
M. §. 411. Die beiden letzten geben nicht ausdrücklich an, dass die Gen.
quaUt in der besten Zeit selten unmittelbar mit einem nouL propr. ver-
bunden wird. Für die unmittelbare Verbindung übrigens sollte Seh., der
den gen. generis vom quäl, nicht scheidet, auch Cses. b. g. 5, 35, 7 an-
führen. Bei Auüstellung des Unterschiedes zwischen gen. und abl. <}'uaL
icheint zu wenig auf die Verschiedenheit des attribut. und prädicat. Ge-
Inancbes geachtet zu sein. Während man am meisten findet forti animo
esse, ist hämo magni animi u. ä. das fast regelmässige. Das dient voll-
kcnnmen zur Bestätigung des am klarsten von Krüger §. 398, A. 1 aufge-
ftellten Unterschiedes. M. hat §. 449 Krüger eben nicht sehr klar ausge-
schrieben. — Seh. §. 274. Sü. §. 126—130. E. §. 145. M. §. 411-417. Die
übrigen Grammatiken auJDser £. unterscheiden zwischen Genit partit. und
quantit Sü. wenigstens der Sache nach. Aber nicht genug diese wichtige
Scheidung nicht durchgeführt zu haben , ist die Aufzahlung , die E. von
den Wortarten, die einen gen. part oder quant bei sich haben, gibt, sehr
maagelhaft Es fehlen für den gen. part die Substant wie pars und
manche andere mit Aclject verbundene, wuments, modus, und die Super-
latiTe der Adverbien, z. B. maxime, ceierrifne. Das sonderbarste jedoch ist,
dass für den quant die Substant copia, multüudo, aceruus, medimnus u. ä.
gani übersehen sind. — Seh. 274, 1. A. 1, uterque mit einem gen. substant
irt auch Suet Tib. 4. Femer scheint uteruis ebenso construiert zu werden,
wenigstens steht ecrum utrwmM Cic. de fin. 1, 17 56 und mit uestrum
Ck. Cat m. 10, 33. Andere Stellen, an denen utertUs ein Substantiv oder
Pronomen bei sich hat, sind mir nicht bekannt — Eb. Anm. 4. CaBsar hat
nicht hloh bei Eintheilungen in verschiedene Classen, s. ob. den Gen. bei
mms, sondern auch ohne solchen Grund beim echten gen. partit. s. b. g.
7, 35, 3. Für Liv. s. Weifsenbom und Fabri zu 24, 28, 1. E. §. 145, A. 1,
durfte mindestens den Gen. der Classe bei unus nicht übergehen, s. Sü.
{. 126, Bem. 4, Hildebrand, Progr. v. Dortmund, 1854, S. a Femer soll-
ten auch £. Sü. M. mit Seh. a. a. 0. A. 1, aufmerksam machen, dass zu
nos omnes der Gen. heiM omnium nostrum, Sü. §. 126 führt auch einen
Gen. part bei gewissen Adj. im Neutr. sing, oder plur. an. Sein erstes
Beispiel jedoch reUqua superioris lu^ri passt nicht Zu den von Giysar
Theorie des lat Stils S. 119 der zweiten Auflage angeführten Beispielen s.
tdiquum diei Fabri zu Liv. 24, 14, 10 und zu 22, 15, 1 und 21, 33, 7;
l^immque noctis Fabri Sali. J. 21, 2, vgl. auch eb. 78, 4, 102, 9 medium
oNcdMim u. S. Fabri Liv. 22, 32, 1 Badstübner de SalL dicendi genere
166 Lateinisclie Grammatiken, ang. v. X. Vielhoiber,
S. 24 u. Haase bei Reisig, Anm. 530. Nägelsbach Stil. S. 78. Heimchen
S. 87. ea^remum diei und die Fälle, in denen ein Partitivgen. von einem
Relativ abhängt. WeiTsenb. Liv. 2, 15, 6 Fabri zu 24, 40, 5, wenn auch
die meisten der zur letzten Classe gehörigen Beispiele vielmehr einen gen.
quantit enthalten. Vgl. Fischer die Rectionslehre bei Cffisar ü, 8. 30 ft
Selbstverständlich gehören die neutralen Superl. und auch manche Podtive
der späteren ebenfalls hieher. Seh. hätte femer den dichterischen Gen.
rerum bei Superlativen, besonders die Personen bezeichnen, erwähnen sollen,
s. Heindorf Hör, Sat. 1, 5, 88 und 1, 9, 4. Roth Exe. XVm zu Tac. Agr.
S, 192. Prädicatsstelle vertritt der gen. partit. Hör. Od. 8, 18, 13 dam
Obbarius s. Fromm. Gramm. §. 143. Bei dem eigentlichen gen. quantit.,
dem Stl. nicht die Wendungen eo loci u. ä. hätte wegnehmen sollen, hätte
Seh. die von Haase bei Reisig 530 erwähnten Verbindungen qwidquid
deorum est vgl. Fabri Liv. 23, 9, 3 und «uet. Oct. 49. Tib. 11. Oth. 10.
Vit. 10. u. ä. nicht übergehen sollen, nur hat man bei den von Esase Im
weiteren der Anmerkung angeführten Wendungen wol zu sehen, ob man
eigentliche Gen. quant oder genit. des Genus oder des Inhaltes vor sich
hat. Sü. 140. Zus. 2 läugnet unrichtig, dass auf^er ad id loci und ad mut-
tum diei substantiviert« Neutra mit Genit. von Praepos. abhängen, s. Haase
a. a. 0. — Seh. 274 H, A. 4 führt eine Reihe von Adjectiven neutr. sing,
und plur. auf, die substantiviert den Gen. bei sich haben, und scheint da-
bei anzunehmen, dass sämmtliche derlei Fälle sich unter den Gen. quant
und partit. einreihen lassen. Doch ist das unrichtig. Denn das zum Snbai
gewordene Adjectiv kann, wie es an sich schon wahrscheinlich ist, in all*
den Verbindungen mit einem Gen. erscheinen, in denen ein echtes Snbst
erscheint, s. auch Haase a. a. 0. Anm. 524. Wir wollen an einigen Bei-
spielen, die wir theils eigenen Sammlungen, theils dem Lex. Tacit. S. 35 £
und Roth Exe. XVIII zu Tac. Agr. entnehmen, den Beweis hiefllr zu lie-
fern suchen % Ganz klar sind die gen. poss. Cic. Mil. quid simile Müonia.
Liv. 30, 5, 1 omnia hosHutn vgl. Tac. A. 2, 38. Tac. A. 1, 62 ctmcta prin-
cipum vgl 1, 72. Sali. J. 113, 3 occulta pectoris, Tac. A. 1, 77 dicta eiu8
vgl. 2, 53. 2, 39. 2, 59. Tac. A. 2, 65. sacra regni das. Nipp. Tac. A. 2, 36
arcana itnperU vgl. 1, 6. 2, 59. H. 1, 85. Virg. A. 7, 404. deserta ferarum.
Tac. A. 2, 68 auia saUuum vgl. 2, 15. 2, 23. Tac. A. 1, 78. media mann
tiam et pcHudum Tac. A. 1, 64 vgl. Virg. A. 1, 310. Eb. 2, 26. advena
muri vgl. 6, 36. 2, 69. Tac. A. 1, 8. de extremis Äugusti, proximae sedir
tionis male constüta; und auch Liv. 26, 2, 2 soUemne auspicatorwn comt-
Horum, Liv. 4, 72, 7 bono causae. Femer incerta beUi Tac. A. 4, 23 vgL
11, 20. H. 1, 26. 2, 77. inania belli Tac. K 2, 69. A. 2, 76. 4. 58. idonea
prouindarum Tac. A. 4, 5. deridiculo corporis Tac. A. 12, 49 u. ä. Ein
Gen. quäl, ist in älia huiusce modi Taa A. 2, 30 u. a. Die zahlreichsten
und auffalligsten Gebrauchsweisen dieser Art gehören unter den Genitiv
des Gknus und des Inhaltes. Ein Genitiv des Genus ist Tac. A. 3, 36
cuncta curartm vgl. 14, 60. H. 5, 10. Sali. J. 93, 4. Sali. J. 48, 4
*) Seh. §. 306, 3 ist Cses. b. g. 6, 26, 2 unrichtig verstanden, ab eiui
summa bezieht sich natürSch auf das Hom.
Lateinische Grammatiken, anfjf. v. L, Vielhaber, 167
wido atque arenoso Tac. A. *1 , 61. humido paludum vgl. 1 , 65. 6 , 49.
H. 1, 79. 2, 88. Liv. 5, 34, 4 in aequo campi. Ov. M. 14, 814 in caertda
codi das. Bach. Tac. A. 1, 50. ohstaniia süuarum vgl. 1, 55. Tac. A. 1, 17,
Mieutta moniium, Tac. A. 1, 61 occulta scdtuum. Tac. A. 2, 65 subjecta
«aOtMin. Wahrscheinlich auch in solchen Stellen wie Oy. M. 8, 693 ardua
munUia. Tac A. 3, 5 asperrimo hiemis, Tac. 2, 16. prominentia montium
fgL 1, 53. Endlich gehören eigentlich hieher zahlreiche Genit. von Snhst.
nach neutralen Pronom. Ueherhlickt man die, soviel ich sehe, vollständige
Sammlung aus Cäsar bei Fischer Bectionslehre £1, S. 30 ff. , so sieht man
bald, das8 quod ntmium, quantum praesidii u. ä. dem eigentlich quanti-
tativen, quidquid circuäuSf qtHdnam propositi u. v. a. dem Genitiv des
Genua angehören, vgl auch Haase bei Reisig Anm. 530. Ein Gen. des In-
haltes ist in soiefrme ludarum Liv. 33, 49, 6. vgl. 7, 3, 8. Tac. A. 15, 74
oeeuUa comuratumia vgl. H. 3, 65. Tac. A. 4, 41 iacita suspiUonum, Tac
A. 4, 50 ambigua sonitm, Hör. C. 4, 12, 20 aimara curarum. Zu den eigent-
lich quantitativen Genitiven gehören Liv. 5, 37, 5 imniemum loci vgl. 21,
33, 7. exiguum spatii Liv. 22, 24, 8 das. Fabrl Für den prädicativen Ge-
brauch des quantitativen Genitivs s. Liv. 5, 33, 1 n quidquam iMtnanorum
iteri esty welche Stelle WeiX^nb. und Süpfle §. 130 , Zus. 2 unrichtig be-
handeln, und nihü reliqui facere (Tac A. 1, 21). Endlich scheinen, wäh-
rend der gewöhnliche 6ren. pretii auf den qualit. zurückzuführen ist, die
Wendungen non facere flocci, mhü pensi habere u. ä. an den quantit.
sich anauschlieJben, s. M. §. 416. Vergleichbarer ist der Gebrauch des
Gen. quani als Obj. Tac. G. 15, A. 15, 53 (Nipperdey unrichtig), Hör.
8. 2, 6, 83 s. Gronov und Weishaupt zur Stelle der Germ. Sü. §. 131
nennt an&ngs den Gen. bei Adj. überhaupt einen gen. object. ; in der Ein-
theilnng der Adject hat er unter f) simUis dissimüis, g) proprius und
eomitmmis, contrariys, h) pienus refertus inops. Der Gen. bei den letzten
ist, wie besonders die Yerba indigere, egere, impiere, complere zeigen, ein
G^ materiae, der bei proprius und communis, wozu auch sacer gehört,
Cic Verr. II, 1, 18, 45. Legg, 2, 18, 48 ein possessiver. E. §.148, Anm.l,
führt inanis an, das die drei anderen unberücksichtigt lassen. Die uns be-
kannten Stellen Ciceros haben dadurch weniger Gewicht, dass an beiden
(Cic de Gr. 1, 9, 37. Mur. 12, 26) inanis in ausdrücklichem Gegensatz zu
pienus steht. Bei Cssar, Sallust, Nepoi ist inanis nur absolut gebraucht.
M. §. 420 ist über die Bection von refertus ungenau. Am besten s. Seh.
g. 293, Anm. 3. Seh. §. 275, A. 3 berücksichtigt die weite Ausdehnung,
wekhe der Gebrauch des Gen. bei Adj. in der poetischen und späteren
Sprache, besonders des Tacitus, gefunden hat. Doch thut er dieses ohne
die nöthige Ordnung. Man vergleiche z. B. 2ae/u« ammi Tac. A. 2, 26
mit Virg. A. 1, 440. Lucus,, . lattisaimus umbrae, mens interrita leti Ov.
M. 10, 616 mit territus tmimi Liv. 7, 34, 4; incerta aUionis Tac. A. 2, 75
und öfter so bei Liv., certus relinquendae uitae Tac. A. 4, 34, Nipp, zu
12, 66. eonsün certus Tac H. 2, 46. incertus cMimi Tac. H. 3, 55. modicus
uolupUUum Tac. A. 2, 73, modictis originis A. 6, 39, pecwniae modicus
A. 3, 72, modkus uiirkm Yell. 1, 12, 3, immodicus amrni Tac. H. 1 , 53
Q. a., um KU sehen, daia alle (j^mtmerhÜtniMe, die beim Subatantivum
108 Lateinische Grammatiken, ang. v. L. Vidhäbtr,
eintreten können, auch beim Adj. möglieh waren. Doch ist die Vertheilnng
der einzelnen Fälle schwierig. Man möge alä einen Versuch, die wichtigeroR
Fälle einzureihen, folgende Zusammenstellung beachten, bei der jeckicli tad
irgend eine Vollständigkeit keine Rücksicht genommen ist Ein genit
possess. ist bei proprio, cornmuniSf sacer, äUenua s. Fabri SalL C 40» &
ex8ul Ou. M. 6, 189, Hör. C. 2, 16, 19. profugua regni Tac. A, 15, 1. «m-
tinuus principis Tac. A. 6, 26''). par, aequalia, amüia, dMmäis (n<m «^
simüis), diuersus Tac. A. 1, 48. Ambiguua pudoris oc mehu Tac. A. 2, 4(X
Dem Qen. quäl, gehören nebst vielen anderen die sehr zahlreichen VerbiB-
dungen mit animi an. Lateremus animi ist nicht möglich, wol aber wenn
die allgemeine Qualitätsbezeichnung animi beschrankt wird durch ein A<y.
LaUranus (homo) magni animi. Diese Beschrankung kann auch dadorch
eintreten, dass das Regens, hier das Nomen proprium eine näher bestim-
mende Bezeichnung erhält, und so sagt Tac A. 15, 53 Lateranus . . . animi
ualidus et corpore ingem, vgl. Wagner Virg. G. 4, 491; daas im «wei-
ten Gliede der Abi. steht, ist in dem Tacit. Streben nach Wechsel be-
gründet, es könnte ebensogut der Genit. stehen. Ein Genit. des Stoffes ist
bei den Adject. der Fülle und des Mangels, wozu auch sattahta s. Badi m
Ov. Met. 7, 807, laetissimus umbrae bei Virg. A. 1, 441, libercdia, prafums
Fabri Sali. C. 5, 4 u. S. gehören. Ein genit generis ist bei den AdjectiTen
der Theilnahme und des Gegentheiles, zu denen auch das Sallust popukuri»
s. Fabri zu Cat 22, 1 zu rechnen ist. Ein ganz eigentlicher purtit ist
bei mediti8 s. Held zu Csbs. b. g. 1, 34, 1. Ein gen. quantit dürfte »a
suchen sein in modicus pecuniae Tac A. 3, 72, nimim sermonia Tac H. 3^ 75
V. 1, 35, ingens rerum Tac H. 4, 66. Für den gen. object. endlich bedarf
es keiner weiteren Bemerkung. Seh. hätte hier schon Erwähnnng thiu
sollen des Genitivs bei potior und vielleicht auch des taciteischen adipitei
8. Walther zu Tac A. 3, 55 und Boetticher S. 216. Auch der Gen. bei
mirari s. Forbiger zu Virg. Ae. 11, 126 u. ä. schlieM sich an onsera
Genitive an, s. Wagner a. a. 0. - Seh. §. 277. E. 162. Sü. §. 133 1 Seh.
und E. lassen die activen Verba, die einen Genit possess. als Frädicat bei
sich haben, ganz unberücksichtigt. Wenn man auch manches spatere ent-
behren kann und bei E. Standpunct bleiben muss (einiges ist in dem IX.
Excurse von Roth^s Agrioola), so sollten Wendungen wie Sali. J. 85, 34
neque ^oriam meam, laborem iUorum fadam vgl. 102, 15, tmae dkiama
facere s. Fabri zu Liv. 21, 53, 5 und zur verwandten Stelle 21, 44, 5
nicht fehlen. Sü. scheint Krüger §. 343 vor Augen gehabt, ihn aber mis-
verstanden zu haben. Krüger stellt nämlich voran, dass jeder attributive
Genitiv auch durch Distraction prädicativ gebraucht werden kann, i^onn
er ganz Recht hat, aufser in dem, dass er meint, der Gen. des Stoffes werde
nicht so gebraucht, vgl. Liv. 21, 60, 8 dazu Heerwagen. Wenn nun Krüger
dann weiter abtheilt in Gen. poss. u. s. w., so ist das ganz in Ordnung;
nicht so aber, wenn Sü., der den präd. Gen. von vorneherein als possess.
bezeichnet, §. 133, dann scheidet §. 134 in den Gen. der Classe, der nach
^) Warum Nipperde^ die Aenderung von Heinsius prindpi auijg^nom-
men, ist nicht leicht abzusehen, s. auch Roth Agrie. S. 264.
Lateinische GtamiAatikeD, ang. v. X. Vielhabet 169
seiner sonstigen Darstellung als qualitat. bezeichnet sein sollte, etc. Dass
wir mit der Theilung selbst einverstanden sind, braucht nicht erst gesagt
in werden. Gut ist, dass Sü. ebendaselbst den sogenannten Gen. des
Zweckes hier einreiht. Das gewählte Beispiel extremus dies elepfui^Uorum
fwt Cic fiun. 7, 1, 3 in Vergleich mit C»s. b. g. 5, 8, 6 und 4, 17, 10
xeigt recht deutlich die Entstehung dieses, auch bei Cic. nicht fehlenden,
bei Sali, noch wie bei Cssar sich mehr ans gewöhnliche haltenden, bei Liv.
und Yor allem bei Tac. häufigen und weitgehenden Gebrauches, vgl. Haase
bei Reisig Anm. 588 und Boetticher Lex. Tac. S. 217 ff. E. — §. 149. M.
$. 426. Vielleicht ist es nicht ganz nutzlos, auch an mentionem facere rei,
de re (oder auch Inf.) zu erinnern. — Sü. §. 135, 2 konnte erinnern, dass,
wie res überhaupt mehrÜEUih die Construction neutraler Pronomine erleidet.
Sali. J. 79, 1 sagt eam rem nos loctM admanuit — M. §. 373, A. 1 Gen. bei
impeiBon. Die Accusative und auch Nominative id hoc etc. sollten erwähnt
sein. Tgl. Weißjenbom Schulgramm. §. 232 Anm. Krüger §. 350, A. 1 u. 2. —
Seh. §. 280. Sü. §. 137. Unter den Verbis criininis fehlt notnen deferre vgl.
Cic. Verr. 2, 2, 28, 08. Nach £. §. 151 ist pecuniae damtiari classisch.
Sind dem Herrn Herausgeber wirklich andere Stellen vorgelegen als die
von Seh. §. 280, Anm. 2 ganz richtig anders erklärten? Die Verbindungen
noh' damnari liberari (uoti compos) haben ebenso etwas formelhaftes, wie
die Ton Sü. §. 137, Anm. mit der Bemerkung 'gehören dem Kanzleistil an'
sehr mit Unrecht bei Seite geschobenen, von Seh. nicht erwähnten satis dare
tHtttrioriM», protnütere damni infecti, condicere Weifsenb. Liv. 1, 32, 11.
Eben deshalb aber sind sie ebenso wichtig, ja wichtiger als das, was der
Willkühr eines einzelnen Schriftstellers, und wäre es auch Cicero, beliebt
hat Seh. hat A. 4 die Adject. reus, ^loxius, manifestus^ campertus (vgl.
auch innocetis Tac A. 4, 34. suspectus Liv. 24, 9, 10. Tac. A. 3, 29. 3, 60)
mit Recht erwähnt, nur gehören sie nicht am Ende, sondern an den An-
lang: crimen auaritiae ueneficii u. ä. iudicium falsi Tac A. 2, 55, maie-
iUais ib. 1, 72, lex mcUestcUis Tac. A. 1, 72 sind die einfachsten Formen
des Gen. object, als gen. ehm. auf Personen angewendet, mussten als ver-
mittelnde Begriffe die bezeichnete Adjectiva eintreten , durch deren Distrac-
tion {accuao «- reum facio u. ä.) der gewöhnlich sogenannte gen. crim. ent-
stand. — Seh. §. 281. Sü. §. 138. Für die Auffassung des Gen. pretii sind
wichtig Stellen, wie SalL J. 85, 39 pluris preti cocum quam uUicwn
XL Liv. 21, 60, 8 Ceterum praeda oppidi parui pretii rerum fuü,
welche den Uebergang vom Gen. qualit. recht deutlich zeigen. — Seh. §. 282,
Anm. 2. £. §. 154. Sü. macht §. 139 gut darauf aufmerksam, dass Cic.
Att 3, 19, 1 den Gegenstand, auf den es einem ankommt, im Nomin. ge-
geben hat. — Seh. eb. Anm. 2 in Bezug worauf, wofür, es irgendworau ge-
legen sein, gibt Csßs. b. g. 2, 5, 2 auch durch den Gen. , wozu Kraner Cic.
tun, 4, 10, 2 citiert. Freilich lassen sich beide Stellen auch durch eben
nicht auffallige Personification erklären.
Wien. Leopold Vielhaber.
Zttluebrifl f. d. Mlcrr Gymn. 1865. li.u. III. Beft. 12
170 A, Thumwald, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. r. J. Peüen.
Lehrbuch der mittelhochdeutschen Sprache für Gymnasien. Von
A. Thurnwald. 199 S. 8. Prag, P. Tempsky, 1864. — 1 fl. ö.W.
Welche Gründe den Herrn Verfasser bestimmt haben, seine AiWt
ein Lehrbuch der mittelhochdeutschen Sprache zu nennen, darüber bleibt
er uns den Aufiichluss schuldig; nach den ersten Zeilen des Vorwortee wiie
der Titel Lesebuch zu erwarten gewesen. Der Hr. Verf. erklärt uns nim-
lich, dass er 'bereits längere Zeit' mit dem Plane umgegangen sei, 'ein
mhd. Lesebuch abzufassen, dessen ganzer Schwerpunct im Nibelungen-
liede und in der Gudrun liege (läge?)', und fährt also fort: *Da schrieb
Herr Professor Pfeiffer in der Zeitschrift für österreichische Gymnasien
p. 723, 1862 [eine seltsame Art zu eitleren!] eine Recension über die
2. Auflage von dem mhd. Lesebuche Weinholds, worin er zugleich andeutet,
wie er ein mhd. Lesebuch abge&sst wünsche.' Die von Prof. Pfeifiiv
ausgesprochenen Ansichten sthumten mit denen unseres Hm. Verf.'8 so voll-
ständig überein, dass sich letzterer bewogen fühlte, seinen Plan zu *rea]i-
sieren.* Wir wollen nun sehen, in welcher Weise sich der Hr. Verf. seiner
Aufgabe entledigt hat.
Dem (unpaginierten) Vorworte und luhaltsverzeichnisse folgt als
'Einleitung* zur Laut- und Formenlehre ein kurzer Abschnitt unter dem
Titel: 'Name und Eintheilung der Germanen.' Diese kurze Eil-
leitung ist nicht so beschaffen, dass sie ein günstiges Vorurtheil für das,
was ihr folgen soll, zu erwecken vermöchte. Es sei dem Ref. gestattet, die
ersten zwei Sätze dieser Einleitung in einen zusammenzuziehen, nm kkr
zu machen, dass die sprachwissenschaftlichen Grundlagen unseres Lehr-
buches etwas schwankender Natur sind. Das Ergebnis der ersten Sfttie
lautet: Die nach Europa eingewanderten Stämme desUrvolkes
der indischen Arier nennt man den indogermanischen oder
indoeuropäischen Volksstamm. Das klingt allerdings überraschaid
neu ; bisher ist es kaum einem Sprachforscher oder Ethnologen von Bedeo-
tung eingefallen, 'indische Arier' in einem anderen Sinne als 'Inder'
oder wol gar gleichbedeutend mit 'Indogermanen ' zu gebrauchen und den
Namen 'Indogermanen' auf die indogermanischen Volkerstamme Eu-
ropas einzuschränken. — Mit dem falschen Satze: *Kein Volk hat sich den
Namen selbst gegeben ' (die alten Inder und Perser z. B. nennen sich selbst
Arier), kommt der Hr. Verf. auf den Namen der Germanen zu spredien
und gibt die Erklärung desselben aus dem Celtischen. Hieran schliefet sieh
die Aufzählung der germanischen Stämme, aus welcher der Schüler lemen
kann, dass Ulfilas ' J. 400 n. Ch.' eine Bibelübersetzung fEir die Qothen ge-
liefert hat, die (damals?) im Osten Germaniens an der Weichsel sesshaft
waren. Wenn Schleicher, dessen 'Deutsche Sprache' an so vielen Stellen
unserem Hm. Verf. zur Vorlage diente, in seinem für die weitesten Leser-
kreise geschriebenen Werke eine genauere Zeitangabe für Ulfilas für pas-
send erachtet hat (S. 91), so scheint einer solche gewiss für ein Lehr-
buch der mhd. Sprache Bedürfnis zu sein, sobald von Ulfilas einmal die
Bede ist.
Ä. ThumuHdd, Lehrbuch d. mhd. Sprache, &ng. v. /. Petters. 171
Die nöthige Klarheit der Darstellung vermisst. der Leser bei dem
FolgendeD: Als zweiter Stamm der Germanen werden die Angeln und
Sachsen in Norddentschland angeführt. Als den dritten Stamm hat sich
der Schüler vermnthlich die in ihrer 'Urheimat' verbliebenen Sachsen
in denken; die werden aber nicht geradezu als solcher bezeichnet und der
Dmck hilft auch nicht durch ein neues Aliena mit zum Verständnisse,
sondern der folgende Abschnitt spricht schon von dem vierten Stamm, den
•Altnorden', für welchen sprachwidrigen Namen Skandinaven, Skandier
oder Nordländer passender gewesen wäre. Ueber vier zählt der Hr. Verf.
nicht weiter und der Schüler bleibt im Zweifel, ob er jeden der weiter
genannten Stämme (Baiem, Alemannen und Franken) besonders oder alle
drei als einen Stamm zu zählen hat.
Die Perioden der deutschen Sprache sind unrichtig mit den Jahren
1150 und 1500 abgegrenzt J. Grimm sagt mit vollem Reclite (Wörterbuch
1. Band XVDI): *Erst mit dem Jahre 1500, oder noch etwas später mit
Luther's Auftritt den nhd. Zeitraum anzuheben ist unzulässig, und
Schriftsteller wie Steinhöwel, Albrecht von Eib, Niclas von Wile, ja Keisers-
berg, Panli und Brant, die doch schon ganz seine Farbe tragen, würden
ihm damit entzogen*. Wenn unser Hr. Verf. diese Stelle aus dem Wörter-
bache in Betracht zieht, so muss er erkennen, zu welchen irrigen Vorstel-
lungen die Schüler durch seine Worte verleitet werden können, wenn er
kurx zuvor sagt: 'Bei diesen Veränderungen (an der Sprache) wird man
auf Momente stoßen, wo jene so zu sagen mit einem Schlage sich ein-
stellten'. — Welches Moment die plötzliche Umgestaltung des Ahd. zum
Mhd. hervorgerufen hat, überlässt der Hr. Verf. dem Schüler zu ergründen.
— Dass das Mittelhochdeutsche nach altem Brauch noch die schwäbische
Xundart heifet, daran ist Prof, Pfeiffer, dessen Ansichten sonst mit denen
des Hm. Verf. 's zusammenstimmen, jedenfalls unschuldig; Pfeiffer's Be-
hauptung, dass jene Meinung als eine irrige hinfort aufgegeben werden
müsse, scheint trotz allen erheblichen Gründen doch noch nicht völlig ge-
nchert zu sein. — Uebler ergeht es aber unserer jetzigen hochdeutschen
Sprache. Weil Luther selbst die Erklärung abgegeben hat, er rede nach
der äLchsischen Kanzlei (Tischreden Ausg. v. 1723 S. 699 a) , so sagt unser
Hr. Verf.: 'Die nhd. Sprache ist eine im Bureau aus der Mischung der
verschiedensten Mundarten entstandene Sprache, nicht eine lebendige
Weiterbildung des Mittelhochdeutschen'. Damit ist jedenfalls Schleicher
(D. Spr. 107), die Vorlage unseres Hm. Verf.'s, bedeutend überboten, der
doch nur von einer *auf dem Papier' entstandenen Sprache und von einer
Ifischung von Mundarten spricht, unter denen das Oesterreichische eine
hauptsächliche Rolle spielt. Ob mit solcher üebertreibung, die zugleich die
wirrsten Bilder von Sprachmengem der kurfürstlichen Kanzlei in Sachsen
hervorrufen kann, der Schule eine fruchtbare Belehrung gegeben werde,
darüber ist kanm zu streiten; unserem Hrn. Verf. schien dies das rechte
Verfahren zu sein, seinen Schülern mit der Verachtung der nhd. Bureau-
Mischsprache die volle Begeisterung für das reine Mittelhoch-
deutsch einzuflöXisen, das nun — nach der leider völlig entbehrlichen
Leitung — zur Darstellung kommen soll.
12*
172 A, Thnrmcald, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. v. I. Petien.
Die entschieden scli wachste Partie des 'Lehrbuches* ist die Laut-
lehre. An ihr ist recht augenfällig zu erkennen, wie der blinde Zufall
die einzelnen Theile zusammengewürfelt hat. Schleicher und J. Grimm
würden sich in ihrer Verbindung gewiss so ziemlich vertragen, wenn die
Verbindung nur etwas geschickter vorgenommen wäre und wenn der Hr.
Verf. nicht hie und da etwas mit in die Mischung gegeben hätte, was nur
ihm allein angehören kann.
Mit einigen Allgemeinheiten kommt der Hr. Verf. zur 'Trilogie' im
Vocalismus, 'von der die Bildung aller Vocale ausgieng\ Die Darstellung
ist eine derart freie Erweiterung der Lehre Schleicher's, dass wir über die
Trilogie des gutturalen a, des dentalen t und labialen u hinaus in das
fernste Alterthum einer vocalischen Einheit geführt werden, die der ürlaut
a ist; denn H. Thumwald sagt: 'Von den drei Urkürzen a, t, u ist a der
ursprünglichste Laut* (der 'vocalischste der Vocale, der Vocalissimus*, wie
bei Schleicher D. Spr. 134). Einen Schritt weiter kam der indische Arier^
oder Indogermane von der ürurkürze zu den drei Urkürzen; weil er aber
mit ihnen die ganze Declination (und Conjugation) nicht bestreiten konnte,
so war er bald darauf 'bedacht', seinen kleinen Vocalvorrath 'durch gewisse
Veränderungen zu vermehren*. Das gab nun die Lautumwandlung, die
der Hr. Verf. 'mit dem schon üblichen Ausdrucke* erste Steigerung be-
zeichnet und man hatte: a, i, u, aa(ä)f ai, au, 'Doch auch damit reichte
man bald nicht aus* und es kam zur zweiten Steigerung. Nach einigen
kleinen Abänderungen hatte nun die deutsche Grundsprache die
Reihe a, i, u; ä, et, iu(ü); ö, ai, au. Mitten in die Entwickelung dieser
Urzustände hat der Hr. Verf (oder der Setzer?) eine Tabelle gestellt, die
den Leser mit mehreren leeren Fächern und der Angabe überrascht, dass
die deutsche Grundsprache noch mehr besessen hat, als auf S. 11
gesagt ist, nämlich aufser jenen Vocalcn noch e und o. Schleicher hat
gewiss mit gutem Rechte die deutsche Grundsprache, die Mutter, nicht
jünger gemacht als das Gothische, die Tochter, welche kurz e und o
nicht kennt; nach S. 11 unseres Buches liefse sich vermuthen, auch der
Gothe habe e und o gehabt und diese Laute nur 'äufserlich' als 'Ver-
bindung von a und t, ai und u' mit ai und aü bezeichnet; die Striche
seien auch in den Handschriften zu finden, wie mhd. e (das gebrochene)
als e geschrieben werde.
Weiter gibt der Hr. Verf. auf S. 12 die Erklärung der Brechung
und des Umlautes. Dabei erhalten wir eine weitere Ausdehnung des Be-
griffes für den sog. Rückumlaut: vollen, ahd. vaüamis soll mit veJUst,
ahd. vellis zusammengehalten, den Rückunilaut zeigen. Was bleibt bei
einer solchen Erklärung der ursprüngliche Vocal, wenn wir einmal den
Umlaut, das anderemal den Rückumlaut haben?
Was der Hr. Verf. weiter als 'Besonderes* über den Vocalismus
bringt, ist trotz der guten Vorlagen von Grimm und Schleicher nicht frei
von Irrthümem und Ungenauigkeiten. Dass a mit e und o bei mitteldeut-
schen Dichtem wechseln kann, ist der erste, für das vorliegende Lesebuch
rein überflüssige Satz; unpraktisch ist die Aufführung eines vierfachen e,
darunter e, unter den kurzen Vocalen; von % wird überaus seltsam bemerkt:
A, Tkurmoaid, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. v. J. Fetten, 178
*• findet sich im sing, praes. gewisser starlser Zeitwörter und im Nomi-
naÜT gewisser Substantiva^ - in anderen Redctheilen wäre also kein %
la finden? - Für den Umlaut ü scheint dem Hm. Verf. ein Beispiel aus
Waltber nöthig zu sein: der Dümge hluome (Thuringorum flos); femer
erseheint unter d zur genauesten Unterscheidung ein überflüssiges a und
die ahd. Formen sälida, sälida in bester Eintracht mit mhd. rät, rät, wa^,
wd^ incognito beisammen; wo d nicht durch Contraction entsteht, da ist
es 'wurzelhaft* — eine überaus störende Ungenauigkeit! Eine besondere
Bedeutung misst der Hr. Verf. dem — d von neinä , gtiddd u. s. w. bei
fsehr zu beachten für die mhd. Sprachdenkmäler') und gibt aus Zingerle^s
Aufsatz in Pfeiffer*s Germania einen kleinen Auszug, der entweder für unser
Lesebuch rein entbehrlich war oder doch nicht in die Lautlehre gehörte. —
Das Vorartheil, dass lange Vocale durch Contraction entstehen, welches uns
bei ä kommen konnte, glaubt der Hr. Verf. bei ö und u abweisen zu müssen ;
'nie', sagt er, 'wird lohet und tobet zu 16t oder töt\ Wir fragen: Wer ver-
langt denn das von o? — Vom Umlaute tu bemerkt der Hr. Verf., er ge-
bore erst der mhd. Sprach periode an; aus Grimmas Grammatik l^ 112 ist
jedoch zu ersehen, dass dieser Umlaut auch schon bei Notker zu finden ist.
— Von tu heilet es: 'Es findet sich in der Wurzel von Substantiven und
starken Zeitwörtern: kliuhe, kirne, ftpriu, fiur\ Wählt der Hr. Verf. nicht
klub, kus für die Wurzeln? Wurzel und Stamm sind zwei Begriffe,
deren Sonderung dem Hm. Verf. nicht geläufig sein kann, denn er ver-
wechselt sie an mehreren Stellen.
ImConsonantismus nimmt der Hr. Verf. mehrfach Bezug auf das
Nhd., was im Vocalismus nicht der Fall war, dort aber gewiss eher wün-
achenswerth gewesen wäre. Bei Gelegenheit geschieht ein Seitenhieb auf
unsere beutige Orthographie, so bei /» und ;, im Einklänge mit Schlcicher's
Werk, dem auch die Beispiele genau bis auf engl, wäter (D. Spr. 204) nach-
geschrieben werden. Dass die auch von unserem Lchrbuche aufgestellte
Regel über ß zwecklos, inconscquoht und unpraktisch ist, hat
Rumpelt (Deutsche Grammatik S. 284) vollkommen richtig dargestellt. Von
der Wiedereinführung des ß, d. h. des mhd. % (vorausgesetzt, dass % unserem
I im Laute vollständig gleich war, was noch dahingestellt bleibt) Vman-
dpiert' der Hr. Verf. nur: es, das kurz vorher daß wegen plattd. dat),
was, blindes, weil hier 'bereits im 14. Jahrb. das 15 zu s geschwächt war' —
was thatsächlich unrichtig ist und nur als Ausnahme gelten kann. — Bei
den Spiranten hätten wir die einer Schulgrammatik gewiss wenig dienliche
Bezeichnung: hauchend, sausend, jehend, wehend, wenngleich sie
von J. Grimm herrührt, bei Seit« gelassen. Als wehender Laut ist hier t?
angesetzt, von welchem auf der nächsten Seite schon gesagt werden muss,
dass es im Mhd. nicht als Spirans gilt. — Eine lächerliche Verwirrung
herrscht in den folgenden Regeln: Im Auslaute wird Ä durch ch vertreten;
wird dieses di wieder inlautend, so tritt wieder h ein ein Seiten-
gtBck zum oben erwähnten Rückumlaut. — Bei j ist unnützerweise erst ein
Beweis geführt, dass trotz den Handschriften j und i im Laute scharf zu
sondern sind ; ie werden in i contrahiert, nie aber je — wir fragen, wie viel
Beispiele stehen denn hier dem Hm. Verl. auTser KrMiilt neben Kriemfiüt
174 Ä, Thurnwäld, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. v. L Pet$en,
(wenn man mit Grimm 1', 188 hier von einer Contraction sprechen will)
zu Gebote'? — Bei Schwalbe, gelb, gärben ist bemerkt, dass hier b gani
wie w ausgesprochen werde; stammt diese Kegel vielleicht aus Schmeller^i
bairischer Grammatik ? Auch Schleicher gibt sie S. 208 u. 210. — Unrichtig
heifst es: l wechselt häufig mit r und n; wie viel Beispiele für den
zweiten Wechsel kennt der Hr. Verf.? Als Beispiel für den ersten wird
auch aufgeführt: 'Im Ahd. heifst e« noch smielaHy im Mhd. schon smielen
und smieren. Ist ahd. smieran undenkbar? Erscheint nicht ursprüng-
liches r so oft in l erweicht? — Mit der hierauf folgenden Behauptung,
n sei überhaupt nur eine Abschwäch ung von w, steht der Hr. Verfl
im Widerspruch mit der vergleichenden Sprachforschung wie mit der
Physiologie der Laute, vgl. Schleicher's Compendium §. 1. Die Regel über
n im Auslaute an der Stelle von m und m im Inlaute ist im vollen Ein-
klänge mit der oben erwähnten Regel über h und di. Von n ist bemerkt,
es falle inlautend oft aus, besonders im Genit. des Infinitivs : meldea statt
meldem. Im Mhd. Wörterb. lesen wir dagegen (2, 282): 'Ausnahmsweise
scheint es im Gen. des Inf. fortzufallen, sterbes, meldes, trinkes, s. Lachm.
zu Nib. 910, 8'. — Ebenso unrichtig ist die Angabe, r falle inlautend
hä uf ig aus und werde auslautend apokopiert — allemal? — Bei den Mutis
hält der Hr. Verf. für nöthig, seine schon vorher von allen (3onsonantai
gegebene falsche Erklärung, dass sie ohne Vocal nicht tönen können,
nochmals vorzuführen. — Hierauf spricht der Hr. Verf. von der Lautab-
stufung und Lautverschiebung. Letztere ist nicht ohne einige Ver-
sehen dargestellt; das ärgste ist, dass bei den labialen Lauten die theore-
tische Umwandlung auch als wirklich ohne jede Störung geschehen ange-
setzt ist, obschon z. B. vorher gesagt wird, dass die goth. Labialspirata(?)
pf^CO sich oft im Ahd. der Verwandlung in b widersetze. Schlecht ge-
wählte Beispiele der Lautverschiebung sind — ohne nähere Besprechung —
(frJQ (warum nicht »^ »?(>?), fera, diiis und ;^^w, gitUa, kiux». — Nach S. 23
wären werch, marschalcfi die regelmäfsigen Formen, nicht werc, marsahaic
— Vom organischen ch ist gesagt, dass es niemals abfalle; das Lesebuch
gibt selbst im Widerspruche damit rUick für ricfdich.
Die Formenlehre ist im ganzen freier von den Mängeln, die wir
an der Lautlehre gefunden haben: die Darstellung ist, Einzelheiten ausge-
nommen, klar und übersichtlich und weniger durch überflüssige Zuthaten
gestört. Bei der Eintheilung der Verba stofsen wir auf den schon oben
gerügten Misbrauch der Vermengung von Wurzel und Stamm. Von den
reduplicierenden Verben ohne AbLaut sind nach altem, für's Mhd. jedenfalls
geltungslosem Brauche vier Classeu aufgestellt mit den Wurzelvocalen
gothisch a, ai, au, e — ist die Wurzel von skaidan nicht skid, von depan
nicht slap ? Gleichbedeutend gebraucht der Hr. Verf. bei der 5. und 6.
Classe der Verba Grundvocal (für Stammvocal). Die gothischen Verba
laian, saian, vaian haben jedoch nicht ai, sondern d in der Wurzel, s. Leo
Meyer's Aufsatz: 'Einige deutsche Wurzelformen auf d' in Kuhn'» Zeit-
schrift 8, 245 if. (Schleicher lässt im Compendium 2, 565 der Wurzel kurzes
a zukommen). — Unrichtig steht ld%e, g. leta, nicht neben greta, die Prae-
terita lauten doch gleichmäfsig mit Steigerung gaigrot, laitöt — Bei den
Ä. ThumtoM, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. v. J. Petters, 175
folgenden Verbaldassen (7>-12) lässt der Hr. Verf. uns vollständig in Un-
gewissheit, welcher Yocal der Ablautsreihen die Eintheilung bestimmt; der
WorzelvoGal der 7., 10., 11. und 12. Classe ist a, der 8. Classe t, der 9.
n. — Die dem Schema der Conjugation vorangeschickten Sätze der allge-
meinen Sprachwissenschaft, was unter Conjugation überhaupt zu verstehen
sei und daas die Personalendungen ursprünglich Pronomina sind, scheinen
ii uBiierem kurzen Abrisse der mhd. Grammatik entbehrlich; vollständig
klar lieflse sich das letztere ohnedies ohne Herbeiziehung der indogermani-
schen Grundformem gar nicht machen. — Ueberraschend ist bei dem Muster-
verbam das Participium genumen, das S. 31 nochmals ausdrücklich mit u
erscheint; H. Thumwald gibt nämlich dort die Regel : *Die auf m auslau-
tenden Verba der 11. Coiq. haben Part. Praet. u: genumtn\ Welche Er-
klärung hat denn dann der Schüler für den Beim komen : he^wmen im
Nibelungenliede (in unserem Lesebuche Str. 145)? Die Verwirrung greift
noch weiter, denn unmittelbar nach unserer Regel steht wieder das Part.
lomen fUr gequomen, nicht kumen. — Dass die Formen quam, quatnen nur
im Reime erscheinen, ist unrichtig; Beispiele gibt das mhd. Wörterbuch,
fierüiold t. Regensbnrg (Pfeiffer) 38, 20. 56, 7 u. s. w. Was S. 30 und 31 an
Bemerkungen zum Schema der Ck)njugation gegeben wird, ist im Drucke
nicht genug im Einzelnen gesondert; so stehen z.B. in einem Absätze die
diei Sätze beisammen: 'Ueber den Wechsel von h und g vgl. p. 16. Das
Praes. zu stuont ist stän. Im Nhd. ist demnach [weil der Inf in. stdn
lautet?] das Praeteritum stund , stütide" — Wenn vorher bemerkt wird,
daw man nhd. zu sagen habe: ich lud den Wagen, aber ich ladete zu
(faste, 80 ist dabei völlig übersehen, dass die Vermischung der Formen
schon im Mhd. zu finden ist, s. Mhd. Wörterb. 1, 927 z. B. der ritter
der in luot Lanz. 2483. ein vuhs ein slorken luot Bon. 57, 1. ich hdn
den übelen tiufel heim ze hm geladen im Reime Nibel. (Holtzm.) 654, 2.
Weigand's Wörterb. 2, 5. — Die vom Auxiliar der schwachen Verba S. 32
angegebenen Urformen stehen in schlechtem Einklänge mit dem gothischen
Auslantsgesetze und den von Schleicher im Compendium S. 634 construier-
ten Formen. Unser Ei. Verf. erschliefst mit gröfserer Sicherheit als Schlei-
cher die Formen: dad, dost, dad. Sollte für die Schule nicht die Bemer-
kung vollständig ausreichen , dass die alten Formen im Singular eine
wesentliche Verkürzxmg erfifthren haben und nur im Plural noch deutlich
lu erkennen sind? — S. 37 kommt der Hr. Verf. mit dem Satze: 'Wie es
nur einerlei Personalendungen gibt, so gibt es auch nur einerlei
CSasusendnngen* in Widerspruch mit der vergleichenden Sprachforschung,
die schon für die indogermanische Ursprache eine Verschiedenheit der Per-
sonalendnngen (primär und secundär) gelten lassen muss (Schleicher'»
(}ompendium S. 680—685). — S. 39 hat Schleicher (D. Spr. 246) mit den
Beispielen für die Mischung der weiblichen a- Stämme und n- Stämme, wo-
bei eine Angabe unrichtig ist, Anlass zu weiterer Irrung gegeben. Scblei-
eher stellt Heide, mhd. heide st. f., unrichtig zu den 72 -Stämmen und
K Thumwald stellt dem 'Roslein auf der Heiden' als analoge Können
Flaue nhandschuh (Schleicher: Frauenschuh) und Zungenspitze zur Seite.
In den beiden letzteren Worten allein sind alte n- Stämme bewahrt —
176 A. Thumtonld, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. t. I. PetUr»»
Pluralfonnen auf -er bei Masculinis, S. 40 blofe als neuhocbdeutscb mnf-
gefuhrt, sind auch im Mhd. schon vereinzelt zu linden, z. B. geister, ab'
gotety manner s. das mhd. Wörterb. und Weigand 1, 406. 2, 99. — Un-
passend erscheint für die weiblichen i- Stämme als gothisches Muster anA»
da der Plural im Gothischen nicht zu belegen ist. Schleicher hat im Com-
pendium als passendes Muster mahts gewählt — Warum verschmäht der
Hr. Verf. S. 45, für die Gradation der Adjectiva gothische Beispiele xu
liefern um den Satz zu erläutern, dass der Charakter des Comparaüvs #,
des Superlativs st ist, und erscheint ihm der ganze Absatz so unwichtig,
dass er von der Gradation nur in einer Anmerkung spricht? — Die ahd.
und mhd. Beispiele der Gradation mussten aus Schleicher's Buch entlehnt
werden ; konnte der Hr. Verf. nicht so weit selbständig sein , um in voll-
kommener üebereinstimmung mit ahd. höhiro , frötoro auch mhd. hoeher
und vrtwter nicht truter (wie Schleicher) anzusetzen?
Im Anschlüsse an die kurze Grammatik stehen hierauf in einem Um-
fange von dreiS(iten 'Grundzüge der mittelhochdeutschen Metrik'. Einen
besonderen Werth können wir denselben nicht zuschreiben und müssen so-
gar auf einige grobe Verstofse aufmerksam machen. Wenn der Hr. Verf.
sagt: 'Jeder Vers besteht aus einer Anzahl von betonten und unbe-
tonten Silben', so kann der Schüler in einiger Verlegenheit sein, wenn
er in einem Verse zufällig nicht eine Anzahl, sondern nur eine oder sogar
keine unbetonte Silbe findet, z. B. in den Proben aus Freidank in unserem
Lesebuche: gel,grü€ne, w^Mi'n oder gar: vröeli'ch ärmüot. Die Regel sollte
also nothwendigcrweise das Wörtchen gewöhnlich einschalten. — Für den
stumpfen und klingenden Reim sind die Verse 243 u. 244, 249 u. 250
aus Iwein gewählt; wie konnte dem Hm. Verf nur einfallen, sagen ikU^
gen als klingenden Reim hinzustellen? Das heifst doch flüchtig arbeiten!
Die Schüler werden nach einer solchen Vorschrift den zweiten Reim der
ersten Strophe im Nibelungenlied unbedenklich für einen klingenden er-
klären! — Wenn uns nicht alles täuscht, so hat Prof. Pfeiffer durch seine
Kritik über Weinhold's Metrik einen lächerlichen auf natürliche Weise rein
unerklärlichen Fehler unseres Lehrbuches hervorgerufen. Prof. Pfeiffer
tadelte nämlich (Zeitsohr. 1862, S. 730), dass Weinhold an der Lachniann*-
schen Lehre festhält, dass die erste Hälfte jedes Nibelungen verses drei
Hebungen mit klingendem Schlüsse habe, weil dieser Ansicht das unläug-
bare Vorkommen von viermal gehobenen Halbversen widerstreitet; unser
Hr. Verf. glaubt nun das Richtige damit gegeben zu haben, dass er sagt:
'Jede Langzeile fd. i. jeder Nibelungen vers mit Ausnahme des vierten] be-
steht aus zwei Halbzeilen zu je vier Hebungen, wobei die vorderen Halb-
zeilen klingend schliefsen, die hinteren aber stumpf reimen'. Wie wunder-
bar ist hier Lachmann's Theorie nach Pfeiffer's Kritik durch unsem Hm.
Verf. in's Reine gebracht! Wie liest denn unser Hr. Verf beispielsweise
Str. 12r). 1 seiner Auswahl aus den Nibelungen: Onch irns diu selbe tarnhüt
oder Str. 13B, 3: heJuibt er des die mmsi erseht ft ? Da hilft uns weder
seine, noch Lachmann's Theorie aus der Verlegenheit. — Eine Revision
wird jedenfalls auch die Lehre von den durch die Pause hinter jedem Verse
der Nibelungenstrophe vollzählig gewordenen acht Hebungen bedürfen;
Ä. ThrnmoM, Lehrbuch d. mhd Sprache, ang. v. J. Pettera. 177
fom letzten Verse der Strophe helfet es: Die achte Hebung der vierten
Langzeile fallt in keine Panse, weil mit ihr die Strophe zu Ende ist und
T<m selbst Ruhe eintritt'. Könnte der Hr. Verf. nicht für den letzten Vers
conseqnenter zehn oder besser eilf Hebungen ansetzen, weil wir doch bei
den meisten Strophen zum Schlüsse einen solchen Ruhepunct finden, dass
wir auch zwei Tacte aushalten können?
So viel denn über den Theil unseres Buches, der allein das Recht
hatte, sich ein 'Lehrbuch der mittelhochdeutschen Sprache' zu nennen, der
aber nach allem oben Angeführten keinesfalls ein zweckmäfsiges
Lehrbuch für Gymnasien abgeben darf.
Haben wir an mehreren Stellen der Grammatik bemerken können,
dass dem Hm. Verf. ein fester Standpunct mangelt, um das Allgemeine
von dem Besonderen, das Noth wendige von dem Uoberflüssigen zu trennen,
so er&hren wir auch sofort an den Lesestücken, dass der Hr. Verf. ohne
die nöthige Sicherheit der Methode zu Werke gieng: die umfangreiche
(nach dem Vorwort umfang s reiche) Auswahl aus den Nibelungen schlieM
sich der Theorie Holtzmann's an und gibt den Text nach Zamckc's Aus-
gabe, die Auswahl aus Gudrun folgt der Theorie Lachmann's, indem nur
echte Lieder nach MüllenhofTs Kritik aufgenommen sind. Die Ungleichheit
der Behandlung der 'deutschen Ilias und Odyssee' zeigt sich auch darin,
dass beim Nibelungenliede von den Handschriften die Rede ist, von der
Handschrift der Gudrun keine Erwähnung gemacht wird, femer, dass mit
eingeigter Erzählung dem Schüler ein fast vollständiger Ueberblick der
Nibelungen möglich gemacht wird, die 'deutsche Odyssee' aber mit einem
vorangeschickten dürftigen Abriss der Handlung des 2. und 3. Theiles ab-
gefertigt ist Vom Nibelungenliede sind im Ganzen 520, von der Gudrun
aber nur 106 Strophen aufgenommen; davon abgesehen erscheint uns die
Auswahl im ganzen gut getroffen, wenn auch zuweilen derUebergang von
eine Strophe zur andem etwas gewaltsamer Natur ist, z. B. bei Str. 377
und 378, zwischen welchen zwei Strophen (C 1970 u. 1977) ausgefallen
sind. — Ein ziemlich grofser Lrthum ist in der Inhaltsangabe der ersten
echten Gudmnlieder zu finden ; der Hr. Verf. sagt nämlich : 'Hetel Hess bei
Hagen um die Hand seiner Tochter Hilde anhalten'. Das sieht fast ans
wie ein Misverständnis des mhd. werben und steht im Übeln Widerspruche
mit den Strophen 202 und 254 (des vollständigen Textes), wo es zuletzt
heifst: gevreischet er da% werben, so kamen wir hirte sorcliche dannen!
— Im modernen Stil gehalten ist die Stelle des Abrisses: 'Endlich ist in
Tenelant ein neues Geschlecht herangewachsen; man hat wieder Sol-
daten, um sich an Hartmut rächen zu können'. Der Schüler mag sich
denken, dass im alten Dänemark nur nach einem langen Zwischenräume
eine neue Rekratierang stattfinden konnte, weil die Burschen gar zu lang-
sam bis zum NormalmaTs heranwuchsen ! — Die Auswahl aus Walther gibt
nur drei Lieder (von denen überdies das zweite neuerdings Walthem ab-
gesprochen und seinem Nachbarn Leutold von Seven zugeschrieben wird)
und drei Sprüche — für den herrlichen Dichter gewiss eine sparsame
Auswahl. Wir wünschten dieselbe vorzüglich um solche Stücke vemiehrt,
die die Lebensschick-sale Walther's betreffen, z. B. die Klage um Keinmar^s
178 Ä, nwrnuxüd, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. y. J. Patten.
Tod, einen Spruch auf den Wiener Hof, Ich hau mn Uhen^ das lUTer-
gleichliche Owe toar sitU verswunden.
lieber die noch folgenden Lesestücke aus Freidank (der Titel lautet
fehlerhaft: 'Aus Vridank'8 Bescheidenheit') und Berthold von Begenabiirg
ist nichts zu bemerken; nur wäre uns aus pedagogischen Gründen bdi
Letzterem eine kleine Streichung i^assend erschienen, dort nämlich, wo der
strenge Sittenprediger von dem Ungemach und Schrecken der 'Nftscher*
und Ehebrecherinnen spricht (Z. 432 ff.)-
Wir kommen zum Glossar (S. 179—199). Der Hr. Verf. hat im
Vorworte ausdrücklich erklärt, dass er die Ueberzeugung besitze, 'dass dem
Texte beigefügte Noten der grofseren Zahl der Schüler mehr schaden als
nützen, indem sie in der Meinung, die vom Lehrer gegebene Erklftrang
könnten sie zu Hause in den Noten nachlesen , häufig mit sehr getheilter
Aufmerksamkeit dem Unterrichte folgen*; deshalb habe er dem Texte keine
Anmerkungen beigefügt. Die Bedeutung solcher Noten wird jedenfüls nach
der Ansicht des Ref. wesentlich vom Verhalten des Lehrers abhangig sein;
wo der Lehrer dem Schüler nicht mehr zu geben weifb als was (nach
Rückert) 'in den Noten wird gekleckst', da halten wir es für rathsam, den
Schülern den blofsen Text vorzulegen, vorausgesetzt, daas ihnen keine
Uebung aufser der Schule zur Aufgabe gemacht wird und die Verhältnisee
so gestaltet sind, dass die Schüler alles Nöthige unmittelbar in den Schul-
stunden selbst sich aneignen können. In einem solchen Falle dürfte auch
ein Glossar im Lesebuche überflüssig sein; Reichel ist bei seinem Leao-
buche v(m dieser Ansicht ausgegangen und sagt: *Ein Glosaar ist nicht
beigefügt, weil dadurch die Trägheit des Schülers unterstützt und er lom
Nachschlagen, während er zuhören sollte, leicht verlockt wird*. Wie gut
die Gründe auch sein mögen, die gegen ein Glossar vorgebracht werden,
uns will doch Ein Grund so gewichtvoll scheinen, dass alle andern Beden*
ken weichen müssen : bei einem Lesebuche ohne Glossar und Noten ist dem
guten Schüler die Gelegenheit entzogen, das lebhafte Interesse, welches die
Bekanntschaft mit der mhd. Sprache und Literatur hervorruft, durch eigenea
Streben zu befriedigen. Das Interesse des Schülers nimmt sichtlich ab,
wenn ein lücken- oder gar mangelhaftes Glossar den Lesestücken beigege*
ben ist und wenn er bei einer häuslichen Präparation dieses und jenes Wort
erst nach langem Herumtappen vielleicht, vielleicht auch nicht errathen kann.
Beschränkt sich femer das Glossar auf eine künuuerliche Verdeutschmig der
Worte ohne jede nähere Auskunft über syntaktische Verhältnisse, wie dies
auch bei unserem Lesebuche der Fall ist, so müssen Noten vorhanden sein,
die die Lücken des Glossers ausfüllen; wenn z. B. im Glossar steht: jehen
st. V. bekennen, sagen, zugestehen, so ist es sehr fraglich, ob der Schüler
damit für Str. 2385 der Nib. : wem fnan des besten müge jehen hinreichend
gerüstet ist. oder wenn das Glossar auch überflüssigerweise toort aufhinunt
(unser Glossar hat es nicht), gibt es damit auch das Verständnis für das
bei Berthold so häuflge den Worten da% . . ?
Bei allem hier und da bemerkbaren Fleifse entspricht unser Qloesar
dennoch nicht allen billigen Forderungen; der Raum, den manche über-
flüssige Worte wie: aU, hoch, bant, harke, berc, bereiten, binden, bUmn,
Ä. ThumwM, Lehrbuch d. mhd. Sprache, ang. v. J. Fetters. 17 S
(otMS hikräey edel, entrinnen, erbiten, ere, ertrenken, ewecheü u. s. w. ein-
nehmen, konnte besser benützt werden. Wir wollen — um unsere ohnedies
schon in die Breite gerathene Recension nicht über alles Mafs auszudehnen
— nur einige der wichtigsten Wörter aufführen, die im Glossare fehlen:
ane adj. (Berth. Z. 248) , bejcufen (Freidank m. Stück V. 14) , bekennen
(Berth. Z. 87), bresten, brechen (Gudrun Str. 24), bunt (punt Nib. Str. 26),
cirkel (Walther V, 22), dne danc (Nib. 387), end^haft (Berth. Z. 149; einem
Misverstandnisse sicher ausgesetzt), erkiesen (Nib. 449), ertrahten (Berth.
22), verkiesen (Nib. 258), vlie%en, schwimmen (Gudr. 6), für da^ Berth.)
234. 294), gahes (Nib. 315), gedienen (Nib. 99), gerdien (Nib. 419), gestri-
chen (Freid. II, 46), geware (Berth. 183), glänz (Nib. 370), her (Nib. 280),
Mme (Berth. 421), jdnierleich (Berth. 165), kint (Nib. 380), leic (Berth.),
lop als st m. (Nib. 385), meistic (Berth. 178), minner bruoder (Berth. 204),
muoten (Gudr. 79), iV netnen (Berth. 407), nescher (Berth. 257. 432), tut
(Nib. 144), nitlich (Nib. 375), rificvertecUche (Berth. 110), riuwe als schw.
m. (Berth. 331), schalten (Freidank V, 57 in der Stelle: der tot liep van
liebe scheÜ, wo auch im mhd. Wörterb. 2, 121 nach unserer Ansicht irrig
schdn angenommen ist), selde (Gudr. 106), sint (Nib. 449), tiicke (Berth.
436), tugent (Nib. 89), unde als Relat. (Nib. 414), üppikeü (Berth. 152;
ein sicheres Misverständnis), wange als st. n. (Freid. I, 54), toeittn (Freid.
IV, 5), wünsch in wunsdies gewalt (Berth. 70), zentrinc (Rerth. 154) u. s. w.
An Sparen flüchtiger Arbeit fehlt es auch im Glossar nicht; wir wollen
nur einige der gröbsten Versehen anfuhren: ertvigen ist als Part, zu er-
wegen statt erunhen eingesetzt (Mhd. Wörterb. 3, 650), verwerinne (Berth.)
soll Malerin heifisen! statt gttec steht gitege, die erste Bedeutung von
herberge ist *Hütte\ von her 'feindliche Schar*, kemendte ist ursprünglich
'steinernes Haus' ! maisterschaft zuerst Leitung, Gewalt, dann erst Meister-
schaft, offenliche heifst an der betreffenden Stelle nicht öffentlich, sondern
frei und offen, sere ist nicht adverbieller Dativ, sondern — ahd. sero;
wi^en (so ist statt wi^en zu lesen) heifst nicht wahrnehmen, sondern vor-
werfen, strafen u. s. w.
Auf die Correctheit des Druckes hat der Hr. Verf. keine glcich-
mafsige Sorgfalt verwendet. Ein Verzeichnis von Druckfehlem ist nicht
vorhanden ; wir wollen daher eine kleine Reihe von Verbesserungen liefern :
S. VI, Z. 3 V. u. lies thiuda. S. 12, Z. 1 1. o st. on, Z. 10 1. ex^ent st.
n%en, Z. 12 1. hulfumes. S. 15, Z. 15 1. e. S. 17, Z. 17 v. u. 1. Fisch st.
Visch, S. 18, Z. 11 V. u. 1. halja. S. 23, Z. 1 1. den. S. 26, Z. 14 1. schiet.
Z. 5 V. u. 1. stoxan. S. 27, Z. 5 1. blasen. Z. 15 v. u. 1. staig. S. 30, Z. 9
V. u. 1. buk, büke. S. 48, Z. 10 1. gröx. Z. 14, 1. michelr u. michel(e)me.
Z. 22 1. marcgrdoe. Z. 25 1. e% wuohs, Nibel. Str. 18, 2 1. vli%en. Str. 38, 3
ü%. Str. 67, 2 het. Str. 83, 2 hän. Str. 93, 4 komen. Str. 118, 4 so. Str.
132, 4 gevarn. Str. 137, 1 stein. Str. 141, 4 stouf. Str. 164, 1 sprach. Str.
168, 4 döne. Str. 174, 3 tuot. Str. 199, 1 nach wem Komma. Str. 211, 3
Spehtsharte. Str. 233, 1 geborn. Str. 258, 2 hat. Str. 2a5, 4 wiseste. Str.
292, 4 ja. S. 99, Z. 2 v. u. wdfen. Str. 318, 1 got. Str. 3 3, 1 beJiben. Str.
407, 4 dö, Str. 411, 2 verwi^^en. Str. 419, 1 begdn. Str. 422, 1 fnarcgrdve,
Str. 430, 1 mimu. Str. 439, 2 stt. Str. 459, 1 wtle. Str. 476, 1 hinter man
160 8t, Zarahskiy Weltgeschichte n. s. w., ang. v. Fr, Kronei.
Komma. Gudrun Str. 15, 1 l. w^. Str. 27, 4 hi€%. Str. 34, 1 sax Str. 84, 4
in, Str. 86, 1 w?. Str. 96, 2 difi^e. Str. 103, 1 urnbedö^. Walther VI, 1 L
swelher. 4 1. zunmeere. Freid. 1,9 1. Salden. Berth. 93 L fierzedichen.
101 u. 102 tilge ofeo — niht. 184 gewinnen, 214 Ä«i?ef. 237 fli^ediche, 250
dai(. 282 ^nen. 290 J9pi8<?. 445 in st. m. 453 aZ7e tug. 464 2«&en. Im Gloesar
1. aber, conj. adv. — aham conj. ad?. — unter beruntien 1. berinnen st
rinnen. — bri schw. m. — t?a7wi st. vdJia. Aufser vähen ist irrthümlich
auch vangen als st. t. eingetragen. ~ Unter vient 1. fien. — varhte ist
ein st. f. — Unter gtsel 1. geisel. — Unter heime 1. heim st. n. — Unter
heweschrecke 1. schricken. — marc st. m. ist zu tilgen. — mort ist ein st
ra. — pfant ist ein st. n. — raten lies statt raten. — rechen st. ▼. — «S
zehant st. .sd zechant. — Unter ^ ist u. n. zu tilgen. — sam ist Adr. o.
Conj. — «fetZ ist st. n. — stvannen und sioar sind keine Conjunctionen —
doch das mag nicht zu den Druckfehlem, sondern zu den Schreihfehlern
gehören. Was schlicfslich noch den Druck betrifft, so haben wir zu tadehi,
dass die a und es nicht gleichmäfsig im ganzen Buche zu finden sind; in
der Grammatik steht häufig cw, oe, der Setzer scheint erst beim Nibelon-
genliede durch die gedruckte Vorlage auf ee und et geführt worden zu sein;
im Glossar stehen die Buchstaben verbunden und unverbunden. Einem auf-
merksamen Leser muss diese Ungleichheit stören, wenn einmal draejen,
verwaenen, loesen, schoene, ein andermal erlasen, lobebtere geschrieben wird.
Leitmeritz. Ign. Petters.
St. Zaranski, Weltgeschichte in Annalen-, Chroniken- und
Historienweise, mit einer sinnbildlich chronologischen und geographi-
schen Geschichtskarte. II. Bd., umfassend die Zeit v. J. 1000 bis 1500
der christlichen Aera. Wien, Zamarski u. Dittmarsch, 1865. IV u. 540 S.
gr. 8. (5 Geschichlskarten.) - 5 fl. 25 kr. ö. W.
Der Geschichtsunterricht auf Grundlage der Geschichts-
schreibung. Wien, ebend., 1865. 39 S. gr. 8. — 50 kr. ö. W.
Im Jahre 1856 veröffentlichte Hr. Zaranski den 1. Band seiner Welt-
geschichte, worin er den Zeitraum der Jahre 1 — 1000 nach Chr. in „drei
Stadien" — „annalistisch, chronistisch und synchronistisch-historienmafsig"
darzustellen bemüht war. Seither sind 8 Jahre verflossen und wenn wir
jetzt erst dem 2. Bande dieses Werkes begegnen, so führt uns dies auf die
Vermuthung, dass einerseits die Masse des zu bewältigenden Stoffes, ander-
seits die Schwierigkeit, mit der neu erfundenen Methode für sich und
andere in's Reine zu kommen, dem Verfasser eine so lange Pause auf-
nöthigen mochte. In dieser Vermuthung bestärkt uns die oben genannte
Abhandlung, die unter dem Titel „Der Geschichtsunterricht" et<;. gewisser-
mafsen als begleitendes Vorwort des Buches zu grlten bot. Ihre Abfassung
entsprang dem unläugbaren Bedürfnis, die Methode des Verfassers vor den
Männern der Schule und der Wissenschaft ausführlich zu erörtern und zu
vertreten. Wir geben zunäclist eine gedrängte Inhaltsangabe des Buches
und der Abhandlung, um sodann auf die Würdigung der Methode ein-
zugehen.
8L Zara^ski, Weltgeschichte u. s. w., ang. t. Fr, Krones. 181
Der vorliegende ü. Band der Weltgeschichte umfasst die Jahre
1000— 1500 der nachchristlichen Aera, um des Verf/s Eintheilangsweise
beizubehalten. Der geschichtliche Inhalt jedes Jahrhunderts erscheint, in
Üebereinstimmung mit der Anlage des ersten Bandes, nach drei Ge sieht s-
pnncten gegliedert oder in ebenso viele ,,Theile'' zerlegt, welche auch
durch den Druck unterschieden werden. Den Anfang macht der „chronol.
annalist** Theil, dem als Uebergangscapitel zum 2. Theil ein „geogr. Ge-
sammtbild* angehängt ist. Sodann folgt der „ethnogr. chronist.'' Theil,
der die Staatenbildungen in ihrer geographischen Reihenfolge von W. nach
0. bebandelt, und zwar Italien, Spanien, Frankreich, England, Skandi-
navien, Deutschland, Böhmen, Vorderslaven, Polen, Russland, Ungarn, Süd-
slaven, Bjzanz, mohamedanische Welt. Den Schluss bildet der „synchron,
histor.* Theil mit den Abschnitten: Religion, Politik, Verfassung, Finan-
zen, Kri^swesen, Rechtswesen, Ackerbau, Handel und Gewerbe, Bildungs-
anstalten, Poesie, Philosophie, Naturwissenschaften, Geschichte, schöne
Künste.
Die fünf beigegebenen Geschichtskarten, als Fortsetzung der
zehn früheren, die dem I. Bd. angehängt waren, zerfallen je in 100 kleine
Gevierte, von denen die meisten mit symbolischen Zeichen, Miniaturbild-
nissen oder ganzen Scenen — im kleinsten Mafsstabe ausgeführt — reich-
lichst versehen erscheinen. Ein verticaler Strich scheidet je 5, ein horizon-
taler je 50 Jahre. Jeder dieser mnemotechnischen Tafeln ist ein kleines
coloriertes Kärtchen eingefügt.
In der Abhandlung legt uns der Hr. Vf. eine durchgängige Reform
.des Geschichtsunterrichtes auf Grundlage der Geschichtschreibung'' an's
Herz. Er will uns lehren, wie man Geschichte für den Unterricht schrei-
ben, wie man sie lehren soll Er thut dies mit jenem Ernst, der Achtung
einfiöfst und beweist, wie sehr es dem Hrn. Vf. um die Sache zu thun sei.
Zunächst behandelt er die geläufigen „Methoden des Geschichts-
unterrichtes** (S. 4—7), sodann geht er über zur Analyse der „Geschicht-
schreibung" als Entwickelungsganzen (S. 7—12) und stellt, auf Grundlage
dieser Erörterung, die „annalistische'', „chronikenartige" und „historien-
mälsige" Geschichtsbehandiung für den Unterricht in der Art dreier „Stadien"
hin, denen je eine „Altersstufe" : Kind , Knabe (12.-16. Lebensjahr) und
Jüngling entspräche (S. 12—20.). Das erste „chronologisch - annalistische
Stadium" soll gewissermafsen die sinnlich-anschauliche Seite der Geschichte
darbieten; das zweite „ethnographisch - chronistische" dem Schüler die
„grÖMmöglichste Masse der Begebenheiten beibringen" ; dass dritte Stadium
endlich, das der „Historie", soll dem Schüler die „philosophische Ergrün-
dang des Geistes der Geschichte" ermöglichen. Dem „Historienschüler"
soll sich erschliefsen : „das stille, innere Leben und Weben geschichtlicher
Individuen", das Ergebnis „der geistigen Bethätigung" der Völker, „der
stufenweise Gang von deren Entwickelung in den verschiedenen Zeit-
epochen." — Das Lehrbuch (S. 20—21) möge in seiner mechanischen Ein-
richtung alle drei „Stadien" in sich fassen und „alle drei Stadien" sollen
sich in der Erreichung des fernen Zieles wechselseitig unterstützen. — So-
dann (S. 21 — 24) ergeht sich der Vert". in einer Polemik gegen die üb-
188 St. Zaranski, Weltgeschichte u. s. w., ang. v. Fr. Kranes,
liehe Einthcilang der Geschichte, indem er die in eine vorchristliche nnd
christliche Aera, mit der inneren Gliederung nach Jahrhunderten, vorrieht,
erwägt das Verhältnis zwischen Geographie und Geschichte (S. 24 — 2G) und
rechtfertigt (S. 26— 63) die Idee mnemotechnischer Geschichtstableanx, in-
dem er sich dem Verfahren Jazwinski's angeschlossen zu haben erklärt —
S. 33—38 wird das „Alter des Schülers" behandelt, im Verhältnis zu jenen
drei Geschichtsstadien und mit einem Worte an die Lehrer (S. 38 — 39) ge-
schlossen. Es wird diesen an's Herz gelegt „mit Vermeidung des f5rm-
lichen Moralisierens in der Geschichte dem Schüler den von oben her
lenkenden Gottesfinger erschauen zu lehren" und die Vaterlandsliebe des
Schülers zu fördern. So viel zum üeberblick des Inhaltes; versuchen wir
nun die vom Verf. empfohlene und durchgeführte Methode zu würdigen.
Die Parallelisierung der annalen-, chronikeu- und historienmäflsigen
Geschichtschreibung mit der Kindheit, dem Knaben- und Mannesalter der
Völker lässt sich keineswegs für den modernen Geschichtsunterricht in der
Weise fruchtbringend machen, dass man „Annalen" für Kinder, „Chroniken*
für Knaben, „Historien" für Jünglinge und Männer schreibt. Was bei der
Geschichte der Historiographie organische Entwickelungsstufe ist, wird hier
zur hohlen Nachkünstehing, zum Experimente. Halten wir nur das erste
sogenannte „annalistische Stadium" mit den auch vom Verf. richtig er-
kannten Bedürfnissen des Kindesalters zusammen, so wird sich der Wider-
spruch zwischen beiden recht fühlbar herausstellen. Wenn der Verf. in
seiner Brochure (S. 34) dem Kindesalter Erzählungen zuweist, die dessen
„Gefühlsseite" anregen sollen, anderseits aber zur Hauptaufgabe des ersten
Stadiums „die Uebung des Gedächtnisses" macht; denn „das Gedächtnis
sei des Kindes ganzer Verstand" — so müssen wir ihm vollkommen Recht
geben. Dann crwä<*hst jedoch für ihn auch die Forderung, in dem „anna-
listischen Stadium" und den dasselbe begleitenden „Geschichtskarten" Ge-
fühl und Gedächtnis des Kindes heilsam und fruchtbringend zu nähren
und zu beschäftigen. Das kann jedoch nicht der Fall sein, wenn das Ver-
schiedenartigste um der Gleichzeitigkeit willen im Bildertexte sowol als in
dem „annalis tischen" Commentar zusammengewürfelt wird. Man opfert da
dem problematischen Gewinne einer synchronistischen Einprägung des an
sich zusammenhanglosen, persönlich, örtlich und sachlich grundverschie-
denen, den sicheren Erfolg einer allmählichen Bekanntmachung des Kindes
mit dem Nacheinander des wahrhaft bedeutenden, Einbildungskraft
und Gefühl anregenden, innerhalb eines, möglichst eng abgegrenzten, Qe-
schichtskreises.
Geben wir Belege für das gesagte aus dem Buche des Ver&ssers.
S. 1. (Geschichtskarte 11, 1) finden wir aneinandergereiht: „1017 Erste
Niederlassung der Normannen in Unteritalien. 1018 Der griechische K.
Basil II., mit dem Beinamen des Bulgarenwürgers, macht die Bulgarei für
168 Jahre zur byzantinischen Provinz. Dasselbe Los wird auch Serbien,
doch nur für 25 Jahre, zu Theil. 1018 Tod des berühmten Chronisten
Dithmar, Bi. v. Merseburg, dessen Chronikon besonders fBr die Geschichte
der Vorderslaven und Polen von groJfeer Wichtigkeit ist." — Oder für das
12. Jahrhundert S. 101 (Geschichtsk. 12, II): „1180 Tod des arabischen
8L ZaraMti, Waltgeschichte u. s. w., ang. t. Fr, Krtmes, 18S
Geographen AI Edrisi. — Erster polnischer Landtag zu Lenczyczi^ u. s. w.
— Philipp Augnst besteigt den Thron von Frankreich. 1182 Tod des
Phüoiophen Johann von Salisbury. 1183 Tod des Geschichtsschreibers Bi.
Wilhelm von Tyrus.** — Diese Proben mögen genügen. Was soll der Lehrer
damit beginnen? Kann er sich wol mit dem bloXson Einlernen des Wort-
teifeea begnügen; kann er befriedigt sein, wenn der kindliche Schüler
die bexüglichen mnemotechnischen Zeichen : Krönchen, Bildchen, Fähnlein,
gekrenxte Schwerter, Blatter mit Namenszeichen, Globus, Wage, Buch mit
leuchtender Ampel und Namenszeichnong, Pergamentblatt mit Aufischrift —
seinem Gedächtnisse sich einprägt? Gewiss nicht; anch der Verf. wäre da-
mit nicht zufrieden gestellt Wie soll aber der Lehrer darin passende An-
haltspnncte zu gemüthnährenden Erzählungen finden? Was kann er dem
Kinde g^enüber mit dem Bulgarenwürger, dem Chronisten, mit dem
polnischen Landtage, mit dem Philosophen und Geschichtschreiber be-
ginnen? Wie wird er in dem Kopfe des Schülers das Chaos auseinander-
halten und dem Verständnisse zuf&hren?
Das sind gewichtige und ernste Bedenken. Gesteht der Verf. doch
selbst (Brochure S. 7), dass gerade die synchronistische Methode
keine eigentliche Unterrichtsmethode, sondern eine „Methode zur Anlegung
geschichtlicher Tabellen** etc., dass „die Synchronistik die natürliche Folge
eines ausdauernden Studiums sei." Verzeichnisse und Tabellen dienen aber
nur inr Verbindung und Festhaltung des im einzelnen gelernten und ver-
standenen. Das „annalistische Stadium** und die „Geschichtskarten** des
Verf/s halten wir demnach dem Kindesaltcr gegenüber, gelinde gesagt, für
verfirflht. Ja auch dem Knabenalter werden sie nicht viel nützen, denn der
„Chionikenschüler'* ist ebenfalls nicht reif für synchronistische Stoffbe-
heiTschang und wird vieles von dem Gebotenen unverstanden aufnehmen
müssen. Der Jüngling endlich, der „Historienschüler**, wird wenig Lust
bexeugen, die von ihm als Kind und Knabe abgegriffenen Geschichtskarten
zu studieren, er wird, wenn kein Freund mnemotechnischer Experimente,
das „Spielzeug** bei Seite schieben. Eher wird er zu dem Factenverzeich-
nisse des „annalistischen Stadiums** als Wiederholungsmittel seine Zuflucht
nehmen. So erscheint denn Text und Bild des annalistischen Stadiums
einerseits als ein Hinterstzuvörderst, anderseits als ein Lehrmittel, zu ernst
für ein blo/ses Spiel und zu viel Spiel für den Ernst des reiferen Alters.
Wie sorgfältig und scharf die Bildchen auch ausgeführt sein mögen, Gefühl
und „Schönheitssinn** können dabei doch unmöglich ihre Nahrung finden.
Auch die Brauchbarkeit der geographischen Kärtchen wird
beeinträchtigt durch deren winzigen Umfang, wobei ein Farbenfleck in den
andern verschwimmt Zudem fragen wir einen jeden Pädagogen, was der
„Ännalenschüler** , ja auch der „Chronikenschüler**, Kind und Knabe mit
historischer Geographie, nach Jahrhunderten gegliedert^ anfangen
solle; er, der erst in die Geographie der Jetztzeit eingeführt werden muss?
Was der Verf. das „chronistisch - ethnographische Stadium** nennt,
ist doch im Grunde nichts anderes als die gewöhnliche pragmatische
Geschichte nach Völkern und Staaten und nach Jahrhunderten geglie-
dert — mit Ausschluss der Culturhistorie im weitesten Sinne.
184 St, Zaranskiy Weltgeschichte ü. s. W., atig. v. Fr, Kronti.
Es ist uns nun schier unmöglich einzusehen, wie der Verf. die geeammie
politische Geschichte dem Knabenalter überweisen und deren gründ-
liche Kenntnis fdr das dritte Stadium bereits voraussetzen könne, da dock
erst der J&ngling für das gründliche Verständnis des einzelnen und den
sicheren Ueberblick des ganzen das nothwendige Urtheilsvermögen mit sich
bringt, also erst jetzt recht an deren Studium übergehen kann. Knaben
und Jünglinge müssen die politische Geschichte zweimal lernen, wenn sie
selbe recht lernen wollen. Der Knabe hat GcniÜths- und Gedächtnisem-
drücke des wichtigsten dem Jünglinge entgegenzubringen und dieser selbe
zu ergänzen, zu verbinden und mit gereifterer Einsicht zu durchdringen. —
Entschieden in Abrede stellen müssen wir jedoch die Möglichkeit, daas
der „Historienschüler'' das , was der Verf. dem „dritten Stadium*' zuweist,
nämlich die Culturgeschichte im weitesten Sinne, im einzelnen ihrer viel-
aitigen Erscheinungen, Volk für Volk, gründlich auffassen und syncbio-
nistisch beherrschen lerne. Selbst der hochschulmäfsig gebildete Fach-
studierende wird diese Aufgabe bei dem angestrengtesten Fleifse nur höchst
bruchstückweise lösen und der gereifte Fachmann nicht allseitig bewälti-
gen. Wir fürchten sehr, dass der „Geist der Geschichte", den der Historien-
schüler in dieser Weise „erfassen" soll, ein trügerischer Wahn, ein gefahr-
liches Ergebnis unvermeidlicher Selbsttäuschung wird. Denn was ihm der
Verf. da zum Studium bietet, ist trotz aller Materialfalle an sich selbst
lückenhaft und oberüächlich, wie dies bei der compendiarischen Beschafien-
heit des Buches und den äufserst ungleichen Vorarbeiten über mittelalter-
liche Culturgeschichte auch nicht leicht anders sein kann. Man ziehe nur
beispielsweise die Rubriken: Finanzen, Rechtswesen, Ackerbau,
Handel, Philosophie u. s. w. in Betracht. Muss es da nicht dazu
kommen, was der Verl selbst anderen Lehrbüchern gegenüber (Brochure
S. 19) befürchtet, dass man „im vorhinein alles Yerallgcmeincnid, mit ab-
stracten Phrasen und allgemeinen Ueberblickcn den Inhalt der schönsten
aller Wissenschaften schon zu erschöpfen gedenkt." „Eine solche Darstel-
lungswcise muss allerdings den Schüler zu dünkelhafter Ueberschätzung
seines Wissens und damit zur Oberflächlichkeit führen."
Die Scheidung des Stoffes nach Jahrhunderten, wie sie der Vf.
durchführt, hat manche gewichtige Nachtheile wider sich. Sie zerreiTst
das zusammengehörige, stört den Gesammtüberblick und führt zu raum-
verstellenden Wiederholungen, wie dies alles namentlich in den geogra-
phischen Uebersichten und culturgeschichtlichen Abschnitten grell
zu Tage tritt.
Der Standpunct des Vf.'s ist der kirchliche und nationale. Wir wollen
dessen individuelle Berechtigung nicht befehden, müssen aber gegen den-
selben Einsprache erheben, wo er uns nicht als richtige, wanngefühlte
Ueberzeugung, sondern als Irrthum oder auffallende Verkennung des that-
sächlichen entgegentritt. Urtheile, wie sie uns die Brochure z. B. über
Bossuet (S. 11) und die neuere Geschichtschreibung bietet, wobei der Vt
den gesammten Fortschritt der deutschen Historiographie seit Her-
der (!) einfach ignoriert, müssen wir um so lebhafter bedauern, je öfter
uns sonst die vielseitige Belesenheit und das durchgebildete Wissen des
A. Z(mmhi, Weltgeschichte n. s. w., ang. v. Fr. Krones, 185
Vü's ZOT Anerkennung nöthigt Ebenso wenig würden wir Anschauungen
das Wort reden, die uns das Geschichtsbuch unter anderem von den Bettel-
orden (S. 287), von P. Boni&z VIII. (S. 289) aufdrängen will, und sie be-
fromden xob um so mehr, sobald wir damit z. B. die humane und Tor-
irtheikfreie Charakteristik Gir. Savonarola's (S. 435) zusammenstellen. Wir
dtbrfeii anderseits das Bestreben des Vf/s billigen, der Slavengeschichte
gerechter zn werden, als dies gemeinhin der Fall ist, und doch nicht da-
mit ei]iT«rstanden sein, dass der Vf. dem universalhistorischen Gesichts-
pfonde nun Trotz der polnischen, besonders aber der russischen Geschichte
licht selten einen Umfang verleiht, der mit der Behandlung des Geschichts-
lebeiiB der Weströlker in gar keinem Verhältnisse steht. Nirgends tritt
dies greller zu Tage, als z. B. S. 269—70, wo sämmtliche Grofsfürsten von
Kiew ans dem Hanse Burik und alle Gewaltherrcn von Susdal innerhalb
der J. 1U3— 1241 n. 1157—1363 angeführt erscheinen.
Endlich darf nicht übersehen werden, dass gerade den schulmäfsi-
gsB Qebranch des Buches der völlige Abgang aller geneulogichen
Tabellen und Quellen- oder Literaturnachweise erschwert.
Erstere sind fUr manche Partie der mittelalterlichen Geschichte dem Schüler
durchaus nnentbehrlich, letztere mindestens dem weiterstrebenden gleich-
wie dem Lehrer höchst willkommen und sollten am wenigsten in einem
Bache fehlen, dessen Verf. so viel Gewicht auf das „Quellenstudium'' des
Historienschülers legt (Brochure S. 37).
Als Schlussergebnis unserer Besprechung stellen wir somit die
Uebenengong hin, dass Hm. Zaraöski's mit grofsem Fleiüise und anerken-
mingswerther Sorgfalt gearbeitetes Geschichtswerk: zufolge seiner zweck-
widrigen Anlage für den öffentlichen Unterricht als Schulbuch nicht
verwendbar sei. In dieser Ueberzeugung festigt uns auch ein doppeltes
infserliches Moment. Einerseits hat nämlich der Verf seine com-
pendiarische Darstellung der Weltgeschichte mit der christlichen Acra be-
gonnen und die Bearbeitung der antiken Universalhistorie einer späteren
Zeit vorbehalten, also gerade die naturgemäfs vorangehende als Bildungs-
dement wichtige Partie der orientalisch -hellenischen und römischen Ge-
schichte umgangen; anderseits überschreitet schon der präliminierte Um-
kog des Werkes (2 Bde. 1—1500 v. Chr., 2 Bde. verehr. Zeit und gewiss
2 Bde. nenere Geschichte, Summa an 6 starke Bände) die Maximalleistung
der Mittelschule. Der Privatunterricht kann jedoch aus dem Buche vicl-
Kitigen Nutzen ziehen, besonders aber der gebildete Autodidakt sich mit
Vortheil desselben bedienen. Endlich findet auch der Lehrer darin vieles
fördernde.
Da die eigentliche Aufgabe unserer Besprechung in der Kritik der
Methode liegt, so glauben wir, Berichtigungen der einzelnen Data nur
auf die strengste Auswahl beschranken zu sollen, indem wir nochmals
die Sorgfalt des Vf s anerkennend hervorheben. Wir wählen dieselben
Tonugsweise aus der vaterländischen Geschichte, indem der Vf. (Brochure
8. 39) den vaterländischen Standpunct des Lehrers als Verptlichtung seines
Berufes betont
Zduehtitt t. cI. ö«ter Oymn. I)j6&. U. u. III. Ucfi. 13
186 St. Zaramki, Weltgeschichte tu s. w., ang. v. Fr. Kranei.
S. 9 wäre die Scheidung einer „Mark ad Rapam und Celeja* xidi-
tiger mit der Bez. obere und untere Kärntner -Mark zu vertauschen. ~
S. 10 (vgl S. 50). Die f&r das Verständnis der Senioratserbfolge Ton 106&
unentbehrliche Angabc der mahrisch-(böhmischen) Theilhenogthümer fehlt
— S. 11 (vgl. S. 107, 168). Bei der Ossolinski^schen Coigectur eines slld-
karpatischen Königreiches Galics, der der Yf. blindlings folgt, hätte be-
merkt werden sollen, dass sie zunächst auf einer verworrenen Stelle der
Cronica Hungarorum (Endl. Mon. Arp. S. 71—72, cap. 7) beruht und deren
topographische Unklarheiten ausbeutet. Das Gleiche gilt von der Hypo-
these, die in Ruscia, Ruzia das alte „Rugilant** findet. Kroatien und üb-
gam schied nicht die Save, sondern die Drau. — S. 38 fehlt die wichtige
Beziehung Islands zu Scandinavien und die nonnänn. Colonis. N. Amerilrai,
— S. 47. Die Einsetzung der Babenb. in die Ostmark ist noch immer 996
(und Otto m. st. Otto n.) statt 976 datiert — S. 63 fehlen die entsehei-
denden Kämpfe Stefans zur Ausdehnung der Reichsgrenze nach Süden,
namentlich gegen Achtum, Fürsten von Csanad. Desgleichen wird dee Ein-
flusses des h. Gerhard auf die kön. Familie und des wichtigen liber S.
Steph. regis de niorum institutione nicht gedacht — S. 85 fehlt die An-
gabe von der Ausscheidung eines besonderen Reichstheiles in der Zeit An-
dreas L, Salomons und später zu Gunsten arpadischer Agnaten. — S. 109
wird zum 12. Jahrhunderte von einem „Herzogthume** Trient gesprodMB.
— S. 104 lässt der Verf. die Görzer Grafen für das 12. Jahrh. in den Be-
sitz der „Kärntner Mark«" treten. — S. 105 (vgl. S. 150). Die factische Er-
werbung der Steiermark durch die Babenberger gehört zum J. 1192, nicht
1186. — S. 114. Für die richtigere Beurtheilung Heinrichs VL a. d.
Hohenst H. wäre eine Rücksicht auf AbeFs und Ficker^s Arbeiten forder-
lich gewesen. — S. 168 fehlt die Erörterung der ungarischen Thronfrige
vom Standpuncte der ungar. und byzant Anschauung. — S. 181 ist die
Bedeutung der Donauländer für den Handel zufolge der Kreuzzüge üher-
sehen (vgl. Heeren, Hüllmann, Beer). — S. 247 lässt der Yert die Bahen-
bergerin Margaretha zum J. 1246 im Kl. zu Würzburg verweilen, statt lU
Heimburg in Oesterr. — S. 249 blieb für die „Olmützer Mongolensclüacht*^
SchwammeFs Arbeit unberücksichtigt — S. 371 ist keine Rücksicht auf
K. Johanns von Böhmen innere und äussere Politik genommen. — S. 411
fehlt jede Andeutung über das innere Wesen der Prager und Wiener Uni-
versität — S. 491 ignoriert der Verf. K. Georg Podiebrad's Bestrebung^
um die deutsche Krone. — S. 505 wird der Krieg Matthias Eorrinus' um
Böhmen mit dessen natürlichem Sohne Johann in Verbindung gehradit»
was chronologisch jedes Einklanges enthehrt.
Graz. Fr. Krones.
DommeriA, Lehrb. d. vergl Erdkunde, an^. v. M. Wretschko. 187
Ldurbuch der vergleichenden Erdkunde f&r Gymnasien und andere
Mhere üntenriditBanstalten, in drei Lehrstnfen, von Dr. F. Do mm e-
rieb, Lebier am Gymnasiom zn Hanau. Herausgaben von Dr. Th.
Flatbe, Oberlebr^ am k. Gymnasium lu Plauen. 1., 2. und 3. Lehr-
itofe. Leipsg, Teubner, 19ß2/eS, — 2 Thlr. 9 Sgr.
In den meisten geographischen Lehrbüchern der neueren Zeit wird
den Thatiaehen auf dem Gebiete der Thier- und Pflanzengeopraphie, ihrem
gewtimiMgen und ursachlichen Zusammenhange ein gröDserer oder ge-
ringenr Spielraum gegönnt. Dies findet auch im ausgedehnteren Ma&e in
den drei Lehrstufen des vorliegenden Lehrbuches, namentlich in der zwei-
ten Lehistufe, statt Da jedoch Thier- und Pflanzengeographie Disciplinen
ifakly die sidi genetisch am besten als Zweige der Naturgeschichte ansehen
nnd fkctiaeh aoeh meist von Zoologen und Botanikern cultiviert
so ist eine kritische Sichtung des Materiales für den Geographen
nm Fach keine kleine Au^bel Es wird mir gestattet sein, in Kurzem
darftber in beriehten, wie der Hr. Verf. dieselbe gelöst hat
Der betreifende Abschnitt ist in jedem Theile als Geographie
der Producte überschrieben und wird nach den drei Capitelu: Geographie
te Mineralien, der Pflanzen und der Thiere behandelt in der Art,
da» in der ersten Lehrstnfe die wichtigsten Thatsachen gegeben werden,
wlliTOid die zweite und dritte sie ergänzt und erweitert, und ihren Causal-
nszu besonders betont Was zunächst die Geographie der Mineralien be-
tilit, ao ist da nur auf einige wenige in gewerblicher Beziehung bedeut-
«me Arten Rücksicht genommen und sind die ergiebigeren Fundorte der-
i angeführt worden. Diesem Abschnitte gegenüber muss hervorgehoben
bss eine Geographie der Mineralien derzeit nicht existiert und
überbaopt wahrscheinlich nie existieren wird, da die Yertheilung organi-
leber Prodnete in der Erdrinde keiner Gesetzm&Tisigkeit unterworfen tu
sein adieint Wir billigen das Weglassen dieses Capitels in der dritten
Lehntnfe, würden sie auch in der zweiten schon gerne vermissen. Die
Angabe der Fondorte ist mitunter mangelhaft, wie bei Eisenspath, Granat,
Wbet (zweite Lehrstufe), und zu unbestimmt, denn durch Bemerkungen,
wie Tupfer konmit in Oesterreich, Blei in Nordamerika vor", wird man
wenig belehrt
Am botanischen Theile haben wir auch einiges auszustellen. Das
Moos an den ttumen ist kein passendes Beispiel einer Schmarotzerpflanze.
Bei der Besprechung der Verschiedenheiten der Vegatation in den einzelnen
Erdtheilen heillrt es im Puncte 2: „Die Zahl der Arten, Gattungen und
Funilien nimmt von den Polen nach dem Aequator hin zu," während dies
nur von den Phanerogamen gilt, von den Kryptogamen hingegen
das entgegengesetzte. Bei der Aufzählung der Pflanzenregionen (zweite
Ldmtnfe S. 81) hatte der gröl^ren Deutlichkeit wegen die geographische
Breite angegeben werden sollen, für welche diese Stufenfolge gilt.
Bezüglich des Thierreiches sind zwei Unrichtigkeiten hervorzuheben:
in der Fanna tersdiiedener Zonen (erste Lehrstufe) werden der Scorpion
13 ♦
188 E, Desor, Der Gebirgsbau der Alpen, ang. v. R 8u$fiL
und die Tarantel unter die Insecten gerechnet, was kein neues System
mehr thun kann, und der Laternenträger wird als Fenerfliege anige-
führt, was nach neueren Beobachtungen falsch ist.
Im ganzen genommen darf die Wahl und Anordnong des Stoffes,
so wie die nach den Lehrstufen zunehmende AosfÜhrlichkeit in der Be-
handlung desselben als ziemlich gelungen angesehen werden; dMS neuere
Resultate nicht genug berücksichtigt wurden, ist zwar zugegeben, Itot
sich jedoch dadurch entschuldigen, weil dieselben zerstreut in Terschiedenen
Schriften und Werken und fast gar nicht in Gompendien zusammengesteUt
vorkommen.
Laibach. Dr. M. Wretschko.
E. Desor: Der Gebirgsbau der Alpen. 150 S. 8®. Mit einer Karte
in Farbendruck und 12 Holzschnitten. Wiesbaden. Kreidel, 1865. —
1 Thlr.
Ein Fachmann von bedeutendem Rufe hat es in diesem kleinen Buche
unternommen, das anerkannt schwierigste Problem der straügraphiteheii
Geologie in fasslicher Weise darzustellen und zwar, wie die Vorrede sagt,
zum Gebrauche der Lehrer der Geographie an den höheren Lehranstalten
der Schweiz. Je seltener heutzutage noch ähnliche Versuche sind, mit im
so grösserem Interesse werden sie angenommen, und Refl gesteht, dMi
auch er mit groiüser Spannung an die Leetüre dieser Schrift gegangjsn kt
Die Enttäuschung war eine vollständige. Wenn auch der Hr. Ver£ seUwl
zugibt, „es dürften namentlich die ihm weniger bekannten östlichen Tkiile
der grol^n Kette mancherlei zu wünschen übrig lassen, und sei jede finennd-
liche Berichtigung um so willkommener**, so ist doch die Zahl und die Art
der Irrthümer, welche in Bezug auf die östlichen Alpen hier ausgestochen
sind, so auiüserordentlich, dass eben nur die Achtung vor dem Rufe, wel-
chen der Hr. Verf. auf anderem Gebiete sich erworben hat, überhaupt nur
Richtigstellung eines Theiles derselben Veranlassung geben kann. Man tränt
in der That seinen Augen kaum, wenn man auf der beigeschlossenen Karte
die Mürz als Leitha bezeichnet sieht, oder wenn wiederholt von den
Adompter Alpen (S. 49 u. 66) die Rede ist, unter welchen wahrschein-
lich die Umgegend des Stiftes Admont (ad montem) zu verstehen isi^
oder wenn gar S. 123 unter den Alpen-Seen „in Niederösterreich dar
Neusiedler-See, südlich von Wien** angeführt wird. Lassen wir je-
doch solche Verstörte bei Seite und wenden wir uns dem wesentlichen In-
halte des Buches zu.
Es umfasst dasselbe fünf Abschnitte, unter den Aufschriften: L Oror
graphie; 2. Geologie; 3. Beziehungen zwischen Geologie und Orographie^
4. Erratische Erscheinungen in den Alpen und 5. Deutung der Alpen-See^n.
Das Wort „Orographie** ist hier keineswegs in dem üblichen Sinne^
nämlich als eine Schilderung der äufseren Gestaltung des Bodens genommen;
mindestens findet sich im ersten Abschnitte, der dieses Wort als lieber-
Schrift trägt, ein ganz anderes, allerdings nicht minder interessantes Ca-
pitel der Alpen-Geologie besprochen. Die 42 Seiten , welche derselbe m-
SL Dtsar, Der G«birg8l)an der Alpen, ang. v. E. Suefs, 180
CuBi, sind gani der Feststellimg des Begriffes nCentral-Masse** tind der
SchüdeniBg der einzelnen Massen gewidmet. Der Hr. Verf. führt die Central-
Musen hier beil&nfig im Sinne B. Stader*s auf, vermehrt jedoch ihre
Auahl tbeils doreh Anerkennung der Selbständigkeit mehrerer kleinerer
Massen im Westen nnd theils dadnrch, dass er, die gerechtfertigte Vorsicht
Stader*B bei Seite setzend, durch die ganzen Ost-Alpen hin, bis Wien und
bisWarasdin, neue Central-Massen ausscheidet und benennt— ein Versuch,
der, wie leicht einzusehen ist, nur bei gründlichster Kenntnis der neuesten
vorU^^den Arbeiten und nach einer speciellen Untersuchung des Gebirges
selbst einige Aussicht auf Erfolg hätte haben können. So treffen wir denn
hier auf zahlreiche Misgriffe; so ist gleich unter den ersten Beispielen
(S. 11) der Venediger als ein Lappen von Sedimentgestein zwischen den
Massen der Tauem nnd der Drau angeführt, während gerade dieser Berg
SOS Centralgneis besteht, wie der Hr. Verf. selbst bei dem Niederschreiben
fon 8. 38 gewnsst zu haben scheint, und ebenso sind , um von der Art der
Ausscheidung nicht zu sprechen, die Benennungen der meisten östlichen
Massen auf etne sonderbare Weise veigriffen. Der Ortles besteht aus jün-
gerem Sedimentgestein und kann niemals einer Centralmasse den Namen
geben, welche, wenn sie als selbständig anzusehen ist, den Namen der
Zufall- oder Veneziamasse tragen sollte; jene Centralmasse, welche hier
unter dem ganz vagen Namen der Masse der Tauem angeführt wird, ist
Sturms Oentralmasse des Hochnarr; weder die Spitze des Ankogels noch
Semmering bestehen aus den Gresteinen der Centralmassen. Die höchst
wichtigen gemeinschafilichen Arbeiten von Stur, Peters und Lipoid, welche
im Jahrbuohe unserer geologischen fieichsanstalt für 1854 veröffentlicht
wurden, und welche einen auf thatsächliche Beobachtungen gegründeten
Vemich zur Gliederung der Centralmassen in dem weiten Gebiete vom
Venediger bis zum Hoch-Golling enthalten, scheinen dem Hm. Verf. un-
bekannt geblieben zu sein.
Wie schwankend übrigens auch im Westen die Ansichten des Hm.
Verf.*s sein mögen, geht aus den Wandelungen hervor, welche das Buch
selbst erkennen lässt S. 11 wird gesagt, Studer habe 19 Centralmassen
ontersdueden, der Hr. Verf. aber glaube ihrer 36 unterscheiden zu können.
Die fidgende Detaübeschreibung führt nur bis Nr. 35, weil es S. 36 nicht
gewagt wurde, die Porphjrmasse „derTrientiner Alpen** den anderen Central-
Blassen als gleichwerthig anzureihen ; es erscheint dieselbe daher unter XXVI,
bis, gleichsam als ein Anhang zur sogenannten „Centralmasse des Ortles".
Im Schlnssverzeichnisse der Centralmassen (S. 150) dagegen ist die
Oentralmasse der „Trientiner Alpen" dennoch mit selbständiger Nummer
angeführt und nichts destoweniger hier die Gesammtsumme nur auf 33
«bradit, welche noch dazu in anderer Ordnung aufeinander folgen. Die
gsringere Anzahl aber rührt daher, dass ohne weitere Angabe eines Grun-
des die Ifassen V (der Sesia), VIII (der Vannoise) und XXIV (die Stilfser-
masse) hinweggelassen sind. — Will man endlich die Ziffern der Ueber-
sichtskarte benützen, so zeigt sich, dass diese nicht mit dem unmittelbar
tontehenden Sehlussverzeichnisse , sondern mit dem früheren Texte über-
100 E. Desor, Der Gebirgsbau der Alpen, ang. t. E. iS^/k
Der zweite Abschnitt, unter der Ueberschrift n^eologie", gibt dk
Gliederung der geschichteten Grebilde der Alpen an. Er ist in Belüg anf
die Ostalpen nicht minder unglücklich abgefiu»t, als der erste. So trifit
man schon in dem ersten Absätze (S. 47) die Kalke der Umgebong won
Gratz zur silurischen Epoche gezählt (ebenso S. 88), obwohl sie Ton deTO-
nischem Alter sind. Bei Besprechung der Steinkohlenformation aind offea-
bar die pflanzenführenden Schiefer der Stangalpe übersehen wcnrden, welche
doch 80 grofse Aehnlichkeit mit jenen der Tarentaise besitzen, und «m die
sonderbare Ansicht zu widerlegen, dass die Ostalpen in Bezug anf die Ent»
Wickelung der Ereidefomiation minder begünstigt seien, reicht ee wohl hin,
dass man an den Karst und Istrien erinnere, oder an die Gosanbildnngen
am Nordgehänge, deren reiche Fauna bereits für sich allein eine Literatur
besitzt, welche jedoch hier (S. 60) nur ganz beiläufig und zwar auf Gtmbd^t
Autorität hin im Turonien erwähnt werden. — In Bezug auf die jüngeren
Tertiär -Ablagerungen steht der Hr. Verf. auf einem Standpuncte, der in
Wien als ein lange überwundener angesehen wird, und das Lob, welches
am Schlüsse dieses Abschnittes unserer geologischen Beichsanatalt ertheilt
wird, lässt den Leser nur um so mehr staunen, warum denn die Arbeiten
dieser Anstalt nicht häufiger zu Rathe gezogen wurden.
Im dritten Abschnitte ist die Structur der Alpen , soweit sie die
Centralmassen betrifft, erläutert. Hier ist es, wo man in der Gruppienmg
der drei concentrischen Kreise der westlichen Massen den heryorragendsten
Theil der Schrift findet; kein Fachmann wird diese Seiten ohne Intereew
lesen, und niemand wird läugnen, dass ee eine grofte und kühne Idee ist,
welche der Hr. Verf. ausspricht^ indem er (S. 84) diese Reihen von Central«
massen als ebensoviele gleichzeitig entstandene Faltungen ansieht , analog
den Faltungen unserer Nebenzonen. Befriedigen wird diese originelle An-
sicht allerdings nur wenige, denn, abgesehen von der petrographisdifln
Verschiedenheit der Massen, drängt sich sofort die Frage anf, wo denn
dann die eigentliche Hebungsaxe liege, von wo denn der anfiMrordentliche
Seitendruck ausgegangen sei, welcher solche Stauungen hervorzubringen im
Stande war.
Einige der allerwichtigsten Capitel über den Bau der Alpen sind
aber ganz mit Schweigen übergangen. Der Leser erfährt nämHcfa von dem
Baue der grofsen Nebenzonen, von ihren parallelen Faltungen, welche ins-
besondere für die ganzen nordöstlichen Alpen so bezeichnend sind, so wie
von der eigenthümlichen Vertheilung der Kreidebildungen in den Bruch-
linien nicht ein Wort. Die grossen Querlinien des Rbeinthales und von
Wien, welche in den Karpathen an der Hemad ihr Analogon finden, sind
gar nicht erwähnt und über die Beziehungen vulkanischer Gebilde zn den
Centralmassen trifft man auch nicht die geringste Andeutung. Ja ni^
einmal die anticlinale Linie (oder stellenweise Doppellinie) der Molaase iiSt
genannt Dieser wichtigste Abschnitt des Buches enthält also zwar einen
gewagten Gedanken in Bezug auf die gegenseitigen Beziehungen der west-
lichen Centralmassen, ist aber im übrigen höchst unvollständig.
Die beiden letzten Abschnitte besprechen Erscheinungen, welche mit
dem Gegenstande, den der Titel des Buches nennt, nur in untergeoirdBeter
L, Wkae, Das preoüs. Schulwesen, ang. t. F. Hoehegger, 191
oder in gar keiner Yerbindiing stehen. Es genüge hier erwähnt zn hahen,
da» die Darstellung der erratischen Erscheinungen eine sehr gelungene
ist, wie dies ehen nicht anders Ton einem Manne zu erwarten war, der
selbst 80 grolke Verdienste um die Lösung dieses RSthsels sich erworhen
hat In Bezog auf die Bildung der Seen sind, wie der Hr. Verf. selbst
nigeBteht, die Meinungen noch ziemlich getheilt und mdchte sich Ref. hier
lieber auf die Seite B. Studer*s stellen.
Im ganzen muss also mit aufrichtigem Bedauern wiederholt werden,
dass diese Schrift durch ihren Inhalt nicht dem Maf^stabe entsprochen hat,
den man an die Schriften des berühmten Autor*8 zu stellen gewohnt ist,
und dass dieselbe wegen der zahlreichen Unrichtigkeiten, welche sie in
Bezug auf die östlichen Alpen enth<, für den Gebrauch österreichischer
Lehrer nicht empfohlen werden kann.
Wien. E. Suefs.
Das höhere Schulwesen in Preufsen. Historisch-statistische Dar-
stellung, im Auftrage des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und
Medidnal- Angelegenheiten herausgegeben von Dr. Ludwiff Wiese,
Geh. Ober-Bc^erunesrath u. s. w. Berlin, Wiegandt u. Grieben, 1864.
XX u. 740 S. Mit äner üebersichtskarte. — 4Thhr.lOSgr.
Selten dürfte Lesern, die sich einen genauen Einblick in den Zustand
des höheren Unterrichtes in einem durch die Pflege der Schule seit langer
Zeit herronagenden Staate verschaffen wollen , ein Werk von so reichem
ud so belehrendem Inhalte geboten worden sein , als die oben genannte,
aus amtlichen Quellen geschöpfte übersichtliche Darstellung des gesamm-
ten höheren Schulwesens in Preufsen. Aber auch nur selten dürften dem
HienHisgeber eines solchen Werkes so umfusende, das einzelne erschöpfende
Materalien zu Gtobote gestanden und in ihm zugleich sich alle jene Eigen-
sdiaften, die zu Bewältigung eines so massenhaften Stoffes unentbehrlich
sind, Tereinigt haben, wie dies bei vorliegendem Werke und dessen Ver-
gaser, Herrn Dr. Ludw. Wiese, der Fall ist Jahrelange, auf den ver-
schiedenen Stufen des Lehramtes gewonnene Erficihrung im Schulwesen,
eiagehendes Studium der historischen Entwickelung des preuf^ischen Unter-
riditswesens im Zusammenhange mit der Entwickelung des preufsischen
Staatsorganiamus überhaupt, endlich eine einflussreiche Stellung in der
ünterrichtaverwaltung, von der aus ein freier Ueberblick über die Gksammt-
beit des betreffenden Gebietes und zugleich Einsicht in manche sonst weni-
ger zugingliche Theile desselben gewonnen werden kann, diese Eigenschaf-
ten sind es vornehmlich, welche dem Hm. Vf. bei Ausarbeitung des vor-
hegenden Werkes so sehr zu statten kamen. Und wie das Werk seinem
guizen Inhalte nach Zeugnis ablegt von der hohen Stufe, die das höhere
Sdralweaen in PreuHsen erreicht hat, so legt es ebenso vollgiltiges Zeugnis
ab von der innigen Vertrautheit des Hm. Vf.'s mit seinem Gegenstande,
ehier Vertrautheit, die es ihm allein möglich machte , den massenhaften
Stoff zu beherrschen, ihn zu sichten und zu ordnen und auf diese Weise
dem Leser ein ebenso genaues ah klares Bild von dem Zustande des preufsi-
Kbeo ünteiriohtBwesens vor das Auge zu führen.
me £. Wiese, Das preullä. Schulwe«en, ang. ▼. F. übe^^ifsf««*.
Der enge Baum dieser Anzeige gestattet es nicht, auf den übenuu
reichen Inhalt, den das fragliche Werk bietet, hier im einsefaien eiim-
gehen: ohnehin wird sich bei wiederholten Anlassen Gelegenheit genug
bieten , besonders wichtige Partien desselben in diesen Blattern in be-
sprechen. Wir beschränken uns daher Torlaafig darauf, erstlich eine ge-
drängte Uebersicht über dessen Inhalt und seine Gliederung zu geben, dann
einige Puncte, die zu Vergleichung mit unseren heimischen Schulxostiiidaii
besonders auffordern, kurz lu berühren.
Das ganze Werk zerfallt in sechs Abschnitte und einen Anhang.
Der erste Abschnitt, „Die Unterrich tsver waltun g** (S. 1—16), gibt
eine gedrängte Uebersicht der Entstehung so wie der Gliederung der gegen-
wärtig bestehenden staatlichen Leitung des höheren Unterrichtsweseas in
Preofsen. Interessant zur Vergleichung ähnlicher Verhältnisse in Oester-
reich ist der geschichtliche Nachweis, dass eine das gesamrote Schnlweeen
des Staates umfassende Centralverwaltung in Preufsen erst in diesem Jahr-
hunderte gegründet worden ist, während früher theils die gesetzlichen Or-
gane der Kirche, theils jene tou Provinzen, Gemeinden oder anderen Cor-
poraiionen einen maligebenden Einfluss auf Schulangelegenheiten ausübten.
Wichtige Vergleichungspuncte bietet femer die Darstellung der Provincial-
verwaltung des höheren Schulwesens (S. 5 ff.), insbesondere die freilich sehr
gedrängte Darlegung des Bestandes und Wirkungskreises der acht Pro-
vinciulschulcollegien (vgl. S. 16 fi. die namentliche Aufzählung sämmtlicher
Provincial - Schulbehörden) , deren Einrichtung in mancher Beziehung an
jene der Landesschulbehörden erinnert, wie sie in Gestenreich vor dem
J. 1854 bestanden.
Der zweite Abschnitt, „Die verschiedenen Arten der höhe-
ren Schul en'^ (S. 20—49), handelt von der Einrichtung und Lehrver-
fassung der Gymnasien, Progymnasien, Realschulen, höheren Bürgerschulen
und Alumnate. Die beigefügten Normallehrpläne, für Gymnasien vmn
J. 1856 , für Realschulen vom J. 1859, bezeichnen nur im allgemeinen die
Richtung, welche beide Gattungen von Schulen zu nehmen haben, um das
ihnen gesteckte Ziel zu erreichen ; sie sind aber nicht in der Absicht fest-
gesetzt, um für die einzelnen Lehranstalten in allem und jedem als nnab-
änderliche Vorschrift zu gelten, sondern innerhalb ihres Rahmens eeU der
lebendigen Entwickelung des Schulwesens je nach provinciellen , loealen
und individuellen Bedürfiiissen der freieste Spielraum gelassen werden. So
finden wir denn auch vornehmlich hei den Realschulen die mannigfaltig-
sten Abstufungen. Denn neben den Realschulen erster Ordnung mit 8 — ^9-
jähriger Cursusdauer und obligatem Latein bestehen Realschulen zweiter
Ordnung mit 6— Tjähriger Cursusdauer und nur ÜEbCultativem Lateinonter-
richt, aufserdcm höhere Bürgerschulen mit noch kürzerer Cursusdauer und
ohne Latein, jedoch mit stärkerer Betonung der Realien und modernen
Sprachen. Endlich findet sich noch, namentlich in der Rheinprovinz, nicht
selten die Combination von Gynmasium und Realschule oder höherer Bür-
gerschule, eine Einrichtung, die jener der bei uns in jüngster Zeit gegrün-
deten Realgymnasien entspricht, indem in der Regel die Schüler beider
Abtheilungen in den zwei untersten Classen duxchw^ gemeinsam, von der
L, Wiese, Das preu/b. Schulwesen, ang. v. F. Hodtegger. lOS
dritten Classe an theilweise getrennt nnterrichtet werden. (Vgl S. 30 den
Plan der Lehranstalt in Neuwied.) Diese Mannigfaltigkeit der Gestaltung
des Realachulwesens selbst in einem Staate wie Preufsen, dessen Cultur*
und Spradiverhftltnisse doch unendlich gleichartiger sind, als z. B. jene
Oesteneichs, liefert den deutlichsten Beweis, dass auf diesem Gebiete des
UnterrichteB die Durchführung eines gleichförmigen Lehrplanee nur in sehr
beschranktem MsHae möglich ist, weil eben die Ansprüche jener Classen
der Bev^emng, welche die grölkte Zahl von Schülern für solche Schulen
liefern, je nach den besonderen Anforderungen von Stadt und Land sehr
versehiedea sind. Ein allznstarres Festhalten an einem gleichförmigen
Lehrplane, zumal in einzelnen Puncten, wie z. B. in der allgemeinen Vor-
schrifi einer 8~9jährigen Cursusdauer oder des obligatorischen Latein-
unterrichtes für alle Schüler, könnte am Ende erfiahrungsmäf^ig nur die
Folge haben, gar mancher Realschule einen namhaften Theil ihrer Schüler
zu entziehen und so einige Classen derselben verödet, andere ziemlich
achwach besucht zu machen. Einige Belege hiefür liefert der statistische
Ausweis über die Frequenz der preufiBischen Realschulen, auf den wir
weiter unten werden zu sjHrechen kommen.
Der dritte Abschnitt enthält «historische Nachrichten über
das höhere Schulwesen der verschiedenen Provinzen nebst Angaben über
den gegenwärtigen Bestand der einzelnen Lehranstalten. ** Dieser Abschnitt
ist unstreitig der umfangreichste (S. 50 — 410), so wie auch der reichhal-
tigste und geschichtlich belehrendste des ganzen Werkes. Der Gang der
Eatwiekelung des gesammten höheren Schulwesens in PreuXten tritt dem
Leser durch die genaue Darstellung der Entstehung und Fortbildung der
einzelnen Schulanstalten in den einzelnen Landestheilen dieses Staates
lebendig vor*8 Auge. Besonderen Dank verdient hiebei die fleifsige Angabe
der Quelloi, aus denen der Hr. Vf. für seine Darstellung schöpfte, so wie
die Anfzfthlung der Directoren und namhaftesten Lehrer, die an den ein-
seinen Lehranstalten seit ihrer Gründung wirkten. Man begegnet darunter
Namen, die zu den glänzendsten in Schule und Wissenschaft gehören.
So I. R Herder, Lehrs, Ijachmann in Königsberg; Spitzner, Nitzsch, Lo-
beek in Wifctenbeig; Franeke, Niemeyer, Wachsmuth, Eortüm, Peter, Voigt,
Drumann, Stallbaum, Seyffert, Beigk, Keil u. a m. in Halle; Gedike, Spal-
ding, Spilleke, Zumpt, Passow, Krüger, Fr. A. Wolf, Meineke, Böckh u.a.m.
in Berlin, und kaum dürfte sich unter der grossen Zahl der aufgeführten
Lehranstalten eine einzige finden, die nicht auf den einen oder den an-
deren ihrer Lehrer mit gerechtem Stolze hinweisen könnte. In der That-
sadie eines aolchen Beichthumes an vorzüglichen Lehrkräften liegt eben
der Grund jener hervorragenden Stellung, die Prenfben in Bezug auf höhe-
les Untefriohtswesen unter den Culturstaaten Europas unbestritten ein-
mmmt Aber auch die nachhaltige Sorgfalt, die man dort der Heranbildung
and Erhaltung eines tüchtigen Lehrstandes seit langem gewidmet hat,
verdient allüberall wetteifernde Nachahmung. Wir verweisen in dieser
Hinsicht sogleich auf den sechsten Abschnitt des vorliegenden Werkes,
„Die Lehrer und das Lehramt" (S. 525—597). Dort finden wir die
Sinriditang nnd den Bestand der Lehrerseminarien an den Hochschulen
104 L, Wiese, Das preoD». Schulwesen, ang. y. F, Hoekegger.
zu Königsberg, Berlin, Greifswald, Breslau, Halle, Münster und Bonn kun
angegeben, mit Bezeichnung der an jeder einzelnen derselben bestehenden
besonderen Abtheilungen. Wir erfahren hiebei, dass die philologische Ab-
theilung nirgends fehlt, die historische nur zu Berlin, Halle und Münster,
dass aber, zum Unterschiede von den gleichartigen Anstalten in Oester-
reich, nicht nur zu Berlin, sondern auch zu Königsberg, Halle und Bonn
auch mathematisch-naturwissenschaftliche Seminarien existieren. Ans der
Masse berühmter Namen von Männern, denen die liOitung dieser Anstalten
anyertraat war und theilweise noch ist, heben wir nur einige hervor, wie
z. B. Lobeck, Herbart, Lehrs, Jakobi, Schubert in Königsberg; Buttmann,
Bemhardy, Lachmann, Haupt, Böckh, Schellbach, Herrig in Berlin; Schd-
mann, Herz, Schäfer, Grunert in Greifewald; Haase, Stenzel, Bolbbach fai
Breslau; Wolf, Bergk, Schweigger, Knoblauch in Halle; Welcher, Ritsdü,
Jahn, Nees von Esenbeck, Treviranus, Bischof, Nöggerath, Schacht in
Bonn, und schon diese Namen mögen eine Vorstellung davon geben , was
mit solchen Kräften für die Pflege und Hebung des wissenschaftlichen
Geistes im Lehrstande der Mittelschulen geleistet werden kann.
In Bezug femer auf die Lehramtsprüfung ist zu bemerken, dass
die Vertheilung der Prüfungsgegenstände in drei Hauptgruppen, classische
Philologie, Mathematik und Naturwissenschaften, Geographie und Ge-
schichte, auch nach dem preufsischen Prüfungsgesetze die Regel bildet,
dass aber hinsichtlich der deutschen Sprache, abweichend von der bezüg-
lichen Norm in Oesterreich, für die philologischen LehramtsCandidaten die
Bestimmung gilt: n^er nicht so viel Kenntnis der deutschen Sprache und
Literatur besitzt, dass er in jeder Classe, selbst der höchsten, mit Nutzen
in der deutschen Sprache zu unterrichten vermöchte, kann auf die unbe-
dingte facultas dooendi (d. h. die Befilhigung zum Unterrichte für das
ganze Gymnasium) im philologischen Fach keinen Anspruch machen.** Nicht
minder wird von jedem Candidaten ohne Ausnahme hinreichende Kenntnis
in der französischen Sprache, dann in der Logik, Psychologie und Ge-
schichte der Philosophie, so wie in der Pädagogik verlangt AuDBerdem
besteht noch eine eigene Prüfungsnorm für Lehrer der neueren Spra-
chen und für jene der Zeichnungsfacher. — In Betreff der Amtspflich-
ten der Lehrer aber erwähnen wir hlotü den Umstand, dass über die
Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden, zu welcher ein Lehrer ver-
pflichtet werden kann, eine allgemein verbindliche Norm zwar nicht auf-
gestellt ist, dass es aber als Regel gilt, ein Director habe wöchentlich
12—16, ein Oberlehrer 20—22, ein ordentlicher Lehrer 22—24 Stunden
zu lehren, vorausgesetzt, dass die Frequenz der Classen nicht über das
Marimum (40—50 Schüler) hinausgehe und hiedurch zu viele seitraubende
Correcturen veranlasse. Diese Anforderungen an den Zeit- und Kraftauf-
wand des Lehrstandes sind allerdings bedeutender als jene, die an die
Lehrer in unseren Mittelschulen gesetzlich gestellt werden. Aber es ist
hiebei auch anzuerkennen, dass in Preufsen ungetheilte Classen mit 60—70
Schülern doch zu den Seltenheiten gehören, mit einer Anzahl von 80—100,
ja 130 Schülern gar nicht vorkommen. Einen lehrreichen Ueberblick über
die Classenfrequens und die Classencötns (PanOleldassen) •& den
Xb Wime, Das prenft. Sohulweaen, ang. y. Ä. Hodtegget. 105
preuüriseheii Mittelsehnleii gewähren die statistischen Tabellen
fCB 8. 40^-^71, ans welchen m ersehen ist, dass nur ein paar nnge-
theilte Claasen mit 70—^ Schülern sich vorfinden, hingegen mitunter
sehom Claasen von nnr etwas über 50 Schtdem in zwei, von noch mehr
Sdiftkfii oft in drei, ja selbst in vier Cotns abgetheilt erscheinen. (Man
TgL hiein beispielsweise die Classenfreqnenz an den Berliner Gymn. S. 467.)
Eine Veigleiehnng dieser Schülenrerhiltnisse mit jenen in Oesterreich föllt
natOrlich nidit in Gkinsten der letzteren ans, nnd es kann nicht oft genng
nnd nicht nachdr&ckfich genng wiederholt werden, dass eine mäfeige Classen-
freqneni, im Dnrdischnitte von höchstens 40—50 Schülern, eine Hanpt-
bedingnng flir die gedeihliche Entfaltung unseres Mittelschulwesens ist.
Denn wahr ist nnd bleibt der Ausspruch, zu dem sich der erfahrene Verf.
vorliegenden Werkes in der Vorrede (8. IV) gedrungen fühlt: ^Die Ueber-
füllnng der meisten öffentlichen Lehranstalten gehört zu den grollten Hin-
dernisaen einer gesunden Entwickelung des Schulwesens. — Die podago-
gisehe Kunst scheitert an der Behandlung dieser Schülermassen und ein
individualisierender Unterricht wird dabei unmöglich.** Wenn nun solche
Klagen über zu groAc Frequenz schon hinsichtlich der preufsischen Mittel-
idinlen laut weiden, was soll man erst zur abnormen UeberfÜUung vieler
UBseier Gymnasien nnd Bealschulen sagen? Man könnte sich billiger-
weiae nnr darüber wundem, wenn in solchen Anstalten unter solchen Ver-
MltiiiflBen überhaupt noch etwas geleistet wird, nicht aber darüber, wenn
in den meiaten FUlen zum groXton Verdruflse der Lehrer und zum noch
gröterea Nachtheile der Schüler das voigezeichnete Lehrziel auch nicht
entfernt erreieht wird.
Die Darstellung der Besoldungss&tze für die Lehrer an den
preoDriadiai Mittelachnlen bietet ebenfiüls einige beachtenswerthe Ver-
gleichnngspnncte mit unseren heimischen Zuständen. Zwar besteht auch
hl PrenDaen für die aus Staatsmitteln ganz oder theilweise erhaltenen An-
stalten nach den Standorten, an denen sie sich befinden, die Abstufnng
nach drei Gehaltsclassen, so dass, mit Ausnahme von Berlin, wo durchweg
hMiere Gehalte normiert sind, zur ersten Classe 9, zur zweiten 34, zur
dritten 66 Stidte mit ihren Mittelschulen gerechnet werden. Auch ist für
diese derart rangierten Anstalten ein Normal - Besoldungsetat aufgestellt,
der beispielswoise von dem Minimum der Besoldung eines Lehrers an einem
Gymnaainm dritter Classe mit 500 ThL jährlich bis zum Maximum der
Besoldung eines Directors an einem Gymnasium erster Classe mit 1800 Tbl.
jährlich stufenweise emporsteigt Aber dieser Normaletat ist keineswegs
durchw^ streng eingehalten, und es gibt Anstalten, an denen theilweise
unter die normalen Ansätze herabg^gangen, andere hinwieder, wo darüber
hinausgegangen wird. So besteht denn fitctisch an den preuTsischen Mittel-
adiulen eine sehr groAw MannigfiEdtigkeit der Besoldungssätze, was in so
fem nicht vom Uebel ist, als dadurch ein gewisser Wetteifer unter dem
Lflhrstande genährt wird mit dem Ziele, sich durch thätige Verwendung
im Lehramte und wissenschaftliche Arbeiten eine eintraglichere Stellung
IQ erringen. Dabei ist auch folgender Umstand nicht zu unterschätzen.
Die BosoldiaigBaätae für erste Anstellungen im lichramte sind im Durch«
IM L. Wiese, Das preuXb. Schalwesen, «Bg. v. F. Bodi^ggdt.
schnitte an den prenßiischen Mittelschulen nicht höher bemessen ab aa
den österreichischen; aber die Aussicht, nach längerer verdi6n8t?<dler LdB«-
thätigkeit zu einem TerhältnismäXsig lohnenden Auskommen su gelaageli,
sind dort gröfser als hier. Und dies scheint uns rin gro/iser Vonug des
prcufsischen Besoldungssystemes zu sein. Denn will man den Lehrstaad
der Mittelschulen dauernd heben, was vornehmlich dadurch zu eneichea
ist, dass man talentvolle junge Männer aus den wohlhabenderen Stäadea
dafiir gewinnt, so handelt es sich nicht so sehr darum, vor allem die an»
teren und mittleren Stufen des Dienstes gut zu dotieren, sondern danun»
durch eine anständige Dotierung einer ausreichenden Anzahl oberer Stdko
strebenden Kräften die Aussicht auf ein Ziel zu eröffnen, das zu ermchea
der Mühe werth ist. In so lange aber den Lehrern an Mittelschulen keine
Aussicht eröffnet ist, in ihrem Berufe eine halbwegs ähnlich lohnende
Stellung erlangen zu können, wie sie f&r Männer von gleichen, ja oft Toa
minderen Studien in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes erreichbar
ist, in so lange wird ihr Stand als solcher unter einem Drucke leiden,
dessen nachtheilige Einwirkung auf das Mittelschulwesen überhaupt sicll
nur zu sehr fühlbar macht.
Wir wollen zum Schluss nur noch einige Blicke auf den viertea
Abschnitt werfen, „Statistik der Schulen und Schülerfreqaens"
(S. 412- -476), dann auf jenen Theil des Anhanges, der eine üebeiridit
gibt „von den Schulunterhaltungskosten*' und „den gegenwärtig geltendea
Schulgeldsätzen" (S. 599—616). Eine kurze, nur einige Hauptmomente be-
rührende Vergleichung mit den statistischen Nachweisen über unsere Mittel*
schulen fahrt zu folgenden Ergebnissen. — Nehmen ¥rir als Basis der Ver-
gleichung nur den Umfang und die Bevölkerung der deutsch - slavischen
Länder Oesterreichs, mit Ausschluss von Ungarn, Siebenbürgen, Oroatienf
Dalmatien und I^mbardovenetien, so gelangen wir für das Schuljahr 1868
beiderseits zu folgenden Ansätzen in runden Zahlen. PreuÜBen beeafii aaf
einen Flächenraum von 5100 geogr. Quadratmeilen mit 18,500.000 Ein-
wohnern eine Anzahl von 255 höheren Schulen, nämlich 144 Gymnasien,
28 Progymnasien, 47 Realschulen erster, 17 zweiter Ordnung, 19 höhere
Bürgerschulen und sonstige Reallehranstalten, somit 1 höhere Lehranstalt
auf 20 Q. M. und 71.000 Einwohner. Oesterreidh hingegen im oben an-
gedeuteten Gebietsumfang besafis auf etwas über 5800 Q. M. mit beiläufig
18,900.000 Einwohnern eine Anzahl von 126 Mittelschulen, nämlich 89 Gym-
nasien und 37 Realschulen, somit 1 Mittelschule auf 41 Q. M. und 150.000
Einwohner. Es ist somit ziffermäTsig feststehend, dass in Prenfiien auf
den gleichen Flächenraum und die gleiche Bevölkerungszahl doppelt so
viele Mittelschulen entfielen als in Oesterreich, nach dem oben angedeute-
ten Gebietsumfang. Vergleichen wir femer die Frequenz der beiderseitigen
Mittelschulen, so ergibt sich fßr die 172 Gymnasiallehranstalten in Preoilnn
im Schulj. 1863 eine Zahl von 45.400 Schülern, für die 83 Reallehnmsial-
ten eine Zahl von 20.700 Schülern, somit an 255 höheren Schulen efai*
Gesammtzahl von 66.100 Schülern. In Oesterreich hingegen waren in dem-
selben Schuljahre die 89 Gymnasien von 28.300, die 87 Bealachnkn von
nahezu 9000 Schülern besucht, somit liauntliche 126 Mitiekdknlea ?«a
L, W%€B$y Das preuTs. Schulwesen, äng. ▼. F. Hochegger, 197
37.000 Schülern. Demnach ist die relative Frequenz, d. h. das Verhältnis
der Schülenahl zn der Gesammthevölkerong, an den Mittelschulen PreuTisens
bedeutend gröXIser als an jenen Oesterreichs: es entfällt nämlich in runder
Zahl in Preufisen je 1 Gymnasial- oder Realschüler auf je 280, in Oester-
leicfa auf je 500 Einwohner. Aber die einzelnen Lehranstalten sind dort
bei weitem nicht so überfüllt, eben weil deren Zahl eine doppelt so grotae
ist als bei uns; und der Ueberfrequenz einzelner Classen wird dort nicht
nur durch die häufige Anwendung der Classencötus abgeholfen, sondern
sie wird Yon vornherein schon dadurch vermindert, weil in PreullMn die
Curausdauer der Mittelschulen durchschnittlich länger bemessen ist als bei
uns, also die G^esammtzahl der Schüler einer Lehranstalt sich auf mehr
Clasaen vertheilt als nach unserer Lehreinrichtung. — Vergleichen wir
ferner die Frequenz einzelner Classen an den preuXbischen Mittelschulen
unter einimder, so ergeben sich wieder einige Gesichtspuncte, die der
Beachtung wol werth sind. Während nämlich die Abnahme der Schüler-
zahl an den Gymnasiallehranstalten von den mittleren gegen die oberen
Classen zu eine ziemlich regelmäfisige Reihenfolge bietet, so findet sich bei
den Reallehranstalten ein merklich auffälliger Abstand zwischen der Fre-
quenz in n. gegen jene in HL, ein Abstand, der noch auffälliger zwischen
L und n. zu Tage tritt (die Classen L, ü. etc. von der obersten an
gezählt). Allerdings zeigt sich ein bedeutender Unterschied zwischen der
Frequenz in L und U. auch an den preuTsischen Gymnasien; aber doch
bei weitem kein so starker, wie an den Realschulen. Auch von III. zu II.
ist der Abstand der Frequenz im Verhältnis zur Gesammtzahl der Schüler
an den Realschulen viel gröfber als an den Gymnasien. Demnach ergibt
■ich aus diesen Zahlen erstens die auch anderwärts constant gemachte Er-
fiihrang, dass die bedeutendste Abnahme der Schülerzahl an Realschulen
legelmäXIsig nach absolvierter Tertia (unsere IV. — V. Classe) stattfindet;
zweitens die Thatsache, dass die Erstreckung der Cursusdauer an Real-
lehnnstalten über das siebente Jahr hinaus nur in den seltensten Fällen,
unter den allergünstigsten Voraussetzungen den Erfolg einer lohnenden
Frequenz aufweisen kann. Während nämlich beispielsweise (S. 465) die
Schülenahl der L an 172 Gymnasiallehranstalten in Preuften im Schul-
jahre 1863 doch 4653 betrug, erreichte sie an Sd Reallehranstalten daselbst
noi den Betrag von 723 Schülern, so dass, nach einfacher Berechnung,
auf eine Gymnasialprima doch 21, auf eine Realprima nur^ Schüler ent-
fiilkn wären. In der That zeigen auch die Ausweise über die factische
Fiequeos der obersten Classen S. 466 ff., dass die Prima an den Gymnasien
PreuAena im Durchschnitte über 20 Schüler zählt, nämlich für ein Drittel
der Anstalten 20-~d0, für das zweite 30—60, für das dritte 10—20, wäh-
rend die Prima der Realschulen nach der S. 470 befindlichen Tabelle,
welche jedoch nur jene 34 Anstalten L Ordnung aufführt, die über 200
Schüler zählen, also relativ gut besucht sind, nur an vier Orten, nämlich
ZI Danzig, Elbing, Bresku und Köln über 20 Schüler zählt, in den mei-
sten Fällen aber unter die Zahl von 20, ja 10 Schülern herabgeht, in
einigen Orten endlich gar nur 6, 5, 3 Schüler beträgt, wie in DüXIseldorf,
Strafannd, Elber&ld. Wenn nun schon in gut bevölkerten und Industrie«
tOO L, Wiese, Das preufs. Schulwesen, ang. v. R Hock^§gef,
geldsätze an ihnen gering hemessen sind. Im Gegentheile , in allen dnreh
Bildung hervorragenden Staaten finden wir, dass diese Satze im VerWÜt-
nisse zur Entwickelung des Schulwesens fortwährend gestiegen und duxdi-
schnittlich höher bemessen sind als bei uns in Oesterreich. So aneb in
PreuX^n. Wie die auf S. 610 ff. enthaltenen Tabellen zeigen, wechselt
dort der Ansatz des Schulgeldes nach Provinz und Stadt bedeutend. Mui
g^eng von der Ansicht aus , dass es nicht räthlich sei , die Mittebchnlen
zum Behufe der Bemessung des Schulgeldes etwa ähnlich wie bei nna in
zwei oder drei Kategorien einzutheilen , sondern erachtete es fts zwecl:-
mäfsig, auch in dieser Beziehung nach MaDsgabe localer Verhältnisse einer
gröJRseren Mannigfaltigkeit ungehindert Raum zu geben. Demnach findet
sich denn auch an den preufirischen Mittelschulen eine ganze Stufenleiter
von Schulgeldsätzen von 6 Thlr. jährlich angefangen bis zum höchsten Satze
mit 56 Thlr. jährlich. Betrachtet man diese Stufenleiter naher, so ergibt
sich folgendes. Die niedersten Schulgeldsätze von 6, 8, 10 Thlr. jährlich
finden sich nur vereinzelt an den Lehranstalten einiger kleineren , weniger
wohlhabenden Städte, wie z. B. Wittstock, Lübben, Gleiwitz, Leobschütz u. a.
Fast ebenso vereinzelt finden sich die höchsten Ansätze von 36, 40, 42 bii
66 Thlr. jährlich, wie in Brandenburg, Elberfeld, Barmen, Buhrort, Mfthl-
heim, Rofiileben u. a., und zwar meistens mit der Ausnahme, dass diese
hohen Sätze nicht durchweg von allen Schülern gefordert werden. Im
ganzen aber gilt an dem einen Theile der preufiBischen Mittelschulen ein
Schulgeldansatz von 12, 14, 16, 18 bis 20 Thlr. jährlich, an dem anderen
Theile ein Ansatz von 20, 22, 24, 26 bis 30 Thlr. jährlich, so dass, wenn
man 20 Thlr. als mittleren Ansatz nimmt, sich beide Theile so ziemlich
die Wage halten. Speciel in Berlin z. B. beträgt das Schulgeld 25—30 Thlr.
jährlich, in Königsberg 24 Thlr., ebenso theilweise in Breslau und Stettin,
in Halle 24'/, Thlr., in den meisten Städten der Rheinprovinz 20—30 Thlr.
u. s. w., und selbst in kleinen Städten, wie z. B. Heiligenstadt mit 5000 E.,
Schleusingen mit 3000 E., Rheine mit 3400 E., Landeshut mit 4600 E.
u. a. m. beträgt das Schulgeld 12- 20 Thlr. jährlich. Diese Zahlen liefern
den unwiderleglichen Beweis, dass in Preufsen die Ueberzeugung, ein guter
Unterricht in den Mittelschulen lasse sich nur dann erwarten, wenn man
diesen Unterricht anständig bezahle, diese Zahlung zu leisten sei aber vor
allem Pflicht derjenigen, die diesen Unterricht geniei^en, dass also die
Ueberzeugung von der Nothwendigkeit ausreichender Schulgeldsätze dort
weit mehr Wurzel gegriffen und auf die Praxis eingewirkt hat als bei uns
in Oesterreich.
Wir können diese Anzeige nicht schlief^en, ohne den lebhaften
Wunsch auszusprechen, es möge das Beispiel, das Preul^n in Hebung und
Pflege seines höheren Schulwesens gegeben hat, in unserem Yaterlande in
vieler Beziehung Nachahmung finden. Insbesondere aber wfinschen wir,
man möge in dieser Angelegenheit nicht immer alles, oder doch das meiste
vom Staate erwarten, sondern im Gegentheile wetteifernd selber Hand an-
legen, um unsere Mittelschulen durchweg auf jenen Standpunct zu heben,
der sie den besten des Auslandes gleichstelle. An den Vertretungen der
Gemeinden, der Königreiche und Länder unseres großen Taterlandes ist
Literarische Notizen. tOl
68, ant dieecm Felde energisch d\e Initiative zu ergreifen, und sie werden
ihren berechtigten Einflnss auf die Gestaltung unseres öffentlichen Schul-
wesens am nachdrücklichsten dadurch geltend machen und auf die Dauer
befestigen, wenn sie daftb* sorgen, dass durch Gemeinde- und Landesmittel
eine genfigende Ansahl von Lehranstalten gegründet und erhalten werde,
die ihrem Zwecke Yollkoramen entsprechen. Die rühmlichen Beweise opfer-
f^udiger Bereitwilligkeit, welche in dieser Hinsicht gerade in jüngster Zeit
an nelen Orten zu Tage traten, lassen mit vollem Rechte hoffen, dass man
nicht bei den Anfängen stehen bleiben, sondern wetteifernd sich bestreben
werde , für die heranwachsende Jugend Oestcrreichs vor allem das zu
schaffen, dessen sie am meisten bedarf: Schulen tüchtigen Wissens und
edler Gesittung.
Wien. F. Hochegger.
Literarische Notizen. Neue Auflagen.
Homer" 8 lUade, erklärt von J, A, Fast. Erster Band. Vierte be-
nchtigte Anfla^. Berlin, Weidmann, 1864. 443 S. 8. — 1 Thlr.
Man dan dem Vf. unbedingt Glauben schenken, wenn er auch die
vierte Auflage seines verdienstlichen Buches als eine „berichtigte" bezeich-
net Die Berücksichtigung der reichlichen Beitrage, welche die letzten
Jahre der eindringenden Erklärung und der Texteskritik Homer's gebracht
haben, lässt sich hier und da ausdrücklich bemerken, z. B. zu / 477. Im
wesentlichen aber ist Text und Erklärung ein eben nur an einzelnen
Stellen revidierter Wiederabdruck der vorij^en Auflage, ohne dass der Vf.
in der einen oder anderen Hinsicht eingreifendere Aenderungen vorgenom-
men hätte. Wir wollen in dieser Hinsicht nur an zwei Puncto erinnern«
Es kann niemandem einfallen, den kühnen, und doch kaum zur Hälfte
aosgeführten Versuch, den Bekker in seiner zweiten Homerausgabe gemacht
hat, in der Wiederherstellung des Textes hinter die Zeit der Alexandriner,
Hl wol selbst der ersten Autzeichnung zurückzugreifen, zum Vorbilde für
Schnlaosgaben zu machen; aber in den Inhal tvoUcn „Bemerkungen zu
Homer*, durch welche Bekker die Gründe seiner Neuerungen dargelegt hat,
in den Reoensionen, welche die Bekker'sche Ausgabe von fi^ndlichen For-
schem erfikhren hat, sind manche evidente Ergebnisse niedergelegt, denen
sich anch eine Schulausgabe nicht verschliefsen darf, z. B. dass nicht
£u^vxQiiwp, €v^v(^wvy sondern getrennt (vqv »(tiitovy €vqv ^itav zu schrei-
ben iat, u. &. In solchen Beziehungen ist die vorliegende Auflage auf keine
wesentliche Aenderung im Vergleich zu den früheren eingegangen. — Auch
in Betreu der Erklärang mag ein Gesichtspunct allgemeinerer Art Erwäh-
nnns^ finden. Ein Erklärer Efomer's kann unmöglich in denjenigen Fällen,
wo aer Znsammenhang der Dichtung als einer einheitlichen Composition
XU Zweifeln Anlass gibt, einen naiven Standpunct einnehmen, sondern muss
in dem Eingehen auf die aufgeworfenen und vielseitig discutierten Schwie-
rigkeiten zu einer bestimmten Ueberzeugung gelang sein; durch diese,
und in einer Sdiulausgabe noch überdies durch die Kücksicht auf das Be-
düilfiiis der Schüler, ist die Behandlung von Stellen der bezeichneten Art
bedingt Nun hat Fäsi in der seiner Odysseeausgabe vorausgeschickten allge-
meinen Einleitung solche Ansichten über die Entstehung und Fortbildung
da: Homerischen Gedichte ausgesprochen , dass er hierdurch in der Erklä-
rung freie Hand behielt und nicht genöthigt war, über jede Unebenheit
and CoUision durch Mittel der Interpretation hinüberzuführen. Von dieser
Freiheit macht Fäsi in den einleitenden Worten zu A' Gebrauch; an an-
Zdtochrllt r. d. IViUrr. Gymv.1866. IL a. lU. Uoft. 14
20t Literarische Notizen.
deren Stellen dagegen, z. B. A 611, B 2, H 69, 92 u. ft. wird* die Coi*
tinuitat des Zusammenhanges durch gewaltsame Mittel aufrecht erhaltw.
Man kann in einer Schukusgahe grundsätzlich in solchen FftUen achw«!-
gen, und es dadurch dem Lehrer tfherlassen, oh er üherhaupt Anlaae findet»
auf die hetxeffende Frage einzugehen ; aber auch durch die Auf^pabe dbMr
Schulausgabe Homer's, deren eip^nthümliche Schwierigkeit nicht zu TerkeuMB
ist, wird es nicht gerechtfertic^, wenn die angewendeten Mittel die aonet
anerkannten Grenzen einer unbefangenen Exegese überschreiten. Auf einige
Beispiele dieser Art hat Bef. bei einem anderen Anlasse (Ueber den Urspttug
der Homer. Gedichte. 2. Auflage. Anm. 79—85) hin^wicsen; wenn der
Herausgeber sich durch die dort geltend gemachten, ihm überdies aehon
sonst hinlänglich bekannten Gründe au<£ in dieser erneuerten Anflage
nicht zur Aenderung eines Wortes hat bestimmen lassen, so Itat eiäi
darin die Festigkeit seiner Ueberzeugung nicht verkennen; aber ooose-
quent kann man es schwerlich finden, dass der Vf. an eini£^ Stellen, i. B.
iV 345 ^erst seit der dritten Auflage), 77 1 den g^en die ursprOniirli^
Einheitlichkeit der Composition sprechenden Grün&n wenigstens theil-
weise nachgabt, an anderen dagegen, wie an den beispielsweise erwlho-
ten, unzulässige Künste der Exegese gegen dieselben aufbietet
a B.
"Havyiog. Hesyckii Älexandrini Lexiean post loannem Alberhm
recensuü Mauricius Schmidt lenae 8umptüfU8 tV, McntkU, 1858— 1864,
IV Voll i\ (Vol, IV. P. II: Quaestfones und Indices,) — 21*^ Thlr.
Hesychii Älexandrini Lexicon, Edüionem minorem euravU Mmi'
ricius Schmidt lenae 8umpHl>u8 Fr. Maukii. 1864. 4* 808 8. (Zweiter
Titel: AiX(ov /tuy)'fV€u<vov IT(Qiigyon^vnT€s. Ex recognü. M. Senmiät)
- 6% Thlr.
Unter den umfangreicheren Werken des letzten Jahrzehnts, welche
deutschen Philologen und Verlegern zu besonderer Ehre gereichen, nehmen
diese zwei Ausgaben eine hervorragende Stelle ein. Bereits nach dorn Er-
scheinen der ersten Lieferung der ^f^eren Ausgabe hat diese Zeitschrift
(1856. S. 841 ff.) auf die Wichtigkeit des Unternehmens hingewiesen nnd
die Einrichtung der Ausübe bezeichnet Nach der Beendigung des ganien
Werkes erscheint es als Pflicht, von neuem über dasselbe Bericht zu er-
statten, und dies um so mehr, da es in seinem G^esammtinhalte erheblidi
mehr darbietet, als im Be^ne desselben zugesagt war.
Während nämlich die ersten drei Bände den Text mit dem kritisch-
exegetischen Ck)mmentare in der Art vertheilt enthalten, dass VoL I a^if,
U f X, 111 X—Q umfiftssen, zerfällt der vierte Band in zwei Hälften, deren
erste die Glossen a— m bietet, die zweite aber erstens auf 192 Seiten nnter
dem Titel Quaestiones Hesychianae sehr sor^ltige und in ihren Resul-
taten überzeugende Forschungen über das Verhältnis des Hesydiins za
seinen Quellen Pamphilus und Diogenianus, über die Zeit des Hesydiins *),
über seine Interpolationen und Interpolatoren anstellt, sowie zweit^ einen
vollständigen Realindex von beinahe gleicher Seitenzahl liefert, in dem
die Auffindung der einzelnen Materien durch strengen Anschlnss an ^
Haasc'sche Gliederung der philologischen Disciplinen erleichtert ist Es
beginnt, in sich wieder alpnabetisch geordnet, ein geographischer Index,
dann folgen rerum divinarum liber (M^hologie, Cultus, Feste) und renim
humanarum libri duo (Staats- und Pnvatalterthtimer) , darauf das wenige,
was Hesychius über Kunst und Künstler berührt, endlich der reiche StcdT
') Zu Quaest p. CLXXXIX könnte sich noch einiges nachtragen lassen,
was der Alexandrinischen Gräcität angehört, zSer für den Philologen
weniger Interesse hat als für den Theologen; z. B. avviX^att
s. V. avvm, xuTineaav s. v. xarf Tro^ijaar, vgl. Vol. 11. p. 446,84,
tnia s. v. ninfana. Auch oiav — iariv ist Hesjrchisch, wie ÖL
6, 133; gewöhnlich hat Mnsurus ovi oder ^ corrigiert.
Literarische Notizen. tOS
tm den fia^miata (Zoologie, Botanik, Mineralogie, Medicin, Mathematik,
Ailronomie, Cnronologie). GleicherwOnyBchte Beilf^n sind ein Index histo-
rieus, ein Index übo: aie ethnischen Glossen, der den Lin^isten und
Beaibeiteni der griechischen Dialekte besonders willkommen sem wird, ein
Index acriptonun. Diese Andeutungen werden genügen die Wichtigkeit des
dudi die nnennüdliche Th&tigkeit des Hm Prof/s Schmidt glücklich
YoUendeten Werkes') in*s Licht zu stellen und diejenigen PriYaten und
Ldnanrtalten, denen es ihre Mittel erhiuben, zur Anscnaffang desselben
sa Teiaolassen.
In Anbetracht aber, dass nicht Allen gleiche Mittel zu Gebote stehen,
taum man es der Verlagshandlung nur Daiuc wissen, dass sie, auf die Ge-
fiüir hin dem gitteren Werke Öoncnrrenz zu bereiten, durch Yeröffent-
lichnng einer kleineren kritischen Textausgabe alle Bedürfnisse zu
decken sich entschlossen hat Doch dürfte eine soMe Concurrenz nicht zu
fikrditen sein; denn in der kleineren Ausgabe vermissen wir nicht nur
veaentlichen Vorzüge der grölten, sondern haben zugleich ein
nns aelbständiges Weric Ton eigenem Werthe empfangen, so c&ss seine
Erwerbung nidit einmal durch den Besitz der gröfseren Ausgabe auu^«
ichlossen, dem Gelehrten sogar zu empfehlen ist Der Hr. Herausgeber hat
sich über Plan und Anordnung seiner Editio minor in einem Epilog klar
ansgesprochen. Es ist bekannt, dass Hesychius nicht der Name des Ver-
ÜMsers des in Bede stehenden Lexikons, sondern der Name eines Schrei-
bers {Tayvygaifog) ist, welcher seine Abschrift des von Diogenianus ver-
ikssten Auszuges aus dem groflsen Glossare des Pamphilus einem gewissen
EulogioB zum Geschenk bestimmte; femer dass sich Hesychius seinem eigenen
Geständnis zufolge allerdings j^estattet hat den Diogenianus um Homerische
Glossen, Erklärang von Spnchwörtem u. a. zu bereichem, eine ebenso
groIlM wo nicht gröXbere Masse von Zusätzen aber, namentlich aus dem
Spachschatae der heili^n Schrift, dem Gre^rius von Nazianz, dem £u-
npidea, lange nach Bfesychius huieingearbeitet ist, endlich dass der ur-
sprüngliche Glossenfonds an streng alpnabetische Folge gebunden war. In
der ffrOüKren Ausgabe konnte diesem Sachverhältnis auf die kritische Be-
hanfiong des Stoffes nur insoweit ein Einfiuss gestattet werden, als die
StOronff der alphabetischen Reihenfolge durch bestimmte Zeichen markiert
ist nna unechte Glossen mit geringerer Sorgficdt behandelt sind. In der
kleineren. Ausgabe dagegen galt es eine Form zu finden, durch welche
gerade dieses SachverniUtnis zur Anschauung gebracht würde, d. h. der
^üezandrinische Bestand der Glossen und die späteren Zusätze mit Leich-
tigkät im Zusammenhang überschaut werden könnten, ohne dass die Zahl
und Ordnung der Glossen von Hesychius abwiche. Um diese Aufj^be zu
Ifisen, fthrt der Hr. Herausg. auf dem oberen Theile ieder Seite (in zwei
Colnnmen) die Alexandrinischen Glossen in streng alphabetischer Ordnung
fort, auf aem unteren Theile ohne weitere Scheidung die Interpolationen
des Hesychius und seiner Fortsetzer, deutet aber im Texte des Diogenia-
nus die ausgeschiedenen Eindringlinge durch Zahlen an, welche der Zah-
lung in der Bubrik HEo. entspre<men. Beide Theile sind durch einen
Streiüsn geschieden, der die Abweichungen des Alexandrinischen Textes
vom Codex Marcianus enthält, damit der Henutzer jedes Nachschlagens der
Sdiow^Bchen Supplemente oder der größeren Ausgabe überhoben werde.
Sie Spnria aber (HES.) sind genau nach dem Codex Marcianus mit allen
Schreihfehlem abgedmckt: ein Verfahren, welches klaren Einblick in den
Ursprung und den Werth dieser Zuthaten verschafft und das Urtheil über
den groinen Unterschied zwischen dem Gehalt der Alexandrinischen und
*) Es sei hier auf eine Coiqectur Müller's zu xaQxfvoi s. v. KaßnQoi
auhnerksam gemacht, welche der Herausgeber noch nicht berück-
sichtigen konnte. Vgl. Alois Müller Esmun; ein Beitr. z. Mythol.
d. onent Alterth. fSitzungsber. d. phil.-hist Classe d. k. Akad. d.
Wiss. 1864, Maihefl] Wien, 1861 S. 6 f.
14*
toi Literarische Notizen.
der interpolierten Glossen erleichtert. Hierbei ist dafür gesorgt, dass nicht
einmal die Emendation jener Monstra erhebliche Schwierigkeiten bereitel,
indem das gröbste in [1 oorrigiert ist, die richtige SchreiDang der Gloase
aber sich aus der beigeragten Stelle des berücksichtigten Antors ffewinnen
lasst. Wir bedenken noch eines Moments. Auf dem von Hm. Seh. eingie-
schlagenen Wege wird man sich ohne sonderliche Mühe ans der Rnwik
HES. ein Glossar zn Homems, Eoripides, der heiligen Schrift und Gm-
forios V. Naz. (besonders diese vier werden, wie schon oben erwfthnt, in
en Znsatzen berücksichtigt) reconstruieren können. Der Werth dieser Glos-
sare für die Kritik der Texte wird freilich erst zn ermitteln sein. Das
Homerische sehr sorgföltig gearbeitete verr&th intime Vertrautheit mit
Aristarch^s Paraphrasen; das Enripideische ergibt wenigstens das negatire
Resultat, dass Uesychius für den Text des Euripides mit ftuberster Voiv
sieht zu gebrauchen ist *).
üeberhaupt erblicken wir das Hauptverdienst beider AnM;aben des
Hesjchius in dem unermüdlichen Streben des Herausgebers muck Kiiften
der Gefahr vorzubeugen, dass mit diesem Glossar fernerhin der seitherige
Unfug getrieben werde. Selbst wenn dem Diogenianus einmal eine edne
Glosse genommen sein sollte, würde dieser Schaden ^rin^er sein als die
fortgesetzte Verwendung unechter Glossen für die Kritik der ChuBiker.
Wir wissen jetzt, Dank den Bemühungen des Hm. Herausg.*s, welche Glossen
der classischen Gracität angehören, und welche Autoren es sind, für deren
Kritik sie allein vcrwerthet werden dürfen. Wir wissen es durdi seinen
von aller Spreu gesichteten Diogenianus. Vorsichtig folgt der Text dessel-
ben dem M!arcianus in allen irgend zweifelhaften Fällen; im Texte steht
die Emendation der Glosse und ihrer Erklärung nur, wenn sie gegen jeden
Zweifel sicher gestellt ist. Verdächtige Formen und schwere Corruptelen
sind durch f markiert, damit jeder Täuschung über die Auffieussung des
Editors vorgebeugt werde. Der Fundort der Glosse ist unmittelbar hinter
derselben in ( ) angegeben, auf gleiche Weise auch der Dialekt (kjprlseh,
kretisch u. s. w.) angedeutet , wenn er mit annähernder Sicherheit ans der
Form erschlossen werden kann. Beziehen sich die verschiedenen EtkUbrnn-
gen einer Glosse auf verschiedene Classikerstellen, so sind diese hinter den
zutreffenden Erklärungen in Klammem beigefü^: was namentlich bei den
Homerischen Glossen (selbst sub HES.) mit löblicher Conseqnenz durch-
geführt ist. In Fällen, wo eine Glosse auf mehrere Stellen mit gleidiem
Kechte bezogen werden könnte, sind die Schollen zu den Autoren mab-
^ebend ^wesen, und dieses Verfahren ist durch schol. bezeichnet. Glossen
im Nommativ hat Hr. Seh. gewöhnlich ohne Angabe des Fundortes b^>
lassen, offenbar weil sie nach seiner Ansicht nicht aus Glossaren, sondern
aus Onomasticis geflossen sind. Zweifel an der Echtheit einer Glosse, sei es
weil sie das Alphabet störte, sei es weil sie Euripideisch ist, sind durch ?
ausgedrückt Echte, durch Irrthum des Schreibers von ihrer Stelle rer-
schlagene und gehörigen Ortes wieder eingereihte Glossen sind Ton Klam-
mem ( .) umschlossen , mit Verweisung auf ihre frühere Stellung im
Hesychius. Unter derselben Form sind Glossen eingereiht, welche He-
sYchius, der Orthographie seiner Zeit folgend oder wefl er über die gütige
Schreibung im unklaren war, an falscher oder mehreren tischen Stellen
bietet. Man hat sich also zu hüten, solche Glossen für Interpolationen des
Herausgebers zu halten : es sind echte Glossen in richtiger Schreibart, von
unbedenklicher Verwendbarkeit. — Fragen wir nach den Autoren, fQr deren
kritische Bearbeitung Hr. Seh. nach seinen sorgfaltigen Untersuchungen die
Ausnutzung des Glossars gestattet, so sind es folgende: Homerus, Hesio-
dus, Antimachus, Callimachus, Nicander, Theocntus (aber nicht Aratus,
*) Besonderen Dank werden Fragmentensammler Hm. Seh. für seine
Entdeckung der Gregorianischen Glossen wissen, da dieselben in der
That darnach angethan sind, durch ihre AehnHchkeit mit Frag
menten classischer Dichter zu täusdien.
Literarische Notizen. j|05
OpinaBiis u. a. Epiker), — Archilochus, Hipponax, — alle Lyriker anßser
Pttdanis, — die drei gro!&en Tragiker nebst Ion and Achäus, •— Epichar-
mas, Sophio, Dinolochos, Bläsitt, die attischen Komiker, — Herodotns,
ThQCjdiaea, Xenophon, Hecatäns, Ctesias, Theopompos, — Demoeritns, Hera-
GÜtiia, Plato, Aristoteles, Theophrastus, — die attischen Redner, — Hippo-
eratet. Hr. Seh. schärft in den Qnaestiones ausdrücklich ein, dass der WerÜi
des Hflsyehins für Sophokles ^ä^ser sei als für Aeschylns und Eoripides,
mid daas die Philoeophen Aristoteles and Theophrastas wegen des Sach-
lichen, dagegen Plato and Democritos w^en ihrer UU*i citiert seien.
NoGn ein Wort über die Bubrik COD. Sie enthält allerdings haupt-
saehlich die Varianten des Codex Mardanos *); doch hat der Hr. Heraasg.
sehr wohlgethan, dass er hin and wieder aach Abweichangen anderer
Zeogen vcm Belang in derselben Rabrik notiert and in sehr vereinzelten
Fälkn ingeiii5fie, aber nicht hinlänglich sichere Emendationen neaerer Ge-
lehrten mittheili
So scheint uns denn der Hr. Heraasg. in seinem Diogenianas oder,
wie wir zur Vermeidang von Misverständmssen lieber sagen wollen, in
seiner kleineren Teztaus^abe des Hesychias alles bedacht and ge-
leistet zu haben, was man billigerweise verlangen kann. Die umfiEtssende
oad mühselige Arbeit, zu deren Abschlass wir mm Glück wünschen, wird
gewiss den £rfolg haboii, dass die Benützung des Hesychias zur Erklä-
ning und Tezteskritik einen erheblich höheren Grad von Sicherheit zu ge-
winnen yermag. C. 0.
Das PrMem der &^ache und seine Entwidcelungin der GesMchte.
Von Konrad Hermann, Dr. ph. u. a. o. Professor an der Universität Leipzig.
DiesdeiL Rudolf Kuntze, 1865. IV. a. 115 S. — 20 Ngr.
«l)ie wesentliche Natur der Sprache**, heüfiit es S. 92 der vorliegen-
den Schrift^ «ist überall die eines Mittels für die Bezeichnung des Denkens
ind sie tritt in der That immer mehr in die Stellung eines blofton die-
nenden Instrumentes für dieses letztere ein, während sie zu Anfang aller-
dmgB mehr in der Eigenschaft eines freien künstlerischen Selbstzweckes
ans der schaffenden Thätigkeit des Volks^eistes entsprang**. Vgl. S. 87 und
S. 97: aJedes Wort der Sprache ist an sich ein Werkzeug für die Vertre-
tung oder Bezeidinung eines bestimmten Begriffes*^. Da der Hr. Verf. keinen
unterschied zwischen Bezeichnungsmittel, Werkzeug, Instrument macht —
wie sollte er auch? — so wird uns hier gesagt: die Sprache ist nicht das,
was ihre wesentliche Natur ist, sondern sie tritt nur in dasselbe immer
Biehr ein. Sie entsprang aber zu Anfang (I) mehr(!) in der Eigenschaft von
etwas, was nicht ihre wesentliche Natur ist — Doch wir woUen uns nicht
auf dieser Stelle festheften, sondern uns von dem Hm. Verf. auf den Kern
seiner Ansiditen hinführen lassen. Er sagt S. 1: „Der Mensch und die
Sprache sind beides eine lebendige Synthese von geistigem Inhalt und sinn-
Ucher Wirklichkeit oder Form; aucn bei der Sprache aber ist die innerste
^uptfitage die nach dem be^Un^enden Grunde des in ihr gegebenen Bei-
sammen dieses doppelten verschiedenen Principes**. DasheiTst, dünkt mich:
die Hauptfrage ist die nach dem Ursprung der Sprache. Aber was er-
&hren wir darüber? Die Sprache ist durch einen Act der freien und genialen
Sdidpftuy des Volkes entsprunffen wie das Kunstwerk durch einen solchen
des ernsten Künstlers (S. 4). Der Mensch hat sich nicht bloflB die Sprache
als das äuAere Bezeichnungsmittel der Gedanken, sondern eben in der-
sdben zugleich mit sein eigenes Denken ursprünglich aus sich heraus er-
sc^aifen (S. 60). Die erste Erschaffung der Sprache ist für den Menschen
der Act eines umfassenden Begreifens oder einer groJDsartigen Erleuchtung
seines Inneren über den ganzen Umfeuig der ihn amschliefsenden Dinge
gewesen (S. 61). Doch S. 102 wird uns gesagt, es handle sich in der Gegen-
wart gar nicht mehr um die Beantwortung der Frage nach dem Ursprung
^ Ein Facsimile desselben bietet die gr. Ausg. Vol. IV. P. II zu p. XJiX,
tOO Literarisclie Notizen.
der Sprache: denn das ist ohne Zweifel an dieser Stelle mit der MAnfliöfUif
oder Erklärung des ahstracten Problems der Sprache an sich* gemoiiii
Mithin handeH es sich — felis ich den Hm. Verf. richtig verstaadeo habe,
dessen ich freilich nicht sicher bin — in der Gegenwart nicht mehr um die
innerste Hauptfrage der Sprache. Aber keineswegs, weil sie heraus gelM
wäre. Vielmehr sei ihre Lösung , versichert der Hr. Verf. , eheBsowwig
möglich, als der Naturwissenschaft vergönnt sei „das Gras seihet imdmm
zu sehen" (S. 102). Nichtsdestoweniger haben wir den Hm. Verf. selbfi
eine Meinung über den Ursprung der Sprache äufsem hören, welche M*
Uch weder .vollkommen genau erschöpfend** noch „rein natorwisMUchaft-
lich exact** ist. — Die Ansicht des Eßm. Verf.'s vom Wesen der SpndM
ist an die Spitze dieser Anzeige gestellt Vielmehr: eine Ansicht, dena er
hat deren mehrere. S. 75 sagt er, seiner wissenschaftlichen ÄuffiitBiiiig dar
Sprache liege die „Gesammtanschauung ab von einem gleichsam nator-
gemaTs sich entfaltenden Organbmus** zum Grunde. Und S. 76 beseiduMt
er als die charakteristische Anschauung seiner Sprachwissenschaft, dass in
ihr der Gedanke als die innere Substuiz und aie Sprache ab seine im«
trennbare äuftore Form zu einer sich or^nisch entwickelnden LcbeOMm-
heit zusammenge&sst werde. Dieser Ansicht stellt er zwei andera Amidi-
ten gegenüber, welche, meint man, nicht die seinigen seien. Aber die eine
ders^Mn von der Sprache ab dem kunstmaAdff erfundenen Zeichen Ar das
Denken äuüsert er selbst, wie wir eesehen haben, an anderen Orten. Und
von der zweiten Ansicht, die Sprache sei das von sich aus bedingende und
gestaltende Organ für die Ausbildung des inneren Denkens, sai^ er un-
mittelbar, nachdem er sie angeführt hiat, es werde durch sie &r wesen-
hafte Kern des Verhältnisses von Denken zu Sprechen noch genauer (ab
durch seine eigene Ansicht) getroffen. Sofort ernalten wir dann eine neoe
Belehrung über das „wahre Verhältnb des Denkens zur Sprache", worin
— offenbar unbewusst — alle drei Ansichten durcheinander gemengt wer-
den. So viel wenigstens stellt sich klar heraus: der Hr. Yen. ist Mi dm
Dualismus Sprechen und Denken, yXäaaa und loy^ stehen sebUeben.
Soll aber dabei stehen geblieben werden, so ziehen wir noch Heräsr's Ans-
führaneen in den Fragmenten denen der gegenwärtigen Schrift bei weitem
vor. — Die eigentliche Absicht des Hm. Yerf.^s geht übrigens dahin: ge-
genüber der vergleichenden Sprachwissenschaft, welche ihm lediglich ab
Glossologie erscheint, den Standpunct des Loffos, den der Philologie, wie
er sas^, zu betonen. Aber in der vergleichenden Sprachwissenschaft selbet
ist sehr bald nach der Begründung ihrer Etymologie die Nothwendi^Mit
einer Bedeutungslehre hervorgehoben worden: durcn Ag. Benary. Um an
der Absicht eine solche zu liefern, haben die vergleichenden Sprachforscher,
G. Curtius vor allen, fesl^halten. Blofii mit den Lauten zu operieien ist
keinem je eingefallen. Die Auffassung der Sprachwissenschaft ab Natur-
wissenschaft und ab Glottik, welche der Hr. Verf. bekämpft, ist ganz alkdn
von Schleicher ausgegangen und hat fast bei niemand Beifall gefunden.
Wenn der Hr. Verf. voDends sich ab Grammatiker den Elymolosen ent-
gegensetzt, so ist er einfEMsh daran zu erinnern, dass die vergföchende
Spradiwissenschaft mit der Grammatik b^^ann, und dass aUe Welt cburüber
einig bt, die Vergleichung müsse sich künftig auch auf die Syntax er-
streocen. Den Vorwurf nur darf man der vergleichenden Sprachwissen-
schaft vielleicht machen: dass sie allzuoft bei den Erscheinungen stetoi
bleibe und nicht tief genug das Bedürfnb ihrer Erklärang empfindei
Hier aber gerade tritt Steinthars Wirksamkeit ein, und ich wüsste lücht,
wo in der gesammten Sprachwissenschaft nun noch ein anderer Standpnnet
Platz fönde , der weder nbtorisch noch philosophisch in Steinthal*s Sinne
wäre , es müsste denn ein philosophischer im Sinne Becker*8 sein. Einen
modificierten Becker kann man den Hm. Verf. in der That nennen. Und
wunderbar bt die Naivctät, mit der er in seinem 17. Abschnitte S. 56--56
über Logik und Grammatik spricht, als ob es so ein Buch wie SteinthaVs
„Grammatik, Logik und Psychologie** gar nicht gäbe. Für den Hm. Ytd,
Literarische Notizen. 207
duurakteristiflcli ist dabei, wie er in einem Atbein nj^de** Gramtuatik eine
besondere Art Qnd(!) weitere Ergänzung der Logik liennt, dann wieder
pbiloloffiache oder besondere und philosophische, oder allgemeine Grammatik
imtencneidet und die letztere als eine „verbindende B^ion** zwischen die
entere und die Logik stellt, in welcher alles ooncrete Denken der Sprache
auf das abstracte Denken der Logik zurdckzufUhren sei. Dieses Zurück-
fthren bezeichnet er dann anderwärts als die philologische Hermeneutik
oder als die «geordnete oder rationelle** Erklärung der sämmtlichen Sprach-
eneheinungen im einzelnen, und setzt es der SteinthaFscheu Sprachbetrach-
tiiiiffentff^;en, als welche das abstracte Problem der Sprache an sich oder
das W ie des Entstehens der Spracherscheinun^n zu erklären strebe. Das hin-
dert ihn jedoch nicht zuzugeben (S. 101) , mcht auf logischem, sondern nur
auf psychologischem Wege könne die Sprache in dem, was sie ist, wahr-
haft Ton uns erklärt werden, und die llichtu|^ eben auf diese Erklärungs-
weise Laams und Steinthal zuzuschreiben. Was det Hr. Verf. für die Auf-
gabe der phüoBophischen Grammatik hält, zeigt dann — wahrscheinlich
seine mir unbekannte «philosophische Grammatik** (1858) und — der 32. Ab-
schniftt der vorlieffenden Schnft noch näher, der eme „Theorie des Satzes**
gibt und jeden&Us einen interessanten Beleg daf&r bietet, was sich in der
Sprache mit der Kategorie des Ansichseins alles ausrichten lässt.
Ich erwähne noch einige Einzelheiten. Der Titel verspricht eine
Darstellnng der Entwickelung des Problems der Sprache in der Geschichte,
und diese erhalten wir in der That Nur der Anfiaiiigs- und Endpunct seien
heransjegriifen: Abschnitt 3 über die Physiker und Thetiker des Alter-
thumes und Abschnitt 13 über Herder, Wh. Humboldt, Jacob Grimm. In
rm werden wieder die neuesten Forschungen ignoriert. Das unsichere
Ueborlieferungen ist dem Hm. Verf. nicht unMkannt, aber nach ihm
liegt s. B. die Lenre, die Sprache sei ffvaet, im Geiste der Denkweise
Hmklits. Ich denke, wovon sich zeigen lässt, dass es nach dem ganzen
Stendponct einer Lehre unmöglich sei 7vgl. Steinthal, Geschichte der Sprach-
wiasenschaft bei den Griechen und Römern S. 171), das wird doch wohl
nicht im Geiste dieser Lehre liegen können. — Was soll man dazu sagen,
wenn der Hr. Verf. S. 48 Wh. Humboldt mit Schelling, Jacob Grimm mit
HmmI parallelisiert Gibt man auch zu, dass in der ersteren ParaUele eine
hatoe, übrigens nicht neue Wahrheit liegt (vgl. Haym, Humboldt S. 111 ff.) :
so irt doch die zweite so schief als möglich (die Trichotomien findet der
Bi. Verf. sogar bei Jacob Grimm wieder!), und beide Gleichungen wird nur
sti^aieren, wer nicht weiA, dass die Naturphilosophie ihren eigenen eprach-
wissenschafUichen Vertreter an A. F. Bemhurdi, das H^ersche System an
K Hejrse i^efhnden hat. Ebenso ist dem Hm. Yerf« S. 102 die Sprachwissen-
schaft Steinthal*s nichts anderes als die Anwendung der Herbart sehen Philo-
soplde s^ das Problem der Sprache, während sie doch nur die Ueberzeugung
enuiält, welche heute von vielen getheilt wird, die im übri^n nicht zu den
Anhängern Herbart's gerechnet w^en können, dass die einzige wissenschaft-
liche Psychologie die äerbart*sche sei und dass auf diese zurückgegangen wer-
den müsse, wo irgend von Psychologie ein wissenschaftlicher Grebrauch ge-
macht werde. — Der S. 25 aufgestellte Unterschied zwischen Philologie und
Geschichtswissenschaft ist mir unverständlidi. Diese soll .was es überhaupt
von Cnltur auf der Erde gibt** nur nach seinem materiellen oaer thatsächlichen
(behalte, jene auch nach seiner geistigen Denkform und seinem unmittel-
buen leben^Ugen Fühlen für uns ver&eten. Folgt S. 35 eine teleologische
Ansteht der Geschichte. — S. 72 steht zu lesen: rJ^t von Anfang an alle
Spndie allerdingB wohl aus einer onomatopoetischen Nachschaffung des
Wirklichen durch Anschluss an das eigene Tönende und sich Bewegende
in demselben entstanden, so hat dann freilidi der Zufall oder die Con-
vention den Lautsusammensetzungen oft eine ganze Reihe anderweiter,
ihran eigentlichen Wesen fremder Bedeutungen zugetheilt**. Diese Stf'lle
mit Ansrnfnngs- und Fn^^zeichen zu versehen, überfisse ich dem Leser. —
Dass in den neueren Sprachen der Abfall der Flexionen den Accent auf
t08 Literarische Notizen.
die Silben des Stammes zurückwerfe, wie S. 89 behauptet wird, ist doppdt
unrichtig. Denn keineswegs haben alle neueren Sprachen den Accent auf
der Stammsilbe. Und im Deutschen, wo dies alleraings der Fall ist, war
umgekehrt die Zurückziehung des Accentes die Ursache nicht des Ab&lks,
aber der Vocalschwächung der Flexionen. — Ich bin nicht fertig, aber ich
breche ab. Das £igenthümlichste an der Torliegenden Schrift ist ihre sehr
sonderbare Interpunction.
Wien. W. Scherer.
Änfangsffründe der Physik för den Unterricht in den oberen Glaeeen
der Gymnasien und Realschulen, sowie zur Selbstbelehrunj^, von Kari
Koppe, Professor und Oberlehrer am königl. preuA. Gymnasium zu Soest
Mit 329 in den Text eingedruckten Holzschnitten und einer Karte. Achte,
verbesserte und vermehrte Auflage. Essen, G. D. Bädeker, 186i.
Das vorliegende Lehrbuch aer Physik wurde bereits im zwölften Jahr-
gange dieser Zeitschrift ausführlich angezeigt. Es erscheint daher nur
nöthig darauf hinzuweisen, dass der Hr. Verf. die damals vom Referenten
in Beziehung auf eine consequentere Durchführung der mathematisch -ex-
perimentalcn Methode ausgesprochenen Wünsche mit groiüser Sorgfidt zu
befriedigen gesucht hat. Dadurch, dass der Hr. Verf. jene Theile der rhysik,
welche zu ihrer Endlichen Behandlune der Mathematik bedürfen, mit der
gehörigen Rücksicht auf die mathemi^sche Deduction umgearbeitet ha^
ist die neue Auflage seines Lehrbuches im Verhältnis zu den früheren Auf-
lagen eine thatsächlich verbesserte und vermehrte geworden. Es ist daher
mit Sicherheit anzunehmen, dass das Buch in seiner neuen Form nicht nur
seine alten Freunde behalten, sondern sich auch neue Kreise erüffiien werde.
Ref. kann das Buch sowol was Lihalt als was Ausstattung betrifft, seinen
Ck)llegen auf das beste empfehlen.
Wien. Dr. Jos. Krist
lüustriertes Thierleben. Eine allgemeine Kunde des Thierreiches,
von Dr. A. E. Brehm, Director des zoologischen Gartens in Himiburg.
Hildburghausen, Bibliographisches Institut, 1864.
Es liegen uns die Hefte 7 — 15 dieses mit Recht vielgepriesenen
Werkes vor; sie enthalten die Ordnung der Raubthiere mit Ausnahme der
Katzenfamilie, die bereits vorangieng. Von interessanten und belehrenden
Einzelheiten lesen wir in diesen Heften in dem Grade Aehr, als der Stoff
in seinem Detail nach und nach aufhört, allgemeiner bekannt zu sein.
Brehm ist selbst in dem durch Trockenheit und Einförmigkeit so häufig
ermüdenden beschreibenden Theile ein so bedeutender Meister, dass seine
Thierbeschreibungen fast ausnahmslos durch Kürze und Bestimmtheit des
Ausdruckes, durch die Einfachheit seiner wo nur möglich vergleichenden
Darstellung, durch häufiees Einflechten von Beziehungen zwischen den
Merkmalen und Lebensbedingungen der Thiere den Leser so weit zu fesseln
vermögen, dass er sie gerne zu Ende liest. Der Schwerpunct liegt jedoch
auch hier nicht in der beschreibenden Partie, sondern m den geistvollen
Schilderungen des Lebens der l'hiere. In dieser Beziehung wäre aus dem
vielen guten besonders hervorzuheben : die Darstellung der Haupttrpen des
Hundes (Windhund, Dogge, Jagdhund u. s. w.), des Ichneumon, der Hyä-
nen, des Dachses, des Plermelins, Wiesels, des Bären und des Maulwurfs.
Durch dieses Werk wird nicht nur der geistige Gesichtspunct des
liesers erweitert und so eine Bereicherung seines Wissens erzielt, sondern
auch das Gemüth eines halbwegs wahr fühlenden Menschen kann bei der
Reichhaltigkeit psychischen wie Verstandes-Lebens, das ihm in der Thier-
welt entgej^entritt, grofsartigcr Eindrücke ebenso wohl wie einer gewissen
zur Bescheidenheit mahnenden Stimmung sich nicht erwehren. Insbeson-
dere treten da die hundert und abermals hundert Verbindungsfäden, durch
welche der Mensch an die Thierwelt geknüpft ist, lebhaft in den Vorder-
grund, und dadurch wird ein hübsches Stück Menschengeschichte vorge«
Literarische Noüzen. SM
fthrt, deren Phasen durch thierische Wesen mitbedingt werden, die mensch«
licherseits wol eine gröf^re Achtung, als ihnen gewöhnlich zu Theil wird,
▼erdienen möchten. Lehrreich sind die in neuerer Zeit vielfältig erreichten
Eniehnngsresultate selbst an Thieren der wildesten Art, z. B. Fischotter,
Hyine u. s. w.; der Mensch, der Herr der Schöpfung, erobert täglich ein
grölheres Gebiet, das er zu seinen Zwecken ausbeutet, und sieht mit Er-
weiterung seiner Kenntnisse über die Thierwelt immer deutlicher ein,
welche unendÜiche Wichtigkeit für ihn in der Eigenschaft der Thiere liegt,
nicht blofs ,,in8Ünctmäfl9ig*' zu handeln, sondern durch Unterricht sich
zu dnem höheren oder niedrigeren Grade der Verständigkeit auierziehen
zu lassen.
Wenn auch zuweilen bei den Biographien etwas zu sehr in*8 minu-
tiöse gegangen wird, mehr, als zur Auffassung des betreffenden Thier-
chanüners notiiwendig ist, wenn Ausdrücke, wie: Barry, der „Heilige** u. dgl.
auf Rechnung einer von Bewunderung zu sehr ein^nommenen Phantasie
und somit, wie selbstverständlich, im figürlichen Sinne zu nehmen sind,
so müssen wir doch gestehen, dass der L Band, der nun vollendet ist, in
jeder Hinsieht mit groflser Meisterschaft durchgeführt wurde; das Werk
verdient nicht blofii in den Schul- und öffentlichen Bibliotheken, sondern
im gebildeten Publicum die gröflite Verbreitung.
H. Stahl. Die Wasser weit, vom Standpuncte der neuesten natur-
wiasenschaftliohen Anschauung. 2. Aufl. 8. Leipzig, 1864.
Wir halten dieses Buch für ein verfehltes. Bei 276 Seiten Text ent-
hält es 190 Holzschnitte, 4 Steindrucktafeln und 2 Karten. Einzelne von
diesen Illustrationen, wie jene vom Nordlichte, gehören Theilen des Textes
an, welche kaum irgend ein Leser in einem Buche über das Wusser suchen
wird, während z. B. das gewiss wichtige Capitel von den Gletschern und
ihren Moränen ohne eine belehrende r^fui geblieben ist Das Bild auf
S. 189 leigt keinen einzigen der wesentlichen Charaktere eines Gletschers.
Dafür stelten nicht weniger als 7 gröTsere Holzschnitte groteske Erosions-
formen von Felsen dar, abo Erscheinungen, an welche sich gar kein tieferes
Interawe knüpft. Im Texte finden wir keine Stelle, an welcher von der
aotiaefa Bolle die Bede wäre, welche dem Wasserdampfe bei vulcanischen
Eruptionen zukommt, keine, an welcher der ^fflobulöse'* Zustand des über-
hitzten Wassers geschildert wäre. Ja auch der gröfstc Gedanke, der in
den letzten Jahren in Bezug auf die kosmische Bedeutung des Wassers
ausgesprochen wurde, nämlich Saemann*s Hypothese von dem Vertrocknen
der Oberfläche der Himmelskörper, ist dem Hrn. Verf. unbekannt geblieben.
Wer überhaupt durch Anhäufung von Holzschnitten und durch zahlreich
in den Text gestreute Verse eine dauernde Zunei^ne zu irgend welchem
Zweige der exacten Forschung hervorzurufen hont, der ist auf falschem
Wege und verräth zugleich wenig Zutrauen zu der fesselnden Kraft seiner
Feder. Der Leser wird nur dort festgehalten und erwärmt, wo aus einer
klaren Schreibweise die Reife deii Uitheiles und die persönliche Liebe des
Autors zu seinem Gegenstande hervorblickt. Alles übrige stört.
E. S.
Globus, Ulustricrtc Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde. Chronik
der Reisen und geograplüsche Zeitung. In Verbindung mit Fachmännern
nnd Künstlern herausgegeben von Karl Andree. Hildburghausen, Bibliogra-
phisches Institut, 1863 u. 1864 [Nr. 1—17]. (Preis des Bandes zu 12 Lie-
ferungen 3 Thlr.)
Der Gedanke, durch eine geographische Zeitung, „die an wissenschaft-
licher Unterlage strenge festhält, aur geschmackvolle Darstellung Werth
legt, und auf Manni^mltigkeit der Mittheilungen Rücksicht nimmt, der
mssenschaft neue Ficunde im Kreise des gebildeten Pablicums zu ge-
winnen, und deren Theilnahme für die Länder- und Völkerkunde anzuregen,**
tlO Literarische Notiien.
erwies eich, wie wir schon in den früheren Bespfechnngen (Jahrg. 18^
S. 884 and 1863. S. 486) hervorhoben, als ein sehr glücklicher. Seither
sind wieder drei Bände erschienen, und sie bezeugen den gedeihlichen Fort-
schritt des Unternehmens. Die Anzahl der Originalseichnungen hat sii^
bedeutend gehoben, auDser den Holzschnitten sind Stahlstiche und Karten
zur Illustarierung des Textes hinzugetreten; die Erzählungen und Nachrich-
ten suchen immer vollständiger das weite Gebiet der geographischen und
ethnographischen Forschungen zu umfassen. Nicht allein kühne Beiaende
erzählen uns von den fernen Wundern und Bäthseln des Inneren von Afrika
oder Chinas, sondern auch unsere nahe Heimat wird uns in anmuthigen
Bildern vorseführt wie z. B. das Harzgebirge B. V. S. 257 ff., Nflmimg,
B. Yl. S. 389 ff. Auch die Ausgrabungen verfallener Städte und ihn
Resultate wurden nicht vergessen; so Ninive B. lY. S. 390, und die aa»>
führliche bis zur neuesten Zeit hinaufreichende Beschreibung der Ausgra-
bungen zu Pompeji (B. YII. S. 1 ff.). Das cultnrhistorische Fach ist ver-
treten durch recht schätzbare AuMtae, unter denen wir «die Weinrebe als
Culturpflanze und den Wein als Getränk bei den verschiedenen Yölkem*
B. VL S. 172 hervorheben. Neben diesen um&ssenderen, meist mit zahl-
reichen Illustrationen bej^leiteten AufiBätzen laufen lehrreiche statiatiaGhe
und ethnographische Notizen ^Aus allen Erdtheilen", welche selbst für den
Lehrer viel neues und interessantes bringen. Wir können wol am leich-
testen denUmfEUiff und die Mannig<k^keit dieser Zeitschrift kennzeichnen,
wenn wir die Nachrichten und Beschreibungen erv^nen, welche Oesterreich
betoeffen, das für eine Zeitschrift, die vom ganzen Erdballe erzählen will,
doch nur ein kleines Stückchen Land ist. Cahin gehören unter mehreren
anderen insbesondere die schön illustrierten Au&ätze von Kanitz : ' Yon am
Ostküste des adriatischen Meeres' B. Y. S. S21 ff. 'Bagusa in Dalmalte'
B. YL S. 10 ff *Die Boka* B. YL S.2d2 ff *Die hoheTatra und ihre Be-
wohner* B. YH. S.a2 ff., *£ine Besteigung des Grofliglockner* B. YL 66ff
nach Dr. A. v. Ruthner*s *Aus den lauern* und die mit genauer Local-
kenntnis und grofber Unpartheilichkeit geschriebenen 'Briefe über Böhmen*
B. lY. S. 28 ff. In dieser Weise bringt die Zeitechrift über alle ErdtheUe
vielfache Kunde. Wie sie für Familien ein lehrreiches und unterhaltencks
Buch ist, so zweifeln wir nicht, dass sie in der Schule dem Lehrer oftmals
nützlich, dem Schüler aber ein liebes Buch sein wird, welches ihm die oft
leblose und kalte Karte durch Erzählung und Bild belebt, und die An
schauungen des geographischen Unterrichtes vertieft
Dritte Ab th eilung.
Zar Didaktik und Psedagogik.
Zar Reform der Mataritätsprflfang.
Der Vondüag des Hrn. Directors Hochegger bezüglich einer nenen
Fom in der Abbaltnng der Matnrit&tBprtlfting ist, was das pro und contra
MrUR^ to mbeitig discntiert worden, dass es schwerlich ein erhebliches
MoBMUt geben wiid, wekhes nicht seine Würdigung gefunden hatte. Auch
die entfernteren, mehr mittelbaren Rückwirkungen des be-
treffenden Vorschlages auf die Prosperität des^ Schulunter-
riektee, die wir in den folgenden Zeilen näher, aufzeigen wollen, sind
in dem verigen Jahrgange dieser Zeitschrift am Schlüsse der „Ent^^eg-
aung* des Hm. Dhr. Hochegger (18t)4, 8.906) bereits angedeutet worden.
Wir kalten jedoch gerade diese secundaren Wirkungen der vorgeschlagenen
Xodifealion illr so wichtig, dass wir uns nicht enthalten können, die Be-
dentnng des Hochegger*schen Vorschlages unter diesem Qesichtspuncte be-
sonden zu beleuchten.
Für derlei secundäre, d. h. nicht unmittelbar beabsichtigte, darum
aber nicht minder bedeutungsvolle Wirkungen des gedachten Reformvor-
schlages erachten wir: 1. die Hinüberrichtung der gesammten Unterrichts-
thätigkeit von dem Formellen auf das Essentielle, von dem momentan auf-
genommenen Vielen auf das bleibend zu erfiMsende Eine; und 2. die durch
die projectierte IfaAnregel ermöglichte gröfbere Autonomie der einzelnen
ünterrichtsanstalten, so wie die Befreiung derselben von lästigen Gontrol-
and Uniformierungsmaltoegeln.
Zu 1. Dass die auf die Universität oder in*s Leben hinübergeretteten
Früchte des Gymnasialunterrichtes dem riesigen Apparate, womit derselbe
arbeitet, nicht entsprechen, wird deijenige gerne zugestehen, der ferne von
jeder Selbsttäuschung die Dinge in ihrem natürlichen Lichte zu sehen ge-
wohnt ist. Es ist geradezu erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit die
dnreh verschiedene Prüfnngsacte constatierten, durch mitunter glänzende
Zengnisttoten doenmentierten Wissensresultate abfidlen, sobald der erste
Windhaudi über sie dahingeht Sie sind bis auf einen sehr bescheidenen
Gmndstoek materieller^enntnisse und auf eine durch sie gewonnene, mehr
oder weniger ekstische formale Gewandtheit des Geistes in kurzer Zeit
212 O, Lindner, Zur Beform der Matnritätsprüfong.
dahin. — Die Ursache dieser nicht leicht hinwegzulängnenden Erscheinang
besteht darin, dass die ünterrichtsthätigkeit der Schale mehr die nächsten
als die entfernteren Ziele des Unterrichtes im Auge behalt und dass
sie sich in Fällen, wo ein wirklicher, die Schulzeit überdauernder Erf<dg
nicht erreicht worden ist, mit dem täuschenden Scheine desselben be-
gnügt. Täuschender Schein ist es nämlich, wenn man das geläufige Wieder-
geben eines gedächtnismäfsig aufgerafften Wissensmaterials für einen wirk-
lichen Erfolg nimmt, und nur auf diese Weise ist es zu erklären, wie sich
Individuen durch alle acht Classen bis zur Maturitätsprüfigiff hindurch-
ziehen, die Ton Leotion zu Leetion, von Semester ku Semester ihre Sachen
leidentlich machen, um am Ende, wo sie über das Ganze Bed* and Ant-
wort geben sollen, als völlige Ignoranten dazustehen. Diese Erscheinang
ist um so gewöhnlicher, je mehr gewisse Einrichtangen der Schale geeignet
sind, die mechanische Aufnahme des Lehrstoffes auf Unkosten der
productiven Selbstthätigkeit und eigenen UrtheilsÜhigkeit des
Schülers zu begünstigen, das mtUtay sed non muUum als Devise des Unter-
richtes hinzustellen.
So lange es Examen und ExaminAnden gibt, wird »für die Fr 1^
fang** gelehrt und gelernt werden. Die Art and Weise, wie die Pvflfiuig
vorgenommen wird, kann also nicht verfehlen, ihre bestimmende Sota-
wirkung auf den Unterricht auszuüben. Wo man versichert ist, an den
Lehrer auch den Examinator vor sich za haben, wird man bestftndig
versucht, nicht so sehr die Sache, als den Lehrer zu Edieren. JMier
der nahezu panische Schrecken, der vor dem (bedanken einhergeht/ die
Functionen des Lehrers und des Examinators zu trennen. Bequemer ftr
Lehrer und Schüler ist allerdings die Vereinigung dieser Fanctioneo.
Für das Ziel des Unterrichtes jedoch ist ihre Trennung bei der MatarititB-
prüfung von wesentlichem Belange. Ja wir gehen so weit^ zu behaupten,
dass nur durch diese Trennung, wie sie der Hochegger*sohe Befonnvor-
schlag involviert , die Maturitätsprüfung wahrhaft Sinn und Bedeutung
erlange.
Bei der gegenwärtigen Form der Matoritätsprüfung ist die Lehr-
anstalt in das Interesse an der Prüfung so lu sagen mit hineingih
zogen; sie hat durch die von ihr im vorhinein censurierte Durdischnitts-
leistung des Abiturienten den künftigen Erfolg gleichsam prigudiciert, and
abgesehen von den Begangen des Wohlwollens, die für den Examinuiden
allenfaUs wirken, liegt der Lehranstalt mehr oder weniger daran, dass der
Erfolg der Prüfung nicht schlechter ausfalle, als derselbe nach einem mehr-
jährigen Durchschnitte von ihr prognosticiert wurde. Kurz, sie steht als
Bichterin da über Leistungen, die doch zum grofsen Theile nicht aikin
von der Yerwejdung des Candidaten, sondern auch von dem UmsUade
abhängen, wie sie ihre eigene Aufgabe erfüllt hatte. In diesem Veriialt^
nisse liegt nun gewiss eine sehr grofse Verlockung zur Milde dtf Beor-
theilung. Indem verschiedene Lehranstalten dieser Verlockung ongkich-
mäf^ig nachgeben , erklärt sich die horrende Ungleichmäfisigkeit in den
Prüfungsergebnissen der verschiedenen Gymnasien und Kronländer — eine
Ungleichmäfbigkeit, welche auf die Verschiedenheit da: natürii^e« Bedmr
B. iLMh^, Znr Beform der Mataritltsprttfang. tlS
gangen das Bildungserfolgcs allein nicht leicht zurückgeführt werden kann.
Schhgen wir die statistischen Tafeln, deren Veröffentlichiing wir der
rerehrl. Redaction dieser Zeitschrift verdanken, nach, so finden wir für das
Schuljahr 1863, dass in den Kronlftndem: Küstenland, Dalmatien,
Kroatien nnd Slavonien and in der Militärgrense nitM ein ein-
ziger Abiturient bei der Matnrit&tsprüfnng geworfen wurde, während das
im Centnun des Reiches gelegene NiederOsterrmch mit den Gymnasien der
Reichsmetropole nicht weniger als 14 Procent der angemeldeten Abiturien-
ten für unreif erklärte und an einem Gymnasinm Wiens allein ebenso viel
Reprobationen Ton Matnrit&tsprüfongscandidaten stattfimden , als an allen
17 stark frequentierten Gymnasien Böhmens zusammengenommen. Diese
Züilen sprechen mit grofter Beredsamkeit für eine Reform der Maturi-
tittsprüfüng.
Wirerachtendas Interesse der Schule an dem schliefslichen
Erfolge ihrer mehrjährigen Thätigkeit für ein naturgemäAes und
gerechtfieTtigtes, meinen aber, dass eben bei dem Vorhandensein dieses In-
teresses ein anderer Factor als die Schule selbst über die Erfolge, die sie
oreieht bat, urthdlen sollte. Dann wird dieses Interesse die Schule an-
treiben, ihre didaktische Thätigkeit auf die Herbeiführung Ton UnterrictAs-
etfblgen zu richten, die sich vor jedem Examinator bewähren und eine
?eigleichung mit den durchschnittlichen Erfolgen anderer Lehranstalten
aushalten. Dies kann aber nicht anders geschehen, als dadurch, dass sich
die Lehrthätigkeit von der Form hinweg auf das Wesen der Sache richte,
daas anstatt des mechanischen das judiciöse Gedächtnis zur Erfas-
sung des Unterrichtsstoffes herangezogen werde, dass man sich entschliefiBe,
tnstatt des zerstreuenden und momentan aufgenommenen Vielen blof^
Welliges beizubringen, allein dieses Wenige in Saft und Blut, in aticcum
ä 8img%tinem der Schüler zu veiwandeln.
Wir geben auch zu, dass die Prüfung vor einem flremden Prüfnngs-
forum für die Schüler schwieriger sein werde; wahrhafte Schwierig-
keiten wird sie aber nur für jene Schüler mit sich führen, die gewohnt •
sind, auf bestimmt fbrmuUerte Fragen, die mit den Anfängen der Para-
gnphen des Lebri)uches übereinstimmen, zu antworten — auf Fragen, die
an das funose: „Wer lachte über Griechenland", erinnern. Diese Schwierig-
keiten werden aber nicht für einen Schüler bestehen, der gewöhnt worden
ist, bei der Beantwortung der an ihn gestellten Fragen auf das Wesen
der Sache einzugehen, und dasjenige, was er über dieselbe an verschiede-
nen Stellen des Unterrichtes sich anzueignen Gelegenheit hatte, in freier,
ungezwungener Weise wiederzugeben. Denn nicht die Producierung eines
von groilKr Vielwisserei zeugenden reichen Details, sondern das gedanken-
mäfkige Erfieusen der f^indamentalen Elemente der Bildung ist es, welches
durch die Maturitätsprüfung constatiert werden soll.
Zu 2. Das Gedeihen des Unterrichtes ist von einer gewissen „Au-
tonomie" der Lehranstalten abhängig; denn die Unterrichtsverhaltnbse
sind nicht einmal an zwei Lehranstalten vollkommen gleich. Es ist daher
einer der Vorzüge unseres Organisationsentwurfes, dass er sich von dem
Yenuche einer Uniformierung der Lehranstalten bis in's kleinste Detail
tl4 O. LMmt, Zar Reform der ICatarlttttq^rMiBff.
fernhftlt und durch „Instructionen"', die sich an das didakiiselie Qe-
wisüen der Lehrer kehren, zu erreichen sucht, was durch „Ordoimanien*
schwer zu erroichen wäre. In unserem Yaterlande wird man sich aber
ganz besonders mit dem Gedanken einer grOÜMren Autonomie der eimelnen
iiohranstalten Tertraut machen müssen, da die provindellen und iiatk»a-
len Unterschiede hier schwer in*s Gewicht üülen, und zu den Tom Staate
in's Leben gerufenen Lehranstalten auch jene der Corporationen, QeaMin-
den und Privaten hinzutreten. Wir würden es aber geradem ftr ein üi-
glück halten, wenn man darauf bestehen wollte, die Gjmnaiien alle Badi
einerlei Schablone eingerichtet zu wissen, weil durch diesen Unifomkm^fi»
zwang die freie Bewegung des Unterrichtes leiden würde und dem didak»
tischen Fortschritt ein Hemmschuh angelegt wire. Wenn es nimfidi w«kf
ist, dass wir mit der Organisation unserer LehranstaHen, mit unsereB Lebr»
methoden, LehrpUnen und Lehrmitteln noch nicbt bei dem Ideale der
Vollendung angelangt sind, so mOge jeder Versuch, hierin einen Sdinftt
nach Torwarts au thun, mit Freude begrüM werden. Derlei Ej^erinMote^
welche eine Corporation oder ein Private mit seiner Lehranstalt laicht for-
nehmen kann» lassen sich aber mit simmtlichen Gymnasien elnea weiten
Kci^erreiches nicht leicht anstellen. Gerade in diesem Angenblidce tntsB
solche concreto BeformTorsuche der Organisatiim der Gymnasien und Beal-
schulen hervor und man muss es dankbar annehmen, dass die Commune^
welche neue Lehranstalten in*s Leben rufen, dieselben mit den mittler-
weile fortgeschrittenen Bedürfnissen der Gegenwart in Kinklang in brin-
gen trachten. Diese Versuche wären aber sehr unsicher, wenn der Staat
das Oeffentlichkeitsrecht von einer besonderen ihm genehmen Einrich-
tung dieser Anstalten abhängig machen wollte. Dai^ige, was man also
gegen die projectierte Verweisung der Maturitätsprüfung vor das Foram
der Hochschule anführt, dass alsdann die Goncessionierang einzdner Lehr-
anstalten durch Verleihung des Oeffentlichkeitsrechtes als überflüasig er-
schiene — scheint uns für dieselbe zu sprechen. Viele Wege führen in dem
einen ffiele, welches das Gymnasium anstrebt und dessen Eneichnng dnrdi
die Maturitätsprüfiing oonstatiert werden soll, und man kann getrost die
verschiedenen Lehranstalten ihre Wege zu diesem Ziele gehen lassen,
vorfiusgesetzt, dass sie nicht offenbare Abwege oder Lrwege sind. Ob nach
diesem oder jenem Studienplan, ob durch Zugrundelegung dieser oder jener
Lehrbücher, ob nach dieser oder jener Methode das Lehr- oder Lemiiel
erreicht wird, bleibt gleichgiltig, wenn es nur erreicht wird. Andern Er-
folge mag die didaktische Arbeit gemessen werden, ohne dass ea nüthig
wäre, ihren Fortgang bei jedem Schritt zu controlieren und ihr dadurch
die eigentliche Lebensbedingung ihres Wirkens, die Freihdt der Bewegung
zu verkümmern. Zu diesem Behufe braucht man aber einoi abaolnten
Werthmesser des Erfolges und einen solchen soll die projectierte Beton
des Maturitätsezamens an die Hand geben.
Cilli. Gustav Lindner.
J. IPblf, llktlirUiAsprttAiiig wb der Oefldiiehte etc. tl6
Ueber die MaturitätsprAfung aus der Geschichte und
Oeographie.
Bd jeder PrOAmg handelt es sich emmal um das Ifaüi der Anfor-
tenngen, die an den Eiaminanden su stellen sind, und sodann um die
Art nnd Weise, in der M dem Pr&ftmgsacte vorzugehen ist; mit einem
Wort, es kommt darauf an , was und wie geprüft wird. — Als das MaDi
der Anfoidenuigen in der Geschichte und Geographie heieiohne( der Org.
Entw. fikr die MaturititsiMilfung im allgemeinen die Lehran^g^abe des Ober-
gjmnaainma. Demnadi sollte es keinem Zweifel unterliegen, was Gegen-
stand der genannten PrAliing zu sein habe und was nicht In Wirklich-
keit aher ?erhilt sich die Sache ganz anders.
um inent Ton der Geschichte insbesondere zu reden, so ist es eine
bekamle Saelie, dass das für diesen Gegenstand aufgestellte Lehrziel keines-
w^ so gsnan fixiert ist, um nicht da und dort ein mehr oder weniger
m goatatten, ganz abgesehen von der so Torschiedenartigen Behandlung
ud Gettaltang, die das in den Unterricht gezogene geschichtliche Material
dem betreffendmi Lehrindividuum erlaubt Gab es doch eine lange Zeit, in
wdeber die Geschichte ÜMt nichts weiter bot oder bieten durfte, als die
Beikaifolge der unterschiedlichen Regenten eines Landes und die Kriegs-
die nacheinander da und dort vorfielen. Der Menschheit wurdei
kein weiteres gemeinsames Interesse zugemuthet, als die g^gen-
aeitigt Beraubung an Gut und Blut, ja die gegenseitige Vertilgung vom
Mhoden, nnd die Weltgeschichte nahm sich somit aus wie ein efaiziges
pohm Sdüachtgemllde, angesichts dessen man sich verwundert fragen
nodite, wie der Mensch denn trotzdem noch Zeit und Gelegenheit fznd zu
den so gewaltigen Fortschritten auf allen Gebieten des geistigen und ma-
taridlen Lebens. Es ist diese Art der Geschichtsschreibung ttbrigens noch
bevte sieht ganz Überwunden. Man blättere nur eine Anzahl beliebiger
Oesduditswarke und besonders Lehrbücher der Geschichte durch und man
wird finden , dass allenthalben noch das wechselseitige Abschlachten der
Vülker intereinander den Hauptgegenstand der Darstellung bildet
Dem gegenüber gewinnt indessen eine ganz andere Art der Geschichts-
bshaiidlnng immer mehr Kaum. Dieselbe zieht nfanlich gleichmäßig alles
in den Bereich ihrer Darstellung, was nur jemals unter der Sonne von Men-
sohen gehegt und gepflegt wurde. Sie verbreitet sich über die Dogmen und
die litnigie der verschiedenen Religionen, über die Pflege aller Künste und
Wissenschaften, über die Entwickelung von Handel und Gewerbe; sie schil-
dert die Tempel der G^^tter, die Pattste der Herrscher und die Behausun-
gen der Menge, beschreibt Gerithschaften und Eleidertiacht und berichtet
mwisscnhsft über alle Gq>flogenheiten des Öffentlichen und privaten Zu-
«unmenlabens. — Kein Zweifel, dass all* dies in Geschichtswerken an seinem
Ort ist nnd anch in Lehrbüchern der Geschichte Beachtung finden muss.
Aber wie yi«! davon der geschichtliche Unterricht z. B. im Obergymna-
sinm zn venurbdten und wie viel somit Gegenstand der Maturitflytq[irüfiing
flft X Wolf, MatniMtsprUfniig ans der Geediiclite etc.
zu bilden hat, das ist wol nicht so leicht zu beantworten. Die bezüglichen
Normen geben darüber nur ganz allgemeinen, um nicht zu sagen unbe-
stimmten Au&chlnss, wenn sie eine üebersicht Aber die Hanptbegeban«
heiten der Weltgeschichte in ihrem pragmatischen Zusammenhange und
eine genauere Kenntnis von der geschichtlichen Entwickelung der Griechen
und Römer sowie des österreichischen Vaterlandes 'verlangen. Dekn wbb
heilet üebersicht, was genauere Kenntnis? Ich habe es in diesen BUlltem
bereits einmal ausgesprochen, dass darüber kaum ihrer zwei ganz derBelbes
Meinung sein werden, und doch ist eine gewisse Uebereinstimmnng hier
im Interesse der allen Gymnasien gleichmäTsig gestellten Lehranllsibe ge-
boten. Wie nun zu dieser üebereinstimmung gelangen?
Mancher wird wol diese Frage ebenso schnell und entsdliiedra dahin
beantworten, dass sich einfach an das für das Obergjmnasium bestiiiiiiite
Lehrbuch zu halten sei. Hierüber sehe ich aber den einen Teriehtikb
Iftcheln, den anderen dagegen bedenklich die Achseln zucken. Und beide
haben ihren guten Grund. Ich denke mir u&mlich das zumeist gebfinolK
liehe Lehrbuch von Pütz. Ein Schüler, dessen historische Kenotnia über
den Inhalt dieses Buches nicht hinausgienge, würde nicht zu denen gezihlt
werden dürfen , die das geschichtliche Lehrziel am Gymnasinm erreieht
haben. Dem genannten Lehrbuche fehlt n&mlich, wie das auch nicht anden
sein kann, die geistige Verarbeitung des aufgenommenen Lehntoffee, ea
bietet nichts weiter als ein Skelett, welches Fleisch und Blut erst bekmn-
men rouss. Anderseits aber würde wieder ein Schüler berechtigtes Eistaumn
erregen, der alles das wüsste, was in dem erwähnten Lehrbuche entlialten
ist, denn es finden sich darin eine Menge Daten, welche festznhalteii wol
dem Papier, aber nicht dem menschlichen Gedächtnisse gegeben i9t. — Dm
Lehrbuch an und für sich wird also nicht den Maftetab abgeben kGnnen
zur genauen Fixierung des dem Gymnasium gesetzten geschichtlichen Jjehi^
Zieles, und doch wird das Lehrbuch hiebei nicht anü^ Acht gelasaen
werden dürfen.
Das Gymnasium hat nämlich , und dies ist wohl zu beachten , nicht
Geschichte überhaupt zu lehren, sondern lediglich in das Studium der Ge-
schichte so weit einzuführen, dass der Schüler endlich im Stande sei, auf
dem betreffenden wissenschaftlichen Gebiete sich einigermaßen selbständig
fortzubewegen. Um nun dieses Ziel zu erreichen, ist es hier ebensowenig
wie in einer anderen Disciplin gleichgültig , welcher Weg eingeschlagen,
welche Art und welche Menge wissenschaftlichen Materials verarbeitet
werde. Da aber geschichtliche Kenntnisse nicht anders als durch oftmalige
Wiederholung, oder wenn man will, Wiederverarbeitung zum geistigen
Eigenthum gemacht werden können, so ist es durchaus erforderlidi , dass
der Schüler in der Lage sei, diese Wiederholung so oft als notiiwendig
vorzunehmen. Und hiezu bedarf es, da sowol Dictate als sogenannte Ezplir
cationen verpönt sind, jedenfalls eines Lehrbuches und, insofern dasselbe
theils zu wenig und theils zu viel bietet, diesbezüglicher von dem Schüler
eigens angefertigter Notizen. — Sind nun aber einmal dem geschichtlichen
Unterrichte derartige Schranken gesetzt, so hat man sich innerhalb dieser
Schranken natürlich auch bei der Maturitätsprüfting zu halten, d. h. es
J. Wolf, Maturitätsprüfung aus der Geschichte etc. 817
hat nichts Gegenstand der Maturitätsprüfung zu sein, was nicht früher
Gegenstand des Unterrichtes gewesen ist.
Aber bei der Maturitätsprüfung kommt es ja doch weniger auf die
Erprobung der d'em Gedächtnisse eingeprägten positiven Kenntnisse
als auf die Prüfung der graduellen geistigen Beife an. Es handelt
sich somit weniger um das, was geprüft werden soll, als um das Wie des
Prüfens, um die Mittel und Wege, die graduelle gebtige Reife des Schülers
lur Offenbarung und Anschauung zu bringen. — Die erste Frage, die sich
hiebe! anfdrftngt, ist natürlich: Welche Bolle haben nun die positiven
Kenntnisse bei der Maturitätsprüfung zu spielen? — Da es weniger auf
diese selbst ankommt, so ist vielleicht mancher geneigt, dafür zu halten,
dass sie mehr oder minder auflser Acht gelassen werden können, ja dass
man am Ende gar nicht darnach zu fragen brauche. Das letztere bedarf
freilieh keiner Widerlegung, man müsste denn, anstatt Geschichte zu prü-
fen, nach dem Grade der speculativen Erkenntnis eines Schülers forschen
oder überhaupt seine geistige Capacität erproben wollen. Aber auch das
Boiebr oder minder AnCserachtlassen der positiven Kenntnisse wird nicht
Platz greifen können. Ich bemerke dies nicht ohne guten Grund.
Man pflegt nämlich häufig und insbesondere in der Geschichte den
positiven Kenntnissen ein nur ganz geringes Gewicht beizulegen, um so
höher dagegen die Fähigkeit anzuschlagen, über vorliegende concrete Daten
gewisse abstracto Erörterungen anzustellen. Geschichtliche Daten -— Ge-
dichtnissache! So fertigt man das positive Wissen vornehm ab und ver-
langt daf^ ürtheily Baisonnement , Würdigung von diesem und jenem
Stuidpnncte und dergleichen mehr. Man glaubt damit in den obersten
Regionen der Wissenscnaffc sich zu bewegen, während man doch in der
Regel nur in der Luft hängt, in Einbildungen schwebt, die man freilich
alleieit um so weniger aufgibt , je mehr einem die Kenntnis der Wirklich-
keit abgeht — üebrigens fällt mir nichts weniger bei, als etwa vorer-
wähnte abstracto Erörterungen überhaupt zu verpönen, nein, denn wo ich
die Kenntnis der positiven Daten voraussetzen kann, dort werden mir der-
artige Erörterungen sogar willkommen sein. Im Gymnasium jedoch kann
von einer solchen Voraussetzung keine Rede sein und ist daher ein Yor-
gehoi unter dieser Voraussetzung nicht am Platze. Ja eine derartige Ge-
schichtsbehandlung könnte nicht laut und derb genug gerügt werden. Denn
sie setzt jene seichten Schwätzer in die Welt, die über alle geschichtlichen
Begebenheiten lu reden und zu schreiben wissen, ohne den eigentlichen
Sachverhalt zu kennen, jene Zmigenhelden , die über alle geschichtlichen
Persönlichkeiten ein jederzeit fertiges ürtheil besitzen, ohne von irgend
einer mehr zu wissen, als den allbekannten Namen und höchstens einige
armselige Anekdoten. Und sie sind erschrecklich häufig diese Leute , dUe
da beispielsweise den Namen eines Napoleon nicht hören können ohne so-
fort entweder in die tiefste Entrüstung oder in die höchste Bewunderung
SU gerathen, denen aber von dem Manne im Grunde nichts weiter im Ge-
dächtnis haftet, als dass er ein gro/ser Kaiser, ein noch gröfiserer General,
aber der allergröfste Hinwürger der Menschheit war, wofür er denn auch
Z«UMbrifl t d. fttUrr. Oymn. 18(>&. H. u. lii. lien. 15
tl9 J. Wolf, Maturitätsprüfung aus der Geschichte etc.
auf St. Helena büfsen musste. — In keinem Falle also irgend ein Absehen
von den positiven Kenntnissen, ja ich nehme keinen Anstand zu behaupten,
dass ihre Darlegung von Seite des Schülers ein Haupterfordemis bei der
Maturitätsprüfung sei. Es steht dies in keinem Widerspruche mit dem
Satze, „bei der Maturitätsprüfung komme es weniger auf die Erprobung
der dem Gedächtnisse eingeprägten positiven Kenntnisse als auf die Prü-
fung der graduellen geistigen Reife an", denn es kann auf eine Sache
weniger ankommen, die deshalb doch unerlässlich ist üeberhaupt kann
der eben erwähnte normierende Passus in Bezug auf die Maturitätsprüfung
aus der Geschichte keine andere Bedeutung haben als die, dass der Sehükr
nicht bloHs eine gedächtnismäfsige Kenntnis der historischen Daten, son-
dern auch deren richtiges Verständnis darzulegen habe. Um dieses richtige
Verständnis zu prüfen, ist es nicht nöthig, das Gebiet der faistorisdien
Thatsachen zu verlassen und dafür in eine Art von „Philosophie der Ge-
schichte*' einzutreten, wenn die Fragen, die an den Schüler gerichtet wer-
den, nur eingehend und umfassend sind.
unter solch' eingehenden Fragen verstehe ich natürlich nicht Fragen,
die ein Eingehen erheischen auf unwichtige Specialitäten. Ich werde daher
niemals von einem Abiturienten verlangen, dass er mir den Verlauf eines
Krieges erzähle und dabei aller Hin- und Hermärsche, aller Schlachtoi
und Scharmützel Erwähnung thue^ die da vorfielen. Auch werde ich nicht
darnach fragen, wie viel Pariser Fuft die einzelnen Pyramiden roaflsen, wie
die dreifsig Tyrannen hiefsen oder wie sich die deutschen Beichsstände in
die zehn Reichskreise vertheilten. Dies alles nicht, denn als eingebende
Fragen gelten mir nur Fragen , die den Gefragten nöthigen , einingehoi
auf das eigenthümliche Wesen, auf die entscheidenden Puncte oder, wenn
man will, auf den Kern der historischen Objecto. — Desgleichen verstehe
ich unter umfassenden Fragen nicht Fragen, die eine Anzahl beliebiger
historischer Daten umfassen, nicht Zusammenstellungen von Daten, die
z. B. nur das äui^ere Bindemittel der Gleichzeitigkeit oder der Aufeinander-
folge gemein haben. Umfassend nenne ich jene Frage, die eine Anzahl
bestimmter positiver Daten umfasst, zwischen denen eine innere Verwandt-
schaft und Zusammengehörigkeit besteht, eine wechselseitige Bedingung,
so dass sie entweder Wirkungen derselben Ursache, oder Ursachen derselben
Wirkung sind. Ist ein Schüler im stände , in der bezeichneten Weise auf
einzelne historische Objecto einzugehen oder mehrere historische Daten zu- .
sammenzustellen, dann hat er nicht allein historische Kenntnisse, sondern
auch historisches Verständnis, er hat diejenige geistige Reife, auf deren
Prüfung es bei der Maturitätsprüfting vornehmlich ankömmt
Was immer der Schüler indessen gefragt werden möge, die Frage
muss so beschafPen sein, dass sie einestheils alles umfasse, was zu ihrer
Beantwortung gehört, anderentheils aber auch alles ausschlie&e, was in
ihrer Beantwortung nicht gehört. Dass aber diese Grundregel einer rich-
tigen Fragestellung nicht immer beobachtet wird, sondern manchmal hik^hst
seltsame Fragen an die Schüler gerichtet werden, dies lässt sich nach eini-
gen Beispielen, die hierüber vorliegen, nicht wohl bezweifeln. Und mag auch
die Fama einzelne solcher Fragen etwas anekdotenhaft zugespitzt haben,
J. Weif, Matoritätsprüfiing aus der Geschichte ete. 810
die Thatsache steht fest, dass man sich in Bezng auf die Fragestellung nicht
selten einem Schlendrian üherlässt, der zu boshaften Deutung nur zu leicht
Aolass geben kann« Es pflegt solches insbesondere dort üblich zu sein, wo
Lehrer und Schüler in Folge mehrjährigen Verkehres nach und nach dahin
gelangten, in der gegenseitigen Ausdrucksweise jene Umständlichkeit fallen
SU lassen, die unter einander noch nicht naher bekannten geboten ist. Der
Schüler mag unter solchen Umständen allerdings auf eine leichte Andeu-
tung hin wissen , was er zu sagen habe , aUein ist ein solcher Vorgang
ichon an und för sich nicht zu billigen, so ist er vollends tadelnswerth
bei der Maturitätsprüfung, wo von der Frage und ihrer Beantwortung so
viel abhängt und wo überdies die Gegenwart Dritter die möglichste Deut-
lichkeit und Objectivität im Ausdruck erheischt. -^ Uebrigens scheint es
mir angezeigt, dass der Lehrer die Fragen, die er an die Abiturienten zu
stellen beabsichtigt, sich vorher zurecht richte, denn derartige Fragen lassen
sich nicht in beliebiger Menge gleichsam aus dem Aermel schütteln, son-
dern wollen immer wohl überlegt sein. Gerne würde ich einem Vorgehen
das Wort reden, welches dem Gefragten gestattete', über die Beantwortung
der Frage eine leitlang ungestört nachzudenken, allein diese Praxis ist
eben nicht durchführbar ohne mancherlei Uebelstände. DafEbr dürfte es
jedoch gerathen sein, den Schüler zur Antwort wenigstens nicht zu drängen.
Mit der Fragestellung ist natürlich die Mitbetheiligung des Lehrers
am Prüfdngsacte nicht abgethan. Diese Mitbetheiligung wird indessen
allezeit eine wohl überlegte sein müssen. — Vor allem wird zu beachten
lein, dass die Maturitätsprüfung für den Lehrer nicht der Ort ist, sein
eigenes Wissen auszukramen in Form eingehender Belehrung des Schülers
über Dinge, bezüglich welcher dieser sich entweder schlecht oder gar nicht
onterrichtet zeigt Es pflegt dergleichen von Seite des Lehrers nicht selten
in der Absicht zu geschehen, um darzulegen, dass die Unkenntnis des
Sdiülen ihren Grund nicht habe in der mangelhaften Kenntnis oder Mit-
theilnngBgabe des Lehrers. — - Desgleichen wird der einsichtige Lehrer mit
der Nachhilfe, die er dem Schüler angedeihen lässt, so sparsam sein, als
nur immer möglich, insbesondere dort, wo die Linie, welche die Beant-
wortung einzuhalten hat, nicht mathematisch genau vorgezeichnet ist Die
Nachhilfe hat aber vollends keinen Sinn, wenn man einmal überzeugt ist,
dass der Schüler über den Gegenstand der Frage nicht gehörig unter-
richtet ist — Kleinerer Unrichtigkeiten wegen pflege ich niemals einen
Schüler in seiner Darlegung zu unterbrechen. Etwas anderes ist es jedoch,
wenn der Befragte in seiner Antwort von dem Gegenstande der Frage ab-
schweift Alsdann hat unbedingt die Intervention des Examinators einzu-
treten, wie es denn überhaupt die vornehmste Obliegenheit des letzteren
ist, darüber zu wachen, dass der Schüler auf dem durch die Frage ihm
vorgezeichneten Gebiet« sich in angemessener Weise bewege.
Die Mitbetheiligung eines Dritten an dem Examen dürfte bei keinem
Gegenstände so viel Tact und Vorsieht erfordern^ wie bei der Geschichte.
Den geschichtlichen Daten fehlt nämlich ein für allemal das stereotype
Gepräge, den geschichtlichen Lehren der dogmatische Charakter und nichts
ist daher leichter, als dass bei Betheiligung eines Dritten an der Prüfung
15*
tfO J. Wolff Maturitätsprüfung aus der Geschichte etc.
dieser in Collision geräth mit den Anschauungen des prüfenden Lehren.
Solch* ein Vorkommnis hat nun an sich nichts aufßüliges oder gar geftlur-
liches, aber innerhalb der Schule ist es doch aus vielerlei Gründen Tom
Uebel. Dergleichen, wenn auch noch so geringfügige CoUisionen, yeifehlen
nämlich niemals eines bedenklichen Eindruckes auf die Gemüther der
Schüler, welche darin jederzeit nicht etwa einen einfachen Widerstreit der
Meinungen, sondern vielmehr eine Art Bencontre zwischen den betheiligten
Persönlichkeiten erblicken.
Von dem Abiturienten wird, abgesehen von der Geschichte, auch
eine Bekanntschaft mit den gegenwärtigen Uauptverhältnissen des Vater-
landes verlangt. Was unter diesen Hauptverhältnissen zu verstehen, kann
keinem Zweifel unterliegen. Einmal werden nämlich die phjsikaliBeheii
Verhältnisse damit gemeint sein, sodann aber auch die sogenannten stati-
stischen Verhältnisse, betreffend die Religion, Nationalität und Vertheihmg
der Bevölkerung, Verkehrsmittel, Industrie und Handel, die geistige Cnltur,
so wie die Grundzüge der politischen Verfassung. — AlF dies pflegt den
Abiturienten keine grofse Schwierigkeit zu bereiten , da die Vaterlands-
künde bekanntlich Gegenstand des Unterrichtes im letzten Semester des
Obergymnasiums ist und die Zeit vollauf hinreicht, den Gegenstand er-
schöpfend zu behandeln.
Granz anders verhält es sich jedoch in dieser Beziehung mit der
Geographie. Es pflegt dieser Gegenstand, so weit meine Kenntnis von der
Sache reicht, bei der Maturitätsprtlfung eine sehr untergeordnete Bolle sa
spielen, wenn er nicht gar ganz aufser Acht gelassen wird. Ursache hievon
ist der Umstand, dass man sich thatsächlich mit dem geographischen Unter-
richte am Gymnasium blutwenig befasst. Dass für diese Unterlassung der
bestehende Lehrplan nicht verantwortlich gemacht werden dtürfe, darüber
habe ich mich bereits einmal ausgesprochen*). Es ist daher auch kein
Grund vorhanden, den Anforderungen nicht gerecht zu werden, welche der
Org. Entw. in Bezug auf die Greographie an die Abiturienten stellt Diese
Anforderungen sind nämlich: Kenntnis der Hauptpuncte der mathemati-
schen und physischen G^graphie und die politische Geographie in so weit,
als sie mit den für die Geschichte bezeichneten Forderungen nothwcndig
zusammenhängt Als Hauptpuncte der mathematischen und physischen Geo-
graphie aber müssen nothwendig angesehen werden die Lehren über Gestalt,
Stellung und Bewegung des Erdkörpers im Weltenraume, über den Wechsel
der Tages- und Jahreszeiten, über Beschaffenheit und Bewegung der Luft
und des Wassers, über Klima und Pioducte, Oro- und Hydrographie, end-
lich über die Vertheilung und Eintheilung der Menschen im Allgemeinen. —
Wie viel Kenntnis der politischen Geographie gefordert werden soll, dar-
über liefhe sich vielleicht streiten. Indes wird von jedem Abiturienten ver-
*) Ich habe mit einiger Befriedigunj^ wahrgenommen, dass in dem Lehr-
plane, der von dem Vereine ^Mittelschule*' für ein Bealfinrmnasium
entworfen wurde, des Unterrichtes aus der Geschichte und Geographie
mit Bücksicht auf meinen diesbezüglichen im IV. Hefte der Gymn.
Ztschr. 1862 erschienenen Aufsatz und theilweise mit meinen eigenen
Worten gedacht ist.
J. Wolf, Matnritatsprüfang aas der Geschichte etc. SSI
lugt werden dürfen, dass er Kenntnis habe von der Lage und Begrenzung
aller gegenwärtigen Staaten, von ihren bedeutendsten Orten , von den poli-
tischen and socialen Hauptverhältnissen, von der Religion, Sprache und
Nationalität der Bewohner.
Möglich, dass mancher dies alles mehr oder minder für Gedächtnis-
stehe und daher nicht fttr geeignet hält, Gegenstand der Maturitätsprüfung
lu sein. Gedächtnissache allerdings! Aber es gibt eben gar mancherlei
Gedächnissache. Wenn jemand im stände ist, eine grofbe Menge von Zahlen
oder Namen sofort von vorne nach rückwärts und von rückwärts nach vorne
herznsagen — so ist dies Gedächtnissache. Gedächtnissache ist es auch, wenn
jemand den ganzen Inhalt der Bibel oder sämmtliche Gesetze eines Landes
im Kopfe hat, so dass er jederzeit über dies sein geistiges Eigenthum be-
liebig zu verfügen vermag. Hier und dort also Gedächtnissache und doch
welch^ ein unterschied! Hier ein unschätzbares geistiges Eigenthum, eine
beständige Quelle geistigen Vermögens, dort eine wohlfeile Errungenschafb^
eine momentane Fertigkeit Man hat von grofsen Gelehrten und von tüch-
tigen lOnnem überhaupt oft erwähnt, dass sie in ihrem Streben durch
ein anfterordentliches (Gedächtnis unterstützt wurden. Und dabei liefb man
merken, als ob dies aufserordentliche Gedächtnis etwas angeborenes und
somit gar kein Verdienst seines glücklichen Besitzers gewesen. Es ist dies
aber eine ganz üedsche Ansicht Wol mag die Gabe des Gedächtnisses nicht
jedem in gleichem MadM vom Hause aus zugemessen sein, aber gewißs ist
diese Gabe bei jedem Menschen einer Ausbildung und Ausdehnung fähig,
welche genau dem Mafira der Arbeit entspricht, die man darauf verwendet,
um aber wieder zu unserem Gegenstande zurückzukehren, so mag aller*
dinga nicht viel darauf zu geben sein, wenn einer im stände ist, die Namen
derFlflsBe, Ctebirge und Städte eines bestimmten Landes aufzuzählen. Dar-
auf wild es indessen auch bei der Maturitätsprüfung nicht ankommen,
sondern es wird sich darum handeln, ob und in wiefern der Schüler mit
der Erdoberfläche und ihren wechselnden Verhältnissen inniger vertraut,
ob und in wiefern er auf der ganzen Erde zu Hause sei, beziehungsweise
in dieselbe sich hineingelebt habe, um letzteres zu prüfen, werden die
Fragen von ähnlicher Beschaffenheit sein müssen, wie die Fragen aus der
Gesdiichte. Nicht gerade unerlässlich aber doch zweckmäfbig dürfte es
sein, den Schüler seine geographischen Kenntnisse an einer Wandkarte
darlegen in lassen, welche die physikalischen Umrisse der Erdoberfläche
zeigt, denn einmal unterstützt ein derartiger Anhaltspunct Einbildungs-
kraft und Gedächtnis und dann mag es auch nicht gerade überflüssig sein,
zu erproben, ob der Schüler mit Landkarten überhaupt umzugehen und
lieh auf denselben zurecht zu finden verstehe, was wol vorausgesetzt wer-
den könnte, aber nicht kann.
Eger. Josef Wolf,
Vierte Abtheilung.
Miscellen.
Zu Sophokles* Aias vs. 15.
Vs. 14 — 17: „w <p&fyfji' H&dvagj tfiltarfig i/nol d^ov,
tag €vf>ia&ig <Tou, xav anontoq ^g S/nag,
(ftovTjfji* ttxovco xal '^waQ7rdC(o (pQBvl
Xalxoarofiov xtaStavog tag Tvgarivtxrig,^
Zn dieser Stelle bemerkt der Scholiast über die Worte cS if>$-fyfi*
!A&avag folgendes: „Kai rovro äotara mnolriTM' tp&fyfia ydQ ilnüf, tif
fi^ ^eaadutvog avti^v ' irjXov y«^, mg ovx elSev avrnv ix tov, mSv
anoTiTog r^g outjg, jovriariv doQccTog. Tfjg ^k tfiowijg uovijg aia&av^TOi,
(og i&d^og avt^ ovarjg ' iari /nivroi Inl Trjg axtjvijg ti lA&tiva * «fe* yaq
TouTo YttQiCfO^i' tf t^farj • nqod^iQantvH Sk t^v d-tov 6 *09vaaivg, xtu
oSro» JikyH T« AtavTog.^
Diese Erklämnff des Scholiasten nun scheint fast alle Über die oben
angef&hrte Stelle gegebenen späteren Erklärungen hervorgerufen, wenigstens
den ruhigen Blick der Erklarer beeinträchtigt und auf eine falsche Spni
gelenkt zu haben. So hält Wunder jene Erklärung mit Brunck fttr die
richtige, und auch Schneidewin war aer Ansicht, dass Odysseus zwar die
Stimme der Gröttin h6rt, sie selbst aber ihm unsichtbar bleibt. Denn
in der Einleitung sum Ajax (3. Aufl.) Seite 8 in der Anmerkung heilM
es: ^Da nacb dem allgemeinen Glauben die den Menschen schützend zur
Seite stehenden Götter nur aus ganz besonderen Gründen leibhaftig er-
scheinen, so musste es den Zuschauem ganz natürlich vorkommen, dass
dem Odysseus verborgen blieb, was ihnen vor Auffen stand.**
Schon Lobeck in seiner Ausgabe des Ajax hat unsere Stelle richti-
ger erklärt, indem er es als völlig unbegründet nachweist, anzunehmen,
dass die Göttin dem Odysseus verborgen sei, während doch die Zuschauer
sie deutlich sehen. Er zeigt femer, dass anoTtrog von demjenigen ge-
braucht wird, ,,quod e longinquo oonspicitur vel clare, si in ezoelso ^
vel obscure, si longo intervallo distat.** Dieser Erklärung stimmte auch 0.
Hermann fed. IV) dcL
In aem Streben mit mir selbst über diese Stelle in*s klare zu kom-
men, habe ich nun folgendes gefunden.
Was zunächst den Satz xav anontog ng betrifft, so bedeutet der-
selbe wol nichts anderes als: ,,auch wenn au unsichtbar sein solltest,*
d. h. es wird, wie Krüger Gramm. 6. 54, 12 es ausdrückt, die Bedingung
als objectiv möglich hingestellt. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass
sie im gegenwärtigen Falle als wirklich stattfindend zu denken sei
Denken wir uns übrigens lebendig in die Situation hinein, so wer-
den uns die Worte des Odysseus vollkommen klar. Whr müssen uns näm-
MiaceUeu. 2S8
lieh den Odysseas yorstellen ganz vertieft in sein Spähgeschäft (ndXtu
xwny^^ovvTa xai fjLktQovfAiPov ixvtj Ttt xiCvov veoxd^ax^* etcj, vor-
sichtig in das Zelt des Ajax hineinblickend (vs. 11: ^xa£ a* ov^iv itato
TtjaSi nantalvHv nvXtjg ?t* ioyov lat(v*^). Die Göttin hat während dieser
Zeit den Odysseos, ohne von ihm bemerkt zu werden, schon längst beob-
achtet (vs. äß; ^Jidlai (fCXa^ ißtjv — rjf aj noo^vfjiog eis odöv xwayCt^)
und spricht ihn erst nach einer Weile an. Das erste aJso, was aiu der
Bühne vorgeht, ist reine Handlung ohne Worte.
Nach den ersten Worten der Athene wendet Odjsseus, welcher nicht
mit dem Gesichte, sondern mit der Seite den Zuschauem zugewendet
zu denken ist, erstaunt und hocherfreut sein Gesicht der Stelle zu, von
welcher er die Stimme der Göttin vernimmt; daher erklärt es sich, wa-
rum er zunächst von dem spricht, was auf ihn den ersten Eindruck
machte, d. h. dass er die Worte gebraucht „cj (p&iyfi* Iddtivag.*^ Gerade
in dieser Anrede lieft viel Leben.
Was den Ausdruck anonrog betrifft, so ergibt sich aus unserer Be-
trachtung der Situation wol ohne Schwierigkeit, was Odysseus sagen will.
Mögen wir ihn nun .dem Blicke fem** oder „entrückt** oder „unsichtbar'*
übersetzen: Odysseus will nur sagen, dass er die Gegenwart der Athene
zuerst und allein durch ihre imn bekannte und liebe Stimme, also mit
dem Sinne des Gehörs erkannt habe, während sein BUck von ihr abge-
wendet, anderen Gegenständen zugekehrt, sie nicht bemerken konnte. Dieser
Sinn wird aber durch^ die nachfolgende Ver^leichung um so klarer ge-
macht. Er sagt: ^tog ivuad-ig aov — tfotvfifx* axovto xal ^(wagnaCo) tfQivi^
tag {fpwij/jia) raXxoOToiLiov xtodtavog TvQarjvix^g*^ {axovto xal fpgevl iv-
roQnd^i, Oolysseus vergleicht die Stimme der Göttin mit der Stinüne
der Tyrrnenisdien Drommete, insofern er beide an ihrem — ihm wohlbe-
kannten — Klange erkennt Er will also sagoi: „Ebenso wie ich, sobald
ich den Ton der Tvrrhenischen Drommete vernehme, sogleich erkenne,
wober derselbe rührt, wenn ich auch die Drommete selbst für den Augen-
blick nicht sehe: ebenso brauche ich blofs deine Stimme zu hören, um
soffleich SU wissen, dass du zu mir sprichst, auch wenn ich dich nicht
sMen sollte."
Um endlich noch einmal auf die Ansicht zurück zu kommen, dass
die Göttin dem Odysseus unsichtbar sei, so ist nicht zu übersehen, dass
wir dann annehmen müssten, sie werde auch spater von Ajax nicht ee-
" * ' icnt.
Denn wenn Odysseus sie nicht sehen darf, wiewol er mit ihr spricht,
warum sollte gerade Ajax sie erblicken? Dieser aber muss sie sehen;
denn von ihm lässt sich wol nicht annehmen, dass er sie auch an der
Stimme erkennt, da er mit ihr nicht so häufig verkehrt, als Odysseus.
Müssen wir aber annehmen, sie sei dem Ajax sichtbar, so möge sich der
geneigte Leser die komische Situation ausmalen: Die Zuschauer sehen die
Athupne, den Odvsseus und den Ajax, müssen sich aber vorstellen, dass
Ajax zwar die Athene aber nicht den Od^seus, dieser zwar den Aiax aber
nicht die Athene sieht. Wozu dieses Blindekuhspielen ? (Vgl. Lobeck
auctnarinm adnott ad SophocL Ajacem in seinen raralipp. gramm. gr.
8. 664 %.)
Olmütz. Leopold Dvofäk.
Zu L i V i u s.
Exegetische Bemerkungen.
1. Pr»f §. 5. Zu den Worten ^dwn prisca tota üla mente repeto'*
bemerkt Weiftenbom: „Die Wortstellung ist bei L. oft freier als bei den
früheren Prosaikern, mehr dichterisch.** So richtig diese Bemerkung an sich
auch ist, so wenig passt sie nach meiner Meinung auf die vorliegende
Stelle. Ans dem vorangehenden haec nova ist man keineswegs zu folgem
berechtigt, dass auch priaoa iUa unmittelbar zu verbinden seL So wenig
ttt Miscellen.
wie nova der zusätzlichen Bestimmung haec entbehren konnte, so wenig
bedarf prisca des Beisatzes von iüa. Vielmehr steht es zunächst ftkr mm
allein: „dum prisca ... repeto*^, und dann will der Schriftsteller mitNaöh-
druck hinzusetzen „und zwar tota mente,^ Das gewöhnliche nun hieftr
wäre et ea quidem t m.; aber da das Pronomen hier zugleich ^Träger
eines Gegensatzes** ist (vgl. Näeelsbach Stilist. §. 93), so steht Uta, und
nicht ea, Aehnlich auch z. B. bei Cic Phil. 7, 4: JErat tune aecuaatio
oppressis, misera illa quidem, sed tarnen iusta; nunc nüUa est. Sodann
ist das zur nachdrücklichen Hervorhebung des vorangehenden Namens die-
nende, anscheinend pleonastische tOe zu vergleichen in Stellen wie
Hör. rV, 9, 51: non ilte pro caris amicis out patria timidus perire, oder
Yirg. Aen. V, 467: nunc dextra ingeminans tctus, nunc itle simstra,
oder gleich zu Anfang I, 8 multum ille et terris iactatus et <ütOj wo an
der Participialconstruction festzuhalten sein dürfte, vomehmHeh
we^en des relati vischen ,^enus unde Latinum'^, das mit qui primus ab
ons auf einer Linie steht.
2. 1, 11, 7. Accepti ohrutam armis necavere, seu ut m capta pctim
arx videretur, seuprodendi exempli causa, ne quid usquam fiäiim praäir
tori esset, WeiXäenbom sagt mit knapper Kürze: „statt: damit erkannt
würde, dass * und führt drei Beispiele an, die aber bei genauer
Prüfung auf das vorliegende kein genügendes Licht werfen. Die Stelle ist
doch wol nicht so zu verstehen, als ob es ausdrücklich der (bedanke und
die Absicht der Sabiner gewesen wäre, durch die Tödtung der Verrätherin
Tarpeia den allgemeinen Satz zu beweisen „nihü w/^quam proä^icri
fidwm esse*^; sie statuieren vielmehr nur in Gemäfsheit dieser allge-
meinen Wahrheit im besonderen Falle ein warnendes BeispieL Der
Satz jne quid usquam fidum proditori esset** scheint mir daher nicht so-
wol abhän^g als appositiv, nicht aus dem Sinne der Sabiner, sondern
aus dem Sinne des Schriftstellers (oder der waltenden Grottheit) zu nehmen:
„oder, um ein warnendes Beispiel aufzusteUen, auf dass überhaupt nirgend
der Verräther Treue finde**, d. h. „damit auch hier die allgemeine Kegel sieh
bestätig.*' Aehnlich sagen auch wir z. B.: „er zog nach Palästina, um nim-
mer heimzukehren** i. e. und kehrte nimmer heim, so dass er n. heimkehrte.
3. I; 17, 5. Ita rem int er se centum patres decem decurüs f actis
singulisque in singulas decurias creatis, qui summae rerum praeessent^
consociant. Diese Worte hatte Weif^nbom nicht richtig ffe&sst Nach
seiner Deutune wären erst „zehn Decurien gebildet und dann die Mitglieder
derselben wieder in zehn Abtheilungen (also andere!) gebracht, welche
das imperium führen sollten.** Dann wären also an die Stelle der ersten
zehn Decurien ÜEu^tisch zehn neue getreten, und man fragt billig, wozu
die ersten überhaupt gedient haben. Dies liegt aber auch gar nicht in den
Worten, sondern Liv. spricht nur von zehn ein für allemal ^bildeten
Decurien, aus denen zehn Senatoren, und zwar je einer auf jede i)e-
curie (denn das hoifbt siriguiis in svngtdas decurias.^ gewählt werden,
qui (nicht quae!) summae rerum praeessent. Dieses qui und die Phrase
swigulis in singulas dec. er, hat WeiXsenb. nicht genug erwogen. Wenn
Liv. sinmdis e singulis decuriis er, geschrieben häUe, so wäre das Mis-
verstlncmis nicht entstanden; aber die vielen Ablative sind absichtlich
vermieden. Uebrigens ist dieses destributive in ('* xora, dg, auf) gar
nicht selten (vgl. Schultz Gramm. §. 211) ; auch hat es Lange (röm. Alter-
thümer L S. ^) richtig verstanden, wo er sagt: „Liv. lässt zehn Ver-
treter seiner zehn Decurien, Dionysius dagegen die zehn Mitglieder
einer Decurie der Reihe nach interreges werden.** Weifsenbom confundiert
diese beiden abweichenden Darstellungen.
4. I, 19, 3. Quod nostrae aetati dii dederunt ut videremus. Dazn
merkt Weiften b. an: „u^ videremus ist erklärender Zusatz zu quod. Das
Subject ist nach nostrae bestimmt.** Mir will doch scheinen, dass dieses
eher griechische als lateinische Constructionsweise wäre, und dass quod •
vielm^r Object zu videremus als zu dederunt ist.
Miscellen. 2t5
5. ibid. §. 4: Ommum primum rem ad muUitudmem imperiUm et
QU» MecuUs rudern efftoacisaimam, deomm metum iniciendwn ratus est.
So Weiftenborn. Da der Yorangestellte Be^fF rem efftatcissimam offenbar
die Apposition, deorum metum aber das nnmittelbare Object ist, so
ffehdrt nach omnvwm wrimwn ein Komma. In dieser Beziehung lassen über-
haupt die Aasgaben aes geehrten Verf/s manches zu wünschen übrig, ab-
gesehen von den Principien einer mehr oder minder sparsamen Interponction.
6. I, ^6, 1. ifbi inluxü etc «Bei Cicero noch nicht imnersonal*',
sagt W. Ich stimme dem Verf. bei, dass das Yerbnm hier wol eoenso gut
nnpeisönlich stehe, wie anderwärts, z. B. n, 65. YII, 14, 9 etc.; aber <£n-
noäi wase an unserer Stelle trotz der mangelnden relativischen Anknüpfung
dM peirsdnliche Construction denkbar, da unmittelbar vorhergeht „m diem
potterum.*
7. y, 2S. CamiUus • . . cum in urbem. rediaaet, tacUe eius vere»
amdiam nan tulU senatus, quin sine mora vati liberaretur. Wenn Wei/b.
erid&rt: «sie fühlten sich durch das rücksichtsvolle Benehmen des C.
(in Bezog auf das Votum) aufgefordert, ihn sogleich...**, so sehe ich nicht,
wdcher Zusammenhang zwischen dem Vordersätze Com, meliore muUo
laude quam . . . itwiffms . . . cum in urbem redisset und obigem Nachsatze
stattfindet Dieser wird aber sofort klar, sobald man eius nicht als sub-
jecüven, sondern als objectiven Gen. fasst, verecundia also vom Senate
selbst verstanden wird: „da gestattete ihm seine Hochachtung vor Cam.,
nicht ... oder aus Hochachtung vor G. konnte der Senat da nicht
omhüi, ihn unverzüglich seines Gelüodes zu entbinden.** Dafür spricht auch
deatlicli der sonstige Gebrauch von verecundia bei Livius, z. B. I, 6. II, 36.
IV, 45. X, 13 u. s. w. aetatia — maiest(ai8 — nee ordinis huius, nee rei
pMiem — leaum etc,
Fulda. Ed. GoBbeL
Bemerkungen zur Mythologie.
1. 2€iQTivi£ und 2€Urjvoi,
Die Zusammengehdrigkeit dieser beiden Wörter haben zuerst Legerlots
MtMhr. t vgL Sprachf. Vfil, 126 ff. und Christ Grundz. d. ^. Lautlehre
8. 857 erkannt, wo auch das Nähere über Ableitung und Bildung ange-
geben ist Sie stammen nämlich von der Sanskritwurzel evr (guniert svar,
v^ mwra Ton, Stimme), welche Tönen, Beden bezeichnet, und bedeuten
demnach .die Tönenden". Mit Zeilrivos hat Preller passend das lat silanus
(der Fl&tBchemde, der Springbrunnen) zusammengestellt; femer gehören zu
dem gle]dien*Stamme Zilriviat Vorgebirge auf Sakmis Aesch. Pers. 303,
Sdft Stadt in Thessalien Liv. 36, 18 und vielleicht auch sHaus Wassereppich
PHn. N. H. 26, a
Dagegen ist es nicht begründet, wenn Legerlotz die Sirenen als „die
Singenden*' aufiasst und weiterhin bemerkt, dass die Musik auch ein stark
hervortretendes Moment in der Sage von den Silenen sei, die oft als Er-
finder der Svrinffen- und Flötenmusä bezeichnet werden. Vielmehr wird die
Bedentnnff aes Namens und das Wesen dieser mythologischen Figuren durch
folgende knne Erörterung klar werden.
An den Klippen, &e sich stark zerklüftet in das Meer hinabsenken,
enengt dasselbe, zumal wenn es vom Winde erregt wird, helle Klänge, die
mit dem Bauschen des Windes zu eigenthümlichen Melodien verschmelzen.
Ifan darf sich hiebei nur an die UhLwd'schen Verse erinnern :
Der Wind und des Meeres Wellen,
Gaben sie frischen Klang?
Das sind die hellen Stimmen, die den Schiffer an das Ufer locken,
•0 dass er nicht achtend der Klippen zu landen versucht und dieses Wagnis
mit seinem Leben bezahlt. Das ist die Grundlage des Mythos von den
Sirenen. Sie sind die Bilder der rauschenden Wellen und Winde, wie sie
sich an den Klippen des Meeres brechen. Unter solchen Verhältnissen kann
280 MiscoUen.
es nicht befremden, wenn die Sirenen zuweilen ganz ähnlicli den Harpyien
gebildet werden (vgl. Müller , Archawl. 3. Aufl. 8. 632), wenn sie als ein«
Art Todesgöttinen gelten , Töchter der Erde heiXIsen (x&ovog x6(hu Eur.
Hei. 168) und mit Persephone in der Unterwelt weilen. Die Sage, wonach
«ie Töchter des Acheloos gewesen, erklärt man gewöhnlich so, dass Acbeloos
hier in der allgemeinen Bedeutung von Wasser erscheine (vgl. Pauly Realene.
I, 8. 77, 2. Aufl.). Wir sehen hierin die Andeutung einer besonderen Eigen-
thümliohkeit dieses Flusses. An seiner Mündung finden sich nämlich viele
Klippeninseln, die sogenannten Echinaden, deren Name, von ix^vog herzu-
leiten , ihre Beschaffenheit hinlänglich andeutet Schon im Alterthume
waren durch die Anhäufung von Schlamm in der Mündung mehrere mit
dem Festlande vereinigt worden, und seitdem ist noch anderen das gleiche
Schicksal widerfehren (vgl. Dodwell's Reise 1, S. 141 ff".). Bei den vielen
Klippen nun, die das Meer bedeutend einengen, musste man die oben be-
zeichneten Erscheinungen häufig bemerken; kein Wunder daher, wenn man
die Sirenen in diese Gegenden vorsetzte und diesen Ort als ihre Geburts-
stätte betrachtete.
Die Silenen hingegen sind die Bilder des tönenden Wassere, wie es
in den Quellen und Bächen dahingleitet. Es verhalten sich also ursprüng-
lich die Sirenen und SUene ähnlich zu einander, wie die Nereiden zu den
Nymphen. In der weiteren Entwickelung aber haben sich diese Anschauun-
gen merklich verschieden ausgebildet.
2. Zu Platon's Symposion 189, e.
Bekanntlich erzählt Aristophanes jn dem Mythos, welcher den Ein-
gang seiner Bede bildet, dass es dereinst drei Greschlechter der Menschen
gegeben habe , nämlich neben dem männlichen und weiblichen noch ein
drittes, das mannweibliche, das aus beiden zusammengesetzt war. Dieses
Geschlecht besaüs eine unbändige Kraft und Stärke und war stolzen Sinnes,
so dass es sich sogar an die Gtötter wagte. Die Quelle dieser Sage ist
offenbar das phrygische Märchen, welches man am vollständigsten bei Ar-
nobius adv. nationes Y, 5 (ed. Oehler) erzählt findet. Zeus will die aus
dem Felsen Agdos entsprungene Erdgöttin auf dieser Anhöhe selbst um-
armen, aber bei ihrem Widerstreben vergieM er den Samen auf den Felsen-»
grund. Daraus dringt nun im zehnten Monde unter lautem GebrüUe der
unterirdischen Klüfte ein Wesen, namens Agdestis, an*s Licht. ,,Huic robur
inuictum et ferocitas animi fuerat intractabilis, insana et furiaus Ubido et
ex utroque sexu; ui raUda diuastare, disp^ere immanitas quo animi
duxerat; non deos curare, nonhomines, nee praeter se quicquam poten-
tius credere; terras, coelum et sidera contemnere". Aehnlicn bmchtetPau-
sanias VII, 17, 10, dass Zeus im Schlafe seinen Samen auf die Erde &lle&
lieüis, f,Ttjv^ ^k ttvä XQovov avetvai ^a(uova ^inlä txovra atdola, tiI
fikv dvSQOs, Ta Sk avTWf ywiuxog * ovofxa 6k ^AydiOxw avxf Ti&€VTtu.
d-iol 6k ^Idydiattv SriOavTig ra atSold ol tä avogog dnonoTtxovatv. Be-'
zeichnend ist auch die Benennung ^jlxif för dieses Wesen bei Diodor V, 49,
worunter Preller griech. Myth. 1, 509 (2. Aufl.) eine Uebersetzung des phry-
gischen Namens Agdistis vermuthei
Gratz. Karl Schenkt
Erklärung.
Ein buchhändlerisches Circular der Yerlagshandlung C. Gerold's Sohn
in Wien nennt mich als den Uebersetzer der vom Kaiser Napoleon ver&ssten
Geschichte Julius Csesar's. Diese Angabe ist ohne mein Wissen und
Wollen, und gegen die Wahrheit gemacht, wenn auch ohne Herrn Gerold's
Schuld. Ich habe nur die Bevision der von anderer Hand gefertigten Ueber-
setzung übernommen.
Bonn, Januar 1866. Friedrich Ritsehl.
Fünfte Abtheilung.
Verordnungen für die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
(Vgl. Jahrg. 1864, Hft IX., 8. 699 ff.)
Erlässe.
Erlass des k. k. Staatsministerinms, Abtheilang für Cultns
und Unterricht, vom 24. J&nner 1865, Z. 300, betreffe der Yomk.k.
5. Mnsemn für Eanst and Industrie zu beziehenden Zeichnnngsvorlagen.
Das Österreichische Museum f&r Kunst und Industrie ist zufolge der
ihm Allerhöchst Yorgezeichneten Statuten verpflichtet, bei Erzeugung von
Gegenst&nden ili den diesem Museum ang[ef>en Hilfsanstalten, nämlich
der photographischen Anstalt und Gypsgiefiserei, auch auf das Bedürfiiis
nach geeigneten Vorlagen in dem Bereiche der Kunst-, Beal- und Gewerbe-
schulen Bficksicht zu nehmen.
Diesen Gesichtspunct hat auch die DirecÜon bei der Auswahl der
durch die Photographie bis nun Terrielfältigten Objecto im Auge behalten
und insbesondere ihr Augenmerk auf die Beproduction von Handzeichnun-
gen berühmter Künstler, wie such der als ^ichenrorlagen mnstergiltigen
Sdimazer'sdien Kreidezeichnungen gerichtet.
Die k. k. Statthalterei (Landesbehörde) erhält sonach den Auffcrag,
die in ihrem Bereiche befindlichen Mittel- und Gewerbeschulen unter Zu*
sendon^ je eines der in der Anlage mitfolgenden Verzeichnisse auf diese
Torzügliehen, auch durch Billigkeit der Preise ausgezeichneten Vorli^en
aufmerksam zu machen und ihnen bei diesem Anlasse zu eröffiien, dass
die Diiection des Museums in jedem einzelnen Falle bereit ist, dem yon
derlei Anstalten an sie gerichteten Wunsche wegen Zusendung eines voll-
ständigen Exemplars der bis nun angefertigten Photographien zum Zwecke
der näneren Einsicht und Auswahl zu entsprechen.
Auch hat die Direction dieses Museums, welches im Besitze einer
Beihe der kostbarsten und seltensten Lehrmittel, welche sich auf den Kunst-
unterricht in Mittel- und Gewerbeschulen beriehen, sieh befindet, ihre Be-
reitwilligkeit ausgesprochen, diese Lehrmittel sowol den Schulen, als auch
den Lehrern unter den nöthigen Vorsichten zur Disposition zu stellen, zu
welchem Zwecke sieh diesell^n unmittelbar an die Museumsdirection zu
wenden haben.
Das Staatsministerium muss schliefslich den Wunsch aussprechen,
dass es der geeigneten Einflussnahme der k. k. Statthalterei (Landesbebörde)
gelin^n werde, dass die hiemit den bezeichneten Schulen gebotene Ge-
legenneit, in den Besitz gediegener und sehr billiger Bildungsmittel zu
gelangen, in entsprechender Weise benützt werde.
2£8 Personal- und fcJchnlnotizen.
Personal- und Schulnotizen.
(Ernennungen, Versetzungen, Beförderungen, Auszeich-
nungen u. s. w.) — Der a. o. Professor an der Wiener Universität, kaia.
Bath Alexander Bitter von Pawlowsky, zum Ministorialsecretar; der
disponible Statthaltereisecretar, Dr. Hermann Buriän, zum Ministerial-
concipisten, mit dem Titel und Bang eines k. k. Ministorialsecretars; der
Stattnaltereiconcipist, Johann Ambroi^. zum Ministerialconcipisten im k. )l
Staatsministerium, und die Officiale desselben Ministeriums, Abtheilung
für Gultus und Unterricht, Karl Szlavik und Bernhard Heinz, zu Direc-
tionsadjuncten der Hilfsämter dieser Abtheilung.
Der 6|Tmnasiallehrer zu Spalato, Dr. Jakob Pongrazi, zum Lehrer
am OG. zu Znaim; der Tamower Gymnasialdirector , Schulrath Andreas
Oskar d, zum wirklichen Schulrath und Inspector für Mittelschnlen im
Krakauer Yerw. Gebiete; der Supplent am kön. G. zu Szathmär, An-
ton Gyurits, zum wirklichen Gymnasiallehrer dortselbst, und die Welt-
priester und geprüften Gymnasialsupplenten am OG. zu Yicenza, Angeb
Bonvicini, Bemardo Morsolin und Lorenzo Salin, zu wirklichen Gym-
nasiallehjrem für die lombardisch-venetianischen Staatsgymnaaien.
Der proY. Lehrer an der ÜB. zu St Leopold in Wien, Johann
Seyreck, zum wirklichen Lehrer daselbst; der Assistent am kön. ungar.
Josephs-Polytechnicum zu Ofen, Joseph Pörszäsz, zum wirkl. Lehrer an
der städt. ÜB. zu Sze^edin; der Privatschullehrer Franz Bi&hter, zum
Lehrer an der selbstäno. ÜB. zu GroTs-Kikinda, und der prov. Lehrer
an der ÜB. zu Udine, Pietro Scarpa, zum wirkl. Lehrer alldort
Der Gymnasiallehrer zu Zengg, Anton Schwarz, zum Lehrer für
classische Philologie am Landes-BG. zu St Polten.
Der Privatdocent Dr. Ludwig Schlager zum a. o. Professor der
Psychiatrie an der k. k. Universität in Wien; der bisher, a. o. Professor
der Chemie an der Lemberger Universität, Dr. Leopold von Pebal, und der
ehemaL a. o. Professor der Geschichte an der Bechtsakademie in Kaschau,
Dr. Franz Krön es, zu ordentL Professoren dieser Lehrfächer, so wie der
Adjunct der fürstcrzbischöfl. Seckauer Ordinariatskanzlei, Dr. theoL Frani
Klinger, zum Professor der Pastoraltheologie an der theoL Facultät der
k. k. Universität zu Graz; der Weltpriester und Dooent der Pastoral-
theologie, Anton Beinwarth, zum ordentl. Professor desselben Faches
an der Präger Universität; der Studienpräfect im giiechisch-kathol. Ge-
neralseminanum zu Lemberg, Dr. Joseph Delkiewicz, zum Professor
der Kirchengeschichte an der theol. Facultät der dortigen Universität, und
der a. o. Professor der polnischen Sprache und Literati^ an der Lember-
ger Universität, Dr. Anton Mafecki, zum ordentL Professor dieses Fa-
ches ebendort; der Adjunct und Bibliothekar der PrefSsburger kön. Bechts-
akademie, Dr. Emerich Hajnik, zum a. o. Professor der Geschichte und
Statistik an der kön. Bechtsakademie zu Grofswardein, und der bis-
herige a. 0. Professor der Chemie an der Universität zu Padua, Dr. Frans
Filipuzzi, zum ordentl. Professor desselben Faches ebendort; femer der
Bevident bei der Direction für administrative StastistiMn Wien, Gustav
Schimmer, zum Hofconcipisten bei derselben; der Director der Akademie
der Gesellschaft patriotischer Kunstfreude in Prag, Eduard Engerth, zum
Professor der allgemeinen Malerschule an der k. k. Aademie der bildenden
Künste in Wien, und der ordentl. Bath der Akademie der schönen Kunst«
zu Venedig, Dr. Johann Baptist Cecchini, zum Secrctär derselben.
Personal- und Schalnotizen. 82U
Se. Hochw. dem Generalgrorsmeistcr des ritterlichen Kreuzherren-
ordens mit dem rothen Sterne, Dr. Jakob Beer, Vorstände der Gymnasial-
Lehramts-Candidaten-Prüfunescommission in Böhmen, ist, in Anerkennung
seines vieljähri^en ausgezeichneten Wirkens für Staat und Kirche, der Or-
den der Krone 2. Cl. taxfrei; dem ordentl. Professor an der Universität zu
Innsbruck, Dr. Heinrich Hlasiwetz, in Anerkennung seiner ausge-
zeichneten lehramll. Thätigkeit und seiner Verdienste um die Wissenschaf-
ten; dem Professor der Ornamentik an der Akademie der schönen Künste
in Venedig, Ludovioo Cadorin, und dem k. k. Hof Schauspieler, Karl
Fi cht n er, in Anerkennune seiner ausgezeichneten k&nstlerischen Leistun-
gen, gelegentlich seines Scheidens vom k. k. Hofburgtheater in Wien,
das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens; femer dem jubiL Professor an der
Pesther Universität, Franz Vizkelety, in Anerkennung seines vieljähri-
een erspriefslichen Wirkens im Lehrfache tailrei der Titel eines Hofrathes ;
aem oraentl. Professor an der Wiener Universität, Dr. Franz Xaver Hai-
merl, in Anerkennung seiner vieljährigen Thätigkeit im Lehramte, der
Titel und Charakter, und dem Vorstände der AUerhöchsten Privat- und
kaiserlichen Fideicommissbibliothek, Leopold Khloyber, taxfrei der Titel
eines Begienmgsrathes; dem ö. o. Professor der Geschichte an der kön. ungar.
Universität zu Pesth, Dr. Johann Reisinger, aus Anlass seiner Ver-
setzung in den bleibenden Buhestand, in Anerkennung seiner vieljährigen
treuen und ausgezeichneten Dienste, taxfrei der Titel eines kön. Rathes,
und dem Director der geolog. Reichsanstalt, Hofrathe Wilhelm Haidinger,
als Ritter des Leopold-Ordens, den Ordensstatuten gemäfs, der Ritterstand
des Csterr Kaiserstaates Allergnädij^t verliehen; endlich dem Regierungs-
rath und Director der k. k. administr. Statistik, Dr. Adolf Ficker, den
kais. russischen St. Stanislaus-Orden 3. Gl. ; dem Docenten, Primarärzte Dr.
Leopold Dittel, das Ritterkreuz 1. 01. des kön. bayer. St Michael- Verdienst-
ordens; dem pens. Ministerialsecretär, Dr. Johann Bolza, das OfQciers-
kreuz des kais. mexican. Quadalupe - Ordens ; dem Professor an der k. k.
Akademie der bildenden Künste in Wien, Peter Johann Geiger, das
Bitterkreaz dieses Ordens; dem Schriftsteller Dr. L. Aug. F ran kl in Wien,
den kön. preufs. Kronen-Orden 4. Gl., und dem Schulrathe in Krakau,
Dr. Andreas Macher, das Ritterkreuz des päpstl. Gregor-Ordens anneh-
men und tragen zu dürfen Allergnädigst gestattet worden.
Se. Hochw. der Spiritualdirector des theoL Centralseminariums zu
Zara, Ehrencano&icus Spiridion Radisiö, ist zum Domherrn, und Se.
Hochw. der Professor der Theologie und Rector Georg Markiö, zum Ehren-
domherm des dortigen Metropoutancapitels ; der k. 1. Hofbuchhändler Wil-
helm Braumüller in Wien, in Würdigung seines ausgewählten undgrofs-
artiji^ wissenschaftlichen Verlages, so wie in Anerkennung seiner viel-
seitigen Verdienste und patriotischen Leistungen, von Seite des Universi-
tätsconsistorinms in Wien, zum k. k. Universitätsbuchhändler; der magya-
rische Dichter, Johann Arany, Professor am helv. G. zu Nagy-Körös, zum
Secretftr der kön. ung. Akademie; der Porträt- und Historienmaler, Frie-
drich Amerling in Wien, sowie der Zeichnenlehrer Johann Dwofaöek,
an der Lidnstrieschule zu Steinschönau, und der Zeichnenlehrer Joseph
Geyling an der OR. in Linz, sind zu Correspondenten des k. L ö. Museums
ftr Kunst und Lidustrie; der k. k. GubemiaLrath und emer. Professor der
Chemie an der Prag er polytechn. Lehranstalt, Dr. Karl August Neu-
mann, zum a. 0. Mit^liede der kÖn. böhm. Gesellschaft der Wissenschaf-
ten; der Obergespan Johann Kukuljeviö von Sokcinski in Agram, zum
wirkL Mitglicäe des Archieologen- Vereines in Moskau; Professor Oppolzer,
flo wie die Professoren Scanzoni und Schuh zu Ehrenmitgliedern des
Vereines der Aerzte in Krain, und Freiherr von WüUerstorff zum Ehren-
mitgliede der naturforschenden Gesellschaft zu Emden (bei Gelegenheit der
am 29. December v. J. abgehaltenen 50jährigen Jubelfeier) ernannt worden.
290 Personal- und Schnlnotizen.
Die Wahl des ordentl. Professors Karl Kor istka zum Rector des
polytechn. Institutes zu Prag für das Studienjahr 1864/65 ist vom k. k.
Staatsministerium bestätigt.
Dem Franz Grafen v. Meran, Baurath Essenwein, Major Ritter
von Frank und anderen ist die Bewillieung zur Gründung eines st eier-
märkischen Vereines zur Beförderung der Eunstindnstrie,
unter Genehmigung der vorgelegten Statuten desselben, Allergnädigst er-
theilt worden; der Hr. Graf von Meran hat das Präsidium des steieri-
schen Eunstvereines übernommen.
Graf Alfred Chris tallnig hat seinen regen Sinn für F^Vrdenmg
künstlerischer und wissenschaftL Bestrebungen und gemeinnütziger Zwecke
durch ein namhaftes Geschenk sehr werthvoller Bibliothekswerke für das G.
zu Hall (Tirol) neuerdiuM bethätigt, und der verstorbene Gutsbesitzer
fenaz Erzeczunowicz für 2 Stipendien in der agronomischen Schale la
Dublany den Betrag von 8000 n. legiert.
(Erledigungen, Concurse u. s. w^ Graz, technische Hochsehnle
am landschafbl. Joanneum, Lehrstelle für figuren- und Landschaftszeicb-
nen, Jahresgehalt 800 fl. ö. W. Termin: Letzter März 1. J., s. AmtsbL i.
Wr. Ztff. V. 22. Jänner 1. J., Nr. 18; femer am k. k. G., Lehrstelle für
die altclassischen Sprachen, Jahresgehtdt 735 fl., eventuel 840 fl. ö. W.,
nebst Anspruch auf Decennalzulagen, Termin: Ende März L J., s. AmtsbL
z. Wr. Ztg. vom 16. Februar 1. J., Nr. 38 und v. 1. März L J., Nr. 49. —
Lemberg, k. k. OR., Lehrstelle für die deutsche Sprache in den oberen
Classen äs Hauptfech, Gehalt 630 fl., eventuel 840 fl., 1050 fl. und
1260 fl. ö. W. termin: Ende März 1. J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. vom 10.
Februar 1. J., Nr. 33. — Tarnopol, k. k. vollst. ÜG., Lehrstelle für
Freihandzeichnen und Schönschreiben, Gehalt 630 fl., eventuel 840 fl. und
1050 fl. ö. W. Termin: Ende April 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 10. Fe-
bruar 1. J., Nr. 33. — Salzburg, G. und OR., Lehrstelle für den Unter-
richt in der italienischen Sprache , mit der iährL Remuneration von 600 fl.
ö. W., für nöthigenfalls 20 wochentL Stunden. Termin: Ende Juni L J.,
s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. vom 15. Februar L J., Nr. 37. — Innsbruck,
k. k. OR., Lehrstelle für Naturgeschichte als Hauptfach und für deutsche
Sprache oder Geographie mit Geschichte als Nebenfach, Jahresgehalt 630 fl.,
eventuel 840 fl. ö. W. und Anspruch auf Docenn^zuhigen. Termin: 20. März
1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 28. Februar 1. J., Nr. 48. — Wr. Neustadt,
St Polten, Erems, n. ö. Landes-OR., in ersterer Stadt Lehrstelle für
deutsche Sprache als Hauptfach und Geographie, dann für Physik und
Mathematik, in beiden letzteren gleichmäßig für Naturgeschichte als Haupt-
fach, daim für Mathematik und darstellende Geometrie, Jahresgehalt 800 fl.,
eventuel 1000 fl. und Anspruch auf e. zweimalige Decennalzuiage von Je
200 fl. 5. W., so wie auf Pension eines Landesbeamten. Termin : 31. Mäiri
1. J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. vom 25. Februar L J., Nr. 46.
(Todesfälle.) Am 30. November 1864 zu Hamburg Frau Wilhel-
mine Sostmann, geb. Blumenhagen, eine auf dem Felde der Novellistik
vortheilhaft bekannte Schriftstellerin, im Alter von 79 Jahren, und in
Sierra Leone auf seiner Rückreise nach Englüid, nach sechsjähriger Durch-
kreuzung des Inneren von Africa, der bekannte Reisende Dr. Baikie (geb.
zu Arbrooth in Schottland), im Alter von kaum 40 Jahren.
— Am 1. December 1864 der ungarische Schriftsteller Emil Beniczky
nnd zu Cöslin Professor Auinist Leopold Bucher, durch 50 Jahre als Lehrer
der (beschichte zuerst am Psedagogium zu Jenkau bei Danzig, dann am Gym-
nasium zu Cöslin thäti^, im S. Lebensjahre.
— Am 4. December 1864 John Fowler, der Erfinder des Dampf-
pfluges, und zu Warschau Professor Dr. Janikowski (geb. zu Pilzno in
Personal- und Schulnotizen. {^l
Qaliiieii 1799), Sanitatsrath , als Gründer der dortigen pharmaceutiscben
Schule hochyerdient.
— Am 5. December 1864 auf Schlofs Howard (Yorksbire) Earl George
William Frederic Howard, J. Earl von Carlisle, Viscount Howard of
Morget (geb. zu London am [15. nicbt am] 18. April 1802), Vicekönig von
Irland, enensoeebr durcb seine Bildung als durcb seine Gewissenhaftigkeit,
Unermüdlicbkeit, Unparteilichkeit und Popularität bekannt, zugleich zu den
höheren literarischen Zierden Englands („Scraps on Italy'' u. m. a.) gehörig.
(VgL A. a. Ztg. vom 9. December 1864, Nr. 844, S. 5689, und vom 10. Do-
cember 1864 Nr. 345, 8. 5605.)
— Am 6. December 1864 zu Dresden der Geschichtsmaler Johannes
Zumpe, ein Schüler Schnorr*s, einer der befähigtesten unter den jüngeren
KüntÜem Dresdens
— Am 8. December 1864 zu Linz Sr. Hochw. Domcapitular Augustin
Rechberger, wirkL Gonsistorialrath , Begens des bischöfl. Priestersemi-
nariums alldort n. s. w., im 65. Lebensjahre; zu Bembuxg M. Dr. Karl
Behr , herzogL Anhalt'scher Reg. Medicinalrath, als Arzt und Schriftsteller
mchatzt, und zu Leipzig Prof. Wieck, von 1822—1855 Director des
Domgymnasiums zu Merseburg, geschätzter Psedagog.
— Am 9. December 1864 zu Paris der Cabinetschef und Privatsecretär
des Kaisers Napoleon UL, Constant Mocquard (geb. am 11. Nov. 1791
zu Bordeaux), auch durch literarische, namentlich dramatische Arbeiten (vgl.
A. a. Ztg. Nr. 348) bekannt (vgl Ebond. Nr. 352).
— Am 10. December 1864 zu Eger der Gesanglehrer am dortigen
k. k. Ofjmn., Wenzel Göttl, Be^enschori an der Deciuiatskirche, ein tüch-
tiger Dirigent und Musiklehrer, im 61. Lebensjahre.
— Am 11. December 1864 im Bade Wartenbeiv in Böhmen der
k. k. Hof- und Kammersänger Alois Ander (geb. am 10, Au^st 1821 zu
lieÜtii in Böhmen), als ausgezeichneter Repräsentant musikalischer Kunst-
woke weithin bekannt.
— Am 12. December 1864 zu Wien Sr. Hochw. P. Matthias Maver,
Piaziaten-Ordenspriester, emer. Hauptschuldirector und Professor, im Alter
von 61 Jahren.
— Am 15. December 1864 verschwand aus Wien der talentvolle
Journalist Hermann Hildebrandt (geb. am 12. Juli 1823 zu Magdeburg),
in den Jahren 1846 — 1848 Lehrer an einer höheren Mädchenschule in seiner
Yaterstadt, seit 1856 in Wien als Schriftsteller thätig.
— Am 16. December 1864 in Wien der akad. Maler Karl Wilhelm
Gostav ▼. Tornsu (geb. zu Magdeburg am 12. Februar 1820), als Land-
schafts- und ThiermiJer, so wie durch treffliche Radierungen, bekannt,
und zo Dresden Karl Christian Spar mann (geb. 1805), ehemaliger Lehrer
des Kaisers Napoleon UL (seit 1824), als Landschaftsmaler geschätzt.
— Am 18. December 1864 zu Brüssel Pierre Albert Roberti, belg.
Maler und Professor an der kön. Akademie der Künste alldort
— Am 19. December 1864 zu Karlsruhe der Geh. Hofrath a. D.
Karl Friedrich Yierordt, gew. Director des dortigen Lyceums, und zu
Brüssel Frln. Anna Justine Guillery, franz. Schnftstellerin , Dichterin
und Dame von dassischer Gelehrsamkeit.
— Am 20. December 1864 zu Prag der blinde Joseph Proksch
(geh. m Reichenbeig), Inhaber und Director der berühmten Musikanstalt
in Prag, auch als Fachschriftsteller durch sein Schulbuch: »Versuch einer
rttionellen Unterrichtsmethode im Pianofortespiele mit Anwendung des
Handldters** und vielfache Gompositionen bekannt, im 71. Lebensjahre.
— Am 21. December 1864 in Wien um 10% Uhr nachts während
des Schlafes Sr. kais. Hoheit der durchlauchtigste Erzherzog Ludwig
Joseph (geh. zu Florenz am 13. December 1784), Mitbegründer und Ehren-
mitglied aer kais. Akademie der Wissenschaften, u. s. w. , der grofsen Maria
Theresia letzter Enkel.
S82 Personal- und Schulnotizen.
^ Ära 22. December 1864 zu Pesth Se. Hochwürden P. Johann Hai-
Yänyi, Piaristen-Ordenspriester, Director des dortigen Blinden-Institutea,
— Am 23. Decemoer 1864 zu Greifswalde Dr. tn. u. ph. Hasert,
a. 0. Professor an der philos. Facultät alldort und Pastor zu St. Nikolai
— Am 26. December 1864 in Wien Louis La Combe, Sprachlebier
am k. k. Theresianum, durch grammatische Schriften aber die nranzduBche
Sprache bekannt, im Alter von 74 Jahren.
— Am 28. December 1864 zu Breslau der Buchhändler Philipp Ader-
holz, Curator des Maria-Magdalena-Gjmnasiums u. s. w. alldort
— Am 30. December 1864 zu Gera der Oberforstmeister Ludwig foh
Vof s, als forstwissenschaftlicher Schriftsteller in weiteren Kreisen be&nnt
— Am 31. December 1864 zu Berlin Prof. August v. Elöber, Mit^
glied des Senats der Akademie der bildenden Künste, als talendvoller Bild-
hauer bekannt, im 74. Lebensjahre.
— Anfangs December 1864 zu Berlin Graf Franz Gotthardt Schaf-
^otsch (geb. am 11. Mai 1816), wegen seiner wissenschaftl. Yerdienste von
der dortigen Universität durch die Doctorwürde ausgezeichnet.
— In der 1. Hälfte des December 1864 zu Genf Prof. Picot-Mallet,
Yerfasser einer Geschichte von Genf, im Alter Ton 88 Jahren.
— Mitte December 1864 in Poligny Constant de Rebecque, Prä-
sident des Vereines für Ackerbau, Wissenschaft und Kunst alldort.
— In der zweiten Hälfte des Decembers 1864 Dr. Adolf Bernays,
vorm. Professor der deutschen Literatur am Kings-College in London.
— In der letzten December-Woche 1864 zu Paris Bouillet, Ehren-
rath der paris. Universität, Generalinspector des öffentlichen Unterrich-
tes u. s. w.
— G^en Ende December 1864 zu Kalocsa der Director des dortigen
Jesuitenconvictes Liptaj, Professor am kathol. OG. daselbst
— Ende December 1864 zu München der quiesc. kön. Geheimiath
V. Mehr lein, bis 1853 nahezu 30 Jahre lang Referent im Cultusministerinm
für Unterrichtsgegenstände, 81 Jahre alt, und zu Hamburg der frühere
Advocat in Meisdorf Stange, als Bedacteur verschiedener Zeitschriften
(„Melsdorfer Wochenblatt", „Der Gemeinnützige**, „Altonaer Nachrichten",
„Schleswig-Holsteinische Zeitung"), so wie als Schriftsteller bekannt, im
kräftigsten Mannesalter.
— Am 1. Jänner 1. J. zn Rom Fortunato Pio Castellani, der eigent-
liche Wiederhersteller der modernen römischen Goldschmiedekunst alldort
— Am 2. Jänner L J. zu Marburg der Director und Inhaber der
dortigen Handels- und Bürgerschule, Anton Aufrecht, im 35. Lebensjahre;
zu Wien der Landschaftsmaler Ludwig Breitenbach, 73 Jahre alt, und
zu Dresden der als polnischer Dichter bekannte Graf Gustav Olisar (in
Volhynien geboren und erzogen) in hohem Alter.
— Am 3. Jänner 1. J. zu Innsbruck Sr. Hochw. Martin Hub er (geb.
zu Satteins in Vorarlberg am 17. November 1818), Weltpripster und Lehrer
an der k. k. OR. zu Innsbruck, auch tAa Schriftsteller geschätzt. (Vgl.
Oest Wochenschrift 1865, V. Bd., Nr. 4, S. 120, 121); zu Lüttich Peter
Kersten, der Senior der belgischen Presse, fast bis zum letzten Moment
seines Lebens an der Redaction des von ihm im Jahre 1834 gegründeten
„Journal historique et litt^raire" thätig, und zu Rom der convertierte ge-
lehrte Rabbi Paul Louis Drach aus Strafsburg, durch lange Zeit Bibbo-
thekar der Propaganda.
— Am 4. Jänner 1. J. zu Moskau der geh. Rath Dr. Alexander
Auvert, in der medicin. Welt durch sein Prachtwerk „Selecta praxis me-
dico-chirurgicae", die Frucht 17jähriger Arbeiten und Beobachtungen be-
kannt, im 61. Jahre seines Lebens.
— Am 6. Jänner L J. zu Berlin Sigismund Fränkel, Lehrer, durch
seine englischen und französischen Sprachlehren bekannt, und zu Tilsit der
Director der dortigen Realschulen Dr. Tagmann.
Personal- und Schulnotizen. £88
— Am 7. Jänner 1. J. zu Nürnberg Dr. Johann Wilhelm Sturm
(geb. ebcndort), Naturforscher, namentlich ar^ dem Gebiete der Inschrei-
benden Botanik und Abbildung deutscher Pflanzen um die Wissenschaft
Terdient, im 56. Lebensjahre.
— Am 8. Jänner 1, J. zu Prankfurt a^M. der Prof. Dr. Heinrich
CasBian (geb. zu Hanau 1823), Lehrer an der höheren Bür^rschule all-
dort, als Psdag^und Schriftsteller namentlich auf dem Gebiete der Erd-
kunde und der Weltgeschichte, geschätzt
— Am 9. Jänner L J. zu Pesaro der italienische Schriftsteller Fi-
lippo üffolino, YerfBflser geschätzter geschichtlicher und sprachwissen-
schaftlicher Werke.
— Am 10. Jänner L J. zu Kassel der unter dem Schriftstellcmamen
„Karl Mario" bekannte Professor Winkelblech.
— Am 11 Jänner L J. in Wien Sr. Excellenz der ehemalige Staats-
und Conferenzminister Beichsgraf Franz de Paula Hartig (geb. am 5. Juni
1789), als ^innungstüchtiger Staatsmann ausgezeichnet, auch als Schrift-
steller (.Die Genesis der Bevolution in Oesterreich") bekannt. (Vgl Beil.
z. A. a. Z. vom 28. Jänner L J. Nr. 28 u. s. f.)
~ In der Nacht Tom 11. zum 12. Jänner 1. J. zu Bonn der ordent-
liche Professor der romanischen Sprachen und ihrer Literatur Karl Bonnard
(seb. zu Bern 1790), durch seine Üebersetzung und Fortsetzung der Johannes
Mftller*schen Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft in weiten
Kreisen bekannt (Vgl. Beil. zur A. a. Ztg. v. 24. Jänner L J. Nr. 24.)
— Am 12. Jänner L J. zu Würzburg der Domcapitular Dr. Andreas
Maller (geb. am 27. Jänner 1793), Senior des Domcapitels und bischöfl.
Official, durch sein .Lezi^on des Kirchenrechtes** und andere kirchenrecht-
liche Schriften bekannt, und zu Karlsruhe Dr. theoL Karl Uli mann (geb.
am 15. März 1796 zu Epfenbach in der Pfalz), Prälat und Director des
e?. Obeikirchenrathes, als thäUger Fachschriftsteller geachtet (Vgl. BeiL
z. A. a. Ztg. T. 31. Jänner L J. Nr. 31 u. ff.)
— Am 13. Jänner 1. J. zu Lemberg der in der polnischen Literatur
wohlbekannte Bomanschrifksteller Joseph Dzierzkowski im Alter von
58 Jahren.
~ Am 14 Jänner 1. J. zu Mtbichen der Med. Dr. Johann Bapt von
Weifsbrodt, geh. Bath, Obermedicinalrath, quiesc. ordentL Professor an
der Ludwigs-Maximil ians-üniversität in München, ein ausgezeichneter Arzt
und Fachschrifbsteller, im Alter von 86 Jahren; zu Wiesbaden der Ober-
medicinalrath Dr. Joh. Bapt von Franqu^, tcchn. Mitglied der Landes-
regierung für das Medidnalwesen, als Vertreter der Wissenschaft, wie als
fiounter hochgeachtet; in Cimbritshamn (Schweden) der Zollinspector And.
Joh. Afzelius, dessen lyrische Dichtungen (unter dem Namen „Afze**)
giote Yerbreituns^ gefunden haben, und zu Melmedy Frl. Maria Anna
Libert, wegen ihrer ungewöhnlichen naturwissenschaftlichen, archsBolo-
gisehen und historischen Kenntnisse bekannt, im Alter von 83 Jahren.
— Am 15. Jänner L J. der Präfect der Arvaer und Lithavaer Herr-
schaft Joaeph Cziruly, als Archivar des grofsen Thurocz'schen Archivs
durch seine genaue Urkundeukenntnis, sowie auch als Förderer der ungari-
sehen Elementarschule zu Alsö-Yaralja^ bekannt, im 61. Lebensjahre.
— Am 16. (18.) Jänner L J. zu Stockholm der bekannte Roman-
schriftsteller Magnus Jacob Crusenstolpe im Alter von nahezu 70 Jahren.
— Am 18. Jänner L J. in Wien der Schriftsteller Joh. C. Metzger,
im 66. Lebensjahre.
— Am 19. Jänner L J. zu Paris Pierre Joseph Proudhon (geb.
1809 zu Besan^on), der bekannte sociaiistische Agitator und Schriftsteller.
(VgL BeiL z. A. a. Ztg. v. 7. Februar 1. J. Nr. 38 ff.)
— Am 20. Jänner L J. in der Krankenanstalt zu Neuendettelsau
(Baiem) Joh. Karl Christian Helfe rieh, pens. kön. Director der land-
wirthscbaftlichen Centralschule zu Weihenstephan bei Freysing, im 48.
Lebenssjahre.
Zcitwhrift f. d. «tUr Oymn. IHßi. IL a.lll. n«rt. 16
284 Personal- und Schulnotizen.
— Am 21. Jänner 1. J. zu Villa-Novello bei Genua der ausgezeich-
nete enfflische Kupferstecher William Humphrjs (geb. zu Dablin), 71
Jahre alt.
— Am 23. Jänner 1. J. zu Pesth der als Arzt in weiten Kreisen
bekannte Dr. Johann Nepomuk Totb, Docent an der k. ungarischen Uni-
versität alldort, im 32. Lebensjahre; zu Berlin der RegieruncB- und Bau-
rath Altgelt, gerühmt wegen seiner Verdienste um das TelegraDhea«
Wesen, in der Blüte seiner Jahre; zu Paris Jos. Desir^ Court (geD. su
Ronen 1797), Director des Museums seiner Vaterstadt, als Hi^rienmaler
(„Tod Cflssar^s", „Boissy d' Anglas** u. a., auch Porträte) bekannt; zuNttm-
berg der (^uiesc. Gymnasialprofessor Dr. Joachim Meyer, bekannt durch
seine Arbeiten zur kritischen Feststellung xmd Verbesserung des Textes der
Schiller'schen Werke, im Alter von 63 Jahren; zu Paris X. Saintine,
eigentlich Jos. Xavier Boniface (geb. zu Paris am 10. Juli 17d8), Officier
der Ehrenlegion, Ehrenpräsident der „Sociäte de gens de lettres**, als frudit-
barer Dramatiker und Romanschriftsteller („Voyage autour de ma chambre**,
„Picciola** u. v. a.) vortheilhaft bekannt, und zu Basel Jean Baptiste Adolphe
Charras (geb. am 7. Jänner 1810 zu Pfalzbur^ in Lothringen), als Soloat»
energischer 'Ge^er Louis Napoleons und Scnriftsteller („Histoire de la
Gampagne de l81ö, Waterloo" u. a.) bekannt
— Am 26. Jänner 1. J. zu Salzburg Sr. Hochw. P. Karl Thur-
wieser, geistl. Rath, Professor des Bibelstiidiums alten Bundes und der
Orient. Dialekte, Senior der theoL Facultät und Jubelpriester, Ritter des
Franz Joseph-Grdens u. s. w., als Gelehrter und Alpenfreund (Besteiger
des Grofsgfockner) bekimnt und allgemein geschätzt, im Alter von &t
80 Jahren; zu Prag der Oberpedell der dortigen Universität Thomas Zim-
mermann, eine weeen ihrer Freundlichkeit und Dienstfertigkeit in Uni-
versitätekreisen beliebte Persönlichkeit, im Alter von 73 Jahren; zu Paris
Baron v. Bazancourt, als Militärschriftsteller („L' Expedition de Crim^"
1857, Ja Gampagne d'Italie" 1860-1862, früher .rmstoire de Sicile sous
la domination des Normands*' u. a. m.), sowie durch zahl- und bänder-
reiche Romane bekannt, im Alter von 54 Jahren , und zu Moneglia (einem
kleinen Dorfe an der Riviera di Levante des Golfs von Genua), seinem
Heimatdorfe, der Dichter Feiice Romani, Verfasser der besten Opemtexte
(„Norma", «^Sonnambula** u. v. a.) für die neueren italienischen Componisten.
— Am 27. Jänner 1. J. zu Münschen Jean Cornelius Mali (geb. zu
Weilheim u. T. in Würtemberg), Landschaftsmaler, im 36. Lebensjahre, und
zu Leipziff der Senior der Junstenfacultät an der dortigen Universität Dr.
Friedr. Adolf Schilling, Professor des römischen Rechtes, auch des Natur-
und philosophischen Staats- und Völkerrechtes, im Alter von 72 Jahren.
— Am 28. Jänner 1. J. zu Budweis der Piaristenordenspriester und
Vicerector des dortigen CoUeglums, Sr. Hochw. P. Willibald Schörner,
im 71. Lebensjahre, und zu Sjel der ordentl. Professor der (^teschichte an
der dortigen Universität Dr. W. Junghans (geb. zu Lüneburg, am 3. Mai
1834), seit 1862 in Kiel angesteUt.
— Am 29. Jänner L J. zu Wien der Mitarbeiter der Consi österr.
Ztg., Doctorand der Medicin Wilhelm Bock, als Journalist geachtet, im
42. Lebensiahre, und zu Klagenfurt Sr. Hochw. der Domcapituiar und Con-
sistorialrath des Gurker Bistnums, Heinrich Hermann (geb. am 1. Nov.
1793 zu KlM^enfurt), Professor der Pastoraltheologie an der Dioecesan-Lehr-
anstalt zu St. Andii (Lavant) , als Geschichtsschreiber seines Vaterlandes
und namentlich seiner Vaterstadt, sowie überhaupt um die heimische Ge-
schichtsforschung, rühmlichst bekannt, als Priester, Lehrer, Schriftsteller
und Mensch al&emein geachtet. (Vgl Gest. Wochenschrift 1865. V. Bd.
Nr. 7. S. 215 ff.)
~ Am 31. Jänner l. J. zu Wien Eugen Eiserle, Schriftsteller und
Journalist, im Alter von 39 Jahren.
— Anfangs Jänner 1. J. zu Lemberg der polnische Dichter Johann
Gabriel Sciborski; Jos. Lies, einer der talentvollsten Maler der Ant-
werpener Schule , und zu Mautem (Steiermark) der Rector der Redemptori-
Personal- und Schnlnotizen. $85
sten-Congregation P, Anton Pöter, Professor des Eirchenrechtes , im 33.
Lebensjahre.
~ In der 1. Halffce Jänners l. J. in Zürich der Maler Rudolf Leh-
man n , ein nicht unbedeutendes Compositionstalent , im Alter yon 52
Jahren.
— Jm Jänner L J. in Schottland Leitch Kitchie (geb. zu Anfang
dieses Jahrhunderts in Greenock), vormals Herausgeber yon „Cbamber^s
Journal**, als Novellist (^Wearyfoot Common**) bekannt, und zu Paris Victor
Texier, der älteste aller französischen Kupferstecher, durch Ueberfahren,
im 87. Lebensjahre.
— Nachrichten aus Brasilien zu folge Dr. Antonio Oon9alyes Dias
(geb. 1823 zu (Nachlas in der Provinz Maranhäo), einer der bedeutendsten
Dichter und Schriftsteller Brasiliens.
— Ende Jänner L J. zu Laibach Elias Beb it seh, emer. k. k. Gym-
nasialpräfect , im 81. Lebensjahre; zu London J. B. Neilson, auf dem
Gebiete der Industrie, namentlich des Bergwesens, insbesonders aber als
Erfinder des heifsen Gebläses (bot blast), weithin bekannt; zu Brüssel D.
F. J. Meulenbergh, geschätzter bel^scher Maler; zu Luzem Probst
Leu, einer der bedeutendsten Lehrer an der dortigen theologischen Facultftt,
und in den Yereinsstaaten der Senator Everett (geb. 1794 im Staate
Massachussetts), seinerzeit Professor der griechischen Literatur an der Uni-
versität zu Boston, zugleich Redacteur der „North American Rewiew**, als
Lehrer, Redner und Congressmitglied bekannt.
— Am 2. (?) Februar 1. J. zu Prefsburg Alexander v. N^meth,
Professor der ungiar. Sprache am dortigen evang. Lyceum.
— Am 3. Februar L J. zu Erakau Sr. Hochw. der Probst der h.
Kreuzkirche u. s. w., Ehrendomherr des Kielcer Domcapitels, Dr. Theol.
Franz Ser. Piatkowski, pens. Katechet am OG. zu St. Anna dortselbst.
— Am 5. Februar 1. J. zu Prag der J. ü. C. Franz Bozd^ch, ein
eifriger Schüler des Botanikers Opitz, der ihm zu Ehren zwei neue Pflan-
zenarten nach seinem Namen benannt hat, im Alter von 27 Jahren.
— Am 8 Februar L J. zu Dresden der im Gebiete der Stenographie
bekannte Professor Heinrich Ratz seh, Verfasser eines geschätzten Lehr-
buches der Stenographie, xmd zu Haag der kön. niederländ. Hofcapellmeister
Johann Heinrich Lübeck, Director der Musikschule, ein durch Talent und
Thätigkeit ausgezeichneter Musiker, im 66. Lebcnsiahre.
— Am 11. Februar L J. zu München der begabte Historienmaler
Muhr, und zu Rom der geh. Rath, Professor Lenz, Mitglied der kais.
Akademie in Petersburg, vielleicht der bedeutendste Physiker Russlands.
— Am 12. Februar 1. J. zu Wien der pens. k. k. Professor Franz
Kolari, im Alter von 72 Jahren.
— Am 13. Februar L J. zu Pesth der Zeitun^edacteur Stephan
Tor kos, als üebersetzer (Schiller's „DreiTsigjähri^er Kneg**, Weber's „Welt-
feschichte** u. m. a.), so wie als dramatischer Dichter („Jänos vitäz** nach
*etöfi u. a.) bekannt, im 33. Lebensjahre.
— Am 13.(?) Februar L J. zu Mährisch- Aussee, Leopold Wegsehe i-
der, Professor an der mährisch-schlesischen Forstschule.
— Am 14. Februar 1. J. zu Rom der emer. Professor der Anatomie,
Albites, Primarchirurg am St. Jacobsspital alldort, im 72. liebensjahre.
— Am 15. Februar L J. zu Maria Zell der Jubelpriester und Senior
des Benedictinerstiftes Admont, Sr. Hochw. P. Wolfgang Engel, im 84.
Lebensjahre; im Dorfe Heiden (Appenzell -AivfserrhMien) Sr. Hochw. der
Kapuziner-Pater Theodosius Florentini (geb. zu Münster im Engadiner-
thale, am 22. März 1808), derzeit Generaivicar des Bisthums Chur, als
Eanzelredner, religiöser Schriftsteller, Theologe, insbesondere als Begrün-
der gemeinnütziger Anstalten (Spital in Chur, Gymnasium in Schwyz, land-
wirthschaftL Schule in Graubünden u. v. a.) bekannt, und zu London Sr.
Eminenz C!ardinal Nikolaus Wiseman (geb. zu Sevilla am 2. August 1802),
als I[anzelredner und Schriftsteller gleiche gschätzt. (Vgl. A. a. Ztg. vom
17. Febr. l. J. Nr. 48. S. 765, u. Beif zu Nr. 51 vom 20. Febr. 1. J. S. 824,
IG*
236 Personal- and Schulnotizen.
zu Nr. 52 vom 21. Febr. 1. J. S. 840. u. Nekrolog in d. Beil. zur A. a. Ztg.
vom 27. Febr. 1. J.)
— In der Nacht vom 16. zum 17. Februar L J. zu Breslau Med.
Dr. Jul. Wilh. Betschier, kön. preuft. Medidnalrath, Professor an der
medicin. Facultät der dortigen Universität; zu Paris einer der bedeutend-
sten franzosischen Naturforscher Gratiolet, Assistent der Zoologie (Aide-
naturaliste) an der Pariser Facultät, und zu Brunn der slavische Schrift-
steller Franz Jaroslav Eubiöek (geb. zu Smriitz nächst Proi^nitz in
Mähren), im 27. Lebensjahre.
— Am 18. Februar 1. J. zu Salzburg der Gärtner Sebastian Bosen-
egger, zu Anfang dieses Jahrhunderts als furstl. Schwarzenberg^scher
Gärtner bei der Amage des von Alois Weifsenbach besungenen Parkes
von „Aigen" betheili^, im Alter von d4 Jahren , und zu Eönigsbeii^ der
Pfarrer Dr. Eduard Heinel, als Verfasser einer populären Grescmchte
Preufeens und als Dichter bekannt, im 67. Lebensjahre.
— Am 20. Februar L J. in Wien Franz Schierer, Gemeinderath,
als Vorstand und eiMger Förderer des Wiener Männergesangsvereines in
weiten Kreisen bekannt, im Alter von 46 Jahren, und zu Prag der SecretSr
des dortigen Magistrate«, Johann Hlavat^, als böhmischer Schriftsteller,
sowie als Gustos der archseolc^ischen Abtheüung des böhmischen Museums
verdient.
— Am 21. Februar 1. J. Sr. Hochw. der Weltpriester Ignaz Ali>hons
Stelz ig, Zcitungsredacteur und Schriftsteller, als Seelsorger, Missionär
und Lehrer geachtet, im 42. Lebensjahre; zu Prag der jub. k. k. Guber-
nialrath u. s. w. Wenzel Ritter Weber von Ebennof (geb. am 25. Sep-
tember 1781 zu Eben im Bezirke Schüttenhofen), Bitter des k. Ö. Leopold-
Ordens, seiner Zeit Gymnasialdirector in Leitomischl, durch seine Wirk-
samkeit für Schulanstalten, Armen wesen, Straf senbau u. s. w. bekannt; zu
Bo^mital der fursterzbischöfl. Forstingenieur Wilhelm Vetter, als Fach-
schrifksteller bekannt, und in Erakau der Official der Staatsbuchhaltong
C. Pich 1er, als Schriftsteller geschätzt.
— Am 24. Februar 1. J. zu Marburg (Steiermark) Sr. Hochw.'^der
inful. Dompropst, Ehrendomherr des Metropolitemcapitels zu Salzburg, Frans
Fridrich, Consistorialdirector , Bitter des Leopold - Ordens , Vicedirector
der Dioecesanlehranstalt, im 77. Lebenqahre.
— Am 25. Februar 1. J. zu Dresden Otto Ludwig (geb. am 11
Februar 1813 (181 2) zu Eisfeld im Meiningen'schen), als dramatischer Dich-
ter („Der Erbrorster", „Die Makkabäer"), so wie als Novellist („Zwischen
Himmel und Erde", „Heitereitei") ausgezeichnet und zu den gröfsten Hoff-
nungen berechtigend.
— Am 26. Februar 1. J. zu Laibach Dr. Johann v. Zhuber, eraerii
k. k. Professor der Medicin, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit
der Krone u. s. w.
~ Anfangs Februar 1. J. zu Paris der geschätzte Historienmaler
Dßveria.
— Im Februar L J. zu Twickenham Samuel Hunter Christie
(geb. zu London 1784), seiner Zeit Professor der Matiiematik an der kön.
Artillerieschule zu London, Mitglied der kön. Societät der Wissenschaften,
einer der besten Mathematiker Englands; zu Eemi bei Montone William
ßamsay (geb. zu Edinbui^ 1806), von 1831—1863 Professor der Philologie
(Humanity) in Glasgow, zuletzt mit einer kritischen Ausgabe des Plautns
beschäftigt; zu Paris der als genialer Mechaniker bekannte Techniker
Gustav Froment, im Alter von 50 Jahren, und zu Kassel der durch
seine historischen Forschungen bekannte Archivrath Dr. Georg Landau.
Diesem Doppelhefte ist eine literarische Beilage beigegeben.)
Erste Abtheilung.
Abhandlungen.
Die Ereignisse der Jahre 1303—1305 im ungarischen
Thronkampfe der Premysliden und Anjous.
(FortBetimig und Schlags v. J. 1863. Hft. Vm n. DL S. 689 ff.)
Es darf uns durchaus nicht wundern, wenn die Bulle:
„Spedaiar amnium^ der Sache Karl Robertos, den Boni&z YIII.
als reditm&fsigen König ansah und in der ErfQUung seiner Be-
gentoipflyichten bestärkte '), weniger Nutzen brachte, als in des
Papstes Absicht lag, — wenn sie eine Verstimmung, ein Mis-
trauen der betreffenden Partei hervorrief), und gegen die An-
sdiauungsweise ihres hohen Verbündeten lauten oder stillen
^derspmch erweckte. Weit günstigere Bürgschaft bot fär EarVs
Sache der erstarkte geistliche Anhang, zu welchem der Kalo c-
saer Erzbischof Ste&n, der Agramer Bischof Michael (späte-
stens seit Novemb. Grauer Erzbischof)'), femer die Bischöfe
Ton Fünfkirchen, Baab, Veszprim, Neutra, Bosnien
und Csanäd f?) sohlten und trotz des baldigen Bücktrittes
Benedict's von Veszprim die entschiedene Majorität geistlicher
Beidisstibide darstellten. Der verhasste Graner Adimnistrator
•) S. Ram IX Nr. 37 z. J. 1808 und PejÄr VÜI. 1, 130-31. Daa
päpstliche Bnndschreiben an Karl Robert vom 10. Juni. Die Urkk.
b. Thdner: Hon. Hang. L S. 400-406.
*) YgL Feasler m, 8. 22 u. 26. Benedict trat nämlich spater zu Otto
▼OB Bakm aber, dessen Partei theilweise die pfernyslidische ersetzte.
*) Drai Kalocsaer Erzbi wnrde in einer eigenen Bolle ▼. J. 1303 (Pray
Hier. 11, 427, Katona VÜI, 55 und Fef^r YIII, 1, 136/7. und in
einer zweiten: Feg^r Vm, 1, 137—38) seine Amtsgewalt bemessen
nnd Volbittcht in der Patarenersache and in der Bückforderang
entfremdeter Eirchengüter ertheilt. Michael tritt als Qraner
ErzbL im J. 1303 seit dem November auf. Das Bistham Agram
erhielt der Dominicaner Gazotti. Die bezüglichen Urkk. bei Thei-
ner L c. 395-%; 406—7; 409—10.
aMlMkrllt r. d. Ofttrr. O71BBM. 1816. IV. H«lt. 1 7
238 F. Kranes, Der Tbronkampf d. PiPemjsliden n. Anjons ete.
Gregor, im Frühsommer noch an der Verkündigung jener Bulle
in Siebenbürgen betheiligt*), verschwindet bald aus Ungarns
Geschichte und geht seinem Verhängnisse entgegen. Kroatien,
Slavonien und Dalmatien, wo überall £e Bulle: Spectator
onmium verkündet worden ^) , erkannten ohnehin E^arl Bobert
als König an %
Schwach war noch immer sein Anhang unter den welt-
lichen Beichsgrofsen Ungarns zu nennen, da diesen der
Inhalt obiger Bulle am wenigsten behagen mochte. Ebenso scheint
die Geldunterstützung von Sicilien aus den WSnschen und
Bedürfiiissen Karl Bobert*s wenig entsprochen zu haben ^.
Der nützlichste Verbündete Karl Robert's war jedoch einer-
seita der wachsende Hang zur thatenlosen Schlenmierei, der in
seinen pfemyslidischen Mvalen emporwucherte und jeder Ent-
wickelung echt königlicher Thatkraft und Selbständigkeit im
Wege stand, anderseits die Entfernung des BölmienkönigeB yam
Herrschersitze seines Sohnes und namentlich der nnersätUiche
Eigennute, die schamlose Ländergier jener P^rteigänpfer, welche
gerade durch Macht und Ansehen berufen waren: die uneigen-
nützigen, vorwurfsfreien Stützen Ladislaus V. und seines König-
thums zu bilden. Im Waaggebiete hauste der Trencsiner Graf: Ma-
thftus Gsik, der Todfeind des Neutraer Bisthums, der Schredcen
des Graner und Waizner Sprengeis, und begann weithin die
Grenzen seiner oligarchischen Herrschaft auf Kosten der Schw&-
cheren zu erweitem, so dass jenes Flussgebiet bis an den Ski-
lauf von ihm her den Namen „Mätyusföld'^, „das Land des
Mathäus'' bis auf die jüngsten Tage bewahrte ®). Ihm eifisrten
nach die lange her als schlimme Nachbarn berüchtigten Ofls-
singer Grafen: Johann (Ivan) Heinrich und Demetrius,
*) FejÄr Vm, 1, 13a^, Katona Vm, 59 s. 1. s. d. a. a. 1803.
*) VgL die Urk. bei Lucius de r. dalm. b. Schwmtner IV, X, 90i,
daraus Fej^ Vm, 1. 136; ferner Katona YIU, 55—56 imd F^
Yin, 1, 183—35; endlich das Schreiben des Ealocsaer und Agxamer
an den Papst D. Vasca in Diöc. Zagrab. V. Idus Sept (9. Sept)
Katona VÜI, 57. Theiner 1. c. 404-5.
•) Urk. Austug b. Farlati Hl. sacrurn m, 293, b. Fejör Vm, 1, 157;
PM Spalatro z. J. 1303 XX. Oot
^ Der in Urkundendatierungen überhaupt höchst unTerUailiche Fcj^r
^VnX, 1, 156—57) schiebt eine dem Inhalte und der Indictio nach
in das Jahr 1294 gehörige Urkunde: eine sicilische Geldsen-
dung von Seiten KKarFs an seinen ^primogenitas* Karl
Martell betreffend, in d. J. 18031, als habe sie dem Enkel,
Karl Bobert, gegolten. Ueberdies steht am Ende der Urkunde: Data
Neapoli per maeistros Palatinales die XIL Martii septimae indic-
tionis. Nun aber fäUt auf das Jahr 1303 die indictio prima, da-
gegen auf 1294 die ind. VII. s. Pilgram: Calendarium 1781. Vien-
nae. 4^ S. 20 (21), was auf das richtige Datum klar hinweist
*) Eine der frühesten Erwähnungen von Matyusföld findet sich in dem
Reichsdecrete v. 1445, s. Kovachich Sylloge decretorum u. s. w. L 8. 98.
R Xroneif Der ThToskampf d. Premjaliden n. Anjons etc. ttft
Hauptfeittde der Agramer und Granor Kirche ^ ; „Palatin'^ '^
Stephan, Sohn des Ban £rnei; der gewesene Graner Schloss-
haaptmann: Scylans von Mesyth, der die Capitelgüter an
sidi zog <') nnd noch mehrere, von deren bezQglichen Thaten
die ürknnden schweigen.
Es ist nun an der Zeit jene diplomatischen Verhältnisse
in's Aoge zu fieusen, als deren Ergebnis eine völlige Ver-
ständigung zwischen dem päpstlichen Stuhle und
der Habsburger Albrecht I. zuGunsten seines anjoua-
nischen Neffen gegen den Böhmenkönig erfolgte und
entscheidend sich herausstellte'^. Der Mangel einer fruchtbaren
Verständigung mit dem französischen Hofe löste bald die
eine Zeit lang eifrig gepflogenen Unterhandlungen Albrecht's I.
mit demselben. Je mehr diese Entfremdung vorwärts schritt,
desto näher räckte anderseits die Möglichkeit eines Vergleiches
mit dem päpstlichen Stahle, der noch immer mit der A^nerken-
nnng Albrecht's als römischen König zauderte. Begreiflicherweise
setzte Boni&z VIÜ. selbe zum Preise für den dienstwilligen Ge-
horsam des Habsburgers in der ungarischen Thronfrage, nnd Al-
bredit's L lebhafter Wunsch ihrer theilhaftig zu werden , traf
mit den politischen Ansichten dieses Herrschers gegen Böhmen
Der Papst tauschte zunächst die Anerkennung Al-
brecht's als „gewollten römischen Königes" '^ mit dessen
Obedienzerklärung'^) ans, worauf er dann in einem denk-
wfiidigen Breve den hateburgischen Regenten von allen gegen
ihre wediselseitige üebereinkunft getroffenen Verbindlich-
keiten frei sprach'^) und ihn schlielslich durch das Send-
^ S. die Banobolle von 1305 wider sie b. Katona VUI, 99—101. Fej^r
188—191, TgL Eerchelich hist ep. Zagrab S. 99 über das Treiben
dendben.
!•) Sine häufig nur als Titel anfro&ssende Beseicbniing.
>^ a die bei. Urk. Katona Vm, 85—38 nnd Fej^r 11*^-121. In der
enteren eneheiBt Ladislans V. znPiztnh (Päsztö im Heweser Com.)
den 5. Mai 1808.
'*) Die beiftglichen interessanten Aetenstücke finden sieb in dem in-
haltieifiben f^Formelbacbe" E. Albredit^s L, das Cbmel in dem
n. B. des Archivs £ E. 5. G. 8. 211—307 tbeilweise Terßffentlichte,
mit voUstlndiger Mittbeilnng des Index. Benfltzt wnrdc dasselbe
frtther aebon Ton Pa lackt in seinen ^Formelbüchem*' (Abb. der
bft. G. d. W. V. Folge 2., 5. Bd.), Lichnowski (Birk) nnd Böh-
mer in s. Berc. des Eaiserr. 1246—1818 (184^ 8. 199 drückte den
Wunsch na^VerOffentUcbnng ans. Vgl Kopp lU. 2. 8. 839 f.
'^ n. "0 8. Formelbucb Nr. 8 (1308, 80. Apnl, Lateranj und Nr. 9
(TgL lichn. B^. II, 28). Die Abtretung Tbusciens (Nr. 7).
»«) Formdbiich Nr. 5, 8. 288-84 (Lichn. Be«g, ü, 24):
^ absolutione conföderationis Begis Alberti, si quas fecit contra
sUtnta.«
— Not Tolentes omne ab eo super boc obstaculum summouere, per
Quod actui eins in postemm circa dominia et ipsins ecdesiae bene-
17*
£40 F. Kranes, Der Thronkampf cL Pfemysliden vu Aigoiu etOw
schreiben vom 11. Juni zur Hilfeleistung mahnte ^^): „damit
die Königin (Maria von Sicillen) und der König von Ungarn
an der Macht seines Armes sich mit Becht zu eit-euen hfttten,
und in der SüTsigkeit innigerer Liebe gegen ihn, seine Yerbfln-
deten und ünterthanen sich erheben könnten.^
Gleichzeitig trat K. Albrecht in einen schriftlichen Ver-
kehr mit den Bischöfen von KarVs Partei, und zugleich mit
den Beichsgrofsen desselben Anhanges. Er schrieb an sie: sie
möchten durch Bath und That auf Karl einwirken, dass er so-
bald als möglich seine Truppen mit dem Heere Herzog Budolf 8 L
von Oesterreich zum Kampfe gegen den Böhmenkönig vereinige *^.
Anderseits baten jene Bischöfe, den Grofswardemer
an der Spitze'®), in einen! schriftlichen Gesuche an den deut-
schen König um dessen hilfereiche Unterstützung^').
So schürzte sich immer mehr der Knoten eines Krieges,
worin Karl Bobert um den Alleinbesitz des ungarischen ThroneSf
seine Verbündeten, die Habsburger, um den Preis der Sdiwir
chung Böhmens das Schwert führten. Der Böhmenkönig aber
durcUiieb, wie wir sehen werden, selbst diesen Ejioten, und
brachte die stockenden Ereignisse in den entscheidenden Fluse.
Zuvor jedoch müssen wir auf sein Verhältnis zu dem franzö-
sischen Hofe und auf die Vorßllle im Kirchenstaate Bttd[-
sieht nehmen.
Die Bulle „Spectator omnium^ machte den Bruch zwischen
der Kurie und dem Böhmenkönige zu einer entschiedenen That-
sache. An Nachgiebigkeit von Seiten des Letzteren, wodurdi er
eine jahrelang mit Mühe und kostspieligen Opfern erkaufte Sac^
aufgegeben hätte, war ebenso wenig zu denken, als an eine
Sinnesänderung des unbeugsamen Papstes. Philipp der Schöne
von Frankreich, Bonifaz' VIII. fturchtbarster und glücklichster
placita prosequenda miDus liberi redderentur, omnes co Haider a-
tiones colli^ationes societates vel compagnias et con-
ventiones initas factas yel habitas hactenus inter ipsom
et alium seu alios quoscunque, cuiuscnnque dignitatiB ordinis oon-
ditionis ac status ecclesiastici vel mtmdani etiamsi Regali sen quauis
alia praefalgeant dignitate auoconque tempore uel modo snb quooia
nomine uel Yocabnlo, uel sud quacunqae yerbomm ezpressio&e pro-
cesserint, etiamsi fnerunt jnramentorum et penarnm ad-
jectione vel alio qnouis yincnlo roborate, omnino dis-
solnimns et carere decernimns omni robore firmitatis...
»•) Rayn. IX, Nr. 37. Fejer Vm, 1, 130^. Anagniae DI. nonas Junü
anno IX (1303); vgl den pä. Brief an Maria, BaTn. Nr. 38.
'^ S. das Formelbnch, und aen Abdruck in Palacl^^s Formelbüchem
I, 325, Nr. 122.
»•) S. Fej^r aus Chmel's ö. Geschichtsforscher II. 3. Hft S. 400 s. L e.
d. z. J. 1303. Der Grofswardeiner Bi. Emerich gehörte frftber su
WenzeFs HL Partei.
*") Ich wäre dem Zusammenhans^e der Ereignisse gem&fä geneigter
diese Correspondenz in den Schluss des Jahres 1303 oder in daa
Jahr 1304 zu setzen.
F. Kranes, Der Thronkampf d. Pfernyslideii n. Anjons etc. C41
Oe^er, erschien somit als natürlicher Verbündeter des Böhmen-
königes und in der That kam es zu dem Abschlüsse einer „Eon-
ffideoration^, die zunächst ^egen den Habsburger Äl-
brecht I. gerichtet, auch wol ein gemeinsames Handeln wider
den Papst zum Zwecke hatte. Unterhändler war Wenzel's 11.
gewandter Kanzler Feter Aichspalter , nachmals Erzbischof von
Mainz ^. Noch beunruhigender als des Papstes feindseliger Sinn
war f&r den Böhmenkönig der habsburgische Plan: im Bunde
mit Karl Bobert neben der Verdrängung seines Sohnes aus Un-
garn — die Trennung Meifeens und Egers von Böhmen, die Ent-
fremdung der polnischen Krone, und die Einräumung der Kut-
temberger Erzgruben oder die Theilung ihrer Silberausbeute zu
erzwingen. Im Hintergrunde mochte auch die GeMr einer Ent-
tilironung der Pfemysüden in Böhmen durch die Habsburger
immer drohender auftauchend^) und jene Forderungen als blofse
Maske benützen.
Da war es Philipp's des Schönen offene Gewaltthat, die
den Böhmenkönig eines bedeutenden Gegners entledigte. Das
Haupt der Golonna, Cardinal Sciarra, der Todfeind Boni&z' Vm.,
und Philipp^s Machtbote No^et warfen den zu Anagni weilen-
den Papst in den Kerker. Die Anagnesen befreiten wol ihren
Herrn and Boni&z, und der hohe Greis, den vor dem Tode nur sein
würdevolles Benehmen errettet, wurde von den Cardinälen Orsini
nadi Born gebracht, wo er aus Gram (nach den Aussagen seiner
Gegner jedoch durch Selbstmord aus Wahnsinn) den 11. Octo-
bcnr des J. 1303 aus der Welt schied ^^). Den bekannten Graner
(und Stnhlweifsenburger) Administrator Gregor, Boni&z' VIII.
Mtigstes Werkzeug in Ungarns AngelegenheitiBU , ereilte das
Verhängnis zu Anagni, wohin er aus Ungarn sich zurückgezogen;
er fiel unter dem Mordstahle der Colonna*s *^).
Bald darauf, den 22. October, gieng aus dem Conclave der
gewesene Gartä^all^t, Bischof von Ostia und Velletri: Nicolaus
Boccasini aus Treviso, als Papst Benedict XI. hervor, ein völ-
»•) S. Palack^'s Formelbücher I, 322, Nr. 118. Confoederatio Wenceslai
Bohemiae regis cum Phüippo re^e Franciae contra Albertum Ro-
manoinm regem; Nr. 119 Schreiben diesfalls an den Grafen von
Ferrara, vgl. Lichnowski L Anhang Nr. 26 a. a. 1303. Vermittler
war der Graf von Pfirt, s. Böhmer: Regg. Albrecht's I. z. J. 1304
(20. Anglist). .
'*) VgL die officiellen Forderungen in Böhmen und Albrecht's I. Knegs-
erklining vom August 130£
'*) Vgl Fessler m, & f. Bonvenuto de Imola nannte Bonifaz „einen
giofsmüthigen Sünder.** Nach Dante Inferno XIX, S. 54—55 er-
wartet Nicolaus m. den P. Bonifaz VIII. in der Hölle. \g\. Mura-
tori serr. IX. 1003. Die Urtheile seiner Gegner. 8. S. Vertheidigung
bei Pagi in s. Breviarium romanum z. J. 1303. Vgl. ti. d. Vorgänge
Papencord's Gesch. Roms i. M. A. h. v. Höfler 1857. S. 336—^.
»•) S. Madius bei Schwantner scrr. r. hung. III, 638. Dominus electus
strigoniensis, nomine Gregoriosy oodditor a filiis de Columna.
SM F. Kranes, Der Tfaronkampf d. Pfemysliden n. Ab}0O8 elc»
liger Gegensatz zu seinem Vorgänger Bonifiea. Dieser, hocUUf^
gend in seinen Entwürfen, rast- und rücksichtslos in den FUimb
seines kirchlichen Ehrgeizes, und gewaltig, unbeugsam im Han-
deln; Benedict XI. b^cheiden, bifiig, zurückhaltend in seinoi
Bestrebungen, ruhig im Handeln und maa&voll*^). Nicht mit
Unrecht bemerkt fefsler^^), Bonifeus Vlll. yerUnsiniBTOlleB
Ende habe für Karl Bobert's Sache „günstigere Aussichten* er-
schlossen. Denn in Hinsicht des Zweckes blieb sieh die
päpstliche Politik Ungarn gegenüber gleich; das neue
Oberhaupt der Kirche enthielt sich jedoch aller henuisforderi-
den, dem Selbstbewusstsein der Nation unleidlichen, Einmieehmig,
verschonte das Beich mit Legaten, die den einheimisdum E£-
chenhäuptern meist ein Dorn im Auge waren, und überliefi
die Angelegenheiten der Thronfirage mehr der eigenen Ent-
wickelung.
Unstreitig gestalteten sich mit dem Jahre 1303—4 die
ungarischen Parteiverhältnisse immer ungünstiger für den Pfe-
mysliden Ladislaus Y. Seine geistlidien Anhänger waren sof
den Waizner(?), Erlauer**) und etwa noch auf den Siebenbfbf^
ger (Peter Apor) Bischof herabgeschmolzen. Die weltUdien Beicfae-
grofsen seines Anhanges verfolgten nur den eigenen YorfiieU,
giengen ihren oligarischen Oelüsten nach, und krilnkten dadurdi
die schwächeren Unterthanen und Anhänger ihres FarteikdiiigiB,
deren Blicke sich darum um so sehnsüditiger der Oegenpartei
zuwandten. Selbst in Ofen, wo früher der Eifer für Wenzel g DL
Sache mit der Abneigung ge^en die Curie auf gleicher Hohe
stand, kam mit dem Stadtrichter Ladislaus, dem Sohne
Wer nher's, die anjouanische Partei empor, so dass Ladislaus Y.
seinen Aufenthalt daselbst immer mehr gefUirdet &nd, und die
Gefahr einer Belagerung vor Augen haben musste. Ladislaus,
Wemher*s Sohn, Hauptgegner des pfemyslidischen Parteif&hrers
Petermann, war keine moralisch reine PersdnUdikeit, durdiaue
kein Mann von echtem bürgerlichen Sinne, denn an seinen und
des Yaters Händen klebte das Blut des gewesenen SUdtrichters
Walther*'). Um so gefährlicher wurde eine so gewaltthätige
") Vgl über die Wahl Benedicts XI. Raynald Nr. XIV a. a. 1803. -
Das Chron. Claustroneob. Pez I, 475, Pertz XI, 660 a. a. 1803. —
Das Chron. Poson. IH, 1, §. 5, Thur. n, 86 setsen die Wahl in
ihrer Erzählung nach statt vor den Zne WenzePs IL nach ünsam.
"j Fessler, m, 27. *
^^ Der Tod des Erlaner BL Andreas, in dem Spätsommer d» J. 1304
(wahrscheinlich) &llend, änderte die Sachlage. Im Not. (VTfl, l, 169)
scheint das Erlaner Capitel bereits die jpf emjslid. Partei Terlassen
zn haben. Das Zipser Capitel that dies schon 1302 (Fed^ YIIL
1, 107-110). ^ ^
^') (Fej^r Vni, 1, 199.) Andreas, der Sohn des Walther, wurde der Güter
' beraubt: per comitem Wemerium quondam oomitem Budenaem et
Ladislaumüliumejusdeminterfectores et homicidasComiti«
Waltheri bonae memoriae patris...
F. Krmim, Der Thronkampf d. Pfemyaliden o. Aigous eto. t4S
Natur an der Spitse einer Partei, die dem jungen Könige ge-
genüber sich XU fühlen begann.
Es nahte der groüse Wendcponct f&r die Sache der Pf e-
myaliden in Ungarn. Wenzel*s UI. Gestirn sank, es hob sich
die Sonne Karl fiobert's, der sich nnn so manches Auge selbst-
flSohtig zuwandte. Mochte auch noch immer die Entecheidung
zweifelhaft, das Ansehen der beiden Gegenkönige im Lande
and ihre Eronmacht auf ziemlich gleicher Stufe sich befin-
den^, so waren doch KarFs Aussichten ungleich günstiger.
Der n^Uditige Beichsderus, die Curie, der deutsche König stan-
den auf seiner Seite und was noch mehr galt, der jugendliche
Pifttendent überwog seinen Gegner weit an ThatkrafL Der Knabe
Karl reifte viel mher zum Manne heran, als der jugendliche
Premyslide. Mit schweren Sorben überschaute dessen Vater, der
Böhmenkönig, die Lage der Dinge, wie selbe sich gegen den
Sommer des Jahres 1304 hin gestaltete.
Albrecht L sandte zngleidi mit der p&pstlichen BuUe vom
31. Mai 1303 eine Beihe überspannter Foraerungen in der Fas-
sung eines Ultimatums an ihn, die Wenzel II. als Mann und
König zurückweisen musste**) ; H. Budolf, des deutschen Königes
Sobn, hatte bereits das Bündnis mit Karl Bobert eingdeitet und
zu gleiohem Zwecke waren Unterhandlungen mit Baiern und
Kumten im Zuge^®). Wie schwierig auch der Versuch einer
genauen chronologischen Ordnung der Ereignisse sidi
Mfansstellt , so ist d^ soviel gewiss, dass spätestens im
Monate Juli — August des Jahres 1304 Wenzel 11. den foke-
schweren Kriegszug nach Ungarn unternahm, um seinen Sohn
imd die Krone des Kelches in sichern Gewahrsam zu bringen ^^).
^ Thuioczy n, c 80. Postea rege iam dicto, quem Hungari Lftdislanm
Tocanenm^ in Boda degente, nulluni casikrum, nulla protenüa, seu
potestas, nullum ius regale sicut Carole Puero, ex parte baronum
festituuntor: sed una pars regni Garolum, altera Ladislaum: legem
appellabant, nomine tantum, sed non re vel effectu regiminis seu
polestatis. . . .
**) Ueber diese Forderungen vgl Palack^ G. Bö. 11, 858:
1. Wenzel sollte die Königreiche Ungarn, Polen und Krakau her-
ausgeben.
2. If eOlsen und Eger auflassen.
3. Die Knttenberger Silbergruben (mit ihrer groTsartigen an 4000
Hark betrag. Jahresausbeute) ihm entweder auf seohs Jahre über-
lassen oder 80.000 Mark S. f&r den dem Reiche gebührenden
Metallzehend erlegen.
'*) Eine ürk. des Bündnisses vor diesem Jahre, zwischen Karl Robert
und Rudolf L abgeschlossen, ohne näheres Datum findet sich bei
Katona Vm, 79—80 und Fejör Vm. 1, 158-160 aus Fröhlich:
Diplom, styriae I, 2da Die »chlussüDereinkunft geschah 1804 den
34. Aug. zu PreJÜBburg.
") Katona Vm, 70 f. und Fessler m, 32—33 versetzten diesen Kriegs-
zug erst in den Spätsommer und letzterer stellt ihn hinter das Bünd-
nis zu Prel^burg Yom 24. Aug. 1304. G. Wenzel in s. Budai rege-
stak a. a. 1303 richtet sich nach der Angabe des Chron. Pos. HI, 1.
f. a und Thur. II| 85, die allerdings, aber unrichtig, die
144 F. Kranes, Der Tbionkampf d. Pf emysliden u. Anjoni ete.
Mit einem Heere zog er die Donau hinab, übersetzte die Pir^
k inj er Furt (Eoküth) '^) , überrumpelte, Ton den GüBsipmn
unterstützt, die Stadt Gran, aus welcher Erzbisdiof Michael
fliehen musste; plünderte die Eirchengebäude , yemiditete die
Freiheitsbriefe der Oraner Kirche und liels allen Feindseliffkri-
ten freien Lauf. Nach diesen Oewaltthaten, deren AufetKliuig
wir allerdings von Seite der hievon betroffenen Gegner hin«-
nehmen müssen ^^), rückte Wenzel II. an dem linken Donsa*
strande hinab und lagerte bei Alt-Pest^).
Hieher liefe er sich unter geschickten Yorwftnden seinen
Sohn im vollen Erönungsanzuge schaffen , und beide sdilosseii
sich „weinend vor Sehnsucht und Freude'^ in die Arme. Sodum
brachte der Böhmenkönig die Führer der anjouanischen Pkfftei,
voran Ladislaus, Wernher*8 Sohn '^), in seine Gewalt, und
führte sie als Gefangene mit sich nach Prag, wohin er selbst
mit dem Sohne und den Beichsinsignien eilte, um seinen
im Anmärsche gegen Böhmen begriffenen Gegnern zuvorzukom-
men. Zum Oftaer Stadtrichter setzte er den getreuen Peter-
mann ein.
„Inzwischen aber verwüstet schon der Herzog von Oester-
reich'^ (nadi vorhergegangener Kriegserklärung'^) „mitBaubimd
Brand alles an Oeste^eich grenzende böhmisch-mährische Land.
Unter solchen Umständen steht dem Böhmenköniee kaum dar
Weg aus Ungarn offen , während Mann und Boß überm&big
hergenonmien und ermüdet sind"* '^). Dies sind die Eingangs-
■•?
Jahreszahl 13Q3 ansetzen. Denn die gleichzeitigen, anstühr-
licheren österr. Chroniken (s. w. n.) setzen das Ji^r 1904 an und
zeigen im Zusammenhange, dass noch während Wenzel U. ans
Ungarn heimeilte, cue Verbündeten Kegen ihn den Feldzng sdion
begonnen hatten, nnd dieser Feldzng kann nicht vor den August
des J. 1304 gesetzt werden.
Kakut-rev. Eine alte Donaufurt von geschichtlicher Berfthmtheit
Sie findet sich in dem bezüglichen Proteste des Graner Capitels vom
1. November 1304, den Probst Theophil (nicht Thomas, wie Fessler
III, 33 ihn nennt) „G^ermek puer** nach dem Tode Erzbi. Mi-
chaeTs in einer ummngroichen Urkunde bei dem Erlauer C^pitel
einlegte (Pray: Hierarchia regni Uung. II, 170; Eatona VIII, 74—76;
Fej^r VIIl, i, 169—171). üeber die Theilnahme der Güssinger an
diesen Vorgangen s. die Bannbulle wider sie v. J. 1305 (Fej^r VUI,
183—190), woselbst auch der „Kriegszug^ Wenzel's n. nach Ungarn
mit den schwärzesten Farben ausgemalt erscheint Den Hauptgewinn
machten wol die Güssinger (S. 188) „quod et ipsi reliquias terrarum
eiusdem eoclesiae restantes a faucibus draconum huiusmodi
BoSmorum sicut escam panis crudeUter devorantes** . . .
»0 S. Chron. Pos. lU, 1, §. 4 schweigt darüber; Thur. VI, 85: et iuxta
Danubium circa Pest (im (jegensatz zu Buda »- Neu-Pest, s. o.).
**) Chr. Pos. 1. c. und Thur. „et liadislaura filium Wemheri, rectorem
seu indicem Budensem (et alios cives burgenses non nobiles: Chron.
Pos., also Nichtpatrizier) <»piens, in suum regnum revertitur in paoe.**
»•) K. Albrecht beauftragte Bferzog Rudolf (IIL) von Oe. mit derselben,
vgl. Palack^, G. Bö. II, 2, S. 358.
*0 £^e vorangehenden Ereignissefinden sich im Chron. Cknstroneob.
F. Atmet, Der Thronkampf d. PfemyBliden n. Aujohb eio. t45
w«rte, mit denen die ausführlidiste zeitgenössische Quelle: die
Klostornenbnrger Chronik ihren Bericht über die Kriegsereignisse
des Herbstes eröflhet^^). „Als diese"* (die Böhmen) — mhrt unsere
Quelle weiter fort — „heimgezogen , vergalten sie gleich nach
Möfflichkeit dem österreichischen Lande das (erlittene) Böse.
Karl, der Sohn'*) des sidlischen Königes, in derHofihung das
Bddi Ungarn zu gewinnen und die Reichskleinodien wieder zu
eriudten, und gestützt auf die Hilfe gewisser ^fser Grafen und
der Eumanen, rückte, ein noch zarter Jüngling, mit mehr als
Zwanagtausenden in die Nähe von Znaim^.
Urkunden besagen, dass zum Sammelplatz der deutschen
und ungarischen Scha^n das Lager bei „Podwevns''^^): Po-
diwin 0. Eostel in der Nähe Lundenburgs in Sßlhren, oder
Budweis in Böhmen ^^) ausersehen war. Letzteres scheint nach
der Biditung des Zuges wahrscheinlicher. Lassen wir obige
CShronik weitenr sprechen : „Die Eumanen, in Böhmen und Mähren
nadi ihrer Art bansend, schleppten Menschen und Vieh als
Beute fort, schonten weder des Gesdüechtes noch des Alters und
übten besonders ^en die Frauen die schamlosesten Verbrechen.
„Um Geburt Mana^ (den 8. Septb.)^*) kam der römische Eönig
(Albrecht I.) aus den oberen Gegenden nach Linz, und nach-
dem er alle Seinigen dort versammelt^'), rückt er mit einem
gewaltigen Heere ^en „Freis tadt^ an die böhmische Grenze ^^)
vor, woselbst zu ihm der ö st er r. Herzog, der Bischof Eonrad
von Passau, der Erzbischof von Salzburg mit einem seiner
Pez. Berr. I, 475. Pertz Monum. XI, 660 f. als Cont. Zwetl.: — „rcx
Romanoram Albertus, missis duci Anstriae Badolfo, filio suo, nun-
cÜB, praecepit, nt pacis diffidalionem ac ooniaradictionem regi Bohe-
miae demandaret. Quo facto, rex Bohemiae, inconsnmmatis ne-
fociis atqne imperfectis propere exire parat Yngariam,
abens tarnen regalia.** (2. richtigere. Lesart: acoelleraMt exire
üngaiia.)
■•) Qaellen dieses Krieges: Chron. Claustroneob. (Cont. ZwetL)
[Cbron. Zwetl. (Annales Zwetl.) Pez. I, 534; Pertz Xt 660, 680 ff.
Ann. Altah. (wo 1303 statt 1304 steht; Cbron. anstr. Pez I, 725
(Cont Sancmc. b. Pertz XI, 733) ], am weitläufigsten bei dem Beim-
chion. Ottokar (III, 724 f. Pez), aber vielfacb unrichtig. Ueber die
bö. Quellen Tgl. Palack^ U, 2, 362. üeberdies zu vgl. Böhmer's
Rege, der Wittebbacber und Albrecht's L z. J. 1304. Kopp m, 2. 347 f.
'*) Lrnhtmlich filius statt nepos regia Siciliae.
*^ S. die Urkunde des WitteLsbacbers Rudolf I. „des Stammlers" v.
Sept. d. J. 1304 bei Chmel die Handschr. der Wiener Hofbibl. II,
371 und in Palack^'s Formelbücher. Auszug in Böhmer*s witteis-
bach. Regesten, die ^Podweyns** als Podiwin bei Lundenbuig in
Uhren auffasst.
*") S. Palack^ Gesch. Bö. II. 2, 361. Derselbe erkl&rt „Podweyns"* wol
als Budweis.
Vgl. Palack^ und Böhmer a. a. 0.
Zu ihm stieDsen die Baiemherzoge Rudolf und Otto über Neubarg
und Schürding ziehend, woselbst ihnen eine Schlappe beigebracht
wurde. In Linz erhielten sie Geldanweisungen.
*^ Der Weg von Freistadt (libera ciyitas) führt unmittelbar gegen
Badifeis.
:?
tM F. Kranes, Der Thronkunpf d. PfemjaUdeii xu Ajojoim ete,
Sufiragane und der yoigenannte Herr Karl mit Ungarn und
Eumanen stiefsen. Indem sidi diese Alle zwisdien Weitra
und Gmünd zusammenschaarten und die Verpflegung des
Eriegszuges vorbereiteten, sollen sie an 50.000 Slrat^ (?) ge-
zählt haben; und dort wütheten die Kumanen und ün^ara,
schon durch die tägliche Beute und das Ein&ngen von Ginsten-
knaben, was ihnen der Herzog an Soldesstatt überlassen haben
soll(?), nur allzusehr bereich^t, ohne alle Scheu vor jemandem
derart unerträglich wider idle, dass der Christen gewaltiges Ge-
schrei den römischen König bewog, die Loslassung der Geflui*
genen von ihnen zn begehren. Als sie dies zu thun sich wei-
gerten, durch Aufschub der Antwort Zeit gewannen und vmnr
ten einen genügenden ^rie^gewinn erzielt zu haben, benben
sich des Nachts 7000 von ümen auf die Flucht Der JEforiog
(von Oesterreich) schickte jedoch nach Kenntnisnahme von die-
sem Yorrathe die flinkesten (Beiter) von den Seinen nadi: an
4000 Mann, welche sie (die Kumanen) zwischen Yanuel (das
heutige Oroszvär?) und Altenburs ereilten und am Si Leode*
gariustage, Samstag (2. Octbr.) mrer 400 niederwarfen; die
Einen verfolgten sie dann gegen Eggenburg und Kunring,
die Anderen hinwieder tödteten sie auf der Flucht in anders
Ölenden; die ganze, unermefsliche(!) Beute an GeEuif[«ien,
Knaben und Weibern, Männern und Gegenständen ward m der
Gegend um Altenburg befreit^.
An diesen etwas überschwänglichen Bericht, dem wir, aus
Mangel ungarischer Quellenbelege^^) keine andere Dar-
stellung prüfend entgegenhalten können, schliefet sich die wei-
tere Erzählung von dem Zuj^e g^en Kuttemberg, dessen Er-
oberung durch die Tapferkeit Heinrich's von lippa, Johannes von
Strai und der Bergknappen^^), nach der Angabe unserer CSironik
jedoch zumeist durch die verrätherische Einsprache Herzoff Otto's
von ßaiern vereitelt wurde*'). Dieser liefe sich nämlich von
dem Böhmenkönige zum Bundesgenossen und Heerführer
erkaufen **).
Diese (spätere) Thatsache ist auch von anderer Seite ver-
bürgt. Die Verbündeten trennten sich nadi der mislungenen
Bestürmung Kuttembergs den 27. October bei „Bednitz^. Karl
Robert zog mit den Ungarn durch Mähren der Marcfa entlang
heim, während Albrecht über die „Iglach'^ (Igl&va) unter Frost
^^) Das Chron. Poson. , Thuroczy und die anderen Gompilat fibeigeben
den Krieg mit Stillschweigen.
*^ S. Palacb^ a. a. 0.
^^ (Chron. Clanstron.) 1. c. Hoc antem dnds oonsilinm stupeGtom fiiit
per oonseqnens ÜEkctnin Fertz Cent ZwetL IH XI. S. 661.
**) Chr. Claostron. L c. . Dncem Bavariae (Ottonem) datis mnltii
marcamm millibas, sibi confoederat: looo sui capitaneom belli oon-
stitoit: cni omnes barones BohemiAe at^ue MoisTiae fldelitalis et
obedientiae sacramentnm praestare oportoit" (Perti L c 661).
F. Krwui, Der Tluonfaunpf d. P^ernyslideii il Aigous eixx 24?
ond HunffersnOth^ nadi Oesterreich zurückzog, woselbst er um
den 1. November anlangte^').
Aber auch von anderer Seite sahen sich die Premysliden
bedroht Ihre Gegner untergruben gleichzeitig von Ungarn aus
die böhmische Herrschaft in Klein polen.
Wladislaus Lokietek, der bannbelegte, heimatflüch-
tige Piast, dem 1299 der mächtige Oligarche Palatin Amadeus
Aba sein gastfreies Haus zu Göncz im Abanjvarer Komitate,
unweit von Easchau, erschlossen und dem Verlassenen Schutz
und Sdiirm gewährt hatte, ward in den Tagen seiner Verban-
nung mit dem aiyouanischen Hofe allmälich immer inniger be-
freundet, zog um das Jahr 1304, von Aba's Schaaren mit Karl
Bobert*s Zustinmiung b^leitet, über die Earpathen, eroberte die
festen Plätze: Wislicza, Pelcziska und Lewow, und brachte ein
bedeutendes Gebiet Kleinpolens zur Huldigung^®).
So hatten denn die Ereignisse des Jahres 1304 die Pfe-
myslidenherrschaft in Ungarn aus den Angeln gehoben. Die
Entführung der Beichskleinodien wurde von der Mehr-
heit der Stände Ungarns als Baub an dem Lande betrachtet,
die Eroberung Orans als feindliche Oewaltthat angesehen;
endlich die Mitnahme Ladislaus V. für den deutlichsten
Beweis gehalten: der Böhmenkönig verzweifle an der Sache seines
S(^eBy wolle dessen Partei ihrm Schicksal, das Land Ungarn
neuen Wirren preisgeben, und doch anderseits durch BücUialt
der heüi^ren Krone Stephan's die Bechte seines Sohnes auf Ungarn
pfimdweise sicherstellen.
Man darf nicht verkennen , dass Wenzel II. nur Zeit und
Mittel gewinnen wollte, WenzeFs HI. Herrschaft in Ungarn
wieder herzustellen, und dass in dem Ver&hren mit Sohn und
Krone eine einseitige Berechtigung liege, die väterliche Besorgnis
nämlich um den rath- und thatlosen Sohn inmitten offener und
geheimer Feinde, umlagert von Kriegsnoth und Verrath^').
In der Prefsburger Versammlung am St. Bartho-
lomäustage, traten als Verbündete Karl Bob^'s unter Vorsitz
des neuen Erzbischofes Michael von Gran, folgende Bischöfe und
Magnaten zusammen: Der Kolocsaer Metropolit Stephan, die
Bischöfe von Neutra, Baab, Bosnien und Siebenbürgen^^), so-
dann Mag. ^ Ugrin (S. des Pous a. d. 0. Csäk) Palatin Omod^,
Vgl Böhmer's Rege. Albrecht's z. J. 1304, 27. Oct
Dlngoss Eist Pol. 1 IX, S. 902. Der Hauptsitz Omod^ war bei
Göncz, wo sich die Erinnerung an Omodevär noch bis heutigen Tag
erhalten hat
") S. d. Chron. Poson. m, 1, §. 4: Bei Wenceslas pater eins (Ladis-
laiy.)con8ideran8 palleatas Tersncias et non sanam par-
tem Hnngarornm anno Dom. MCCCm (statt 1904) cnm multi-
tndine exerdtus pannoniam est ingressns.
'*) S. die ürknnde D. et actum Posonii in f. b. Barth. Ap. anno Dom.
MOCaV bei Katona VIII, 77-79 und Fej^r VIU, 1. 160--61.
**) Der Titel „Mtfiater*', JMeiater'* kommt sehr häufig als Magnaten-
piidicat Tor, onne dasa seine atrenge Bedeutung klar wire.
^
t48 F. Kranes, Der Thronkampf d. PfemyBllden iL Anjoiui eto.
Pal. Borand (Boland, Loranz), Ban Eopaz, Mag! Leakas, S. des
Mag. Laurenz, Ban Theodor, Mag. Stephan, S. des Mark, PalatiB
Opour (Apor?), Wojwode Peter, Wojwode Laurenz, Mag. Eokoe
und Mag. Johannes, Sohn des Thomas. Sie alle gelobten: „eid-
lich zusammenzuhalten in einheitlicher Oesanuntanstrengang
wider alle Ungetreue, Aufruhrer (Bebellen), Friedensstörer und
jene, welche die Grenzen des Bechtes und Besitzes überschreiten
würden"**). Unmittelbar auf dieses Schutz- und Trutzbündnis
folgte der Krieg mit Wenzel 11., dessen Wechselftlle wir einer
geengten Betrachtung bereits unterzogen haben.
Mit derselben feindseligen Entschiedenheit, welche äist
Graner Erzbischof Michael durch Zustandebringung jenes Bünd-
nisses gegen Wenzel IL an den Tag legte, wandte er sich im
Herbste des Jahres 1304 auch wider die kirchenfeindliche Stadt
Ofen, woselbst in Folge Wenzel's II. Vorkehrung die pfemjB-
lidische Partei neuerdings am Buder stand unter der Führung
Petermann*s, des neuen Stadtridbters, des Sekelmeisters Mar-
tin („des Slaven''), des Bathsgeschwornen Hermann Mark
und des Leutpriesters Ludwig, Männer, die mit ihrer Partei
zum Aeufsersten entschlossen waren. Unter solchen Umständen
brach das Graner Interdikt den starren Trotz der mächtigen und
aufgeregten Bürgergemeinde ebensowenig, als dies der Bwnflnch
seines Vorgängers und die Drohung des Gardinallegaten yermodit
hatte. Ihre oben genannten Führer wurden erst später Opfer
eines halb verschuldeten halb grausamen Verhängnisses**).
Kehren wir nach dieser Episode zu den Pf emysliden zurück.
K. Wenzel 11. hatte den Baiernh erzog Otto zu seinem Ver-
bündeten und Feldherrn gewonnen und rüstete mit aller Macht
zu einem grofsartigen Bachekriege, zunächst gegen die Habsburger.
Es liegt nahe, dass der Witteisbacher, als Enkel Bela's IV., so-
mit Ärpäde mütterlicher Abkunft, gleich damals den Ge-
danken einer Bewerbung um den Thron Ungarns mit zuversicht-
licher Hoflftiung pflegte, und anderseits die entschiedenen Gegner
Karl Bobert's, die Güssinger vor Allen, ihre Blicke von
Wenzel III. ab- und dem baienschen Otto zuwandten. Wenzel n.
war alt, gebrechlich, und sein Sohn, der lange schon die un-
sichere Stellung in Ungarn satt haben mochte, dessen Sorglosig-
keit und Neigung zum Trünke alle besseren Eigenschmen^
weit überwog, schien leicht zu einem Verzichte auf Ungarn be-
stimmbar.
^*) ... et inoasores mrium et terraram infra terminos et extra sui do-
minii et principatus.
**) üeber die Entsetzung Petermann's zum Stadtrichter gibt Tburoczy
II, 86 Aufschluss; über das sonstige der Udvarder Synodalbeschlass
vom J. 1307 (nicht 1309, wie Fejlr angibt) Vm, 1, 326 ff. — Die
bewnsste Katastrophe fällt in das Jahr 1307.
^«0 S. Palack^ U, 2, S. 368. Chronisten schüderten ihn als: gesund.
schön, gutherz^, begabt, und viererlei Sprachen : böhmisch, £ut8ch,
ungaiiflch, lateuiisch mit Fertigkeit sprechend.
Jl JTrofMf^ Der Thronkampf d. Pfernysliden n. Ai^us etc. 249
1305 den 21. Juni starb Wenzel IL, der prachtliebende
„sUberreiche^ König mitten in seinen Rüstungen und niemand
ahnte wol, wie bald nach ihm das alte, mächtige Haus der
Pfemysliden im Mannesstanmie erlöschen würde, das Haus,
welchem eine volksthümliche üeberlieferung ewige Dauer
sicherte ^"O.
Als nun der sechzehnjährige Wenzel m. den väter-
lichen Thron besti^, musste er und seine Bathgeber, den
Kanzler Peter üchspalter an der Spitze, die üeberzeugung ge-
winnen, dass der sid^ere Bestand des pfemyslidischen Thrones
grolse und schwere Opfer erheische, und dass das Naheliegende
dem FemegeltBgenen vorgezogen werden müsse. So kam es zum
Nürnberger Frieden^^ mit Albrecht I., dessen Opfer von
Seiten WenzeFs m. nur aus jenem Gesichtspuncte erklärlich
sind, und die baldige Yermälun'g mit Viola von Teschen,
dem sdiönen Kinde eines machtlosen Fürsten, wodurch die Ver-
lobung mit der Tochter des letzten Axpäden thatsächlich gelöst
wurde**), war ein deutlicher Fingerzeig, wie sich in der ungari-
schen Frage Wenzel in. benehmeii werde. Erfallt von dem ein-
zigen Ge£mken: die polnische Herrschaft der böhmi-
schen Krone wieder herzustellen, überzeugt von der ün-
halfbarkeit seines Königthumes in Ungarn, und zu sehr Feind
der Aiyous, als dass er seinem Bivalen Karl Bobert die Allein-
herrschaft Ungarns gönnen mochte, verkaufte (?)^®) er des Lan-
des EjTone und mit ihr seine Ansprüche dem 44jänrigen, „kah-
len und listigen, tapfem und kriegerischen^ ^^) Herzog Otto von
Niederbaiem - LandE^ui
Andreas HI. Tochter, die weltverlassene Elisabeth, ver-
lebte ihre Tage in den Mauern des Katharinthaler Klosters im
Schweizerlwde, als Aebtissin desselben (f 1338)**).
So hätten wir einen reichhaltigen, vielbewegten Zeitraum
von nahezu fünf Jahren — aus dem greisen Zwischenreiche Un-
garns (1301—1312) — durchmessen und stehen an der Schwelle
jenes zweiten, den die Jahre 1305 und 1312 begrenzen und wel-
*^ Palaek^ a. a. 0. Die Prophezeiung ewiger Dauer erwähnt das Chron.
Claustioiieob. I, 478 b. Pez, b. Pertz XI, 662 z. J. 1306.
»») PaUwk^ n, 2, 369-870.
*^ Das Beilager mit Viola wurde den 2. October gefeiert. Palack;^ II,
2, 371.
**) Das Chron. Salisb. Pez 1, 402; Pertz Monum. Als Ann. S. Rud-
berti Cont. Weichh. de Polheim XI (810-^18); ad a. 1305: Circa
lestum Michaelis Otto dui Babariae mtrauit Bohemiam , datis sibi
a Wenzeslao, rege Bohemiae, insigniis regni Vngariae, scilicet Corona,
tunica S. Stephani regis, diademate et sceptro, contra voluntatem
regia Bomani Alberti et ducis Anstriae Ruaolphi (Pertz XI, S. 817).
*') S. charakterisiert ihn der baierische Chronist Suntheim b. Oefele
II, 337 serr. rer. boic. (Katona VIII, 92) „natus est anno domini
MCCLXI et fuit caluus et astntus, strenuus et bellicosus, et fuit
du inferioris BaTariae Tidelicet vnius parüs, et resedit in Lanzhuef
**) S. Horrith M. tM. IL & 14.
tSO F, Kronen, Der Thronkampf d. Pirernysliden n. Anjoas e(e.
eher den Abschluss des gewaltigen inneren Kampfes zwisdien
den Thronparteien zunächst, sodann aber zwischen Oligarchie
und Monarchie in grellen Zügen vorffihrt Die JSaat der
Drachenzähne'', bereits langeher keimend, gewahrten wir anter
der Herrschaft zweier knabenhafter Gegenkönige in voller Blflte.
Mit ihr, der gewaltigen Yielherrschaft, hatte dann der frfih |e-
prflfte zum li&nne gereifte Karl, nach Beseitigung des wittds-
bachischen Nebenbuhlers einen Kampf auf Leben und Tod zii
bestehen. Aber er siegte, da der vielköpfige Feind sich sdbet
aufreiben half durch seinen unersättlichen Eigennutz und die
Verhöhnung alles menschlichen und göttlichen Bechtes.
Leider boten uns die einheimischen Quellen viel zu wenig
Einzelstoff. Urkunden und ausländische Zeitgeschichten, Währ-
scheinlichkeitsschlüsse und begründete Yermuthungen mnssteii
verknüpfen xmd ergänzen helfen. So kam ein MosaikgemUde zii
Stande, dessen einzelne Farbenstellen bald heller und schärfer,
bald dunkler und unbestimmter dem wohlwollenden Auge des
Geschichtsfreundes ein möglichst getreues Spiegelbild vielbeweg^
ten Völkerlebens vorhalten sollen, worin auch Licht und Sdiattm,
das Becht und unrecht, und leider das letztere weitaus über-
wiegend, durcheinander schwankt.
Excnrs über die angebliche Krönung Karl Robertos i J. IBQl.
Während die älteren Historiker Ungarns: Pray, Eatou,
Engel und auch Mailäth von drei Krönungen Karl Bobeit*s in
den Jahren 1300, 1309, 1310 sprechen, und auch Fejfr in sei-
nem Codex diplomaticus dieser Annahme gelegentlich beipflidb-
tet««), behaupten Fessler (in, 13, 78) und M. Horväth (2. A. II,
6, 25) V i er solcher Acte, deren zweiter in das Jahr 1301 fiele.
Ja Szalay (II, 124, 140) nimmt (freilich ohne alle n&here Be-
gründung) fü n f Krönungen an, und betrachtet die fraglidie
V. J. 1301 als die dritte«*).
Die Existenz einer Krönung KarVs im J. 1301 (kurz vor
der Krönung WenzeVs m.) wird auf eine ürkundenstelle
gebaut, die sich in der gro&en Bulle : „Spectator onmium* findet.
Hier heilst es nämlich (1301, 29. Mai, Fejfr C. D. VIII, 1, S. 123):
") Fejer C. D. Hang. Vm, 1^ 339 note (z. J. 1809): Altera iamfoit
haec Caroli Boberti coronatio; prima per Gregoriom A. EpiBoopnm
Strigoniensem electnm absque legali consenBu est peracta (ocmf Bayn.
a. a. 0. 1801. Nr. VII).
*^ Szalaj rn, 2, 12^, .Erzbischof Gregor eilte mit Karl laeh Gran,
wo das 13jährige Kind, jetzt schon zum drittenmale (harmad
izben), al>er auch jetzt nicht mit der Beichskrone gekrönt wurde.**
Die (nnbegprUndete) Combinntion von Gregorys und äurFs Aufenthalt
in Gran luit auch M. Horväth II, 6, 2. A. Aolterdem nimmt dieser
eine Flucht Gregorys und KarFs nach Wien an, in Folge des
Graner Handstreiches Johannas (Inm^s) von Gfifringon.
F. Xrmm, Der Thioiikampf d. PFemjBliden u. A^jons etc. tSl
«wesslialb er auch (Karl Robert) dem altnngarischen
Gebrauche gemäfs durch eine taugliche Person das
k. Diadem erhielt (de quo etiam in Strigoniensi ecclesia iuxta
ritom antiqumn Vngariae per personam indoneam regale susce*
pemt diadema) in der Oraner Kirche. **
Allein schon Eerchelich ^^) hat nachgewiesen , dass diese
Stdte auf einem Irrthume des Schreibers dieser Bulle beruhe,
indem -wol die ErGnune zu Stuhlweifsenburg, nie aber eine
zu Oran als „nach altungarischem Gebrauche'' bezeichnet wer-
den dOrfe. Unter der „persona idonea„ sei der Oraner Erwählte
gemeint, das ganze somit nur eine fehlerhafte Beziehung auf die
erste Krönung zu Agram im J. 1300.
Ich erlaube mir noch weitere Gründe gegen die An-
nahme dieser Krönung anzuführen: 1. Bechnet Karl Bobert seine
Begierungsjahre als König von Ungarn von der ersten Ejrönung
oder V. dem Jahre 1300 an ••). — 2. Wozu wfire eine zweite
&Onung im J. 1301 nöthig gewesen? Vielleicht darum, weil
man die erste als ungenügend oder ungiltig ansah? Gegen
das letztere spricht der vorhm angefahrte Grund, wider das erstere
der Umstand, dass die h. Krone Stephan's in fremden Händen
war, Gran nicht als yer&ssungsmäfsiger Krönun^ort galt; eine
zweite Krönung hierorts somit auch nur eine Nothkrönung
gewesen wäre. — 3. Gran selbst fiel um die Zeit der Krönung
Ladislans Y. d. i. Wenzels III. in die Hände der Güssinger.
Diese Thatsache, welche in den Monat September des Ji&es
1301 fallen mochte, findet sich ausführlich in der Bannbulle
Yom Jahre 1305^"^ erörtert, ohne dass nur mit einem Worte von
der zu Gran unmittelbar vorher stattgehabten Krönung, oder
von dem Aufenthalte Karl Bobert's und E. Gregorys daselbst
Erwähnung geschieht. Auch wäre der Aufenthalt der Beiden in
dem damals von der G^enpartei zunächst bedrohten Gran nicht
sehr r&thUch gewesen. — 4. Eine geheime, nur den vertraute-
sten Anhängern bekannte, Nachkrönung zu Gran anzunehmen,
wäre in Anbetracht des Krönungszweckes noch weniger statt-
haft. — 5. Air dem zufolge ersdieint somit obige Urkundenstelle
vom Jahre 1303 als eine blofse Verballhomung der ersten
Krönung vom Jahre 1300, deren eine zweite päpstliche Bulle
vom 16. Octbr. 1301 ausdrücklich gedenkt, denn es heifst hier*^:
(Carolus) per dilectum filium Strigoniensem electum
et administratorem auctoritate nostra in spirituaJibus et
*^) Notitiae praeliminariae in hist. Croatiae, Slayoniae et DaUnatiae,
rs m. ä. 230.
B. Urk. V. 1302 Pej^r Vm, 1, 95: Regni autem nostri anno se-
cundo. Urk. von 1307 F. Vm, 1, 226-27: regni nostri similiter
anno aeptimo n. s. w.
•5 a FqAr vm, 1, 183-191.
^ Feger Ym, 1, S. 63-^
SfiS F. Kranes, Der Tlironbunpf d. PfemyBliden n. Aigou ete. •.
temporalibus Strijgoniensis ecclesiae constitutum in eiusdem
regni Hungariae regem, fuisset antea coronatus.
Es ist also unter der persona idonea der Qraner Erwfllilte
(Gregor), dessen Person und Name der ungarischen Cteisüidi-
keit verhasst war, zu verstehen, und nicht die Stelle der Bulle
von 1303, sondern die von 1301 ist ma&gebend. Die angeb-
liche zweite Krönung des Jahres 1301 fällt aber mit.d^ Rich-
tigkeit der ersteren; ist somit unmöglich oder im gelindesten
Falle mehr als unwahrscheinlich.
Or&tz. F. Krone 9.
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
Zar Homerliteratur.
1. Homers Odyssee, erklärende Schalausgabe von Heinrich
Düntzer. Paderborn, P. Scböningb, 1863—64. 1. Heft VÜI u. 252 S.
2. Heft 239 8. 3. Heft 256 S. — 2 Tblr.
Diese Ausgabe, welcbe ,,der an HeUenischem Geiste sieb heranbilden-
den deutschen Jngend** gewidmet ist, bezeichnet der Herausgeber selbst
als ein Resultat von mehr als dreifbigjäbriger liebeyoUer Beschäftigung mit
don Dichter, Usst also jedes&Us, wenn man dazu noch die nicht unbe-
deutenden Verdienste Düntzer*s um Homer in Anschlag bringt, etwas gutes
erwarten. Wir können aber nicht anders, als offen gestehen, dass wir uns
in dieser Erwartung getäuscht haben ; weder die Tezteskritik noch die Er-
Uäning, auf welche bei einer Schulausgabe das Hauptgewicht zu legen ist,
haben uns sonderlich befriedigt.
Der Dfintzer*sche Text macht gewiss keinen Anspruch darauf als
selbetändige Recension gelten zu wollen: seine Grundkge ist der Bekker'sche
Text (1843), doch weicht er in yielen Fällen und oft nicht unerheblich
da?on ab, oft nicht mit Unrecht. So geben wir den Lesarten nolvffQova
« 83, vmitot^fis a 404, r^ritotai lix^atSiv « 440, Sim xuvig ß 11, XQ^a
T* y 33, noifiiva y 469, die sich thdls bei Ameis, theils in der zweiten
B^er'schen Ausgabe schon finden, entschieden den Vorzug vor den seither
ftblichen Satip^ova, rtuitttovatig, r^firots lix^caaiv, xvvsg nodag u. s. f
Handschriften scheint D. nicht benutzt zu haben, obwol er sie oft erwähnt
und zwar in einer Weise, dass man versucht sein könnte an eine Be-
nutzung derselben zu glauben. Ich will einige FäUe hier anführen, damit
man sich von der geringen Zuverlässigkeit derartiger Angaben überzeugen
kann. So heüst es zu x 243 „in einigen Handschriften folgt hier
noch der Vers Tiv/ev Sk xvxidi XQ^^^V <^^^«' otpQa n(oiev.^
Diese Handschriften sind Ambros. Q, HarL Vrat. Vind. 50 und 133, sie
haben aber den genannten Vers nicht nach 243, sondern nach 233, und
nrar haben alle Sintu, einige sogar noch mit den beiden Puncten auf dem
Zdtsehrllt f. d. Ssttr. Oymn. 1865. IV. Iltft. 18
254 H. DünUser, Homers Odyssee, ang. y. /. La Eodie.
Jota, womit jedoch nicht die Diärese bezeichnet wird; die drei zaletit ge-
nannten haben auch nicht r^vx^v ^k, sondern tivx^ ^^ ^^' * ^^ heiftt es
„in manchen Handschriften fehlt 253, doch ist er nnentbehr-
lich«": er fehlt bei Eosthatios, im Harl. Ang. Vrai Vind. 56, Meerm. Stattg.
steht im Marcianos 613 am Rande und was das wichtigste ist, er fehlt
bei Apollonios Dyscolns de Fron. pg. 108 B und an seiner Stelle steht dort
der Vers, den wir x212 in unseren Ausgaben haben. „x265 findet sieh
nur in jungen Handschriften**: er fehlt im Harl. Vrat. Vind. 5,50,
133, Meerm. Stuttg. und bei Eusthatius , steht in M am Bande und im
Texte des Vind. 56 und Augustanus: die jüngsten Mss. sind jedenfidls die
drei letztgenannten nicht, noch weniger aber gehören sie zu den schleeh-
teren Handschriften ; es wäre also wol eher zu schreiben gewesen ,|felilt in
den meisten Handschriften.** x 425 ohne Gewähr und schlecht ist
die Lesart 6TQvv€a&\ tva fnoi — inrja&e.^ Ohne Gewähr ist diese
Lesart nicht, denn so haben Vind. 50, Vrat Marc, und in$ü(k€ haboi
Eustath., 2. man. Vind. 133; inota&e 2. man. HarL „» 430. Der Vers
findet sich erst in einer Handschrift des 13ten Jahrhunderts.*
Dieser Vers steht in der Stuttgarter Handschrift, femer im Marc am Band
und ist im Harl. später zugesetzt: denselben nur etwas verändert hat
Vind. 133 xai aifttg dfinßofnvog tma TrreQosvra n^otfr^v^a, „«475—479.
Die Verse fehlen in den besten Handschriften*: sie fehlen bei
Eustathius, im Vrat und Vind. 50; im HarL stehen sie am Bande, da*
gegen stehen sie im Texte zweier der besten Handschriften des Maxe 613
und des Vind. 133, auTserdem in Vind. 5, 56 und Statt«:. Hr. DfintMr
würde besser gethan haben dieses gelehrte Beiwerk ganz wegralaaseB:
kundigen imponiert er damit nicht und der „am Hellenischen Geiste aiek
heranbildenden deutschen Jugend* ist damit kein Dienst erwiesen.
Auf dem Gebiete der Hom. Textkritik bewegt sich Hr. D. dnrehans
nicht mit der Sicherheit, die dazu erforderlich ist: ein solches Unteneh-
men ist immer gewagt, wenn kein ausreichender kritischer Aj^paiat zu Ge-
bote steht und man irrt, wo man es am wenigsten glaubt So scbxeibt D.
a 41 ^ßfiaci T€ xal ijs und bemerkt dazu, „des Digammas wegen verlangt
man lifirfCei (so schrieb Aristarch, nicht vfin^^v) ^'^ ^^^-^ fißnO€^ hat mir
Eustathius, nßnor^ haben HarL M, Vind. 50, 56, 307, Vrat, ^ßn9€u TvA. 5
und lißrianm die Stuttgarter Handschrift, welches itadatisoh ^ßnom^ r<
sein könnte. Nun hat man aus Schcl. H fAillovta dvtl Iv&srwog linf-
yayi schlieüBen wollen, dass i^ß^aH die Aristarchische Schreibweiae aei,
indem man annahm, diese Bemerkung könne nur von Aristonioas sein.
Man wird aber in den Schollen zur llias nach einer Bemerkung wie i}
dmlii Br^ fiiXkovra avtl iviatünos vergeblich suchen, und wenn Aristaich
diesen Vers notiert hatte, so geschah es wegen der Verkürzung des Modoa-
vocals in Ifni^nai, Darauf geht auch die Bemerkung bei Lesbonax d^r«-
xoig yä^ XQ*^^"^*' «y^* vTioraxTixurv f wff t6 „öjrjroT* av ^ßriciTM xml ^g
ifi€£^£T(ti atrig.*^ Man vgl. übrigens Sengebusch Aristonicea pg. 29 und
Eiiyser de versibus aliquot Homeri Odysseae I, pg. 13. Ob wol Hr. D.
^/}ij(7ci xal ^i oder i^g geschrieben haben würde , wenn ihm bekannt ge-
wesen wäre, dass re im Augustanus und Vind. 307 fehlt? — «88 hat Hr.D.
H. Düntier^ Homen Odyssee, ang. y. J. La Rodte. 255
das bandschriftlich schlecht begründete ^I&axffv iatltvaoftui mit Recht
nicht an^nommeo und dafür mit M flarl. Aug. Vind. 50, Vrai Meerm. und
Snst *I^xfiv^' geschrieben, welches die Aristarchische Lesart gewesen sein
dürfte: die Utere und bessere Lesart aber ist *I^xfiv ^k (kevaofiai und
nicht ohne handschriftliche Gewähr. Richtig ist (fjaiv a 168, dagegen ist
212 statt der yulgata l/ni xeTvos aus metrischen Gründen mit Vind. 50
und Aug. XU schreiben ^^* ixi^vog, a 414 schreibt D. ayyeXftfi mit den
mosten Handschriften (drei haben dyyelitis), welche Schreibweise auch
Kajser a. a. 0. S. 16 befürwortet Die gewöhnliche Schreibweise mit dem
erlaubten Hiatus haben Vind. 50, 307 und M am Rande yg. dyytUtji ijn-
ntOfifiM. a 428 hätten wir statt der Tulgata xidp' tidvia lieber analog
den meisten übrigen Fällen xt^vä iSvlu geschrieben gesehen, ß 55 haben
gute Handschriften tU riiLieriQov statt r^fA^jfqov und aus Schol. M zu un-
serer SteUe und SchoL n 301 könnte sogar geschlossen werden, dass Ari-
itarch so geschrieben habe. Nun ist aber doch zwischen ^U ^i^aaxcikov
und tts ^fiiriQov ein bedeutender Unterschied, denn das Possessivpronomen
rertritt ja schon die Stelle des Genetivs, der nur beim persönlichen Pro-
nomen möglich ist So gut wir nun neben efg ^'Ai6og ^'Aiöog ^i haben,
ebenso ist neben i^/^ire^ov 6( nur üg rjtd^rfQov denkbar, und wenn wir die
elHptische Ausdrucksweise ergänzen, sehen wir es noch deutlicher, denn
so wie wir eig "ui&dog äti oder ^iiiLia sagen, so wird es doch niemanden
einfallen ilg ^ftiT^Qov ^uifia zu sagen, sondern tfg iifihiQov, Gegen ttg
ifiiriQov erklärt sieh auch Kayser im Phflologus IX, S. 310. ß 105 ist
in^ besser begründet als iml, no&ri aber {ß 126) statt no^i^v steht nur
in einer einsigen Handschrift und bei Apollonius de Pron. 101 C. Die
Lesart niQiStUv y 205 bt doch nicht so ganz schwach vertreten wie D.
meint, denn sie steht im Codex M von 1. Hand und im Schol. EQ zu
y 217: Ameis und Bäumlein haben sie daher mit Recht aufgenommen.
Mit den neueren Herausgebern zieht auch D. die volleren Versausgänge
vor, setzt daher überall das paragogische v am Versschlusse (da nach
jetzt üblicher Annahme auf die Handschriften, die das r in der Regel nur
dann haben, wenn der nächste Vers mit einem Vocal beginnt, nicht viel
in halten ist) und gibt den Pluralformen vor den Dualformen den Vorzug :
nun haben iwar die meisten Handschriften <r 33 qayovngy nicht (fnyom,
^282 aber haben wiederum die meisten oQfiti&itTf entsprechend dem i'm
dfiipoTiQüf und dem darauf folgenden hf^itut, und wenn einerseits der Dual
leicht in den Plural umgeändert werden konnte, wie dies bei Eustathius
sehr häufig der Fall ist (er schreibt auch hier a^^^rc(>o« und Ufiivovg),
so war der umgekehrte Fall schon deshalb nicht möglich, weil in der Zeit,
ras welcher unsere Handschriften stanunen, der Dual in der griechischen
Sprache fieurt gänzlich verschwunden war und Aristarch hat schon vi&lfaeh
da den Plural, wo Zenodot und Aristophanes noch den älteren Dual in ihren
Ausgaben hatten. Nach dem gewiss richtigen Grundsatz, dass das gewöhn-
üchere nicht in das ungewöhnlichere geändert wurde, sondern umgekehrt,
müssen wir uns daher in diesen Fällen mit Alirens ^de hiatus Homerici
legitimis quibusdam generibus*' pg. 13 für den Dual entscheiden. So ziehen
wir f 227 fAirwtc, * 292 ^vvTi^ivji, x 334 fuyivn, l 211 ßaXovn (auch D.),
18*
t56 H, Düntier, Homers Odyssee , ang. ▼. J. La Bo^.
<p 90 hnovTi, ip 223 ßulovre den Pluralformen vor und haben dafftr flbenll
handschriftliche Gewähr für uns. Auch Aristarch scheint am YerBSclihias
die Tolleren Formen nicht vorgezogen zu haben; das Gegentheil wäre ent
noch zu erweisen. <f 567 ist D. wieder auf nveiovrag zurückgekommen,
nachdem schon Ameis aus sehr guten Quellen nv^lovrog geschrieben hatte,
und schreibt auf die schwache Gewähr von yg, Sr^lrifiovig in £ und Yind.
193 ^riliifiovig statt des in allen Handschriften überlieferten C^Jlj/corfc»
desgleichen ovST^^aau € 334 und ov^tiivriov C 125 statt ttv^i^iaaa und «v-
6riivTtaVf C 29 am ßa(vn, welches wenigstens ava ßa(vH betont werden
müsste, 1} 86 iXfiliSar*, ti 110 iarov rex^^aaai anstatt des richtigeren
und gut begründeten tartov, ri 239 tp^g statt ifrjs, ^ 307 dyeXaarit fBat
yelaara, ^ 394 doliia, diesmal richtig für teollies, i 326 ano^vata, « 881
nenaldx^M für das Aristarchische mnaXda^ai, i 377 ävaSvfi richtig für
ceiWi/i}, i 387 Ifxovres, i 388 lovxa, x 19 dtixi fioi, x 30 iavng, x 48
rdde dioxe, welches nicht Aristarchisch, wie D. behauptet, ^ 243 yfdfif$^
xvaviri. Diese StcUen dürften genügen, um eine richtige Einsicht in die
kritische Verfahren Düntzer^s zu bekommen: ein yiel gröf^rer üebeUtuid
bei dieser Ausgabe, die doch für die Schule bestimmt ist, ist aber der,
dass D. nicht selten den festen Boden der Ueberlieferung verUsst und sein
Schifflein den unsicheren Wogen der Gonjecturalkritik preisgibt. Wir sind
principiel gegen die Zulassung von Conjecturen in einer Schulausgabe, et
müssten denn derartige Emenc|^tionen sein , wie die bekannte von Lipdui
zu Tacitus An. 1, 5 gnarum id Gaesari statt G. Navum id Gaesari, die
nicht einmal eines Beweises bedürfen, sondern mit der vollen Kraft, welche
der Wahrheit innewohnt, uns von ihrer Richtigkeit überzeugen. Dieser Art
sind die Düntzer'schen Gonjecturen nicht und es sind ihrer gar nicht
wenige. Uns sind aus der ersten Hälfte der Gdjssee folgende aufge&llen:
a 404 dnoQQttCaH* für dnoqqataH, wol des Hiatus wegen, ß 264 rdS^ für
T« dk, y 175 tdfjiviiv f. T^fivetv, ^ 435 dvadvaa f. vnoSvaay 6 546 xa\
f. xiv, d 613 S^Qov f. StoQtav (mit Bekker), S 740 log f. oV, 1 166 o, wel-
ches doch zunächst nur auf olvov bezogen werden könnte für « , c 275
aiil für o^ [Not. € 490 und 493 atatav und 6uaniviog für atoC^m^ nnd
Svanorioq], C 87 vmxnqoQUv f. vntxjiQOQ^ei, * 396 avros f. aviov, « 28
r^; f ijf, X 10 ncQiariVttxi^it* doi&j f. neQ^aTerax^C^Ttu avlij^ x 851
ofT€ aXads f ot r" tfg uladi, l 607 tl^^v f. ^;faw.
Auch in Betreff der Orthographie hat der Düntzer^sche Text viele
Eigenthümlichkeiten: so finden wir mit grof^n Anfangsbuchstaben ge-
schrieben und somit als nomina propria betrachtet Movaa {a 1) lAf^i^
if<iVTriq (a 38), ^Htoq (ß 1), *Eqivvs (ß 135). Femer finden wir zusammen-
geschrieben oaxf (« 52, 282), ovri, (« 75), oye (« 4), ^ro* (« 155, 394, 400),
iXniQ (« 167), oatig (« 229, 280), ov7T(a (ß 118), «niQ {ß 156), ln%idn
(d- 131), ohne dass man dafür einen zwingenden Grund anführen könnte.
In den Fällen darf für Homer noch keine Sjnthesis angenommen werden,
wo noch andere Worte dazwischen gefunden werden, wie z. B. ov ydg n»,
tjTtl ovv (fi?, ov fx(v TTO) T» {o 36), ^Lt] fioi Ti', of Ti^Q TS, lu dcu andeTcn
Fällen ist «s zwar möglich, wir können es aber nur da befürworten, wo
das eine der beiden Worte nicht mehr für sich allein im Homer vorkommt,
H, Düntger, Homers Odyssee, ang. v. J. La Boche, 857
wie 68 z. B. mit vavüixlvrog der Fall ist, welches die Alten als Syntheton
betnchteten, weil im Homer der Dativ Plural stets vfivai lautet, dagegen
schrieben sie ^ovqI xXvtos und mit Recht. Wer iireiSii schreibt, muss wol
such mit Aristarch 6rc6ii schreiben, obgleich auch diese Worte getrennt
Torkommen. Die Alten schrieben auch nicht orav und oTtorav, sondern
getrennt St* av nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Apollonius und
Herodian. Die getrennte Schreibweise von xaQfi xofiowvng ist durch om&ev
xofiovms nnd xoQfi ^ttv&og hinlänglich begründet, ebenso die von ßccQu
9T&mxwf durch das dazwischentretende <r/, tvgv ^^tav durch (vqv ^üi und
iv^v xgeiwv durch die Analogie des vorhergehenden, denn dass xq^twv
Paiticip ist, beweist das Femininum xQstovaa. Gegen die Schreibweise
^axifv x^^^ (ß ^) hätten wir nichts einzuwenden , nur müsste man rotg
und nicht rov schreiben, da der Genetiv wol von dem Syntheton abhängen
kann, ein ^dxgv x^f^v nvog (Thränen um jemanden vergieHsen) uns aber
schlechterdings undenkbar ist. olxov Sä trennten die Alten, die neueren
aber sehieiben es zusammen, meistens mit zwei Accenten olxovSe: die
Sehreibweise otxMi, die D. von Bekker entlehnt hat, lässt sich durch
nichtB rechtfertigen, ig perispomeniert ("sie!) D. nach xa\ und ovSi nach
dem Vorgänge der Alten, lässt hingegen das demonstrative o, ^' tonlos.
Die zweite Person von itfiC eig ist enclitisch, wie ich in meinen kritischen
Bemeriningen zur Odyssee nachgewiesen habe: D. betont a 170 itg, schreibt
dagegen <f 371 viiniog itg, mql in der Bedeutu^ig von ntQtaamg betonten
die Alten mit Ausnahme des Ptolemaeus von Ascalon auf der letzten Silbe,
D. (/9 88, 116 n. a.) auf der ersten. Nach D. erleidet die elidierte zwei-
silbige Präposition keine Anastrophe, trotzdem steht ^ 135 vn\ Zu a 116
ist bemerkt, ^fiiv schrieb Aristarch in der Enklise, Hfiiv nur, wo i ent-
schieden lang war: dag^en lässt sich nur das eine einwenden, dass kein
Bewds dafikr beizubringen ist, denn nur zu einer einzigen Stelle {A 214)
ist flberliefert, dass Aristarch ^fiiv schrieb, was er A 579 geschrieben
habe, wird ans dem Scholium bei Gram. An. Par. HI, 6, 27 nicht recht
klar. Wenn Lehrs Quaest. Ep. pg. 124 sagt „qt^ando tifAiv scripserint apud
Homenun, qnando rifiiv, de hoc vellem plura haberemus testimonia**, so
dtbfßn wir schon glauben, dass die Sache nicht so klar und ein&eh ist,
als D. de hier darstellt. Zu n 175 bemerkt D., in der Doppelfrage schreibt
die beste Ueberlieferung im ersten Gliede ^, im zweiten j: dies ist aber
nur halb wahr, denn es gilt nur für die indirecte Frage, nicht aber für
die directe, denn dann hat f jedesmal den Gircumflex. «T^^ij schreibt die
beste ueberlieferung mit Jota subscriptum, D. schreibt es ohne dasselbe,
L B. a 147, dag^en hat roi in der Bedeutung darum kein Jota sub-
Bcriptum, es fehlt auch im Venetus A an allen Stellen, wo die Handschrift
von erster Hand geschrieben ist. Die Form fttyt^yg ist nicht Homerisch,
denn der Optativ kann kein Jota subscriptum haben und der Gonjuuctiv
batet fi^iffSt wie i^^gc, ^^i^^t H^vr^r^y aanrii^ und ähnliche. Die Formen
yirofnu und yivioaxof finden sich zwar fast ausschliefslich in den Hand-
schriften nnd Kayser hat deshalb auch im Homer so zu schreiben befür-
wortet: wenn wir aber alle die Schreibweisen aufnehmen wollten, die die
Hehnahl der HandBohriften bietet, so kämen wir nicht über den Text der
258 H' Düntzer, Homers Odyssee, ang. v. J. La Roche.
xoivni hinaus. Eine solche Ausgabe böte gar keine Schwierigkeiten und
lielbe sich mit Hilfe des Eustathins und einiger Handschriften ohne Tiek
MS he herstellen. Warum räumt man denn gerade in diesem Pnncte den
Handschriften eine solche Bedeutung ein, wenn man sich in Tielem an-
deren von der Autorität derselben ohne groAe Bedenken entfernt? wanun
setzt denn Hr. D. überall am Yersschlusse das paragogische v, waram
schreibt er nicht mit denselben Handschriften r^d-vniogy xdxitrog, tlarijxH^
rj^€i und vieles andere? Auch für iaraong (6- 380) am Yersanfuige hduki
Hr. D. noch eine Lanze, ebenso schreibt er mit Bekker Hom. BL 8. 828
X 141 T€&vrixv{tjg statt rt&vijvtrig, a 34 und 35 vnkQ fioQov statt vjtiQ'
fioQov gegen die beste Ueberlieferung. Wer, wie D., ivfiMtfv (y 400),
tSfusfv (x 448), vnodt^aaaa (x 296), ai^nx^g (« 74) schreibt, der dai^
wenn er nicht den Vorwurf der Inconsequenz auf sich laden wül, nidit
schreiben ^mQQtttaa {ß 49). uniqQlyaffi (ß 52) oder dnolX^Ui«^ (A ^^)f
denn man schreibt entweder so, weil diese Schreibweise die Aristarchiflcihe
ist, oder man hält die Länge des f in HSitaiv wegen des Digamma und
die des v in ain^tx^g wegen des oonsonantischen Anlautes von ^« fBr ge-
rechtfertigt, dann schreibe man aber auch mit Anerkennung desselben
Digamma iln^Qlyum (frigus, frieren), fign^a, (Qayriv (fregi, Wrack) nnd
vieles andere. Richtig schreibt Hr. D. d&goog {a 43) und d^ivog (a 92),
nicht n&Qoog und nSivog, aber diese wenigen Vorzüge des Textes entsddU
digen uns doch nicht für die Masse von Unrichtigkeiten, die in demsdben
vorkommen, und wenn wir über den uns vorliegenden Text ein verwerfen-
des Urtheil fallen, so kann man dasselbe zwar vielleicht streng, aber nicht
ungerecht nennen.
Wenden wir uns nun zu der Erklärung und sehen wir, wie Hr. D.
den zweiten, für eine Schulausgabe ungleich wichtigeren Theil seiner Auf-
gabe gelöst hat. Wir verkennen keineswegs, dass vieles richtig und theil-
weise auch besser als in manchen anderen Schulausgaben erklärt ist, das
soll uns aber doch gegen die Mängel dieser Ausgabe nicht blind machen.
Mit Vorliebe behandelt Hr. D. in den Anmerkungen seine Theorie von den
stehenden Beiwörtern: die stereotype Formel „stehendes Beiwort* findet
sich in den Noten unzähligemal, so z. B. » 122, 126, 330, 336, 365; ^ 100,
166, 340, 344, 377, 386, 395, 432; y 3, 5, 66, 83, 115, 117, 180, 248, 811,
381, 420, 453, 475, 480, 492; <r 2, 12, 41, 63, 98, 100, 143, 184, 197, 229,
318, 359, 425, 429, 456, 473, 477, 489, 506, 509, 556, 660, 798, 841; f 56,
175, 230, 279, 295, 467, 478, 492; C19, 26, 102, 316; ij232; *40, 111,
392; * 12, 56, 241, 364; x 50, 158, 417, 491; 1 19, 128, 220, 327, 865, 894,
430, 433, 449, 585; ^ 47, 62, 228, 284, 357. Dafür wird auch der Aus-
druck beständige» 0^3, 66; C81; tj 164), stetes (^311) oder häufiges
{t 34) Beiwort zuweilen gebraucht, dagegen sind die hebenden (« 138)
oder bezeichnenden (ji 369) Beiwörter nur selten erwähnt. AuAer den
Beiwörtern wird auch noch manches andere als stehend bezeichnet: so
haben wir gefunden stehende Verse OJ405; <f 579; «89), stehende
Umschreibung 0' 142), stehende Schilderung (^3 388), st Formel
iß 382; y 140, 204), st. Gebrauch 0*265), st. Versschluss (y 161; «r492),
st Ausdruck (^^ 340; ^362), st. Verbindung («T 207), st Bezeichnung
H, Dünüier, Homers Odyssee, ang. t. J, La Boche, 259
((f4dO, 599, dafür auch <f 511 bestandige Bezeichnung), st. Redeweise
((TSfiT; cd6), st Redensart (€240; C2ö; 17266; (»36), st. Schwur-
formel (€ 184) und stehendes <f ^ ((^400). Diese stehenden Beiwörter und
was sonst noch alles als stehend bezeichnet wird, boten dem Dichter ein
ganz besonderes Mittel metrischer Bequemlichkeit (Einl. S. 16) und
da dies auch in den Anmerkungen oft genug henrorgehoben und an ein-
lelnen FÜlen praktisch dargelegt wird (z. B. y 69, 386, 456; cT 90), so wer-
den wir wol Hm. D. nicht unrecht verstanden haben , wenn wir annehmen,
dass er von der Ansicht ausgehe, dass nur metrische Rücksichten für den
Dkditer bei der Wahl zwischen diesen yerschiedenen Beiwörtern maX^ebend
WBxen. Hit dieser Ansicht sind wir durchaus nicht einverstanden, man
laubt damit der Homerischen Poesie ihren schönsten Schmuck und wie
sollte die am Hellenischen Geiste sich heranbildende deutsche Jugend für
solche Poesie begeistern können, wenn man ihr metrische Noth (ß 75;
il 72; ^ 74, 208, 313; Yersnoth x 82) als bestimmend für die Wahl eines
Ansdmokes bezeichnet. An der echten Homerischen Poesie ist nichts ge-
künsteltes, nichts gemachtes: dass der Dichter in Versnöthen gewesen sei,
können wir uns gar nicht denken, er hätte dann wahrscheinlich die Muse
angenifen, wie er das auch sonst thut, wo er ihrer Hilfe bedarf. Man denke
sieh mur unseren Gcethe oder Schiller so erkläit: würde sich nicht unser
Gefühl dagegen strauben? Wir sehen auch den Zweck solcher Bemerkungen,
wie sie wiederholt vorkommen, gar nicht ein; denn was ist damit für dos
Yecsttndnis des Dichters gewonnen, wenn man zu ^ 335 erfährt: „Den Vers
■it der UoDKn ehrenvollen Anrede des Hermes auszufüllen war dem
Dichter bequem**? — nichts.
Was uns im einzelnen aus den 12 ersten Büchern besonders aufge-
fidlen ist) ist folgendes: a 103 „nQod-vQo^g, der Plural deutet ursprünglich
auf die Wei^ des Thores** — zunächst ist doch an die beiden Thorflügel zu
denken, wie überhaupt Wörtern dieser Art (rdfa, vätUy xqia, ^vla, nQfiaja^
castia^ anna) der Mehrheitsbegriff zu Grunde liegt. Dass (poqfny^ von (fOQfiiCo'
kommt (« 153), das Primitivum von dem Derivativum^ verstöM gegen den
obeisten Grundsatz der Wortbildungslehre: die Verba auf «C<u nnd ttC(o sind
ÜMt siBimtlich abgeleitet: so ariC^f av^C^ta, ilniCf»»* thx^C(o, fiaxaqiCto u. a.
(Tol ff" alfoy tcxai dfiotß^^ a 318 heifst weder „und es wird die Erwie-
demng Dir werth sein**, noch bedeutet es „ich werde es werth halten es
Dir zu erwiedem", wo man dann nach Düntzer's Ansicht wirklich eher
ifAol statt aol erwartete, sondern es heifst „für Dich wird es der Erwie-
dsmng werth sein**. Athene meint, Telemach solle nur ein recht schönes
Gastgeschenk aussuchen , dass es sich verlohne es ihm zu erwiedem. Die
Stelle »320 o^tg ä* wg avontua (oder dvonalu) SUTiraro hat ihre beson-
deren Schwierigkeiten; Ameis übersetzt „aber wie der Vogel Anopaea eilte
sie hindurch*^, durch was sie aber eilte, darüber bleiben wir im unklaren,
imd wenn der Vogel (nach D.) davon, dass er gerade aufwärts fliegt, seinen
Namen hat, so muss man denn doch an ein Verschwinden nach oben den-
ken. Für die adverbiale Bedeutung von dvonala (aufwärts durch den Kamin
oder Baucbfang) spricht vor allem die Stellung, und der Vergleich o^viri
äg dient dazu, um uns die Raschheit des Verschwindens zu veranschau-
£60 H, Düntzer, Homers Odyssee, mg. v. J. La Bodie.
liehen. Die Raschheit des Verschwindens bezeichnet auch der Aorist 9Unrvto
niasch wie ein Vogel war sie nach aufwärts Yerschwunden**, wobei wir ins
die Athene durchaus nicht in ihrer damals angenommenen Gestalt za den-
ken haben. Das schnelle Enteilen an und für sich w&re ja noch kein
Wunder und an ein solches müssen wir doch denken, denn darauf fhlnt
Vers 323 &ttuftfjatv xara ^vfiov' oCaaxo y^Q &€6v eJvai, Zu /} 1 erftlirai
wir, dass iJQty^veut adverbial zu fassen sei in der Bedeutung „Mh*, wie
nuvvi'/ioi : dafür gebraucht aber Homer ^egiti . ^Qiy^veuc heiHst auch nielil
früh, sondern im Dunkel (v^Qi) entstanden oder geboren, weil vnmitfeelliar
nach dem Dunkel die Morgendämmerung antritt So heiHst es bei Soplioldet
Trach. M vom Helios „or ai^la vv^ iva^Cofiiva r(xtiC^ und wie die Nabbl
die Sonne oder den Tag gebiert, so gebiert die Morgendämmenmg das
Frühroth. Xx%i ß 28 helfet nicht ntrifft**, sondern ,,hat getroffen*, ^ i
Wort Perfectbedeutung hat. Zu ß 13 bemerkt D. , dass Xaoi Volk von .
(wovon In^Ao) herkomme, und den Mann von Seiten seines Willens
nun haben aber die XaoC keinen Willen, sondern dnd Unterthanen, Hdrig«,
darum ist die Ableitung von xXvm hören, wahrscheinlicher, vgl Aatemietti
zu All. Zu ^156 haben wir die Note *tfiiUov nicht ^fitXXev amSebhnss
des Verses* : darum aber setzte Aristarch den Plural nicht , sondern wefl
Homer mit Vorliebe zum Neutrum Plural auch das Prädicat in den Plnial
setzt. Die Bemerkung zu /9 250 avxov, hierselbst; es heiM nie ^auf der
Stelle** ist gegen Ameis gerichtet, der als Beleg 0349 anÜUirt; analog
ist der Gebrauch von avT66^ov & 449. ivUvai heüüst weder ß 295 noch ft, S96
fahren, sondern in Verbindung mit evQ^t novri^ (das offene Meer) „anf die
hohe See steuern**, wörtlich auf die hohe See bringen. Zu ß 194 ißAiiam^
XvyQov oXe^Qov haben wir die merkwürdige Notiz „fiaUalhu, hier nicht
suchen, sondern ersinnen, so dass das Ersonnene zur AusfÜhmng gelangt^
schaffen". Nun hat aber fiaiofAM (vgl. fitufiaio) im Aorist ifiMsaifAifv^ nad
ifnqaaro ist Aorist von fnido/^ai. Wenn Hr. D. nicht /l908, x^^ *"*
Z 157 als Parallelstellen anführte, so würden wir hier gerne ein Ven^en
annehmen, so aber ist es ein für eine Schulausgabe nicht zu Teneihender
Irrthum. y 269 kann fiiv nicht auf Aigisthos, sondern nur anf Efytai-
muestra bezogen werden, y 304 wird bemerkt ^SfSfi'Hfiat in praesenÜscber
Bedeutung gehorchen (r 189), wozu aber vno nicht wohl stimmt**. Safjinvm
171 6 TvvL (vgl. Beobachtungen über den Gebrauch von vno S. 16) heillit
zwar gewöhnlich von jemandem bezwungen, getödtet werden, doch ist die
Bedeutung, welche es hier hat, aus der Grundbedeutung ebenso leicht ab-
zuleiten (vgl. r 159): es heiXist wörtlich „unterworfen, unterjocht sein** und
dabei ist die regelmäfsige Constructionsweise, die mit vno, die mit dem
blofsen Dativ (wie *AxtXfji &afji(ig statt vn' *Ax^tiog oder l4x^Xfi%) die sel-
tenere. Zu y 378 wird xQtroyivHtt mit drittgeboren erklärt, mit metrischer
Verlängerung des », wofür Hr. D. den Beweis schuldig geblieben ist: die
bisher übliche Erklärung vdrd durch die Beinamen der Athene Tqnwftg
und TQirtavtag bestätigt. Zu <f 39 Xvaav vno Cvyov wird bemerkt „bei
vno, von, schwebt die Vorstellung vor, dass das Joch über den Thieren
liegt. Aehnlich ^vfo&at vno jtvoq, von einem befreien". Die Bemerkung
musste, wenn sie einen Sinn haben sollte, lauten „v^ro (vyov, unter dem
H. DünUer, Homen Odyssee, ang. ▼. J, La Boche. Ml
Jodie herror, weil das Joch über den Thieren liegt**. Mit ^vta&m vno
nvog kann der vorliegende Fall znn&chst nicht yerglichen werden. <f 412
xtfiTtaaifirm: dazn D. „die Zahl der Robben war durch fllnf theilbar**: es
heilM aber gewiss nichts weiter als zahlen, weil man sich dazu der f&nf
Finger bediente. So werden yon Hm. D. nicht selten mit einer Sicherheit
Behanptongen an^esteUt, die sich gar nicht beweisen lassen, z. B. zu 435,
daas Eidothea vier Robben getödtet habe, um sich ihrer Felle zu bedienen,
wibiend es doch bloDs helfet riaaaqit ipmxnw» ix novrov d^Qf^ar* Ivtixe.
iißSt heiftt nn ^vfnpfidaaajo ßovlag hat mit dir Rath gepflogen, ebenso
wie A 540, nicht „hat den Rath dir ersonnen". Zu « 190 wird ni(Hßa(veiv
eildtrt „eigentlich Tom Pferde, das man besteigt", während negißatniv
im Homer eine ganz andere Bedeutung hat Dass der Dichter Rhianus
<8S8 inffYWflStaff^v geschrieben habe, ist blofee Vermuthung; unrichtig
iit Mich daa zn c 888 %v^ Svti vvxtng Svo r' ijfiaTa xvftan nijy^ nlaCfto
ytemerkte, dass die Tage eigentlich voranstehen sollten, dass aber hier das
Metnim entsehieden habe. Die Orientalen zählen bekanntlich nicht vom
Tage, sondern von der Nacht an und rechnen von Sonnenuntergang bis
wieder Sonnenuntergang, so auch die Griechen, daher auch immer bei Homer
9vxT«f Ti «al ^lüftQ £490; X432; £1 73; ß Mb, auch wenn schon vorher
eine andere Zeitbestimmung steht, wie z. B. ivvrjfiaQ x 28, i^ijfiaQ x 80, o 476«
fgL 2:840; ja744; ^74; He8.Op.383; Theog.724; ApolLRhod.lU, 1078; Quin-
tas ¥11, 148; X, 14. Selten nur steht tifitern voran, wie </a85; x 142. —
C8 lasen andere nicht «T h JS^iQ^n^i sondern <f * iw £x^q(^. Zu ti 211 ist be-
jB6rkt ^MltvOi hat im fehlenden v die Spur des Digammas von fo erhal-
ten': ixiltvffi ist aber blo/to Go^jectur oder Verbesserung, wenn man will,
VM BddLer, denn alle Handschriften haben ixilfvffev: erhalten hat sich
denmach hier nichts. S 78 erfahren wir , was wol längst als abgethan zu
Mrachten ist, dass Srt elidiert: Aroeis und Bekker schreiben mit Recht
5 r* — i 8t$ t§. Nach der Note zu S 380 bezeichnet vno eigentlich die all-
näbliehe Vollendung, dann aber das vollendete Eintreten der Handlung, wie
in vnoStiSHv, vnodiixvwai{Bicl), virofiifiviiffxtadtu: da die Widerlegung
dieser Izrthftmer zu viel Raum erfordern würde, so verweise ich blofis auf
OMine Beobaehtungen über vno (Wien, 1861) S. 5, 19, 46. — « 19 wird
nSai ia Sf nwfi 66Xoiaiv dp&fHanoiai fiilto, zu avd-Qtonotai bezogen, wo-
fegen sdion die Stellung spricht: näat hat dieselbe Bedeutung wie ^4b
otmwoiffi tt nä4f$ und kann nur mit Soloiaiv verbunden werden, i 60 heifst
es, n^bMS von jedem der zwölf Schiffe sechs Gefährten umkamen ist wört-
lidi in verstehen, nicht im Durchschnitte, vgl. 159 f Das wäre denn doch
etwas zu wunderbar und mehr als zufällige Gleichheit. Zu 153 d^avfjta^ovtfQ
bemeri^t D. „über die Oede und den Reichthum an Gemsen^. Die Gemsen
gehören bekanntlich nicht zur Fauna der Inseln und Küsten des Mittel-
meeres, und anderswo dürfen wir uns die Insel, auf welcher Odysseus lan-
dete, nicht denken; schon die Menge der erlegten Thiere (118) hätte darauf
anfoierksam machen sollen, dass hier keine Gemsen gemeint sein können,
ebenso die Leichtigkeit der Jagd und der umstand, dass die Thiere nicht
bloA mit Pfeilen, sondern auch mit Wurfspiei^en erlegt wurden. Mit den
täyif dfftcx^ können nur wilde Ziegen gemeint sein, wie sie jetzt noch
MC -fi. Dünlzer, Homers Odyssee, ang. v. J. La Boche.
auf dem Kaukasus and in Persien vorkommen, die sogenannten Bewini^gai
^capra aegagros), die früher auch auf den Gebirgen der Mittelmeerioselii
einheimisch waren, und nach dem Zeugnisse des Aelian Yar. Hirt. I, 10
{rag alyag in äxQoig vtfiofiivag toTg oQeatv) in Kreta vorkamen. MaB
wird hierbei an den Irrthum norddeutscher Touristen erinnert, die vnaerB
zahmen nJyas oQiaxtpovg auch nicht selten f&r Gemsen ansehen. Hingesw
dürfte unter dem wilden Geisbock, den Pandaros erlegte (z/ 105) und ms
dessen Hörnern er sich seinen Bogen verfertigen lieft, nichts anderes als
ein Steinbock zu verstehen sein. Zu x 268 awv wird bemerkt, wAiistsieh
fasste es als Acc. von adig, wofür Homer aoov braucht**. Anstsreh sdirielb
auch A 117 adiv, entsprechend dem aüg NllS, e 905. Man kdnnte swir
fast überall die Formen auflösen (nur X 338 nicht) und an einigen SteUea
(H310, 77252, ^ 344, £ 531, <r 98) sind die oontrahierten Fennen geraden
unmöglich, das berechtigt aber doch nicht zu der Annahme, dass Homer
nur aoov brauche. 1 134 steht im Texte ü äXog, in der Note aber wird
$ittXos erklärt und i( alog als unrichtig zurückgewiesen. X 584 wird mivn
ton dem Diaskeuasten in der Bedeutung von „stand** gebraucht, während
es sonst die Bedeutung „Miene machen, sich anstellen, verBicbem* hai
Düntzer behauptet nun hier könne es nur „schmachtete** heilten, und da
sich das nicht stützen lässt, so schlagt er vor &tuTo (» diviro) an schrei-
ben und fasst es in der Bedeutung von „leiden". Dazu kommt nun noeh
folgende höchst merkwürdige Notiz, „wozu der Genetiv des G^gensteades
tritt, weshalb wir leiden**. Si\fßd(av gilt demnach als Genetiv Plural von
dCiffa „er litt von Durst**, nicht als Partidpium von ^ttpdv, denn sobbI
wäre dieser Zusatz sinnlos, fi 47 heif^t es in der Note ^tX$nS4a^ stehen-
des, auf den Honiggeruch deutendes Beiwort**. Hätte der Dichter den
Zucker gekannt, so würde er jedenMls gesagt haben „zuckersüDier Wdn*,
so aber kennt er nichts süTseres als Honig und bezeichnet danun den
süfsen Wein durch dieses Beiwort; oder sollen wir annehmen, dass auck
die süTse Frucht des Lotos nach Honig duftet, oder dass Diomedes dem
Bhesos das nach Honig duftende Leben nahm, oder dass dem Odyssens die
Heimkehr so süfis duftet als Honig? Zu fi 209 wird bemerkt „ungeschickt
ist die Leseart InHy das nicht wol drängen heilÜBen kann**; aber noch un-
geschickter ist die Leseart tm mit der sonderbaren Verlängerung des
kurzen Endvocals, und auTserdem handsohriitlich schlecht begründet An
Hm. D.'s Stelle hätten wir wenigstens tnn geschrieben , das sich rechtfer-
tigen lässt und, obwol anscheinend Coi^ectur, doch urkundlich besser ge-
stützt ist In Betreff der Erklärung von linH genügt es auf Ameis zu
verweisen.
Der schwächste Theil des ganzen Buches ist die grammatische Er-
klärung; wir finden da Behauptungen aufgestellt, die man nach dreißig-
jähriger liebevoller Beschäftigung mit dem Dichter nicht für möglich halten
sollte. Einige Beispiele mögen genügen, a 313 ola (x€ifiriXM) dergleichen,
oder adverbial. ^50 ^rixiqi fioi fivijaT^gfg iTr^/Qaov: fiot^ Dativ des
Vortheiles. ß 261 x^iQag viipafievog noXt^g dXog: der (Genitiv von dem bei
der Handlung betheiligten Gegenstande, y 69 vvv Sij xdXXiov iart ftiraX'
Xfiaat xal iQ^a&ai ^e/i^ot/;, oVuvig iiaiv: xdXXiov. Dieser Comparativ steht
H. Dünlser, Homers Odyssee, ang. t. J. La Boche. tOS
bei Hoaier oft gendeza für xalov^ ohne nähere Beziehung, vgl. ^ 159. Ur-
gprüBglieh (wann?) ward freilich bei ähnlichem Gebrauch die Vergleichnng
gedacht, aber metrische Bequemlichkeit liefs den Dichter die Formen auch
neben ««itoy, aya^ov ganz in gleicher Bedeutung brauchen, y 86 aXlovg
fikp ya^ xartas, oaoi TQfoalp noXif^iCov, 7iivd-6fji€d'\ i^i exctarog dnoh-
lao Ivy^ 6l^&^: äXXovg, Aoc. der Beziehung. (Dann ist wol auch in
TvSiiSfiv ov* ap yvoitjs noxiQoiai, fme(fj Beziehungsaccusativ anzu-
nehmen.) Ebenao heiiüit es zu <f 832 ii d* äye fnoi xal xeivov oiCi'Qov xata-
U^ov^ ij nov h$ (itf€^ : xardL mit dem Acc. der Beziehung, vgl. 836. y 231
f€t« ^iof y^ id'ütav xal triko&iv av^qa att(oa(u:xal riflo&ev ävSga auch
einen weit entfernten, weit verschlagenen Mann, y 235 cuJlc^* vn* AI-
yttf^fHO Solif^ xal rig dloj^oioivTi* Alyiad-oio , wie cuJlfarc d-vfxov vif
iSxtoqttg P ^%, neaitif, ^afitjvfu vno rivog neben vtto SovqX Sa/Ltijvat u. ä. —
HXip doreh List wie a2%. ß 106. 308, nie mit einer Präposition bei
Homer, (vgl Beobachtungen über vno Sr. 18). y459: der Wechsel in den
Zeitfonnen ist ohne wesentliche Bedeutung (hier am wenigsten). <f 586
tt^imro$, toi fi* mxa iptktfp ig naxQl^^ tn€fA\pav : Hjnfitfßap, bringen woll-
ten, au a 57 (also auch ein conativer Aorist), e 173 alXo n Sr^ av, &id,
r6i€ fifiSiiu : ro^t, mit Bezug auf dieses, was du eben sagst, hierbei {roät
kt Object, ällo ist Prädicat). «412: beide Perfecta sind präsentisch (als
ob es nicht jedes Perfectum wäre), rj 152 &äaaov: bei Homer hat es die
CSompaiativbedeutung ganz verloren (es heif^t aber doch Je eher je lieber**).
^ 1^ xoviowTis n€^(oio: wo der Genetiv eigentlich das Oertlichkeitsver-
hältnis beieichnet (gewiss sehr deutlich!). ^ 343 tv dk yil(og toQt' d&avd-
toi0t ^eoiatv : unter den d&. ^ioZaiv kann hier nur Apollon allein ver-
standen werden (vgl. 326. Der Plural also wol aus metrischer Noth). 1 135
lail fidla ntuQ ^n^ (sie) ovSaginluQ hier adjectivisch als Neutralform
neben n£mf¥, nUiqa, gleich dem spateren nutQov, Wollte man vfio als
Piip. mit ov^ag verbinden, so musste wol ovdet stehen (vgl Beobacht über
vjio S. 8 f.). »457: eliteZv Inf. der Absicht (soll helfben Folgeinfinitiv).
^266 fAimtfi'fAov r* ^xovaa ßotiv avhCofiivdoiv oiüv t€ ßXfixw • bei dxovHv
steht hier einmal der Gen., dann der Acc.; der erstere hebt bestimmter
hervor, da das BindeigebrüU das bedeutendere war. — Ich glaube, das
ist genug.
Auch über die zahlreich in Anwendung gebrachten Athetesen lieflBe
sich viel sagen, wenn Raum und Zeit nicht so kostbar wären. Ich will
nur einige anführen, der Leser mag selbst urtheilen: «23, 24; 29—31;
185^ 86; 199; 293—302; 374—380; 434, 35; ß 132, 33; 170—176; 226, 27;
251; 382-892; yd; 15, 16; 18; 24; 94, 95; 120-125; 146, 47; 163; 304;
310; 316; 494-96; iT 94-96; 158—160; 163—67; 231, 32; 607, 608;
*197; 199; 240-43; 260,61; 436, 37; C18, 19; 31-35; 52-55; 77, 78;
112—14; 266, 67; 273, 74; 318; 325, 26; 328—31. Dabei sind nur die
wirklichen, im Texte ersichtlich gemachten Athetesen berücksichtigt, dazu
kommt aber noch eine beträchtliche Zahl solcher, die in den Anmerkungen
empfohlen werden.
Druckfehler haben wir im ganzen wenige bemerkt, darunter aber
onige die sinnstörend sind wie « 35 (Not) 0 r e s t statt Aigisth, oder wie
M4 L, Dcederlein, Homeri Uias, ang. t. /. La Boche.
Hr. D. zu schreiben pflegt Aegisthos (y 260, 269) analog mit Aegyptiot
(ßlb, 33), Piraeos ((> 52) and Euniaeos. Not. 1604 Here statt Hebe;
a 403 nnavQ^v; ß 383 (ü/cto. In der Note zu /9 206 schreibe man ^768
statt 673, der Irrthum ist auch im Dmckfehlerrerzeichnis bemerkt, aber
es steht auch dort 673. f 413 schreibe man im Texte Haxi nicht iatC « 301
steht im Text x^^Q* üi der Anmerkung x^W* äbnlich k 134. « 486 (Net)
schreibe man Sk f&r 61, 1 518 ^ fdr ga, X 211 setze man in der Note tor
223 fp (21. Buch), ^ 127 schreibe man im Text re statt r^.
Kai av fjikv oviio X"^'^^*
öiv S* iyia ttQ^nfAitos /dtraßi^aofiai aklov U Vfirov.
2. Homeri Ilias, emendavit et illustravit D. Ludovicas Doeder*
lein. Lipsiae, Dörffling u. Franke, 1863—1864. 2 Theile, der letiftere
besorgt von Dr. G. Autenri^th. — 2 Tbk. 24 Sgr.
Diese nicht sowol fOr Fachgenossen als f&r Dilettanten bestimmte
Ausgabe der Ilias (cf. Pars posterior pg. 327 finxi mihi lectores, qui poeBeos
Graecae et Homeri amantes, diligentiae Tero Uli quae philologis propria
esse dicitur si non infesti at incuriosi essent) entzieht sich dadurch jeder
strengeren Kritik : gleichwol aber darf sie schon deshalb nicht übergangeii
werden, weil wir es mit der Arbeit eines Mannes zu thun haben, dessen
Verdienste um Homer sehr bedeutend sind. Das Hauptgewicht hat der
Herausgeber nicht auf die Texteskritik, sondern auf die Erklärung gelegt:
der Text ist mit unerheblichen Aenderungen der erste Bekker*sche. üna
sind nur folgende Abweichungen aufgefallen A 14 arififia r' (Bk. ortfi"
fittt*), A 59 nakiv nlayx^'^VTag {nalifinlayx^^vraf) , A 124 ovif* tth
{pvH xC), A 168 lnr\v xixttfjiio (in%C xt xcc/u oi), r 215 et xal (f xal),
A 384 inl {(fni), E 6 nttfAifaCvtiat {na^tfaCvyOi) , E 59 Tixiovof (jtxto-'
vos)f Z 456 vifmlvr^q {wfa(voig) Die zweite Bekker*sche Ausgabe ist fiwt
gar nicht berücksichtigt, ebenso wenig sind die neueren Leistungen auf dem
Gebiete der Homerischen Textkritik in Betracht gezogen worden. Con-
jecturen haben wir hier und da in den Anmerkungen gefunden, gewöhn*
lieh mit einem „suspicor** angeführt, so £ 487, Z 465, IT 39, 91, 472,
B 506, 546, im ganzen selten. In der Orthographie haben wir kein be-
stimmtes Princip zu entdecken vermocht Als Nomina propria werden be-
trachtet A^vQOTO^og (A 37), "ExrjßoXog {A %), K^^s (A 97), ^fiQalv
(A 268), 'Exaroio (A 385), 'ExacQyov (A 474), OvQttrCiovef (A 570), Mov
aaojv {A 604), ''Oaaa (B 93), Norog (B 395); dagegen werden ab Appel-
lative aufgefasst nfitfiyviius (A 607), oveiQog (B 6. 8), wie ausdrücklich
in der Note bemerkt ist, obwol dagegen B IQ ßfj S* nQ* ovet^g, i^el
Tov fAv&ov tixovaev. xaqnaXCfAtog iT txavi und die folgenden Yerba /l^,
ix^xtuvev, arijj nQoanftovee zu sprechen scheinen. xtJQag als Appellativum
haben wir gefunden z/ 11, (cQtjg, in der Bedeutung „Kampf, ist mit Recht
klein geschrieben, z. B. B 381. Eines der schwierigsten Capitel in der
Homerischen Orthographie ist die Frage, wo man Sjnthesis anzunehmen
habe und wo nicht: consequent lässt sich hier kaum ein bestimmtes Princip
durchführen, aber doch wenigstens consequenter als es in der vorli^geiiden
L. DctderUm, Homeri Ilias, ang. v. /. La Boche. MS
Aoflgmbe geschebeii ist. So finden wir geschrieben ja tplloq {A 74), aber
Biciit 'ji^iis ifUof, wie es consequenter Weise geschrieben werden müsste :
lii«r igt die Tiemiang am allerwenigsten nothwendig, sie veranlasst sogar
Zweideutigkeiten, vgl. Bekker Hom. Blätter S. % nnd 180. Zusammen-
gesehrieben ist iv^vx^ifw (A 102, 355), ivQVQitav (B 849 und an den
übrigen Tier Stellen), e^mofiivo^ (^ 164, Ä 138), Shxqvx^w (A 357),
tmqv9T%yuxw {A 364, während es an den übrigen sieben Stellen mit Recht
getrennt ist, vgl. Hom. Stnd. §. 36), IvMti/^tvog {B 501): die Trennung
dieser Worte hat hier am allerwenigsten Schwierigkeiten und ist in eini-
gen Fällen sogar geboten, wie in ivqv ^iurv und xkqti xofiotovrtg, welches
D. ebenfalls zusammenschreibt, z. B. B 11, 51, 65.
So haben wir femer gefanden tanQtiTtt (A 6 mit Wolf), S yi (A 65,
68, E 685, 673), dagegen otyi {A 261), oye (A 281); itn^Q (A 81), da-
gegen of ncQ (A 236), tw mg (I 498); ovxi (A 153), oms (A 88), aber
ov T» (A 416, 511, ^ 286, / 115), ov w {E 665, Z 16), fi^ ti (A 550,
J 42); TTMOTi (A 154), ovjrort {A 134), dagegen tt nore (A 340); ofrc
(A 237); fjtntt (e 7), aber oi n (JE 5), ug tt (r 381); Inn^ (A 156),
Uff {A 365), aber in fl ^ {J 56) und iml Jj) (Z 178), welches sonst
überall inttärj geschrieben wird; ou^k (Z 444 u. o.), ov ifk {J 127, 477,
Z 417); 5 TT/ xtv {B 361, E 421), hingegen 5 tt« xtv (A 294) und o u
tiv {A 527): auch die Alten schrieben otr( x(v, nach dem Grundsatz,
dass ein Paroxytonon mit trochäischem Rhythmus bei nachfolgender En-
ditica noch einen Acut auf die letzte Silbe bekommt, aber diesem folgt
D. sonst nicht, er muss also tri für ein selbständiges Wort halten, ob-
gleich es kein Wort gibt, das mit doppeltem Zahnlaut beginnt. A 66
idueibt D. xvfaatis, A 460 xy/crj, A 384 narrn. E 495 Trarry, r 370
/ifayov nicht fitayov, vielleicht mit Recht, r 158 ^eys, nicht &iaTg, wie
es seit nralten Zeiten im Homer geschrieben wurde, nQtoriv {E 832) ohne
Jota adscriptum gegen die Vorschriften der alten Grammatiker. Dagegen
richtig xoXi^ {A 575). In der Schreibweise xal äg und ovd" tig ist D.
B^ker gefolgt, ebenso in iijog (A 393), welches nach der Lehre der Alten
dfln Spiritus asper hat, schreibt aber niQi (/ 53, 100), wo es Adverbium
ist, während es die besten alten Granmiatiker auf der Endsilbe betonten.
Am Versende erscheint überall das paragogische v, femer stets der Acut,
auch wenn gar keine Interpunction auf das Schlusswort folgt, dagegen steht
A 275 iw vor einem Komma.
Wenden wir uns nun zur Erklärung. Die Worterklärung, soweit sie
iof der Etymologie beruht, wollen wir hier übergehen , da wir nur wenig
neues gefiinden haben und das meiste ohnehin aus dem Glossarium des
Herausgebers bekannt ist A 31 wird 3Jx^^ gleich Imov von Ino^xofiivriv
und nidit von dvrtotaaav abhängig gemfM^ht, weil letzteres Verbum zufällig
im Homer sonst nicht mit dem Accusativ verbunden wird , aber gram-
mitiBch ist diese Structur möglich, und was das auch nicht weiter bei
Homer vorkommende X^x^ ino(x€0&ai bedeute, erfahren wir nicht. A 131
wird fifj ff* filr fci) drj genonmien; <fi} aber elidiert bekanntlich seinen
Schlnssvocal nicht, sondern verschmilzt ihn mit dem folgenden zu einem
lAut, daher /iij <fij hätte geschrieben werden müssen. 6d6v il^iTv A 151
Md L. Daderlem, Homeri Ilias, ang. v. J. La Bw:h%,
wird sonst allgemein in der Bedeutung von MdQuv iX^ilr geüust, D.
nimmt es in der Bedeutung von iUfi(nv il^(iv, de legatione. In ^Um
(Av^T^aaa^i A 291 soll ov^iSia Ac^jectiv sein gleich 6vt^tut: diese Aar
nähme ist aber durchaus nicht ndtbig, da fiv9^€ia&{u sowol mit SabitiA-
tiven als mit Ac^ectiven verbunden wird, vgl. Hom. Stud. §. 94, Si Im"
B 2 wird bemerkt, dass das Imperfect xa^iv^e A 611 die Bedentimg de»
Aorists habe (also er gieng, legte sich schlafen), da xa9-€v&€w Ireiiw
Aorist habe: durch diese Annahme lässt sich jodesüalls der Beweis der SiM-
heit der beiden ersten Bücher nicht herstellen, denn das Schlafengeheii
liegt ja in dem Aorist dvaßaq — Ir^* dvißri »al xad^ev^e, dahinein legte
er sich (momentan) und schlief (dauernd). Der andere Beweis, der in den
ovx ix^ liegt, ist wenigstens sprachlich nicht zu bestreiten. B 2G9 soU
äxQit<nf in der Redensart dxQuov i^wv Masculinum sein, B 356 wird der
Genetiv 'EJJvrjs mit Aristarch als objectiver aufgefasst: diesmal hatten
aber die Ghorizonten ein viel richtigeres Sprachgef&hl als Aristarch. B 376
soll das Präsens ßdllet die Bedeutung von objicere solet haben, B 485
Uytüfjiid^a die von dutUyio/ntd-a: beides dürfte schwer zu erweisen sein.
Zu B 576 wird bemerkt: ruiv pronomen est, simul cuni rijoly ex nQX^i^
suspensum ut 586. Eis, et centum quidem navibus, Agamemno praefnit
(doch wol praeerat). Der Genetiv rarv — rovratv (nämlich der Bewohner
der vorhergenannten Städte) hängt aber von vritav ab, wie auch der Fkra-
phrast richtig übersetzt. B 772 wird dnofiriv(aag mit dnnav xal fiifviaat
erklärt, damit ist doch wol zu viel in die Präposition hineingelegt; B795
wird die unhaltbare Lesart fi€r^<fti statt ngoadtfiti erklärt als prägnanter
dictum pro IlqCa^ov ngoa^fdg ^ixitpn ir roTg ofjifjytQ^eaaiv: daas /aiw
nicht reflexiv sein kann und demgemäfs nicht auf hiaa^^vn belogen wer-
den darf, muss doch wol den Ausschlag geben für die Wahl der Schieib-
weise nQoai(frif die im Codex Venetus A steht, vgL Hom. Stud. 8. 209.
Zu r 57 erfahren wir, dass Idtvov x^^^t* taaaaO-ai auch von einer Ein-
sperrung in eine Felsenhöhle verstanden werden könne und r 40 wird
dyovos passivisch aufgefasst in der Bedeutung non natus, das rc wird dann
in der Bedeutung aut genommen, als ob es sich so ohne weiteres mit f
verwechseln liefiae. r 83 wird der Etymologie von anuro zu Liebe die
Conjectur Bothe*s zu iL 584 gebilligt, r 109 wird oIs als Masculinum, nicht
als Neutrum genommen und r 220 soll avrios die Bedeutung von m^^lf
haben, dabei erwarteten wir dann aber nicht atf^ova, sondern eher das
Gegentheil, wie auch in dem Lateinischen male sanus und ähnl. Zu A 11
wird die Construction dfivvHv xl nvog geläugnet und avrov von »tjoac
abhängig gemacht: in meinen Hom. Stud. S. 190 kann man für die ange-
gebene Construction weitere Beispiele finden. J 31 tC vv as Hgiafioe
nQidfAow TS natdtg xoaaa xaxd ^^Covatv vermögen wir keine Vermischung
zweier verschiedenen Constructionsweisen zu erkennen, da der doppelte Ac-
cusativ nach ^^C« nnd ähnlichen Verben bei Homer etwas ganz gewöhn-
liches ist ^ 155 wird der epexegetische Accusativ erklärt causam mortis,
die dazu angeführte Parallelstelle (Soph. Oed. Col. 529) ist mit unserer
Stelle auch nicht im entferntesten zu vergleichen. ^ 359 werden vButi^at
und xelitKo als Coiyunctive betrachtet, wozu nicht der mindeste Grund
L. DadeHem, Homeri Dias, ang. v. J. La Boche. %V1
rorliandeD ist und J Ui^ wird oQ^i als instrumentalia au^eiasst, wäh-
rend es dock mit ttgaoHU, mit welchem es durch xai yerbuiiden ist, auf
4enelbeii Stofe steht: fUr die Verbindung nH&o/u^ivot xal dgtiayj, obwol
Bkht ohne Analogie (vgl X 247 & (pa^ivn xal xi^Soauvt^ i^yiiaar Id^n),
gibt es an unserer Stelle keinen swingenden Grund. ^ 4€S spricht schon
die Hanptoasur des Verses dagegen, dass nuq^ danCdog zu xvilmvri ge-
h&re: es ist auch bisher von allen Erklarem zu iUifaav^ri gezogen worden.
Der GenetiT Ulov^ivog *£lxHtvolo (E 6) soll von einem in UXovfiivos ent-
haltenen losTQois abhängen, wie auch Z 508 (und O 265, 4> 560, vgL
n 679): wie soll denn aber der Genetiv /<r^f vulfdfuevog noi^ijs dXog
(/t 261) erklärt werden? wir glauben doch nach Analogie von C224 avrä^
o ix noTttfiov x^ viCiTo. £ 33 soll der indirecte Fragesatz von einem
zu ergänzenden d/Atkovvti abhängen, mit welchem Auskunftsmittel man
bei den zahlreichen übrigen Stellen nicht ausreicht: es ist yielmehr in Ge-
danken ein „um zu sehen , um zu versuchen*' zu ergänzen , vgL J 88,
X 56, -2^ 143, 199, 322, 457, 601, X 196, 419, */'40, 82, v 182, ^ 118 u. v.
Diss ^utfATttQk E 112 nicht als Adjectiv zu fassen sei, sondern adverbial,
beweisen die von mir Hom. Stud. S. 44 angeführten Stellen. Der Genetiv
rn^ioio (E 222, Z 1 , B 106) wird an diesen drei Stellen als von ^v^a
m^ ip^ abhängig betrachtet: was soll dann aber mit den übrigen Stellen
geachriien, wo kein Adverbium dabei steht? Dass dieser Genetiv partitiv
Ml, glaube ich Hom. Stud. S. 180 erwiesen zu haben, vgl. auch Bekk. Hom.
BL 8. 210. Dass dXto E 494 nicht von dem früher genannten Sarpedon,
loideni von dem zuletzt genannten Hektor zu verstehen sei, beweist die
Fdlge der Erzählung, denn von Sarpedon hht erst E 629 wieder die Bede,
es ist also kein Grund einzusehen, weshalb er vom Wagen springt und
die aehwankende Schlacht wieder zum Stehen bringt, was doch Sache des
ObeilMfehlshabers ist, von welchem auch früher als von Sarpedon im Fol-
genden die Bede ist Auch Z 104 und A 2i\ werden dieselben Verse ge-
teandit nnd dort ist es ganz klar ersichtlich, dass sie nur auf Hektor be-
aogeii werden k5nnen. o^' imßaiti E 666 heifbt doch wol: damit er auf-
traten, sich auf seine FüXIm stellen könne, woran ihn der Speer hinderte,
der noch in seinem Schenkel steckte: D. ergänzt dazu ttav liv ox^tov und
ttait den Absichtssatz von aniv^orrtav abhängen „keiner der Kampfge-
noasevi hatte daran gedacht, ihm den Speer aus dem Schenkel zu ziehen,
da sie eilten, damit er auf den Wagen steigen könne** (mit dem Speer im
Schenkel?). Bichtig übersetzt es der Paraphrast „^al tovto ovdilg iax^xf/cero
oM iwoiiasv, ix TOP fi^gov iUXxvaai ro 66qv t6 Ix fitX^ag, tva ^wtj&y
m^nmtfitftUt anov^aCovrmf avitüv*^, keiner hatte in der Eile (eigentlich
keiner der eilenden) daran gedacht, ihm den Speer aus dem Schenkel zu
liehen, damit er auf seinen FüXlsen stehen könne. E 827 wird zu ro yi
hinzu ergänzt noUiv: ro yt ist Beziehungsaocusativ, vgL Hom. Stud. S. 81.
Z 71 soll wtxQovg nicht von avXiiaeri (über den doppelten Accusativ vgL
Hom. Stud. S. 236) abhängen, aus dem Grunde, weil bei avXdto ein per-
sönliches Object nicht stehen könne, sondern von einem daraus zu ent-
nehmenden avX€vovT€s, was denn doch der Sprache Gewalt anthun heilet.
ft&raific Z 164 toll potentialis sein anstatt des Futurums , nicht Optativ
298 L. Dcßderlein, Homeri Dias, ang. ▼. / La l?ae^.
statt des Imperativs, y^tpag z 169 soll wörtlich zu verstehen sein (saa
literis ad talem epistolam opus erat); aber schon Aristarch hatte wieder-
holt darauf aufmerksam gemacht, dass yQtt<ff€&y bei Homer noch nldrt
schreiben, sondern ritzen bedeute. Zu fi^fivtifXM Z 222 wird erglmt
^Btvov Bell€QO(p6vTov yiyevijff^i, damit stimmt aber der gloch daint
angefahrte Grund nicht, denn wenn auch Diomedes seinen Vater iiidrt
gekannt hatte, da er noch ein Kind war als er vor Theben fiel, so hindert
das doch nicht, dass er seine Erlebnisse so gut wie die seines Groflmiten
Oineus wusste. Wahrscheinlich war der bei fjtffivfifiai selten vorkommeiide
Accusativ der Grund, welcher zu dieser neuen Erklärung veranlasste. H 19
gab die Verbindung otfQa nvQog fte leldxt»oi Anlass zu der Bondeihara
Bemerkung rt^vQog ex lax€i pendet, quod nomen ex Ula/wriy antidpan-
dum:" überhaupt zeigt D. eine grotae Vorliebe dafür, überall, wo es nv
möglich ist, Ellipsen anzunehmen. H 120 erklärt D. Traginiurev mit fni§9t
naqu r^y ßovltiaiv Xiyatv, deterruit a consilio, währ^d diese CompoBila
mit naQa doch gerade das Gegentheil bezeichnen, denn noQwpvifAi^ nv^^
TToy helJÜBt vielmehr zureden, nicht abreden, ebenso 7ra^;r</^cfty diupoh
üeberzeugung auf seine Seite bringen, üeber H 239 vgl. Hom. Stud. 8. 74.
Der Dativ x^Qf^V ^ ^^ bedeutet nicht dg x^QMV^f sondern ist ebenao
wie /ift/jj und vafihi^ bei Wörtern des Eämpfens zu erklären: es gibt
keinen Dativ des Zweckes; vgl. auch // 218, S 513. Die Behauptung, die
H 320 aufgestellt wird, dass ^evea&en auch mit dem Accusativ verbundoB
werde, ist irrig, ov^^ ti dairog (nulla boni epuli parte indigebant) gehört
nicht zusammen : n ist Beziehungsaccusativ und dturog ist Objectsgenetiv.
Der Genetiv nvQog f^fiX^aaijusv ^410 wird wiederum durch die Annahne
einer Ellipse des Nomens fiEilly^iati erklärt und zu H 424 j|f«JU;ri5c ^
(es gieng, hielt schwer) ist bemerkt x^^^^^^ P^ adjectivo, als ob clfc/
mit einem Adverbium etwas so ungewöhnliches wäre. Mit den Bemeriran*
gen zu O 171 fiaxn^ atj/aa conjungendum, et brachylogiae more aiifitUimm
ex arjfitt Ti&i{g mutuandum, unde vfxijv pendeat und O 190 ^ iftoi ae.
aiTovy quod ex cognata notione ttvqov assumendum, wird sich kaum jemand
einverstanden erklären können: die Homerische Ansdrucksweise ist im
höchsten Grade einfach und will einfach erklärt sein, ohne jede Künstelei,
des Dichters geflügelte Worte mussten auch von den Hörern im Finge
verstanden werden können, ohne dass sie darüber lange nachzugrübeln
brauchten, was der Dichter wol gemeint haben mochte. Den Vers B 364
will D. tilgen, da er nichts mehr neues enthält, und den Dativ ^nj auf
öXlvfi^vüry bezichen: dazu ist er aber zu weit von diesem Verbum entfernt
und eben um dieses Zusatzes willen war die Wiederholung dieses Verboms
nochmals geboten. Solche Pleonasmen des Ausdruckes sind im Homer so
häufig, dass man sich nicht daran stoHsen sollte (Bekk. Hom. BL S. 185):
ich erinnere nur an ^ 65 atSiad^rin niQixrtovag drd^mnovg, oV tt«^»-
vai€Tttovai, Sb21 xvvag xriQtaaiffOQtitovgf ovg x^Qig (pogiovOt,
IT 105 ni^Xri^ ßalXofiivri xttvccxijv ?/f, ßakktro «f* tttit, £221 &ai6~
ftsvüv, t6 ^" l^dttii, und an die häufigen Epanalepsen. /2 heifkt es
(fvCa non fuga est (ea cnim (f6ßog dicitur) sed vociferatip perterritomm et
(ffv clamantium: dass tfvCtt mit (foßog nicht synonym sein kann, beweist
L. Dcederlein, Homeri ilias, ang. v. J. La Rodie. SS9
jft unsere Stelle, wo es heulst tpoßov xqvoivrog ha/grjf dass es aber auch
nicht „Angstgeschrei" bedeuten kann, erhellt aus den übrigen Stellen und
ans (pvCuxtvjs iXatpoiaiv {N 102). / 77 wird zur Erklärung von r/? av
r«<r« yriO-riaHev die Ellipse von t^tov zu Hilfe genommen: dies ist der
glfteklicherweise langst überwundene Standpunct der Alexandriner (Utnei
x6 o^mv), gegen welchen schon im Alterthum Widerspruch erhoben wurde
(SchoL BL). /115 ist ipfv^o^ Prädicat, und von keinem aus xarfXi^ag zu
entnehmenden l^ytav abhangig. /327 soll av^Qaat, in dv&Qaat fia^va/LUvo^
oagttv l^vixfc atfiTiontüv Dativus commodi und von Agamemnon und Mene*
laos zu verstehen sei „in gratiam maritorum pugnans propter eorum uxores.^
/d78 wird fiiv auf Jcooa bezogen, wie qS12 auf ^(OfiuTa: es ist aber doch
ein kleiner Unterschied zwischen beiden, denn ötüfMara ist seiner Bedeu-»
tung nach kein Plural, sondern blofs grammatisch, und da stand dem Dich-
ter die Wahl zwischen beiden Numeris frei, gerade wie umgekehrt bei
CoUectivbegriffen der Plural steht, auch wenn der grammatische Numerus
der Singular ist. a6(^ T 424 wird als Optativ aufgefasst, nicht als Con-
jonctiv und / 470 soll iivavvxfi Plural sein, nicht Adverbium, für das es
seither immer gegolten hat. Nach Ctkl" on wird bei Homer der Nachsatz
gewöhnlich mit xal ron eingeleitet, welche beide Conjunctionen von ein-
ander nicht getrennt werden können: es kann deshalb nur auf einem gänz-
lichen Verkennen des Homerischen Sprachgebrauches beruhen, wenn man
/ 475 »al tot' iyto d-aXafxoto d'iQcig nuxtvaig itQaQv^ag ($17 ^<x; l^ijXd-oP
dieses xal in concessiver Bedeutung zu douQvCag beziehen will. Das Par-
tidpiam kann auch ohne xai concessiv sein und hier ist diese Annahme
nicht einmal noth wendig. / 645 ist ndvta Object zu fivS-riöaad'ai, nicht
adverbial (omni ex parte) und iial 1 688 ist nicht gleich olol t* daC, so
wenig als ovx eart gleich ovx olor t' iarL
Nicht wenige Neuerungen haben wir auch auf dem Gkibiete der In-
terpnnction gefunden, wobei nicht selten dem Vers Gewalt angethan wiid^
Einige mögen hier ihren Platz finden:
r 185 hf&a tSov TTldarovg *pQvyaCf dv^gag H afoXonaiXovg (so Ven. A).
E 98 xal ßdX* inataaovT((f rv/tüv I] xard dt^iov dfiov^
&toqf\xog yvaXov. Da Tv/atv zu ßdXi gehört, so darf es von ihm
nicht getrennt werden: der Yen. A hat bis yvaXov keine Inter-'
punction.
£588 wfQ^ Xnnio nXrj^a^ti /afial ßdXov iv xovd^iVt \
Tovg (^' tfiaa' UvT^Xoxog, gewöhnlich setzt man nach xov£ya$i^
einen Punct.
£759 /Lid^, draQ ov xard xoafJOVf Ifiol cT' axog; oi dk flxtjXoi
Z91 äygiov, «//^i^^v I x^rtTf^oy, fiYiOrwqa (poßow,
Z 194 xal fiiv ol Avxioi ri/biivog jdfjLOV f^o/ov dXXtov.
xaXoVf ipvraXtfjg xal ce^i'^ij;', 6(fQa v^/uoito.
Z221 noXXol fnkv yuQ Ifxol Tqmg xXtnoC t' inixovQoi,
XTiivHv OV xi d^eog y€ noQtji xal noaal xix^tto,
Z 229 noXXol 6^ av aol uixaioi, ivav(^^fiiv | ov xe dvvrjai.
Ztitaebrift f. d. ött«rr« Qtibb. IWa. IV. H«fl. \9
t70 Hoffmann, 21. u. 22. Buch der Ilias, uig. v. /. La Boche.
Z 477 {ßoTi yeviad-M) nal^^ i^ov, tag xul iyto nnQ^ dqtnQ^nia T^iMaat>v\
tuSe, ßlviv r' dyad-ov, xal *IUov J<fit dvdaaeiv.
ms — 75 v/uiv J* — Iv yuQ taaiv dQiarfjeg ITavaxtuciv' . . . cT/y —
76 wJf <f^ fAv&4ofiai,
H 171 xAiJpy vvv nenaXccad-e dutLtniqig' og xe laxi^iv — (sc /Jj^^/r«.)
HSlb xal J^ TocF* iini^ivai, nvxtvov J^nog' atx^ f&iXcjaiv
navaaad-ai, noX^fjioto cFi-aij/^of, dasselbe i/394.
S 340 /(7//a T€ ylovTovg t€ |j khaaofxtvov t€ 6oxevei, wo sämmtlicho
Accusative von ^oxevet abhängen sollen.
/ 129 Ataßi^ag, «V, ort A^aßov h'xxiu4vriv llfVy avrog \\
iUXofjLTjv, dasselbe / 271.
/ 197 /«/^eTov*^ (f>{lot ävdQig Ixdvtrov, ^ r» fxdla /^€ai,
/ 520 ttv6 Qag 6h Xiaaead-cu Iningoirixtv, dqlaxovg \
XQtvd/nevog xard Xaov l^xauxoVf
I 525 i^Qtoonf • ÖTB xiv r*y Ini^^ifiXog xoXog txoi,
6(OQi\To( Tt niXovTO TtaQdQQTiTol r' in^taaiv.
Man vergleiche noch K 100, 356, 418, 482, ^ 658, 669, 789, 817, M 49.
333, 438.
Der Druck ist correct: Druckfehler sind uns im ganzen nur wenige
aufgefallen, so ^ 342 oXo jai f. oXoijai; 430 (not.) ij t rj; B 214 (n.)
ifi^anCtag f. ififian^tog; 278 Wvaaevg f. V^vaatvg; E 5 (n.) v. 508 f.
Z 508; 370 (n.) Vcnere natu f. Venere nata; 845 iudog f. ^AiSog; Z 222
(n.) 216 f. 222; 329 rod f. rocF'; H 109 ovdi tI as f. ov 6i r* ai, vgl.
not. sie flcripsi pro ov6i x( ae xQn ; 348 (not.) 348 f 339 {nvXag); 1 378 (n.)
* 312 f. (»312; ui 211 £xTü)(> f. "ExTtoQ; 697 (n.) correptio f. productio.
Wir scheiden von diesem Buche, wobei wir den Wunsch nicht unterdrücken
können, dass es der von uns persönlich gekannte und hochgeschätzte Her-
ausgeber lieber nicht veröffentlicht hätte — denn zu seinen groXisen Ver-
diensten um Homer hat er dadurch kein neues hinzugefügt.
nag av tnm^ ^O^vafjog iyto &€toio Xad-ot/nriv;
3. Einundzwanzigstes und zweiundzwanzigstes Buch
der llias. Nach Handschriften und den Scholien herausgegeben von
Carl Aug. Julius Hoff mann. 1. Abtheilung Prolegomena. IX u. 315 S.
2. Abtheilg. Text und Varianten. 102 S. Clausthal, Grosse, 1864. —
2 Thlr.
Herr Director Hoffmann .hat bei der vorliegenden Ausgabe einen
doppelten Zweck vor Augen gehabt: erstens wollte er jungen Philologen
einen Ueberblick über dasjenige geben, was in der niederen Kritik bei
Homer in Frage kommt; andemtheils wollte er damit einen Beitrag xa
einer kritischen Ausgabe der llias liefern. Diesen doppelten Zweck hat der
Herausgeber unseres Erachtens vollkommen erreicht, denn er hat den Be-
weis praktisch geliefert, dass trotz der grofsen Verdienste eines F. A. Wolf
und Im. Bekker um die Homerische Texteskritik noch gar manches rar
Reinigung und Sichcrstelluag des Textes geschehen kann und hat sich nicht
\AoCs jüngere Philologen, sondern auch Kenner Homers zu grofsem Danke
verpflichtet, denn es enthalten namentlich die Prolegomena so viel in-
Hoffmann, 21. a. 22. Buch der Rias, ang. y. J, La Roche. 271
teressantes und lehrreiches, dass sie niemand unbefriedigt aus der Hand
legen wird. Die Prolegomena zerfallen in vier Abschnitte, deren drei erste
die Handschriften und der letzte die Scholien zu 4> und X behandeln.
Handschriften hat Hoffmann acht benützt, darunter einige der besten: es
sind der Syrische Palimpsest, die beiden Veneti (A und B), zwei Lauren-
tianiy zwei Yindobonenses (5 und 117) und der Lipsiensis, von diesen sind
die beiden Laurentiani bisher nicht bekannt gewesen. Das handschriftliche
Material ist vollkommen ausreichend, denn es kommt nicht darauf an eine
wie gro/se Anzahl von Handschriften, sondern wie dieselben benützt
worden sind, und wenn Heyne sein handschiiftliches Material zu ver-
werthen gewusst hätte, so bedürften wir wahrscheinlich nicht so dringend
einer neuen kritischen Ausgabe der Ilias. S. 3—55 erhalten wir eine detail-
lierte Beschreibung der einzelnen Handschriften, nach 17 verschiedenen
Gesichtspuncten (Aeufseres, Accentuation, v i(f€lxvanx6v, Gemination, Zu-
sammenschreibung und Trennung, Jota subscriptum, Elision, Apokope etc.),
wodurch allein eine richtige Beurtheilung derselben ermöglicht wird. Im
zweiten Abschnitte S. 59—86 werden die einzelnen Handschriften classi-
ficiert: es werden daselbst zusammengruppiert Lipsiensis und Vindob. 5,
der Laurentianus A und der Venetus B und als Mittelglieder zwischen
beiden Gruppen der Laurentianus B und der Vindob. 117. Für sich allein
stehen der Syrische Palimpsest und der Venetus A, doch steht ersterer
der Florentiner Gruppe (Laur. A. u. Ven. B) ziemlich nahe, während der
Yenetns A dem Laur. A näher steht als dem Ven. B. Der dritte Abschnitt
8. 89 — 186 behandelt in systematischer Zusammenstellung die Interpunc-
tion, ZnsammenschreibuDg und Trennung, Dialektisches und endlich die
Aooentoation in den Handschriften. Der vierte Abschnitt S. 139 — 315, der
bedeutendste und umfangreichste des ganzen Buches, behandelt die zu den
beiden Büchern überlieferten Scholien. Es würde zu weit fuhren, wenn wir
uns über alle diese Einzelheiten verbreiten wollten: wir rathen jedem, das
Buch selbst durchzustudieren, das keiner, der sich mit Homer beschäftigt,
unbeachtet lassen kann, und wollen nur einzelnes hervorheben, was wir an
diesem Buche niöht etwa auszustellen haben, denn das ist äußerst wenig,
sondern was wir noch gerne hinzugefügt gesehen hätten. Der Hr. Verfasser
möge uns nicht misverstehen , denn wir gehören nicht zu denen, die von
einem Buche das fordern, was nicht zu leisten beabsichtigt war, sondern
wir benrtheilen das gegebene, und wenn wir glauben, noch etwas hinzu-
fügen zu müssCT, so ist das kein Vorwurf für den Verfasser, sondern ge-
lehieht im Interesse derer, die das Buch benützen.
Einen Vorwurf müssen wir aber dem Hm. Director Hoffmann doch
machen, es ist der einer übergroften Bescheidenheit, die sein Buch in
einem Theil beeinträchtigte. Als uns nämlich Herr H. ersuchte, ihm eine
genaue Abschrift der Zwischenscholien des Ven. A zu übersenden, glaubten
ivir, es handle sich nur um eine kritische Ausgabe der beiden Bücher der
lüaf , wozu diese Scholien allerdings nicht entbehrt werden können. Von
dem Plan des ganzen Buches und namentlich von dem Umstände, dass
dam diese werthvollen Prolegomena gefügt werden sollten und eine genaue
Beschreibung der Handschriften gegeben werden sollte, hatten wir keine
19*
fn Hofftnanti, 21. u. 22. Buch der Ilias, ang. t. /. La Bodte.
Ahnung, wir hätten sonst Hm. H. ein sehr schätzbares Material liefern
können, namentlich in so weit es die beste aller Handschriften, den Yen. A
betrifft. Denn dass dieser bei H. gegen die übrigen Handschriften zu knrs
gekommen ist, wird jedem auffallen. Als wir im Jahre 1861 den Ven. A
collationicrten, wollten wir denselben mit allen seinen Eigenthümlichkeiten,
natürlich ohne die Schollen , Buchstabe für Buchstabe abdrucken lassen
und richteten danach unsere Collation ein. Allein dieser Plan stieili aof
unüberwindliche (besonders technische) Schwierigkeiten, deshalb standen
wir davon ab und veröffentlichten bloft die bekannte Schrift „Text, Zeichen
und Schollen des Yenetus A**^ wobei die Interpunction und einiges andere
gar nicht berücksichtigt werden konnte. Wir haben aber jede Diastole,
jedes v(f>iv, jeden Punct und jeden Accent, wie er sich in der Handschrift
findet, in unserem Exemplar verzeichnet und damit lässt sich noeh man-
ches för die Kritik und Erklärung leisten. Wir hätten mit Yeignügen
unsere Collation Hm. H. übersendet oder ihm eine Abschrift davon ge-
geben — nun ist es nicht mehr möglich, deshalb wollen wir im folgen-
den einiges nachtragen, damit der Yenet. A den anderen Handschriften
nicht nachstehe.
In unserer Schrift über den Yen. A haben wir die Abweichungen
der Schreibung von der vierten Auflage der Dindorf sehen Ausgabe ange-
geben: wo keine Abweichungen angegeben sind, stimmt die Handschrift
mit der Dind. Ausgabe tiberein, aber nicht mit Bekker, wenn derselbe Ton
Dindorf abweicht, was öfters überselien ist. Deshalb hat die Handschrift
X 109 xttTttXTiCvavra, nicht xKraxT^havTi (vgl. S. 109 und 182), * 279
h(}a(f\ nicht honq" (S. 19G), * 110 iaavuivtag, nicht aanaaCtag (S. 16i
und 172); kleinere Abweichungen, wie z. B. das fast nie betonte demon-
strative (og und das apocopierte hq vor vocalisch anlautenden Wörtern, sind
absichtlich übergangen.
S. 14 heifst es bei H., „dagegen wird vielleicht noch einmal m
prüfen sein, ob nicht manche Diastole als wirkliches Interpunctionszeichen
anzusehen ist: unter den von La Roche angeführten Fällen haben wir
allerdings nichts der Art bemerkt." Eine nochmalige Prüfung dieser Sache
ist nicht nöthig, denn die Diastole findet sich sehr häufig als Interpunc-
tionszeichen, wir haben aber absichtlich nur solche Fälle angeführt, wo
die Diastole Trennungszeichen ist, wie ^/*. vi^^vfjog u. ä. S. 14. „Wann
am Yersende der Acutus steht, ist von La Roche nicht angegeben.** S. 1B2
„Ueber den Ya gibt uns die Collation von La Roche keine genügende
Auskunft." ~ Wir wollen diese Auskunft für die beiden Bücher * und X
geben und auch die jedesmaligen Interpunctionszeichen am Yersachloase
sufhgen.
* 2 Zevg, — 7 cf^ — 20 dnxrjg — 29 vfßgovg' — 35 arrog —
89 axMivg' — 49 dx^XXfvg, — 51 It^Qtag — 64 TfO^rjTtbjg. — 67 dxüiXtv^
— 76 (IxT^v — 83 naTQl, — 91 JovqC- — 97 vtog — 110 x^ariuii' —
116 oiv, — 122 üJTfiXrjv — 152 vfog' — 159 (f^ai — 161 «xMev^ —
162 ufjL(f)kg — 164 StanQo — 166 ;^f*oof — 198 xfQawov, — 205 /tt^to-
xo^vardg, — 211 d^illivg, — 215 avrol' — 222 «jjftJUfiJf — 226 tov —
229 ßovldg - 235 vixQovg — 236 dx^Uw' — 243 x^Q^^^ — ^^ ^^^ —
HoffmoM», 21. a. 22. Buch der Uias, ang. «r. /. La Boche 87S
251 ^^ft»i)y. — 254 ;^«Axof — 255 Uaad^iXg — 265 a/aAfi)? — 272 ivqvv'
^ 282 avtpoQßov, — 289 «///ir — 292 avTog' — 299 ^(^«r/i^ — 318 a«5-
fojr — 320 «j^ttiol — 322 ;re«<*' — 330 vlov — 331 y«^ — 333 noXXnv,
— 340 cTj) — 343 vexQovg — 344 d/iXltus' — 346 aXfoiriv — 348 vexQovg
— 359 dxiXXivi — 366 ttiir/Lirj — 378 viov — 387 ;^^cüV — 388 Civg —
401 xiQawog' — 413 d/aiovg — 415 tfauvta' — 428 oiQoyyol — 437 äfia-
Xnrl — 442 dfxipl — 444 tvcaifTov — 483 ywcn^l — 492 oiaroi- — 498
yctQ — 511 xtXtt^tiv^' — 515 iQrjV — 520 d/^XX^vg — 528 tlXxri — 530
jtvXataQovg' — 531 Xaol — 532 d/tXXevg — 547 avTog — 552 &v/li6v' —
562 S^vfjiog' — 586 etf^h' — 600 iocxtog — 608 ixrog —
Der Gravis steht, wenn, am Versschlusse keine Interpunction gesetzt
ist, 80 X 3, 16, 27, 77, 115, 131, 141, 147, 149, 172, 197, 244, 268, 312,
319, 335, 365, 370, 408, 438, 455, 505; femer vor der Diastole X 1, 90,
376, 418; vor dem Punct unten X 33, 94, 116, 205, 229, 262, 306, 310,
318, 323, 353, 500, ausnahmsweise der Acut X 102, 138, 327, 375. Der
Acut steht regelmäfsig vor dem Punct oben X 14, 37, 55, 69, 107, 122,
137, 182, 188, 198, 225, 227, 260, 267, 269, 292, 311, 3l6. 326, 330, 336,
344, 357, 364, 385, 428, 448, 501, 507 , ausnahmsweise der Gravis X 87.
Diese seltenen Ausnahmen beruhen auf einem Versehen des Abschreibers
lud ein festes Princip lasst sich hierbei nicht verkennen. Auch in der
Mitte des Verses ist dasselbe Princip zur Anwendung gebracht. ^ 407
(8. 17) hat der Ven. A ausnahmsweise t{rj, nicht ri rj. Das schliefslich
(& 85) über die Handschriften gegebene Urtheil, dass sie sämmtlich zu
den Moivalg gehören und wir in keiner derselben die Aristarchische Recen-
don haben, ist richtig und gilt nicht nur für diese, sondern überhaupt für
alle Homerhandschriften.
Was die Interpunction des Venetus betrifft, so dient die Diastole
vorwiegend zur Trennung von Wörtern, die grammatisch oder dem Sinne
Baeh nicht zusammen gehören, der Punct oben ist die stärkere Interpunc-
tion und vertritt auch die Parenthese und das Fragezeichen, der Punct
anten ist die schwächere Interpunction, weshalb davor auch der Gravis
mid nicht der Acut steht: er vertritt sowol unser Kolon, als das Komma,
i B. y 127
arifi^Qov' varfQov avrs tu mCffeTm. claaa ol alaa
yuvofiivt^, in^pijae XCvtp, oje /uiv t^x€ /lh^ti^q-
Nach Vocativen wird in der Regel keine Interpunction gesetzt, doch ist hier
and da davon abgewichen, so in der Regel, wenn die Anrede voransteht,
wie * 99, 288, 448, 462, X 229, 233, 239, 261, 331. u. o. Nach cS ttotto*
X 168, 297 steht das Kolon. <P 150 ist im Ven. A interpungiert r^g n6&€V
i»f, äv^Qwy. [6 fAtv trXrig dvT(og iX&eiv Wir wollen noch eine gröXisere
Stelle mit der vollständigen Interpunction hinschreiben 4> 99 — 113
vr^n^' fXTI fioi änot^va TiKfavaxeo. fxrid* dyoqive
100 nqlv f^kv yd() 7idT()oxXov im annv alatftov ijftocQ.
TQtaonf xal noXXovg Cf^ovg tXov, 17 cF' IniQaaa'
vvv <r* ovx (ad-* oang d-dvazov (fvytii, ovxt ^togyt
iXiov TfQondgo^iv ifAW iv X^QOl ßdXfiuSi'
874 Hoffmann, 21. u. 22. Bach der Uias, ang. t. /. La Bocke.
105 xol TTavTtav TQ(o(av. ne^i^* al n^taf^otoye naC^tov*
ttlXa, (pdog, d-avs xal av' ri rj 6Xo(pvQBat ovTfog'
xard-avi xal nargoxlog. Stibq aio noXXov dfiitvttv'
ovx OQuaigf olog xay<ü xaXogre. /Lifyasre'
naiQog <f* *?a' dyad-olo' d-tä 6ifjif. ysCvaro /iiiri;^*
110 dX)^ knl TOI xal i/nol (idvaiog xal juoiQa x^aTtui^'
taamu ri i^ojg, rj ^((Xrig. tj /u^aov rjf^ccQ,
onnotirirg xal ifXHOf aQrjt ix &vjli6v l^XrjTtu,
^ oye (fovQl ßaX(0Vf Ij diro vevQrjtftv o'iaTtii'
Mit Vb hat der Va die Diastole gemein * 23, 80, 120, 487, X 1, 47, 872,
dagegen hat er dieselbe 4>64 nach ^it^e, <j^362 mit Vc nach C^r, ^ 112'
nach f/nfto, und hat das Kolon, wo der Vb die Diastole hat X 52, 61,
146, 362, ebenso X 292, 456, femer die Diastole mit Lp zu X 68, 70,
113, dagegen fehlt X 97 jedes Unterscheidungszeichen. So viel zum Be-
weis, dass auch in dieser Beziehung der Yen. A jede andere Handschrift
übertrifft.
Zu dem vorzüglichsten in dem ganzen Buche Hotoann's rechnen
wir den Abschnitt über die Scholien: was dort über die ZwischenschoUen
und ihre Bedeutung für die Texteskritik gesagt ist, ist richtig und dies
ist um so mehr anzuerkennen, als Hm. H. nur die ZwischenschoUen ni
^ und X vollständig zu Gebote standen. Wir werden in kurzer Zeit die
Sache ausführlicher behandeln als es hier möglich war und können uns in
Bücksicht darauf kurz fassen. Athetesen (S. 140) werden in den Zwischen*
scholien selten erwähnt: B 669, J 149, 9 164, 189, 370, / 23, 416, M360,
8 307, O 56, 147, 231, /7 140, 261. Aus Herodian und Nicanor finden sieh
in den ZwischenschoUen nur wenige Bemerkungen (S. 140), der Name
Herodians kommt nur vor ^ 41, J5 330, J 308, E 118, 909, Z 266,
H 171, / 203, X 546, ^ 754, H 241, 249, P 110, V' 137, öfters in Ver-
bindung mit Aristarch, selten kommen andere Namen in den Zwischen-
schoUen vor. Der Strich hinter ovt(o atfs^av <P 542 (S. 153) ist kein Accent,
sondem eine nur hier nachlassig bezeichnete Abkürzung der Endung oir,
denn dass atfe^avcüv auch im Zwischenscholion zu lesen ist, ist aus oürm
ersichtUch, welches auf den Text zurückweist, und in diesem steht deut-
Uch atfidavtav und so schrieb auch Aristarch. X 129 (S. 164) steht in
dem Zwischenscholium deutlich h aXXt^: wo dieses abgekürzt erscheint,
haben wir es in unserer CoUation immer genau bezeichnet; überhaupt findet
sich kein mit h (iXXoig beginnendes Scholium unter den ZwischenschoUen.
üeber die mit ^ix^g beginnenden Scholien gibt Hoffmann eine aus-
fÜhrUche Erörterang S. 177—187, die namentlich gegen unsere Did. S. 6
aufgesteUte Ansicht gerichtet ist. Wir haben die Sache nochmals einer bis
in's kleinste gehenden Prüfung unterworfen, schon ehe uns die Prolego-
mena von Hoffmann vorlagen, und weichen auch jetzt noch von unserer
Annahme nicht im geringsten ab. Wir wollen hier nur die Resultate
unserer Untersuchung geben, um nicht später noch einmal den ganzen
Beweis wiederholen zu müssen. Dass dem Didymus nur der allergeringste
Theil des kritischen Apparates der Alexandriner zu Gebote stand, lisst
Heffmannf 21. n. 22. Buch der llias, ang. t. J, La Boche. 275
rieh ans ihm selbst zur Evidenz beweisen: er hatte von den älteren Aus-
gaben gar keine Kenntnis, aufser aus den Schriften Aristarchs und seiner
SchtQer, ebenso wenig kannte er die beiden Becensionen des Aristarch,
wir meinen die eigenen Exemplare Aristarchs (die beiden ^lOQ^toaivg
jigiaraQxov) , ihm standen blofs ix^oaetg liQiaraQxoVf al liQiajttQ^ov zu
Gebote, das sind Exemplare der Aristarchischen Kecension, die wahrschein-
lich von Aristarcheem herstammten und theils nach der ersten, theils nach
der zweiten Aristarchischen Recension copiert, auch wol nach den Com-
mentaren des Meisters stellenweise verbessert sein mochten. Wo Didymus
die MQa toh HgiffTttg/flün' anführte, hat er aus den Schriften der Ari-
starcheer seine Kenntnis geschöpft, darunter vor allem aus der bekannten
Schrift des Ammonius mgl rrjg iTKx^od-etaijg ^toQ&waecjg. Das mehrmals
bei Didymus vorkommende ^iiillaTTov al Hqiotuqxov bezieht sich auf die
Verschiedenheit der Exemplare der Aristarchischen Recension: dafür nur
gebraucht Didymus bei weitem häufiger sein cFi/cü^ *AQ(aTttQxog und ent-
sprechend dem ouTbjg l4Q(aTaQxog und dem blofsen ovnog auch das bloflie
cfijfoiff, wozu man HQ^arao/og oder al ^AQvardQxov zu ergänzen hat. (fe/wf
bezieht sich auf keinen anderen Grammatiker als auf Aristarch, 6ixoig hat
nirgends die Bedeutung von „unentschieden** und in keinem einzigen
Falle lasst sich beweisen, dass wo von einem di/oig in den Schollen die
Rede ist, eine der beiden Schreibweisen nicht die Aristarchische gewesen
sei, wol aber das umgekehrte. 6tx^g vnrd aber auch ein paarmal gebraucht,
wo es sich um die Prosodie handelt; diese Fälle sind auszuschlief^en, denn
hier kommt nur dasjenige Stxoig in Betracht, womit uns zwei verschiedene
Lesarten angeführt werden; die mit 6ix^g beginnenden Schollen der an-
deren Handschriften verdienen, wo sie von den Schol. A abweichen, gar
keinen Glauben. Das ist in kurzem unser Urtheil über die Schollen mit
(ff/ofc, welches wir uns auf Grund sorgfältiger Untersuchungen gebildet
haben. Wir hofi'en, noch im Verlauf dieses Jahres eine Schrift über die
Homerische Textkritik veröffentlichen zu können, in der wir dasselbe be-
gründen werden. SchlicX^lich wollen wir noch erwähnen, doss auch Aristo-
nicus (S. 192) keine genaue Kenntnis der Aristarchischen Lesarten hatte,
80 wenig in^ Didymus, und dass er die Ausgabe Zenodots nicht gehabt
bat (S. 198), was schon Pluygers im Leydener Programm vom Jahre 1843
nachgewiesen hat. Auf die von Hoffmann gegebene Textesrecension wollen
wir uns hier nicht einlassen und nur kurz anführen, dass sie eine sehr
gründliche und sorgfältige ist und fast überall unsere Zustimmung ge-
fiinden hat Die Vergleichung des Textes zweier Bücher (1126 Verse) mit
dem der Bekker'schen Ausgabe erfordert nicht sehr viele Mühe, so dass
wir sie dem Leser überlassen können. Wo von Bekker abgewichen ist, wird
man finden, dass es nicht ohne Grund geschehen ist. Dass dieses Buch in
uns das Bedauern zurücklässt, dass uns nur eine Recension zweier Bücher
der Hias nnd nicht die eines gröfseren Theiles derselben, wenn schon nicht
die der ganzen geboten ist, wollen wir nicht verschweigen. Möge Hr. Dir.
Hoflinann noch Zeit und Kraft finden, uns den gewiss von allen getheilten
Wünsch zu erfüllen, wenigstens noch einige Bücher der Hias in dieser
Weise zu bearbeiten. Wir sind indiscret genug zu verrathen, dass wir
270 C. F, V. Nägelabach, AnmerkuDgeu z. llian, ang. ▼. /. La Boche.
noch eine kritische Bearbeitung der beiden letzten Bücher der Utas n
erwarten haben.
^vv ttv Tovg äXXovg Inulaofiaif ov x€ xix^Cto.
4 Carl Friedr. v. Nägelsbach's Anmerkungen zur Ilias.
Dritte vielfach vermehrte Auflage, bearbeitet von Dr. Georg Auten-
rieth. XXll u. 474 ö. Nürnberg, Geiger, 1864. — 4 fl. 50 kr.
Das schon in seiner zweiten Auflage (18Ö0) vortreffliche Buch hat
durch die neue Bearbeitung von Autenrieth noch bedeutend gewonnen, ui»
dem die neueren Leistungen, die an und für sich schon wegen ihres Um-
fanges schwer zu übersehen sind, mit anerkennenswerther Sorgfalt benfltrt
und verarbeitet und theilwcise auch durch eigene Zuthaten nicht nner^
heblich bereichert sind. Hr. A. zeigt in grammatischen Dingen gründliche
Kenntnis und ein gediegenes Urtheil, und was dem Buche am meisten la
statten gekommen ist, ist die stete Bücksich tnahme auf die etjmologi-
iKjhen Forschungen der Neuzeit Wir könnten damit unsere Anzeige schon
Bchliefsen, wenn wir uns nicht vorgenommen hätten auf einzelne Puncte
naher einzugehen und darunter auch einiges hervorzuheben, wo wir an«
derer Ansicht sind.
Per Plan ist derselbe geblieben, wie in der zweiten Auflage, daa
war auch nicht anders möglich, wenn das Buch überhaupt noch die An-
merkungen Nägelsbach*s enthalten sollte. Den Fragen der höheren Kritik
war seit jeher in diesen Anmerkungen eine bedeutende Stelle eingeräumt
und Hr. A. hatte wohl daran gethan diese- Erörterungen nicht noch um
ein bedeutendes zu vermehren, wie es bei gehöriger Berücksichtigung der
neueren Literatur hätte geschehen müssen: er hat, um den Umfang dei
Buches nicht allzu sehr zu vergröfiseni , ein näheres Eingehen auf diese
wirklich brennende Frage vermieden und in Kürze auf die neueren Lei«
stungen verwiesen. Wir gestehen offen, dass uns die rein subjective Be«
handlung dieser Frage in den Nägelsbach'schen Anmerkungen gar nicht
zusagt } so lange die Homerische Frage nicht entgiltig entschieden ist, ist
jeder Standpunct parteiisch, und da wir es hier mit keiner Parteischrift
SU thun haben sollen, so dürfte mehr als ein rein objectives Referat
der verschiedenen Ansichten in diesem Buche nicht gegeben werden: es
war ja nach der Idee des verstorbenen Verfassers hauptsächlich zum Ge-
brauche für angehende Philologen und jüngere Lehrer bestimmt. Dieser
Tadel trifft auch die Ausgabe Fäsi's, während Ameis mit richtigem Tact
eine Erörterung dieser Frage vermieden hat.
Der diesen Anmerkungen zu Grunde gelegte Text ist der ältoe
Bekker'sche: die neuere Ausgabe Bekker*s ist wenig berücksichtigt und
überhaupt auf die Textkritik kein zu bedeutendes Gewicht gelegt — und
das mit Recht, denn diese Anmerkungen, als Hilfsbuoh für das Verständnis
des Dichters, haben es ja eigentlich nur mit der Erklärung zu thun. Wäre
dies nicht der Fall, so hätte z. B. ^ 8 die bestbeglaubigte Schreibweiae
tag ihre Berücksichtigung finden müssen, während r* äg in den Anmer>
kungen erklärt ist. Wo auf die Kritik Bezug genommen ist, können wir
C. F. V, Nägelsbachj Anmerkungen z. Uias, ang. v. /. La Boche. 211
uns duichaus nicht mit allem einverstanden erklaren : so wird z. B. A W2
gegen die Trennung von svqv xQiforv polemisiert und bemerkt, auf die
Handschriften sei in solchen Dingen nicht das mindeste zu geben, auch
lü A 119 heLTst es, dass in solchen Fragen auf die Handschriften nicht
in hauen seL Wir erlauben uns die Frage, worauf denn sonst etwas zu
geben sei, wenn jede weitere Ueberlieforung mangelt? Aristarch scheint
allerdings ivQvxQtltav als Syntheton geschrieben zu haben, die Analogie
aber fordert die Trennung, ebenso wie in xa^ri xo/notovTfg, welches zu B 11
empfohlen wird und in ßccQv aTiviixfov, welches gar keine Zusammen-
schreibnng zulässt, während ^ax^v/^av noch yertheidigt werden kann.
Die Handschriften schwanken, der YenetusA trennt meistens, aber unsere
Avsgaben schreiben schon seit der Florentina mit wenigen Ausnahmen zu-
Hunmen und solcher Erbfehler, die sich seit der Florentina in unseren
Homerischen Ausgaben Bürgerrecht erworben haben, werden noch manche
n tilgen sein, ehe wir einen gereinigten Text der Homerischen Gedichte
bekommen werden. Dagegen wird B 468 mit Eayser die Schreibweise //^o-
/Atti und y(vtoaxfa als die bestbegiaubigte herzustellen vorgeschlagen, auch
nur auf Grund der Handschriften, auf die man dann in diesem Puncte
etwas geben soll. Der Text der xo^val ist allerdings leicht herzustellen,
da schreibe man aber auch iiXxm»^ ttaxrixuy no^iSaXcg, tj^ttf xdxnvog,
u^€ulßs o. a. Entweder sind die Handschriften zuverlässig oder nicht —
dass sie aber nur in manchen Fällen zuverlässig sein sollen, in anderen
wieder nicht» ist Willkür. Für die Orthographie muss überhaupt noch viel
geschehen: dass dies auf Grundlage der Handschriften möglich ist, dafür
sprechen Schreibweisen, wie ijifl ^, «ttTf, otxov Je, cF/uy»}, TQ(f)i], ci&goog,
TU (dann), eig und etg, nicht £?;, h'&a xtv, die sich aus den Schriften
der alten Grammatiker als die zur Zeit der Alexandriner üblichen noch
erweisen lassen. Der Bemerkung zu A 107, dass die Notiz des Didymus
aus einem anderen Codex in den Ven. A gekommen sei, worin oire — ovre
gestanden haben soll, können wir nicht beistimmen : ovTayg in den Scholien
des Yen. A steht in der engsten Beziehung zum Texte desselben , es ist
überhaupt die Frage, ob das ovriog von Didymus ist und nicht von dem
librariuB, denn es fehlt jedesmal (mit ungemein seltenen Ausnahmen), wenn
im Texte eine andere Lesart steht. Yiel eher ist anzunehmen, dass das
ouTt im Scholion auf einem Irrthum beruht, so hat auch Schol. BL Y ro
owfi dl^ Uyofxevov. Wir haben auch guten Grund zu bezweifeln, dass
der librarius des Yen. A seine Scholien aus einem anderen älteren Codex
der nias genommen habe. Die Schreibweise TlriUldfi iO^eXe A211 können
wir nicht gutheifsen, der Grund, dass ^iXo) nicht homerisch sei, ist nicht
stichhaltig; Aristarch hat es zwar behauptet und auch überall i&^X(o ge-
sdirieben, sogar örr * i&^Xoav — es kommt nur darauf an, ob man es ihm
glaubt, und wir sind so &ei mit J. Bekker es ihm nicht zu glauben. Dass
Aristarch A 314 Xvfiaja ßaXXov geschrieben oder belassen habe, lässt sich
nicht beweisen und ist nicht einmal wahrscheinlich, denn er zog am Vers-
ende Trochäus und Bacchius vor und liefs blofs bei viersilbigen Formen,
wie ifpiXfjaa, inaaavto, das Augment fallen. Die Bemerkung des Schol. BL
'/fww di ioTt t6 fläXXov x«ia aTtoxoniiv kann nicht auf Didymus zurück-
278 C. F, v. Nägelsbadi, Anmerkungen z. Ilias, ang. t. /. La Bodte.
geführt werden, sondern ist späteren Ursprunges. Der Venet. A hat mft
anderen Handschriften Xv^ar' tßaXXov und so schrieb Bekker mit Recht
Dass Aristarch A 424 xara Saira geschrieben hat, wird ganz deutlich in
dem Zwischenscholium l4.Q(öTaQxog xara daTra gesagt, die Lesart ^;r)
Sttixa, die Schol. L dem Aristarch zuschreibt, beruht auf einem Misver-
standnis der Erklärung Aristarchs ^ro ^k xara daUa dvil tov Inl daira^
und neben xara existierte nur noch die Lesart /nera, die man dem Zenodoi
zuschreibt, weil in der Tabula lliacA Parisiensis inerd daTxa (die xo»n)
ttvciyvtaaig) steht. Erweisen lässt es sich nicht, wer die mo* waren, die
nach Didjmus furd schrieben: wäre es Zenodot gewesen, so hatten wir
im Venetus wahrscheinlich die Diple periestigmene. B 1 schrieb Zenodoi
nicht älkoi, sondern tokXoi^ und B 36 lässt sich nicht nachweisen, ob die
Aristarchische Schreibweise i/jfXXov oder der Singular If/nfXXi, welchen
Schol. L dem Zenodot zuschreibt, besser begründet sei: man ist aber ge-
wohnt dem Zenodot jede mögliche Willkür zuzuschreiben, daher mnss er
geändert und die Sprache des Sängers in die Grammatik seiner Zeit ge-
zwängt haben. Warum blofs o =» ovrog, und nicht auch ot und at — ovro«,
avTcei betont werden sollen (B 85), vermögen wir nicht einzusehen, leider
fehlt es uns darüber an Zeugnissen, aber in den Handschriften werden die
Demonstrative o, ?, ol', «r bald betont, bald nicht.
Was unsere CoUation des Venetus betrifft, so scheint ihr Herr A.
keinen rechten Glauben beizumessen: dagegen haben wir auch nicht das
mindeste einzuwenden, denn es muss jedermann freistehen zu glauben, was
und wem er will. Dagegen aber müssen wir protestieren, dass man uns
die Angaben bei Bekker, Spitzner und Lange entgegenhält, von denen
keiner den Venetus collationiert hat: der einzige von den dreien, der die
Handschrift in Händen gehabt hat, Bekker, hat nur das erste Buch ver-
glichen (Rom. Bl. S. 297), und wo sie Lesarten aus dem Venetus A an-
führen, haben sie dieselben nach der Villoisson'schen Ausgabe citiert; diese
ist aber kein Abdruck des Ven. A, sondern eine eklektische Ausgabe. Das
ist zwar manchen bekannt, scheint aber noch nicht allgemein geglaubt zu
werden. Abgesehen von orthographischen Dingen, z. B. rib InaXXriXoiaiv
(nicht In" nXXrjXoioiv, wie Vill.), r 61 vnctv^Qog, 72, 93 ofxftcT* 110 ^«-
ta/LiffOTiQOKn, 151 olVf, 160 ^i) J\ 178 fv()v XQtian', 180 ffTror', 220 «5-
TO)?, 279 0Ttgx\ 400 tiqot^qo), 405 rovvsxa, 414 fxi&iCmy J 88 i(pevQo$f
E 514 u(.r VffTttTo, 598 ar^iri, 832 nQmrjv, wo der Vill. Text überall
von dem des Venetus A abweicht, und von den fehlenden Aocenten wollen
wir nur folgendes bemerken. Wo der Venetus zwei Lesarten hat, hatVil-
loisson immer nur eine , und zwar die von erster Hand r 99 [TtiTroad^e),
295 (utpvaad/jivot), 270 {^xtvuv), 262 (ßija(To) und so meistens; doch
auch die von zweiter Hand, wie ^ 542 (aiV«o), E 216 {SutxXaaaag), 697
dfATTvvvd-ri. Wirkliche Versehen und Irrthümer im Texte der Handschrift
hat Villoisson sehr oft in seinen Text aufgenomm<*n , doch ist dies nicht
tiberall der Fall, wie z. B. r2ö9 Mqoi,^ (httiQoig), E 365 tßcav^v 417 <fi
X^Iq, 390 igt4€(M, 450 «, 466 €ia6x\ 489 IxiriQaovaiVy 537, wo dov^X
fehlt, 706 TQrJxov t6vt\ 782 tiXotfifvot, 783 ot' xaXanaSvov, Wesentlich
andere Lesarten als im Venetus haben wir bei Vill. nicht gefunden, doch
C F. V. NägeUibaeh, Anmerkimgen z. llias, aog. y. /. La Roche, 870
einiefaie immerhin erhebliche Abweichungen , wie 6t€ iqX&ov f&r ortr*
nl^or r 189, yiyvnat, f. yiCv^rtu J 245, xijJf« £ 156 f. xn^i'i, E 352
dTrtßfjaoTo t djreßi^aito, E 375 (piXo/tifietörig f. (fiXo/uftSrig, E 498 o^cf*
kpopfid-sv f. oiW (f-oßrj&ev, E 572 ^«fe Jyo f. fJ« Jüw, ^ 900 naaaont f.
nracracr. Die Verse £ 438 und 439, die im Ven. A fehlen, stehen bei
YilloiBson und E 783, 784 stehen bei ihm in derselben Ordnung wie wir
ne in unseren Ausgaben lesen ^ im Venetus aber in umgekehrter. Die
Schreibfehler ^vq^tiv r 364 und aiurjvfv ^ 129 stehen im Venetus nicht.
Diese Collation, wenn man sie noch so nennen darf, will man der unsrigen
gegenüberstellen ! Nun zur Sache. Zu B 137 ist bemerkt „nach La Boche
TZS. S. 33 könnte es scheinen, als ob im cod. Ven. noTiS^y^tvai stünde
(was ein CoUator am Rande dort auch verlangte); doch steht dem Spitz-
ner*8 and Lange's Angabe entgegen. ** Vill. hat allerdings nQoriSeyftevai
und es steht jedem frei zu glauben, dass auch der Ven. so hat: auch in
dem Zwischenscholium (von keinem Collator) steht nottdiy^svat — wozu
soll das ^ auch dienen? Zu r 12 helDst es, „die Trennung l7i\ levaast
hat schon cod. Ven. , wenn La Roche TZS. S. 35 recht berichtet.** Wir
haben aber darüber gar nichts zu berichten gehabt, denn der Venetus hat,
wie Dindorf, inilfvaaei, und der ganze Vers lautet in der Handschrift
Toaaov tCot^ intUvaaei' oaovr' intlaav trjaiv. B 28 „der Venetus hat
<f' ix€lev€ nach Lange und Bekker, nach La Roche TZS. aber a' ixiXfvat,^
Der Venetus hat weder a* fxtkeve noch xaQtixofxowvrag , so hat Villois-
son, und B 95 hat der Venetus auch nicht cf' iarfva/CCiro , sondern <fl
In Betreff der Erklärung haben wir nur sehr wenig zu bemerken:
A 8 verbinden wir ^qi^i mit jutixfaO^at, nicht mit ^wirixe, weil wir im
Homer bisher noch keinen Dativ des Zieles in der Weise gefunden haben,
denn x^^Q mdli^ nia^ ist Dativ der Annäherung, vgl. Zeitschr. f. österr.
Gymn. 1864, S. 561. A 24 wird &vfAm mit Recht local aufgefasst, da-
lagen gehört der Dativ ToXai A 58 nur zu /i^r/c/i/. Zu A 39 wird die
längst über Bord geworfene Schreibweise xXviX yiot, angeführt, roaaov
A 64 haben wir nicht als Accusativ der Beziehung erklärt (vgl. Hom. Stud«
8. 49), sondern o r* ist Acc. der Beziehung, es ist auch S. 81 mit ge-
sperrter Schrift gedruckt. A 117 wird dagegen polemisiert, dass bei Homer
das Neutrum des Adjectivs im Plural nicht prädicativ gebraucht werde:
man kommt dabei so ziemlich über alle Stellen nothdürftig hinaus; die
Sache ist jedoch noch einmal einer genaueren Untersuchung werth. In
h\ia x€xlijy(6g ist allerdings eine Abweichung in dem Gebrauch zu er-
kennen, wenn man die Stelle mit den beiden anderen M 125 und P 88
vergleicht. Dass ^Idofitnvg ursprünglich anlautendes Digamma gehabt habe,
darf aus dem dreimaligen Hiatus {B 405) nicht gefolgert werden : hätten
wir die ursprüngliche Form dieser Gedichte, so könnten wir allerdings
^en sicheren Schluss ziehen. Bei dem Eigennamen 'EXivri sprechen viel
mehr Stellen dafür, dass es ursprünglich consonan tisch (entweder mit
IKgamma oder mit a, man vergleiche "ElXoi. und ZiXXoi) anlautete und
doch lisst sich r 70, 91, 161, 282, 426, H 401 und Sl 761 das Digamma
flicht herstellen und in dem Masculinum *'EX(vng fordert keine einzige Stelle
t^ C. F. V. NägeUbach, AnmerkungeD z. nias, ang. t. /. La BoAe.
das Digamma. Wir haben es demnach entweder mit Gedichten Yerschie-
dencr Zeiten zu thun, oder müssen annehmen, dass sich dieselben im Laufe
der Zeit so veränderten, dass in einer groPsen Anzahl von Stellen auch
keine Spur eines früheren Digamma mehr zurückblieb, oder müssen endlich
dem Hiatus ein viel weiteres Feld einräumen; denn dass bei demselben
Dichter dasselbe Wort bald consonan tischen Anlaut gehabt haben soll,
bald nicht, scheint uns völlig undenkbar. Bei den Gleichnissen B 455 — 488
haben wir keine Athetesc versucht, sondern darin sogenannte Doppelfonnen,
d. h. Variationen über dasselbe Thema erkannt, die nach verschiedenen
Richtungen ausgeführt sind : überhaupt sind wir ein abgesagter Feind von
Athetesen, und stofsen grundsätzlich nur solche Verse aus, die sich in den
besseren Handschriften nicht finden, r 176 haben wir t6 nicht als Acc
des Inhaltes, sondern als Bezichungsaccusativ aufgefasst. Dass 7^396 — 418
von Aristarch obelisiert wurden, beweisen die Obcli im Venetus, desgleichen
die Bemerkungen des Aristonicus zu unserer Stelle und zu J 208, wo statt
€lxoai zu schreiben ist tfxoai jQHSt und Schol. cT 12. Zu Jr438 haben wir
die Bemerkung gefunden, dass wir diese Stelle und 3 104 in unseren
Hom. Studien übersehen hätten — das wäre allerdings unverzeihlich, aber
die beiden Stellen sind nicht übersehen, sondern stehen S. 229 und 231,
wovon sich jeder überzeugen kann.
Dass die wenigen Ausstellungen, die wir machen zu müssen geglaubt
haben, dem Werth des Buches keinen Eintrag thun, brauchen wir wol
kaum zu erwähnen : wo wäre denn auch ein Buch , mit dem sich jeder in
jeder Hinsicht einverstanden erklären könnte? Das Buch ist rein und sorg-
faltig gedruckt, wir haben nur drei Druckfeliler gefunden, die sich kaum
noch als solche bezeichnen lassen.
Schliefslich bringe ich noch eine Bitte vor, die meine Person be-
trifft Ich habe nämlich einen Doppelgänger, Herrn Paul La Roche auB
München, der sich auch mit Homer beschäftigt, mit dem ich schon öfters
verwechselt worden bin, so auch in diesem Buche S. 100 und S. 114: da
ich in dem Buche sehr oft erwähnt werde und P. La Roche nur an diesen
beiden Stellen, aber ohne Vorname, so könnte man glauben, die beiden
hier namhaft gemachten Athetesen seien von mir: es ist mir aber nie ein-
gefallen an diesen beiden Stellen Anstofs zu nehmen und ich wünsche
darum, dass man für solche Fälle meine Person nicht mit einer anderen
verwechselte. Auch Hrn. Düntzer ist dies in seiner Schrift „Aristarch** be-
gegnet: und nachdem er mich in der Person meines Doppelgängers ordent-
lich zurecht gewiesen hat, gibt er mir den Rath, mich nicht mit den Fra-
gen der höheren Kritik zu befassen, weil ich, wie ich es mir in ehrliches
Deutsch übersetze, davon nichts verstehe und mich lieber mit der Erfor-
schung des Homerischen Sprachgebrauches abzugeben, worin ich noch etwas
XU leisten im Stande seL Herr Düntzer mag von seinem Standpnncte
nicht so unrecht haben, denn ovx itfjut navra &€ol Soaav avS-^notcw
sagt der Dichter. Das wird mich aber doch nicht abhalten, nächstens anf
einem anderen Gebiete einen Versuch zu machen, auf welchem sich Herr
Düntzer, wie seine Ausgabe der Odyssee beweist, keine Lorbeeren ge-
sammelt hat.
G, Ahlhory, Zur Erkl&rang griech. Clasriker. 281
5. Zur Erklärung griechischer Classiker. Von 6. Ah 1-
bory. 16 S. Greifiwald, K. Scharff, 1863. — 4 Sgr.
In diesem kleinen Schriftchen werden auch vier Stellen aus Homer
besprochen, zuerst y 91 fjivTjaTiJQiaatv ae&Xov KKUTm', wo das Epitheton
in der Bedeutung «unverletzbar, unantastbar", d. h. unausfechtbar
gefjAsst wird, indem durch denselben die Aufgabe, welche in ihm gestellt
wird, nicht gelöst ist. Hätte Antinoos dies sagen wollen, so hätte der
Dichter tf- 96 nicht hinzusetzen dürfen, dass Antinoos die Hoffnung hegte
selbst den Bogen zu spannen und so die Aufgabe zu lösen. Unter den
V. 91 genannten Freiem meint eben Antinoos alle übrigen, nur nicht sich
selbst, und gerade ihm wurde der Wettkampf zuerst verderblich, wie der
Dichter V. 97 bemerkt. Darin liegt aber die Ironie der ganzen Stelle,
dasB dem Antinoos zuerst das widerföhrt, was er den anderen Freiem,
wenn auch nicht in dieser Weise, zugedacht hatte. Der Schaden für die
anderen Freier ist eben der, dass sie den Bogen nicht werden spannen
können und somit auch die Penelope nicht zur Gattin erhalten. Unschäd-
lich ist der Kampf für die Freier nicht, dagegen spricht schon das be-
gründende ynQ (denn ich meine, es wird nicht leicht sein, den Bogen zu
spannen). VieUeicht lässt sich daarov in der Bedeutung „verderblich, un-
heilvoll" etymologisch begründen, ich weifs keine andere Deutung, die
dem Sinne dieser SteUe anzupassen wäre, und auch zu dem Wasser des
Styi passt dieses Epitheton. Herr Ahlbory meint freilich, dass alle anderen
etwa noch aufser Buttmann und Voss „achmählich geirrt hätten" —
nur von sich meint er es nicht, da dürfte es aber am ehesten der Fall
lein. — Die zweite besprochene Stelle ist das bekannte xQrjrfJQccg (niaT^ipavro
TfOToio und xQrjTfj()ag i7i€aT€(f^ag oTvoto. Wir erfahren hier nicht mehr,
als wir ohnehin schon wissen, dass das Verbum die Bedeutung von InXri-
(KüaavTo habe (so auch Fäsi und Ameis zu u 148), die Deutung des
SehoL BL zu ^470 und die Erklärung des Paraphrasten zu dieser Stelle
,bifl zum üeberlaufen füllen" ist schon längst als abgethan zu betrachten.
Darauf folgt die Erklärang einer bekanntlich sehr schwierigen Stelle * 126
d-^axwv tig xara xv/lik jti^Xcctvav (fQix* vTiat^n, (oder inalv^u) fx^ve,
OS x£ (f^yr^ai Avxaovog aQyirn drjjuov. Herr A. beginnt dieselbe mit den
Worten: „Da meine Vorgänger sämmtlich meines Erachtens sich selbst
widerlegen, so möge hier, kurz und einfach, nur meine Auffassung der
Stelle gegeben sein." Parturiunt montes — nun folgt eine Erklärung, welche
allerdings noch keinem der Vorgänger des Herrn A. in den Sinn gekom-
men ist, denn so viel Griechisch verstehen sie alle, dass ihnen so etwas
nicht einfaUen kann. Es wird nämlich verbunden &QO)ax(ov virakii^fi (denn
W) muss geschrieben werden) und xard nicht blofs zu xv/na^ sondem auch
la if'Qtx^ bezogen, oder vielmehr noch einmal davor wiederholt und
übersetzt :
Hüpfend wird durch Gewoge, durch schwärzliche WaUung entweichen
Mancher Fisch, der genof« von Lykaons weitelichem Fette.
S8S Ä, Kcifbe, De suffizo d'iv etc., ang. t, J. La Boche»
Wir möchten bloJTiB das eine wissen, warum der Fisch gerade hfipfend ent-
weicht? Wird d-QvjGxonf v7talv^€i als ein Begriff gefasst, so moss ver-
bunden werden vnalv^€i xard xvfia, dies kann sprachlich nicht bedea-
ten nwird durch Gewoge entweichen**, d; x€ if-ayi^oi kann wol mchti
anderes bedeuten, als der (= wenn er) gefressen haben wird , wie überall
der Coi^unctiv des Aorists mit uv nach vorausgegangenem Futurum, so
dass das (fayeiv der Zeit nach früher stattfindet als das vnataanv oder
vnaXvaxHv, Vielleicht wird Herr A. sich wenigstens der Schwierigkeiteii
dieser Stelle bewusst werden, wenn er das in meinen Hom. Stud. S. 123 1
bemerkte aufmerksam durchliest: wir haben offen gestanden, dass wir die
Schwierigkeiten nicht zu beseitigen im Stande sind und zur Athetese ge-
rathen, wovon wir aber wieder zurückkommen, denn dass wir die Stdle
nicht verstehen, ist noch kein Grund sie zu verwerfen, auch wenn das «
in vncCtUi' hier, wie sonst nirgends, kurz ist. Zur Belehrung empfehlen
wir Heim A. auch das neuerdings von Hoffmann zu dieser Stelle bemerkte,
wo wir aber die Auffassung von og x€ (pnyriat „um zu verzehren** nicht
billigen können. — Die vierte Stelle */'871 schreibt A. ihaQ Srj oiarov ?/«y
naXttf wV r»^«^'*i' und erklärt „aber den Pfeil hielt er längst (in Bereit-
schaft) ; SO (solchergestalt, solchem nach, so gerüstet und vorbereitet) rich-
tete er (ihn, den Pfeil), zielte er." Ein solches uig findet sich bei Homer
nicht, es müsste dann ^TiHTa stehen. Wir haben auTserdem zwei Varian-
ten zu dieser Stelle, die in Betracht gezogen werden müssten. Es folgen
noch Erklärungen einiger Stellen aus Aeschylus und Sophokles, wogegen
sich auch Bedenken erheben liefsen — doch wir haben es hier nur mit
Homer zu thun.
6. De suffixi d-ev usuHomerico commentatio, scripsit
Dr. Alexander Kolbe. 56 S. Greifswald, R. Scharff, 1863. — '/, Thlr.
Diese Schrift enthält in sieben Abschnitten die Untersuchung über
die Grundbedeutung dieses Suffixes, über die Form desselben {&€v und ^<),
über die Bildung dieser Formen und die Aufzählung der mit ^ev gebil-
deten Nominal- und Adverbialformen. Der achte Abschnitt enthält das
Endresultat der Untersuchung. Das Suffix &€v (Sanscr. tas, Lat. tus) be-
zeichnet das Woher, das Ausgehen von etwas, und die mit demselben ge-
bildeten Formen sind Ablative. Andere fassen sie als Genetive, indem sie
damit fälschlich den local gebrauchten Genetiv zusammenhalten, wie ^
ovx "l^ijyeog ^(v oder niö(oto ^mxi/u€v u. ähnl. Diese Ansicht wird von
Eolbe mit Recht zurückgewiesen, aber dabei vermögen wir doch eine ge-
wisse Einseitigkeit nicht zu verkennen, wie sie jedes allzu strenge Fest-
halten an einem bestimmten Princip mit sich bringen muss. Es g^bt näm-
lich Stellen, wo die mit &tv gebildeten Formen weiter nichts als Genetive
sind, so ist "Mrjd^ev fxeS^m' = 7^1??, wie schon Aristarch erklärte, analog
dem KvXXrivrig ^€^iovTa Hymn. XVDI, 2. Desgleichen müssen wir in nQVfxvri-
^ev Xdßev O 716 einen Genetiv erkennen, ka^ßdvHv mit nno oder ^x ist
nicht griechisch und damit lässt sich auch die Construction mit Ix bei
Verben des Hängens oder Anbindens nicht vergleichen, während die Ver-
bindung ganz analog ist mit XnßfTv oder ^x^iv nv« ;^f ^oc. Auch ^M^ev ist
A. KMe, De soffixo <^tv etc., ang. t. J. Xa Roche, f8S
nichts anderes als temporaler Genetiv gleich iiovg, welches ebenfalls bei
Homer Torkommt Die Pronominalformen ifiid^Bv, a^d^tv und l^^y sind gans
Genetive geworden ^d-tv efvexa, Ifiid-^v ^vvig, itkka fioi alvov ä^og
ai^iv iaatrcu, xQsCaaatv dg i/n^&ev. Und warum sollten denn nicht die
Formen auf ^<r ebenso gut zu Genetiven geworden sein , da dieser Casus
im Griechischen zur Hälfte an die Stolle des alten Ablativs getreten ist?
denn das causale Verhältnis, wofür die Lateiner den Ablativ gebrauchen,
bezeichnet der Grieche mit dem Genetiv. Deshalb ist zwar ein xQtfaaofv
ift^d'iv noch ursprünglicher als ifiov und ebenso dno TQoirj&tv ursprüng-
licher als dno TQoirjg^ aber bei Homer sind beide Formen schon Genetive.
Ebenso verhält es sich mit a^&€v «^fy/^w, denn der causale Genetiv ist
eigentlich ein Ablativ, ebenso ist oi&ev xrajuivoio /wAo;^*/'? causaler Gene-
tiv, der die Stelle des ursprünglichen Ablativs vertritt. Die Sache wird
noch deutlicher durch den Vergleich lateinischer und griechischer Aus-
drucksweisen , z. B. mutare aliquid aliqua re, (t/netßeiv rC xivog, dignus
aliqna re, a^i^og rivog^ gaudere aliqua re, /a{Q€iv xivog^ mirari de aliqua
•re, ^vfiaCiiv Ttvog, abundare, carere implere aliqua re, y^/udv, ivnoQuv^
itiv, OTTttv^Cftv, nXriQov^' Ttvog, abstinere aliqua re , aTi^/fa&ai rtvog,
melior patre, nargog a fit (von; und auch der griechische Genetiv absolutus
ist in den meisten Fällen causal und entspricht dem lateinischen Ablativ.
Wir bleiben also dabei, dass die Formen auf i^iv ursprünglich Ablative
waren, theilweise aber im Laufe der Zeit zu Genetiven geworden sind, und
lihlen dazu auch schon alle Stellen, wo eine Präi)osition (meist ^| oder
ano) bei diesen Formen steht, welche S. 14 und 15 aufgezählt sind. Etwas
dürftig ist die Behandlung derjenigen Stellen ausgefallen, an denen das v
des Suffixes wegfallt: es war dem Verfasser wol auch nicht möglich diese
Frage gründlicher zu erörtern, wegen Mangel eines ausreichenden kritischen
Apparates: es kommen hier namentlich zwei Stellen in Betracht ü. 492
Tqo£n&€ fioXovra, wo der von zweiter Hand geschriebene Ven. A TQotrj&ev
hat und ovQavod^ev nqovtfaivs, wozu wir das wahrscheinlich Didymeische
Scholium x^Q^^^ ^^^ ^ ^^ ovQuvoS-ev haben, denn dass Aristarch ovgavod-c
geschrieben haben kann , beweisen seine Schreibweisen xo/niae xQot' 3 456,
^QX^ llQo^og B 756 und viele andere, die Did. S. 13 angeführt sind. Aus
Eustathius ist für diese Frage nichts zu gewinnen, noch weniger aus sei-
nem Schweigen etwas zu schlieüsen, denn uns stehen bekanntlich viel bessere
Hilfsmittel zu Gebote, als sie der Erzbischof von Thessalonice gehabt hat,
und von der Ueberschätzung des Eustathius, wie sie im vorigen Jahrhundert
•tattgefunden hat, sind wir glücklicherweise abgekommen.
Diese wenigen Ausstellungen sollen übrigens den Werth dieser Ab-
handlung nicht im mindesten herabsetzen. Die Schrift ist correct gedruckt,
nur müssen wir bei dieser Gelegenheit bemerken, dass das S. 28 und 29
an die Stelle des griechischen Z gesetzte lateinische C in CxvXlri ein an
den griechischen Druck gewöhntes Auge empfindlich beleidigt.
Wien. J. La Roche.
284 LaUmann o. MiOler, Lat. Grammatik, ang. ?. L, Vielkaber.
Lateinische Grammatik für alle Classen des Gymnasiums, von
Dr. J. Lattmann und H. D. Müller. Zweite vermehrte nnd Ter-
besserte Auüage des von Dr. Lattroann herausgegebenen Lembachea.
XVI u. 320 S. Göttingen, Vandenhoek u. Ruprecht, 1864. — % Thir.
Indem wir über zwei die vorliegende Grammatik begleitende Bücher
abgesondert sprechen werden, sehen wir davon ab, dass sie in eine thefl-
weise Beziehung zu Lattmann's lateinischem Lesebuche gesetzt ist; xomal
diese Beziehung ohnehin so äufscrlich ist, dass sie das Wesen der Gram-
matik nicht im mindesten berührt, und gehen für jetzt bloDs an die Be-
sprechung der latcinisclien Grammatik.
Die Behandlung der Formenlehre ist wegen ihrer vernünftigen Be-
schränkung zu loben; was sich irgend aus derselben der Syntax zuweisen
liefs, ist seinem eigentlichen Platze wieder gegeben, aus dem das Streben
anderer gleich beim Erlernen der Formen mancherlei syntaktische Begriffe
mitzunehmen es entfernt hatte. In wie weit das neueste Werk Über latei-
nische Formenlehre von Neue ') benutzt ist oder hätte benutzt werden
sollen, kann Koferent nicht angeben, da er dasselbe erst nach der inhalt-
reichen Anzeige von C. F. Müller in den Jahrbüchern für Philologie und
Pädagogik XCl. S. 45—54 kennen lernte.
Die Darstellung der Syntax ist von der gewöhnlichen Weise weit
abweichend. Die Verfasser sind bemüht gewesen, die wissenschaftlichen
Forschungen nicht blofs insofeme zu verwerthen, dass die Facta richtig
angegeben sind, sondern sie haben besonders in der Darstellung der Bection
des Verbums und der abhängigen Sätze auch eine strenge Methode durch-
zuführen versucht. Wir sind die letzten, die einem solchen Versuch sich
entgegenstellen, aber die Art der Durchführung will uns nicht Überall ge-
fallen. Wir werden im folgenden an einigen auffalligen Beispielen zeigen,
dass die noth wendige Umgestaltung der wissenschaftlichen Entwickelangen,
wie sie in den Anmerk-ungen Haase's zu Rcisig's Vorlesungen, die noch
immer das bedeutendste auf diesem Gebiete sind, oder in der bekannten
Abhandlung Hoffraann's über die Zeitpartikel vorgeführt werden, in die
dogmatische Schulsprache noch nicht gelungen ist. Aus diesem Grunde
halten wir das Buch, so sehr wir es sonst schätzen und jedem Lehrer
empfehlen möchten sich mit demselben vertraut zu machen, für den G^e-
brauch der Schüler, wenigstens unserer Gymnasien, vorläufig für an-
geeignet. Doch werden in den folgenden Auflagen wol die Herren Verfasser
diesen Uebelstand entfernen.
Das Schema der Syntax ist folgendes: I. Einfacher Satz: 1. 'Ueber-
sichtliche Lehre vom einfachen Satz* enthält Erkläningen der grammatischen
*) Formenlehre der lateinischen Sprache von Friedrich Neue. Zweiter
Thcil. Mitau, 1861. Der erste Theil (Declination der Substantive
und die Elementarlehre) und ein, wie es scheint, beabsichtigter dritter
über Wortbildungslehre, sind noch nicht erschienen. Dieses wichtige
Buch ist den Gymnasialbibliotheken angelegentlichst zu empfehlen.
Die Benutzenden mögen jedoch früher die oben genannte Recenslon
von C. F. W. Müller zur Hand nehmen.
LaUmann u. MuUer, Lat. Grammatik, ang. y. L. Vidhaber, t8S
Beieichnongen für die Anfänger berechnet, während das meiste wieder
ausflihrlich in der Congmenz- nnd Casuslehre vorkommt. Der Absatz scheint
nnndthig, da die nöthigen Vorkenntnisse der Unterricht im Deutschen zu
vermitteln hat Es folgt 2. Acc., Dat., Gen., Abi. 3. Congruenz, Nominales
Prftdicat, darunter die Lehre vom Infin. und Accus, c. inf., Gerund., Supin.,
endlich Grenera VerhL — II. Der zusammengesetzte Satz: 1. Begriff von
Coordination und Subordination, Eintheilung der Satzglieder nach dem
Gedankenverhältnis, die nicht weiter verwerthet wird und darum überflüssig
ist 2. Tempora. 3. Consec. tempor. 4. Modi, enthält Ind. Conjunct in
Hauptsätzen, in Nebensätzen, woran sich die Behandlung der einzelnen
Satzarten reiht: Fragesätze, Orat. obliqua, Final, Consecutiv, Causal, Re-
lativ, Temporalsätze, Sätze mit cum, Bedingungssätze, Concessivsätze, Yer-
gleichsätze. Als Anhang erscheint ähnlich wie in manchen gpriechischen
Grammatiken: Eigenthümlichkeiten im Gebrauch des Pronom. relat. und
der Negationen. Dass die Verfasser alle die verschiedenen Anhänge, die
sich sonst finden, Metrik, £[alender, Metrologie, Abkürzungen u. s. w.
weggelassen haben, ist an sich richtig und consequent; doch kennen lernen
soll der Schüler diese Dinge, und wenn er sie nicht im Lexikon oder in
der Grammatik zusammenhängend dargestellt findet, muss er sie in einem
eigenen Buch kaufen, das ihm noch einige Jahre sonst unbenutzt ist
Geradexn verfehlt ist es, dass die Verfasser die Prosodik ganz ausge-
schlossen haben. — Auch ein Index wäre wünschenswerth. Denn erstens
gerade einer so vielfach vom gewöhnlichen Geleise abweichenden Grammatik
wird sich nicht blofs der Schüler, sondern auch der Lehrer bedienen, und
wamm wollen wir selbst dem sich auf die Leetüre vorbereitenden Schüler
nicht erlauben, Einzelheiten, die oft unter verschiedenen Rubriken stehen
können, mittels des Index schneller zu finden? Was er ohne dies Mittel
vk finden weiXk, sucht er gewiss nicht mittels des Index. Die Verfasser
mOgen also nur ihr S. V gegebenes Versprechen halten.
Wir wollen nunmehr kurz bezeichnen, was uns in der Congrueni
und Casuslehre aufilllig gewesen, um etwas länger bei der Lehre vom
Verbum (wir gebrauchen der Kürze wegen die geläufigen für dieses Buch
eigentlich nicht passenden Bezeichnungen) verweilen zu können. §. 28, s.
EUendt-Sejffert S.VI ff. — §. 30. 'Regel* ist es nicht, dass Adjectiva ab-
hängige Nomii\a im Genitiv haben, man denke an den Dativ. — §. 35.
Der Genit quant ist vom partit. rieht geschieden. ~ §. 35 e, Anm. 2.
Dass statt des Gen. part (eigentlich der Classe bei Eigennamen) ex stehen
muss, ist nicht richtig, vgl. unsere Bemerkung in dieser Zeitschrift 1865,
S. 163 t Merkwürdig ist, dass in einem so auf systematische Form be-
rechneten Buche interest und refert vom Gen. hinweg in einem der Casus-
lehre nachgestellten Nachtrag 'Construction einiger Impersonalia mit ver-
schiedenen Casus' §. 62 verwiesen ist. Wir sehen nicht einmal einen prak-
tischen Zweck. — Für den Ablativ sind die VerfaHser wenigstens theilweise
Localisten S. 111. Er soll zunächst bedeutet haben das Wo? Woher? Wo-
mit? Der erste Gebrauch soll auf die Zeit, der zweite auf Ursprung und
MaAi, der dritte auf Art, Qualität und Mittel übertragen sein, aus allen
ZctIMlirift t d. öfterr. Gymo. lW&. IV. Heft. 20
t80 LaUntann u. MäUer, Lat. Grammatik, ang. ▼. L, Vielhaber.
drei Grandbedeutungen soll der Abi. causae hervorgehen nnd fthnlich ra
jedem Abi. ein prädicatives Attribut treten können , Abi. absoL Das letit«
ist sehr richtig bemerkt; aber sollte denn nicht gerade die den VerfiMsem
nicht entgangene Universalitat des Abi. c&us. den Wink geben, dass die
Bezeichnung der cansa im weitesten Sinne des Wortes die Gmndbedeataiig
des Ablat. ist? Damach wtlrde sich nattirlich die ganze Anordnung indem.
— §. 59 Anm. Es ist nnr zu sagen: Tor te steht auch abs' — §. 74
Es war wol ipse und quisque innerhalb eines Abi. absol. oder eines Genind.
zu erw&hnen, vgl Nägelsbach Stil. S. 263. — Eine sehr beachtenswerühe
Partie ist §. 75. Tr&dicatives Attribut und pradicative Apposition*, niir
ist, wenn man auch sonst übereinstimmt, in Sätzen wie Darium regem
saiutant nicht eine pradicative Apposition, sondern förmliches Nominal-
prädicat Denn während in Hercules ceruam uiuam cepit die Hiischknh
nicht durch das Fangen zur uiua wird, wird Darius erst Eonig durch das
scUut^tre der Grofsen, vgl. §. 74, 1. Femer haben wir nirgends die parti-
tive Apposition erwähnt gefunden. — Wenn §. 77 vom Partie, als piidicft-
tivem Attribut gehandelt ist, so sollte §. 78 nicht vom Part prfts. bei den
Verbis des Sehens und Hörens allein die Rede sein, sondern auch habere,
tenere u. a. mit Partie, perf., ebenso von ueUe cupere, ferner vom Partie.
fut pass. bei tradere u. ä. ebenfalls hier gehandelt sein, vgl. §. 90 e.
Eigcnthümlich wird der Infinitiv behandelt. Zuerst wird §. 79 fL der In-
finitiv als Prädicat', d. h. der anf^s Subject bezogene Nominativus com
infin. und der auf's Object bezogene Accus, cum infin. behandelt, dann
erst §. 86 kurz der Infinitiv an sich behandelt, fast nur durch Yerwei-
sungen. Die hier versuchte Form den Infin. zu erklären, trägt die Zeichm
des fehlerhaften schon in sich. So wenn unter den *Infin. als Piildicat*
eingereiht werden muss 'Accus, cum infin. als Subject*, §. 85, worauf jeden-
fiills §. 86 a zu beziehen war. Femer sind die Verfasser mit sich selbst
im Widerspruch. §. 4 scheinen sie den Infin. mit verbis auxüar. ftr einen
Begriff zu nehmen, §. 86 b fassen sie denselben Infinitiv als Object; §.80
den doch sicher ganz gleichen bei uideri als auf's Subject bezogenes Pri*
dicat Alle unvollständigen Verba bilden mit ihrem Infinitiv einen Pri-
dicatsbegriff, in welchem die Aussage in denjenigen Theil gelegt wird,
welcher die Modification des Seins angibt. Das gilt von uincere cnpio to
gut als von uincere uideor, von diesen ebenso als von cupio uictor esse
und uideor uictor esse, und zwar deshalb, weil nur die Modification des
Seins es ist, welches die Art der Aussage ändert. Es unterscheidet sicii
also der Nomin. cum infin. nicht im geringsten von der Bection der an*
deren unvollständigen Verba. Da femer unter der Modification des ge>
wünschten, noth wendigen , angeblichen, negierten Seins ebenso Identität
zwischen Subject und Prädicatsnomcn sein muss, wie beim einfachen Sein,
so erscheint auch bei diesen Verben allen das nominale Prädicat im Nomi-
nativ mit dem Subjecte. Beim Accus, cum infin. ist nicht eine Aussage
mit einem zusammengesetzten Prädicatsbegriff, sondem zwei Aussagen.
Man vergleiche zum Beispiel die nur von den Dichtem gebrauchte Con-
strnction quia retttdü Aiax esse louis pro nepos (Ov. M. 13, 141, data vgl
Krüger §. 564, 2) mit den gewöhnlichen se esse louis pronepotem. Während
LiMmtt/iMi u. Mütter, Lat Grammatik, ang. y. L, Vielhaber, 287
die ente sagt, Aiax ist nach seiner Angabe ein Urenkel des L, enthält
die zweite zwei Aussagen, von denen die zweite den Inhalt der ersten bildet.
Dm Yerb der zweiten mnss, da das Urtheil nicht selbständig ausgespro-
dien wird, in dem Modus stehen, der nur die Möglichkeit der Aussage
beiflichBei, im Infinitiv, das Subjeot kann nicht mehr im Nominati? blei-
ben, welcher der Casus des Subjectes ist, von dem factisch etwas ausge-
sagt wird, sondern es tritt in den Casus, der den Inhalt des Seins be-
leieknet, den Aocusativ und mit ihm das nominale Pradicat. Ist kein be-
tümmtes Subject gesetzt, so steht das Prädicatsnomen doch ebenfalls im
AoeosatiY. Bei den activen Verben der Aussage hat der römische Sprach-
geiet im allgemeinen streng zwischen dem Subjecte der Aussage und dem
dee ausgesagten Inhalts geschieden und nur die Dichter haben diese übri-
gens in der Analogie des Lateinischen ganz wohl begründete Construction
des Nom. cum inü sich erlaubt, anders war es bei den passiven. Da das
PassiTum die Th&tigkeit auTserhalb des natürlichen Subjectes bezeichnet,
ist leicht einzusehen, wie das Verbum passivum nur mehr als eine Modi-
ficaüon der Inhaltsaussage gefasst werden konnte. Dagegen hat das Latei-
die doppelte Construction bei den Verben des Wollens u. iL. zuge-
nnd hiedurch eine sehr bezeichnende Verschiedenheit des Gedankens
Beglich gemacht — §. 97. Der Begriff eorrelativer Sätze und ihr Unter-
Klued von gewöhnlichen Nebensätzen war (auch schon hier) festzustellen,
da ftr die von den Verfassern nicht ganz mit Recht sogenannte Attraction
des Modus eben dieser Unterschied, wie Meiring widerspruchslos gezeigt
bat, allein entscheidend ist — §. 97, II, Anm. 1. Allerdings i^t der Rela-
tivsatx dort angewendet, wo man ein anderes Gedankenverhältnis (das
sdversfttive durfte nicht fehlen) erwartet, aber ein bestimmtes Verhältnis
ist doch auch durch ihn bezeichnet £s ist eben das der attributiven Be-
fltimmiuiig. — §. 98. Die Bezeichnung actio infecta möchte trotz ihres
Alten ebenso au meiden sein, wie der Ausdruck 'dauernd*, als Bezeichnung
des Status einer Handlung. Wie möchte etwa actio crescens im Sinne von
*sich entwickelnd*, *vor sich gehend* sagen. — $. 99, 1 Anm. Wenn lau-
datams sum die actio instans in der Gegenwart bezeichnet, so kann es
nidit bedeuten, 'dass die Handlung in der Gegenwart begonnen wird, aber
ihre Ansfbhrung in die Zukunft sich hineinzieht*, sondern zunächst, dass
die Handlung des Lebens jetzt eine bevorstehende ist, sodann mit Be-
liehnng auf das Subject, dass das Subject jotzt im Begriff ist, sie zu
vollbringen, s. Neue Formenl. S. 281. Für den ersten Fall mag mau non
«A t^NTta Cic Cat 2, 7, lö. Cic Mil. 2, 6. Mur. 39, 85, wo Zumpt und
TisdMr gegen Halm Recht haben, Ball. J. 95, 8. Tac A. 1, 28 und be-
MHidefs Fälle, wie Cio. MiL 18, 47, »i üle obmam ei ftUurus mnnino nan
erai, d. h. wenn er gar nicht in den Fall kam u. s. w. und eb. 18, 48
quamam fuiU in Albano tnamurus mit Halm's Bemerkung vergleichen.
Die erste Bedeutung, welche das Bevorstehen objectiv betrachtet, das Sub-
ject mvx als den Vollbringer, während in der zweiten die Disposition des
bibjeotes hervorgehoben wird, unterscheidet sich vom Futur ähnlich, wie
das Perfect vom Imperfect Wie es in vielen l'ällen im Belieben des Dar-
■tellen steht, eine vergangene Handlung als vollendet vorliegend oder als
20*
288 Lattfnann u. Müller, Lat Grammatik, ang. y. L. Vidhäber.
in der Vergangenheit sich entwickelnd zu hetrachten, so kann auch
künftige Handlang als eine jetzt hevorstehende oder als eine in der Zu-
kunft sich entwickelnde hetrachtet werden. — §. 102. Nicht billigen köniMii
wir die Darstellung des Perfectum prasens, Perfectum logicum, 8. ebu 8»
Anm. 1, weshalb auch besonders §. 123, 3 in den alten Fehler Yerf&llt,
den wir durch unsere Darstellung in dieser Zeitschrift 1861, S. 214, die
für die Verfasser mafsgebend gewesen zu sein scheint, abweisen woUtaB*
Das Perfect prasens wird überhaupt gefasst als das die in der Gegenwart
vollendet vorliegende Handlung bezeichnende, das Perfect logic scheint
ein absolutes Perfect ohne ausdrückliche Beziehung auf die Gegenwart sein
zu sollen. Bei dieser Auffassung wird die Regel über die Consecatio tem-
porum §. 118 so bestimmt, dass auf ein Perfect präs. folgen Präsens und
Perf., natürlich muss §. 123, 3 gesagt werden, dass auf ein Perf. pifts.
'sehr häufig* Imperf. und Plusquamp. folgen. Wir fassen das Verhtitnis
so: die eigentliche Bedeutung des Perfect ist die Bezeichnung der in der
Gegenwart vollendeten Handlung. Es bezeichnet also: jetzt ist die Hand«
lung eine geschehene. In der Tempusform an sich liegt durchaus nicht,
dass die 'fortdauernde Wirkung' (nie die 'Vollendung*) in die Gegenwart
fallt, auch nicht, dass sie in der Gegenwart oder in der Zukunft nidit
mehr vorgehen kann (als eine zweite), sondern das wird durch den Za-
sammenhang gegeben. Das Perfect des Erfahrungssatzes, ein dixi am Schlnaa
der Bede oder im Uebergang, ein Fuimus Troes sind vollkommen gleich.
Nur einige Verba von inchoativer Bedeutung machen insofeme eine Ana»
nähme, als der Sprachgebrauch ihren Perfecten geradezu die Bedeutung
eines Präsens, das den aus der vollendeten Handlung resultierenden Zu-
stand bezeichnet, gegeben hat, vgl. dppenkamp de usu temporum quaeatio-
nes grammai Programm v. Düsseldorf 1861 , S. 5 ff. Für diese Auffassung
ist bezeichnend, dass von einigen solchen Verbis in der classischen Zeit
(s. Neue Formenlehre S. 477 f.) gar keine Präsensformen üblich sind, fenfter»
dass nicht nur das Präsens von an sich künftigen Handlungen gesetzt wird»
s. Fabri zu Liv. 21, 41, 15. Herzog zu Gas. b. g. 2, 32, 3. Lora zu Or.
Trist. 4, 6, 40, sondern auch das Perfect (uiciimAS «- uidores swmus), vgL
Fabri zu Liv. 21, 43, 3 und Fromm Lat. Gr. §. 356, Anm. 2, sowie über-
haupt der Gebrauch des Präsens zur Bezeichnung eines Zustandes: ecbmi««
parewtei 8uwtj dant — datores Bunt, disco «- docta sum u. ä., 8. Teuffei
zu Hör. Sat. 2, 5, 60. Wagner und Forbiger zu Virg. £cl. 8, 43 und za
Ae. 1, 99 und Uppenkamp a. a. 0. S. 10, wozu auch zu stellen ist manere •■
sich erhalten haben, vorhanden sein, s. Fabri Sali. J. 14, 16. Heraus zu
Tac H. 1, 20. Während also^eine rationelle Grammatik die von unseren
Verfassern geschiedenen Arten §. 102, 1 und §. 102, 2, Anm. 2 nicht schei-
den darf, müssen die präsentischen Perfecta §. 106, 1 als Unterart ausge-
schieden werden. Am Namen liegt wenig, doch ist es am gerathenaten,
Perfectum logicum als generellen, Perfectum präsens als Specialnamen zu
gebrauchen. Um gleich die weitere Consequenz zu ziehen, so darf nur für
unser Perf. präsens die präsentische Tempusfolge aufgestellt werden, für
das Perl log. gilt im allgemeinen die der anderen Präsentia. Wir können
hiefnr auf unsere Erörterung in dieser Zeitschrift 1861, S. 217
Zcrffmotm u. Mütter, Lat Grammatik, ang. y. L, Vidhäber. 289
Ffir die dort gegebene Anffassnng, dass wo bei Prateritis prasentiscbe Con-
«ecntio sich finde, dieses eine Art absoluter Zeitgebnng oder, was dasselbe
ist, die Nebenbandlnng nnr zur Aussage der Haupthandlung, nicht zur
Handlang selbst in Beziehung gesetzt sei, sind besonders beweisend Stellen,
wie Ot. Trist 3, 4, 21. Cic. Phil. 1, 15, 36. Tac A. 15, 16. SalL J. 85, 26.
Ygl. Nipperd. Quast Csbs. p. 82 ff., wo beide Arten beisammen stehen und
eolehe, wie Just 2, 10, wo von einem Plusquamperf. ein ConsecutiTsatz
im eigentlichen Perfect abhängt (die nach Plusqpf. öfter sich findenden
Consecutivsfitze mit Perfect. historic, z. B. Liv. 1, 3, 4. 21, 61, 10. Tac. A.
2,81. 4,51, und nach Ritters von Baiter und Nipperdey angenommenen
Schreibung 1, 3. Suet Galb. 4 vgl. auch Cses. 71, sind einfacher).
Neu eingeführt haben die Ver&sser die Lehre über die relative in-
dieativische Zeitgebung, die sie nach den Gesichtspuncten der Congruenz
Anteeedenz und Coincidenz abtheilen. So sehr wir es billigen, dass dieser
wichtige Theil Aufnahme gefunden, so sind wir mit einigem nicht einver-
standen. Das erste ist die Aufnahme der Coincidenz (Gleichheit, wenigstens
logische, der Subjecte und Prädicate) in die Schulgrammatik, da die Ver-
schiedenheit derselben von der Congruenz f&r Schüler schwer fassbar und
ohne rechten Gewinn ist. Das zweite sind die Namen. Es ist doch sehr
die Frage, ob Bezeichnungen, die in einer wissenschaftlichen Abhandlung,
wie der dieser Partie zu Grunde liegenden von Prof. E. Hoffmann über die
Zeitpartikeln, vollkommen berechtigt sind, für die Schule passen. Man
vgL die Worte Berger^s in der Vorrede zur fünften Auflage seiner Gram-
matik S. rV ff. Endlich hätten wir eine andere Behandlung gewünscht
Es ist nämlich hier die wissenschaftliche Untersuchung noch nicht in die
dogmatischen Regeln umgesetzt, die wir nun einmal in der Schule haben
münen, und der Schüler wird auf die ihm zunächst liegende Frage: Was
für ein Tempus muss ich in diesem Satze anwenden? kaum sicn die
Antwort finden •). Wir möchten mit dem Begriff der relativen indicati-
visehen Abhängigkeit beginnen und feststellen, dass Präsens Imperf. und
Fut I Gleichzeitigkeit, Perf. Plusquampert Fut U Vorzeitigkeit zu einer
gegenwärtigen, vergangenen, künftigen Handlung ausdrücken, dann die
einzelnen Tempora nach der Art der Sätze, in denen sie so vorkommen,
durdigehen, endlich die Fälle zusammenstellen, in denen Nebensätze voll-
kommen unabhängig vom Hauptsatz, was das Tempus des Pradicats be-
trifft, dastehen. Dabei würde einer Satzart mehr Beachtung zuzuwenden
sein, nämlich den hypothetischen Sätzen, als den durchsichtigsten Vertretern
der sehr wichtigen Correlativsätze.
Nicht einverstanden sind wir mit der §. 110 gegebenen Auffassung
der Infinitive und Participien. Wir finden nicht eine Abschwächung der
actio infecta zum blof^n Ausdruck der Gleichzeitigkeit, der actio perfecta
XTir Vorzeitigkeit, sondern dass sobald z. B. das Vorsichgehen einer Handlung
^ Dasselbe gilt ebenso von dem Abschnitt über die Temporalsätze
L159 ff, die auf Hoffmann 's Abhandluns^ beruhen. Wir meinen,
la für die Schule sich leicht eine einfache Form, die doch den-
selben wissenschaftlichen Grehalt behalt, durch das Ausgehen von der
Bestimmung des Modus finden lieflse.
290 Lattmann n. MüUer, Lat. Grarainatik, ang. y. L. Vietkaiber.
nicht mehr zur blofiseii Aussage bezogen wird, vol aber zn einer iweiten
Handlung, das Vorsichgehen der Nebenhandlung während der dnich dit
Haupthandlung ausgefüllten Gegenwart gar nichts anderes sein kann, all
Gleichzeitigkeit mit der Haupthandlung, dass also die Verhalformen , die
nur der abhängigen Zeitbezeichnung dienen, nichts als die Verhältniase der
Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit, Nachzeitigkeit bezeichnen können. I>a88elbe
gilt von Conjunctiven, sobald sie abhängig gebraucht sind, nur dass hier
gröCserer Reichthum an Formen ist und dass nicht wenige ConjanctiTe
dem Tempus ganz unabhängig nach vom Hauptsatze stehen. Die Aser-
kennung dieses Verhältnisses hätte die nicht recht klare Anmerkung zu
§. 115 überflüssig gemacht — Der Umstand, dass zwei Conjonctive rar
Bezeichnung gleichzeitiger Handlungen vorhanden sind (Präs. nnd Impl)
und ebenso zwei zur Bezeichnung vorzeitiger, führt dazu, dass iwei ver«
schiedene Arten der oo^junctivischen Abhängigkeit unterschieden werden,
deren eine der relat. indicat. Zeitgebung gleich gesetzt wird (bezogene
Zeitbezeichnung), die andere (abhängige) dort stattfinden soll, wo sie *im
Anschluss an ein tempus futurum den Conjunctiv fut. oder fut. exacti ve>
treten/ §. 116 A. Die Richtigkeit dieser Scheidung angenommen, ist die
'abhängige Zeitbezeichnung' viel zu beschrankt gefasst. Es gehören Final»
Sätze und was an sie sich anschliefst, dazu, so wie die Heischesätie nnd
die Sätze mit immanenten tU; in manchen Fällen Sätze mit quin nach
fiofi duhüo u. ä., und zwar nicht blofs, wenn das Regens ein Futor ia^
sondern auch nach Präsentien, falls in ihnen oder in der Gonstruction selbet
(tUy ne) eine Andeutung der Zukunft liegt, vgl. Cses. b. g. 1, 31, 15: Haec
si enufUiata Ariovisto sint non dubitare, quin de omnibus obgidibuM gra*
vissimum supplicium sutnat, vgl. Neue S. 263. Und hiermit gerathea
wir gleich in Mitte der Schwierigkeiten. Was ist zu machen mit Sätzen,
wie Haud dulna res uisa, quin per inuia circa nee trita antea quammU
longo ambitu circumduceret agmcn Liv. 21, 36, 4, Tac. A. 1, 14, 8. auch
die von Fabri dazu citierten Stellen. Und wenn man auch solche Stellen
einreiht: wo lieg^ der Unterschied von der gewöhnlichen Bedeutung? Nicht
im Tempus des Nebensatzes, sondern sicher darin, dass ein dtüfium non
csA, quin futurum sit %U Ariovistus grauissimum supplicium sumeU oder
haud dubia res tUsa est quin futurum esset, ut . ,. circumduceret agpnen
durch eine ganz ähnliche Kürze wie das bekannte Nam iüud quidem ad^
duci vix possum ut ea qiute senserü iUe, tibi non uera uideantwt
Cic de fin. 1, 5, 15, s. Madvig zu 2, 3, 6 und Taa A. 16, 16 Neque aliam
defensionem ab ia, quibus ista noscentur, exegerim^ quam ne oder im
tarn segmter pereuntes zu dem geworden ist, was Cas. und Taa geschrie-
ben haben. Femer definieren die Verfasser die bezogene Zeitbezeicbnung
so, dass das Präsens auXser der Angabe der Gleichzeitigkeit noch *in selb-
ständiger Bedeutung' die Zeitsphsre der Gegenwart bezeichnen *kann.«
Kann ist nicht Muss; diejenigen Conjunctive mit 'bezogener Zeitbezeich-
nung*, welche nicht selbständige Bedeutung haben, werden aber dann ganz
gleich denen mit abhängiger Zeitbezeichnung Und das ist das richtige. Der
Unterschied ist eben nicht vorhanden. Es sind noch diejenigen Sätae übrig,
welche die Verüasser in der Anmerkung zu 116 A anführen : *Scr%bQ aüquid;
n. MiOUr, Lat Grammatik, ang. y. L. Vidkaher. 201
WIMS eognosces quid seriham (was ich jetzt schreibe)' u. ä. Wenn auch
•oldie Sfttse nemlich selten sein dürften, da in den meisten ähnlichen
fUlen wol ein Belativ-, nicht ein Fragesatz stehen wird, and auch scripse-
vim angewendet werden kann, so ist ihre Möglichkeit nicht zn läugnen.
Aber es ist derselbe Fall wie in Folgesätzen n. ä., nämlich temporale
Unabhängigkeit vom Regens: hier um so leichter, als das scribo aiiquid
fonn^eht
g. 117. Dafür, dass der Lateiner das Imperfect der unerfüllten Be-
dingung als Tempus der Gegenwart fühlte, war vor allem daranf hinzu-
weisen, dass davon abhängige Sätze mit präsentischer Consecutio sich fin-
den. SalL C. 7, 7. Cic. MiL 33, 90. — Die Polemik wegen ttc Tusc. I, 90
gi^drt keinesfalls in die Schnlgrammatik, znmal sowol die Erklärung der
Ynhaaei, wenn sie den Conj. der deliberativen Frage auch aus dem Po-
tentialis entstehen lassen, s. §. 133, als die von uns in dieser Zeitschrift
1861, S. 849 aufgestellte möglich ist. — §. 120. 'Consecutio temporum
nach nominalen Verbalformen." Erstens wäre es wünschenswei-th, dass auf
die Fälle, wo ein Satz von einem Verbalsubsantiv , z. B. metu abhängt,
mit einem Wort hingewiesen würde, zweitens kommt die Regel mit der
ersten Anmerkung in ein sonderbares Verhältnis. Während die Regel sagt,
dass durchaus das Tempus des regierenden Satzes für das Tempus des in-
diract abhängigen Nebensatzes entscheidend sei, muss die Anmerkung gleich
all Ausnahme hinstellen, dass ein Inf. perf., wenn auch von Präs. abhän-
gig, das Verb eines Nebensatzes des zweiten Grades im Imperf. oder Plus-
quamperf. verlange. Praktisch sollen die Fälle coordiniert sein und selbst
wissenschaftlich liefse die Gleichstellung sich sehr wohl rechtfertigen. —
§. 121. Es läge im Sinne des Planes dieser Grammatik als Ueberschrifk zu
aetian: 'Bewahrung der absoluten Zeitgebung in Conjunctivsätzen * ; nur
wäre dann auch zu erwähnen, dass die späteren über die Gonsecutivsätze
kmana den Coigunctiv des histor. Perfects anwenden, s. Dräger Programm
vm Güstrow 1860.
§. 134. Gegenüber der Sorglosigkeit, mit der die meisten Gram-
matiken alle Conjunctive in Nebensätzen gleich behandeln, ist es gut, dass
hier einmal versucht ist, die verschiedenen Arten, den des Willens und
den Potentialis, auch in den Nebensätzen nachzuweisen. Nur ist die Durch-
führung nicht ganz gelungen. Den Verfassern war wol der Conjunctiv der
Fragesätze Anlass zur Aufstellung eines abgeschwächten Conjunctivs 'der
UoÜBen Unterordnung', der auch in den Sätzen mit cwn narratiuum und
dem ähnlichen Gebrauch von anteguam (dum) sein soll; ebenso wird der
iteralivus so gefasst Ein potentaler wird gefunden in gewissen Consecutiv-
(beschaffenheitli^hen) Relativsätzen, in den mit quin (beiden Arten?) und
den Potentialen Bedingungssätzen. AuXserdem wird der Conjunctiv der ob-
Uq^fü Beziehung aufgestellt; in keine der aufgestellten Arten schickt sich
Tscht cum causale, und um den von Meiring als Conjunctiv der indirecten
Abhängigkeit bezeichneten nur anfuhren zu können, muss §. 143 zu einer
Auf^ohnung der Attractio modorum gegriffen werden. Den Hauptfehler
dievor Partie erblidpei» wir in folgendem: Allerdings erscheint der latei-
nische Conjunctiv in den zwei Formen des Potentialis und des Conjunctivs
tut LaUmann o. MüUer, Lat. Grammatik, ang. y. L. Vieihaber.
des Willens, und es ist kein Zweifel, dass letzterer in den Final- und
Ueisches&tzen, so wie in den finalen Relativ- und Temporalsätzen und in
abhängigen deliberativen Fragen verwendet ist, sowie dass beide Arten
öfters noch ganz deutlich selbst in solcher Verbindung erscheinen, die an
sich schon den Conjunctiv des Prädicats erfordert *), s. diese Zeitschr. 1861,
8. 845 ff., vgl. auch Blume Prakt. Schulgr. §. 542. Ebenso ist nach nnserer
Auffassung der Conjunctiv der hypothetischen Vordersätze aus potentialem
nnd finalem hervorgegangen. Aber wenn die Lateiner dieselbe Form flir
Potentialis und Conjunctiv des Willens haben, so muss es eine allge-
meinere Bedeutung geben, aus der beide Arten sich entwickeln konnten.
Wenn wir nun abhängige Conjunctive finden, die sich nicht auf eine der
beiden Arten zurttckf&hren lassen, wie den bei Consecutivsätzen , den er-
zählenden bei cum, antequam, den von den Verfassern leider nicht be-
rührten bei u< «• in der Weise, der Art, der Bedingung, dass (auch bei
ne s. Tac. A. 2, 29. 14, 7 und Fabri zu Liv. 22, 61, 5), womit enge das ex-
plicative %U und der Conj. beim Relativ der Beschaffenheit zusammenhängt^
endlich der in den immenenten ut-sätzen (facere %U, fit ut u. s. w.), so
wird zuerst zu fragen sein, ob hier nicht die ursprüngliche allgemeine Be-
deutung des Conj. vorliege. Hieftir kann auf die scharfsinnigen £r5rte-
mngen Meiring's in Programmen vom Jahre 1858, 1859 und die gedrängt
Darstellung in dessen Grammatik §. 640, §. 666 ff., §. 716 verwiesen wer-
den. Im einzelnen wollen wir nur folgendes bemerken, dass der Coigunct.
iterativns aus dem Potentialis ganz klar abzuleiten ist, s. in dieser Zeit-
schrift 1861, S. 847 f.
§. 135. Von der Frage zu sondern, ist der Ausruf, welcher durch
dieselben Formen wie die Frage eingeleitet ist. Die demonstrativen Aus-
rufsätze (mit tantiM s. Wex Prolegomena zu Tac. Agr. S. 110. Cic Cat m.
2, 4 Tac. A. 11, 37, mit Adeo Tac. H. 1, 37 u. ä.;s. Wagner Virg. Ecl. 1, 12
nnd Ladewig zu Ae. 5, 414) , die in der Regel causale Bedeutung haben,
zeigen deutlich den Unterschied von der rhetorischen Frage. Man vgl. Virg.
Ae. l, 11 Tantae^ie animis aielestibus irae ? und 1 , 33 Tafttae molis erat
romanam condere gentem. Wie hier der Satzfrage der Ausruf, steht der
Begnriffsfrage der durch die Fragewörter eingeleitete Ausruf gegenüber. Man
Tgl. Virg. Ae. 9, 36 Quis globus, o ciues, caligine tioluUur atra ? (wo die fol-
genden Verse zeigen, dass Wagner's Ausrufzeichen falsch ist) mit ib. 6, 694.
Quas ego te terras et quanta per aequora uectum\\Accipio! quantis
iactatum nate periclis! 0 Quam metuij ne quid Libyae tibi regna noce-
rent! vgl. auch Cic Mil. 5, 12. Häufig sind in solchen (directen und in-
directen) Sätzen ut und quam; für ersteres s. Obbarius und Dillenburger
») So sind deliberative Fragen abhängig Cic. Vat. 2, 5. Sali. J. 49, 1.
74, 1. 109, 1. Tac. A. 2, So, s. auch Cic. Mil. 21, 55. Abhängiger Po-
tentialis: in Relativsätzen Plaut. Trin. 437. Cic. Mur. 38, 83. Sali. J.
85, 3. Tac. Agr. 42; 46. A. 11, 24. 11. 1, 50. Cic. Plane. 41, 97; in
Finalsätzen s. Nipperdey Tac. A. 6, 22. 14, 53; in Folgesätzen Cic.
Brut 22, 87. Tac. A. 1, 32. Agr. 22; in Vergleichungssätzen Liv. 22,
60, 5. Cic. Mil 9, 23. Mur. 17, 35. Sest. 31, 67. Tac. A. 1, 52. 13, 1.
Als Potentialis fasst Kritz zu Tac. Agr. 25 auch den bei potius quam
(8. Fabri SalL J. 106, 3. Weifsenbom Liv. 2, 15, 2).
XottMonn a. Müüer, Lat Grammatik, ang. ▼. L, Vielhaber. 298
sa Hör. Od. 1, 9, 1, und Lahmeyer zn Cic. Cai m. 8, 26, welche richtiger
als in vorliegendem Buche geschieht, demselben die Bedeutung der Art
und Weise beilegen; besonders deutlich Virg. Ae. 6, 855. Tac. H. 1, 37.
Die Bedeutung des Grades liegt in quam, wof&r vgl. Cic. Cat m. 7, 22.
lliL 16, 43. SaU. J. 31, 2. Liv. 22, 49, 3, dazu WeiTsenbom, Tac. A. 15, 51.
15, 54. — §. 137, AnnL 4. Die vielbesprochene Frage, ob nescio an auch
'ich weift nicht ob' heilVen könne, hätte erwähnt werden sollen.
§. 138. Die Grenzen zwischen oratio obliqua und obliquer Beziehung
(* indirecter Darstellung) sind nicht scharf gezogen. So sind die Sätze
§. 138, 2 a u. b mit Ausnahme des letzten, der echte Or. obl. enthalt, und
des ans Cic Tusc. I, 98 genommenen, der zur indirecten Abhängigkeit, oder
wie die Verfasser sagen attractio modorum, gehört, sämmtlich solche mit
obliquer Beziehung. Im übrigen ist die Lehre von der Oratio obliqua gut
geschieden nach Modus, Tempus, Wechsel des Pronomens. Nur hätte die
Begel über die Modi der Hauptsätze sich wol besser so geben lassen : Aus-
sagende Hauptsatze treten in den Acc. c. inf., Frage- und Heische- (Im-
perativ) Sätze in den Conjunctiv. — Im §. 140 war Conjunctiv Imperf.
und Plnsquamperf. nicht dem Präs. und Perf. völlig gleichzustellen; denn
Bolche Präsentien wie die in den Beispielen angeführten, dicit u. ä., wenn
Aussprüche von Schriftstellern u. s. w. citiert werden, sind an sich dem
Priteritum nahe verwandt Femer haben die Verfasser gleich darauf das
Piis. und Perf. durch eine gelungene Aufstellung ganz bestimmter Kate-
gorien zu rechtfertigen versucht. — Nicht unerwähnt bleiben sollten die
Nebensätze mit potius quam s. Fabri SalL J. 106, 3; femer die mit nisi
forte und cum interim, vgL Weifeenbom Gr. §. 475, 2. — §. 141, 1. In
Bezug auf die Vertauschung der Pronom. ist zu bemerken, dass ipse auch
ein tu der directen Bede vertritt, s. Csbs. b. g. 5, 36, 2. 7, 20, 3. 1, 20, 7.
7, 66, 6. Taa A. 1, 55; femer war zu bemerken, dass, wie Mc und iste
nach der Begel sich ändem, ebenso alle mit hie zusammenhängenden For-
men^ z. B. adhuc, vgl. Cses. b. g. 1, 14, 4. b. c. 1, 24, 5, natürlich oft auch
bleiben, s. Fabri Liv. 21, 63, 2, dass mehrfach der Name statt des Be-
flezivs oder Demonstrativs eintritt, vgl. Csbs. b. g. 1, 13, 3. 1, 14, 4. 1, 20, 4«
1, 36, 4. 1, 36, 6. Sali. J. 70, 5 (uir). Bei tum statt nunc war zu erinnern,
dass nunc öfter gar nicht verändert werden kann , vgL Qss. b. g. 2, 4, 7.
5, 27, 7. b. c 1, 84, 4. 1, 85, 5 u. 11. 3, 10, 9; öfter auch ohne solchen Grund
steht, s. Fabri SalL J. 81, 1. Liv. 21, 35, 9. Wenigstens wünschenswerth
ist eine Erwähnung, dass die Pronom. der ersten Person angewendet wer-
den, wenn der Berichterstatter sich einschliefst, vgl. für noster C»s. b. g.
1, 11, 3. 1, 17, 5. 1, 40, 7. 1, 44, 8. 2, 1, 2. 5, 29, 3. — In der Darstellung
der Nebensätze mit obliquer Beziehung und der 'Attraction der Modi in
Nebensätzen* (besser bezeichnet Meiring letzteres mit 'Indirecter Abhängig-
keit') ist manches nicht ganz genau. So kann erstens oblique Beziehung
auch in Nebensätzen eines einfachen Infinitivs stattfinden, z. B. Cic Vat
3, 9. MiL 11, 31. 1, 2. Ferner ist Nep. Cim. 5 vidisset nicht ein Conjunctiv
der obliquen Beziehung, sondern der indirecten Abhängigkeit; der aller-
dings durch eine echte Attractio modomm entstandene Conj. bei Verbis
t04 Laänumn u. MiiBer, Lat Grammatik, ang. T. L. VieOuSber.
dioendi eto. nach quod, qucmtwn etc. §. 143, 3 gehört doch als in Folge
falscher Analogie gebildet zu der der obliquen Beziehung §. 142.
§. 145 ff. Die Finalsatze werden eingetheilt in 'Zweckafttse* nad
*finale Ergänzungssätze." Zu den letzteren werden die abhängigen Hdaehe-
sätze und die von 'machen, bewirken * u. ä. abhängigen Sätze gezählt Dock
wird diesen eine Zwischenstellung zwischen Final- und ConsecutiTsfttieB
eingeräumt, zunächst wegen der Möglichkeit %it non zu braudien. Das
scheint nun nicht sehr stichhaltig, da an den Stellen, wo tU non erscheint,
ein ganz specieller Grund nachzuweisen ist. So ist Cic. de fin. 2, 8, 24.
Cat. 3, 3, 7. Verr. n, 1, 8, 22 der Gegensatz nicht zu verkennen, Cie. de fin.
2, 5, 15. 4, 12, 30 ad Att. 11, 21, 1 bilden Negation und Verb einen BegM,
und so auch in den anderen Stellen, die Krüger. Gramm. §. 572, 1 anfährt
Man vgl. ut non in verschiedenen Absichtssätzen, 's. Zumpt §. 847 Anm>
Ueberhaupt haben Haase bei Reisig Anm. 479, Weiflsenbom §. 405 «nd
Fromm §. 404 vollkommen richtig diese Art von u^- Sätzen von den in-
deren abgetrennt ; nur hat der letzte zu vielerlei unter die Nebensätze der
Wirkung aufgenommen. Unter die Fälle des immanenten tä (nach Haase)
sind zunächst zu rechnen die Sätze nach fU^ accidit, evenü, zu den eni»
sprechenden Aotivis , und die auffälligen nach mancherlei prädicativen Ad-
jectivis, nahe verwandt sind sunt qui, nemo (quis) est gfut, faeere non
posswn, fieri non potest, kurz alle Nebensätze, die nicht einen Hauptsati,
der einen Gedanken vollständig oder bis auf ein Satzglied (Object) voll-
ständig enthält (Final- und Heischesätze), bestimmen oder ergänzen, son*
dem die selbst erst den Gedanken enthalten, zu dem der Hauptsatz nur
die Aussage fit tU, sunt qui oder eine adverbielle Bestimmung casu fU
Cic Mil. 31, 86 u. ä. fQgt. Es ist femer klar, dass solche Sätze am streng-
sten an die Gesetze der Consecutio temporum gebunden sind. Nep. Milt
5, 2 ist valuent aus dem Daniel, von Nipp, in ualeret geändert — Im
übrigen ist zu §. 196a zu bemerken, dass %U ne doch nach eanere vor-
kommt, s. Lahmeyer Cic. LsbI. 26, 99; zu §. 147, 1 konnte an imperam
erinnert werden, Eraner C»8. b. g. 5, 1, 3. — Gut ist die Behandlang der
Bedingungssätze gegenüber der gewöhnlichen Darstellung, wenn wir aneh
gegenüber dem Versuche, den Conjunctiv des Willens im Vordersätze übeFsU
als potentialis zu fassen, an unserer Darstellung in dieser Zeitschrift 1861,
S. 845 ff. festhalten zu müssen glauben. Ebenso hat uns §. 180, 8, Anm. 2
nicht überzeugt, dass der sogenannte Conjunctivus iteraüvus vom Tem-
poralsatz ausgehend auf den hypothetischen Satz übertragen sei, anstatt
umgekehrt. Der Anhang 'Eigenthümlichkeiten im Gebrauche des Prono-
men relativum' war wol unter der Lehre vom Relativum §. 155 unter-
zubringen, femer dürfte §. 193 viel klarer werden durch Voranstellung
des §. 194.
Wien. Leopold Vielhaber.
Geschichte Julius Csesars. Erster Band. 295
668chiehte Julius Caesars. Vom Verfasser autorisierte XJeber-
•etiung. Erster Band. Vin u. 396 8. 8. Wien, Carl Gerold's Sohn,
1866. — 4 fl. öü kr. ö. W.
Ohne für jetzt eine eingehende Würdigung dieses neuen Werkes
gehen zu vollen, die hesser his zur Vollendung des Ganzen aufgespart
bleiht, heeilt sich die Bedaction dieser Zeitschrift ihren Lesern von dem
Fhin, der Art und dem Inhalt der 'Geschichte Ciesars* eine vorläufige all-
gemeine Kunde zu bringen.
*Das Ziel dieser Geschichte', sagt die vom 20. März 1862 datierte
Vorrede, *ist zu beweisen, dass die Vorsehung, wenn sie Männer, wie Cssar,
Xarl den Grofsen, Napoleon, hervorbringt, damit den Völkern die Bahn,
welche sie verfolgen sollen, vorzeichnen, mit dem Gepräge ihres Genies
eine neue Aera bezeichnen, und in wenigen Jahren die Arbeit von Jahr-
hunderten vollenden will.' Caesar insbesondere anlangend kam es darauf
an, für seine einflussreichen Bestrebungen die staatsmännischen Triebfedern
aufzudecken und in dem Entwickelungsgange des römischen Staates selbst
den Grund aufzuweisen, der Csesars Eingreifen bedingte und seine um-
fusenden Pläne hervorrief. *Die Aufgabe besteht darin*, sagt die Vorrede
an einer anderen SteUe, *das lebenskräftige Element aufzusuchen, welches
die Stärke der Einrichtung ausmachte, sowie die beherrschende Idee, welche
die Handlungen des Mannes leitete.*
Den vorgezeichneten Plan verfolgt der vorliegende erste der drei
prcgectierten Bände mit Consequenz. In dem ersten der beiden Bücher, die
derselbe nmfasst, wird die Entwickelung des römischen Staates von seinen
kaBkagea bb auf Caasars erstes Auftreten dargelegt. Von der Eönigsherr-
Bchaft» unter welcher die dauernden Grundlagen der römischen Institutionen
gelegt wurden, verfolgt der Geschichtschreiber Caesars die römische Staats-
entwickelung durch die consularische Bepublik und den innem Verfassungs-
kampf hindurch bis zur Vollendung der Eroberung Italiens. Galt es vorher
in den Verfassungsformen und Beformen die Bedingungen der Gröfse Boms
sowie die Keime der Verderbnis nachzuweisen, so war hier die Stellung
mid Abstufung zu bezeichnen, in welcher die unterworfenen italischen
Völkerschaften in den Verband der römischen Bepublik aufgenonmien wur-
den, and somit die Grundursachen zu Ansprüchen und Bedürfnissen der-
aelben aufzuweisen, welche für Bom verhängnisvoll wurden. Bevor sich
sodann die Darstellung zu den römischen Eroberungen jenseits der Gren-
zen Italiens wendet, wird eine detaillierte Schilderung entworfen von dem
Wohlstande der Beiche, die wie in einem Gürtel rings das Mittelmeer
umgaben, und der Beihe nach als Unteijochte oder Bundesgenossen in
die grofse römische Völkerfamilie aufgenommen werden sollten. Aus den
zerbröckelten Notizen oder darauf gebauten Combinationen über die Be-
völkerungszahl, die Truppenmacht und die Flotten, den Beichthum, die
Erzeugnisse des Bodens und die Producte der Industrie und des Kunst-
iieUlsee wird musivisch ein Bild zusammengefügt über den Bestand der
iberiachen, africanischen, griechischen, kleinasiatischen Völkerschaften, die
N6 Geschichte Jalius Csesars. Erster Band.
in der Folge Borns Oherhoheit anzuerkennen gezwangen wnrden. Diew
Schilderung schlieM mit den für den kaiserlichen Geschichtschreiber charak-
teristischen Worten: * Diese gedrängte Beschreibung der Küsten des mittel«
ländischen Meeres, wie sie zwei- oder dreihundert Jahre vor unserer Zeit-
rechnung waren, lässt den Blütezustand der verschiedenen Völker, die sis
bewohnten, genugsam hervortreten. Die Erinnerung an solche Gröfte flöftt
einen sehr natürlichen Wunsch ein, den nämlich, dass die Eifersucht der
Grofsmächte den Orient nicht mehr hindern möge, den Staub von xwanzig
Jahrhunderten abzuschütteln und aufzuerstehen zu Leben und Civilisation.*
Doch hat diese Darstellung auch ihre Bedeutung für den ferneren Gang
der römischen Herrschaft selbst. Die aus jenen Reichen in Rom eindrin-
gende Cultur, literarische und künstlerische Bildung, neue Ideen und An-
schauungen, welche mit dem römischen Wesen contrastierten nnd eng-
herzige Vorstellungen der Römer durchbrachen, Reichthum und Ueppigkeit
und mit beiden verbunden Lockerung der alten römischen Sittenstrenge
im Krieg und im Frieden, die aus jenen Eroberungen erwachsenden neuen
Zielpuncte für die Habgier und Willkür der Feldherren und Provindal-
statthalter werden zu ebenso viel Momenten der Verderbnis der römischen
Republik, die mit der Ausbreitung des Reiches gleichen Schritt hielt
Hieran schliefst sich die Erzählung von den Eroberungen selbst,
die punischen, spanischen, macedonischen, syrischen Kriege, wobei nicht
minder mit militärischem Interesse die strategischen Gesichtspuncte der
römischen und fremdländischen Kriegführung aufgesucht, ihre Vortheile
und Nachtheile gegen einander abgewogen, als mit staatsmännischein Blick
die politischen Motive Roms bei seinen Eroberungen dargelegt werden.
Als ein schlagendes Ezempel einer auf Gewinnung groflser Popularität be-
rechneten Maflsregel wird die Freierklärung Griechenlands durch Flami-
ninus hingestellt, unter wörtlicher Benutzung des Berichtes des Livins, der
mit den Worten schliefst: 'Es gab also, sagte man (nämlich die befreiten
Griechen), ein Volk auf Erden, das auf seine Kosten, um den Preis von
Mühen und Gefahren, den Krieg für die Freiheit selbst von Völkern führte,
die seinen Grenzen und seinem eigenen Länderbestande fem lagen; es
durchzog die Meere, auf dass in der ganzen Welt keine einzige ungerechte
Herrschaft mehr bestehe und das Recht, die Billigkeit, das Gesetz überall
die Oberhand gewinnen.' Dabei unterlässt es jedoch der Verfasser nicht,
hier wie sonst auf das Geschick hinzuweisen^ womit die Römer jederzeit
es verstanden, ihre ehrgeizigen und eigennützigen Pläne hinter der Maske
der edelmüthigsten Beweggründe zu verbergen.
Jetzt rückt die Darstellung ihrem eigentlichen Ziele immer näher.
Im Lauf jener Eroberungen und als Consequenz aus ihnen war sowol die
Verkommenheit des römischen Senates und die Entsittlichung der Aristo-
kratie, die den Stolz auf ererbte Vorrechte ohne jedes persönliche Verdienst
bewahrte, unaufhaltsam fortgeschritten, als auch anderseits die Verarmung
des römischen Volkes und die Bedürfnisse und Ansprüche der italischen
Bevölkerungen, die von den Lasten der römischen Republik gedrückt, von
dem Vollgenuss ihrer Rechte ausgeschlossen waren, immer höher gestiegen.
Daher die wiederholt aufgenommenen Versuche, durch neue Mal^regeln
Geschichte Julius Csesars. Erster Band. 207
dem Druck der ärmeren Classe des römischen Volkes abzuhelfen und die
gerechten Wünsche der Italiker zu erfüllen. Die Misstände selbst und die
▼ersuchten Mittel ihrer Abhilfe werden in^s Licht gestellt und den Gründen
nachgespürt, aus denen diese zeitgemäfsen Bestrebungen dennoch scheiter-
ten. Auf jenes Ziel giengen die Bemühungen der Gracchen, denen aber
die genügende Macht fehlte, ihre wohlgemeinten Plane glücklich zu Ende
zu führen; dahin das Streben des Marius, der von neuem sich zum Ver-
treter der Sache des Volkes machte, aber durch unmotivierte Grausamkeit
seine populären Bestrebungen verdarb und den aristokratisch -despotischen
Bückschlag des Sulla möglich machte. Hier war der Punct, auf dem Cesar
einzugreifen berufen war, der umsichtiger und leidenschaftloser als die
Gracchen, und mit weniger Kauheit und Grausamkeit als Marius zu Werke
gieng und sein Ziel glücklicher erreichte.
So hat das erste Buch den Boden zurechi gemacht, auf dem nun
die Darstellung Csesars selbst sich erheben kann. Mit den ersten Lebens-
jahren Cesars wird das zweite Buch eröffnet. Unter Benutzung der kleinen
Züge, dergleichen Sueton und Plutarch überliefern, wird dem Leser die
Persönlichkeit Ciesars, seine äufsere Erscheinung, sein liebenswürdiges und
doch würdevoDes Wesen nahegerückt, seine sorgfältige Erziehung und viel-
seitige Bildung in's Licht gestellt und nachgewiesen, wie Csesar in lang-
samem Fortschritt, durch wohlberechnete Proben (wie die von ihm ge-
haltene Leichenrede auf seine Tante Julia, die Wittwe des Marius, die
Wiederaufstellung der Trophäen des Marius, sowie der von Cssar veran-
lasste Process gegen Rabirius a. a.) sich allmählich als den echten Mann
des Volkes enthüllte, von dem einst die römischen Bürger und die Pro-
vinzialen Abhilfe ihrer drückenden Lage erwarten konnten, und wie er,
ohne ungesetzliche Wege zu betreten und in hochverrätherische Pläne sich
XU verstricken, die Spuren der Sullanischen Reaction zu vertilgen und die
Macht der Aristokratie und des Senates in ihren Grundfesten zu erschüt-
tern unternahm.
Anschaulich werden die Männer gezeichnet, welche in dieser ersten
Epoche von CsBsars Laufbahn im Vordergrund der politischen Bühne stehen
und entweder in Gemeinschaft mit Csesar oder gegen ihn agieren. Pom-
p^uB, der glückliche Feldherr, der allemal zu rechter Zeit kam, *um zu
seinem Ruhme die Kriege zu beendigen, die nahe daran waren, zum Ruhme
Anderer beendigt zu werden', der Staatsmann, der die Partei der Aristo-
kratie nicht aufgab, aber um der Volksgunst willen es angemessen fand
gelegentlich populäre Gesetzesanträge zu unterstützen, der aber auXser dem
eigenen Ruhme und seiner Eitelkeit keine Ziele mit staatsmännischer Con-
sequenz verfolgte, bis Csesar ihn für lange Zeit an seine Ideen zu fesseln
verstand. — Crassus, der liebenswürdige Lebemann, der seine reichen Schätze
zu seinem und seiner Freunde Bestem und des Volkes Belustigung ver-
brauchte, der anfangs keiner der beiden widerstreitenden politischen Par-
teien ganz angehörig zwischen beiden lavierte, dann aber aus einem Gegner zu
einem Verbündeten und wegen seiner Ungeheuern Beichthümer sehr brauch-
baren Werkzeug Ctesars ward. — Ihnen gegenüber Cicero, der von Haus
aus zum Mann des Volkes berufen, in Folge seiner selbstgefälligen Eitel-
t98 Geschichte Julius Caesars. Erster Band.
keit und weibischen Gespensterfurcht sich zum Hort des mehr und mehr
dahinschwindenden Senates und der Aristokratie aufwarf, ohne doch andi
hei ihr lange Einfluss und Ansehen zu genie/^en. Deutlich tritt hervor
wie der 'berühmte Redner* bei aller Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit ein
grundschlechter Staatsmann war, der ohne feste üeberzeugungen tn ver-
schiedenen Zeiten die widersprechendsten Grundsätee verfocht, und den
Staat gerettet und eine verderbliche Partei völlig vernichtet sn haben sich
rühmte, w&hrend er nur ein kleines Häuflein Verschworener mit nngeseti-
licher Strenge aus dem Wege geräumt hatte. — Cato endlich, der starrar
als Cicero, aber in seiner verblendeten Hartnäckigkeit das vermeintliche
Staatswohl mit eben denselben Mitteln untergrub, mit denen er es la
sichern glaubte. — Unter ihnen vertrat Caesar allein ein Princip, das sich
aus den thatsächlichen Verhältnissen des römischen Staates ergab, dasselbe
Princip, das die Gracchen, das Marius verfolgt hatten, die unabweislichen
Forderungen der Armen Roms und 'der italischen Unterthanen zn befrie-
digen. Dieses Ziel streng im Auge haltend und jeden Moment, es za för-
dern, klug benutzend, wusste Caesar Pompejus und Crassus für sich la
gewinnen, des Cicero und Cato aber, da sie sich gutwillig nicht fügten,
sich zu entledigen.
Zwei Momente aus diesem Theile der Geschichte seien noch insbe-
sondere hervorgehoben : die Beurtheilung der Catilinarischen Verschwörung
und Caesars Ackergesetze. In der Darstellung jener setzt der Verfasser der
von staatsmännischem Geiste eingegebenen Rede, womit nach Sallnst^
Bericht Caesar die stürmisch^ Senatsversammlung vor überstrengem Eifer
gegen die Catilinarier warnt, die utrierten und leidenschaftlichen Dech^
mationen des Cicero entgegen, welche damals Viele betäubten und noch
lange das Urtheil über jene Verschwörung und ihre Tlieilnehmer bestimm-
ten. Der Geschieh tschrciber Caesars sucht die Würdigung der hochver-
rätherischen Pläne des Caülina auf ihr rechtes Mafs zurückzubringen, und
wie Caesar, ohne das Unternehmen zu billigen, den Personen, die an der
Spitze desselben standen, gerecht zu werden. Der damals gegen Cesar in
Folge seiner abmahnenden Rede im Senat erhobene Verdacht der Theil-
nahme und Mitwissenschaft an der Verschwörung wird in den Boreich der
von politischem Parteihass eingegebenen Verleumdungen verwiesen. Obwci
zuzugeben, dass die Bestrebungen der Catilinarier in gewissem Betracht
einige Verwandtschaft mit den Plänen Caesars hatten, so war doch Casart
ganzes Wesen nicht danach angethan, sich in ein solches Complott einin-
lassen, und zudem hatte er keine Veranlassung ungesetzliche Wege ein-
zuschlagen, so lange die Aussicht mit erlaubten Mitteln zum Ziele in
gelangen nicht verbaut war.
Die Ackergesetze aber, die Caesar erlieiÜB, waren die erste groAe That
seines Consulates: sie waren im Grunde nur die Wiederaufnahme der frühe-
ren von Cicero in blindem Eifer bekämpften Anträge des Rullus, und zeig-
ten deutlich, wie richtig Caesars Scharfblick die Bedürfnisse des romischen
Staates an seinem wundesten Flecke erkannte, und dass er mit sicherem
Griff die rechten Mittel in Gang zu setzen wusste, ihnen abzuhelfen. Die
Ackergesetze, sowie eine Reihe anderer in Caesars erstem Consultat durch-
A. Graf, Wandkarte der Planigloben, ang. v. A, Steinhauser, 290
gelffacfaten Gesetzesanträge, alle bestiiiimt, längst fühlbaren Uebelständen
des Staates (wie insbesondere in der Provincialverwaltung) abzuhelfen,
waren nur die Ausföhrung des von Cessar seit lange bei sich festgestellten
politiaehen Programmes.
Bis hierher hat Gtosar, unter dem heftigen Widerspruch seiner Geg-
ner, die sr seinerseits durch versöhnliches Entgegenkommen zu gewinnen
unablässig bemüht war, seine Zwecke erreicht: auch die anfänglich ver-
sagte, folgenreiche Statthalterschaft der beiden Gallien ward ihm beim
Absdiluss seines Consulates doch noch zu Theil, und mit dieser Verwal-
taAg beginnt eine neue Phase in Cssars Leben, deren Darstellung dem
zweiten Bande vorbehalten ist
Diese flüchtige Skizze mag genügen, um vorläufig Plan und Gesicht-
poncte der Geschichte Cnsars zu bezeichnen. Sie ist zumeist im Ton
schlichter Erzählung gehalten, die nur hier und da durch zusammenfas-
sende Betrachtungen unterbrochen wird. Häufiger sind in dieselbe längere
und kürzere classische Stellen aus den alten Autoren wörtlich eingewebt,
wie der angeführte Bericht des Livius über Flamininus, die Bede Csesars
im Soiat bei Sallust, anderes aus Cicero, Dio Cassius, Plutarch u. s. w.
Andere Belegstellen werden schrittweise in den zahlreichen Anmerkungen
dtiert oder ausgeschrieben, und verleihen dem Ganzen auch äufserlich
mehr den Charakter einer urkundlichen Geschichte als eines publicistischen
Ra&Bonnements. Ohne durch besondere Neuheit der Aufschlüsse oder über-
nsohende Combinationen und Parallelen mehr zu blitzen als zu erhellen,
geht das Werk den gemessenen Gang einer gleichmäMg durchgeführten,
anschaulichen, Personen und Verhältnisse mit freiem Blick beurtheilenden
Geschichtsdarstellung.
Dem ersten Bande sind beigegeben vier Karten, vom Gebiete der
Stadt Born zur Zeit der Vertreibung der Tarquinier, eine Generalkarte des
alten Italiens, eine Karte des Mittelmeerbeckens und eine von der Insel
Peuche an der span. sehen Küste.
Die Uebersetzung, um auch von ihr ein Wort zu sagen, erfüllt, so
weit dies möglich, zugleich die Forderung der Treue ohne dem Bechte der
deutschen Sprache etwas zu vergeben. Druck und Ausstattung sind bril-
lant und einem Werke von kaiserlicher Hand entsprechend.
Schulkarten des Weimarer geographischen Institutes.
1., 2.'*') Oestlicher und westlicher Planiglob, zum Schulgebrauche
bearbeitet von Ad. Graf. Zweierlei Ausgaben: a) physikalische,
b) politische. Jeder Planifflob zu 4 Blättern in Far Mndruek 22 '/, Sgr.,
auf Leinwand z. Zusammenlegen 27 '/, Sgr., mit Stäben 2 Thlr.
Die überraschend guten Erfolge, welche durch des ersten Bahn-
brechers im Schulwandkartenfache E. von Sydow erzielt wurden, haben viele
*) üeber diese beiden Planigloben ist von einem anderen Ref. im vorigen
Jahrgange S. 53B f. Bericht erstattet; die Red trägt kein Bedenken
in der vorliegenden übersichtlichen Anzeige neuerer Publ cationen
auch diesen mit der früheren Anzeige zusammentrefifenden Theil auf-
zunehmen, da der Ref. grorsentheils andere Gesichtspuncte geltend
gemacht hat. A. d. Red.
800 Ä, Graf, Wandkarte der Planigloben, ang. v. A, Steinhau9er.
ähnliche Unternehmungen hervorgerufen, welche fast dnrchgebendB in dem
Grundsätze übereinstimmen, durch nüchternen Inhalt, durch ansprechende
Farbengebung, durch Reducierung der Beschreibung auf ein geringstes M^iy
eine wohl verstandliche Auffassung der elementaren Karten bilder bei An-
fängern zu erzielen. Auch die vorliegenden 16 Sectionen der physikalischen
und politischen Planigloben zeigen im allgemeinen das Festhalten am ge-
nannten wohlerprobten Principe. Sie unterstützen das sichere Erkennen der
Gestaltung der Erdoberfläche durch grelle Farbentöne, die den Hauptkarten-
elementen üblich zukommen: braun für die Erhabenheiten, blan für die
Gewässer, grün und lichtbraun für das Tiefland; sie enthalten entweder
gar keine Angaben (z. B. für Länder, Inseln, Ströme, Gebirge) oder nv
kurze Abbreviaturen (für Wohnorte), an Grenzen nur das nöthige, nnd leichnen
sich sonach durch klare Uebersicht vorthcilhaft vor manchen analogen Yer-
suchen aus. Da bei solchen Erddarstellungen nur das Bedürfnis des ersten
Unterrichtes in's Auge gefasst werden kann, und das Materiale bei diesem
nothwendig ein sehr beschränktes sein muss, so kann man von der Aus-
lassung von Namenskürzungen absehen, besonders in dem Falle, wenn
die Karten, die der Schüler zu seinem häuslichen Gebrauche benützt, die
Wiederholung auf der Wandkarte entbehrlich machen. Die Gebirge sind
in Kreidemanier ausgeführt, und es dürfte gegen die Art, wie Hr. Chtf
seine Aufgabe crfasst hat, nichts einzuwenden sein. Die Zwecke deutlicher
Erkennbarkeit aus der Feme erfüllt die Karte im ganzen gut, nnr die
Umrisse der Flüsse erweisen sich dabei als unzulänglich, so dass es ftst
gerathener erscheint^ wenn dieselben lieber der schwarzen Platte vorbe-
halten worden wären. Dies würde auch den Yortheil gewährt haben, alle
bei Verschiebung im Drucke nicht selten vorkommenden Veränderungen
der Ortslagen bestens zu vermeiden. Es braucht bei einem Institute, wie
das Weimar'dche, kaum versichert zu werden, dass die Darstellung dem
Tage des Erscheinens gemäfs ist. Die Grundlage beider Ausgaben ist voll-
kommen gleich ; sie unterscheiden sich nur dadurch , dass auf der politi-
schen Ausgabe die Farbe für das Tiefland fehlt, und dagegen jeder Erd-
theil (nebst den darin vorkommenden Grenzen) verschiedenfarbig gerindert
erscheint Man kann sagen, dies sei zu viel und zu wenig, je nach dem
Stand puncto der Anforderung von Seite der Schule. Die Erdtheile sind so
geschieden, dass sie, selbst Europa nicht ausgenommen, einer eigenthüm-
lichen Farbe ganz entbehren können. Begnügt man sich überdies mit der
rothen (deutlich von den übrigen gebrauchten Farben abstechenden) Be-
grenzung, so erscheint die separate politische Ausgabe fast als ein üeber-
fluss. Legt man jedoch ein besonderes Gewicht darauf, die staatliche Con-
figuration vorherrschend zur Anschauung zu bringen, so hätte statt einer
Farbe eine ganze Suite von Farben in Anwendung kommen müssen, die,
um nicht in Conflict mit den zum physischen Bilde gebrauchten zu ge-
ratheq, eine andere Unterlage des Naturbildes nöthig gemacht hätten«
Diese Bemerkung lässt sich auch so ausdrücken: Die rothen Linien der
Staatenbegrenzung stören das physische Bild so wenig, dass, wenn sie sor
Andeutung ausreichen, die zweite Ausgabe entfallen konnte; erachtet sie
die Lehrerpraxis für nicht ausreichend, um dem Schulzwecke zu genfigen,
C Hergt, Karte yon Palästina, ang. v. A. Steinhauaer, 801
80 würde eine Ton der ersten Ausgabe unabhängige Bearbeitung der zweiten
fomnehen gewesen sein. — Die Planigloben haben nahe drei Schuh Durch-
messer und sind in Babinet's Protection entworfen, einer Entwurfsgattung,
welche durch Gleichheit der Flächenraume, durch horizontale Breitenkreise
einige entschiedene Vortheile, durch Yerziehung der Umrisse jedoch leicht
ersichtliche Nachtheile in sich trägt, so dass die Frage noch als offen be-
trachtet werden kann, ob sie PSa die Schule der gewohnten stereographi-
sehen Projection vorzuziehen sei, indem es noch viele Lehrer gibt, welche
die Bichtigkeit der Umrisse als Hauptsache der Entwerfungsart obenan-
stellen. Nebenprojectionen (z. B. Nordpol, Südpol u. s. w.) enthalten die
Weimar^schen Schulplanigloben nicht; sie hatten nur dann guten Platz
finden können, wenn beide Planigloben zu einem Ganzen wären vereinigt
worden. Wichtiger wäre für den Standpunct des Elementarunterrichtes das
Entstehen einer anderen Ausgabe von Planigloben, welche die AuffiEissung
der Oceane ebenso gut vermittelten, wie die bisherigen das Erkennen der
Linder Verhältnisse. Eine Halbkugel müsste dem atlantischen, die andere
dem groXIsen Oceane gewidmet sein, beide getrennt behandelt werden«
weil sie sich gegenseitig nicht ergänzen, wie die östliche und westliche
Halbkugel Für die Eismeere würde die Zeichnung bis zum 60" Grad der
Breite genügen; dann erst würden diese Behelfe jene Vollständigkeit er-
reichen, um den Globus so weit zu ersetzen, als Flachzeichnungen dies
überhaupt zu leisten vermögen.
3. Karte von Palästina, gezeichnet und dem Sophienstift in
Weimar gewidmet von C. Bergt. In 4 Blättern in Farbendruck. —
2 Thlr.
Wenn der Lehrer der Volksschule, welcher die biblische Geschichte
beider Testamente vorzutragen hat, bereits Schüler vorfindet, welche Karten
in ihren allgemeinsten Umrissen zu verstehen gelernt haben, so vrird er*
gewiss einen sehr guten Gebrauch von einer Karte machen können, welche
iiidit nur das Auge anspricht und das nothwendigste enthält, sondern auch
die sonstigen Eigenschaften einer guten Schulwandkarte: Deutlichkeit, Sicht-
barkeit ans der Feme u* s. w. in sich vereinigt. Zu dieser Classe kann man
die Torgenannte Karte zählen, indem sie das heilige Land in allgemeiner,
aber klarer Charakteristik seiner Bodenerhebung darstellt, eine mäüsige,
doBi Unterrichte der unteren Stufe entsprechende Anzahl von Orten ent-
bilt, nnd auch der gewöhnlichen Beigaben (Plan von Jerusalem, Karte der
12 Stämme) nicht entbehrt. Die gelungene Ausführung in Farbendruck
gewählt eine leichtverständliche Uebersicht des Hoch* und Tieflandes, in
welches letztere jedoch nicht blofs ein Streifen des Jordanthaies, sondern
Mich die Küsten des todten Meeres einbegriffen sein sollten« Gewiss war
es die Abeicht des Autors, das Verständnis der gewaltigen Depression dieser
Eidstelle durch zwei Profile bestens zu befördern, allein dieselben zeigen
ein nicht wohl überlegtes Vermengen von geometrischem Profil, oro-
mphischem Anfriss und perspectivischer Zeichnung, theilweise selbst mit
Formen, die der Landschaftszeichnung angehören, so dass die beabsichtigte
Muehrift f. d. ^ttcrr Oyonn. \Mi5. IV. H*fi. 21
SM C, Oräf, Orogpraphische Karte etc.. ang. y. Ä. Steinhäuser,
Wirkimg vereitelt wird und selbst der Kenner sich erat hineinfinden i
Ein reines Festhalten am geometrischen Profile in Verbindung mit der
Horizontallinie des Niveaus des mittelländischen Meeres würde einfiuslier
und dem Anfanger verstandlicher sich erprobt haben. Die starke Ueber»
höhung der verticalcn Abstände ist ein viel kleineres üebel als die dordi
die vorgenannte nicht glückliche Combination verursachte Unklarheit Für
den Fall einer Erneuerung würde vielleicht angezeigt sein, die zwei Profile
mit halber (aber gleicher) Ueberhöhung unter einander anzubringen and
sich rein auf den wahren Durchschnitt zu beschränken. Die beiden Profile
bilden den unwichtigsten Theil der Karte, daher ihr Misglücken den Werth
und die Gebrauchsfähigkeit der Karte nicht beeinträchtigt. Die äutteie
Ausstattung ist des Weimarer geographischen Institutes würdig und die
Karte hat in dieser Beziehung einen Vergleich mit der grofsen Eiepert*-
schen Wandkarte nicht zu scheuen.
4.-8. Karten der deutsch-österreichischen Kronländer in ihren
hvdro- und orographischen Verbältnissen. 4. Nieder- und
Oberösterreich mit Salzburg. — 5. Steiermark, Kärnthen, Krain, Küsten-
land. — 6. Tirol. — 7. Böhmen. —- 8. Mähren und Schlesien. Im MaAe
1 : 600000. Bearbeitet von C. Graf. Terrain von V. Geyer, ä V, Thh.
Die lobenswerthe und separate Ausführung des Terrains in den
anerkannt guten Karten des Weimar'schen grofsen Atlas über die deutsdi-
österreichischen Kronländer veranlasste den Schreiber dieser Zeilen den
Wunsch auszusprechen, dass das Weimarer geogr. Institut sich möge bereit
finden lassen, auf Verlangen auch Separatabdrücke des Terrains auszufol-
gen. Das Institut hat selbst gefühlt, dass in solchen Separatabdrücken ein
gewaltiges Element für das nähere Studium der Bodenverhältnisse liegt,
es hat aber auch gefunden, dass ohne das Flussgerippe und einige Anden«
tungen von Ortslagen dem noch Lernenden die Orientierung im nackten
Terrain Schwierigkeiten bereiten werde; sie hat das reine Terrainbild durch
Hinzufügung des Gewässernetzes und weniger Ortsangaben zum vollen
physikalischen Bilde umgewandelt, und damit jenen Zwecken des Unter-
richtes, welche eifrige und verständige Lehrer der Geographie mit ähn-
lichen Mitteln bestens zu fördern verstehen, ein gewiss willkommenes Ma-
teriale geschafi'en. Die leeren Räume der Karten sind einem theils ergän-
zenden, theils wiederholenden Texte gewidmet, um einerseits den Inhalt
zu steigern, anderseits zu zeigen, wie von der Karte abgelesen werden solL
Die Beschreibung beschränkt sich auf Abbreviaturen von Ortsnamen, auf
die Namen ausgezeichneter Gipfel und der meisten Flüsse und Thäler. D%
in £. von Sydow*s Schulatlas und einigen im Principe theilweise ihm
nachgeahmten Atlanten keine Karten österreichischer Kronländer in lo
grofsem Mafsstabe vorkommen, dass sie einer mäfsig ausgedehnten Vfttei^
landskunde zum ausreichenden Bebelfe dienen könnten, so bietet das Wei-
marer Institut mit dieser Suite von fünf Karten den österreichischen Lehi^
anstalten für die höhere geographische Unterrichtsstufe ein sehr biftQcli-
bfures Hilfsmittel, dem man nur noch eine stellenweise Erweiterung wün-
schen möchte, um sie zum Zwecke der physischen Landeskunde noch ent-
A. Steinhäuser, Qeogr. Sohul-Atlas, ang. v. /. PtasOinik, SOS
fprechender and auf allen Pancten gleich tauglich za machen. Die Original-
kBrten dea AUas hatten als praktische üehersichtsblätter nicht die Nöthi-
gong, ao weit im Terrain über die Landesgrenze hinauszugehen, um den
Zoaammenhang entfernterer Bergmassen und Ketten sichtbar vor Augen
in bringen. Die Terrainzeichnung schloss zwar nicht, wie es leider öfter
▼orkommt, hart mit der Grenze ab, erstreckte sich aber nicht immer so
weit» bis wenigstens die nächsten grofsen Längenthäler einen natürlichen
Abecbnitt darboten. Freilich ündet sich der fehlende Theil auf der Karte
des anstolkenden Landes, aber die geistige Uebertragung der Supplemente
ist nicht jedermanns Talent. Der politischen Karte hätte der kleine Ueber-^
grüf nicht geschadet, und der physischen wäre er zu gute gekommen.
Hypsometrische Daten finden sich auf den Karten nicht; bei einiger Voll-
itindigkeit würden sie dazu kaum ausreichen , so z. B. würden auf der
Karte Ton Tirol allein aus dem eben zu publicierenden Verzeichnisse der
Hdhenmeasnngen der Catastral Vermessung über 12.000 Zahlen einzutragen
Mini Der oben besagte Umstand des etwas zu frühen Abechliefsens der
Terrainseichnung scheint auch einer zweiten Umwandlung dieser physika-
Uachen Karten in Schichtenkarten einigermafsen hinderlich zu sein; jeden«
fiüls würde eine solche spätere Bereicherung des orographischen Elementes
die Karten als Mittel zur Landeskunde noch bedeutend höher stellen. Allein
lehon jetzt werden sie gute Dienste leisten können, wenn die Lehrer
onaerer Mittelschulen über den Kreis ihrer Wirkung und Verwendung klare
Ansichten werden gewonnen haben.
Wien. Anton Steinhäuser.
Atlas flbr die erste Stufe des geographischen Unterrichtes in den
österreichisch -deutschen Schulen, entworfen, bearbeitet und mit Text
versehen von Anton Steinhauser, k. k. Rath. 2. Heft, Karten zur
Yaterlandskunde : 7. Oesterreichischer Kaiserstaat (Politische Ueber^
sieht); 8. Oesterreichischer Kaiserstaat (jflöhen- Verhältnisse) ; 9. Oester-
reich und Salzburg; 10. Steiermark, Kärnthen, Krain, Görz, Triest,
Istrien; IL Tirol und Vorarlberg ; 12. Böhmen; 13. Mähren und Schle-
sien; 14. Jjombardo-Venetien; 15. Galizien, Bukowina, Un^m, Sieben-
bürgen, Croatien-Slavonien, Militärgrenze, Dalmatien (Doppelblatt).
Wien, Artaria & Comp., 1865. — 1 fl. 40 kr. (Einzeln Nr. 7—14 jede
Karte 15 kr., Nr. 15: 20 kr.)
Dieses Heft liefert bereits ein Material für eine höhere Stufe der
Sntwickelnng. In der That werden die Schüler nach den vorausgegangenen
Uebnngen im 1. Hefte in Stand gesetzt, die Karten 9—15 mit £rfo]g za
lesen nnd an verstehen. Dieselben enthalten die einzelnen Königreiche und
Uuftder des österreichischen Kaiserstaates mit einer ausfuhrlichen Oro- und
Hydrogpmphie , nebst Angabe der Communicationsmittel und der einzelnen
Orte. Wie reichhaltig die Topographie hier vertreten ist, ergabt sich aus
dem Umstände, dass zur Bezeichnung der Orte nach der Gröfse ihrer Be^
Tölkening acht verschiedene Schriftzeichen gewählt sind; aiifiserdem findet
naa Zeichen für Dörfer, Schlösser, Abteien, Wallfahrtsorte. Diesem Vor*
gutge liegt die Idee zn Grunde, jede Karte eines Kronlandes so auszustatten,
4mb aie zugleich für ein specielles Studium die nöthigen Anhaltspunete
21*
804 Ä. Steinhauier, Geogr. Schul-Atlas, ang. y. J, Piam^mk
biete. Bei all dieser Reichhaltigkeit des Stoffes wusste der Hr. Yerf. die
Klippen za umschiffen, an denen ein solcher Vorgang leicht Schaden nehmen
konnte; dadurch nämlich, dass die Plastik des Reliefs als Basis gewählt
und die oro- und hydrographischen Verhältnisse in den Vordergnmd gatteUt
wurden, trat die Topographie selbst in zweite Linie zurück, und indem
der Hr. Vf. bei diesen Karten vor allem darnach strebte, die Lage eines
jeden Ortes genau und deutlich zu charakterisieren, wurden doieh
diesen Zweck selbst die Schranken geschaffen, deren Beobachtung die
üebersicht und Deutlichkeit des Objectes erfordert. Die Karten 9 — 16,
die sich mit Bezug auf die Darstellung des Objectes an die Karte Ton
Palästina anschliefsen, sind daher durchwegs leicht lesbar- und bieten doroh
ihre gute Ausflihrung einen geeigneten Stoff zur Erweiterung der Kouit-
nisse der Schüler in Bezug auf die erdkundlichen Momente des Oeteneichi-
schen Kaiserstaates. Die Karten 7 und 8 verfolgen specielle Zwecke. Gleidi-
wie nämlich die Karte 2 des 1. Heftes eine Art Einleitung in das Karten-
lesen überhaupt enthält, so ist auch die Karte 7 als Einleitung zur Vater»
kndskunde zu betrachten. Sie enthält im Buntdruck auf hjdrographisdier
Basis eine Üebersicht der politischen Eintheilung des Staates nach seinen
Kronländem. In den Begleitworten zu dieser Karte beschäftigt sich der
Hr. Vf. mit den Mitteln zur anschaulichen Darstellung des GröXtonTerhäli-
nisses mit Bezug auf den Flächenraum, auf die Bevölkerung, Nationali-
täten und Religion. Die hier gemachten Vorschläge beschränken sich dar-
auf, dass das numerische Gröflsenverhältnis in einer entsprechenden geo-
metrischen Figur räumlich dargestellt werde.
Die Karte 8 stellt in Schichtenlinien die Höhenverhältnisse des Bo-
dens im österreichischen Kaiserstaate dar, und zwar von 0 — dOCV, 300 — 500*
600—1000', 1000— 2000- 2000-4000', 4000— 9000^. Wie die Höhenscala
zeigt, war es dem Hm. Vf. nicht um die blofto Anwendung einer neaen
Darstellungsform für das Terrain zu thun, sondern er gieng einen Schritt
weiter und bediente sich dieser Form, um zu versuchen, was sich mit
diesen Mitteln darstellen lässt Der vorliegende Versuch hat bereits ein
erfieuliches Resultat zur Folge; denn abgesehen davon, dass eine solche
Karte feste Anhaltspuncte zu ein^ schnellen und sicheren Orientierung bei
der Bestimmung der M. H. für die Bodenerhebung bietet, so wird durch
dieselbe «lamentlich die Üebersicht des Culturlandes, die genauere Unter-
scheidung des pioduotiven Bodens von dem unproductiven wesentlich er-
leichtert, und wenn, wie dies auf dieser Karte der Fall ist, die specielle
Terraindarstellung mit der Hydro- und Topographie (ohne Beisetzung der
Namen) in Verbindung steht, so lassen sich auf einer solchen Karte geo-
graphische Leseübungen nach verschiedenen Gesichtspuncten erfolgreidi
vornehmen.
Der Hr. Vf. widmet dieser Karte eine eingehende Erklärung und
wir haben «ur den Wunsch beizufügen, der Hr. Vf. möchte nach denselben
Grundsätzen eine Wandkarte zum Gebrauche für die Gymnasien entwerfen.
Wir zweifeln nichts dass eine solche Wandkarte wesentlich zur Erfüllung
jenes Wunsches beitragen würde, den der Hr. Vf. in seinem Begleitworle
den Schülern an*B Hen legt, indem er sagt: «Wenn ihr solche Hebungen
C Neumofm, Die magnetische Drehung etc., ang. ▼. J, Stefan. SOS
▼efstliidig unternehmet und sie auszuführen nicht ermüdet, werden die
guten Frttchte nicht lange auf sich warten lassen. Ihr werdet auf diese
Weise dahin kommen, die Geographie eines Landes, so weit sie von der
Karte abgelesen werden kann, selbst zu machen, und dies wird euch
mi^^eh gröilseren Nutzen bringen, als jedes noch so fleifsige Aus-
wendiglernen aus einem Buche. Um dieses Ziel zu erreichen, musa
euer Bestreben zuerst dahin gehen, eine Karte richtig lesen zu
lernen.**
Wien. J. Ptaschnik.
Die magnetische Drehung der Polarisationsebene des Lichtes.
Versuch einer mathemat^hen Theorie, von Carl Neumann. HaUe,
Waisenhausbuchhandlung, 1863. — 20 Sgr.
Wilhelm Weber vollbrachte die kühne That und vereinigt die An-
ziehung und AbetoDsung der ruhenden Elektricitäten, der von elektrischen
Strömen durchflossenen Leiter und die Erscheinungen der Induction unter
der Herrschaft eines einzigen Gesetzes, des Gesetzes, wonach die Wechsel-
wiiteng zwischen zwei elektrischen Massen nicht nur abh&ngig ist von
ihrer Distanz, sondern auch von der Geschwindigkeit und der Beschleuni-
gung ihrer relativen Bewegung. Diese grofse Leistung Weber*s bildet den
Ausgangspunct für die in dem vorliegenden Werkchen enthaltene Theorie.
Der Hr. Vf. geht von der Hypothese aus, dass in der durchsichtigen Sub-
stani, welche zwischen die beiden Magnetpole gebracht wird, elektrische
Strüme um die einzelnen Molecüle erregt werden, Ströme, wie solche von
Amp^ zur Erklärung des Magnetismus, wie solche auch zur Erklärung
des Diamagnetismus angenommen wurden. Die in diesen Strömen circu-
lierenden elektrischen Theilchen wirken auf die Theilchen des Lichtsthen
mit Kräften, welche abhängig sind von der Distanz und zugleich von der
idatiyen (Geschwindigkeit und Beschleunigung der wirkenden Theilchen.
Das Wirkungsgesetz unterscheidet sich vom Weber'schen dadurch, dass die
Function, welche die Abhängigkeit von der Distanz ausdrückt, nicht wie
bei Weber das reciproke Quadrat der Distanz ist, sondern unbestimmt ge-
lassen und an sie die Bedingung geknüpft wird, dass sie nur für sehr
kleine Distanzen einen von Null zu unterscheidenden Werth habe, eine
Bedingung, welcher man auch aUe sogenannten Molecularkräfte bisher un-
terworfen hat.
Aus dieser Hypothese wird die Wirkung eines Stromelementes, dann
eines geschlossenen Stromes auf ein Aethertheilchen , dann die Wirkung
der in einem magnetischen Körper vorhandenen Molecularströme auf den
Lichtether abgeleitet Dadurch ist alles zur Aufstellung der Bewegungs-
gleichungen für einen so afficierten Aether vorbereitet, welcher Aufstellung
der Hr. Vf. noch sehr bemerkenswerthe Betrachtungen über die Undula-
tionstheorie des Lichtes im allgemeinen voranschickt. Die Untersuchung
der Bewegungsgleichungen liefert drei Gesetze: Der Drehungswinkel ist
der Dicke der Substanz, der auf den Körper einwirkenden magnetischen
Kiaft, dem Cosinus des Winkels, welchen die Richtung dieser Kraft gegen
SOS Literarincbe Notiseu.
die BichtuDg der LichtstrahleB bildet, proportionftl Geaetse, die Mkn
sclion auf experimentellem Wege gefunden worden waren. Noch in andoMi
Folgerungen erweist sich die Theorie mit der £rfahrung Übereinstimmeod.
Ich begnüge mich, hiemit auf diese ausgeieichnete Arbeit mm
der bedeutendsten jüngeren Mathematiker Deutechlands hingewieMB «U
»ie allen Freunden mathematischer Wissenschaft zum Studium einplohkü
%u haben.
Wien. J. StefaiL .
Literarische Notizen. Neue Auflagen.
Materialien zum Uehersetzen aus dem Deutschen tn*s Oriechiaehe,
mit AnsMuss an die anomalen Verha, von G. A. Weiske, Oberlehrer
an der latein. Hauptschule zu Halle. Halle, 1864. 266 S. 8.
Es ist unglaublich, wie weit die Ansichten der Fachmänner aus-
einander gehen. Während ein Verfasser von üebungsbüchem die üeber-
setzunff in*s Griechische für überflüssig erklärt, meint ein anderer, dan
wol schwerlich der Yorrath an üebungsbüchem zu grofs sein könne, und
lasst über die Yerba anomala aUein ein deutsch-griech. Uebersetzungibuck
von 16 '/j Bogen erscheinen. Kann man die erstere Ansicht nicht billigen,
so muss man auch von dem so entgegengesetzten Verfahren behanvten,
dass bei weitem zu viel des Guten geschehen isi Schon die der EinüDnBg
dieser Verba zugemessene Zeit reicht bei weitem nicht hin, nm so Ti«
Stoff zu verarbeiten. Auch ist die Grammatik hauptsächlich im Anachlnase
an die üebersetzung aus dem Griech. einzuüben; die Sätze können von
dem Lehrer so viel als es nothwendiff ist variiert werden, damit alle For-
men zur Anwendung kommen. Ein Material zur Uebersetzung in*8 Grieefa.
ist allerdings nothwendig zur selbständigen Uebung des Schülers, abw 6i
soll aus dem Wortvorrathe der bereits durchgenommenen griech. Les^
stücke bestehen, damit das zeitraubende Nachsuchen dem Schüler erspart
werde, und braucht keineswegs ausgedehnter zu sein, als das griechische.
Die FüUe des Stoffes dient zwar sonst zur Empfehlung eines Buches, aber
bei Uebersetzun^fsbüchem, welche nur zu einem gewissen, genau bestimm-
ten Zwecke und für eine gewisse Zeit dem Schüler in die Hand gegeben
werden, und zu welchen er nicht wieder zurückzukehren braucht, soll der
gröfste Theil derselben zur Verwerthung kommen, weil sonst der Verfasser
gprolisentheils umsonst gearbeitet und der Schüler grofsentheils umsonst
sein Geld ausgegeben hat. Ein solches Buch ist aber das vorliegende; denn
obgleich der Titel die Möglichkeit eines ausgedehnteren Gebrauches anzu-
deuten scheint, so kann man es in der That nur zur Einübung der ano-
malen Verba gebrauchen, aufter man wollte planlos Uebungen yomehmen.
Was die Qualität betrifft, so besteht das ganze Buch aus einselneii
unzusammenhängenden Sätzen. Die Sätze sind den griechischen Autoiea
entlehnt Unter dem Deutschen sind zahlreiche lexikalische Anmerkungen,
bestimmt das Wörterbuch möglichst zu ersetzen; dann häufige Angaben
des zu setzenden Casus, Tempus und Modus. Auf die Grammatik wird
verhältnismäfsig selten hingewiesen; wo es geschieht, werden die Gram«
roatiken von Buttraann und von Krüger (1^) herangezogen. Unter den
Sätzen gibt es manche, welche wegen ihres Inhaltes rar den Knaben un-
passend sind, z. B. S. 78. Man sagt , dass die Perser nicht mit den Ehe-
rttinnen, sondern mit den Kebsweibem sich zusammen betrunken hittea.
96. Als Camillus Censor war, drohte er die Hagestolzen mit den tei^
wittweten Frauen zu verheiraten. Sachlich unrichtig sind z. B. S. 69. Jh
möchtest wol nicht leicht und nicht vieles finden, was dem Lernenden
mehr Mühe darbietet, als die Arithmetik. S. 89. Das gröfste Unglück flir
einen Staat ist es; wenn tenstattet ist, sein ganzes Eigenthnm ra ?er-
Literarische NotisEen. 807
kaufen. Bei dem Streben möglichst treu aus dem Griech. die Sätze zu
tbertngen, wurde nicht selten der deutschen Sprache Gewalt angethan;
I. B. S. 9. Hera stellte den Argos zur lo, welcher sie, die eine Kuh war,
weidete, indem er schlaflos war. 8. 40. Die Ehren der lebenden Eltern
•ollen die gröfsten sein, denen die ersten und grölbten schuldigen Wohl-
thaten zu vei^elten recht ist Schwerlich wird der Knabe Sätze verstehen
wie S. 77. Ein trunkener Steuermann und jeder Verwalter einer Sache
wendet alles um {dvaTQ^Tno) , seien es Fahrzeuge oder Wagen oder Heere
oder, was das von ihm Gelenkte sein möge. S. 66. Alle, welche dem fibufen
ge&llen wollen, tadeln die Philosophen. Das Subject?
Wien. A. Fleischmann.
Kleine Sehulgrammatik der lateinischen Sprache, mtt einem Lexi-
kon für die in der Sy^ntax vorkommenden Sätze , von Dr. A. H. Fromm.
Berlin, 1863. 208 S. 18 Sffr.
Der Titel sagt so ziemlich alles. Es ist nämlich das Buch ein f^
die untere und mittlere Stufe des lateinischen Unterrichtes berechneter
AuMBUg aus des Verfassers Schulgrammatik (s. unsere Becension in dieser
Zeitschrift 1861, S. 198 f.). Im wesentlichen stimmen die beiden Bücher
llberein, nur dass in der kleineren Grammatik alles, was von der Normal-
ffraromatik abweicht, weggelassen ist, manches Raisonneraent der gröfseren
fehlt, die B^isoiele ohne Stellenangabe angesetzt sind u. ä. Dieselben Vor«
füge, welche aie Schulgrammatik auszeichnen, sind auch an der kleinen
anxuerkennen; so dass dieselbe neben ähnlichen Büchern wie F. Sdiults,
I^berti-Meiring, Meiring, Ellen dt -Sej£fert u. dgl. sich seine Stelle vexw
■diaffen wird. Der Lehrer wird jedoch die Schulgrammatik daneben be-
■ütcen müssen, was der Verfasser dadurch erleichtert hat, dass in der
tiyntaz die Para^phe derselben beigesetzt sind.
Hiemit sei das Buch den österreichischen Schulen, die mit demselben
übrifKns Tiuch für die obere Stufe ebenso gut ausreichen werden, wie mit
SAultz u. ä., bestens empfohlen.
Lateiniitche GhrammcUik für den Unterricht auf Gymnasien und
Ftogymnasien, von Dr. E. Berger. Fünfte verbesserte Auflage. Celle,
Oipann-Karlowa, 1864. VI u. 355 S. - 1 Thlr.
Das ffünsti^e Urtheil, das wir über die vierte Auflage in dieser Zeit-
schrift 1862, S. 38 ff. ausgesprochen haben, gilt auch von dieser im ganzen
wenig Teränderten fünften Auflage. Die Abweichungen von der früheren
Gestalt sind wenige und meistens nur in einzelnen Worten gegeben; die
bedeutendsten Zusätze sind in der Darstellung der substantivischen Decli*
latton, 2, B. über die ursprüngliche Zweizahl der lateinischen Declina-
tioiien, über den Accus. Flur, auf ia. Zu manchen Umstellungen im Qe«
liete der Syntax, auf die wir in der angeführten Becension hingewiesen
haben, hat sich der Herr Verfasser nicht entschlossen.
Elementargrammatik der lateinischen Sprache, mit eingereihten la-
teinischen und deutschen üehersetzungsauf gaben u. s. w., von Dr. Baphael
Kühner. Für die unteren Gymnasialclassen. Fünfandzwanzigste verbesserte
Auflage. Hannover, Hahn, 1864. X u. 381 S. — 1 Thlr.
Das Urtheil, das wir über die einundzwanzigste Auflage (1861) in
dieser Zeitschrift S. 853 ff. ausgesprochen haben, gilt auch im ganzen für
die fünfnndswangzigste, trotz mancher Aenderungen , über welche das Vor-
wort B. VI ff. Auskunft gibt. An den zur Aenderung von uns empfohlenen
Stellen ist mit wenigen Ausnahmen nichts geändert worden, so steht z. B.
Boeh immer S. 70 dar Satz: Pugyia fuit atrocissima, jpropterea quod utrius-
l«e txereitus müites fortissimi fuerant und S. 237 Themistokles suchte
einen Engpass u. s. w. So ist S. 247 wieder behauptet, dass bei ac si die
Oonaeeutio temporum genau beobachtet wird, fehlt S. 250 noch immer die*
jenige Form der disjunctiven Frage, die im ersten Gliede keine Fragepar«
SOS Literarigche Notizeu.
tikel enthält, ist S. 252 noch immer nicht ang;e^eben, was in oxat. obliaua
ans Fragesätzen der directen Rede wird. Lobenswerth dagegen sind die
sosammenhängenden Lesestücke S. 254—310. Sie enthalten Fabeln, (be-
spräche, kürzere dieta aus Cicero, einen Abriss der römischen (beschichte
bis Augustas nach Eutropius, die Perserkriege nach Justin mit Benützung
des Nepos, einige Stücke aus Curtius, endlich einige längere Erzählungen
aus Cicero. Dieser, wenn wir nicht irren, auch allein verkäufliche Tbeil,
bietet für diejenigen, welche nun einmal statt Nepos durchaus eine Chresto-
mathie wollen, einen ganz passenden Stoff.
Wien, Leopold Yielhaber.
Aucassin und Nicolette. Altfranzösischer Roman aus dem 13. Jahr-
hundert, übersetzt von Pr. Wilhelm Hertz. Wien, C. Schönewerk, 1865.
— 20 Sgr.
Helmbrecht von Wernher dem Gärtner. Die älteste deutsche Dorf-
geschichte übertragen von Dr. Carl Schröder. Wien, C, Schönewerk,
1865. — 20 Sgr.
Zwei zierliche kleine gleich ausgestattete Bändchen, die wir allen
Freunden mittelalterlicher Literatur auf das beste empfehlen können. Wil-
helm Hertz in München bewährt seine ausgezeichnete Befähigung für Ar-
beiten dieser Art, welche schon dem französischen Rolandslied, dem Hugdie*
trieb und anderem zu gute kam, auch an der reizenden Erzählung von
Aucassin und Nicolette, welche, wie wenige mittelalterliche Dichtungen,
ffeeignet ist, bei modernen Lesern auf unmittelbare Theilnahme zu stofisen.
Ob es im Interesse dieser Leser wohlgethan war, die sonderbare Mischung
von gebundener und ungebundener Rede, wodurch das französische Originu
sich auszeichnet, beizubehalten, lassen wir dahin gestellt Jedenfalls wird
alles, was den kleinen Roman so anziehend macht: der Geist der feinsten
Ironie, der ihn durchweht; die greifbarste Realität mit Hirten und Bauern
neben der phantastischen Verkehrtheit der Leute von Torelore, wo die
Männer in den Wochen liegen, während die Weiber in den Krieg siehen:
der weibische Junker Aucassin gegenüber der männlich energiscnen una
klugen Nicolette — in seiner Wirkung nicht wesentlich durch die unge-
wöhnliche Form beeinträchtigt werden ; insbesondere da die trefflichen Erläu-
terungen, welche der Uebersetzung angehängt sind, das volle Verständnis
der merkwürdigen Dichtung erleichtem hellen.
Auch für den Helmbrecht möchten wir zu bedenken geben, ob nicht
prosaische Nacherzählung eine richtigere Methode der Emeuung gewesen
wäre, als diese nicht immer anmuthigcti Verse, die manchmal an den Ton
Gellert^scher Fabeln erinnern. In ricntiges Neuhochdeutsch sein Original
zu kleiden, bat sich der üebersetzer allerdings fast durchweg mit Erfolg
bemüht. (Zeile 380 „Und mein gehört die ganze Welt" fällt wol dem Setzer
zur Last.) Fast durchweg: denn die Ausdrücke „bei Hofe, zu Hofe" zum
Beispiele muss der heutige Leser nothwendig misverstehen, und was mittel-
alterliche „Zucht" sei, kann er nur ahnen. Ueber gevrisse EinbuXton, die
das alte Gedicht in der Bearbeitung erfahren, wäre gleichfalls zu rechten.
Die „älteste deutsche Dorfgeschichte" selbst hat, seit man sie kennt, die
lebhafteste Bewunderung gefunden, und Gustav Freytag's „neue Bilder**,
die einen Auszug daraus gaben, werden zur Befestigung ihres Ruhmee
beigetragen haben. Nur allzu weit darf man in der Bewunderung dieses
seiner innersten Absicht nach satirischen Gedichtes nicht gehen. Den
„gewaltigen Eindruck einer Tragoedie" empfangen wir davon so'wenig, als
von irgend einer Jeremias Gotthelf *schen Geschichte, welche etwa die ver-
heerende Macht des Branntweins zum Gegenstande hat. Und wenn man es
als etwas ganz aufserordentlichcs und einziges preist und von seinem leuch-
tenden Vorgange spricht, der nur der Nachfolge bedurft hätte, um unserer
ganzen Literaturgeschichte ein anderes Gesicht zu geben: so wäre doch
erst zu beweisen, dass wir Ursache haben unserer Literaturgeschichte ein
anderes Gesicht zu wünschen. — Was die Einleitung über das GedicJit
Literariscbe Notizen. 800
und den Dichter beibringt, ist zum gröfsten Theile durch die seitherigen
höehft erfreulichen Entdeckungen des Herrn Friedrich Eeinz in München
schnell antiquiert worden. Den Beinamen des Dichters gibt der Ueber-
•etzer mit Unrecht durch „Gärtner" wieder. Die Ableitung des alten Gar-
tenaere von dem Verbum garten „vagieren** ist formel bedenklich (gartaere
mflsste man erwarten^, und dieses Verbum selbst ist wahrscheinuch erst
im 15. oder 16. Jahrnundert aus dem Verbum heimgarten, einer Ablei-
tung von dem Masculinum heimgart , gefolgert, so dass es bei der frühe-
ren Auffassung des Namens als „Gärtner** schon aus rein sprachlichen
Gründen bleiben muss.
Für die Lehrer der Geographie dürfte die Mittheilung nicht ohne
Interesse sein, dass der Stieler'sche Schul -Atlas (Justus Perthes. Gotha
und Wien) in einer neuen Auflage vorbereitet wird. Wie durchgreifend die
Umarbeitung angelegt ist, beweist der Umstand, dass 15 Karten durch
neue ersetzt wurden, und zwar: 5. Europa (orographische Karte); 6. Europa
(politische Uebersicht); 7. Spanien und Portugal; ö. Frankreich; 9. Italien;
10. Die britischen Inseln und die Nordsee; 13. Deutschland, Niederlande,
Belgien und Schweiz (orographische Karte); 14. Deutschland (Uebersicht
der Staaten des deutschen Bundes); 15. Nordwestliches Deutschland, Nie-
derlande und Belgien; 16. Nordöstliches Deutschland; 17. Südwestliches
Deutschland und Schweiz; 18. Südöstliches Deutschland; 22. Euronaische
Tüikei, Griechenland und Ionische Inseln; 23. Asien (orographische Karte);
21 Asien (politiBche Uebersicht). Nach den vorliegenden Proben zu schlieTlsen
(8 sind bereits fertig, die 12 anderen im Stiche vollendet), geht der Atlas
einer Verbesserung entgegen, die ihm nicht blofs die alten Freunde er-
halten, sondern auch neue gewinnen wird. Auch dem Wunsche nach einer
Karte des „Alpenland** und „Palästina** soll entsprochen werden. Der Preis
wird nicht geändert.
Ergählungen aus der alten detUschen Welt für Juna und AU,
von K. W. Osterwald. Erster Theil: Gudrun. Dritte Au^e. Halle,
Waisenhausbuchhandlung, 1865. (Jugendbibliothek des griechischen und
deutschen Alterthums, herausgegeben von F. A. Eckstein. Band VII.)
Zu der Zeit, als die Wissenschaft der altdeutschen Philologie, in dem
Sinne, in welchem wir sie heute verstehen und ihr dienen, nur als ein
ferne vorschwebendes Ziel in dem Herzen weniger Männer erst existierte,
imd ein übermässiger Eifer sich kundgab, die alten deutschen Poesien dem
Publicum in einer Gestalt aufzudringen, welche lediglich durch die Ver-
indemng der auffallendsten sprachlichen Seltsamkeiten sich dem Bedürf-
nisse des modernen Lesers an beauemte : plaidierte Wilhelm Grimm in ver-
schiedenen Recensionen der Heiaclberger Jahrbücher für prosaische Bear-
beitungen der romantischen Dichtungen des Mittelalters oaer für selbstän-
dige l^udichtungen, wie sie Fouque damals mit der nordischen Nibelungen-
saee versuchte. Es scheint uns, als ob diese Forderung auch heute noch
erhoben werden dürfte, obgleich einerseits eine ausgebreitete Uebersetzungs-
literatur sich gebildet hat und anderseits eben jetzt der Versuch gemacnt
wird, ob vielleicht durch ein Verfahren, das bei Litei-aturdenkmälem des
16. Jahrhunderts gewiss berechtigt ist und seinen Zweck erreichen muss,
auch die Literatur des 13. Jahrhunderts unseren Zeitgenossen in den Ori-
ginaltexten nahe gebracht werden könnte. Aber weicher äufserer Erfolg
auch solchen Unternehmungen zu Theil werden mag : dass in nahezu wört-
lichen Uebersetzun^en oder in der Ursprache die mittelalterlichen Dich-
tangen sich die wahre und unverstellte Liebe eines wirklich grofsen Publi-
eoms zu erringen vermöchten, werden wir uns so leicht nicht überzeugen.
Dennoch sind sie diese Liebe ohne Zweifel werth, und möchte man unserer
Zeit es gönnen, dass sie in die frischen klaren Wellen der alten Poesie
tlO Litetarische Notizeu.
mancUmal ihre Glieder tauche. Es wäre so undankbar als ungerecht woUtn
wir Simrocks grofse Verdienste gering schätzen^ aber wenn ea sich «m die
würdigste Erneuerung des Nibelungenliedes handelt, so müssen wir Hehbd
den Preis zuerkennen. Aus diesem Gesichtspuncte begrüfsen wir aach mit
aufrichtiger Freude jeden Versuch einer prosaischen Nachdichtong, dem
das niDSs eine solche Bearbeitung natürlich stets sein und sein wollen,
wenn sich gleich bei näherer Betrachtung zeigen sollte, dass sie den höchstea
Forderungen, die an sie gestellt werden können, nicht so yoUständig gi^
nügt als man wünschen möchte. Wir verlangen die Bearbeitung so poe-
tisch als möglich und so modern als mö^^licn. Der Verfasser der gegen-
wärtigen hat zwar nicht seiner Gudrun, wie Hr. J. Scherr dem Nibelungen-
liede, das schimmernde Mäntelchen einer affectierten Alterthümlicnkeit
der Sprache umgehängt; doch hat er sich auch von dem altdeutschen
Uebcrsetzeijargon, der in poetischen Uebertragungen noch leichter eh ent-
flohuldigen ist, nicht völlig losgemacht, und gunz zwecklose wörtliche Bei-
behaitung des Ausdruckes verführte ihn zu mancher Wendung, lu manchem
Wortgebrauch, der aus dem lebendigen Neuhochdeutsch längst verschwand.
Der poetische Gehalt der vorliegenden Bearbeitung erscheint uns nur ge-
rade so grof^, als der dos Gedientes selbst für einen modernen Geschmack,
wenn man den Beiz der gebundenen Form und die Naivetät der alten
Sprache sich wegdenkt. Die andeutende, karge, zuweilen etwas magere Weiie
der Behandlung lassen wir uns in modemer Poesie ganz wohl geialkn,
und eine Reihe von Gudrunromanzen wäre vielleicht die Gestalt, in welcher
der Geist des alten Gedichtes am liebsten unter uns wieder auferstünde. Aber
in Prosa verlangen wir bei aller Einfachheit der Erzählung doch vollstia-
digerc Motivierung und gröfsercn Reiohthum an Details. Dem G^edichte
diesen Reich thum zu geben, dazu fordert so vieles darin auf. Auch hat
das der gegenwärtige ikarbeiter gefühlt, wenigstens hie und da. In dem
13. Capitel der eigentlichen Gudrun waschen die beiden Jungfrauen Gudrun
und Hildburg, „dass ihnen die schönen Hände starrton von der Kälte des
Wassers und der Märzluft. " Der Vogel, der zu ihnen geschwommen kommt,
wird näher beschrieben als ein Thier „von wunderbar schönen Farben und
seltsamer Gestalt.*^ Aber was soll das? Wenn wir hier eine Weiteraus-
bildung des überlieferten verlangen, so wäre es höchstens die Wahl und
Nennung eines bestimmten Vogels. Dann nach der Anrede des Vögele
durch Grudrun wird ein Schulexercitium über den Frühling eingeschaltet^
beginnend : „Wer von uns hätte es nicht schon erlebt, dass er nach langen
bangen Wintertagen** u. s. w. und das ^anze zur Schilderung der Stim-
mung, in welcher Gudrun den Vogel „dahurschweben" sah. Das musste
doch, falls es überhaupt kommen sollte (denn man möchte glauben, diese
Gefühle wären durch die Kälte, welche ihnen die Hände starren machte,
bedeutend ermäfsigt worden), vor der Anrede kommen, da auf diese dar
Vogel sogleich antwortet. Aber auch so möchte es hingehen, wenn der
Sinn von Gudrun's Frage dadurch klarer würde, der einer Verdeutlichung
dringend bedarf. Das ist aber keineswegs der Fall. — Wir können unmög-
lich auch nur das 13. Capitel in dieser Weise Punct für Punct kritisierend
durchgehen. Genug, dass die Zusätze des Bearbeiters dem Gedichte nicht
immer zum Vortheil gereichen, und dass er fast kein einziges von allen
den ungemein fruchtbaren poetischen Motiven benutzt hat, welche die Sitnir
tion zweier vornehmer, von ihrer Heimat getrennter, mishandelter, am
Meeresstrande einsam waschender Frauen, welche von einer Erscheinung
überrascht werden, die ihr innerstes Empfindungsleben aufregt, mit Noth-
wendi^keit in der Phantasie eines aufmerksamen Lesers erwecken muB&
Wir sind nicht der Meinung, dass der Bearbeiter durch seine Zusätze und
Ausf&brungen das alte Gedicht zu einem Roman hätte aufschwellen sollen,
dazu felilt der specifisch moderne Inhalt. Aber so wie die Bearbeitung jetit
ist, sieht sie stellenweise wie theils zu breite, theils zu magere Exoerpte
eines Romanes aus. Kein anderer Stil scheint uns dafür so tiefflioh n
passen, als die Weise altitalienischer und spanischer Novellisten, die Weiae
Literarittche Noüzeu. 811
nngetfthr, welche unter den Deutschen Heinrich von Kleist geübt hat:
lai^, reichgegliederte Sätze, die auch über die erregteste Scene epische
Buhe breiten; indirecte Rede sogar bei vielen Gelegenheiten; eine über-
fliegende Masse des Details in ganz karge Worte zusammengedrängt ; über
die SeelenbeweguDgen entweder mit der Sicherheit eines Herzenskündigen
geradesn genrtheilt oder — und in den gröXisten und wichtigsten Momen-
ten dies am allermeisten — mit dem Zweifel des unbetheiligten Zuschauers
ohne Scheu hervorgetreten.
Wenn wir so auf der einen Seite die üeberlieferung erweitem und
bereichern möchten, um ihr volle Wirkung in der Gegenwart zuzusichern :
80 wünschten wir sie auf der anderen Seite für einen wahrhaft geläuterten
Geschmack durch Weglassungen und Einschränkungen genieiÜBbarer zu
machen. Es versteht sich natürlich, dass der Bearbeiter um die Resultate
der höheren Kritik sich ganz und gar nicht zu bekümmern braucht, sofeme
eine poetisch wirksame Stelle durch dieselbe mit Verwerfung betroffen
wäre, wie denn dergleichen Interpolationen auch ihm selbst ohne weiteres
gestattet sein sollen. Aber wo die Gestalt des Gedichtes, welche die höhere
Kritik ihm gegeben hat, zugleich eine poetische Verbesserung ist, da scheint
es die Pflicht des Bearbeiters zu sein, deren Resultate sich anzueignen.
So ist es in dem eben besprochenen 18. Capitel poetisch unwahr, dass
Gudrun nach der Erscheinung des Vogels die Hildburg zuerst anredet und
lieht gleich in athemloser Spannung um ihre Verwandten fragt. Femer
i», man möchte fast sagen rationalistische Verwandlung des Vogels in
einen veilcappten Engel. Dann das lächerliche Versteckspielen des Vogels,
der wie der coupletsingende Schauspieler einer Possen oühne hinter den
Coulissen verschwindet, ehe er zu Ende ist, um sich durch die Bitte des
Publicnras erst den Schluss entlocken zu lassen. Endlich die fehlerhafte
Aufzählung der Personen, nach denen sie fragt: die Nennung des ganz
gkidigiltigen Irold und Momng vor Horand, Wate und Frute. Das alles
hat unser Bearbeiter beibehalten, nur dass er den Vogel nicht geradezu
mm Engel nennt, sondem die Bezeichnung „Gottesbote^ nur im uneigent-
liehen Sinne auf ihn anzuwenden scheint.
Verbesserungen.
In der Anzeige von Thurnwald's Lehrbuch der mhd. Sprache
1865, Hft U u. m ist zu lesen : S. 171, Z. 6 v. o. Alinea. S. 172, Z. 15
V. u. a u. M. S. 173, Z. 6 v. o. wa^. Z. 20 Hält st. wählt. Z. 2 v. u. werde,
& 174^ Z. 22 V. u. Labialaspirata. Z. 1 v. u. laiföt S. 176, Z. 13 v. o. hosher.
Z. 23 vr<slich. Z. 26 dagen. S. 177, Z. 19 v. u. einer. S. 178, Z. 9 v. u. Glos-
soi. S. 179, Z. 12 V. 0. lei«. Z. 18 tücken. Z. 21 ^erth. Z. 25 gitige. Z. 6
V. n. Blouf. Z. 3 V. u. Str. 381 st. 318. S. 180, Z. 9 v. o. Geisel Z. 19 Einen.
8. 177, Z. 4 V. 0. sind die Worte: oder besser eilf zu streichen. Z. 19 v. u.
Tor Str. 377 Nib. einzusetzen.
Fünfte Abtheilung.
Verordnungen fär die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Personal- und Schulnotizen.
AuBseieh»
(Ernennungen, Versetzungen, Beförderunp^en, Aubs«
nungen u. s. w.) — Der Gymnasiallehrer Joseph Accurti zu Capo d'lrtri»
am k. k. G. in Tri est; der Adjunct an der nj<^^P^^^®^ Anstalt ra
Triest, Dr. Gustav Werner, zum Lehrer am k. k. G. alldort; der Suj^
Slent am k. k. G. zu Capo d'Istria, Fidel Mähr, zum wirkl. Lehrer $m
ieser Anstalt; der Gymnasiallehrer zu Hermannstadt, Theodor Pantke,
der Gymnasialsupplent zu Olmütz, Alois Goldhache r, der GymnasiaUehiar
zu Teschen, Dr. Karl Wallnöfer und der Präfect an der k. k. Theresiani-
schen Akademie in Wien, Joseph Mich, zu Lehrern extra statum am Q.
zu Troppau und der ordentliche Lehrer am kathol. GG. zu Eneriea. Emü
Röfzav, zum ordentlichen Lehrer für Naturgeschichte am katnoL OG. n
Prersburg.
Der Supplent an der k. k. OR. zu Laihach, Matthias Haini, som
wirkl. Lehrer an dieser Lehranstalt.
Der gewesene Assistent, Rudolf Ritter von Grimburg, zum Ad«
juncten bei der Lehrkanzel des Maschinenbaues am k. k. polytechn. In-
stitute in Wien; Dr. Johann Schnitzler zum Docenten für Brustkrank-
heiten an der Wiener Universität; der Professor der Nationaloekonomie
an der Wiener Handelsakademie, Dr. Franz Neumann, zum PrflfiuigB-
oommissär der staatswissenschaftl. Staatsprüfungscommission in Wien; a«r
Hofconci^ist bei der kön. croatisch-slavon. Hofkanzlei, Johann JurkoYiö,
zum zweiten Schulinspector für Croatien und Slavonien, und das ordentL
Mitglied des Istituto de scienze, lettere ed arti in Venedig, AbateNobik
Pietro Canal, zum Vicepräsidenten an diesem Institute.
Der unlängst verstorbene Johann Falvay (vormals Gaunersdorfer),
Besitzer der im Ofnergcbirge liegenden Realität „Zur schönen Schäferin*,
hat ein Drittel seines Vermögens dem Pesther Josephinum und 100 fl. dem
Juristen-Ünterstützungsvereine vermacht.
Dem Generalkriegscommissär Valentin Streffleur ist, in Anerken-
nung seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete der geodätischen
Wissenschaften, taxfrei der Orden der eisernen Krone 3. Gl. ; dem ReligionB-
lehrer am kath. G. zu Teschen, fürsterzbisch. Consistorialrath JoBeph
Bitta, in Anerkennung seiner Verdienste im Lehramte und Beiner n
Gunsten dieser Lehranstalt bethätigten Opferwilligkeit, so wie dem Kail-
Personal- und Schulnotisen. 81 S
flUdter Banal - GrenEscholendirector Stephan Miholek, in Anerkennung
seiner durch unermüdliche Thätigkeit und Ausdauer im Unterrichtswesen
erworbenen Verdienste, das goldene Verdienstkreuz mit der Krone verliehen ;
femer dem Professor an der Wiener Universität, Dr. Ernst Brücke, den
kais. russischen Stanislaus- Orden 2. Cl.; dem Professor an der medicin.
chir. Lehranstalt in Salzburg, Dr. Jul. Kolb, den kais. russ. St. Annen-
Orden 3. CL; dem Schriftsteller Friedr. Uhl das Ritterkreuz 1. CL dos
kön. baier. St. Michael- Verdienst-Ordens; endlich dem in München domiciL
Schriftsteller, Dr. Alexander Volpi, das Bitterkreuz des herzogL Braun-
sehweig'schen Ordens Heinrichs des Löwen, annehmen und tragen zu dürfen
AUergnädiffst gestattet worden; auch wurden der Lehrer der Theologie
and erzabUiche Secretär des Benedictiner-Ordens-Conventes zu Martinsb^g
(Ungarn), Se. Hochw. Domian Petheö, zum Abte B. M. V. de Dömölk;
der ordentL öffentl. Professor der Moraltheologie an der Lembergcr Uni-
Tersit&t, Dr. Ludwig Malinowski, dann der Religionslehrer am 2. OG.
in Lemberg, Dr. Ludwig Ritter von Jurkowski, zu Domherren des Metro-
politancapitels rit. lat. zu Lemberg; der Director der k. k. Universitäts*
Mbliothex in Wien, Joseph Diemer, wirkL Mitglied der kais. Akademie
der Wissenschaften u. s. w. , als Auffinder und Herausgeber der Vorauer
Eyidschrift, von der philos. Facultät zu Tübingen, in Anerkennung seiner
Verdienste um die altdeutsche Literatur, zum Ehrendoctor; der in Ruhe-
stuid versetzte k. k. Schulrath Dr. J. Czermak zum Advocaten im Sprengel
des böhm. Ober-Landesgerichtes, und der Oberbaurath und Dombaumei^r
^edr. Schmidt zum Ehrenmitgliede der Akademie der Künste in Urbino,
ernannt.
Dem steierm. Vereine zur Förderung der Kunstindustrie sind
Due k. Hoheiten die Herren Erzherzoge Karl Ludwig und Heinrich
ili Gründer beigetreten.
Bei der am 30. März 1. J. vorgenommenen Wahl der Professor der
raridisehen Facultät Dr. Julian Dunajewski zum Rector der Krakauer
Universilät.
Der Hochwürdigste Hr. Abt des Benedictinerstiftes Qöttweig in
N. Gest. hat sich bereit erklärt, zur Erhaltung des G. zu GroTs-Kanizsa
ftr das Schuljahr 1864/&5 eine Summe von 1000 fi. beizutragen und diese
Unterstützung, günstigen Falles, auch für künftige Jahre zu gewähren,
ja wenn die nragliche Schule zu einem Haupt-G. umgestaltet werden sollte,
Ngsr SU erhöhen.
(Erledigungen, Concurse u. s. w.)Pe8th, Professorsstelle für Bo-
tuiik, mgleichl^itung des botanischen Gartens, Jahresgehalt 1365 fl. ö. W., mit
dem Vonrflckungsrecht in die höheren Gehaltsstufen. Termin : 10. April 1. J.,
I. AmtsbL z. Wr. Ztg. vom 5. März L J., Nr. 53. — Prag, Polytechn. In-
stitut des Königreiches Böhmen, 2 ordentliche Lehrstellen, 1. für otrassen-
und Wasserbauunde mit deutscher, 2. für denselben Lehrgegenstand in
böhmischer Unterrichtssprache, Jahresgehalt 2000 fl., eventuel 2500 und
800O fl. ö. W. Termin : Binnen 6 Wochen vom 24. Februar 1. J. an, s. Amtebl.
I. Wr. Ztg. V. 10. März L J., Nr. 57; femer Bibliothek - Scriptorsstelle,
Jahresgehalt 600 fl. ö. W. und, insolange die Bibliothecarstelle nicht be-
setzt ist, eine Personalzulage jährl. 200 fl. ö. W. Termin: 30. April L J.,
8. AmtsbL 1. Wr. Ztg. vom 28. März L J., Nr. 70. — Iglau, k. k. G.,
Lehrstelle für Lateinisch und Griechisch, Jahresgehalt S40 fl., eventuel
^fl. ö. W. und Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: 15. April L J.,
a AmtsbL %, Wr. Ztp. v. 23. März L J., Nr. 68. - Olmütz, k. k. OB.,
Lehrstelle fUr deutsche Sprache als Hauptfach, Jahresgehalt 630 fl., even-
tael 840 iL ö. W. und Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: 15. April L J.,
a 'AmtsbL z. Wr. Ztg. vom 29. März L J., Kt, 72. — Spalato, k. k.
PelsOlm^- und Schulnotiwtü.
lOÖ.^ twei LehTateUen, die eine (fkr die cksaiMhen Spmchen, die
fftr dentsclie Sprache nnd Literatur, Jahresgfthalt 73Ö fl, ö. W., mit dem
Yorrückusigar^clite in die höheren Gehaltsstufen und dem Anapruch aiif
[Pecennahu lagen, Termin: 15* April L X, s, AmtabL z. Wr. Ztg. v* 29. Märi
i,, Nr. 72. — Tegchen, k. L kath. G., Lehrerstelle für Geschichte und
aphie, Jahresgehalt 735 Ü., eventud 840 ± ö. W, , uehst Ansprööj'
'^fT)eceiiiialzulag-en, Termira: 15. Mai h J., s, ÄmtübL a. Wr, Ztg, von
a April 1. J,, N, bl.
(Todesfälle.) Aid 23 Jänner l J. tu Kecakemet der AdTocat WH
helTD Hady, aach als Scliriftsteller bekaDüt
— Ende Jänner l. J. zn Pestb der Junge Dichter Dioiijs Tama«i
im 20. Lebenitjahre.
— Am 9. Februar L J. 7U Washington der bekannt« Afitronomeg
Lieutenant zur See a. I>. J. ÄL Gillifs, Öcliöpfer der dortigen Stern wa
fDepot), im Alter von 54 Jahren.
— Am 22. Februar L J, 2u Schönfeld bei Bunzlau (SchleBien)
dortige Pfarrer Sr Ehrw. Karl Gottlieb Weber, &\ä Dichter bekannt.
— Am 23, Februar l. J. zu Strafsburg Georg Theodor Klein« »
cretar der dortigen AsüefuruiiE-Geöellachaft ^jLa Mutuelle*» einer der leUb
wenigen Vertreter dea deutschen Elemcntt^s im Ebni^ti, als Dichter uu4
eifriger Mitarbeiter an der von Fr, Ütte in Müblhausen redigierten Wttehen
achrift; „Elsä^sisebes Samatagblatt'' HO. Jahig,}« vortheilhaft bekannt,
44. Lebensjahre,
— Am 25. Februar l. J. zu Rom Dr. Felix Kunde, Verf, eines ge^
Bchätzten Handbuches über Rom.
*" Am 2il Febrnar L J. va Malapane bei Qppelii djer k. Bergratl^H
und Dirigent des dortigen k. Hüttenamtöa Ludwig Wa^shter, ein nm dlfH
Geschichte und Statistik der Bchle^ißchen Eisenhüttenwerke hochverdient^ ^
Befttote, im Alter von 67 Jahren.
— Am 27, Februar L J. zu Dreuden Baron Nikolaus Jöaika (gebw ^
zu Thorda in Siebenbürgen, am 28, September 1796), der ausgezeichn^t^H
ungarische Roman tjehriftstelleT, auch als Dranmtiker bekannt. ^H
— In^ Februar \. J, zu Haag Joh, Heinrich Lübeck, kon. nieder-
länd. Hofcapellnieister, Director der dortigen Musikschule.
— Am 1. März L J, zu Prag Med/Dr. MatthUs Popel, k. k, Batb
o. ö, Professor der Stiatsarzüeikundö u. &. w. , einerit. Prodecan, Eecti
und Prorector, ordentL Mitglied der et&ndigen Medioinal - Commission '
der k, k. Statthajterei.
— Am 5. März 1. J. zu SebÖnbrunn bei Wien der k. k. Hofi
Dr.,
deri
und Menagerie -Director, Ritter des Franz Joseph - Ordens u. s, w.,
Heinrich Schott (geb. zu Brunn, am 7. Jänner UM), corr. Mitglied
kais. Akademie d^r Wissenschnften , durch treffliche bctauideho Abband*»
lungcn. 30 %ie durch seine werthvollen Sammlungen bekannt (vgL Wr«!
Ztg. T, 19, März 1. J. Nr. 65. S. Ö49 f.), und zu Florenz der alw Agronom.!
und Naturforscher bekannte Marchese Coeimo R id o If i , Begründer der erstea* J
Ackerbauschule in Italien, seiner Zeit Professor der Agronomie an de»?
Universität zu Pisa and PrÄsddent der ^Societa dei Georgofili*^ u. 8, w* (
(VgL BeiL jur A. a. Ztg. y. 19, März l J„ Nr. 78.) J
— Am ö. März l J. zu Berlin der kbn. pr. Major a. D. Wilbtlnb|
Ritter von Luck, als militärischer Schriftsteller bekannt, im 70*
bensjahre.
— Am 7. März L J* zu Wien Dr, phiL Jok Heinr. Schramm (geb»J
in 5Bterr, Schlesien), grofsherzogl. ^chs, Weimar 'scher Professor und Hof^
maler, 56 Jahre alt, und zu Arzl (bei Imst in Tirol) der durch seine Kauzelr«!
voftr&ge, seine tlieoiogi^ehen imd poetischen Arbeiten bekannte Cooperator^ [
Sr. Hochw. Franz Groben.
— Am 8. MÄTÄ L J. zu Prag Sr. Hocbw. P. Erwin Anton Wey»
JTÄiich fg»b. lu Prag, am 30. f^eptemher 1803>, Chorherr and Biblieiht^
Peraoiml- und Sehulnotiien. 315
des PrilinoiratrateiiBerstiffces Strahof, emer. Director der Realschule in Bei*
ehenberg u. s. w., auch als Schriftsteller („Geschichte , und Beschreibung
der kön. Stift Strahofer Bibliothek"* 1858, „Geschichte des kön. Prämon-
fintenaei-Ohorherrenstiftes Strahof* 1863 u. a.) bekannt.
— Am 9. März 1. J. zu Prag der k. k. Forstrath Frz. X. Smoler
(geh. 1802 zu Goldegg in Nieder -Oesterreich), als Redacteur der böhnu
Forstvereinszeitschrift und Fachschriftsteller bekannt, und zu Lembeig
der k. k. Schulrath und Gjmnasialinspector Eduard Linzbauer, im 59.
Lebensjahre.
— Am 10. März 1. J. der Bittergutsbesitzer auf Metgethen bei
Königsberg Victor August v. Stägemann, als Schriftsteller auf dem Ge-
Mete der Philosophie („Die Theorie des Bewusstseins im Wesen*" u. a.)
bekannt, und zu Paris Charles Auguste Louis Joseph Herzog von Morny
fgeb. am 23. October 1811), Halbbruder Kaisers Napoleon III.; Präsident
des gesetzgebenden Körpers u. s. w., auch als dramatischer Schriftsteller unter
dem Namen Saint-Bcmy („Mr. Choufleury** u. m. a.) bekannt.
— Am 11. März 1. J. in dem Maison de sante in Schönberg bei
Berlin der bekannte Beisende Sir Robert Hermann Schomburgk (geb. zu
Freibor^ an der ünstrut, am 5. Juni 18()4.), zuletzt englischer ('onsul in
Slam, aurch seine Bcisen und umfassenden Forschungen in Südamerica,
namentlich als Verpflanzer der prachtvollen Blume „Victoria regia" nach
Europa bekannt.
— Am 12. März 1. J. zu Prag der Professor am dortigen Conser-
Tatorinm Moriz Waener, als Violoncellist ausgezeichnet; zu Neu-Anid
der Seideninspector des Temeser Comitates PMdolin Trumauer, bekannt
durch die Herausgabe von Specialkarten der Comitate Temes, Krasse, To-
rontal und Arad, und zu Prag der akadem. Maler und Photograph Karl
Wangberg, durch ausgezeichnete Gemälde bekannt, im 49. Lebensjahre.
— Am 13. März 1, J. zu Wien der talentvolle Schriftsteller Wil-
helm von Che ZV, ein Sohn der bekannten Dichterin Chr. Helmine v.
ChezY, geb. y. luenke, Enkelin der einst vielgenannten Louise Karschin,
auf dem Gebiete der Belletristik und Journalistik vielfach thätig, vor kaum
erreichten 60. Lebensjahre.
— Am 15. März 1. J. zu Florenz der berühmte Epigraphist Prof.
Luigi Mnzzi v. Prato, corr. Mitglied der „Accademia della Crusca*",
auch als Dante-Erklärer bekannt, im Alter von 90 Jahren, und zu Würz-
boigDr. A. Förster, Professor der Anatomie an der dortigen Universität.
— Am 15. (?) März 1. J. zu Laibach Joachim Oblak, Lehrer an
der dortigen k. k. OB.
— Am 16. März 1. J. zu Augsburg der lanfflährige Chef-Bedacteur
der Angsburger allgemeinen Zeitung Dr. Gustav Äolb, im 67. Lebens-
jahre (ygh A. a. Z&. V. 23. März 1. J. Nr. 82), und zu Bomans in Frank-
reich der bekannte Wetterprophet Mathieu de la Dröme (geb. zu St
Christophe bei Bomans, am 7. Juni 1808).
— Am 18. März 1. J. zu Wien der Prediger der israel. Gemeinde
in Wien Isaak Noa Mannheimer (geb. zu Kopenhagen, am 17. Octo-
ber 1793); ebendaselbst Dr. Job. N. Kaiser, emer. Bector Magnificus der
Wiener Universität, Bitter des k. ö. Franz Joseph-Ordens, emer. Professor
der allgemeinen Weltgeschichte an der genannten Hochschule, Ehrenbürger
der k. k. Beichs-Haupt- und Besidenzstadt Wien u. s. w. , im 74. Lebens-
jahre, und zu Berlin der Hofarchitekt geh. Oberbaurath Dr. Frdr. S tu 1er
(geb. zu Mühlhausen, im J. 1800).
— Am 20. März 1. J. zu St. Lambrecht der Stiftsconventuale Se.
Hochw. Friedrich Neumann, wegen seines eifrigen Wirkens als Lehrer
und seine Verdienste um Volksbildung geschätzt.
— Am 21. März 1. J. zu Beriin Felix Henry du Bois-Beymond,
kön. prenXb. geh. Beg. Bath, als Verfasser mehrerer philosophischer Werke
bekaimt
— In der Nacht zum 21. März L J. zu Hamburg F. Niebour,
Slfl
Pen^nftl- sttid SchnlfiotifPU.
frülieT als Redftcteur der „ Literarischen und trit Sachen Blätter der
haue* in wtjjten Kreisen bekannt, Im Ältor von 82 Jahren,
— Am 21 März L J. m Berlin der treffliche Bildhauer Pro£ Au*
puirt Kif« (geb. 1802 au Plefa), der Schöpfer der AmasoneiigTuppe»
^ Am 26, MiLrz 1. j, zu Berlin der durch seine aus^e zeich netdVtH
Leistungen aU Medailleur bekannte Karl Fischer, ordenti Mitflied dd^fl
Berliner Akademie, und zu Leipzig C* 0. Buln he im, Diiector der eista^S
dortigen Bürgerss^ihule.
— Ain 2». (?) März l J. m Frankfurt a^. der Bedactenr Br. Eduard
Sattler, wegen »einer öffentlichen Wirkiarakeit ttllgemein geschätrl
— Am 29. März L J. zu Teschen der achleaische Seniur, Landtag
Abgeordnete und Pfarrer Se. Ehrw* Andreas Älik, Eeligionalehrer am L k.
erang. G. alldort, im 63. Lebenajahre,
— Am 3L März l J. tu Wien der hochverdiente k. k. ordentL Pro-j
fesfior der Physik an der Wiener Umvereitat Dr. Augiiat Kunzek Edle
7. Lieh ton (geb, am 28. Jännei 1795 zu Königsberg in Schlesien), Ritte
des groffiheriügl badischen Ordern? vom Zähringer Löwen, corr. Mitglia
der Kais. Akademie der Wissenßcbatten , enicrit Universität»- Rektor un
Decan n, s, w., als Fachachriftätelkr rühmlichst bekannt, und zu Klagenfun
Friedrich Kok eil, als Naturforscher und insbesondere Conchjliologe, we'
Über seine Heimat hinaus bekannt, im Alter von 64 Jahren.
— Anfangs März L J. zu Stuttgart der Kaiizlcirath Krieg^ Vor
stand des Württemberg. GabelsbeiigefBchen Stenographenvereine« , im 63Ll
Lebensjahre, nnt Hinterlflssung einer noch unvollendeten, actenmäfsigöni
Üeschichte der wiirttembergischen Verfassung \x. s, w.
— Im März 1. J. KU Baden bei Wien der pens. k, k. OberBtlientenant
M&x Ritter von Thielen, Verf. mehrerer gediegener kriegsgeschichtlicberj
Werke, im 85* Lebensjahre; zu Hamburg der Schriftsteller Carsten Rungen
KU Dresden der Frivatgelehrte Aug* Heinrich v. Weyrauch, der auf liB
gnistischein Gebiete werthvolleä geleistet loid auch als ComponiBt und Poe
sich versucht hat, und zu London Sir George RichoUa, nm die AnoeD
gesetzgebuTi^ verdient und Verfiwiser einschfüiifiger Werke.
— Mitt^ März L X ^u Paris Graf Arthur Beuguot, Mitglied d«
französ. Institut^eö,
— Gegen Ende 5Iärz L X zu Paria C. Trojon (geb. 1813 m Sevr«
bei Paris) ^ als Landschaftsmakr hochgeschätzt.
— Ende März L J- zu Neu-Sandec der Gymnasiallehrer Franz Xava
Nowotny-, auch ab SchTiftsteller nicht unbekannt, im GO. LehensjahretJ
und auf seinem Gut Ubien bei Leiuberj^ der Erbe der tmgedruckten Sehr ~
des polnischen Dichters Julius Slowacki, Theophil Januszewski.
— Laut im Mbfz 1. J, eingetroffenen Nachrichten in Sierra Leon*
dtr Reisende Dr. W. Balfour Baikie, der sich u. a. auch die Erforschung J
des unteren Strom laufs des Niger zur Aufgabe gestellt hatte.
— Am 1. April L 1 Dr. Johann Dvofacek, Hof-, Gerichts- unil
Militär-Advocat, Vorstand und Förderer des slavischen Singvereinea
Wien, 57 Jahre ajt,
— Am 2 April 1. J. lu Graz im besten Mannesaiter 0n George J
Bandhaai, Prof^sor der deutschen Reichs- und Eachtsgfiachichte andgff
dortigen Hochschule.
(Diesem Hefte sind fwd literarische Beilagan beigegehen,)
Erste Abtheilung^.
Abhandlungen.
Untersuchungen über die Entstehung der Odyssee.
U.
(Portsetzung v. J. 1864. Hft. VII, S. 473-502.)
In der ersten Abtheilung dieser Abhandlung (Jhrg. 1864,
S. 475 d. Ztschr.) machte ich auf die innige Beziehung und Zu-
sammengehörigkeit der von Odysseus bei den Phseaken erzälilten
Abenteuer aufmerksam, wie von Schritt zu Schritt eine, was
sich wol kaum läugnen liefse, bewusste künstlerische Absicht
immer klarer zu Tage tritt. Doch nicht in der uns überlieferten
Gestalt der Erzählungen liegt ein solcher Organismus wohl er-
halten vor uns. Wir fanden und erkannten ihn erst, nachdem wir
bedeutende Stücke der üeberlieferung ganz bei Seite gelegt hatten.
Die folgenden Untersuchungen sollen die an dieser Stelle der
Odyssee durchgeführte Ei-weiterung nach denselben Gesichtspunc-
ten verfolgen, die uns bei obigen der Telemachie gewidmeten
Betrachtungen leiteten. In welchem umfange sind Erweitemn-
gen der Selbsterzählung des Odysseus anzuerkennen? Verräth die
Art und Weise der Hinzufügung selbst den fremden Ursprung?
Brachte vielleicht die nicht unbedeutende Erweiterung Aende-
rangen in der Anlage des Gedichtes selbst hei vor? Diese Fra-
gen sollen uns der Reihe nach beschäftigen. — Die Scheidung
des echten und unechten liefse sich mit gröfster Evidenz durch-
fuhren, wenn Kirchhofes These (Vorw. p. X) feststeht, dass die
in i 565 — l 332, l 353 — // 440 enthaltenen Abenteuer des
Odysseus ursprünglich in der dritten Person erzählt waren und
dass folglich die uns vorliegende Fassung als die Umarbeitung einer
älteren Gnmdlage betrachtet werden muss, während / 16—564
gleich ursprünglich in der ersten Person gedichtet war und in
einer anderen Form früher nicht existiert hat. Der von Kirch-
hoff zur Begründung seiner These geführte Beweis (Rh. Mus. XV.
S.62fr.) hat von manchen Seiten inzwischen Angritte erfahren, es
dürfte also eine genauere Prüfung desselben wol zunächst an-
gezeigt sein.
Zcitachrift f. d O^torr. Gymim«. 1865. V. Heft. 22
818 üeber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. TT. HcuieL
Die kenntlichste Spur eines solchen rein äufserlichen üeber-
tragungsprocesses fand KirchhoflF ^u 374—390. Odysseus wollte
auf Anrathen des Teiresias X 104—110 und der Kirke fi 127—141
an der Insel des Sonnengottes vorüberfahren, um seine Gtenossen
der lockenden Versuchung zu entziehen, an die heiligen Binder
des Gottes frevelnd ihre Hand zu legen; denn dafür sollte seine
Genossen der Tod, ihn aber unglückliche, späte Heimkehr strafen.
Als dies Vorhaben an dem Eigenwillen seiner Genossen schei-
terte, verpflichtete er sie durch einen Eid, die Rinder nicht an-
zugreifen. Bei langem Vonv'eilen auf der Insel brechen sie in
Odysseus' Abwesenheit auf Eurylochus' Antrieb ihr ViTort und
schlachten die Binder. Odysseus merkt, da er zu den Schiffen
zurückkehrt, aus dem Fettdunst des gebratenen Fleisches, was
die Genossen gethan und klagt, dass ihm die Götter so ver-
derblichen Sclilaf gesendet. Inzwischen erfahrt auch Helios im
Himmel von dem Frevel und verlangt unter Drohungen von Zeus
Genugthuung, die ihm Zeus zusagt, indem er das Schiff zu zer-
schmettern verspricht Odysseus kommt zum Schiffe, schilt die
Frevler und als sie endlich die Insel verlassen, ereilt sie auf
der See Zeus' strafender Arm.
Sehr auffällig ist es nun, wenn Odysseus die Erzählung
des selbsterlebten durch Schilderung jener Vorgänge im Olymp,
die nicht eben summarisch ei-wälmt werden, an einer Stelle unter-
bricht, wo kein Buhepunct oder Abschluss der Handlung gege-
ben ist. Noch auflßllliger und wahrhaft abgeschmackt ist aber
die Motivierung, wie Odysseus von jener Olympischen Scene
Kunde erhielt /i 389 :
TavTK iyotv rjxüvau KuXv\lf ovg tjvxojuoio'
t) J* f(fii ^EofikUto öutxr6{iüv «i/rij uxovaai.
Nicht durch Athetese der ganzen Stelle lässt sich nach Kirch-
hoflTs Ansicht dem abhelfen, wie Aristarch, der die Schwierig-
keit wol fühlte, vorschlug; denn dadurch gienge ein Element
verloren, wodurch das innerliche Verhältnis der beiden Hand-
lungen des Bindermordes und dos Sturmes als Ursache und Folge
klar gemacht werden sollte. So bleibt nur die Annahme übrig,
dass die Erzählung ursprünglich vom Dichter, also in dritter
Person erzählt wm-de, dass durch die Umwandlung in die Selbst-
erzählung des Odysseus per accidens jene Schwierigkeiten sich
einstellten. Denn der Dichter allein, den die Muse gelehrt hat,
„weifs nicht nur, was auf Erden vorgieng und vorgeht, sondern
ist auch in die Geheimnisse des Lebens und der Vorgänge am
Sitze der seligen Götter eingeweiht, und hat nicht nöthig von
den Quellen seiner Kenntnis ängstlich Bechenschaft abzulegen,
selbst wenn sie sich auf Kleinigkeiten des Details wie zeitliches
Verhältnis der einzelnen Vorgänge zu einander u. s. w. zu er-
strecken scheint; er kann darum die Gruppiening der einzelnen
Acte mit einer Freiheit bewerkstelligen, die Jiio unbegrenzt ist,
als sein Wissen.** S. G9.
üelwr die Entateliung der Odyssee, v. Dr. TT. Hartel 819
Spuren dieses Redactionsverfahrens sucht und findet Kirch-
hoflF noch mehrere; doch schreibt er ihnen eine beweisende Kraft
nnr zu, wenn man die eben dargelegte Betrachtung als richtig
festhüt So befremdet /u 339 flf. die Art und Weise, wie die Vor-
gänge bei dem Schiffe, die Unterredung der Genossen und das
Stieropfer geschildert werden, was Odysseus doch nur vom Hören-
sagen kennen konnte ; solche blofs von anderen vernommene Er-
eignisse sollten in des Selbsterzählers Munde fuglich eine etwas
andere mehr smnmarische Behandlung erfahren, als selbsterlebtes
und erfahrenes. — Eine nicht minder aufföllige Detailierung des
blofs durch Hörensagen erfahrenen zeigt x 208 If. Da Odysseus
mit gröfster Ausführlichkeit erzählt, wie es der auf Kunde aus-
gescUckten Schaar ergangen, was sie einzeln gesprochen (224 If.);
ja er eizählt die Verwandlung der Genossen durch die Zauber-
künste der Kirke, von denen er durch den der Gefahr entgan-
genen Führer Eurylochos vor der Hand nichts erfahren liaben
konnte (259). — Gleiche Spuren bewahrt x 78—132 das Aben-
teuer bei den Lsestrygonen, das mit den eben berührten Partien
Anlehnung an Motive eines gleichen fremden Sagenkreises ge-
mein hat Um nun des Odysseus Kunde von den Schicksalen
der ausgesandten zu erklären, nimmt der Erzähler zu der nach
V. 115 sehr unmotivierten und die innere Glaubwürdigkeit der
weiteren Eraälüung störenden Fiction seine Zuflucht, dass von
den drei Kundschaftern zwei den Händen des Antiphates ent-
rinnen und zu den Schiffen gelangen. — Nicht anders verhält
es sich mit dem Abenteuer bei Aeolus (x 1 — 76), in dem
das von den Genossen, während Odysseus schlief, verhandelte
mit einer für den Erzähler gleich unpassenden Ausführlichkeit
berichtet wird (438—45).
Dies sind in gedrängter Uebersicht die Erwägimgen, welche
Eirchhoff zu der Annahme veranlassten, dass die betreffenden
Apologe ursprünglich in dritter Person abgefasst waren und erst
nach einer mechanischen Umwandlung und üeberarbeitung in
die erste Person offenbar zu dem Zwecke, einem bestehenden
Ganzen einverleibt zu werden, mit jenen Mängeln und Schwierig-
keiten behaftet wurden. Und sicher fühlte sich jeder geneigt
beim ersten Anblick ihnen ganz und gar beizustimmen, zumal
audi andere AuflSUigkeiten unter dieser Voraussetzung ver-
schwinden ; ich kann eine Bemerkung der Art nicht unterdrücken :
Als Odysseus der Behausung Kirke's zuschreitet, begegnet
ihm Hermes x 277:
lQ^OfAiv<p /¥(t6g StäfAtt, rtrjvfij icrifol ioixtoi; '
TtOtÜTOV VTlTlVr^TtJl, TOl' TtfO /{((tlffJTKTtl fjßrj'
belehrt ihn über das Schicksal seiner Genossen und sagt ihm,
wie er den Zauberkünsten zu ))egegnen habe. Hierauf entfernt
er sich 307:
22*
820 Ueber die Entstehung der Odyssee, ▼. Dr. TT. HmM.
also nicht in einer Weise, wie sonst Götter zu thun pfl^ran,
wenn sie sich doch zuletzt dem blinden Auge der Sterblidien
verrathen wollen (vgl. a 320, y 372); denn wol kennen die
Götter einander e 79:
ou ydg dyvutTti: ^fol iliinioiai niXovrai
(t&icvaroij ovS* it ng uttotiqo&i, ^(Ofiartt r«/« '),
nicht aber besitzen Sterbliche diese Gabe, v 312:
agyaktov a€, S-ite, yvöüvai ßfJOTtp itVTtaaam
xal fxdX* iniaTaLiivf^' al ydg «iJtijv navxl iiaxeis
aufser es ist ein bevorzugtes Geschlecht von Menschen, die der
Götterwelt näher stehen, wie die Phäaken f] 199 ff.
Wie soll nun Odysseus hier Hermes auf den ersten Blick
erkennen? Ameis sucht auch hier unseren Zweifel zu bannen,
indem er bemerkt: „Hermes erscheint hier in derjenigen Gestalt,
unter welcher das Homerische Zeitalter ihn sich vorstellte, da^
her wird er von Odysseus ohne weiteres erkannt." Dann lief in
der Homerischen Zeit fürwahr jeder Jüngling, dem das Barthaar
kam, Gefahr für Hermes gehalten zu werden. Jedenfalls ist es
bedenklich aus dieser einen Stelle dies zu folgern, zumal ii 347
sofort diese Annahme umstöfst; hier erscheint derselbe Gott
Priamus :
xovgqi aiavfivttTTJQi ioixtü^'f
TiofÜTov vjifiVfiTri, Tov n€Q /aQi^arttTfj fjßrj,
ohne dass dieser ihn erkennt. Man müsste also zu der Annahme
seine Zuflucht nehmen, Odysseus habe später die Begegnung
mit dem rettenden Gotte der Kirke erzählt und von ihr erfah-
ren, dass es wol Hermes gewesen sei, mit dem sie nach x331
häufigen Umgang gehabt zu haben scheint. Das ist aber in
demselben Grade auflSUig, als in den oben von Kirchhoff be-
rührten Fällen die etwa zu ergänzende Motivierung, dass Odys-
seus von dem in seiner Abwesenheit vorgefallenen so genau
Bescheid wusste. Denken wir uns auch hier den Dichter als
Erzähler und es schwindet alles auffällige. — Dies also könnte
uns nur noch mehr bestimmen, Kirchhoff's Ansicht beizutreten
und die Abfassung dieser Partie der Apologe in dritter Person
als Erzählung des Dichters für die ursprüngliche zu halten.
Einen besonderen Werth liätte aber das für die Entscheidung
der von uns begonnenen üntei-suchung erst dann, wenn sich
weiter zeigen liefse, dass der andere Theil der Apologe gleich
ursprünglich als Selbsterzählung des Odysseus abgefasst war und
durchaus keine Spuren einer derartigen Ueberarbeitung und üeber-
setzung aus der dritten Person in die erste aufweist.
') Vgl. das Schol. zu der Stelle ; ov yd(f r^ /rQotütouxivai, dXkd xarm
Tiva !f-6(av Svvauiv iyrio^iaev t^ovaa rj KaXvim tov *E{iuriv.
üeber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. W, Hartel 821
Eirchhoff entgieng es in richtiger Abschätzung seiner ein-
zelnen Gründe nicht, dass alle übrigen an dem einen Haupt-
argomente, welches der olympischen Scene // 374 — 390 ent-
nommen ist, ihre Stütze haben, mit ihm stehen oder fallen;
so erklärt er, da er von der Erzählung des während Odysseus'
Abwesenheit bei den Schilfen vorgefallenen spricht, S. 73 : „Ich
würde es mir unter anderen Umständen schon gefallen lassen
müssen, wenn man diesen Fehler auf Rechnung der naiven Un-
beholfenheit alterthümlicher Dichtweise bringen wollte: nach
allem aber, was oben ermittelt worden ist, halte ich mich för
berechtigt, diese Entschuldigung oder Erklärung auch hier zu-
rückzuweisen^ (vgl. S. 74). Nun hielte ich jenes Hauptargument
für unumstöfslich und den ganzen Beweis far evident, wenn die
Olympische Geschichte als ein organischer Theil der Erzählung,
der sich schlechterdings nicht wegdenken liefse, und an einer
anderen Stelle, von der sie ohne Nachtheil nicht verrückt wer-
den könnte, erschiene. Ersteres hat Kirchhoff behauptet, ohne
es zu beweisen; letzteres zwar gefühlt, aber geglaubt, es hin-
reichend entschuldigen und erklären zu können. Nachdem durch
Teiresias und Kirke warnend vorausgesetzt worden war, was für
eine Strafe Odysseus und seine Genossen treffen werde, wenn
sie die Binder des Gottes nicht unberührt lassen, war es wol
den Zuhörern leicht in den Wunderzeichen, die an den Stücken
und Häuten der geschlachteten Thiere sich zeigten, ^ 394 ff.,
die Vorboten göttlicher Strafe für dieses Vergehen zu erkennen,
394 roTaiv *f* avrW* tfTriiret &€ol r^Qua nQOvtfaivov
und sie mochten wol ohne Zweifel trotz des xorra ro auojtm-
fisvov es nicht auffeilend finden, dass Zeus in dem nun fol-
genden Sturm 405 ff. dem zunächst allein beleidigten Sonnen-
gotte seinen strafenden Arm leihe. Ist ja auch sonst Zeus, wenn
ein anderer Gott oder Göttin beleidigt wird und zürnt, stets als
Bächer bei der Hand, so y 130 (vgl. 160).
xnl tOTf Srj Ztvg Ivygov Ivl (f'Qtal /njd^ro voatov
und zwar 135:
firjt'tog i^ oXoijg ykavxtoniSog OfißQi/nonaiQrig (vgl. « 372).
Und was auch Sinn und Grund der Verse i 551—555 sein mag,
worüber später soll geredet werden, Odysseus sieht hier in Zeus
den Kächer und Vollfuhrer der Strafe, um deren Erfüllung der
gekränkte Poseidonsprofs seinen Vater gebeten und Erhörung bei
diesem und nicht bei Zeus gefunden hatte. Sollte nun aber des
näheren gezeigt werden, wie es komme, dass Zeus für Helios
eintrete — eine Erklärung, die mau ja, wenn sie da wäre, sich
gerne gefallen liefse — so müsste d^r Erzähler, wer es auch
sei, für eine passende Anordnung und Gruppierung des im Him-
mel und auf der Erde vorgehenden soigen. Ja wir sind dies vom
Dichter geradezu zu fordern berechtigt, da es nur einer Nach-
ahmung und Wiederholung eines anderwärts bereits geschickt
388 Ueber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. TT. HarM.
durcli geführten derartigen Scenenwechsels bedurfte. Da nämlich
Odysseus von dem Phaeakenschiffe in die Heimat geleitet wird,
wodurch der racheschnaubende Poseidon auf das tiefste sich ver-
letzt ffihlt, geht er in des Dichters Darstellung nicht gleich, da
dies geschah zu Zeus, um Beschwerde zu führen, sondern diese
Unterredung lässt der erzählende Dichter erst eintreten, da
Odysseus sammt seinen Schätzen glücklich an's Land gerettet
und das Schiff auf der Heimfahrt begriffen ist; das ist an der
Stelle, da ein passender Abschnitt und Buhepunct sidi darbot
Man versuche es hier einmal an eine andere Stelle der Erzäh-
lung diese Scene zu rücken, ohne die ganze Anordnung empfind-
lich zu stören, um sich des Unterschiedes zwischen der C!om-
position in v und jener in jn lebhaft bewusst zu werden; denn
allerorts liefse sich die olympische Scene passender einfügen als
gerade dort, wo sie wirklich eingefligt ist.
Soll man das etwa damit entschuldigen, dass man sagt:
Der Dichter ordnete die Begebenheiten in der Erzählung, wie
er wusste, dass sie in der Wirklichkeit einander folgten; er
weifs nicht blofs, was im Himmel und auf der Erde geschieht,
er weifs auch, wann es geschah. Aus diesem unbegrenzten, auf
jegliches Detail sich beziehenden Wissen resultiert die cfarono-
lo^sche Gruppierung der Thatsachen in beiden Fällen. Ich glaube
mit nichten. Eine derartige Entschuldigung scheint aber Kirch-
hoff zu meinen, wenn ich anders recht den Sinn seiner Worte
fasse, wenn er sj^t (S. 66): „Laufen zwei Handlungen in der
Weise in der Wirklichkeit neben einander her, dass der Anfong
der einen in den Verlauf der anderen einschneidet, so kann dem
Erzähler freilich das Eecht nicht bestritten werden, vorausge-
setzt, dass ihm dieses zeitliche Verhältnis beider zu einander
bekannt ist, eben dies far die Darstellung zur Grundlage der
Anordnung zu machen; also ohne Bücksicht auf den organischen
Zusammenhang, die eine Erzählung durch die andere da zu unter-
brechen, zugleich aber auch gewissermafsen fortzusetzen, wo in
der Wirklichkeit die erzählenden Ereignisse zeitlich zusammen-
trafen", und an einer anderen Stelle (S. 69) : „Der Dichter . . .
hat nicht nöthig von den Quellen seiner Kenntnis ängstlich
Bechenschaft abzulegen, selbst wenn sie sich auf Kleini^eiten
des Details, wie zeitliches Verhältnis der einzelnen Vorgänge
zu einander u. s. w. zu erstrecken scheint, er kann darum die
Gruppierung der einzelnen Acte mit einer Freiheit bewerkstelli-
gen, die so unbegrenzt ist, wie sein Wissen."
Die Fiction so unbegrenzten Wissens entechuldigt nach
meiner Ueberzeugung die Freiheit in nichts, von weldier der
Dichter einen wenig überlegten Gebrauch gemacht haben müsste.
Ich glaube demnach wahrscheinlich gemacht zu haben: Auch
wenn wir uns diese Partie in ft nicht als Selbsterzählung des
Odysseus, sondern als Bericlit des Dichters denken, verliert jener
Vorgang im Olymp durch die Art und Weise, wie er in die
Ueber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. W. Hartel, 82
übrige Darstellung verwebt ist, nichts von seiner Auffälligkeit.
Da fiese auf ein mechanisches Verfahren hinweist, sind die Verse
/u 374 — 390 als ein fremdartiger Bestandtheil anzusehen und
auszuscheiden, dies um so mehr, als der Fortgang der Erzäh-
lung dadurch nicht irgendwie lückenhaft oder gestört wird. Dieser
Mechanismus des Verfahrens steigert sich nur noch in den un-
wahren Motiven der Verse 389—390, die wol dem Urheber der
Interpolation gehören, der doch irgendwie die Kunde des Er-
zählers von überirdischen Dingen begründen musste und dabei
eine Abgeschmacktheit an den Tag legte, wie sie einem selbst
mittelmäfsigen Dichter nicht wohl anstünde. Die Angabe, dass
Odysseus von Kalypso und diese von Hermes die betreffende
Nachricht erhielt, ermangelt der von poetischen Fictionen wol
zu fordernden inneren Wahrscheinlichkeit und steht mit That-
sachen des anderen Theiles der Odyssee in einem Widerspruch,
der nur aus sehr oberflächlicher Kenntnis dieser entspringen
konnte; denn nach e 79 und 88
TlKQOg yE fJlkv OVTl &ttfl(^Hg
war Hermes zum ersten Male bei Kalypso erschienen und Odys-
seus nennt sie duvii d^eog, rj 246, ov6e Tig avr^ jniayerai ovre
9e(üv ovre dyr/rcoy avO^QconMv. Eine Mittheilung der Art ward
aber weder während seiner Anwesenheit, noch im Verkehr zwi-
schen Odysseus und Kalypso auch nur mit einem Worte ange-
deutet. Dies bemerkte übrigens auch schon Aristarchos, nach dem
Schol. zu € 79 zu schliefsen: ifjevöerai (ovv) ^Odvaae'g^ orctv
Uyrj * ravra d' fyatv rjy.otaa Kalviltovg r^r/.6uoio ' rj d* ecpt] ^Eq-
fteiao dioTCTOQOv avrri a-Aoroat, Noch andere Schwierigkeiten fand
wol auch er in der Stelle, wie die Schol. zu /i 374 zeigen. Viel-
leicht waren dies nicht die einzigen Gründe, die ihn zur Athe-
tese der Verse 374—390 bestinunten (vgl. des Aristarchos Be-
merkung zu /'277). Indessen bedarf es nicht der Autorität dieses
respectablen Kritikers, wo alle Thatsachen so laut sprechen.
Entfernen wir aber diese Verse aus dem ui-sprünglichen
Text des Heliosabenteuers, dann ist auch das wichtigste Argu-
ment für Kirchhoff's These gefallen. Sehen wir nun, was an
sich die anderen bedeuten.
Wie in /t 388—389 sich die deutlichste Spur zeigen sollte,
die auf eine Umarbeitung der Erzählung weise , ebenso soll es
sich in der La3strygonie mit x 116—117 verhalten: sie dienten,
erklärt Kirchhoff, dem Zwecke, wahrscheinlich zu machen, dass
Odysseus von dem Schicksale seiner auf Kundscliaft ausgeschick-
ten drei Gefährten wissen konnte. Nach V. 115 og drj lolaiv
i^^aoTo Xv/Qov oXa^Qov folge sehr unerwartet:
„Diese genauere Bestimmung**, sagt KirchhotF (S. 77), „kommt
offenbar viel zu spät, als dass sie dem Hörer oder Leser eine
unvermeidliche Täuschung ersparen k'^^nnto. Anderseits ist diese
SS4 Ueber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. TT. Härtd.
Fiction eine sehr ungeschickte, weil sie den einfachen und sach-
gemäfsen Zusammenhang der Ereignisse stört, also der äulflefen
Wahrscheinlichkeit die innere Gkubwürdigkeit der Erzählung
zum Opfer bringt. Die Flotte des Odysseus wird vernichtet,
weil es den Wilden gelingt, sie zu überfallen; die Möglichkeit
eines Ueberfalls bleibt unbegreiflich, wenn die Bedrohten vorher
Sewarnt wurden, wie dies doch geschehen musste, wenn die
üchtigen Kundschafter vor den Angeifern die Schiffe erreich-
ten." Ich halte diese Bemerkung nicht für durchaus richtig:
die Sache lässt sich auch anders fassen, ohne dass etwas in dieser
übrigens sehr summarisch gehaltenen Erzählung widerspräche.
Gende dass zwei Leute dem Menschenfresser entwischen, ist
der Grund, dass er schreiend durch die Stadt den Fliehenden
stets fest an den Fersen bis zum Meere gelangt, und bleibt der
Angriff immer ein üeberfall und von der Glaubwürdigkeit der
Erzählung wird nichts geopfert. Wenn er aber vor der Hand
nur einen schlachtete, so widerspricht dies nicht V. 115, indem
er auch gewiss sie zu verspeisen gedachte, also auch ihnen
iftrjaaTo Ivyqov oXe&Qov; er geht eben mit dem köstlichen Frafee
fein haushälterisch zu Werke, wie sein edler Gesinnungsgenosse
Polyphemos. Dass übrigens nicht an eine listig vorbereitete
Ueberrumplung, sondern vielmehr an einen rasch und plötzlich
aus^efülirten Angriff zu denken ist, dürfte auch schon wegen 118
avrag 6 revxs ßotjv öia aazeog ' oi d diovreg q)oiTtJv . . . fivQioi
anzunehmen sein.
Dass also zwei Genossen zu den Schiffen sich retteten und
Kunde von dem bei den Lastrygonen vorgefallenen bringen konn-
ten, ist wol möglich. Ja es lässt sich auch zeigen, dass sie
diese Kunde wirklich brachten. Da nämlich auf der Kirke-Insel
Odysseus eine neue Kundschaft abzusenden sich gezwungen fühlt
und den Genossen diesen Vorschlag macht, heilst es x 198 :
roXaiv 6k xaTfxlaa&t} (f(Xov r^ioq
fivtjaafi^vois tQytav AntOTQvyovog livTKfArao.
Verräth das nicht ganz eine unzweideutige Bekanntschaft der
Genossen des Odysseus mit den Voilällen im Hause des Anti-
phates, ob wir nun diese Verse aus dem Munde des Odysseus
oder des erzählenden Dichters vernehmen? Kirchhoff entgiengen
die Verse nicht, doch sucht er ihre gegen seine Ansicht spre-
chende Beweiskraft durch eine, wie mir scheint, unzulässige
Deutung zu schwächen. Er interpretiert S. 78 : „Das Herz brach
ihnen beim Gedanken an die Thaten des Laestrygonen Antipha-
tes", vom Dichter gesagt, heifst nicht nothwendig „sie verloren
den Muth, indem sie der Behandlung gedachten, die, wie ihnen
bekannt war, der Lsestrygone ihren GefS-hrten hatte angedeihen
lassen", es kann sehr wohl auch heifsen „beim Gedanken an
das Schicksal ihrer Gefährten, das, wie ich und ihr Hörer sehr
wohl wisst, ein Werk des Lsestrygonen Antiphates war." Man
beachte dabei die zwar unscheinbare , aber nicht unwesentliche
Ueber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. TT. Hartel 8(5
Vertausdiiing der Wörtchen „Thaten" und ^Schicksale." Aller-
dings an Schicksale und wenn auch nur muthmafsliche Schick-
sale ihrer nicht wieder zurückgekehrten Genossen mochten sie
sich haben erinnern können, aber an Werke, Thaten so gewiss
nicht als man sich an das, was man nie wahrgenonmien hat,
nicht erinnern kann. Es ist uns besonders wichtig, dass sich
überzeugend darthun lässt, dass jene zwei Verse x 116—117
unbeschadet des Verlaufes der Erzählung sich nicht wegdenken
lassen; denn augenscheinlich dienten sie dem Zwecke zu moti-
vieren, wie Odysseus später zur Kunde dessen kam, was er in
lebendiger Selbsterzählung vorweggenommen hatte.
In Bezug aber auf die anderen Fälle ist es von Kirchhoflf
nicht in Abrede gestellt worden, dass sie durchaus von der Art
sind, dass Odysseus wol nachträglich die genaueste Kunde zu
empfangen in der Lage war. So ei-zählt uns Odysseus x 210 — 244
was der unter Eurylochos' Führung abgehenden Rotte begegnet,
was Eurylochos gesellen und erfahren, bis dieser allein zurück-
kehrte. Das aber, was er so vorweg erzählt, könnte er eben von
ihm gehört haben. Docli er erzählt mehr als was Eurylochos
zunächst zu berichten vermochte, nämlich der Genossen Ver-
wandlung im Hause der Kirke, die dieser nicht sah. Doch er-
fahr Odysseus ja bald von Hermes, was den Genossen wider-
fehren 282 ff., sah selbst, welche Künste die Zauberin gegen
ihn versuchte 316 If. und was er sonst noch an Detail dazugibt,
hatte er wol volle Gelegenheit von den zurückverwandelten Ge-
nossen und der bekehrten Zauberin zu vernehmen. Wenigstens
liegt nichts unwahrscheinliches noch gekünsteltem darin, wenn
wir durch eine derartige Fiction die Möglichkeit, dass Odysseus
das nicht selbst gesehene, sondern erst später anderwärts ver-
nommene erzählen konnte, motivieren oder von dem Hörer des
Erzählers motiviert denken. Das gleiche gilt von dem genauen
Berichte dessen, was zweimal vorfiel, während er schlief, das
eine Mal auf dem Schifte x 31 ft\ und das andere Mal auf der
Heliosinsel fi 339—365. Dass Odysseus die Genossen , die ihn
durch eigene Schuld in's Verderben brachten, wol mag zur Rede
gestellt und bei diesem Anlasse, was er berichtet, erfahren ha-
ben, ist ja zu natüi'lich. Bei einer Gelegenheit wird ein solches
Verhör auch angedeutet. ^ 392:
vf{x€ov aXXot^iv filXov IntniaSoVy ovdi rt ^rj^og
(vgl. Nitzsch. Beitr. S. 120). Also das mag als ausgemacht gel-
ten, dass in Bezug auf die berührten Berichte Odysseus sich
wohl unterrichten konnte oder richtiger: für den Hörer oder
Leser hat die Beantwortung der Frage, woher Odysseus wisse,
was er nicht mit eigenen Augen sah oder eigenen Ohren hörte,
nicht die mindeste Schwicnngkeit und die Erzählung desselben
im Munde des Odysseus entbehrt nicht der psychologischen
Wahrheit.
SSO Ueber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. W, Hartd.
Aber vielleicht die Art, wie er erzählt? Es scheint im
vorhinein die Forderung des kritischen Beobachters ganz ein-
leuchtend und natürlich, dass wol ein Unterschied zu madien
war zwischen der Erzählung des selbsterlebten und des von
anderen vemonunenen, dass das letztere mehr summarisch ge-
halten werden sollte und sich nicht auf Detail erstrecken könne,
wie dies hier thatsächlich geschieht, indem Verhandlungen und
Keden wörtlich referiert werden, als ob stenographisdie Auf-
zeichnungen zu Grunde lägen, Vorgänge, z. B. die Opferhand-
lung fj, 356 if. bis in die genauesten Einzelheiten geschildert
werden, ja auch x 108 der Name einer weiter interesselosen
Oertlichkeit, der Quelle Artakia (vgl. Schol. z. d. St. x 108)
unterläuft; hierin scheint doch eine Verwechslung der Rollen,
ein Aufgeben des von dem Dichter durch selbstgewählte Fiction
angenommenen Standpunctes sich vorzufinden.
Bis zu einem gewissen Grade lässt sich dies Verfahren,
wie ich meine, wol entschuldigen. Das meiste kommt auf Bech-
nung der eigenthümlichen epischen Erzählungsweise, die man
mit dem Namen „Breite" bezeichnet. Was zunächst die detailier-
ten Vorgänge bei der Opferhandlung betriflTt, so sind dieselben
im Munde des Odysseus um so weniger auflSllig, als bei diesem
Opfer nahezu dasselbe geschieht, was sonst der Sitte gemäfs ist
und was die Zuhörer bei ähnlichen Gelegenheiten zu vernehmen
gewohnt waren. Was aber die Reden betriflFt, in welcher Form
sollten diese aufgenommen sein, um för summarisch zu gelten?
Etwa in indirecter Rede? Zu diesem Grade der Abstraction war
aber die auf Anschaulichkeit und lebhafte Vergegenwärtigung
abzielende homerische Darstellung noch nicht gelangt Wenn
aber die directe Form dem Dichter nur möglich war, was be-
stimmt dann den Grad der Ausführlichkeit ?^) Uns, die wir über
mannigfaltigere Mittel der Darstellung verfugen und die wir oft
Mühe haben, uns in die einfache Art des allüberall liebevoll
verweilenden, nichts übereilenden Erzählers zu finden, mag es
unangemessen erscheinen, wenn Odysseus seine Erzählung in
einer Weise anlegt und durchfuhrt, wie sie der stilgerechte
Epiker angelegt und durchgeführt hätte. Ich kann mich daför,
dass der veränderte Standpunct des Erzählers auf die Breite und
Anlage einer Ei-zählung ohne Einfluss blieb, auf einen ganz
analogen Fall aus der Odyssee berufen; ich meine die Selbst-
erzählung des Eumaeus in o 390-485. Dieser kam als unmün-
diges Knäblein zu Laertes, wo er mit der Tochter des Hauses
KUmene r] 363 aufwuchs, er war aber durch Phönikier seinem
Vater geraubt worden, denen seine von den Phönikieni verführte
Kindsfrau behilflich war. Das Einvei-ständnis zwischen dem Weibe
und ihren Verführern wird nicht etwa nur mit einigen Worten
^ Vgl. Bonitz, Ueber den Ursprung der Hom. Ged. 2. Aufl. I86i
S. 56. Anm. 95.
üeber die Entstehung der Odyssee, ▼. Dr. TF. Hartel 8£7
summarisch angedeutet, sondern breit und ausführlidi dargelegt;
zunächst wie es entstanden 420:
;rili/roi»(yi; rig nQiout fi(yri xodri naQU vrjl
evvj xal (f'UoTrjTc
und was sie hierauf gesprochen und wie sie die Flucht und den
Eindesraub verabredet. Auch hier ergeben sich wol dieselben
Schwierigkeiten, wollte man peinlich die Gewähr dieser Ueber-
lieferung prüfen, ja noch gröfsere; denn zwischen der Zeit des
Ereignisses und der Erzählung lag ein langes Menschenalter,
die schuldige Magd starb noch auf der Fahrt; dass sie oder ein
anderer dem unvernünftigen Kinde über die Vorgänge Bericht
erstattet, ist so unwahrscheinlich als unangemessen die An-
nahme, dass die unschuldige Einfalt des Knaben hatte alles be-
greifen und behalten können. Und sollten wir in Erwägung
dessen die Hypothese Kirchhoifs auf diese Partie ausdehnen
wollen? Das hiefse der Kleinliedertheorie bedenklichen Vorschub
leisten. Es ist schlechterdings nicht glaublich, dass diese Er-
zählung des Sauhirten je einmal ein Lied für sich, vom Dichter
erzählt, gewesen sei, sondern augenscheinlich für diesen Zu-
sammenhang, also als Selbsterzählung Eumaeus' ursprünglich
concipiert. Der Dichter aber glaubte sicherlich nichts Unange-
messenes zu thun, wenn er ihn in ebenderselben Breite mit epi-
scher Detailierung erzählen licfs, wie etwa er selbst erzählt
haben würde.
Wir können demnach zwischen i, das die Abenteuer
bei den Kikonen, Lotophagen und Kyklopen enthält und dem
folgenden Theile der Apologe nicht jenen Unterschied hinsicht-
lich ihrer anfänglichen Gestalt erwiesen finden, wie Kirchhoff
dies annahm, und können nicht darauf eine Scheidung des ur-
sprünglichen von dem später hinzugekommenen gründen. Ja
auch diese Theile bieten dieselben Eigenthümlichkeiten der Dar-
steUung, dasselbe Hinübergreifen in die Vorrechte des erzäh-
lenden Dichters, dasselbe Wechseln der EoUen und Aufgeben
des einmal gewählten Standpunctes dar, wodurch Kirchhoff seine
These zu begründen meinte. So erzählt Odysseus von dem Volke
der Kyklopen. In voller Anschaulichkeit entrollt er vor dem
Blicke der Hörer ein Bild der von dem Einflüsse menschlicher
Cultur noch unberührten Natur und ihren gigantischen Bewoh-
nern: sie wissen nicht, was Sitte und Gesetz, sie kennen nicht
den Staat und seine Gemeinschaft. Wild und grofsartig gleicht
ihnen der Boden, den sie bewohnen, nicht aber bebauen, soviel
Ertrag er auch verspricht; wie sie den Verkehr unter einander
in wilder Abgeschlossenheit, wohnend in rauhen Felsenhöhlen,
selbst Felsen ähnlich, meiden, verschmähen und vormögen sie
es nicht, die völkerverbindende Strafse des Meeres zu wandeln,
um in regem Wetteifer von anderen zu lernen, an vorgeschritte-
nen sich zu bilden. Wer fühlte sich nicht befriedigt von der
lebensvollen Schilderung des Dichtere? und wer dankte es ihm
S28 Ueber die Entstehung der Odyssee, y. Dr. W. Hartd.
nicht, dass er Odysseus von der Fülle seines Wissens mehr ver-
lieh, als der kritisch den Gehalt seines Berichtes prüfende w-
warten möchte und ihn so um der Hörer willen zum Dichter
werden liefs? Denn in der Erzählung selbst liegt nicht eine
ausreichende Begründung, wie und woher Odysseus so zuver-
lässig und genau wusste, was er sagte; denn gänzlich unbekannt
ist ihm das Land und seine Bewohner; da er gelandet, heilst
es {i. 174):
IXS-iov Ttiv cf ' ttvSQm' neiQi^aofiai, ot riveg tlaCv,
« (»* ot Y* vß^iOTtti re xtel ayQioi oiiSk i^lxatot
fis (f'iXo^Bivoi xaC a<f>iv voog iaxl ^eovSijs.
Im weiteren Verlaufe verkehrt er nur mit Polyphemos; dass
noch andere Männer wie dieser die Insel bewohnen, konnte er
aus 275 ff. 401 ff. entnehmen. Wie aber diese unter einander
lebten, wann und woher erfuhr er das?
Dieselbe Bemerkung drängt sich an einer anderen Stelle
derselben Erzählung auf, da der geblendete Riese zu seinem Vater
Poseidon um Rache und Bestrafong des Odysseus betet: er ver-
wehre ihm die Rückkehr in die Heimat; wenn es aber doch das
Schicksal wolle, dann
534 01/;^ xitxwg ?Adot, oXiaag tino ndvxag kxafQovg
VTjog in* ftkXoTQiyjgy (vqoi, *f* iv n^fiaxa ofxtp
und hierauf erzählt Odysseus weiter:
wg t(fUT* €v/6jLttvog, tov Sk xXv€ xvttvoxafTtjg,
An den Versen 531 — 535 nahm ausser „Meister Phil. Vin.
1 ff.'^, der „in dem Eingehen in alle Einzelheiten der Sage
einen offenbaren Verstofs gegen den Charakter des Kyklopen*
erblickt, so viel mir bekannt ist, niemand Anstefs und woUte
man die Verse tilgen, so erzeugte man nur neue Schwierigkeiten
an Stelle der alten. Wenn aber die Stelle keine weiteren Kenn-
zeichen einer Interpolation bietet, so verdient auch sie allen
obigen von Kirchhoff benützten beigezählt zu werden; denn
woher wusste Odysseus, dass Poseidon die Bitte seines Sohnes
erhört? Dass aber dies der Sinn des Wortes sei, erhellt aus der
zwingenden Analogie von Fällen, wie A 43, 218, 453, 457,
E 121, n 249, y 385, d 767, t 328. Man wird leicht die Er-
klärung zu finden meinen, indem man sagt: in dem Moment,
da Odysseus erzählt, hatte er einen guten Theil seiner Leiden
hinter *^ sich, den Verlust seiner Genossen und Schiffe, vor sich
die Aussicht, auf fremdem Fahrzeug in die Heimat zu ^elan^n.
Allerdings einen guten Theil, aber nicht alle. Was ihn in semer
Heimat erwarte, konnte er nicht wissen. Doch vielleicht ahnen?
in banger Gewissheit ahnen, nachdem alle anderen Forderungen
Polyphem's erfüllt worden waren? Allein er verräth noch in
anderer Beziehung eine allzu genaue Kenntnis der geheimsten
Absichten des zürnenden Gottes, als dass er sie blos aus den
folgenden Ereignissen geschöpft haben könnte oder nadi der
gegenwärtigen Lage der Dinge als eintretend befürchten durfte.
üeber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. W. Hartel SS9
Denn das „otpi Tuxxaig iXd^elv*^ tritt ja nicht ein, wie es nach
Poseidons eigensten Willen eintreten sollte; sondern durch der
Götter Gnade wird dies von ihm abgehalten, wie aus £ 376,
V 131 ff. erhellt Ja er weifs sogar noch mehr von den Vor-
igen im Olymp, wie 551 ff. zeigt ^). Indessen, wenn auf die
KyUopie sofort der Untergang der Schiffe folgte und nur, wenn
dies der Fall war, lielse sich auch diese Bekanntschaft mit dem,
was im Himmel geschieht, einigermafsen erklärlich finden.
Doch — und hierin liegt die Gleichheit der Darstellung mit
jenen von Kirchhoff hervorgehobeneu Fällen der späteren Apo-
loge — ein Unterschied der Erzählung von selbst erlebtem,
klar bewusstem und blos vermuthetem, späteren Ereignissen ent-
nommenem, ist auch hier, wo feinere üeberlegung ihn forderte,
nicht gemacht.
Also auch diese Partie der Apologe bietet solche Eigen-
thümlichkeiten der Darstellung, von denen sich eben sowol
auf ursprüngliche Abfessung derselben in dritter Pei*son schliefsen
liefse, wie in der anderen, wenn dieser Schluss eine Berechti-
gung hätte, was wir ablehnen zu müssen glaubten. Die Naive-
tät oder wenn man will Unbeholfenheit alterthümlicher Dicht-
weise brachte es wol mit sich, dass der Erzähler, wer es auch
war, beim Erzählen das Vorrecht genofs, zum Dichter zu werden
und Eingebungen der Muse zu empfangen, die alles zu lehren
und zu sagen weifs und so die von nüchterner Reflexion ge-
steckten Grenzen seines Wissens überschritt. Ist ja die home-
rische Poesie bei aller Naturwahrheit der Beschreibung in ihren
Motiven auch sonst recht naiv und märchenhaft unpsychologisch.
Um von mehrerem einiges zu erwähnen: Odysseus geht zu den
Kyklopen, mit sich tragend den wunderbar kräftigen Wein aus
dem Kikonenlande, mit dem er später zu seinem Frommen die
Sinne des Riesen umnebelt. Ein glücklicher Zufall! Doch nein,
so wünscht es der Dichter nicht angesehen, wenn er i 213
Odysseus sagen lässt:
uvT(xtt yoLQ fioi 6(auTü b^vfioi; (iy^r(a()
ttV^Q* inelfvaead-ai /nfyitXrjv ^jmiuivov tllxijv,
äy^iov, ovre Sixag li> itöora ovt€ d^ifiiartti.
^Niemand" gibt er dem Kyklopen als seinen Namen an, dass
dieser später den herbeigerufenen Genossen sage 408 ouvig fiß
xielvei. Einen solchen märchenhaft naiven Zug möchte ich nun
audi in der oben besprochenen Begegnung zwischen Odysseus
und Hermes erblicken.
Da wir also auf diesem Wege ein sicheres Kriterium des
ursprünglichen und später hinzugefügten nicht gefunden haben,
gilt es nach anderen Spuren zu suchen. Augenscheinlich hat die
&yklopie in dem Organismus der Odyssee einen bestimmten
nicht zu verkennenden Zweck, nämlich den Zorn des Poseidon,
>) Vgl Bonitz a. a. 0. S. 56. U Roche Ost. Gymn. Z. 1863. S. 194.
380 üeber die Entstehung der Odyssee, ▼. Dr. TT. Harid.
der für den Helden die Quelle aller Unfälle wird, zu motivieren.
Nachdem er Polyphemos, des Poseidons Sohn, geblendet und
mit frevelnden Worten vielleicht den Gott selbst beleidigt i 525,
zeichnet das Itachegebet, das der Gott erhört i 534:
oiffi xaxüig lil^oi, oliaaq ano navtag haiqovg,
vrjog in'* dXXoTQCi\g, evQOi <f* iv m^/LiaTa oixif}
die leidenvolle Bahn vor, auf der er mühsam in die Heimat
gelangen soll. Die Erzählung ist in jeder Beziehung vollständig
und genügend, den Verlust seiner Schiffe und Genossen, so wie
seine lange Entfernung von der Heimat zu erklären. Ist es aber
anzunehmen, dass ein Dichter das, was er mit Verstand und
Absicht begonnen, auf halbem Wege unvollendet liefs, dass er
uns vom Ursprünge des Zornes erzähle, aus dem die Leiden und
Mühen des Dulders folgen sollen und doch keine aus ihm fol-
gen lasse? Das aber geschieht, wenn wir annehmen, dass die
folgenden Apologe mit den vorhergehenden einheitliche Con-
ception eines Dichters seien. W^enn wir nach den Andeutungen
im letzten Theile de^ Buches i 53G und 553 ff. die Strafe als
nahe bevorstehend erwarten und zu erwarten berechtigt sind,
föUt im folgenden nicht nur nichts vor, was dieser Ahnung
genügte, wol aber vieles, was uns Poseidon's Zorn vergessen
lässt. Alle verhängnisvollen Ereignisse haben andere Motive als
die Rache des Gottes. Dass Aeolus' wohlgemeinte Gabe nicht
zum Ziele führte, das gieng, wie Odysseus selbst sagt x 68,
nicht von Poseidon aus. Bei den Laestrygonen , wo Odysseus
alle Schiffe und Genossen bis auf sein eigenes Schiff verliert,
hat weder Poseidon noch ein anderer Gott seine Hand im Spiele.
Das Heliosabenteuer aber begründet den Verlust von Schiff und
Genossen auf eine ganz neue Weise mit der Rache des Sonnen-
gottes. Dieselben Ereignisse, die wir schon hinlänglich motiviert
glaubten, werden auf ein gi-und verschiedenes Motiv zurückgeführt.
So weissagt ihm Teiresias für den Fall, dass er oder seine Ge-
nossen an die heiligen Rinder Hand anlegen Ä 114:
(jilft y.uxoi^ VH(U, oX^aag uiru ndviug krad^ovg
ri](ig hl ' dlXüT(}{t}g ' i^rffti cJ" h' 7n]fjittru otxtp
und in Ucboreinstimmung damit Kirko /£ 141. Das müsste ein
schlechter und vergessliclier Poet sein, der ohne Noth zweimal
dasselbe thate, zweimal eine Erzählung erfände, die ein und das-
selbe motivieren sollte. Offenbar haben wir es liier mit den
Erfindungen zweier verschiedener Dichter zu thun, die zufällig
dasselbe Sujet behandeln, aber deren jeder die Erzählung airf
eine andere Grundlage zu stellen sucht; dem einen ist die Quelle
der Irrfahrten und späten Heimkehr die Rache des Poseidon,
dem anderen der Zorn des Helios. Welche dieser Erzählungen
gehört nun ursprünglich der Odyssee an? welche ist die später
hinzugefugte? Ohne Frage ist die Kyklopie die ursprüngliche,
denn die Motive derselben ziehen sich wie ein rother Faden
durch das Ganze hin und zeigen sich, wo sie zu Tage treten,
üeber die Entstehong der Odyssee, v. Dr. W, Hartel. SSI
was man auch sagen möge, so tief in der Dichtung wurzelnd
and aus ihr organisch herausgewachsen, dass an eine künstliche
Einpfropfung von aulsen schlechterdings nicht zu denken ist.
Nicht anders als Poseidon und Helios verhalten sich Ka-
lypso und Kirke in der Dichtung, nur verräth sich hier das
fiqpäter hinzugekommene in seinem Unterschiede von dem echten
alten in nocn stärkeren bedeutungsvolleren Zügen. Was die Ge-
stalt der Kalypso in der Geschichte des Vielgeprüften zu be-
deuten habe, spricht deutlich aus den Begebenheiten und wer
die Sprache nicht vernimmt, dem deutet es der Dichter selbst
an: Odysseus gelaugt schiffbrüchig an die Insel der einsamen,
von Menschen und Göttern gleich gemiedenen Göttin; sie die
stolze wird dem armen, hilflosen, von allerlei Unglück heim-
gesuchten Lebensretterin € 130 ff. und will ihm noch mehr sein :
was nur eine Gottheit dem sterblichen zu geben vermag, Un-
sterblichkeit und ewige Jugend, das soll ihm werden um den
einen Preis, dass er Weib und Kind vergesse und sich bei ihr
zu bleiben entschliefse, auf der Insel, die durch liebliche An-
muth selbst einen Gott bezaubert « 73 ; er aber sitzt am Strande
unempfänglich gegen die grofsen Verheifsungen und sehnt sich
nach dem steinigen Ithaka. Zeus muss seinen unabänderlichen
Beschluss ihr zu Wissen thun , bevor sie Odysseus zu entlassen
geneigt wird. Mit stolzem Bewusstsein kann er bei den Phäaken
an die hier bewiesene Selbstbeherrschung und Ausdauer erin-
nern I 29:
Wie unebenbürtig erscheint aber in dieser Gesellschaft Kirke
und wie wenig reclitschaften ist es von Odysseus, wenn er ein-
fliefsen lässt:
äs avTtog KiQxr/ xccrtQi^Tvfv iv /ntyaQuiGtv
j4ia{fj ^oXoiaaa, XikatoiA^vr] noan' ilvai.
Allerdings weilt auch Odysseus bei dieser Göttin geraume Zeit,
doch was fesselt ihn an sie? Nicht ist sie seine Retterin, wo-
durch sie des edlen Dankbarkeit sich hätte erwerben können,
sondern eine ihm feindliche Gottheit, die seine Genossen zu ver-
derben gestrebt und gegen deren furchtbare Gewalt ihn nur die
Götter gewaffnet; und dennoch bleibt er. Aber nicht am Strande
des Meeres sehen wir ihn, in Sehnsucht sich grämend, sondern
in den Armen der Göttin. Ja er ist ein so ganz anderer, dass
seine eigenen Genossen über das Säumen und Zögern unwillig
ihn zum Aufbruch mahnen müssen. Und wie nimmt seine Er-
klärung Kirke auf?
firixiTi' rvr u^xotia iutit M fiffivm ofxio.
Das sind die Worte, mit denen ihm die gefühllose den Ab-
schied gibt. Schlagender als alle Widersprüche, die man in Ein-
BSC Ueber die Entstehoiig der Odyssee, v. Dr. W. HarM.
zelheiten der Erzählung gegen die einheitliche Conception der
Dichtung aufgedeckt hat, ist diese Gharakterverschiedenheit des
Odysseus in den beiden Erzählungen. Die Phantasie des Dich-
ters von £, der mit so lebenswarmen Farben das Bild4des Man-
nes entworfen, in jeden Zug eine so wahre Bedeutung zu legen
verstand, kann nicht die verblasste und verwasdiene Copie der
Kirkesage geschaffen, sich selbst so unglücklich wiederholt haben.
Der Dichter dieses Theiles muss demnach ein anderer sein als
der des fontlen Buches, d. i. des älteren echteu^Bestandtheiles
der Odyssee;
Eine gewisse Beziehung jedoch zwischen beiden lässt sich
nicht verkennen. Wer die Begegnung Odysseus' mit der Zau-
berin Eirke besang, der kannte die Erzählung von Odysseus*
Aufenthalt bei Kalypso, wie aus der unverkennbaren Aehnlich-
keit zwischen beiden hervorgeht. Der früheren Dichtung entnahm
er zum Theil den StoiF'*); indem er den Geist nicht er&sste,
verräth er sein rein äusserliches Verhältnis zum Muster. Die
Gestalt der Kirke selbst gehörte ursprünglich, wie Kirchhoff
(Vorm. XI. und Monatsber. der Berl. Akademie 1861, S. 563 ff.)
bemerkt, einem ganz anderen Sagenkreise an. Sie ist die wenig
veränderte Medea der Argonauteiisage. Sie heifst Aeetes Schwester
und stammt mit dieser von Helios und der Okeanide Perse.
Auch die in Buch (.i erzählten Abenteuer mit den Sirenen, den
Flankten, der Scylla und Charybdis und die Vorfälle auf Thri-
nakia, welche ein wohl zusammenschliefseudes, widerspruchloses
Ganze bilden, weisen auf jenen fremden Sagenkreis, aus dem
sie in die Nostendichtung augenscheinlich übertragen sind. Diese
Entlehnung ist auch nicht im mindesten verdeckt, wenn es
1.1 69 ff. bei Erwähnung der Flankten heifst:
oHi] rfi} xiivrji y€ 7i(cot'/ikü} TToPTonoQO^ vifvg
l4Qy(a Tiaai fidovaa") tucq' AirJTito nUovau.
xa( vv xt TTp' b'S^* (oxn ßctkfi' uiyakui norl nix^uQ
du,' '^JlQrj 7Uc()^7i€fHpiVy fnt) (fiXog ^tv 7ija(or,
Wie sich Kirke zu Kalypso, so verhalten sich die riesigen,
menschenfressenden Laestrygonen zu den Kyklopen. In dem
Flaue des Dicliters, welchem die Kyklopie gehört, fanden die
Laestrygonen keine passende Stelle mehr. Zudem bietet auch
diese Partie dieselben Anklänge an die Argonautensage. So be-
merkt Kirchhoff a. a. 0.: ^Was dem Odysseus und seinen Ge-
fährten bei den Laestrygonen passirt, hat eine merkwürdige
Aehnlichkeit mit den Erlebnissen der Argonauten bei Kyzikus
und ihren Kämpfen mit den Riesen und Dolionen, und die
*) Auch ein Motiv der Lotophagie fand seine Verwerthung: x 235
mischt Kirke (fnQuuxu in die Speise J'r« nuy/v lad^ofuro TruTQtäog
((Yrji, vgl. i 94 flf.
^) Vgl. Bäumlein „Die Factoren des gegenwärtigen Bestandes der Ho-
mer. Gedicht«." Jahn. Jahrb. Bd. 81. S. 532-543. Henning's. 81.
S, 803. Groto. Gesch. Griech. I. S. 195.
üeber die EntstehuDg der Odyssee, v. Dr. W, Härtet SSS
Aehnlichkeit ist keine zufällige, denn die Ereignisse sind in bei-
den Dichtungen an dasselbe Local, die Quelle Artakia, ge-
knüpft^ Es ist demnach' kein Zweifel, dass auch die Laßstary-
gonie jener Bearbeitung angehöre, welche das Eirke- und Helios-
abenteuer und was nut diesen unzertrennlich zusammenhängt,
li 39—261 umfesste.
Werfen wir einen Blick auf diesen in sich wohl zusammen-
hängenden Complex von Erzählungen, so erkennen wir in ihr
eine Odyssee in der Odyssee, eine jüngere Dichtung, in der sich
der Oang und die Motive der älteren Dichtung unverkennbar
widerspiegeln. Wie das Heliosabenteuer beweist, durch welches
hier die weiteren Schicksale des Helden in dem 2ome des He-
lios ihre Begründung finden, wie durch den Groll des Poseidon
in der Kyklopie, hatte auch sie eine Fortsetzung, die dem Gange
&r uns vorliegenden Odyssee ähnlich war. Welches aber im
einzelnen ihr Verlauf gewesen, das zu entscheiden liegt aufser
der Macht der an verständigen Argumenten haltenden Kritik,
80 bereitwillig sich die Phantasie dieser Frage bemächtigen
möchte. Ebensowenig lässt sich mit Sicherheit bestimmen, wo-
hin das Mährchen von Aeolus zu setzen sei, so unerschütterlich
das n^ative Besultat der Untersuchung feststeht, dass es der
Uteren Dichtung ferne steht; denn die Idee und Grundlage
dieser, der Zorn des Poseidon, tritt innerhalb desselben selbst
da nicht zu Tage, wo der Dichter, im Falle er ihm klar bewusst
war, eine Andeutung nicht vermeiden konnte noch durfte. Man
betrachte nur die Situation, da Odysseus durch den Windschlauch
80 nahe an die Küste des Heimatlandes gelangt x 29 ff., ohne
dass Poseidon eine Hand rührt und erinnere sich an des Gottes
stürmende Wuth b 282 ff., da Odysseus dem Phaeakenlande
nahe kommt, wo er das Ende seiner Mühen finden soll. Man
bemerke, dacs Aeolus, wo es so nahe lag, nicht mit einem Worte
der Feindschaft Poseidon's gedenkt, indem er x 64 sagt: xig
%oi TLomog exQcce daifiov und in Odysseus nur einen gottver-
hassten sieht V. 73 ff. ; wie Odysseus, den doch die Furcht vor
der eben beleidigten Gottheit lebhaft erfallen musste, in natür-
lichen Ursachen die Quelle seines Unglücks findet 4G8:
aetaav fi* kraQol n xaxoi, n{i6g roiaC te vnvog
(vgL X 27). Indessen durch eine Combination mehrerer Indicien
läät sich die Vermuthung, dass dieses Abenteuer mit der Er-
zählung von der Kirke verbunden war, zu jenem Grade von
Wahrscheinlichkeit erheben, der überhaupt in solchen Fragen
zu erreichen ist. Aus den Versen & 443 ff., von denen etwas
später die Rede sein wird, ergibt sich, dass Arete die Erzählung
von Aeolus kannte. Diese konnte sie aber doch nicht für sich,
sondern nm* in der Reihe anderer Erzählungen Odysseus' ver-
nommen haben. Nun gehört aber dieser Theil von 0^ jener
jüngeren Dichtung an, welcher wir eben die besprochenen in x
XfiUchrilt f. d. öat«rr. Oymn. 1865. V. U«ft 23
8S4 üeber die Entstehung der Odyssee, t. Dr. W. HcurUL
und /< enthaltenen Apologe zugewiesen haben, eine Hypothese
EirchhofTs, auf die ich noch zurückkomme. Es war demnaefa
wol X 1 — 76 mit dem Laestrygonen-, Kirke- und Heliosaben-
teuer verbunden und hatte unter diesen dieselbe Stelle, die es
jetzt noch behauptet, vor der Laestrygonie.
Wenn wir gestützt auf solche üeberlegungen die Beiba
der Apologe von x — fi aus der älteren Dichtung ausscheiden^
so kann uns hierin durchaus nicht der umstand beirren, dast
in derselben auf die ältere Dichtung öfter Bezug gen<»nmen ist
Denn gelegentlich der Einfügung liefs es der Bearbeiter an aus*
gleichenden Zuthaten sicherlich nicht fehlen und überall lassen
sich diese klecksartigen Aufsätze oft nur zum Vortheile der
Dichtung mit Leichtigkeit wegheben: so x 200, x 435 — 437,
/u 209-— 212. An einer Stelle tritt aber der Zorn Poseidon's •)
so bedeutsam hervor und die Erwähnung desselben trägt so
wenig die Spuren einer blofs äufserlichen Hinzufögung, dass die
Annäme nicht abzuweisen scheint, dass wir es hier mit einem
Beste der älteren zu thun haben ; ich meine die Bede des Teire-
sias in der Nekyia l 100 ff. Allerdings wird auch 104 — 120
des Heliosfrevels und zwar recht ausführlich gedacht Allein da
bei der offenbar hier beabsichtigten Verklitterung beider Motive
das eine nur ursprünglich sein kann, werden wir dasjenige,
welches uns in einem aus allerhand Stücken zusammengeflickten
Gewände erscheint, als das von aufsen hinzugebrachte beträch*
ten müssen; nichts als ein Cento aber sind die Verse 104^120.
Ich kann demnach Kirchhoff nur beistimmen, wenn er seine
ursprüngliche Ansicht, wonach er die Scene im Hades „mit völli-
ger Zuversicht als gänzlich freie und willkürliche DichtuQg des
Bearbeiters, zu der er die Veranlassung und das wesentlichste
Motiv aus einer beiläufigen Andeutung der älteren Bedaction
der Odyssee entnahm", bezeichnete, neuerdings (Phil. XV,
p. 116 ff.) aufgab und die echten Bestandtheile derselben für
einen Best des alten Nostos hält. Doch fehlt es nach meinem
Dafürhalten bei der Art, wie die ursprüngliche Erzählung zu-
sammengestrichen und erweitert wurde, um in diesen Zusam-
menhang zu passen und zur vorliegenden Nekyia zu werden,
an jedem Anhaltspuncte, die Stelle und den Zusammenhang zu
bestimmen, wo und in welcher die alte Odyssee Odysseus' HöUen-
fahi-t erzählte. Keineswegs aber lässt sich verkennen, wie die
hier in die Zukunft gelegte Versöhnung des zürnenden Gottes,
dadurch dass Odysseus den Cult Poseidon's verbreiten wird, in
die Dichtung passe, wie dieser Friedensblick in die Zukunft zu
dem Tone des Epos stimme. Ohne sie bliebe eine Dissonanz,
die um so fühlbarer wäre, wenn der alte Nostos, wie Eirchhoff
annimmt, mit einer Bachethat des Poseidon schlofs v 125—184.
«) Das Geg^nthcil behauptet K<)chly, de Odysseae carminibns disseri
1. p. 10.
üeber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. W. Hartel. 885
Ohne indessen auf diese Frage hier einzugehen, kann ich
Aber diese Episode eine Bemerkung nicht unterdrücken, indem
Meister (PhiL VIII 3—5) nicht ohne Grund einige anfällige
Widersprüche innerhalb derselben dargel^ hat. Ihr Inhalt ist
nnsefiUir folgender: Poseidon, gegen dessen Willen Odysseus
mit Sdifttzen beladen die Küste seiner Heimat erreichte, zürnt
den Phseaken, die ihn dahin geleiteten. Zeus, vor dem er über
die Nichtachtung seines Willens sich beklagt, erklärt ihm mit
den Worten v 145:
Hq^ov Sntos ^S^^s xai toi q)(Xov tnXtto O-v/n^
freie Hand zu lassen (vgl. n 67, w 481, J 37, X 185) in der
Bestrafimg derer, die ihn beleidigt. So will jener denn das
Fhseakenschiff auf der Heimfahrt zertrümmern und einen grofsen
Ben? vor ihre Stadt legen. Zeus aber räth ihm, das Schiff nur
in Stein zu verwandeln, der die Aehnlichkeit mit dem Schiffe
bewahre und einen Berg vor die Stadt zu legen.
ta ninoVf äs fjilv l/u^ ^fi^ 6oxt7 ilvat, aQiora
dTTTtoTi xev Srj nnvreg ilawoin^vfjv n^otStovrai
hioi ano Ttroliogy &€Tvai U&ov lyyvd-i yaitjg
yrit ^5 liulov, Iva ^av/idC(oaiv unartig
äv^Qtanoi, fiäya ^i atfiv OQog noXei tt/i(fixaXvi}fai.
Posddon geht, verwandelt das Schiff in einen Stein und entfernt
sich wieder, ohne die Drohung mit dem Berge ausgefölirt zu
haben. Da die Phseaken am Ufer die Verwandlung sahen, er-
innert sich ihr König einer alten Weissagung seines Vaters,
dass Poseidon einst, weil sie alle Menschen in die Heimat
führten, ein Schiff zerschmettern und einen Berg ihnen vor die
Stadt legen werde. Damit letzteres nicht eintrete, bringen sie
dem Gotte Opfer.
Das auflEälligste ist wol in dieser Erzählung, dass Po-
seidon sich entfernt, ohne den zweiten Theil seiner Drohung zu
erfollen und wenig befriedigt Ameis' Erklärung (s. Anhang zu
y 164): 'Von der angedrohten Strafe ist der zweite Theil (152
158), den Poseidon nicht gleichzeitig mit dem ersten auszu-
führen brauchte, hier unterblieben, um das Sühnopfer episch
zu motivieren,' die selbst O. W. Nitzsch (Beiträge S. 415 Anm.)
'unstatthaft und gar nicht homerisch' nennt. Dsäurch sollte woi
nur Meister's Frage, warum die Phaeaken noch opfern, nach-
dem Poseidon sich doch schon entfernte, beantwortet werden.
Doch dieser fragt weiter: warum fehlt die bei Opfern übliche
Angabe, ob der Gott die Bitte erhört V warum theilt überhaupt
Poseidon nach erhaltener Vollmacht seinen Plan dem Zeus mit?
was bedeutet die kleinliche Correctur, die Zeus an diesem Plane
vornimmt?
Die Lösung liegt nahe: Zunächst besagen die Worte 154
0^ fiiy ifiifi xh}fif^ öonei elvai aqiata^ dass Zeus die Absicht
des Poseidon zu amendieren sich veranlasst fühlte und der wei-
tere Verlauf, dass Poseidon sich dem höheren Befehle gefügig
23*
S86 lieber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. W, HarteL
zeigte. Wenn dieser nun unterlägst, einen Berg vor die Stadt
zu legen, so ist die Folgerung zwingend, dass Zeus die Aiu-
führung dieser herben Absicht nicht billigte, oder der Vers 158
ist aus dem Texte ab eine Widerholung des V. 152 zu streichelt
Zeus mildert beide Theile der Drohung Poseidon's: aus derZer-
trünunerung des Schiffes wird die Verwandlung desselben in
Stein und das schiffahnliche Steingebilde soll Poseidon genügen
für den gi'ofsen Berg, womit er den Hafen sperren wollte. Die-
ser Gedanke lässt die von Aristophanes von Byzanz vorgeschla-
gene Conjectur 158 statt itiiya itirj zu lesen, wofür sich Nitzsch
(a. a. 0.) entscheidet, als minder zweckmäfsig erscheinen.
Eine weitere Frage ist nun, ob die bedeutende Erweite-
rung der Apologe nicht andere Störungen im Organismus des
GecBchtes nach sich gezogen habe. Dem ist allerdings so und
die Störungen sind derartige, dass sie sich schlechterdings nur
leicht und ungezwungen erklären lassen, wenn wir nicht ein-
zelne Lieder, sondern ein umfangreiches Ganze, eine Odyssee
voraussetzen. Die Erweiterungen sprengten den Zusammenhang,
ohne jedoch alle Spuren der Zusanmiengehörigkeit zu verwischen.
Zunächst wird kein vonirtheilsfreier Forscher mehr be-
haupten wollen, dass die Apologe an der Stelle ursprünglich
eingereiht waren, wo wir sie jetzt finden ; denn dies setzte eine
Dauer des Aufenthaltes bei den Phaeaken voraus, die in unver-
kennbarem Widerspruche mit anderweitigen Voraussetzun^n
des Gedichtes steht. Ich lasse den conservativen Fäsi für mich
sprechen, der (Einl. p. XXXVIII) mit löblicher Offenheit erklärt:
„Der Aufenthalt des Odysseus bei den Phseaken dauert
einen ganzen Tag länger, als zuerst iy 317 angekündigt war
und als auch die von Alkinoos ^ 34—39 sogleich angeordneten
und 48—56 vollzogenen Vorbereitungen versprachen. Freilich
stellt Alkinoos nachher X 351 während des Apologes das An-
suchen an Odj^sseus, dass er noch einen Tag länger bleibe und
wol eben darum werden ihm auch die Geschenke verwehrt;
aber jener Wunsch kommt eigentlich unnütz hinten nach, da
Odysseus ohnehin schon tief in seiner Erzähhmg und doch lange
nicht zu Ende ist, so dass es kaum überhaupt noch möglidi
wäre, den zuerst angenommenen Termin der Abreise festzahal-
ten. Auch hat sich Odysseus schon X 331 fg. durch tj — i^' avvov
gleichsam proprio motu dafür erklärt, die Nacht hier zuzubrin-
gen. Das Einpacken der Geschenke ^ 424—448 deutet auf eine
nahe bevorstehende Abfahrt und die wechselseitige Begrüfsnng
der Nausikaa und des Odysseus ^ 457 — 468 wäre als Abschieds-
scene gedacht höchst anmuthig und bedeutungsvoll, jetzt nimmt
sie sich etwas sonderbar aus, zumal da nach der gegenwärtigen
Gestaltung des Verfolges bei der wirklichen Abreise Nausikaa
gar nicht mehr zum Vorschein kommt, obgleich der ganze Tag
vor der Abfahrt nach dem oben Bemerkten leer an Ereignissen
und für Odysseus sogar langweilig ist V. 18—25/
ücber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. TT. Hortet. 887
Wenn nnn so ein ganzer Tag hinzukam, kann auch das
als Inhalt dieses Tages in der Erzählung gegebene nicht dem
Dichter der alt^n Odyssee angehören. Die Widersprüche und
Eigenthumlichkeiten desselben sind allseitig anerkannt und lassen
es ausser Zweifel, dass hier ursprünglich fremde Bestandtheile
in einander gearbeitet wurden '). Nachlässig oder schonend, wie
der Ueberarbeiter und Ordner mit den einzelnen überkommenen
Bestandtheilen umgieng, liefs er aber Stellen unberührt, die un-
verkennbar auf eine ganz andere Anordnung der Theile hin-
weisen. Köchly hat zuerst (de Odysseae carminibus diss. III,
p. 31) auf einen dieser Puncte aufmerksam gemacht.
* 443-445 fordert Arete den Odysseus auf:
avTog vvv fcff ndua^ d^ooig ^* inl Siauov tijXov,
fiTi Tig TOI xa^^ odov ^rilriafTai, oirnor* uv avre
ivSrjfl&a ylvxi'V vnvov Itav iv rrjl f^fktuviß.
Wie quält sich Ameis mit dem avze (über dessen Bedeutung
Tergl. Nägelsbach IL I 202). ^avre — so bemerkt er — wieder,
wieder einmal. Indem Arete auf den wieder zu erwartenden
sülBen Sdilaf hinweist, wird ungesucht das prophetisch ausge-
sprochen, was dem Odysseus bei der Heimfahrt begegnet."
Wozu bedarf es da einer Prophetie, wenn Arete des Schlafes
Sedenkt, in den Odysseus wieder fallen wird: so wenig als wenn
lUdnoos sagt tj 317 ff.:
no/inriv lg tocF' iy(o TiXfjLa(Qo^ai, 6(fQ* iv «/Jjjif
avQiov eg'TTJjLtog o^ av filv SsSfirifjiivog vnvt^
X^^eaif ol (T* ilotoai yaXi^vrjv xtX.
Und nicht auf den Schlaf kommt es an, als darauf, dass nicht
wieder der Schlaf während der Fahrt Odysseus Schaden bringe.
Wer so spricht, muss wissen, dass der Schlaf während der Fahrt
Odysseus schon einmal Schaden gebracht habe; Arete muss
also, indem sie darauf scherzend anspielt, schon wissen, was
erst X 28 ff. von Aeolus Geleite erzählt wird oder die Apologe
wurden an einer Stelle vor ^ 443 erzählt.
Unter diesem Gesichtspuncte wird auch die gleichfolgende,
f&r eine vorgreifende Ankündigimg zu knappe Erwähnung der
Kirke d- 448 genügen, wo zu den Worten: ov nore (nämlich
deafiov) ftiv öedae (pgeat 7c6cna KiQycrj die Schollen bemerken:
fdida^ev ' hrei nQOTSQov oi Itolqoi eXvaav tov aay,ov. Hierin
hegt das richtige Verständnis jener Anspielung. Es wäre dem-
nach nicht zu billigen, wenn man mit H. Anton (a. a. 0.
S. 440 — 441) 442—448 streichen wollte; es hiefse dies uns
einer sehr bedeutungsvollen Spur, welche auf die Genesis des
Gedichtes untrüglich hinfuhrt, berauben.
^ Heer, Klotz „Betrachtan.i^cn über die Odysse." 1854. S. 28 ff. und
S. 79. Au^st Jacob „üeber die Entstehung der Ilias und Odyssee.**
1856. S. §98 ff. Nitzsch Anm. in der Einleitung zu dem 8. Gesang,
femer „Sagenpoesie** 1852. S. 147, „Bemerkungen zum 8. Buche
der Odyssee,** von H. Anton. Rhein. Mus. XIX. S. 228 - 242 und
410-441.
8S8 Ueber die Entsteliiing der Odyssee, t. Dr. W. Hartd.
Noch eine andere Auffälligkeit erledigt sich unter dieser
Voraussetzung. ^ 219 ff. erzählt Odysseus von seiner Vergan-
genheit in einer Weise
olog (fif u€ 4uXoxTnTtig anixatvvxo ro^
die zu der bis dahin bewahrten Fiction, dass er unerkannt unter
den Phaeaken weile, schlechterdings nicht stimmt, ja sie zer-
stört. Denken wir uns die Selbsterzählung vorausg^angen^ so
ist diese Anspielung ganz an ihrem Platze. Auch Mer haben die
Bedenken die H. Anton (a. a. 0. S. 438—439) gegen 212—233
vorbringt, wenig zu bedeuten.
Endlich ist die Art und Weise, wie in der gegenwärtigen
Gestalt des Gedichtes die Selbsterzählung des Odysseus in zwei
Theile und auf zwei Stellen vertheilt ist, in hohem Grade un-
künsüerisch und der jedesmaligen Situation widersprechend.
Tj 240 ff. erzählt er, was der an ihn gestellten Fra^ 237 ff.:
Tig n6&€v eTg avÖQwv xtL nur zum Theil entspndit®) und
ju 451 ff. bricht er die Erzählung mit einer Verweisung auf
S244 ff. ab, ohne zu berücksichtigen, dass er in einem weiteren
örerkreise erzähle, der doch gewiss seine Geschichte lü<^enlo8
erhalten wollte und musste.
Wenn demnach das negative Besultat unerschütterlich fest-
steht, dass die Apologe an die Stelle, wo wir sie jetzt finden,
erst durch einen Ueberarbeitungsprocess gerückt worden sind,
so lässt sich die Frage, wo sie m der Composition der echten
Odyssee ihren Ort hatten, nicht mit solcher Sicherheit ins reine
bringen. Eirchhoff nimmt an, dass die Erzählung jenen engeren
Kreis von Abenteuern umfassend, die wir oben als der alten
Odyssee zugehörig nachwiesen, in v eingefügt waren und zwar
zwischen 242 bis 251. In seiner Odyssee S. 27 bezeichnet er
zwischen diesen Versen eine Lücke und fugt in der Anmerkuiu[
bei: „In der durch die spätere Bearbeitung veranlassten und
nur nothdürftig und ungeschickt verklebten Lücke nannte Odys-
seus unzweifelhaft seinen Namen und erzählte seine Abenteuer
bis zu dem Sturme, der ihn als Schiffbrüchigen nach Ogygia
brachte. Wenn ich nicht irre, ist diese Erzäilung zwar versetet,
aber ziemlich unversehrt und wenig geändert oder erweitert in
demjenigen Theile der durch den späteren Bearbeiter redigierten
Apologe enthalten, welcher die Verse i 16 — 564 um&sst Nur
die Beschreibung des Sturmes fehlt vielleicht." Eine weitere
Ausfuhrung bietet die eben genannte Abhandlung in den Monats-
berichten.
Gegen diese Annahme erheben sich nicht unwesentliche
Bedenken. Der Theil der Antwort, der die Frage zunächst be-
•) Vgl Kirchhoff üher eine Lücke im 7. Buche der Odyssee. Monatsber.
der königl. preofs. Akad. der Wiss. in BerUn 1861. S. 579.
üeber die Entsteliimg der Odyssee, v. Dr. TT. HarUl 880
röhrt f} 251—297, steht nicht ganz in Einklang mit der vor-
ausgehenden Erzählung rj 289:
dvatto r' f^iliog xal fH ylvxvg vnvog ttvrlx€V
steht in nnverkennbarem Widersprach mit C, da es, als Odyssens
erwachte (vgl. 321 mit 117), noch Tag war. Der Widerspruch
entgieng den alten Commentatoren nicht; einige erklärten das
dvaero für elg övaiv hlLvero (vgl. Sehol. z. d. St.). Aristarch
zog dieser unrichtigen Erklärung die Conjectur daileTo vor*).
D^selbe wiederholt sich, wenn man tj 296:
xal Xova* iv 7roTa/Li(p, xaC fiot ra^e (ffiar^ ^&(ox(v
mit t 210—216 vergleicht. Diese Differenzen zeigen, dass dem
Dichter dieser Partie die Situation aus ^ nur in ihren allge-
meinen Umrissen vorschwebte. Dieselbe Hand, die in iy 296 der
Nausikaä etwas beilegt, was sie nicht that, scheint sich gleich
wieder tj 304 ff. zu verrathen, indem Odysseus erzählt, dass
Nausikaa ihn folgen hiefs, er aber aus freiem Entschlüsse
zurückblieb.
Zwar weifs ich, wie wunderbar schön manche diese Lüge
fenden und finden; so lautet das Schol. z. d. St.: ^Idiov rrjv
fviap.rpf Tov ßadiXfwg f/rri ro cpihxv&QWTtOTBQOv ^Qjtovaav, af.i'
(foreqa TtqaTTBi. t^v fiev ^ag TtQOvoiav Trjg Ttagd'ivov i^idio-
noidraiy Trjv de q>ihxvd'Qa)mav exc/vi/g ovy. aifaiqeiTai und ähn-
liches bringt Ameis vor. Doch wozu bedarf es der Lüge, wenn
das wahre Verhalten der klugen Jungfrau nur löblich war und
dem Vater gewiss gefallen musste ? Sollten hier nicht vielmehr
die Beweggrund« den Besitzer gewechselt haben ? das was Nau-
sikaa bedachte unter der Hand des Bearbeiters zu Erwägungen
des Odysseus geworden sein? Es ergibt sich aber aus dieser
Anordnung des Stoffes, wie sie Kirchhoff vermuthete, sofort eine
weitere XJnangemessenheit: der folgende Tag, an dessen Abend
die Abfahrt vor sich geht (bei Kirchhoff y 18 ff), hat nahezu
keinen Inhalt. Wie Köchly in seiner II. diss. p. 15 treffend
bemerkt: „post accuratam illam de priore die narrationem . . .
quae haec est quaeso, paupercula brevitas, qua alterius diei
facta usque ad solis occasum undecim versibus comprehenduntur
v. 18 — 28, quibus ieiunius nihil aut cogitari aut fingi potest,
sive Phaeacum festinationem spectas et domum et ad naves et
ad Alcinoi dapes ruentium singulis versibus 17, 19 et 23 com-
prehensam sive Alcinoum gravissimo coUocandorum tripodum
n^otio per tres versus 20—22 tam studiose intentum sive sacra
cum dapibus suis atque delectatione tribus versibus 24 — 26
addito TeQTiofuvoi absoluta, quorum versuum medius in love
rite noncupando consumitur, sive Deiuodocimi populo honoratum
totum per diem nescio quid uno et dimidio versu canentem
27, 39.«
•) Vgl. J. La Roche, Ost. Gymn. Z. 1863, S. 191 und 1859, S. 220.
Köchly n. diss. p. 18.
840 Ueber die Entstehung der Odyssee, v. Dr. W, Hartek
Durch solche Ueberlegungen bestimmt suchte Köchly nadi
einer anderen Stelle, wo sich die Erzählung Odysseus' schick-
lich eingefugt denken liefse. Es gibt kein natürlicheres und
mehr poetisches Motiv, Odysseus' Selbsterzählung einzuleiten,
als das Lied des Demodokos. Dass der edle Dulder bei der Er-
innerung an das, was er im Verein mit edlen Helden gethan
und gelitten, in Thränen ausbricht, ist eben so wahr gäacht,
als dass Alkinoos, der allein diese Thränen bemerkt, von un-
gewisser Ahnung ergriffen nach des Gastes Herkunft fragt Nun
aber findet sich dieses Motiv zweimal ^ 73 ff. und 474 ff. und
nur an erster Stelle erweist es sich als Original, an zweiter als
Nachdichtung. Dort singt Demodokos aus freiem Antrieb ein
Lied aus dem troischen Sagenkreise, in welchem Odysseus die
Hauptrolle spielt V. 75:
veTxog ^O^vaaiiog xal TlrjXttJeü) l/f^dtjog.
Hier beschenkt erst Odysseus den Sänger mit einem Stück Fleisch
und dann lässt er sich 'eines aufepielen' und natürlich ein sol-
ches, worin auch des Odysseus gedacht sei 492:
Xnnov xoa^ov unaor
SovQttrioVf Tov *Enu6g inofrjafv ^vv !/id-i^vn
ov not* ig l/fxQonoXi^v d6X(^ tjyaye ^Tog ^Oovffasvg,
damit er durch seine Thränen Alkinoos' Auge auf sich lenke
und er erzähle, was ihn zu erzählen gelüstet. Doch mit der
Durchfahrung dieses Motives verhält es sich umgekehrt: sie ist
an erster Stelle ebenso verworren und unwahr (vgl. V. 83 — 95)
als an zweiter einfach und natürlich. Bichtig urtheilt darüber
H. Anton (a. a. 0. S. 432—434). Es dürfte demnach nicht
zweifelhaft sein, dass die Erzählung an erster Stelle ursprüng-
lich stand oder dass auf V. 83 unmittelbar 522 folgte. Eine
ähnliche Vermuthung hegte schon Nitzsch^"), indem er die Frage
aufwirft: „Sollte nicht in der ursprünglichen Gestalt des Ge-
dichtes Odysseus gleich nach dem ersten Gesänge vom Zwiste,
den er mit Achill gehabt, den Demodokos um den zweiten ge-
beten und dieser ihn dann in die Eührung versetzt haben, die
des Alkinoos Aufmerksamkeit erregte? Oder geschah dies gleich
nach V. 82?" Die Widerkehr derselben Situation gefiel auch
Nitzsch nicht (vgl. Anm. zu ^ 532): hingegen nahm Welcker
(Ep. Cyclus I, p. 293 Anm.) keinen Anstoß, indem er sagt:
„Wenn die ersten Thränen schön sind, waren die anderen noth-
wendig" und G. Herrmann (de iteratis apud Homerum p. 6)
hält die Widerholung derselben Verse ^ 93 ff. und 532 ff, für
nothwendig und natürlich.
Soweit stimme ich mit Köchly überein. Doch kann idi
mich nicht seiner Ansicht anschliefsen, wenn er dieselbe Zer-
theilung der Selbsterzählung, wie wir sie jetzt in dem Gedichte
"0 n^lan und Gang der Odyssee nebst muthma&l. Nachweis, der gröAe-
ren Interpolationen", Anm. II. S. 48.
üeber die Entstehung der Odjrsaee, t. Dr. W, Haßrtel, S41
finden, beibehält nnd der gröfseren zweiten Hälfke nnr eine an-
dere Stelle nach ^ 97 anweist (vgl. diss. I, p. 22 mit 27).
So wird denn ij 240 iF. als echt von ihm beibehalten, trotz-
dem die Antwort des Odysseus anf die Frage der Arete r^ 238:
Tiq Tto&ev eXg avögciv vermisst wird nnd nm die Partie mit ^
einigermaCsen in Einklang zn bringen 298 diiXero statt dvaero
gesdirieben, was um so auffälliger ist, als Köchly dies (diss.
n, p. 18) richtig als eine Correctur Aristarch's bezeichnet.
Ich denke mir also den Gang der alten Odyssee, etwa in
der Art, dass Odysseus gemäfs Nausikaa's Weisung — ohne
Geleit der Athene — sich in den Palast des Alkinoos verfugte,
dort gastlich aufgenommen und bewirthet zur Buhe gieng und
erst am folgenden Tage, nachdem die Vorkehrungen zu seiner
Heimfahrt getroffen waren, vor den im Hause des Königs ver-
sammelten Phseaken beim Male seine Abenteuer erzählte; ver-
zichte aber darauf, hie und da Verse herauszugreifen und durch
ihre Zusammenfögung einen lückenlosen Zusammenhang her-
zustellen; denn zu einer beruhigenden Sicherheit werden solche
Versuche, mögen sie auch noch so geistvoll durchgeführt wer-
den, wie dies von Erchhoff und Köchly geschah, doch nicht
Ähren, Nirgends bieten sich aber so grofse Schwierigkeiten,
die zerrissenen Theile der Erzählungen zusammenzufinden, als
im Bereiche der Bücher i; und ^. Es scheint nämlich zweifel-
los, dass dem Ordner des heutigen Gedichtes eine doppelte
Odyssee vorlag oder zwei Gedichte ziemlich ähnlichen Inhaltes
nna ähnlicher Anlage, die sich deshalb für eine Contaminierung
besonders eigneten. Das eine ältere tüchtigere, dessen Bestand-
theile wir im obigen suchten, bildete die Grundlage, aus dem
anderen wurde herübergenommen, was immer nur taugte. Dahin
lässt sich mit Bestimmtheit zählen der oben ausgeschiedene
Theil der Apologe, ein grofser Theil von & und Theile in rj
wie 123—131.
Vergleicht man diese zwei Dichtungen, so weit eben ihre
stark überarbeiteten Reste noch Vergleichungspuncte bieten, so
zeigen sie in der Hauptanlage grofse Aehnlichkeit, in den min-
der wichtigen Puncten differierende Züge. So kam ohne Zweifel
in beiden Dichtungen Odysseus zu den Phaeaken und erzählte
daselbst seine Abenteuer. In der älteren Dichtung war es Nau-
sikaa, die den Fremdling zur Stadt führte und ihm den Weg
in den väterlichen Palast angab; in der jüngeren übernahm
Athene in fremder Gestalt selbst das Geleite ^^). Dort gelangte
Odysseus nach Sonnenuntergang zur Stadt (t 321) : hier musste
es noch Tag sein, wenn er all' die Herrlichkeiten iy 303 — 331
sehen konnte, wenn nicht etwa dieses Stück an einem anderen
") Vgl. ij 18—83, worin Kirchhoff Verse des Bearbeiters sieht, vgl.
PhiL XV. S. 7. Anm. 5.
Mt Ueber die Entetehnng der Odyssee, ▼. Dr. W, HarUL
Orte verwendet war. Dort lag das königliche GmndstQck an&er-
halb der Stadt ^ 293 ff.:
Toaaov dno ntohog otraov t€ yiymv^ ßo^aas,
hier in nächster Nähe des Palastes (vgl. tj 112—131). Und
vielleicht noch andere Divergenzen des Inhaltes stammen ans
dieser doppelten Quelle, wie etwa das 17 30 ff. über den un-
gastlichen Sinn des Volkes, das 3; 75 ff. über die Gynaikoloratie
der Arete gesagte, verglichen mit der weiteren Erzählung oder
das rj 190 ff. über die Versammlung des folgenden Tages an-
gedeutete zusammengehalten mit der Ausführung^').
Der Gedanke, dass alle diese umfangreichen oder kleine-
ren Stücke, die sich mit dem Inhalt und Gang des alten Nostos
nicht vertragen, auf den Bearbeiter als Autor zurückzufuhren
sind, ist durchaus abzuweisen, indem schlechterdings nichts
sich vorfindet, was ihn zu solcher Interpolation hätte bestim-
men können. So urtheilt auch Kirdihoff'^): „Idi vermuthe, dass
es vom Bearbeiter zwar eingeschoben, aber nicht gedichtet wor-
den ist, da dazu keine denkbare Veranlassung vorlag, sondern
betrachte es als ein Bruchstück eines älteren Liedes von den Lr-
fahrten des Odysseus, welches der Bearbeiter auch sonst benütst
und stark interpoliert weiter unten fast vollständig eingefügt
(er meint löGb-^l 232, l 353 — u 446). Den Schluss dessd-
ben, Odysseus* Aufenthalt bei den Fhasaken und Heimkehr nach
Ithaka konnte er nicht verwenden, liefs ihn deshalb fort und
benützte nur Einzelnes zu Zusätzen, wie unser Bruchstück, oder
zu Motiven eigener Ausführung wie in 1^ 7 , tj 298 — i 15,"
Obwol die Benützung stellenweise eine wörtliche zu sein sdieint,
gab doch Eirchhoff mit gutem Grunde den Versuch auf, die
älteren Bestandtheile auszuscheiden. Indessen eine Stelle hätte
er aus dieser Partie doch ausnehmen sollen ^ 457—468, die
Abschiedsscene zwischen Odysseus und Nausikaa. „Molestissi-
mum et plane divinum illum Ithaci bellatoris atque r^ae vir-
ginis congressum, qui comparatus cum poetillae interpolatorum-
que fontibus illo in libro obviis quasi purpurae lacinia splen-
descit sordidae mendiculi paenulae adsutus,^ wie Eöchly (diss.
II, p. 19) sie treffend charakterisiert. Unpassender konnte diese
Begegnung nicht eingefugt werden und sie scheint ganz im
Geiste und Sinne des älteren Nostos gedichtet zu sein.
Wien. Wilhelm Hartel.
") Vgl darüber Köchly diss. L p. 30.
Zweite Abt h eilung.
Literarische Anzeigen.
Cornelius Tadtus, erklärt von K Nipper dey. 1. Band. Ab
excessn diyi Augusti I— VL 4. Auflage. 1864. 2. Band. XI -XVI.
2. Auflage. 1857. Berlin, Weidmann. — \% Thlr.
Das vorliegende Buch ist allen philologischen Lesern der Zeitschrift
ans eigenem Gebrauche hinlänglich bekannt und in seinem hohen Werthe
allgemein anerkannt; es würde also überflüssig sein, durch eine Anzeige
Kunde von demselben geben zu wollen. Ref. beabsichtigt vielmehr durch
die nachfolgenden Erörterungen auf Anlass insbesondere der neuesten Auf-
lage des Nipperdey'schen Tacitus eine Anzahl von Stellen zu behandeln,
an denen er von der Erklärung oder Texteskritik des verdienten Heraus-
geben glaubt abweichen zu sollen und hiedurch wo möglich an seinem
Theile einen Beitrag zur Erklärung dieses Schriftstellers zu geben. Berück-
sichtigt ist dabei durchweg auch die neue Ausgabe Ritter 's: P. Comelii
Taciti opera ex uetustissimis cödicibus a se denuo coUatis, glossis seclusis
tiiendis oorrectis rec. Fr. Ritter 1864, so wie für zwei Stellen der Historien
die Schulausgabe von Dr. C. Heraus. I. Band. Leipzig, Teubner, 1864.
A 1, 8. Condamawt patres corpiks ad rogum umeris senatorum feren-
dum. Remisit Cäsar adroganti moderatione; populumque edido
manuit ne, tU quondam nimiis studiis funus ditii lulii turhassent, ita
Ävffustum in fero potius quam in campo Martis, sede destinata, cremari
ueÜent, Nipperdey versteht remisU mit andern von der Ablehnung des
Tiberius 'er crliefs es* und findet die adrogans moderatio darin, dass es
von dem Kaiser anmaräend war, durch diese Ablehnung, die scheinbar eine
Häi^igung war, zu zeigen, dass er die für Augustus beabsichtigte Ehre
als eine dem Principat also mittelbar ihm dargebrachte Huldigung ansehe.
Er nimmt also einen Widerspruch des taciteischen Berichtes mit Sueton
Aug. 100 und Cassius Dio. 56, 34 u. 42 an, die das, was nur beabsichtigt
gewesen sei, als wirklich geschehen berichtet hätten. Es handelt sich hie-
bei erstens, ob remittere in der Bedeutung 'gestatten' sich nachweisen lässt
und zweitens, um die Auffassung der adroga^^s moderatio, remittere in
dem bezeichneten Sinne lässt sich zwar nicht durch Caes. b. g. 7, 21, 7
(ähnlich b. c. 2, 32, 14), auch nicht durch Suet. Claud. 35 erweisen; aber
844 Gorndins Tacitns, erkl. v. K. Nijoperdey, ang. t. L. Vielhaher.
wol durch folgende Stellen. Den Uebergang von der Bedentang 'aufgeben ',
'nachgeben' zeigt deutlich Liv. 6, 36, 3. Die Tribunen lassen durch ftnf
Jahre keine curulischen Wahlen zu c, 35, 10. Die von den Velitemen be-
drängten Tusculanen verlangen Hilfe, remittentibus tribunia pUbi$
comitia per interregem sunt habita, crecUique trämni müüum L. Fufim
c. q. s. Hier ist remitiere -» *den Widerspruch aufgeben, nachgeben', b.
Weifsenborn. Wenn femer Virg. Ae. 11, 359 Cedat: ius proprium regi
patriaeque re mittet zurNoth noch als 'zurückgeben* gefasst werden kann
(Tgl. auch Suet. Aug. 17) , so ist Ov. Met. 11, 375 8ed mora damnosa est,
nee res dubitare remittit ganz zweifellos. Ebenso die von Roth ange-
führte Stelle Cic. Rep. 1, 4, 7. Wenn nun aber remitiere diese Bedeutung
haben kann, so ist gegenüber der bestimmten Nachricht des Sueton und
Dio zumal in einer solchen Sache die Appellation an den 'unbefangenen
Leser' ohne Bedeutung. Die adrogans moderatio hat mittelbar schon Wolf
richtig erklärt: quod nee iraperabat nee prohibebat (so recht nach Tiberins
Weise), indem eine MäXisigung darin liegt, dass er das Begehren der Sena-
toren nicht auch seinerseits als etwas dem Augustus ab Kaiser gebüh-
rendes mit bestimmten Worten annahm, nach seiner Art sogar höchst
wahrscheinlich sie abmahnte, um ihnen zum Schluss freie Wahl zu lassen ;
anmafsend aber war, dort, wo die Senatoren ihren Gefühlen gegen Au-
gustus Ausdruck geben wollten, überhaupt nur durchblicken zu lassen, dan
es in seiner Macht stehe, dem Verstorbenen diese Ehre erweisen zu lassen
oder nicht Vgl. auch die Bemerkung Orelli-Baiters.
A. 1, 10 abducta Neroni uxor ei cmxsvMi per ludibrium pontificei
an concepto necdum edito pariu rüe nubereique tedii et uedii poU
lionis luxus: postremo Liuiae grauis in rem publicum mater, grauia
domui Casarum nouerca. So M, nur dass im Texte adducta steht, wäh-
rend der Band abducta hat. In den verdorbenen Worten qu>e tedii hat man
sonst einen Namen gesucht, am meisten scheint Wolf 's Vorschlag Q, Pedü
(so auch Ritter) Beifall gefunden zu haben. Sehr geistreich ist Nipperdey*ji
Vorschlag (zuerst in der dritten Auflage): qwie edito, nämlich partu rite
nuberet, was N. so erklärt, dass an die Pontifices die Frage ganz allgemein
ohne Nennung der Person gestellt worden sei. Gegen eine solche Aende-
rung spricht jedoch folgendes. Cassius Dio. sagt 48, M: nv&ofiivov rmv
7tovTi(ftx(ov et oi oatov iv yita:Ql i;(ouaav avrijv tlyay^a&ai hff, dn€-
XQlvavTo ort ti fikv iv ufXifiß6X(p t6 xvTjfia ^r, ttrctßlrjd-ijvat xov yafiov
iXQfiVf ouoloyovfiivov ök avtov ov^lv xtoXvct rj^rj avTov yevia&tu setzt
also eine Frage mit Nennung der Personen voraus. Und wenn man hierauf
nicht besonders Gewicht legen will, so ist es nicht wohl glaublich, da»
die Tadler des Augustus ebenso allgemein gesprochen haben, im Gegen-
theil sie würden die allgemeine Frage gewiss speciel widerholt haben.
Ein Beweis für dieses ist auch die Verbindung, in welche dieser Credanke
zu abducta Neroni uxor durch et gesetzt ist, während wir bei Nipp. Textes-
gestaltung vielmehr statt der drei Glieder vier erwarten müssten. Endlich
hat Wolf 's Urtheil: 'malae linquae uulgi unum exemplum luxuriae satia-
facere non potuisse* nur dann keine Bedeutung, wenn des allein angeführ-
ten Vedius Pollio Ausschweifung als eine ganz auTserordentUche chaiak-
CcHTBeliiiB Tacitns, erkL t. K, Nipperäey, ang. t. L, VUHhäber. 845
tarisiert wird. Eine solche Andeutung würde durch qiMtUo odio gegeben,
TgL Cic. Farn. 12, 10, 3 und Verr. Act I, 14, 42. Auarufsatze mit quantui
nnd bei Tac nicht selten, s. A. 14, 11. 15, 59. 13, 19. Agr. 15; für den
DatiT des Zweckes vgl H. 1, 7, wenn man nicht lieber wie an der ange*
führten Stelle Cic. Verr. einen Abbl. quäl, nach der von Dietsch Sali J.
57, 0. Nipperdey Nep. Dion. 2, 4 u. a. besprochenen Art annehmen will,
TgL Tao. A, 2, 34. H. 1, 48. A. 16, 31. Für den Wechsel der Conatruction
ist zu TgL A. 1, 47 mit Wolfes Bemerkung 1, 69. 2, 83 und Böfcticher im
Lexicon Tadteum S. LXVI ff. Roth Exe. XXXUI zu Agricola. Wegen des
fehlenden Verbum siehe Nipperdey zu A. 1, 7, Heraus zu H. 1, 21 und
besonders A. 1, 61. 2, 63. Um den Gedanken angemessen zu finden, erin-
nere man sich, daas Augustus selbst nach dem Tode des Vedius der öffent-
lichen Meinung Rechnung zu tragen sich veranlasst sah dadurch, dass er
dessen Haus demolierte und ein öffentliches Gebäude an die Stelle setzte,
8. Panly's Realencyklopsedie s. v. Vedius Pollio.
A. 1, 21. lüi ohnäi tnüientibua, prensare circumstantium genua^
äere modo nomina ainffulorum modo centurican quisquCy cuius mampM-
lahs erat, coJu>rtem legionem eadem onmibua imminere damitantes, Nip-
perdey meint, der Manipel werde nicht angerufen, 'weil das Hinzukommen
der zweiten Centurie keine bedeutende Hilfe war.' Aber warum werden
die singulif warum die centuria angerufen? Der Grund liegt vielmehr
darin, dass der Manipel keine tactische Theilung mehr ist; s. Rüstow
Heerwesen und Eri^fuhrung C. Julius Osars S. 15, welche Erörterung
Rüstow's auch gegen die von Nipperdey adoptierte Ansicht, dass die 1, 18.
1, 34 erwähnten sigtia cohortium die drei Manipelzeichen der Cohorten
nicht Gohortenfahuen seien, entschieden den Vorzug verdient.
A. 1, 25. Tiberius sagt in seinem Schreiben an die pannonischen
Legionen : Ubi primum a luctu requiesset animus, acturum apiU patrei
de pottükttia eorum; miaisse vUerim füium, ut sifie cunctatione conce»
deretf quae sUUim trümi possetU; cetera aenatui seruanda, quem
neque gratiae neque seueritatia expertem habere par esset,
}(ipperdey fässt lioberi ^ für etwas halten : 'den es sich zieme weder der Gnade
noch der Strenge für baar zu halten.' Dagegen spricht folgendes. Dass der
Kaiser allein den militärischen Oberbefehl mit dem Recht zu strafen und
XU verzeihen habe, wussten die Legionon sehr gut, s. c 26; eine unbe-
dingte Verweisung an den Senat würde ihnen als eine noch ärgere Spiegel-
fechterei erschienen sein, als wenn er erklärt, er finde es gerathen, den
Senat an der Berathung Theil nehmen zu lassen (non,,, expertem haberi).
Femer ist c. 26 in den mismuthigen Worten der Soldaten nur von einem
eonsuLere senatum die Rede. Der gewöhnlichen Deutung, dass non exper-
tem habere «- 'theilnehmen lassen' heilst, s. Dübner bei Orelli, steht nichts
im Wege. Wenn agere apud patres A. 1, 77 so gesagt ist, dass von einer
vollständig dem Senat zustehenden Berathung die Rede ist (übrigens ist
dort das Passiv zu beachten), so sagt Suet. Tib. 54 egit cum senatu, non
debere Udia praemia tribui nisi expertis et aetate provectis und A. 2, 71
ErU uobis locus querettdi apud senatum vgl auch Nipperdey zu A. 13, 22
Für eji^^a vgL A. 6, 8; für haberi A. 15, 36 a. E. 14, 40.
S46 Gomelius Tadtas, erkL v. K Nipperdey, ang. t. L. Vidhaber.
A. 1, 36. Ät 8i auxüia et sodi adversum abseedentis Uffianet wt*
fftor^ntur, dwXe &eO«f» m»d]^ Perictdosa setierüas, flagüiasa largüiot
seu nihä müüi sude omnia concedentur, in ancipUi res pMiea, Um
concedetUuir gegen die von Bekker, Orclli, Ritter, Halm aufgenommene
Aenderang des Rhenanus concederentur zu halten, erklärt Nipperdegr mwh
Walther die Worte: Periculosa — publica ftlr einen Ausruf des ScihiiA-
stellers: *Hiezu ist das Fräs, hist est zu denken, und der Schriftsteller
gibt seine Schilderung der Lage. Dass die überlegenden dieselben Ge-
danken hatten, versteht sich von selbst c. 41. XV, 5.* Aber c 41 ist nieht
so, sondern vielmehr nach der Art zu erklären, wie Nipperdey selbst 1, 10
abducta Nerani uxor etc. rechtfertigt; 15, ö ist eine ganz ein&che Er-
zählung mit unvermitteltem Uebergang in oratio obliqua. An unserer Stelle
ist das Präsens hist, das Nipperdey setzen will, unbegreiflidi, da entweder
Präs. logicum oder Imperfect stehen könnte, noch weniger begreiflich aber
die Möglichkeit, damit ein Futur zu verbinden. Gerade N.*s ErUänmg
führt nothwendig auf cancedebantwr oder concederentur. Indessen ist die
Stelle allerdings ohne Aenderungen zu halten, wenn man nur von Peri-
aüosa an einen Uebergang in directe Rede annimmt (also das zu eigln-
zende Präsens ein logicum ist). Solche üebergänge s. 2, 77. An festinamm
cum Qemumici cineribus eidpellere, und durch inquü vermittelt 16, 22;
vgL Bötticher Lex. Tac. p. LXXTT. Fabri zu Liv. 21, 10, 4. Tischer C^
Tusc 4, 10, 24. Weifsenbom Grammat §. 481.
A. 1, 39. Pauidos et conscientia uaecordes inirat metua: ueni$$e
patrum iussUy qui writo facerent, quae per sedüionem expreaseranU
Nipperdey: uenisse — expreaaera/nt 'Rede und Gedanken der Soldaten, wo-
durch sie ihre Furcht motivieren.' Hiefür lässt sich allerdings A. 2, 2 u. I.
anführen ; aber Nipperdey hat es unterlassen, zu erklären, woher dann der
Indicativ expressermU kömmt. Es bleibt wol nichts übrig als uemese etc.
. unmittelbar von intrett metus abhängen zu lassen (— ne uenerint nadi
Cic. Sest 49, 105 u. o.). Für den Acc. c. inf. vgl. Hist 1, 28 (bei metuo).
Fabri Liv. 22, 32, 3 und Weif^nbom zu Liv. 3, 22, 2 (metua erat),
A. 1, 52. Nuntiata ea Tiberium laetüia curaque adfeeere, Oaude'
bat oppresaam aedUionem; eed quad largiendis pecuniia et miseiane fati'
natafauorem miUtum quaesiuissety bellica quoque Oermanici ghriae
angebatwr, Nipperdey denkt als Subject zu quaeaiuisset den Tiberius, da
Germauicus in seinem Namen gehandelt und er dessen Zugeständisse habe
bestätigen müssen. Das passt wenig zu dem argwöhnischen Charakter des
Tiberius, vgl. 2, 26, und zum Schluss des Capitels cunetaqiUf quae (7er-
manicus itidulserat, seruauit eiiam aptiJt Pawnomcoe exercitu». Ferner
kommt bei solcher Beziehung das zweite Glied bellica quoqne Oermamci
gloria, noch dazu mit dieser Wortstellung, ganz gegen die Erwartung.
Man muss bei der gewöhnlichen Deutung bleiben, nach der aus dem zwei-
ten Gliedo, das nach bekannter Weise des Tacitus in anderer Form gege-
ben ist (vgl A. 1, 58. 2, 42 und H. 1, 7. 1, 26), für das erste das Subject
Oermamcus zu entnehmen ist. Wegen dieser poetisierenden Stellung einea
gemeinsamen Wortes im zweiten Gliede s. A. 2, 48. 2, 60. 6, 29. IL 1, 88.
-^ A. 1, 8. 2, 10. — H. 2, 44. 2, 76, und für das Subjeot in sokher Stdlang
Cornelius Tacilus, erkl t. K, Nipperäey, ang. v. L, VieViaber. 847
Fabri Sali. C. 36, 5; vgl. auch Nägelsbach Stilist. S. 244 und Obbarius
n Hör. Od. 1, 9, 16. Dass auch bei Wechsel des Snbjectes dies erst im
sweiten Glied bezeichnet ist, ist nm so weniger auffallend, weil Tacitus
oft «ach ganz ohne Bezeichnung die Subjecte wechselt; vgl. A. 1, 77. 1, 69.
2, 41. 8, 15. 3, 67. 2, 30, s. Roth Anmerkung zu A. 8, 16 hinter seiner
Uebersetinng.
A. 2, a Die Beschreibung der Flotte des Germanicus l&sst sich durch
eine andere Interpunction als die der neuesten Herausgeber Baiter, Halm,
Hasse, Nipperdey, Ritter klarer machen. Ich glaube so schreiben zu müssen:
Mille naues mtfficere uime properataeque : aliae breues tmgustapuppi
proraque et lato utero, gwo facüius flitctus tcHerarent, quaedam pUmae
earinis, ut sine noxa siderent; plures adposüis utrimque gubemaculis,
eonueno ut repente remigio hinc uel iUinc adpeUerent ; multae pontibuB
Btratae, super quas tormenta lAeJierentur , fdmul aptae ferendis equis out
eommeatui: uelis liabües citae remis augehantur cüicritate müitum in
spedem ae terrorem, — aiiae — commeatui ist partitive Apposition zu
male naues, und zwar dreigliedrig und so, dass das erste Glied derselben
selbst wieder getheilt ist cdiaCy quaedam^ das zweite (plures) und das dritte
(multae) ohne ausgedrückten Gegensatz (reliquae) stehen, udis — remis ist
einfBM^he Apposition zu dem in augebantur liegenden Subject (alle Schiffe)
— *indem sie . . . waren.' In ähnlicher Weise tritt nach der Theilung das
ganze abschliefsend ein c. 13. in.
A. 2, 8 lcu!U8 inde et Oceanum usque ad Ämisiam ftumen secunda
nauigatione peruehitur, Classis Ätnisiae relicta laeuo amne, erratum"
qite in eo, quod non subuexit transposuit militem dextras in terras
iturum; ita plures dies efficiendis pontibus äbsumpti. Et eques qui-
dem ac Ugiones prima aestuaria, nondum adcrescente unda, intrepidi
transiere: postremum auocüiorufn agmen Batauique in parte ea, dum in'
Sidtemt ciquis artemque nandi ostentatU, turbati et quidam hausti sunt.
Nipperdej streicht Amisiae und subuexit, versteht unter pontes Brücken
über die Ems, und glaubt, Tacitus tadle den Germanicus, weil er statt
auf Schüfen auf Brücken die Ems überschritten habe, nach seiner Ansicht
mit Unrecht, da dies eine Vorsichtsmafsregel für einen etwaigen Rückzug
gewesen sei. Ritter setzt nach Amisiae ein: in aiueOy nicht unrichtig dem
Sinne nach, und nimmt Wurm's Vermuthung subuexit aut transposuü
mit Halm auf; während Baiter und Haase subuexit halten und transposuit
streichen. Nach meiner Ansicht ist der Wahrheit am nächsten Lipsius ge-
kommen. Es ist nämlich kaum glaublich, dass Germanicus sich mit dem
Ban einer Flussbrücke aufgehalten, da, wenn er sie überhaupt für nöthig
gehalten hätfce (c. 11. Gses. b. g. 4, 16, 1 mit Eraner's Note), er die Mann-
schaft am rechten Emsufer landen und durch die zurückbleibende Schiffii-
inannschaft, so vrie ein zurückgelassenes Deckungscorps in aller Ruhe wäh-
rend seines Vormarsches die Brücke aufführen lassen konnte. Femer war
selbst im Angesicht eines verfolgenden Heeres die Schwierigkeit des Ein-
Bchiffens kaum so grofs, als die des Uebergangs über die nach Nipperd.*8
Meinung dämm- und brückcnlosen aestuaria s. A. 1, 63. Lipsius hat voll-
kommen Recht, die 2^0^^^^^ (°^° beachte auch den Plural) von einem
848 Conieliiu Tacitas, erkL t. K. Nipperdey, ang. v. L. ViMabat.
Knüppelweg ähnlich den pontes langi A. 1, 63. 1, 61, vgl. anch A. 4, 78
nnd C»s. b. g. 8, 14, 4 durch die aestuaria anf dem rechten Ufer, aaf dem
die Flotte, aber nahe an der Mündang, landete, zu vorBtehen. Ja Tadtoa
selbst hat ganz klar angezeigt, dass er die pontes so jerstanden wintii
wollte. An die Angabc, daßBpofites gebaut wurden, schlieM sich nn mittel"
bar an, dass das Gros der Armee sicher Über die prima aestuaria ni
Zeit der Ebbe hinüberkam, der Nachtrab aber von der eindringenden Fluth
überrascht wurde, und zwar ist diese letzte Sache durch et ( — qmdem)
angefügt an piures dies effidetidis pontHnis cibsumpH, welche Partikel hier
nur die weitere Ausführung des im vorigen angedeuteten bedeuten bum,
8. Sejffert schol. lat L S. 11 ff. Wenn femer Nipperdey ans dem Schick-
sale des Nachtrabes und dem Treiben der Bataver zu schliefsen scheint,
dass über die aestuaria keine Brücken geschlagen wurden, so ist erstellt
zu bemerken, dass insuUare einen höheren Standpnnct voraussetzt, rtM
dem aus die Bataver in's andringende Wasser springen, was eben nur die
pontes sein können, und dann die Natur solcher Knüppelwege zn beachten.
Es sind eben einfach oder in. rostartigen Lagen auf dem Boden gelegte
Baumstämme, die zunächst den Zweck haben, auf dem durchweichten Bo-
den festen Fuiüs fie^scn zu lassen; dnrch das Andringen der Fluth aber
werden sie ebenso gut unter Wasser gesetzt als der Übrige Boden. Wenn
also die Sache so steht, so muss der Tadel, den Tacitus über (rermaniciii
ausspricht, vielmehr darauf gehen, dass er nicht entsprechend den Erwi-
gungen, die ihm c. ö am Ende von Tacitus beigelegt sind, noch tiefer in
die Ems hineingeÜEihren ist, wobei er wenigstens über die den Wirkungen
der Fluth ausgesetzten aesttuiria hinausgekommen, und da Tacitus sich
wol die Ems viel starker in ost-westlicher Richtung dachte, noch tiefer in
den Osten Germaniens eingedrungen wäre (dextras in terras). Nach dieser
Erwägung sind zunächst sowol subttehi, vgl A. 2, 60. — 15, 18. Suet. CaL 16,
als auch transponere nothwendig und ist Wurm's Conjectnr subuexit aui
transposuä sicher falsch. Man kann sowol sutmexU et trcmsposuit ab
suhuectus transposuit schreiben, da in beiden Fällen sich die Entstehong
der Corruptel leicht erklärt Am Anfang der Stelle ist ÄnUsiae jedenfüls
echt, nur hat Ritter reclit den Ausfall eines Wortes anzunehmen; dem
Sinne wie der Möglichkeit des Ausfallens nach ist are am nächsten liegend,
vgl für dieses Wort A. 2, 5. 2, 6. H. 5, 7. 5, 23. relinqui mit bloltom AbL
ist ähnlich wie sistere H. 2, 9. A. 15, 18, s. auch Nipperdey*8 Bemerkung
zu A. 3, 61. Ob laeuo amne als in den Text gerathene Randbemerkung
eines Lesers, der die Stelle nach dem Ausfall von ore falsch verstanden,
auszuscheiden ist, oder ob die Worte durch folgende Erklärung zn halten
sind, wage ich nicht bestimmt zu entscheiden. Wenn nämlich Tadtns sich
den Lauf der Ems in entschiedenerer est -westlicher Richtung dachte, so
kann der obere (östlich gelegene) Lauf derselben dexter amnis (s. die
dextrae terrae), der untere (weiter nach Westen liegende) laeuus amma
genannt werden; so dass der nach Syracusis in foro u. ä. gebildete Aus-
druck besagte: Die Flotte wurde in der Mündung der Ems in dem west-
lichsten Puncto des Flusses gelassen, statt auf demselben möglichst weit
(östlich durch tieferes Hineinfahren vorzudringen.
GnneliiiB Tacitnfl, erkl. y. K, Nipperdey, ang. ▼. L. Vielhaber. 849
A. 2, 44. Vit nattonum, uirtus ducum in aequo; sei Maroboduum
regt» namen inuisum aput populäres, Arminium pro libertaie bellan-
tem fauor habebat. Nipperdey erklärt unter Berufung auf 2, 88: 'Ar-
fluniuB stand in Gunst und diese be¥rirkte, dass man glaubte, er kämpfe
für die Freiheit. Tacitus glaubte dies nicht, sondern nalim bei ihm da-
mals (denn nur von diesem Kriege ist die Hede) eigennützige Absichten
an.' C^erade c. 88 beweist das Gegentheil, da dort ausdrücklich angegeben
ist, dass AnniniuB erst nach Marbod*s Vertreibung nach dem Throne ge-
strebt habe. Und dazu führt er an unserer Stelle als Grund des Krieges
aosdrücklich an gentis admetudine et tum aemulatione gloriae. Damit
ftllt aber Nipperdey*s ganze Deutung. — Fasst man belUnitem nicht prädi-
catlv, wie Nipperdey, sondern attributiv = bellatorem, vgl defenaorem
A. 2, 52, wie oft bei Tacitus Partie, präsent ia scheinbar ff^T perfecta stehen
(s. A. 2, 2. 2, 88. 3, 84. 13, 18. Suet Ces. 73 und die sehr ähnUche Stelle
Sali. J. 15, 1 Adherbalem ultro bellum inferentem, postquam supera-
tus sit, queri, quod iniuriam üeu^ere nequiuisset) ; habebat ferner im Sinne
von tenebat s. Forbiger zu Virg. Ecl. 7, 40. Ae. 4, 581 und Freund Lex.
t, T. habeo lAc £nde; endlich inuisum als neutrum zu nomen: regia
Domen inuisum apud barbaros, so erhält man folgenden Sinn: An Marbod
haftete der bei seinen Landsleuten verhasste Königstitel, an Arminius da-
gegen, den (gewesenen) Kämpfer für die Freiheit, die Zuneigung (seinsr
Landsleute).
A. 2, 47. Sedisse inmensos inontes, uisa in arduo, quae plana
fuerM, effulsisse inter ruinam ignes menwrant. Nipperdey hat Heinsina
sehdne Conjectur enisa in arduom aufgenommen, weil 'kein Gegensatz sei
iwiBchen dem ebenen und dem auf dem steilen, sondern nur zwischen dem
ebaien und dem steilen oder dem auf dem ebenen und dem auf dem slsi-
kn.' Indessen hat man in Gebirgsländern oft genug Gelegenheit, die Mög-
lichkeit des von Nipperdey verworfenen Gegensatzes einzusehen. Oft liegt
ein kleines grünes Plateau so auf steil abschüssigen Felswänden (in arduo),
dass von der Seite angesehen, es unwillkürlich den Eindruck macht, als
sei droben ein Stück Erde, das früher Ebene (plana) war und mit dem
aus der Ebene auftauchenden Berge gehoben wurde.
A. 2, 80. Hinc müitumy inde locorum asperitaa, sed fion ammui
non ttpes, ne tela quidem nisi agrestia aut aubitum usum properata.
Nipperdey ändert aut in o^ (» €ul), und Haase ist ihm gefolgt, während
andere mit Welfscnbom lesen aut ad subUum oder mit Döderlein (htt
tiMum in usum, so Orelli-Baiter, Ritter. Da properare nur bedeuten
kann: 'eilig machen', nicht *eilig herbeischaffen*, wie manche Erklärer lu
Hör. Od. 2, 8, 24 wollten (s. die Taciteischen Stellen bei Bötticher Lex.
Tac s. V. und Nipperdey zu A. 13, 13, vgl auch Forbiger Virg. Ae. 4, 170),
so wäre bei N/s Leseart ein Umarbeiten der tela agrestia, und zwar wie-
der ein unvollkommenes bezeichnet. Wozu das? Denn die tela agrestia als
Ackerwerkzeuge zu fassen, dürfte sich an sich kaum erweisen lassen, auch
durch Cic. LeL 17, 61 nicht, und würde hier eine unerträgliche Doppel-
deutigkeit des Wortes tela bewirken. Werden aber die tela agrestia um-
geschmiedet, so hören sie auf agreatia zu sein. Aut ist vollkommen richtig.
Zaliaohrlft t a. Otitrr. Qysuu 186». Y. H«lt 24
850 Cornelius Tacitns, erkl. v. F. Nipperdey^ ang. v. L, Viähaber.
Es sind zwei Classon von Waffen genannt, solche, wie sie Landleute im
gewöhnlichen Leben benutzen, und solche, die Piso in der Eile verfertifm
lässt Am wahrscheinlichsten ist mir Döderlein^s Einschaltang.
A. 3, 19. Itfiniafuü ulciscenda Germanici morte, nanmoio
aput iOos hamines, qui tum agehant, etiatn aecutis iemporüms uario fu-
fnore iactata, Adeo maxima quaeque ambigtia 8unt, dum älii quoquo modo
audita pro conpertis haibent, (üii uera in contrarium uertuni, H jjßmü
utrumque pasterüate. Ät Druaus urbe egressua repetendis autpieiii moce
ouans ifUroiit. Nipperdey erkUlrt unter Bemfung auf A. 14, 4 (wozu noch
anzuföhren sind A. 11, 32 » 15, 69 nnd 13, 11): 'durch die Bache ftlr den
Tod des Germanicus war dies das Ende; d. h. zu diesem Ende ftlbrte die
Rache.' — Aber 14, 4 prosequitwr äbewntem, artius oculis et peetari Am-
renn, siue explenda aimulatione seu periturtne matris supremus agpee-
tus quamuis ferum animum retinebat ist explenda simulatione einfacher
Abi. caus. mit dem Partie, präsent, passivi (s. Haase bei Beisig Annu 589 *
*in Folge der Vervollständigung der Heuchelei', vgl. Sali. J. 103, 2 Tum
rur8U8 Boechus aeu reputando quae sQn duobus proelüs uenerani^ neu
admonüus ab cum amicis , ,.ex omni copia necessoHorum quinque deUgU.
An solchen Stellen ist einer an sich schon vollständig ausgedrückten Hand-
lung die Angabe ihres Grundes beigefügt. An unserer Stelle müsste nadi
der Auffassung Nipperdey's der unvollständigen Aussage is finis fuü durch
den Ablat. eine Ergänzung gegeben werden, also der Ablativ nach der
in deutschen Grammatiken herrschenden Terminologie eine Art Object sein.
-Mir scheint die richtige Erklärung der Stelle davon abzuhängen, dassman
mit dem Satze: Is finis fuü uidscenda Germanici morte in Verbindimg
setzt die Worte: Ät Drusus — introiit. Durch is finis fuü ist gesagt:
diese Angelegenheit fand ihr Ende durch die Rache (ulciscenda ist scharf
zu nehmen — dadurch, dass die Rache ausgeführt wird) für den Tod des
Germanicus: Drusus dagegen zog im kleinen Triumph in die Stadt Dem
Unglück des Germanicus wird das Glück des Drusus entgegengestellt, vgl.
11, 35 a. E. Nipperdey. Einl. XXVII. Dazwischen ist eine Betrachtung fast
parenthetisch eingeschoben nofi modo — postentate. Dann lässt sich , da
die Vervollständigung des Begriffes finis (is finis » eius rei finis) durch
das vorige und den Satz mit Ät gegeben wird, ulciscenda Oermanici morte
als einfftcher Abi. Instrument, fassen.
A. 3, 37. Neque luxus in iuuene prusus) adeo disptiee^fot: hue
potius intenderet, diem aedificationibus, noetem conuiuiis traherei,
quam solus et nuUis uoluptatibus auocatus maestam uigikmtiam et
euras exerceret. Nipperdey folgt der Handschrifb (ebenso Ritter, nur
dieser sehr unnöthig ut nach quam einschaltet), ohne dass dadurch die
sehr starken Gründe, mit denen schon Lipsius und neuerdings Halm im
Programm von Speier 1846 die handschrifbliche Leseart bekämpfen, wider-
legt sind. Wenn aber die üeberlieferung nicht zu halten ist, so ist es noch
immer am geeignetsten, die Stelle Dios 57, 14 zur Grundlage der Emen-
dation zu nehmen. Mit dessen Worten nun roTg on/rjaTaTg ovt» nQoai'
X81TO tüaT€ x«^ fTTftawCftv «(/TotV e. q. 8. stimmt wol am besten folgen-
der auch den Schriftzügen nach vom überlieferten nicht sehr abweichend^
OoDieKiis Taeitns, erkl. v. K, Nipperdey, anp. v. L, Tidhaber. S51
YofBohlag: ludiorum facHonihus^ so dass dem DriiRiis wenigstens ähnliches
zageschrieben wird, wie dem Caligula bei Sueton Cal. 55 Profiinae fac^
tümi ita addictus et deditwi^ ut caenaret in stalndo assidue et maneret,
nur in Bezug auf die Pantomimen, vgl. A. 13, 25 Ludricam qiioque licen-
iißm et fautores histrionum uehul in proelia conucrtit inpunitate; 0. 29,
wo unter den propria und pectdiaria uitia Roms histrionaiis fauor et
gbdiatorum studia an erster Linie stehen, vgl. auch A. 1, 77. 1, 54. Suet
Ner. 26. Allerdings ist ludius und ludio bei Tacitus nicht sonst ange-
wendet, sondern pantomimuSf JUstrio, aber es ist nicht unwahrscheinlich,
dass gerade hier, wo eine uox populi angeführt wird, der echt lateinische
Ausdruck für das angebliche Fremdwort vgl. Liv. 7, 26 angewendet ist.
Das Wort factio wird von Festus s. v. ebenso mit histrionum wie mit
quadrigariorum verbunden und erscheint in einer ähnlichen Bedeutung
Suei Nero 20.
A. 3, 54. Tot a maioribus repertae leges, tot quas diuus Au-
guäus ttdü, HHae obliuione, hae, quod flagäiositts est, contemptu tdxh
htae securiarem luxum fecere, Nam si ueJis, quod nondum uetitum est,
iimeas, ne uetere ; at si prohibita inpune transcenderis, neque
metus uUra neque pudor est. Nipperdey schreibt unter Bitter's Beistim-
mung at si in prohibita inpune transcenderis, weil, wer etwas verbotenes
thue, es nicht überschreite, sondern es begehe, auf ein verbotenes Feld
sich begehe. Dieser Grund ist doch nur ein scheinbarer. Man sagt iransr
cendere fines iuris, transire finem aequitatis, transgredi mensuram u. ä.
Wenn man nun hier construiert at si prohibita (sc trcmscendi) inpune
transcenderis (— quae transcendere legibus prohiheris), so sind die pro-
JUbüa eben die Grenzen, welche die Gebiete des erlaubten und unerlaubten
scheiden, also beiden Gebieten zugleich angehören, welche überschritten
werden müssen. Aehnliche Ergänzungen A. 2, 4 Ariobarzanen uolentibus
Armenüs praefecit. 1, 72. 2, 60 Germanicus Nilo siibuelhebatur , orsus
oppida a Canopo und schon au£[alliger H. 1, 36 ut non contenti agmine
et corporibus in suggestu . . . medium inter Signa Othonem uexiUis circum-
darent, vgl. Krüger Gramm. §. 665, Anm. 1 und Madvig §. 478, Anm. 3
und §. 400 Anm.
A. 3, 55. Nachdem Tacitus angegeben , dass der Tafelluxus von An-
gostus bis Galba in höchster Blüte gestanden, von da an allmählich ab-
genommen, fährt er fort: Causas eius nmt^itionvi quaerere übet, DUes
oHm famüiare nobüium aut claritudine insigfies studio magnificentiae
prohbebantur. Nam etiamtum plebem socios regna cokre et coli lici"
tum; ut quisque ofdbus domo paratu speciosus, per nomen et clientelas
inlustrior hdbebatur, Post quam caedibus saeuitum et magnüudo famae
exitio erat, ceteri ad sapientiora conuertere. So hat die Handschrift und
80 interpungieren die meisten Herausgeber. So viel mir bekannt ist, fassen
alle den Satz ut — habebatur, dem vorigen 7iam — licitum coordiniert,
Nipperdey, der bis zur dritten Auflage die Worte ut ■— hdbebatur ent-
whieden falsch verstanden hat, deshalb, weil er 1ud)ebatur im Sinne von
gelten* statt 'sein* (s. Emesti's Bemerkung, vgl. A. 2, 52. Agr.28) fasst^,
hat iü der neuesten Auflaufe durch die an sich schöne Conjectur at quisque
24*
S5S Cornelina Tacitns, erkl v. K, Nipperäey, ang. v. L. ViMeAer.
opihus domo paratu speciosus, par nomen et cUentelas inlu8trior€$
habebat dieser seiner falschen Anffassung und einer sonstigen Schwierig-
keit auszuweichen gesucht Darin hat nun freilich Nipperdey recht , daiB
wenn ut — speciosus als Vordersatz zu per nome^i —- hahebatur genomnMB
wird, per nennen nicht zu erklären ist; indessen ist das kein Gnind n
ändern, so lange die Worte eine andere Construction zulassen. Ich schieihe:
Nam etiam tum (unter Augustus, theilweise Tiherius) piebem sodoi reyiM
colere et coli Ucäumy ut quisgite opibus dotno paratu spedosvi, per nomem
et dieiUelas inlustrior habebatur. Der Nebensatz ut — habebatur , in wel-
chem iU quisque heilet 'je nachdem' (s. Tac. H. 1, 11 , mit üa correspoii-
dierend, 1, 26. 1, 57. 1, 41. Sali. J. 41, 8. 44, 5. 60, 4. 93, 7. Cat 4, 2. 16, 4,
wofür Tacitus auch sagt prout qtiisque Agr. 37 und ut quis A. 2, 73. 2, 88;
etwas anders 2, 24. 1. 69, 4, 23. 4, 36) gibt die Bedingung an, unter wel-
cher das colere und coli licitum (natürlich nicht im strengen Sinne H. 4,75)
war.* Es gehörten dazu nämlich zwei Dinge, Keichthum (opibus domo
paratu specioswi), hohe Geburt (notnefi von der Heriranfk wie Cic. Plane.
6, 15 nee contendat cwm praetorio nomine equtster locus, Tac. H« 1 , 84
itmenis magtio nomifie) und zahlreiche dienten, sowol in altem Sinne s.
Lange fiöm. Altertli. I. S. 193 f., als in dem der Kaiserzeit s. A. 16, 32.
Or. 3, 9. A. 4, 2. 13, 19. 14, 61. Marquardt VI. 8. 212 ff., so wie um %mh
wärtigc Fürsten in Schutz zu bekommen, schon auswärtige Clientschafteil
(s. 0. 3, 36) da sein müssen, haberi ist im Sinne von esse zu fassen, tti-
lustrior mag man mit 'noch bekannter* Übersetzen; wegen des Asyndetoni
endlich ist Wex Prolegomena zu Tac. Agr. S. 70 ff. vergleichen.
Der berühmte Schluss des Capitels lautet in der Handschrift: Nisi
forte rebus cmidis hiest qu\ä<m ui:lut orbis, ut quem ad modum tempO'
rum wfce», ita morum uertaniur; tiec omnia aput priores meliara, sed
nostra quoque aetns mülta laudis et artium imitanda tülit Verum haee
iiobis maiores certamina ex honesto maneant, Nipperdey nimmt
den Ausfall von nox vor iiobis an, um den an sich schönen Gedanken n
erzielen: Verum haec nos; nobis maiores; certamina ex honesto maneant»
Doch scheint mir die auch palasographisch sehr leichte Aendemng unn-
lässig. Denn einerseits enthält dieser Gedanke eine Hindeutung anf die
Zukunft, die Tacitus wol nicht beabsichtigen konnte. Anderseits, sobald
haec nicht zu certamina gehört, muss maneant voranstehen, ebenso wie
an der ähnlichen iStelle 15, 21 man cat irrouinciaübus potentiam suam
tali modo ostentandi (an welcher Ritter glaubte potestas einschalten za
müssen, wie er auch 15, o und 13. 26 auf diese allerdings bequeme Weise
die grammatische Schwierigkeit beseitigte). Von den Conjecturen, in makh
res maiora, Annahme einer Lücke vor oder nach maiores genügt keine;
den kräftigsten Gedanken stellen Haase und Bitter her, die mit Sehnelde-
win maiores streichen. Es mochte als Erklärung des ix)eti8chen priorti
an den Rand geschrieben sein.
A. 3, 71. Et quoniam de relujionibus tra€t4d}atur , dilatwn nuptr
respansum aduersus Semium M(duginen8em , flaminem Diaiem, prompmt
Cäsar recitauitqiie decretum pmitificum, quotiens ualitudo aduersa
flaminem Dialtm incessisset, nt pontificia maximi arbitriQ
OoneliQS Tacitns, erkL v. K. Nipperdey, ang. v. L. Vielhaber. S5S
plus quam binociium abesset, dum ne diebus publici aacrificii neu
soipius quam bis eundem in annum; quae principe Äugusto constiMa
saus wUndebant annuam absentiam et provinciarum administrationem
DiiMus nou cancedi, Nipperdey wendet gegen die Leseart der Handschrift
eia, dass man die durch Krankheit erzwungene Abwesenheit des flamen
DiaUt weder von der Erlaubnis des Pontifez mazimus abhängig machen«
iK>di auf bestimmte Zeit beschränken konnte und setzt nach quotiens mit
Haase non ein, während es Ritter vor incessifset einschaltet. Mir scheint
die Ueberlieferung der Handschrift vollkommen richtig. Die erste Bestim-
mung war: flamini Diali noctem unam mattere extra urbem nefas est
Liv. 5^50, 13, eine zweite muss, wie aus Tacitus Worten hervorzugehen
leheiDt, die Erlaubnis gegeben haben, zwei Nächte abwesend zu sein, viel-
leicht mit ähnlichen Beschränkungen, wie die dritte unter Augustus ge-
gebene. In dieser war nach den Worten des Mediceus erlaubt, zweimal im
Jahie im Falle von Erkrankungen nach specieller Erlaubnis des Pontifex
maiimns länger als zwei Nächte außerhalb der Mauern Roms zu bleiben,
anÜBer an den Tagen eines Opfers für das Volk. Darin ist nichts nnglaub-
hclieB, da das römische Formelwesen Mhcr von der Bestimmung nicht
snrfickgeschreckt war, dass der flamen Dialis keine Nacht ausserhalb Roms
bleiben dürfe, da femer nach der gewöhnlichen Bestimmung über die zwei
Nächte nicht überschreitende Abwesenheit des Dialis keine so grofise Ent-
feninng desselben zumal bei der processionsartigen Langsamkeit der Rei-
sen römischer Grofsen möglich war, dass er nicht im Nothfalle hätte
zurückgetragen werden können, vgl. auch Gell. 10, 15, 3, und endlich nach
c. 58 nur seine Anwesenheit in der Stadt noth wendig war, die Opfer da-
gegen im Nothfall auch durch den Pontifez verrichtet werden konnten.
A. 4, 3. Ceterum plena Caisarum domus, iuuenis filius, nepotes
aduliU maram cupitis adferebant, et quia ui tot sivitd corripere intutum^
dolus itUeruaUa scolerum poscebai, Placuit tarnen occultior uia et a
Druso incipere, in quem recetUi ira ferebatur. Während frühere Erklärer
an dem tamen sich stielten, haben Nipperdey und Baiter das et vor quia
gestrichen, so dass quia — poscebat Causalsatz zu ceterum . . . adferebant
wird. Aber auch wenn man et lässt, kann quia — posceb<U zusammenge-
nommen die Stelle eines zweiten den Substantiven plena — aduUi coordi-
nierten Subjectes vertreten, wie an der sehr ähnlichen Stelle 2, 43 Tiber-
ius ut proprium sui sanguinis Drusum fouebat. Germanica alienatio
pairui amorem aput celeros ätucerat et quia claritudine materni generis
mUeibai, Die ersten, substantivischen, Snbjecte geben im allgemeinen den
Gegenstand an, der die Verzögerung hervorrief, 'der Umstand, dass . . .
war' (vgL A. 1, 36. 2, 43. 4, 12) j durch quia — poscebat wird mittels et
nach einer bei Tacitus nicht seltenen Coordination die Erklärung hinzu-
gefügt. Man vgl A. 2, 44 Nam discessu Botmtno^r^im ac uacui extemo
metu . . . arma in se uerterant, 1, 11 Plus in oratioM dignitatis quam
fidei erat; Tiber ioque etiam in rebus, quas non occideret, suspensa sem-
per et obscura uerba, tunc uero nitenti^ ut sew^is suos penitus abderet^
in itteertum et ambiguuui VMgis mplicab<iHtur ; s. auch 4, 12 (ferox «ceie*
rum), i, 28 (iaedio eurtirum), 1, 65 (enkneque), Kritz sa 0. 10, 8. Dir
$54 Cornelius Tacitus, erkl. v. K. Niifperäey, ang. v. L, VkUuAer*
Satz mit tarnen ist nur an den letzten dolus — poscehat angefügt' (wi«
z. B. A. 2, 80 ein Satz mit mm nur einen Satztheil begründet, vgl A. 2, 68);
und auch dieser steht nicht ausdrücklich im Verhältnis der Conoenion sA
ihm — s. Kritz zu Tac. Agr. 3 — sondern ist wol, wie es auch an der
oben citierten Stolle ist, ohne Rücksicht auf den folgenden angelegt Im
übrigen dürfte hier tarnen mit *denn doch* zu übersetzen sein, s. Bremi
zu Suei Oct. 91. Der Comparativ occiütior ist sehr gut von Nipperdey
gerechtfertigt.
A. 4, 12. Neque spargi ucnenum in tres poterat, egregia CHStodmn
fide et ptidicUia Agrippifxae inpenetrabüi, Igitur cantumaciam inuB in-
sectari, uetus Augustae odium recentem Liuia^ canscientiam exagUare^
ut 8uperhiam fecunditate suhnixam popidaribus studiis inMare domif
fuUioni apud Camrem arguerent Atque haec callidis criminatorir
bus, inter qms delegerat luliiim Postimium per aduUerium MiUiUa€
Priscae, itUer intimos auiae et consiliis suis peridoneum, ^ficta
Prisca in animo Augiistae ualidaj apium suapte natura potentiae anximü
insodabüem nurui efficiehat Dass superbiam richtig in superbam geändert
ist, haben auläcr Roth, der durch Annahme eines metonymischen G^brau*
ches (s. dessen Excurs V zu Agricola S. 121 ff.) das Substantiv halten will,
alle neueren Herausgeber zugegeben. Die Schwierigkeiten der Stelle liegen
einerseits in atque Mec callids criiniiuUoribus, wozu man thcils agere ver-
steht (Ritter hat commisit nach callidis direct in den Text gesetzt), wäh-
rend Orolli und Haase mit Walther atque liaec (» xai javxa) im Sinne
von *und zwar' lassen, andere, wie Emesti, Bekkcr, atque haec -■ adque
haec construiercu, endlich Roth nach älteren luxec als fem. sing, von der
Li via versteht und, wie im obigen ist, interpungiert, damit als Prädicat
efficiebat verbindet, tirährend quia — ualida zu consiUis suis peridoneum
bezogen wird. Nipperdey stöfst sich ferner an uUer intimos auiae et
cansüiis suis peridotieum, weil dann Julius Postumus die Augusta hätte
selbst aufreizen können und seine Brauchbarkeit nicht allein in dem
Einfluss der Prisca auf die Augusta bestanden hätte, und schreibt inter
intimos auiae, consiliis suis peridoneum, was Roth zu billigen scheint
Endlich ändert, ohne dass der Grund abzusehen ist, Ritter auiae in Liuiae.
Die Aenderung Nipperdey's scheint mir unmöglich, weil, wenn Postnmus
blofs durch die Prisca brauchbar ist, er kaum mehr criminator, geschwelge
caUidus criminator zu nennen ist und inter intimas auiae neben Prisca in
anitHO Augusta ualida tautolog wäre. Eine nähere Betrachtung der Stelle
wird die Zulässigkeit der handschriftlichen Leseart darthun und zugleich
zeigen, dass die Auffassung, wonach Juiec von der Livia gesagft ist, die
der Stelle angemessenste ist. — Sejan will durch Livia und die Augusta
auf Tiberius einwirken. Auf diese beiden braucht er nicht durch crtmi-
tiatores zu wirken, da er mit der Livia ja alles vereint hat, c3: Hanc.,\
ad adulterium (so Nij^perdey statt adalterio, vielleicht unnöthig, s. Roth*«
XII. Excurs zu Agricola S. 161 f.) pcllexit; et postquam primi flagitii po*
titus est . , , ad coniugii spem, consortium regni et necem mariii
impulit. Es kann also durch crimiiuUores nur auf die Augusta gewirkt
werden, denn an anuüttelbaro Einwirkung derselben auf Tiberio» ift, da
Cornelius Tacituä, erkl v. K, Nipptrdeyy ang. v. L. Vielhaber. S55
nach der Stauung der Sätze haec sich nur au die Werte uetm Äugustae
odktm recenUm Liuiae conscienHam exagäare anschliersen kanu, nicht zu
denken. Sejan geht offenbar so vor. Er selbst wirft bei Tiberius nur Worte
über die cotUumacia der Agrippina hin, vgl. 1, 69 (selbst 4, 59 geht er
noch ni^t direct vor), die schwereren Vorwürfe gegen Agrippina und ihre
Kinder sollen von anderer Seite kommen. Am passendsten dazu ist die
Mutter des Kaiser», die allein noch gröfseren Einfluss als er selbst hatte,
8. 5, 3. Er will sich persönlich nicht blorsstellen und will nur indirect auf
die Augusta wirken. Und zwar leitet die Intriguo Livia, welche durch
allerlei Verleumder die Agrippina bei der herrschsüchtigen alten Kaiserin
(TgL 4f 67) des Strebens nach der Gewalt für ihre Söhne beschuldigen lässt.
Einer der bedeutendsten dieser Intriguanten war Julius Postumus, der die
Pläne der Livia und des Sejan deshalb am besten fördern konnte, weil er
einerseits selbst zu den Vertrauten der Augusta gehörte, anderseits seine
Einfl&sterungen noch bekräftigt werden konnten durch die bei der Kaiserin
Mutter einflussreiche Mutilia Prisca, mit der er im ehebrecherischen Ver-
hiltiüsse stand, idanei wären auch andere inter intinws auiae, peridaneus
ist Postumus durch sein Verhältnis zur Prisca. Die Worte quia — uaUda
sind also Erklärung des peridaneum, per aduUerium MiUüiae Friscae ge-
hört zu ddegerai im causalen Sinne, vg]. A. 15, 71. H. 1, 25 und die von
Bötticber s. v. 2) angeführten Stellen A. 3, 14. 14, 50. Wegen der Tren-
nung der Apposition von ihrem Beziehungswort s. Seyffert zu Cic. L»L
1, 4. S. 20.
A. 4, 25. Infensus mües ttheitwria laborum et adoersum elu-
deniia tatiem optatae pugtiae se quisqite tdtione et sanguine explebant.
Nipperdey läset aduersum eludentis von dem nach et («-'unddas') wieder-
holt zu denkenden laborum abhängen. Aber für die Soldaten ist es ziem-
lich gleich, ob der die Anstrengungen verursachende Feind Tacfarinas oder
ein anderer ist, genug dass sie dieselben zu ertragen haben; dagegen er-
wartet man eine Bezeichnung der Gemüthsstimmung der Soldaten gegen
die Feinde, die ihnen, so oft sie auch dieselben in Händen zu haben glaub-
toi, immer entkommen waren, vgl. Agr. 27 a. A. 32, 34 u. ö. Diese wird
bezeichnet, wenn man ciduersum eludentes dem infensus coordiniert fasst
nach dem bei Tacitus sehr häufigen Gebrauch so zu construieren , als ob
äv (6vfH) da stünde. Vgl. A. 2, 3 perfugium Amvenia fuü, tiacua tunc
inter que Parthorum et Eomamaes opes, infida ob scelus Antoniiy qui
ArUmasden,. . interfecerat, 2, 4. 1, 41. 1, 53. 1, 64. Sali. J. 105, 4 quippe
uictoribua et aduersum eos, quos saepe uiceratU, welche letztere Stelle
zugleich denselben Gebrauch von ciduersum zeigt, wie unsere, vgl hiefÜr
auch noch Nep. Ham. 2, 2. Tac. A. 2, 59. Agr. 12. Also: 'der Soldat er-
bittert durch die Erinnerung an seine Mühsale und sich denen gegenüber
sehend, welche so oft ausgewichen, sättigte sich' u. s. w.
A. 4, 32. Non tatnen sine usu fuerü introspicere iUa primo aspectu
lema, ex quia magnarum saepe rerum motus oriutUur. Nipperdey
erklärt: 'grofse Dinge werden in Bewegung gesetzt', kaum verständlich.
Der Zusammenhang fordert die Deutung: 'es entstehen Bewegungen, aus
denen giotse Dinge hervorgehen,' Der Genetiv steht ähnlich wie A. 1, 59
SSd Cornelias Tacitus, erkl. v. K. Nipperdey, aog. v. L, VkMber.
Segestem flagitiosae seruiiutis ducem und 1, 55, wo die
cariUUis ein Band bezeichnen, das Liebe hervorruft. An solchen Stellei
steht der Gen. zum regierenden Nomen genau im selben Verhftltnis wie
das effective Object zum Verb.
A. 13, 15. Nero inteUeda inuidia odium UUendit: urgeniibutfite
Agrippinae miniSy quia niUlum crimen neque iubere caedem fratris ptiam
awiehctff occulta molitur pararique uenenum itibet ministro Poüiane /«NO,
praetoriae cohortis (nbuvo, chUis cum attinehatur damnata uensfidi no-
mine Locttsttty multa scelervin fama. Nam ut proximus qu%$que
Britannico neque fas neque fidem pensi haheret, olim prth
nisum erat. Frimum uenenum ah ipsis educatoribtis aecepii
tramisitque ejcsoluta aluo jxirum ualidum, siue temperamefitwfi inerai, ne
siatim saeuiret. Die Stellung des Satzes Nam — proudsum erat ist aif-
fUlig. Nipperdey und Eaiter suchen die der Handschrift so zu vertheidi-
gen, dass der Satz die Erklärung dafür abgeben sollo, dass nur das Gift
herbeizuschaffen, nicht auch Jemand von der Umgebung des Britanniens
zu gewinnen war. Wenn das, so ist der folgende Satz überflüssig und be-
sonders ab ipsis educatoribus auffallig. Femer setzte eine solche Stellung
voraus, dass auch der zweite Gifb'ersuch durch die nächste Umgebung des
Britanniens ausgeführt wurde, was nicht ist. Der richtige Plats dieses
Satzes scheint mir eine Zeile weiter nach unten, nach accepü zu sein.
Nam wäre dann als Einleitungspartikel der Parenthesis gebraucht, wie oll,
z. B. A. 2, 51. H. 1, 19. 1, 27. 1, 41; vgl. A. 1, 79. 16, 30.
A. 15, 35. Isdem quippe Ulis diebus Torquatus Silanus mori ad-
igitur . . , lussi accusatores obicere prodigum largitionUHts , neque tdiam
spem quam in rebus nouis esse, qni ne innobiles habere, quos ab
epistulis et lUjellis et nUionibus appeUet, nomina summae curae et med^
tamenta. Tum intimus quisque libertorum uincti abreptique. Der Schlnsa-
satz, so wie die 16, 8 berichtete Anklage gegen den Neffen des Torqnatns:
Ipsum dehinc Silanum incre2mit isdem quibus patruum eius Torqua-
tum, iamqtmm disponeret iam imperii curas praeficeretque raiionibus
et libellis et episttdis Hb er tos, so wie die Folgerung, die der Ankläger
zieht, zeigen ganz deutlich, dass Gronov und die Bipontiner unbediurt
richtig die verdorbenen Worte unserer Stelle (nach Ritter ist so im Medi-
ceus q ne \ In nobües) so emendiercn wollten, dass die liberti ausdrück-
lich erwähnt werden. Wol nur, weil der Gronov'sche Vorschlag quin eum
domi libertos den ungehörigen Begriff domi enthält, der der Bipontiner
quin eum libertos palieographisch sich nicht erklärt, hat man in neaerer
Zeit allerlei andere Conjecturen vorgebracht. So will Kitter sehr matt:
quin eum igjwbües, Nipperdey: quin ne occultet, Halm: quin eum in uiU
lis u. a. Mir scheint nach beiden Richtungen am besten zu passen : quin
et inter libertos habere, quos e. q. s.
H. 1, 31: Die Handschrift hat: Dilapsis spectdatoribus cetera cohon
non aspernata contionantem , ut turhidis rebus euentior te magi$ et
non nullo adhuc cansüio par aigna, quod postea creditum est im-
sidiis ac simuMione. Dass parat und euenü forte richtig hergestellt sind,
ist zweifellos. Dagegen wird entweder mit Freinsheim quam Tor quod^ so
K Berger, Griech. Grammatik, ang. v. Ä. Fleischmann, 857
taeh HeräoB und Bitter, oder mit Kiefsling non eingeschaltet, und das
Mon vor nuüo gestrichen; nur Beroaldas und Walther behalten sowol non
«¥Mo, als sie vor quod nichts einsetzen, schreiben jedoch timore tnagis
Ritter endlich in seinem Streben, aus Tacitus einen Quintilian zu machen,
seilt et nach contionantem ein. Nach meiner Ansicht kann man nach
Anfoahme von eueitU forte und parat bei der Ijeseart der Handschrift
bleiben, non nuüo aithuc consUio ist im Gegensatz zu c. 41, wo die wach-
habende Pratorianercohorte beim Anblick der anderen Pratorianer- und
Legionarsoldaten fast willenlos sich ebenfalls für Otho erklärte. Es heilet
also: *mehr durch Zufall und doch noch mit einigem (eigenen) Entschluss*,
so dass consüium subjectiv gebraucht ist, wie in den Wendungen uir
maximi consüti Nep. Timoth. 4, 5 (nach der neueren Abtheilung), consüii
plenus Nep. Ale. 1, 2, inops comäü Suet. Nero 34, und Tac A. 11, 32
pKunguam res aduerme consüium eximerent. — magis hat nicht seinen
Gegensati in it^sidiis ac Simulationen sondcra es steht ohne ausgedrücktes
Vergleichungsglied wie oft Comparative A. 2, 35. 2, 56. 2, 25, s. Kritz zu
Agr. 19. Bei creditum est fehlt der Iniinitiv factum esse, ähnlich wie c .29
Sextne dies agititr commüitones, ex quo . . . Ctesar adscitus sum, quo do-
mus nostrae aut rei 2)uhlicae fato, in uestra manu positum
esif vgl. für Ellipsen von facere (agerc) auch H. 1, 36. 1, 32. A. 16. 19.
Agr. 22. Wex und Kritz zu Agr. 19. Noch leichter ist diese Ergänzung
hier, wo aus dem Verb des Hauptsatz eiu Infinitiv in den Relativsatz zu
erganzen ist, s. Fabri zu Liv. 21, 62, 7 und zu Sali. J. 75, 7. 49, 2. Sind
diese Erwägungen richtig, so lässt sich demnach die handschriftliche Leseart
so übersetzen: 'Obgleich die Ordonanzsoldaten sich fortgemacht, wies die
übrige Cohorte den Redner nicht zurück und begann, wie es in unruhigen
Momenten zu gehen pflegt, mehr durch Zufall imd noch mit einigem
eigenen Entschluss um die Feldzeichen sich zu sammeln, von welcher
Handlung man in der Folge geglaubt hat, sie sei in böser Absicht und
zun Scheine geschehen.'
H. 1, 45. Mium crederes senatumy idium poptdum: ruere cuncti in
eatlra, anteire proximos, certare cum praecurrentibus, incre-
pare Gndbam, laudare militum iudiciwn, exosculari (Hlwnis manum. Die
Worte anteire — jmtecwrreit^ifei« scheinen mir so zu fassen: 'eilen den
nachstvorgehenden voran, zanken mit den Vorlaufenden', so dass das erste
vom Standpunct des Vorlaufenden, das zweite von dem dessen, dem- einer
vortauft, gesagt wird. Für certare ist zu vergleichen A. 1, 29. 2, 30. Für
proximus genügt es an den Ausdruck iiroximus lictor zu erinnern.
Wien. Leopold Vielhaber.
Griechische Grammatik für den Unterricht auf Gymnasien, nebst
einem Anhange vom Homerischen Dialekte, von Dr. E. Berg er, Rector
am Gymnasium zu Celle. Dritte verbesserte Auflage. 34(.) S. 8. Celle,
Capaun-Karlowa, 1865. - 1 Thlr.
Nachdem die lateuiiscbe Grammatik desselben Hrn. Vf.'i> in weiteren
Kreisen Beifall gefunden, verfasstc er nach derselben Methode die vor-
liegende griechische, von der Ueberzeugong ausgehend, dass die Erlernung
S68 E, Berger, Griech. Grammatik, ang. v. Ai FUisdimanH.
der beiden classischen Sprachen wesentlich erleichtert und gefördert werde,
wenn der grammatische Unterricht in ihnen möglichst in ■ Einklang ge-
bracht wird. Der Erfolg beider Grammatiken (die lateinische ist bereits
in 4. Aafl. erschienen) zeugt von der Brauchbarkeit derselben und von der
Zweckmäfsigkeit der üebereinstimmung in der Einrichtung und Methode
beider. Die vorliegende ist f&r das ganze Gymnasium bestimmt, will abelr
den Stoff auf das dem Schüler nöthige Mafs beschränken. In letzterer Be-
ziehung geht sie aber in dem Anhange vom Homerischen Dialekte zu weit;
es fehlt darin die Belehrung über manche nicht gerade vereinzelt stehen-
den Erscheinungen, wie z. B. über die Formen eines Aor. L, in denen die
Bindevocale und zum Theile auch die Endungen eines Aor. IL erscheinen;
über nicht wenige, durchaus nicht seltene, aber scheinbar sehr unregel-
mafsige Formen. Die Anordnung des Stoffes ist rationel und übersichtlieh ;
besonders verdienen in dieser Hinsicht die Abschnitte über die Aeoent-
veränderungen, die Apposition, über den Gebrauch des doppelten AccusatiTa,
des prädicativen Partidps hervorgehoben zu werden. Auch der Druck trigt
zur üebersichtlichkeit bei Die Regeln zeichnen sich durch Kürze und
Klarheit aus; nur in äuTserst seltenen Fällen ist die Kürze übertrieben,
wie §. 275. A. 6. „Der Aor. steht bei Absendung von Personen und Brie-
fen.** Ausdrucksweisen, welche vom Deutschen abweichen, werden wo mög-
lich durch Vergleichung mit dem Lateinischen erläutert.
Neben diesen Vorzügen des ganzen Buches finden sich manche in
der Besprechung der einzelnen Theile anzuführenden Einzelheiten, die in
einer 3. Auflage befremden müssen. Die Darstellung der Declination schlielM
sich wesentlich an die von Gurtius an. Abweichend von diesem ist die
logisch unrichtige Eintheilung der oonsonantischen Stämme in: 1. liquid*-,
2. muta-, 3. doppeloonsonantische, 4. synkopierte Stämme. §. 53. 5. B wer-
den die in einer solchen Grammatik gar nicht anzuführenden Aco. FL
ßoas und yQnag an erster Stelle angeführt und mit diesen ßovs und y^ut
durch das Gleichheitszeichen verbunden, als wären diese aus jenen dorch
Contraction zu erklären. §. 53. 7. werden die Wörter auf ttg, Genit •»?,
wie fjorng, &i6s; ebenso die auf tag und a>, Genit. ovt;, wie n/JoK» ntt^
auf Sigmastämme zurückgeführt, im Widerspruch sogar mit dem von Ber^
ger und Heidelberg früher herausgegebenen Uebungsbuch. — Im Yerbum
ist eine genauere Behandlung der Stämme wünschen^wörth. Die Verstirb
kung der Stämme durch £ ist wol zu unterscheiden von der durch i oder
eigentlich j. Wenn es nun §. 100. b heifst: „der ursprüngliche Stamm wird
verstärkt durch Einschiebung eines e oder »,'' so wird der Schüler nicht
begreifen, warum der Stamm von U^jito Xm , von aneCqta aber amg ist
Der weit reichende Einfluss des j ist überhaupt nicht berücksichtigt, dadurch
aber die Einsicht in die Präsens- und die Wortbildung der Guttural-,
Dental- und Liquida-Stämme beeinträchtigt. §. 104 wird behauptet, dass
viele zweisilbige Verba muta mit dem Stamm vocal e im Aor. IL den Ab-
laut annehmen; es sind aber wol nur die fünf: TQinto^ ajQiffto, rqdfm^'
xXiTTtta, nUxto, Auch verlangt die Einheit der Methode hier, wie im §. 112,
von einsilbigen Stämmen und nicht von zweisilbigen Verben zu sprechen.
Mit den Stämmen hat sich der Hr. Vi nicht vollkommen befreundet Nach
K Berger, Griecb. Grammatik; ang. v. A, Fleischmann, 850
§; 168 gehen die Stammd der Adjectiva wie aXfi&i^s auf € aus, während sie
lach §. 53. 6 b richtig als auf f^ ausgehend angegeben werden. In der
Wortbildung wird meist von Stämmen gesprochen, aber nicht immer darauf
mrftckgegang^; z. B. §. 170 werden die Verba desiderativa auf attio aus
dem Fat der Stammwörter gebildet, §. 177 wird zu der Regel (von der
Zannmi6n«)etzung von Nominibus und Verbis) „der blofse Stamm des ersten
Wortes wird dem zweiten ohne Bindevocal vorgesetzt** als Beispiel auch
fOfi^a^XI^ angefahrt, wo die Bemerkung nicht fehlen darf, dass das o
des Stammes vor Vocalen ausfällt; dann wird ohne Noth als ein besonde-
rer Fall angeführt: „Wörter auf k nnd vg stofsen das (T ab, wie TroXi-
itoff&os, vau-fiax^Uf*^ Beispiele, die gerade die angeführte Regel beweisen.
Ebenso muss der Schüler irre werden, wenn zu der zweiten Regel: „der
Stamm des Wortes wird vermittelst eines o angefügt ,** ohne weitere Be-
merining das Beispiel rjfjKQ-o^QOfAog angeführt wird, als ob i)fc€^ der
Stamm wäre. Sonderbar und abweichend von dem in der Declination ge-
ngten ist das Beispiel xgeonpayog zu der Bemerkung: Wörter der attischen
Dedination haben meist (o statt o.
Für die Tempuslehre wird der Grundsatz aufgestellt: jede Hand-
lung . . . kann vorgestellt werden entweder als dauernd (unvollendet) oder
als vollendet. Demnach wird dem Aor. die in der Vergangenheit vollendete
Handlang beigelegt. Aber wie verträgt sich damit §. 281 , nach welchem
die Nebenmodi des Aor. in Haupt- und verschiedenen Nebensätzen die
Handlang als zeit- und dauerlos hinstellen und das blo/se Eintreten der-
selben bezeichnen? — Von diesen Mängeln abgesehen, ist das Buch sehr
bnuchbar. Wir bemerken noch, dass die Beispiele in der Syntax durchaus
dassisch und interessant sind. Eine gute Beigabe ist die Erklärung einiger
grammatischer Eigenthümlichkeiten, UnregelmäTsigkeiten und grammati-
sehor Figuren.
üebimgsbüeher zu der griechischen Grammatik von E. Berg er.
in drei Cursen herausgegeben von Dr. Ernst Berg er, Rector, und
Heinr. Heidelberg, Oberlehrer. Erster Gursus: Anleitung zum
üebersetzen aus dem Griechischen in*s Deutsche und aus dem Deutschen
in's Griechische, für Quarta bearbeitet. Zweite völlig umgearbeitete
Auflage. 131 S. 15 Sgr. Zweiter Cursus: Anleitung zum Üeber-
setzen aus dem Deutschen in's Griechische, für Tertia bearbeitet
Als Anhang: Einzelne syntaktische Regeln. 92 u. ö6 S. (3elle, Schulze,
1863. -20 Sgr.
Die Hrm. Vf. haben es unternommen, in drei auf einander folgen-
den Cursen den für die drei ersten Jahre des griech. Unterrichtes zur Ein-
Qbung der griech. Sprache erforderlichen Stoff zusammenzustellen, zunächst
mit Rücksicht auf diejenigen Anstalten, an denen die griech. Grammatik von
£. Berger eingeführt ist, in der Voraussetzung, dass ihnen üebungsbücher,
die sich dem Gange dieser Grammatik anschliefisen , erwünscht sein dürf-
ten, dann auch mit Rücksicht auf andere Anstalten, weil gerade bei sol-
chen Büchern ein häufiger Wechsel wünschenswerth sei. Von den zwei
vorliegenden Bändchen enthält das erste nicht nur griechische und deutsche
Sitee mit den d|uu gehörigen Vocabeln, die jedem Absätze vorangeschickt
SCO E,, Berger, Griech. Grammatik, ang. y. A. FleitchmafUL
werden, zur Einübung des für unsere dritte Classe Torgeüchriebenen gram-
matischen Lehrstoffes, sondern auch deutsche Sätze zur Einübung der YeilNi
auf ^i und der am häufigsten vorkommenden unregelmäfsigen Verba, fer-
ner S. 71 — 96 den Argonautenzug und den Mythus vom Herakles nach
Apollodor, als eiste Leetüre und Uebungsstoff für die unregelmaAigen
Verba und die auf ^tit, endlich die Präpositionen, ein Wörterbuch mm
Lesebnehe, ein griechisches und ein deutsches WortreglBter. — Der ftr
das zweite Jahr bestimmte Cursus schliefst sich in Methode und Anord«
nung dem ersten Cursus genau au, enthält also wieder Beispiele über alle
Redetheilc von der A-Declination angefangen, da es die Hauptaufgabe dieeer
Classe sei, die Formenlehre in umfassenderer und ausfülürlicherer Weise
dem Schüler einzuprägen; aber es enthält nur Beispiele zum Uebersetsen
aus dem Deutschen in's Griechische, weil der Schüler dieser Classe schon
zur Leetüre der leichteren Schriftsteller, wie Xenophons Anabasis hinge-
führt werde ; deshalb solle derselbe jetzt auch schon mit den allgemeineren
und wichtigeren Regeln der Syntax wenigstens gelegentlich vertrant ge-
macht werden. Zu diesem Zwecke ist den Uebungon ein Abriss der grieoh.
Syntax beigegeben und darauf in den Anmerkungen verwiesen. Durch diesen
Anhang soll der Gebrauch der Uebuugen auch an jenen Anstalten möglich
gemacht werden, wo die Grammatik von £. Borger nicht eingeführt ist
Aus dieser Inhaltsanzeige ist ersichtlich, dass die Uebungsbttcher
für unsere Gynmasieu nicht verwendbar sind, weil bei uns der Lehrstoff
zwischen die zwei entsprechenden Classen anders vertheilt ist; denn wenn anoh
der üebungsstoff beider Bändchen zusammen dem Lehrstoff unserer dritten
und vierten Casse entspricht, so wäre doch eine Combination der beiden
Bücher nicht durchführbar, weil schon die ersten Beispiele des zweiten
Bändchens, obgleich auch zur ersten Declination gehörig, ganz andere Vor-
kenntnisse voraussetzen. An sich aber ist diese Eintheilung und Methode
zu billigen. Kef. hält es für möglich, den von dem Uebungsbuche für das
erste Jahr vorausgesetzten Lehrstoff, nämlich den Grundriss der gnnien
Formenlehre, einer nicht überfüllten Classe beizubringen und das Uebungs-
buch durchzuarbeiten. Daraus würden aber bedeutende Vortheile resultie-
ren. Man könnte schon gegen den Schluss des ersten Jahres, sobald die
Verben auf /li& eingeprägt wären, den Schülern die Uebung an einielnen
griechischen Sätzen ersparen und sie in die zusammenhängende Lectikie
einführen, wozu der aus Apollodor gebotene Stoff wie geschaffen ist; man
könnte schon im ersten Semester des zweiten Jahres die Leetüre von der
Anabasis Xenophons beginnen , der bei uns oft nur im ersten Semester der
fünften Classe, also in zu geringem Umfange, gelesen wird ; daneben mftsrte
aber flelTsig aus dem Deutschen in's Griechische übersetzt werden. Denjenigen
Anstalten also, die nach dieser Methode vorgehen können, sind die Büdier
zu empfehlen. Die Beispiele sind meist historischen, mythologischen, nator-
geschiohtlichen Inhaltes. Im ersten Theile scheint die Zahl der jedem Ab-
schnitte vorausgeschickten Vocabeln zu grol^ zu sein; es kommen darin
auch solche Wörter vor, welche aus der Grammatik bekannt sein mfiiseB,
manches Wort wird zu oft angeführt Im zweiten Theile ist der Anhnng
einzelner syntaktischer Regeln (56 S.) jedesfiEdls überftüisig. Entweder wird
/m. SccHigeri potmata etc., an^. v. K, tSchenkl Ml
der Oebnudi der Grammatik von E. Berger vorausgesetzt oder nicht. Im
enteil Fdl können die Regeln gleich aus der Grammatik gelernt werden>
im anderen Falle wäre der Gebrauch dieses Anhanges noch weniger zweck«
m&Mg, weil der Schüler die Sjntaz in allen Classen nach einem System
und einer Fassung lernen und an denselben Beispielen festhalten soll
Wien. A. Fleischmann.
Josephi Scaligeri po€f>iata omnia. Ex maseo Pdri Scriverii.
editio altera, BeroÜni, A. Bath (Müllers Sortimentsbuchhandlung),
MDCCCLXIV. 412 S. 8. - 1'/, Thlr.
Es ist gewiss eine sehr erfreuliche Sache, dass sich in der neuesten
Zeit die Aufinerksamkeit der gelehrten Welt wieder denjenigen grof^n Phi-
lologen des 15. und 16. Jahrhundertcs zuwendet, die man eine Zeit lang
nicht nach Gebühr gewürdigt, ja oft geradezu ganz vemachlässigt hatte.
Die trefflichen Monogmphien über Gelehrte dieser Art, welche in der jüng-
sten. Zeit erschienen sind, liefern nicht blofs ein treues, durch keine Partei-
leidenschaft getrübtes Bild dieser Männer, sondern legen auch die Grund-
steine zu einer gerechten Anforderungen entsprechenden Geschichte der
classischen Philologie, die uns bisher noch immer mangelt. Es genügt,
nuitfJ für den Zweck der vorliegenden Anzeige, auf die treffliche Biographie
des Joseph Justus Scaliger von J. Bcmays (Berlin 1855) zu verweisen, wel-
ehes Bach eine wahre Ehrenrettung dieses grofsen Charakters gegenüber
den Verleumdungen enthält, die mehr als drei Jahrhunderte eine richtige
Wüidigong des Mannes unmöglich gemacht hatten. Begreiflicher Weise
wendet sidi auch gegenwartig das Interesse wieder den Schriften dieses
Gelehrten zu, deren man, da sie lange Zeit nicht gelesen wurden und da-
her nur in den alten Ausgaben vorhanden sind, ofk nur schwer habhaft
werden kann. Man wird es somit nur gerechtfertigt finden, wenn man von
wichtigen Schriften, deren alte Ausgaben gegenwärtig sehr selten gewor-
den sind, neue Auflagen veranstaltet, und von diesem Standpuncte aus
mnas man das vorliegende Buch, eine neue Ausgabe der Scaliger*schen
(Gedichte (Originale und Uebersetzungen) nur willkommen helfen. Frei-
liÄ iat dasselbe nichts anderes, als ein getreuer Abdruck der Sammlung,
die Petras Scriverius veranstaltet und 1615 zu Leyden (ex officina Plan-
tinian» Baphelengii) herausgegeben hat (vgl. Bemays, Scaliger S. 901 ff.).
Oiea besagt auch cÜe kurze Notiz am Schlüsse des Buches p. 411: rtQui
fiagulairum carrigendarum onus in we mscepi, testor hca in hoc wZt*-
wme äliqmt iwoemri desperata et quae ni9i Scaligeri mmm mspecta non
videamhir tanari passe, His igUur medehuniur qui se passe confident
Q%»od M interdum antiquo U9u valere iusso eam quam nunc sequimur
•eribendi eansuetudinem intulisse deprehenstts era, spera fore ut ab iis
txemur, qm mea cura effeetum esse meminerint, ut non modo cammode
legi Über possit antea sordibiis Raplielengii squalens, sed omnino ut legi
pomt qui vix inveniebatur,*^ Nur hie und da findet sich in Klammern ein
fehlendes Interpunctionszeichen oder die Verbesserung eines Druckfehlers
beijSvftIgt, wobei aber der Corrector nicht immer das richtige getroffen
Mt Jos, Sealigeri' poemata etc,, ang. v. K. StimKL
bat. So ist z. B. in dem aTQtafjitnfvg nKQOtfu&v ififiirQmr p. 154, -L 15
statt Trpo nicht TrQo^, sondern thqC zu schreiben (Tgl. Zenob. lY, 100),
eben daselbst 1. 29 statt v&x^ nicht vixii, sondern ri»^ o. dgL Ebenso in-
oonsequent ist auch die Schreibweise: S. 249 , 1. 18 steht x^r (d. L Mtl
ittv), S. 251, 4 xriv; S. 249, 81 xccnoro^o^ rlg axova^, S. 250, 15 tpows
<f^ (statt (f>6t)a^€)y während in anderen Fällen die richtige Betonung her-
gestellt ist u. dgl. Da nun der Druck in der Ausgabe des Scriverius äobent
incorrect ist und in der neuen Auflage so wenig zur Verbesserung dar
Fehler geschehen ist, so kann es nicht Wunder nehmen, weni^ wir fast
auf jedem Blatte Fehler linden, die sich mit der leichtesten Mflhe h&tteii
verbessern lassen. Denn dass daran nur der elende Drucker, nicht aber Sca-
liger selbst die Schuld trägt, unterliegt keinem ZweifeL So steht, z. B. in
der Uebersetzung der Disticha Catonis, S. 248, 1. 1 ipQaaafievog statt
if-gaaadfisvos, S. 249, 1. 7 lari statt iariv, L 17 fj&ea r* statt ^S^id t\
L 24 ilviiQ statt ttviiQ, L 29 cuV xal statt tos xal, S. 250, L 8 «vr^ statt
avT^, 1. 33 aitov, wofür man wol ontav schreiben muss u. dgL Und w»
finden sich überall Fehler, besonders auch in der Abtheilung der Wörter
und der Interpunction, z. B. S. 290, 1. 3 in dem Epigramme des Hege-
sandros Planipedatque lucernitui statt Planipedfxtgue lucemitm (griechiseh
nvTjhnoxtußUnÜaioi Athen. IV, 162, a), S. 292, v. 41 des Aias Lorarios :
Achiüia arma, addicta tion sibi ddet, wo der Beistrich nach arma fehlen
sollte, S. 293, t. 77 Frustra vereria, non mr idem est qui prius. , wo am
Schlüsse vielmehr ein Fragezeichen zu setzen ist, u. dgl. m. Man sieht
aus dem gesagten, dass bei dem neuen Abdrucke die Hand eines tüchtigm
Philologen hätte thätig sein sollen, um das schwere Unrecht gut in machen,
das in der Ausgabe von Scriverius an der Scaliger'schen Muse verftbt
worden war.
Die vorliegende Sammlung zerfallt in zwei Haupttheile, deren erster
die Originalgedichte Scaligers, der zweite die Uebersetzungen in*s Grio*
chische und Lateinische enthält Die eigenen Gedichte Scaligera sind
mMstentheils Gelegenheitspoesien: Epithalamien, Genethliaken, Widmnngsn,
sogenannte Enoomia libromm, die man sich nach der damaligen Sitte um
seinen Freunden erbat, um sie als eine Empfehlung an die Spitze Beiner
Werke zu stellen, Briefe, satirische Ergüsse. Daran schliefen sich gWH
mische Gedichte, Epigramme verschiedener Art, Paraphrasen und Parodüen
von antiken Dichtungen, Endlich findet sich hier noch eine Sammlimg
von griechischen Sprichwörtern in verschiedenen Versmafben xnaammen«
gestellt unter dem Titel: £TQWf4aTevs nnQoifitwv i/^/^ir^ary, die von den-
jenigen, welche sich mit dieser Literatur beschäftigen, wohl beachtet wer^
den sollte (vgl. Bemays Scaliger S. 225). Alle diese Gedichte beweisen die
tiefe Vertrautheit des groX^n Philologen mit Sprache und Stil der Alten
und zeichnen sich durch treffenden und kräftigen Ausdruck, durch elegtnt«
Darstellung imd durch die Meisterhaftigkeit aus, mit welcher die Metra
behandelt sind. Denn die Metrik ist auch eines der Gebiete, auf denea
der Genius von Scaliger machtig hervortritt (vgl. Bemays S. 110). Dir
gegen fehlte es Scaliger, um ein wahrer Dichter zu sein, offenbar an
)Mh5pferischer Phantasie, und man wird daher dem Avssj^che Baitl9%
Jos. Setdi^ poemaia etc., ang. v, K. Schenkl, SM
der ihn a very great poet nennt (opp. ed. Lips. p. Ib5), schwerlich bei-
gtunmen können. In der vorliegenden Ausgabe sind 8. 46 und 47 die un-
gemein herben Skazonten auf Rom, die Scaliger bei seinem Abschiede von
dieser Stadt im Jahre 1566 dichtete, aufgenommen worden*). Scriverius
hatte sie in seiner Sammlung, getreu seinem Grundsatze die acerbiora
nicht n herücksichtigen, ausgelassen. Auihahme hätten wol noch verdient
die Verse, welche Scaliger an die Gattin des Marquard Freher, Margarita,
richtete (vgl. epp. p. 487, Bemays S. 184 ff.) und das kynische, aber witzige
Epigramm auf den simia Thomas Lydiat (Bemays S. 180).
Was die Uebersetzungen anbetrifft, so finden wir hier griechische
Uebertragung^n von einer ziemlichen Anzahl der Epigramme des Martial,
der Sprachsammlung, die unter dem Namen des Publius Syrus geht, der
Disticha des Dionysius Cato und einzelner Stücke verschiedener lateinischer
Dichter. Darunter sind die Uebersetzungen des Syrus und Cato am meisten
gelungen. Viel interessanter sind aber die Uebertragungen griechischer
Schriftwerke in*s Lateinische, wie der Kasandra des Lykophron, der soge-
aannten Orphischen Hymnen und des Aias des Sophokles, wobei Scaliger
Mine Kenntnis des alten Latein, die er in seineu Arbeiten über Varro
und Festos so glänzend bewährt hat, entfaltet Dazu kommen noch Nach-
bildungen vieler Epigramme der griechischen Anthologie. Was den Aias
Loiarins anbetrifft, so bemerkt Bemays (S. 121), dass diese Uebersetzung
auch wol einen Werth für die Kritik habe und es somit der Mühe werth wäre,
aus Scaligers Latein die von ihm befolgten griechischen Lesearten zu er-
mitteln. Ohne uns nun an ein solches Unternehmen zu wagen, für welches
auch hier kaum der geeignete Ort wäre, können wir doch durch einige
Beispiele beweisen, dass diese Bemerkung nicht ungerechtfertigt ist. So
ftbersetit Scaliger v. 208 und 209 t( J' htiXkaxtia r^g äfjuqlag vvf fj^i
ßdQo^: Quod praeterita nocte quietem mutavit onus, scheint also hier
ein Wort wie li^ififas, was Thiersch, oder iltQifxlagy was Bergk vorge-
schlagen hat, statt des allerdings unhaltbaren ÄfitQlag in den Text gesetzt
sa haben; v. 887 gibt Scaliger in seiner Uebersetzung: Meorum o atavum
pater, woraus wir ersehen, dass er mit Triclinius Ito Ztv nQoyovwv nanQ
gelesen hat Er verwarf also mit Becht das hier seltsame n^nutfOQ,
das Triclinius in mtieQ emendiert hatte (ol yQMpovrts nqoyoviuv nQo-
ndttif^ ovx laaai ra n^ql twv f^iTQWV, <fft ovv natig ygafpeiv tag tmX Ir
ny» TÜv ßißX{ä>v eügriToi). Und man wird wol Nauck beistimmen, dass
ngonärm^ dem vorausgehenden nQoyovanf seinen Ursprung zu ver-
danken hat
Qräx. KarlSchenkL
*) Bemays S. 133 sagt: ,,Diese Skazonten sollen auch in der ersten
Ausgabe des Svmmachus von Juretus zu I, 24 angeführt, in den
späteren Aussahen jedoch weggelassen sein.** An der genannten Stelle
findet sich aber blol^ eine Anspielung, ohne dass Scaliger genannt
wird. Nachdem nämlich Juretus die frühere Pracht Roms geschil-
dert und hiefür mehrere Stellen beigebracht hat, fügt er hinzu:
yfNunc vero nominis sui decoctrix %acet et est nihil aliud otiom
suae venustatis pristinae spurcum eadarer,^ Das Gedicht Scafigers
beginnt aber mit den Worten: Spurcum cadaver pristinae venustatis.
iM4 W. Wagner, Rom, ang. t. H. F%d:er.
Wilb. Wagner. Itom. 2. Band. Mit G Tonbildern nach Original-
zeichnungen vou Deimline, Leutemann o. a., sowie mit 110 ia
den Text gedruckten Abbilaungen nebst einem Plane von Rom (YI c
394 S. 8.). Leipzig, Spamer, 1863. — 1 Thlr. 15 Sgr., geb. 1 Thlr. 2öS|gr.
3. Band. Mit 5 Tonbildern . . ., sowie mit 170 in den Tot
fedruckten Abbildungen (VIII u. 420 S. 8.). Leipzig, Spamer, 1864. —
Thlr. 15 Sgr., geb. 1 Thlr. 25 Sgr.
Wir haben vor einiger Zeit in der Gymnasialzeitschrift (Jahig.
7. Heft. S. 557) den ersten Theil dieses Buches angezeigt und berufen nna
im allgemeinen auf das damals ausgesprochene ürtheil. Der zweite Band
reicht vom Beginne der punischen Kriege bis auf Caesars Tod, der dritte
schliefst mit dem Untergange des abendlandischen Reiches. Die Vertheilimg
des historischen StolTes ist keine ebenmäl^ige; während fHiher die oft an-
bedeutenden und einförmigen Fehden der Römer in den ersten Jahrhnnderteft
der Republik mit grofser Ausführlichkeit behandelt wurden, ist die Perlode
von den Gracchen bis zu der Katastrophe der Märziden des Jahres 44 ▼. Chr.,
welche in gleicher Weise durch die Grofäartigkeit des sich in ihr voll-
ziehenden politischen Processes und durch ihre hervorragenden Ghankktsn
von jeher das Interesse der Nachwelt in hohem Grade gefesselt hat, und
von der uns zum Theile in den Berichten der Zeitgenossen und Mitban-
delnden eine unmittelbare Anschauung erschlossen ist, auf wenig mehr ab
hundert Seiten zusammengedrängt. Dagegen hätte in der Kaisergeschichte,
besonders der späteren, gröfsere Beschränkung eintreten sollen; an dk
Namen und Schicksale der zahllosen Usurpatoren kn&pft sich meist kein
höheres Interesse, und es ist gewiss ein Misverhältnis , wenn dem wüsten
Treiben eines Commodus oder Garacalla ebenso viel Raum zugemeBsen ist,
wie dem Cajus Gracchus und seinen Reformen. Eine gewisse FlQchtigkdt
in der Behandlung des Gegenstandes, die wir schon Mher gerügt, tritt
auch in den vorliegenden Abschnitten zu Tage und hat nicht wenige, mit-
unter erhebliche Irrthümer verschuldet. Wir begnügen uns, einige Beispiele
herauszugreifen. So soll das festländische Tyrus durch Nebukadnezar zer-
stört und an seiner SteUe erst damals die Inselstadt begründet worden
sein, die doch schon seit vielen Jahrhunderten bestand (IL S. 4). Ganz
falsch ist es, dass die Gründung Karthagos gewöhnlich in das Jahr88d v.Chr.
versetzt werde (S. 5), und ebenso, dass seit der Wiedereroberung durdi
Belisar die Stadt mehrere Jahrhunderte in der Hand der Oetrömer ge-
blieben sei (S. 201). In der Geschichte des ersten punischen Krieges fehlt
(S. 24) die Seeschlacht am hennäischen Vorgebirge. Von den legitimen
Söhnen des Masinissa war Gulussa nicht der älteste, und der dritte hieHi
nicht Hiempsal, sondern Mastanabai (S. 193 f.). Scipio Aemilianus wird
S. 194 der Adoptivsohn des Siegers von Zama genannt, während früher
(d). 179) das Verhältnis richtig angegeben wurde. Noreja darf doch gewiss
nicht bei Görz gesucht werden (S. 282). Der Redner Crassus war bei sei-
nem Tode erst neunundvierzig Jahre alt, also noch kein Greis (S. 290). Die
für den Bürgerkrieg zwischen Sulla einerseits, Marius und Cinna ander-
seits gewählte Bezeichnung eines ersten Triumvirats (8. 295 n. a.) vrider-
fr. Wägner, Rom, ang. v. H. Fideer.
Bprieht ganz dem Begriffe des Wortes und findet weder in der Verbindung
Ctmn mit Pompejus und Crassne, noch in der selbstgeschaffenen Wfirde
der TrinmTiri reipublicae constituendae eine Analogie. Der Hr. Verf. will
SWBT den Ausdruck selbst nur als einen uneigentlichen und streng ge-
onnchtigen angesehen wissen (S. 302, 336) ; aus der letzteren Stella
man aber schlieXten, dass er schon bei den Alten auf jenes Yer-
bftltnig ftbertragen worden sei. Verres wird bloüs flüchtig erwähnt (S. 319),
sein ProcesB ganx übergangen. Die Bezeichnung des Yarro als eines römi-
•ehoi Aristoteles (S. 393) Termögen wir kaum als ernst gemeint anzu-
leheiL Pansa fiel nicht in dem Treffen bei Forum Gallorum (IIL S. 11);
er wurde allerdings tödtlich verwundet, starb aber erst nach der Haupt-
idilacht bei Mntina, den Hirtius überlebend. Von den Annalen des Tacitus
ist doch nicht blo/lB der kleinere Theil erhalten (S. 178). Mehrfacher Be-
richtigung bedarf die Geschichte der dacischen Kriege Trajans (S. 190 ff.);
die Inschrift der Tr^janstafel in der Nähe des eisernen Thores ist unvoll-
stiiidig mitgetheilt; ganx unbegreiflich ist die Annahme zweier stehender
Donanbrftcken , von welchen beiden üeberreste vorhanden seien; dass Ha-
diiaii die Zerstörung des kühnen Baues geboten, blieb unerwähnt. Alexan-
der SeveruB wird einmal irrthümllch der Neffe Heliogabals genannt (S. 266).
Der Qnirinal war schon in die servianische Mauer, nicht erst in die au-
reliftnische einbezogen, wie S. 289 im Widerspruch mit L S. 90 angedeutet
ist Die Behauptung, dass die Zeit nach Diocletian den Kaisermord durch
Yenr&iher und Soldaten nicht mehr kenne (S. 313), muss einige Einschrän-
kung erleiden. Wenn es ebendaselbst (S. 312) von der politischen Organi-
liitlc»! dieses Kaisers heiJßit „Consuln, Ccnsoren und Tribunen kamen unter
den Beichsbeamten nicht mehr vor**, so konnte der Leser daraus folgern,
dasB die bexeichneten Würden jetzt auch dem Namen nach erloschen seien;
dies ist nun bezüglich des Consulats und Tribunats bekanntlich unrichtig,
die Censur dagegen hatte schon längst aufgehört, wie auch S. 275 ange-
geben ist Sisda, das croatische Sissek, sucht der Hr. Verf. (S. 336) „ober-
halb Laibach in Kärnten.** Die Schilderung der römischen Katakomben als
Zufluchtstätte der Christen hat er gegen seine eigene Intention der Ge-
adiiehte Julians des Abtrünnigen eingeflochten (S. 343 ff.), da er doch aus-
drücklich hervorhebt, dass der Kaiser keine Verfolgung angeordnet, die
Uebergriffe einzelner Beamten aber und die Excesse des Pöbels, die er
duldete, nicht mit den Schrecken der früheren Zeit verglichen werden
können. Ueber die Behandlung der Yer&ssungszustände sei nur im allge-
meinen bemerkt, dass wir sie eingehender und klarer gewünscht hätten.
Die Jahreszahlen fehlen mitunter oder sind unrichtig, üncorrect in gram-
matischer oder orthographischer Beziehung sind z. B. die Isara, Addua,
Atiiesis u. a., die Namensform Herculanum, Alisa statt Allifä, Ceriatis
für CerealiB, Osyris, Kitharrhöde oder Kitharhöde, die Verwechslung des
IT mit M (wie schon im ersten Theile bei Curius Dentatus). Verschiedene
Stellen wären in einem besonders für die Jugend bestimmten Buche aus
pädagogischen Gründen besser weggeblieben , so die Scene aus der Andria
(U. S. 250 f.), der Triumphalvers auf Cäsar (U. S. 376) u. a. Anstoto er-
Zritsclirtfl f. a. Oftm. OTmn. 18<6. V.Helt 25
W. Wdgner, Rom, ang. v. H. Ficker.
regt auch nach Schildennig der Geburt Christi die Bemerkung : „So er-
zählen die Urkunden unserer Beligion, deren Kritik wir biUig Andini
überlassen, da wir es nur mit den Begebenheiten zu thun haben* (ID.
S. GO). Zuweilen gestattet der Hr. Verf. seiner Phantasie zu fireien Spiel-
raum, so bei Schlacht scenen , bei der übrigens recht ansprechenden Erridi-
lung des Alponübcrganges Hannibals (II. S.r>8if.); die Natnrbewnndemiig,
welche er durch die erhabenen Bilder jener (rebirgswelt bich in der Seele
des Feldhcrm und seiner Krieger entzünden lässt, ist wesentlich ein Plo>
duct der modernen Bildung; ein Grauen vor den fremdartigen, dimoniedies
Gewalten mag wol eher jene rauhen afrikanischen und hispanischen Minner
beherrscht haben. III. S. S^X) «ird in einer gesuchten Ideenverkettong von
der Beschreibung der römischen und türkischen Bäder durch das MediAB
eines Bades im Blieino zu einer Aftostrophe auf Deutschlands Grölbe in
Vergangenheit und Zukunft abgesprungen.
Die Sprache des Buchet» ist hjiulig nicht so einfach, wie es gerade
der jugendlichen Natur zuträglich ist; der Hr. Verf. liebt zu kühne Bilder,
wie wenn er die numidischcn Reiter schnell wie die wechselnden Gedan-
ken über das Blachfeld brausen lässt; anderseits möchten wir triviale Aus-
drücke geni vermieden sehen, wie „Lotterbett**, „Lotterbuben", „Schranzen*
(wie die bt-iden vorigen ein Lieblingswort des Hm. Verls, welchem wir
allein in der Gesoliichte Constantins II. dreimal begegnen), „Speichellecker*,
„ritterschattlicho Ocldbäcke", „Plasirrath*. „antiquarischer Quark**, „hudeln",
„den Bockzipfel entern", oder das ironische „die hohe Obrigkeit", »das
löbliche deutsche Beich." Die Citate aus deutschen Dichtem sind nicht
immer glücklich angebracht; so ist die III. S. 318 erzählte Flucht des
Armeniers Tiridates über den Euphrat zu unwichtig, um durch einige
Verse aus <lem „Taucher" verherrlicht zu werden. Ebenso sind die vm-
ficierten Mottos nicht durchgehen ds zu loben.
Die sehr zahlreichen Dlustrationen sind zum Theile recht zweck-
mäfsig, besonders die Abbildungen von Gemälden, Statuen und mannig-
fachen Objecten aus dem häuslichen und öffentlichen Leben der Römer,
Waffen, Geräthschaften, ocbmuckgegoustilnden, die Plane und Bilder dei
römischen Hauses, der Bäder, des Lagers, wodurch die einschlägigen, ziem-
lich ausgedehnten Partien des Buches die oft unentbehrliche Erläuterung
erfahren. Die Aufnahme historischer Scenen ist im Priucip nicht au ver-
werfen, da man zugeben muss, dass sie vorzugsweise geeignet sind, das
Interesse der Jugend zu wecken, wenn ein bedeutsamer Moment glücklich
erfasst und in künstlerischer Form zur Anschauung gebracht wird, ond
hier möchten wir gelungenen Nachbildungen von Kunstwerken, wie der
Horatier David*s, der Constantinsschlacht Kafaers den Vorzug geben ; alleia
viele der vorliegenden Bilder nind doch gar nicht charakteristisch, so dasa
sie verschiedene Unterschriften vortrügen, ixler entsprechen nicht ganz dem,
was sie <larzustcllon bestimmt sind. So »oll \m* II. S. 43 die Landung der
Karthager in Spanien vorgeführt werden; aber das ganze Bild macht den
Eindruck, als ob es sich um ein von Fremden nie oder selten betretenes
Gestade handle; es war jedoch die mit phönicibchen Niederlassungen be»
deckte und wenigstens mittelbar von Karthago abhängige TarsiskÜste, wo
K. Damheek, Mathemat. Geographie, aeg. ▼. J, Frisc/muf. SflT
HanrilVar an*8 Land stieg; dazu kommt noch das zweite Bedenken, dass
wir in der Landsehaft eine Banane nnd eine Palme gewahren. Hannihal
idH bei dem Schwnre ewiger Feindschaft gegen die Bdmer vor dem Altan
stehen nnd denselben erfassen; die Scheosale der GMterbilder im Hinter-
gnmde sind nnhistorisch (ü. S. 47). Der Pratorianeranfstand gegen die
Senatsfadser Mazimos nnd Balbinns (IIL S. 273) ist in jener stümdsehen
Zeit kein so henrorragendes Ereignis, nm Anspmch auf eine bildliche Bln-
stration zn haben; diese ti^gt denn anch kein bestimmtes Gepiftge an sich,
so dass sie jede Shnfiehe Empörung ebenso gnt vorstellen könnte. Bei
solchen Büdem mag es Hbrigen^ dem Beschaner anheimgestellt bleiben,
n* sondern, was der Conception des Zeichners angehört; wenn ihm hin*
gegen das alte Enna (IL S. 42), Cicero's Tnscalannm (S85), die Gärten
des Saunst (894) vor Angen gestellt werden, so liegt die Illasion nahe^
dase entweder Schilderungen der Alten oder vorhandene Uebeneste m
dner solchen Reconstruction berechtigen. Diese wenigen Beispiele Halben
sich unschwer vermehren; sie genügen aber, um eitennen su lassen, daie
die Auswahl und Ausführung der bildlichen Beigaben nicht stets von der
söthigen Vorsicht geleitet wurde.
Fassen wir nun alle diese Bedenken zusammen und halten ihn»
den auf die Ausstattung verwendeten Aufwand entgegen, so mttssen wir
den Wunsch aussprechen, dass bei einer zweiten Auflage, welche die weite
Verbreitung der Spamer'schen Bücher nicht bezweifeln lässt, der Hr. Y£
die Mflhe einer durchgreifSenden Revision nicht schenen möge, um seil»
Arbeit erst recht' nutzbar zu machen. '
Wien. H. Ficker.
Methodisdies Lehrbuch der mathematischen (Geographie und Astro-
nomie. Fflr mittlere Classen der Gymnasien und Eealschulen und obe-
ren (Hassen der Bürger- und gehobenen Volksschulen, von Karl Dam-
beck. Mit 10 Figurentafeln. 128 S. 8. Halle, H. W. Schmidt, 1864.
— 22 Sgr.
Die mathematische Geographie und Astronomie pflegen an nneeren
Gymnasien nicht die Beachtung zu finden, welche ihnen im Zosammesr
hange des gesammten Unterrichtes unzweifelhaft gebührt Der Anlafls hieraa
Uegt znnftehst darin, dass dieser Gegenstand an zwei andere angelehnt iat^
bei denen er gelegentlich mit behandelt werden soll, an die Gkogiaphie
imd an die Physik. Nun fehlt es in der untersten Classe, in welcher die Geo-
graphie selbständig behandelt wird, an denjenigen mathemaitischen Kennt-
mssen der Schüler, die selbst zu dem elementarsten Verständnisse der
mathematischen Geographie unerlässlich sind, und in der obersten Classe
wiederum, wo die mathematische Geographie und Astronomie den Ab-
ichluss der Physik bilden soll, fshlt es gewöhnlich an der Zeit, um auf
diesen Gegenstand mit einiger Aussicht auf Erfolg eingehen zn köunen.
ffienra kommt noch überdies, dass die Ansicht ziemlich verbreitet ist, ea^
heften sich die Grundzttge der mathematisdien Geographie und Airtroaem»»
inelit behandehü, wenn man nidit die Kenntnis der sphfihschte Tiigone-
25*
808 R. Dmn^fick, Mathemai Geographie, ang. v. J. Friidimif»
metrie voraussetzen könne, eine Ansicht, welche der ernstlichen Betreihuif
dieses Gegenstandes erhehlichen Eintrag thut, und doch ganz unbegründet
ist Allerdings wer sich mit praktischer Astronomie beschäftigen wiU, kau.
der sphnrischen Trigonometrie so wie noch manch anderen Apparates mathe-
matischer Kenntnisse nicht entrathen; aber nm die Erscheinungen der
täglichen und jahrlichen Bewegungen der Erde und der Planeten, des Mon-
des u. s. w.» die Wirkungen der Kräfte in unserem Sonnensysteme in Tir-
stehen, also um die Aufgabe zu Iteen, welche das Gymnasium sich stellt
und zu stellen hat, ist die Kenntnis der spherischen Trigonometrie toU-
kommen unnöthig; Ref. hat Gelegenheit gehabt, diese Uebeneogong dnrdi
hinlängliche Versuche in dem Unteirichte auf diesem Gebiete xn bewähren.
Es mag für jetzt genügen, auf diese Uebelstände mit einem Worte
hingewiesen und dadurch den Wunsch ausgedrückt zu haben, dass der
mathematischen Geographie und Astronomie in der Ausführung des Gym*
nasialunterrichtes diejenige Bedeutung wirklich gewahrt werde, welche der
Lehrplan ihr zu geben beabsichtigte. Die Nothwendigkeit dieses Unter-
richtes wird recht deutlieh erwiesen durch die sehr reichhaltige Schul-
literatur, welche dieses Gebiet bereits hat und die in stetem Zuwachse
begriffen ist Die vorliegende Schrift indes kann Ref. nicht als einen glüd[-
lichen und gelungenen Beitrag zu dieser Literatur betrachten. Da in Wer-
ken dieser Art es für jeden mit der Sache gründlich vertrauten — und nur
dieser hat ein Recht, ein Schulbuch abzufassen — sehr leicht ist, voll-
ständige Richtigkeit des Inhaltes zu erreichen, so sollte die Kritik billiger-
weise sich nur der Form zuzuwenden haben, also der Begrenzung und An-
ordnung des Stoffes und der Klarheit der Darstellung. Leider macht die
vorliegende Schrift es nöthig, von diesen formellen Puncten noch ganz ab-
zusehen; die Menge von Unrichtigkeiten, von schief und verworren ausge-
sprochenen Sätzen reicht an sich schon vollkommen aus, über die Brauch-
barkeit des Buches ein Urtheil zu gewinnen. Aus der groXiMn Zahl der-
selben mögen einige Beispiele herausgehoben werden, die sich kurs be-
zeichnen lassen.
S. 14 wird vom Himmelsäquator gesagt: „die Seefahrer nennen
ihn die Linie.** — S. 25 heilet es von den Sternen: «An einzelnen Stellen ver^
einigt sich ihr Glanz zu einem weif suchen Schimmer; dies sind Nebel-
flecke . . . Ein weif^licher Schimmer wird sich vor den andern durch seine
Ausdehnung auszeichnen. Er erstreckt sich durch den Horizont fast durch
den Scheitelpunct bis wieder zum Horizont; es ist dies der grüfiite und
heif\it die Milchstrafto.** Also die Milchstrafise geht immer durch das
Zenith. ~ S. 25. Zu den schönsten in Deutschland sichtbaren Stembil-
dem rechnet der Verfasser auch Cepheus, Drache und Fische, während
der prachtvolle Schlangenträger, Schütze und Wasserschlange ausgelassen
sind. — S. 25. Zu den schönsten Sternen erster Gröfse mit Namen rech-
net der Verfasser noch: Gemma in der Krone, Algenib im Perseus, Sir-
rah in der Andromeda und Alcyone in den Plejaden. Letztere ist doch
von der dritten Gröflse, die übrigen genannten Sterne sind nur von der
zweiten Gröfbe. — S. 26 heifst es von den Sternschnuppen : „Besonders viel
erschehien sie im Februar und November, im Sommer weniger/ Doch sind
JBl Dambeck, Mathemat Geographie, ang. y. /. Frisckomf. SOtf
die Stavsehniippen im Sommer, namentlich in der ersten ffllfte des Angut^
am hlnfigaten. — 8. 28 heiM et vom Monde: „Am folgenden Tage geht
er beinahe eine Stnnde spftter anf nnd ehenütdls eine Stande spater unter;
am zweiten Tage nach dem Vollmonde geht er noch eine Stande später
anf mid anter ^ and zwar vollzieht er heides an jedem Tage eine Stande
spftter als am vorhergehenden.** Aaf- and Untergang eines Gestirns hangt
ideht Ton der Bectascension allein, sondern auch von der Deelination ab,
beim Monde kann es daher auch kommen, dass er nar am wenige Minaten
spftter als am vorhergehenden Tage aaf- und untergeht, and nicht regel-
mülrig eine Stande spftter. — S. 30. Nachdem die Phasen des Mondes he*
schrieben sind, heiTlit es: «Der Mond ist selten ganz hell, gewöhnlich theila
heu, theils dnnkel, oft ganz dnnkol; er ist hierin der Erde ahnlich, worauf
66 ja auch zuweilen hell und zuweilen dunkel ist. Wie Tag und Nacht auf
der Erde mit einander abwechseln, so auch auf dem Mond.** Aus den Mond«
phasen sdieint also der Ver&sser auf einen Wechsel zwischen Tag und
Nacht auf dem Monde selbst zu schliefben. — 8. 32. „Die aufgegangenen
Sterne erheben sich in einem Bogen von Stunde zu Stunde mehr, erreichen
im Meridian ihre grö/lste Höhe, senken sich von da gegen Westen, bis sie
am Morgen am westlichen Horizonte untergehen, wenn die Sonne im Be-
griffe steht, am östlichen Himmel auftugehen.** Der Verfasser scheint der
Ansicht zu sein, wenn die Sonne aufgeht, gehen alle Sterne unter. — *
8. 60—62. Hinsichtlich der jährlichen Bewegung der Erde um die Sonne
lit der Verfasser der Meinung, dass die Erde am Beginne jeder Jahreszeit
in einem Scheitelpuncte ihrer elliptischen Bahn sich befinde und in jedem
Vierte^ahre ein Viertel des Umfanges der Ellipse durchlaufe. — S. 66—68.
Der Ver&sser verwechselt fortwährend Zeichen mit Sternbilder, im Winter-
anfang, Ymtei es, die Sonne rückt in das Sternbild des Steinbockes u.s.w.
— S. 76. «Die ganze Ifasse des Mondes beträgt Va ^^^ ISx^e, genauer 49.6.**
— 8. 77 heiM es vom Monde: „dass er in 27 Tagen 7 Stunden 43 Minuten
durch jödes Sternbild in entgegengesetzter Richtung wie die Sonne ge-
gangen ist, so dass es also scheint, als ob der Mond den Thierkreis rftok«<
wftrta durchläuft; er hat also seinen Umlauf um die Erde in dieser Zeit
Tolkndert, dieses ist die periodische (Jmlaufszeit.** Hätte der Ver&sser den
Mimd nur an zwei aufeinander folgenden Tagen beobachtet, so hätte er
sidi V0B dem Ckgentheil der angegebenen Richtung überzeugen können;
Die Bewegongsrichtung aller Planeten und Trabanten ist doch eine recht«
läufige um den Gentndkörper. — S. 78 beweist der Verfasser, dass in einem
sjnodischen Monate — 29 12 44 der Wechsel von Tag und Nacht auf
dem Monde stattfindet, es heifst nämlich : „Während er um die Erde sicli
schwingt, beleuchtet ihn die aufser dem Kreise seiner Bahn stehende Sonne
einmal von allen Seiten. Er hat sich also in dieser Zeit einmal um sich
selbst oder um seine Achse gedreht, diese Achse aber liegt nicht in ihm
T h fh
selbst, sondern in der Erdachse. In 29 12 44 wechselt einmal Tag und
T k m
Nacht auf dem Monde.*" Der Mond dreht sich in 27 7 43 einmal um seine
Achse; dieses Resultat wurde aus der Beobachtung der Mondesoberfläche
abgeleitet und steht in gar keiner Beziehung zu den Mondesphaseo. ^
170 , . . Literariflche Notümi. ...
8.101 wird hiniidhtlidi der Kometenbahnen behauptet: JQire Bahaea bil*
den langgestieokte Ellipsen von geriogrem oder ungeheuerem Um&ag»; die
meisten scheinen sich indessen in Parabeln und Hyperbeln zu bewegen
und diese sind dann nie zu erwarten, vielleicht nach Milliarden Ton Jahren.*'.
— S. 111. „Die Gravitation ist also die gegenseitige Anziehung verschieb
dener Weltkörper, ihre ßtirke verhält sich wie die Entfernung und dia
Masse der sich anziehenden Körper. — S. 113. „Sind die Pendel aber von ob«
gleicher Lange, so ist ihre Schwingungsseit verschieden, und zwar schwingt
das kürzere schneller aU das längere, weil das kürzere einen ikleiaecea
Bogen beschreibt als das längere.*" Unmittelbar vorher wurde aber gesagt,
daas bei kleinen 8chwingungsbögen die 8chwingungsdaner von der GrOÜBa
des Bogens unabhängig ist — S. Il6. „Der Punct, welchen ein Körper
«nter dem Einfluss zweier Kräfte erreicht, lässt sich auch finden, wenn
man die Zeit, in welcher sie wirken, in zwei gleiche Theile theilt und
annimmt, dass in der ersten Hälfte ausschlieXlBlich die eine Kraft, in der
zweiten nur die andere Kraft wirkt" Nun hängt aber die Wirkung jeder
Kraft auch von der Zeitdauer ab, ist z. B. die eine der beiden Kräfte die
Schwerkraft, so wird der Körper unter dem Einflüsse derselben nur den
vierten Theil des Weges in der halben Zeit zurüddegen. — 8. 118. ^Bei
der kreisförmigen Bewegung findet folgendes VerhältniB statt: Die Tan-
gentialgeschwindigkeit — der Weg, mit sich selbst mulüplioiert •- Quadrat,
moss gleich sein dem Halbmesser des Kreises, multiplidert mit der Central-
geschwindigkeit** Das dürfte der Verfasser wol allein verstehen. — S. 120—127,
enthaltend die Keplerischen Gesetze, ist aus Mädler abgeschrieben. 8ieha
Mädler*6 Populäre Astronomie 8. 88—95.
Ref. musste sich beschränken, aus den zahlreichen 8telleny die er
sich bezeichnet hatte, nur einige wenige herauszuheben, und zwar haupt*
sächlich solche, bei denen es unnöthig war, an die 8telle des füschen oder
schieien, das sich im Buche findet, die erforderliche Corrector an setzen.
Schon die kleine Auswahl von Stellen wird hinreichen, dem mit dem Gegen«
Stande bekannten Leeer das Buch zu charakterisieren, und das zu bestäti-
gen, was im Eingange gesagt wurde, dass zwar zum Yerständniase der
mathematischen Geographie und Astronomie eine nur mälkige mathema*
tbche Kenntnis erfordert wird, dass aber zu diesem Verständnisse durch
eine elementare, prädse, klare Darstellung einzuführen nur dsngenigen
gelingen kann, der mit der Wissenschaft selbst gründlich vortnat tat
Die Leetüre des vorliegenden Buches kann vielleicht durch manche Sonder-
barkeiten den Fachmann erheitern, aber dem Anfänger, für den es be-
stimmt ist, klare und richtige Vorstellungen zu vermitteln, ist es nicht
geeignet
Wien. Dr. J. Frischauf.
Literarische Notizen. Neue Auflagen.
GöUinger Festreden von £rnst Curtius. Berlin, W. Hertz, 1864.
254 S. 8. - 1 Thlr. 12 8gr.
Bei Universitätsfesten pfie^ die Rede eines Universitätslehrers den
Mittelpunct der Feierlichkeit an bilden. Diese löbliche Sitte gibt deft-fjejK
Lii rariflche Notizen. S71
rem der Hocbschole Anlass, zu einem weiteren Kreise zu sprecben, alsav
den sonst ihre wissenschaftlichen Vortrage gerichtet sind, indem nicht nur
die Jttnger ihres speciellen Fachen, sondern Studierende aus allen Facul-
täten und überdies gebildete Männer aus den verschiedensten Lebenskreisen
nm sie rersammelt sind. Dass die allgemeine Verständlichkeit nach Stoff
und Form, die Popularität im edlen JSinne des Wortes, welche hierdurch
ab Forderung au aiese Festreden sich erhebt, dem C'harakter akademischer
Vortrtge keinerlei Eintrag zu thu;i braucht, erweisen zahlreiche llcden, welche
durch den Druck einem weiteren liescrkreise zugänglich gemaoht und er-
balten worden sind; es genüge an die Böckh'scnen Festreden zu erinnern
(gcsaromplt im Band I u. II seiner „Kleinen Schriften"), welclie mit einem
unerschöpflichen Reichthume scharf ausgeprägter Gedauken und in uner-
schütterlicher F<»8tigkeit der Gesinnung die Beziehungen der Wissenschaft
zu den verschiedenen Seiten des Stiiatslebens und zu den wccliüclnden Strö-
mungen der Zeit behandeln; iede dieser Reden macht auf den Leser, wie
einst auf den Hörer, den Eindruck, dass durch sie die Universität als die
Pflegestätte wiBsenschaftlicher Forschung ihre Vertretung gefunden hat.
Denselben Charakter tragen auch die vorliegenden Reden bei wesentlich
verschiedener Wahl des Stoffes; der Stoff ist nämlich durchweg derjenigen
speciellen Wissenschaft entlehnt, der der Verfasser sfine geistige Kraft
ridmet hat, der Philologie (Rede 2. „Das Mittleramt der Philologie**.
,Wort und Schrift") und aus ihr insbesondere der P^rforschung der Ge-
schichte und Cultur Griechenlands (1. „Der Wetlkampf." 3. „Der Welt-
rang der griechischen Cultur.** 5. „Die Bedingungen eines glücklichen
Staatslebens.** 6. „Die Idee der Unstcrbliolikeit bei tlen Alt^n.** 7. „Das
alte und neue Griechenland." 8. „Die Freundschaft im Alterthum**); aber
jeder dieser Gegenstände ist, ohne dass der wissenschaftlichen Strenge und
Höhe irgend ein Nachtheil er^'üchse, von jener Seite dargestellt, durch
welche er mit dem allgemeinen Culturleben in deutlichem Zusammenhange
steht und auf das lnt<;resso aller Gebildeten einen begründeten Anspruch
hat. — Diesen üniversitatsreden sind zwei Vorträge angereiht, welche bei
anderen Anlassen gehalten, sich denselben angemessen anschliefsen, „die
Kunst der Hellenen** und „zum Andenken Schillers.** — Diese kurze An-
deutung der behandelten GegenstÄnde wird hinreichen, die Leser der Zeit-
sdirift auf dieses treffliche Büchlein aufmoi-sam zu machen ; das Interesse,
welches bei jedem Leser die geistvolle Behandlung der Gegenstände her-
vornift, wird noch durch die aus Curtius' sonstigen Schriften schon be-
kannte Meisterschaft in Beherrschung der Sprache gehoben.
Prum2>tmrium senteuUnrwn ex veterum scri2ftoruni B(nnanvrum
Uhri$ camessit J£. F, Wue sie mann, E^litio altera emendatior et auctior,
curavit ÄL Seyffertus. Nordhusae, F. Fujrstcmann, 1864. XLII u. 215 S.
kl. 8. (22% Sct., auf Sclireibpapi?r 1 Thlr.)
F. A. Wolf erwähnt unter den Momenten, durch welche die Stellung
and Bedeutung der antiken Literaturen bestimmt wird, „die Priorität selbst,
die einmal den zuerst schreibenden Völkern durch Gunst des Schicksal»
tu Theil geworden ist. Auch der geistvolle Schriftsteller, der mehreren in
derselbigen Gattung nacharbeitet, findet sich in der Wahl von Gedanken
und Ausdrucksarten beengt; er sielit das Rechte und Schöne häutig vor-
weggenommen, und für sich Bemühungen übrig, die allzuleicht in Fehler
ferleiten, worunter noch der geringste 'die Fehlerlosi^keit der Nachahmung
ist. Denn welche Knnsfr der Copie könnte je das frische geniale Gepräge
ersetzen, worin der gediegene Gedanke und die kräftig ausgesprochene Em-
pfindung zum erstenmale hervortreten** (Museum der Alt. Wiss, 1. 114).
Dieser Gesichtsnunct, dem Wolf für die antiken Literaturen überhaujit die
gebührende Beaeutung zuweist, gilt in besonders hohem Grade in Be-
ziehung auf Sentenzen , in denen Gesinnungen und Ueberzeugungen . Le-
bensgrundsätze und Lebenserfahrungen ihren präcison und treöVnden Aus-
drad gefanden haben; gerade auf diesem Gebiete gewährt der eiamal
S7S Literaiiache Notizen.
Slficklich fi'ctxofienen Fonn des Gedankens die Priorit&t einen YocUneily
er sich schwer ersetzen lässt. Sammlungen von Sentenzen ans griechiachtt
nnd noch mehr, in Folge der ungleich weiter auscebreiteten BekanntMhaft
mit römischer Literatur, aus römischen Schriftstdlem sind daher in aUn
Zeiten beliebte Bücher gewesen. Indem dieselben aus dem unendlich iMbm
Schatze der antiken Literatur nur eine Auswahl m beschränktem Mate
Sehen können, so tragen sie einen zweifachen Charakter, den der Nation,
er Zeit, des Verfassers, welchen sie ursprünglich angehörten, nnd den das
Sammlers, der aus vielen andern gerade sie glaubte herauswihlen zu sdDaB.
Eine Sammlung, ausgewählt mit dem treffenden Urtheile, das an Wüste»
mann's Arbeiten anerkannt ist, und in liebeyoller Pflege dniofa einelaqgü
ihlgeordneten Ganzen gruppiert, hat De»
Reihe von Jahren zu einem wo!
sondern Anspruch darauf, das Motto zu tragen,
setzt ist:
Te longinqua petens comitem sibi ferro viator
Ne dubitet: j^arvo pondere multa vehis.
Wie schnell das Büchlein Ausbreitung gefunden, zeigt die Thatsache^
dass nach der 1856 erschienenen Auflage oereits eine zweite erfozdetli^
geworden ist Ueber Inhalt und Einrichtung ist beim Erscheinen der entea
Auflage in dieser Zeischrift 1857. S. 166 ff genaue Nachricht gegeben, lo
dass es gentigt, auf lene Anzeige zu verweisen. Die Bevision oenoft dei
erneuten Abdruckes hatte nach Wüstemann's Tode nicht leicht in geeigw
netere Hände gelegt werden können, als in die des jetzigen Heransgebm.
Wie derselbe seine Aufgabe gefasst und gelöst hat, können wir uns nidit
enthalten, mit Seiffert's eigenen Worten (p. XLf.) zu bezeichnen: «Nam
cnm facile factu esset nuraeium sententiarum, quam habet superior editie^
novis augere atque cumulare atque ita ex tenui libello grandem laoen,
tamen omissa hoc ipsa exiguitate, quae praesertim summum haberet ei
deligendi iudicium et discribendi soUertiam, magnopere verendnm videb»-
tur, ne vel prudentissimi viri deliberatum consuium arbitratu meo per-
verterem vel de lepore modicique apparatus elegantia multum detndiereai
vel ipsius libri ut ambitum ac pretium augerem ita aditum ad perrul*
gandum deminuerem minusc[ue eum vendibilem redderem. Nunc et partiani
descriptio, in qua ille non inmerito gloriabatur, tota servata est nee qnio-
quam additum nisi quod ipse, dum vivebat, nitidissima mann tamqnam
addendum perscripserat, quae ad nos transmissa suo auid(]^ue looo inserenda
curavimus; paucissima numero, quae minus oommooa videbantur, delevi-
nius. Ipsi omnium raaxime id unnm egimus, ut scriptorum, qnibos ille
usus erat, locis iterum conferendis et ad optima ezemplaria oomponendis
qnic^uid in verbis numerisve peccatum esset, quae quidem nescio quo pecto
plurima esse invenimus, dihgenter corrigeremus , ^uem laborem vedü
plenissimum amicissimi viri memoria ac recordatio mirifice mitigavit.*'
Demosthenea der Staatsmann. Ein populärer Vortragr gehalten in
Brunn den 17. März 1864 von Theodor Gomperz. Wien, C. Gerold*a Sohn.
36 S. gr. 8. - 60 kr.
Populäre Vorträge über Gegenstände des classischen Alterthums haben
im allgemeinen eine schwierigere Aufgabe, als Vorträge, die sich auf neuero
Geschichte und Literatur oder auf das naturwissenschaftliche Gebiet sich
beziehen. Die kurze Zeit, welche einem derartigen Vortrage zugemessen
zu sein pflegt, reicht nicht hin, das Interesse des Zuhörerkreises erst zu
gewinnen, sondern der Vortrag muss mit raschen Schritten seinem eigent-
chen Gegenstande zusteuern; und während för neuere Geschichte und
Literatur das Interesse der Zuhörer dem Vortragenden entgegenkommt,
und bei Naturwissenschaften gern der Täuschung lUium gegeben wird, dast
das der Anschauung zugängliche auch dem Verständnisse nahe liege, tritt
den Gegenständen aus dem classischen Alterthume leicht das VomrÜiefl
entgegen, dass das der Zeit nach entferntere auch unserem Verständniase
ferner liege nnd als fremdartig auf unser Interesse geringeren Ansprndi
Literarische Notizen. S78
babe^ Das Yorartheil: denn daa all^mein menschliclie, wahr dargestellt,
bleibt uns über die Trennung der Zeiten hinaus gleich nahe, and politische
Znst&nde und Verhältnisse finden nicht selten in weit getrennten Zeiten
•eUagendere Analogien, als in der unmittelbarsten Nähe. In schwer be-
difaigter Zeit Deutschlands yeröffentlichte bekanntlich Niebuhr eine freie
üebmetzung der ersten philippischen Rede des Demosthenes, um zu seinen
Z^traiossen über die Gefahren der Gegenwart und die Mittel der Abhilfe
dura die Worte des groDsen Redners zu sprechen. In der Vorrede zum zwei-
ten, kurz Yor seinem Tode erschienenen Abdrucke dieser Uebersetzung
schreibt Niebuhr: „Demosthenes hat vieles gesprochen, was eine andere
sbhwer gefährdete Zeit für sich vernehmen, sich daran erbauen und da-
durch belehren sollte. Wenn das nicht geschieht, so haben wir in diesem
Jahrhundert die philologischen Studien nutzlos ausgebreitet und die Ver-
vielfältigung in Hunderttausenden von Exemplaren klagt unsere Zeit nur
an, dasa, was sie schafft, ganz äuXlserlich bleibt.** Man darf in diesen Be-
ziehnngen das Thema des vorliegenden Vortrages gewiss als glücklich ge-
wählt nlr einen weiteren Hörerkreis betrachten: Demosthenes, nicht als Red-
ner, sondern als Staatsmann, also eine Skizze der politischen Lage Athens
und Griechenlands im Zeitalter Philipps, und des Kampfes, den die sitt-
liche GrüAe und die durchdringende Einsicht des Demosthenes gegen die
dem Vaterlande drohenden Gefahren führte. Der Vortrag selbst zeigt, dass
der Verfasser nicht aus abgeleiteten Hilfsmitteln, sondern aus den Quellen
lelbst geschöpft und durch Vertiefung in die Werke des Demosthenes eine
lebend&e Anschauung des grofscn Mannes und seiner Zeit gewonnen hat.
Daher die frische Färbung, welche dem so oft behandelten Gegenstande
den Beis der Neuheit gewährt; frei von leeren Phrasen lehnt sich die Dar-
stellung häufie in treffendster Weise unmittelbar an die Worte des Demosthe-
nes an. Der Vortrag gewinnt daher ein besonderes Interesse für Leser,
welche mit Demosthenes' Reden und mit den Ereignissen bereits bekannt
find. — Als Anhang sind einige Anmerkungen beigefügt, nicht um im
dnielnen die Beziehungen der gegebenen Darstellung zu den Quellen zu
erweisen, sondern nur um Auffassungen zu rechtfertigen, welche von den
horkönunlichen abweichen. Besonders beachtenswerth ist in dieser Hinsicht
die nm^ueende Anmerkung über die Theorika und über die Stellung,
welche Demosthenes zu dieser Einrichtung einnimmt
1. B. Kozenn's oro-hydrographischer Atlas in 9 Karten. Wien und
Obnüti, Eduard Hölzel, 1864 ~ 80 kr., einzelne Karten 10 kr.
Wenn man die vorliegenden 9 Karten (Europa, Asien, Amerika,
Mittel-Europa, Alnenländer (Doppelblatt), böhmisch-mährisches Hügelland,
gftdwestl. Deutschland, Karpatemänder^ mit den entsprechenden Terrain-
karten im Schulatlas vergleicht, so zeigt sich ein erfreulicher Fortschritt
in der Vervollkommnung der Terraindaxstellung. Es ist das vorhandene
nicht einfach benützt, sondern verbessert; ganz neu ist die Karte der Kar-
patenländer, eine Zugabe, welche für die heimischen Bedürfhisse willkom-
men erscheint. Durch sorgfältige Zeichnung und zwcckmäTsige Auswahl
der Farbentönc hat die Terraindarstellun^ wesentlich gewonnen. — Die
ZwecbmäJOsigkeit von Terrainkarten, wie die vorliegenden es sind, für den
Schnlgebrauch, ist al^emein anerkannt; sollen dieselben aber eine prak-
tische Bedeutung für den Unterricht in einiger Ausdehnung erreichen, so
ist eine Ermäfeigung des Preises unerlässlich.
2. J5. Kozenn's Gnindzüge der Geographie sind in demselben
Verlage in 3. Auflage erschienen. — 40 kr.
3. Geoarapkischer Leitfaden für die Elementarclassen der Gymnasien
*uid Realschulen, von Gustav Adolph von Klöden. Zweite verbesserte und
vermehrte Auflage. Berlin, C. G. Lüderitz'sche Verlagsbuchhandlung, A.
Charisins, 1865. kl. 8. 108 S. — 8 Sot.
In dieser Auflage hat der Hr. Vf, auf den Wunsch einiger Lehrer
S74 Literarische Kotizen.
die ^088- und Gebirgsnamcn Deutschlands in gröfserci Ausfahrlichkeit
behandelt. Der zu diesem Zwecke beigcfägto Anhang, so wie die Verbesse-
rungen rechtfertigen die Bezeichnung ^vermehrte und verbesserte Auflc^"
4. Von DanieV» geographischen Lehrbüchern (Halle, Waiaenlumi-
buchhandlung, 1864) ist das Lehrbuch in 14. (Va Thlr.), der Leitfiideii in
25. Auflage (V« Thlr.) erschienen. AuTser den noth wendigen Zusätzen oiid
Verbesserungen hat das Lelirbuch namentlich in seinem zweiten Buche eine
vortheilhafte Umarbeitung erfahren.
Atlas des Hinwiels wid der Erde für Schule und Baus in 41 Karten.
Bearbeitet von Adolf Graf. Weimar, Geographisches Institut. 1. und 2.
Lieferung. Subscriptionspreis für den vollständigen Atlas 5 Thlr. 14 Sgr.
8owol der Mafsstab der Karten (z. B. Schweiz 1:800.000; Thüringer-
land 1:600.000) als auch ihr Format (in der Gröfse von 16'/, zu 20 Pa-
riser Zoll) zeigt , dass dieser Atlas in die Beihe der gröfteren Atlanten
gehört, wofür auch noch der Umstand spricht, dass 27 Karten der Staaten-
kunde Europas gewidmet sind. Diese reiche Auswahl setzte dem Hm. Vf.
in stand ein möglichst ausführliches Bild von den einzelnen Staaten in
entwerfen, wovon bereits Proben in den beiden Lieferungen vorliegen.
Dieselben enthalten Nr. 1. Der nördliche Sternenhimmel; Nr. 4. Erd-
karte in zwei Planigloben mit Beikärtchen (eine Darstellung der politi-
schen Verhältnisse der Erde nebst einer ethnographischen Uebersicht der
Zonen, Wärmelinien) ; Nr. 6. Europa (politische Karte 1 : 16,000.000) ; Nr. 10.
Kaiscrthum Oesterreich (1:3,500.000), Nr. 3. Erdkarte in zwei Planis^loben
mit mehreren Beikärtchen in Mercators Projection (eine oro-hydrographische
Darstellung der Erde nebst Beigabe einiger für die Physik der Erde be-
sonders wichtiger Momente); Nr. 23. Die Königreiche Scnweden und Nor-
wegen (1 : 4,000.000) ; Nr. 24. Königreich Dänemark und die Herzogthümer
Schleswig-Holstein und Lauenburg (1:1,250.000); Nr. 30. Die 'europäiche
Türkei (1:3,000.000). Ihre Ausführung verdient lobende Anerkennung: man
findet nicht blofb die Forschunpcn der Wissenschaft, sondern aucn alle
politischen Veränderungen berücksichtigt. Die Zeichnung ist oorrect; eine
ganz besondere Sor^alt ist der Terrainzeichnung gewidmet, wovon der Be-
weis nicht so sehr m der Zahl der beigegebenen oro- und hydro^phischen
Karten als vielmehr in dem Umstände liegt, dass auf den politischen Kar-
ten überall die Terraindarstellung gebührend berücksichtigt wurde. Die
Karten sind daher instructiv und bei aller ihrer Keichhaltigkcit leicht les-
bar, wozu wesentlich die zwischen der Terrain Zeichnung und Schriftbe-
zeichnung herrschende Harmonie beiträgt, ein Resultat, welches durdb
zweckmäfsige Anwendung des Kupferstichs für die Situations- und Schrift-
zeichen in Verbindung mit der Lithographie fiir die Terrain darstellung
erzielt wurde.
Entsprechend dem inneren Werth der Karton ist auch für die äuAere
Ausstattung alle Sorgfalt angewendet und damit die Ausführung eines
Werkes begonnen, das wegen seiner Güte und Preiswünligkeit der Beach-
tung empfohlen zu werden verdient.
Anleiiuna zum Einmmmeln, Präparieren und Untersuchai der
Pflanzen y mit besonderer Rücksicht auf die Kryptogamen. Im Anschluss
an den Elementaren rsus der Kryptogamenkunde von Conrector W. 0. Hel-
mert und Dr. L. Raben hörst. Herausgegeben von J. Nave. Mit einen
Vorwort von Dr. L. Rabeuhorst Nebst 9 in den Text gedruckten Holz-
schnitten. Dresden, H. Burdach, 1864. gr. 8. 94 euggeilruckte Seiten.
Der Algologe Nave in Brunn hat in tliescm Buche nicht nur die
dem Titel entsprechende Anleitung, sondern auch Belehrungen Ober die
Einrichtung und Onservienmg der Herbarien, über die bestehenden Tausob-
yereine und Pflanzenverkaufsanstalten, so wie über die verkäuflichen Pflan-
zensammlunjjfen, endlich über die Prüfung, den Gebrauch und die Erhal-
toBg der MikTOBkope gegeben. Die eigentuche Anleitung zum Einsammeb,
Literarische Notizen. STB
Mptrieren und untersuchen der Pflanzen behandelt in abgesonderten Ab-
schnitten die Algen, Pilze, Flechten, Moose, dann in einem gemeinsamen
Abschnitte die (kflMiTptoganien nnd Phanerogamen. Von den 67 Seiten,
welche diesen Abschnitten gewidmet sind, fallen 46 ani die Algen, 12 auf
die übrigen S^llenpflanzen, 18 auf die GefSfsvflanzen, entsprechend der
Minoren oder nröAseren Schwierigkeit der Behandlung und wol auch der
Y<»rliebe, so wie den zahlreicheren, detaillierten ErfiEJirungen des Verfassers
auf dem alg^ologischen Gebiete. Der Abschnitt über die Algen behandelt
zuerst diese im allgemeinen, dann insonderheit die Diatomaceen, Desmidia-
oeen, fadenförmigen Algen, Oscillariaceen, hautartigen Algenlager, krusten-
fi^migen, angewachsenen Arten, schleimigen und gallertigen Algen, stein-
trtigen Algen, Characeen, endlich Algen mit zusammengesetztem Thallus.
Die Abhandlung über die Diatomaceen enthält nach Winken über die
Wohnorte dieser Gebilde und die Ausrüstung des Diatomaceensammlers die
Behandlung der nicht parasitischen, dann die der parasitischen Arten bei
deren Sammlung und Präparierung, endlich eine ausführliche Darstellung
der Methode zur Bestimmung der Arten und zur Anfertigung von Probeoh-
ieeten von Diatomaceen. Die ganze Arbeit ist mit grofser Deutlichkeit und
Einsicht geschrieben und wird nicht blolV) dem An^nger die besten Dienste
leisten, sondern auch dem geübten Sammler manches Neue bieten. Der
gednmp^ene Stil läset nicht wohl einen Aoszug zu: wir machen daher
aar beispielsweise auf mehrere, besonders praktische oder interessante An-
deutungen aufmerksam, welche in diesem Buche reichlich enthalten sind.
Das Wasser, in dem die nach Hause gebrachten Algen bis zur Präpa-
rieroBg aufEubewahren sind, muss weich sein. Rabenhorst's Kryptogamen-
ilora äichsens enthält in ihrem ersten (und einzigen, bis jetzt erschienenen)
Bande die Charaktere der meisten Gattungen der mitteleuropäischen Süfs-
waaaeralgen und ist daher jedem Anfänger in der Algenkunde ein unent-
behrliches Handbuch; denn ohne einen bildlichen Begriff der Gattungen
ti haben, kann er an das Untersuchen der Arten nicht gehen, und zu
diMem Zwecke g^bt es nur die Wahl zwischen dieser Flora und der in so
Tielan anderen Büchern und Heften zerstreuten Literatur. Küstenbewohner
können Diatomaceen bedeutender Meerestiefen durch Untersuchung der Ein-
mwaide ton Fischen und anderen Seethieren erlangen. Die Diatomaceen
it/t Oselllarienrasen müssen durch Kochen dieser Rasen in Mineralsäuren
gewonnen werden, indem die Kieselpanzer der Diatomaceen davon unzer-
tfiBrt bleiben. Beim Schlämmen des Wassers, in welchem Diatomaceen ent-
halten sind, beziehungsweise beim langsamen AbgieDsen dieser Flüssigkeit
aoB einem Glasgefafto in das andere, bestreiche man den Band des vollen
Glaaea mit Talg, damit das Wasser nicht an der Aultenseite ablaufe und
•e Diatomaceen verloren gehen. Mehrere Diatomaceen, insbesondere die
Navienlaoeen und Nitzschien, d. h. solche Arten, welche sich kräftig be-
wegen , kdnnen mit Benützung ihres Dranges nach Licht rein darg^tellt
wwden ; das nähere über diese Methode des Mikroskopikers Beinik siehe
8. IL Auf der folgenden Seite ist Gerstenberger's Anleitung , die Diato-
maceen in züchten, mitgetheilt. Algen, an weläien Diatomaceen |)arasitisch
vorkommen, erkennt man an der rothbraunen Farbe. Man vermeidet in
erodieren angefeuchteten Diatomaceen die Luftblasen, wenn man sie vor
oer Anfeuchtnng durch Wasser behufs der mikroskopischen Untersuchung
nüt einem Tropfen Weingeist benetzt. Wenn Sphagna in Torfmooren schlei-
miff sind, sind sie voll Desmidiaceen, welche am reinsten aus dem Wasser,
wdehes beim Waschen dieser Sphagna abläuft, gewonnen werden. Zu diesem
Ende nimmt man die ganzen Polster in Kautschukumschlägen nach Hause
und liest dann das abgewaschene Wasser in einem Glase seinen Inhalt
absetzen. Der Hantz^scho Liqueur für Diatomaceenpräparate ist allen andern
SU dieeem Zwecke angewendeten Flüssigkeiten vonuzienen. Copulierte Zygne-
iiaceen findet man am ehesten, wenn man die loseren und fahl gefärbten
Basen snr Untersuchung auswählt. Die Schwärmsporen der Ulatricheen in
(Mogonien schlüpfsn gewöhnlich in den ersten Morgenatundeo aus, und
S70 literarische Notizen.
dieser Yorffang kündigt sich durch die Bildang eines grfinen Anivget i
Wasserranae (ini Glase) an. Um die Lilien der Schwärmsporen sa seil
lahme man deren Bewegung durch einen Tropfen Jodtinctor. Den Bihatt
der Zellen vieler Gladophoren, Conferven and Oedogonien moss maa d»>
durch aufquellen machen, dass man dem Wasser etwas Salzsäure oder Aeti-
kali zusetzt Um Algen oder Lichenen mit den Steinen zu gewinnen, anf
welchen sie als Kruste aufsitzen, niuss man bei flachen Felswänden zaeiit
einen Spitzmeisel anwenden, um einen Angriffispunct zu orlan^n, wo maa
dann erst den breiten Meisel anwendet Ziegelsteine sind wegen ihrer Gleich*
förmigkeit und der daraus folgenden gleichen Vertheilung des Dmekas
anderen Schwersteinen beim Pflanzen trockuen Yorzuziehen; der Beinliöhkeit
wegen scUage man sie in Papier und versehe sie mit einer Schnur, die
zur bequemeren Handhabung in eine Schlinge auslauft. Die sehr leichte
Bereitung des Stearinpapiers, um beim Trocuien der Algen das AnJkleben
zu hindern, ist auf &, z9 mitgetheilt. Es ist gut, wenn der Alkohol, in
dem das Quecksilbersublimat zur Bewahrung gewisser Pflanzen vor In*
sectenfraf^ gelöst wird, sehr fuselreich ist — Diese beispielsweison An-
führungen mö^en hinreichen, um die praktische Brauchbarkeit dieses Buchet
zu charakterisieren und zur Benützung desselben einzuladen. Leider ist der
Verfasser dieser Anleitung, dem Mähren eine in dem zweiten Bande der
Schriften des naturforschenden Vereines in Brunn erschienene Abhandlung
über die vaterländische Algenflora verdankt, den 15. November ▼. J. hn
Alter von 31 Jahren einem Brustleiden erlegen. ▼. Heu f 1er.
Monatshlätter zur Förderung des Zeichenur^errichtes an Senden,
Herausgegeben von Hugo Troschel, Kupferstecher und Zeichenlehrer an
der Dorotncenstädtischen Realschule zu Berlin. Berlin, Nioolai'sche finch«
handlung. Erster Jahrgang. Nr. 1. April 1865. (Monatlich IV, bis 2 Bogei.
Abonnementspreis vierteyanrlich '/, Tnlr.)
Der Unterricht im Zeichnen nimmt an unseren Realschulen eine sehr
bedeutende Stelle in dem Ganzen des Lehrplanes ein ; an den neu gegrlkn-
deten Realgymnasien, welche sich die Aufgabe stellen, ihre Schüler n
dem Eintritte sowol in die Oberrealschulen als in die Obergymnasien zi
befähigen, ist derselbe mindestens für zwei Classen ein idlgemein oblinter
Lehrgegenstand geworden ; an unseren Gymnasien ist er zur Zeit noch ein
freier Nebengegenstand , aber es ist kaum wahrscheinlich , dasa er anf die
Dauer in dieser unbestimmten Stellung verbleibe. Man roaf mit Recht
Bedenken tragen, den Schülern unserer uvnmasien noch irgend einen neuen
Lehrgegenstand zur Pflicht zu machen, aber man kann sich dadurch nicht
abgehalten sehen zu befürworten, dass der Zeichenunterricht an unseron
Gymnasien, soweit die Ausführung irgend möglich ist, eine bestimmtem
Einrichtung erhalte, durch welche er etwa mr zwei Classen des Unter-
gymnasiums ein obligater, für alle übrigen Classen ein freier, aber von der
Lehranstalt ohne besonderes Entgelt dargebotener Unterrichtsge^nstand
würde. Etwas eigentlich neues würde hiedurch in unsere Gymnasien nicht
gebracht, indem fast an allen Lehranstalten das Zeichnen gelehrt wird,
nur so, dass fgr sämnitliche Classen die Theilnahme daran der freien Wahl
der Schüler oder ihrer Eltern überlassen bleibt und nicht einmal die ele-
mentarsten Kenntnisse und Uebungen auf diesem Gebiete als ein Erfor-
dernis seitens der Schule betrachtet werden. Der genaue Zusammenhang,
in dem die Elemente des Zeichnens mit derjenigen Entwickelung der Auf-
fassung räumlicher Gestalten stehen, welche unsere Gymnasien aJs eine
wesentliche Aufgabe des geometrischen Unterriches betrachten; die erheb-
liche Erleichterung, welche einige Uebung im Zeichnen dem Unterrichte
in den Naturwissenschaften bringt ; die Förderung endlich, welche eine ans
dem gewonnenen eignen Interesse fortgesetzte Uebung im Zeichnen der
Ausbildung einer wichtigen Seite des Geschmackes zu geben vermag: alles
dies spricht dafür, dass der Unterricht im Zeichnen an unseren Gymnaaien
eine bestimmte Stelle in der ganzen Lehreinrichtung einnehmen tolltii
Literarische Notizen. S77
Aber nnerlftssliche Bedingung hierfür ist, dass durch Feststellung eines
methodischen Lehrplanes und durch Bestimmunfi^ über die an die Lehrer
la stellenden Forderungen der Erfolg des Unterrichtes insoweit gesichert sei,
als sich dies durch Einrichtungen überhaupt erreichen lässt. Diese Einrich-
tmiffen xweckm&fsig zu treffen, dass ebenso sehr der Natur des Gegenstandes
tls dem verschiedenen Charakter der Mittelschulen Rechnung getragen werde,
ist eine keineswegs leichte Aufgabe. In Preui^en, wo seit geraumer Zeit
das Zeichnen in einigen Classen der Gymnasien einen obligaten Lehree^en-
itand bildet, ist erst vor kurzem (vgl. in dieser Zeitschrift 1863, HeftXH
S. VU) ein ^Lehrplan für den Unterricht im Zeichnen auf Gymnasien und
Realschnlen und Instmction für die Prüfung der Zeichenlehrer** amtlich
publidert worden; wenn durch diese, unverkennbar aus vielseitiger Erwä-
gung hervorgegangene Publication die Fortscbritte , welche die Methodik
des Zeichenunterrichtes in neuester Zeit gemacht hat^ zum besten des
Schulunterrichtes verwerthet sind, so kann dieselbe einen vollständigen Er-
folg erst dadurch erhalten, dass die Fragen Über Methodik von den zur
AosftUming berufenen Lehrern eingehenc^ Erörterung finden und die er-
forderlichen Lehrmittel entsprechend dazu hergestellt werden. In dieser
Bichtung zu wirken, setzen sich die in der Ueberschrift genannten „Monats-
Uitter xnr Aufgabe; da dieselben einen Gegenstand hehandeln, der bei
nna eben in Fr^e steht, so halten wir uns verpflichtet, unsere Leser auf
diese Zeitschrift aufmerksam zu machen.
Der Heransgeber bezeichnet in dem, die Einleitung dieser ersten
Nummer bildenden „Prospectus** seine Ansicht fol^endermafsen : ^Unser
Zweck ist es vor allem: dem Zeichenunterricht, welcher so lange und in
10 hohem, unverdientem Grade damiedorgelegen , alle nur irgend mögliche
Unterstützung an^edeihen zu lassen, ihn zu einer energischen Regsamkeit
fofnirichten, damit er die ihm gebührende Stellung als ebenbürtiger Factor
IE der Erxiehung und Bildung der Jugend zu gelten, nicht allein erringe,
Mmdem auch dauernd behaupte.*' Als Leserkreis erwartet der Herausgeber
ranichst nur „die Zeichenlehrer und diejenigen Schuld irectoren oder Lehrer
anderer Fächer, welche dem Zeichenunterrichte ein allgemeines oder speciel-
les Interesse zuwenden." Diese werden in der neuen Zeitschrift eine Dis-
eaarion der allgemeinen und der einzelneu Fragen der Methodik und eipe
Kritik der neu erschienenen Lehrmittel findcu, und sind eingeladen, die-
selbe als Organ zu benützen, um ihre eigenen Ueberzeügungen und Erfah-
rungen in cferselben rückhaltslos niederzulegen.
In der vorliegenden ersten Nummer lassen zwei Aufsätze des Heraus-
Sibeis die Ueberzeügungen desselben über die für Mittelschulen angemessene
ethodik des Zeichenunterrichtes in ihren Grundzügen erkennen. Der erstere
«Zur Geschichte des Zeichenunterrichtes** bezeichnet, nach kurzer Erwäh-
nung der Verdienste anderer Männer, das Charakteristische der Dupuis*-
aehen Methode und zugleich die Beschränkung und Modification, welche
dieselbe im Schulunterrichte zu erfahren habe. Ein zweiter „Ueber Wand-
tafeln* erörtert die Zweckmäfsigkeit dieses Lehrmittels, mit dessen Her-
stellnnff, wie aus einer dem Blatte beigelegten buchhändlerischen Anzeige
lu ersehen ist, der Herausgeber so eben beschäfti^^ ist Ein anderer kurzer
Anilnta „Ueber den Zeichenunterricht bei den Gnechen*' sucht neben den
historischen Nachrichten, welche er ^ibt, auf den bildenden Einfluss hin-
luweisen, welchen der Zeichenuntemcht schon nach den Ueberzeügungen
der einsichtigsten Denker bei den Griechen sich zur Aufgabe zu machen
habe. Auf sp^elle Fragen gehen die Aufsätze ein „Der geometrische und der
Zddiennnterricht an Töchterschulen*' und „Der Nachmittags-Unterricht.'*
Hoffentlich werden die nächsten Nummern aufser Aufsätzen auch
Kritiken über Lehrmittel für den Zeichenunterricht geben; denn es ist
„zur Förderung des Zeichenunterrichtes an Schulen" sehr wichtig, dass
man über fdle neuen Erscheinungen der Schulliteratur auf diesem Gebiete
erienüert sei, insbesondere wenn hierüber Mittheilungen von Männern ge-
geben werden, welche die fraglichen Lehrmittel durch eigenen Gebrauch
geprüft haben.
Dritte Abtheilung«
Zur Didaktik und Psedagogik.
Zur Beform der Realschule.
Die ziemlich einmüthige Forderung der Lehrerwelt nach Befomm
im Gebiete des Bealschulwesens ist gewiss eine erfrenliche Erscheinuilg
and verdient die unbedingteste Anerkennung. Die Erfahrungen, welche man
seit Gründung dieser Lehranstalten bei uns in Oesterreich gemacht, Uefen
ein genugsam reichhaltiges Materiale für die Beurtheilung, ob diese game
Gattung von Mittelschulen den Anforderungen und Bedürfnissen der Gegen-
wart in vollstem Ma/ise entspricht, und fachkundige Stimmen haben in
Zeitschriften und Broschüren mit grofser Sachkenntnis auf Mingel mnl
Uebelstände hingewiesen, die einer Abhilfe dringend bedürfen. Auch rind
die kritischen Stimmen, weiche in der letzten Zeit laut wurden, ganz an-
derer Art, als diejenigen Angriffe, welche das Bealschulwesen in der ersten Zdl
seines Entstehens zu erfahren hatte. Die einen fanden die humaniatl«te
Richtung viel zu wenig berücksichtigt, die andern betonten unanfhOrliciiy
die Realschulen sollten praktischer eingerichtet sein. Die Schroffheit, nüt
der sich diese beiden Richtungen gegenüberstanden, hat sich ausgeliehen
und man ist sich gegenwärtig über die Grenzen der Wirksamkeit der Real-
schulen , über ihre Ziele und Tendenzen weit klarer, und über einige Fta-
gen wenigstens dieses vielbestrittenen Gebietes herrscht im GroAen und
Ganzen Einmüthigkeit der Ansichten. Eine mehr als dreizehiy&hrige Sr-
fahrung bot Gelegenheit die Mängel und Uebelstände zu erkennen nnd
blofszulegen, und es scheint ein wahrhaftes Bedürfnis, die Resultate der
gemachten Erfahrungen und Beobachtungen zu verwerthen.
Die Behauptung, dass die gegenwärtige Organisation des Realsdhal-
wesens eine Umgestaltung dringend heische, involviert durchaus keinen
Tadel gegen jene Bestimmungen, welche dieser Gattung von Mittelschulen
zu Grunde liegen. Man wird unbedingt zugeben müssen, dass es g^n-
wärtig weit leichter ist eine Aenderung, und sei sie noch so eingreifender
Natur, zu treffen, als es vor mehr als einem Decennium war, derartige An-
stalten zu schaffen. Das ziellose Experimentieren, Nichtbeachtung der anden-
wo gemachten Resultate sind im Erziehungswesen von den schädlichsten Fol-
gen. In der That zeigt auch das Beispiel anderer Länder, dass man fOn
der richtigen Ansicht durchdrungen ist, dass in diesem Zweige dee Sihml«
A, Beer, Zur Refonn der Realschule. S79
wewuo vou Zeit zu Zeit die Bodürfnisiie und Erfordernisse einer eingehen-
den Pr&fniig unterzogen werden müssen. Das Realschulwesen steht mit
der frischen pulsierenden Gegenwart in einem innigen Zusammenhang und
kann sich gegen das Fortschreiten des ernsten vielbewegten Lebens nicht
in starrer Weise abschlief sen.
Bei uns in Oesterreich stellt sich die Noth wendigkeit, unser Beal-
schulwesen einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, um so unbedingter
heraus, als unsere polytechnischen Schulen theilweise schon umgestaltet
vorden sind, theilweise einer einschneidenden Reform entgegensehen, und
die Rücksidit hierauf muss jedenfalls die Frage als berechtigt erscheinen
lassen, ob die Bildung, welche unsere Realschulen in ihrer dermaligen Or-
ganisation gewähren, die entsprechende Vorbereitung fär die technische Hoch-
schule biete. Es ist der Zweck dieser Zeilen, die Hauptgesichtspuncte^
welche bei einer etwaigen Reform unseres Realschulwesens Berücksichtigung
zu Tcrdienen scheinen, zu erörtern und es soll späteren Aufsätzen über-
lassen bleiben manches eingehender zu begründen.
Die Realschulen bezwecken gegenwärtig auTser einer allgemeinen
Bildung, welche sie ohne Benützung der alten Sprachen zu geben suchen,
8OW0I einen mittleren Grad von Vorbildung für die gewerblichen Geschäfts-
zweige als auch eine Vorbereitung für die technischen Lehranstalten. £b
bt ein nicht abzuläugncndcr Fehler unserer Organisation, dass auf diese
Weise durch eine Verquickung verschiedener Ziele in einer und derselben
Lehranstalt, die Wirksamkeit derselben ungemein beeinträchtigt wurde.
Es ist eine schwierige Aufgabe für eine Schule mehreres mit denselben
lütteln zu gleicher Zeit anstreben zu wollen; eine Schule kann nicht
vielerlei Aufgaben zu gleicher Zeit lösen, sie wirkt genug, wenn ihr die
Erreichung einer einzigen zugewiesen wird. Der Erfolg, den unsere Gym-
nasien im Grofscn und Ganzen aufzuweisen haben ^ beruht nicht zum ge-
ringsten Theile in der Beschränkung auf ein Ziel.
Der dritte Jahrgang der Unterrealschule befriedigt nach keiner Rich-
tung, steht mit dem Organismus und der Schule in keinem Zusammen-
hange. Die Vorträge über Baukunst, Zoll- und Monopolordnung u. s. w.
repräsentieren die sogenannte praktische Richtung. Es liefse sich gegen
die Aufnahme derartiger Lehrgegenstände in eine Schule, welche ein«
unmittelbare Vorbereitung für das praktische Leben anbahnen soll, nicht
das geringste einwenden, und man mag es dahin gestellt lassen, ob diejeni-
gen, welche nach absolvierter Unterrealschule in's praktische Leben eintreten,
einen erklecklichen Nutzen aus jenen Disciplineu ziehen. Aber auch diejenigen,
welche die Oberrealschule zu absolvieren beabsichtigen, werden ein Jahr
lang mit Dingen beschäftigt, welche für ihre spätere Studien durchaus
nicht nothwendig sind. In dieser Beziehung hat der Lehrplan vom J. 1849
das Richtigere getroflEi?n, wenn er diese sogenannten praktischen Fächer in
einen eigenen Jahrgang na<:h der dritten Unterrcalclasse verlegt, ohne die
Absolvierung desselbon für diejenigen zur Pfücht zu machen, welche auch die
Oberrealschule zu frequentieren beabsichtigen. Auf diese Weise war wenig-
stens ein organisch gefugter Lehrplan möglich, uiid die Realschule konnte
sich; vi«l eher die eigentlich wissenschaftliche Vorbildung für die höheren
880 A, Beer, Zur Reform der Realschale.
Berufsgattungen zur Hauptaufgabe machen, auch nebenbei den nmniUel-
baren Forderungen des praktischen Lebens Rechnung tragen, so lange nklit
durch besondere Fachlehranstalten diesem dringenden Bedürfoisse abgt-
holfen werden konnte.
Man darf gegenwärtig wol auf allgemeine Zustimmung rechnen, wenn
man den Realschulen die Aufgabe zuweist, dass sie Yomehmlich f&r dio
höheren btlrgerlichen Kreise, welche specielle Universitätsstudien nicht er-
fordern, vorbilden und vorbereiten sollen. Die Realschulen sind Mittelschu-
len und haben mit einer bestimmten Fachbildung, welche anderen Lehr-
anstalten überlassen bleiben muss, nichts gemein. Bei der Auswahl dar
Bildungsstoffe, welche sich am meisten für eine allgemeine Mittelflchn]»
eignen, hat man nicht den unmittelbaren Nutzen zu berücksichtigen und
darf das gesammte Lehrmaterial nicht mit Bezugnahme auf die Pnzlf
zuspitzen, sondern muss vorzugsweise in's Auge fassen, inwiefern der Bil-
dungsstoff ftür die Ausbildung des Geistes und die Entwickelung des Cha-
rakters sich als brauchbar erweise.
Die Aufnahme der praktischen Disciplinen in die Realschule befrie-
digte auch keine Partei. Diejenigen, welche die Realschule als eine höhere
Mittelschule organisiert wissen wollten, betrachteten jene Gtegenstftnde, wie
Buchhaltung, Zoll- und Monopolordnung u. s. w. als hemmenden Ballast,
und wiesen auf den in der That geringfügigen Nutzen hin, den YortrSge
solcher Art, in dieser Ausdehnung gegeben, der Jugend bringen. Anderen,
und dies war in den ersten Jahren, nachdem unsere Realschulen in*8 Le-
ben gerufen worden waren, keine kleine Partei, erschien die Organisation
zn wenig das Gepräge des Praktischen an sich zu tragen. Sie hatten in-
sofern Recht, als die aufgenommenen Gegenstände den Standpunct der all-
gemein bildenden Schule verrückten und im gröfseren Publicum über die
Wirksamkeit der Schule Illusionen vörbreiteteii, welche nur zu bald schwin-
den mussten. Ein Realschüler soll, so hiefs es, zu Allem brauchbar sein;
nach absolvierter dritter Classe soll er im gewerblichen oder geschäft-
lichen Leben verwendet werden können. Die einen sahen in der so organi-
sierten Unterrealschule eine Gewerbeschule, die anderen eine Handelsschule,
und die Oberrealschule sollte weifs der Himmel welche specielle Richtung
verfolgen. Noch jetzt sind die falschen Vorstellungen, welche man von den
Realschulen überhaupt hatte, nicht ganz geschwunden. Man lese nur den
letzten Bericht der Reichenberger Handelskammer, nach deren Ansicht die
Realschule eine zu ideale Tendenz habe und praktischer eingerichtet wer-
den solle.
Diese Forderung ist insofern eine unbedingt berechtigte, als neben
den Realschulen auch besondere Gewerbeschulen gegründet werden sollen
und müssen. Sie ist anderseits ein deutlicher Beweis, dass unsere Real-
schulen den streng gewerblichen Anforderungen wenig genügt haben. Die
Gewerbe haben, so scheint es wenigstens, durch unsere Realschulen nicht
so viel gewonnen, als man anzunehmen gewillt war, und es wäre ihnen
durch Specialschulen eine intensivere Förderung zu Theil geworden. Durch
die in verhältnismafsig geringem Umfange gelehrten Disciplinen im dritten
Jahrgang der Unterrealschule konnte wol eine allgemeine gewerbliche Tor-
Ä. Beer, Zur Reform der Realschale. t81
tnldungy aber keine Fachbildung gewählt werden, welche gerade bei
dem Stande der österreichischen Industrie ein unbedingtes Erfordernis ist
Ueberdies werden unsere Realschuien von denjenigen, welche sich einem
Gewerbe widmen wollen, nicht durch drei Jahie besucht, sondern diese be-
gnügen sich meist mit der Frequentation zweier Jahrgänge. Für diese Be-
hauptung liefern die statiBtischen Tabellen eines jeden Jahres die nöthigen
Belege. Der Knabe ist nach zurückgelegter Volksschule viel zu jung, um
in die liehre gegeben zu werden, und um die Zeit auszufüllen, wird er
ein oder zwei Jahre lang in eine Bealschule geschickt Für diese grofiM
Classe müsste durch einen specifisch anderen Unterricht gesorgt werden, ak
dies gegenwärtig der Fall ist Auch die Erfahrungen, welche man in anderen
Landern gemacht hat, bestätigen das Gesagte. In Baiern z. B., dessen Ge-
werbeschulen gewissermafsen die Vorbilder unserer Kealschulen gewesen
sind, sah man sich in neuester Zeit genöthigt, den Uebelstanden abzu-
helfen, welche daraus erwuchsen, dass die Gewerbeschulen zu gleicher Zeit
zum Nutzen für die Gewerbe und zur Vorbereitung für die polytechnische
Schule dienen sollten. Fast einstimmig sprachen sich die gewiegtesten
Schulmänner dahin aus, dass diese Gewerbeschulen ihrer Doppelstellung ent-
ledigt und ihrer ursprünglichen Bestimmung wiedergegeben werden müs-
sen, nämlich bloDse Vorbereitungsanstalten für das Gewerbe zu sein, und
dass die Vorbildung für die technischen Schulen und die anderweitigen
bürgerlichen Kreise auf anderem Wege erzielt werden müsse. Einen ähn-
lichen Process machten die Realschulen überall durch, wo man ihnen An-
fangs eine DoppelsteUung vindicierte. Die Unsicherheit in der Organisation
der Realschulen, welche Anfangs fast aller Orten vorhanden war, wo man
an die Organisierung derartiger Lehranstalten gieng, schwindet allmählich,
und man hat sich überzeugt, dass das Mafs der allgemeinen Bildung bei
der Verschiedenartigkeit der Kreise, für welche die Schule vorarbeiten solle,
unmöglich ein gleiches sein kann, so wie auch die Fachbildung eine ver-
schiedene für die verschiedenen Lebensberufe sein muss. In PreuXsen orga-
nisierte man neben den Bürgerschulen und Realschulen aller Art Gewerbe-
schulen, indem man von dem richtigen Grundsatze ausgieng, dass es hier
von Anfang an zu scheiden gilt, was nicht zusammengehalten werden
kann, und nur durch Manniglaltigkeit der Schulen den mannigfachen Bil-
dungsbedürfnissen abgeholfen werden könne.
Man wird bei aufmerksamer Prüfung unserer Realschulnormen sich
leicht die Ueberzeugung verschaffen, dass die Art und Weise, wie der Lehr-
stoff vertheilt ist, in der Zuweisung verschiedener Aufgaben, welche eine
und dieselbe Schule lösen soll, wurzelt. Eine ausführliche Darlegung
dieser Mängel scheint nicht mehr nothwendig, da die Ueberzeugung fast
Gemeingut aller ist, welche sich die Mühe gegeben haben, den Organis-
mus unserer Realschulen einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Bei
den mangelhaften Vorkenntnissen, welche unsere Volksschulen den angehen-
den Gymnasiasten und Realschülern mitgeben, wird den letzteren zu viel anx-
gemuthet, wenn in„der ersten Classe schon Naturgeschichte und Physik zu
gleicher Zeit vorgetragen werden sollen. Dies steht in dem Realschulwesen
DeutschlandB beispiellos da, wo doch die Volksschule eine höhere Stuf»
ZeltKchrlft f. d. Sttcr Gymn. 1965. T. n«fr. 26
S8S A, Beer, Zur Beform der Realschule.
der Ausbildung und Entwickelung orlangfc hat, als bei uns in Oesterreieh.
Es wird niemand in Abrede stellen und die Lehrerwelt hat es fast ein-
stimmig anerkannt, dass der physikalische Lehrstoff selbst in dem Aos-
niafse, wie er an ünterrealschulen vorgetragen werden soll, eine gröfisere
Reife des Geistes erfordert, als die Schüler in der Regel mitbringen, ab-
gesehen davon, dass eine gleichzeitige Einführung in ünterrichtsgebiete,
wie Naturgeschichte und Physik, schon didaktisch nicht zu rechtfertigen
ist. Hier ist ein nacheinander, nicht ein nebeneinander dringend geboten.
Man sah sich zu dieser Einrichtung bestimmt, weil man in die dritte Classe
der Untcrrealschule die Chemie aufgenommen wissen wollte, und zwar auch
in einem Umfange, der für diese Altersclasse wenig passend ist. Man be-
rücksichtige femer die Stundenzahl. Naturgeschichte wird durch awei Stan-
den im ersten Jahrgange und durch ebenso viel Stunden im ersten Semester
des zweiten Jahres gelehrt, eine gleiche Stundenzahl wurde der Physik
in den drei ersten Semestern zugewiesen, im vierten Semester, wo die Na-
turgeschichte entföllt, erhält Physik vier Stunden. Die Klagen der Lehrer,
dass sie mit diesem Stundenausmafs bei den vollgefüllten Classen nur ge-
ringe Resultate erzielen können, sind nur allzu gerechtfertigt. Mit zwei
Stunden in der Woche vortragen, wiederholen, prüfen, um die Leistungen
nur einigermafsen richtig beurtheilen zu können, ist selbst bei der gesetz-
lich normierten Schülerzahl von 50 eine factische Unmöglichkeit. Und nun
bedenke man erst 80—100, ja manchmal noch mehr Schüler in einer Classe
und frage sich, ob selbst der tüchtigste und geübteste Lehrer am Ende
eines Semesters nur mit einiger Beruhigung einen nur oberflächlichen Ueber-
blick über die Leistangsfähigkeit seiner Schüler erlangen kann. Dasselbe
gilt natürlich vielleicht in verstärktem Mafse von der Physik, wo die
Experimente einen grofsen Theil der Zeit ausfüllen müssen, wenn bei dieser
Altersclasse etwas erspriefsliches geleistet werden soll. In der dritten Classe
der Unterrealschule wird der vcrhältnismäfsig noch unreife Schüler mit
Chemie allzusehr überbürdet. Das Ziel, welches der bestehende Lehrplan
der Unterrealschulc zuweist, ist mit dieser Altersclasse nicht zu erreichen,
da nach dem Urtheile einsichtiger Schulmänner ein befriedigendes Resultat
in diesem Wissenszweige eine gröfsere Reife des Geistes erfordert, als die
Schüler des dritten Jahrganges in der Regel besitzen.
Was den geschichtlich-geographischen Unterricht anbelangt, so müsste
die Realschule sich dieses Bildungsmittels in weit ausgedehnterem Maß-
stäbe bedienen, als dies gegenwärtig geschieht Der geschichtliche Lehr-
stoff, auf den unteren Lehrstufen unbedingt wichtig, liegt ganz brach.
Die Erzählungen biographischen Inhaltes, welche nach dem Lehrplane von
1851 bei den Vorträgen über Geographie eingeflochten werden sollen, sind
für einen geregelten Geschichtsunterricht nur ein äufserst problematisches
Ersatzmittel. Dagegen wird Zeichnen in den drei unteren Classen mit
25 — 26 St gelehrt, ein Stundenausmafs, welches in einer Gewerbeschule
ToUkominen gerechtfertigt ist, für eine Mittelschule als zu hoch gegriffen
bezeichnet werden muss.
Diese Bemängelungen treffen allerdings blofs die Unterrealschule. Aber
auch die oberen Classen einer vollständigen Realschallehranstalt kdimen
Ä, Beer, Zur Reform der BealBohole. t8S
den strengen Anforderangen der Didaktik nicht entsprechen. Maschinen-
kunde und technische Chemie gehören in eine Fachschule, die Yerthei*
hing der Mathematik unterliegt gegründeten Bedenken und einzelne Lehr*
instalten hahen in der That theils selbständig, theils mit Bewilligung der
Torgesetiten Behörden Modificationen darin vorgenommen. Der Schwerpunct
der Mathematik ist in die vierte Classe verlegt und hei dem massenhaften
Stoff, der abgehandelt werden soll, gelingt es nur den besser begabten Köpfen
denselben innerlich zu verarbeiten, und der grofse reale und formale Nutzen,
den gerade ein gut geleiteter mathematischer Unterricht in einer Real-
schule abwerfen soll, geht theilweise in die Brüche. Auf diese Weise lässt
sich diejenige Sicherheit und Pracision des Wissens in der Elementarmathe-
matik ^ welche für das weitere Fortkonmien an den technischen Lehran-
stalten ein unbedingtes Erfordernis ist, nur schwer erreichen und die Kla-
gen bewährter Lehrer sind allgemein. In der besseren und intensiveren
Verarbeitung der mathematisch - naturwissenschaftlichen Disdplinen liegt
theilweise die Erklärung, warum Gymnasialschüler in Bälde an der Tech-
nik ihre Mitgenossen, die eine Bealschulbildung durchgemacht, übertreffen.
Auch der Zeichnungsunterricht in der Oberrealschule ist mit 26 Stunden
zu hoch bedacht. Man wollte dadurch die an der Kunstakademie bestehen-
den Elementarzeichnungsschulen überflüssig machen, ohne ganz den beab-
siehtigten Zweck zu erreichen, trotzdem unsere Realschulen im Zeichnen
vortreffliches leisten und die verdiente Anerkennung gefunden haben.
Durch die Aufoahme eines verhältnismäTsig groXIsen Stoffes aus den
Realien wurde die sogenannte humanistische Bildung zu sehr beein-
trächtigt, als dies in einer allgemein bildenden Mittelschule der Fall
sein sollte. Dieser Uebelstand wurzelt in der geringen Berücksichtigung
der sprachlich - historischen Gregenstände. Eine Beseitigung desselben ist
schon im Interesse der Techniker dringend geboten, welche in ihrer socia-
len und staatlichen Stellung einer eingehenderen humanistisch - wissen-
schaftlichen Bildung bedürfen, als die Realschule gegenwärtig zu gewähren
im Stande ist. Was z. B. die Geschichte anbelangt, so wurde oben auf
ihre mangelhafte Vertretung in der ünterrealschule hingewiesen, und doch
müsste gerade hier, bei der Empfönglichkeit der Jugend für das g^eschicht-
liche Studium, auf diese Disciplin und die damit im Zusammenhange
stehenden sprachlichen Fächer ein Hauptgewicht gelegt werden, während
erst in den oberen Classen sich die Hauptthätigkeit auf die mathematisch-
natunfissenschafklichen Fächer concentrieren müsste. Was die Sprachen
betrifft, so hat sich die gesammte Lehrerwelt Deutschlands für die Auf-
nahme fremder Sprachen in die Realschule mit entschiedener Einstimmig-
keit ausgesprochen, da eine einigermaüBen belangreiche Bildung in dem
Gebrauch der Muttersprache nur vermittelst des Studiums fremder Spra-
chen möglich ist. Die lateinischen Schulen verdanken ihren gegründeten
Ruf als tüchtige Vorbildungsanstalten nur dem Sprachstudium, und die
Realschüler stehen dort, wo dieses vernachlässigt wird, hinter den Gjrm-
nasiasten zurück. Der sprachliche Jugendunterricht ist auch für die ethische
Bildnng ein nicht gering zu schätzendes FörderungsmitteL Es ist bekannt
gwagt daas man das Hereindringen der natniwissonschaftlichen LehrfiUsher
26^
S84 A, Seer, T^ur Reform der ftealschule.
mit der Behauptung abwehren zu können glaubte, dass die iiaturwisseiiachaft-
liehen Disciplinen kein ethisches Bildungselement involrieren. So unrichtig
diese Ansicht in solcher Schroffheit aufgestellt sein mag, so sehr man daran
festhalten muss, dass die Naturwissenschaften auf Geist und Gemüth der Ja-
gend in bedeutendem Mafse einwirken, nur in ganz anderer Weise als di«
sprachlichen Disciplinen, und dass beide Richtungen, die naturwissenschaft-
liche und sprachliche, in einer allgemeinen Mittelschule vertreten sein
müssen, so lässt sich dagegen wol schwerlich in Abrede stellen, dass in
den unteren Classen die sprachlich - historischen Fächer für die ethische
Bildung belangreicher sind als die Naturwissenschaften. Die exakten Dis-
ciplinen wirken auf die Anschauung, die reproductive Einbildungskraft,
bilden den Verstand, mit einem Worte die intellectuellen Kräfte des See-
lenseins. Sie üben wol einen ethischen Einfluss, aber in indirecter Weisen
während eine directe Forderung der ethischen Erziehung durch die Betrach-
tung und Erkenntnis des menschlich-grofsen, wie es sich in der Geschichte
Tind Literatur offenbart, hervorgerufen wird.
Nach dem gegenwärtigen Organisationsplane sollen fremde Sprachen
an der Realschule wol gelehrt werden, aber nur als unobligate Fächer.
Was dies sagen will, wissen alle, welche den Charakter der Jugend richtig
beurtheilen können. Unobligate Lehrföcher haben nur auf höheren Bildungs-
stufen die wahre Theilnahme gefunden, wo die Reife des Geistes sich ein
klares Urtheil über die Nützlichkeit, ja Noth wendigkeit des Lehrfaches bilden
kann. Und gesetzt auch, die fremden Sprachen als unobligate könnten sich
ab fruchtbringend für den einsichtigeren Theil der Jugend erweisen, so ist
die Art und Weise, wie dieser Unterricht bisher ertheilt wurde, vom Stand-
puncto der Schule nicht zu billigen. Das Ziel, welches gegenwärtig bei
dem Sprachunterrichte angestrebt wird, ist Leichtigkeit der Conversation,
bekanntlich das Ideal sprachmeisterlicher Schulweisheit, und da lässt sich
nicht in Abrede stellen, dass der bedeutende bildende Einfluss, den ein
gut geleiteter Sprachunterricht gewähren kann, vollständig in die Brücha
geht; auch lässt sich nicht läugnen, dass der Schüler einen weit gröfiieren
Erfolg in Bälde erzielen kann, wenn er sich zu Hause unterrichten läsat.
Wird nun die Wichtigkeit eines obligatorischen Sprachunterrichtes
zugegeben, und es gibt im gesammten Deutschland kaum eine Stimme, die
sich dagegen erheben dürfte, so verdient die Frage eine besonders eingehende
Erörterung, ob sich die Realschule auf die modernen Sprachen zu beschribi-
ken habe, oder ob auch die classischen Sprachen des Alterthums oder
wenigstens eine alte Sprache, und zwar das Lateinische , in den Kreis der
Unterrichtsgegenstände zu riehen sei. Dieser Punct ist gegenwärtig noch
C^enstand einer heftigen Controverse, wie vor dreifäig Jahren, und wir
halten es für eine Pflicht, trotzdem er allseitig erörtert und beleuchtet
wurde, die verschiedenen Ansichten demnächst in einem speciellen Artikel
einer aufmerksamen Prüfung zu unterriehen.
Es ist eine leider nicht wegzuläugnende Thatsache, dass unsere Schul«
Organisationen entweder Erbschaften einer durchaus anders denkenden Zeit,
oder aber Schöpfungen eines momentanen tief gefühlten Bedürfhisses sind.
BieM tivgen soduin das Gepräge der Hast und Eilfertigkeit an der S&tttb,
Ä. Beer, Zar Reform der Be^UdiiÜB, ;i^
^iber ea wire ein unverzeihlicher Fehler, in Folge der Erkenntnis einzelner
iC&ngei dai Ganze omstorsen zu wollen und anstatt eine Fortbildung ^ni
Fortentwickelung anzustreben, eine totale Umbildung vorzunehmen, Di^
Erziehung gleicht in dieser Hinsicht der Baumzucht, sie vertragt kein
aUzuhaufiges Umsetzen. So vielfache Uebelstände unsere Bealschule aufzu-
weisen hat, im wesentlichen hat man das richtige getroffen, wenn man
den Charakter dieser Schalgattung, als für den Bürgerstand berechnet
ansieht und dieselbe auf anderen Grundlagen aufgebaut hat, als unsere
^ehrten Mittelschulen. Durch die Au&ahme des lateinischen Sprachunter-
riehtes wird das Wesen der Eealschule vollständig verschoben. Die beiden
.Hauptgattungen der Mittelschulen sollen vom Anfang an scharf geschie-
den, alle vermittelnden Halbheiten vollständig vermieden werden. Die Ein-
liieilung der Schulen in Realschulen und Gymnasien ist keine willkürlich
ersonnene, es ist eine Scheidung nach dem künftigen Stande und der Le-
bensweise. Es g^bt nun einmal eine grosse Classe, welche, ohne gelehrtes
Wissen zu bedürfen, eine vollkommene aUgemeinere Ausbildung anstrebt,
und man kann nur der Ansicht eines bewährten Schulmannes beistimmen,
der das Wesen der Realschule darin sucht, dass sie allen denen dienen
soll, welche nicht auf Handarbeit oder Kopfarbeit ausschlief^lich angewiesen
sind, sondern eine freiere Bildung für die Gegenwart beabsichtigen, ohne
den historischen Weg über Athen und Rom einzuschlagen. IhrCentrum
haben die Realschulen in den Naturwissenschaften und neue-
ren Sprachen zu suchen.
Nur dann müsste man sich mit aller Entschiedenheit fUr die Auf-
nahme der lateinischen Sprache in den Lehrplan der Realschule ausspre-
chen, wenn sich in der That strict beweisen liefse, dass die Lehrobjecte,
wdche die Realschule in bevorzugender Weise zu berücksichtigen hat, wie
moderne Sprachen, die deutsche Sprache, die Geschichte, Mathematik und
die Naturwissenschaften formelle und ideale Humanitätsbildung nicht ge-
währen können. Wenn die Realschulen bisher hinter den durchschnittlichen
Leistungen der Gymnasien zurückgeblieben sind, so lag dies zum Theil in
ihrer Organisation und in der Neuheit dieser Anstalten. Ihnen steht nicht
eine Jahrhundert lange Erfahrung zur Seite, welche es ermöglicht, Ein-
seitigkeiten und Misgriffe zu vermeiden ; sie mussten sich mühsam, von den
Regierungen Anfangs wenig unterstützt und begünstigt, Bahn brechen,
ehe es ihnen gelang, jene hervorragende Stellung einzunehmen, welche
ihnen nun und nimmermehr abgestritten werden kann. Es mag sein, dass
eine gewisse Art von Bildung nur vermittelst der classischen Sprachen zu
erreichen ist, aber sie als Ziel des Jugendunterrichtes hinzustellen, dürfte
eine vollständige Verkennung der Interessen der Gegenwart und Zukunft sein.
Für diejenigen, welche sich dem Gelehrtenstande widmen, ist gewiss ein
Zurückgehen auf das Alterthum eine Nothwendigkeit, nicht dasselbe lässt
sich Ton jenen behaupten, welche sich irgend einem praktischen Berufe
hinzugeben gesonnen sind, einem Berufe, der mehr ein genaueres Ein-
gehen in die Verhältnisse der Gegenwart erfordert, ohne eines besonderen
Vertiefens in die Vergangenheit zu bedürfen.
S88 A» Beer, Zur Befonn der Bealsehnle.
Die Bealschulen haben in melir&cher Hinsicht mit grofittn üebd-
stinden zn kämpfen gehabt Man betonte in der ersten Zeit ihres Eni*
Stehens meistens die praktische Richtung nnd wollte den verschiedenaitig-
sten berechtigten und unberechtigten Anfordenmgen möglichst geredrt
werden. Daraas entstanden die buntscheckigen Lectionspl&ne, welche das
Gepräge der ünausf&hrbarkeit an der Stime tragen. Diese Yeriming hal
die Bailschule glücklich überwunden und der reine ütUitätsstandpimel
yerliert an Boden. Nicht dasselbe lässt sich von der anderen Richtung b^
haupten, welche die sogenannte allgemeine Bildung allzusehr berllckBieli-
ügend fftr die Aufnahme des lateinischen Sprachunterrichtes plaidiert Und
doch ist die bevorzugende Hervorhebung des Latein als eines zur allge-
meinen Bildung nothwendigen Lehrstoffes eine ebenso groDse Einseitig-
keit, wie die ausschlie/bliche Betonung des praktischen Elementes.
Welcher Richtung man sich auch zuneigen mag, in dem einen Punetc
stimmen die meisten Lehrer überein, dass der obligatorische fremde Spnudi-
unterricht zur Hebung und Entwickelung unseres Realschulwesens nur aid
die wirksamste Weise beitragen kann. Freilich wird sich dies in dem dei
Realschule gegenwärtig zugewiesenen Zeiträume von sechs Jahren nur sdiwei
bewerkstelligen lassen. Wenn auch vielleicht durch das Hinweg&llen da
sogenannten praktischen Disciplinen einige Stunden gewonnen werden, m
reichen diese für den Sprachunterricht nicht aus. Auch ist eine Beschiin-
kung der wöchentlichen Lehrstunden eine Noth wendigkeit, da nnsenii
Knaben mit dreiunddreiXlsig Stunden in der Woche schon auf den unter
sten Stufen zu viel zugemuthet wird. Durch die Vermehrung der Jahree-
eurse gewänne auch unsere Jugend zur freiem und ruhigem Entwickelong
der körperlichen Kräfte an Zeit Auch ist das frühzeitige Verlassen da
Schulen, um auf Akademien, technischen Anstalten berofswissenschaftUchei
Studien obzuliegen, durchaus kein Vortheil. Um bei dem gegenwärtig«
Stande der Wissenschaft den Anfordemngen einer technischen Hochschnl«
im strengsten Sinne des Wortes gerecht zu werden, ist eine gewisse Beifd
des (Geistes erforderlich, welche bei dem jetzigen Zeitausmallse der Real«
schule nur schwer erzielt werden kann, wie es ja nach dem Ausweise einei
bewährten Statistikers bekannt ist, dass ein grofser Theil unserer Beal<
Schüler die vollständige Realschule nicht in sechs, sondern in sieben Jah-
ren absolviert
Wien. Adolf Beer.
Vierte Abtheilung.
Miscellen.
(Die Schvi'Proaramme und Dissertationen und ihr Vertrid) äurd^
den Buchhandel.) In der 22. Versammlnng deutscher Philologen und Schul-
minner, welche im Herbste 1863 zu Meifsen gehalten wurde, beabsichtigte
Dr. Reiah. Bechstein einen Vorschlag über „die Literatur der Schul-
nrognupme, ihre Verwerthung für die Wissenschaft und ihre Concentration
durch den Buchhandel** zur Berathune vorzulegen; da der Gegenstand
wegen Kürze der Zeit nicht hatte zur Verhandlung gelangen können, so
machte Dr. Bechstein nachher seinen Vorschlag durch eine Druckschrift
bekannt, von deren Inhalt Ref. im vorigen Jahrgange dieser Zeitschrift
(1864. 8. 217 f.) Nachricht gegeben hat. Der letztjährigen in Hannover
abgehaltenen Philologenversammlung war erneuter Anlass zur Verhandlung
dieser Frage gegeben, indem die Buchhandlung S. Calvaryet Comp, in
Berlin einen gearuckten Aufsatz „Die Schulprogrammc und Dissertationen
und ihr Vertrieb durch den Buchhandel** an die Versammlung eingeschickt
hatte. Der Vorschlag erfuhr ein ähnliches Schicksal wie der voijährige,
indem wiederum die knapp bemessene Zeit seine Verhandlung ausschloss;
jedoch wurde eine Commission ernannt, welche der im nächsten, also in
dem gegenwärtigen Jahre zu haltenden Philologenversammlung einen all-
seitig erwogenen Bericht zu erstatten habe ^vgl. in dieser Zeitschrift 1864.
S. 780 1). Die von Calvary jener Versammlung übcrgebene Schrift liegft
i'etzt dem Ref. vor, und er hält sich im Interesse der praktisch wichtigen
frage, um die es sich hierbei handelt, verpflichtet, den Lesern dieser Zeit-
schrift von ihrem Inhalte Kunde zu geben.
Calvary erhebt zunächst Bedenken gegen das Speciello des Bech-
8tein*schen Vorschlages, und sucht nachzuweisen, dass aerselbe in Betreff
seiner Ausführbarkeit nach allen Seiten hin auf unbesiegliche Hinder-
nisse stofse. Es kann sein, dass Calvarv hierin Recht hat; es kann sein,
dass die Schwierigkeiten noch gröfser dargestellt werden, als sie in Wirk-
lichkeit sind; dem Ref. kann es nicht einfallen, sich in Discussion einer
Frage rein buchhändlerischer Praxis einzulassen. Das Wichtige der Publi-
cation liegt vielmehr darin, dass eine Buchhandlung, welche seit Jahren
sich speciel mit dem Vertriebe von Programmen und Dissertationen be-
schäftigt und für deren Bekanntwerdung durch zweckmäTsige Kataloge und
för ihre Erreichbarkeit durch den Handel Anerkanntes geleistet hat, ihrer-
seits mit einem Vorschlage auftritt, in welcliom das, was sie von den Lehr-
anstalten oder den Verfassern von Programmen und DissertAtionen nach-
sucht, und was sie dagegen ihnen zu leisten zusagt, bestimmt formuliert
ist Der Vorschlag, der unzweifelhaft Beachtung verdient, lautet so:
„Wir bitten die Verfasser, uns von jedem erscheinenden Programme,
dem eine wissenschaftliche Abhandlung beigegeben ist, eine Anzahl Exem-
S88 Mittcellen.
plare zu übersenden, bei denen wir die Kosten der Uebersendan^ , &lb
dieselbe durch ein Postpacket oder auf dem Wege des Buchhandels fije-
schieht. übernehmen. Wir Yergrüten für jedes Exemplar der eingesandten
Abhandlung nach Mafserabe des Inhaltes ein- bis ein und einen halben
Silbergroschen für den Dnickbogen, und zwar je nach Wunsch in Um-
tausch gegen Schriften und Werke, welche aus unserem Lager entnommen
werden, oder gegen Anweisung auf unsere Handlung oder an unseren Leip-
ziger Commissionär. Es müsste natürlich dieser Mafsregel eine Verständi-
gung zu Grunde liegen. Von philologischen Schriften, seien sie nun kriti-
schen oder exegetischen Inhalts, erbitten wir zwölf Exemplare, von wissen-
schaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der mathematischen, naturwissen-
schaftlichen und historischen Literatur je sechs Exemplare, von anderen
Frogrammen genügen drei Exemplare, welche jedoch nur durch Vermitt-
lung einer Buchhandlung zu übersenden sind. Wir verpflichten uns aul^r-
dero, ein Exemplar dieser Schriften zur Benutzung an den Herausgeber
des „Schul- Kalenders** zu überweisen und die Titel Herrn Professor Dr.
Zamcke zur Publication im Literarischen Centralblatt mitzutheilen ; end-
lich nach Muster der anliegenden ^UeberücH der Schul-Programme und
Dissertationen in den phüosophiscJien Faciätäten aus dem Jahre 1863^
alljährlich ein Verzeichnis der erschienenen Programme zu pablicieren.
Dieses Verzeichnis wird allen gelehrten Anstalten und den Gelehrten, welche
es wünschen, gratis und portofrei zugestellt, und werden wir aufserdem
durch geeignete Mittel für die weiteste Verbreitung Sorge tragen.**
Das in diesem Vorschlage erwähnte Muster der Uebersicht über die
im Jahre 1863 erschienenen Universitäts- und Schulschriften enthält auf
20 Seiten die Titel von 9G7 Monographien. Die Anordnung anter ver-
schiedene Hauptrubriken ist in der Weise praktisch eingerichtet, dass es
leicht ist, sich über die neuen Erscheinungen auf jedem einzelnen Gebiete
zn orientieren. Unvollständig ist die Angabe des Preises, indem sich nur
die allgemeine Bemerkung flndot „der Preis der Abhandlungen ist durch-
schnittlich für den Bogen 3 Silbergroschen; Tafeln, Kupfer und Karten
werden für sich a 3 Silbergroschen berechnet", dagegen bei den einzelnen
Monographien weder der Preis noch die Bogenzahl angegeben ist. Wahr-
scheinlich ist es der Handlung nicht möglich gewesen, diese speciellen
Angaben gleichmäfsig für alle Abhandlungen durchzuführen und sie hat
es deshalb vorgezogen, sie bei allen wegzulassen. Es ist dringend zu wün-
schen, dass für die Folge die Vervollständigung der bibliographischen An-
gaben in dieser Hinsicht ermöglicht werde. — Besonders zu erwIUinen ist
noch eine zu dem Texte des Vorschlages selbst gegebene Anmerkung S. 5 f..
indem darin diejenigen Schriften verzeichnet sind, welche die seit 1825 in
Deutschland erschienenen Schulprogramme in übersichtlicher Weise kata-
logisiert haben; gröfsere Bibliotheken sollten darauf bedacht sein, diese
bibliographischen Hilfsmittel sich nicht fehlen zu lassen.
H. Bonitz.
(Das königliche phüologiscJ^e Seminar an der Universität Leipzia.)
Es ist bekannt, in welchem MaTse die köiiigl. sächsische Regierung in der
jüngsten Zeit das naturwissenschaftliche Studium an der Universität Leipzig
gefördert hat, indem dieselbe neben dem bereits bestehenden Lehrstuhle
der Physiologie ein physiologisches Institut auf das liberalste geendet
und mit reichlicher Dotation ausgestattet hat; die Kunde davon ist uns
dadurch näher getreten, dass zur Organisierung und Leitung des neuen In-
stitutes ein ausgezeichneter Forscher berufen ist, der ein Jahrzehent hin-
durch in Oesterreich für Ausbreitung seiner Wissenschaft segensreich und
in allgemeiner Anerkennung wirkte. Dass diese Bemühung der sächsischen
liegierung nicht aus einer einseitigen Bevorzugung des naturwissenschaft-
lichen Gebietes hervorgegangen ist, wie sich eine solche durch die Achtung
der Zeit wol erklären liefse, sondern aus gerechter Würdigung der Bedeu-
tung, welche wissenschaftliche Bildung überhaupt hat, beweist die gleich-
MiflceUeiL 98S
wMge Qrganisienuig des philologischen Seminars und die Ausstattung des-
selben mit einer Dotation, welche insbesondere im Verhältnisse zu dem
Umfange, in welchem „tüchtige Lehrer für Gymnasien und höhere Lehr-
anstalten zu bilden"* dem dortigen Seminar oblie^^ als sehr wohlwollend
bemessen anerkannt werden muss. Wir theilen im nachfolgenden das so
eben festoestellte Statut des Leinziger Seminars mit; manchen Lesern der
Zeitschritt, die früher dem philologischen Seminar einer österreichischen
Unirersität als Mitglieder angehörten, dürfte es interessant sein, daraus
zu ersehen, wie die Hauptpuncte der Einrichtung, durch die Natur der
Sache selbst bestimmt, überall eine wesentliche Uebereinstimmung zeigen.
Das Statut lautet:
§. 1. Der Zweck des königlichen philologischen Seminars ist, das
Studium der classischen Literatur und Alterthumskunde durch praktische
üebungen den Studierenden lebendig und fruchtbar zu machen und auf
diesem Wege tüchtige Lehrer für Gymnasien und höhere Lehranstalten
in bilden.
§. 2. Die Direction dieses Seminars wird von den ordentlichen Pro-
fessoren der classischen Philologie gemeinschaftlich gefiihrt. Die Geschäfts-
führung wechselt alljährlich unter den Directoren ab.
|. 3. Die Uebuneen im Seminar sind öffentlich und es steht Jeder-
mann frei, denselben als Zuhörer beizuwohnen.
§. 4. Die Hebungen bestehen in Interpretation griechischer und latei-
nischer Schriftsteller, in Abfassung selbständiger schriftlicher Arbeiten in
lateinischer Sprache über Gegenstände aus dem Gebiete der classischen Alter-
tibnmswissenschaft und deren Besprechung.
§. 5. Die Vertheilung der Uebungsgegenstände unter sich bleibt der
Verständigung der Directoren überlassen.
§. 6. Die Mitgliederschaft zerfällt in zwei Abtheilungen , in ordent-
liche und auTserordentliche Mitglieder.
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder ist auf zwölf festgestellt, da-
gegen soll die Aufnahme aufserordeutlicher Mitglieder an keine bestimmte
Zahl gebunden sein.
§. 7. Als auf^erordcntliches Mitglied kann jeder Studierende, welcher
wenigstens ein Semester philologische Vorlesungen mit Eifer besucht hat,
in diu Seminar eintreten. Wer als ordentliches Mitglied aufgenommen sein
will, hat als Beleg seiner wissenschaftlichen Fortschritte eine lateinisch
geechriebene Abhandlung über einen Gegenstand aus dem Gebiete der
classischen Alterthumswissenschaft einzureichen, und auf Grund dieser Ab-
handlung entscheiden die Directoren über seine Aufnahme, wobei zugleich
vorausgegangene eifrige Betheiligung als aufserordcntliches Mitglied zur
besonderen Empfehlung gereicht.
§. 8. Die Ergänzung der unter den ordentlichen Mitgliedern ent-
standenen Lücken erfolgt zu Anfang eines jeden Semesters; gleichzeitig
wird von dem geschäftsfuhrenden Director die Anmeldung der aufserordeni^
liehen Mitglieder entgegengenommen.
§. 9. Die ordentlichen Mitglieder sind verpflichtet, sich in regel-
mäfbiger Reihenfolge den Interpretationen und Disputationen zu unter-
ziehen, und jedes derselben hat m jedem Semester mindosteus eine schrift-
liche Arbeit einzureichen. Den aufserordentlichen Mitgliedern yteht es frei,
so weit es die Umstände erlauben, sich an beiden Üebungen zu betheiligen.
§. 10. Aus der Mitte der ordentlichen Mitglieder wählen die Direc-
toren den Senior, welcher für den ununterbrochenen Fortgang und die
gleich mäfsige Vertheilung der Arbeiten einzustehen hat.
§. 11. Jedes ordentliche Mitglied empfängt an regelmäfsigen Stipen-
dien je zwanzig Thaler am Schlüsse jedes Semesters, welches Stipenaium
ihm aber nur dann verabfolgt wird, wenn es während des Semesters seinen
Verpflichtungen eifrig nachgekommen ist. Dagegen kann entschiedener Un-
fleifs nicht blols Entziehung des Seminarstipendiums, sondern nach BefiU'
den auch Aasschliefsung aus dem Seminar zur Folge haben.
892 Personal- und Schalnotizen.
schaftlichen Facnltat in Graz enthohenen Dr. Donat An^st Lang die
Allerhöchste Zufriedenheit mit dessen nach verschiedenen Richtangen ge-
leisteten ersprief suchen Diensten bezeugt; dem Privatdocenten an der k. k.
Universität in Wien, Dr. S. Rein i seh, die errofse goldene und dem Lehrer
an der OR. in Klagenfurt, J. Reiner, die goldene Melaille fUr Kunst
und Wissenschaft zuerkannt; ferner dem bei dem Unterrichts rathe zur
Dienstleistun sr zugewiesenen Ministerialsecretär des Staatsministerinms, Dr.
Alexander Ritter v. Pawlowski. das Ritterkreuz 1. Cl. desherzogl. Sachsen-
Emestinischen Hausordens, dem Professor am Wiener polytechn. Institute,
Dr. Hugo Franz Brachelli, das Ritterkreuz 2. Cl. dieses Ordens, nnd
dem Professor an der Wiener Universität. Hofrath Dr. Karl Rokitansky,
das Ofßcierskreuz des kön. griechischen Erlöser-Ordens annehmen nnd tragen
zu dürfen Allergnädigst gestattet worden.
iSe. k. Hoheit der Durchlauchtigste Hr. Erzherzog Karl Ludwig
hat vor kurzem das k. k. Gymnasium zu Graz mit einem Besuche beehft
und demselben 28 prachtvolle Preisbücher zur Vertheilung als Pi^mien an
die vorzüglichsten Schüler zustellen lassen.
Am 18. April 1. J. haben die von dem h. k. k. Staatsministerinm
mit Erlass vom 7. d. M. bestätigten akad. Würdenträger an der k. k. Uni-
versität zu Krakau, nämlich als Dccane die k. k. Professoren Dr. Wilczek,
Dr. Buhl. Dr. Piotrowski und Dr. Brätranek, dann als Prorector
der k. k. Prof. Dr. Teliga und als Prodecane die k. k. Professoren Dr.
Sosnowski, Dr. Burzynski, Dr. Mayer und Dr. Kuczynski ihre
Functionen angetreten.
Dem Director der Centralanstalt ft\r Meteorologie und Erdmagnetis-
mus Dr. Jelinek und anderen ist die Bewilligunpr zur Errichtung einer
österr. Gesellschaft für Meteorologie in Wien erthcilt und sind die Stata-
ten des letzteren Allergnädigst genehmigt worden.
Professor Alois v. §embera ist zum ordentl. Mitgliede der kais.
russ. Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde in Moskau er-
nannt worden.
Der krainische Museumsverein wurde mit Allerhöchster Entschliel^ang
in einen Musoalvcrein für Krain, unter Bewilligung der Statuteoi des
letzteren, genehmigt.
(Erledigungen, Concurse u. s. w.) Salzburg, OR., Lehrstelle
für Naturgeschichte als Hauptfach und Mathematik und Physik als Neben-
fach, Jahresgehalt (530 fl. ö. W., mit Anspruch auf Decennalznhuren. Ter-
min : Ende Mai 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 15, April 1. J., Nr. 87. —
Krainburg, UG., Lehrstelle för die altclassischen Sprachen, Jahresgehalt
735 fl. ö. W., sammt Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: 12. Mai L J.,
s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 22. April 1. J.. N. 92. — Wien, k. k. Central-
anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, 2. Assistentenstelle, vor-
läuflg für die Dauer eines Jahres, Jahresgehalt 420 fl. ö. W., mit Natnral-
wohnung. Termin: 15. Mai 1. J.. s. Arat«bl. z. Wr. Ztg. v. 23. Apnl L J.,
Nr. 93. — Communal-RSch. , 6 Lehrstellen, nämlich 1. nnd 2. (ir Natur-
geschichte und für deutsche Sprache an der Wiedner GR.; 3. und 4. ftr
Arithmetik verbunden mit Physik und für Freihandzeichnen in den unte-
ren Classen der Rossauer GR.; 5. und 6. für Mathematik verbunden mit
Physik und für Geographie, wo möglich in Verbindung mit Natnrgs-
schichtean der RSch. in Gumpendorf, Gehalt 1050 fl., eventuell2G0 fl. 6. W.,
mit Anwartschaft auf Decennalzulagen nnd Quartiergeld von jährl 302 1
ö W. Termin: 31. Mai 1. J.; femer, Real-G. der Commune, 5 Lehr-
stellen, nämlich: a) für 3 Stellen beide clMsische Sprachen fdr das ge-
Penonml- vnd Sehulnotizeit. ÜOS
flunmie 0., oder das Latein fi\r das ganze nnd das Griechische flir das
UQ., nehst Beiahigang f&r den Unterricht im Deutschen för das ganze Q.;
b) für 1 Stelle Mathematik nnd Physik für das ganze G., und c) 1 Stelle
ftr das Freihandzeichnen an der gesammten RSch., Gehalt 1000 fl., eventuel
1200 fl. ö. W., mit Anrecht auf Decennalzu lagen , 240 fl. ö. W. Quartier-
geld und auf die Tantieme von dem einlaufenden Schulgelde. Terrain:
31. Mai L J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 25. April 1. J., Nr. 94; endlich k. k.
Tkerenanische Akademie, 2 Lehrstellen für französische Sprache, provi-
sorisch. Termin: 4. Juni L J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 16. Mai 1. J., Nr. 112.—
Hermannstadt, k.k. kath. Staats-G. (mit deutscher Unterrichtssprache),
Ldirstelle ffäa classische Philologie, Jahresgehalt 1050 fl. (cyentuel 945 fl.
5. W.), nebst Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: Binnen 6 Wochen,
▼om 20. April 1. J. an, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 27. April 1. J., Nr. 9G. -
Padua, k. k. Universität, Lehrkanzel des a^ninistr. Rechtes und der öst.
Statistik, Jahresgehalt 1200 fl. ö. W., nebst einer Jahresremuneration für
den Yortorag über die gesetzlichen Tractate in der mathematischen Fa-
cMkt Termin : 31. Mail J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztff. v. 29. April 1. J., Nr. 98. —
Petrinja (Militär-Grenz-Communität), 3class. IIB., zwei Lehrstellen, die
eine für geometrisches Zeichnen mit Geometrie und Baukunst, die an-
dere ftür Freihandzeichnen als Hauptfach , Jahresgehalt 525 fl. , eventuel
630 iL 5. W. und Anspruch auf Naturalwohnung oder Quartiergcld. Ter-
min: 15, Juli L J., s. Amtsbl z. Wr. Ztg. vom 4 Mai 1. J., Nr. 102. -
Bakovac (nächst Earlstadt;, k. k. OR., 2 Lehrstellen, die eine ftlr Chemie,
die andere für Naturgeschichte, Jahresgehalt 630 fl., eventuel 840 fl. ö. W.,
Bebst Anspruch auf Decennalzulagen und system. Quartiergeld. Termin:
16. JnU L J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 5. Mai 1. J., Nr. 103. — Ober-
Hollabrnnn, dclass., selbst. UR., 4 Lehrstellen, und zwar: für deutsche
Sprache und Geographie, für Arithmetik, darstellende Geometrie und geo-
metrischeB Zeichnen, für Physik, Chemie und Naturgeschichte, für Frei-
handieicbnen und Kalligraphie, Jahresgehalt 800 fl. 6. W., mit Anspruch
«of Pension, 200 fl. jährl. Functionszulage für den Director. Termin: 31. Mai
L J., zur Wr. Ztg. vom 10. Mai 1. J., Nr. 107, S. 519 und Amtsbl. z. Wr. Ztg.
v. 18. Mai L J., Nr. 110. — Olmütz, GR., Lehrstelle für Geographie
nnd Geschichte als Hauptfach, Jahres^ehalt 680 fl., eventuel 840 fl. o. W.
und Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: 31. Mai 1. J., s. Amtsbl. zur
Wr. Zig, V. 11. Mai L J., Nr. 108. - Teschen, k. k. kath. G., Lehr-
stelle nir Lateinisch und Griechisch, Jahresgehalt 785 fl., eventuel 840 fl.
^ W. nnd Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: Ende Mail. J., s. Amtsbl.
X. Wr. Ztff. V. 13. Mai 1. J., Nr. 110. — Graz, techn. Hochschule am
landschaftuchen Joanneum, Assistentenstellen (auf 2, eventuel 4 Jahre) bei
den Lehrkanzeln 1. der Physik und höheren Mathematik, 2. der darstellen-
den nnd pnüctischen Geometrie, 3. der Mineralogie und Geonaphie, 4. des
Maschinenbaues, 5. des Wasser- und Strassenbaues und 6. der Land- und
Pontwirthschaft, Jahresgehalt 400 fl. ö. W., bei Verpflichtung zu öffent-
liehen Repetitorien. Termin: 15. Juni 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. vom
13. Mai LJ., Nr. 110. — Croatien u. Slavonien, Lehrstelle am e. OG.
a OL oder nach Umständen 2. Cl. für Naturgeschichte als Haupt-, und
für Mathematik oder Physik als Nebenfach, Gehalt 735 fl., eventuel 840 fl.,
besiehnngsweise 946 fl. ö. W. und Anspruch auf Decennalzulagen. Termin :
Ende Juni L J., s. Amtsbl. zur Wr. Ztg. vom 16. Mai 1. J., Nr. 112. —
Capodistria, k. GG., Lehrstelle mit italienischer Unterrichtssprache ftlr
das mathematisch-naturwissenschaftliche Fach, Jahresgehalt 735 fl., even-
tuel 840 fl. ö. W. und Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: 18. Juni
L J., 8. AmtsW. z. Wr. Ztg. v. 16. Mai L J., Nr. 112.
(Todesfälle.) Am 16. November 1864 zu Brunn der hoffimngs-
▼olle Botaniker J. Nave, im 31. Lebensjahre (s. S. 375—876 d. Heftes).
— Am 32. Ffebruar L J. zu Nenyork Sr. Hochw. P. Laufberger
804 Personal- and Schalnotizen.
(geb. zu Gmnnden im J. 1820), Missionspriester aas der Gesellschaft Jean,
als Seelsorger über seine Kräfte thätig, in seinem Berafe.
— Am 23. Februar 1. J. zu Petersburg der wirkL Staatsrath Friedrich
V. Schmitt, der bekannte Verfasser der Biographie Suwaroffs and des
Insurrectionskrieges von 1830 und 1831, im Alter von 78 Jahren.
— Am 15. März 1. J. zu Bückeburg der fürstliche Hofcapellmeiaier
Joseph Schmidt (geb. dortselbst am 26. September 1795).
— Am 25. März L J. zu Hamburg der langjährige Lehrer an der
Gelehrtenschule des dortigen Joanneanis Professor ninrichs.
— Am 26. März L J. zu Warschau Dr. Felix Paul Jarocki, an!
Jaroczyn, Director der naturwissenschaftlichen Sammlungen and ehe-
maliger Professor an der Universität alldort.
— Am 29. März 1. J. in Hilvcrsum bei Utrecht der, insbesondere
durch seine Arbeiten über Horaz und Virjril, bekannte Philolog, Professor
Peter Hofman Peerlkamp. (Vgl. A. a. Ztg. v. 8. April L J., Nr. 98.)
— Am 1. Apiil 1. J. in ihrer Villa am Comer See die hertthmte
dramatische Sängerin Giuditta Pasta (geb. 1798 zu Sarrano bei Mailand),
und zu Constanz Professor Wörl, als Verfasser zahlreicher Kartenwerke
bekannt.
— Am 2. April 1. J. zu London Richard Co b den (geb. am 3. Joni
1804 zu Dunford bei Midhurst in Sussez), der berühmte Vorkämpfer für
Handelsfreiheit, Parlamentsredner und Schriftsteller auf dem (xebiete der
Handelspolitik. (Vgl. A. a. Ztg. Nr. 95, 96, 97.)
— Am 3. April 1. J. zu Lemberg Sr. Hochw. Martin Ritter Ton
Barwinski, Haasprälat des h. Vaters, Dompropst am Lemberg gr. L
Metropolitancapitel , Doctor der Theologie, emer. Rector Magnificns der
Lemberger k. k. Universität, Ritter des Ordens der eisernen Krone 3. CL,
im Alter von 81 Jahren.
— Am 4. April 1. J. zu Augsburg der dortige Domcanellmeiater
Michael Keller, um kirchliche Mus3^ hochverdient, auch Fachscnriftsteller
(„Contrapunct"), und zu Paris der bekannte Verfasser der zahlreichen Gram-
matiken modemer Sprachen Ollendorf.
— Am 5. April 1. J. zu Olmütz der Organist und Regenschori an
der dortigen Thomas-Kirche Johann Pejscha, durch unermüdlichen Eifer
und seltene Ausdauer ausgezeichnet, im Alter von 74 Jahren.
— Am 10. April 1. J. zu Lemberg Dr. phil. Michael Osadca, gr.
k. Weltpriester, Lehrer am akad. G. zu Lemberg, im 29. Lebensiahre.
— Am 11. April 1. J. zu Berlin die pens. kön. preufls. Hofschaa-
spielerin Frau Auguste Crelinger, geb. Düring, verwitwete Stich (geh.
eoend. am 7. October 1795), als geniale Darstellerin tragischer Rollen in
classischen Meisterwerken, ausgezeichnet.
— Am 12. April 1. J. zu Lemberg die ruthenische Schriftstellerin
Frau Clementine Popiel, geb. Jelowicka, Gattin des gp^echisch- katho-
lischen Gjmnasialkatecheten, als Dichterin geschätzt, im 32. Lebensjahre.
— Am 13. April 1. J. zu Krakau Dr. phil. Franz Ritter von Stronski,
Professor und Universitätsbibliothekar an der dortigen Hochschale, emer.
Director der philosophischen Studien und em. Decan der philosophischoi
Facultät der Lemberger Universität, Landesschulrath u. s. w, und zn Karls-
ruhe der Ministerialrath Karl Amman n, einer der tüchtigsten Juristen
und eifrigsten Arbeiter auf dem Gebiete seiner Fachwissenschaft, im 49.
Lebensjahre.
— Am 13. (1.) April L J. zu Dorpat Dr. Adolf Wachsmath,
ordentl. Professor aer speciellen Pathologie und Klinik an der dortiMi
kais. russ. Universität, als Lehrer und Gelehrter gleich geachtet, isacS.
Lebensjahre.
— Am 14. April 1. J. zu Paris der Professor im Jardin des Plantes
Valenciennes, Mitglied des Institutes, im Alter von 79 Jahren, and
im Jura der berühmte Geologe Armand Grersly, 51 Jahre' alt
— Am 15. April L J. zn Prag J. a. Dr. Johann Nep. Kanka (geh.
Personal- und Schulnotizen. 395
ebendort am 10. November 1772), der älteste Landesadvocat Böhmens,
emerit Bector Magnificus der Prager Universität u. s. w., und zu Washing-
ton der Präsident der vereinigten Staaten von Nordamerika Abraham Lin-
coln (geb. am 12. Februar 1809 zu Hardin County, jetzt Lame County,
im Staate Kentucky), in Folge eines Meuchelmordes. (Vgl. A. a. Ztg. v. 6.
Mai 1. J., Nr. 126 u. f.)
— Am 16. April \. J. zu Dresden Dr. Ph. Eduard v. Wietersheim
(geb. 1787 in der Festung Luxemburg, die damals eine österr. Besatzung
hatte, als Sohn eines k. k. österr. Hauptmannes), früher Cultus- und Un-
terrichtsminister, auch als Schriftsteller (nüeschichte der Völkerwanderung",
4 Bde., u. a.^ und Publicist bekannt.
— Am J8. April 1. J. zu Düsseldorf Rudolf Wieg mann (geb. am
17. April 1804 zu Adensen unweit Hannover), Professor der Architektur
an der Kunstakademie zu Düsseldorf und Secretär derselben, durch archi-
tektonische und literarische Leistungen auf seinem Gebiete ausgezeichnet.
— Am 19. April 1. J. zu Wien der k. Rath und Director Wenzel
Nejebse, das älteste Mitglied des Wiener Männergesangvereines, seiner
Zeit ein eifriger Förderer Frz. Schubert 'scher Vocalmusik.
— Am 20. April L J. zu Bayreuth der Kath der Kegierungsfinanz-
kammer Karl Stokar v. Neuforn, ebenso gewiegt als Praktiker, wie
ausgezeichnet als Theoretiker, namentlich als Fachschriftsteller, und zu
Langensalza der zum ersten Vorstand des germanischen Museums designierte
Professor Dr. Bein, bisher 2. Lehrer am Gymnasium zu Eisenach.
— Am 22. April 1. J. zu Wien Emanuel v. Demerghel, Pro-
fessor der französischen Sprache und Literatur am k. k. Theresianum, im
Alter von 45 Jahren, und zu Prag Joseph Nawratil (geb. zu Schlau 1797),
als Fresken- und I.andschal'tsmaler vielbekannt und gescliätzt.
— Am 24. April 1. J. in Krain (am Berge zu St. Katharina) der
Geistliche Jakob Finsinger, als lateinischer Dichter gerühmt.
— Am 25. April 1. J. zu Stuttgart Prof. Karl v. Holtzmann (geb.
in Karlsruhe, am 23. October 1811), Director der dortigen polytechnischen
Schule. (Vgl. Beil. z. A. a. Ztg. v. 2. Mai 1. J., Nr. 122, S. 1985.)
— In der Nacht zum 27. April 1. J. zu Leitmeritz der Hoch wür-
digste Bischof alldort Dr. Augustin Bartholomäus Hille (geb. am 2. De-
cember 1786 zu Schönau in Böhmen), seiner Zeit Professor der Pastoral-
theologie, dann Director der Dioecesan - Lehranstalt zu Leitmeritz, Com-
mandeur des österr. Leopold-Ordens , wirkl. geh. Ratli, Hausprälat und
Thronassistent des heil. Vaters u. s. w., ein durch seine Wohlthätigkeit,
so wie durch literarische Arbeiten auf dem theologischen Gebiete ausge-
zeichneter Kirchenfurst.
— Am 28. April 1. J. zu Berlin der in Theaterkreisen als Sclirift-
steller nnd Redacteur bekannte Dr. ICarl Schlivian.
— Am 29. April 1. J. zu München der bekannte Bildhauer L. Schal-
ler (geb. zu Wien), in sehr vorgerücktem Lebensalter, und zu Genf der
ordentl. Professor der Medicin an der Universität zu Rostock, Obenuedi-
dnalrath Dr. Karl Georg L. E. Bergmann, ein ausgezeichneter Gelehr-
ter nnd Lehrer, auch als Fachschriftsteller ehrenvoll bekannt.
— Am 30. April 1. J. in seiner Landwohnung bei Norwood Vice-
Admiral Robert Fitzroy (geb. 1805;, als Meteorologe berühmt.
— Anfangs April 1. J. zu Darmstadt Dr. G. Haupt, Gymnasial-
director alldort, Psedagog und Gelelirter von Ruf, und ebendort der Hof-
bibliothecar Dr. Maurer, Oberstlieutenant a. D.
— Im halben April 1. J. zu Salzburg der k. k. Marine - Ingenieur
C. Mielichhofer, vordem Professor der Mathematik und Schiff baukunst
an der Marino -Akademie zu Triest, Verfasser eines einschlägigen Lehr-
buches (1857), im 37. Lebensjahre; zu Berlin der Director des dortigen
ftgyptiscnen Museums Passalacqua; in Kopenhagen der pens. dänische
(^neralmajor der Artillerie, von Baggesen, durch militärische und son-
stige wijweiischaftlidie Schriften bekannt; zu Turin der gelehrte Professor
89S Personal- nnd Schnlnotiseli.
Domenico Botta, und zu Florenz Frau Theodosia Trollope, geb. Gaf-
row, Gemahlin des engl. Romanschriftstellers Tr, selbst als Schriftstelle-
rin bekannt.
— Im April 1. J. zu Wien Johann Sedlaczck, fürstl. Ester-
hazy 'scher Kammervirtuos (geb. zu Obcr-Glogau, am 5. December 1789), der
Senior der hiesigen Musiker.
— Ende April 1. J. Flor. Luke seh, einer der thätigsten Professo-
ren des Czarvaser Collegiums; zu Gembloux in Belgien Ad. Scheler,
Professor der Zootechnik an der dortigen landwirthschaftlichen Schule, als
Uebersetzer deutscher und französischer agronomischer und thierärzUicher
Werke bekannt; Perrot-Gentil, Professor der Theologie zu Neufchatel,
der Verfasser der besten Uebersetzung des alten Testamentes in's Franzö-
sische, und zu Düsseldorf der Landschaftsmaler Julius Rollmann, als
Künstler von seltener Begabung, ein bedeutender Orientalist.
— In der letzten Aprilwoche 1. J. zu Hildesheim der Professor am
dortigen bischöfl. Priesterseminar Dr. theol. Schweers, ein bedentender
Orientalist.
— Am 2. Mai 1. J. zu Wien der k. k. Regierungsrath Jos. Ant
Edler v. Pilat (geb. zu Augsburg, am 20. Februar 1782), zahlreicher Or-
den Ritter, seinerzeit Hauptredacteur der Zeitschrift „Oesterreichischer
Beobachter**, als Publicist und Schriftsteller auf juridischem , poUtiscbem
und belletristischem Gebiete, so wie als treuer Anhänger der Dynastie und
echter Menschenfreund bekannt (vgl. Wr. Ztg. v. 7. Mai l. J., Nr. 1(^,
S. 483J, und zu Ofen der Fabrikshof- und Realitatenbesitzer Friedridi
Wertnor von Numvär, Inhaber des gold. Verdienstkreuzes mit der Krone
u. s. w. , Mitglied des geologischen Vereines u. m. a., im 64. Lebensjahre.
— Am 6. Mai 1. J. zu Bremen der Pastor Friedr. Ludw. Hallet
;eb. zu Braunfels, am 4. August 1792), erster Prediger an der Stephani-
irche, als Kanzelredner wie als theologischer Schriftisteller hochgeachtet.
— Am 7. Mai 1. J. zu Budweis der Domcapitular Dr. theol. Franz
Jechl, Professor der Pastoral theologie und Katechet an der dortigen Di<E-
cesan-Lehranstalt, emer. Seminarsrector u. s. w., im 55. Lebensjahre.
— Am 10. Mai 1. J. zu Hermannstadt Johann Karl Schaller (geb.
ebend. am 16. März 1794), Ritter des k. ö. Franz Joseph -Ordens, k. k.
Statthaltereirath und k. k. Schulrath für die ev. Schulen A. C. in Sieben-
bürgen , corr. Mitglied der kais. Akademie der Wissenschaften u. s. w., als
Jugendlehrer, Gelehrter und weithin wirksamer Schriftsteller ausgezeichnet
— Am 11. Mai 1. J. zu Marburg der dortige R.- und Normalscbnl-
director Andreas Schocher.
— Am 13. Mai 1. J. zu Wien Franz Herz, Lehrer an der UR.- und
Normalhauptschule bei St. Anna in Wien, als Schulmann ausgezeichnet,
so wie durch sein declamatorisches Talent bekannt, im Alter von 68 Jahren.
(Diesem Hefte sind zwei literarische Beilagen beigegeben.)
Erste Abtheilung.
Abhandlungen.
Beiträge zur Texteskritik der Fabulae des Avianus.
Wenn ich im folgenden eine Keihe von Stellen dieses späten
Fabulisten eingehend behandle, so wird wol niemand die Ansicht
hegen, dass ich gleich jenen Philologen des siebzehnten Jahr-
hunderts gerade dem Autor, mit welchem ich mich beschäftige,
einen besonderen Werth beilege. Ich weifs nur zu gut, dass
Avianus ganz ein Eind seiner Zeit ist und auch in dieser weder
viel Talent noch einen besonderen Geschmack offenbart. Obwol
er den Stoff und meisientheils auch die Ausfuhrung aus Babrios
entlehnt, so ist doch in der breiten und manirierten Darstel-
lung des lateinischen Bearbeiters kaum etwas von der Eleganz
und Anmuth des griechischen Originales zu entdecken"). In-
dessen ist doch dieses Fabelbuch als sprachliches Denkmal und,
da uns nicht wenige darin benützte Fabeln des Babrios ver-
loren sind ^), auch mit Bücksicht auf diesen Umstand nicht ohne
ein gewisses Interesse und insoferne ist es wol nur gerechtfer-
tigt, wenn man auch hier einen gereinigten und der ursprüng-
lichen Form sich möglichst annähernden Text herzustellen sucht,
and zwar um so mehr, je willkürlicher bisher der Text dieses
Schriftstellers behandelt worden ist. Nach den früheren Arbeiten
von Pulmann (1585) und Nevelet (1610) folgte die Aus-
gabe von Cannegieter (1731), der es zwar an einer sicheren
kritischen Grundlage und Methode fehlt, die aber im einzelnen
viel beachtenswerthes bietet. Denn mag sich auch in dem dick-
') Vgl. Benihardv röra. Lit. S. 632 (4. Aufl.). Etwas günstiger urtheilt
üfcr unseren Dichter 0. Keller „üeber die Geschichte der griech.
Fabel", Jahrb. für class. Phil. 4. Suppl., 3. Htft, S. 410 ff. und in
Pauly's Realencycl. 1. Bd. S. 1326 (2. Aufl.).
') Von den 42 Fabeln des Avianus lassen sich 24 in der uns erhal-
tenen Sammlung des Babrios nachweisen; für die 9. Fabel finden
wir wenigstens ein Bruchstück des Babrios erhalten (140 Schneide-
win). Es ist aber kein Zweifel , dass auch die anderen 17 Fabeln
urspiünglich in dem Fabelbuche des Babrios standen.
ZelUcbrtft f. d. Oiterr. GymsAS. 18(6. VI. Heft 27
398 K. Schenkt, Zur Texteskritik des Arianus.
leibigen Buche genug verkehrtes finden, so hat doch Cannegiete
an nicht wenigen Stellen die richtige Lescart gefunden und seine
Nachfolger hätten gar manche Bemerkung in diesem Commen-
tare nicht vornehm ignorieren sollen. Muss man nun über Canne-
gieter mit Kücksicht auf den damaligen Stand der Wissenschaft
ein anerkennendes Urtheil fällen, so kann man nicht umhin die
Ausgabe von Lachman n (1845) strenge zu beurtheileu und offen
zu gestehen, dass sie wirklich ein Beispiel darbietet, wie der
Text eines Schriftstellers nicht recensiert werden soll. Ohne
über eine ausreichende kritische Grundlage zu verfügen hat Lach-
mann den Text ganz nach seinem Belieben behandelt, wodurch
sich allerdings, wie nicht anders zu erwarten war, manche schöne
Emendation ergeben hat, zugleich aber auch der Text durch eine
grofse Anzahl imnöthiger, willkürlicher und oft nichtssagender
Conjecturen entstellt worden ist. Ganz verkehrt aber ist das
Verfahren Lachmann's in Ausscheidungen von angeblichen Inter-
polationen, durch welche er einige Fabeln sogar auf die Hälfte
ihres ursprünglichen Bestandes beschränkte. Manche Fabel hat,
wie dies bei einem so breiten Schriftsteller nicht anders der Fall
sein konnte, dadurch gewonnen; in anderen hingegen ist der
Zusanmienhang, ja oft geradezu der Sinn zerstört worden ^). Be-
sonnener ist in dieser Hinsicht Fröhner vorgegangen, dessen
Ausgabe (1862) wir einen kritischen Apparat zu verdanken haben;
die Sucht zu conjicieren aber theilt er mit Lachmann und darum
muss man an vielen Stellen die ursprüngliche Leseart verthei-
digen, an manchen anderen den Versuch machen, ob nicht mit
leichteren Mitteln, als es bei den oft willkürlichen Emenda-
tionen Fröhner's der Fall ist, den Schwierigkeiten abgeholfen
werden kann *).
Gleich für die praefatio können wir einen nicht uninteressan-
ten Beitrag aus einer Handschrift liefern, nämlich aus dem Codex
CCCVI (Endlicher) der Wiener Hofbibliothek, einer genauen
Copie von einer Sammlung, die sich Sann^izar aus mehreren
alten Handschriften angelegt hatte (vgl. Haupt prsef. zu seiner
Ausgabe von Ovid's Halieutica p. XXIV ff.). Dort findet sich
fol. 25, b auch die praefaiio ad Theodosinm^ welcher folgende
Worte vorangehen: „iw allo item codke in eadem bybli4jtheca
inuento sie habetur'^ ; was für eine Bibliothek hier gemeint ist,
ergibt sich aus der Bemerkung über eine im vorhergehenden
•^ Vgl. L. Mttllor de re metrica poet. lat. p. 5r>. — Mit Lachniann
stimmt wenigstens theilweise Bemhardy (a. a. 0.) übercin: „Gro])e
Plattheiten oder Schnr)rkel lassen sich als Nacharbeit ausscheiden,
was Lachmann oft mit richtigem Blick that (V) und gleichwol sitzen
noch Einschiebsel, welche der Ausdruck (wie lü, 9 und 10) verräth.**
*) Vgl. die treffliche Kecension der Ausgabe J'rölmer's von O. K., offen-
bar Otto Keller (Lit. Centralblatt, 1862, S. UlK) tf.), die wir im fol-
genden öfters aniühren werden.
JC Schetikl, Zur Texteskritik des Avianus. S99
mitgetheilte Handschrift des Ausonius, die als „codex uetustm
lugdunensis qiii ab Actio Sincero hiuentns est in Araris in-
sula^ bezeichnet wird. Dies gibt nun freilich keinen bestimmten
Anhaltspunct, um über das Alter des Codex zu entscheiden ; da
aber derselbe mit den besten Handschriften übereinstimmt, so
gehört er gewiss nicht zu den jüngeren, um so mehr, als in
diesen fast durchaus die praefatio zu fehlen scheint. Die Ver-
gleichung mit dem Fröhner'schen Texte bietet folgende Varianten:
„qtioyiam, occurrit, in iis, incubvt neccssitas (das letztere Wort
in ras.), greca eruditione snperes et latina llo^nanos, legenda,
diuinis opcrünis, quod inde s^d) locorum *) commiinium, coarc-
iauity cwnpo»itas, adgnoscas^ loqiii xwro, ipm animis"'^ worunter
allerdings nur eine ijeue Leseart von Werth erscheint, nämlich in
den Worten „cww^ in utroque liiterarum genere et Atticos graeca
eruditione snjyeres et latinitate lio^nanos,'' Hier ist nämlich,
wie dies schon Barth Advers. XIX, 24 bemerkt hat, J^atini-
tate^ unpassend, während durch das im Vindobonensis über-
lieferte Jatina^ ein ganz entsprechender Ausdruck gewonnen
wird. — Wir schliefsen hieran gleich die Besprechung einiger
anderer Stellen der praefatio, und zwar zuerst der Worte: „qno-
nam lUteranwi tiiulo nostri nominis meniorimn niandaremns'')'' ^
wo Fröhner (oder eigentlich Cannegieter) „quoinam'' vorgeschla-
gen hat, während Lachmann lieber im folgenden ^nostra nomina
fnenwriae m,^ hergestellt haben wollte. Es bedarf aber, wie
auch 0. Keller bemerkt hat, keiner Aenderung, da man zu man-
daremus leicht ein posteris im Gedanken ergänzen kann. Un-
streitig verderbt dagegen ist „vi legenda fimmret^y wofür
Fröhner die Conjectur Lachmann's „m^ sequenda f,^ aufge-
nonmien hat, die sich aber weder durch einen treffenden Sinn,
noch durch Leichtigkeit der Umänderung empfiehlt. Wenn ich
nun hiefür eine andere Emendation in Vorschlag bringe, so gehe
ich dabei vor allem von der Bemerkung aus, dass Avianus in
seiner praefatio den prologus zu dem ersten I3uche des Phsedrus
offenbar nachgeahmt hat. Dies geht unzweifelhaft aus dem Schluss-
satze hervor, welcher den gleichen Gedanken wie die letzten Verse
bei Phsedrus fast mit denselben Worten ausdrückt*^). Dies be-
rechtigt uns nun in den Worten „(/?(i responso delphici Apol-
*) Dieselbe Leseart, welche auch Barth Advers. XIX, 24, aber iiiit
Unrecht vertheidigte, findet sich noch im Voss. U, in der editio
Lugdunensis und jener des Neveletus.
*) Man beachte übrigens die Alliteration, die auch sonst bei Avianus
zu finden ist, z. B. Fab. 3, 1 curca reiro cedens dum fert nesti-
gia Cancer, 5, 10 pigraqxie praesumpUis, 17 ignotos imitato, G, 4
mulcehat miseras, 10 tierborum uuaiani, 7, 4 piUulis primum, G
dente dahat, 25, 8 pwtei j^rotemis tarn peüt u. dgl.
•) Man vergleiche Phsedrus prol. lib. I, v. G y^Quod arhores loquaniur
nan iantum ferae*" mit Avianus: ^Loqui uero arhores, feras cum
homifiihus geinere^ etc.
27»
4M K. Schefikl Zur Texteskritik des ÄTianos.
Unis fnonüus ridkuln arsus est, ut legenda firmard^ ein«
Nachbildung der Verse des Phsedrus zu finden: ,f Duplex libMi
dos est: quod riskim movet et quod prudenti uitam cansUio
nionet.^ Und so dürfte denn durch die Besserung „tä lege uiiam
firniaret'' die Stelle eine ganz entsprechende Fassung erhalten.
Keinen Anstofs aber nehme ich an diuinis operibus^ was
Fröhner nach dem Vorgänge Lachmann*s in diuinis sennanibus
umgeändert hat; denn es ist kein Zweifel, dass hier Sokrates
mit Piaton vollkonmien identificiert wird, weil er in allen Dia-
logen Piatons als der Erzähler oder Hauptunterredner hervor-
tritt, während Flaton sich durch nichts als den eigentlichen
Verfasser andeutet, und dann kann uns das „uerum hos pro
exeinplo fahdas et Socrates diuinis operibus indidü^ nicht be-
fremden. — Wir gehen nun zu den Fabeln selbst über.
I, V. 4 y^nam Jassaia ptier nimiae dat mernbra quieti.*^
Es ist natürlich nimie zu schreiben, was mit lassata verbünde
werden muss; das hat schon Barth Advers. XXXIX, 7 richtig
erkannt und eben darauf deutet auch die Leseart j^nimium*^ in
schlechteren Handschriften und alten Ausgaben hin®). — v. 9
y^cur inquit nullam refers de more rapinam.^ Da die Länge
des e in refers befremdete, so hat Lachmann referens und im
folgenden Verse distrahis (für set trahis)^ Fröhner praefers vor-
geschlagen. Soll denn aber ein refers undenkbar sein? Es ist
gewiss, dass die urspiüngliche Form der Präposition re: red
war, wie man dies deutlich aus red- arguere, red- imere u. s. w.
ersieht. Wir lassen hierbei die Frage über die Etymologie un-
berücksichtigt; denn mag nun red(i) mit Sanskrit iwa/i, Grie-
chisch TTQOTi identisch sein, wie dies Kuhn und nach ihm die
meisten Sprachforscher annehmen (vgl. G. Curtius Grundz. der
griech. Etym. 1, 250) oder mag dies nicht der Fall sein, wie
dies neuerdings Corssen behauptet hat (Kritische Beiträge zur
lat. Formenlehre S. 87 ff.), für unsere Auseinandersetzung wird
dadurch nichts geändert. Vor Vocalen nun erhielt sich red, vor
Consonanten hingegen fiel entweder d ab oder assimilierte sich
dem folgenden Consonanten, wodurch natürlich e durch Position
lang wurde (vgl. L. Müller de re metr. poet. lat p. 361 flF.). In
•) Nimium liest auch der cod. Vindobonensis CCLXX\'ll (Endlicher,
saec. XIVJ, der zu den schlechteren Handschriften gehört. Wir thei-
len, um eine Probe von ihm zu geben, die Lesearten zu der ersten
und zweiten Fabel mit: fol. 22, 6 Incipiunt auiani de rustico et
puero. - deflenti paruo iurauerat. — rapide, — audü, — penngü
ante fores irrita. — raptori, — fames. — sentit {in marg. m. 2
sensit), — air inquid nullam solito fers more rcqnnam. — sed
trahis, — namque rogas (as in ras.) praeda quae, — mkhi. —
credit adesse (m. 2 credidit esse). — U. de testudine, —- Pennatis,
— locuta efit. — desiUuisset. — arenis, — tanto quod (m. 2 tw-
digtium referens tarda quod sedtda gressu), — at. — aquüa. —
imviet. — querit. — pennis. — fero (m. 2 feri). — tunc quoque
sublimes, — exose. — penas cum.
K. Sdkenkl, Zar Texte»kritik des Aviauntf. 401
der Schreibweise aber blieb man sich nicht gleich, indem man
bald den doppelten, bald den einfachen Consonanten setzte, also
z. B. retidi neben rettuli. Beispiele solcher Assimilationen sind
die Perfecta repperi^ reppuli, rettnli, reWidi, ferner rellatum
(Lucr. 2, 1001), reccUlo, reccidi (Lucr. 1, 857, 1063; 5, 280;
Ovid. Met. 10, 18, 180; 6, 212; Rem. Am. 611), rcicio (eiff.
rejjicio) mit seinen weiteren Bildungen (vgl. Klotz Lexikon),
endlich rdligio, relliquiue (s. Müller a. a. 0.). Wenn sich nun
ein rettuli, rellatum nachweisen lassen, warum soll dann ein
reffers nicht ebenso gut gebraucht worden sein. Es ist somit
kein Grund vorhanden die Ueberlieferung zu verdächtigen. —
V. 13 „fMm quae praeda rogas quae spes contingere posset.^
Dass rogas verderbt sei, gesteht auch Fröhner zu; was er aber
dafür vorschlägt, procax^ mit der Bemerkung malim rogax (!)
kann in keiner Weise befriedigen. Die richtige Leseart, welche
sich auch in schlechteren Handschriften findet, ist offenbar rogo^
wie dies schon Cannegieter erkannt hat. Bei Babrios 16, 10
entspricht ntig yaQ, og yyvmid niarevio^ woraus auch Keller
mit Recht folgert, dass die Verse 15 und 16, welche Fröhner
als unecht beseitigen will, von unserem Dichter herrühren.
II, 2 y^si quis eam uolucruni constUuisset humi,^ So
lautet allerdings die Leseart der besten Handschriften, die aber
weder dem Zusammenhange, noch der Fassung bei Babrios
Fab. 115 entspricht, wo insbesonders v. 3 in Betracht kommt:
mfii TtTSQWTrjv evx^e zig TteiTotnuoi, Darnach ist kein Zweifel,
dass vielmehr ttolucrem, was sicn in mehreren Codices und auch
in A als Correctur findet, die richtige Leseart ist, wie dies auch
schon Keller bemerkt hat. Damit ist aber die Emendation der
Stelle nicht vollendet, indem dann nämlich humi keine Erklä-
rung zulässt; ich schlage daher vor Jmic zu schreiben (vgl. L.
Müller p. 270), das wol leicht in humi verderbt werden konnte.
III, 6 j^rtirsus inohliqiios neu uelis ire pedes.^ Auch
dieser Vers hat bei den Kritikern vielfachen Anstofs erregt,
und zwar scheint vor allem die Verkürzung des / in uelis be-
fremdet zu haben. Dieselbe findet sich aber nochmals Fab.
XXIII, 10 yjSeu udis esse deum'^ und kann bei einem so späten
Autor wie Avianus schwerlich in's Gewicht fallen, somit ist aus
diesem Gesichtspuncte weder die Conjectur Withof's „ne iuuet
ire*^^ noch die Fröhner's j^neue tuere'' berechtigt. Soviel aber
gestehen wir gerne zu, dass der Vers in der Form, wie er vor-
liegt, sich schwerlich erklären lässt; denn was soll wol Jn
öbliquos pedas ire*^ bedeuten ? Ich glaube daher, dass mit einer
sehr leichten Aenderung ^rursus in obliquum {obliqud) neu uelis
ire pede*^ geschrieben werden müsse, wodurch ein ganz passen-
der Sinn hergestellt wird.
IV, 1 und 2. „Inmitis Boreas placidusque ad sidera
Fhodms II iurgia cum magno conseruere loue/' In diesen beiden
402 K. ScUeukl, Zur Texte«kritik des Avianus.
Versen hat Lachmann „ad mhra"' in „aä cetera^ und ^Joiic"
in „vW>** umgeändert, und nach dessen Vorgange hat Fröhner
„/(X'o" in den Text aulgenommen, im ersten Verse aber „placi-
dus cithuristaqite Fhoebus^ geschrieben. Alle diese Vermuthun-
gen sind rein willkürlich und werthlos. Was „/oco** statt „/omc*
anbetrifft, so hat schon Keller mit Kecht bemerkt, dass die
Worte y^imieseniia munina"' (v. 15) die Kichtigkeit der über-
lieferten Leseart y.Iouc'' bestätigen®); dagegen will er im vor-
hergehenden Vei-se die nichtssagende Conjectur Lachmann's „ad
ct'tcm'^ in den Text aufnehmen, worin wir ihm nicht beistim-
men können. Eigeuthümlich ist nur der Gebrauch von „coit-
scriwrc^^ welches hier nicht in der gewöhnlichen Bedeutung,
sondern vielmehr in der von „mittheilen oder vorbringen" er-
scheint; damit verbindet sich nun einerseits „ad sidera"^ (zum
Olymp), um die Bichtung und Oertlichkeit anzudeuten, ander-
seits „cum magno loue^ zur Bezeichnung der Persönlichkeit.
Sollte man aber eine solche Ausdrucksweise auch bei einem
späten und manirierten Schriftsteller nicht für möglich halten,
dann würde ich eher „conseruerc^ als irgend ein anderes Wort
dieser Verse für verderbt erachten.
V, 1 — 4. „Metin sc qucmquc dccet praimisque iuuari\\
laiidibiis, altcrlus ncc hona ferre sihiy \\ iie d^trada grauem fa-
ciant miracula risiim, \\ coeperit in solis cum remamre nialis.*'
Was diese Gnome anbetrifft, so weist Keller darauf hin, dass
sich dieselbe wol als Nachahmung des Horatius, den Avianus
selbst in seiner Vorrede erwähnt, vertheidigen lasse. Als Vor-
bild betrachtet er Hör. Epist. I, 3, 18—20, die allerdings mit
V. 3 und 4 eine entschiedene Aehnlichkeit haben. Noch mehr
aber stimmt mit v. 1 die Stelle Hör. Epist. I, 7, 98 „Metiri
sc qmmque suo modulo ac pedc uerum cst^^ wornach man wol
diese Verse kaum einem mittelalterlichen Interpolator zuschrei-
ben kann. — v. 9 „ast uhi terribiUs animo circmnstetit honvr,*^
Da „animo^, wie wol Jedermann zugeben wird, verderbt ist,
hat Fröhner dafür „iam asino^ geschrieben, wobei vor allem
iam überflüssig ist, da eine Verlängerung der Arsis, wie wir
später sehen werden, bei einem solchen Dichter nichts auffallen-
des ist. Die Conjectur „amno^ ist allerdings leicht und nicht
gerade unpassend; wenn ich aber nicht irre, so verlangt man
ein bezeichnendes Wort, das wie im folgenden Vei-se „pigro^
zu „iiigor'^y so zu „tcrrihllis^ einen entsprechenden Gegensatz
bildet. Dies erreicht man, wenn mau animo {anw) in „uano"^
ändert. Uebrigens bemerke man noch, wie der Dichter die aus
Verg. Aen. II, 559 (at mc tum primum saeuus circumstdit
■') Der Pai-aphrast hat: „cum PJioebus et Boreas de praemineticia
uirium cantenderent cor am loue**; vgl. den Novus Avianus IV,
v. 5 n. 6.
]C Schefikl, Zur Texteskritik des Avianub'. 403
horror) entlehnte Phrase in einem ganz anderen und keineswegs
entsprechenden Sinne verwendet hat.
VII, 1 n. 2. „Rauf f(U'Ue est pranis Innniuni »lentibm
ut se II muneribus dupuis siipplicione pntent,^ Mag nun diese
Stelle von einem Interpolator lierruhren oder nicht, soviel ist
jedenfalls gewiss, dass mmierUms verderbt ist. Denn wenn Fröh-
ner annimmt, dass der Interpolator, weil er v. 10 nicht verstan-
den habe, einen solchen Unsinn niederschrieb, so wird man dies
wol kaum glaublich finden. Die Conjectur „nerhcribiis^ von Wit-
hof (Pröhner's y^uolnerihus^ richtet sich von selbst) scheint mir
unpassend, weil wir dann einen mit dem folgenden „supplicio*^
identischen Ausdruck erhalten. Ich erlau1)e mir daher, bis etwas
besseres gefunden ist, „(uhmnitis"' vorzuschlagen. — v. 3 j,Forte
mnis quondam nuUis latrat/ibus Iwrrens,^ Gegen die von Fröh-
ner aufgenommene Conjectur Lachmann's „qmidam'' bemerkt
Keller mit Recht, dass der Dativ nicht nöthig sei, dass man
mit Rücksicht auf „uohiera dahcW (v. G) wol eher „quibusdarn*^
erwarten würde, (lass endlich Babrios (104, 1) einfach sage:
lad-Q]] xviov eöaycve. Wir werden also aucli hier an der üeber-
lieferiing festhalten. — Schwierig ist der Vers 14: „OrdgredUur
tali singula twce nianens^^ wo sich „shignla^ schwerlich er-
klären lässt. Was Fröhner vorschlägt „pancula^ entspricht weder
dem Sinne noch dem Zeichen der Ueberlieferung. Ich habe an
^seria^ gedacht, was wol dem Sinne nach ganz passend ist,
aber von den Buchstaben der Handschriften zu sehr abweicht,
um unbedingt angenommen zu werden.
VIII, 3 JndigmUa cito m stet Fortuna recursa."' Da
,s<d" sinnlos ist, hat Fröhner „/fe^'^ vorgeschlagen, mit der
Bemerkung „de flatu Fortiina<^ adiierso loquitur,^ So leicht auch
diese Conjectur zu sein scheint, so kann ich mir doch das „/fe^"
mit „recnrsu^ nicht vereinen; ich veimuthe daher, dass ne abeat
oder etwas diesem ähnliches an der Stelle stand. — v. 7 „turpe
nimis cumtis inridendiwique nlderi.'^ Fröhner schreibt cunctis
se inrid^vuluniqae, was nicht blofs überflüssig, sondern geradezu
unpassend ist, weil wir so die schöne Parataxis im folgenden
verlieren und dafür drei schleppende Sätze erhalten. Natürlich
muss, wie dies auch Laclmiann durch seine Interpunction an-
deutet, der Infinitiv irc von tmpe Inridendunique uideri ab-
hangen : aUen erschiene es als eine schmähliche und belachens-
werüie Sache, dass, während die Ochsen durch ilir Hörnerpaar
geschmückt einhergehen, das Kameel allein an keinem Theile
geschützt sei u. s. w. Ebenso wenig kann ich Fröhner beistim-
men, wenn er im folgenden „at videns" für „adridens'' und
^insiiper ei" statt „insupcr et'*' herstellen will.
IX, 3 u. 4. „securus quodcumque mulum foHuna tur
lisset II robore eonlato posset täerqm pati,^ Gegen Fröhner, der
hier quod quolqm schreiben will, bemerkt Keller, dass sich die
404 K. Schenkt, Zar Texteskritik des Avianas.
Vulgata ganz gut vertheidigen lasse, wenn man quod cumqye
schreibe und letzteres in der Bedeutung von quotiescumque, quatüo-
cumqtw fasse, wie es im cod. Theodos. XII, 6, 32, 22, 9 erscheine.
Es sind dies dieselben Stellen, welche Cuningham Animadv. p,420
bei Besprechung des räthselhaften cunique in Hör. Od. I, 32, 15
verglichen hatte. Aber abgesehen davon, dass auch nicht einmal
diese Stellen sicher sind, so ist doch ein grofser Unterschied
zwischen einer archaistischen Gesetzformel und dem Stile eines
Dichters, der sich doch sonst im Ausdrucke überall an die besten
Autoren anschliefst. Unter solchen Verhältnissen trage ich kein
Bedenken die trelfende Conjectur Lachmann's qtwa cum qua
wieder zur Geltung zu bringen ; wie leicht konnte dies in quod-
ctiniquc verderbt werden.
XI, 7 u. 8 y^ne tarnen el isam confmigeret aenea testam ||
inrabat sollt am longius ire uiam,^ Hier haben Lachmann und
Fröhner nach einer Vermuthung des Neveletus ^sociam^ statt
„solitam'^ geschrieben; und dafür scheint auch der Paraphrast
zu sprechen, da wir bei demselben folgendes^ lesen : „Sed cum
testea leuior uelocius a gurgüe portaretur, [aerea ergänzt Fröhner]
ait: ^consortes summ, inuicefn nos coniungamtisJ* Aber ob dies
dem Sinne der Fabel entspricht, ist eine andere Frage. Wie
natürlich wurde der irdene Topf von der Flut vorausgetragen
(vgl. V. 5 dispar erat fragili et solidae coficordiu fnokis); weil
nun zu befürchten stand, dass bei den Krümmungen des Flusses
(v. 6 incertumqtie uugtis amnis hdbebat Uer) der eherne Topf
gegen seinen Kameraden getrieben würde, so versprach jener
vorauszugehen (vgl. Fab. Aes. 422 ed. Halm, wo der irdene Topf
zum ehernen sagt f,ioL'Aq6d^Bv f,iov xoXv^ißa hloI firj jclmiov). Der
irdene Topf aber erwiedert hierauf, dass damit die Gefahr kei-
neswegs beseitigt sei : nam me siue tibi seu te mihi conferai
unda, setnper ero ambobus subrtäa sola modis (v. 13 u. 14).
Nach dieser Auseinandersetzung scheint es angemessener und
leichter „soliiam^ in „solito"' zu ändern. Uebrigens ist noch
elisam v. 7 zu beanstanden, was Lachmann und Fröhner bei-
behalten haben; denn da „elidere^ nur „zerschlagen, zerschellen**
bedeutet, so passt es nicht zu dem folgenden „confringeret,*^
Es muss daher illisam oder, wie Cannegieter wollte, all isam
geschrieben werden.
XII, 8 ^(ulmonet indigtMm se quoque iure dolens,*^ Diese
ganz richtige Leseart hat Lachmann willkürlich in ^admonuU
di{fnam se quoque füre docens"^ umgeändert und Fröhner hat
diese Conjectm* in den Text aufgenommen. Man sollte dodi
denken, dass der steigernde Gebrauch von ^quoque*^ gleich einem
^etiam'', der sich nicht selten bei Dichtern und auch in der
Prosa findet (z. B. bei Livius, Grysar Theorie d. latein. Stiles
S. 9), den Kritikern nicht unbekannt sein konnte, umso mehr
als wir bei Avianus noch eine ganz ähnliche Stelle finden 16, 9
K. Schenkl, Zur Texteskritik des Avianus. 405
„5C quoqm tarn uasto necdum consisten trtitico'^, welche weder
Lactunann noch Fröhner beanstandet hat. Man muss daher con-
stniieren „dcietis se indignam etiam iure esse."^ Fortuna schmerzt
68, dass der Landmann ihr, die ihm doch eigentlich den Schatz
b^cheert hat, nicht einm^ ein paar Körnchen Weihrauch, das
gewöhnlichste Opfer, darbringt, während er der Tellus Altäre
errichtet.
XIV, 2 j,mnnem natorum qui mdiora darety Ohne Zweifel
ist Keller im Hechte, wenn -er die Leseart schlechterer Hand-
schriften *®) y^quis"^ empfiehlt und zugleich unter Berufung auf
den Ausdruck bei Babrios 56, 1 u. 2 {evreyiPirjg trta^Xa naai
Toig t(itoig 6 Zevg e&r^xe) die Conjectur von Lachmann „qiwi —
dard*^ und Fröhner „quoi — foroU"^ ablehnt. Aber aufser dieser
Vermuthung sind noch mehrere Conjecturen Fröhner's zu be-
seitigen: so Y. 4 „permixtuniqiie Ju>mini cangerU aura pecm*^
statt des überlieferten „;;. h, cogitur ire pccus^, welches ganz
passend „und vermischt mit dem Menschen drängt sich zum
Qehen das Vieh" erklärt werden kann ; ebenso verkehrt ist die
Conjectur y. ö n, 6 tU nee , , , desint . . . nee quicquid (für $ed
nee. . . desufU ,, ,uel quiequid), im Gegentheile muss statt „sed^
^d^ geschrieben werden, welche Wörter nicht selten mit ein-
ander verwechselt sind, z. B. 18, 9, 40, 3; über „wei" statt „iiec**
im folgenden genügt es auf Hand. Tursell. IV, 140 zu verweisen.
Ganz willkürlich ist die Vermuthung ^widiqm mox^ statt „in-
ier qxios^ (v. 7), da wir die letzteren Worte ganz passend „mitten
unter diesem Gedränge" erklären können. Endlich bemerken wir
noch in BetreiF der Conjectur Lachmann's, die Fröhner in sei-
nem Commentare erwähnt, „i«rfe" statt „ire" (v. 12), dass Canne-
gieter die Kedensart in risum ire durch Verweisung auf Verg.
Aen. IV, 413 ire in lacrinias gerechtfertigt hat.
XV, 2 j,c(ynmuni sociam conti nuisse cibo,^ Da cow-
Hnuisse sinnlos ist, so hat Lachmann (oder eigentlich Withof)
n(m tolerasse^ Fröhner conriptiisse vorgeschlagen; leichter ist
detinuisse, da con c geschrieben oft unrichtig an die Stelle
anderer Präpositionen gesetzt wird.
XVn, 2 Jiirhdbat rabidas per suu lustra feras,^ Gegen
Fröhner, der nach dem Vorgange Lachmann's treptdas schreiben
will, hat Keller mit Hecht bemerkt, dass die ursprüngliche
Leseart festgehalten werden müsse; schwerlich aber kann hieför
etwas die Verweisung auf 42, 6 erweisen, wo rabidus in einem
ganz anderen Sinne gebraucht erscheint, sondern man wird eher
verg. Aen. VI, 541 rabidm ftigae vergleichen müssen. — v. 5
yHunc tibi qualis er am nuntins iste refert.^ Da eram verderbt
ist, 80 hat Lachmann „gtia lat^am"", Fröhner ^qualis eam"^ vor-
geschlagen, ohne dass jedoch beide Vermuthungen einen ent*
'*) ^ms hat auch der oben erwähnte Yindobonensis,
406 K. Scltetikl, Zur Teiteskritik des Avianus.
sprechenden Sinn herstellen. Es dürfte daher vielleicht mit ^qtM-
Tis (ffo^ das Richtige getroffen sein. — v. 11 ^dum qais ille
forety qni talia nolmm ferni.^ So leiclit auch die Conjectur
Fröhner's ^uw* quin'' zu sein scheint, so befriedigt sie doch
nicht, da hiedurch kein entsprechender Zusammenhang mit dem
vorhergehenden Verse hergestellt wird. Ich möchte daher viel-
mehr der Emendation von Guyet y^dum, quisiiam ille^ roffot'^
den Vorzug geben.
XVIII, V. 7 „dum mrtus oblaiam lyrolüM temptare ror
pinani.*^ Fröhner hat ^diim'^ in „nam^ umgeändert, jedoch
ohne allen Gmnd, wie dies schon Keller bemerkt hat, um so
mehr als Avianus öfters derlei Wendungen gebraucht.
XIX, 3 „indignum refvrens rnnctis certamen haberi^
quod meritis nidlns consociaret Imnor.^ In diesen beiden Ver-
sen hat Fröhner Jutberi'' nach Conjectur in ^obiri'' umgeändert
und dann nach schlechteren Handschriften ^qnos"' statt ^qtwd^
aufgenommen, worin ich ihm nicht beistimmen kann. Ich er-
kläre die überlieferte Leseart so : Allen erscheine der Wettstreit
als ein unwürdiger, weil hier (die Streitenden) keine gleichen
Ehren verbänden. Das Object zu „r.onHociard'^ nämlich ^cer-
tantes^ ergänzt sich leicht aus dem vorhergehenden y.certamen**' ;
übrigens möchte ich noch auf die Leseart ^nieriti*^ im Colber-
tinus III (bei Cannegieter) aufmerksam machen, die mir vor
nieritis unbedingt den Vorzug zu haben scheint. Schon Canne-
gieter bemerkt in dieser Hinsicht: ^mcriti' habet C. 3, quod
7ion contemnoidfnn, — v. 12 ^et nostris frueris imperiosa
nuilis.^ Lachmann und Fröhner haben nach dem Vorgange schlech-
terer Handschriften (wie des Mediceus) die beiden Wörter um-
gestellt, wodurch allerdings die anstöfsige Verlängerung von
fnier/s vermieden wird. Da aber eine solche licentia sich mehr-
fach bei Avianus findet, wie 22^ 4 eupidü^i iniiidus (wo man
freilich nach Wiihot Uuidus geschrieben hat), 11,6 uagasam-
nis, 34, 10 in propriis larihüs (wo Lachmann gleichfeUs die
beiden Wörter umgestellt hat), 38, G uerbaqm cum salibßs, da
endlich Avianus sogar einen Hiatus in der dritten Areis des
Pentameters zugelassen hat (z. B. 28, 12, 41, 8 und vielleicht
27, 10), so könnte es doch möglich sein, dass der Dichter auch
hier eine Verletzung der metrischen Gesetze nicht scheute, um
^^lostris^ voranzustellen imd nachdrücklicher hervorzuheben.
XX, 15 u. 1() ,,nam miserum e.4 inqint praesentem amit-
icre pracdam || stnUhis rt rursuni uota futura scquL*^ Warum
Fröhner im ersten Verse ^non misertün'' geschrieben hat, ist
nicht abzusehen, da einmal die Ueberliefenmg sich ganz gut
erklären lässt, und anderseits ^nan miserum^, soviel ich wenig-
stens zu ersehen vermag, keinen passenden Sinn gibt. Der Dichter
sagt: denn eine missliclu; Sache ist es die sichere Beute fahren
zu lassen, doch noch thörichter auf künftigen Gewinn zu bauen.
K. SclieM, Zur Texteskritik des Avianus. 407
Uebrigens bemerke ich noch, dass cassihiis (v. 14), was Fröhner
vorgeschlagen hat, sich schon im cod. Cortianus I findet.
XXII. Hier bemerken wir zuerst ^inuidus^ (v. 4), worüber
wir schon zu Fabel XIX gesprochen haben. Dasselbe wird auch,
wie Keller bemerkt, durch die Ueberschrift „ De loue cupido et
inuido"^ geschützt, und ebenso durch ^hmidlaeque nialum^
(v. 18). — V. 5 Jus quoqiie sc medium Titan scrntatus idrmn-
qm^ ist y^quoque^ wol unzweifelhaft verderbt und vielleicht in
„twar" zu ändern; sollte es aber blofs ein Füllwort sein, das
von einem InteiT)olator hen-ührt, wie es denn in mehreren Hand-
schriften, auch im Paris. 1188 fehlt, dann würde sicli das „.sr.sc**
des cod. Puteaneus empfehlen. Die folgenden Worte ..prerAhus
nt preteretur ait^ liegen sehr im Argen; die Conjectur Lach-
mann's y^precibus luppitcr accus ait"^ ist gewiss sehr scharf-
sinnig; ob aber dadurch die Hand des Dichters hergestellt ist,
bleibt doch noch unsicher. — v. 10 ^dlstullt admotas in noua
dona preces,"^ Es ist wol weder mit Lachmann ^cuhnissas'^ ,
noch mit Fröhner j^amotas'^ zu schreiben, sondern die über-
lieferte Leseart nach Ovid. Epist. ex Pento 111, 7, 3() zu erklären :
„Qfiam quas a<hmnni non ualuisse preces.^ — Was endlich v. 15
^fiam peiit ext in et us ut luminc deyeret uno^ anbetrifft,
so kann ich mich weder der Conjectur Lachmann's „extincfo sc
ut L denotet e*HO**, noch der FrOhner's ^cjctincto sc l. plcctat ut
ufw^ anschliefsen, da wir wol hier einen dem folgenden Verse
y^alter ui Ju)c duplkans niuat utroque carens^ gleichgebauten
Satz erwarten. Ich möchte daher zum Theile nach dem Vor-
gange Cannegieter's schreiben: ^nam pciit cxtincto cum lu-
mine degat ut uno^^ was auch vielmehr als die oben genann-
ten Conjecturen den Zeichen der Ueberlieferung entspricht.
XXIII, 1. „Uenditor insigncm rvfvrens de marmore
Bacchum.^ Statt des sinnlosen „rrfcrens^ hat Fröhner nach
einer Conjectur Lachmann's ,,a}ic fercns^ geschrieben; leichter
ist wol profercns, bei welchem die Verkürzung des o mit
Rücksicht auf den Gebraucli später Schriftsteller nicht befrem-
den kann (vgl. L. Müller p. 3G3); man kann dann Hör. Od. 4, 8, 6
^Quas (nämlich atics) aut Varrhasius protxdit ant Scopas^
vergleichen. — Weiterhin muss außallen, dass kein Herausgeber
bisher bemerkt hat, wie wenig die Verse 7 — 12 mit den un-
mittelbar vorhergehenden zusammenhangen, namentlich ist bei
„a?^** durchaus nicht klar, wer denn eigentlich der Sprecher ist,
und grammatisch müsste es auf den zweiten Käufer bezogen
werden. Ist es nun schon dadurch wahrscheinlich, dass hier
ein Distichon oder vielleicht zwei ausgefallen sind, so wird
dies ^zur Gewissheit, wenn man Babrios 30, 5 ff. verj^leicht:
rpf <J* o\l% xio Xid^oiQyog ov/, i/tSTTQa'Kei, \\ avvd^ejuevog avro7g elg
tov ogd-QOv av dsl^ai \\ fld^ovaiV. o de h^ovQyog tiöev VTvnooag \\
avTOv Tov ^Egfir^v tv rrvXaig oyeiQaiaig || „(Ti? cJf** Xiyovra „tafia
408 K. Schenkl, Zar Texteskritik des Avianus.
vvv raXavrevr]^ u. s. w. **). — lieber v. 10 „siue deciis btisii
seu ndis esse deam*^ haben wir schon früher zu Fab. HI das
Nöthige bemerkt, wornach die Conjectur Fröhner's jySiue locasse
deum"' von selbst entföUt.
XXIV, 4 ^cdita continuo forte sepulera uiderU.*^ Pröh-
ner's Conjectur „cum sig^to^ ist schon wegen des folgenden
Distichons : „ illic docta ntantis fkcteyvtem collaleonem fecerat^ etc.
unwahrscheinlich,- es ist aber auch das überlieferte „coti^mMO**
ganz entsprechend: „Als sie diesen Streit endgiltig zu entschei-
den begehrten, da stiefsen sie eben oder gleich auf ein hohes
Grabmal.**
XXV, Hier müssen wir eine ganze Reihe unnöthiger Con-
jecturen zurückweisen. So muss v. 7 und 8 y^nec mora soUicUam
' traxit nmnm inproba nientem \\ cxtUiis pidei protenus imapetit*^,
wo Lachmann ^sollicito t m, inp'ujra tiestem^^ Pröhner „5oHi-
cüum t ntens /. amidum^ vorgeschlagen hat, entschieden die
Ueberlieferung festgehalten werden. Der Dichter will in dieser
Fabel zeigen, wie oft der Listige trotz aller seiner Vorsicht von
Einem, der ihm an Verstand weit nachsteht, betrogen wird.
Darum führt er den Mann in der Fabel v. 3 als yyCallidus fur"^
ein. Diesen Worten entspricht nun vollkommen „sollicitam traxU
maniifS inproba fnetUcm"^ die freche (an das Stehlen gewöhnte)
Hand riss den vorsorglichen, argwöhnischen Sinn mit sich fort
Exutas im folgenden steht absolut, wobei wir noch bemerken,
dass sehr passend mit dem neuen Gedanken ein neuer Vers an-
hebt. — Ebenso wenig ist es gerechtfertigt, wenn Fröhner v. 12
auf Grundlage der Leseart im Codex des Caveljav „Awwk>" das
sonst überlieferte yjmmi"' in Ju>mo'^ umändert; im (Jegentheile
kann man sich „resedit'^ ohne ein beifolgendes „/mwi" kaum
denken. — Endlich möchte ich auch v. 15 nicht statt „hene^
mit Lachmann „ho)ia^ setzen, da „bene'^ sich ganz gut mit dem
vorhergehenden j^yerdita"' verbinden lässt, vgl. Hand Turs. II, 3.
XXVI, 9 y^aera licet ntoneas muiora pericula tollas.^
Fröhner schreibt „celus^^ was gewiss dem Sinne nach sehr pas-
send ist ; indessen bleibt es doch fraglich, ob man nicht „toUis
herstellen soll, das mit Rücksicht auf das vorhergehende y^numeas
leicht in JoUas"' verderbt werden konnte, besonders wenn man
den ganzen Vers irrthümlich als Vordersatz und die folgenden
Worte: ^tu tarnen"' etc. als Nachsatz betrachtete. „TWfere"
müsste dann in der Bedeutung „leugnen" gefasst werden, wozu
dann das folgende: „Tw tarnen his dietis nan facis esse fidem^
ganz gut stimmen würde.
XXVIII, 9 ^sed postqnum irato detractans uhvcula cMo.^
Statt ^irato"" hat Lachmann ^imüto'', Fröhner y^iratus^ geschrie-
*') Der Paraphrast hatte wol keinen anderen als unseren lückenhaften
Text vor sich, da es bei ihm blofs heifst: j^Tunc ucndilori oit
M
K Schenkl, Zur Texteskritik des AvianixB. 409
ben, ich glaube mit Unrecht, da ein „ireUo coUo"' nach dem
dichterischen Sprachgebrauche der Römer nicht auffallen kann.
Im folgenden halte ich mit Lachmaun die Anordnung fest, wo-
nach „postquani . . . faiigaf^ den Vordersatz, ^confintw . . . disper-
git'' den Nachsatz bildet, während Fröhner (oder eigentlich Canne-
gieter) durch die Aenderung von ^euersam^ in „et iie^sam"^ den
Vordersatz weiter ausdehnt und den Nachsatz mit „tum sie""
beginnen lässt; ein zwingender Gnmd zu einer solchen Gliede-
rung der Sätze ist gewiss nicht vorhanden. Zweckmäfsig aber
scheint es mit Lachmann v. 13 statt „Uim (oder tunc, wie in
schlechteren Handschriften steht) sie"" : „tunc hie'' zu schreiben.
— Schwierig sind die Schlussverse: „nhnirtim exenixüum wa-
turae deerat (derat) inicae\\qua ficri posset cum ratione
noce^is*^, wo Lachmann mit schlechteren Handschriften „iwsses''^
Fröhner „qua uhici possd"^ hergestellt haben, ohne aber da-
durch einen entsprechenden Sinn zu erzielen. Der Paraphrast
bietet uns hier offenbar das Richtige, indem er die Verse mit
den Worten erklärt: „Qui ait: 'harc uere est natura miquiy m/,
cum ex una parte fuerit coartatus, ex parte alia prout potest
se exerat ad noee^ulum,'' Darnach könnte vielleicht praehet^ statt
„derat*" '^) und „possif" statt „passet"' geschrieben werden, wo-
durch die Stelle folgende, wie mich dünkt, entsprechende Fas-
sung erhielte:
nimirtim exemplum naturae pi-aehet inicae,
qua fitri possU ciim ratione nocem.
XXIX, 8 „uimque h&mini tantam 2>7'otinus esse pauet.^
Auch hier hat man sich in ganz unnöthigen Conjecturen ver-
sucht, indem Lachmann „pectoris e. pauet'', Fröhner „proaidus
e. pauet^ in den Text aufgenommen hat. „Protinus" ist aber
Sanz passend*; der Satyr wundert sich gleich, wie er sieht, dass
er Wanderer seine erstarrten Hände durch Anhauchen von dem
Froste befreit, und ahnt sofort mit Bangen, dass demselben eine
übernatürliche Kraft innewohnen müsse. Zugleich bemerken wir,
dass es ebenso wenig noth wendig war v. 10 „solueraf" in „foue-
rat**' zu ändern, wie dies Lachmann und Fröhner gethan haben;
die Hände sind durch den Frost gefesselt (vgl. uinciaque arua
Y. 2) und werden durch das Anhauchen gelöst. — v. 17 „Im*-
ruü algenti rursus ah ore sufflat." Der metrische Fehler in
„sufflai'' hat Lachmann und Fröhner zu weitgehenden Aende-
rungen dieser Stelle bewogen ; der erstere hat „A, alanti r. ah o.
gelcU*^, der letztere „h, algentein r, ab o. rnuat*^ geschrieben.
Nehmen wir aber an, dass ursprünglich statt „sufflai'' "reflat*^
geschrieben stand, so wird nicht blofs ein passender Sinn her-
gestellt, sondern es erklärt sich auch ganz einfach das Verderbnis
*•) Die schlechteren Handschriften haben hier verschiedene Lesearten:
ndaret, dedü, dedat^
410 K, Schenkt, Zur Texteskritik des Avianus.
clor Stelle. Da nämlich ^rv- in „rcflat'* nach dein vorhergehen-
den ^ore'' ausfiel, so suchte man die fehlende Stelle zu ergän-
zen, und daher rühren die Lesearten snffht (suflui) oder deflat
(wie der codex des Cabeljav liest).
XXX, 13 ^rusticus Itoc iusiam uerho coniicscuit iram.**'
Es muss .ledermann auflfallen, dass hier der Landmann, welcher
den Eber gefangen hatte, sprechend eingeführt wird, während
doch dem ganzen Zusammenhange nach diese Worte dem Koche
in den Mund gelegt werden mussten. Und dass dies wirklich
ursprünglich der Fall war, bezeugt der Paraphrast, bei dem wir
folgendes lesen: „Corde ucro i)etiio a doniino nee innento coci
gulosUas acaisatur,qni sc cxctisans ait: \iiMy isfc siolidtis nuU
lum cor hahult et ul<:o nee mcmx>riam mr thnorem : alioquin
nuUatcmis rcdisset ad locum ubi tociens fuerat tormentatus.^
Et laudauermit cocum eo quod sc curkditer cvcusassd.*^ Dar-
nach, meine ich, wird statt des ungeschickten ^rnstlcus^ viel-
mehr yC(dlidus^ geschrieben werden müssen. Uebrigens bemer-
ken wir, dass der Schluss dieser Fabel an jene von dem kranken
Löwen (Babr. 95) erinnert, wo der Fuchs in ganz ähnlicher
Weise von dem Herzen des Hirsches sagt:
(x ifiTtoov X^oi'Tog fiXd^n' 8ig oTxoi'g;''
XXXI, 11 u. 12 „discc tarnen hrniihus quae sit fiducia
monstris \\ et facias quicquid jmruola turha cuiyit,'' Diese
beiden Verse haben Cannegieter und Lachmann (ür unecht er-
klärt, jedoch mit Unrecht, wie dies aus der Parallelstelle bei
Babrios 112, 9 hervorgeht: toO^^ mwv f^iaXXov t6 f^txQov eivai
TLOil xantivov loxvu. Statt des sinnlosen „imnstris'' hat Fröhner
„7wstris^ geschrieben, was sich wol den Zeichen der Ueber-
lieferung eng anschliefst, an dieser Stelle aber kaum passend ist;
vielleicht ist mit dem einfachen „wo6/,s" das Kichtige getroffen.
XXXII, G „nam nocat Jmnc sid)2)lex in s^(a nota detim.^
Fröhner schreibt „mm" statt ^nam'^, wahrscheinlich weil ihm
der Satz in dieser Form mit den vorausgehenden Versen 3 u. 4:
„frustra dis2)0sitis cmifidens nnmina notis fcrrc suis rebus cum
residcrct opem^ nicht recht vereinbar schien. Ich glaube aber,
dass dies nicht begründet ist. Der Fuhrmann ruft zuerst die
Götter der Keihe nach an und macht dabei Gelübde ; dann aber
wendet er sich flehentlich (s\d}})lcx) an den Hercules.
XXXIII, 5 „scd dominus cupidiwi S}) er ans unnescere
uotum.^ Was Fröhner mit seiner Conjectur „spectans'' bezwecken
wollte, ist mir nicht klar, da ich in derselben keinen entspre-
chenden Sinn finden kann. Es ist aber auch jede Emendation
unnuthig, da die Ueberlieferung richtig erklärt keinen Anstofs
darbietet. ^Sperans"" kommt nämlich, wie Cannegieter richtig
bemerkt hat, hier einem ^md\an^^ gleich, und ist ganz so ge-
K: ScJiefil'h 5^nr Tpxteskritik des Avianus. 411
braucht, wie Verg. Aen. TI, i\y)l ^mou rffrrtr prdcm^ grnitor,
ie iH>sse relido sperasti':"' Es versteht sich von selbst, dass
^spemre"^ an diesen, wie an allen ähnlichen Stellen nur „er-
warten*" bezeichnet und die nüliere Bestimmung „mit Besorgniss**
sich erst aus dem Zusammenhange ergibt. Der Herr besorgend,
dass sein gieriger Wunsch eitel werden (sich nicht erfiUlen)
könnte, ertnig nicht den Verzug u. s. w.
XXXIV, 1 u. 2. ^SolihuH ercptofi hlvmc formica labo-
res\\distulit d hrenilms condklit ante cauis,^ Das verderbte
^ercptos^ hat Fröhner treffend in ^ercpUms'^ verbessert, wobei
ihm freilich schon Cannegieter mit der Coujectur ^obnptans''
vorangegangen war. Ebenso richtig hat er im folgenden ^nute''
als verderbt bezeichnet; aber seine Emendation ^artey- trifft
nicht das Kichtige, da vielmehr ^bidv"' geschrieben werden muss,
was auch 18, 18 mit ^antc'' verwechselt worden ist. — v. 9
npigra nimis tantos non aequans carporv niiuhos,^ An den
Worten „pigra 7iimis^ hat schon Barth Anstofs genommen und
dafür ein seltsames ,y2)i(jranimis^ lierstellen wollen; auch Fröh-
ner verdächtigt die Ueberlieferung und schlägt y^parca nhn'is'^
vor, was gar nicht dem Zusammenhange entspricht. Aber die
Leseart ist ganz richtig, wenn man sie nur entsprechend er-
klärt; die Worte bedeuten nämlich „allzu starr vor Kälte;** es
werden also zwei Gründe angegeben, warum die Ameise sich zu
Hause hält, weil sie vor Frost erstaiTt und gegen die Schnee-
stürme ihr kleiner Körper sich nicht zu erhalten vermag. —
Ueber v. 10 „tn propriis Inribus^ haben wir schon zu Fabel XIX
gesprochen.
XXXVI, 4 jjferre ricc crpositis otia nasse iiigis.^ Fröhner
hat „expositis^ im Texte beibehalten und die Conjectur Lach-
mann's „inpositis"'^ die mir durchaus nothwendig erscheint, nur
im Commentare erwähnt. Wie soll aber eapositis hier erklärt
werden? Mit der Bemerkung Oannegieter's : „Natu genuhmm
uerbi ^expoficre' significatiomm pro ex collo deponcre: eandein
uim pracpositio in har, nacv niimi cum expositi dicuntur, qui
ex naue in terra pununtur^ ist offenbar nichts geholfen. —
V. 11 u. 12 j^mox liitulum }iacris innoxum rrsplcit aris \\ admoium
ctdtro conimimis ire popac,^ Gegenüber der Conjectur Fröhner's
jfCael^stüm** statt „innexton^ genügt es auf Babrios Fab. 37, 8
zu verweisen, wo wir ebenso lesen: o de /hogxo^ ccdfurjg Ailvog
Hxero axoivq) öeO^elg yjQaza; auch der Paraphrast hat „sed
posi niodiciim tvmporis nidit los ilhnn uitidum uittatis coryii'
htis et ligaium sa^ris inponi alfarilnis ingidandum,^ Darnach
ist also „inncxnm^ gerechtfertigt. Aber es handelt sich darum,
ob yfimiexum^ ohne einen näher bestimmenden Casus stehen
kann; auch ist nicht zu leugnen, dass durch die Unterordnung
der beiden Participien ^^nnvxmn''^ und ^xidmotum^'' der Ausdruck
höchst schleppend wird. Es verdient daher die Conjectur Canne-
412 K, SchenH, Zur Texteskritik des ATianiu .
gieter's „sr^-z/s*- statt „ä«o*^«>'S die auch Lachmann angenommen
hat, volle Beachtung.
XXXVII. Schon Barth hat bemerkt, dass in dieser Fabel,
so wie sie uns jetzt vorliegt, der Zusammenhang gestört ist,
und hat daher, wie ich glaube mit Recht, vorgeschlagen, die Verse
7 und 8 nach v. 12 zu stellen. Es ist ganz naturgemäß, dass
die Rede des Hundes mit der Einladung schliefst, das gleiche
Leben mit ihm zu erwählen, der Löwe aber, bevor er darauf
eingeht, sich vorsichtig erkundigt, was das eiserne Halsband
zu bedeuten habe. Die neuesten Herausgeber hätten daher diese
Emendation nicht unbeachtet lassen sollen.
XXXIX, 8 „mmeritum flammis sc docet esse prius,"
Gegen die gewiss sehr scharfsinnige und auch leichte Coiyector
Fröhner's „inmeritum in flammis sc docä esse pyra&* hätte ich
nur das eine Bedenken, dass der Ausdruck zweideutig ist Man
möchte nämlich darnach meinen, dass die Zinke bereits auf
dem Scheiterhaufen liegt, während wir doch erst später v. 13
lesen: Jlle resultantem flammis crepitantibus addens.*' Man
könnte daher immer noch an eine andere Emendation denken,
obwol ich für jetzt keine irgendwie entsprechende vorzuschla-
gen vermag. — v. 12 „sed fantum tientis et cantibus arma
coegiJ' Hier hat Fröhner nach dem Vorgange Lachmann's y,uanis
eg&' geschrieben; es bleibt aber doch sehr fraglich, ob man
nicht die Worte ,yncntis et cantibus'' durch ein tv dia dvoiv
ganz entsprechend erklären kann. — v. 13 y,hoc quoque subn^isso
testor et astra sono." Lachmann und Fröhner schreiben „testor
at astra' '; richtiger ist wol ,,testor id astrar
XL, V. 2 „2wfer consimiles ibat in ira feras''' So lautet
die Leseart der besten Handschriften, von welcher man auch
bei der Emendation ausgehen muss; denn y^ibat in arua*', was
im Codex Ä von zweiter Hand geschrieben ist, erweist sich gleidi
auf den ersten Blick als die alberne Conjectur eines Abschrei-
bers. Lachmann hat nun auf Grund der Annahme, dass Avianus
neben Fab. 133 des Babrios auch noch die ähnliche Fabel 101
benützt habe, ,yahnuit ire' geschrieben, was allerdings den Worten
des Babrios zCiv äi avinqvhjv anoGTattjaag entspricht. Den
gleichen Gedanken verfolgt die Conjectur Fröhner 's ,yuitat iiare'';
man könnte auch „noluit ir&' vermuthen. Indessen muss ich
doch gestehen, dass mir der Gedanke: „er gieng stolz einher
unter Thieren seines Gleichen" besonders mit Rücksicht auf das
folgende Distichon am meisten entsprechen würde. Es ist mir
aber nicht gelungen aus den Zeichen „inira'' eine befriedigende
Emendation zu gewinnen. — v. 10 ,ydum mihi consilium pul-
critis esse qaeat:' Fröhner hat y,qneat' in „rmr* umgeändert,
worin ihm wol Niemand beistimmen wird. Der Fuchs sagt: Ich
beneide dich gar nicht um die Pracht deines Felles, so lange
es mir vergönnt ist durch die Kraft meines Geistes zu glänzen
JT. Schenkt, Zar Texteskritik des ÄTianas. 418
und SO lange man geistige Vorzüge höher achtet als körper-
liche. Aus diesen Worten geht hervor, dass ich auch im folgen-
den die überlieferte Leseart ^yininmurque' gegenüber der Con-
jectur von Fröhner ,^Miror namqw"' festhalte.
XLI, 11 u. 12 Jiadenus hac inqu'd Ikvat coistare figura:
nam te suhiectam Äünet 'n)ü)er aqiiis,'' Es muss auffallen, dass
Lachmann und Fröhner, die doch so viele Stellen ohne Noth
umgeändert haben, an diesen Versen ohne eine Bemerkung
vorübergegangen sind. Und dcrch zeigt schon der Gegensatz zu
,Jimtmu^*y dass ,.imm'' hier offenbar unrichtig ist; auch hat
schon Cannegieter aus dem Vossianus II dafür Jam'* hergestellt,
man könnte auch ^.ntiyic^^ vermuthen, da diese beiden Wörter
öfters in den Handschriften verwechselt sind, wie gleich in dieser
Fabel v. 9. Uebrigens beachte man die äsopische Fabel 381,
wo die Flut zu dem Itanzen sagt: akko rt urjTei y.aXeta&ai'
ajiakijv yccQ eyo) /;■(?/; raxv iroir^ato ae, Endlicn wäre noch in
Erwägung zu ziehen, ob nicht im vorhergehenden Verse die Con-
jectur Cannegieter's Jiniit' statt Jiceat^ vorzuziehen wäre.
XLII,y .jinmittere rcuomat morte cruentat humum,'' So
liest cod. .1, die beste Handschrift, während die anderen nur noch
weitere Corruptelen bieten. Den ersten Schritt zur Emendation
machte Lachmann, indem er ,,inmlfi interierui^^ emendierte. wobei
„inmiti'' richtig getroffen ist; ebenso treffend erkannte Fröhner,
dass in den nach „inmitr' unmittelbar folgenden Zeichen „ök?re'*
enthalten sei und schlug demnach Jnmtti aere ruens" vor.
Vielleicht ist aber statt ,,ruens'' im genauen Anschlüsse an die
üeberlieferung y.uomens'' zu schreiben, zu welchem sich das
entsprechende Object \,sangHincyn'' leicht aus dem folgenden
^^cruentaf*^ ergänzen lässt; man könnte dann das bekannte pur-
puream uomit ilk aninmm Verg. Aen. 9, 349 vergleichen. Wenn
KeUer im Anschluss an den Parisinus 1188 und den Novio-
magensis, von denen der erstere ^^ivmitem regimens,'' der letz-
tere y^himeritaque gem^^ns^' liest, „himitl aere genums'' vorschlägt,
so ist, wie wir schon frülier gesagt haben, auf die Lesearten
dieser Handschriften gegenüber von Ä kaum etwas zu geben.
Endlich bemerken wir noch, dass nach der Leseart im cod. Ä
cruente thimnm wol eruentet und nicht eruetdat zw schreihen
ist, da ja beide Constructionen ohne Unterschied gebräuchlich
sind, z. B. Hör. Od. 1, 9, 1 Vides nt alta stet niue candidum
Sorade und Verg. Georg. 1, 56 Nonne uides croeeos ut TMoI^as
odores, India mittit ebur u. dgl. m.
Graz. K. SchenkL
Z«IUohrifl t d. ött«rr. Gymn. 18CS. VI. Ben. 28
414 Th, Vemaieken, Die Betonung im deutschen Verdbaa.
üeber die Betonung, mit Eücksicht auf den deut-
schen Versbau.
Der Gegensatz der antiken und modernen Betonung und
Versmessung scheint noch immer nicht genug beachtet zu wer-
den, trotzdem dass im Jahre 1831, unmittelbar nach Schmel-
ler's Abhandlung „über Quantität", Lachmann in der Berliner
Akademie seinen Vortrag mit den Worten begann : „Der deutsche
Versbau hat immer, so lange wir ihn kennen, auf dem Accent
beruht." Wenn man jetzt, nachdem von Germanisten so viel
darüber geschrieben ist, in Büchern über deutsche Verskunst
von einem Pyrrhichius und Tribrachys u. s. w. liest, so sollte
man meinen, wir hätten mit den Buchstaben auch die Sprache
der alten Ei)mer geerbt. Die alten Geleise, in denen sich die
Theorie unserer Dichtung mit dem aus alter Zeit Ueberlieferten
bis auf unsere Tage fortgeschleppt hat, sind so ausgefahren, dass
sie endlich einmal verlassen werden müssen. Das Princip der
Betonung liegt einmal in der Natur unserer Sprache und diese
ist weder von Klopstock durch seine undeutschen Verse noch
von den Metrikern geändert worden. Man vergleiche die fremd-
artig schweren Formen einer Klopstock'schen Ode mit Goethes
„Gränzen der Menschheit;" hier leitet nur das deutsche Ton-
gesetz die Bewegung der Verse, jene sind unserm Sprachgefühle
zuwider. Von Klopstock urtheilte schon A. W. Schlegel (7, 157):
,.Er hat ein wahrhaft deutsches Ohr, d. h. eines, welches sich
entsetzliche Dinge bieten lässt, ohne aufrührerisch zu werden."
Klopstock, dessen sonstige Verdienste wir nicht schmälern wollen,
hat über „Sprache und Dichtkunst'* (Hamburg 1779) ein Buch
geschrieben, das an Curiosität seines gleichen sucht. Da heifst
es z. B. S. 4 (in Klopstock'scher Orthographie) : „Daf neue Silben-
maf hat fil Widerfpruch und fil Beifal gefunden ; und difen zwar,
wi ich theilf auf eigner Erfarung weif, bei fölligen Leien , di
unferwarloft fon teoretifcher Hörfagerei lieh dem Eindrukke über-
liffen, und auf der andern Seite bei tifen Kennern der Ferf-
kunft" etc.
Also schon damals ! — Schon dieses Kleid, das er imserer
Sprache anzieht, seine Polemik gegen den Keim u. a. lassen an
Klojfetock's tiefer Einsicht in das Wesen der deutschen Sprache
zweifeln. Auch andere haben dem Verse so lange Gewalt an-
gethan, bis das vorgezeichnete Metrum erträglich herauskam.
Auf solche mechanische Nachbildung hat sich Goethe nie ein-
gelassen : „Allerlieblichste Trochäen aus der Zeile zu vertreiben,
und schwerfälligste Spondeen an die Stelle zu verleiben, bis
zuletzt ein Vers entsteht: wird mich immerfort verdriefsen." —
Und Kückert meint: „Von blinden Dichtern hab ich vieles
n, Vemaleken, Die Betonung im deutschen Versbau. 4U
schon gelesen, von keinem grofsen doch gehört, der taub ge-
wesen."
Sehen wir genau zu, so stellt sich das Bestreben jener
Dichter und Uebersetzer als eine Selbsttäuschung heraus. Die
Nachahmer der antiken Mafse glauben z. B. einen Spondeus zu
setzen und schreiben einen Trochäus; in einem deutschen Worte
kann unmöglich eine Silbe der andern gleichgesetzt werden,
auch wenn diese eine Stammsilbe wäre. Die Anceps muss aus
der Noth helfen. Man beruft sich immer auf Platen, aber sind
z. B. die beiden ersten Silben nicht ein s. g. Trochäus?
Schönheitszauber erwirbt etc. (nach dem Mafse .^ s^ -) .
Wir können nur lesen: - >^ - ^ — oder genauer J^S^J^^^^
Mehr noch täuschen sich die Uebersetzer. Nehmen wir z. B. das
metrum jonicum -- — |-- \ ^ ^ — \ ^ ^^ — des
Horaz (Ode III, 12):
Simul unctos Tiberinis humeros lavit in undis.
Das übersetzt Voss : Wenn gesalbt er um die Schultern in den
Tibris sich hinabtaucht. Wir können nur lesen:
Jene Gedichte in fremder Form sind uns deshalb nicht ver-
loren, wir lesen sie nur nach deutscher Weise. National wie
die von Schiller und ühland oder Beranger und Bums werden
sie niemals. Die fremde Form berührt uns kalt, wir fühlen am
Verse nicht den Rhythmus, den Pulsschlag seines Lebens.
Was von deutschen Dichtern im Volke Eingang gefunden,
war auch der Form nach echt national. Bei Platen finden wir
einen gewissen Widerspruch : Auf der einen Seite diese marmor-
glatte Form, diese Schnitzw^erke, „die man, wie W. Gr. in der
Geschichte des Keims 187 sagt, bewundert, aber nur mit den
Augen, nicht mit den Händen zu berühren wagt;" auf der an-
deren Seite Aeufserungen, die ganz für uns sprechen. Er tadelt
z.B. Klopstock wegen des Hexameters; seine Sprache nennt er
„starr und herb, nicht jedwedem geniefsbar." Ferner sagt der
Dichter der Gaselen, Sonette und Oden: „Der italische wogende
Rhythmus wird jenseits des Gebürgs klappernde Monotonie."
Platen hielt ein gutes Stück selbst auf das volksthümliche :
„Wer sich zu dichten erkühnt und die Sprache verschmäht und
den Rhythmus, gleiche dem Plastiker, der Bilder gehauen in
die Luft!"
Wir Deutsche haben alle Töne nachgesungen, die der Süden
und der Orient angestimmt, und es ist unserer Sprache sicher-
lich ein gewisser Gewinn daraus erwachsen; allein dies sollte
hicnt auf Kosten unserer nationalen Eigenthümlichkeit geschehen.
Das war übrigens auch bei der ritterlichen Dichtung der Fall,
und später fiel die Hauptschuld auf den gelehrten Aberwitz,
der immer nach fremder Luft schnappt. Zur Besinnung kam man
28*
418 Th, Vemäleken, Die Betonung im deutschen Versbao.
die Seele des Wortes, hat auf solche Veränderungen den gröfsten
Einfluss.
Was die lateinische Sprache anbetriflft, so müssen wir ver-
weisen auf das Werk W. Corssens „über Aussprache und Be-
tonung" (1859, 2. Bd. S. 400 ff.). Schon früher ist vouA.Böckli
u. a. nachgewiesen, dass bei den Römern die Tondauer den
Versbau beherrscht hat. Erst als sich das Bewusstsein von der
Tondauer der Silben verlor, gewann der Hochton allmählich
Einfluss, namentlich in der spätem volksmäfsigen Dichtung. Bei
uns war, wie die AUitteration schon beweist, der Hochton von
jeher unbeschränkter Herrscher des Wortes und Gebieter im deut-
schen Verse,
Hört man einem echten Salzburger aufmerksam zu, so wird
man an das alte Sprichwort gemalmt: Nos Pöloni non cüramus
quantitatem sylläbarum. Der bayerisch -österreichische Dialekt
hat nämlich das eigenthümliche, dass er die alten Kürzen länger
bewahrt hat als die mittel- und norddeutschen Dialekte. Wenn
also ein Süddeutscher gegen die allgemeiner gewordene Dehnung
der Vocale sündigt, so darf ihm das nicht so hoch angerechnet
werden; wenn er will, kann er sein nationales Recht geltend
machen. Aussprache, insbesondere die Betonung, gehört sowohl
zur Individualität eines Stammes als auch zu der eines Volkes
wie die Betonung zur Individualität des Wortes. Dass auch
letzteres der Fall ist, sehen wir z. B. an dfjftog und dr^fiog^ die
nicht das gleiche bezeichnen.
Die hauptsächlichste Veränderung der neuhochd. Lautlehre
besteht darin, dass die ursprünglichen Kürzen, sobald ihnen ein-
facher Consonant folgt, bis auf wenige Spuren verschwunden
sind. Das alte hat, trat ward nhd. hat, trat: das zweisilbige
sclmden lautete im altdeutschen sch<idn^ aber als die Betonung
oder der Accent sich mehr auf die Stammsilbe warf, sprach man
es schaden, Wörter wie hote, hröte wurden nhd. gleichmäßig
betont höte, brot^.
Der Ton beherrscht auch die romanischen Sprachen im
Vergleich zur lateinischen. Auch in jenen werden kurze Ton-
vocale vor einfacher Consonanz verlängert, und dies rührt her
von dem Verschwinden oder der Kürzung der Flexionssilben,
z. B. lat. pädrm — ital. ^;?V^fe, lat. föcus — ital. fuoco. Daher
verschwindet auch, wie im Deutschen, der Unterschied des Zeit-
mafses, z. B. das lat. mäter, päter spricht der Italiener mädre,
pädre^ der Franz. niire, pere.
Bei der ümdeutschung fremder Wörter ist oft eine Ver-
rückung des Accentes wahrzunehmen, und dabei concurriert die
französische Aussprache mit der lateinischen, z. B. in denen auf
'■ik: liepidüih — Chnmik, Physik — Physik.
In allen modernen Sprachen ist die Quantität vom Accent
beherrscht oder verdunkelt; sie sind vorwaltend accentuierende,
Th. Vemaleketi, Die Betonung im deutschen Versbau. 410
wogegen die Sprachen des Alterthums mehr quantitierende waren.
Der Ton gibt der Sprache Leben und Färbung; er ist mehr
geistiger Natur, die Seele der Eede, weil er Aushauch der die
Eede begleitenden Empfindung ist. Bei den Deutschen, als einem
„Denkervolke", musste der Ton auf die bedeutsamste Silbe fallen.
Bei uns wird die Silbe gewogen, bei den Alten ward sie ge-
messen. Gezählt wurden unsere Silben nur vom 15— 17. Jahrb.,
in einer für die Poesie sehr ungünstigen Zeit.
Neben der Messung in den alten Sprachen bestand aller-
dings auch eine Betonung. Diese muss aber weniger dynamisch
als vielmehr melodisch gewesen sein, nqoaaßia^ accentus heifst:
begleitender Gesang*). Diese Musik der Wortbetonung ist natür-
lich für uns verloren. Grimm (Gr. P, 20) bezeichnet das Wesen
des alten Accentes so: „Die Quantität scheint etwas allgemeineres,
gleichsam die poetische, der Accent die prosaische Lebendigkeit
der Sprache zu umfassen. Hieraus lässt sich der allmähliche
Untergang der Quantität und die zunehmende Ausdehnung des
Tons begreifen. Der Ton muss auch als eine Hauptursache
vieler Veränderungen der Sprache angesehen werden, indem er
Flexions- und Bildungsendungen zu seiner Hebung heran- und
dadurch zusammenzieht, in seinen Senkungen aber den wahren
Laut der Buchstaben beschädigt und verdunkelt." Wir können
das deutlich sehen an den aus dem lateinischen hervorgegangenen
romanischen Sprachen. Der beste Gewährsmann in diesem Ge-
biete, Fr. Diez, sagt (Gram. 1, 116): „die Schicksale der Ele-
mente, aus welchen die Wörter gebildet sind, stehen grofsen-
theils unter dem Einflüsse des Zeit- und Tonmafses, welches
die Aussprache der Silben begleitet. Die neueren Völker ver-
fuhren mit der Prosodie der Alten so: die Quantität lateinischer
Silben ist an und für sich bedeutungslos, nur der Accent wird
beobachtet; das ganze Verhältnis der Quantität ist daher von
der Tonsilbe abhängig."
Der Einwirkung des Tones auf die Sprache wird ein musi-
kalischer Einfluss überhaupt zur Seite gegangen sein; eine Ge-
schichte der Musik müsste uns darüber Aufschluss geben. Wir
haben oben schon bemerkt, dass die Sprache an den Ausdrucks-
mitteln der Musik, namentlich am dynamischen und rhyth-
mischen, einen gewissen, freilich sehr beschränkten Antheil hat.
Dynamisches bewirkt in unserer Musik den Tact, und im deut-
schen Verse hat der Accent oder die Betonung einen dynami-
schen Einfluss, indem er die Hebung bewirkt und dadurch den
Rhythmus erzeugt. Das haben die nicht bedacht, welche die
Versmafse der Alten unserer Sprache einimpfen oder aufpfropfen
wollten. Wie der Vers der alten Griechen auf anderer Grund-
♦) Ac-centus (cantus) ist wörtliche Uebertragung des griechischen
420 Th. Vemaieken, Die Betonung im deutschen VenbaiL
läge ruht, so ist sicherlich auch ihre Musik eine andere ge-
wesen. Gottfried Hermann (Metrik 1799, S. XIX) macht auf den
Unterschied aufmerksam, der besteht zwischen unserer Musik
und der der Griechen. „Die jetzige Musik", sagt er, „hat einen
doppelten Ehythmus, den des Tactes und den der Melodie. Der
Ehythmus des Tactes ist der Grundrhythmus einer Musik und
beherrscht den Ehythmus der Melodie, durch welchen er nicht
aufgehoben werden kann. Er gibt der Musik Einheit, indem der
Ehythmus der Melodie ihr Mannigfaltigkeit verschaflH;. Die grie-
chische Musik hingegen war von allem Tacte entblöfst
und kannte blofs den Ehythmus der Melodie." Um diese An-
sicht des berühmten Philologen einleuchtend zu finden, braucht
man nur an den alten Kirchengesang zu denken, an den Gegen-
satz zwischen Gregorianisch und Ambrosianisch. Der alte Barchen-
gesang bedurfte keines Tactes, es war ein Singlesevortrag mit
geringer Modulation, fortschreitend in ganzen und halben Noten,
Auch die quantitierende Metrik der Alten war ungestört vom
Accent; man hörte nur die Längen und Kürzen heraus und
mafs nach ihnen den Vers. Mit dem Verfalle der feinern gram-
matischen Gliederungen scheinen also die künstlichen Tactarten
in der Musik wie auch die blofs accentvertheilende Metrik der
neuern Völker in engem Zusammenhange zu stehen. Auch das
dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass die deutsche Betonung
oder Hebung eine ganz andere Bedeutung für den Vers hat als
der griechische Accent. Im Deutschen ist der Accent für den
Ehythmus des Verses mafsgebend, bei den Griechen war er nur
begleitend, in der Weise wie Diomedes das Wort accentus er-
klärt: ab accanendo, quod sit quasi quidam cuiusque syllabae
cantus. Apud Graecos ideo Ttooaiijdla dicitur, quod TtQog^öai
Tag GiUaßag (weil es zu den Silben stimmt, gleichsam singt),
Ueber das Wesen der Betonung überhaupt sagt er: Accentus
est acutae vel gravis vel inflexae orationis elatio, vocisve in-
tentio vel inclinatio, acuto vel inflexo sono regens verba.
In jeder ausgebildeten Sprache muss der Vers ein gramma-
tisches und ein musikalisches Element besitzen. Metriker haben
sich bemüht, die Berühungen beider für unsere Sprache dar-
zulegen. Wir nennen hier niu- Voss und Apel. Letzterer hat
(1809) den musikalischen Charakter des Verses mit vielem Scharf-*
sinn behandelt; er fehlte aber darin, dass er auch die alten
Sprachen in den Bereich seiner Betrachtung zog. In meiner 1847
erschienenen „deutschen Verskunst" habe ich wol zu einseitig
den ^s^act als das rhythmische Princip aufgestellt, und Teil-
kampf in Hannover hat (1857) mit Eecht Bedenken dagegen
erhoben. Beide, wie auch Eod. Benedix („Wesen des deutechen
Ehythmus" 1862) haben damals das historische aufser Betracht
gelassen, und das wird bei einer wissenschaftlich aufzubauenden
Verslehre vor allem berücksichtigt werden müssen. Neben der
7% Vemäleken, Die Betonung im deutschen Versbau. 421
sprachgeschichtlichen Seite steht aber auch die musikalische,
und in dieser Hinsicht wird für unsere Sprache wol zu unter-
scheiden sein:
1. Die Wortbetonung von der Versbetonung. Die erstere
mag immerhin das Wort „Bergschlucht'* spondeisch nehmen, im
deutschen Verse gibt es nur Trochäen, Hebung und Senkung.
2. Den Rhythmus des gesungenen Liedes von dem der
reinen Musik. In der Liederpoesie hat das musikalische seinen
Antheil, indem dadurch Hebung und Senkung modificiert wer-
den. Aber der Tact ist kein rein musikalischer; der Musik-
rhythmus besteht aus Tönen, die nicht durch das Wort ge-
hemmt sind. Musik steht der alle Gedanken deutlich fassen-
den Sprache entgegen, im Gesänge aber tritt sie zu den Worten
und „gibt — wie Grimm „über den Ursprung der Spr." sagt —
ihnen feierliches Geleit. Aus betonter, gemessener Recitetion
der Worte entsprangen Gesang und Lied, aus dem Lied die
andere Dichtkunst, aus dem Gesang durch gesteigerte Abstrac-
tion alle übrige Musik, die nach aufgegebenem Wort geflügelt
in solche Höhe schwimmt, dass ihr kein Gedanke sicher fol-
gen kann."
Wien. Theodor Vernaleken.
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
C. lulii Ccßsaris commentarii de hello ciuüi. Erklärt von Fr.
Kraner. Dritte Auflage, besorgt von Friedrich Hofmann. Berlin,
Weidmann, 1864. — 22 Vi Sgr.
C. lulii CcRsaris de hello eiuili commentarii tres. Erklärt von
Dr. Albert Doberenz. Zweite Auflage. Leipzig, Teubner, 1863. —
15 Sgr.
Die dritte Auflage des von Kraner herausgegebenen heUum ciuüe
ist von Fr. Hofmann in Berlin in dem Geiste Kraner's besorgt worden, so
dass eine äufsere Charakteristik des Buches unnöthig erscheint. Neu hin-
zugekommen ist eine Uebersichtskarte über Caesars Marsch vom Bubico
bis Brundisium, mit zwei Nebenkartchen Brundisium und Uerda, ebenso
eine chronologische Tafel über die in den Büchern de hello civile erwähn-
ten Ereignisse nach dem nicht berichtigten Kalender; dagegen ist die üeber-
sicht über das römische Kriegswesen, die nun seit der vierten Ausgabe des
bellum gallicum dorthin gesetzt worden ist, weggelassen. Auch die Ein-
richtung der Dobercnz'schen Ausgabe kann als bekannt vorausgesetzt wer-
den. Nicht ganz billigenswerth ist es, dass fast kein Unterschied wahrzu-
nehmen ist gegenüber der Doberenz'schen Ausgabe des bellum gallicum.
Denn wenn das bellum civile in den Kreis der SchuUectüre gehört, was
bei dem traurigen Zustand der üeberlieferung, der offenbar flüchtigen Ab-
fassung und der in Folge dessen weniger vollendeten Form zu bezweifeln ist,
so ist es doch auf einer vorgerückteren Stufe zu lesen als das bellum galli-
cum. Zu Doberenz wäre die Zugabe einer Uebersichtskarte von Herda und
Dyrrhachium erwünscht — Ref. benützt diese erneuten Auflagen als An-
lass, einige Stellen des bellum civile in kritischer und exegetischer Hin-
sicht zu behandeln.
1, 16, 1. Recepto Äsculo expidsoque Lentiäo CcBsar cotiqiUri mi-
lües . . . iubet. Hofmann vertheidigt die Aufnahme von Asculo gegen das
handschriftliche Firma gegen die Bemerkung Kraner's im Anhang zur
zweiten Auflage. Auch Doberenz hat Asculo aufgenommen. Dagegen hat
Heller Firma gegen Hofiiiann zu halten unternommen. Man kann ihm zu-
geben, dass den einzelnen Functen Hoüuann's gegenüber seine Bechtferti-
OsBar b. civ., v. F. Kraner, ang. v. L, Vielhaber. 4tS
gnugen möglich sind: aber er hat den ganzen Zusammenhang der Erzäh*
Imig, der allerdings in den Angriffen auch nicht aufgeführt war, uner-
wähnt gelassen. Von Auximum bricht CsBsar nach Asculum Picenum auf
c 15, 3. Auf die Nachricht seines Anmarsches flieht Lentulus Spinther
aus Asculum ib. Nachdem Caesar (nach dem Texte der Handschriften bis
auf eine) das etwa in der Mitte zwischen Auximum und Asculum gelegene
Firmum besetzt hatte und nachdem Lentulus entwichen war (nach Heller),
IftsstOassar von Firmum aus die Soldaten, die den Lentulus in Asculum
verlassen haben, aufsuchen und Aushebung halten, nach eintägigem Aufent-
halt (in Firmum) geht er nicht nach Asculum, wohin er nach dem vori-
gen aufgebrochen war, sondern direct nach Corfinium c. 16, 1, obgleich
als Ziel des Ausmarsches von Auximum ausdrücklich Asculum bezeichnet
war. So erzählt kein Schriftsteller, am allerwenigsten Csesar. Dabei ist
ToUkommen zugegeben, dass Cäsar nach der bekannten Stelle Cia ad Att.
8, 12 £ 1 über Firmum und Castrum Truentinum marschierte, nur dass
er Firmum statt Asculum in seinem Berichte als Haltpunct vor dem Marsch
auf Corfinium nach dem ganzen Zusammenhang nicht genannt haben kann,
ist mir sicher. Demungeachtet glaube ich nicht, dass Äsculo statt Fimio
zu setzen ist, sondern dass Ursinus, der unter halber Beistimmung Ouden-
dorps, aus einem 'v. c* ') oppido empfahl, richtig gesehen, mag nun
der Leseart jener Handschrift wirkliche üeberlieferung oder Conjectur zu
Grunde liegen.
1, 44, 2. Oenus erat pugnae fnüitum tüorum, ut magno impetu
primo procurrerenty audacter locum caperent, ordines suos non vMxgnopere
seruarent, rari dispersique pugnarent; si premerentur, pedem referre et
loco exeedere non turpe existimarent cum Ltisitanis reliquisque harbaria
genere quodam pugtuie adsiiefactü Dobcrenz erklärt quo dam nach Held:
'an eine gewisse Art des Kampfes, die von der gewöhnlichen, den Römern
bekannten Art abwich/ Dass weder diese Erklärung, noch die ähnliche
von Baumstark und Möbius richtig ist, darin haben Eraner und Heller
jedenfalls recht Auch was Eraner unter wesentlicher Beistimmung Heileres
schreibt reliquisque barharis barbaro genere quodam pugnae adsue facti
ist dem Sinne nach gewiss richtig: den Worten nach scheint mir cum
darauf zu führen, dass ein Begriff des Kämpfens fehle. Dieser kann in
reliquisque f wofür &, wie es scheint allein, reliquis hat, stecken und bar-
baris aus barbaro verdorben sein. Vielleicht crebris cum Lusitanis proe-
liia barbaro genere quodam pugnae adsue facti. Dass cum Lusitanis
allein gesagt ist, ist leicht erklärlich dadurch, dass diese die bedeutendste
Völkerschaft waren, die noch den Römern zu schaffen machte. Die Ent-
stehung der Corruptel gieng von barbaro aus. War dies mal verdorben,
00 bequemte sich das übrige bald an und crebris musste, nachdem aus
proeUis geworden war reliquiSy ausfallen.
1, 46, 3. Schon ein Anblick des Planes von Ilerda bei Goeler „Bür-
') Welcher übrigens wol nicht der Vatic. 3324 ist, sondern vielleicht
der 3, 105, 3 zu reconditis erwähnte *alius\ und der zu 1, 87, 3
zu postulatum est angeführte. Leider schweigt Oudendorp an unserer
Steile über die Leseart des Leid. 11 (i}).
424 CiBBar b. civ., v. F. Kraner, ang. v. L, Vidhaber.
gerkrieg zwischen Cssar und Pompejus im Jahre 50/49 v. Chr.*' Tafel II,
vgl im Texte S. 37, zeigt, dass Kraner nach Forchhammer mit Becht den
Spuren Ton ae folgend (s. das vorjährige Programm des theresian. Gymii.
S. 16), liest: Equüatua autem noster ab utroque latere, essi deiedi» at^
que inferioribus locis constüerat, tarnen summa in iugum tUrtute eani'
tüur statt stMnmum in wie Pa rj % oder in summum wie die übrigen Hand-
schriften zu haben scheinen und Nipperdey und ihm folgend Doberens
aus der Voroudendorp'schen Vulgata wieder aufgenommen haben. — Ebenso
hat 1, 53, 2 Ejraner ganz richtig die Conjectur des R. Stephanns tmitta
rumor adfingebat aufgenommen, auf welche die Lesearten der besten Hand-
schriften hinführen, während Doberenz mit Nipperdey muUa rumore ad-
fingebantur schreibt
1, 81, 5. Eraner und Doberenz haben die Ton Nipperdey aufgenom-
mene Conjectur des Dauisius in den Text gesetzt: Hie eos suppliees')
malis habere CtBsar et necessarium subire deditionem quam prodio deeer^
tare malebat. Die Ueberlieferung ist so: ab haben supplicüs mode haberi,
c und d supplices male habere, die für diese Stelle bekannten Handschrif-
ten der zweiten Classe bieten alle {No Paga, ßrjXfi) supplicea male hdberi,
nur dass 'plerique^ (P nicht) statt eos haben enim. Am besten ist dem-
nach die von ab gebotene Leseart gestützt, die sich sicher halten lässt
supplicium haben Dähne in den Adn. crii und Möbius richtig erklärt, die
von letzterem angeführte Stelle 1, 84, 4, an welcher supplicium — *Noth"
in Folge der Einschliefsung ist, spricht um so mehr für suppliciis an
unserer Stelle, als dort dieselbe Sache bezeichnet wird und in solchen
Fällen Csesar sehr gerne ein früher gebrauchtes Wort wiederholt.
2, 5, 3. Die ueberlieferung ist: FacHe erat ex castris C. Trebom
atque omnibus superioribus locis prospicere in urbem, ui omnis iuuentus,
quae in oppido remcmserat , omnesque superioris aetatis cum liberis atque
uxorüms ex publicis custodiisque aut muro ad caelum manusten'
derent aut templa deorum adirent. So haben die gesperrten Worte aeP;
quae statt qu^ haben 'manuscr. plerique' Oudend. und /*, nur dass letzterer
über aut von erster Hand de und Puncte unter aut hat Die Abweichun-
gen in den anderen Worten der Stelle sind ohne Bedeutung. Dass die Al-
dinische Vulgata publicisque custodiis, aut ex muro falsch ist, hat Nipper-
dey nachgewiesen, dass Nipperdey 's von Doberenz aufgenommene Conjectur:
ui omnis iuuentus qutie custodiis in urbe remanserat omnesque ~
uxoribu^s aut supplicis ex muro ad caelum manus tenderent sehr un-
wahrscheinlich hat, E. Hofifmann, dessen Vorschlag: tU omnis iu%tentus,
quae publicis custodiis in oppido remanserat omnesque — uxoribus
aut de muro ad caelwn manus tenderent sehr unwahrscheinlich wird,
wenn man fragt, was publicis bei custodiis soll. Kraner hatte ähnlich mit
Hoffmann geschrieben ut omnis iu%Aentus, quae in oppido excubiis cu-
stodiisque remanserat, omnesque — aut ex muro ad caelum manus
*) Im b, c. stimmen P — Vind. II und « = Vossian. H sehr enge mit
einander, s. d. a. Progr. S. 3 ff. S. 19.
') supplicis Oud. Nipp.
Gnsar b. civ., t. F. Kraner, mg. t. L. Vielhaber. 4S6
tenderetUj Friedr. Hofmaiin streicht publicis custodiisque und schreibt statt
aut mwro: aut in muro. Noch andere Versuche s. bei Kraner in der adnot.
critica zur Tauchnitzer Ausgabe. Im möchte ohne Umstellung statt publi-
cäs custodiisque schreiben: plateis uestibtUisque und nach atU die Präpo-
sition ex nochmals setzen. Massilia war so lange in Verkehr mit Rom,
dass auch die Bauart der Wohnhäuser sich gewiss vielfach nach römischen
Mustern richtete, ex ist ähnlich gebraucht wie b. g. 1, 4, 1 ex uinctdis
causam dicere; 4, 24, 3 ex arido tela conicere; b. e. 2, 16, 3 ex muro
beüandi n. ä. Die Wiederholung der Präposition nach aut is wol sicherer
als die Nichtsetzung , denn an den Stellen, wo nach aut bei Csesar die
Prapos. fehlt, b. g. 6, 16, 5. b. c. 2, 35, 2 ist der Ablativ nach aut wol
▼on der Präposition ganz unabhängig, s. Herzog zur zweiten Stelle; vgl.
auch Schneider zu b. g. 1, 44, 11 adn. crit.
2, 6, 3. Diductisque nostris paülatim nauibt4S et artificio guber^
natorum mohüit<Ui nauium locits dahatur, et siquando nostri facultaiem
naeti ferreis manibus inieciis nauem religauerant undique suis laboranti-
bus succurrehant. Nipperdey und Doberenz lassen mit hrjX {P nicht) das
et vor artificio weg, während E. Hoffmann und Kraner es beibehalten und
vor mobüitoH noch eines einschieben. Den Gedanken haben die letzteren
jedenfalls richtig getroffen, da nach dem ganzen Zusammenhang des Capitels
nur von den Massiliensem das artifidum gubematorum und die mohilitas
nauium verstanden werden kann: fraglich bleibt nur, ob das zweite et
einzuschalten ist, oder ob vielmehr que um eine Zeile herabzurücken ist
zu mohüitcUi, da es ohnehin bei diductis auffällig ist, insoferne es da den
ersten Haupttheil der Erzählung an die Propositio knüpfen würde, s. Seyf-
fert Seh. lat. I, S. 11.
2, 10, 1. Uhi ex ea turri qirne circum essent opera tueri se posse
eonfisi stmt, musculum pedum LX long um ex materia bipedali, quem
a turri latericia ad hostium tu/rrim murumque perducerent facere insti-
tuerent; cuius musculi haec erat forma. So ist die beste Ueberlieferung.
Statt pedum haben ßk das, wenn man longum hält, allerdings nothwendige
pedes; statt quem a turri hat n qUern ipsi a turri; ij que ipsi a turri;
quae a turri *maa, 4* (wol que wie P); que turri P; statt perducerent
hat JP producerent. Fr. Hofmann will pedes LX longum, an dem man seit
Lipsins sich gestofsen, halten und LX entweder in IX (Lipsius) , XL
(Nipperdey), XX (E. Hoffmann, Goeler) geändert hat, halten durch die
Erklärung, dass die Minirhütte von der turris latericia der Caösarianer bis
an den Thurm von Massilia reichen sollte und beruft sich hiefür beson-
ders Auf perditcere, das nur heiftee: *etwas von einem Puncte bis zum an-
dern verlangem/ Dieser Erklärung steht der Schluss des Capitels ent-
gegen §. 7: Hoc opus omne tectum uineis ad ipsam turrim perficiunt
subitoque inopinantibus hostibus machinatione nauali, pha-
langis subiectis ad turrim hostium admouent, ut aedificio iungatur.
Femer kann der Thurm der C»sarianer nicht 60 Fufs von der Mauer
Massilias entfernt gewesen sein, da er nach c. 8, 1 sub muro gebaut wird
und nach c 11, 3 von demselben aus auf die Vertheidiger der Mauer mit
telis tormentisque geschossen wird. Da jedenfalls zu ändern ist, so halte
426 CtBsar b. civ., v. F, Kraner, ang. v. L. Vielhaber.
ich es f&r wahrscheinlicher, dass pedum echt, dagegen lonffum verdorben
ist aus einer Zahl und nach diesem Verderbnis erst LX eingeschoben ist
Welche Zahl gestanden haben mag, ist kaum zu vermuthen, höchstens so
viel, dass sie auf VIII ausgegangen sein dürfte.
2, 10, 5. Die üeberlieferung ist: Ita fastigato atqtie ordinatim
structo, ut trabes erant in capreolis coUocatae in kUeribus lutoque ffttMCW-
Itis, ut ab igni, qui ex muro iaceretur, tutiis esset, contegitur. Statt
üa hat P itaque; fastigato haben (a) NßX, die andern fastigiato; statt ui
trabes erant haben '4 mss.* ut tr. quae erant, ebenso P, der jedoch ut
auslässt, was auch von a bezeugt ist; in UUeribus haben ahcNßXfi (fiun.
paris.); statt lutoque haben luto: bcNPccß et luto rjX/ia, Gewöhnlich
wird mit Nipperdey geschrieben: ita fastigate atque ordinatim structo
tecto wt — musculus, ut — tuitus esset, cofUegüur (auch von Dob. und
Kraner). Die Correlation von ita — lUj die durch eine solche Textesgeetal-
tung entsteht, ist nicht richtig. Denn wie soll die Lage der Balken von
dem stumpfen Winkel des Daches abhängen? vielmehr umgekehrt. Wenn
Doberenz ferner ordinatim erklärt: *in der Ordnung gebaut wie', so würde
das auf Ordinate, nicht ordinatim passen. Ferner kann doch nicht gesagt
werden, dass das Dach ordinatim struitwr, wenn die oben liegenden Bal-
ken in Reihe neben einander liegen. Wenn nicht auch in ordinatim ein
Versehen ist (was mir sehr wahrscheinlich), so könnte noch eher gesagt
werden, dass der ganze muscul\is so gebaut wird: die trabes die cciumel'
lae, die capreoli die tigna und endlich die regulae. Endlich ist der zwischen
tectum und dem musctUiM als ganzem gemachte Unterschied nicht abzu-
sehen , da das contegere ja eben nur an dem Dache geschieht. Jedenütdls
scheint P(t richtig ut auszulassen (ob es in *4 mss.* gesetzt ist, ist von
Oud. nicht ausdrücklich bezeugt), quae aufzunehmen mit Pa 'm88.4* und
aus der mit OPa verwandten editio florentina 1508 das Komma nach moscn-
lus zu streichen und cmüeguntur zu lesen, s. Brutus bei Jungermann.
2, 15, 1. Trebanius ea, quae sunt amissa, muUo nuUore nnäitum
studio administrare et reficere instituit. Kam lUn tantos suos labores et
apparatus male ceddisse uiderunt indutiisque per scelus uiolatis suam
uirtutem irrisui fuisse perdoluerunt, quod, unde agger omnino com-
portari posset, nihü erat reliquum: omnibus arboribus lange lateque
in finibus Massüiensium excisis et conuectis, agger em nouigeneris,..facere
instituerunt. Diese von Oberlin, Dähne, Kreissig, Doberenz, Kraner ge-
setzte Interpunction ist nicht entsprechend; am besten setzt man nach
perdoluerunt ein Kolon, nach reliquum ein Komma, so dass mit quod
der Nachsatz beginnt, omnibus — canuectis die Begründung zu quod —
reliquum aut gibt. — Ebenso würde 2, 17, 2 gewinnen, wenn nach fide
ein Komma, nach intercedere eine stärkere Interpunction einträte, so dass
der Gedanke wäre: M, Varro . . . diffidetis Pompeianis rebus amicissime
de Ccesare loquebatur: praeocipatum sese legatione ab Cn. Pompeio teneri
obstrictum fide, necessitudinem quidem sibi niJUlo minorem cum
Ccßsare intercedere; neque se ignorare, quod esset officium legaÜ,,.
quae uires suae, quae uoluntas erga C(tsarefn totius prouinciae.. — 2,28,3.
Kraner und Doberenz wollen neu pro his pugttarent, a quibus contu-
Ossär b. civ., v. F, Kraner, ang. t. L. Vielhäber. 487
melia perfugae appeUarentur den abl. mod. contumelia halten durch tn-
iwria, süentio, erupHane u. ä. kaum mit Recht. Es wird wol mit Nipper-
dej c%im einzuschalten sein.
2, 29, 3, 4. Eine vollständige Heilung der arg verstümmelten Stelle
wird kaum je gelingen; wie gegen Nipperdey's, so lassen sich auch gegen
Iwan MüUer's Restitution Eos I, 1, S. 65 — 71 gegründete Bedenken er-
heben. Der nachstehende Vorschlag gründet sich darauf, dass ciuüe heUum
gewiss nicht von Csesar gesagt ist, wo er selbst seine Ansichten entwickelt,
sondern höchstens den Soldaten in den Mund gelegt sein kann, man vgl. wie
CsBsar 3, 1, 4. 1, 67, 3 vorsichtig von einer düsensio ciu/äis spricht und
3, 1, 2 heUum allein anwendet. Es ist also jedenfalls im ersten Theile
eine oratio obliqua. Femer ist die Stellung des Adjectivs ciuüe so auf-
ilUlig, dass davor ein Wort vermisst wird. Dieses ist wol esse. Demnach
glaube ich die Stelle so reconstrieren zu müssen : Hoc ubi uno auctore ctd
pUtres permanauerat cttque aiiiis alii tradiderat, plures auctores eius rei
uidebantur: (esse) ciuüe bellum, genus hominum cui id^) liceret libere
facere et sequi quod ueUet^), legiones [hae]^, quae paulo ante apud
hastes fuissent"^ — fiam etiam Ccesaris beneficium mutauerat consue^
ttido noua offerentium*) — , municipia etiam diuersis*) partibus
coniuncta — plerique '") enim ex Marsis Pelignisque ueniebant, %tt (ii)^
qui superiore tutete (aufugerant). In contubernis commiseraban-'
tur ") nonnuüi grauiora; sermones militum dubii*"^) durius accipieban'
i«r, nannulli etiam ab iis ''), qui düigentiores uideri uolebant, fingebam'
tur. Es sind in diesen Worten zwei Theile zu unterscheiden, der erste, die
Gedanken der Curio und Ossär ergebenen Soldaten geht bis in cantuber"
niis, von diesen Worten an ist eine Schilderung des Berichterstatters.
Innerhalb der oratio obliqua sind die Worte consuetudo noua offerentium,
wie ich schreibe, zu übersetzen : 'der Verkehr derer, welche neue Geschenke
in Aussicht stellten*, mit Beziehung auf c. 28, 3. Bei dieser Auffassung
ist offerentium subjectiver Genitiv, ähnlich wie b. g. 3, 79, 6 sua con-
suetudine steht diuersis partibus glaube ich so halten zu können, dass
die Sprechenden dadurch ihre Heimat als zu Ossär haltend bezeichnen;
wie im Heere des Ourio der eine Theil es mit Ossär (wol die meisten
Oentorionen) , der andere mit Varus und Pompeius hält, also diuersas
partes sequuntur, so auch ihre Heimatsorte. Das folgende pieriqu^ gibt
zu, dass die Zahl der letzteren die gröfsere ist. Ob das Wort aufugerawt
*) So D. Vossius, die Handschr. quod,
*) ueUet: be ursin. NPa, sonst uellent
•) hae (a) 'mss. multi'; hec P; fehlt in fi.
^) fuerant die Handschr. das Möbius, der auch eine or. obl. annimmt,
vertheidigt.
qua offerentur die Handschr.
S. die Handschrift auTser n, in welchem aduersis steht.
'•) neque die Hdschr.
'') commüitesque die Hdschr.; cum müitesque o, cum müitisque fi,
cum müües u.
") dubii No f aie andern dubia, P duabus.
'^ his: aP.
•^
428 CaBsar b. civ., v. F. Kraner, ang. v. L. Vielhaber,
da gestanden, lässt sich natürlich nicht behaupten, ein des gleichen Sinnei
jedenfalls. Im zweiten Theile habe ich ans cofnmüitesque gemacht eom^
miserabaniur in Erinnerung an die sehr ähnliche Situation b. g. 1, 39,
wo §. 4 abditi in tabernaculis aut suum fatumq uerebantur , aut cum fch
müiaribus ^uis commtme periculutn miserabantur, commiserari selbst
mit Acc. steht Nep. Ages. 52. Für den Schluss ist b. g. 1, 49, 7 su Tcr^
gleichen. Ob endlich nach in contubemiis geradezu abditi einzusetzen ist,
ist zweifelhaft
2, 35, 6. Doberenz hat die Leseart eines Cod. Ursin. und des Paris. III
Itaque Cwrio exercitum in castra reducit suis otnnibus praeter JPa6iiHii
incolumibuSj ex numero aduersariorum BC itUerfedis ac mille mUne"
ratis aufgenommen, worauf allerdings aoch cc, das e, und eo, das Pa
haben, führt, während die andern Handschriften ac utdneratis haben. In-
dessen ist sowol nach der von den Erklärem citierten Stelle App. 2, ü
xal xaretQwS^riaav hi nlifovtg als der Natur der Sache nach wahrschein*
lieber, dass mviltis uulneratis mit Kraner zu schreiben ist.
3, 4, 4. DCCC ex seruis jpastoribusque sum suorumque coegercA
schreiben Kraner und Doberenz mit Nipperdey in der Aufzahlung der
Streitkräfte des Pompejus statt des handschriftlichen ex seruis suis pastO'
rumque suorum. Die im Programm des theresianischen Gymnasium 1864
S. 8 flf. besprochene Handschrift einer Miscellenhistorie der Wiener Hof-
bibliothek hat DCCC ex seruis suis expastoribus coegerat, der Schreiber hat
also vielleicht gelesen et pastoribus. Indessen hat die Erwähnung der
pastores nach den serui auffälliges, und ebenso das unbestimmte «motimi
der Handschriften. Hat statt pastorum ein Wort, das 'nahestehend* oder
ähnliches bezeichnet, gestanden, so könnten unter den seruis die Hirten
der epirotischen und anderer östlichen Plantagen ganz wohl darunter mit
verstanden sein.
3, 15, 6 ueUe se de maximis rebus cum Cäsar e loqui, si sibi fch
cuUas detur. So haben Exaner und Doberenz wol aus Schulrücksichten mit
den wenigst glaubwürdigen Handschriften ßl/na. ab haben ei, woraus
Nipperdey eis gemacht hat. NP (und wol auch tto) haben si sibi eius
facvXt4Jts detur, was vor Nipperdey Vulgata war, f hat blofs si facuUoB
detur, was E. Hoffmann aufgenommen. Mit Recht. Zwar kann ich, da ich
die Leseart von e nicht kenne, nicht ganz sicher urtheilen : indessen zeigt
schon die Verschiedenheit von ab, ßXfia und /*, sowie das fehlerhafte des
ei in ab, dass der Stammvater der familia parisina (s. Forchhammer
quaestiones criticae S. 13 ff. und S. 29) es im Texte und wahrscheinlich
sibi am Bande hatte; dass NP beides haben (auch e?), zeigt, dass schon
der Archetypus der Familie parisina und hauniensis es hatte als ein ganz
offenbar aus dem Rand eingedrungenes Glossem eines wenig achtsamen
Lesers, dem später ein anderer sibi als Correctur an den Band beisetzte,
ein Dritter, der dieses in den Text nahm, ei in eis änderte.
3, 36, 1. Eodemque tempore Domitius in Macedoniam uemt; et
cum ad eum frequentes ciuitaium legationes conuenire coepissent, nun--
ti(Uum est adesse Scipionem cum legionüms, magna opinione et fama
omnium: nam pilerumque in nouitaie rem fama ante cedit. Hie nüüo
C$BB$x b. dv., V. F. KrcmeTf ang. v. Ir. FielAoto*. 4t9
in loco Macedoniae maraius magno impetu tetendU ad Dominum. Statt
antecedU haben seit Nipperdey die Herausgeber au^enommen excedU, weil
es licherlich sei eine so bekannte Sache za erwähnen, dass das Gerücht
sich früher Yerbreite. Dass excedit, wobei auf magna Gewicht gelegt würde,
paBste, ist kein Zweifel, indessen lasst sich der durch die handschriftliche
Leseart erzielte Gedanke ebenfalls halten. Scipio marschiert in gröX^ter
Schnelligkeit (nüUo in loco Macedoniae moratus), und die Boten melden
schon Scipionem adesse, nicht blofä, dass er komme. Gegenüber dem
adesse sagt nun die Sentenz: 'meistentheils geht bei unerwartetem Ereignis
dem wirklichen Eintreffen ein unbestimmtes Gerücht davon Yoran' dass
doch dieses fortschreitende Gerücht noch schneller gewesen als Scipio. Eine
Schwierigkeit bleibt freiUch noch, die doppelte Beziehung des Wortes fcma
hart nach einander; aber kaum ist diese so grol^ b\8 es sein würde nach-
zuweisen, wie es einem einfallen konnte, das so planverständliche exeedü
in antecedU zu ändern. Da möchte noch gerathener sein, die ganze Sen-
tenz für ein Einschiebsel zu erklären, ein Schicksal, das vielleicht noch
manche bei Gasar verdienen.
3, 38^ 4. Domitius will den ihm folgenden Scipio in einem Hinter-
halt erwarten. Scipio schickt einen grofsen Theil seiner Reiterei voraus.
Qm cum essent progressi primaeque turmae insidias irUrauissent, ex fre-
mühk equonim itdata suspicione ad 8W>8 se redpere coeperwU, qtUg!UC ho9
neqwibanltwr celerem eorum receptum con^^icati restüerwU, Nostri cognitii
hoiiium insidUs, ne frustra reliquos expectarent, dwu nacti turmas ex-
eeperuntftn hia fuit M. Opimius, praefectus equitum),feliquo8
omnes earum twrmarum aut interfecerunt aut captos ad DomiHum de-
duxenmL Die Varianten sind unbedeutend und treffen nicht die Worte,
welche zu Bedenken Anlass gegeben haben. ?u)8Hum nach cogniHs fehlte
in den Ausgaben vor Scaliger und wird seit Gudendorp üeist von allen
weggelassen, nur einige Herausgeber haben nach Yossius hosH geschrieben.
Das folgende hat Doberenz nach Nipperdey unangetastet gelassen, Eraner
hatte noch reliquos und earum timnarum, E. Hoffmann auch noch ex-
ceperunt gestrichen; Fr. Hofmann dagegen lässt auJber hostium nichts
weg, sondern nimmt mit Koch und Freudenberg den Ausfall einer Zeile
an und setzt nach exceperunt mit Freudenberg ein: quarum perpaud
fuga se ad 9UOS recepertmt. Dass durch diese oder eine ähnliche Ergän-
zung der Text lesbar wird, ist kJar: aber der ganze kritische Zustand des
b. c. scheint mir eher auf Interpolationen als auf Auslassungen zu führen.
Da wir femer von dem erwähnten M. Opimius sonst nichts wissen , auch
das ganze hier erzählte Factum sonst nicht erwähnt wird; so kann doch
auch das von Gewicht sein, ob es wahrscheinlicher ist, dass Opimius er-
wähnt wird, wenn er entkömmt, oder wenn er gefangen wird. Der letzte
Gedanke lässt sich auf dem Wege Eraner's u. a. freilich mit Zuhilfenahme
einer Umstellung in die überlieferten Worte bringen: Nostri cognüis
[hosiium] insidiis, ne frustra reliquos expectarent, duas nacti turmas ex-
ceperunt, [Reliquos] omnes earum cohortium aut interfecerunt aiut captos
ad Domitium deduxerwit. In his fuit M, Opimius praefectus
equitum. Eine Empfehlung dürfte dieser Restitutionsversuch von folgen-
Z«itMhrm f. d. 69int. Gyntt. 1865. YL Htft 29
4tÖ Cesar b. civ., y. F. Kraner, ang. t. L, VUÜiäber,
den 2wei Umständen haben. nacH . . . exceperunt ist so gesagt, dass an
ein vollkommenes Abfongen, ohne dass einzelne entkommen, znnichst xa
denken ist. Ferner sieht man bei der Freudenberg'schen Einschaltung am
allerwenigsten, wie Opimius gerade neben den zwei Türmen erwähnt wird,
da er doch nicht zu ihnen tactisch gehQrt. Dagegen kann es sehr wohl
als ein besonderes bedeutsames Moment hervorgehoben sein, dass mit den
zwei Türmen auch der Commandant der gesammten Reiterei gefuigeB
wird, der sich zuföllig bei den zwei vordersten Türmen befand.
3, 40, 4 Cn. Pompejas, der Sohn, hat das am Eingang des Hafens
von Oricnm versenkte Schiff gehoben und das dort stationierte Kriegaschiff
genommen eodemque tempore ex äUera parte '^ molem tenuU naturalem
öbiectam, guae^^) paene insulam^') oppidum effeeerat, IIII^^ Uremee
Hibiectis scutulis inpuhas uectUms in interiorem partem traduxii, lia
ex '*) utraque parte naues longas adffressus, quae erant ddiffatae ad ter-
ram atque inanes, IUI ex Ms abdtucity reliquas incendU. So die Hand-
schriften, nur dass ich im letzten Satze, der sonst keinen Zweifel ver-
ursacht, gleich das nöthige abduxü statt adduxit, das aP 'mss. 6' haben,
gesetzt habe. Nach Nipperdej hat Doberenz trotz Heileres Widerspruch
aufgenommen mole tenui naturaJiter obieäa . . . efficiehat und partem be-
halten. So schrieb auch Kraner, nur dass er partum ntaii partem setzte.
E. Hoffmann: mclem tentauit natura ohieetam, Fr. Hofinann mit
Heller: eodemque,,. molem tenuit naturalem ohieetam, quaepaernn-
sulam oppidum effecerat, quattuorque hiremes sülneetis scuiuHs im-
pulsas uectibus in interiorem p ort um traduxit. in der Hauptsache ist
ihm vollkommen beizustimmen, wenn man auch immer noch einen Dativ
zu öbiectam gerne läse, sowie paeninsuiam statt paene insulam eher ftr
eine Verschlechterung als eine Verbesserung halten mag, und vor allem
statt der Heller'schen Aenderung quattuorque an die von Pa gebotene
Leseart sich haltend qua liest. Ob nach diesem eine Zahl ansge&Uen, ist
zweifelhaft; wenn dies der Fall war, so ist allerdings mit Clark., Mor.,
Oberl., Dshne, Kreyssig, Herzog, Held qua quatuor zu schreiben. Indessen
ist die Annahme ebenso zulässig, dass Pompejus alle Zweiruderer, die
er hatte, über den Molo scliaffen lieX^, in welchem Falle quaäuor aud dem
nächstfolgenden heraufgenommen worden wäre und fast durchaus das qua
verdrängt hatte. Für tenuit =- *er nahm in Besitz* vgl. 3, 47, 1. 3, 100, 1,
für effecerat als logisches Plusquamperfect (passiv paene inaula erat op-
pidum effectum) s. Hoflfmann Construction der Zeitpartikeln S. lOff.
3, 44, 4. Die Handschriften haben ohne erhebliche Abweichungen:
Atque ut nostri perpetuas munitiones uidehant perductai ex
castellis in proxima castella, ne quo loco erumperent Pompeumi
ac nostros po8t tergum adorirentury timehant, ita Uli interiore spatio
perpetuas munitiones efficiehant, ne quem hcum nostri intrare atque ^[noe
*^ et a altera parte *mss. 5', älteram partem ß,
'*) obiecteque PI, ohiectaque P2.
^') paeninsulam ältere Ausgaben, Urs. Ciacc. Fr. Hofmann«
*^ qua Pa 'unus Clarkii', vielleicht eben a,
'•) ita ut ex , , . adgrestus bPa, ita ut ex , . . adgrederetur fin^ft.
ÜMtr bi dv., V. F. Eraner, hug. v. Z. FieDkiber. 4>1
a fefigpo circmniienire passent Dieser vielbestrittenen Stelle, deren Sinn
im ganzen freilich klar ist, ist vielfach durch Conjectnren zu helfen ver-
racht worden. Ohne Annahme von Glossenien ist es bei keiner abgegangen,
da allerdings die zwei Verba uidebant und timebant anvertraglich sind.
Meist wird timehcmt gestrichen und uidebant in ein Verb des Errichtens,
Hebens o. ä. corrigiert. Fr. Hofmann schreibt mit dem Cod. Hotomanni:
häbdxmU, um die Stelle lesbar zu machen. Koch ist weiter gegangen und
hat auch perduetaa — casteUa gestrichen, als einerseits aus c. 43, 2, ander-
leite aus dem unmittelbar folgenden entnommen. Hierin hat er sicher
Recht. Immer aber bleibt auch bei seinem Vorschlage perpetua mumtione
promdebafU ne e. q. s. das Imperfect auffallig, das man doch nicht wol
als das des Versuches erklären wird, femer ist nicht wohl abzusehen,
warum su prouidebant jemand timehcnü angemerkt hätte. Mir scheint im
Gegentheil Hmebani echt zu sein, widebant ein im Lauf der Ueberlieferung
ferungl&cktes efficiebant und der ganze Satz perpettuis munitiones efficie-
bimt perductas ex casteUis in proxima casteUa erklärendes Glossem zu
Aique ui nastri, ne — adarirentur, timebebant, das seinen Ursprung dem
letzten Theil der Stelle selbst und c. 43 verdankt, und sich wol schon
durch proxima als Zusatz ankündigt.
3,45,6. DicUur eo tempore ghrians apud suos Pompeius dixisse:
nofi ree^8are se qym nvMius wu8 itnperator existimaretur, si sine maximo
detrimento legiones Camris sese recepiasent inde, quo temere essent
progreisae. Mit Nipperdey scheint die Aenderung des Ciacconius legio,,'
recepisset . . . esset progressa allgemein gebilligt zu werden. Indessen zu
«Igen, dass die neunte Legion Schaden nehmen werde, war Pompejus ge-
wiss berechtigt, wenn auch die Sache nach Cssars Bericht schliefslich an-
ders ablief. Die Einleitung C»sars zu den Worten desselben, sowie dass
er sie überhaupt anführt, zeigt, dass Caesar eine ganz aufisergewöhnliche
Prahlerei des feindlichen Feldherm anführen wollte. Wenn man die Sache
Bo auffiisst, dass Pompejus hofft auch bei den weiteren Circumvallations-
fersuchen andere Cssarische Legionen so zu überraschen, wie es damals
mit der neunten Legion geschehen war, und dass deshalb schliefslich das
Heer des CsBsar, ohne seinen Zweck zu erreichen, abziehen müssen werde,
•0 ist hierin weder etwas der Situation nicht entsprechendes, noch für
Omar unpassendes. Diese Vermuthung traf nach Cesars Bericht nicht,
dafür ein anderes unglückliches Ereignis, das Cesar sehr absichtlich nicht
auf Rechnung seiner Uebereilung oder der Klugheit des Pompejus setzt,
sondern nur auf äuilsere Zulälligkeiten zurückfuhrt. Es wird also hiedurch
nicht im mindesten *der Scharfblick des Gegners anerkannt.* Es scheint
mir vielmehr eine ähnliche Ironie in der Stelle zu liegen wie in c. 86.
VgL auch Elberling Obseruationes criticae S. 125 ff. und Gceler: Die Kämpfe
bei Dyrrhachium und Pharsalus S. 25.
8, 46, 5. Müites legionis Villi subito con^rati püa coniecenmt
€t ex inferiore loco aduersus diiMim incitati cwrsu praecipites Pompeianos
egeruni et terga uertere coegerwnt; quibus ad recipiendum crates disiec-
tae longuriique obiecti et institutae fossae magno impedimento erant
So schittibt Kraner für das handschriftliche deredae iNa (derete), direc-
MC Cmax b. dr., y. F. Eraner, ang. v. Ii* VtOMbm'.
tae der andern Codices. Mir scheint deiedae richtiger, das von craUi ge-
wiss ebenso gesagt werden kann als von twres b. c. 2, 22, 1. Das folgende
ist sicher unrichtig: denn man mag sich die longurii noch fest steckend
oder auf dem Boden liegend denken, so sieht man nicht, was öbiecH eigent-
lich heifsen soll. Aus den unbedeutenden Varianten : obtecti a, longiorique
obiectu P und longuri (mit oder ohne que ?) der *Cod. pleriqne* lisat ridi
nichts schliefsen. Dagegen klingt zwischen crates und fossae die Erwäh-
nung der longtmi überhaupt sonderbar; man möchte fast eine ans b. g.
7, 84, 1 gemachte Interpolation veranlasst durch §. 1 locumgue in omne$
partes quam maxime impediri vermuthen.
3, 48, 1. Est etiam genus radicis inuenium ab iis, qu^ fuerant
ualerilmSj quod appeUatwr chara, quod admixtum Jade fnuÜum inopiam
leuabai. Id ad similitudinem panis efficiebant, Eiua erai fnagna
copia. Ex hoc effe ctos paneSj cum in coUoquOs Pampeiani famem nos^
obiectarent, uulgo in eos iaciebant, ut spem eorum m4nuerent. Der Sati
Id — efficieha/nt stört den Zusammenhang und sagt nichts anderes als
später ohnehin kömmt, und zwar in einer gelenkeren Form. Ferner was
heifst ad similitudinem ? panis kann hier nur von der Form gesagt sein:
da wird aber nicht blofs eine ähnliche Gestalt, sondern offenbar die gleiche
gemacht worden sein, wie gleich im folgenden richtig steht ex hoc effee-
tos panes. Da femer in Parj/iQO und im Cod. bist, misc ad fehlt, liegt
die Yermuthung nahe, ex his similitudinem panis efficiebant sei die or-
sprüngliche Form der Randnote gewesen.
3, 51, 8. Pompeius tumulum quendam occupauit, qui ianiwm äberat
a nostro casteUo, lU telwn tormentumue missum adigi non posset. a
hat tortnenium, b: tormentorum. Seit Nipperdey wird mit Vossias und
Dauisius nach /noa^ IVossian. telum tormento gelesen. P und nach Ouden-
dorps Schweigen die übrigen Handschriften haben telum tormentumue.
Da dieses die gewichtigere Ueberlieferung für sich hat, zumal auch a und
b darauf fuhren, ist es aufzunehmen. Gegen die Bedenken von Voesius
und Dauis. hat Oudcndorp es so gut vertheidigt, dass es unnöthig ist
etwas zuzusetzen als etwa, dass die Erwähnung von telum (aus der Hand
geworfen) neben tormentum nicht tautolog ist, vgl. 3, 56, 1.
3, 61, 2. Nam ante id tempus nemo aut miles aut eques a Casare
ad Pompeium transierat, cum paene cotidie a Pompeio ad Casarem per-
fugerent, uulgo xiero uniuersi in Epiro atque Aetolia comeripH imtt-
tes earumqu£ regionum omnium quae a Casare tenehantu/r. Die Worte ¥/¥ifO
nero uniuersi haben viel auffälliges. Erstens schliefsen sich uulffO und
imittersi aus und ist die Verbindung beider noch ziemlich verschieden^ Yon
uniuersi omnes u. ä., woran Oudendorp erinnert Femer scheint von jMiefie
cotidie zu uulgo keine solche Steigemng zu sein, dass sie durch wfo
hervorgehoben werden kann. Ob nicht uulgo zu entfernen ist? Es könnte
dem Zeichen einer Variante ui seine Entstehun«: verdanken, durch welches
das in einem frühen Exemplar fehlende uero als Variante übergesetzt war.
3, 70, 2. Munitiones enim a castris ad fiumen perductae ex-
pugnatis iam castris Pompei propriamexpedi tamqne uictariam
Casans interpeVauerwnt. So haben abca, in P fehlt propriam «ad que,
CSwtr b. civ., t. F. Kraner, ang. v. L. VieViaber. 488
in ^ und ß »•) bloA gw«, ebenso, in dem aber prape tarn steht; die an
die funilia parisina sich anschlieXisenden deteriores scheinen eben&lls pr(^e
iam m haben. Ondendorp hatte nach Vossius prope iam expeditam ge-
schrieben, worin ihm Monis, Herzog u. a. gefolgt sind. Nachdem Held
xnerst Yeisncht hatte propriam zn halten, ist es seit Nipperdey allgemein
aufgenommen. Mit Recht. Denn von den Gegengründen hat der von Yossins
Toxgebracfate 'si propria erat uictoria, nihil opus addere eocpedüa; si ex-
pedita tantum, nondum propria' allein einige Bedeutung. Fasst man jedoch
expugnatia — uictoriam in enger Verbindung mit propriam, so entsteht
der Gredanke, dass durch die Besiegung der Pompejanischen Legion ftir
Cäsar der Sieg sicher geworden (propriam) und leicht weiter zu verfolgen
(ea^edäaim) bis zur Vernichtung des ganzen Heeres des Feindes.
8, 75, 3. Neque uero Pompeius cognUo consilio eius moram uOam
ad insequendum nUülU; sed eadem spectans, si itinere impedUos per-
terrüos deprehendere passet, exerdtum e castris eduxü e. q. s. Dass weder
der Plural eadem, noch überhaupt das Pronom idem stehen kann, ist klar.
Von den vorgeschlagenen Aenderungen td, id modo, caedem, ea demtm,
eodem (Fr. Hoftnann) genügt keine, ebenso unwahrscheinlich ist, dass
eadem specUms Glossem sei (Eraner). Ich möchte lesen sed deleturum
^^eroHB, M e. q. 8.
3, 81, 3. lUe idoneum loeum in agris nactus quae prope iam
matura erani, ün aduentum expectare Pompei eoque omnem heUi ra-
Uonem conferre consHtuU, So die beste Ueberlieferung, in der offenbar
etwas unrichtig ist, denn dass segetis nach iUe überhaupt eine handschrift-
liche Gewähr hatte, ist aus Oud. Ausgabe noch nicht sicher. Die beachtens-
wertheeten Vorschl&ge sind die Einschiebung von copia frumentorum nach
nactus (Nipperdey, Doberenz), pienis frumentorum ebenfalls nach nactus
(Fr. Hofinann) und die Einschiebung von frumenta nach matura oder nach
erant und Aenderung von quae in quiay was schon Th. Bentley vorschlug,
a Oberlin und Dähne. Ich glaube, dass die Verwirrung dadurch entstan-
den ist, dass in agris an falsche Stelle gerathen, was dann auch den Aus-
fall von frumenta und die Aenderung des ursprünglichen quod in quae
(P hat qui, nicht abgekürzt) nach sich gezogen hat. Es war also das ur-
sprüngliche: IUe idoneum locum nactus, quod in agris frumenta
prope iam matura cremt e. q. s. , vgl. b. g. 1, 16, 2. 1, 40, 11 u. a. Der
Cod. hisi misc. hat: Tum cum frumenta prope maturitaiem essent, locum
idoneum nactus ad pugnam expectabat Pompeium, qui eo mox deuenit.
3, 97, 2. Qua re impetrata montem opere circummunire insHtuit,
Pompdani, quod is mons erat sine aqua, diffisi ei loco relicto monte
uniuersi iuris eius Larisam uersus se recipere coeperunt. So die be-
glaubigste Ueberlieferung; denn simtU, das rjfi, oq statt tum haben,
mit Auslassung von eius kündigt sich als Correctur an. Sicher ist, dass
man nach Wassius richtig vugis statt iuris schreibt, aber eius, das man
") ß stimmt sonst mit der familia parisina, schliefst sich aber in dem
mittleren Theile des 3. Buches des b. c. näher an P und N, näm-
lich in der Partie von c.*49 nach der Lücke bis dort, wo die gröfsere
Lücke in X aufhört, c. 87 Ende.
484 Omar b. cW., t. F. Krämer^ ang. ▼. L. VieOwber.
lässt, scheint ebenfalls unhaltbar. Dadurch werden die iuga aU-Tbeüe
des ursprünglich besetzten Berges bezeichnet, was zu §. 4, wo ein «mmw
gmdam offenbar als ein selbständiger erwähnt wird, nicht passt Die
Aenderung in üli8 ist leicht genug, da, wenn einmal das Substantiv ver-
dorben war, das Pronomen folgen musste. S. auch die Bemerkung tod
Clarkius.
Einige Kleinigkeiten mögen noch schliesslich kurz berührt werden.
Bei Doberenz ist S. 49 in der Berechnung des Preises eines Modiua Getreide
ein Versehen. Ebenso ist 2, 11, 4 bei Doberenz conaequena zweimal erklärt,
und zwar so, dass die beiden Erklärungen sich ausschlieHsen. — 2, 20, 8
relatia ad eum puMicis cum fide rationtbus, guod penea eum est peeuniae
tradü et quid übique haheat frumenH et nauitmi ostendit. Dazu bemerkt
D. 'quid — haheat: der Conjunctiv, weil der Satz als Gedanke de« Varro
zufassen.* Da kaum anzunehmen, dass D. überhaupt den Co^juncÜT der
abhängigen Fragesätze habe erklären wollen, ist wol anzunehmen, daas die
Note einer unbedachten Herübemahme aus einem Commentar Ton Dähne
oder einem nach Dähne, der aber mit den früheren quod las, vielleicht
aus Herzog oder Möbius (der zwar quid liest, aber auch über quod spricht)
ihre unberechtigte Existenz verdankt. Uebrigens hat ah ßr^ln q^Mf P
hat quod (abgekürzt): ist dieses die Leseart der familia hauniensis? —
3, 1, 4. Cffisar spricht so ohne Einschränkung, dass wir seine Worte nicht
auf vielleicht, möglicherweise vorgekommenes beziehen können, sondern
nur auf ganz bestimmte Facta. Dass wir diese nicht kennen, ist nicht
CsBsars Schuld. — 3, 10, 2. Was Nipperdey durch cogüare poterat nur
als möglich hinstellt, das nimmt Doberenz zur Erklärung von iudioauerat
als wirklich an. iudicauerat ist logisches Plusq. CsBsar hatte sich das
Urtheil gebildet, dass Yibullius zu einer Botschaft an Pompejus tauge
(wann? ist gleichgiltig) und dieses Urtheil hatte er noch im Augenblick der
Absendung. Uebrigens ist Fr. Hofinann's Bemerkung sehr beachtenswerth.
— 3, 21, 4. Es ist wol nicht mit Kraner und Doberenz das Object zu
coniunxit aus dem beim folgenden praemisit stehenden eum zu entnehmen,
sondern nach einer bei Caesar häufigen Ausdrucksweise aus dem voraufge-
gangenen ablat. absol. — 3, 42, 1 secundo imts consüio braucht nicht zu
bezeichnen, dass Pompejus diesen Plan 'schon vorher gefasst hatte', wie
Doberenz meint; es wird der zweite Plan, der auf den ersten folgte, als
der zweitbeste bezeichnet. — 3, 59, 1. Doberenz erklärt equitum numero
so, als hätte er in equitum numero mit f im Texte : übrigens ist Fr. Hof-
mann wieder zu der Leseart der familia hauniensis: ex e, n. (so haben
eP) wol mit Recht zurückgekehrt — 3, 65, 1. que und et stehen nicht,
wie Doberenz meint, in Correlation, sondern que knüpft an's frühere und
iam — et beziehen sich in bekannter Weise (et fast einem cum im Nach-
satz gleich) auf einander. — 3, 67, 3. Für die Erklärung von duplex adet
hätte Doberenz nicht Nipperdey folgen sollen, s. Kraner.
Wien. Leopold Vielhabor.
K Herzog, Gallia Narbonensis, ang. v. L. Vielhaber. 4S5
Galliae Narbonensis prouinciae romanae historia, descriptio, in-
stitutonun expositio scripsit Ernestus Herzog Tubingensis. Accedit
Appendix epigraphica. Lipsiae, Teubner, 1864. — 3 Thlr.
Das Werk enthalt zuerst die Geschichte des südlichen Galliens vor der
Bömerhenrschaft, in der die Iberer und Ligurer als die ältesten Einwohner
des südlichen Gbdliens dargestellt werden , dann der Verkehr der Phönicier,
die Einwanderung der Gelten um 600 v. Chr. angesetzt, die Ansiedlung
der Griechen, Gründung Massilia's und sein Verkehr mit dem Hinterlande,
seine Colonien und Verwaltung dargestellt wird, und eine Aufzählung und
Charakteristik der vor der römischen Occupation bekannten Völker schlierst
das Trooemium.' Das erste Capitel des ersten Theiles behandelt die Qe-
schichte der prouincia Narbonensis bis auf die Statthalterschaft CflBsars,
das zweite von der durch CsBsar und Augustus erfolgten Fixierung der
Provinzverhältnisse, deren Beginn mit groXber Wahrscheinlichkeit 46 y. Chr.,
deren Ende 22 t. Chr. angesetzt wird. In Betreff des Ausdruckes oppida
Inlia und oppida lulia Augusta schlieXIst sich der Verfasser an Borghesi
an S. 86 ff. Im dritten Capitel ist die Geschichte der Provinz von Au-
gustus bis Diocletian behandelt Der zweite Theil beschäftigt sich nach
einer topographischen Uebersicht mit der Stellung der Provinz und der
Plrovincialen, ihrer Verwaltung und Behörden, sowie der römischen Lei-
tung derselben. Ein kurzer Abschnitt behandelt den Cultus der Provinz
vonugaweise nach der Seite hin, dass das römische in demselben hervoi^
gehoben und dessen üebereinstimmung mit den sonstigen Municipalein-
richtungen nachgewiesen wird. Der zweite Haupttheil (mit eigener Seiten-
zählnng) ist den auf die Narbonensische Provinz bezüglichen Inschriften
gewidmet, welche der Verfasser theils selbst abgeschrieben, theils nach
den besten Quellen mitgetheilt hat Zwei genaue Indices erhöhen die Ver-
wendbarkeit dieses Theiles. Es ist nach diesem kurzen Abriss klar, dass
bei dem Umstand, als beinahe der gröXste Theil auch des ersten Abschnites
auf Inschriften beruht, von denen nicht selten sogar der Fundort erst durch
eine mehr oder weniger wahrscheinliche Conjectur festzustellen war, neben
dem vielen, was durch das Buch vollkommen sicher gestellt ist, nicht
weniges schwankend bleibt, welchen Umstand auch der VerfcuBser wenig-
stens im allgemeinen anerkennt Dazu kommt noch, dass zu den topo-
graphischen Bestimmungen ein Mittel der Untersuchung nicht zu vermei-
den war, das, so wichtig es vielfach ist, doch wieder seine Bedenken hat,
nämlich die Schlüsse aus gegenwärtigen Benennungen. Bef. hat sich so-
wol in dieser als in der Mher erwähnten Beziehung, sowie in anderer
Hinsicht einige zu gegründetem Zweifel Anlass gebende Erörterungen an-
gemerkt. Da er jedoch sich nicht in der Lage sieht, über solche Puncte
eine ganz zweifellose Entscheidung geben zu können, unterlasst er es hier
darauf einzugehen. Einen allerdings der Natur der Sache nach minder wich-
tigen Punct will er kurz zum Schluss noch erwähnen, die eigenthümliche
Sprache. Während einerseits das sichtbare Streben nach den elegantiae
lennonis hervortritt in Verwendung von rhetorischen Formen, Satzverbin-
dungeuu. s. w., ist die lezicalische Richtigkeit viel&ch zu verioissen, wenn
480 C, Schmidt, 0. OeUen, Lat. Lesebach, ang. t. E, Jahn.
z. 6. SS. 35 occupati pascendo pecori wol ein Druckfehler ist, so sind
nonc in der Erzählung oonsilia generalia, das seinerzeit beliebte gaudere,
corporatus u. ä. doch auch in solchen Darstellungen zu meiden, um so
mehr, wenn solche Dinge gegenüber allerlei elegantiis einen noch unange-
nehmeren Eindruck machen.
Wien. L. Vielhaber.
Meniorabüia Alexamlri Magni et dUorum virorum ültAStrium
seUctasque fabulaa Phcßdri in usum 8cholarum ed/idenmt C. Schmidt,
0. Gehlen, Vindobonae, typis Sommer! — 1 fl. 5. W.
Unter obigem Titel liegt ein Lesebuch fftr die dritte Gymnasial«
classe Yor, das durch seinen sprachlichen Lihalt als Grundlage bei dem
Lateinunterrichte zu dienen, durch seinen sachlichen zugleich den jugend-
lichen Lesern eine anziehende Leetüre zu bieten in hohem Grade geeig-
net erscheint Sicherlich ist es keine Nebensache, dass Lesestücke auch
ihrem Stoffe nach das Literesse des Lernenden wecken, die Aufimerksam-
keit fesseln, das Wissen bereichem, den geistigen Horizont erweitem. In
erster Hinsicht wird am besten gesorgt, wenn nur Eine grolbartige Er-
scheinung, Eine Hauptperson vor Augen steht, an welche sich die erzäid-
ten Begebenheiten insgesammt anschliel^en, nicht aber durch bunte Menge
verschiedenartiger Geschichtchen Zerstreuung und Verwirrung entsteht
Alle Persönlichkeiten des Alterthums überglänzt unstreitig Al^under der
Grofse; Alezander, von so vielen antiken Historikem verherrlicht, von den
Dichtem des Mittelalters vor allen Helden gefeiert, in den Volksaagen des
Orients noch heute fortlebend; er, der nicht allein durch nachhaltiges
Eingreifen in die G^chicke so vieler Nationen welthistorische Bedeutung,
sondern auch durch abenteuerliche Züge bis an das Ende der damals be-
kannten Welt (S. 121 ff.) einen zauberhaften Nimbus erhielt — und, was
ihm die Sympathie der Jugend am meisten gewinnt, alles dieses in so
jungen Jahren! (s. S. 130, Z. 11) Gerade von diesem einzig dastehenden
Heros allein besitzt die römische Literatur -^ nämlich die uns gerettete —
eine ausführliche, bis auf die Kindheitsgeschichte vollständige Biographie
in den acht Büchern des Q. Curtius Rufus. Daraus ist der Hauptbestand-
theil der vorliegenden Chrestomathie (S. 5—136) geschickt entnommen.
Abgesehen von seinem vielfach unterschätzten historiographiscfaen
Werth erweist sich Curtius in formaler Hinsicht wegen der eleganten, im
ganzen correcten Sprache, des leichten Satzbaues, der lebensfrischen Sohil-
derangen, der glänzenden Beden mit ihren geistreichen Eemsprüchen für
diese Stufe des philologischen Lehrcursus unter allen lateinischen Plo-
saikem als der lesenswertheste. In sorgfaltig ausgewählten und passend
verbundenen Bmchstücken desselben erhält hier der Schüler ein anschau-
liches Lebensbild den glückreichen Eroberers wie in einem Novellencydus,
so dass jeder begabte Knabe , sobald er nur einige Blätter durchstudiert
hat, von Neugierde zum Weiterforschen angespomt werden muss. Wie
anziehend sind die abgerundeten Histörchen von Abdalonymus (6. 86).
Charidemus (S. 15), Dioxippos (S. 131), Orsines (S. 132), dem Tode des
C SchnUdi, 0. CMden, Lat Lesebach, ang. v. E, Jahn, 487
Parmenio (S. 78) und Clitos (d2), vor allen aber die Heldenthat Alexanders
bei den Oxydrakem (8. 125); wie lebendig die Beschreibung der Orakel-
stätte (8. 30), des indischen Landes (8. 107), des Brandes von Persepolis
(8. 57), der Einnahme des Felsens Aomis (S. 110). Wie machtig durch-
dringen das Gemüth die Beden Alexanders (8. 61, 120, 68, 134), des Dareos
(S. 38, 52), der abgesandten 8c7then (8. 87).
In Einzelnheiten freilich weicht Curtius von der mastergütigen La-
tinität des goldenen Zeitalters oft genug ab, besonders mit der Anwen-
dung poetischer Worte und Constructionen, mit gewissen Eigenheiten im
Gebrauche der Partikeln, auch der Tempora und Modi des Yerbums. Diesen
Abnormitäten in den ausgewählten Stücken überall den regelrechten Aus-
druck zu substituieren war die keineswegs leichte Aufgabe der Herren
Herausgeber: sie wurde lobenswerth gelöst.
Bevor nun einzelne 8tellen zur Sprache kommen, drängt sich die
Nothwendigkeit auf, um dem Leser die Prüfung der Einwände zu ermög-
lichen, etwas einzufügen, was im Buche vennuthlioh nur versäumt, nicht
absichtlich unterlassen ist. Es wird nämlich bei den Abschnitten die An-
gabe ihres Platzes im vollständigen Auetor durch Bezeichnung des Buches
und Capitels vermisst. Diese war am zweckmäXiBigsten jedesmal bei den
Ueberschriften beizufügen, oder wenigstens in dem Index 8. 1 ff. anzu-
bringen. Bis auf die Modification einzelner Worte und Redensarten, welche
als solche nipht fÜgUch im Contexte angedeutet werden konnte, sind hier
Bruchstücke eines classischen Auetors aneinander gereiht. Dabei muss der
Fachmann in den Stand gesetzt sein, überall ohne zeitraubendes und lästi-
ges Herumsuchen im Auetor selbst nachzuschlagen, um das Ursprüngliche
von der Abänderung zu sondern und Commentare, lexikalische Notizen,
Uebersetzungen zu vergleichen. Dem Tertianer darf es vor der Hand gleich-
giltig bleiben, ob irgend eine Phrase von Curtius oder sonst woher stammt —
dem Ldirer nicht, üebrigens erleidet durch diesen geringen Mangel die
Verwendbarkeit des trefflichen Buches für den Schulgebrauch keine Beein-
trächtigung.
C. I— IV. S. 5—14 sind aus den Supplementen der verlorenen zwei
Bücher von Joannes Freinshemius in möglichster Bündigkeit ausgezogen.
Mit welcher Feinheit dabei die Sprache geläutert wurde, davon möge als
Specimen dem Kenner des Lateins eine unscheinbare Emendation genügen,
nämlich 8. 7, Z. 4 restricHor statt adstrictiar. Nur an ganz wenigen Stellen
erscheint Freinsheim deutlicher. Man vergleiche 8. 5, Z. 13 cum simitl et
de Oiyn^piorum vktoria cognovit — Fr. 1, 1 (p. 5 Seiht) cum et Olympia
quadrigis se vicisse eognovit; S. 7, Z. 1 cremabis — Fr. 1, 2, p. 9 adoU-
Ine; 8. 14, Z. 1 et manu et crista canspicuue — Fr. 2, 5, p. 72 armie
manuque et mperiia consp.; 8. 14, Z. 23 fingt — Fr. 2, 5, p. 74 in aere
fmgi. 8. 8, Z. 24 nepoti — Fr. 1, 9, p. 36 natum ex ea paucis ernte pa-
irii necem diebus puerum. 8. 7, Z. 35 neque . . . veUet herrscht Unklarheit
betreffs des Subjectes, nicht bei Fr. 1, 4, p. 17. 8. 12, Z. 12 bleibt id
unum «W excepercU ebenso dunkel, wie Freinsheim's Jwe u. s. c. 8. 9,
Z. K) nisi Alexander essem, essem Diogenes — Fr. 1, 11, p. 41 dixisse
feriwr, Diogenem eue voluiaee, m Aiexander eeeet.
4S8 a SOmidt, 0. GehUn, Lat. Lesebach, ang. v. R Jah$^
C. VI ist gröfbtentheils aas Jastinas (11, 7); Yon Z. 19 an aas
Curtios 3, 1 (2 Zampt), 17. VU: 3, 2 (4), 1. VIU: 3, 5 (12), 2. IX, 3, 6
(14), 1. X: 3, 7 (17), 1. XI: 3, 10 (25), 1. XU: 3, 11 (29), 24. XIH: 4,
1, 1. XIV: 4, 1 (3), 15. XV: 4, 2 (7), 1. XVI: 4, 5 (21), 1. XVH: 4, 7
(29), 1. XVm: 4, 10 (40), 26. XIX: 4, 11 (43), 1. XX: 4, 12 (45), 1.
IXI: 4, 14 (53), 8. XXII: 4, 15 (56), 3. XXHI: 5, 1 (2) 10. XXIV: 5, 2
(8), 8. XXV: 5, 3 (12), 16. XXVI: 5, 6 (20), 1. XXVH: 5, 8 (24). 1.
XXVm: 5, 13 (35), 1. XXIX: 6, 2 (6), 12. XXX: 6, 4 (10), 8. XXXI:
6, 7 (25), 1. XXXU: 6, 8 (29), 1. XXXUl: 6, 9 (32), 1. XXXIV: 6, 9
(85), 25. XXXV: 6, 11 (42), 20. XXXVI: 7, 2 (7), 11. XXXVH: 7, 4 (15),
1. XXXVIH: 7, 6 (26), 13. XXXIX: 7, 6 (28), 25. XL: 7, 9 (88), 20.
XLI: 8, 1 (3), 9. XLII: 8, 3 (11), 1. XLIH: 8, 4 (14), 1. XLIT: 8, 5
(17), 1. XLV: 8, 6 (20), 1. XLVI: 8, 9 (31), 15. XLVH: 8, 10 (34), h
XLVm: 8, 11 (39), 1. XLIX: 8, 12 (42), 1. L: 8, 13 (44), 1. LI: 8, 14
(47), L LH: 8, 14 (50), 30. LHI: 9, 1, L UV: 9, 2 (7), 1. LV: 9, 3
(11), l. LVI: 9, 4 (16), 15. LVH: 9, 6 (23), 1. LVHI: 9, 7 (28), 12. UX.
10, 1 (4), 22. LX: 10, 2 (8), 8. LXI ist nach der Ergauzong FreinscheimB
(p. 257 Foss, 478 Seibt) and Cartias 10, 5 (14), 3 ff. zasammengestellt
Der Text folgt sorgföltig den drei vorzüglichsten Aasgaben des
Cartias: von Zampt (Braanschweig, 1849), Mützell (2 Theile, Berlin, 1841)
and Foss (in der Teabner'schen Sammlang, 1862). Demgemads steht dnich-
wegs Dareus, reppeH (S. 15, Z. 15; III, 33; 119, 10; 133, 1), reUüU
(8. 116, Z. 2), oppenri (S .112, Z. 1). S. 90, Z. 19 ist abscisa mit Z. gegen
M. and F. aafgenommen (s. Zampt's Anmerkang p. 347 b); S. 113, Z. 7
dicioni mit Z. and M. gegen F.; S. 123, Z. 3 dipeo mit Z. and M. gegen
F. Aber S. 74, Z. 8 hätte gegen Z., M. and F. die Volgata cessurum an-
bedingt den Vorzag verdient (s. die Noten MützelVs p. 592, nnd Zompt^s
p. 283). S. 69, Z. 31 wäre durch eimi statt des allgemein angenommenen
unum das Verständnis erleichtert. Unnöthig von den drei Leitern abge-
wichen ist S. 108, Z. 12 in nixu statt niau (s. Mützell*s Note p. 777 b):
dann in den Eigennamen S. 25, Z. 33 Marathum st. Marathon; 26, 30
Sidonem st. Sidona; 31, 7 and 32, 23 Mareotim st. Mareotm; 44, 27
Mennim st Mennin; 46, 18 Choaspem st. Choaspen; 101, 10 Agkn si
Agin; 110, 6 Aornim st. Aornin; 113, 10 und 12, 19 Cleocharem, Hy-
dcupem st. Cleocharen, Hydaspen; 120, 25 Hypasim st. Hypasin; 120, 29
Phegeum st. Phegea. Anfälliges Schwanken herrscht in den Accnsativ-
formen Macedones and Macedonas, während F., Z., M. die letztere haben.
Das merkwürdigste Beispiel findet sich S. 101, Z. 28 nnd 30. Ictum st
jactum S. 21, Z. 26 and S. 48, Z. 21, dann macte st. macH S. 27, Z, 5
kennen Drackfehler sein. S. 31, Z. 36 fehlt manat hinter tepida; S. 64,
Z. 18 86 bei sOenda; S. 71, Z. 17 mihi nach confesso. S. 58, S. 6, 7 ver-
kehrt sich der Sinn, weil das beseitigte Subject ^ado ohne Ersatz blieb.
Bei wiederholter Durchmasterung der geänderten Stellen fand sich
keine, wo die sabstitaierten Worte von der strengclassischen Latinitfit ab-
gewichen wären. Aber dass dnrch die Aendernng gewonnen wurde, lisst
sich zunächst in folgenden Fällen anzweifeln. S. 19, Z. 34 verdient graUs
den Vorzug wegen des folgenden quasi praesenH deo; und auch gwm ist
C. ßt^midi, 0. OeMen, Lai Lesebuch, anff. t. R Jahn. 489
anpöthige Aenderong st veliU, S. 20, Z. 3 hat properans das festinans
Terdrängt, während doch festinare mit dem Infinitiv bei gnten Prosaikern
vorkommt, und es sich nur überhaupt um Herstellung eines durchweg
normalen, wenngleich nicht dceronischen Lateins handelt S. 20, Z. 13
war fiUuros nach perfidiae nicht auszuwerfen; noch viel weniger S. 21,
Z. 10 instinäu purpuratorum harhara ferUate saevientium, wodurch ein
Beitrag zur Charakteristik des Dareios (vgl. S. 16, Z. 26) verloren geht.
S. 21, Z. 30 retinens st oohibens; 22, 16 8ummam Lariam st opimum decus;
23, 23 grandis galant st onus; 23, 25 ewdiis st laceraHs; 27, 16 ini-
mieoB frugibus st sterüea; 31, 8 pergit tenere viam, quam instüuü st
destinata exequi pergü (ebenso 83, 25 quae desHnaverat, feriebat st desti-
nata feriebat); 33, 16 per partam ab hoste a/versam st per eam portatn,
quae, quia ab hoste aversa erat, levius custodiebatfMr ; 37, 20 (und 89, 4)
infrefuOoa st. frenatos; 42, 36 gladio st acinace, welches 133, 1 richtig
beibehalten ist, sowie 44, 16 gaea; 43, 7 (und 59, 23) magna vis pulveris
st nubes pulveris, wie unter andern auch Livius schreibt; 46^ 8 compulity
ut imäaretur st. compuHit tmitor», da doch der Infinitiv mehr und bessere
Auctorität hat; 50, 11 signa conveUit st surgit; 56, 38 dubitare desiit st.
exempta dubiiatio est; 60, 18 bibit statt des sehr bezeichnenden sorbet;
61,5 deUrantibus st. lymphaHs; 64,26a se impetrare st sustinere; 70, 30
impos ofttmi st linquente arUmo , wobei zugleich Z. 28 amens et attonitus
ausfiel; 71, 23 tanta st tarn aUa; 71, 36 in imperium st imperio; 72, 26
pereo st. eripior; 72, 28 QtM — condamant, worin namentlich ab dliis
rithselhaft klingt, st Tum vero universa eoncio accensa est, et a cor-
poris custodibus initiwm factum, damantibus; 11, 5 advenerunt st. super-
veneritnt; 80, 17 praeter professionem magicae artis st sed magicae artis
(si modo ars est, non vanissimi eujusque li^ibrium) magis professione
quam scientia celeber, älioqui; 81, 29 haustis rebus st hausto humore;
84, 3 adire st petere; 89, 16 vestigiis instarent st tergis inhaererent;
90, 16 frumento st älimentis; 99, 8 vuUu maxime servüi st mUtu, qui
maxime servit, was einen ganz anderen Sinn gibt; 109, 37 incessit st se
repente. mdgasset; 115, 2 obscuritatem suam occaskmem ratus, worin die
Beziehung des Possessivums dem Schüler nicht auf dem ersten Blick klar
werden kann, st obscuritatem, quae eeteros terrebat, s, o. r.; 120, 13
Sdpionem, zumal grof^ gedruckt, st Baculum ; 128, 17 effundi st manare
— sind zum Theil unrichtige, insgesammt aber unnöthige Aenderungen.
8. 54, Z. 20 passt das aus ut major beUi möles supersU, quam exhausta
sU beibehaltene Verbum schwerlich zu dem geänderten Subjocte. 80, 16
macht devinceret den für Tironen wegen seiner Prägnanz dunklen Satz
kaum verständlicher, als das ursprüngliche debeUaret. 99, 30 war nicht
faex et sordes st. purgamenta einzuführen, weil der Tropus sehr einleuch-
tend durch 8. 107, Z. 22 erklärt wird. 100, 9 geht durch die Umgestal-
tung von exigua iuris impensa tanta benefieia pensaturi ein schönes Wort-
spiel verloren. 136, 1 misfällt in valetudinem inddit; Freinsheim (p.257
Foss) sagt male habere coepit. 72, 12 hat tacite agnosceret, quam qui
jactaret vor tadtus a., q. q, praedicatione j, wenig für sich; ebenso 82, 37
eonsurgü in eoque erat, ut manus injiceret vor consurgit mambus non
440 C. SOmidt, 0, GeKkn, Lat Lesebuch, ang. t. K Jo^
temperaturus; desgleichen 108, 20 Inter tantam luxuriam — incredibile
dictu! •— unum etc. vor Quis credat inter haee wHa cwram esse sapten-
tiae ? unum . . .
Mit vollem Rechte wurden gewisse Lieblingswörter des GortinB, wie
sopor (z. B. 67, 36; 71, 22; 91, 25) und merum (103, 17. 84) übeiaD rer-
tauscht. Dasselbe geschah mit occupare und imputare; doch h&tte jenes
S. 130, Z. 3, dieses 75, 16. 26; 77, 9; 95, 5 richtiger seinen Platz be-
hauptet; wie auch das überaus häufige quippe 43, 4; 78, 26 belassen wurde :
was mit quoque 76, 4; 79, 2; 83, 26 gleichfalls rathsam gewesen wäre.
Der Singularis cervix ist überall in den Fluralis, supervaeuus in super-
vacaneus verbessert; aber Jwud seeus quam 110, 3 und 111, 11 verdiSngi,
findet sich selbst bei Cicero. Grundlos blieben femer sinnige Sentenieo
weg, z. B. S. 46, Z. 21 ; 179, 1 ; 125, 23.
An das figurenreiche, farbenprangende Lebensgemälde Alexander's
reihen sich passend S. 137-208 siebzehn von den biographischen Skizzen
des Cornelius Nepos an, der seinen altherkömmlichen Platz unter
den ersten, d. h. von Anf&ngem zu lesenden Schulauetoren trotz den In-
vectiven gewisser Hyperkritiker der Neuzeit nach wie vor behaupten soll.
Da in denselben, abgesehen von unerheblichen Auslassungen — nämlich in
S.139, Z.28; 141, 9. 12; 146, 14; 150, 18; 156, 6; 171, 19. 83; 179, 19;
180, 5; 187, 22; 191, 14. 19; 192, 1; 206, 26 - kaum ein Dutzend Aus-
drücke abgeändert wurden (denn eine bedeutendere Berichtigung findet
eigentlich nur im „Hannibal** S. 193 statt): so lässt sich hier um so weni-
ger einsehen, warum nicht durch ausdrückliche Angabe des Auetors dem
Schüler kund wird, dass er einen wirklichen Classiker des goldenen Zeit-
alters liest? denn aus der nur Fachmännern verständlichen praefatio kann
er sich nicht orientieren. Der Text folgt der Ausgabe E. Nipperdey's (Leip-
zig, 1849). Daher steht S. 140, Z. 27 ordiendus (mit Unrecht! ordiendum
Bremi); 142, 16 ingratis; 142, 85 und 155, 27 aequiperaret; 141, 37 dr-
cuiretur und 145, 7 circumiretwr; 148, 25 Häotae (Helotes B.); 150, 2
posset (possU B.); 150, 15 Peridi; 150, 21 Nicia; 152, 8 optimatium;
158, 3 Susametrem (Shfsamithren B.); 159, 4 tyrannis (tyrannidi B.);
164 Thuys, Thuynem, Thuym (Thyus etc. B.); 168, 5 deUderwü (deiw-
lercmt B. ganz richtig, da esset relatum folgt); 171, 2 Diotnedonti (Dia-
medonte B.); 174, 21 potuero (potero B.); 173, 18 Messene, und 176, 7
Messena; 183, 11 circumitus {cvrcumverUus B.); 183, 24 conoat fieri; 193,
19 Hiamnum und 194, 20 etiamnunc; 193, 34 ^ {hinc B.); 195, 2 pos-
sent induci {inducere posset B.); 200, 17 geri {capi B.); 203, 7 emersU
(emerserat B.); 204, 13 iUe vir minus bonus (mmus iOe vir, bonus B.).
S. 142, Z. 6 wurde die Vulgata fama (fUmma N.) beibehalten; 182, 29
deterior (deteriore N.). S. 138, Z. 14 ist statt interserens verbessert tnter-
panens, wie Cornelius Nepos anderwärts selbst schreibt, vgL S. 143, Z. 21.
144, 5 trat mit Unrecht esse recepturos nach Nipperdey's Anmerkung in
den Text; besser gefällt Bremi's recepttm. Der regelrechte Ausdruck er-
scheint hergestellt S. 149, Z. 4 juoOa hanc st. hone juxta; 194, 2 wi
praesenüa st. impraesentiarum; 207, 15 quamquam st. quamivis, S. 178,
Z. 31 dient sex mensibus st anno vertente, und 183, 11 Antigene st Anr
a aa^md^y O. OMm, Lat Lesebuch, ang. y. E. Jahn. 441
Ugono zur sachlichen Berichtigang. Unnöthig aber wurde S. 166, Z. 38
ex eamponto aus composito; 191, 7 auoDÜkm aus audnlia; 193, 25 paOa-
tarn aus diapalatom gemacht; während 140, 1 das beispiellose toHdcm
atque blieb.
Den Schluss S. 209—224 bilden Tierzig Fabeln des (gleichfalls nicht
durch die Ueberschrift genannten) P h e d r u s ; eine ganz angemessene Leetüre,
Yoiausgesetzt, dass man nicht allzu viel AnstofB an dem Uebelstande ninmit,
bei Ternfiderten Stücken von der metrischen Form ganzlich absehen zu
müsami ; denn die Theorie des iambischen Senarius lässt sich Lesern, welche
noch nicht einmal den Hexameter verstehen, schwer beibringen. Hier erlitt
der Text — der Vergleichung nach aus Orelli^s Ausgabe hergenommen,
denn die profatio ertheilt über diesen Punct keine Auskunft — keinerlei
Umgestaltung, und es wurde z. B. VI, 8 ore noRtro; IX, 4 fugientes ipse
exciperet; XIX, 9 vesd sifigulas; XXTTT, 9 Origandum; XXIV, 2 saluta'
him; 15 com; 21 jactant famüia; XX VH, 2 luscinii belassen.
Dass alles, was noch so leise an Obscönes erinnern könnte, sorgsam
ausgeschieden worden, bedarf kaum erst einer Erwähnung. Um aber die
bekannte Vorschrift des Juvenalis (XIV, 47) wirklich im Superlativ zu be-
folgen, könnten zum üeberflusse noch folgende Stellen, obgleich an sich ganz
unverfönglich, wegbleiben, zumal da ihr Abgang zufällig nirgends eine Störung
herbeiführen würde : S. 34, Z. 7 pudicitiae earum, quae 8uper8wU, eurem
htmd secus ac parens gerens; 105, 20 a maritis uxores; 120, 3 in nupttis
eonjungendis non genus ac nohüüatem respiciwU, sed eorparum speciem;
148, 31 quem puenm Pausanias däexerat: 155, 15 tnuUer, quae cum $o
vwere canatierat etc.
Weniger Beifall verdient es, dass durchgehends vor sed und quam
das Komma fehlt, und auch sonst an zahlreichen Stellen die Interpunction
gespart ist Die scheinbare Wissenschaftlichkeit wird auf Unkosten der
Leichtverständlichkeit zu theuer gewonnen. Auch in dieser Beziehung hätte
Foss, welcher seine Ausgabe doch keineswegs für blol^ Schulzwecke ver-
anstaltete, mehr Nachahmung verdient, als Nipperdey. Noch in zwei an-
deren Puncten könnte bei einer neuen Auflage, die nach der augenfälligen
Brauchbarkeit des Buches bald zu erwarten steht, den Hm. Editoren Foss
als nachahmungswürdiger Vorgänger dienen. Mit scheinbar pedantischer
Sorgfalt hat derselbe in seiner Ausgabe des Curtius bei allen Eigennamen
die nur einigermalsen zweifelhafte Paenultima mit den entsprechenden
Betonungszeichen ausgestattet. Die gleiche Beihilfe wäre in dem vorliegen-
den Lesebuche, wo fremdartige nomina propria auf jeder Seite begegnen,
dringend erwünscht Bei Namen, wie z. B. S. 30, Z. 27 Masaces; 56, 22
Bubaces; 58, 31 Bagistanea; 59, 17 BrocubeluB; 63, 21 Bagaas; 76, 38
Gorgatas; 82, 33 Catenes; 86, 8 CarÜums; 92, 24 Bhosaces; 112, 29
Taxües u. s. w. dürften nicht bloJb Tertianer in Verlegenheit gerathen.
Man wird schwerlich einwenden, es liege wenig an ihrer richtigen Aus-
sprache, denn die schlimmen Consequenzen leuchten von selbst ein. Nur
zu wahr bemerkt Emesti in seiner Vorrede zur Clavis Horatiana: „Maxime
tarnen interest lectonm scire, qua raHone voces earumque syUabae pro^
nundandae eint: turpem et nocentem hujua rei inscitiam vel in homimbus
44t C. Schmidt, 0. OeMen, Lat. Lesebuch, ang. t. E, Jähm.
docHSy qui linffuas percaüuercmt , saepius aegre ferens deprehenäi,^ In
Berücksichtigung dieses thatsächlich vorhandenen Uebelstandes scheint es
in einem für Lateinlemende bestimmten Buche wirklich rathsam, Wörter,
wie z. B. S. 45, Z. 7 pantherae; 108, 3 carbasa; 133, 1 acinaces; 104, 84
gratuUas cicatrkes; 109, 38 fortuitam; 170, 21 phOosophia (welches aller
Orten mit gedehnter Paenultima zu Gehör kommt!) — mit dem Qnanti-
tätszeichen zu versehen; was auch z. B. 41, 33 vertere; 43, 16 u. ö. per-
venit; 84, 26 assidere; 86, 32 considere; 139, 19 reperimus; 166, 19
trtmsfugit; 87, 32 consegueris; 98, 28 decore; 89, 19 misere; 90, 28 ae;
cendere; 123, 19 das Adjectivum reduces verdeutlichen wftrde. Die täg-
liche Schuler£ahrung lehrt, wie schnell sich schlechte Aussprache ange-
wöhnt, wie mühsam sie auszurotten ist; darum sind Verhütungsmittel
nirgends als übergrofse Bequemlichkeit zu verschmähen. Uebrigens lieXben
sich sämmtliche Personen- und Ortsnamen u. dgl. mit Beifügung der grie-
chischen Form am Schlüsse in ein Verzeichnis zusammenstellen. Namen,
wie z. B. S. 10. Z. 9 Cadmea; 32, 27 Alexmdria; 41, 16 Äretes; 50, 6
agema; 50, 3 Niccmorem; 61, 24 lonaa (wobei die Trennungspuncte nicht
fehlen dürfen!); 62, 19 Massagetae; 65, 6 Aphohetus; 100, 2 Castorem;
107, 18 rhinocerotas; 127, 24 Aristonus; 153, 21 Neantichoa und sehr
viele andere erscheinen im Griechischen evident. Desgleichen würden die
grundlos ausgemerzten Accente auf dem Ablativus der ersten, dem ver-
kürzten Genetivus pluralis der zweiten und dem Genetivus singularis der
vierten Declination wenigstens in Lehrbüchern gute Dienste leisten. Für
die Wahrheit dieser Behauptung liefern S. 90, Z. 19; 72, 20 und 106, 9
schlagende Beweise.
Zweitens bleibt noch zu wünschen übrig, dass den erzahlten Haupt-
begebenheiten die chronologischen Daten, allenfalls in den Anmerkungen,
beigefügt werden. Der handgreifliche Nutzen dieser Beigabe macht jede
Begründung überflüssig.
Zur Aufhellung der schwierigsten Stellen sind notulae von gröftter
Kürze unter dem Texte gegeben. Gegen die Richtigkeit dürfte sich kaum
irgendwo Einsprache erheben, S. 149, 21 ausgenommen ; denn magnus-a-^im
natu scheint bei keinem Classiker nachweisbar zu sein.
Auf allen 224 Seiten machten sich nur folgende Druckfehler be«
merkbar: S. 26. Z. 22 e statt te; 48, 15 satrapi st. satrapae; 51, 25 gagcm
st. gaea; 68, 1 campUcxiM st compHexus; 78, 13 Phüotae st. Phäotae;
107, 5 dignissinum st. dignissimum; 152, 17 qmc st. quae; 155, 20 ejui-
dam st ejuAdem; 179, 9 decm st decem; 197, 24 lihri st libri; 224, 21
A qua st Aqua, Versehen in der Letterstellung, z. B. 29, 21; 40, 29;
47, 2 — oder in den Intervallen, z. B. 39, 12. 18; 41, 1; 46, 3; 69, 4
beirren nicht
Aus dieser splitterrichterlichen fi[arphologie erhellt, wie wenig und
rein nebensächliches sich zur Bemängelung &idet. So genügt es denn,
blolis die Aufmerksamkeit der Fachmänner auf das fleifsig und sachkundig
gearbeitete Buch hinzulenken: empfehlen wird es sein eigener Werth.
Prag. Eduard Jahn.
OMdiichtswerke ron J. Möller n. »., ang. r. ff. Zei/^berg. 44S
Dr. J. Möller, Die Weltgeschichte vom christlichen Standpuncte
an^ÜEisst Erster Band. Die üreeschichte. Das Volk Gottes. Die Völker
des Orients. Die Griechen bis auf die Perserkriege. Preiburgim Breisgau,
Herder, 1862. XXIV u. 335 S. — 1 Thlr. 10 Sgr.
Dr. J. Bumüller, Geschichte des Alterthums. Erster Theil.
Geschichte von Babel und Assur, Sjrrien, Phönikien, Israel und Aegyp-
ten bis zur Gründung des Perserreiches durch Eyrus. Freiburg i. Br.,
Herder, 1863. IV u. 370 S. - 1 Thlr.
F. Pahle, Geschichte des orientalischen Alterthums von den
ältesten Zeiten bis auf die Perserkriege. Mit einer sjnchronist. Tabelle
und zwei kartographischen Beilagen. Oldenburg, Stalling, 1864. VI u.
332 a - 22'/, Sgr.
Der gewaltige Au&chwung, den die Natur^rissenschaften in unseren
Tagen genommen, rührt bekanntlich vor allem daher, dass es auf diesem
Gebiete Sitte geworden, sich aller aprioristischen Construction , so ver-
lockend sie sein möge, zu entschlagen und streng und gewissenhaft die
Thatsachen der Erfahrung zur Grundlage zu machen. Dass die gleiche
Strenge der Methode auch für andere positive Wissenschaften zu fordern
ist, für jede entsprechend der eigenthümlichen Natur ihres Gegenstandes,
und allein geeignet ist, vor gänzlichem Verfehlen der Aufgabe zu schützen,
ist eine Ueberzeugung, welche mehr und mehr zur Geltung und zur that-
sftchliehen Ausftlhrung gelangt. Der Geschichtswissenschaft insbesondere
thut gewiss nur der einen Dienst, der ausschlief^lich in den Thatsachen
selbst die Mittel zur Erforschung ihres Zusanimenhanges und der Gesetze
ihrer Entwickelung sieht, nicht aber die Darstellung der Geschichte zum
Erweise irgend eines, auf serhalb derselben liegenden Satzes anwendet.
Anderer Ansicht ist in dieser Beziehung offenbar der Verfasser der ersten
der oben genannten Schriften, Dr. Möller, Professor der Geschichte
an der Universität Löwen, der es als seine Aufgabe fasst, „den ewigen
Bathschluss Gottes mit der Menschheit zu entwickeln und so weit als
möglich zum Verständnis zu bringen." Nun ist es zwar auch unsere Ueber-
zeugung, dass die Weltgeschichte kein Chaos sei, dass sich vielmehr in
ihr ein vernünftiger Zweck allmählich vollende, aber es dünkt uns wenig
angemessen von unserem irdischen Standpunct aus in der Befangenheit
unseres eigenen Daseins, mitten im noch unvollendeten, vielleicht kaum
geschürzten Weltdrama von der Beziehung sprechen zu wollen, in der diese
oder jene Thatsache zu dem überhaupt unerforschlichen Endziele stehe.
Und indem man sich auf einen der menschlichen Natur nun einmal uner-
reichbaren Standpunct erheben und das unerfonchliche erkennen zu können
annimmt, wird es kaum zu vermeiden sein, dass darüber gar manches
wirklich erkennbare und sicher erkannte übersehen oder verkannt wird.
Dmb derlei Folgen in dem vorliegenden Buche sich reichlich finden, mögen
einige Beispiele zeigen.
Sehen wir zunächst auf die Eintheilung des historischen Stoffes.
Da MöUer alles in Beziehung zum christlichen Principe und nur zu diesem
bringt, 80 ist es natürlich, dass ihm dieser Stoff in eine Zeit vor und nach
444 Geaohichtswerke Ton J. Mmer a. a., ang. t. H. Zeiftberg.
Christo zerfallt. Auch wir glauben in den) Christenthum einen wesent-
lichen Unterschied der alten und neuen Geschichte annehmen zu müssen —
aber nicht den einzigen. Der Verf. hat dies wol selbst gefühlt, wenn er
die erste Epoche mit dem Jahre 476 beschliefst. Dies Jahr ist kein in der
Geschichte der christlichen Kirche entscheidender Wendepnnct: mit diesem
Jahre aber stürzt das morsche Bomerreich im Westen in sich selbst m-
sammen, und es ist durch diese Thatsache die Möglichkeit gegeben» auf
die Dauer ein Reich der Germanen an dessen Stelle zu setzen. MitBecht
nennt man die neue Aera die christlich-germanische Zeit, denn mehr als
das Christenthum, das ja auch schon im Abendstrahle der scheidenden
römischen Welt gedeiht, aber freilich erst am erfrischenden Moigen der
germanischen Zeit seine schönsten Blüten entfaltet, ist es das gesammte
germanische Wesen, das nun zur Herrschaft der Erde gelangt, welches die
alte und neue Geschichte streng auseinanderhalt. — An der weiteren Glie-
derung fanden wir nichts auszusetzen. Die christliche Zeit zerfällt nim-
lich in zwei Epochen, bedingt durch die Glaubenseinheit aller christlichen
Völker und durch die Glaubensspaltung. Jene enthalt als erste Periode
die Zeit bis auf Karl den Grof^n; die zweite reicht bis Gregor VII.; die
dritte bis Bonifsusius VIII; die vierte bis zur Reformation. Jede Periode
wird in Kürze charakterisiert Es ist wieder eine Folge des einen Grund-
fehlers, wenn die letzte der genannten Perioden als „Verfall des christ-
lichen Abendlandes** hingestellt wird, eine Zeit, in der Künste und Wissen-
schaften fast Überall den ungeahntesten Aufschwung nahmen, und, Deutsch-
land ausgenonmien, die meisten westlichen Staaten zu ihrer festen Gestal-
tung gelangten. — Auch Ton der Charakterisierung der neueren Zeit gilt
dasselbe, wenn der monarchische Absolutismus als specifische Erscheinung
protestantischer Länder bezeichnet wird, während derselbe gerade im Lande
des allerchristlichsten Königs die schwindelndste Höhe erreichte. Wir sind
ferne davon, diese Erscheinung etwa aus dem Christenthume deduderen
zu wollen, aber eben weil dies uns ferne liegt, glauben wir, dass in die
historischen Voraussetzungen noch andere Momente gehören , die wir frei-
lich in vorliegendem Werke vermissen.
Es ist natürlich, dass der Verfasser die israelitische Geschichte in
den Vordergrund stellt. Was Gesetz und Sitte betrifft, was den humanen
Zug anlangt, der das israelitische Leben durchdringt, mag dies seine gute
Berechtigung haben. Aber wenn der Verfasser der jüdischen Cultnr über-
haupt vor j<»der antiken den Vorzug gibt, wenn er, nachdem wenige Seiten
zuvor erzählt worden, dass König Salomo von dem Könige Hiram von
Sidon und Tyrus Baumeister, Künstler und Arbeiter verlangt, von der
hohen Blüte spricht, in der Baukunst, Bildhauerei (I), Malerei bei den
Juden gestanden, so kann dies nur an einem ästhetischen Urtheile nicht
befremden, das vor der Schönheit in dem Gesichtsausdrucke ägyptischer
Götter- und Königsbilder in Bewunderung versinkt. Der Geschichte selbst
schickt Möller eine Urgeschichte voran, deren Details, die Abstammung
des Menschengeschlechtes, die Sündflut u. a. zum Theile der reinhistori-
schen Betrachtung sich entziehen und eben darum hier nicht besprochen
werden können. Nur die chronologische Feststellung des Datums der groften
GMchichtswerke von J. MÖÜer u. a., ang. t. H. Zeifiiberg: 445
Flnt bedarf einer Besprechung, da sie uns mit anderen Angaben MöUer^s on-
Tereinbar erscheint. Wir sind ferne dayon, nach den Gründen forschen zu
wdlen, die ihn bestimmten, das Ereignis gerade in das J. 2350 vor Chr.
m letien. Die Sündflut endet damit, dass das Menschengeschlecht von
neuem von einer Familie ausgeht, von Noah und seinem Weibe, von
dessen drei Söhnen und deren Weibern^ die alle wohlbehalten den Kasten
Terlielben. Im Vorbeigehen sei bemerkt, dass wir sodann bei der Aufzäh-
lung der sieben urverwandten SprachenfjEunilien yergeblich nach den süd-
afrikanischen Sprachen mit den beiden Zweigen der Eaffem und Hotten-
totten suchten. Doch das ist ein Nebenpunct! Wie stellt sich aber Möller
den Gang der Weltgeschichte vor, wenn — nach ihm — etwa 100 Jahre
darnach die G(eschichte aller Reiche von^neucm beginnt In hundert Jahren
beginnt die Geschichte Assur^s und BabeFs, die Geschichte der Meder, der
Perser, der Phöniker, der Aegypter, ja der Griechen und der Chinesen I
Und wenn wir S. 82 lesen „im dritten Menschenalter nach der gtohen
Flut, bald nach den Auswanderungen der Nachkommen der drei Söhne
Noe*8» unterwarf Nemrod, Sohn des Chus und Enkel Chams, die in der
Ebene Ton Sennaar zurückgebliebenen Familien seiner Herrschaft und
stiftete die älteste Monarchie**, so erüahren wir von ihm, dass von jedem
der Söhne Noe*s in 100 J. eine ganz stattliche Zahl von Familien aus-
gegangen, für die das Land schon zu enge geworden, und die nun das
Reich der Mitte gründeten und die lachenden Eilande des Westens bevöl-
kerten. — Kein Wunder, dass, nachdem die Geschichte der alten Welt auf
zwei Jahrtausende zusammenschrumpft, Möller sich noch zu weiteren Con-
sequenzen veranlasst sieht, so, um nur ein Beispiel zu nennen, die Pjra-
midenkönige nicht in die 4., sondern — nach Herodot's Vorgang — in die
2L Dynastie zu stellen, und wieder, Herodot folgend, das Labyrinth ein
Werk der Dodekarchen zu nennen. Und wie nun, was sich in langen Zeiten
entfaltete, unter Möller's Händen zu einem kleinen Umfange geschwunden,
so ist ihm dadurch auch der Einblick in die Unterschiede von Zeit und
Raum, ja von jeder successiven Entwickelung abhanden gekommen. Wir
lesen von einer „vorderasiatischen Monarchie**, zu der auX^er den Baby-
loniem und Assyrern auch die Meder und Perser gehören. Und wer sind
die Meder und Perser? „Die Hauptbevölkerung dieser Gegenden, d.i. eben
des vorderasiatischen Reiches, bildeten semitische Völker, Aramäer, Baby-
lonier, Assyrer, Elamiten oder Perser; in Babylonien herrschten indessen
die Chamiten; die Meder gehören zum japhetischen Volksstamme. ** Die
Perser sind also Semiten und mit den Elamiten identisch; dass aber ja
niemand hiebei etwa an einen allerdings unpassenden geographischen Be-
griff denke, dafür hat Möller durch unzweifelhafte Angaben Sorge getra-
gen. «Die neueren Sprachforschungen**, hören wir (S. 96), „haben darge-
than» dass die den vorderasiatischen Völkern gemeinschaftliche Ursprache
keine andere als die Zend-Sprache war, die selbst wieder in zahlreiche
Dialekte sich spaltete.*" In Babylonien erhielt sich noch bis in die per-
sische Zeit die Priesterkaste, die den Namen der Magier führte, später
auch Chaldäer genannt wurde. *" Wir brauchen kaum erst zu versichern,
Zoitmtbrl A r. d. fttUrr. Oy mnai. 1866. VI. Helt 30
4M GMchiehtswerke von J. MoUer n. %., ang. ▼. K ZHflberg.
das8 der Verfasser auch nur eine Gattung der Keilschrift kennt, — wir
wissen nicht welche — der Inschrift von Behistun mit keiner Silhe gedenkt,
daher auch den Namen des Pseudosmerdis , sowie die vielen EmpGrongeB
hei dem Regiemngsantritte des Darius nicht erwähnt, nnd Überhaupt von
der Bedeutung des Kyros eine so unklare Vorstellung hat, dass er dca
Bund des Krösos mit Neriglissor von Babylon als gegen die Med er ge-
richtet beaeichnet, „die unter Kyros die Bltoberung Vorder-Asiens begonnen
hatten.** Dies alles ist in einem Werke zu finden, das im J. 1862 eracbian
und das den Anspruch erhebt, „seine Darstellungen und Erörterungen bo-
wol auf die Quellen wie auf die bedeutenderen neueren Werke** begrftndet
zu haben, „mit üebergehung** freilich „aller rein hypothetischen Ansieh*
ten, welch geistreiches Qewand dieselben auch immer tragen mögen.*
Zu diesen rein hypothetischen Ansichten scheint freilich so ziemlidi
alles gehört zu haben, was in Deutschland und anderswo in den letzten
Jahrzehnten für die Erforschung des Alterthums geschehen ist Dies scheint
unter andern auch von M. v. Niebuhr's trefflichem Werke über Assur und
Babel zu gelten. Statt der sehr scharfsinnigen und ungemein wahrschein-
lichen Annahme desselben zu folgen, dass Darius Medus der Bibel niemand
anderer als Astyages sei, wird er wieder, wie dies so oft und immer ohne
Erfolg geschah, mit dem König Kyaxares bei Xenophon identiflciert und
dem „historischen Romane**, wie der römische Niebuhr die Kyropndie mit
Becht genannt, des Herodot Erzählung von des Kyros Geburt und Tod
als „historischer Roman** entgegengestellt (S. 92). Darum regiert Kyros,
gegen die bestimmtesten 2^ugni8se, nur sieben Jahre aUein (8.115); denn
die übrige Zeit nimmt Kyaxares U. in Anspruch. Von des Ktesias Zeugnis,
das bezüglich des Todes den Herodoteischen Bericht zum Theile bestätigt^
wird natürlich gänzlich geschwiegen. Selbst der Umstand, dass Kyaxares
auch den Namen Darius soll geführt haben, verleitet ihn dazu den letz*
teren Namen für einen blofsen Beinamen zu erklären und zu behaupten,
wir wüssten eigentlich nicht, wie Darius Hystaspes geheifsen.
Dieselbe Verschwommenheit, wie in der Geschichte dieser sogenannten
„vorderasiatischen Monarchie", herrscht auch in anderen Theilen des Buches.
Bei Erwähnung der Vedas und des Gesetzbuches des Menü wird Entstehung
nnd Aufzeichnung zusammengeworfen, während schon Benfey hier eine
scharfe Scheidung traf. Es kann daher auch nicht Wunder nehmen, wenn
der Verf. von einem ursprünglichen indischen Monotheismus spricht, ohne
zwischen dem absoluten und dem relativen, das ist, sich seines Gegensatzes
zum Polytheismus bewussten zu scheiden, und wenn er Brahma, Vischnn
und Schiwa und die Trimurti schon von allem Beginne an in Indien gelten
lägst Wir wollen gar nicht davon sprechen, dass der Verfiasser, der übenD,
nur nicht in Israel, ursprüngliche Kasteneintheilung des Volkes erblickt
(so z. B. selbst im alten Attika, und sie hier auf den Einfluss der doch
längst aufgegebenen ägyptischen Einwanderung des Kekrops zurückführt)»
die erst allmählich eingetretene scharfe Sonderung der Stände, die Benfey
sprachlich erwiesen, als etwas von allem Beginne an fertiges hinstellt —
Etymologien sind, wo der Verf. sicli in solchen versucht, entschieden un-
glücklich gewählt, und entsprechen sodann ganz der oben angeführten An-
CkschichtBwerke von J, Bumüüer u. a., ang. v. H. Zeißberg. 447
sieht, wonach die Perser Semiten sind. „Meon**, von dem Mäonien den
Namen ftlhrt, wird zusammengehalten mit Manes, Manu, Menes, Minos;
und zweimal müssen wir hören, dass der Name, den die Inder der Gott-
heit beilegten, ein Beweis f!lr deren ursprünglichen Monotheismus sei:
i^deva (deus, Gott) oder auch Belin oder Bolus, derselbe Name, den die
Babylonier Gott gaben, und der dieselbe Wurzel El hat, die sich im Na-
men Elochim findet.** ijs fehlt nicht an solchen, die gerade aus der letzt-
genannten Pluralform ganz andere Folgerungen zogen.
Auch sonst ist das Buch, von dem wir gesprochen, an Irrthümem
reich, die nicht mehr blol^ nothwendige Folgen des Grundübels sind. Am
besten ist noch die Uebersicht der griechischen Colonien, die den vorlie-
genden Band beschliefsi Aber auch sie ist nicht fehlerfrei. So lesen wir
(S. S26}: „Anaxilas, Tyrann von Bhegium, nahm Zankle ein und bevölkerte
es mit Messeniem, von welcher Zeit an die Stadt den Namen Messena
annahm (um 490).** Unmittelbar vorher wird das J. 49G genannt Nun
endete der zweite messen. Krieg (S. 273) im J. 668 mit der Besiegung
des Aristomenes, dessen „Sohn Gorgos die auswandernden Messenier naeh
Bhegium in Unter-Italien und von da nach Zankle in Sicilien führte,
welche Stadt von da an den Namen Messana erhielt.** — Doch zu lange
schon, fürchten wir, haben wir von einem Buche gesprochen, das keinem
Leser von Nutzen sein wird. Der Fachmann wird weder in dem Urtheil,
noch in der Form des Buches Befriedigung finden; der Kreis von Laien,
für die es geschrieben sein mag, ist vor einem Werke zu warnen, das nur
geeignet ist, die Unzahl historischer Vorurtheile und vielverbreiteter Irr-
thümer um ein Dutzend neugeschaffener zu vermehren. Wenn wir länger
bei seiner Besprechung verweilten, so geschah es jenen unbefangenen Le-
sern zu Gefallen, denen wir damit zu dienen vermeinten, dass wir durch
die kurze Angabe des Inhaltes sie der Leetüre des ganzen enthoben.
Aus demselben Verlage liegt uns ein anderes Buch zur Besprechung
vor, das denselben Stoff zu behandeln sich vornahm. Der vorliegende Band
reicht nur bis Kyros, ein zweiter soll arische Geschichte umfassen. Man
'sieht schon aus der beabsichtigten Yertheilung des Stoffes, dass der' Ver-
fasser hiebei Dunckcr's treffliche Arbeit vor Augen hatte, freilich nicht
am sie nachzuahmen, sondern vielmehr um in Concurrenz mit derselben
zu treten, und sie aus den Kreisen, für die sie geschrieben ist, zu ver-
drangen. Es kann für Duncker gewiss nichts ehrenvolleres geben, als in
dieser Erkenntnis von der weiten Verbreitung seiner Geschichte des Alter-
thums liegt Bumüller hat es femer versucht, die seit Duncker hinzu-
gekommenen neuen Forschungen eines Brugsch, Niebuhr — der freilich zu
wenig beachtet ist — , Deroug^^s, Mariette's u. a. zu verarbeiten. Es ist dies
mit vielem Fleiflse geschehen und auch die Darstellung ist einfach und
klar genug, um dankbare Leser zu finden; ob freilich Duncker's Darstel-
lung und wie weit sie wird dieser weichen müssen, das überlassen wir
gerne der Zukunft. Bumüller bezeichnet nicht wie Möller, seinen diesem
verwandten historischen Standpunct noch näher, wol deshalb, da man ihn
ans früheren Werken bereits kennt. Die orientalische Geschichte wird ganz
und lelbet für den chronologischen Theil auf die Schrift gegründet; wir
30*
448 Grescliichtswerke von J. BtmüUer u. a., ang. t. H, Zeiflfferg.
pflichten Yollkoiiimcn bei, nur glauben wir, dass in der alten Geschichte
so vieles und wichtiges von dem erleuchtenden Lichte der Bibel nicht ge-
troffen wird, dass wir der Heranziehung anderer aultobiblischer Quellen
nicht 80 völlig entrathen können. Dies gilt vor aUem von dem Kanon des
Ptolomaeus, der mit Recht der glänzenden Arbeit Niebuhr*s zu Grunde ge-
legt ist, und den Bumüller in seiner Entstehung nur schlecht charakteri-
siert^ wenn er ihn als einen „Auszug aus den besten Quellen** bexeichnet.
Wäre die Schrift allein ausreichend, alles chronologische Dunkel lu er-
hellen , so würden zwei Werke, wie die Bumaller's und MöUer's, die beide
auf demselben Standpunct stehen, wol auch dieselben Ergebnisse enthalten-
Dies ist aber nicht der Fall; in der Ansetzung der Sündflut differieren sie
um ein Jahrhundert, in der Zeitbestimmung des Aufenthaltes der Israeliten
in Aegypten um '200 Jahre. Aber auch noch in der Eönigszeit stimmen
sie nicht überein, wie denn Niebuhr gezeigt hat, dass die chronologischen
Daten der Bibel bezüglich der israelitischen Könige unentwirrbare Wider-
sprüche enthalten.
üeberhaupt fiel es uns auf, dass Bumüller bei aller Vorliebe für
die Geschichte der Israeliten, denen die Hälfte des Bandes geweiht ist,
doch nirgends über diese chronologischen Seiten der Bibel spricht, da er
doch die profanen Quellen gerade in dieser Hinsicht einer eingehenden
Betrachtung unterwirft. Auch sonst fiel es uns auf, dass die abweichen-
den Berichte profaner Schriftsteller sehr fleÜüsig verglichen und abgewogen
wurden, dagegen die verschiedenen Berichte über denselben Gegenstand
der israelitischen Geschichte nicht angeführt wurden. Wir nennen nur bei-
spielsweise die Erhebung Sauls zum Könige, den Kampf Davids mit dem
Biesen Goliath, Sauls Ende.
In der ägyptischen Geschichte geht Bumüller einen sehr destruc-
tiven Weg. Er bespricht zunächst die Quellen derselben und dehnt den
Nachweis ihrer Unzulänglichkeit auch auf Manethos aus. Bumüller theilt
für das alte Reich die von'Böckh in der Zeitschrift: „Manethos und die
Hundsstemperiode** ausgesprochene Ansicht, wonach nicht nur die Mane-
thonischen Götterdjnastien , sondern auch die sogenannte alte Geschichte
Aegjptens vor dem Einfalle der Hyksos von den Priestern in den Cyclus
der Sothisperiode künstlich eingereiht worden sei, so dass Menes, der erste
menschliche König, in dem 1. Jahre einer Periode zu regieren begonnen.
Bumüller glaubt sich zu ihrer Annahme veranlasst zu sehen, da die durch
Summierung gewonnene Umfangszahl der Mancthonischen Djmastien zu
grofs sei, ihre Verminderung aber durch Annahme gleichzeitig herrschen-
der Dynastien auf einer unerweislichen Voraussetzung beruhe. Uns scheint
hingegen dieser Versuch, Böckh's längst widerlegte Ansicht zu emenem,
sehr unglücklich. Denn es gibt eine bei Synkellos überlieferte Umferngs-
zahl der Mancthonischen Zeit, die schon durch ihre Verschiedenheit von
der durch Summierung der Dynastien gewonnenen zum Nachdenken an-
regt. Nimmt man diese als wirkliche Dauer der ägyptischen Herrschaft an,
und rechnet von ihrem Endpuncte zurück, so gelangt man als Anfangg-
punct, d. i. Regierungsantritt des Menes, keineswegs zu dem 1. Jahre der
Sothisperiode, vielmehr liegt zwischen diesem 1. Jahre des Menes und der
GeschichtBwerke von J, Bmiiäler u. a., ang. v. JET. Zeiftiberg. 449
allerdings kyklisch berechneten Zeit der Götter, welche natürlich mit dem
letzten Jahre einer Hnndsstemperiode abschliefst, gerade die Beihe yon
Jahren, die sonst als Zeit der vorhistorischen Thinitenkönige überliefert
ist Dies lehrt, dass die Manethonische Zeitrechnung auch för das alte
Reich seit Menes nicht mehr kyklisch ist, dass aber, um die historischen
an die kjklischen Zahlen der Götter reihen zu können, eine fingierte vor-
historische Zeit zwischen beiden Zeitreihen eingefügt wurde. Dass aber
auch die von Bumüller geläugnete einstige Theilung Aegyptens in mehrere
Reiche eine ganz wohlbegründete Annahme sei, dafür liefert Eratosthenes
zum Glück die besten Beweise. Bumüller läugnet zwar, dass man Manethp
je bisher mit Eratosthenes habe in Uebereinstimmung bringen können.
Allein dem ist nicht so; nur muss man die beiden Quellen richtig beurthei-
len. Eratosthenes gibt bekanntlich ein Verzeichnis thebaischer Könige vor
dem Einfall der Hyksos mit 1076 Jahren. Manetho gibt, und das ist zu
beachten, ein Verzeichnis, in welchem nur jene Könige des Eratosthenes
v<»rkommen, die zugleich über Memphis geboten. Nach Ausscheidung der
mit den memphitischen Königen gleichzeitigen Dynastien bei Manetho
gibt auch dieser eine dem Eratosthenes genau entsprechende Umfangs-
summe, nämlich 1082 J., wobei die Differenz sich noch genau dadurch
ergänzt, dass Eratosthenes das Buch mit dem Einfall der Hyksos abschloss,
während der letzte Regent der letzten Dynastie vor diesem Ereignis den
Einbruch nur um die differierenden Jahre überlebte, die er denn auch bei
Manetho führt Gerade hierin schien uns stets der beste Beweis für die
Annahme zu liegen, dass Aegypten zeitweise getheilt gewesen, wofür uns
auch Theben und Memphis ein durch alle Jahrtausende sprechendes Zeug-
nis sind. Auch für die Auffassung der ägyptischen Religion ist es nicht
gleichgiltig, ob uns das alte Reich schon als eins oder als allmählich zu-
sammengewachsen aus unabhängigen Landschaften erscheint Bumüller wider-
spricht consequent also auch auf dem Gebiete der religiösen Entwickelung
dem trefflichen Lepsius, der jenen Fundamentalsatz einstiger Theilung vor
allem vertntt (vgL S. 269).
Das Ergebnis seiner Betrachtung der alten Geschichte Aegyptens
iasst Bumüller selbst mit den Worten zusammen: „weder die Denkmäler,
noch Manetho, noch die griechischen Geschichtschreiber geben uns einen
acheren Anhaltspunct, um den Anfang der historischen Zeit Aegyptens
zu bestinmien, ja für die ganze Dauer des alten Reiches nicht ein einziges
chronologisches Datum.** Wenn Bumüller auch für die mittlere Zeit, für
die Dauer der Hyksosherrschaft zu demselben negativen Ergebnis gelangt,
so ist dies nur eine natürliche Folge consequenten Verfahrens, das von
fidschem nur zu falschem gelangt, wenn nicht zwei Fehler desselben Cal-
cüls sich zufällig compensieren. Von unserem angedeuteten Standpunct ist
die sonst so schwierige Bestimmung der mittleren Zeit leicht zu gewinnen;
aber wenn eine Sache leicht ist, muss sie nicht falsch sein. Wir kennen
bereits den Endpunct des alten Reiches und gewinnen durch Zurückgehen
aus der historisch-hellen Zeit, für die un» die Vergleichung mit auTser-
igyptischen Quellen möglich ist, auch den anderen Endpunct der uMr
Wen Zeit
450 Gcuchichtswerke von F, Pakte u. a., wig. v. H. Zeifl^ferg,
In der ägyptischen Geschichte bemerken wir noch die abweichende
Ansicht Bumüller's bezüglich Sesostris des Großen. Er hält nicht, wie
ee sonst wol geschieht, Ramses II. Miamun dafür. Er setzt ihn vielmehr
in die Zeit vor den Hjksos und hält ihn für gar keinen bestimmten wirk-
lichen König. „Die ganze ideale Herrlichkeit des alten Reiches ist so iB
einem Könige S. concentriert, der eben deswegen kein historischer König
ist, dem aber die Priester einen der alten Königsnamen zur Folie gaben.**
Uns will diese Anffassnng nicht richtig dünken , wenn wir an Semiramis,
Kyros, Karl den Grofsen ond andere -historische Typen denken. Nnr eine
historische Person kann zum historischen Typos werden. — Beachtenswerth
hingegen erscheint, was Bumüller von den Pharaonen sagt, deren die Sdirifb
unter Moses gedenkt. Bumüller bezweifelt, dass Bamses IL der Pharao der
Bedrückung und Menophtha sein Sohn der Pharao des Auszugs der Israe-
liten gewesen. Denn Menophtha und Menophres, d. i. der von Phtha und
der von Rha geliebte seien verschiedene Namen. — Beachtenswerth sind
femer Bumüller's auf das Kastenwesen bezüglichen Bemerkungen. Der Nadi-
weis, dass dasselbe niemals so strenge gehandhabt wurde, als man nur tu.
oft geneigt ist anzunehmen, dürfte namentlich f%ir Prof. MöUer und dessen
Kastentheorie manch goldenes Korn der Wahrheit enthalten.
SchliefBlich sei noch bemerkt, dass Bumüller auch an der Richtig-
keit des J. 610 für die Thaletische Finsternis zweifelt, und sich zu der
Berechnung des J. 585 hinneigt, für das sich der jüngst verstorbene Tü-
binger Astronom Zech in seiner bekannten Preisschrift entschieden. Frei-
lich meint Bumüller, dass die Finsternis mit den übrigen Ereignissen der
vorderasiatischen Welt in keinem ursachlichen Zusammenhang stehe, und
durch Verrückung derselben das ganze chronologische Gebäude keinen Sclu^
den nehme. Daher setzt er die Zerstörung Ninives uro das J. 606.
Noch ein drittes Buch, das der orientalichen Geschichte geweiht ist,
haben wir zu erwähnen.' Pahle stellte es sich zur dankenswerthen Aufgabe
den strebsamen Schülern der oberen Classen oder auch theilnehmenden
und gebildeten Laien in anziehender Form und thunlichster Kürze die
Resultate der neueren Forschung auf diesem Gebiete vor Augen zu fuhren.
Dass Pahle dabei besonders Duncker's Werk üeUsig benutzte, wird ihm
gewiss nicht zum Vorwurfe gereichen. Grundsätzlich schloss der Verf. die
jüdische Geschichte möglichst von der Darstellung aus, indem er sie bei
seinen Lesern als bekannt annahm. Wir wissen nicht, welcher Leserkreis
hiemit gemeint ist, aber wir glauben, dass die Vorführung der Ebrgebnisse
neuerer Forschungen auch auf diesem Gebiete das Buch gewiss nicht beein-
trächtigt hätte. Dasselbe und noch in erhöhtem Grade g^t von der indi-
schen Vorgeschichte bis Kyros, deren ungerechtfertigte Beseitigung nicht
wenig die Durchsichtigkeit der bis Darius geführten persischen Geschichte
beeinträchtigt ; und doch hätte Duncker gerade in diesem Theile die beste
Stütze gewährt.
Im einzelnen fiel uns auf, dass die Inschrift von Behistun oft ge-
nannt, aber nirgends beschrieben, dass über die Geburt des Kyios nur
Herodots Bericht namhaft gemacht wird. S. 12 soll der Kubikiiüialt dtf
höchsten Pyramide wol 90, nicht 9 Millionen KubikfoTs betragen. 8. 146
Literarische Notizen. 451
und 146 wird beharrlich Hophra statt Nello genannt. Dem Büchlein sind
eine brauchbare synchronistische Tabelle und zwei recht unbrauchbare
Kartchen, Syrien und Vorderasien, beigebunden; man begreift nicht, wozu
die paar Namen des ersten Kärtchens nicht sofort auf den kahlen Flächen
des zweiten Annahme landen.
Lemberg. H. Zeifsberg.
Programme österreichischer Gymnasien und
Realschulen.
II. Abhandlungen aus dem historisch-geographischen
Gebiete.
1. Historische Skizze der Gründtter Städte (dargestellt aus sum Theü
ungedruckten QueUen) von Dr, Erasmus Schwab, (Im Brünner Gym-
nasialprogramm F. J. 1864. 15 S. gr. 4.)
Der VerfjEisser dieser geschichtlichen QueUenstudie hat den engen
Kreis Ton Monographien über Ungarns vergangenes Culturleben mit einer
werthvoUen Spende bereichert una eines der anziehendsten Gebiete — den
sogenannten „Gründnerboden*" des Zipser Comitates im Süden der Tatra
zum Gegenstande seiner Untersuchung ausersehen. Die Vertrautheit mit
dem Stoffe, das vollständige, durch genaue Landeskenntnis gewonnene Ein-
leben in dem Materiale der Arbeit tnut dem Leser wohl, namentlich dem,
welcher selbst Gelegenheit fand Studien in gleicher Bichtung anzustellen.
Der Verf. entwirft zunächst eine kurzd anschauliche Skizze von dem
JBoden*' der Grundner Städte und dem Sesshaftwerden deutscher Ansiedler;
sodann wird der äuJfeero und innere Zustand der Ortschaften, GöUnitz und
SchmöUnitz an der Spitze, in den Tagen der Arpäden, erörtert und der
Uebereang zur Periode der Ai^ous gemacht. Hier findet der Vf. Gelegen-
heit, die municipalen Verhältnisse und den Bergbau der fleüüsigen Anwoh-
ner des näheren auseinanderzusetzen. In gleicher Weise verfahrt er in der
Luxemburgisch -Habsburgischen Zeit, für welche „das älteste in Abschrift
erhaltene Stadtbuch von SchmöUnitz** „über die Gestalt und die Wechsel-
bexiehnngen des städtischen Lebens in dieser Periode" vielfache Belehrung
bietet Schon in der Zeit K Sigmunds (1395—1437) findet der Verf. die
Thatsache, dass „den Gründen empfindliche EinbuTse an Becht und Besitz
durch dynastische Nachbarn" widerfahren und erörtert die Schäden, welche
den dortigen Bergbetrieb in der traurigen Zeit des Bürgerkrieges (1440—1444)
und seiner Nachwehen (1444 1457) lähmten. Von den Tagen Mathias
(1457-1490) geht er sodann über zu der „Periode der Oügarchenherrschaff*
(1490—1526), worin, aller Wahrscheinüchkeit nach, die „Beichsunmittel-
barkeit für GöUnitz und SchmöUnitz verloren" gieng und aas Haus Zäpolya
m den Besitz der Gründe kam. Die weitere DarsteUung ist nach Jahr-
'hunderten gegliedert. Das 16. Jahrh. zeigt uns die Verleihung der Berg-
städte an Alexius Thurzi, die Gewaltthaten der Bebeks wider die Gründe,
den Verfall des Wohlstandes, die Abnahme der Bevölkerung in denselben,
wovon die Bittschrift der GöUnitz-SchmöUnitzer v. J. 1574 an K. Max n.
das bedauerUchste Zeugnis abgebe, und die endUche Regelung des Unter-
thansverhältnisses der Gründe. Für das 17. Jahrhundert ergeht sich die
DarsteUung im Schildern des weiteren VerfaUes, der Csaky'schen Grund-
herrschaft und der JoanelU'schen Pachtung, um mit einer anschauUchen
Skizze der Bakoczy'schen Zeit (1703 — 1711), der Rechtsverhältnisse und
materieUen Zustände unter Karl VI. und im 19. Jahrhundert zu schUeÜBen.
Gerade für die neuere Zeit, vom 16. Jahrhunderte an, bietet die Arbeit
weeentUch neues Material und wir halten <is für ganz ortgeuäfs ihre in-
haltUche Bestimmung zu dem Aufsätze des Vf. 's in den „Stimmen der
Zeit" (1862, Nr. 4,5) und in dem jün^ erschienenen populären Werke
Jjsnd und Leute in Ungarn" (Leipzig, wigaud^ 1865. L) anzudeuten.
45t Literarisclie Notizen.
Zwei Wünsche darf jedoch Ref. nicht unterdrücken. Erstens bedsaert
derselbe den Abgang bestimmter Citate aus gedruckten Quellenweikoi,
sodann den Ausmll der Angaben über die allerdings höchst spärliche Lite-
ratur zur Geschichte der Gründe. Der Verf. hat nämlich für das Mittel-
alter Stellen aus Urkunden angeführt, die sich in Fejer*s Codex diplom.
Hungariae vorfinden und zumeist von diesem wieder den Sammlungen Ton
Wagner: Analecta Scepusii sacri et jprofani (IV Thle. 1774 — 7a Wien,
Prefsburg, Easchau) und Bärdosy: Supplementum Analectomm Teme
Scepusiensis Leutschau 1802, entnommen wurden. Die genaue Gitierang
Fejer's oder Wagner-Bardosy's nach Band und Seitenzahl würde dem selbsi-
thäti^en Leser das Nachschlagen und Vergleichen erleichtert haben. Zudem
verpachtet sich der Verf. durch den an die Spitze der Arbeit gestell-
ten Satz .dargestellt ans zumTheil ungedruckten Quellen", gewisser-
maTsen selbst, die „gedruckten** des näheren anzugeben, was er eben unter-
lielis. Anderseits hätte zweier Arbeiten gedacht werden sollen, die theil-
weise auf denselben Quellen beruhen , woraus der Vf. schöpfte. Es sind
dies: Ant. Stark: „Beiträge zur Geschichte der Bergstadt Grölnitz*', Ka-
schau 1813, und (FL Bolinäsy) „Synoptische Geschichte des oberungarischen
Bergbaues bis 1670" im Schmöllnitzer Bergkalender L IL Jahrgang
(1839/40. Schmöllnitz b. M. Stark). Wir zweifeln nämlich nicht, dass wenig-
stens die zweitgenannte, sehr fieifsig gearbeitete Skizze dem VC. bekannt
werden musste.
Dass diese berührten Mängel den eigentlichen Werth der Arbeit als
einer selbständigen nicht schmälern, bedarf keines Beweises. Wenn wir sie
überdies formgewandt nennen, so bedarf sie unserseits keiner bessern An-
empfehlung mehr und nur der Wunsch sei noch ausgesprochen, sie bald
fortgesetzt zu sehen.
2. Joh. Jesenko: „Geschah die Erstürmung Borns unter dem Heraog
Karl von Bourhon mit oder ohne Vortvissen des Kaisers KaH V.?^
(Im 15. Jahresbericht des k. k. Obergymnasiums zu Görz 1864. 37 S. 8.)
Eine der anziehendsten Fragen in der vielbewegten Zeit des 16. Jahr-
hunderts findet hier eine neue, gründlich und gewandt geschriebene Unter-
suchung. Dem Aufsätze wird zunächst eine Uebersicht der benützten Quel-
len und Hilfsarbeiten vorangestellt. Sie beweist, dass der Vf. sein mög-
lichstes that uns vergessen zu machen, unter welchen beengenden Ver-
hältnissen von Zeit und Ort er die Arbeit zum Abschluss brachte. Wir
dürfen ihm die Nichtberücksichtigung einer oder der anderen Quelle, das
Uebersehen einer oder der anderen Hilfsarbeit gerne nachsehen, wenn wir
bedenken, wie es selbst unter den günstigsten Verhältnissen schier unmög-
lich ist, darin vollständig zu sein, und anderseits inne werden, dass der
Verf. den wesentlichsten Quellenstoff, die mafsgebendsten Anschauungen
kennt und gewissenhaft verwerthet hat. So fehlt z. B. der Hinweis auf
den betreffenden Abschnitt in Gassler *s „Schilderungen aus Urschriften
unserer Voreltern**. Innsbruck, 1787, S. 49 — 138, worin der Zug gegen
Rom nach den Papieren der „Freundsberge, Angerer, Burgo, Bemeu>eig,
Schwegler, Sanchez, de Leyva, von Trapp, von Breysach, von Wittenbäch,
von Thurn** etc. behandelt ist, ohne dass wir dem Vt cUe Ignorierung des
ziemlich verschollenen Werkes verargen dürfen. Auffallender war es uns,
das Bruchstück aus J. Ziegler's Aufsatz über die Eroberung von Born,
wie es uns Ranke im 6. Bde. der deutsch. G. i. Ref. ZtA. VL 136—154
bietet, nicht citiert zu finden, während doch der IL Bd. dieses Geschichts-
, (y^
Vi. 109) und Vettori's Viaggio in Alemagna aggiuntavi la vita di Franc
Pagolo Vettori, il sacco di Roma del 1527 dello stesso. Parigi 1838. 12\
Gehen wir nun zur gedrängten Inhaltsanzeige der Abhandlung übor.
S. 5—11 wird die Folgezeit des Madrider Friedens, insbesondere & da-
Literarische Notizen. 46S
nialige La^ Italiens und der Zustand der kaiserlichen Armee anter Boor-
bon geschildert and die Politik Karls V. gegenüber der Carie geprüft,
sodann (S. 11—27) das Verhältnis des Kaisers za den Entschlielsangen
seines Feldherm actenniäfsig antersacht; mit besonderer Bücksicht aaf
jene Stelle bei Paalas Jovius, worin dieser Ton gewissen „geheimen Be-
fehlen* Karls y. an Boarbon spricht. Der Vf. sieht sich (S. 27 f.) za einer
-Hypothese** über ihre ^Genesis** veranlasst and findet selbe in einer Fiction,
dem Pompejos Colonna, Jovias' Gewährsmann, gegenüber von Seiten Karls
Ton Boarbon angewandt, als dieser in der äoüäersten Bedrängnis sich be-
fanden and (Gefahr lief „zwischen das zweiÜEu^ho Feaer der Feinde za ge-
rathen." Das weitere, S. 29—87, setzt sich zur Aufgabe, auf Grund maß-
gebender Zeugnisse jede „Verbindung zwischen dem Kaiser und diesen
Plänen and Vorgängen nach Art der Ursache und Folge** in Abr^e zu
stellen. Zum Schiasse (S. 37) heilet es: „Das Resultat der ^fanzen Unter-
snchung läset sich in folgendes zusammenfassen. Das kaiserhche Heer hat
Born onne Wissen und Willen des Kaisers erstürmt, ja fdle
Gräael, welche dabei vorgefaUen sind, können nicht einmal dem Herz(m
▼on Boarbon zur Schuld angerechnet werden; der Kaiser ist davon voB-
kommen freizusprechen. Deshalb aber, dass er den ihm unwillkürlich zu-
ge&llenen Sie^ auszunützen suchte, kann nicht auf eine Mitwissenschaft
ffeschlossen, vielmehr muss ihm das Zeugnis eines sehr politischen Han-
aelns ausgestellt werden** ... In der an diesen Schlussatmatz geknüpften
Anmerkung rechtfertigt der Vf sein absichtliches Vermeiden jeder Polemik
gegen die angeführten Hilfswerke späterer Gcschichtschreiber und endigt
mit den Worten: „Eine klare Einsicht in die betreffenden Quellen und
eine vorurtheüsfreie Auffassung des gegebenen zeigt, dass auch jene, die
in der reli^ösen £rbitt«^rung den Ursprung jener Bieschuldig^ong suchen,
ihn nachweisen wollen oder ohne Beweise davon sprechen, nicht sine ira
et studio an die Sache gehen."
Die Correctheit des Druckes lässt namentlich in den Noten manches
zu wünschen übrig. Sinnstörende Fehler sind uns im Texte nicht vor-
gekommen.
Graz. F. Krones.
3. Fr, Schiel f Matrikel des Kronstädter QymrumwuM vom Jahre
1544—1810. (Im Programm des evangelischen Gymnasiums zu Kronstadt
and der damit verbundenen Lehranstalten 1863 u. 1864. 87 S. 8.)
4. W, Teutschländer, Zur Geschichte des Turnens im Sieben-
hürger Sachsenlande. (Im Kronstädter Programm f. 1864. IV u. 24 S. 8.)
5. G. Bell, Geschichte des Schäfshurger Gymnasiums. (Im Pro-
granun des evangelischen Gymnasiums zu Schäifsburg 1864. 56 S. 4.)
6. Fr. Storch, üeher den Einfluss der reformatorischen Bestre-
bungen des 16. Jahrhunderts auf die Entwickelung und Bildung der
Sdmen. (Im Programm des evangelischen Gymnasiums zu Bis tri tz 1862.
47 S. 8.)
Wenn, unähnlich so manchen andern abgetrennten Gliedern des
deatschen Volkes, die Siebenbürger Sachsen, vor Jahrhunderten in den
fernen Südosten Ungarns als Vormauer europäischer Gesittung verpflanzt,
von fremden und feindlichen Völkerschaften umgeben, mitten unter den
schweren inneren und äuXlseren Kämpfen, von welchen die Geschichte Sie-
benbürgens erfüllt ist, dennoch ihre Nationalität gewahrt haben, so danken
sie dies vor allem dem lebendi^n Verkehr mit dem Mutterlande, aas
dessen Boden sie immer frische Kraft zogen. An den deutschen Universi-
täten suchte ihre Jugend höhere Bildung, insbesondere Vorbereitung für
das Predifft- und Lehramt; ihre Schulen genossen denn auch, wenngleich
mit Unterorechungen , wie sie die Uneunst der Verhältnisse herbeimhrte,
emes guten Rufes. Die Bemühungen der jetzigen Generation, einer Reihe
454 Literarische Notizen.
von Männern, wie Teutsch, Scliuller % Fr. Müller, Haltrich u. a., am £r*
forschung der Landeskunde und Geschichte, um Burcharbeitang des hä-
mischen Sagenschatzes haben bei Meistern der Wissenschaft wanne Aner-
kennung gefunden. Die Programme der Lehranstalten lieferten hiezu man-
chen Baustein; mit besonderer Liebe hat man sich der Geschichte der
Schulen selbst zugewendet. Mehrere solche Arbeiten aus verschiedenen
Gauen des Sachsenlandes liegen uns hier vor.
Im Kronstädter Jahresberichte hat Dir. Schiel auf Anregung des
dortigen Zweigvereins für Landeskunde begonnen die alte Matrikel des
Gymnasiums zu verö£fentlichen , welche die Zeit von der Gründunff der
Säiule durch den sächsischen Keformator Houterus im Jahre 1544 bis
1810 urafasst und die Namen sämmtlicher Bectoren, sowie das Veneichnis
der Schüler in den oberen Classen, den vollständigen Bestand des Lehrer-
collegiums aber erst seit 1694 enthält; beigefügt sind Notizen über ein-
zelne Lehrer und Schüler, hie und da auch über Schulverhältnisse und
wichtigere gleichzeitige Ereignisse. Die Geschichte des Gymnasiums selbst,
das unter den Schwesteranst^lten lange Zeit den ersten Bang behauptete,
erfuhr schon vor zwei Jahrzehnten bei Gelegenheit der dreihund^-^'"*-- —
Gründungsfeier durch Duck (Kronstadt ^ 1845) eine treffliche Bearbeitiibg,
für welche der Abdruck der Matrikel eine willkommene Ergänzun^^ bildet.
Die Pnblication bringt die Bectoren vollständig, den catalo^s stucßosorum
bis 1704; die Fortsetzung soU in den nächsten Jahresberichten erscheinen.
Der Herausgeber hat, besonders in der zweiten Hälfte, durch Anmerkungen
einzelne Notizen erläutert, den Lebenslauf namhafter Bectoren gesdülctert
und ihre Wirksamkeit charakterisiert, sowie am Schlüsse grd£erer Zeit-
räume die Er^ebnissse zusammengefasst.
Das vorjährige Kronstödter Programm enthält auflserdem einen lieber-
blick über die Geschichte des Turnens im Sachscnlande, mit besonderer
Hervorhebung Kronstadts, da dem Verfasser die gewünschten Mittheilun-
gen aus den andern Städten nicht rechtzeitig zugekommen waren. Die
ersten Bestrebungen in den zwanziger Jahren giengen von dem trefflichen
Stef. Ludw. Both aus, der in Yverdun unter Pestalozzi zwei Jahre als
Lehrer gewirkt hatte, scheiterten aber in ihrer Vereinzelung an der Gleich-
gilti^keit und Abneigung der Zeit. Erst als in den beiden folgenden De-
cennien ein reges politisches und geistiges Leben, wie in Siebenbürgen
überhaupt, so insbesondere unter den Sachsen erwachte, denen ihre isolierte
Stellung die Entfaltung aller Kräfte gebot, iieng man an, das Turnen in
seiner Bedeutung für die Erziehung der Nation zu erfassen. So fand es denn
seit 1845 allmählich in den Schulen Eingang. Im Jahre 1848, angesichts
eines drohenden schweren Kampfes, in welchem die politische Existenz des
sächsischen Stammes auf dem Spiele stand, schien es sogar zur Volkssache
werden zu sollen; auf einer grofsen Versammlunff zu Mediasch wurde die
Bildung eines Jugendbundes beschlossen , unter dessen Aufgaben auch die
Förderung des Turnens aufgenommen war. Aber die Stürme der nächsten
Zeit griffen in die Fortentwickelung des Begonnenen um so störender ein,
als mehrere der Leiter jener Bewegung ihren Tod fanden; auch Roth fiel
als Opfer des Parteihasses. In der folgenden Periode gerieth das Tum-
wesen, soweit wir aus den Mittheilungen des Verfassers ersehen können,
mit Ausnahme Kronstadts in Verfall, bis mi Jahre 1859 die wiedererwachende
politische Bewegung ihm neuen Aufschwung gab. In Kronstadt bildete
sich 1861 ein Turnverein; von hier gienff die Anregung zur Abhaltung
allgemeiner Turnfeste, deren erstes 1862 in Mediasch gefeiert wurde,
und zur Gründung eines sächsischen Haupttumvereins aus, der noch im
Werden begriffen ist. Der Verfasser schliefst mit dem Wunsche, dass die
in anderen Staaten bestehenden gesetzlichen Einrichtungen, wodurch der
Turnunterricht obligatorisch gemacht und für Heranbildung tüchtiger Leh-
*) Leider wurde in der jüngsten Zeit (10. März 1865) dieser nnennüd-
.liehe Forscher der Wissenschaft und seinem Heimataland entrissen.
Literarische Notizen. 455
rer Sorge getragen wird, auch in seinem Heimatlande bald Nachahmung
finden möchten. — Die Skizze kann als brauchbare Vorarbeit für eine
mtore umfassendere Bearbeitung des Gegenstandes angesehen werden.
Wir bemerken nur noch, dass S. 8 irrthümlich eine Umwandlung des preufsi-
schen Tugendbundes, als derselbe nicht praktisch genug erschienen sei, in
einen „Deutschen Bund** angenommen wird.
In Schäfisburg hat nach langer Unterbrechung G. Bell die Geschichte
der Lehranstalt wieder aufgenommen, welche Teutsch in seinen trefflichen
Abhandlungen (1852 und 1853) bis zum Jahre 1741 hinabgeföhrt hatte.
Die Fortsetzung reicht bis 1808; sie umfasst einen Zeitraum, in dem sich
Siebenbürgen von den Wunden, welche ihm Türken- und Bürgerkriege,
sowie die hftuflg wiederkehrende Geifisel der Pest geschlagen , langsam er-
holte und auch die gröXötentheils in tiefen Verfeil gerathenen Schulen
einen neuen Aufschwung nahmen. Der Verfasser hat sich mit Becht die
musterhafte Methode seines Vorgängers zum Vorbild genommen, welche
der Fülle des Details den allgemeinen Entwickelungsgang, den Zusammen-
hang mit der Landesgeschichte und der Fortbildung des Unterrichtswesens
in Deutachland nicht aufopfert, während bei manchen ähnlichen Arbeiten
gerade diese Gesichtspuncte, unter denen die Geschichte einer Schule erst
höhere Bedeutung gewinnt, zu sehr in den Hintergrund treten. Auch die
änXbere Anordnung wurde beibehalten, so dass der weitschichtige Stoff
sweckmäfidg geghedert erscheint. Störend ist die beträchtliche mhl der
Druckfehler, welche sich freilich durch die Entfernung des Verfassers vom
Dmckorte (Kronstadt) eiui^ermafsen entschuldigen lässt Hoffentlich wird
die fleÜlBige Monographie bis auf die Gegenwart fortgeführt werden.
Die Abhan<uung im Bistritzer Programm, welche sich als eine Erst-
liiigsarbeit bezeichnet, verbreitet sich nach einem flüchtigen Ueberblick
über den geistigen Entwickelungsgang des Mittelalters — wobei die Be-
merkung zu bänstanden ist^ £i.ss Deutschland die Erbschaft der unter-
gehenden antiken Bildung angetreten habe — über die Umgestaltung der
Schalen durch die Beformation, zunächst in Deutschland selbst, dann bei
den Siebenbürger Sachsen. Der Verfasser klagt über den Mangel an Ma-
terial, besonders für die Bistritzer Schule, da die beiden dortigen Archive
sich in grofiser Unordnung befinden; hauptsächlich ^vurden die Geschieht«
der SieMnbürger Sachsen von Teutsch und die bereits erwähnten Mono-
gnphien über das Kronstädter und Schäfsburger Gymnasium, sowie die Ge-
sehiefate des Bistritzer Gymnasiums (von Wittstock im Progr. f. 1852), endlich
R. V. Baumerts Geschichte der Psda^gik benützt. Bei der Bescheidenheit,
mit welcher der Verfesser selbst die Unvollständigkeit der Arbeit zuge-
steht, dürfen wir -wol seinem Streben unsere Anerkennung nicht versagen.
Wegen der Dürftigkeit der bis jetzt erschlossenen Quellen beruhen manche
Aiumhmen nur auf Vermuthung; einzelne Puncto, die sich doch unserer
Kunde nicht ganz entziehen, blieben unerwähnt, so Stellung und Ein-
kommen des Kectors. Unrichtig ist« dass während der Reformationszeit
28 Sachsen als Vorstände der ungarischen Landsmannschaft an der Wiener
Hochschule verzeichnet seien; sie finden sich vielmehr, nach der auch vom
Verfaeser dtierten Stelle aus der Geschichte des SchäTsburger Gvmnasiums
(L S. 3), in den Jahren 1453—1521. Dass auch in der Volksschule häufig
Griechisch gelehrt wurde, war nicht, wie man nach S. 14 glauben sollte,
im %nne Luthers. Die Darstellung trägt noch den Stempel der Ungeübt-
heit an sich, ist mitunter weitschweifig und von Sprachwidrigkeiten nicht
frei. Als Anhang sind acht Briefe, die bis auf den bedeutungslosen ersten
ftr das Schulwesen und die Verhältnisse der im Auslande studierenden
Siebenbürger Sachsen von Interesse sind, femer ein Verzeichnis der wich-
tigsten Bücher beigefügt, welche damals an der Lehranstalt im Gebrauch
geweeen zu sein sckeinen.
Wien. Heinrich F i c k e r.
Dritte Abtheilung.
Zur Didaktik und Paedagogik.
Das Deutsche bei der österreichischen Maturitäts-
prüfung.
In den neuerlichen Verhandlungen über Form und Inhalt der Ma-
turitätsprüfung geschah des Deutschen zweimal in auflfallender Weise Er-
wähnung. Hr. Collega Wolf aus Eger erzählt (Zeitschrift 1864, S. 178)
eine drastbche Anekdote von einem mislungenen Examen und Hr. Schul-
rath Wilhelm (Zeitschrift 1863, S. 768) will das Deutsche als Matter-
und Unterrichtssprache von der mündlichen Prüfung geradezu ausgeechloesen
wissen. Beide Bemerkungen stehen in einem gewissen Zusammenhange.
Die Anekdote beweist, dass man in der Methode oft recht sehr fehlgreift
und die DisciplinarmaJ^regel des Hm. Schulratbes kann nur die strenge
Consequenz solcher Fehlgriffe sein ; denn der Oegenstand an sieb ist wahf-
lich nicht einer von jenen, die für Beurtheilung allgemeiner Bildung ohne
wesentliche Bedeutung sind. Dieser Umstand rechtfertigt wol einen Ver-
such, die Stellung des Deutschen bei der Maturitätsprüfung in Oesterräch
eingehend zu erörtern und durch Eröffnung einer Debatte über diesen
Gegenstand etwas zur Feststellung einer sicheren Methode beizutragen.
Kaum ein anderer Gregenstand des Gyronasialunterrichtes nimmt an
den verschiedenen Mittelschulen Oesterreichs eine so verschiedene Stellang
ein, als das Deutsche, keiner erfordert so sehr nach den wechselnden
Verhältnissen eine wechselnde Methode. Kein Wunder denn, dass in der
Spanne Zeit, seit welcher der Organisationsentwurf in's Leben getreten
ist, sich die Ansichten über dieselbe noch nicht vollständig klarten; hat
man sich doch in rein deutschen Ländern nach langen Verhandlungen kaum
über die Hauptpuncte geeinigt. Die Instruction für den deutschen Un-
terricht im Organisationsentwurfe bezieht sich nur auf rein deutsche Lehr-
anstalten und erstreckt sich nicht besonders auf die Behandlung des Ge-
genstandes bei der Maturitätsprüfung; die in den Paragraphen 81 und 81
enthaltenen Bestimmungen sind so allgemeiner Natur, dass sie für die
Methode nicht mafsgebend sein können. Und doch wird der Gegenstand
anders auf deutschen und anders auf nichtdeutschen Schulen zu behandeln
sein und die Normen für einen auf acht Jahre vertheilten Unterrieht
iL Egger, Das Dentsche bei der österr. Matnritfitsprtlfiiiig^. 457
können nicht anch ftlr eine Prüfung gelten, die nur einige Standen oder
Minuten dauern kann. Wir wollen hier auf die wichtigsten Verhältnisse
Rücksicht nehmen und die Prüfung besonders in*s Apige fassen, den Un-
terricht aber nur da berühren, wo jene diesen yoraussetzt
Die nationale Mannigfaltigkeit der österreichischen Mittelschulen
ist bekannt; wenn wir sie PSn unsem Zweck in deutsche und nicht
deutsche scheiden, so haben wir die allgemeinsten Gesichtspuncte ge-
wonnen. Hat der ünterrichtsgegenstand für die ersten den unschätzbaren
Werth nationaler Bildung, so erhält er für die letztem eine rein huma-
nistische und zugleich sociale Bedeutung. Der deutsche Schüler lernt
dadurch die edelsten Güter seiner Nation kennen und sich für sie be-
geistern, für den Slaven und Magyaren aber hat das Deutsche jenen Werth,
den jede europäische Cultursprache für Nachbarvölker besitzt, den Werth
einer geistig weckenden Kraft, einer wohlthätigen Erweiterung des in-
tellectuellen Gesichtskreises. Zudem ist das Deutsche für ihn deshalb yon
weitreichender socialer Bedeutung, weil es das einzig mögliche, daher
unerlässliche Verständigungsmittel zwischen den verschiedenen Volksstäm-
men des österreichischen Kaiserstaates bildet Es muss nur noch bemerkt
werden, dass die Bezeichnungei^ deutsch und nichtdeutsch sich
nach der inrklichen Nationalität der Schüler, nicht aber nach der herr-
schenden Unterrichtssprache richten, so dass auch manche Lehranstalt
mit deutscher Unterrichtssprache eine nichtdeutsche genannt werden muss,
weil die Mehrzahl der Schüler einer andern Nationalität angehört. Die
Nothwendigkeit aber einer Prüfung aus dem Deutschen setzen wir bei
jeder österreichischen Maturitätsprüfung voraus, ob sie am Mincio oder
an der Marcs abgehalten wird. Für beide genannten Arten von Lehr-
anstalten ist die Prüfung aus dem Deutschen durch die Bestimmung des
Organisationsentwurfes in eine schriftliche und mündliche getheilt
Der Inhalt beider wird natürlich nach der Nationalität der Schüler ein
verschiedener sein.
Ueber Form und Inhalt der schriftlichen Prüfung wird es kaum
noch abweichende Ansichten geben. Die hohe Bedeutung des Aufsatzes in
der Muttersprache für Beurtheilung der Reife hat das Prüfnngsgesetz schon
dadurch anerkannt, dass es mit demselben die Prüfung beginnen lässt und
ihm die meiste Zeit zuwendet. Wird dem deutschen Schüler wirklich, wie
vorgeschrieben, ein allgemeines Thema gegeben, so kann er in der That
Umfiuig und Tiefe seiner Bildung hier am leichtesten darthun. So erhebt
sich der deutsche Aufsatz über eine Fachleistung bei denen, welche sich
in ihm auf heimischen Boden bewegen können; ja ich möchte ein Gewicht
daraof legen, dass das Thema nicht aus dem speciellen Bereiche des deut-
schen Unterrichtes genommen werde, um dasselbe, so weit möglich, der
mündlichen Prüfung zu überlassen. Anders aber verhält sich zum deut-
schen Aufsatz der nichtdeutsche Schüler. Ist diese Sprache wenig-
stens die Unterrichtssprache seiner Lehranstalt und was in der Regel zu-
sammentrifft, die Umgangssprache der Stadt, in welcher sich diese befindet,
so kann er eine solche Fertigkeit im Gebrauche erlangt haben, dass er
sich darin ebenso leicht, wenn nicht leichter als in seiner Mutterspraclif
458 Ä. Bgger, Das Ddatsche bei der österr. Maturitatspr&fa ng.
über Dinge einer hohem Bildungssphsre ausdrücken kann. Doch
Eaiserstaat besitzt eine grofse Zahl Ton Lehranstalten, welche die dentiehe
Sprache nur als eine fremde lehren und es kaum dahin bringen, sie all
Organ des Unterrichtes für einzelne Fächer zu verwenden. Soldie kOnnoi
von ihren Schülern unmöglich verlangen, dass sie sich auf dem Gkbiete
dieser Sprache frei bewegen und werden viel einfachere Themen ftellen,
ja manchmal bis zu üebersetzungen aus der Muttersprache herabsteigen
müssen, lieber Inhalt und Form der mündlichen Maturitätsprüfung sind
die Meinungen keineswegs geeinigt, und nur diese kann noch Gegenstaad
einer weitem Erörterung sein. Die Ansicht des Hm. Schulrathes Wilhelm,
dass sie ganz entbehrlich sei, vermag ich nicht zu theilen, weil ich das
Object derselben, das wesentlich ein anderes ist als das der schriftlichen,
für zu wichtig halte, als dass es übergangen werden könnte. Der Usus,
ausgezeichnete Schüler von dieser Prüfung zu dispensieren , findet jedoch
seine Rechtfertigung in der Bestimmung des Prüfungsgesetzes, daas es
dem Schulrathe freistehe, ausnahmsweise einen Gegenstand für einige oder
alle Schüler ausfallen zu lassen.
Zunächst fragt es sich, welche Partien des deutschen Unter-
richtes in den Bereich einer Maturitätsprüfung gehören?
Auflser den schriftlichen Aufsätzen ist dieser Unterricht an deutschen Gym-
nasien ein grammatischer und literarhistorischer. Der gramma-
tische erweitert sich in den obem Classen zu einer Uebersicht über den
Entwickelungsgang der Sprache und der literarhistorische fasst die deutsche
Metrik und Poetik in sich. Zvdschen diesen beiden Hauptrichtungen stehen
Lesen, Sprechen, Vortragen, wie sie auf den verschiedenen Stufen
zu üben sind. Offenbar haben nicht alle Theile dieses Faches gleichen
Werth für die Maturitätsprüfung, ja es hätten auch nicht alle Baum im
Kreise derselben. Lesen und Vortragen muss noth wendig entfallen, weil
es sich bis zu einem gewissen Grade von selbst vorsteht und eine vir-
tuose Ausbildung hierin für geistige Reife wenigstens nicht erforderlich ist.
Das Sprechen wird bei jedem Fache erprobt Anders verhält es sich mit
der Grammatik. Der Organisationsentwurf schliefst sie scheinbar ganz
von der mündlichen Prüfung aus, indem er dieselbe nur auf die Literatur
der Muttersprache sich erstrocken lässt. Es liegt zwar in der Natur der
Sache, dass jener Thcil der Grammatik dem mündlichen Examen fem
bleibe, der schon im schriftlichen Aufsätze zur Anwendung gekommen,
das ist die Syntax. Das Resultat des grammatisch-stilistischen Unterrich-
tes, als dessen Ziel Raum er ganz richtig die Ueberlieferung der neuhoch-
deutschen Schriftsprache bezeichnet, liegt in der schriftlichen Leistung
hinreichend klar vor. Aber damit ist .nach meiner Ansicht die Aufgabe
des deutschen Gymnasiums im Sinne des 0. £. noch nicht ganz gelöst»
denn es gibt gewisse grammatische Erscheinungen, welche auXIserhalb der
Syntax liegen und deren Kenntnis noth wendig zu einer halbwegs nennois-
werthen Literaturkunde gehört. Der Lehrplan stellt als Ziel des deutschen
Unterrichtes für das Obergymnasium hin nicht blofs Gewandtheit und
stilistische Correctheit im schriftlichen und mündlichen. Gebrauche der
Sinrache, sondern auch eine historisch erweiterte Kenntnis der
ii. Egger, Das Deutsche bei der österr. Maturit&tspr&fting. 459
Sprache. XJnd soll der Hauptzweck des Mittelhochdeutschen, dessen Be-
reditigung flir deutsche Gymnasien wenige mehr bestreiten, erreicht werden,
80 muss man es f&r eine historische Auffassung der Sprache verwcrthen.
Der Schüler muss lernen den Sprachbau der Vorzeit mit dem der Gegen-
wart XU vergleichen, dadurch die Hauptgesetze des Laut- und Formen-
wechselB sich zum Bewusstsein bringen und sich über Wortbildung orien-
tieren. So wird er in die wissenschaftliche Erkenntnis des Neuhochdeutschen
eingeführt, und gewöhnt die Sprache nicht als etwas in grammatischen
Begeln erstarrtes, sondern als lebendigen Organismus aufzu&ssen, der alte
Glieder abwirfk und neue ansetzt. Es liegt darin ein nicht unbedeutender
Gewinn selbst für die Leetüre der deutschen Classiker. Nur wer die Sprache
historisch aufzufassen im Stande ist, wird sich nicht an nuuichen jetzt
veralteten Formen und Ausdrücken Lessings, an manchen Eigenthümlich-
keiten GoBthes und Schillers Stoffen, wenn sie auch dem gegenwärtigen
Sprachgebrauche nicht mehr eigen sind. Ein Abiturient soll nicht wie
irgend eine literarisch gebildete Gouvernante glauben, dass Lessing schlecht
deutsch geschrieben, wenn er im Laokoon liest „der alten Artisten ihr
Geschmack*', oder in der Hamburger Dramaturgie „das Schrecken** ; er soll
sich erklären, warum Herder noch zween und zwo, und Goethe noch „er-
getseH** sagt, auch das Schiller'sche „in der Erden** nicht für einen gram-
matischen Fehler halten. So weit ich davon entfernt bin, das Mittelhoch-
deutsche als solches in den Kreis der Maturitätsprüfung zu ziehen, so viel
Gewicht möchte ich auf den Gewinn legen, den der Schüler daraus für
die Erkenntnis des Neuhochdeutschen zieht, und weil diese im schriftlichen
Aoftatze nicht erprobt werden kann, halte ich grammatische Fragen für
eine wesentliche Ergänzung der mündlichen Prüfung. Nur müssen sich
diese auf ein ganz bestimmtes Gebiet beschränken, auf die Hauptpuncte
der Laut- und Formenlehre und der Wortbildung. Sie reichen hin um
einen allgemeinen Begriff von der Entwickelung der Sprache zu geben,
und zu erweisen, ob der Schüler föhig ist dieselbe wissenschaftlich zu er-
fiutsen. Es ist von einem Abiturienten nicht zu viel gefordert, wenn man
von ihm verlangt, dass er die Verzweigung des indogermanischen Sprach-
stMomes im allgemeinen und des germanischen im besondem kenne, dass
er die Mundarten in althochdeutscher Zeit zu nennen und zu sagen wisse,
was man unter der höfischen Sprache in mittelhochdeutscher und unter
Schriftsprache in neuhochdeutscher Zeit zu verstehen habe, femer wie diese
Schriftsprache entstanden sei und welche Hauptmundarten heute noch im
mündlichen Verkehre Geltung haben. Wer über diese Dinge Bescheid weiA,
kennt auch die deutschen Vocale und Consonanten (nicht blof^ der Gegen-
wart), kennt den Lautwandel durch Brechung, Schwächung, Umlaut, Ab-
laut und die Lautverschiebung, die starke und schwache Flexion; er wird
wissen, wie man im Deutschen Dehnung und Kürzung der Silben bezeich-
net und dass nicht jedes h und ie ursprünglich Dehnungszeichen ist. Es
werden ihm auch die Runen nicht ganz fremd sein, so wenig wie die Aus-
bildung des deutschen Druckes. Ohne gerade die Aufzählung sämmtlicher
Formen der Ableitung und Zusammensetzung zu verlangen, wird man vom
AbltorieBten doch eine Einsicht in die Grundsätze der deutschen Worir*
400 A. Egger, Das Dentsche bei der oeterr. MataritttBprGfang.
bildang, and in die berechtigte oder anberechtigte Stellang der Fremdr
wdrter im Dentschen erwarten können. Das letzte ist ein Capitel, daa gar
scharf in die Praxis der gebildeten Welt eingreift and von der Sdink
nicht vernachlässigt werden soll Ueberall setze ich natürlich die Hanpt*
Züge yoraas and möchte ein Eingehen in Details and Aasnahmen Tor-
mieden wissen. Man könnte mir wol einwenden, dass manche grammatiaehe
Dinge vom Elementaranterricht her sich im Schüler festgesetzt halwB
müssten, and dass diese dem Abitarienten nicht erst abgefragt werden
sollten. Daraaf entgegne ich nar, dass jeder Lehrer des Deatschen in den
obersten Glassen die Erfahrang macht, wie rasch die Schüler alle Theorie
der Sprache über ihre praktische Verwendang vergessen, and daas die
historische Auffassung der grammatischen Functionen erst den Abiturien-
ten möglich und für seine allgemeine Bildung gewiss nicht werthlos ist Es
wäre ein wichtiger Theil des deutschen Sprachunteriichtes vernachlässigt»
wollte man die Grammatik bei der Entlassung des Gymnasiasten völlig
ignorieren.
Den Schwerpunct der mündlichen Maturitätsprüfung werden aber
immer Fragen aus der Literaturkunde bilden. Absichtlich gebraoche
ich den allgemeinen Ausdruck Literaturkunde, nicht Literaturge-
schichte. Was ich darunter verstehe, werden auch Gegner des eigentUdi
literarhistorischen Unterrichtes, wie Heiland und Baumer, kaum verwerfen.
Die erste und nothwendigste Grundlage einer deutschen Literatorkonde
bildet die Bekanntschaft mit den flaupterscheinungen der deutschen Metrik
und Poetik. Ich weita wol, dass eine systematische Behandlung dieser
Disciplinen von pssdagogischen Autoritäten entschieden verworfen wird
und möchte einem leeren Schematisieren auch nicht das Wort reden; aber
welche Folgen das «gelegentliche Behandeln** dieser Dinge nach sich zieht»
werden manche meiner GoUegen schon mit mir erfahren haben. Der Schüler
muss nur nicht gewöhnt werden, die Versarten und Gattungen der Poesie
nach gewissen sesthetischen Principien zu construieren, sondern moss lernen
sie rein geschichtlich aufzufassen, wie die Listruction des 0. £. es
andeutet. Die Leetüre drängt nothwendig dazu und der Unterricht wird
ihn auch auf Erscheinungen hinführen, die auXlserhalb der JugendlectftrB
liegen, damit das literarhistorische Interesse geweckt werde. Das Prfi-
fungsgesetz nennt Metrik und Poetik nicht ausdrücklich unter den Gegen-
ständen, aber setzt sie nothwendig voraus. Und sobald man irgend eine
literaturkunde für Mittelschulen gelten lässt, wird man auch zugeben,
dass der Abiturient das Zeugnis der Reife nicht verdient, welcher i. B.
vom Wesen des deutschen Versbaues, vom Nibelungen- und höfischen Veia
der mhd. Zeit, vom deutschen Hexameter, Pentameter, Alexandriner a.a.w.,
von Alliteration und Beim nichts sicheres wüsste. Dass solche i^'älle nach
einer beiläufigen Behandlung dieser Dinge in der That vorkommen, wird
gar manche Prüfungscommission bestätigen können. Man wird nicht foi^
dem, dass der Abiturient über die künstlichen Bythmen Klopstocks und
Platens oder die wechselvollen GcBthe'scher und Schiller'scher Dichtungen
strenge Bechenschaft gebe, aber man wird verlangen können, dass er jene
metrischen Formen kenne, die in der gebildeten Leetüre am hiofigitea
A. Egget, Das Deatschc bei der österr. Maturitätsprüfung. 461
begegnen. Ebenso mnss der Abiturient ein klares Wort sagen können über
die Grundformen der Dichtung, über das Epos, den Roman und beider
Alten, wie sie die Literaturgeschichte nennt, muss von Ballade, Bomanze,
Mire, Sage, Märchen eine bestimmte Vorstellung haben, Fabel und Parabel
ein&ch zu erklaren wissen. Die Unterschiede von Lied, Ode, Hymne,
Dithyrambe, Elegie und Epigramm müssen ihm bekannt sein und von
Tragoedie, Schauspiel, Komcedic, Oper wird er so viel gehört und erkannt
haben, dass er ohne Ueberspannung seines Geistes die charakteristischen
Eigenschaften derselben angeben kann. Li groiüsen Städten lernen die Schü-
ler das fast im Umgange mit der gebildeten Gesellschaft, aber ich habe
in der Provinz schon Abiturienten geprüft, denen das innere eines Theaters
firemd war, die also über dramatische Poesie nur durch den Unterricht auf-
geklärt werden konnten.
AuJber diesen Hauptpuncten der Metrik und Poetik wird die Prüfung
nur noch das Leben und Wirken der Schriftsteller in ihren Bereich
ziehen dürfen, und zwar in der elementarsten Weise als einfache Erzählung.
Der Schüler soll weder den ,,Schriftsteller und sein Jahrhundert** fertig
charakterisieren, noch den „Zusammenhang des Werkes mit der Weltan-
sicht des Dichters" nachweisen, wie Hiecke will, aber er muss als gebil-
deter junger Mann wissen, wo, wann und wie die gröfsten Dichter seiner
Nation gelebt und was sie hervorragendes geschrieben haben, selbst wenn er
nicht alles gelesen hätte. Wer wird heute z. 6. den „Tewrdank" als Schüler-
lectüre empfehlen, aber es wäre sicher keine Ehre für den Abiturienten,
wenn ihm Name und Ursprung desselben unbekannt geblieben wäre. Selbst
Baumer ist empört über die Frage eines Uuiversitätsstudierenden um
^Schulmeisters Lehijahre** und würde den „Wilhelm Meister** doch schwer-
lich als Gymnasiallectüre empfehlen. Wie bei der Grammatik, so ist auch
hier strenge Auswahl nöthig. Die beiden Blüteperioden unserer Literatur
bieten von selbst sich als Hauptpuncte dar. Es erscheint billig, dass man
aas der mhd. Zeit nur die beiden volksthümlichen Epen Nibelungen und
Gudrun und den Lyriker Walther von der Yogelweide besonders hervor-
hebt, bei den einen Bekanntschaft mit dem Inhalte, bei dem andern mit
seinen Lebensverhältnissen verlangt, soweit sie durch die Forschung sicher-
gestellt sind. Das Prüfungsgesetz fordert nur „Bekanntschaft mit dem Nibe-
lungenliede durch Leetüre einiger Abschnitte desselben in der Ursprache.**
Wer jedoch diese Bedingung erfüllt hat, dem ist auch der edelste Minne-
sänger nicht fremd geblieben, und der hat von den höfischen Epikern
wenigstens Namen und Werke, so wie die beliebtesten Sagenkreise kennen
gelernt, die von ihnen bearbeitet worden. Eine Controlle der Leetüre ist
immer mislich und eine allgemeine Kenntnis der mhd. Sprache hat er
durch die Beantwortung der grammatischen Frage bewiesen. Der öster-
reichische Abiturient hat wol auch von der literarhistorischen Bedeutung
des Babenberger Hofes zu Wien gehört und weifs, dass dort auch Neit-
hart u. a. gelebt. Ln 18. Jahrh. treten Elopstock, Lessing, Wieland, Her-
der, Goethe, Schiller so gewaltig aus der Masse hervor, dass über die Be-
deutsamkeit ihrer Biographic kein Zweifel sein kann. Aber so wenig diese
Männer aufiser aller Berührung mit ihren Zeitgenossen lebten, so wenig
Zcluchriri L d. öatcrr. Oymn. 1865. VI.H«(l. 3)
48t A. Egger, Das Deutsche bei der österr. I^atüritatspr&fang.
wird sich seihst eine allgemeine rjiteratnrkunde auf diese Namen beschr&n-
ken lassen. Dem Abiturienten werden doch auch Haller und Hagedorb,
Gottsched und Bodmer, die Bremer Beiträger und der Gottinger Hainhimd
nicht völlig unbekannt gehlieben sein. Die Literatur des 19. Jahrhunderts
wollen gewiegte Predagogen ganz von der Schule ausschliefen, fis ist wahr,
sie hat nichts anfzuweisen, was an die Fomischönheit der Classiker hinan-
reicht ; sie ist auf Irrwegen begriffen oder in momentanen Zeitströmungen
befangen; sie bietet darum weder so viel Stoff zur Schullectüre , noch ist
sie biographisch so bedeutsam, wie die des 18. Jahrhunderts. Aber man
wird doch zugeben müssen, dass die edlern Erscheinungen dieser Zeit, wie
ühland, Rückert, Platen, Körner u. s. w. sich mehr oder weniger bereits
in der Schule eingebürgert haben. Diese wird daher nach meiher Ansictit
ihrer Würde und ihrem Berufe nichts vergeben, wenn sie wenigstens solche
dem Schüler geläufige Namen biographisch illustriert. Die übrigen Jahr-
hunderte der deutschen Literatur wird die Mittelschule ohne Bedenken
übergehen können, ohne die Schüler gerade vor jedem Eitiblicke in die-
selben ängstlich zu bewahren. Was das Prüfungsgesetz „historische Ueber-
sicht über die schöne Literatur** nennt, kann nur eine allgemeine Charak-
teristik der Hauptperioden sein , wie sie z. B. Wackemagel in seiner Lite-
raturgeschichte liefert. Aus dieser allgemeinen üebersicht werden die Namen
Ulfilas, Otfried, Hans Sachs, Opitz, die Institution der Meistersänger nach-
drücklich hervorgehoben werden, wenn der Abiturient von ihnen auch nichts
gelesen hat, noch lesen wird.
Was die eigentliche Leetüre betrifft, so ist sie bei einer münd-
lichen Prüfung eigentlicli am schwierigsten zu controllieren. Das PrÜfangs-
gesetz fordert ganz bestimmt „eine durch eigene Leetüre gewonnene ÄS-
kanntschaft hervorragender Werke aus der Zeit seit Klopstock." Das Re-
sultat einer solchen Leetüre liegt nur in der ethischen und sesthetischen
Bildung des jungen Mannes vor, die nicht in Prüfungsthemen zu fassen
ist, die auch nicht aus einer Inhaltsangabe der Werke, noch weniger aber
aus der Erläuterung eines kleinen Lesestückes zu erkennen ist Die letztere
Methode hat zu den gröfteten Absurditäten geführt und die ganze Prüfung
eigentlich discreditiert. Man kann auch nicht verlangen, dass der Schüler
die ganze Fülle des poetischen Eindrucks schildere, den er bei der Ijectüre
empfangen, und kritische Analysen verderben dem Schüler den Geschmack.
Gelegentliche Bemerkungen bei den Biographien der Dichter sind das ein-
zige Mittel, sich von der wirklichen Leetüre zu überzeugen. Diese hat die
Schule zu betreiben und der Unterricht zu leiten, aber die Prüfung wird
auf eine eingehende Controlle verzichten müssen. Es wäre gewiss fordernd,
wenn gewisse Werke, poetische wie prosaische, zur Schul- und Privat-
lectüre am Gymnasium vorgeschrieben wären, an die sich dann die im
0. E. empfohlene Chrestomathie anschliefsen könnte, aber es hat sich als
entschieden nachtheilig bewiesen, die deutsche Leetüre zum Ausgangspunct
der Prüfung zu machen.
Wenn ich im vorhergehenden versuchte, das Prüfungstherrta aus
dem Deutschen in seinen Hau])ttheilen zu bestimmen, so wollte Ich damit
andeuten, auf welche Weise der Unsicherheit und Zerfahrenheit auf dieiMn
Ä. Egg^, Das Deutsche bei der osterr. Maturitätsprüfang: 46S
Gebiete gesteuert werden konnte. Eine Feststellung des einzelnen wäre,
denke ich, die Aufgabe einer Rcgicrungsinstruction, die, ohne den
Lehrer allzu sehr zu beschränken, sicher wohlthätig wirken würde. Die
Torbandene Instruction im 0. E. S. 140 ist zu allgemein gehalten und
hat auch die Maturitätsprüfung nicht speciel im Auge. Die kurzen Para-
graphe des Prüfungsgesetzes können eine solche nicht entbehrlich machen.
Wesentlich unterstützt würde die Prüfung freilich durch ein Lehrbuch,
welches für die obersten Classen des Gymnasiums berechnet, aus der deut-
schen Literaturkundc (mit Ausschluss der Lesestücke) gerade das enthielte,
und in der geeigneten Fassung, was von einem Abiturienten gefordert
wird. Dass der deutsche Unterricht durch ein solches Lehrbuch in ein
mechanisches Auswendiglernen ausarte, ist ebenso wenig zu fürchten, als
bei der Geschichte, aber wol ist es Thatsache, dass mancher Schüler, der
nicht vielleicht nach den Vorträgen des Lehrers sich Hefte angelegt, rath-
loB dasteht, wenn er sein Wissen für die Zwecke der Prüfung ordnen solL
Wollte Jemand die Frage aufwerfen, ob das, was hier als Object
der mündlichen Prüfung aus dem Deutschen bezeichnet wurde, auch für die
allgemeine Bildung eines Studierenden nothwendig sei, so darf man ihn
nur auffordern, sicli einen Mann Torzustellcn , der ohne diese Kenntnisse
in eine gebildete Gesellschaft tritt. Wie diese heute beschaffen ist, wird
sie literarische Kenntnisse mindestens ebenso schwer vermissen als natur-
wissenschaftliche. Was liegt dem Menschen denn naher, als seine Sprache
und ihre Werke ? Und ist eine geistige Reife auch ganz wohl denkbar ohne
historische Auffassung der deutschen Sprache, ja ohne Sinn und Verständnis
Itlr ihre Literatur, so kann ich eine Prüfung doch nimmer für einen wür-
digen Abschluss der Gymnasialstudien halten, welche diese Bildungsclemente
ignoriert. Denn ihnen hat wenigstens das österreichische Gymnasium eine
Stellung neben den älteren Disciplinen eingeräumt, in welcher sie ihre
ganze läuternde Kraft bethätigen können. Die mündliche Prüfung aus dem
Deutschen erscheint mir deshalb um so unerlässl icher, als ihr Object von
dem der schriftlichen viel mehr absteht, als bei andern Fächern, und mit
ihr &8t der ganze Gegenstand fällt. Wo vorzügliche Jahresleistungen der
Commission die vollste Beruhigung gewähren, kann sie im Sinne des Ge-
setzes ebenso unterbleiben, wie bei andern Fächern.
Was hier gesagt worden, gilt natürlich nur von rein deutschen Gym-
nasien; für nichtdeutsche Lehranstalten wird sich das Prüfungsobjeet
anders stellen je nach dem Gmde, in dem sie die deutsche Sprache culti-
vieren. Verwenden sie dieselbe als Unterrichtssprache, so kann der gram-
matische Theil ganz wegfallen, aber die Literaturkunde wird fast in der-
selben Ausdehnung gefordert werden dürfen. Die Grammatik hat in diesem
Falle deshalb keinen Werth ftlr die mündliche Prüfung, weil solche Gym-
nasien mit der praktischen Sicherheit im Gebrauche der Sprache ihre Auf-
gabe erfüllt haben und diese im schriftlichen Aufsatze vorliegt. Eine Ein-
sicht in die geschichtliche Entwickelung kann man dem Schüler deshalb
nicht zumuthen, weil an nichtdeutschen Lehranstalten Mittelhochdeutsch
nicht gelehrt wird, oder wenigstens nicht gelehrt werden soll. Die Stunden,
die man bei Schülern anderer Nationalität auf den altdeutschen ünterriclit
31*
464 Ä. EggeVy Das Deutsche bei der Ssierr. Mataritatsprllfiing.
verwendet, sind melir als verloren. Auch die Literaturkunde wird sieh
wesentlich auf die neuhochdeutsche Zeit beschränken und von den früheren
Perioden nur so viel allgemeines aufnehmen als zur Ergänzung der histo»
rischen üebersicht nothwendig und ohne Leetüre räthlich ist. Die Lectftre
soll den Schülern ausschlicfslich jene Meisterwerke der neueren Classiker
vorführen, um deren Aneignung durch Uebersetzung sich alle fremden
Literaturen bemühen. So wird der deutsche Sprachunterricht an nicht-
deutschen ÄGttelschulen seine praktischen und humanistischen Zwecke am
sichersten erreichen.
Gymnasien, welche die deutsche Sprache nicht einmal als Organ
des Unterrichtes verwenden, sondern sie nur als Lehrgegenstand behandeln,
werden hinwiderum einer gewissen grammatischen Prüfung nicht entbehren
können, nur wird dieselbe über das Neuhochdeutsche nicht hinausgehen
und wie die Grammatik der classischen Sprachen zur Erklärung der Lec-
türe dienen. Die Literaturkundc kann in solchen Fällen nur die Classiker
des 18. und 19. Jahrhunderts umfassen, aus deren Werken einzelne als
Schullectüre verwendet wurden. Hier kann die mündliche Prüfung aus dem
Deutschen gar wol nichts anderes sein, als eine Uebersetzung, grammatisdie
und sachliche Erklärung eines Lesestückes, dessen Wahl nicht immer vom
classischen Gehalte, sondern von der Verständlichkeit für Fremde abhängt
Bei der grofsen Verschiedenheit der Mittelschulen Oesterreichs wä»
es gewiss wohlthätig, wenn für jede derselben eine ihren nationalen Vei^
hältnisson angemessene Prüfungsnorm entworfen und behördlich genehmigt
würde. Li allen anderen Disciplinen lässt sich mit verschiedenen Sprachen
ein gleichartiges Resultat erreichen oder wenigstens anstreben; die Forde-
rungen aus dem Deutschen werden aber naturgemäXis verschieden sein
müssen. Wer die bunte Bevölkerung der Königreiche und Länder kennt,
wird auch zugeben, dass nicht einmal jedes Kronland eine einheitliche
Prüfungsnorm einführen könne, sondern dass sich dieselbe in der That
nach den Bedürfnissen jeder einzelnen Lehranstalt richten müsse. Um Mis-
bräuche hintanzuhalten, zu denen die Schüler durch die Verschiedenheit
gesetzlicher Forderungen verlockt werden könnten, dürfte nur bestimmt
werden , dass jeder Schüler nach der Norm derjenigen Lehranstalt geprüft
werde, an welcher er die Gymasialstudien absolviert hat. Privatisten sind
an die Lehranstalt gebunden, welcher sie zugewiesen werden, nur er-
Unbt die Nationalität eine Ausnahme.
Wien. A. Egger.
Vierte Abtheilung.
Miscellen.
Zu Piaton.
Phsdon 64 C — — ijyovfxcd-a jt rov S-dvarov elvai; ITaw ye, lqpi|
vnoXaßav 6 Sifi/ning. 1^^« /ni^ äXXo ri ^ jf^v trjs ipvyrjg dnö toi atofia-
tos dnaXlayipf; xal eJvai tovto re^viivai, x^iQ^S f*^v «^o Ttjg ipvxrjs avro
xad-' ttUTo t6 aoiua yiyovävcUy x^Q^^ ^^ "^V"^ V'^JIf^^ ^^^ "^ov ato/Lutroc
dnaXlayitaav aurijv xaS-* avTTJv ilvai; a^a firj älXo ri 3 S-dvarog ?
rovTO ;
So wie der letzte Satz hier geschrieben ist, findet er sich in der für
die Kritik des Platonischen Textes entscheidenden Oxforder Handschrift;
die meisten übrigen haben iiXXo ti ij ö S-., nur zwei Handschriften lassen
5 weg, ttXXo r* ö d^dvicTog. Die neueren Ausgaben seit Bekker haben j
weggelassen, dga fxrj aXXo rt ö ^ttvarogy so mit Bekker Stallbaum nna
die Züricher Herausgeber. K. F. Hermann dagegen vertheidigt nicht nur
in seiner Recension der Stallbauni'schen Ausgabe des Phaedon (AUg. Schulzt.
1830. IL Nr. 42, wieder abgedruckt in Gesammelte Abhandlungen S. 63 ff.)
die Beibehaltung des Conjunctivs ^, sondern schreibt auch demgemäß in
seiner Ausgabe, streng an die Ueb'erlieferung des Oxon. sich haltend, ä^
/irj aXXo xi j d-nvnjog rj tovto;
Sehen wir in der Rechtfertigung des Conjunctivs, die Hermann
a. a. 0. S. 69 f. gibt, von den Puncten ab, welche nur eine theils beistim-
mende, theils modificicrende Beziehung auf frühere Behandlungen des-
selben Gegenstandes enthalten (Graser Advers. in Plat. p. 33. Stallbanm
in Jahn's Jahrb. VII. S. 405. X. S. 187), so lauft dieselbe darauf hinaus,
^dass sich kein Grund ausfindig machen lasse, warum der Grieche nicht
so hätte reden können", und dass Hermann sodann den Conjunctiv durch
eine Uebersetzung erklärt, entsprechend den anderen Stellen (Rep. L 335 C,
337 B, VnL 554 B. Xen. Oec. 4, 4), an denen sich unzweifelhaft der Con-
junctiv in einer durch (Iqcc ^1} oder durch blofses /uij eingeführten Frage
findet: „deshalb bin ich auch keineswegs bedenklich, den Conjunctiv im
Pluedo beizubehalten, und zwar nicht: 'der Tod wird doch nichts anderes
sein*, wol aber: 'er wird doch nichts anderes sein sollen* zu übersetzen,
was dann eben ganz vortrefflich mit dem vorhergehenden äga jurj aXXo t&
seil. rivovfAi&a ilvnt tov OavaTov, übereinstimmt, als dessen Wiederholung
es Stallbaum mit vollem Rechte betrachtet."
Hält man sich blofs an den sprachlichen Ausdruck der deutschen
uebersetzung, so lässt sich nicht in Abrede stellen, dass sich die vorlie-
gende Stelle mit den anderen angeführten unter denselben Gcsichtspunct
zusammenfassen und dadurch die Uebcrlioferung der besten Handschrift in
der Stelle des Phsedon rechtfertigen lässt. Vergleichen wir jene Stellen.
Plat. Rep. I. 335 C 14q* ovr xnl xvveg ßkamofMtvoi /f/'(>oif ytp'ovrai ilg
xiiv Tthf xv^vtjjv dJJi ovx fig rrjv rdiv Xtuhhv aQfTrjr; Idvuyxt], Urd-Qtjnovg
di fxri ovTb) (fbÜf^tv ßXanxonh'ovg eig ttjv dpd^QiüntCuv dQixr^v x^^^^^i
406 Mi8<^llen.
yiyvta&ai; /law uh ovv. *Von Menschen aber sollen wir nicht sagen,
dass sie durch Beeinträchtigung schlechter in ihrer menschlichen Tüchtig-
keit werden/ 337 B alV tt aot eiirtv ""Sl GQuav^ax^* ntag Hyit^; fifl
anoxQCvojfiai vn' nQOtlTiig /nrj^iv; 7i6t€qov, w ^ttvfinaie, firjS et TOf-
jtov Ti TvyyuvH (iv, dXX^ €Tf qov ffnoi ti tov (lXr}d'Ovg; fj mag X^yetg; rl
av avT(p ihtiq nqog ravju; 'Soll ich nichts von dem antworten, was du
vorher sagtest, selbst dann nicht, du Wunderbarer, wenn eben etwas dar-
unter die Wahrheit ist, sondern soll ich dann etwas von der Wahrheit
verschiedenes zur Antwort geben?* VIU 554 B x^](f>rivtadHg im&vfifag iv
avT^ cf«i TTjv aTTtti^tvatav ^ ^ (fiöu « v lyylynad-niy rag f.ilv nTtaxi'Xäg, rag
dk xaxovQyoi'Sf xare/ou^vag ßfrf vno rfjg uXXrjg i7tifte).€(ng; Kttl fidX*, ^tpfj,
'Sollen wir nicht sagen (sollen wir in Abrede stellen), dass sicn drohnen-
hafte Begierden in ihm ünden in Folge des Mangels an Bildung?* Xen.
Oec. 4, 4 ^H/Litv J^ «Tij noUug av/ußovXevHg, w ZtaxQttTfg, X9^^^^'* ^^»
ttffl 6 ^(oxQaTrig, fit) nia/vv(^€iifi€v rov ITioamv ßitaiX^a^ ixiivov yuQ
(fttöiv iv ToTg xctDJoTotg xnl nrnyxcuoTaTotg jjyovueror tlvai l7Tifi(Xf)fdaa&
yiüjQyCav n xul T7)v noXfurxrjv j(/vr)v tovtcüv auifOTiQorv /(T/i'^Cüff int-
ucXitaO^tti. 'Wir sollen uns doch nicht vor dem Perserkönig zu schämen
nahen?* — An allen diesen Stellen entspricht derselbe Ausdruck in der
deutschen Uebersetzung, durch dessen Anwendung auch an der Stelle des
PhsBdon Hermann den Gebrauch des Conjunctivs in derselben rechtfertigen
will. Aber trotz dem besteht zwischen den angeführten Stellen und der
des Phaedon ein so erheblicher Unterschied, dass dadurch die ganze Be-
weiskraft der Vergleichung verschwindet und sich als blofee Zufälligkeit
eines gleichen Ausdruckes in der Uebersetzung erweist. Die Einführung
eines Fragesatzes durch ui) hat so wenig wie die Einföhrung durch irgend
ein Fragewort oder ein Fragepartikel auf den in dem Fragesatze zu ge-
brauchenden Modus irgend einen Einfluss ; es steht derjenige Modus, welcher
auch abgesehen von der Einführung durch das subjectiv ablehnende /ii)
anzuwenden wäre. Findet sich also m Fragen, die durch i/i} eingeleitet
werden, ein Conjunctiv, so sind diese deliberativ, und aer Conjunctiv
würde ebenso bleiben bei anderer Einführung der Frage, urj anoxo^rtofioi
hat den Conjunctiv in derselben Bedeutung und aus demselben Grunde,
wie ri nnoxnivo}u(u; oder a^i' itTtoxotvio/niu; ßovXn ttnoxpCrot/bttci'; Man
versuche dieses bei dem Satze aus Phaedon, in welchem Hermann jenes
«o« fjt) (iXXo n 1] &rtvr(Tog tj roiro; als sprachrichtig vertheidigt. Es
wird nieniandem einfallen t( üXXo y 6 ihtvarog tj touto; oder «(j aXXo
Ti tj 6 (hccvttTog ^ Toirro; als sprachlich zulässig zu behaupten. Und ganz
begreiflich. Es handelt sich hier nicht um eine Ueberlegung über das, was
zu thun ist (deliberativ us) , sondern um den Ausdruck einer subiectiven
Ansicht, t/ üXXo iftj (iv 6 ^nvarog ij lovro. Dass wir im Deutschen die
aubjective Ansicht eines anderen durch dasselbe 'sollen* ausdrücken können
('soll der Tod etwas anderes sein*, d. h. 'meinst du, dass der Tod etwas
anderes sei*), wie die Ueberlegung über das, was zu thun ist, bringt in
der Hermann'schen Erörterung den Schein hervor, als ob es sich um eine
deliberative Frage handle.
So wenig als in der Stelle des Phiedon jj behalten werden kann
(vielleicht ist es zunächst durch die vorausgehenden gleichen Worte ver-
anlasst KQfc f.iri liXXo Tt. Ti Tt)v Ttjg nn'xfjg xrX.) , so wenig kann dasselbe
Eep. X. 603 C beibehalten werden: 'iicF« Sij nQoO-taiieti^tt - nQarrovrag,
(fULiü', i\v(h{)a)7iovg uiuhtiu t) uiur}jix^ ßuUovg tj kxova(ag 7TQa$eig, xai
ix Toi; 7T()(CTjftv rj ev ofou^rovg t) xaxaig n^nQayiviUy xai h* lovxovg ^rj
naaiv rj Xvnov/Li^vovg rj /aftiorrug. /n rj ri äXXo tj iraoa tultcc; Es ist ZU
verwundem, dass Bekkor und die Züricher Herausgeber, welche in der
Stelle des Phsedon auf äufserst geringfügige handschriftliche Beglaubigung
n weglassen, es an dieser Stelle, wo in erheblich besseren Handschriften |
fehlt, es beibehalten, trotz der vollständigen grammatischen Gleichartigkeit
der in Frage kommenden Sätze. Schneider's Vertheidigung des Conjunctivs
im kritischen Commentar zu dieser Stelle sieht einer Verwerfung ähnUcher,
MisceUen. 467
«1» einer fieehtfertigunfi;^ die Conjector Ast's, ^v für 9, welcher Schneider
nicht Tindentlich den Vorzug gibt, würde sehr wahrscheinlich «ein, wenn
die Beziehung auf früher gesa^s HI. 399 AB in dem ÄlaXfee zuträfe, wie
Schneider vorauszusetzen scheint £s bleibt daher nichts übrig, als mit
Stallbaum tj aus dem Texte zu entfernen.
Ebenso w^enig ist in Xen. Mem. IV, 2, 12 der Conjunctiv zulässig:
ji^* ovv, itf-rj, SoTitQ ol jixtong ?;|foi'or* 7« iavrtav ^Qva irnSu^aiy ovxtag
ol Sfxaioi ia iavTtHv ^x^iev av ^n^rjyi^ana&ai; — Mri oiV, ^(fij 6 Ev^v-
SiifAOS^ ov &vvüifiai fycj id T^g ^ix€uoavvng ^Qya l$rjyi^aaa&a$. Mit den
Yon Hermann angewendeten Mitteln der üebersetzung werden wir diesen
Conjunctiv ebenso wie den im Phsdon scheinbar rechtfertigen; denn wenn
wir übersetzen 'Soll ich denn etwa nicht können etc.?', so können wir
durch den El&ng eines deliberativen Conjunctivs tauschen. Aber so wenig
uiQ* OVV OV dvviaf^M'y gesagt werden kann, sondern \iQ* am' oix av ^wai-
/ii/y; ebenso wenig Mrj 01^ ov dvvuifjLat^ sondern AfiJ ovv ov ^vva/jitUf
wie Kühner auf Grund reichlicher handschriftlicher Beglaubigung schreibt
Nur hätte Kühner nicht behaupten sollen *uterque modus, et indicativus
et coniunctivus, per grammaticam usurpari potest*, worauf er dann, bei
dem Schwanken aer handschriftlichen Beglaubigung für das eine und das
andere, dem Indicativ den Vorzug gibt, weil er *maps convenire videtur
oommotiori Euthvdemi animo', er ist vielmehr vorzuziehen, weil der Con-
junctiv sprachlich nicht zulässig ist.
H. B 0 n i t z.
Zu Suidas.
/KSvfiog^ /lirSvuov jaqtxontoXoVy y^afi/jicerixog jiQKfraQXfiog, l4X€^av-
^Q€vg, ysyovcag Inl Avrojvlov xal Kix^Qtavog xai ?ö)ff Avyovarov ' XaX'
Didymus folgt,
J)idwnu8, Didjfmi scUsamentarü filim, Älexandrinus, grammaJticus Äri-
starcniitSf qui vixit temporibus Antonii et Ciceronis usque ad Augustum,*^
— Was nun zunächst yeyovoljg angeht, so ist über die Bedeutung von
ßoruU, vixit neben natus est nichts weiter zu sagen. Nur vermissen wir
m der üebersetzung das xal €0)g Avyovarov , qui vixit temporibus An-
tOfUi et Ciceronis et usque ad Augustum, Hierdurch bekommt aber die
ganze Stelle ein anderes Ansehen und auf den ersten Blick wird man so-
fort das Geschraubte und Lückenhafte der Angabe erkennen. — Dazu kommt
noch ein anderes Moment. Merkwürdigerweise ist Suidas hier insofern un-
genau, dass er zuerst den Antonius, dann den Cicero anführt, wiewol er
sonst in der Regel die Namen in chronologischer Folge gibt, wie s. v.
^HgaxXef^rjg . . . inl KXav6(ov xal N^Qtavog; inl TißioCov xal KXav6(ov
s. V. jin((üv Hätte er hier die Angabe so ailgemein gehalten, wie Bem-
hardy und Schmidt glauben, und unter Antonius den Triumvir verstanden
wissen wollen, so unterliegt wol keinem Zweifel, dass er inl Kixiqtovog
xal jivT(ov(ov gesagt hätte, denn die Blütezeit des Cicero war vorüber,
als Antonius anfieng Bedeutung zu gewinnen. Nun ist es sehr sonderbar,
dass die Grammatiker der spätem Zeit über den so hochverehrten und an-
gestaunten Meister nichts anderes sollten gewusst haben, als dass er zu
den Zeiten des Cicero und Antonius bis auf Augustus gelebt habe. Trugen
doch fast alle Commentare seinen Namen auf der Stirn und wir dürfen
wol nicht zweifeln, dass seine Schüler Biographien von ihm verfassten, aus
denen Suidas seine spärlichen Notizen zog. Dieser Lexikograph selbst nennt
den Didymus 6 u^yag, 6 naiv. Kurz, es ist nach alledem als sicher an-
zunehmen, dass die kurze Vita beim Suidas mehr enthielt, als die ober-
flächlichste Zeitangabe über das Leben jenes Grammatikers. Denn yfyovtog
inl HvTotviov xal Kix^oono^ ist doch wol zu übersetzen: „geboren unter
dem Consulate des Antonius und des Cicero." Wir hätten darnach das
468 Misoellen.
Jahr 63 v. Chr. als das Geburtsjahr des Didymus, als M. Tnllius Cioeio
und C. Antonios Hybrida Consnln waren. In dem Folgenden aber ist nach
xal offenbar eine Lücke zu statuieren : xal ,., Jitog Avyovaxov, so dass die be-
stimmteren Angaben über das Todesjahr des Didymus verloren gegangen sind.
*HqttxXii^r}g ITovTixog, ano 'IlQttxXi^ag rijs ITovrov, yQttfifiarueos,
oartg zfiovjjti) t(^ jiavv xarä xr^v l4Xi^av6o^oiv ifpotrriaev ' ovrog inttS^
ijxovaiv ^LintQog C^) [yivriQOjzog] tov liQiaraQyov ua&ritov ivSoxirfiouvtog
xarä Tf)v *P(6fjir}V noXXd if top J(6v(xov oiuavQOVTog , fyQaiffi fi^^Q^
2an<fcxt^ ^TocPaXcaxffp ßt,ßX(n y* &vaeQfxi^v€VTa xal noXXrjv t^v dnogUnf
tyovra nqoßakXofAivtov C^Trj^aTwv. Itriva ui^a^ag ixaXiaiv, elg 'Pat/^tir
fk xofiiaag xctl rov lAvT^garrog xaraffavilg xatifiHve a^oXag^tip iv avrj
inl KXavSiov xal N^Qtovog, — Mit Recht nimmt Bemhardy an xarafpavelg
Anstof^. — Der Sinn der Stelle aber ist klar. Heraclides ronticus besiegte
den Antcros in einer öffentlichen Disputation, indem derselbe auf die
n^oßXrifittra keine Xvang finden konnte. Daher vermuthe ich xal tov
jlmiQüiTog xaQTfQog (favfCg. Nachdem er die Leschai nach Rom gebracht
und über den Anteros den Sieg davongetragen hatte, blieb er daselbst u.8.w.
Breslau. J. Oberdick.
(Preisfragen, aimeschriehen von der fürstlich JablonotodcC sehen
GeseUsclwft in Leipzig.) Die fürstlich Jablonowski'sche Gesellschaft in Leipzig
hat im März 1. J. für die Jahre 1865, 1866, 1867, 1868 folgende Preisfragen
gestellt.
1. Aus der Geschichte und Nationaloekonomie.
Für das Jahr 1865, wiederholt aus dem Jahre 1861: CuUurae-'
schichte der Städte Dmizig wid Thom in der Zeü vom Jahre 1454 Ins
Mur ersten Theilung Polens, (Preis 48 Ducaten.)
Für das Jahr 1865: Die Volkswirthschaffc von Norditalien erin-
nert während der letzten Jahrhunderte des Mittelalters in vielen Stücken
an die unserer Gegenwart; namentlich gibt ihr eine beträchtliche An-
näherung an die Grundsätze der persönlichen und sächlichen Freiheit im
agrarischen, industriellen und mercantilcn Verkehr oft eine fast moderne
Farbe. Anderseits ragt doch wieder sehr viel mittelalterliches in jene Zu-
stände herein, sowol aus der Gesammtheit des übrigen Europas, welches
damals noch ganz im Mittelalter lebte , wie aus den unmittelbar vorher-
gegangenen Verhältnissen von Norditalien selbst. Eine Vergleichung solcher
Aehnlichkeiten und Unähnlichkeiten mit unserer Gegenwart ist nicht blofs
für die tiefere Specialcharakteristik der verglichenen Zeiträume, sondern
auch für die Kenntnis der allgemeinen volkswirthschaftlichen Entwicke-
lungsgesetze lehrreich. Die Gesellschaft wünscht daher
eine quellenmäfsige Erörterxuigy wie weit in Norditalien gegen SdUuss
des Mittelalters die Grundsätze der agrarisdien, industriellen ufid mer-
cantüen Verkehrsfreiheit durchgeführt waren.
Sollte sich eine Bewerbungsschrift auf den einen oder andern nord-
italienischen Einzelstaat beschränken wollen, so würde natürlich ein be-
sonders wichtiger Staat zu wählen sein, wie z. B. Florenz, Mailand oder
Venedig. (Preis 60 Ducaten.)
Für das Jahr 18 6;6: Würdigung der Verdienste, welche die Deut-
scliefi ais CuUurträger bei iliren östlicJien Nadibarn im MittelaUer gehabt
haben. (Preis 48 Ducaten.)
Für das Jahr 1866: Eiyie Darstellung der volkswirthschaftlichen
Ansichten der Glossatoren des Corpus Juris civilis. (Preis 48 Ducaten.)
Für das Jahr 1867. Die Regierung des Kurmrsten August von
Sachsen ist für die volkswirthschaftliche Entwickclung des 16. Jahrhunderts
von ähnlicher Bedeutung, wie für die politische und theologische. Sie ist
aber in der ersten Beziehung viel weniger bekannt, als in den beiden letz-
ten. Die Gesellschaft wünscht deshalb
eine quellenmäfsige Darstellung der Geschichte des Kurfürsten August
in votktwirihscnafüicher Hinsicht,
Miscellen. 460
wobei sie namentlich anf die Mitbenutzung noch nngedruckter Quellen Werth
legen würde. (Preis 60 Ducaten.)
Für das Jahr 1868. Die Gesellschaft hat durch eine frühere, von
H. Wiskemann mit bestem Erfolge beantwortete, Preisfrage die antike
Landwirthschaft insofern zu erlautem gesucht, als sie die neuerdings von
der Nationalökonomik beobachteten Naturgesetze als MaTsstab an die quel-
lenmäJteigen Nachrichten vom Zustande der landwirthschaftlichen Produc-
tion im classischen Alterthume anlegen lieXls. Etwas ähnliches beabsichtigt
de gegenwärtig in Bezug auf den vorzugsweise sogenannten GewerbfleiDB.
Sie wünscht deshalb
eine queUenmäfsige ZusammensteUtmg derjenigen Orte des dassischen
AUerÜwuns, wo gewisse Gewerhseweiae vorzugsweise geblüht haben,
womöglich mit Hinzufügung der Gründe dieses Blühens, sowie auc^ des
später etwa eingetretenen Verfalles. (Preis 60 Ducaten.)
2. Aus der Mathematik und Naturwissenschaft. .
Für das Jahr 1865. Bei dem ^i^en Interesse, welches die noch
immer sich mehrende Zahl der kleinen Planeten in Anspruch nimmt, und
infolge dessen für die Flora und Victoria von Brünnow und für die Mel-
pomene von Schubert Tafeln bearbeitet worden sind, wiederholt die Gesell-
schaft die bereits in den Jahren 1858 und 1859 gestellte Preisaufgabe, nämlich:
Berechnimg von Tafeln für einen der kleinen Plcmeten nach der
von P, Ä. Hansen in drei ÄbJMfuUun^en in den Jahren 1856 y 1857
und 1859 veröffentlichten Methode : Auseinandersetzung einer zwechnä/H-
aen Methode zur Berechnungder absoluten Störungen der kleinen Planeten.
Leipzig bei S. Hirzel. Die Wahl des kleinen Planeten bleibt — mit Aus-
schluss der drei oben genannten — dem Preisbewerber überlassen ; nur muss
der Planet bereits in einer genügenden Anzahl von Oppositionen beobachtet
worden sein. (Preis 48 Ducaten.)
Für das Jahr 1865, wiederholt vom J. 1864. Nachdem die Ana-
lysen von Carius gelehrt haben, dass die unter den Namen Fleckschiefer,
Fruchtschiefer und Garbonschiefer bekannten metamorph ischen Schiefer
in ihrer allgemeinen chemischen Zusammensetzung mit den unveränder-
ten Schiefem übereinstimmen, so bleibt es nodi ein interessantes Pro-
blem, das in jenen Schiefem so häufig vorkommende grüne bis schwarze,
die Kömer und Garben bildende, sehr wenig bekannte Mineral, so wie die
Verhältnisse desselben zu dem einschliefsenden Schiefer genau kennen zu
lehren. Die Gesellschaft stellt daher als Preisaufgabe:
Eine genaue, an mehreren ausgezeichneten Varietäten durchzuführende
Erforschuna der mi^nercdogisch-chemischen Natur sowöl des, die Con-
cretionen der Fleck- und Fruchtschiefer bildenden Minerales, als aw^
der Grundmasse derselben Schiefer, in welchen diese Concretionen vor-
kommen, nebst einer Untersuchung der Verhältnisse, unter welchen sich
die bloßen Flecke gegen den Crranit hin allmählich zu wirklichen, be-
stimmt contourierten Concretionen ausbilden.
Als vorzüglich beachtenswerthe Betonen werden das Schiefergebirge
in der Umgebung von Tirpersdorf im Voigtlande, so wie die von Kochlitz
über Wechsclburg nach Callenberg laufende roetamorphische Schieferzone
empfohlen. (Preis 48 Ducaten.)
Die Preisbewerbungsschriften sind in deutscher, lateinischer
oder französischer Sprache zu verfassen, müssen deutlich geschrieben
und paginiert, femer mit einem Motto versehen und von einem ver-
siegelten Zettel begleitet sein, der auswendig dasselbe Motto trägt, in-
wendig den Namen und Wohnort des Verfassers angibt. Die Zeit der Ein-
sendung endet für das Jahr der Preisfrage mit dem Monat November;
die Ac&esse ist an den jedesmaligen Secretör der Gesellschaft (für das
Jahr 1865 an den ordentl. Prof. der höheren Mechanik und Astronomie an
der Universität zu Leipzig Dr. Mob ins) zu richten. Die Resultate der
Prüfung der eingegangenen Schriften werden jederzeit durch die Leipziger
Zeitung im März bekannt gemacht.
Fünfte Abtheilung«
Verordnungen für die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Erlässe.
(Vgl. Hft. II XX, m. S. 227.)
£rlas8 desk. k. Staatsministeriums, Abthlg. f. Cultus n. Unter-
richt, die Zulassung zur Maturitätsprüfung betreffend, vom
10. März 1865. Z. 156.
Das Staatsministerium findet sich veranlasst, die Geltung des Unter-
richts-Ministerial-Erlasses vom 7. Februar 1856, Z. 1954, welcher eine Be-
schränkung der Bestimmung des Organisationsentwurfes §. 79 in Betreff
der Zulassung der Octavaner zur Maturitätsprüfung vorzeichnet, dahin zu
modificieren, dass den Gjrmnasiallehrkörpem freigestellt wird, von dieser
Anordnung Umgang zu nehmen, und der citierten Bestimmung des Orga-
nisationsentwur&s gemäfs vorzugehen.
Erlass des k.k. Staatsministeriums, Abthlg. f. Cultus a. Unter-
richt, die Zeit der mündlichen Maturitätsprüfungen betref-
fend, vom 4. Mai 1865. Z. 3325.
Bei der bisher eingeführten Uebung, dass die mündlichen Maturi-
tätsprüfungen in der Regel nach dem Anfang und vor dem Ende der Haupt-
ferien stattfinden, ist der Uebelstand zur Wahrnehmung gekommen, dass
Abiturienten von solchen Gynmasien, an welchen die l^ituritätsprüfungen
erst zu Ende der Hauptferien abgehalten wurden, fast regelmäßig zu spät
auf der Hochschule eintrafen, um sich noch zum gesetzlichen Termine m-
acribieren zu lassen.
Femer wurde vielföltig die Thatsache bemerkt, dass solchen Zög-
lingen in Folge der Abspannung nach der Maturitätsprüfung, auf welche
keine Zeit der Erholung folgt, es schwer fällt, sich sofort mit Eifer und
Ausdauer einem gerade anfangs besonders schwierigen Fachstadium zu
widmen.
Diese Uebelstände erachtet das Staatsministerium durch folgende
Bestimmungen zu beheben:
1. Die mündlichen Maturitätsprüfungen an sämmtlichen Gymnasien
sind mit der ersten Hälfte des Ferialmonates zum Abschlüsse zu bringet
2. Zu diesem Behufe wird es gestattet, dass in jenen Inspections-
bezirken, deren Schulräthe es für nöthig erachten, mit der Vomainme der
mündliehen Maturitätsprüfungen schon in der Mitte des letzten Schoi-
monates begonnen werde.
PWMflU^ und SehalaotiKn. 4'n
^ Die sdmfUichen Matmitiltsprttfnngeii sind an iriUnrntttehen G^na-
naotien schon in der zweiten Hläfte des vorletzten Schnlmonates vorsn-
ncdimen, damit die betreffenden Elaborate noch rechtzeitig von dem be-
lüglichen 8chalrathe durchgesehen werden können.
4. Für jene Schüler, welche durch Krankheit oder andere Umstände
gehindert, die Maturitätsprüfung nicht bis zum oben angedeuteten Termine
ablegen können, wird ein zweiter Termin zur Ablegung der Prüfung ai^
die letzten Tage des zweiten Ferialmonates vom betreffenden Schubathe
anberaumt, der zugleich die Gymnasien bezeichnet, an welchen zu diesem
Termine Maturitätsprüfungen stattfinden.
5. Im übrigen bleiben die bestehenden Normen über die Abhaltnng
der Maturitätsprüningen, sowie insbesondere jene über ungeschmälerte Forif
f&hmng dte Schulunterrichtes bis zum gesetzlichen Scnlusse des Schul-
jahres anfrecht
6. Es ist dringend wünschenswerth , dass die voranstehenden Be-
stimmungen strenge eingehalten werden. Anderseits ist nicht in Abrede
lu stellen, dass dem Schulrathe es kaum möglich wird, in Monatsfrist der
mündlichen Abhaltnng der Maturitätsprüfung aller ihm unterstellten Gym-
nasien beizuwohnen.
Für derartige Fälle behält sich das Staatsministerium vor, auf Grund-
lage eines von der k. k. Landesbehördc rechtzeitig erstatteten Vorschlages
geeignete Persönlichkeiten mit der Vertretung des betreffenden Schulra^es
bei der Maturitätsprüfung zu beauftragen. Hiebei erscheint es als empfeh-
lenswerth, dass diese Stellvertretung, wenn sie erforderlich ist, in jedem
Jahre andere Gjmtiasien treffe, um zu verhüten, dass über ein oder das
andere Gymnasium dem Schulrathe die Mittel der vollständigen Kenntnis
entzogen werde.
Personal- und Schulnotizen.
(Ernennungen, Versetzungen, Beförderungen, Auszeich-
nungen u. 8. w.) — Se. k. k. Apost. Majestät haben mit Allerhöchster
EntachlieHsung vom 7. Mai 1. J. die von dem Feldbischoffe Dr. DominUc
Mayer und den Professoren Dr. Franz Pfeiffer und Dr. Angelo Messe-
daglia erbetene Enthebung von ihrer Stellung als Mitglieder des ünter-
richtsrathes Allergnädigst zu genehmigen und den Professor an der theo-
lojnschen Facultät zu Wien Dr. Ernst Müller zum Mitgliede des ünter-
richtsrathes in der Eeihe der in Wien domicilierenden Mitglieder und mit
Zuweisung in die Section der katholisch - theologischen Facultäten, dann
den Professor an der Universität zu Graz, Dr. Karl Tomaschek, zum
auswärtigen Mitgliede des Unterrichtsrathes mit der Zuweisung in die Sec-
tion für Gymnasien Allergnädigst zu ernennen geruht.
Der G3rmna8iallehrer zu Laibach Dr. Matthias Wretschko zum
Lehrer am k. k. akadem. G. in Wien; der Lehrer am k. k. Staats-G. zu
Hermannstadt, Johann Alexander Kozek, zum Lehrer „extra statum** am
k. k. G. zu Graz; der Supplent am Kleinseitner G. zu Prag, Alois Neu-
mann, zum Lehrer am kath. G. zu T eschen; der Supplent am k. OG.
zu Pesth, Hubert Travniösek, zum ordentlichen Gymnasiallehrer da-
selbst; der Gymnasiallehrer zu Brzezan, Franz Hol üb, zum Lehrer am
6. zu Czernowitz, und der Lehramtscan didat Alexander N. Franohini
lum wirklichen Gymnasiallehrer am k. k. UG. zu Rovigo.
Der Lehrer an der k. k. ÜR. in Steyr, Wilhelm Kukula, zum
wirklichen Lehrer an der k. k. OR. in Linz; der suppl. Lehrer an der
k. k. OR. in Innsbruck, Joseph Weiler, zum wirklichen Lehrer an
dieser Lehranstalt; der Katechet und prov. Director der Normalhauptschule
«nd Lehrerbildungsanstalt in Brunn, Johann Chmeliczek, zum wirkl.
472 Personal- und SchnlnotiseiL
Director dieser Anstalten; der prov. Director der NonnallianptBchüle und
Lehrerbildungsanstalt in Ol mutz, Franz Schmied, zum wirkL Director
dieser Schulanstalt, und der Director der Communal-OB. in Euttenberg,
Joseph Wehr, zum Director der k. k. böhmischen OB. in Prag.
Der Prosector an der Krankenanstalt „Rudolfs - Stiftung" in Wien,
Dr. Julius Klob, zum auTserordentl. Professor der pathologischen Anatomie
an der Wiener Universität; der aufserordentliche Professor der Minera-
logie an der Lemberger Hochschule, Dr. Ferdinand Zirkel, zum ordent-
lichen Professor dieses Faches an derselben Anstalt; der k. k. Finani-
condpist Hilar Bitter von Hankiewicz zum Universitätssecreiar an der
Krakauer Hochschule; die Suppleuten an der Klausenburger BechÜH
akademie Karl Haller v. Hilib, Ladislaus Hosszu v. D^özsi, Alexan-
der Brenciän und Gustav Groisz zu auXserordentlichen Professoren an
derselben Lehranstalt.
Se. k. k. Apost. Majestät haben die Wahl Sr. k. Hoheit des Herrn
Erzherzoges Stephan zum inlandischen Ehrcnmitgliede der k. Akademie
der Wissenschaften AUergnädigst zu genehmigen, femer zu wirklichen
Mitgliedern derselben für die mathematisch -naturwissenschaftliche Classe
den Professor der Physik an der Universität und Mitdirector des physi-
kalischen Institutes in Wien Dr. Joseph Stefan und den Vorstand des
Hof-Mineraliencabinctes Dr. Moriz Hörne s AUergnädigst zu ernennen und
die von der Akademie getroffenen Wahlen Allerhöchst zu genehmigen ge-
ruht, und zwar die Wahl: des Capitularpricsters des Stiftes Baygem tmd
mährisch - ständischen Historiographen Dr. Beda Franz Dudik zum in-
ländischen corresp. Mitgliede der philos. histor. Classe; des Professors der
Mineralogie und Geologie am polyteclm. Institute in Wien Dr. Ferdinand
Bitters von H ochst etter, des k. k. Oberlieutenants und Commandanten
des Zeugsartilleriecommando*8 Nr. 17 in Wien Franz Bitters von Uchatius,
des Professors der Mineralogie an der Universität zu Prag Victor Bitters
V. Zepharovich, des Professors und derzeit Bectors des polytochn. In-
stitutes in Prag Karl Koi'istka und des Inspectors des Staatstelegranhen
in Wien Dr. Hermann Militzcr zu inländischen corr. Mitgliedern, endlich
des kais. russ. Staatsrathcs und Präsidenten der kais. Akademie in St Pe-
tersburg Karl Ernst v. Bacr zum ausländischen Ehrenmitgliede und des
Professors der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Universität
zu München Dr. Karl Theodor v. Siebold zum ausländischen corr. Mit-
gliede der mathematisch - naturwissenschaftl. Classe der k. Akademie der
Wissenschaften.
Dem Archivar und kais. Bath Andreas Edlen v. Meiller ist das
Ehrenritterkreuz 1. Cl. des grofsherzogl. Oldenburg'schen Hausordens an-
nehmen und tragen zu dürfen AUergnädigst gestattet; dem Professor der
Zootomie und Zoophysiologie am hiesigen Militärthierarzneiinstitute
Dr. Franz Müller der Titel eines aufserordentlichen Professors an der
Wiener Universität AUergnädigst verliehen; dann dem mit der Führung
der Directorialgeschäfte bei der Klausenburger Bechtsakademie betrau-
ten Oberlandesgerichtsrathe Paul Bitter v. Istvänffy für sein in dieser
Eigenschaft bewiesenes erspriefsliches und eifriges Wirken die Allerhöchste
Anerkennung ausgesprochen; ferner der Professor der dogmat ThUoologie
am erzbischöfl. Lyceum zu Agram Dr. Karl Kiemen iö zum Ehrendom-
herm des Agramer Metroiwlitancapitels ; der Professor der Moraltheologie
an der theologischen Lehranstalt in Trient Joseph Planer zum Domherrn
an dem dortigen Kathedralcapitel; der Sectionsrath im Staatsministerinm
Dr. G. Heider und der Director und Professor Dr. B. von Eitelberger
jeder zum wirkl. Mitglied der archseologischen Gesellschaft in Moskau, der
Schriftsteller Karl Stugau (Schmidt auf Aitenstadt) in Wien zum Ehren-
mitglied und Meister vom freien deutschen Hochstifte für Wissensehaften,
Personal- and Scbolnotizen. 47S
Kmut n. 8. w. zn Frankfurt sl/IA,^ und der Dichter Dr. Ludw. Frankl znm
Ehienmitgliede der Alterthums -Gesellschaft in Aegypten ernannt worden.
Unter den von Sr. kais. Hoheit dem DnrchlaQchtiffsten Hrn. En-
henog Rainer in Höchstseiner Eigenschaft als Protector ae8k.k.österr.
Maseums für Kunst und Industrie zu Correspondenten des Museums
nenestens ernannten Persönlichkeiten finden wir auch folgende dem Be-
reidie unserer Zeitschrift näherstehende, als: den ehemal. Gymnasiallehrer
und jetzigen mährischen Jjandeshistoriographen Dr. Beda Dudik, den k.k.
Schulrath Johann Mar e seh und den Maler Joseph Helhig in Prag, den
Priyatffelehrten F. Kanitz in Wien, den k. k. öst Generaiconsul Kudolf
Gödel-Lannoy in Bel^d, den Eanonicus Dr. Franz Bock in Aachen,
den Professor Dr. Wilhelm Lübke in Zürich, den Director der Kunstge-
werbschule A. Erding in Nürnberg, den Director der polytechn. Schule
K Earmarsch, den Studienrath und Conservator am k. Weif 'sehen Mu-
seum Dr. J. H. Müller in Hannover^ und den Clonservator am stadt
Mnseum A. y. Zahn in Leipzig.
8r. Hochw. der Directorsstellvertreter, inful. Aht und Prälat Cyrill
Franz Napp zum Director und das bisherige Mitglied des Centralaus-
schusses Alois Graf v. Serenvi zum Directorsstellvertreter der mährisch-
schlesischen Gesellschaft zur Förderung des Ackerbaues, der Natur- und
Landeskunde.
8e. Eminenz der Fürstprimas von Ungarn Johann Scitovfskj hat
nr dauerhaften Fundierung des crzbischöfl. OG. zu Tyrnau den Betrag
von 200.000 fl. beim Graner Erzcapitel hinterlegt.
Laut Allerhöchster Entschliefsung vom 2. Mai 1. J. wurde AUerh.
Ortes als Beitrag zum Dantefest eine Dante -Stiftung (Fondazione Dante)
begründet, bestehend in einem jährl Stipendium von 500 fl. für fleifbige
Studierende der philosophischen Facultät an der Universität zu Padua.
(Erledigungen, Concurseu. s. w.) Czernowitz,k. k.G.,4Lehr'
stellen extra statum für die auf die Dauer des Bedarfes bewilligten 4 Pa-
mllelclassen, und zwar: 1. zwei Stellen für Latein und Griechisch, 2. eine
Stelle für Geographie und Geschichte und 3. eine Stelle für Mathematik
und Physik, sämmtlich ftir's ganze G., Jahresgehalt 945 fl. und 1050 fl. ö. W.
Termin: Ende Juni 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 11. Juni 1. J., Nr. 133.
— Innsbruck, k. k. Oß., Lehrstelle far deutsche Sprache, Jahresgehalt
680 fl., eventuel 840 fl. ö. W., nebst Anspruch auf Decennalzulagen. Ter-
min: 15. Juli 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 1. Juni 1. J., Nr. 125. — Z engg
fin der Militärgrenge) , k k. OG., Lehrstelle für altclassische Philologie,
Jahresgehalt 735 fl. ö. W., mit dem Hechte der Vorrtickung in die höhere
Gehaltsstufe und Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: 20. Juli 1. J.,
s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 3. Juni L J., Nr. 127. — Lemberg, Universitäts-
bibliothek, Scriptorsstelle (bei Kenntnis der polnischen Sprache), Jahres-
fihalt 525 fl. ö. W. Termin: 24. Juli 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Zte. v. 3. Juni
J., Nr. 127. — Laibach, k. k. OR., 2 Lehrstellen fbei Kenntiüs der
deutschen und slavischen Sprache), und zwar: eine für Freihandzeichnen
als Haupt-, und für Kalligraphie als Nebenfach; die andere für Naturge-
schichte mit dem Nebenfache der Mathematik oder Physik, Jahresgehalt
630 fl., eventuel 840 fl., mit dem Anspruch auf Decennalzulagen von je
210 ü. 6. W. Termin: Ende Juni 1. J., s. Amtebl. z. Wr. Ztg. v. 8. Juni 1. J.,
Nr. 130; femer am k. k. OG. eine Lehrstelle für Physik und Mathematik,
Jahresgehalt 945 fl., mit dem Vorrückungsrechte in 1050 fl. ö. W. und An-
spruch auf Decennalzulagen. Termin: Ende Juni 1. J., s. AmtsbL z. Wr.
% Y.23. Juni 1. J.,Nr. 142. — Hermannstadt, k. k. kath. Staats-G.
Smit deutscher Unterrichtssprache), Lehrkanzel für classische Philologie»
fahre^ehalt 1050 fl. (eventuel d45 fl.) 5. W., nebst Anspruch auf Decennal*
474 PdXflonal- und Schulnotiada.
Zulagen. Termin : Binnen 6 Wochen vom 4. Juni 1. J. an , s. AmtsbL nur
Wr. Ztg. V. 14. Juni 1. J., Nr. 135. — Oatgalizien, k. k. GymnaweiL
Lehrstellen för Philologie, Jahresgehalt 735 fl., eventuel 840 fl. ö. W. und
Anspruch auf Decennalzulagcn. Termin: 15. Juli L J., s. An^tsbL z. Wr.
Zig, V. 13. Juni 1. J., Nr. 134. — öteyr, selbst. Uß., Lehrstelle für Frei-
handzeichnen, Jahresgelialt 630 fl., eventuel 840 fl. ö. W., nebst Ansprach
auf Decennalzulagcn. Termin: 15. Juli 1. J., s. Amtsbl. z. Wr.Ztg. v. 14
Juni 1. J., Nr. 135 und v. 28. Juni 1. J., Nr. 146, dann f. deutsche Sprache
als Haupt-, und Naturwissenschaft oder Geographie als Nebenfach, Jahrea-
gehalt (o30 fl. ö. W., nebst Anspruch auf Decennalzulagcn. Tennin : 20. JuU
L J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 21. Juni 1. J., Nr. 140. — Teschen, k. k.
evam^. G., Lehrstelle für Lateinisch und Griechisch, Jahra^ehalt 735 fl.
Ö. W., nebst Anspruch auf Vorrückung. Tennin: 20. Juli 1. J., s. AmtsU.
zur Wr. Ztg. v. 15. Juni 1. J., Nr. 136. — Graz, k. k. G., Lehrstelle extra
statum mit dem Jahrcsgehalte von 945 fl., eventuel 1050 fl. v. W., und
dem Anspruch auf Decennalzulagen und Participation am SchulgelddritteL
Termin: 20. Juli 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztff. v. 17. Juni 1. J., Nr. 137 und
V. 25. Junil. J., Nr. 144. — Prag, polytechn. Landes-Institut, Docenten-
stelle für Eneyklopaßdie der Baukunde mit deutscher Unterrichtssprache,
Jahres-Remuneration 600 fl. ö. W. Termin; 15. Juli 1. J., s. AmtsbL zur
Wr. Ztg. V. 28. Juni 1. J., Nr. 146.
(Todesiälle.) Am 8. Mai 1. J. zu Fluntem bei Zürich Professor
Dr. Job. Ulrich Fäsi, der durch seine erklärende Schulausgabe des Homer
um das Verständnis dieses Dichters sich so grofse Verdienste erworben
hat, so wie überhaupt durch seine wirksame und erspriefsliche Thätigkeit
auf dem Gebiete der Philologie rühmlich bekannt, im 69. Lebensjahre.
— Am 13. Mai 1. J. zu Agram Dr. Frz. Tkalec, Professor am
dortigen OG.
— Am 17. Mai 1. J. zu Frauenberg in Böhmen der Oberförster Sr.
Durchl. des Fürsten Job. Ad. Schwarzenberg, Johann Hejrowsky, Vice-
präses des böhm. Forstvereines, auch durch literarische Thätigkeit auf
seinem Fachgebiete bekannt; zu Czemowitz der Weltpriester Jon. Trag^
lauer, Professor am dortigen k. k. OG., im Alter von 76 Jahren, und lu
Lübeck der Dr. Med. Wilhelm von Bippen, sowohl unter diesem Namen,
als auch unter dem Falschnamen Gott hilf Weiter vielfach literariseh
thätig.
— Am 18. Mai 1. J. zu Wien Se. Hochw. der Capitular-Jubilar-
Priester des Benedictiner Stiftes zu den {Schotten in Wien R Franz Seraph.
Rohn (geb. zu Nikolsburg in Mähren am 30. November 1789), emer. k. k.
Gymnasialprofessor, gew. Spiritual, Novizenmeister des Schottenstiftes u.8.w.
(v^l. Ztschrft. f. d. ö. G., Jhrg. 1863, 1. Hft. S. 67), auch als SchrifUteller
bekannt, und ebend. der k. k. Hofcape llensänger und fürstl. Schwarzen^
berg'sche Rechnungsrevident Joseph Barth (geb. zu Grofslippen in Böh-
men am 29. December 1781), seiner Zeit ein ausgezeichneter Tenorsänger,
der durch seinen Vortrag Beethovens berühmt gewordenes Lied «Adelaide*^,
das der Componist als ungenügend schon vornichten wollte, ihm selbet
und der Welt erhielt.
— Am 20. Mai 1. J. zu Prag der Director der Hauptschule in Nim-
burg Franz Lad. Worlicek, als thätiger b<>hmLschor Schriftsteller, nament-
lich als üebersetzer polnisclier belletristisclier Werke, bekannt, im Altö*
von 38 Jahren.
— Am 21. Mai 1. J. zu Kopenhagen der Director der kön. Museen,
Conferenzrath Christian - Jür^ensen Thomsen (geb. alldort im J. 17^),
als Alterthumsforscher, Numismatiker und Ethnograph, so wie als svste-
matischer Ordner von Museen rühmlichst bekannt, auch durch persönU^ie
LiebeoBWürdigküt ausgezeichnet
*- Am 23. Mai 1. J. zu Graz der als Mensch und Lehrer fleMl-
^ Penooal- imd SehalaottodA. 475
geachtete Michael Hchöglcr, Ehrenbürger von Graz, mehrerer landwirth-
•cfaaftlicher nnd industrieller Vereine Mitglied n. s. w.
-— Am 27. Mai 1. J. z« Tesehen der Lehrer am k. k. evang. G. da-
i^bsty Paul Kaisar, im 56. Lehensjahre; zn Linz der Uittdschaftliche fits»-
iMsehe Snrachmeister Jobann Ba^bist We Abscheider, im 83^ Lebens-
jahre, nna zn Kiel der Etatsrath I)r. med. Franz Hermann Hegowiseh
(jfeb. abend, am 13. November 1783), auf dem Gebiete der praktischen
Jtedidn, sowie nicht minder der Staatswissenschaften, »nsgezeiohnet und
auch schriftstellerisch thätig, seiner Zeit Honorarprofessor.
— Am 28. Mai l. J. zu Mailand Major Lissoni, im J. 1805 unter
Napoleon schon Officier, Verf. e. italien. Kriegsgeschichte von 1792—1815,
10 wie Yieler Werke über französische und italienische Sprache.
— Anfangs Mai 1. J. zu La Palisse in Frankreich Heniy Chris ty,
bekannt durch srot^ naturwissenschaftliche und antiquariisehe Reisen, so
wie in neuerer Zeit durch geologische Forschungen, im Alter von 56 Jah-
ren; zu London der Rechtsanwalt John George Phillimore, als Verf.
werthtoller juristischer Schriften, so wie auch als historischer Schrift-
steller („Geschichte Englands während der Regierung Georg IIL'M bekannt,
55 Jahre alt, und in den vereinigten Staaten, kurz vor seiner Ernennung
zum General, Gottfried Becker (geb. 1827 zu Frankenthal in Rheinbaiem),
als Zeitunffsredactcur und Vcrfsisser von Romanen und Novellen bekannt.
— In der 2. Maiwoche zu Löwen Canonicus l>r. Ram (geb. 1804),
seit ]^gründung der dortigen Universität Rector Magnificus an derselben,
ala theologischer Schriftsteller in weiten Kreisen bekannt
— Ende Mai 1. J. zu Iglau Med. Dr. Anton Wein er, Professor
am k. k. OG. alldort, Fachschriftstcller („Schmetterlingsblütler*") und Leiter
der metereologischen Beobachtungen fär Iglau, und zu Walton Hall bei
Wakefield Charles Waterton, in England und America als Reisebeschreiber
imd Naturforscher geschätzt, im 83. Lebensjahre.
— Am 1. Juni L J. zu Turin der Comm. Abbene, Professor der
pharmaceutischen Chemie an der dortigen Universität.
— Am 2. Juni 1. J. zu Erlangen der Professor an der dortigen Hoch-
•ehule, Oberber^th Karl von Raum er (geb. am 9. April 1783 zu Wör-
litz), als geistreicher Verfasser geognostischer Schriften ( „Fragmente" 1811,
nVenuche und Umrisse", „ABC der Krystallenkunde" u. m. a.), ausgezeich-
neter Qeopaph („Palästina** 1831 u. 1838, „Allgemeine Geographie" 2. Aufl.
1885) und Pcdagog („Geschichte der Piedagogik" v. 1842 an) in weitesten
Kreisen bekannt und geachtet.
— Am 4. Juni 1. J. zu St. Petersburg der wirkl. Staatsrath nnd
Akademiker Adolf Theodor Kupffer, Director des physicalischen CJentral-
observatoriums.
— Am 5. Juni 1. J. zu Rom der Maler Car. Luiepi Fioroni, Assessor
der Conimission für Antiquitäten und mehrerer Akademien Mitglied.
— Am 6. Juni 1. J. zu Spital am Semmering der dortige Ober- und
Musterlehrer Joseph Neubauer^ als tüchtiger Organist und Musikkenner
geschätzt.
— Am 8. Juni 1. J. zu Wien Jos. Frei, durch lange Zeit Professor
der Naturwissenschaft an der Akademie zu Berlin, der seine bändereiche
Bibliothek von alten und neuen Classikem der Akademie der bildenden
Künste in München, so wie mehreren Studenten der Philosophie ansehn-
liche Legate hinterlassen hat, und Sir Joseph Paxton (geb. 1803 zu Mil-
ton Brjant bei Wobum in Bedfordshire) , der die erste Anregung zur
Construction CTÖfserer Gebäude aus Glas und Eisen gegeben hat, Eroauer
des Krystallpalastes, im Alter von 62 Jahren. (Vgl. A. a. Ztg. vom 12.
Juni L J., Nr. 163.)
— Am 9. Juni 1. J. zu Wien Se. Hochw. der Capitular und Subprior
des Benedictinerstiftes Admont, Professor Anton Günther Freiherr von Kul-
mer und der national - oekonomische Schriftsteller Dr. Ludwig Rüdiger,
Mitarbeiter des Pesther Llojd.
476 Personal- and Schnlnotizen.
— Am 10. Juni 1. J. zn Bnineck der geachtete Capellmeister und
Chorregent Johann Zangl.
— Am 13. Juni L J. zu Leipzig Dr. phiL Ernst Albert Mas ins,
als Yolkswirth, Begründer und Heraasgeher nationaloBkonomischer „Bond-
schau der Versicherangen" und Fachsdiriftsteller bekannt, im Alter Ton
68 Jahren.
— Am 18. Juni 1. J. zu Pesth Dr. Joseph Hauser, praktischer Arst
and einer der Vorsteher der israel. Cultusgemeinde, durch seine Verdienste
um CultuB und Schulwesen bekannt, im 60. Lebensjahre; zu Br&ssel An-
ton Wiertz (^eb. zu Dinant 1806), der Wiederbeleber der belgischen Maler-
schule, durdi nerrliche Kunstleistungen bekannt, und zu London der po-
litisch-juridische Schriftsteller G. Wingrove Cooke, durch geschätzte
Werke LHistoiy of Party", „The Life of the first Lord Shaftesbury" u.a.j,
so wie durch seine Briefe aus China und Niederbengalen (1857 and 1858)
bekannt, im Alter von 53 Jahren.
— Am 19. Juni 1. J. zu Linz der landschaftliche Snrachmeister Jo-
seph August Bossi (geb. zu Verona 1790), auch Lehrer der italienischen
Sprache am dortigen k. k. Staatsgymnasium, durch journalistische Wirk-
siuoikeit, so wie durch selbständige linquistische Werke und mehrere Opem-
bttcher bekannt, und zu Genua der picmontesischc Senator Lorenzo Pareto,
ein eifriger Förderer der Naturwissenschaften.
— Am 20. Juni 1. J. zu Marburg (Steiermark) der emeritierte Gym-
nasialprofessor Dr. Budolf Gustav Puff, als historischer, topographischer,
archseologischer und belletristischer Schriftsteller bekannt, im 56. (65?) Le-
bensjahre, und zu Augsburg J. H. G. Schmidt (geb. zu Hof), durch yiele
Jahre Professor am dortigen Gymnasium zu St. Anna, ebenso tüchtig als
Schulmann, wie als Gelehrter, im Alter von 77 Jahren.
— Am 21. Juni 1. J. zu Eonojed Sr. Hochw. Wenzel Frost (geb.
am 4. Februar 1814 zu Nosadl, Bezirk Weilüswasser), verdienstroller Director
des Taubstummeninstitutes in Prag, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes
mit der Krone, auch als Schrittst^er vielfach thätig.
— Am 22. Juni L J. zu Wien Franz Trop, Professor der französi-
schen und italienischen Sprache, durch grammatische Werke vortheilhaft
bekannt
— Anfangs Juni L J. zu Danzig der als Naturforscher und Mitglied
Terschiedener naturwissenschaftlichen auch in weiteren Kreisen bekannte
Sanitätsrath Dr. Klinsmann, und zu Sitten in Wallis der ehemalige
Provincial des Capuzincr-Ordens P. Für r er, durch geschichtliche ArbS-
ten, namentlich eine deutsch geschriebene „Statistische Geschichte des
Wallis" bekannt
— In der 1. Hälfte des Monats Juni 1. J. zu Dombach bei Wien Sir
Lascelles Wraxall, Baronet, Mitglied der internationalen £nqudte-Com-
mission, Correspondent des Daily Telegraph, als Bearbeiter deutscher Ori-
S'nale, eine bist Abhandlung über Struensee, das populäre Werk „Wild
its", „Campe Life, The Armies of the Greet Powers", The Secoud Em-
pire" u. m. a. vortheilhaft bekannt, im Alter von kaum mehr als 37 Jahren;
zu Grasmene bei London der berühmte Naturforscher John Bichardson
(geb. zu Dumfried), der Sir John Franklin auf zwei Nordpolezpeditionen
begleitet hatte, im Alter von 77 Jahren, und Dr. Southey, Bruder des
bekannten Dichters Bobert S., vordem Leibarzt des Königs Georg IV., als
Fachschriftsteller bekannt, im Alter von 82 Jahren.
Erste Abtheilung.
Abhandlungen.
Zur Kenntnis und Beurtheilung einiger Vergil-
Handschrifte n.
(Fortaetiung u. Schluss v. J. 1865. Hft. II u. III, S. 129 ff.)
m.
Die Wiener Vergii-Handschriften.
In der k. k. Hofbibliothek zu Wien befinden sich, abgerechnet eine
Handschrift, welche das pseudo-vergilianische Moretnm enthält, 18 Codices
des Vergil, in Endlicheres Katalog unter den Nummern CXIII—CXXIX und
GXXXI verzeichet. Die Handschriften von N. CXIX ab, als dem 14. bi«
16. Jahrhundert; angehörig, können füglich wol unberücksichtigt bleiben»);
Beachtung verdienen nur die älteren, mit CXLII— CXVIII bezeichneten,
ans dem 10. bis 12. Jahrhundert.
N. CXrV (81*) ') ist ein aus drei Blättern») bestehendes Bruchstück,
die Verse Aen. I, 161—321 und 402—482 enthaltend, von Endlicher dem
11. Jahrhundert zugewiesen, während der Schriftcharakter — die sogenannte
Carolinglsche Schrift — vielmehr auf das J. 900 hinweist Von gleich alter
Hand sind am Rand und zwischen den Zeilen Glossen beigefügt, die aus
Serrias exoerpiert sind. Am oberen Rande des ersten Blattes findet sich
von jüngerer Hand, kaum noch erkennbar, die Ueberschrift e^ieidoru.
•) DieCodd. N. CXX-CXXI, CXXD, CXXIV, CXXV, CXXIX, sämmt-
lich aus d. 15. Jahrb., enthalten alle Werke des Dichters; N. CXXVI
aus d. 15., N. GXXXI aus d. 16. Jahrb., befassen'Georgica und Aeneis;
N. CXIX aus d. 14. und CXXVU aus dem 15. Jahrb., nur die Aeneis ;
N. CXXin und CXXVin, beide aus dem 15. Jahrb., nur die Buco-
lica und Georgica.
*) Die eingeklammerte Zahl bezeichnet die neue Sisnoatur, mit der die
Handschriften in dem von der k. k. Akademie d. W. zu Wien heraus-
gegeben Cataloffe CTabulae Codd. mss. praeter Gnecos et Orientale»
m Bibl. Palat Yind. asservai' Vindob. 1864) verzeichnet sind.
^ Endlicher zählte noch vier Blätter, vielleicht nur wegen der Paginie-
rung mit 1, 2, 4 (Blatt 3, mit v. 322— 401, fehlt). Auf dem Umschlage
ist der Text -Bestand in der oben angegebenen Weise richtig ver-
seichnet.
ItlMohrlft t d. Oflurr. Qjmn. iSCft. VII. Ben. 33
478 E. Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschrifteo.
Cod. CXIII (58), ein« Pergamenthandschrift in B'olio, aus dem 10.
Jahrhundert, 177 Blatter zählend, enthält den ganzen Vergil, nur ist der
Schluss des Xn. B. der Aeneis von v. 676 an verloren gegangen. (Da jed«
Seite in der Aeneis 37 Verse befasst — in den Belogen und Georgicis 36—37
Verse — , ergibt sich, dass am Schlüsse der Handschrift vier Blätter w^-
geüallen sind.) Am Rande und zwischen den Zeilen finden sich von erster
Hand herrührende Glossen, die gleichfalls aus Servius entnommen sind.
Die Schrift darf als treffliches Muster des sogenannten longobardischen
Charakters gelten ^) und entspricht vollständig der eines Pariser Vergil?
Codex aus dem 10. Jahrh. (Bibl. caes. suppl. 771), von welchem sich in
den 'Monum. graph., CoUection de Tecole des chartes' pl. XLIX, n. 276
eine Seite mit Geo. II, 479—518 facsimiliert findet. Die Wiener Hand-
schrift stammt aus der Bibliothek des Klosters St. Joannis de Carbonaria
zu Neapel; vergleicht man mit ihr die vollkommen übereinstimmenden
Proben longobardischer Schrift^ die Pertz aus Handschriften mittheilt, die
im 10. Jahrh. auf Monte Casino geschrieben wurden *), so darf man mit
Recht wol annehmen, dass eben dort auch die Wiener und die erwähnte
Pariser Handschrift geschrieben sein duften, insofern letztere nicht nur der
Schrift, sondern auch dem Texte nach der Wiener Handschrift innigst ver-
wandt zu sein scheint ^. Im Bereich der Eclogen und der Georgica finden
sich im Wiener Codex zahlreiche Stellen, wo eine jüngere und ziemlich
ungeübte Hand bemüht war, die verloschenen Schriftzüge nachzumalen;
insbesondere aber sind zahlreiche Rasuren zu dem Zwecke vorgenommen
worden, um Zwischenräume zu schaffen, wo vorher die Worte zusammen-
hiengen. Die radierten Buchstaben sind dann auf engerem Räume, zum
^) Ein photofiraphiertes Facsimile aus dieser Handschrift, fol. 111, p. 1
mit Aen. VI, 890 bis VII, 12 findet sich in Sickel's Monumentis
Graphicis.
*) S. Pertz, Mouum. Germ. Hist., Script, tom. III, tab. IV, n. 1, Schrift-
probe aus Widukindi Cod. Casinas, und tom. VII, tab. III «. IV,
Schriftproben aus Leonis Chronic. Casin. (^Cod. autographus Reg.
Monacens.)
•) Zur Vergleichung liegt zwar nur die facsimilierte Seite der Pariser
Handschrift vor, aber diese wenigstens stimmt durchwegs mit der
entsprechenden Partie des Wiener Codex tiberein. Geo. II, 479 geben
beide Codd. tamescunt (tumescant Ribb.); erst von zweiter Hand ist
im Wiener Cod. über das letzte u ein a gesetzt. — v. 484 haben
beide mmguis (im Wiener ist der letzte Strich des m radiert). —
V. 488 geben sie conuaüibtu (so jetzt auch Ribb. nach Med. u. Palat.,
in welchem CONVALLIMVS steht) statt der Vulg. in uaUHms. —
V. 514 haben beide hinc und nepotes (penates Ribb. nach M), Ferner
findet sich in dem Pariser Facsimile ebenso wenig der Acc. PI. auf
-is wie in dem entsprechenden Abschnitte der Wiener Handschrift
(v. 483: partes, 491: in beiden omi [onmes, während die Abkür-
zung für omnis omis ist], V. 493 agiestes; 505: penates); auch gibt
das Pariser Facsimile v. 485 michi, eine Form, welche die Wiener
Handschrift sowol hier, wie überhaupt fast durchgehends in ihrer
ersten Hälfte bietet. Auch die Marginal- und Interlinear -Glossen
fehlen auf dem Pariser Facsimile nicht. Es ist somit nicht eben
unwahrscheinlich, dass beide Handschriften nach derselben Vorlage
und von demselben Schreiber mögen angefertigt worden sein.
E, Hoffnumn, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriften. 479
Theil mit Abbreviaturen von jener jüngeren Hand eingetragen, doch ist
an den meisten Stellen noch die alte radierte Schrift erkennbar.
Cod. CXV (27), einen Theil der Eclogen und die Aeneis nebst dem
Commentar des Servius, oder wie er in dieser Handschrift constant helAt,
Sergius enthaltend, stammt gleichfalls aus dem Kloster St Joannis de
Carbonaria zu Neapel, und dürfte, da die Schrift gleichfalls den longo-
bardischen Charakter, wenn auch in minder scharf ausgeprägter Form,
zeigt, ebenfalls auf Monte Casino geschrieben sein. Die äuflsere Form der
Handschrift ist ein der Quadrat -Form sich näherndes GrofB- Folio; die
Seiten sind in zwei Columnen beschrieben. Montfaucon, der die Hand-
schrift noch zu Neapel sah (1698) , berichtet über dieselbe ^ , dass am
Schlüsse in der Subscriptio bemerkt sei, dieselbe sei im J. 1007 geschrie-
ben. Jetzt fehlt sowol dieses Blatt *), wie überhaupt der gröföere Theil des
XDL finches der Aeneis, wenn auch nicht so viel, wie Endlicher angibt.
Die Handschrift enthält gegenwärtig auf den ersten vier Blättern ein Bruch-
stück der Eclogen (VIIl, 44 — X, 20) nebst dem Commentare des Scrvios
von Vm, 21 (Fecit autem versum hunc ad imitationem Theocriti cett.)
angefangen bis X, 10 (. . . saltus habuere puellae naides. nymphas simpli-
citerj). Von fol. 5 ab folgt die Aeneis mit dem Commentare des Servius.
Das letzte Blatt, f. 225, schliefst mit Aen. Xll, 82; aber unter den Blät-
tern des III. Buches finden sich noch vier, einen Binio bildende Blätter,
fol. 61—64, die den Text von Aen. XII, 110 — 347 nebst dem Commentare
des Servius zu v. 48—211 dieses Buches enthalten %
Cod. CXVI (208), Pergamenthandschrift in Klein-Quart, die Aeneis
enthaltend, stammt aus dem 12. Jahrhundert.
Cod. CXVn (151), Pergamenthandschrift in schmalem Folio-Format,
aus dem 13. Jahrb., enthält den ganzen Vergil. Zu bemerken ist, dau
jede üeberschrift vor den Eclogen sowol wie vor den einzelnen Büchern
der Georgica und der Aeneis fehlt, und nur durch verzierte Initialen der
kidkag eines neuen Buches angedeutet ist. Der Personenwechsel in den
Edogen ist nicht durch den Anfangsbuchstaben der Namen , sondern nur
durch ein an den Band gesetztes § bezeichnet
Cod. CXVni (172), Pergamenthandschrift in Quart-Form, aus dem
13. Jahrb., mit Ergänzungen aus dem 14., befasst den ganzen Vergil. Auch
in diesem Codex fehlen üeber- und Unterschriften bei den einzelnen Büchern;
") Diar. Ital. p. 313.
•) Dafür liest man jetzt auf der ersten Seite am oberen Bande die
aus Montfaucon gezogene Notiz; *700 ann. script. anno 1007.*
■) Zwischen fol. 225 und f. 61 ist ein Blatt verloren gegangen, wel-
ches die Fortsetzung des Textes Xll, v. 83—109 nebst dem Com-
mentar des Servius zu Xll, 1—48 enthielt. Dieses Blatt mit seinem
correspondierenden Theile bildete die äuXlBere Lage eines Temio, von dem
nun eben nur noch die inneren Lagen, der Binio f. 61. f. 62. f. 63. f. 64
erhalten sind. Dass diese Blattlage ebenso wie die übrigen den Beat
des Xll. Buches befassenden Blätter bereits verloren waren, ehe der
Codex in den Besitz der k. k. Hofbibliothek kam, zeigt die auf der
Kehrseite von f. 64 am unteren Bande beündliche Subscriptio:
ÄvUonii Stripandi et amicoru.
32*
^480 K Uöffmann, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handiclirifteii.
erst vor dem Vi. B. der Aeneis findet sich 'Vi lyber incipU' und sodann
vor den folgenden Büchern; nur das Xil. entbehrt wieder jeder Beieich-
nung. Die älteren Partien der Handschrift (f. 28 — 38, enthaltend G. Ul,
2Ö0 - G. IV, fin.; f. 40-137 mit A. I, 84 - XU, 538; und t 139-14»
mit A. XII, 636 bis Ende) sind sehr zierlich und mit weniger Abkünun-
K'du geschrieben als Cod. CXVII. Eine Eigenthümlichkeit von Cod. CXYIU
ist es, dass tiberall, wo bei Vergil eine Vergleichung angewendet ist, ein
an dem Kand gesetztes Gl) die Comparatio anmerkt
Indem wir nun daran gehen, das Verhalten dieser Handichriften in
den maßgebenden Codices zu prüfen, wollen wir das Fragment CXIV nut
/; die Codd. CXIII, CXV, CXVl, CXVm mit cT, «, f, i?, * bezeichnen.
Die Orthographie in diesen Handschriften ist im allgemeinen die-
selbe wie die der Bemer Vcrgil-Codices. Die Plural-Accusativ-Endung -is
findet sich in f bei keinem Substantiv, das adjectivische biremis (A. 1, 188)
ausgenommen; dagegen wechselt sie bei Adjectiven und Participien mit
der Endung -es '®). Von den übrigen hat e am häufigsten -«, insbesondere
im zweiten Theil dos Aeneis "); seltener steht -i» in «f, und meist hat
dann eine jüngere Hand t in -e corrigiert. Auch in e findet sich häufig
von zweiter Hand über i ein e. In den übrigen Codices zeigt sich hie und
da einmal die Endung -is. — Die Präpositionen ad-, iw-, am- sind in der
i'omi)08ition meist assimiliert Fälle der Nicht-Assimilation finden sich am
häufigsten in f; auch in J hat öfters bei od- und tu-, seltener bei con-
die erste Hand die nichtassimilierte Form gesetzt **), während umgekehrt
seltenere assimilierte Formen wie ammofiuü, amnwno, ammirantur, am-
miscere (E. VI. 4. G. II. 379. IV, 187. 215. 267) von der zweiten Hand in
ad- corrigiert sind. — Die Assimilation von 6 in o&- und 9uh- vor m be-
'•) Im ganzen tiii.len sich im Bereiche dieses Fragmentes 19 Aoensative,
darunter mit Ausschluss von biremis , vier Substantiv -Accnsative
itavts I. Hk>, mtUes 186. uires 214, orbes 269 und sechs Adjectiv-
und Partivip-Acoiisiitivo auf -es: oniMS 194, feroces 263, imwumes
428; ftreiiti'ü 181». tluetites 320, ardentes 472. Gegenüber stehen:
htreims 182. tris 184, celerislSlx tabentislTS, errantislSb, sonan-
tts 2lK>. imeiitis 224, mteiitis 22^, aradiefUis 411.
"» Während in »lom Bruclistücke der Edoeen sich kein einziger Acca-
sntiv auf >is finde c und im I. B. der Aeneis ein solcher nor Smal
vorkommt . lk\sre^iet man jener Endung im VIL B. an 38 Steilen,
darunter Wi acht Substantiv -Accusativen: partis v. 69, finit 149.
:m. igtüs ;»2l>. m«*» 418, fiiim 437, postis 622, uaRis 8Ö2, nebst
dem adjoctivisohon bidentis v. 93.
'^ Si> gibt tr 1: ndtolUHs — itdnixa A. IV, 690; adsuetae A. Vli, 33:
iuhuiun E. V.l. :kI: luistringit G. 1, 91; adfiauä G. 1,250; adfaim,
Mif'iitii A. IV. 2Si. <;32. adtiJieHS A. IV, 690; — ifUudant G. I, 181;
tuMttiSi 0, 1. in»; inmauibHS A. IV. 642; iHmisctrier, immaeuä G. L
404. A. IV. ,M0: inmota A. IV. 449; inmundM G. I, 400; iMWMrMi-
A^ G. IV, 2.>1: in^ressit G. I. 263; inprobus E. VUI. 4a G. I. 3S8;
«»;j »*ko G. II, 211: inj'Htit A. IV, 23; iMjM/rfNNcie G. L 470; imrmmfit
A. l\ l^:>; irrtmeitbdi^ A. V, 591. — coHprendit G. II, 306; cnm-
prtwfu ^conr. -os conpressa} A. VL 701; cuitptnat A. IT, 301 — 1b
f findet sich nur compagibm A. 1 291
E. Hoffmann ^ Zur Keniitnis einiger Verpil-Handsohrifton. 481
treflfendy so geben 6( obmuttiit in den beiden Stellen, wo sich dieses Ver-^
bom findet, A. IV. 279 und VI, 155, ferner submergere A. 1. 40. 69; da-
gegen hat if A. 1 , Ö85 summersum .(— R), Dieselbe Handschrift bietet
mbmittere G. III, 159 (— 3f), dagegen summitiere E. I, 45 (— P) und G.
III, 73 (— -afP). suhtnota hat d A. VJU, 193 (= y^/c), ( dagegen sum-
mota (■» den übrigen codd. Ribb.); dagegen haben beide summovet A. VII;
226 und cT summotis E. VI, 38, an beiden Stellen mit den Ribbeck'schen
Handschriften übereinstimmend. Anlautendes s- nach präfigiertem ex- ist
in de stets ausgefallen. Man liest daher exafiguis '^), exors, exertae (A. I,
492 «- codd. Ribb.) , eocaturata , exatiirabile (A. V, 781) extruere u. s. w.
Beide geben ttffi^^m, numquam^^)^ zuweilen auch amguis, samguis, exam-
guis **); femer teftiptare, exemptus, adempttis; tempne (A. VII, 236), tempnis
(I, 665), tempnitis (I, 542), (J auch G. IV, 104 contempmint)\ ferner
hiemps. — Constant bieten J* und meist auch die übrigen relliquiuCy rel-
ligio, quereUa; dagegen J stelio (G. IV, 243 *= MR) und mit t lUora,
amubium, coniunx; einfaches i in den Compositis von iacerc. — J# a8]>e-
rieren ancJiOra^^y Äarewa''), luirundOf honustus^*), ^ auch hebenum G.
U, 117 und hdlua G. IV, 130; dagegen haben sie meist umeruSf umor,umidwi,
in beiden Beziehungen mit den besseren Handschriften Ribbeck's iiberein-
stimmend, der so auch ediert. Dass S sehr häufig michi und nichU bietet.
insbesondere in den Belogen, Georgicis und ersten Büchern der Aeneis
wnrde schon oben (A. 6) bemerkt. Dagegen schreiben 6 1 meist pulcer. —
Sehr zahlreich sind die Fälle, wo in J ö und v, im Inlaut wie im Aus-
laute, vertauscht sind "'). — d für t im Auslaut gibt f an zwei Stellen
") A. XI, 818 haben jedoch cT und t exjanguif; und v. 1. H. bietet «r
G. I, 88: exfudat (= PRybc), A. IV, 267: cxftrmt; IV, 652: ex-
foluite; an allen drei Stellen ist /radiert.
'^) In cT ist meist der letzte Strich des m radiert.
'*) samguiSy examguis geben Jf A. V, 396 und A. LX, 453. — samguis
gibt <ri G. III, 484 (— Cod. Paris, suppl. 717, s. o. A. 6) und f A. X,
819; awgtiis hat J E. VIII, 71. G. 1, 205. ID, 425.
'*) So gibt auch f A. 1, 169.
»') A. 1, 172 hat /• amm. „ ,
") A. 1,289; in J steht h über der Linie, doch von alt^r Hand. Cgibt
«
hofiestum, „.. . ,,.,, ^^^
'* h statt v: biiccue E. iX, 31. G. II. 524; ballig baUibus A. Vll, 565.
G. IV, 277; Jobis G. III, 332. A. 1, 42. 46. V, mA. VIII 640; Ma-
bartia G. IV, 462. A. Vi, 777; erbo E. ill, UM); inbat G. lU, 292;
(dbum G. 111, 427; cabiUis, coticaba G. IV, 33, 49; serbant, obserbant
G.IV,41. 212. 383. 513; fabos G. IV, 104. 242; nabibus A. 11,254;
exubius A.U, 646; stibbectat G. JII, 241; lebabat A. VU, 5|1. 755;
obbiu G. IV, 24; uolbes A. Vlil, 539; labit G. lU, '^h ,c^t^^mus
(agitauimwi) A. II, 421 u. a. m. - v statt b: nauium (Bavium) E. III,
9(); uianoris (Bianoris) E.1X,60; «eJti« (Belu8)A. I, 729. 730; ticro^
(Beroe) A. V, 620; uolam (Bolam) (= / 1) A- VI, 775; i*»/wmtnc E. Vlll.
82; uibulam G.U1,175; Oeiudiae G[. IV, 125; ^rauw A. VII 605;
praeuere G. lU, 300; üjnouile G.1V,63; ti^uet, tuiiebat A, II, 147.
YU, 468. VIII, 646; aufiiit VU,498; rauida« A VIU, 493 ; superma
superuci, superuim A.I, 529. VU, 544. XI, 340; ocerwum XI, 823
u. dgl. m. Meist hat die zweite Hand den richtigen Consonanten
hergestellt. -Einige derartige Fälle bietet au-h f. Inhiae A. VJ,
482 E, Hoffnuinn, Zur Kenntnis einiger Vcrgil-Handsclirifteii.
A. I, 321 inquid und 444: capud, an einigen Stellen auch « v. 1. H.: in-
quid A. I, 754. VII, 594; reliquid VU, 123; uelud VII, 586. In ä bat noch
die erste Hand A. V, 93 das d in linquid in t verwandelt. Aul^Mrdem
reliquid (st. reliqui) A. IV, 315. In t) sind dagegen solche Fälle nicht
selten: inquid E. Vi, 23. X, 22; reliquid, relinquid E. VIU, 91; G. I, 36;
capud E. I, 24. VI, 29. VIU, 102 u. dgl. m.
Gemeinsam allen Wiener Codices ist die Form timpora f&r tempora
in der Bedeutung 'Schläfe*; am constantesten in ^, während sie in c zum
Theil erst durch Correctur hergestellt ist '•). — u nach vorausgehendem r
ist bewahrt: nur in tF liest man von erster Hand G. I, 279 und 295 saeuam
und Volcano; die zweite hat, wie in P, u hergestellt. — Die Form uortex
geben die besseren Vergilhandschriften bekanntlich nur einmal A. I, 117.
und hier in Uebereinstinmiung mit dem ausdrücklichen Zeugnist des Plinius
bei Charisius p. 68; an derselben Stelle haben denn auch alle Wiener
Codices uortex, während sich sonst constant uertex findet. — Noch mag
13. X, 537; catcrhas A. VIU, 593; iuhat A. II, 776. IX, 614; equi-
tdbü, desolahimus (equitauit, desolauimus) X, 885. XI, 378. — In
E. IX, 60 stand für Öianoris ui*sprönglich uiunoris; ebenso A. i, 621
uelus (Belus), 738 uitiae (Bitiae); I, 736: liuuuit; VUI, 175: iuuet;
648: huertate. In der Glosse über Pallas VIU, 591 liest man 's, dauü\
sowie in 6 A. XU, 273 über nhio die Glosse 'hefttre* steht Als
ältester Beleg für diese Vertausch un^ der labialen Media b mit dem
Lippenhauche v galten bisher Inschnften des 3. Jahrhunderts n. Chr.
(s. Corssen, Aussprache etc. I , S. 61 f.) ; ein älteres Beispiel ist die
Form 80LAVERE, welche A in üebereinstiraraung mit Ä G. 1, 159
statt SOLABERE gibt. Nicht minder spricht für das frühe Vor-
kommen dieser Vertauschuug , sowie anderseits für die gemeinsame
Quelle unserer Vergilhandschriften, dass wir ihr zuweüen an der-
selben Stelle in sämratlichen alten Handschriften begegnen. So geben
sämmtliche Handschriften Ribbeck's MPRybc (F rehlt) und ehenso
auch cF* A. VI, 801 OBIBIT statt obiuit, und erst von 2. H. ist
in M über das zweite B ein V gesetzt. Ebenso geben MPbcSt
A. IV, 498 von erster Hand IVBET, darüber als Variante IVBAT
C^ gibt iubat v. 1., iubet v. 2. H.), statt IVVAT. Letzteres, oder
vielmehr IVAT , mit anderem V über der Linie, gibt nur F {E fehlt).
XII, 398 stimmen (Sylbl in der Schreibung acerua (acerba) tiber-
ein. — Weiter s. in M E. IX, 26. 27: BARG, BARE (Varo, Vare);
A.VU,226: SUMMOBET; VUI, 227: VELABIT (uelauit); IX, 686:
PLUBIALIBUS. und G. IV, 299: UlMA (bima); G. lU, 149: ACERUA
(acerba); A. I. 529: SUPERUIA: I. 261 : FAVOR (fabor); 708:
DISCUMUERE. - In P: G. lU. :M): 80RVIS (sorbis) '^ y\\i, -
In G: A.IV,2b: SIVI (mbi) — In U: G. lU. 497: OVESSIS (ob-
essis); A. VI, 784. iX, 619: VERECYNTHIA. A. I, 621 ist B in
BELI, BELVS von zweiter Hand in V corrigiert.
'-) tiittpora gibt J: E. VI. 22. VJII. 12. G. 1, 28. 349. A. U. 133. 684. IV.
637. V, 71. 72. 246. 269. 435. 539. 856. VI, 665. 772. VUI, 286.
680. 684. IX. 633. 808. X, 538. XI. 489. XII, 120. 162. 173. 536.
lieber die Form timpora findet sich nur die kurze Notiz bei Hein-
sius z. E. VIII, 12: 'timpora nonnulli, ut aliis in locis saepe.' —
ixfinpora hat m E. VI, 22. ~ A. II, 133 bieten es die beiden Bemer
Codices N. 239 und 167 (9. u. 10. Jahrb.). Müller, de codd. Virg.
Helvet. p. 27. *
E, Hoffmann, Zar Kenntnis einiger Yergil-Handschriften. 488
ober ff bemerkt werden, dass es o für u in pecodum (nur in dieser GeniÜT-
form) '*) nnd soboles ") bietet.
Sehen wir nun, weiter, wie sich diese Handschriften hinsichtlich er
T erdichtigen Verse verhalten.
Keine derselben hat die dem Eingänge der Aeneis vorangestellten
Verse: lUe ego etc.; ebenso fehlen in allen die Verse A. U, 567—588.
A. n, 76: nie haec deposita tundem formidine fatur (=- A. 111,612)
fehlt im Texte von f, doch steht er von 1. H. am oberen Rande. An den
Rand gesetzt ist er auch in Ma 6 ; in c steht er auf Rasnr ; in P y fehlt
er ganz. <fC^^ haben ihn im Texte => m.
A. IV, 273: Nee super ipse tua meliris laude laborum (— IV, 233)
fehlt in <f« — MPylalbl-, in & ist er von 2. H. wie in a zwischen den
Zeilen eingetragen; dagegen haben ihn C? *- cm '').
A. IV, 286: In partisque rapü uarias perque omnia uersat (— VIII,
21) steht in StCfi^ ^ö in Mabcm; in P fehlt er; Fy haben ihn am
Bande von jüngerer Hand.
A. IV, 528 : Lenibant curas et corda ohlüa laborum (vgl. A. IX, 225)
fehlt in Si wie in MPylclmip. In i/* steht er =-fcl. In C sind die
Verse 522—528 ganz ausgefallen.
A. VI, 242: Unde locum Grai dixerunt nomine Aomon^*) fehlt in
di(& wie in FMPcm; in cT ist er von junger Hand an den Rand ge-
setzt (mit der Variante auemum -« Bb); in 6^ steht er zwischen den
Zeilen, in i; im Texte selbst wie ia Bb.
A. VI, 702: Par leuibus uentis uolucrique »imülima somno (-» A.II,
794) steht in diCn^ wie in den Codd. Ribb. mit Ausnahme von P6, die
ihn von junger Hand am Rande haben.
A. VIII, 46: Hie locus urbis erü, requies ea certa Uiborum (— A.
III, 393) fehlt in cT* - MPyh C^^^ und die übrigen Codd. Ribb. haben
den Vers.
A. IX, 29: Vertüur arma tenens et ioto uertice supra eil (-^ VII,
784) fehlt in ^iCu^ wie in Ribbeck's Handschriften.
A. IX, 121 : Quot prius aeratae steteramt ad lUura prorae (—X, 223)
fehlt wie in Ribbeck's Codices in ^er); in & hat eine junge Hand den Vers
an den Rand gesetzt; C hat ihn im Texte, und zwar wie Cod. Parrhas. u.
Dorvill. nach v, 122.
A. IX, 529: Et meministis enin^^ diuae, et memorare potestis (-»VII.
645) steht nur in C; ^ev^ und Codd. Ribb. mit Ausnahme von R haben
den Vers nicht.
'») E. VI, 49 «- b, G. Ul. 383 u. 470 - y. v. 480 steht das erste u in peou-
dum auf Rasur. Auch von Ribbeck*B Handschriften hat hier Keine
pecodum.
'») E. IV, 49 (hier durch Correctur v. 1. H.) - yb G. III, 71 = j/c, Ul, 308
(bei Ribbeck keine Variante), IV, 100 « ac, A. IV, 328 ^abc.
In B ist eine Lücke von IV, 217 — V, 36.
Vennuthlich nach Priscia n's Perieg. v. 1056: Unde locis Oraii po-
§U€runt nomen Aornin, wie Bemhardj ediert, Dion. Per. p. 485.
'•1
484 J?' 'Hoffmann/ Zur Kenntnis einiger Vergil-Handfichriflenr
A. X, 278: Vitro unimos tollU dictis atque increpat tdtro (=lX>ia?)
fehlt wie in MPym in cT« (J hat ihn von einer Hand des 15. Jahrfa. am-
oberen Rande). Im Texte von Cn^ steht der Vers.
A. X, 872 ; Et furiis agUatus aawr et conscia uirtus (— XII , 668)
fehlt im Text von ö = MPRyh; eine jüngere Hand h^t den Vers an dep
Rand gesetzt; fCn^ haben ihn.
A. XII, 612 f.: MuUaque se utciisat, qui non acceperit ernte Dar*
danitm Äenean generumque adscitHnt tdtro (vgl. A. XI, 471 f.) fehlen im
Texte von ^^MPRyb; am Rande stehen sie von junger Hand. — C»?»*-
haben wie cm/ beide Verse im Texte {t bricht mit XII, 347 ab).
Von e muss noch bemerkt werden, dass er nach A. IX, 523: Ät^
Messapus equum dowiYor, Neptiinia pröles, ebenso den Vers: Qiiem itfc
fas iffni cuiquam nee sterner e ferro folgen lässt, wie diese beiden VII, 691
und 692 verbunden sind.
E. I gibt cf nach v. 17 den nach E. IX, 15 gebildeten Vers : Saepc
iinistra caua dicehat ab ilice cornix (= Pierii Cod. Longob.). Denselben
Vers mit der Variante praedixit (»=* Pierii Cod. oblong.) hat auch .*>.
In ti und den Handschriften des Ribbeck'schen Apparates fehlt er.
In rj findet sich nach E. VI, 40 der Vers: Hitic hominum genus,
hinc etiam primordia regum. Aehnlichc Einschübc haben das Frgm. Moreti,
der Cod. Voss., Zulich. u. Franc.
G. IV, 338: Nesaee Spioque Hudiaque Cijtnodoceque (=» A. V, 826^
fehlt in cf^ =« MPBylh; rj und c, sowie y am Rande von 2. Hand,
haben ihn.
Die Codices <f und e stimmen also hinsichtlich der Weglassung oder
Aufnahme der bezeichneten Verse, abgesehen von A. 11, 76, genau mit M
ftberein, während Crj(> gleich der Masse junger Handschriften meist dem
Verhalten von c sich anschliefsen.
Nicht die gleiche Uebereinstimmung mit M zeigen J und « hin-
Fichtlich der Ausfüllung unvollständiger Verse; jedoch finden sich solche
Flickstücke nur im Bereich des IL B. der Aencis. fc>o geben sie A. 11, 614:
Ferro accincta u ocat [saeuasque accendit a d i r a s (mit Cod. DorviU.) ;
A. II , 640: Von agitate fugam [et rebus seruate secundis (mit Cod.
Francianus, ergänzt nach A. 1,207); A. II, 767: Staut circum [et tacitis
implent mugitihus «ras (— Cod. Witt; andere Ergänzungen in anderen
Handschriften) vgl. E. VI, 48: iraplcrunt falsis mugitibus agros). In fijd
fehlen an allen drei Stellen diese Flickstücke. — A. 111, 661 haben zwar
auch cT« und mit ihnen C»?^ das Flicksttick: Sulamenque malt [de collo
fistula pendet, doch theilcn sie dasselbe mit Pyacm. — Wo sonst
noch solche Supplemente in den schlechteren Handschriften sich finden,
fehlen sie in 6t. A. Ul, 340 ist nur in Cn ergänzt; in C: Quem tibi iam
Troia — - [peperit fumante Creusa (mit6 Codd. Heins.), in rj: Quem
tibi iam Troia [obsessa est e nix a C[reusa (mit Cod. Hugcn.). Ueber
dem Supplemente steht: 'vacat. quidam ita supplent* — A. V, 595 er-
gänzen i;*: CarpathiuM Libycumque secant [Itiduntque per undag
(mit Bc und den Zusätzen der zweiten Hand in Myb). — A. VIII, 41 gibt
nur i;: Conceaere deum [noua menia querere teueres, jxaß. nrtr
E. Haffinann, Znr KenntauB einiger Vergü-Handschrifken. 485
vOq- jüngerer Hauet, die dazu am Rande anmerkt: 'sie supplebatur. a cor-
rMtoribuB sablatam est/ Bei ServioB und ebenso im Cod. Menag. I, Ham-
biurg. und Yen. Heins, lautet das Supplement: Concessere deum [profugis
noua moenia Teucris. — A. XI. 391, wo einige Handschriften, dar-
unter auch M von erster Hand, Supplemente bieten, ist in allen Wiener
CkMÜoes unaußgefüllt. In rj ist übrigens v. 391 vor 390 gestellt.
Die oorrupte SteUung der Verse A. X, 660—665 (660. 663. 664. 661.
662. 665), die erst Scaliger in die passende Ordnung brachte, geben die
Wiener Handschriften in Uebereinstimmung mit MPBybcmilj; ebenso
theilen sie mit diesen die Anordnung der Verse 714 — 718 (716. 717. 718.
714. 715 der Heyne-Wagner'schen Ausgabe).
A. IV, 257 u. 258 waren in cf ursprünglich umgestellt (-» c/), doch
hat bereits die erste Hand auf der verlöschten Schrift die Verse in der
gewöhnlichen Ordnung darüber geschrieben. — In ^ ist A. V, 778 vor 777
gestellt, wie in Py und MenteL I, denen Ribbeck folgt; «Tti?^ haben
gleich MB u. s. w. die gewöhnliche Versfolge.
G. IV, 290—293 geben cf»?^ in der Ordnung wie Pbc (nach Heyne-
Wagner): 290. 291. 292. 293 (My: 290. 292. 291. 293); B: 290. 292.
293. 291.
Allein steht J mit der Umstellung von G. IV, 77. 76 und A. VII,
474, 473, sowie C mit der Transponiening der vorangehenden Verse 472. 471.
Noch mag von rj bemerkt werden, dass der Schreiber, sei es durch
Ueberschlagen eines Blattes, sei es, weil ein solches in dem Exemplare,
das er copierte, ausgefallen war, die Verse A. VIII, 321 — 390 ausge-
lassen hat.
Bei der Frage über das Verhalten des Textes dieser Handschriften,
zu denen des ßibbeck'schen Apparates lässt sich über f bei dem geringen
Umfange dieses Fragmentes kaum ein begründetes Urtheil abgeben und
dies um so weniger, als auch die Textstücke A. 1, 161 -321 und 322—401
zu charakteristischen Varianten wenig Veranlassung bieten. Im allgemeinen
zeigt f jedoch am meisten üebereinstimmung mit h. Zum Belege lassen
wir einige wichtigere Lesarten von /' mit Beifügung der Vaiianten der
Bibbeck*scheu Handschriften, sowie der Wiener Codices ^€^ folgen.
A. 1,174: silicisf mit hc€C;siUciMByS, ~ e xcudit f mit Myb
(ex corr.) ^eC; excutit B; — 175: suscepit f mit ylx^C; succepit
MBce, — 183: capin fyhf; capim cl; Capyn MB^^, — 185: se-
tuntur fMyc; seciuuntur FBbSfC» — 193: humo fFMBybmip:
humi c2;^ cF * ^. — 212 ifrusta fFB (beide durch Corrcctur) ySe; frust r a
3fFlJ?161cC. — 214: Tunc f; Tum Codd.Ribb., J«f. — 220: Oronti
fFMB2by2i; Orontis Blm^ (in S sind die Verse 220—222, da
die alte Schrift verblasst war, radiert und von junger Hand rescribiert.
Diese hat Orontis). — 227: iac entern (über ce steht i von 1. H. =
iaeientem) f; iaetantem Codd. Ribb. u. d^f. — 235: reuocato san-
guine (mit Auslassung des dazwischen stehenden a^ /". — 246: praerup-
tum fdt (preruptum f(^, pruptum «) — F2y 1; prorxiptum FiMB
etc.; pruptum C (der Querstrich über p, der Tinte nach zu urtheilen,
489 E. ffoffmann, Zar Kenntnis einiger Verfnl-Handscbriften.
Ton jüngerer Hand). — 270 haben f und t expleuit, was auch in h
ursprünglich gestanden haben dürfte, da der Buchstabe b in ea^oMnt auf
radierter Stelle sich findet. — 284: pthiam f ^ ifefyctl; p^Xhiam <f<2;
PYTHIAM (das Y durchstrichen) P; 'pKtcü (e durchstrichen) C- — 298:
eonpagihus f mit 61; die anderen compagihus, — 296: Pottergum
fblc; Post tergum die übrigen Codd. — 297: maia. f {ein m scheint
radiert zu sein); mai.. b; MAIAE (E radiert) R; Maia die übrigen Codd.—
298: utque f; atque Codd. Ribb. und cTf C. — 313: lato criapans
haBtilia ferro] in /'steht t über o in lato u. ferro. -- 321: inquid
fybc. — 413: possit /'— OEybclmt; posset MPC (In «T ist der Theil
des Blattes mit tv. 411-415 defect; eine junge Hand hat diese Verse an
den oberen Rand gesetzt; daselbst posset). — 417: turae fMc; iure
die übrigen. — 425: aptare (darüber jedoch die Glosse ^eligere*) fRl;
optare die übrigen Codd. — Ebd. tecti f; tecto Codd. Ribb. u. ^eC--
436"): ßagrantia f^FMlRci;flagranciaC; fragrantia M2alb2;
fraglantia (FRAGL . . . , der letzte Theil des Verses defect, P) ya2blS, —
441: laetissima umbra f; laetissimus umbra ^eCMPRybc;
VMBRAE gibt F, doch ist E radiert. v— 444: sie nam in f ausgelassen
(vielleicht war der Mangel an Raum Ursache der Auslassung, indem zwischen
eapud und acris ein Loch im Pergamente ist). — 463: metum /'— Cod.
Mentel. I, Rottend. III, Moret. IV; metus «r«C u. Codd. Ribb. — 469:
Rheaai /'-^Plitr2F2&2c2; rhesi ySi; resi l — ebd.: uellis (das
erste { radiert) f; ueMs b. — Diese Lesarten dürften demnach wol das
oben über die Beziehung von f %m b gesagte bestätigen.
Von den übrigen fünf Handschriften können nur cf und « eine ein-
gehendere Prüfung beanspruchen.
Am wenigsten Verwandtschaft zeigt cf mit R. Von Lesarten, die 6
unter den Ribbeck'schen Handschriften nur mit R theilt, habe ich nur
folgende finden können:
E. 1, 72 : AM nos conseuimus agros] (Ms nos PR; en quis de y2a2ip);
conseuimiM Pete.; cons.euimus 6 (u radiert); CONSVEVIMVS (das
erste V durchstrichen) JB. — IV, 18 u. 26 gibt (f mit R Äc statt Ät; e«
fehlen jedoch MR. — IV, 52: laetentur] PybcS2\ laetantur S\R
(Jlf fehlt). (Dass hier übrigens der Indicativ dem nach Correctur schmecken-
den Conjunctiv vorzuziehen sein dürfte, hat schon Wagner Demerkt, der
auch laetantur edierte.) — G.I,4: pecori, apibus.) MP etc.; pecori apibus
ATQ
(adque, v. alter Hand ü. d. L., von jüngerer aufgefrischt) 6; PECORI APIBVS
R (pecori atque apibus, Vulgata vor Heinsius). — 155: herbam] MP etc.:
terram dR, auf Rasur c "). Für terram tritt nun auch Ä ein (s. o.
") Im Texte fehlt v. 436: nachträglich hat ihn der Schreiber am un-
teren Rande mit Bezeichnung der Einschaltung nach v. 435 angefügt.
^*') Ich verbessere hiermit ein Versehen, was ich oben S. 136 b^eng,
indem ich von R bemerkte, was von c zu gelten hatte, dast ttrram
auf radierter Stelle sich finde.
E. HoffmanHy Zur Kenntnis einiger Vergü-Handschriften. 487
S. 136). ~ 284: uüem] MP etc.; uites S (jedoch von jüngerer Hand
veficribiert), B nebst Cod. Parrhas. u. einigen Codd. Heins. — 434: nwceri'
n
iur] ifefPetc.; nascetur (n v. 1. R) (T; nascetur R, — IV, 545: Orphei}
Mly (P fehlt); Orpheo SB (dagegen v. 553: Orphei] SM; ORPHAEO
Bh). — A. I, 580: erumpere nübem] MP etc.; ABRVMPERE (durch
Conr. aus EEVMPERE) B; abrumpere S. — In der an Varianten reichen
Stelle A. V, 620: /i« Beroe, Tfnarii coniunx^'') gibt B: FIT VEROE TMARl
« n
CONIVX, «f: ß uerottnarii coniux; aber bei der A. 19 erwähnten häufigen
Vertauschung von b und v in d, kann auf die üebereinstimmung dieses
uero[e] kein besonderes Gewicht gelegt werden. — Sonst gibt S vereinzelt
stehende Lesarten von B nur noch A. IX, 481: tune illa senedae Sera
meae re^ies statt ille, und XII, 203: Quo res cutnque cadet st cadent.
Selbst die Zahl der Stelleu, wo S zusammen mit anderen Hand-
schriften des Ribbeck'schen Apparates auf Seiten von B gegen MP steht,
ist nur eine unbedeutende, G. I, 470: obscenaegue canes] M; obsceni
SBybcip (P fehlt). ~ A. V, 89: miUe iacit uarios aduerso sole colores]
MPS2; trahit SleBc; trau aby2. — 112: tälenta] SlFBbcm; ta-
lentum MPyS^e. — V, 143 u. VIII, 690: rostrisque tridentibus] MP;
stridentibus SeC^i^B an der ersten Stelle mit F2ö2y cm, an der letz-
teren Stelle mit >'2c/. — V, 163: laeua stringat sifie palmula cautesj
MPylbl€l; laeuas S€2By2b2c. —VI, 33: omnia] FMPyi; omne
SBbm, — VU, 8: cursus] FMP; cursum Sec2; CVRSV JB. — 232;
iafUigue] FMPyb; tantiue SeBc. — 738: quaeJMPb; qua <r«CJBy2c2-
— - VIII, 121: percusms] MP etc.; perculsus SfBbc. — IX, 54: da-
morem excipiunt] MPylbcip; clamore (über e 'I em*) Se; clamore By2
/cto/MORE F. — X, 71: Tyrrhenamque] MPyt; Tyrrhenamue SBVc,
auf Ras. b. - 363: Inpulerat] MP; Intulerat SfBybc. — 908: dif-
fundä] MP etc. f; defundit SByl. — XI, 728: incutü iras (Conjectur
von Heinsius)] incitat MPybtC^; inicü SrjBc. — XII, 313: quaeue]
3fP« etc.; quoue SBc. — ^bl\ dextrae mturonem extorquet] MP etc;
d extra SBylc (in cF sind nach dextra mehrere Buchstaben radiert).
Dazu kommen noch einige solche Stellen, wo JB gegen MP die allein
richtige Lesart vertritt:
G. III, 477: uacantis] uacantes SBb2c2; uocantis MP; uagan-
tis ybc. — IV, 493: Auerni] SFBybc; Äuernü M (P fehlt). — A. I,
550: Armaque]S€Cv^Bybcm;}Äruaque M{P fehlt). — V,786: traxe]
Sf»BM2 (?) P2>'262: traxfe C; TRAXERE (RE durch Puncte als zu
tilgen bezeichnet; daiüber ISS) Ftj; TRAXISSE (SSE durchstrichen) M;
TRAXERE (über RE Puncte) P. — VII, 4: signat] S(Cv^Bbcy2;
sigfta.t &; signant MPyl^% — 737: dicione premebatj SeBbc:
Variante in y; tenebat MPyCv*^- ~ IX, 123: Obstipuere antmts Bu-
tuli] S(29^ FB y2b2cm; aninM riUnlis, i} ; animi Butülis MP >' 1 6 1 « 1. —
^T S. über diese Stelle meine Erörterung im IV. Jahrg. d. Ztschrft..
S. 419 flF.
'*) S. meine Erörterung dieser Stelle im IV. Jahrg. d. Ztschr., S. 876.
48B E: Hoffmann, !Sur Itenntnis einiger Vergil-HandschrifteiL
432: transabiit] cTB, auf Ra^a^ «; trattsadiit bc; TRAN8ADIGIT Pyili
TRANSADIBIT (B durchstrichen, darüber G) M. (Der letzte Theil dei^
Verses lautet in Rm: pectora cmidida rupit, in MPi: Candida, pectora
rumpit, in <f: cand. pect, rupit), — X, 245: spectabit] ^t2Rbcy2:
spectäbiaMPel. — XII, 401: Paeomum] Rybc;peonium S; PAEONIDUM
M, PAEONVM P.
Schwieriger ist es im übrigen die Stellung von S zu bestimmen.
Fassen wir das Verhalten zu M und P in's Auge, so geht J in der Mehr-
zahl der Stellen, wo diese beiden unter einander übereinstimmen, mit ihnen ;
wo sie dagegen differieren, zeigt cF kaum eine entschiedene Hinneigung zu
dem einen oder anderen. Zwar dürften die Stellen , wo <f zu 3f steht , an
Zahl denen überlegen sein , wo cf mit P gegen M stimmt , gleichwol sind
die letzteren noch immer zu zahlreich, um (f als entschiedenen Parteiganger
von M betrachten zu können.
Zunächst mögen hier die Stellen ihren Platz finden, wo cT auf Sei-
ten von M gegen P steht.
E. VI, 51: quaesissent] P; quaesisset t^tjMRyabcm.'— CO: Gor-
tyniaj P; Cortynia SMR; Cortinia ybcmt}. — VII, 27: laudarit]
^tjMabc; y2\ lauduuü yl; laudat^rit P. — 3S: edera] P(f2rj; hedera
^IMyabcm. — 48: Jento] PM2; laeto ^Mlyabcm; lecto tj. — VIU,
34: promissa] SMyab; prölixa cmrj; demissa P, — 107: nescio quid
certest] Pia; certe est MlP^ybcmsln; certi est <r62Jtf2.— IX,6:
quod] ^letjMlyabc; QVOT P; quos ^2M2. — 30: Cyrneas] St (f
in * von 2. H. angefügt) = 3f ex corr., o2; Grynaeas P, gryneas ym;
grineas fjcl, — 35: Vario] Pyal; Varo SerjMa2bcm. — X, 1: labo-
nm] PI, labo rem SefiMP2 etc. — 41: Phißlis] PHYLLILLS (die
h H
beiden letzten L durchstrichen) P; pyllis cT, PYLLIS 3f. — 71: ibisco] P;
hibisco SrjMR etc. — 73: horas] StiMRetc.; hora P.
G,I,2ö: urbisne] PRy; urbesne SyjMbc. — 30: Thyle] Pete.-,
thylae SM; tyle i;. — 64: Hie, Uli] Hic,.,illic SrjMRyb; Hinc
...illic Ä; Hinc, .illinc (n beidemal radiert) P. — 60: äUernaque]
aUema,,(que radiert) P; aeternaque SrjÄMRybcip. — 105: cumu-
los] MlPRybcri; cumuloA; tumulos SM2. — 175: explorat] MIPR
etc.; exploret SnÄM2.-19e: igni] ÄPM2 S2r} etc.; igniaSlMl.-
202: subegit] P; subigit Srj AMR etc. — 203: iUtwi praecepa profio
rapit] P; iUum in praeceps pr. r. SrjAMybc (s. o. S. 136). — 218:
auerso] APRybc; auerso, darüber 'r. aduerso\ ryj aduerso cTJlf. — 221:
Eoae] AP etc. S2tj; aeoac cTl;', AEO^^\\^ — 225: Maiae] APR; tnai^
ijb; malae Sy, MALE, A über LE, M. — -JG: auenis] Pybcri\ aristi^
SAMR. — 266: facilis] St} AMR etc.; facili P. - 277: Horcus] P;
Orcus SrjAMR etc. — II, 174: artem] P; artis SMyacip, — 222:
oleost] oleo est PR; oleae est SMb. — 227: requires] MlPy;' requints
S M2Rc. — 332: germina] gramina, darüber 7 germina* S; gramina
MRybc; gramine P. — 340: Jmusserc uirumque] hatisere virumque
SMyby durch Corr. R; hausser e uirumque P. — 364: diducere] PR etc.;
E. Soffnumn, Zur Kenntnis einiger Tergil-Handachriften. 489
ieducere dMyb^. — 443: pinus] Pyl; pinos äMBy2h. — III, 3;
canmne] P; carmina (über a von jung. Hand e) J; carmma MByb.
CABMIN. F. ~ 8: possim] dM etc.; possem P. — 63: iunentas] M2
Ryb2; iuuentus «fJfldl; IWENTIS P. — 69: maüisj B; maUsPybc.
mauis SM. — 85: premensj y; PRDiENS P; PRAEMENS Bei; fre^
men8 dMc2, auf Ras. 6. — 91: Ächülei] P; Achüli ylblcl; Äehillis
&M2i ÄchmesMl. — 101: arHs] artes dMybc; parHs P. — 123: Hü
animum aduersis] P; ANIMA ADVERSIS M; animaduerai« Sbc, durch
Corr. R. — 125: pecori dixere maritum] d{ME etc.; pecoris d. ma-
gisirum P, — 130: uoluptas] dMB etc.; uolarAoA P. — 144: ^anttne
l c l a
ripaj PByc; gramina rip^ 6; gramina ripae M. — 166: circlos]
SB, durch Gorr. FM; cifcos P. — 190: acceperü] PB; occeperü Fl;
accesaerit äÄMF2ybc. — 205: farragine] AFM2PBycS2i fer-
ragine SlMlb. — 237: uti medio] PBy2b2c; ut in medio SMylbl.
— 241: mbiectat] Py; subuectat MBS (durch Corr. aus subbectat, s.
A. 19). — 278: cmrum] P; ch\aurum SByc; CHARUM (U über A) M.
— 310: flumina] OFM; «öcraPÄc. —314: siluas] 6FM etc.; süuae
P. — 329: iubebo] HP; iubeto 6F2MBybc. — 338: alcyonem] ah
cyonen SFMBb; alcyone P. — 342: itque] «TM etc.; idque FP. —
347: hosti] SFBb, itf durch Corr. aus HOSTEM; hostis P. — 356:
cauri] c; chauri SMByb2; chori PVbl. — 359: lauit] MIPB etc.;
lauat SM2, — 383: uelatur] PBy; uelantur SMbc. — 389: etiam]
Pb; iam SM Eye. — 422: iamque] S; lAMQ. (unter lA Puncto, dai^
über Cü) M; namque P. — 426: pectore] SMB etc.; corpore P. —
427: cduom] (üuum MEhc; album (über b von 2. H. v) S; aeuom P. —
.433: torquensJSM (corrigiert ?) ; torquetU P. — 435: Ne] PBbc; Nee
SMy. — 440: te] SMB etc.; et P. — 466: procumbere] SM etc.;
concumbere P. — 469: serpant] SM etc.; aerpunt P. — 475: lapydia]
M2; iapidia S; UPYGIS MlPBy. — 478: cohorta eat] SMb.^
dwarta eat y; coorta eat Pc; coortaat B, — 483: adduxerat] SM nie,;
aitraxerat P. — 503: exitium] SM etc.; exüium P. — 509: inaerto]
SM etc.; imertoa P. — 511: hoc ipaum exitio] SM etc.; exUio hoc
ipaumP, — b32: uria] SMetcr, ariaP. — 533: ipaia] SM eicr, ipaiPbl.
— 535: altoa] SM etc.; ardtioa P. — 545: adatantibua] M etc.; aatan-
tibua Sc; aerpentibua P. — 555: dat] SM etc.; dant P. — 557: di-
lapaa] SMBycl; delapaa P6c2. — 561: .^«7 PByc2; Nee SMbcl.
— 566: contactoa] SM etc.; contractoa Py2. — IV, 10: prohibent]
SM etc.; prohibet P. — 11: campo SM etc.; campi P. — 24: teneat]
SM etc.; temant P. — 252: profluet] SM; profluitPyl. — 34: ol-
uaria] PBb; ALUARIA (E überiüA) M; aluearia Syc. — 37: iUae]
Ulf S; ILLE (A über LE) M; PALLAE P. — 38: NequiqiMm] Pybc;
nequi.quam (c radiert) S; nequicguam M. — 43: Sub terra fouere ia-
rem] P etc.; Sub terra fodiere M; Sub terram f ödere S, — 46:
superinice] SM etc.; ET PERNICE P. — 53: aaltua] SM etc.; icd-
tum P.^bli excudunt] SM etc.; exdudunt P. -- 58: Hie] P; Hinc
SMyabe. — 60: trahi] SM etc.; trähii P. — 72; fracioa] SM etc,;
490 K Hoffinofm, Zur Kenntnis einiierer Vergil-Handschriften.
fractus Pa. — 78: tempnunt] 6M etc.; IßVMPVNT /> (trrtmpww^ Goth. I,
Edd. Aid. Junt). — 103: A«) 6MF2 etc.; AEF\] Äut P. — 112: pinoi]
«TFAf etc.; tinoi P. — 113: late circum] 6FM etc.; CIRCVMLATE
P. — 125: arcis] P, auf Ras. h 2; altia 6Fac; AÜTIS (U darchstriehen,
darüber L) M. — 129: $eg€S] SM etc.; iedes P. — 137: iam tonde-
bat] ^Mylb; iam tum tond. Pacy2, — 139: idem atque] SM etc.;
idemque P. — 141: Uli] JAf etc.; ülic P - 142: Quotque SMc, durch
Corr. ab; Quodque Py. — 144: in uersum] yb; inuersum SMae; in
%iewtwn P. — 146: potantibus] 6M etc.; porUmtibus P. - 151: Aera]
dM etc.; aere P. — 154: magnisque] 6M etc.; tp^e fehlt in P. — 170
lentis] (TM; LENTI, über der Linie S, JP; ientc P. — 173: Aetna] Mb
^thna S; ethna ac; etna y; ANTRVM P. — 185: nusquam] SM etc.
numquam P. — 195: fluctu] SM etc.: flatu P. — 198: segnea] 6
SEGNIS M, REGNIS P. — 217: corpora] SMR etc.; pecfora P. —
229: 27k?»waMn] P; Thensauria Byl-, Thesauris SMy2c. — 230: Ore
foue] (ore SMlPRy2; ora M2c); foue M2PR etc.; faue SMl. —
ebd.: manu] 6 ME etc.; simut, — 231: fetus] MB fqtus S: flores P. —
233: Pleas] P; Plias SMy; Pleias Hb, - 243: stelio] SMRylbUl-^
steUio Py2 etc. — 250: texent] SM etc.; texint P. — 259: Ignauae-
que fame] SM etc. ; Ignauaque PB. — 260: Tum] SM etc.; Tunc P. —
265: harundineis] SM; arundineis B; harundinibua P. — 262: habe-
bit] SM etc.; habebis Pbl; habenis B, — 311: tenuemque] SM etc.;
tenueque P. — ebd.: magis magia] PM2ybc; magis ac magis SMIB, —
322: Ima] SM etc.; Iam PB. — ebd.: tenes] SMByb2] tenens Pbl;
- 327: pecudum] SMy2; pecorum PBylb. — 347: Aque] Pyb2;
atque SMBblc; adque G. — 361: circumstetit] SlMB etc,; cir-
cumstitit S2G; circumspicit P. — 368: se erumpit] SM; se rumpü B61c.
te rupit P. — 371: uöltu] uultu SMBbc; uoltus P. — 388: memaa]
SM etc. ; aras P. - 384: perfundit] Ml PB; perfudit SMlybc. —
400: franguntur] PBcl; frangentur SMybc2. — 411: uertet] SM
etc.; uertit Pc. — 412: Tarn tu] TANTV Pyl^tantü Ml; tanto SM2
By2 etc. — ebd.: uincta] SM etc.; uinctis P. — 415: defundü] O;
diffundit SlMylblcl; diffudü S2y2b2c2; perfundit P; depromit
B, — 425: torrens] SMB etc.; torpens P. — 431: dispersit] disper-
git SMB; discerpsit P. — 433: stabuli] SMB etc.; stabulis P. — 434:
Vesper] SM etc.; Vesi^ere P. — 436: Considit] PB etc.; Consedit
SMylc. — 446: at] SM etc.; et P. — 455: Hautquaquam] BV; Haud-
V n
quaquavi Albe; Had quaqtuim (v und n über der Linie von alter Hand) S;
Haud quamquam P. — ebd.: ob] SMBybc; ad P. — 460: supremos]
SMVbc; supremo PB,
A. I. 297: demittit] S(M etc.; dimittit Pycl. — 359: ignotum]
MB etc. e; auf Ras. v. 2. H. S; SANOTVM P. - 396: capsos (?)] CAPTOS
(0 corr. aus V) Ply; captas StMOBb. — ebd.: respectare] Pyl (?) ;
despectare SeMGBbc. — 421: miratur] S(M etc.; mirantur P. —
427: lata theatris] F; alta theairis PBylb c; alta theatri SiCMP2y2;
a. theathri ^; a. fheatra tj. — 474: Troilus] St CM etc.; Traiui P. —
R Hoffmofm, Zar Kenntnis einiger Vergü-Handschriften. 491
513: percuma] FPlÄylftUlC; percuUus 6i2MP2y2b2c, — 518:
mnttis nam Uct%\ PI; cundi nam lectia P2B; cuncH nam lecti d^FM
y2hlc2', Cimet« nam l^H (über ^ ein c v. 2. H.) e. — 530: Grai\ deCM
etc.; OraU P. — 572: mecum pariter] ^«C-Wetc.; parüer mecumP,--
590: iuuentae] diCM etc.; iuuentaP. — 604: (siquid) üsqwxm iuBti"
tia e^] APBy; lüSTITlAEST (E über A) M; iuatiti^ est «Tfi?*;
iyatide i f. — 629: hoc] PB etc. tC;''ac cT; ac M, — 636: dii\ P; dei
dtMBybc; di C- — 642: antiqua ab origine gentis] PlBylhcl; an-
tiquae diCMP2y2c2. — 666: Ad\ äiCM etc.; Ät Pyl. — 668: lu-
nanu acerbae] FlPlylm; iniquae 6^^ri^MBF2P2bc. — 723:
temotae] St^M etc.; REPOsTAE (M über P, von 2., alter Hand) P. —
11,25: abiisse] ä(M2yhc; abiesse B; abisse MlP. — ebd.: petiisse]
diM2bc; petisse MlPBy. — 37: luftenq SiCn^MPl etc.; ivbei
Pty. — 41: Laocoon] PB etc. Laucoon ^tMc. — 61: certae] Plc;
certe 6iMP2yb, — 142: re«fe^] M2Pyc; restat cFfAflb. — 262:
Acaimas] Ilbt; Ächamas ^MP2yae, — 317: Praecipitant] diM
abe; Praecipitat Pyl. — 321: cursuque] 6M; curm, que ti. d. L., a;
CVRBVQVE (S über dem zweiten R) P. — 383: circumfundimur] SM
etc.; circumfundimuf e ; ciraimfudifmis Pyl. — 422: Priami (?)] PRIJII
(A radiert?) P; primi öeCfi^M etc. — 445: tota] PI; tota, darüber
tecta, y; tecta 6iFMP2bc. — 465: elapsa] Plya; ea lapsa StMP2;
EALABSA F. — 503: spes ampla Py&; tanta JeCv^abcm. — 552: Im-
pUeuUque coma laeuajn] P; comam laeua <f«A/etc. — 630: Gnaium\
&tM etc.; Natum PVbc. — ebd. : patrem qui\ Pbc2t; patremque SMycl.
— 699: se toUere] Pyl; se tollit SfCti^MVetc — lll: ruenti\ Pcyl;
furenti <r«Af6y2. — 778: nee te hinc comitem cupotiare] be; nee te co-
mitem hinc asportare Pylac2mTi; tiec te comitem hinc portare
9CMy2 und mit n (nofi) für nee, ^. — III, 230: clausam] AflPylalcl;
clausa SM2y2a2x; clausi (i auf Rasur) c52c2, von 1. H. C?^ (in ^
•teht der ganze Vers auf Rasur). — 319: Hectoris Ändromache Y Pyrrhin
conubia sentas '^] (Ändromache StFMF; Ändromachen al (?) />; PYRRiN
(H über R1)M^ pyrrin Jf2; pyrrine fl; PYRRHI (N nach I über der
Linie) P; PYRRI (N über der Linie nach I) Fe. — 659 : trunca manu]
MlPyCiC; trotica manu &; trunca manum S7iM2a2h2. — 665: tinocit]
FPBybtlC»; TEXIT (IN über E) M; texit J€2. — IV, 26: Erebo]
FGPlyU2; Eribo B; herebi Sly2;EEEBl MP2ci. —54: impenso
animum ßammauit amore] impefiso Fl PI (?); ineensum dtC^i
MBF2P2ybc. — flammauü FPlBcS2; inflammauit Slii:fiMP2
yb; animum incensum inflammauit ^ (mit dieser Stellung nach Handschrif-
ten citiert von Corte z. Lucan IV, 346). - 243: mittit] cTl« C»?A«^P2ya6c;
mütat (unter a ein Punct, darüber i) ^; ducü PI und (auf Rasur von
mittü) <r2. — 257: ad] P2yle; ac i^CMabc; AO PI. — 267: oblite]
äiM etc; IGNARE (IGNAR durchstrichen, darüber OBUT) P. - 268:
demiiiii] St Mab; dimittü Pylc. - 312: sei] SED PI; et SsMP2
etc. — 415: relinquat] PM2 S2 «; relinquit 61M1. — 428: neget] P1M2.
negat dt Ml P2yabc,^^M: piorum] dlM; priarum FPyabcS2t[
402 E. Hoffnumn, Zur Kenntnis einiger Vergil-HandBchrifteii.
— 473: Dirae] ä€F2Myahc; DIVAE FlPyi, — 586: primam Pyat
<in P steht über a ein Punct, in y ein v); pritnum &Mhc, — 697:
Tum] SMhCy Tunc Pyae, — 641: gradum studdo cdebrabat otiÄt]
celebräbat Pyl; celerabat (mit B über ER) Af, celerahat ^iahc; —
anil%\ SlMh2c2; anOem ^2eablcly2; INILEM (mit I über EM)
P. — 692: Quaesiuü caelo lucem ingemuüque reperta] reperta P; re-
pertam d€yhc2; REPERTA (mit 4 schrägen Strichen nach A) M. —
V, 226: adnixus] «flAfB; annixus <f2, aimisus i; enixus Py. —
235: gwbus Imperium est pelagt] Pyhe; ESTPELAGI (jedoch mit An-
deutung der Umstellung) M, und so pelagi est ^Eb. — 269: euincti]
äe M etc; euictis Pyl, — 280: mouebat] deCri^MBVbc; ferehat
Py. — 312: circum amplectüur] PRyba; circumplectitur. SM, —
347: reddentur] Pyl; reddantur SeMlRy2 (in M steht über A ein
ü von jüngerer Hand); redduntur 6c. — 359: clipeum Didymaanis ar-
tem] PBy; artes dil^nMhc; arte (über te 'l te$') ^. — 396: effetae]
^(fid^MR; effeiae ybc; effectae e; effatae P (für hebet geben C^l Äf —
Tiabet MIR), — 486: praemia dicit] Py; ponit Si^d^MBVhc; repo-
nit fj. — 518: Aetheriis] Pyl; Aeriis ^MRm; Aereis bcy2i, — 591:
Frangeret] PRybm; Frangeret, darüber "l fdUeret* ^; Falleret ditC
Mc, — 768: nomen] MlP; numen <f *C»?^A^2ycmi/;; caelum R. —
VI, 177: sepulchro] Pyi; sepulchri 62MlRb2c; sepuUri S1M2. ~
195: Derigite PRyl; Dirigite SeMy2bc, — 209: broHea] dsMRbc;
brcUtia P; bractca y, — 273: primis in faudhus Orc%\ Pyce; primis-
gue in f, O. SMRb. — 486: freguentes] SeMRbctlß und y durch
Corr.; frementisP, — 505: Rhoeteo litore] FPIR; Rhoeteo in litore «f«
Mbcm; in Py steht in über der Linie. — 524: Amouet] <f «F2Af ; emauei
FlRycm; ETMOVET (ET durchstrichen und darüber A) P. — 561: gui
tantus dangor] (qui ^iPlRbl; quis Myce; in cT steht f von junger
Hand über der Linie wie in Pb); clangor] Py; plangor SsMRbe, —
597: obunco] öiM; dbunco FRcm; adunco Pyb, — 617: Districti] t;
districte PI; destricti 6FMP2Ryb, — 640: campos] M; campuf
(pufmt Ras. von 2. H., darüber 'al pop) S; CAMPVS (0 über V) F;
CAMPVS Rbl; CAMPIS (über 1 ein 0) P, — 653: currum] StMRbc;
CVRRVM (über VM ein V) Fy; CVRRVVM (das letzte V durchstrichen)
P. — 671: transnauimus] dy2bc; TRANSNAVIB. M; trannaMm\ €;
tranauimus FrRyl, — 806: uiHute extendere uires] PRycmrj; «»>-
tutem ext. factis Jf ^M6; uires ext, factis C. — VII, 16: sera] StF
MR etc.; saeua P, — 110: ipse] MltRybc; ille 6iM2x (HU hat
auch das Lemma von Servius in *). — 182: Martiaque] F2PRy; Martia
qui StFlMb2c. — 262: derü] FMlPVyi; deerit 6M2Rbc, -
646: -4 d] 6iMB; At Pyblc2. — 654: MediefiHus] />; Mezentius
dtMR etc. — 669: innexus] 6fM etc.; innixus PR. — 699: fiumina]
Py; nubila öiMRbc. — 755: mulcebatque iras] JMR etc.; fro»(iauf
Rasur von 2 Buchstaben; vorher feras) t; ^ERAS P. — 758: guäesitae
IS
montibus herbae] PR etc.; MONTIB. M; in montibus «Tlfe. — 773:
PfMbigenam] P; ][^ebigenam C; ph^bigend (darüber die Olotse: f. eseu-
E. Hoffmann, Zur Kenntnis rinigcr Vergil-Handschriften. 403
ktpium, p^na genitum') »■>; poenigenam i^tMy2bc2; Poeniginam B. —
(ebd. geben ^Cl^ detrusü in iindas] ad, mit ilberschriobenem tn, e\ ad
codd.Ribb.) — 789: At] «TfKetc.; Ad PRyl. - 799: Anxurus] ^M;
€UC%iru8 (; Anxuris Pyl; Auxyrus B. — 814: Attmiitis inhians ani-
mis] dtCfi^MB etc.; AU, haesere an, (nach A. V, 529) Py, — VIU, 10-
eonsistere] Si MB etc.; considere Py. — 50: expediaa] 6iM\B
bc; expediam M2P fex corr.), yh — 65: magna] dcMB etc.; certa P;
eerta, mit darüber stehendem magna, y *•). — 72: Tuque o Tltybri tuo
genüor cum flumine sancto] (Tu[quo]que, [quo] radiert J, Tu quoque b,
Cod. Hngen. u. Dorvill.) tuo] PB etc.; tu o Jif; tu, o (auf Rasur) e. —
102: soUemnem] SiM etc.; soUemne PB. — 135: Orai] d(M etc.;
Graii Py. — 140: credimus] ^tMBhc; er cdif is P, mit darüber stehen-
dem credimus y. — 202: Geryonae] Pyb2c; Geryone Ml; Geryonis
9iM2; Geryoni B. — 227: emuniit obice] dMbcy2; eynunuü PI;
muniit P2yl; emuni.it (; emunü B. — 244: reseret] Ji2Mlbc2; reseral
PM2Bycl(l.'-2bl: pericli] JeMB; pericUest Pybc. - 25ö: igne]
diMBbc; igni Pyl. — 257: Praecipiti iecit saltu] ^etjMBb; inecit
Pyc und durch Correctur aus tcecit C; pcipitem iecit ^. 280: propior]
SMB; proprior Pylblcli. — 324: fuere] öeMB etc.; fuerunt Pyc.
urb«"
— 867: arcem] MIP etc.; arcem c; urbem ^M2B. — 31S: Incassumue]
P etc.; Incassumue t; Incassumque 6M. — 397: nobis Teucros]
^€jlf etc.; Teticros nobis Pc (in P die Umstellung angezeigt). — 401:
possum] PM2 etc.; possunt ötMlm. — 460: paniherae] M« etc.;
paniher^ cf; pantherea Py. — 492: caedem] MXBxj^; cqdem <ff;
caeäes M2b; cedes Pyb. — 529: tonare] Seb; TORARE (N über dem
ersten R) M; sonare PBc und mit darüber stehendem tonare y. — 553 '")•
obii] 6tM etc.; obiü Py2. — 555: ad litora] 6^MBy2b; ad limina
Pyl. — 556: propius] 6tMb2c; proprius PB; propriis yl. - 569: fini-
iimos] PI; finitimo ^sMP2 etc. — 572: At] «r«3f2&c2; Ad MIPB
cL — 579: Nunc, o nutic] 2?1; nunc, nunc o 6iMybc\l>; i^ ^ ^^^ ^
von 2. Hand eingefügt — 581: sera et sola] Pb; sola et sera 6i M
etc. — 610: ecgelido] etgelido M2PBy; egelido J*ifl62c. — 620:
flammasque minantemj ^^ Py^i uomentem SiMBbc, — 660:
tum] SiMB etc.; tunc Pyc. — 672: spumabant] ^eMc; spumabat
PBybl. — 680: cui] diMBbc; HUO (H von alter Hand aus C cor-
'•) Ribbeck verweist auf v. 46 dieses Buches als Quelle dieser Inter-
Solation: hie locus urbis erit, requies ea certa labortim; vielmehr
ürfte 'certa domus^ nach A. VI, 673: 'nüUi certa domus' ge-
setzt sein.
*•) Die Verse VllI, 552—555 fehlen im Texte von cF, doch stehen sie
von erster Hand am Rande.
•') Ob Ribbeck recht hat, dem Cod. P die Hyperbel von dem 'Flammen
androhenden Helme* nachzuschreiben, möchte billig zu bezweifeln
sein, minantem mag ans einer über oder neben vomentem gesetzten
Glosse micantem (1a, 733: clipeo viicantia ftdmina mittit) entstan-
den sein. Dem mina^niem stehen ebenbürtig zur Seite des Thybria
certa domus VIIl, 65 und die Tyrrheni limina regis VllI, 555.
Zeiuobrifk f. d. ött«rr. Ojrmn. 18GS. VII. HHt. " 33
494 E. Hoff mann, Zur Keuntnis einiger Vergil-Handschriften.
rigiert) P; huic y. — IX, 11: manum] dtMRh; tnanus Pyl. — 33:
nigroj 6iMR etc.; magno Pyl. — 66: duris dolor ossibus ardetj ^i
Cijd^M etc.; durua Pyl, — 72: manum pinü flagranti feruidua im-
pletj manum pinu MRe; manum pino (f; manu pinum Pyh — 91:
Ne] Pylc(l;Neu di2MRh. (ebd.: neu turWn«; «T codd. Ribb. ; ne e),
— 143: leti discrimina parua] discrimina PF2R€l; discrimine Si^
FlMy; parua] F2 « 1 ; PARVAS (AS durchstrichen, darüber 0) P; parno
6i2FlMRy. — 156: diei] P etc.; dieiett SfM2Rbe. — 244: uaOir
MOEN
bus] <f*3f etc.; VALLIBVS (VALL durchstrichen) P; moembus, darüber
i4«//*us, y. — 371: murosque] Pyhlcl muro,q; (« radiert) f ; murofne
JifjR62c2. (Am Rande von J steht als Variante zu oagtris *ai, portk*;
poriia haben x ^^^ auf Rasur b.) — 383: lucebal] MlPyb2c; lueebtuU
B; lucebat, darüber o^ ducebat, e; ducebat <fAf2&lm. —400: in ensm]
Pyc; in hoates] fffirj^; in hostis MRbmilC- —417: summa telum]
dtMR; telum summa Pybc, — 418: it] ötMRybc; iü Py, — 444 u.
Abl\ exanimum] S iM; eacanimem PR.- 465 f.: tepidaque reeentem
Caede locum] Je; TEPIDAM (A durchstrichen, darüber V) M; Upidmm
PRyl'j recenti Pyl. — 456: pHenos spumanU sanguine riuos] plenos]
PlRyb2c(; pleno 6MP2ip; spumanti] yb2; spumantis MPRtl;
spumantes Se2. — 652: furit] SM etc.; fu.rü (fuerüf) i; RVFT (V
auf Ras.) Pyl. — 579: infixa] ^iMRbc; adfixa Py, —604: saeuo]
SiM; duro Py. — 623: Intendit] Pyc; contendit ^eMRb. — 631:
fatifer] ^fMRb; letifer Pycm. — 645: se misit] Py\c2; semiUit 9e
My2b; SEMITTITET R. — 654: OppetiisseJ Py durch Corr.; op-
petisse SeMR. - 667: Bantsonitum ßictu galeae] Pete; ADPUCTü
R; ATFLICTU M; afflictu J«. — 674: iuuenes patriis] ^tMRb;
patriis iuuenes Pyc. — 685: Tmarus] P; Tmaros R; .marus {t radiert) t;
Alarus ^M, — 710: TalisJ SMR; Quaiis, darüber von 2. H. talis, t;
Qualis PycmCv^' — 764: tergus] PIR; tergum äeMP2ybc. — 782:
quae iam ultra] ^€M etc.; quaeue ultra Pylc — X,28: surgi(\PR;
surget SeMyb, — 59: cineres patriae] SeM; patriae cineres Py;
ein, pairios R. — 137: fusos ceruix] ^eMRb; cermx fusos Pyc. —
138: subnectit] dM; subnectens PR etc. e. — 163: mouetej ^eM etc.;
monete Pyl. — 237: ardentis] Pyl; horrentis MR^l; horrentei
dri^c; harrenti «2. — 303: uadi] PI; uadis d(i:n^MRP2 etc. »«). -
*'*) In den Worten des Servius: 'Probus u^is [so dieCodd. Serv.] dorso
gro uado dictum putat, ut in Georgicis [III, 436] dorso nemoris'
egt wol kaum der Beweis, dass Probus uadi dorso gelesen habe.
Des Servius Bemerkung bezieht sich nicht auf die von Probus ge-
billigte Lesart, sondern auf dessen Erklärung. Hätte er uadi gelesen,
ao konnte von einer verschiedenen Auffassung überhaupt |^r nicht
die Rede sein. Nur indem er las: puppis ,. . m/Iicto uadts dorso
dum pendet iniquo, konnte es sich fragen, an welches dorsum
iniquum man zu denken habe. Nur zu dem Zwecke, um letzten»
als identisch mit uada, als blofse Umschreibung hinzustellen, ver-
wies er auf die Stelle in den Georg. , die zwar in ihrer äufiieren
Form der unseren nicht entspricht, wol aber insofern, als auch dort
dorsum nicht einen Theil des nemus, sondern dieses seibat, also das
Ganze seiner Beschaffenheit nach bezeichnet
]S' HaffinanH, Zar Kenntnis einiger Vergil-Handschriften. 405
400: Traiät] P etc.; Trahicit Mi; in cT steht h v. 1. H. ii. d. L. — 475:
deripüj PB] diripit ^€My2bcm. — 539: insignibus albis] X , . . S
(ALB1S?)P1; arwitfi J«Ci?*-afP2J2 etc. -- 673: Quome] b; Quosue
PyciCn^; Quofque MB; Quodq; (über d v. 1. H. /) <f. --- ebd.: infanda
in marte reliquij (o infcmda C; infmidu morte &) reliqui ^(2Cv^ MB
• N
etc.; BELIQVI P; relinqui «I. —709: mvdtome] P; multosque ^(Bybc;
multoque M. — 796: Prorupit] PB; Proripuit «T^Af etc. — 812: Fallit
e] J(M etc.; Fallet te P; FALLITE B, — 884: aureus] di^ri^MB
etc.; aereus Pm. — XI, 241: tum] cffAf etc.; tunc Pylc, — 256: ex-
hausta 8ub altis] ^eM etc.; EXHAVSI . . VSALTIS P; exaufimuf
alHf yl. — 259: Priamo miseranda manus] dfMBy2bc; DAMVS (DAM
auf Raa.) P; .amus yl; domus x- — 261: abacti] PM2( etc.; adacti
ifMl. — 867: desolauimus] MBy2b2c^rjd^; desolabimus ^t; de-
gignauifHus Pyl. — 369: et si] PB etc. «C»?; «t si ^; aut si SM. —
4S9: induat] SiMBbc; induit Py\, — 471: qui] d(M etc.; QVO (0
auf Ras., darüber D) P; quod yx- — XII, 47: inst\tit\ PBybc\\fk\ tn-
ci^it cTilf. — 202: rmnpet] 6 (MB etc.; RVMPIT U durchstrichen, daneben
ein kleineßA eingefügt) P. — 308: Disicit] 6bc; DISICIT (8 über Si) M;
DissicU e; DISn(]IT (daa dritte I durchstrichen) P; DISCIDIT B, -
310: conduntur] P; clauduntur deMBybc — 342: iüum eminus;
tminut
eminus anibo] i ; ülum eminus ambos (eminus ti. d. L. v. erster Hand , bei
am^H)^ zweifelhaft, ob s von 1. H. gesetzt ist) cT; das zweite eminus über
der Zeile gibt My2; es fehlt in PB u. by von 1. H. — 423: man um]
8Bbc; MANU (M über ü) M; MANVS Py (in P ist S durchstrichen, in
yTadieit). — 449: agnouit] SMBybc; adgtioscit P. — 485: Auersos]
PH; A.uerfi>f{d radiert) «f; AUERSOS, D über AU, M; aduersos yc,^
•495: sentit] PBVybc; sentit SM. — 497: tandem] SM etc.; tarnen
P. — 607: resonant late (iangoribus aedes] P etc.; lat^ cT, LATAE Ml
itc. — 627: possint] <fAf etc.; possimt Pcl. — 641: fwstrum ne] P;
%e noBirum SMBybc.
Mit P ,gegQn M stimmt Si
£ VI, 83 und Vm, 82 lauros SP; laurus M f/a«ro«gibt S auch
E. vm, 13 ^MP). — VU, 6: Huc] My; Rio StiPblm. — 25:
itoresctnt^t!»] Sn PM2ya€m; nascentem Mlb. — Vni, 19: nü] MS2i};
nihü Pylalbl; nichil SI. — 24: pttviius] StjP^.; primum Mbl. —
44: Aut Tmaros] SIP; Aut tmarus S2; AUTMAROS M; Ismarus cmri^
auf Ras. h. — 85: Daphnim] SrjP etc.; Dapknin Mb. — 109: iam
parcite carmina] SrjP etc.; iam carmina p. M; iam carmine p. c. —
IX, 9: ueteres iam fracta cacumina fagos] M; u et er iß i. f. c. fagi Serj
Pyabcm.^ 27: superet] SeriP etc.; supercnt Mal. — 54: Moerim]
M (durch Cow. aus M OBREM) yabcS2f; merem (über dem zweiten e
steht^i) Ti; moerin SIP. — 62: aedos] SP; haedos ab; hedos McBti.—
X, 10: cum OaUus amore peribat] SPBylal; PERIRET (BA über
RE) Mund €; periret y2a2bcrj. — 28: Ecquis] Ml 2; Etquis SrjPl
Byabc. — 40: iaceret] St}P2By2bc; iaceres MPlyl. — 69: uin-
cif\ SriPyhe; minett M; vndt B.
33*
496 E. Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Vcrgil-Handschrifteii.
G. I, 35: ScorpiuB et] ffijPc2; Scorpioset MRyhcl, — ebd.:
relinquit] 6 ihc; relinquid t); reliquü MRy. — 157: umhras] SAP
hc; umbram MRyri, — 194: amurca] Srj PEb; amurga AMy. — 208:
die somniqiie] A P y tj & ; die,8 omniq; S; DIEI R und durch CJorr. M, —
248: densent%kr\ JrjPRyhx; densaniur AMc. — 290: noctis] SriP2
I 8
yb; nodes PlR; nocte Af. — 11, 196: ouium fetum] P; o, f^tü <f;0.
fetus Ma\it; 0. foetus ybc; fetus ouium /. ~ 253: Nee] 6PM2yc; Neu
M\b2, — 256: quisquis] (S PM2b2c2) quis cuique Mlcl, — 302:
olea\ oleasM; oleae dPRybc, — 374: capreae] SPVyb; capräe M,
— 413: rusci] y2c2; rusti i5i'R; FBVSGI (C durchstrichen, darüber T)
M, — 440: Caucaseo] ölPyb) caucasio d2MR. — 469: e*] Mcyl\
at J J'y2b2. — 514: pe'nates] M; nepotes dPRybc u. Cod. Paris. SuppL
771 {8. 0. A. 6). — m, 78: pontt] SlPM2Rb2; ponto M\ycd2, -
108: elati] dP etc.; elatis M. — 141: saltu] äP etc.; 8dUu9 MR —
CV BK
145: procubet] SP etc.; PROTEGAIT (I durchstrichen) Af. — 182:
equi] SFPR; equis Mbl. — 194: I rouocet] SP; Tum uocet AFMR
ybc. — 233: longua Olympus] LONGIÜS (I durchstrichen) M; magnui
SPR etc. — 257: umerosque] SIPR; humerosq; bcy2\ ÜMEROS (que
fehlt) M; in <f ist que radiert, und /* von 2. H. über umeros gesetzt —
305: Haec] FMRbc, in <r am Rande v. jung. H.; Hae SPyl. — 321
Claudes] SFP etc.; dcMdis M. — 395: Ipse] Myc; Ille SPRb, — 433
eocsulü] exilit SP; extulü M, — 456: et] Sry2; aut MRylb. — 462
atque] SP etc.; aut M. — 474: Tum] SP etc.; Tunc M. — 481: Cor-
rupit] A/etc; Corripuit SP. — 506: grauis imaque lo) go] SPeic;
M corrupt: GRAVIS ALTAQ. LONGO IMAQ.; grauissimaque lofigo R. -
519: relinq\Mi] MR etc.: reliquit SP. — 563: temptaret] Ml; tempta-
rat SM2PRy2bc. - IV, 21: exagmima] M; examina SPRybc.^4f):
gluten] SP etc.; GLÜTE Af. — 86: taniä] SP etc.; TANTÜ (NT ver-
bunden) Af. — 87: quiescent] SPa2c; quiescunt Malb. — 88: ambo]
Mbl; ambos SPcy2a2b2. — 141: spinös] S; SPINVS P; PINÜM
(R über N) Af; pyrum c. — 169: fraglantid] FMy; flagrantia SPa
c2. — 198: neque] SP etc.; DEC (D durchstrichen, darüber N) Af . —
202: refigunt] MyC; refingunt SRb u. so P, nur dass durch Versehen
L statt ¥ (RELINGVNT) gesetzt ist. — 241: At] SP etc. ; Aut M. -
AD
294: iaeit] S2My2bc; iacet SlPRyl. — 295: in usus] SP; IN Af;
AD Rybc. — 301: opstruitur] obstruitur SPbc und R durch Corr.
aus OBSTRITVR; OPSÜITDR M. ~ 319; sacrum] SP etc.; placidum
M. — 331: duram] Ml; ualidam SM2PRybc. — 348: dum fusis]
J/^ etc.; DVM FVSI O; FÜSLS DUM Af; fusis.. dum y. — 361: fa-
dem] SP etc.; speciem Af. — 368; primumj SP etc. ; primus Af. —
385: tecti subiecta] SP etc.; TECTISSÜBLATA (das erste A durch-
strichen, darüber EC, so dass L wol zu I radiert werden sollte) Af. —
409: ßammae sonitum] SPR etc.; sonüum flammae Af. — 410: ahi-
bit] Si ; HABIBIT (das erste I auf Rasur) R; HABEBIT Ä - 430:
i' Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriftcn. 497
uasti circum] SPR etc.; CIRCÜMÜASTI M. — 446: dotnos] cTP etc.;
domus M.
A. I, 284: FhJthuim] PHTIAM B; PTfflAM Mye; pihiam t;
PtTHIAM (Y durchstrichen) P; pithiam J; pheciä (e durchstrichen) C-
ET
— 333: uasHs «t] deP etc,; ETVASTIS Ä; ETUASTIS Af. -^ 356.
domus sctlus] ^iPB etc.; M schiebt ET vor SCELÜS ein. — 36Ö.: cer-
nes] ^PBybc2; cemis McIb. — 436 ^ ftagrantia] Jlf durch Corr. aus
FLAGRANTIA; fraglantia ^r^2bl, FRAGLantia P; flagrantia FMl
Bc€; flagrancia C- ~ 471: multa uastabat] diC^i^P ®^o*; wustabat
mtdta M. — 557: At] MBcf; Ad ^CP etc. — n, 187: posset] SP^
62; po89U FMhlc; possU (et über t*> e. — 226: Effugiunt] ^iPr
abc; Diffugiunt M, — 448: decora illa parentum] dFlBPal; alta, dar-
über iüa, «; aüa MF2a2bcCn^; ^ 7 a»f Rasur. — 491: ntc »pw] c^«
Pyabc; neque ip»i M, — 611: o aedibus] Mi etc.; ab sedibus dPya
— 627: bipennibus] dltPyabc; bipinnibtis if2MV. — 758: vento\
V N o
SiBbc,- VENto P; TECTI M. — 783: res taetae] cT^Pl etc.; Itdhe
3fP2. — 804: wonies] Mfl^l; mon^em J«2Ci?*2Pycm. — III, 82l
a(2^not<»/] FP; ugiiouil 6iyb; agnoscit Mc. — 108: in oras] SiFPy
abc; ad M. 301: omina\ Mi'2J2«; mnnia S\P\. — 362: omnis\
^i2Py\\ omnevi Mfl etc., als Var. ti. omnis in S. -— 402: Petelia]M;
petüia Je Pyabc, 473: /erene«] MP2 etc.; furenti ifPl, auf Ras. f. (üebes
furenti in (T« die Glosse flanii.) — 545: arcw] 3/ etc.; aram dePyl. — 621:.
afoWw] *U*; AFEABIUS M; effabilis i^f2fjPyabc. — 627: tepi-
di] öCn^^y; t.epidi (r radiert) eb; te.pidi a; TREPIDI M; trepidi
P2&. — 655: sumtno cum motUe] Mb cd-; s. co mute (u von. 2.. H- in a
corr.) C; «. cum in monte ^eyla; IN über der Linie Pn* — lY, 26;
Erebo] ^2FGPl und (Eribo) B; Erebi MP2ce; herebi dly2b.—20d:
moUris] Mybct; moliri dFPa, — 408: tum] cTlPetc.^ tunc Md2. In
( stehen die Worte Quis tibi tunc auf Rasur von 1. H. — 42Z: cinerea]
^ItPyabcm; dnerem J2Af. — 428: demittere] M-; dimittere <f£
Pyabc, — 446: radice in tartara tendU] i^eFP2:atbc; RADICEM
3fPl. — 476: et]ÖtP etc.; acAT. — 490: mouet] (f2 (auf Rasur), 3fPl;
MOVIT, darüber von jüng. H. ClET, Fr ciet cfl fP2>'a6. — 497: super
inponas] a; »uperimponas (f e P ; SÜPERINPONANT (NT durch-
strichen, darüber S) M; SVPERIMPONANT F, — 500: praetexere]
(TfP etc.; PROTEXERE (0 durchstrichen, darüber AE) M. — 559: im-
uetvtaej Pya; iuuent^ ^n; iuuenta FMcfC^* — 651: dum fata deus-
que sinebant] (^1(FP2; sin€bat MPlb^2. - Y, 96: caedU binasjM;
caedü quinas ^tCn^PV etc.; CAEDITQ. BINAS B, — 228: fragon-
hus] J2fM etc.; clamoribus cTl (radiert) Py. —238: Proiciam] J«
PBybc^P; PROICIAM (0 durchstrichen und über PR gesetzt) M, — 249:
praecipuosj ^P etc.; praecijme Mi. — 281: plenia subit ostia uelis] AI;
nelis subit ostia plenis cF< CPB Vym u. mit der Var. hostia ri&bc. — 323:
KurgalumJ MJ2( etc.; Heuryalum JIP. — 457: nunc ille shiif^fra]
(Hrjx^PBybc; nunc deinde s. M; nunc inde s. f. —520: contorsit]
498 E, HoffnMnn, Zur KeDntnis einiger Vergil-Handschriflen.
Jc&Pyh; contendit MECn (in Mri über eontendit die Lesart caniorsit
r
gesetzt). — 573: Trinacrii] PlRbe; Tinacrii cT; Trinacriae MP2
etc. — 781: neque] (^tPM2 etc.; nee MlRyl. — 812: timores] d«
FPRyh; TIMORE Mc. - VI, 133: cupido] (ohne nachfolgendes est)
<fP; cupido est M (jedoch durch Puncte getilgt), Byhc(, — 161: exom-
mem] Mi; examimum S PRyhc, — 254: oleum fundens\ StFPyhe
«11/»; infundens M. — 255: lumina solis] 6FPR etc.; limifuit Mi. —
2lOO:stantluminaflamtna]SPlMb2; flammae MlP2Rye.^44b: Pro-
crini] Ml; procrevi (im über em) e; procrin JPy; PROCNIN Ä — 452:
umbras] SiPR; untbram M etc. — 481: Hie] cfeP etc.; Hi Mb, —
b2S: additus] SiPRylb; additur FMy2c. — b5&: strepitnmque]
6 (jedoch TOn junger Hand rescribiert), P^PlEybcij/; sttepituque MP2i,
-^ ebd.: hausit] dF2P\ etc.; luiesU FlMRP2i. — 561: qui lofilitf]
R; quif^ öl'b; qiiis MyCf. - 562: Tum] MRe; Tunc ^ Pyb, —607-
intoiiat] FMRhcy2e; increpat ^ Pyl. — 701: coviprensa] M^2fi»;
eompressa ^li^Pbl. (In ij fehlen die Verse 696—701 im Texte, stehen
aber voti 1. H. am Rande.) — 704: siluae] ^GPRb; SIL VAE My; «tZuti
Fc€, — 724: terram] iSFlPRybl; terras F2GMce. - 746: reUn-
quit] FMbl; reliquit ^ePRyb2, — 766: genus Longa nostrum
dominäbitur Alba] 6 PR etc.; genus nostrum longa d. Ä. € und, nrit
Andeutung der Umstellung, M. — 776: tum] Me etc.; tunc d P. — ebd..
terrae] deP etc.; GENTES (darüber TERRAE) M, — 803: Pacari^
6iPyb\\p; PACARET R; PLACARET M; placarü cb2. — VII, 95:
subita] Si^riPR etc.; subito M&. — 202: Ne] iiPR etc.; NecM.--
681: lote legio] M; legio late StPRV etc. — 722: pulsuque pedum
eonterrita tellus] ^iC^^PR etc.; cursuque M; pulsuque pedum tremit
excita tellus ri mit einigen Codd. Pier, und Heins. — 780: effudere]
diP etc.; effundere Md. — VIII, 56: foedera iunge] MR; foedera, a
aus e corrig., darüber 7 foedere* e; foedere öPyb, — 130: a stirpe]
ö(PR etc.; ab M. — 214: pararet] diP etc.; PARABAT (RE über
BA) M; PARARENT R. —247: deprensum luce] JP; deprensum . . luce
IN
fm radiert) €; DEPRENSUMLUCE My; depremum in luce Ä 6c. — 361:
lautis] cF«P etc.; latis M. — 391: Non] deP etc.; HAUT M. — 491:
Obtruncant] SP etc.; Obtruncat (n über at) e; Obtruncat M. — 512:
A
fata indulgent] fata M; FATÜM (UM durchstrichen) P; fatum «T^Cn*
Rylb; — indulgent] M; INDVLGES (S durchstrichen, darüDer NT)
P; INDVLGEET R; indulget SeCv^^- — öl9: suo sibi muntre] P2
y2; suo tibi inunere SeCPlRbgl; tuo sibi nomine Ml; suo tibi
nomine M2ci?^. — 544: mactant] M ; mactat StP etc. — 559: inex-
p^etns lacrimans] inexpletus MP2; inpletus Ryl; inexpletum StC^
PI und auf Rasur c. — lacrimans] cTfC^P etc.; lacrimis M. — in
amplexu lacrimans ri mit Cod. Montalb. und 2 Codd. Goth. — 582:
.s
complexu] (fc, CONPLEXU Py; complexn. (/radiert) e; COMPLEXÜ
E. Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriften. 499
M; cotnplexus Bb. — ebd.: neu] MB; NEV (V durchstrichen) i>,- ne J«
DI C
yl6. - 583: dicta] SePB etc.; MAESTA M. — 628: ignipotem] cTf P
etc.; OMNIPOTENS M. — 633: ceruice reflexd] SiFByh; REPLEXAM
(über M ein die Streichung anzeigender Punct) M; reflexam cCv^- — 640:
pateras] StP etc.; pateram M. — 661: coruscant] MB; coruscat Se
Pylbe. — 681: nertice] dtP etc.; AÜERTICE M. — 724 725: Hie,..]
Äc...] MBe; Hine.., Eine. ^Pyh. — IX, 68: aequorj ^(2ri^Pl
ybe; aequum F3f/2JB€lf. — 243: fallit] ^e2P etc.; faüet Mtl. —
299: aequewtuf] M etc.; sequetur St Pb, — 363: pugnaj StP etc.;
p%igfiam M; praeda B, — 380: abüum] Ml 52; habitum cl; aditum
St2PM2BVyl, — 382: complerant] StB, conplera/nt Pybc; com-
plebant M, — 484: extremum] cT; EXTREMIS (IS durchstrichen, darüber
u
VM) P; extremis i; EXTREMIS M, — 505: Palicx] SiP etc.; PALECI
M; PAICI JB. — 632: EcfugU] Ei fugit dtPB etc.; Effugit Myl. —
634: Transigit] JPl; Tra7i8adigü B; Transiit P2yl<2; Traicit Mbl
*li|; Traiecit y262cmC*. — ebd.: I] <f«P; über der Linie Af; in 6 und
(ii) y radiert; fehlt in BmC^; et i?. — 721: animo] J<P etc.; animoa
AI (d und il lesen übrigens für : beUatorque a7mio deus itwidit — incipit).
— 724: 14» magtia] M; ui multa SiPBybc. — 733: ffdtnina mittit]
lJluwiMa{nc) f Hl
mittit] M (durch Corr. aus mittet); mittunt dPByl; fulgura m%ttunt
i. — X, 72: potentM nostra] SiPBVybc; NOSTRl (A über I) M. —
83: dassem] SiP etc.; classes Mc. — 94: Tum] M; Tunc SfPByc. —
100: prima potestas] Be; PRIMA (SÜM über PRI) M; summa dCv^
Pybcm, — 180 u. 181: Astur] SiP etc.; Astyr M. — 291: sperat] d
M
PByb2e\ »pira^ü Mble. — 293: proram socios] PRORA . S . SOCIOS Af;
PRORASOCIOS Ä; proras socios dt Pybcm.— 297: puppim] Mylbt;
puppes rfPÄ — 400: Traicit] JPetc; TrahicUMt, — 670: guemue]
UB
dtP etc.; QUO (am Rande QUEMUE) Af . — 754 : InsidiisJ StlPBVb,
mSIGNlS (GN durchstrichen, darüberDI) Mt2, — 763: campo] StP etc.;
campum M. — 857: quamuis dolor aUo uohiere (nach Peerlkamp; die
Handschriften geben QUAMQUAMVIS ALTOUÜLNERE) tardet] tardet
Stylb; TARDAT (das letzte A durchstrichen, darüber E) P; ARDAT
(das zweite A durchstrichen, darüber E) M **). — XI, 126: iustitiae]
SfP etc.; iustüUi M. — 134: siluas] StP etc.; siluam M. — 136: pi-
nus] StI'B etc.; pinos M. — 236: fluunt] SPByc; ruunt Mt. —
267: int er] StCrji'ylc; intra MBb&. — 304: muros adsidet] (assi-
det) SPyc; ohsidet Mbmt. — 35f): pacem hanc aeterno foedere iungas]
FlUMES
dtP etc.; IUNGAS M; FIRMES B. — 378: Drance^ semper] M/; sevi-
per Vrance StCriO^ PBybm. — 381: distinet] Sti&Pybc; detinet
Mt; destinat B; destinet, am Rande detinet, C- — 466: firm et] SFM2y;
^*) S. meine Erörterung dieser Stelle im IV. Jahrg. d. Ztschr., S. 518,
wo ich unter Nachweis des Herganges der Corruption zu schreiben
vvrscblug: quamquam uis alti uulncris ardet
500 E. Hoffmann, Zur Keuntnis einiger Vergil- Handschriften.
firmeni jlflRbcf. — 613: ruiun] J; RVINAM (M durchstrichen) />; ruimm
MRybce. - 822: Quieum] MRb2(; QVACVM (A auf Ras. v. 2 Buchst,) P;
Quacum Jf^'Ac; Cü qua i?. — Xlf, 124: ferro] J«/ Ä etc.; heüo M. —
«tpcrW] M; decori cT« PRybcm. — 273: a/uo] ^« u. (d. Coiir. aus ALVEO)
P; in (T steht über «iuo die Glosse 'hentre' (venire); AURO Af. — 287: aut]
SeP etc.; ET M. — 288: aefow^iq Pe etc.; as«Mn* J; ADSÜNT (U durch-
strichen, darüber TA) M, — 291 : aduerso] J«i> etc.; AÜERSO M. — 332:
increpat] ^iPyb; intonat MB, c auf Ras. von 2. H. — 356: lapso] Af etc.;
elapso (fPl. — 408: mbennt] ohne que SPyb; QÜB ü. d. L. AI; steht in
Uc. — 454: rMcf; $rB etc.; RÜIT M61. — 455: uolant] dPly2b2c; uolana
Myl. ^^:iestaixis\Meic.\ testatur JPR~blb: Nomen Echionium]
Ph2cCn^> womtn [i auf Rasur, und e ober d. Linie, Ton 2. Hand) <f;
NOMINECHIONIYM Äjöl; NOMINEECHIONIÜM M, — 520: üfi*-
«eral J^r;^ f»jR etc.; Limina M. — 582: lutec altera foedera] dCn^
^ etc.; HAEC ALTERA Af. — 5S1: ut cum] JP etc.; i«€lu^ M.
Wo Codex (T weder mit M noch P geht, stimmt er meist mit einer
der Bemer Handschriften oder mit /, zuweilen auch mit F überein. Ohne
auf diese Stellen weiter einzugehen, wollen wir uns zn denen wenden, wo
J mit seiner Lesart — wenigstens im Bereich de« Ribbeck'schen Appara-
tes — allein steht. Von absichtlichen Interpolationen ist J frei. Auch die
Zahl der Stellen, wo sich Glossen in den Text eingeschlichen haben, ist
nur eine geringe.— G. IV, 164 mag die Lesart: et dulci suspendunt
necUire ceUas statt et liquide distendunt fiectare ceUas, so entstanden sein^
dass über distenuaxt als Glosse suspendunt (vgl. v. 162: suspendwtU
cerua), und über Ivjitido ebenso dulci (vgl. A. 1, 433: et dulci distendunt
nectnre cellas) gesetzt war. — A. X, 235: Et d^dit €sse deaa aeuumque
habitare sub undis statt agitare , welches letztere übrigens am Rande
als Variante ((dii agitare") notiert ist. — A. X, 23 ißt aus. einer Glosse
ein die Construction erklärendes in in den Text gerathen: Quin iniraportas
atque in ijjsis proelia miscent Äggeribus. Ebenso hatte sich G. 1, 3: quae
ctira bonm etc. ein die Construction vervollständigendes sit nach cura ein-
gescbliclicn, ist aber radiert.
Häufiger sind Fälle, wo in Versen, die in ähnlicher Fassung an
anderen Orten wiederkehren, der gleiche Wortlaut hergestellt ist ^*) :
E. VII, 5: Ei cantare pures et respondere periti (vgl. E. X, 32)
statt parati.
G. II, 178: quae sit rebus natura creandis (=- cod. Arund., nach
G. U, 9: arboribus varia est natura creandis). — A. I, 297: Sic ait
vnach A. 1, 142. 464 u. ö.) statt Haec ait, — I, 686 mit 6: laticemqae
'^ Dasselbe Streben der AnähnUchung macht sich übrigens auch in
den besten Handsciiriften bemerkbar. Vgl. die Lesarten von M G.
Ul, 241 {-- A. XI, 131. 474); G. IV, 319 (= A. I, 127): G. IV, 473
(= A. VI, 309); A. V, 281 (=» A. 1, 400). VII, 528 (-= G. HL 237);
VII, 727 von 2. H. (- Vll, 206); Vll, 737, zugleich mit T, nach A.
L 2:J6. 622. X, 53. - In /' vgl. (J. IV, 378 ( - A. V, 101. VIII, 284.
Xn, 21.^); A. ya, 814 (- V, 529); F uml r G. IV, 173 - A. VIII, 45L
E. Hoffmann^ Zur Kenntnis einiger Vcrgil-Handschriften. 501
Icneum (nach G. III, MO) statt Lyaeum. — II, 631: traxitque ruinas
(so auch «2, nach A. XII, 453 dahit üle ruinös) statt ruinam. — lil,
167: hinc Dardanus auctor (so auch i auf Rasur, nach A. III, 503.
IV, 365. VI, 650) statt ortits. — A. IV, 28B: (Sergcstumque uocctt for-
iemqiie 8 er est um) ist Serestum radiert und Vun 2. Hand Cloanihuni
nach A. I, 510 gesetzt. — VII, 393: idtm omnes »imül ardor habet
(nach A. IV, 581) statt agä. [In € steht üher agit als Variante habet.] —
VII, 537: ditissimus agris (so Cod. Med. Ker., Menag. I, Parrh. I, Var.
in y; vgl. ditissimus agri A. I, 343. X, 563) statt aruis. — VII, 763:
sumoethia cireum Litora (so i auf Ras.; symetiaGo^. Leid.; sumetia m;
Tgl. A. IX, 584: Symaethia cireum Flumifia) statt umentia. — VIII, 208:
forma praestante iuueneas (so < auf Ras.), veranlasst durch v. 207:
praestanti corpore tauros statt superante. — IX, 613: Conuectare
iuuat praedas (conuectare j uec auf Ras. von 2. H., «) = A. VII, 749, statt
comportare. — XII, 590: magnisque acuunt rumoribus iras (= A. IX,
464: uarüsque acuunt rumoribus iras) statt stridoribus.
Andere Stellen, wo <f von den Handschriften des Ribheck*schen Ap-
parates abweicht, und entweder ganz allein steht oder mit Handschriften
des Pierius und Heinsius stinamt, sind:
E. IV, 56: adsit] assint. — VII, 2: greges] gregem (— Cod. antiq.
Pier, und Rottend, ü.) — . 14: veque] nee (— Frgm. Moret.). — 67: me]
no8. — Vin, 39: acceperat] caeperat {= x)- — ^' ^^^ fra/jilis poteram
ab terra contingere ramos] perfringere. — 74: terque hnec altaria
cireum Effigiem duco] hanc (— Cod. Longob, Pier.).
n
G. I, 145: uicit] uicü (n von 1. H.). — 159: in sHum] in fehlt. - -
279: Coeumque] que fehlt — 310: ^2 acte m cum fiumina tru^iunt] glacies
(vgl. G.IV, 517). — 416: aut] haut (von 2. H. rescribiert). — II, 78: eno-
des] itmodes, — 127: praeseniius] praestofUius (« Cod. Longob. Pier, und
Parrh., und Citat bei Macrob. Sat. III. 19, 3). — 164: Tyrrhenusque fretis
immittitur aestus Auernis] Tyrrhenique fretis immütitur acstus Auerni.
— 233. derunt] deerit, v. 1. H. deerint Cdeen« Ausgaben vor Pierius). —
246: et ora\ at ora, — 340: cum primae lu^^em pecudes hav^ere] 2^^^^
mam (= Cod. Cantabr.) — 360: eniti] inniti. — 369: reformidant] refor-
ia
mident (reformident Cod. Moret. II, Reg. 2.) — 377: acstas] aestus (— Cod.
Med. Pier. u. Parrh.). — 394: lancesque et libä] que fehlt. — 417: iam
u
canit effectos extremus uinitor antes] effectas extremos. — 425:
placitam] ijlacidum (= Cod. Leid, ü, Toll., Parrh., Voss. I, Frgm. Moret.
und Citat bei Diomed. p. 450 P). — 468: at] et, — 479: tumescant] tu-
a
mescunt (=-Cod. Paris. Suppl. 771; s. o. A. 6). — 542: equom] equo, o jc-
dodi auf Rasur. — III, 175: tiluamquc jHdustrem] uibulamquc (= bi-
bulamque; vgl. bibula 2)alus bei Mart. XI, 32, 2). — 268: absiimj}scre\
p
affumsere (assumsere Cod. Goth.). — 302: stabtda a uentis] a von jung. Hand
eingefügt, u. v. 304 que nach extremo ii. d. L. gesetzt. ~ 342: itque pecus
longa Ml descrta] Ivmje. — 367: mttgmt] so cTl; von 2. Hand auf Rasur
502 E. Hoffmunn, Zur Eeuutnis einiger Ver^l-Uandsehrifteii.
7iitixit — 374: grauiterque rudentis Caedunt] pariierque (ob nach
A. X, 756: caedebant pariter parüerque ruebafU etc. ?). — 415: grauis
nidore chelydros] graut (— Cod. Reg., Moret.I und Ausgaben vor Pieriua;
80 aucll Servius und Nonius p. 315, 6). — 502: ad tactum] aitactu (=■ Ma-
crob. Sat. IV, 1, 3). — 526: atqui non] atquin non, darüber die Glostie
*aiqii€ ideo\ - IV, 20: inumhret] adumbret (=Cod. MenteL I, Bodl.). — 42t:
tatebvis Stib terra fouere larem] l. Sub terram f ödere larem (Sub
terra fodiere htreni AI,) — 81: pluU] fluä (in y am Bande). — 190: 9op9r
8UU8] suus sopor (= Cod. Mentel. III, Reg. Goth. I und suos sopar Venet
Heins.). — 290: Persidis] perfidof, — 320: adfatus] affaiur (MenteL I). —
357: percussa] perctdsa (= Ausgg. vor Pierius). — 410: düapaus] delopmu
(ELABSVS GÖ. — 421 : statio ttUissinui] fidissima (=- Cod. Goth. 1). —
482: implexae] impexae (entsprechend der Correctur von M und — • Cod.
Voss. Parrh., und einigen anderen Codü. Heins.) — 490: Eurydicen] eury-
dicem (= Cod. Francian.). — 516: non ulli\ nuUi (— Cod. Venet. Heins,
und Voss.).
A. I, 189: Diictoresque] que fehlt. — 323: mactUosae tegmine lyncis]
maculoso. — 339: fnes Libyci] lybi^. — 409: ac] et (— Cod. Goth. HI; P
fehlt). — 450: Hoc] H^a, — 491: ardet] ardens (unter t» Puncte, darüber
von jüngerer Hand 0 — 563: cogunt] cogit (— € durch Corr.) — 631:
memorat] memorans (=-=6 2) — 701: lymplios] nymphas (Hebendem über-
geschriebenen Ij die Glosse aquas). — II, 67: N am que ut congpedu in
medio] que und in fehlen (in fehlt yl, im Cod. Mentel. II und 5 anderen
Codd. Heins.). — 70: aut quid tum] aut iam qiUd. — 100: Nee] Nan. —
179: auexere] aduexere (= einigen Codd. Pier. u. Heins.). — 349: cu-
pido] cupido ettt (3 Codd. Heins.). — 408: periturus] moriturus (Vulgata
vor Pierius). — 503: Uli] itUus (— «2, Goth. I). — 554: Haec fims] Hie
(— «2 auf Rasur, u. Cod. Franc). — 599 t: et ni mea cura remgtat, Iam
flammae tulerint ininiicus et hauserit ignis] tulerant . . ,hau8erit.
(Das Plusqpf., als Variante über tider int und hauserit gesetzt, wurde nur
an der ersteren Stelle von dem S^'hreiber eingetragen). - 602: diuom
viclementiaj diuom] uerum incl. d., <T2 auf Rasur von ursprünglichem
diuum (= einigen Codd. Pier. u. Heins.) — 620: limine] limUe (« Menag. I,
Venet. Heins., Oudart , Hamb. I). — III, 327 f.: deinde secutus Ledaeam
Hermionen Lacedaemoniosque hy^nemieos] leded. hennione etc. Nach
ledeä ist ein Buchstabe radiert und das Zeichen für m von jüngerer Hand
über a gesetzt Stand von 1. H. : ledeae hermionf lacedtßnioniosque hyme-
naeoH ? — G07: amplexus] amplectens (-» 2 Codd. Moret, 1 Leid. u. Goth. I).
— 647: uastosque ah rupe Cydopas] uasfaque ( = € u. Cod. Oudart.). —
(v. 718, der Schlussvers, ist von jüngerer Hand angefügt. Von erster Hand
folgt er erst nach einem Zwischenraum von drei Zeilen.) — IV, 27: sed
mihi uel tellus opiem prins ima dehiscoA . . .) Ante, pudor, quam te uiulo^
aut tua iura resoluo] uiolem . . . resoluam (—Cod. DorvilL, Witt.,
Parrhas. u. Frgm. Wall.). — 237: hie nostri nuiUius esto] ito (vgl. A.
II, r>47: nuntius ibis), =-- 314: tuam tc] Jl; tuamq; J2. — 315: rcUqni]
rdiquid. — 323: moribundam] morituram (tur auf Ras.); von 1. Hund:
JE?. Hofftnann, Zur Kenntnis einiger Vergil-HandBchriften. 508
moribtmdam. — 414: animos summittere amori] so Jl; animo mmmittere
amore J2. — 430: fereiUis] cTl; furentes 62 (ferenUs t). — V, 83:
Tkybrwi] tfubrim (Viy. hrim h). — 522: subitum] 6( mit Cod. Montalb.,
Rottend. IQL, Hamb. 1, 2 ; ml^ito Codd. Ribb. — 813 : TtUtiS qitos optas portus
accedet] TotiM qiioa optat etc. (Im folgenden Verse gibt J mit e und
allen Codd. Ribb. quaeres, gegen quaeret /). — VI, 5: Fraetexunt] Prae-
tereunt. — 254: superque] que fehlt (=- einigen Codd. Pier, und x\ ~- 383:
Corde dohr tristi: gaudet cognomine terrae] Corde dolor, tristi gaudet
cognomine terra dlxi terrae S2e Codd. Ribb. — 509: Ad quae Pria-
mides] Ad quem (— ;^). — 743: Qudsque suos patimur manis] patitur
(— Cod. Menag. II, Venet. Heitas., Moret. II, Erfurt.). — Vn, 6: ^Herunt]
quierant (= Cod. Montalb. u. Hebrus [?] bei Serv.). — 71: adolet] adolent
(— € 2). — 96: Ne pete conubiis natam sociare Latinis] sociare latine,
über latme *al nif\ — 99: in astra] ad astra (— Goth. II). — 101: uertique
regique] uerti.q; regi.q; (an beiden Stellen t radiert). — 135: effatus] affa-
tue (— Cod. Zulicbb., Leid. Moret. 11, Vratisl. u. Excrpt. Burm.) — 149:
fims] finem. — 160: Lathwrwn] latinum. — 162 f.: piieri et primaeuo
n
flore iuuentus Exercentur equis domiiantque] Ecercetur — dornt-
n
UUq; (exercetur Pyl). — 204: ueterisque dei se more tenentem] ueteri-
que (über i von 2. H. /*). — 347: sinum] sinus. — 380: in^cn** ludo]
ingenti. — 389: Eulioe] Euphoe. — 397: ferfida] perfida. — 461: Saeuit
amor ferri et scelerata insania beUi] et fehlt. — 470: Lattnisqt^e] que
fehlt (= Cod. Franc, Sprot., Dorvill., Hamb. II; in y radiert). — 485:
Tyrrhusque] tyrrhenusque (veranlasst durch Tyrrheus? so 7) — 532:
Ahno] Alnwn (= e, Cod. DorvilL, Witt.). — 602: nunc] nü. — 637: Clas-
tiea iamque sonwnt\ it beüo tessera signuni] namque , , . et, — 660:
iub lummü edidit oras] auras (^(2, Cod. Menag. I, Venet. Heins.,
Witt.) "). — 712: Bosia rura Velint] ro9cida (— «l>2c2) nebst einer
Anzahl Codd. des Pierius und Heinsius). — 723: Hinc] Hoc, darüber *al. hinc\
— 776: Solus uW in süuis] Salus übt et süuis d; S. ubi et ., süuis, in
radiert; <. (An sich ist die Lesart et süuis nicht zu verachten; es würde
dadurch das in v. 775 begonnene Hendiadyoin fortgesetzt: At Triuia Hip-
polytum secretis alma recondit Sedibus et nymphae Egeriae nemori-
que relegat, Solus ubi et siluis Italis ignobüis aeuum Exigeret). —
VIII, 90: iter inceptum celerant] celebrant (— «2, Med. Pier., Hamb. II.
Vgl Serv. z. A. V, 609 und A. IV, 641, wo Ribbeck nach Pyl gradum
celebrabat ediert). — 117: ac tela] et (jedoch von jüngerer Hand rescri-
biert). — 140: At] Et (gleichfalls rescribiert; et bl und als Variante über
At «). — 160: iuuetUa^s] iuuenta (— ( und einer Anzahl Codd. Heins.).
— 169: iuncta] uincta (in e über iuncta gesetzt). — 298: ullae facies]
uUa (— (2). — 596: Quadrupedante] Quadrupedum 6 ; quadripcdante
(so M), darüber 7 quadrupedti^ «, — 611: adfata] efata J; aflata, über
*) Ueber ama als Parallelfonn zu ora s. meine Schrift 'Homeros etc.'
S. 35. A. 37.
5Ö4 E. HoßmanHy Zur Kenntnis einiger Vergil-Uandschnften.
dem ersten a ein e, t. — 618: Exjiiari] Impleri J, in ty als Variante
(= Citat bei Macrob. Sat. V, 8, 11). — 710: lapyge] iainge J 2, iapide
Jl (- Cod. Dorvill); iapyde, de auf Rasur von 2. H., *. — 717 f.: Lac-
tüia ludisque viae 2)l<iustique fremehant; Omnibus in templis matrum
Chorus, Omnibus arae;] atis {= e% Venet. Heins., Goth. II)' — IX, 119;
Mquora] aequoi'e ( = «2 u. Venet. Heins.). — 141: penitiis modo finnc
genus omne perosos Femineum] (modo non ^tFMPybe, nunfiiodoR);
l OS
per OS um J; pero/ü (ü auf Rasur von früherem os) t. (perosum geben
eine Anzahl Godd. von Pierins und Heinsius). — 498: maestusqut per
omnis It gemkus] motusque. — 524: liescindit uaüum] Tra^iseendii
(= *codd. admodum vestuti* Pier.). Eescindi uaÜum et scodas in moenift
poscit (Zougma?), über rescindi 'ai transcendü' «. — 599: morti jpntC'
io
tendere muros] marti J; morti y darüber 'morti pro bello pofitü' und von
jüngerer Hand: 'alii martV, i. (Marti / und einige alte Codd. Pierii). —
Ü84: Quercens] querquem cT« und einige alte Codd. Pierii). — 721: Bei-
latorque animo deus incidit] inciint «T*!. — 723: Et quo sit fortuna
hco] Et qn^ (Tf2. — 808: wlsidtw] assidue — X, 79: soceroa legere]
socios ^^®J, darüber 'al. soceros'. — 129: Meuestheol meneste. J (nucb
c ist ein Buchstabe, der wol o gewesen sein dürfte, radiert); menestUe
f. — 145: hinc nome^i Campanae ducitur urbi] dicitur — 416: di«-
persit] disj)ergit (Goth. 1). — XI, 257. prenuU] premit. — 269: urts]
agris (= c2). — 372: Nos] Nosne. — 383: tonu eloquio] eloquium,
— 613 f.: jmmique ruina Dant sonitum ingcnii\ J mit Codd. Moret.
IL IV. (RVINAM MPlRybct (M in F durchstrichen); ÖONITVM MP
yl; ISONITV Ry2bct; INGENTI MRy2bc(; INGENTEM Pyl.). -
800 : Canucrtere anim os acris oculosque t ulere] Co nuertere oculos acres
animosque tulere (-= Cod. Leid.)— XII, 202: I^ulla dies pacem hanc
Italis] N. d. hanc pacem Italis. — 293: At feruidus aduolat hasia
Messaims] A. f. auolat ipse Messupus. — 426: animos accendit, in iw-
Stern] animos incendit in host es (tncendit Hamb. II). — 456: Tatis
in aduersos ductor Rhoeteius ftostis Agmen agii] uictor (— Hamb. 11
und Leid.). — 457: densi cuneis] densis cuneis (-» Cod. ISprot.) — 489:
leuis cursu] leui ctirru (= Cod. Bigot. u. Hamb. I)^
Wenden wir uns nun kurz noch zu Codex *.
Bei der nahen Verwandtschaft desselben mit J, wofür die mitge-
theilten Lesiirten den genügenden Beweis gegeben haben dürften, ist es
natürlich , dass auch « nur an 'wenig Stellen auf Seiten von R gegen M
und P steht. Solche Stellen sind :
A. 1,572: considere regnis\ ^M etc.; terris tR (T fehlt). — 719:
InsidxU] cTilf etc.: Insideat eJR; [insi]DEAT G (P fehlt). — VU, 321:
a}. dtarum
dirarum ah sede dearum] ifMP; sororum e; sororum Rbm, — 464:
'*) Eine willkommene Bestätigun«' meiner in dem Spicileg. critic. Vindob.
1858, p. 20 vorgeschlagenen Emendation.
E. ffa/tminn. Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriften. 505
furit intun aquax] ifM etc.; aquae uis eFRy^c'im ('P fehlt). Das
Lemma des Servias in c gibt aqttai. — VI IT, 576: Si uisitrus eum uiuo]
al- vivo
d3fP etc.; uiuum s; VTVV E. — X, 280: in manibus Mars ipse uiris]
^MP etc.; niri « Ä. — XI, 542: Sustulit exilio comitem] öMP; ex
illo eR, —I 601: co^iuerms] ^MP; ohuersus eRhc,
Von den Stellen, in welchen e weder mit den Codd. Ribb., noch
mit J geht, wollen wir zunächst A. VII, 740 hervorheben, wo € allein von
allen bisher bekannten Handschriften das richtige bietet: inoenia Abel-
lae (abdl^), während die übrigen alle MOENIA BKLT.AE haben.
Andere Stellen, wo £ von J und den Codd. Ribb. abweicht, sind:
A. II, 634: Atque ubi] Äst ubi € (« Codd. Pariss. IX. XIl. XIII).
— 663: patrem giu obtrwncat ad aras (s. S. 491)] obtruncet ( (jedoch
wie es scheint durch Correctur aus obtruncat) «=» Cod. Mentel. I v. 1. H. -
757: inruerant Danai et iectum omtie tenebant]t€nebafU f2 auf Rasur;
ferebant «1. — IV, 410 f.: totumque uideres Misceri , . , acquor] uastum-
que £ mit Prgra. Wall. V, 457: nunc dextra Uigeminans ictus nunc
nie sitiistra] (s. o. S. 497)] inde e (dürfte wol die allein richtige Lesart
sein). — VI, 265: loca jiocte tacentia lote] silentia e. — Vli, 551:
l ueniant
ündique ut auxüio ueniant] coeant f; coeant Cod. Sprot. — 554:
Quae fors prima dedit sanguis nouus imbuit arma] arua e (setzt die
Lesart sors [in / und Schol. Veron.] voraus). — 561: attoUit stri dentis
anqui^nts alas] stridentibus t ---' y\. — 608: (mnt geminae beUi por-
tae) BeJigione sacrae et saeui fortnidine Mortis]; discrimine f. —
760: Te liquidi fleuere locus] li.uidi (q ist radiert) t. — 778: templo
Triuiae] Triuiae templo f, — VIII, 171: auxüio laetos dimittam]
|l«fM
tut 08 t; tutos einige Codd. Pier. — 313: Jum] Tunc e (=» Citat bei
Serv. I. A. VI, 773 und Isid. Origg. XVI, i). — IX, 524: Rescindit
uaüum et sccdas in moenia poscit] Rescindi e s. o. S. 504. — X, 536:
eaptdo tenus appHicat ensem] abdidit t (= Citat bei Macrob. Sat. V,
10, 5). — 841: Ät] Et e, — ebd.: super arma] supra e. — 844: ca-
IN ND at multo
fUHem multo deformast püluere] MÜLTO M; ifimundo f (vgl. A. XIl,
611: canüiem inmundo perfusam piduere turpans). — XI, 247: lapygUi
agris] iapidis aruis e (aruis b auf Ras., Cod. Moret. I, einige Codd.
Pier.) vgL lapydis arua G. III, 475. - 470: tristi turbatus tempore]
pectore € (so die alten Ausgaben vor Naugerius Venet. Aid. 1514). —
601. tum] tunc f. — Xn, 293: at] et t. — 297: ccdenJtia memhra] ca-
dentia * f— m/). — 341: Thamg^'um] thamirum d; thamyrim ( (Tha-
myrim* — so Heyne- Wagner — 'in quo libro exstet nescio* Ribbeck).
Schlierslich mag noch hinsichtlich der Beziehungen von € zu J auf
den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass e offenbar nach cf oder
dessen Vorlage corrigiert worden ist, indem alle, und zwar von der Hand
des alten Glossators in den Text von e eingetragenen Correcturen oder über
die Linie gesetzten Varianten genau der Lesart von J entsprechen, auch
wo diese nicht eben die richtige ißt. Für diese Uebereinstimmung der Los-
MC E, Hoffmann, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschrifken.
arten der 2. H. in « mit J, und zwar dl, liefge sich ein langes Ver-
zeichnis von Stellen beibringen, doch reichen zum Belege wol schon ge-
nügend die Stellen aus, die in den obigen Verzeichnissen sich finden.
(S. 0 S. 486: A. I, 284; S. 487: A. V, 163. IX, 123; S. 4<S: IX, 432. E.
VUI, l(i7. IX, 30; 8. 491: A. I, 513. 518. II, 321. UI, 319, 665; S. 492:
A. VII, 755; S. 493: VD, 773. VllI, 72. 227. 244. 357. 378; S. 494: IX. 91.
143. 371. 383. 400. 456. 552. 685. 710; S. 495: X, 673. E. X, 10; S. 497:
A. I, 284. II, 187. 448. 804. III, 362. 473. 621. 627; S. 498: VUI, 56.
247. 491. 582. S. 499: IX, 68. 243. 380. 484. 733; 8. 501: II, 631; m, 167.
VU, 393. 763. VIII, 208. IX, 613. S. 502: J, 568. 681. n, 503. 554; S. 503:
IV, 430. VU, 71. Vm, 140. 169. 298. 596. 611; S. 504: VUI, 618. 710.
718. IX, 119. 141. 524. 599. 723. 1, 572; S. 505: VIU, 576. H, 757. VII,
551. VIII, 171. X, 844.
Ueberblicken wir nun das Verhalten von «f und f, so werden wir
nicht umhin können, sie denjenigen Handlungen beizuzählen, die — frei
im ganzen von willkürlichen Interpolationen — sich vermittelnd zu der
Ueberlieferung der älteren Textquellen verhalten. Werthlos würden solche
Handschriften dann erscheinen müssen, wenn bei Vergil wie bei manchem
anderen Autor eben nur eine einzige Handschrift als die Trägerin der
echten unverfälschten Ueberlieferung zu gelten hätte, die übrigen aber nur
subsidiär zur Behebung zufälliger Corruptelen der Haupthandschriffc heran-
zuziehen wären und auch da nur nach Mafsgabe der Congruenz ihrer Les-
arten mit den Zügen jener Handschrift. Aber so einfach steht eben nicht
die Frage bei der Textkritik des Vergil. Um von R und seinem nicht sel-
ten durchaus willkürlichen Texte abzusehen, kann weder der Mediceus
überall als zuverlässiger Führer betrachtet werden, und noch weniger viel-
leicht der Palatinus, dessen Text nicht nur an zahlreichen Stellen durch
die Flüchtigkeit des Schreibers entstellt '^, sondern auch vielfach will-
kürlich geändert oder durch angenommene Glossen corrumpiert ist**).
'^) Um nur auf Proben auf beschränktem Baume zu verweisen, so sehe
man die Lesarten von P: G. IV, 7. 11. 22. 23. 37. 41. 46. 4«. 57.
60. 62. 63. 69. 71. 84. 93. 121. 126. 144. 146. 176. 198. 202. 220.
223. 265. 282. 293. 332. 346. 361 u. s. w.
••) Vgl. aufser den die in A. 31 erwähnten Lesarten von P G. HI, 426:
conuoluens subkUo corpore terga st. pectore; 483: atiraxera.t
artiis st. adduxerat; 535: montisque per arduos st. <iUo8. — IV,
170: 2 e nie st. lentis, — 173: gemU imposUis iticudilms antrum st.
Aetna. — 195: flatu iactante saburram st. fluctu, — 217: pec-
tora hello Obiciunt st corpora. — 231: flores (von Philargyrus
als Emendation erwähnt) st. fettis. — A. IV, 267: ignare st. oh-
Ute. — A. VU, 699: liquida inttr flumina cycni (von Ribbeok auf-
genommen) st. nuhüa. — 814: Attonitis haesere animis (= V,
529) st. mJUans. — IX, 33: suhitam magno glomerari ptUuere
nuhem st nigro, — 604: duro gelu st saeuo. — 631: letifer arcus
st. fatifer. — Als Emendation ist wol auch IX, 237 die von Ribbeck
aufgenomme Lesart von P zu betrachten: ar dentis Marie Latims
st tiorrentis. — G. III, 535 gibt P; attoniti squamis serpenti-
bus hydri st. adstantibvs. Ribbeck glaubt auf die Lesart surgen^
tihus schlieCsen zu sollen; aber diese selbst könnte nur als Glosse
E. ffoffnumn, Zur Kenntnis einiger Vergil-Handschriften. 507
Selbst die Taticanischen Fragmente bieten, von den Schreibfehlem abge-
sehen, nicht überall Lesarten, die als echt gelten können. Mag daher auch
die Kritik immerhin die eine Handschrift als relativ besser und zuverläs-
siger im Vergleich zu den anderen betrachten, so wird sie doch nicht um-
hin können, bei jeder einzelnen Stelle die Ueberlieferungen sämmtlicher
alter Textquellen unter einander abzuwägen, ehe sie für eine sich ent-
scheidet. Deutliche Spuren weisen eben darauf hin, dass unsere sämmt-
lielien alten Vergilhandschriften mit mehr oder weniger Zwischenstufen
aus einem und demselben ürexemplar stammen. Beweis dafür sind ihre ge-
meinsamen Fehler "). Ihre Differenzen unter einander sind nur von der
Art, dass wo sie nicht durch blofses Versehen der Abschreiber entstÄuden
sind, oder sich als willkürliche Emendationen, hie und da auch als Aende-
rungen auf Grund von Reminiscenzen erweisen, ihr Entstehen auf Varianten
zurückzuführen ist, die, zum Theil aus dem Handexemplare des Dichters,
zum Theil aus der Besserungslust eines Kritikers stammend, in eine Text-
Abschrift aus der Recension von Varius und Tucca ^°) , sei es am Rande,
sei es zwischen den Zeilen eingetragen wurden, und nun für die Ab-
schreiber sowol Gelegenheit zu beliebiger Auswahl wie auch Anlass zu
corrupter Vermischung der verschiedenen Textfessungen boten ^'). Aus der
zu adstantibus gelten. Ich meine jedoch, dass in dem Exemplare,
aus welchem P stammt, über HYDRI die Glosse SERPENTIS ma^
gestanden und so den Schreiber veranlasst haben, SERPENTIBVö
an die Stelle von ADSTANTIBVS zu setzen.
») S. die S. 485 erwähnten Fälle corrupter Versanordnung, und weiter die
in A. 19 berührten, auf der Vertauschung von V und B beruhenden
Fehler. Vielleicht hätte zu diesen Fällen auch A. I, 317 gefügt wer-
den können, wo statt des unpassenden handschriftlichen HEBRVM
(— HEVRVM) Ribbeck die Conjectur von Ruteers aufnahm EVRVM.
— A. VUI, 193: spelunca Semtfwminis Caci fades quam dira tege-
hat (MlPRyhl^f) st. tenebat (M2h2Cl — IX, 581: Martis
luco (MPBhcifß^i) St. Matris (y). - XH, 120: Velati Uno (MF
Rybc&e) st. limo. — 221: Pubentesque genae {MPRy2bmS() st.
Tabentes («= c). — 541: dipei mora profuit aeris {MPRybc
xIjS) st. oer«. — 648: inscia ctUpae (MPRybcmt^^) st. nescia,
Hiefür gibt den Beweis die Auslassung der Stelle A. U, 567—588.
Auf einen solchen Fall in G. 1 , 186 haben wir bereits bei Bespre-
chung von ^ S. 136, A. 20 aufmerksam gemacht Einen anderen Be-
leg bietet A. IV, 564, wo die Varianten der Handschriften auf fol-
gende Grundform führen:
8 CONCITAir 8
VARIOQVE IRARVM FLVCTVAT AE8TV
Daraus entstanden die Lesarten:
uarioque irarum fluctuat aestu (Mabl);
uariosque irarum concitat aestus (Pcm^2i);
uariosqiie irarum concitat aestu (F);
uariosque irarum fluctuat aestus (Jlb2).
üeber A. Vll, 307 genügt es auf Ribbeck's Anmerkung zu verweisen,
der über die in vielfacher Combination vermischten zwei Hauptles-
arten bemerkt: 'Credo ipsum poetam Iws duas scripturas in schedas
coniecisse.' — A. IX, 143 dürfte die Grundform in der Schreibung
von F zu finden sein:
LETI DISCRIMINE PARVO.
^
50R K Hoffmatmy Zur Kenntnis einiger VergiUHaiidschriften.
gemeinsamen Abstam.i ung unserer ältesten Vergil-Texte ergibt sich dann
aber auch der Schluss, dass Handschriften gerade um so mehr einen Ter-
mittelnden und scheinbar eklektischen Charakter tragen müssen, je treuer
sich in ihnen die Uebcrlieferung des ürexemplars fortgepflanzt hat. Ohne
demnach den Werth der Codict^s 6 und t irgendwie überschätzen lu wollen,
werden sie doch den Handschriften beizuzählen sein, die bei Festätellong
des Vergil-Textcs Berücksichtigung verdienen.
Wien. Emanael Ho ff mann.
Daraus entstand: leti discrimine parva {My(2); leti discri-
mina parua (Mlbcd; statt PAKVA gibt /^jedoch Ton 1. H.
oorrupt PARVAS) und leti discrimina parvo (HF2^). A.iX,
455 f. dürfte möglicherweise der Dichter selbst über die ursprüng-
liche Lesart tepidumqtte recerUi Caede locum die gewähltere tepi-
duquc rec&ntem catde locum angemerkt haben:
A . EM
TEPIDVMQVE RECENTI | CAEDE LOCVM
und es entwickelten sich so die Lesarten:
tepidumque recenti Caede locwn Py\\
tepidumque recentem Caede locum B.M2;
tcpidamque recentem Caede locum M\;
tepidaque recentem Ca^de locum ^fy2bc.
Zweifelhaft ist es, obA. IX, 613 die' Grundform etwa die folgende
gewesen sein dürfte:
u
PRIMIQVE RVINA
DANT SONITVM INGENTEM
oder :
PRIMIQVE RVINAM
M RM
DANT SONITV INGENTI
AI ijibt: primique ruinam \ datit sonitum ingenti;
Ity2t: primique ruinam | dant sonitu i7igenti;
y ' 1 ;' 1 : primique ruinam \ dant sotiitum ing entern;
/^2: primique ruina \ dani sonitum ingentem;
cT: primique ruina \ dant sonitum ingenti.
In gleicher Weise könnte man sich A. VI, 559 die Lesart von Fl
B: strepitumque exterritus haesit aus der Vermischung der Les-
arten: strepitumque extcrritus hausit (Plybc^f/d undF2) und
strepituque exterritus haesit (MP2£) entstanden denken, doch
dürfte hier wol gerade die Lesart von JPl und R die echte sein,
und grammatische Scrupel eines Recensenten mögen für strepi-
tum exterritus haesit jene Emendationsversuche veranlasst ha en.
Vgl. Tac. An. IV, 28: innocentem Cornutum et falsa exterritunif
wo manche Herausgeber gleichfalls emendieren zu müssen glaubten
und das wenig passende falso setzten.
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
M, Tullii Cweronis de amicüia Über qui inscrihitur Laelius.
Für den Schulgebrauch erklärt Yon Gustav Lahmeyer. Leipzig
Teubner, 1862. — 6 Sgr.
Unter den Schriften Cicoros, welche in der Teubner'schen Sammlung
Ton Schulausgaben mit Anmerkungen bis jetzt erschienen sind, sind der
Cato maior und Laelius von G. Lahmeyer bearbeitet. Beide Bearbeitungen
entsprechen dem Standpunoto der Schüler, für welche sie bestimmt sind,
obgleich wir den Cato wegen seiner noch zahlreicheren und bedeutenderen
sprachlichen Bemerkungen vorziehen möchten. Ein Vorzug ist beiden ge-
meinsam, die Kürze und Einfachheit der Einleitung, die besonders wohl-
thuend wirkt, wenn man sie etwa mit der in dör gleichen Sammlung er-
schienenen Planoiana von Köpke vergleicht. Di« Verfasser von Schulaus-
gaben, die für den Gebrauch der Schüler berechnet sind, müssen nun ein-
mal, wollen sie ihren Zweck erreichen, zunächst für Schüler schreiben,
nicht für den Lehrer, der doch neben ihren Büchern streng wissenschaftlicher
Werke nicht wird entrathen können und wollen.
Der Text des Laelius ist im ganzen in der vorliegenden Ausgabe
der von Halm in der Zürcherausgabe gegebene; an einigen Stellen, über
die am Schlüsse Rechenschaft gegeben ist, hat der Herausgeber theils
fremde theils eigene Vermuthungen aufgenommen, manche davon wie 10,
35. 20, 74 sind wol nur aufgenommen, um einen lesbaren Text herzu-
stellen. Denn ob an der ersten Stelle Seyflfert selbst seine von L. aufge-
nommene Interpunction noch vertreten möchte, zweifeln wir; wenigstens
können wir nach der ganzen Art der Erörterung von §. 33 an nicht eine
Angabe der Gründe, sondern nur eine Angabe der factischen Vorkommnisse
berechtigt finden. Freilich was in arguerentur steckt, ob argui und ein
Adverb, getrauen wir uns nicht zu ergründen. An der zweiten Stelle hat
L. allerdings recht, dass necesse nicht fehlen darf. Nur möchten wir es
nicht ausgefallen glauben, sondern necessarioa in necease amicos auflösen.
Ohnehin ist es ganz wesentlich, dass der Begriff amicus, nicht blofä neces-
sarius im Satze stehe. Im folgenden ist dagegen die Lücke wol nicht mit dem
auch sprachlich sonst kaum zu rechtfertigenden amandum est auszufüllen,
Ztiuchrift f. U. Gaterr üymn. 18ß3. VlJ.Ueft. 34
oiO O. LahmeyiT, Cic. de amicitia über, ang. v. L, Vielhaber.
aach Dicht mit colendi sunt od. ä ist geholfen, sondern wol eine grof^ere
Lücke (etwa 1 Zeile) anzunehmen, in der unter anderm etwas gestanden
haben muss, worauf sich das folgende äliter bezog. — 21, 77. Ab amicitia
Q. Pompei meo nomine sc removerat, ut scitis, Scipio: propter dissensionem
autem, quae erat in re publica j cUienatus est a coüega nostro Meteüo:
utrumque egit graviter auctoritate et offensione animi non
acerba. L. ändert das anstöi^ige auctoritate in oc temperatef wodurch kein
besonders ansprechender Gedanke entsteht. Wir möchten das üherlieferte
auctoritate festhalten, aber die Stelle so erklären, dass graviter 'würdeToU*
seine Begrü idung hekommt durch die folgende ablatiyi causae: ciuctoritate
und offensione a. non acerba. Für solche Ablative auch bei Cic. s. Madyig
de fin. 1, 10, 33. In dem zweiten Ablativ liegt dar Hauptnachdruck auf
non acerba nach einem bekannten stilistischen Gesetze vgl. Naegelsbach
Stil. S. 60 (2. Auflage). Die Stelle würde also etwa lauten: beides that
er in würdiger Weise vermöge seines persönlichen üebergewichtes (das zu
einem kleinlichen Vorgehen^ nicht bemüJüsigt war) und weil keine Bitter-
keit und Empfindlichkeit in ihm war. Ob man eine chiastische Beziehung
des ersten auf Metellus, des zweiten auf Pompejus anzunehmen berechtigt
sei, lassen wir dahingestellt. — 25, 96. Laelius hat die lex popularis des
C. Licinius Crassus de sacerdotiis als Prätor verhindert. Ita re magis quam
summa auctoritate causa üla defensa est, L. ändert su^ma in mea,
andere streichen es. Uns scheint summa richtig und Seyfifert in der Recht-
fertigung desselben nur nicht das fnagis behandelt zu haben, an dessen
Stelle man vielleicht potius erwarten möchte, so dass das Gewicht der
Gründe und das Gewicht des höchsten Amtes sich gegenüber gestellt
würden. Indessen ist magis in der Weise zu fassen, dass 'es einem Begrifie
gröfsere Anwendbarkeit auf einen gewissen Fall beilegt*. Haase bei Beisig
Anm. 399. Also: ich darf mit mehr Rocht behaupten, dass jene Verthei-
lung durch das Gewicht der Sache als das des höchsten Amtes gelungen
ist (da ich das letztere gar nicht hatte). Um den letzteren Beisatz nicht
für eine Erschleichung zu halten, vgl. Liv. 21, 5, 3 und ähnlich Cic. de
off. 1, 10, 32. — 27, 101 Quoniamque ita nUio comparata est vüa nostrae,
ut alia aetas oriatur, maxime quidem optandum est, ut cum aequor
libus possis. . ad aücem, ut didtur, pervenvre. L. setzt recht ansprechend
nach nostrae ein e nostra. Indessen dürfte die Ueberlieferung zu halten
sein, wenn man nur ^iostrae nicht auf die Zeit des Redenden, sondern auf
das Menschengeschlecht überhaupt bezieht, so dass man ohne wesentlich
den Sinn zu ändern humanae dafür setzen könnte. Denn dann ergibt sich
der Gedanke : weil das menschliche Leben so gestaltet ist, dass eine andere
Generation (natürlich auf die vorangehende) folgt mit andern Anschauungen,
andern Tendenzen, so etc. — Was die Erklärung betrifft, so möchten wir
an einigen Stellen der Seyffert'schen Auffassung uns anschlieTsen, so 21, 77.
21. 80; da wir indessen neue Momente nicht beibringen können, wollen
wir nicht weiter darauf eingehen.
Wien. L. Vielhaber.
L. ChoUmuSf Dispositionen etc., ang. v. K. Tmnmchek, 5U
Dispositionen und Materialien zu deutschen Aufsätzen über The-
mata für die beiden ersten Classen hölierer Lehranstalten. Von Dr. L.
Cholevius, Professor am Kneiphöfschen Stadtgyinnasium zu Königs-
berg in Pr. Erstes Bändchen. Dritte vermehrte und verbesserte Auf-
lage. Leipzig, Teubner, 1864. — 1 Thlr. 6 Sgr.
Um den geringeren Umfang des ersten Bändchens seines Hilfsbuches
gegen den des zweiten auszugleichen, hat der Hr. Verf. eine Gabe von 25
kleinen Aufisätzen unter Nr. 101 — 125 dieser dritten Auflage des ersten
Händchens angefügt. Die Vorzüge, welche den Aufgaben und Dispositionen
des Verfassers zukommen (vgl. diese Ztschr. Jahrgang 1860. S. 807 ff. und
Jahrg. 1863. S. 214 ff.) , vermibsen wir auch in den neuen Aufsätzen nicht.
Wieder ist anzuerkennen, dass der Gesichtskreis des Schülers nirgends über-
schritten wird und überaU der Entwickelung eine concrete Grundlage ge-
boten ist. Da begegnen wir z. B. einer Keihe passender Aufgaben, die an
didaktische Gedichte oder inhaltsreiche Sprüche sich anschliefsen (Nr. 101,
105, 106, 107, 108, 115, 118, 121); darunter sind insbesondere auszuzeichnen:
Nr. 101 ein Thema nach Rückert's: 'Drei Eaele kenn' ich, die gewaltig
sind* u. s. w., Nr. 106 nach desselben Dichters bekanntem Brahmanenspruch .
'Sechs Wörtchen nehmen mich in Anspruch jeden Tag' u. s. w., Nr. 104,
wo die Spruche 'fortes fortuna adiuvat* und 'Gott ist in dem Schwachen'
mächtig* nach dem antithetischen und zugleich übereinstimmenden, das
sie bieten, in treffender Auseinandersetzung entwickelt sind. Das letztere
Thema zeigt zugleich, wie der Hr. Vf. es versteht, echtem Gefühle zu un-
gesuchtem Ausdruck Gelegenheit zu bieten, indem er hier durch den Um-
stand veranlasst, dass E. M. Arndt beide Sprüche zusammen unter sein
Bildnis setzte, dem Stoffe eine nationale Beziehung und patriotische Wärme
verleiht. Wo ethische Verhältnisse den Ausgangs- oder Zielpunct des
Themas bilden, werden auch in diesen Aufgaben die Anhaltspuncte klar
vorgelegt, an die sich wie von selbst das reine Urtheil anschlieJfst. Als ein
Muster in dieser Beziehung ist uns das Thema Nr. 115 'laudamus ueteres,
sed nostris utimur annis* (Ovid) besonders schätzenswerth erschienen. Nicht
mit Unrecht hat Cholevius seiner Sammlung als Motto die Worte G^the*s
vorgesetzt: 'greift nur hinein ins volle Menschenleben — wo ihrs packt, da
ists interessant'; denn in der That vermag auch dieser Spruch den um
Stoff zu Schulaufgaben ängstlich verlegenen Lehrer zu beschämen. Und so
verdankt der Hr. Verf. viele seiner Aufgaben den nächstliegenden Gegen-
standen des umgebenden Lebens. Wenn auch in dieser Richtung das neu
hinzugekommene Thema Nr. 114 'Das Spinnrad* ein Interesse berührt, das
für Jünglinge femer liegt, und insbesondere derSchluss der Entwickelung
desselben durch die Klage über das Zurücktreten der Handarbeit von ein-
seitiger AufflBissung nicht frei ist, so ist doch eine ganze Keihe von ein-
schlägigen Arbeiten tactvoU ausgewählt und behandelt. Da hat uns z. B.
das Thema Nr. 120 'Das Vaterhaus* und Nr. 123 'welchen Werth für einen
Landwirth ein guter Nachbar hat*, letzteres namentlich wegen seiner sin»
nigen Ausführung vorzugsweise gefallen. Auch den heiklen Aufgaben jpstbe»
tischer Art beg^^en wir wieder. Ist einmal ein Kunstwerk der Dichtung
34*
512 L, Cholevius, Diepositionen etc., ang. v. K. Tanuuchek.
in der rechten Art mit der Jugend nicht durchgesprochen, sondern durch-
genossen, so mag bei vorsichtiger Wahl des Themas und seiner Behand-
lung auch durch Schulaufgaben die Weckung des ästhetischen Bewuastaeins
zum Ziele genommen werden. Doch muss der Lehrer sicher sein, dass er
dadurch gleichfalls die Freude des Schülers an dem Werke befestigt, ver-
tieft und wo möglich erhöht. Immer mag man sich dabei Gkethe^s Satz
vor Augen halten, der die stille Fruchtbarkeit gerade solcher Eindrücke
für ganz unschätzbar erklärt, die man geniefsend, ohne zersplitterndes
ürtheil in sich aufnimmt. £r fügt bezeichnend genug hinzu: 'die Jugend
ist dieses höchsten Glückes fähig, wenn sie nicht kritisch sein will, son-
dern das Vortreffliche und Gute ohne Untersuqhung und Sonderung auf
sich wirken lässt.* Goldene Worte, die jedem Lehrer das endlose mündliche
und schriftliche Zergliedern der dichterischen Meisterwerke in der Schule
gründlich verleiden sollten. Aus diesem Gesichtspuncte haben wir in dieser
Zeitschrift (Jahrg. 1865. S. 64), selbst gegenüber einem so vorzüglichen
Schulmanne wie Cholevius, die Methode entschieden misbilligen müssen,
welche in dessen Schuleommentare zu Hermann und Dorothea befolgt ist
und von jenen Grundsätzen abirrt. Hiernach erscheinen uns manche der vom
Hm. Vf. zu Hermann und Dorothea vorgeschlagenen 24 Aufgaben geradezu
das unpedagogische einer solchen Behandlung der Schullectüre darzuthun.
Sie stützen sich auf Untersuchung und Sonderung des einzelnen, welche
den Genuss und die Wirkung des Gedichtes eher zu stören als zu erhöhen
im Stande sind. Denn zur Leitung der Leetüre, ja selbst der Privatlectüre,
um *das blofse Lesen in ein aufmerksames und erspriefsliches Studium zu
verwandeln', schlägt der Verfasser seine Themata vor. Darunter sind Auf-
gaben enthalten, wie die folgenden: Nr. 18: 'wie der Dichter die Natur
geschildert und welche Stellen ausnahmsweise an das Sentimentale strei-
fen *, Nr. 21 : 'eine Zusammenstellung der hauptsächlichsten epischen Ver-
zahnungen* Nr. 24: 'wie die französische Revolution aufzufassen war, wenn
sie in ein idyllisches Gedicht hineinspielen sollte u. s. w.' Man sieht, dem
Verfasser ist es wirklich vor allem und zunächst um das Studium des
Werkes, uns hingegen vor allem um den Genuss desselben zu thun. Der
Schüler, sagt Cholevius, muss dem Dichter Schritt für Schritt folgen lernen.
Wie das Gedicht selbst, fährt er fort, sich aus Einzelheiten zusammen-
setzt, so müssen sich seine Wahrnehmungen allmählich zur Auffassung
gröfserer Theile und allgemeinerer Eigenthümlichkeiten der Daratellung
ansammeln, worauf ihn zuletzt ein nach bestimmten Gesichtspuncten geord-
neter Rückblick veranlasst, sich das Ganze zu vergegenwärtigen. Auf die-
sem heuristischen Wege nun soll der fortlaufende Commentar und Haus-
aufgaben der bezeichneten Art die Leetüre begleiten. Aber die Gefahr liegt
nahe, die kritische Beobachtung stets in die Auffassung einzumischen und
durch jene diese zu verkümmern. Naturgemafs hingegen, vorzüglich bei
jugendlichen Lesern ist es, dass über die Auffassung des Einzelnen und die
Freude daran die fortlaufende dichterische Darstellung uns hinreifst, bis
wir im Genüsse des Ganzen gewissermafsen ausruhen. Wer auch wollte es
sich gefallen lassen, wenn z. B. bei Darstellung einer fesselnden Tragoedie
der Kritiker an unserer Seite fortwährend sein aufklärendes Urtheil ein-
B. Eeufs, Graf Ernst v. Mansfeld, ang. v. F, Krofies. 518
mengte und von uns selbit überall ein Urtheil verlangte. Ein ähnliches ist
es, wenn man ein dichterisches Werk in der Schule sogleich mit Rücksicht
auf ein möglichst vielseitiges Studium desselben zu lesen unternimmt. Da
gilt es vielmehr blofs die einfachsten Hindemisse des Verständnisses eu
beseitigen und im übrigen dem Werke selbst es zu überlassen, seine eigen-
thümliche Wirkung zu thun. Ist diese Wirkung gesichert, Genuss und
Freude am Werke erzielt, dann erst mag ein Verweilen bei einzelnem und
ein geordneter Rückblick über das Ganze hinzutreten, um dem Gefühle die
Einsicht, selbst mit Rücksicht auf sesthetische Kritik, zu gesellen. In dieser
Beziehung wird der Lehrer bei der Leetüre von Hermann und Dorothea in
der Schule dem Commentare des Verfassers, wie dies von dem Werke eines
80 hochgebildeten Kenners der deutschen und antiken Dichtung nicht an-
ders zu erwarten ist, nicht wenige treffliche Winke entnehmen können.
Auch einige der vom Verfasser zu dem Gedichte gestellten Aufgaben, wenn
sie nur nicht mit ihren Reflexionen der Leetüre unmittelbar sich aufdrän-
gen, dürften mit Erfolg zur Ausführung kommen. Da mag denn selbst ein
Thema gelten, wie etwa Nr. 15, 'weshalb erscheint uns der Dorfrichter als
ein Charakter von epischer Gröfse, obgleich wir ihn doch nur sehr ge-
wöhnliche Dinge thun sehen.' Immer vorausgesetzt, dass dem Schüler die
berührten sssthetischen Verhältnisse in klarer Einfachheit vorgelegt wurden.
Aufgaben, welche an Werke der Dichtkunst anknüpfend, nicht so-
wol das formell-ffisthetische als vielmehr die stoffliche Grundlage derselben
oder historische Umstände im Auge haben, erregen geringeres Bedenken.
Von dieser Art sind die einschlägigen Themata, mit welchen der Verfasser
diese Auflage der 'Dispositionen und Materialien* bereichert hat. Darunter
ist die Entwickelung zu Nr. 111: 'Die Schwermuth und die Genesung des
Orestes, nach Goöthe* besonders auszuzeichnen. Dagegen gibt die Dispo-
sition zu Nr. 117 'Die orientalische Localfarbe der Darstellung in Lessing^s
Nathan der Weise' Veranlassung zu einer wol sorgföltigen aber einseitigen
Leetüre des Ganzen, die zu mechanisch ist, als dass sie zugleich genuss-
reich und fruchtbar wäre. Dies aber soll in der Anleitung der Schule
selbst die wiederholte Leetüre eines dichterischen Werkes immer bleiben.
Graz. Karl Tomasche k.
Graf Ernst von Mansfeld im böhmischen Kriege 1618 — 1621.
Ein Beitrag zur Geschichte des dreifsifflährigen £ieges, von Rudolf
Reufs. Mit einem Plane von Pilsen. Braunschweig, Schwetschke u.
Sohn. (M. Bruhn), 1865. XIU u. 128 S. — 18 Sgr.
Der drelfsigjahrige Krieg kann mit Fug und Recht , was den Streit
der leitenden Anschauungen oder die Masse des geschichtlichen Materia-
les betrifft, eine wahre Fundgrube von Anregungen zu monographischen
Arbeiten genannt werden. Der vorliegende ^Beitrag** zählt zu den beston
derselben. Innerhalb eng begrenzter historischer Verhältnisse sich bewegend
fpflselt er durch klare und genaue Erörterung von Thatsachen, die als be-
wegende Kräfte im grofsen Gange weltgeschichtlicher Ereignisse mitwirk-
ten und an letzteren ihren Hintergrund finden. Und was ihm einen beson-
514 B, Reufs, Graf Ernst v. Mansfeld, ang. v. F. Kranes.
deren Werth verleiht ist die emsige Durchforschung der nahezu uner-
schöpflichen Flugschriftenliteratur jener Tage, in so weit selbe seine
Aufgabe berührte und dem Verf. zugänglich war. In dieser Beziehung ist
der Anhang (S. 112—122) u. d. T. „Einiges zur Quellenkritik'* sehr dan-
kenswerth. Namentlich waren es die Sammlungen in Wolfenbüttel, Berlin,
Weimar, Göttingen, Erfurt, die der Hr. Vf. unmittelbar durchforschte oder
von befreundeter Seite für seinen Zweck durchforschen liefs. Auf eine
„ausführliche Bearbeitung** der „sehr zahlreichen Mansfeldliteratur** meint
er jedoch (S. 114) verzichten zu können, da binnen kurzem die einschlägige
Arbeit seines Freundes E. Fischer „de Emesti Mansfeldii scriptis apolo-
geticis nee non de actis Mansfeldicis" erscheinen würde.
Dass der Hr. Vf. mit dem ganzen Rüstzeug gedruckter Vorarbeiten
vertraut ist, erhellt aus dem Büchlein; dass er einer entschiedenen Auf-
fassung, der protestantisch-liberalen, huldigt, bewahrt ihn vor dem leidi-
gen Schwanken in ürtheil und Darstellung; dass er ohne blind zu sein
für die moralischen Gebrechen seines Helden, denselben überall, wo es
angeht, lebhaft in seinem Rechte vertritt, darf ebenso wenig bemängelt
werden. Nirgends hat endlich, und darauf legen wir groflses Gewicht, den
Hrn. Vf. die ausgebreitete Lesung der religiös-politischen Flugschriften jener
Zeit zu einer allzu schroffen Auffassung der Dinge getrieben, oder eine so
schneidige Apodiktik der Behauptungen veranlasst, welche gegen den ob-
jectiv ruhigen und gemessenen Ton der Erzählung störend abstäche. Doch
findet sich z. B. S. XI des Vorwortes ein Satz, den der Hr. Vf. gleich selbst
darauf in einer Weise erläutert, dass sein Kern schier ganz verloren geht
und die bekämpfte gegnerische Anschauung weit mehr Recht behält, als
ihr der Hr. Vf. zusprechen möchte. Er sagt nämlich : „Es galt in der That
die Erhaltung der religiösen Freiheit, wenn auch nur in einer höchst
mangelhaften Gestaltung, es galt die Erhaltung der politischen Freiheit,
wenn auch nur in veralteter Form ; es galt in der That die Existenz „der
teutschen Libertät und wahrhafft Evangelischen Religion gegen das spa-
nische Joch und der Päbstlichen Tyrannei" -- und beweist selbst unmittel-
bar später mit grofser Gewandtheit, dass „dieser ganze Krieg oft nur eine
ermüdende Wiederholung von Kämpfen und Gräuelthaten, in der die höhe-
ren leitenden Principien vor dem persönlichen und dynastischen Ehrgeiz,
vor den Begierden des Hasses und der Habsucht verschwinden** (S. XII);
er spricht es aus (S. XIII), dass „der Abschluss des westphälischen Frie-
dens die selbstmörderische legale Sanction des Zerfalles des heiligen römi-
schen Reichs deutscher Nation.**
Wie kurz auch diese Anzeige bemessen sein muss, so können wir doch
einer gedrängten Verzeichnung des interessanten Inhaltes nicht entrathen.
Die Einleitung (S. 1—5) bietet „Ernst von Mansfeld's frühere Lebens-
geschichte.** Der Hr. Vf. vertritt die Echtheit der Geburt Mansfeld's und
beleuchtet, gestützt namentlich auf E r d m a n n s d ö r f e r's tüchtige Quellen-
studie (Karl Emanuel I. von Sävoyen und die Kaiserwahl von 1619. Leip-
zig, 1862), sein Verhältnis zu Savoyen in den J. 1613—1617. „Die böh-
mische Rebellion und die Eroberung Pilsens** durch Mansfeld bildet den
mit ausgezeichneter Sorgfalt gearbeiteten ersten Abschnitt (S. 6—34),
B, Reußy Graf Ernst v. Mansfeld, ang. v. F. Kranes. 515
worauf der zweite Abschnitt (S. 34-44) znr Erörtemng der „diplomatischen
Sendung Mansfeld's nach Turin (Dcc. 1618, J&n. 1619 — März) tibergeht.
Hier fuftt der Hr. Vf. neben dem Archiv. Ünito-Protest. als Hauptquelle,
auf Erdmannsdörfer^s Arbeit, nimmt jedoch gegen dessen Vermuthung:
Mansfeld habe da verdächtig manövriert, den Genannten in Schutz und
polemisiert (S.44, Nr. 1) gegen Gindely's Abhandlung „üeber die Vor-
gänge bei der Absetzung Ferdinands H. als E5n. v. Böhmen und bei der
Wahl Friedrichs V. von der Pfalz zum. König von Böhmen" (Sitzgsb. der
Wiener Akad. d. W. bist. phil. E. Bd. 31), ohne jedoch nach unserm Da*
ftirhalten die Hauptsache zu alterieren.
„Die Lage im Winter 1618—1619 und der Sommerfeldzug 1619"
behandelt der dritte Abschnitt (S. 45—56). Der Hr. Vf. hat aus Flugschriften
die beztiglichen Ergebnisse der K. A. Mö Herrschen „Forschungen z. neuem
Geschichte" (1838. HI.) wesentlich ergänzt. Namentlich fällt auf Mansfeld's
und Bouquoy's Kriegsfiihrung helles Licht. Der folgende Abschnitt hat es
mit der „böhmischen Königswahl" und den Ereignissen im Sommer 1620
zu thun. Hier sucht der Hr. Vf. ein möglichst selbständiges ürtheil sich zu
wahren. Dies zeigt sich unter anderm auch in seiner Controverse mit Gin-
dely. Was die Wahlabsichten der Böhmen und die ganze Wesenheit der
böhmischen Kebellion betrifft (S. 62—63, Nr. 2). Bei aller Rücksicht, welche
der H. Vf. der Haltung Mansfeld's im Sommer 1620 angedeihen lässt, fühlt
er sich doch zu dem ürtheile bewogen, „dass Mansfeld keiner höheren
Begeisterung für die von ihm verfochtene Sache fähig war" (S. 77, Nr. 2).
„Edel", helfst es S. 79, „kann der Entschluss keineswegs genannt werden
(seinen Abschied zu forden), denn die Schlusskrisis nahte mit drohender
Schnelligkeit." Ihre Schilderung entwirft mit grofser Sorgfalt der letzte
Abschnitt (8. 81—112) u. d. T. „Die Bayern vor Pilsen; Mansfeld verläset
Böhmen." In Bezug auf die Bolle, welche Mansfeld den Kaiserlichen gegen^
über spielte, äufsert sich der Hr. Vf. folgendermafsen (S. 87) : „Wenn wir
nun die Frage beantworten sollen, ob Mansfeld wirklich beabsichtigte zu
den Alliierten überzugehen, müssen wir, wie schon oben (S. 83 f.) ausge-
führt wurde, von unseren heutigen Begriffen dabei absehen, welche sein
Urtheil durchaus nicht beeinflussen konnten. Für ihn lag die Sache so:
factisch hatte er seit langen Monaten keinen Sold mehr erhalten, die Böh-
men schuldeten ihm wenigstens so viel als Pilsen den Alliierten werth sein
konnte, auch seine Truppen waren sein eigen, da er sie schon geraume Zeit
selbst unterhielt: rechtlich fesseltd ihn auch kein Vertrauen an die Böhmen,
denn er hatte seinen Soldcontract schon zweimal gekündigt und der Monat
October, den er noch dem Könige gegen unerfüllte Versprechungen zuge-»
standen, gieng zu Ende. Er hatte daher nur nach seinem Interesse zu
fhigen und dieses vor allem musste seine Entscheidung bestimmen" . . .
(8. 88) „Wenn er von sich selbst sagt" (heifst es weiter unten » *er sei nicht
so dumm, noch so schlechter Geschäftsmann gewesen, einen so tollen Streich
zu machen und seine unersetzliche Ehre gegen vergängliches Gut zu ver^
kaufen*, so mag das letztere Wort eine Phrase sein, aber das übrige ist
gewiss richtig und es wäre in der That *eine faule Speculation* gewesen."
Seine Haltung nach der Prager Schlacht wird sehr ausführlich erörtert
510 Literaripcbc Notizen.
(S. 91 f.) und bei Gelegenheit der Erwähnung des Mansfeldiscben Schrei-
bens an Bethlen, Siebenbürgens Fürsten, v. 28. Jan. 1621 (S. 99—100), der
Geist des damaligen Briefwechsels sehr glücklich charakterisiert. Mit Ge-
wandtheit nimmt der Hr. Vf. Mansfeld gegen die Acta Mansfeldica in Schutz
(S. 106—109) und schliefst den Abschnitt mit der erfreulichen Zusage (S. 111),
^die Schilderung der zweiten, weit glänzenderen Hälfte seiner (Mansfeld^s)
Laufbahn bleibt einer späteren Arbeit vorbehalten. Sie wirct dann die Schick-
schale des kühnen und verschlagenen Abenteurers, der so lange die Feld-
herren und Diplomaten beschäftigte und der einer der interessantesten
Charaktere jener an solchen Charakteren wahrlich nicht armen Zeit ge-
wesen ist, bis zu seinem Ende weiter verfolgen.^
Die äufsere Ausstattung der durchaus werthvoUen Monographie ist
sehr gefällig.
Graz. F. K r 0 n e 8.
Literarische Notizen. Neue Auflagen.
Ahi'iss der deutschen Metrik nehßt metrischen Aufgaben. Ein Leit-
faden für Schulen von Dr. Eauard Niemeyer, Rector der Neust&dtischen
Realschule zu Dresden. Zweite verbesserte Auflage. Dresden, Höckner, 1865.
68 S. - 10 Sgt.
Die vorliegende Schrift behandelt zuerst die „Versmessung" (d. h.
die Geschichte der deutschen Metrik), dann den „Gleichklang" (Allitere-
tion. Assonanz, Reim), drittens „die Versmafse" (d. h. die Versarten;
die Versfüfte finden keine besondere Darstellung), viertens die Strophen,
und gibt endlich metriEche Aufgaben, an deren Zweckmäfsigkeit und Brauch-
barkeit wir zweifeln. Eine bestimmte Stufe des Gymnasialunterrichtea
scheint der Verf. nicht im Auge gehabt zu haben, obgleich er sich vor-
stellt, das Büchlein könne schon von Tertia an zum Leitfaden dienen. Die
Lehrhafti^keit, der geordnete sichere Gang, die feste Ausprägung fasslicher
Regeln, die üntfricheidiing zwischen dem wesentlichen und unwesentlichen
fehlt überhaupt. Nicht einmal die Grundbegriflfe sind im Eingang ordent-
lich gegeben, daher z. B. S. 10, zum Ende des ersten Abschnittes gelegent-
lich von der „deutschen Prosodie oder Lehre von dem Silbenmafse** ge-
sprochen wird. Mit Schülern, welche nicht eine ziemlich vollständige An-
schauung der Literaturgeschichte mitbringen, ist das Buch gar nicht zu
gebrauchen. Auch mit solchen höchstens als metrisches Lesebuch, was doch
eine ganz neue Kategorie innerhalb der Schulbücherliteratur sein dürfte.
Und selbst als metrisches Lesebuch wäre es nicht sonderlich empfehlens-
werth. Dass der Verf. „der historischen Entwickelung die gebührende Be-
rücksichtigung schenkt" ist allerdings löblich. Aber nur muss das in rechter
Weise geschehen und wenn es in rechter Weise geschieht, so wird man
wahrscheinlich sich nicht mit der blofsen Berücksichtigung des historischen
begnügen, sondern es zum obersten Gesichtspuncte erheben ; dann aber auch
Koberstein's „ausgezeichnete Forschungen", wenn sie schon als alleiniger
„Wegweiser und Quelle" dienen, wenigstens mit vollem Verständnis auf-
genommen und sich angeeignet haben müssen. Der Praxis der Schule muss
aber innerhalb des historischen Rahmens völlige Freiheit gewahrt bleiben
sich nach ihrem jeweiligen Bedürfnis zu bewegen, und der Lehrer daher,
wo er überhaupt eines eigenen metrischen Leitfadens sich
bedienen zu sollen meint, den Stofif in so deutlicher Scheidung vor-
finden, dass er bequem auswählen kann. Die Grundbegriffe der deutschen
Betonung, welche in alter wie neuer Zeit ihr Princip niemals verändert,
höchstens modificiert hat, können nicht früh genug gegeben werden und
schon im Quarta bietet die Declaraation hinlänglichen Anlass dazu. Es ist
Literarische Notizen. 517
nur eine Explication des Spracbgeftlhls , wenn dem Schüler der Hoch ton
und Tiefton oder Hauptaccent und Nebeiiaccent vertraut und geläufig ge-
macht werden. Aber wie auf diesen Betonungsverhältniseen der altdeutsche
Vers ruhe, das brauchen die Schüler nicht eher zu erfahren, als bis sie
altdeutsch« Yei-se zu lesen bekommen. Dass hingegen antike Metern nur in
Itezug auf den Rhythmus und nach einer gewissen Analogie zwischen unseren
betonten Silben und den alten Längen nachgeahmt werden, das kann man
ihnen sagen, sobald sie in die antike Metrik eingeführt sind. Im ganzen
scheinen uns die richtigen metrischen Anschauungen noch so wenig verbreitet
zu sein, dass ein tüchtiges Hilfsbuch für Lehrer, wie wir keines kennen, eine
kurze aber vollständige Geschichte der deutschen Metrik, einem wahren,
wenn auch vielleicht nur von wenigen empfundenen Bedür&isse abhelfen
und segensreicher wirken würde als alle Leitfäden und Abrisse zusammen-
genommen.
Grammatik und Glossar bu der Nihelunge Kot für den Schul-
gebrauch zusammengestellt von Ernst Martin. Berlin, Weidmann. 1865.
35 S. - 6 Sgr.
Eine treflTliche Arbeit, die überall dort willkommen geheifsen werden
¥rird, wo man beim altdeutschen Gymnasialunterrichte nicht darnach strebt,
den Schülern aus Lesebüchren eine Reihe unsicherer und schwankender Bilder
vorzuführen, sondern lieber das Nibelungenlied in so eingehender Weise be-
handelt, dass neben Homer ein ausgeprägter und deutlicher Begriff auch
unseres nationalen Volksepos in den jungen Gemüthern sich befestigt. Der
Verf. gibt auf 8 Seiten einen Abriss der Granimatik und Metrik , auf 25
weiteren Seiten ein Glossar, das zunächst für die Lachmann'sche Ausgabe des
Gedichtes berechnet ist. Er hat sich möglichst kurz gehalten und den Ge-
steh tspunct eines Hilfsbuches für den Unterricht nicht aus den Augen ver-
loren, so dass ein feiger Lehrer nichts vermissen wird, allerdings aber ein
solcher und seine ergänzende Belehrung durchgehends vorausgesetzt werden
muss. Die Brauchbarkeit des Werkchens hat sich schnell bewährt, indem
bereits, ein Vierteljahr etwa nach dem ersten Erscheinen, eine zweite Auflage
im Buchhandel ist. — Im einzelnen bemerken wir, dass in der Grammatik
§. 4 von tonlosem e im zwiefachen Sinne gesprochen und dadurch leicht
Verwirrung hervorgebracht wird, so dass sich wohl empfehlen dürfte, das im
engeren Sinne sogenannte tonlose und das stumme e, wo es sich um die
allgemeine Bezeicnnung beider handelt, als geschwächtes oder schwaches e
zusammenzufassen: nur müsste man dann Lachmann''8 Terminologie, in
welcher das 'schwache' e so viel als 'tonlos* bedeutet, fallen lassen. — Im
Glossar: S. 20 gere in der Bedeutung „Saum" dürfte sich im Nibelungen-
liede schwer nachweisen lassen. — 8. 21 muss es helTsen „heim helme st.
u. 8. m.** — S. 23 JcmiMwojgen st. m. Wiigen, dessen Räder mit eisernen
Reifen beschlagen sind" : diese Erklärung hätte wohl eine Rechtfertigung
im „Nachwort* verdient. — S. 24 J,eim st. m. Lied von ungleichartigen
Strophen, gesungen oder gespielt** : wie kennen im N. L. nur die Bedeutung
„Melodie". — S. 25 ist die Erklärung von marcgrdve unrichtig, wenn
gleich in üebereinstimmung mit Lübben, dem älteren Glossar von Wacker-
nagel und dem mhd. Wb. Die Vereinigung der Civil- und Militärgewalt,
sowie die Vereinigung mehrerer Grafschaften in Einer Hand konnte etwa
durch „königlicher Oberbeamter mehrerer Grenzbezirke" angedeutet werden.
— S. 28 besser: „wir sahen feine ungefärbte Leinwand". — S. 28 Sp. 2
hat der Verf. trotz Pfeiffers Erörterungen in seiner Germania 6, 225 — 231
den schelch mit vollem Rechte als ein unbekanntes Thier bezeichnet.
Denn die von J. Grimm und Graff angeführte Kaiserurkunde von 943
(wozu noch zwei andere von 1006 und 1025, wir wissen nicht ob auf jene
zurückgehende kommen, die Radlof Schreibungslehre S. 313 Anm. erwähnt),
— bestias quae ieutonica lingun elo aut schelo appellatvtur heifst es darin —
beweist, dass im 10. Jahrhunderte der Scheich für identisch mit dem
Elenn galt, dass er also für den Verfasser jener Stelle des Nibelungenliedes,
518 LiterariscUe Notizen.
in welcher er neben dem Elenn (Elch) als ein besonderes Wild aufgeführt
wird, ein unbekanntes Thier sein musste, was den interpolierenden Vers-
niacher natürlich nicht hinderte, das Epitheton grimme an diesen schönen
Beim auf eich zu wenden. Wie es im übrigen mit der Identificierung des
Scheich, iragelaphus und cervtis hiberniais (eine sehr leicht zugängliche
Abbildung desselben findet sich in den „gesammten Naturwissenschaften*'
3, 290) stehe, brauchen wir hier nicht des näheren zu erörtern: genug,
dass alle Quellenstellen über den tragelaphus auf Plinius zurückgehen, der
ihn nur am Phasis kennt, und dass der c. hibcrnicus (oder c. megaceros)
nicht in der Tertiärzeit nachgewiesen ist, also irgend einem mittelalter-
lichen Menschen nur durch besondere palffiontologische Offenbarung bekannt
gewesen sein könnte.
Tagebuch einer griechischen Reise von F. O. Welcher^ Berlin,
W. Hertz, 1865. Erster Band X u. 344 S. Zweiter Band 338 S. kl. 8.
Vor dreiundzwauxig Jahren, vom Januar bis August 1842, bereiste
Welcker in Begleitung von Dr. Henzen den gröfsten Theil des eigentlichen
Griechenlandes, den nördlichen Theil der Westküste Kleinasiens und mehrere
der griechischen Inseln. lieber die gesammte Beise führte er ein genaues
Tagebuch, welches ihm nicht nur die Erlebnisse der Beise in frischer Erin-
nerung erhalten, sondern auch bei wissenschaftlichen Forschungen auf diesem
Gebiete als Grundlage dienen sollte, ohne dass eine Veröffentlichung des
Tagebuches selbst bei dessen Abfassung irgend beabsichtigt wurde. Eine
Aufforderung von befreundeter Seite an den verehrten Greis hat jetzt
die Publication desselben veranlasst. Wir können den Charakter des Buches
nicht besser bezeichnen, als indem wir einige Worte aus der Vorrede aus-
heben. „Bei diesem Tagebuche ist vor allem der Gesichtspunct zu fassen,
dass es gewissermaXsen als Manuscript für Freunde gedruckt wird. Dadurch
ist der grofse Unterschied ausgedrückt, der zwischen dieser Schrift und
einem Buche besteht, und in diesem besondem Fall a^ch durch einen Blick
auf wissenschaftliche Werke, wie das gediegene und vortreffliche über den
Peleponnes von E. Curtius und einige neuere g[ute Ausführungen über
kleine Theile von Griechenland noch deutlicher wird. Die Absicht meiner
Beise war auf keinen Theil der Forschungen vorzugsweise gerichtet,
welche das Land oder auch die mit Griechenland am meisten verbundenen
Studien angehen, als Architektur, bildende Künste, Numismatik, Enigraphik
u. s. w. Irgend Vorbereitungen zu der Beise zu njachen wäre ich damals
nicht im Stande gewesen. Einst hatte ich dazu einen rüstigen Anfang ge-
macht . . . jetzt, in meinem achtundfünfzigsten Jahre, war ich zufrieden,
Anschauung zu gewinnen von dem Boden und Himmel und Erfahrung von
dem Klima des Landes, das mich so viel und so befriedigend beschäftigt
hatte, und die merkwürdigsten Ueberbleibsel aus dem Alterthume mit eigenen
Augen zu sehen . . . Dann brachte die angenommene Begel der Vollständig-
keit jeder Tagesgeschichte auch die Berünrung aller oder der meisten Be-
kanntschaften und Beschäftigungen mit sich, wodurch das Tagebuch Aehn-
lichkeit mit einem Stückchen Selbstbiographie erhielt Zugesetzt oder ver-
ändert habe ich kein Wort und ausgestrichen nur sehr wenig, um nicht den
Charakter des ganzen, wie es nun einmal ist, zu ändern.** — Der Verfasser
-hat Becht sein Buch mit einem Stücke Selbstbiographie und mit einem
Manuscripte für Freunde zu vergleichen. Nur zur Wiedererinnerung für den
Verfasser selbst bestimmt, verzichtet die Darstellung auf den Beiz stilisti-
scher Abrundung und verschmäht es nicht, auch die kleineren, in ähnlicher
Weise sieh wiederholenden Erlebnisse in kurzen Andeutungen zu verzeichnen.
Indessen diese kleinen Einzelheiten vereinigen sich, insoweit sie nicht einer
Charakteristik der gegenwärtigen Culturzustände jener Länder dienen, zu
einem treuen Lebens bilde des '\^rfas8er8 ; und sie bilden doch nur den Bahmen
für den eigentlichen Inhalt des Buches, indem die Anschauung, welche
Welcker von dem Lande seiner allseitigen Forschungen, man möchte sagen
von seinem geistigen Heimathslande gewonnen, mit der Frische des un-
mittelbaren Eindruckes einfach und wahr sich darstellt.
Literarische Notizen. 519
Manatsblätter zur Förderuna des Zeichenunterrichtes an Schulen.
Herausgegeben von Hugo T rose hei. Berlin, Nicolai'sche Buchhandlung. —
Im fünften Hefte dieses Jahrganges S. 376 f. haben wir auf Anlass der
ersten Nummer dieser Zeitschrift über die Aufgabe, welche dieselbe ver-
folgt, Nachricht gegeben. Seitdem liegen uns die 2. und 3. Nummer der
Zeitschrift vor, auf deren Inhalt wir im nachfolgenden hinweisen. — Am
Schlüsse der erwähnten Anzeige S. 377 war der Wunsch ausgesprochen
worden, es möchten in den Monatsblättern für den Zeichenunterricnt über
alle neuen Erscheinungen der Schulliteratur auf diesem Gebiete Mitthei-
lungen von Männern gegeben werden, welche die fraglichen Lehrmittel
durch eigenen Gebrauch geprüft haben. Zum Theil wenigstens ist dieser
Wonsch erftillt durch einen in Nr. 2 enthaltenen Aufsatz von H. Troschel
„Neues Material für den Zeichenunterricht**. Erwähnt werden in diesem
Aufsatze ?nnächst drei Publicationen, welche die Würtemberg'sche Regierung
veranlasst hat:
Die Wandtafeln für den Elementarxinterricht im Zeichnen der
Ornainente, von Deschner.
Vorlagenwerk für den Eleme^itarunterricht im Freihandeeichnen.
In Auftrage der königlichen Commission für die gewerblichen Fortbildungs-
schulen VVürtembergs. Von J^rofessor Hartle.
30 Wandtafeln, Anfangsgründe im Ortutmentenzeichnen für Real-
und gewerbliche Fortbildungsschulen. — Conr. Deschner. Heilbronn,
Class'sche Buchhandlung. In einer eingehenden Anzeige werden diese Werke
charakterisirt und grofsentheils gelobt; an den Wandtafeln wird nur ihre
Kleinheit getadelt.
Böhden's Pflanzenzeichnenschule in Kupferstichen. Berlin, T.
Walloch. — Als sehr sauber gestochen bezeichnet, für Töchterschulen em-
pfohlen.
Anleitung zum Figuren- Zeichnen auf Grundlage des geometrischen
Gliedermanties. Von Hnr. Schöpfer, k. k. Hauptmann. 17 Vorlegeblätter
nebst dem Gliedermanne und 7 einzelnen Bestandtheilen desselben in Carton.
Wien und Olmütz, E. Hölzel. Preis SVa Thlr. — „Dieses in jeder Beziehung
neue und durchdachte Werk verdient eine besondere Anerkennung." Mehr
für den Privatunterricht als für Schulen empfohlen.
Der Zeichenunterricht. Eine kurz gefasste praktische Anleitung für
das freie Handzeichnen, mit besonderer Berücksichtigung des Zeichnens
nach Originalen, des Naturzeichnens und des Landschaftzeichnens nach der
Natur, nebst einer fasslichen Anleitung zur Erlernung der Perspective.
Von B. Lös euer. Mit 3 lithographir&n Tafeln. Potsdam, RügePsche
Buchhandlung. — Als ein verständiges, durchdachtes Buch bezeichnet. Ref.
tadelt principiell an dem Buche, dass mit Zeichnen nach Originalen der
Anfang der Uebungen gemacht werden soll und dass der Landschaft für
den Zeichenunterricht ein unberechtigter Vorzug gegeben sei.
Mehrere Auisatze gehen, der Aufgabe dieser Monatsblätter ent-
sprechend, auf die Methode des Zeichenunterrichtes ein, so namentlich
^Ist der Zieichenunterricht auf Gymnasien den Anforderungen der heutigen
Zeit genügend"? Von Dr. M. Vater, „lieber praktische Verdeutlichung
perspectivischer Puncte und Linien" von R. Jonas. „(Jeher häusliche Ar-
Deiten den Zeichenunterricht betreffend", vom Herausgeber (mit wenigen
näher bestimmten Ausnahmen werden obligate Hausaufgaben für diesen
Unterricht vemyorfen). „lieber den Unterricht im Zeichnen nach der Me-
thode der Brüder Dupuis" von A. F. Kirch. „Ueber den Zeichnen Unter-
richt nach Vorlegeblättem, Wandtafeln und Modellen" von C. Hube. (Die
Anwendung der Vorlegeblätter beim Zeichenunterricht innerhalb gewisser
Grenzen ^ird eingehend gerechtfertigt, mit besonderer Rücksicht auf die
in Nr. 1 der Monatsblätter gegen dieselbe erhobenen Vorwürfe.) — Einige
520 Literarische Notizen.
andere Artikel beziehen sich auf die Stellung des Zeichenunterrichtes id
dem gosammten Organismus der Mittelschulen und auf die persönliche
Stellung der Zeichenlehrer.
Programme österreichischer Gymnasien und
Realschulen.
(Fortsetzung v. Hft. VI. S. 451 ff.)
U. A bhandlun g en au 8 dem hi s torisch -geograph ischsn
Gebiete.
7. Josef Ampferer, Ueber den Mönch von Salzburg. Vierzehntes
Programm des k. k. Staatsgymnasiums in Sahburg. Salzburg, Zaunrieth.
Das Dunkel, welches über der Person des Mönches Ton Salzburg
schwebt, aufzuhelletl, ist dem Verf. der vorliegenden Abhandlung nicht voll-
kommen gelungen. Zwischen den beiden überlieferten Namen Hermann
und Johann weifb er keine endgiltige Entscheidung zu treffen, wozu ihn doch
eine kritische Prüfting des Vverthes der verschiedenen Nachrichten wahr-
scheinlich geführt haben würde. Nicht einmal, dass der Johann für einen
Dominikaner ausgegeben wird ('mayster hanna prediger ordens nennt der
cod. germ. Monac. 628 den Vertasser: altd. Bl. 2, 327) und daher unter
den Mönchen von S. Peter nicht gesucht werden dari, hat er gesehen.
Dagegen verdiente die willkommene und dankenswerthe Notiz über den
Stirtsprior Hermann vom Jahre 1424 weiter verfolgt zu werden. — An
kleinen Ungenauigkeiten fehlt es nicht. Der „Mönch von Salzburg" wird
in Handschriften nicht so, sondern kurzweg der münieht in den lateinischen
üeberschriften des cod. Vindob. 2975 monachw genannt Als Ansicht
H. Hoffmann's führt der Verf. eine alte irrige Bemerkung aus den Fund-
rben an, nicht was in der Geschichte des deutschen Kirchenliedes S. 239
(2. Ausg.) steht. Die Beschreibungen der Wiener Hdsch. in Hoffmann^s
-Verzeichnis" scheint der Verf. (wie Hr. Ph. Wackemagel) nicht zu kennen.
Die weltlichen Lieder des cod. Vindob. 2856, welche ^uppenweise bei ein-
ander stehen (Nr. 12 — 62. 81 — 89) und ohne Zweifel so aus einer Hs.
rein weltlicher Lieder herübergenommen wurden, dem Mönch zuzuschreiben,
liegt nicht der geringste Grund vor: besonders da wir für eines dieser
Lieder, Nr. 20 (gedruckt in Hof&nann's Fundgruben 1, 335 f.), den Vefr-
fassernamen Pilgrim von Salzburg mit Bestimmtheit erfahren. Wunderlich
nimmt es sich aus, wenn der Verf. S. 26 mit Ph. Wackernagel bedauert,
dass Hoffmann die Lieder nicht in abgesetzten Verszeilen mibe drucken
lassen, und unmittelbar darnach in der Probe, die er selbst mittheilt, die
Verszeilen gleichfalls nicht absetzt. — Den Hauptinhalt der. vorliegenden
Abhandlung bilden Wiederabdrücke theils in Aehrein's Kirchen- und
religiösen Liedern (1853), theils in den altdeutschen Blättern bereits ffe-
druckter Lieder des Mönchs. An einer Charakteristik desselben hat sich der
Verf. nicht versucht, ja nicht einmal die naheliegende Scheidung zwischen
eigenen und übersetzten Gedichten vorgenommen. Dankbarer wäre man
dem Verf daher gewesen, wenn er anstatt des von ihm gewählten Themas
lieber Auszüge und näheren Bericht über die S. 31 besprochene Hs. der
Salzburger k. k. Studienbibliothek gegeben hätte. Aus 32 Seiten mit Aus-
lugen einer noch unbekannten altdeutschen Hs. hätte sich gewiss mancherlei
lernen lassen.
Dritte Abtheilung*
Zur Didaktik und Paadagogik.
Versuch auf genetischem Wege zu dem Begriffe der
Bildung zu gelangen.
Das Interesse^ das man heutzutage an der Schule und ihren Ein-
richtungen nimmt, ist allgemeiner, vielleicht auch lebhafter als je. Dies
spricht sich zunächst in den mannigfachen Forderungen aus, die man an
sie stellt, unter denen sich jedoch die : dass die Schule sich mehr als bis-
her dem Leben ansohliefsen solle, am lautesten und häufigsten yemehmen
lässt, schon darum, weil alle übrigen so ziemlich in ihr enthalten sind.
Wenn nun gleich dieser Forderung im ganzen mehr ein dunkles Gefühl
als klare Erkenntnis zu Grunde liegen mag, so wird man doch gerne zu-
geben, dass etwas berechtigtes in ihr enthalten ist. Die Schwierigkeit liegt
nur darin, wie sie zu befriedigen sei.
Man muss zugestehen, dass die Schule ihr gegenüber nicht die Hände
in den Schoofs gelegt hat. Sie hat erkannt, dass sie nebst dem Unter-
richte auch einen Theil der dem elterlichen Hause zufallenden Erziehungs-
aufgabe, für welche diesem immer mehr die Zeit zu ermangeln beginnt,
auf sich nehmen müsse, und sich ihr bereitwillig unterzogen. Sie hat ferner
in einer Zeit, wo man für nichts mehr recht Zeit zu haben scheint, neue,
schneller zum Ziele führende Unterrichtsmethoden aufzufinden gesucht,
und neue, yielfach treffliche Lehrmittel sind aus ihr hervorgegangen. Sie
hat endlich neuen Lehrstoff in den Bereich des Unterrichtes gezogen, und
ganz neue Lehranstalten haben sich abgezweigt, die bestimmte, in den
Culturverhältnissen der Gegenwart liegende Aufgaben zu lösen versuchen.
Dieses Bestreben, den Forderungen der Zeit zu genügen, ist höchst
anerkennenswerth, aber für die Schule selbst liegt eine grofse Gefahr darin
verborgen. Unsere Zeit geht nämlich in unzähligen Richtungen und Be-
strebungen auseinander, von denen jede sich mindestens für ebenso berech-
tigt hält als jede andere, und deren jede auch in der Schule Geltung und
Berücksichtigung verlangt. Wenn die Schule nun, wie verlangt wird, sich
dem Leben anzuschliefsen sucht, und zwar dadurch, dass sie allen diesen
Richtungen gerecht zu werden sich bemüht, so könnte es ihr begegnen,
522 J- Äprettt, Uober den Begriff der Bildung.
dass sie dabei sich selbst verlöre, d. h., dass sie, während sie bestrebt ist,
allen alles zu werden, aufhörte irgend etwas zu sein.
Dieser Gefahr kann sie nur entgehen, wenn ihre Einrichtung immer
mehr eine wirklich organische wird, sicher und fest in sich selbst ruhend.
Je weiter sie ausgreift, je zahlreicher und mannigfaltiger die Mittel sind,
durch die sie wirkt, und die Zwecke, die sie anstrebt, desto nothwendiger wird
ihr ein Einigungspunct, in dem alle Fäden zusammenlaufen, der jedes
einzelne mit jedem anderen in feste Verbindung bringt. So lange die Kraft
eines Lehrers ausreicht, die der Schule gestellte Aufgal)e zu bewältigen,
ist schon durch ihn und zwar auf die vollkommenste Weise diese Einigung
gegeben. Wo dies aber nicht der Fall ist, bleibt nichts anderes Übrig als
sie in dem letzten Zwecke der Schule zu suchen, dem alles andere sich
unterordnen muss. Da er aber kein willkürlich gesetzter sein darf, sondern
aus dem Begriff der Schule sich ergeben mnss, weil ihm sonst die organi-
sierende Kraft fehlen würde, so ergibt sich, dass er auch für alle Schulen
derselbe ist. Durch ihn wird also auch das gesammte Schulwesen ein ein-
heitliches.
Fragt man nun nach diesem letzten Zwecke der Schule, so erhält
man wol einstimmig die Antwort, dass Bildung dieser letzte Zweck sei.
Jede Schule ist eine Bildungsstätte. Wenn man aber genauer zusieht, so
findet man, dass man darum so bald über ein Wort sich einigte, weil
dieses in seiner Bedeutung höchst allgemein und unbestimmt ist. Es ist
nur der Rahmen, der von Fall zu Fall ausgefüllt wird. Wir unterscheiden
antike und moderne, humanistische und realistische, gelehrte und gewerb-
liche, allgemeine und Fachbildung; wir sprechen von Bildung des Ver-
standes und Herzens, von philosophischer und literarischer, von encyklo-
psödischer und wissenschaftlicher, von nationaler und Weltbürger-, ja so-
gar von einer Salonbildung, und es hindert nichts diese Gegensätze noch
weiter zu vermehren. Die Frage bleibt also immer noch, soll und kann
die Schule alle diese Arten von Bildung, oder welche von ihnen soll sie
vermitteln, und vor allem, was ist Bildung überhaupt? Denn durch alle
jene Ausdrücke werden nur Arten der Bildung unterschieden , entweder
durch Bezeichnung des Mittels, durch welches sie erworben wird oder des
Zweckes, dem sie dienen soll, und es ist klar, dass auf diesem Wege ein
Begriff wol zersplittert, nicht aber aufgehellt werden kann.
Am nächsten liegt die Annahme, dass Bildung in einem gewissen
über das gewöhnliche hinausgehenden Mafse von Kenntnissen bestehe;
wer sie besitzt, unterscheide sich dadurch von der grofsen Menge der
Ungebildeten. So ist man zu dem Begriffe einer „gelehrten Bildung" ge-
langt, und CS hat zu allen Zeiten solche gegeben, die auf diesem Wege
weiter gehend auf der Stufenleiter der Bildung um so höher zu stehen
meinten, je seltener ihr Wissen auch bei anderen sich fand, und je weni-
ger es mit den Bedürfnissen des Lebens zu thun hatte, d. h. je unfrucht-
barer es war. Diesen tritt eine andere Ansicht entgegen, die nur dem un-
mittelbar Brauchbaren Werth und Berechtigung zugesteht. Man bekämpft
sich also unter der Fahne der Bildung, und es ist mehrfach als ein tief-
sinniger Gedanke ausgesprochen worden, dass die verschiedenen Wege,
J, Aprent, üeber den Begriff der Bildung. 5f8
welche in den Schuleinrichtungen der Neuzeit dem Bildung suchenden sich
öffnen, schlieMlch zu einer unheilvollen Spaltung in den Kreisen der Ge-
bildeten selbst fuhren müssten. Zwar wird jener Kampf meist nur auf dem
Papiere geführt und auch die befürchtete Spaltung ist eben nur eine Be-
fürchtung; aber es ist daraus doch zu ersehen, wie weit man Ton dem
Begriffe der wahren Bildung entfernt ist. Denn wahre Bildung, wo und
in welcher Gestalt sie auch erscheinen mag, wird nicht nur von dem Ge*
bildeten, sondern sogar von dem Ungebildeten willig und freudig aner-
kannt. Bildung kann nur einigen, niemals trennen, und wo man sich den
Anspruch auf Bildung streitig macht, da steht sicher nicht eine Art von
Bildung einer andern, sondern nur eine Verkehrtheit einer andern Ver-
kehrtheit gegenüber.
Was immer man sicli übrigens unter Bildung denken mag, so hat
doch nie jemand behauptet, dass die Schulzeit oder irgend ein anderer Le-
bensabschnitt, wie einheitlich und tiefgreifend er in seinen Einwirkungen
auf einen Menschen auch sein möge, die Bildung desselben zum Abschluss
bringen könne. Die Bildung schreitet vielmehr mit dem Leben und durch
das Leben fort; sie ist ein Resultat des Lebens. Nur das Leben kann uns
also den wahren Begriff der Bildung darbieten, und der Schule ist es nicht
gestattet, ihn anders zu fassen. Wenn sie aber diese Bildung als ihren
letzten Zweck hinstellt, so befindet sie sich in vollkommenster Ueberein-
stimmung mit dem Leben und sie bat jeder berechtigten Forderung in dem
Mafbe entsprochen, als es ihr gelingt sich diesem Zwecke entsprechend
einheitlich zu gestalten.
Das Leben stellt sich uns aber, selbst wenn wir es nur als mensch-
liches Leben betrachten, in einer unübersehbaren Vielgestaltigkeit dar, und
es scheint , dass aus so verschiedenen Factoren jedesmal auch ein anderes
Product sich ergeben müsse. Die Zwecke, welche die Menschen verfolgen,
sind unendlich verschieden, ebenso die Verhältnisse, unter denen, und die
Mittel, mit denen sie wirken. Die meisten schwanken fortwährend und kom-
men über das, was sie können und sollen, nie in*s Klare, und selbst da,
wo eine höhere Natur sich ein bestimmtes Lebensziel steckt, bleibt dieses
doch immer mehr oder weniger ein unerreichtes. Jedes Volk, jedes Jahr-
hundert führt sein eigenes Leben; was dem einen als bedeutend und höchst
wünschenswerth erscheint, ist dem andern verächtlich und werthlos. Alles
ist dunkel und verworren. Geht man jedoch etwas genauer ein, so findet
man, dass das verwirrende nur in der unendlichen Mannigfaltigkeit der
Formen liegt, die das Leben hervorbringt und in denen es sich offenbart.
Mit diesen Formen haben wir es aber nicht zu thun. Wir fassen hier das
Leben bloDi als eine Reihe von Vorgängen auf, die an dem Menschen zur
Erscheinung kommen, und schliefsen mit Rücksicht auf unseren Zweck
noch diejenigen von der Betrachtung aus, welche blofs der Erhaltung seines
leiblichen Lebens dienen. Diese Vorgänge nun tragen das Gepräge der
höchsten Einfachheit an sich, und, sie in ihren wesentlichen Momenten
verfolgend, ist es möglich, auch ihr Endergebnis mit hinreichender Klar-
heit zu erkennen.
524 J. Aprent, Ueber den Begriff der Bildung.
I.
Das Au f fassen.
Indem die Dinge auf uns wirken, bringen sie zunächst in dem Zu-
stande unserer Sinneswerkzeuge eine Veränderung hervor, die wir allge-
mein einen Eindruck nennen können. Durch solche Eindrücke erlangen wir.
wenn gewisse Bedingungen vorhanden sind, Kunde von den Dingen aoTser
uns. Den ganzen Vorgang nennen wir das Wahrnehmen. Er beginnt mit
oiner Veränderung in dem Zustande unserer Sinne und kommt mit einer
Veränderung in dem Zustande des Wahrnehmenden zum Abschluss. Dass
dieses Wahrnehmende aber nicht die Sinne selbst sind, ergibt sich schon
daraus, dass Sinneseindrücke sehr oft ganz unbemerkt bleiben, dass wir
also nichts wahrnehmen, obgleich ein Sinneseindruck stattgefunden hat.
Das Wahrnehmen ist eine Thätigkeit des Wahrnehmenden. Dies
acigt sich ganz entschieden durch die Anstrengung, die es kostet, wenn
wir einen entfernten Gegenstand deutlich sehen, ein leises Qeräuscb deut-
lich unterscheiden, einen auf der Zunge schwer löslichen Gegenstand durch
den Geschmack erkennen wollen u. dgl. Die Richtung dieser Thätigkeit
geht von auf^en nach innen; durch sie wird ein äusseres zu einem inne-
ren, und wir können sie die aufifassende Thätigkeit nennen.
Unsere Thätigkeit kann aber auch die Richtung von innen nach
aufsen annehmen; dann wird durch sie etwas hervorgebracht, was nur
aufser uns ein Dasein hat, und wir können sie daher die hervorbrin-
gende Thätigkeit nennen. Eine solche hervorbringende Thätigkeit, und
zwar die dem Wahrnehmen vollkommen entsprechende, nur der Richtung
nach entgegengesetzte, ist das Vorstellen. Ihr Ergebnis ist die Vorstellung.
Durch das Vorstellen wird ein inneres anschaulich, also zu einem äuX^-
ren, wenngleich zu einem äufseren bloXa für den, der die Vorstellung bildet.
Die Vorstellung eines Dinges ist nicht das Ding selbst, aber sie enthält
von dem Dinge alles, was wir von demselben wahrgenommen haben ; d. h.
das, was durch das Wahrnehmen zu einem inneren wurde, wird durch das
Vorstellen wieder zu einem äufseren. Da die Dinge in einem gewissen
räumlichen und zeitlichen Zusammenhange wahrgenommen werden, S9 wer-
den sie in diesem Zusammenhange auch vorgestellt.
Die Vorstellung ist ebenso etwas äufserlich hervorgebrachtes, wie
die Worte des Redners oder das Werk eines Handwerkers oder Künstlers.
Alles hervorgebrachte aber kommt durch die hervorbringende Thätigkeit
zu Stande, und diese entspringt aus einem dem Menschen inwohnenden
Triebe zum hervorbringen. Es ist also ganz überflüssig, eine besondere
Vorstellungskraft anzunehmen. Denn Kraft ist ja etwas ganz unbekanntes
und es kann unmöglich förderlich sein, ohne Noth im unbekannten Unter-
scheidungen zu machen.
Untersuchen wir nun, was uns bestimmt, gerade diese oder jene
Vorstellung zu bilden, so finden wir, dass es vor allem die sinnlich auf
uns wirkenden Gegenstände sind, welche bewirken, dass aus der vielleicht
sehr grofsen Zahl möglicher Vorstellungen eine bestimmte Vorstellung her-
vortritt. Denken wir uns nämlich den Menschen in dem Zustande voll-
J. Aprchty Ueber den Begriff tler Bildung. 525
kommener ünthätigkeit , und in diesem Zustande nehme er nun irgend
einen Gegenstand wahr. Durch das Wahrnehmen geht er aus seinem frühe-
ren Zustande in einen neuen über und dieser, wird jedesmal ein anderer
gein, nach Art des Gegenstandes. Wirkt nun der gleiche Gegenstand ein
andermal auf ihn, so wird ein Zustand hervorgebracht, der jenem ersten
gleich ist; und geht der Mensch von da an in die Thätigkeit des Vor-
stellens über, so wird er Vorstellungen bilden, die mit diesem Zustande
im Zusammenhange stehen, also Vorstellungen von Gegenständen, die mit
dem eben wahrgenommenen bei dessen früherem Auftreten im Zusammen-
hange standen. Dadurch, dass ein eben wahrgenommenes mit früher wahr-
genommenem in uns bereits in einem bestimmten Zusammenhange steht,
erscheint das erstere als bekannt. Durch bekanntes werden wir an früheres
erinnert.
Die Vorstellungen sollten also in der Reihenfolge, in welcher die
Gegenstande wahrgenommen wurden, hervortreten, und sich ablösen, bis
der ganze Schatz erschöpft ist. Der Fluss der Vorstellungen wird aber ge-
hemmt und abgelenkt, sobald äufsere Gegenstände unter den für das
Wahrnehmen nothwendigen Bedingungen auf uns einwirken. Eine solche
Hemmung tritt auch dadurch ein, dass Vorstellungen ebenso wie die äufse-
ren Gegenstände das Gefühl von Lust oder Unlust in uns erwecken, so
dass wir im letzteren Falle die Thätigkeit einstellen.
Wir haben im bisherigen immer nur einfache Vorstellungen be-
trachtet, d. h. Vorstellungen von Dingen, an denen nur e i n Merkmal auf-
gefasst wurde. Jedes Ding bietet der Auffassung aber mehrere Merkmale
dar, und es kann auch wirklich eine gröfscre oder geringere Zahl dieser
Merkmale aufgefasst werden. Den Anfang machen wir hierbei mit den
verschiedenen Sinnesorganen. Wir sehen, dass die Biene fliegt, und hören,
dass sie summt; wir finden, dass ein Körx)er glänzt und hart ist u. s.w.
Sind wir aber einmal aufmerksam geworden, dass an einem Dinge mehrerlei
sich bemerken lasse, so wendet sich auch derselbe Sinn gleichsam den
verschiedenen ihm zugänglichen Seiten des Gegenstandes zu, und wir erfah-
ren z.B., dass der Körper hart und eben, glänzend und rund ist u. dgl.
Werden nun diese Merkmale vorgestellt, so treten sie in dieselbe Verbin-
dung, in der sie sinnlich aufgefasst wurden, und es entsteht so die Vor-
stellung des Dinges als eines zusammengesetzten. Solche zusammengesetzte
Vorstellungen sind einander ähnlich, wenn sie Merkmale mit einander ge-
mein haben. Und wie ein Ding, das sich eben unserer Auffassung dar-
bietet , die Vorstellung derjenigen Gegenstände erweckt, mit denen das
gleiche Ding bei einer früheren Auffassung im Zusammenhange stand;
ebenso kann auch ein Ding mit einem stark hervortretenden Merkmale die
Vorstellung aller derjenigen Dinge hervorrufen, an denen dieses Merkmal
vorkommt.
Zusanunengesetzte Vorstellungen sind es, die sich oft mit einer
solchen Gewalt aufdrängen, dass alle Bemühungen, sie abzuweisen, ver-
geblich scheinen, so dass man glauben könnte, ihr Entstehen erfolge ganz
ohne unser Zuthun. Dies hat seinen Grund zum Theile schon in dem viel-
fachen Zusammenhange der zusammengesetzten Vorstellungen unter ein-
Zeluchrifl f. d. östcrr. Oynin. 1865. VI f. Heft. Sf)
520 J. AprefU, Ueber den Begriff der Bildung.
ander, zum Thoile darin, das8 viele derselben Tennöge ihres Inhaltes -das
Gefühl von Lust und Unlust, Freude und Sclimerz zugleich erwecken, so
dass wir sie in einem Augenblicke verschwinden lassen, im nächsten aber
wieder erzeugen. Die Erinnerung an einen verstorbenen theuren Menschen
erfüllt uns mit Freude, weil er uns in der Vorstellung wenigstens noch
gegenwärtig ist, und mit Schmerz, weil uns von ihm nichts als die Erin-
nerung goLlicben ist. Alles, was mit ihm nur irgend im Zusammenhange
stand, erweckt diese Erinnerung auf's neue, und so kommt es, dasTwir
uns ihrer nicht erwehren können.
Die zusammengesetzten Vorstellungen setzen uns in den Stand auf-
fassend timtig zu sein, auch wenn kein Gegenstand vorhanden ist, der
auf unsere Sinne einwirkt. Die Auffassung des in den Vorstellungen uns
gegebenen nennen wir das Denken. Das Denken ist die zweite Stufe der
auffassenden Thätigkcit, der die sinnliche Auffassung oder das Wahrneh-
men vorhergehen muss. Die Resultate des Denkens übertragen wir auf die
sinnlichen Dinge, indem wir annehmen, dass, was von den Vorstellungen
gilt, auch von den Dingen gelten müsse, die ihnen" zu Grunde liegen.
Diese Uebcrtr;»gung kann aber zu Irrthümem führen, wenn man dabei
aufser Acht lässt, dass in der Vorstellung immer nur einige Merkmale des
Dinges enthalten sind. Wir glauben z. B. unsem IVeund genau zu kennen
und sind überzeugt, dass er in einem bestimmten Falle so oder so handeln
werde, aber er handelt vielleicht doch anders, weil er mit Eigenschaften,
von denen wir nichts wussten, in die Action tritt:
Durch das Denken fassen wir zunächst den Art-Zusammenhang der
Vorstellungen auf, indem wir sie nach dem Grade ihrer Aehnlichkeit zu
Gruppen vereinigen. Dadurch bringen wir die äufsere Welt in einen Zu-
sammenhang, auf welchen uns das blofs sinnliche Wahrnehmen niemals
hätte führen können. Durch dieses fiissen wir nur vereinzeltes, und dieses
blofs in einer gewissen räunilichcn und zeitlichen Aufeinanderfolge auf.
Durch den Art-Zusammenhang tritt aber nicht blofs auch das räumlich
und zeitlich fem stehende zusammen, sondern er ist auch ein innerer
Zusammenhang, indem die gemeinsamen Merkmale wie ein Band die ganze
Art durchziehen.
Werden die gemeinsamen Merkmale der Art in einer Vorstellung
vereinigt, so entsteht der Begriff der /.rt. Dem Begriffe darf kein Merkmal
fehlen, weil er sonst aufliören würde es zu sein. In dem Begriffe tritt uns
zum ersten male etwas als not h wendig entgegen, während alles, was
wir blofs sinnlich auffassen, nur wirklich ist. Zur Bildung des Begriffes
mussten einige Merkmale aus der Verbindung, in welcher sie die sinnliche
Auffassung uns dargeboten hat, losgelöst werden. Eine solche Auflösung
und Vereinigung von Merkmalen erfolgt nun auch oft in einer Weise, dass
die so entstehende Vorstellung keinem äufscren Dinge entspricht. Damit
eröffnet sich uns nun das unbegrenzte Reich der Möglichkeit, wo die
Phantasie ihre mächtigen Flügel regt. Anfangs nur der Tummelplatz
wunderlicher Einfälle und Gestalten, wird es später die Geburtsstätte der
grölsten Gedanken und fruchtbarsten Ideen.
Wir haben gesehen, d«tss die Dinge durch ihre Merkmale in einen
J, Äprent, üeber den liegriö der lUldung. 527
inneren ZusammenhaDg mit einander treten. Wir fassen die Merkmale nun
entweder als ruhend, sich gleichbleibend auf, und nennen sie dann Eigen-
schaften; oder das Merkmal erscheint als ans einer Eigenschaft hervor-
gehend, gleichsam als in Bewegung gesetzte Eigenschaft, wie z. B. zornige
Worte und Geberden, die wir an jemandem bemerken, eine uns früher
verborgene Eigenschaft desselben, nämlich die krankhafte Erregbarkeit des
Gemüthes offenbaren, aus ihr hervorgehen. Im letzteren Falle nennen wir
sie mit Rücksicht darauf, dass ein sich bewegendes ein anderes in Bewe-
gung bringen kann, Thätigkeit. Wir können nun bei einer Eigenschaft
nach der Thätigkeit, durch welche sie hervorgebracht wurde, d. h. nach
der Ursache fragen, und, insofern die Eigenschaft selbst wieder in Thätig-
keit übergehen kann, auch nach ihrer Wirkung. Den Zusammenhang zwischen
Ursache und Wirkung nennen wir den ursächlichen Zusammenhang. Durch
die AuffiEissnng des ursachlichen Zusammenhanges kommt die starre Aufsen-
welt in Fluijs und ein neues Band verknüpft die Dinge noch stärker und
inniger, als dies im Art-Zusammenhange der Fall ist. Denn nun sind sie
nicht blofs durch ihre Merkmale, sondern auch diese selbst mit einander
verbunden. Zugleich erschliefst sich uns auf diesem Wege das Wesen der
Dinge immer vollständiger, und der Ausspruch eines grofsen Denkers:
^Der Mensch ist seine Geschichte**, gilt auch von allem, was den Menschen
umgibt. Den ursachlichen Zusammenhang der Dinge aufzusuchen ist die
höchste und eigentliche Aufgabe der Wissenschaft. Es gibt also eigentlich
nur eine einzige Wissenschaft. Indem uns die Wissenschaft mit dem ur-
sachlichen Zusammenhange der Dinge bekannt macht, zeigt sie uns, welche
Wirkungen wir von ihnen erwarten können, und setzt uns so in den Stand
sie als Mittel für unsere Zwecke zu gebrauchen.
Die Auffassung des ursächlichen ist, wie jene des Art -Zusammen-
hanges, ein Denkprocess, entfernt sich aber von der sinnlichen Auffassung
noch weiter als dieser. Wenn im Sommer nach einem liegen die Luft
kühl wird, so wissen yrir, dass die Kühle auf den Regen folgt, aber nichts
weiter. So viel gibt uns die sinnliche Auffassung, die, wie wir wissen,
immer nur vereinzeltes bietet. Hätten wir bemerkt, dass diese Aufein-
anderfolge immer stattgefunden hat, so könnten wir annehmen , dass sie
auch in Zukunft stattfinden werde und sie als Regel aussprechen; aber
dass die Kühle durch den Regen hervorgebracht, d. h. dass dieser die
Ursache, jenes die Wirkung ist, wissen wir auch jetzt noch nicht- der
Regen und die darauf folgende Abkühlung sind noch immer zwei voll-
kommen getrennte Erscheinungen. Durch die Einschaltung von Mittel-
gliedern, wie, dass das Wasser verdunste, dass beim Verdunsten Wärme
gebunden werde u. dgl., wird die Schwierigkeit nur anscheinend vermindert,
in der That aber eher vergröfsert. Denn es ist klar: wie nahe sich diese
Mittelglieder auch stehen mögen, sie sind vollkommen getrennt; jedes vor-
hergehende ist vollkommen ein anderes als das nachfolgende, und die Un-
möglichkeit, unmittelbar zwischen dem ersten und letzten .Gliede einen
ursachlichen Zusammenhang aufzufinden, wiederholt sich jetzt auch bei je
zwei Mittelgliedern. Auch das Thun des Menschen hätte an sich nie auf
den Bej^ritf von Ursache und Wirkung zu führen vermocht. Ein Kind, dem
35*
528 J^ Aprciit, Ueber den Begriff der Bildung.
eine Taschenuhr in die Hände kommt, sieht vielleicht mit grofsom Er-
staunen, nachdem es sich eine Zeit lang damit zu thun gemacht, dass die
Zeiger sich nicht weiter fortbewegen, und darüber zur Rede gestellt, wird
es von seinem Standpuncte aus mit vollem Rechte behaupten, es habe das
nicht gethan. Der Begriff von Ursache und Wirkung entwickelt sich in
uns erst dann, wenn wir eine bestimmte Erscheinung hervorrufen wollen
und diese Erscheinung nun wirklich hervorgebracht wird. Ich will den Ast
vom Baume brechen, ich strenge meinen Arm an und der Ast bricht wirk-
lich ab. Hier ist mein Wille wie in der Anstrengung des Armes, so in
dem abgebrochenen Aste enthalten; hier zum erstenmale tritt mir eine
Erscheinung als Wirkung einer Ursache entgegen. Einen solchen Zusammen-
hang nehmen wir nun an, wenn auf eine gewisse Erscheinung unter den
gleichen Umständen immer eine und dieselbe andere Erscheinung folgt
Die Ursache ist in der Wirkung enthalten, sie erscheint in derselben
nur in anderer Form. Dies zeigt sich recht auffällig in der Beständigkeit
der Naturkräfte. Eine Wassermasse, die auf ein Rad herabfällt, kann dieses
in Bewegung setzen. Mit der Welle desselben kann sich ein metallener
Cjlinder in einem hohlen umdrehen und durch die Reibung Wärme erzeugt
werden. Diese Wärme kann man zur Erzeugung von Dampf verwenden,
und dieser kann ein Pumpwerk bewegen, durch welches Wasser wieder
auf die Höhe gehoben wird, von der es früher herabstürzte. Verloren geht
dabei nichts, als was zur Bewegung der Maschinentheile verbraucht wird.
Die Kraft, welche das Rad in Bewegung setzt, erscheint also später als
Wärme, dann als Expansion und diese schliefslich wieder als die das Rad
in Bewegung setzende Kraft.
Wenn wir es versuchen die Thätigkeit zu überblicken, welche der
Mensch seit vielen Jahrhunderten auf den verschiedenen wissenschaftlichen
Gebieten entfaltet, so ergreift uns ein Gefühl des Erstaunens und der Be-
wunderung, und es drängt sich uns die Frage auf, worin denn dieser
Wissenstrieb eigentlich seinen Ursprung habe. Die Nothdurft unseres leib-
lichen Lebens gibt allerdings den ersten Anstofs zur aufinerksamen Be-
trachtung der Dinge, die uns umgeben und ihrer Verhältnisse. Wer den
Acker baut, wird gar bald dahin geführt, zu bemerken, welchen Einfluss
Licht und Wärme, Trockenheit oder Feuchtigkeit der Luft und die man-
cherlei Eigenthümlichkeiten des Bodens auf das Gedeihen seiner Pfleglinge
haben ; der Fischer blickt forschend nach den Anzeichen eines herannahen-
den Sturmes ; der Jäger beobachtet die Gewohnheiten und die Lebensweise
der Thiere, die er in seine Gewalt bekommen will. Allein Über diese ersten
stufen der Cultur sind wir längst hinaus, und doch hat das wissenschaft-
liche Streben nicht ab-, sondern extensiv sowol als intensiv fortwährend
zugenommen. Auch in dem Wunsche nach der Erlangung der sogenannten
Güter des Lebens, wie mächtig er die Handlungen der Mensrhen sonst
auch bestimmt, findet jene Erscheinung ihre Erklärung nicht. Die Leistun-
gen der Wissenschaft gehören nicht zu jenen glänzenden Thaten, die einen
Namen von Mund zu Mund tragen, und mit Gold bezahlt die Welt nur,
was sie wieder zu Gold machen kann. Zwar verdanken wir dem Streben
nach gröfseror Bequemlichkeit und reicherer Gestaltung unseres materiellen
J. Äprent, üeber den Begriff der Bildung. 529
nnd gesellschaftlichen Lebens manche schöne und groXse Entdeckung auch
auf wissenschaftlichem Gebiete, aber es sind doch nur Ausnahmen. Ge-
wöhnlich weifs der Forscher nicht, welche praktische Anwendung seine
Resultate, und ob sie überhaupt eine solche finden werden; wie hätten
also diese Rücksichten bei seinen Arbeiten für ihn bestimmend sein kön-
nen? Der Wissenstrieb entspringt viel tiefer; er hat nichts zu thun mit
den Bedürfnissen unseres Leibes und unterscheidet sich ebenso wesentlich
von den mancherlei Strebungen, die aus den Verhältnissen des gesell-
schaftlichen Lebens entspringen und eine uns zusagende Gestaltung der-
selben zum Zwecke haben.
Neben den mannigfaltigen, in's unendliche sich steigernden Bedürf-
nissen, die wir durch den Gebrauch der Dinge zu befriedigen suchen,
gibt es noch ein Bedürfnis, das, schon durch dasblofse Dasein der Dinge
geweckt, auch schon durch das blofse Dasein derselben seine Befriedi-
gung findet. Jede neue Erscheinung ist uns etwas fremdes; sie erfüllt
uns mit Bewunderung, mit Staunen, vielleicht auch mit Furcht und
Schrecken ; immer liegt sie auf uns wie ein schwerer Druck , den wir ab-
zuwälzen streben. Dem wissenschaftlichen Forscher zeigt sie eine Lücke
in seinem Streben und erweckt in ihm das Bedürfnis diese auszufüllen.
Er versucht dies auf seine Weise, indem er sie mit anderen Erscheinungen
in ursachlichen Zusammenhang zu bringen und dadurch in seinen Er-
kenntniskreis zu ziehen sucht. Ist ihm dies gelungen, so hat sie selbst
die Kluft geschlossen, die sie vorher offenbar machte. Damit ist er be-
friedigt. Dass dieser Zusammenhang da ist, ist ihm genug; er verlangt
nicht, dass er in dieser oder jener Art vorhanden seL Und die Befriedi-
gung, die aus der Erkenntnis dieses Daseins für ihn hervorgeht, ist ein
wahrer Friede, stark genug, ihn über Noth und Entbehrung, selbst über
den Undank und die Misachtung seiner Zeitgenossen emporzuheben und
hinwegzutragen.
Aber nicht blofs für den wissenschaftlichen Forscher ist jede neue
Erscheinung eine fremde, und das Streben sich von ihrem Drucke zu
befreien, wai* da, vor Wissenschaft und wissenschaftlicher Methode. Von
allen Seiten dringen unzählige Gestalten auf den Menschen ein, die er
nicht kennt und nicht versteht. Der Wilde sieht nur in seinem Stamm-
genossen noch seines gleichen; der Angehörige eines anderen Stanmies
schon hat so wenig mit ihm gemein als das Thier, das er erlegt, weil es
ihm gefahilich ist, oder noth wendig zur Stillung seines Hungers. Nur
langsam und zögernd gehmgt er dahin, auch in seinem bisherigen natür-
lichen Feinde etwas menschliches anzuerkennen. Aber er gelangt dazu
nicht auf wissenschaftlichem Wege. Ein Blick, ein Wort, vielleicht die
kühne Todesverachtung, vielleicht die an sein Herz dringende laute Klage
um einen Gefallenen sind es, durch die ihm in dem bis jetzt fremden
Wesen sein eigenes cntgogendämmert. Was hier geschieht und wie es ge-
schieht, geschieht in imnicr gröfseren Kreisen. Wie es uns in geeigneter
Stimmung findet, tritt ein Ding nach dem andern uns näher — es spricht
uns an, wie ^ir es bildlich ausdrucken— und sagt uns unmittelbar, dass
es mit uns derselben Weltordnung augehöre, dass es uns nicht fremd sei.
530 J. Aprenty Ucber den Begriff der Bildung.
Durch sein Dasein schon befriedigt es uns, und wir denken in einem
solchen Augenblicke an einen Gebrauch desselben ebenso wenig, als der
Wilde, der in seinem Ge&ngenen jetzt zum erstenmale einen Menschen
entdeckt hat, daran denkt, ihn zu essen.
Insofern uns etwas schon durch sein blofses Dasein Befriedigung
gewählt, nennen wir es gut, und die Auffassung des Guten in der Aulisen-
welt nennen wir die sittliche Auffassung. Wir verstofsen damit nicht
gegen den einmal festgestellten Begriff des sittlichen, vermöge dessen nur
menschliche Thätigkeiten sittlich genannt werden können. Denn wir reden
hier niclit von sittlichen Dingen, sondern von einer sittlichen Auffassung
der Dinge. Dass aber alles, was auf uns einwirkt, ebenso wie die sittlichen
Handlungen der Menschen, wenngleich im einzelnen nicht ebenso nach-
weisbar, einen sittlichen EinÜuss auf uns üben könne, ist unzweifelhaft.
Alles, was wir gut nennen, und insofern wir es so nennen: die einfaltig
unschuldigen Worte eines Kindes, die Treue und Anhänglichkeit eines
Thieres, der frische Hauch des Morgens, die stille Feier des Nachthimmels,
alles das kann als sittliches Element in uns einziehen und bringt unfehl-
bar sittliche Wirkungen hervor. Von dem Hunde kann der Mensch die
Treue lernen, wenngleich sie in ihm zur menschlichen werden soll; von
der Biene den emsigen, geordneten FlelTs; von der Sonne den ein&chen
grofsen Sinn, der, sich immer gleichbleibend, alles umfangt und durch-
dringt. Das sittlich aufgefasste wird in uns zu einem sittlichen. Es ver-
hält sich damit beiläufig so, wie mit den mancherlei Eindrücken sinn-
licher Gegenstände, die wir durch die verschiedenen Sinneswerkzeuge auf-
nehmen und die doch dann sämmtlich als Vorstellungen auftreten und
durch Worte hörbar ausgesprochen werden, gleichviel, ob der Eindruck
durch das Ohr, das Auge, oder durch den Geschmack oder sonst einen
Sinn aufgenommen wurde. Durch die sittliche Auffassung der Dinge werden
wir selbst zu sittlichen Wesen.
Die sittliche Auffassung ist die dritte Stufe der auffassenden Thätig-
keit. Sie setzt das Denken ebenso voraus, wie dieses das Wahrnehmen.
Denn indem wir etwas gut nennen, sagen wir, dass in der sinnlichen Er-
scheinung etwas enthalten sei, was eben durch sie als „gut" sich aus-
spreche. Sie ist die Form, in der ein inneres zum Ausdruck kommt. Wir
müssen also schon wissen^ dass in einer Erscheinung ein inneres enthalten
sein könne, und das erfahren wir zuerst denkend, indem wir in einer
Wirkung die Form erkennen, in welcher die Ursache zum Ausdrucke kommt
Wir müssen also wenigstens einmal schon einen ursachlichen Zusammen-
hang aufgefunden haben.
Wenn der Mensch in seiner Entwickelung auf einer gewissen Höhe
angekommen ist, so geht alles Wahmelnnen sogleich in ein Denken über,
indem er die sinnlichen Gegenstände fast unwillkürlich, wenigstens gleich
in ihrem Art- Zusammenhange auffasst. Im weileren Fortschritte nun er-
hebt sich jede Auffassung zur sittlichen. Wir haben gesehen, wie das
wissenschaftliche Streben, das doch weit ab von jeder sittlichen Tendenz
zu liegen scheint, zu einem sittlichen sich veredeln könne. Gleichwol wendet
<1«T, welcher ein wisse)is<liartliohos Problem sittlich auffa.sst, weder f»ino
J. Aprent, Ueber d< n Begriff der Bildung. 531
Ändere Methode an, noch kommt er zu anderen Resultaten als derjenige,
dem es dabei blofs um eine nutzbringende Anwendung zu thun ist. Der
Unterschied liegt blofs darin, dass jeder von ihnen ein anderes Bedürfnis
zu befriedigen sucht. In je höherem Grade nun unser Wesen bereits ein
sittliches geworden ist, desto mächtiger wird sich auch das sittliche Be-
dürfnis zeigen, und wie es dem im Denken geübten natürlich ist, alles
denkend zu betrachten, so wächst mit unserem sittlichen Wesen auch die
Leichtigkeit und Schnelligkeit der sittlichen Auflfassung. Auf unserer Cul-
turstufe vermögen wir in dem nackten, vielleicht misgestalteten und der
Sprache kaum fähigen Wilden viel leichter noch etwas gutes — einen
Menschen — zu erkennen, als dieser seines gleichen in dem Bewohner der
nächsten Insel, die et zum erstenmal erreicht. Selbst Speise und Trank,
obgleich nur zur Befriedigung leiblicher Bedürfnisse dienend, können so
zu Gegenständen sittlicher Auffassung werden.
Die sittliche Auffassung ist aber zugleich die letzte Stufe der auf-
fassenden Thätigkeit. Indem wir etwas gut nennen und dadurch unsere
Befriedigung über sein Dasein aussprechen, treten wir zu ihm in ein sitt-
liches Verhältnis. Zwar fühlt auch der Essbegierige beim Anblick der
Speise und der Habsüchtige beim Anblicke des vielleicht unredlich er-
worbenen Geldes sich befriedigt; allein ihre Befriedigung ist ganz anderer
Art. Sie befriedigt nicht das Dasein der Speise und des Geldes, sondern
den erstem die Möglichkeit des Genusses und den letztem der Besitz. Bei
ihnen ist es das Verhältnis des Dinges zu ihrem Zwecke, was sie befrie-
digt. Das Verhältnis des Dinges zu unserem Zwecke ist aber kein Ver-
liältnifl zu uns; denn der Zweck ist eine Vorstellung, und diese ist, wie
wir gesehen haben, immer etwas aufser uns. Das sittliche Verhältnis ist
demnach das einzige, welches wirklich zwischen uns und den Dingen
der Aufsenwelt besteht. Erst was wir gut nennen, tritt wahrhaft in Ver-
bindung mit unserm Dasein, w"rd wahrhaft unser eigen.
Was wir nicht gut nennen, tritt eben dadurch aufser Verhältnis
zu uns ; es wird nicht sittlich aufgefasst, sondern abgestofsen. Da aber mit
der fortschreitenden Ent Wickelung unsere Fähigkeit zur sittlichen Auffas-
sung sich fortwährend steigert, und anderseits die Dinge der auffassenden
Thätigkeit sehr viele Seiten darbieten, so kann derselbe Gegenstand später
doch in ein sittliches Verhältnis zu uns treten.
Die äufsero Welt stellt sich uns in einer Unzahl einzelner Erschei-
nungen dar und, indem wir wahrnehmen, werden diese in ihrer Vereinze-
lung aufgefasst. Durch das Denken wird die Aufsenwelt zur Einheit
gebracht. Mit der sittlichen Auffassung endlich treten wir selbst in diese
Einheit ein, und es verschwindet die Kluft, die uns bisher von der Welt
trennte. Damit aber hat die auffassende Thätigkeit überhaupt ihr Ende
erreicht.
II.
Das Hervorbringen.
Um eng verbundenes nicht gewaltsam zu trennen und so das Ver-
ständnis unnöthigcr Weise zu erschweren, musste schon bei der auffassen-
den Thätigkeit au^h der ht'rvurbnii;;cndeii Erwähnung geschehen. Wir
532 J. Aprent, üeber den Begriflf der Bildung.
bezeichneten so jene Thätigkeit, durch welche etwas hen'orgebracht wird,
was nun aufser oder neben dem Thätigen ein Dasein hat. Es ist nun nöthig,
auf diese Art der Thätigkeit näher einzugehen.
Die hervorbringende Thätigkeit hat drei Stufen : das Vorstellen, das
Sprechen und das Wirken. Diese Stufen verhalten sich zu einander so, dass
jede folgende die vorhergehende aufnimmt und weiter fortsetzt Die Vor-
stellung ist ein äufäeres blofs für den Vorstellenden; das Gesprochene ist
ein äuTseres nicht blofs für den Sprechenden, sondern auch f&r den Hören-
den, und, insofern wir auch durch Blicke, Geberden u. s. w. sprechen
können, überhaupt für jeden dem Sprechenden gegenwärtigen; das Werk
trägt sein Dasein über die unmittelbare Gegenwart hinaus, es ist da für
jeden. Das Sprechen ist ein weiter geführtes Vorstellen; wir stellen etwas
vor den Hörer; das Wirken ist ein weiter geführtes Sprechen; durch unser
Werk sprechen wir zu allen.
Wir haben aber gesehen, dass durch das Vorstellen ein inneres
nämlich ein wahrgenommenes wieder äufserlich und anschaulich wird; es,
ist also immer auch im Sprechen und Wirken ein inneres, was der Her-
vorbringende äufserlich in das Dasein stellt In dem Werke hat sich dieses
Innere von dem Wirkenden gänzlich losgelost und es ist durch den Stoff,
den es durchdringt, vollständig in die Aufsenwelt eingetreten. Auf welcher
Stufe des Hervorbringens wir in einem gegebenen Falle stehen bleiben,
hängt von der Beschaffenheit unseres Inneren und von dem Zustande des-
selben im Augenblicke des Hervorbringens ab. Kinder und Ungebildete
tragen ihr Herz auf der Zunge, und im Augenblicke einer plötzlich herein-
brechenden Gefahr , oder von einer mächtigen Leidenschaft ergriffen, geht
auch der sonst Besonnene nicht selten sogleich in's Wirken über und be-
geht Misgriffe, Thorheiten und Fehler, kurz Handlungen, von denen er
später selbst wie zur Entschuldigung sagt, dass er sie nicht bedacht habe.
Meist werden jedoch zuerst Vorstellungen hervorgebracht, und erst
diese, ausgesprochen in einem Worte oder Werke, weiter nach auTsen ge-
tragen. Warum dies so sei, ist leicht einzusehen. Wir liaben bereits be-
merkt, wie eine Vorstellung uns zur Bildung ganzer Reihen mit ihr im Zu-
sammenhange stehender Vorstellungen anregt, und wie ganz besonders zu-
sammengesetzte Vorstellungen, weil sie durch ihren Inhalt nach vielen
Richtungen hin untereinander in Verbindung stehen, geeignet sind, unsere
vorstellende Thätigkeit zu wecken und in Gang zu erhalten. Es fehlt also
nie an Anlass zur Bildung von Vorstellungen, und diese geht zugleich mit
der gröfsten Freiheit und Leichtigkeit vor sich. Anders verhält es sich
aber, wenn ein Inneres in einer auch von andern auffassbaren Form zur
Erscheinung kommen soll. Hier muss ein sinnlicher Gegenstand geformt,
d. h. zum Träger und Vermittler unseres Inneren gemacht werden. Nun
gibt es aber keinen sinnlichen Gegenstand, der nicht schon eine Form
hätte. Denn alles zeigt wenigstens eine gewisse Anordnung seiner Theile
und das setzt eine gewisse Art der Begrenzung derselben, also wenigstens
eine bestimmte Form der Theile schon voraus. Dem Gegenstand, welcher
geformt worden soll, muss also seine Form genommen und eine andere
gleichsam aufgenöthigt werden ; er leistet einen Widerstand, der über-
J. ApreyU, Uebcr den Begriff der Bildung. 533
wunden werden muss. Dadurch aber wird die hervorragende Thätigkeit
gehemmt, sie bleibt vorerst auf der Stufe des Vorstellens stehen, und die
Vorstellung erst wird in den äufseren Gegenstand, den Stoff, allmählich
eingetragen. Die Voi Stellung dessen, was durch unsere Thätigkeit hervor-
gebracht werden soll, nennen wir Zweck.
Es könnte scheinen, dass der Widerstand des Stoffes und die mit
der Ueberwindung desselben verbundene Anstrengung es sind, die das Ge-
ftlhl des Misbehagens in uns erzeugen, das so oft mit der Arbeit verbun-
den ist Dass diese Annahme jedoch nicht ganz richtig ist, sehen wir
schon daraus, dass Kinder bei ihren Spielen nicht selten ihre ganze Kraft
einsetzen, ohne an Lust und Freude etwas einzubürsen^ während der Ar-
beiter oft genug sein Geschäft lässig betreibt und dabei doch den ganzen
Druck empfindet, den wir als die Härte der Arbeit bezeichnen. Der Grund,
warum dem Kinde das Spiel Freude gewährt, liegt vielmehr darin, dass
es dabei entweder gar keinen Zweck verfolgt, sondern sein inneres unmittel-
bar zum Ausdruck bringt, oder einen so naheliegenden Zweck vor sich hat,
dass es ihn schon durch sein gegenwärtiges Thun vollständig erreicht?
Wer jedoch den Acker pflügt , hat dabei einen Zweck im Auge , nämlich
den Acker fruchtbar zu machen. Dieser Zweck wird aber durch seine gegen-
wärtige Thätigkeit noch nicht erreicht; denn wenn er mit der Arbeit fertig
ist, so hat er wol einen mit Furchen durchzogenen, aber noch nicht einen
fruchtbaren Acker. Es wird also durch seine Thätigkeit sein Inneres noch
nicht zum äufseren Dasein gebracht, und darum lässt sie ihn ohne Freude.
Dies ist um so mehr der Fall, je weiter sie von der Erreichung des Zweckes
noch entfernt ist. Je besser hingegen der Mann hinter dem Pfluge es weifs,
wie die Fruchtbarkeit des Ackers durch das Pflügen bedingt ist, je mehr
er in dem gepflügten Felde schon das mit Aehren beladene, also schon
seinen Zweck zu erblicken vermag, desto mehr verliert seine Arbeit an
Härte; sie wird leicht und genussreich. Kann uns ja doch sogar das Spre-
chen mühevoll und lästig werden, wenn dadurch blofs ein fernliegender
Zweck erreicht werden soll, während das Kind wie träumend fortplaudert
und auch darin Genuss und Befriedigung findet.
Man thut also unrecht, mit Geringschätzung auf das Treiben des
Kindes hinabzublicken. Die schöpferische Thätigkeit des Künstlers, der
den Marmor zu beleben, des Gesetzgebers, der ein Volkschaos zu einem
Volke zu gestalten sucht, dass es nach seiner Eigenthümlichkeit sich weiter
entwickle, hat für diese keinen höheren Werth, als das Spiel des Kindes
für das Kind. Sie alle suchen blofs ihrem Inneren ein äufseres Dasein zu
geben. Das Kind lernt nicht blofs spielend arbeiten, das Spiel ist auch
wirklich seine Arbeit. Anfangs finden die Regungen der leicht beweg-
lichen Seele schon in der Stimme und in den Bewegungen der Glieder
ihren vollständigen Ausdruck. Hier ist es der noch gegenstandslose Thätig-
keitstricb, der in die Aufsenwelt eintritt. Sobald sich dann einige Vor-
stellungen gebildet haben, sucht es diesen auch sogleich äufsere Realität
zu geben ; es thürmt Berge aus Sand, es legt mit den Blumen, die es auf
der Wiese gebrochen hat, einen Garten an, und macht den Raum unter
dem Tische zu einem Prunkgemache. Wie aber seine Vorstellungen reicher
534 J' Aprent, lieber den Begrifi" der Bildung.
und zusammengesetzter werden , gibt es auch von selbst die alten Spiele
auf. Aber jetzt kann auch das Kind sein Inneres nicht mehr unmittelbar
-wie mit einem Hauche in die Aufsenwclt übertragen. Es verfolgt entfern-
tere Zwecke und damit beginnt auch seine Noth. Vater und Mutter müssen
bestimmt werden ihre Unterstützung zu leihen, Hindernisse müssen be-
seitigt, förderliches in Bewegung gesetzt werden; es fehlt nicht an Kum-
mer und Thränen. Auf diese Weise geht das Spiel des Kindes allmählich
und unmerklich in das über, was wir Arbeit nennen.
Umgekehrt kann die Arbeit des Mannes, wie groft und ernst auch
der Zweck, der erreicht werden soll, sein mag, dem, was wir Spiel nennen,
sehr nahe kommen und mit der fortschreitenden Entwickelung des Men-
schen nähert sie sich ihm auch wirklich immer mehr. Am härtesten wird
die Arbeit als solche empfunden, wenn ein uns fremder Zweck durch Mittel
erreicht werden soll, deren Wahl ebenfalls nicht von uns abhängt. Könnte
man auf diese Art die äufsere Thätigkeit des Menschen vollständig von
seinem Inneren trennen, so hätte man ihn auch vollständig auf die Stufe
hinabgedrückt, auf der sein Zugthier steht. Sein Thun würde für ihn zur
furchtbarsten Qual, weil es im vollkommensten Widerspruch stünde mit
seiner Menschennatur. Dies ist jedoch niemals der Fall, denn seine Natur
ist stark genug, sich in jedem Verhältnisse zur Geltung zu bringen. Er
wird damit anfangen, den Zweck und die Zweckmäfsigkeit der Mittel einer
Prüfung zu unterziehen und sie, je nach seinem Standpuncte, billigen oder
verwerfen. Im ersten Falle wird das ursprünglich fremde sich allmählich
in seine Seele legen und er wird schlief slich wie aus freiem, innerem An-
triebe thun, was anfänglich fremdes Gebot war; im zweiten Falle wird er,
wie klein der Spielraum, der ihm gelassen ist, auch sei, innerhalb dieses
Spielraumes seiner bessern Einsicht gehorchen und, wenn er nichts anderes
kann, seine Arbeit zu verderben, sein eigenes Werk zu zerstören suchen,
und sich freuen, wenn es ihm gelingt. Auch so verfolgt er seine Arbeit
mit Theilnahme; er nimmt den fremden Zweck in sich auf, wenngleich
nur, um seinen eigenen an dessen Stelle zu setzen, und macht seine Thätig-
keit zum Mittel zur Erreichung dieses Zweckes. Da ferner Mittel und
Zweck in einem solchen Verhaltnisse zu einander stehen, dass dieser um
80 vollständiger erreicht wird, je vollkommener jenes ist, so lässt sich in
der Vollkommenheit des Mittels der Zweck schon als erreicht erblicken.
Wenn also unsere Thätigkeit auch nicht in unmittelbarer Beziehung
zu dem Zwecke derselben steht, so lässt sich doch eine solche unmittel-
bare Beziehung herstellen, wenn wir unseren Endzweck in die vollkommene
Erreichung des nächsten Zweckes verlegen. Auf diese Art gelangen wir
immer mehr dahin, nur unsere Zwecke zu verfolgen, nnd zwar solche, zu
deren Erreichung schon unsere gegenwärtige Thätigkeit führt. Wir arbei-
ten mit Befriedigung — spielend.
Wir mögen also di\3 hervorbringende Thätigkeit in ihren Ergeb-
nissen auf den verschiedenen Stufen oder in Beziehung auf die unendlich
verschiedenen Zwecke, die der Mensch dabei im Auge haben kann, be-
trachten; immer ist sie das Mittel, durch welches unser Inneres in die
ihifsere Erscheinunir tritt. W<»nn wir di<'se Darstell uns: unseres In-
J. ÄpretUf Uobor den Begriff der Bildung. 585
neren nicht den Zweck der hervorbringenden Thätigkeit nennen, so hat
dies nur darin seinen Grund, dass wir nicht gewohnt sind, sie uns als das
vorzustellen, was durch die Thätigkeit erreicht werden soll. Wir haben
zugleich gesehen, dass der Mensch in jeder hervorbringenden Thätigkeit
sein Inneres zur Erscheinung bringen kann, und sie verdient auch nur
insofern, als er dies wirklich thut, den Namen einer menschlichen. Denn
erscheint in dem hervorgebrachten sein Inneres nicht, so hat er nur mit
den Kräften eines Thieres oder einer Maschine gewirkt. Durch seine her-
vorbringende Thätigkeit umgibt sich der Mensch mit den Kindern seines
Geistes. Das Dach, unter dem er wohnt, der Hausrath, dessen er sich be-
dient, der Acker mit den wogenden Halmen: es sind »eine in den Raum
Übertragenen Gedanken. Auch dem Thiore, das sein Eigenthum bewacht
oder ihm Gehilfe bei der Arbeit ist, hat er sein Zeichen aufgedrückt; es
ist ein lebendiges Zeugnis seiner überlegenen Einsicht^ seiner berechnen-
den Ausdauer, seiner liebevollen Pflege. Am herrlichsten aber leuchtet ihm
sein Bild entgegen aus den Menschen, mit denen er umgeht und auf die
er fortwährend einwirkt. Die Welt ist nun seine Welt, weil und insofern
sie aus seinem Inneren hervorgegangen ist.
Was wir hervorbringen ist gut, wenn es uns ohne Beziehung auf
irgend ein anderes schon durch sein blofses Dasein Befriedigung gewährt;
unsere hervorbringende Thätigkeit wird zur sittlichen , wenn sie auf die
Hervorbringung eines guten gerichtet is'. Die Ergebnisse der hervorbrin-
genden Thätigkeit auf den unteren Stufen köunen uns niemals volle Be-
friedigung gewähren, weil in ihnen die Thätigkeit noch nicht zum Ab-
schluss gekommen ist. Erst in einem Werke kommt sie zum Abschluss.
Das höchste also, was der Mensch hervorbringen kann, ist ein Werk, das
gut ist
Ul.
Das Bewusstsein.
Wenn der Mensch in das Leben tritt, so ist er noch nichts von
allem dem, was er durch das Leben erst wird. Was er aber in's Leben
schon mitbringt, ist die Fähigkeit thätig zu sein. Von den Aufsendin-
gen angeregt, tritt diese Fähigkeit zunächst als auffassende Thätigkeit in
die Erscheinung, und durch diese wird der Mensch allmählich zu einem
wahrnehmenden, denkenden und s ttlichen Wesen.
Da die Gegenstände der Auffassung nach Zeit und Ort unendlich
verschieden sind, so müssen auch die Ergebnisse der auffassenden Thätig-
keit ebenso verschieden sein. Durch sie wird also jeder Mensch zu einem
Individuum, verschieden von jedem andern. Die Welt ist zu grofs für einen;
jeder nimmt nur einen kleinen Theil von ihr auf. Dies allein würde schon
hinreichen, die Verschiedenheiten in Menschen und Völkern zu erklären,
wenn man auch annelimen wollte, dass alle für alles eine gleiche Auf-
nahmsfahigkeit haben.
Was der Mensch durch die auffassende Thätigkeit geworden ist, ist
ihm vorerst ganz unbekannt. Wir alle haben schon sehr viel gesehen, ge-
hört und erfahren, aber in denn Augenblicke, wo wir uns mit der Betrach-
tung einer Bluun', mit dem Li'son o nos Buciies o<ler vielleicht gar nur
530 J. Aprent, Ueber den Begriff der Bildung.
mit dem Frühstück beschäftigten, wissen wir nichts von allem, was das
Leben bis zu diesem Augenblick an uns gewirkt hat. Alles innere kommt
nur dadurch zum Vorschein, dass es durch die hervorbringende Thatigkeit
wieder zu einem äufseren und auf diese Art anschaulich gemacht wird,
sei es auch nur in einer Vorstellung. Durch die auffassende Thatigkeit
werden wir zu etwas ; durch die hervorbringende zeigt sich, was wir sind.
Damit wir ein Wissen von nns erlangen, muss das hervorgebrachte
von uns aufgefasst werden. Die hervorbringende Thatigkeit geht also
hier wieder über in die auffassende, mit der die Thatigkeit überhaupt be-
gonnen hat. Wir können uns demnach den Gang der Thatigkeit als eine
Kreislinie denken, die mit der Erzeugung eines Wissens von nns
selbst wieder zu ihrem Anfangspuncte zurückkehrt. Das Leben nmfasst
eine gröl^ere oder kleinere Zahl solcher Lebenskreise.
Auch das auf eine solche Weise erzeugte Wissen von un» selbst ist
kein continuierliches; es verschwindet, sobald unsere Thatigkeit einem an-
deren Gegenstande sich zuwendet. Es ist immer nur einBewusstwerden,
das mit gröfseren oder kleineren Unterbrechungen auftritt. Je einheitlicher
aber unser Wesen ist, desto mehr wird alles, was wir hervorbringen, das
Gepräge dieses Wesens an sich tragen. Auch die Thatigkeit selbst, die
hervorbringende sowol als die umfassende, geht aus uns hervor, ist also
schon etwas hervorgebrachtes und wird den Charakter unseres Wesens
zeigen. So sieht der Trauernde, wohin er auch blicken mag, immer nur
seine Trauer, und in alles, was er thut, legt er ebenfalls seine Trauer.
Sic ist ihm immer und überall gegenwärtig.
Nun geht aber die auffassende Thatigkeit dahin, uns zu einheit-
lichen Wesen zu machen, nämlich zu sittlichen. In je höherem Grade wir
dieses sind, desto mehr wird auch jede unserer Aeufserungen das Gepräge
unseres sittlichen Wesens an sich tragen. In jeder werden wir uns wieder
erkennen, das Bewusstwcrden wird immer mehr zu einem continuierlichen
Zustand, zum Bewusstsein. Die Erzeugung des sittlichen Bewusstseins
ist also das Ziel, bei welchem das Leben schliefslich ankommt
Nennt man nun das Ziel des Lebens Bildung, so ist Bildung
nichts anderes, als die durch das Leben hervorgebrachte Stärke
des sittlichen Bewusstseins. Es gibt also wol unzählige Grade, aber
nur eine einzige Art von Bildung. Auch ohne es zu wollen, ja selbst ohne es
zu wissen, strebt der Mensch ihr zu in allen Zonen, zu allen Zeiten und
unter allen Verhältuissen.
Einige Folgerungen.
Wir glauben, dass der Begriff der Bildung, wie wir ihn im vorher-
gehendeu gefunden haben, so ziemlich mit dem übereinstimmen dürfte, was
man sich auch sonst gewöhnlich, nur mehr oder weniger klar, darunter
denkt. Aber auch, wenn dieses nicht der Fall wäre, wenn also z. B. eine
gewisse Glätte und Gewandtheit in den Umgangsformen — was man so
Salonbildung nennt — diesen Namen mit demselben Rechte trüge, auch
dann wäre unsere Untersuchung keine vergebliche gewesen. Denn — vor-
ausgesetzt, dass der Gang derselben ein richtiger war — wir haben auf
J. Äprent, üeber den Begriff der Bildung. 587
dieftem Weg<e das Ziel erkannt, dem das Leben zustrebt. Die Schule soll
sich aber so viel als möglich dem Leben anschliefsen , und sie kann dies
offenbar nicht besser, als wenn sie das Ziel des Lebens zu ihrem letzten
und höchsten Zwecke macht Was das Leben in jedem einzelnen, nur in
jedem in einem anderen Grade hervorbringt, das soll sie bei den ihrer
Führung anvertrauten in dem unter den gegebenen Verhältnissen höchst
möglichen Grade durch ein berechnetes Zusammenwirken aller ihrer Mittel
zu erreichen suchen.
Zu diesen Verhältnissen gehört aber vor allem, dass die Schule nicht
erst neu geschaffen werden soll, sondern eine bereits bestehende Institution
igt, die schon einen bestimmten Zweck verfolgt. Dieser Zweck ist der Un-
terricht. Bei all unseren Schulen denkt man zuerst an die Beibrin^ng
gewisser Kenntnisse und Fertigkeiten, nicht an Bildung in irgend einem
Sinne. Die Bestimmung alles dessen, was zum Unterrichte in unmittel-
barer Beziehung steht: Art und Zahl der Unterrichtsgegenstände, Umfang,
in welchem dieselben behandelt werden, Art der Behandlung u. s. w. bildet
die ünterrichtsverfassung einer Schule. Ihr zur Seite steht die Disciplinar-
verfassung, welche alle jene Vorkehrungen in sich begreift;, welche noth-
wendig sind, dass der Unterrichtszweck erreicht werden könne. Es handelt
sich also darum, der Disciplinar- und Unterrichtsverfassung eine solche
Stellung zu geben, dass sie zugleich Mittel zur Erreichung jenes höchsten
Zweckes werden.
Wir haben hier nicht die Absicht auf eine umfassende und streng
gegliederte Erörterung dieses Gegenstandes einzugehen. Wenn der von uns
aufgestellte Bildungsbegriff richtig ist, so wünschen wir, dass er als Ueber-
zeugung, d. h. von innen herauswirken möge. Was aus dem so gefassten
letzten Schulzwecke für die Schule heilsames an Einrichtungen und Formen
hervorgehen kann, wird sich dann wol allmählich zur Geltung bringen.
Nur um zu zeigen , dass dieser Bildungsbegriff wirklich Folgerungen flir
die Schule zulasse, gestatten wir uns noch einige Bemerkungen, und zwar
mit Uebergehung der Disciplin ausschliefslich in Betreff des Unterrichtes,
weil maxi auf diesem Gebiete seine Fruchtbarkeit am ehesten in Zweifel
ziehen könnte. Wir bitten jedoch, nicht etwa durchaus neues und bisher
ganz unbekanntes zu erwarten. Wie bei der Cultur des Bodens, so ist auf
dem Felde der Erziehung das Können dem Kennen oft weit vorausgeeilt.
Damm ist aber das letztere doch nicht überflüssig. Denn belebt wird das
Können doch nur durch die Einsicht und diese befestigt sich um so mehr,
je vielfacher die Wege sind, auf denen man zu ihr gelangt.
Man pflegt zu sagen, die Welt bilde den Menschen. Aber dieser Satz
ist, wenn nicht ganz unrichtig, wenigstens sehr ungenau. Denn wie wir
gesehen haben, bildet der Mensch sich selbst und die Welt bietet ihm nur
den Bildungsstoff, den er in sich aufnimmt und verarbeitet, um seine
•Bildung daraus aufzubauen. Und diese Bildung ist nur eine, unter wa»
immer f&r Verhältnissen der Mensch auch lebe. Darum erkennen wir in
den grofsen Dichtem, Geschichtschreibem und Staatsmännem des Altor-
thums, zu deren Geistesboheit wir be^vunde^nd aufblicken, auch heute noch
leuchtende Vorbilder, denen wir uns anzunähern suchen, obgleich die Welt,
588 -/. Aprenty Uebcr den Bogriff der Bildung.
ans der sie ihre Bildung schöpften, sehr verschieden war von der unseren.
Für die Schule ergibt sich daraus zunächst, dass es unstatthaft ist, von
irgend einem ünterrichtsgegenstande zu behaupten, dass er schon an sich
mehr bildende Kraft habe als irgend ein anderer. Kein Unterrichtsgegen-
stand vermag den Schüler zu bilden, nicht einmal der Lehrer thut das,
sondern einzig und allein der Schüler selbst. Auch ist kein Unterrichts-
gegenstand an sich schon ein Bildungsmittel, sondern sie sind sämmtlich
nur Bildungsstoff und als solcher sämmtlich gleich werthlos oder werth-
voll. Es gibt nur ein einziges Bildungsmittel, und dieses ist die Thatig-
keit des Schülers. Die Unterrichtsaufgabe der Schule aber besteht
darin, Unterrichtsgegenstände in ein solches Verhältnis zu
dem Schüler zu bringen, dass an ihnen seine bildende Th&tig-
keit zur Entfaltung komme.
Dazu ist vor allem noth wendig , dass der Unterricbtsgegenstand ge-
eignet sei seinen Thätigkeitstrieb zu wecken. Wecken, lebendig machen
kann nur das gegenwärtige, lebendig wirksame. Je mehr also der Unter-
richt mit dem Orte und der Zeit, in welcher der Schüler lebt, verwachsen
ist, je mehr der Gegenstund desselben auch sinnlich wahrnehmbare Wir-
kungen zeigt, desto mächtiger wird er ihn anregen ; je weiter er hingegen
in die Feme rückt, je loser die Beziehung ist, in der er zu der Welt steht,
welche den Schüler auch aufserhalb des Schulzimmers umgibt, desto weniger
wird er es zu thun vermögen. Abbildungen und ähnliche Behelfe leisten
etwas, aber bei weitem nicht so viel, als man sich gewöhnlich von ihnen
verspricht. Sie kommen dem Schüler zu Hilfe, wenn er bereits Theilnahme
für den Gegenstand hat; diese hervorzurufen, werden sie schwerlich im
Stande sein. Erzählungen vom Pferde, von Hund und Katze sind weit ge-
eigneter die Thätigkeit des Kindes anzuregen als, wenn auch in Bildern
vorgeführt, Löwen und Tiger oder die Wunder der Tropenwelt Nur in dem
Lehrer noch und durch ihn kann auch das Todte in einem gewissen Sinne
wieder lebendig, das Entfernte zu einem Gegenwärtigen werden; dadurch
nämlich, dass es sich in ihm wirksam zeigt. Was aus seinem Innern
strömt, ist gegenwärtig und lebendig, aber doch nur für den Augenblick
der Rede. Besser bleibt es immer, wenn dem Gegenstande selbst, auch ohne
jene Vermittlung, anregende Kraft innewohnt.
Der Schüler soll aber auch thätig erhalten werden. Dies wird er-
reicht, wenn alles, was er lernt, für ihn eine Frage enthält, die er sich
selbst zu beantworten gedrungen fühlt. Nur so schreitet er im Wissen
wirklich vorwärts; was ihm anfangs ferne lag, steht jetzt unmittelbar vor
ihm, weil er sich ihm genähert hat. Aber er soll nicht von einer Lehrstunde
zur andern geschoben werden; er soll selbst gehen. Dann muss er aber
einen Weg vor sich haben und ein Ziel. Was er vor allem nöthig hat, ist
Klarheit. Alles sprunghafte, auf Ucberraschung berechnete ist im Unter-
richte verwerflich; jede nur auf einem Kunstgriff beruhende Auflösung einer
Aufgabe werthlos.
Die Thätigkeit des Schülers soll aber eine sittliche sein, denn nur
durch eine solche wird er zum sittlichen Bewusstsein geführt, was wir als
den h()chsten Zweck der Schule erkannt haben. Die auffassende Thätigkeit
. J. ÄpretU, Uebcr den Begriff der Bildung. 5811
ist eine sittliche, wenn wir in einem Gegenstande ein Gutes erkennen,
indem er uns schon durch sein blofses Dasein Befriedigung gewährt. Wie
aber vermag der Schüler in einem Gegenstande, den er doch erst im Ver-
laufe eines längeren Zeitraums mit angestrengter Arbeit kennen lernt, gleich
anfangs etwas gutes zu erkennen, damit die auf Aneignung dieses Gegen-
standes gerichtete Thätigkeit eine sittliche werde? Er vermag es immer,
wenn der Gegenstand ihm in einigen grofsen Zügen gleichsam anschaulich
▼orgeführt werden kann, und ihm etwas verspricht, was zu besitzen er
ein Verlangen trägt, dessen Mangel sich ihm wenigstens fühlbar machen
lasst Damit die Thätigkeit aber auf der sittlichen Höhe bleibe, muss der
Gegenstand auch halten, was er versprochen hat, und er darf nie allzu lange
Schuldner bleiben. Jeder Satz soll also für den Schüler nicht blofs eine
Frage enthalten, sondern auch eine Antwort auf eine Frage, die er sich
selbst gestellt hat. Aller Unterricht soll historisch sein, aber in dem
Sinne, dass das Wissen des Schülers in ihm eine jjreschichte habe. Was
er lernt, soll er selbst als nothwendig erltenncn, weil es von dem, was er
schon gelernt hat, als Ergänzung gefordert wird*). Ein Gegenstand, der
nicht in einem solchen innem Verhältnisse zu dem Schüler steht, kann
▼on diesem nicht sittlich aufgcfasst werden. Aeufsere Zwecke kommen
hierbei nicht in Betracht. Der Schüler soll nichts lernen, als was er braucht.
Aber nur, wornach er ein Bedürfnis hat, nur das braucht er, und das soll
er lernen, und alles, wornach man in ihm ein Bedürfnis rege machen kann^
das kann er lernen. Es gibt nichts, was er nicht lernen kann, weil es ihm
XU schwer ist; schwer ist ihm nur, was er nicht lernen mag, weil er kein
Bedürfnis hat, es zu wissen. Selbst der Bauernjunge kann Geschichte lernen,
nämlich die Geschichte seines Dorfes, seiner Kirche u. s. w.; Physik, näm-
lich, warum die Fenster der Schulstube im Winter nass werden u. s. w.
Aber traurig wären die Erfolge, wenn es dem Dorfschullehrer einfallen
könnte seinen Jungen die Luftpumpe erklären zu wollen. Sie würden sich
sicher nichts weiter merken, als dass man mit ihr Mäuse todt machen kann,
und nur das eine nicht begreifen, dass die Herren in der Stadt niemals
eine Luftpumpe sollten gesehen haben, wie jeder von ihnen sie herzustellen
im Stande ist, und die weit vorzüglicheres leistet, da sie Mäuse nicht blofs
tödtet, sondern auch selbst fängt.
Durch die sittliche Auffassung wird der Mensch zu einem sittlichen
Wesen; damit er aber zum sittlichen Bewusstsein gelange, ist nothwendig,
dass auch seine hervorbringende Thätigkeit zur sittlichen sich erhebe, dass
sie also auf die Hervorbringung eines Guten gerichtet sei. Der Schüler soll
also etwas hervorbringen, und zwar etwas gutes; was es sonst noch ist,
*) Es ist ein Gefühl der Dankbarkeit, was uns bestimmt, hier zwei
Werke zu nennen, die mit unvergleichlicher Klarheit darthun, was
wir meinen, aber vielleicht nur unvollkommen auszudrücken im
Stande waren : Karl Snell, „Lehrbuch der Geometxie" und „Einleitung
in die Differential- und Integral-Rechnung". Ob von diesem Verfasser
noch sonst etwas erschienen ist, wissen wir nicht. Wer diese Werke
zur Hand nimmt, wird sich tiberzeugen, dass auch die Mathematik
sittlich aufgefasst worden kann. Aucli sie zählt, so behandelt, wirk-
lich zu den humanibtisrlion Wissenschaftern
540 J. Aprent, üeber den Begriff der Bildung.
ist in Rücksicht auf den Bildungszweck vollkommen gleichgiltig. Der Knabe,
der genau die ängstlichen Buchstaben seines Lehres nachmalt und sein
aus einigen Zeilen bestehendes Werk mit Freude betrachtet, hat für seine
Bildung mehr gethan, als der junge Gelehrte, der ein Capitel aus Livius
mit Widerwillen übersetzt, oder die Schultafel mit einer auswendig — leider
nur auswendig! — gelernten mathematischen Deduction vollschreibt
Jener hat eine sittliche That verrichtet, dieser Sclavenarbeit. Darum ist es,
wie paradox es auch scheinen mag, viel wichtiger, dass der Schüler sich
selbst befriedige, als den Lehrer. Denn nur dass seine Arbeit ihn befriedigt,
nur das macht sie gut, wenn auch in der Regel die Befriedigung des Lehrers
mit jener des Schülers zusammenfallen wird. Dieser wird sie voll und wahr-
haft erst in der Anerkennung des Lehrers finden, und jener wird nur das
erreichbare von ihm fordern. Darauf aber sollte immer gesehen werden,
dass dieses, wie wenig und scheinbar geringfügig es auch sei, von dem
Schüler auf die vollkommenste Weise geleistet werde. Halbe Leistungen
können allenfalls noch für diesen oder jenen Zweck genügen, für Bildung
sind sie werthlos. Und die Schüler thun sogar das Ganze leichter und
lieber als die Hälfte, wenn sie nur hinreichend vorbereitet sind und gleich-
mäTsig fortgeführt werden.
Die Aneignung eines Ünterrichtsgegenstandes erfolgt nicht durch die
auffassende Thätigkeit allein ; es ist vielmehr nothwendig, dass der Schüler
das aufgefasste in der Vorstellung sich immer aufs neue vergegenwärtige,
und die Aneignung ist erst dann eine vollendete, wenn er das gelernte
zusammenzufassen und auszusprechen im Stande ist. Sie erscheint somit im
ganzen immer als ein Zweck, der durch die Arbeit des Schülers erreicht
werden soll, und fällt daher unter den Begriff der hervorbringenden Thätig-
keit. Diese muss, um sittlich zu sein, auf die Hervorbringung eines Guten
gerichtet sein, und gut ist nur, was schon durch sein blofses Dasein, ohne
Beziehung auf irgend ein anderes Befriedigung gewährt. Eine solche Be-
friedigung gewährt aber nur der erreichte Zweck, niemals das Mittel,
durch welches ein Zweck erst erreicht werden soll. Es ist also unumgänglich
nothwendig, dass jeder ünterrichtsgegenstand seinen Zweck schon in sich
selber habe, dass er Selbstzweck sei. Noch schlimmer stände es, wenn nicht
blofs der ünterrichtsgegenstand nur Mittel fftr einen Zweck, sondern auch
der Zweck selbst ein dem Schüler fremder und dieser aufäer Stande waro,
ihn zu seinem Zwecke zu machen. Wir haben bei Gelegenheit, wo von
der hervorbringenden Thätigkeit die Rede war, gesehen, wie in solchen
illlen die Thätigkeit den Charakter einer sittlichen, ja sogar einer mensch-
lichen verliert und zur unerträglichen Qual wird. Wenn der Knabe in seinem
10. Jahre dies und jenes lernen soll, nur um im 11. in die höhere Classe auf-
steigen zu können, und hier etwas, was er nur braucht, um wieder weiter
zu kommen und nach so und so viel Jahren die Universität zu beziehen;
und wenn er diese nur beziehen muss, um endlich an einen Schreibtisch
zu gelangen und sich sein Brod zu verdienen ; so höre ich ihn sagen : „Ich
trage kein Verlangen nach dem Schreibtisch und das Brod macht mir keine
Sorgen." Was ist ihm Hekuba? — Wir entsetzen uns bei den Schilderungen
des Elends der armen Kinder in den englischen Industriebezirken, wo die
J. Aprent, Ueber den Begriff der Bildung. 541
unglücklichen Geschöpfe, aus der Fabrik nach Hause zurückgekehrt, noch
bis Mittemacht wach erhalten werden, um durch Handarbeit die nöthige
Anzahl von Schillingen vollzumachen. Aber ist diese Arbeit nicht eine
noth wendige, arbeiten sie nicht für einen Zweck, und zwar sogar fiir den
wichtigsten, für einen Zweck der sogar ihnen einleuchten muss, den der
Lebenserhaltung? Dort ist körperliches Siech thum die sichtbare Folge; der
Knabe, der gezwungen wird, für einen ihm fremden Zweck geistig zu
arbeiten, wird kaum ohne geistigen Schaden davon kommen. Alles in
der Natur iit Selbstzweck, und nichts ist da wegen eines andern;
das andere geht immer nur daraus hervor. So ist auch kein
Lebensabschnitt blofs da um eines späteren Lebensabschnittes willen, und
kein Mensch ist blofs Mittel für einen Zweck, denn immer steht er höher
als jeder menschliche Zweck. Wenn unsere gesellschaftlichen Verhältnisse
es mit sich bringen sollten , dass unsere Studieneinrichtungen wirklich
mehrfach nur solche Zwecke in's Auge fassen müssten, so liefse sich das
allerdings nicht ändern, aber paadagogische Weisheit dürfte man es nicht
nennen.
Womach der Schüler ein Bedürfnis hat, das soll er lernen; wornach
in ihm ein Bedürfnis geweckt werden kann, das kann er lernen; und alle
ünterrichtsgegenstande, die ein Bedürfnis des Schülers befriedigen, sind in
Rücksicht auf seine Bildung von gleichem Werthe. Wenn also durch eine
Auswahl aus diesen Unterrichtsgegenständen noch andere Zwecke erreicht
werden können, so ist dies nicht blofs zulässig, sondern sogar geboten. Dem
Schüler irgend einen Unterrichtsgegenstiind blofs aus Rücksicht für irgend
einen äuf^eren Zweck oder Vortheil aufzuzwingen, ist Versündigung an seiner
Bildung; ihm, wenn es t»hne Gefahrdung dieses höchsten Zweckes geschehen
kann, durch den Unterrieht die Erreichung solcher äufserer Zwecke nicht
nach Möglichkeit erleichtern wollen, Versündigung an seiner materiellen,
aber mit der geistigen doch innig verwachsenen Existenz. Wenn also unsere
heutigen Culturzustände es verlangen, dass die Theilung der Arbeit schon
in der Schule ihren Anfang nehme, so ist damit für die Bildung nach dem
von uns aufgestellten Begriffe keinerlei Nachtheil verbunden. Denn dieser
ist so beschaffen, dass jede Unterrichtsanstalt, wenn ihre Lehrverfassung
nur den von uns angedeuteten Forderungen entspricht, sie sei im übrigen
welche sie wolle, die Bildung als ihren letzten Zweck im Auge behalten
und mit demselben Erfolge wie jede andere anstreben kann.
Linz. Job. Aprent.
Zeitschrift i. d. österr. Gyinn. If 65. VII. Heft. 36
Vierte Abtheilung.
Miscellen.
Bekan ntmachung,
die vieruncUiocmjBtgste Versamndttng deutscher Philologen und Schul-
männer betreffend.
Die dreiundzwanzigste Versammlung deutscher Philo-
logen und Schulmänner zu Hannover hat am 29. September t. J. be-
schlossen, dieses Jahr in Heidelberg zu tagen, und zugleich dem unter-
zeichneten Präsidium den ehrenvollen Auftrag ertheilt, dazu die nöthigen
Vorbereitungen zu treffen. Nachdem nun dasselbe die Genehmigung der
hohen grofsherzoglichen Regierung erlangt hat, beehrt es sich alle Fach-
und Berufsgenossen von nah und fem zu einem recht zahlreichen Besuche
dieser Versammlung so freundlich als dringend einzuladen, indem es unter
Hinweisung auf §. 4 der Statuten noch ausdrücklich daran erinnert, dass
auch wissenschaftlich gebildete Beallehrer zur Theilnahme berech-
tigt sind. Wir glauben schon jetzt mit pflichtschuldigem Danke hervor-
heben zu müssen, dass wir sowol bei den hohen Staats- als bei den städti-
schen Behörden der erfreulichsten Bereitwilligkeit begegnet sind, ihrerseits,
soweit thunlich, unsere Versammlung zu unterstützen. Insbesondere hoffen
wir auch in den Stand gesetzt zu werden, den verehrten Theilnehmem
bei rechtzeitiger Meldung nach Wunsch zweckmäfsige und bil-
lige Quartiere zu verschaffen.
Für die Versammlung selbst hat das Präsidium unter Berücksich-
tigung der bisherigen Erfahrungen vorläufig folgende Verordnungen
getroffen :
1. Die eigentliche Versammlung wird vom 27.— 30. September
gehalten. Die Begrüfsung der Gäste findet den 26. September statt.
2. Die allgemeinen Sitzungen — mit Ausnahme der Eröff-
nungssitzung, welche den 27. September Vormittags 9 Uhr beginnt —
finden von 11 — 1 Uhr statt, und werden in denselben im ganzen sechs
öffentliche Vorträge gehalten: je einer in der Eroffhungs- und in der
Schlusssitzung, je zwei in der zweiten und dritten Sitzung. Das Präsidium
reut sich aussprechen zu dürfen, dass es bereits für diese Vorträge die
geneigten Persönlichkeiten gewonnen hat.
3. Den Sectionen, welche sich am 27. September unmittelbar nach
der EröffnuBgtsJtzung constituieren , steht für ihre Sitzungen an den dr«i
Miscellen. 548
folgenden Tagen der ganze Vormittag bis 11 Uhr zu Gebote, in der Meinung,
dass es von jeder Section abhängt, wie früh sie ihre Sitzungen beginnen wiU.
4. Vielseitigen Wünschen nachzukommen, soll aufser den bestehen-
den Sectionen noch eine für altclassische Kritik und Exegese ge*
bildet werden.
5. Für die einzelnen Sectionen übernehmen es nachfolgende —
zum Theil von denselben selbst schon zu Präsidenten ernannte — Herren,
die eingehenden Thesen, Vortragsankündigungen und anderweitigen Mit-
theilungen anzunehmen, zu ordnen und - so weit es zweckmäTsig erscheint —
als eventuelles Programm ftlr die Sectionssitzung zum Druck zu beför-
dern, nämlich:
ä) für die paadagogische Section Hr. Director Cadenbach;
h) für die orientalistische Section Hr. Kirchenrath Prof. Hitzig;
e) für die germanistische Section Hr. Hofrath Prof. Holtzmann;
d) für die archseologische Section Hr. Prof. Stark;
e) eventuel für die mathematisch -pssdagogische Section Hr.
Director Dr. Weber;
f) für die kritisch-exegetische Section Hr. Prof. Köchly.
6. Gesellige Unterhaltungen sind vorläufig folgende bestimmt:
den 27. September Abends 5 Uhr gemeinschaftliches Festmal im Heidel-
berger Schlosse;
den 28. September Nachmittags und Abends: gemeinschaftliche Fahrt nach
Carlsruhe und Festvorstellung im grofsherzoglichen Hoftheater;
den 29. September Nachmittags und Abends: gemeinschaftliche Landpartie
in die Umgebung;
den 30. September nach der SchluBssitzung: Spaziergänge in die Umgegend,
oder Fahrt nach Mannheim zur Besichtigung der dortigen Samm-
lungen.
Wenn alles definitiv festgestellt ist, so wird spätestens bis zum 1. Sep-
tember noch eine besondere Bekanntmachung mit der detaillierten
Tagesordnung versendet.
Es werden nun alle Theilnehmer, welche es nicht etwa vorziehen,
selbst für ihre Quartiere zu sorgen, höflichst und freundlichst eingeladen,
in ihrem eigenen Interesse so bald als möglich ihre Anmeldungen und
die auf ihre Wohnung bezüglichen Wünsche an den Vorsitzenden des be-
reits gebildeten Wohnungscomit^, Herrn Privatdocenten Dr. Oncken
dahier, gelangen zu lassen.
Ebenso werden diejenigen Theilnehmer, welche in irgend einer
Section Thesen aufzustellen oder einen Vortrag zu halten wünschen, er-
gebenst ersucht, ihre bezüglichen Mittheilungen so bald als möglich
je nach der betreffenden Section an einen der oben namhaft gemachten
Herren einzusenden.
Im übrigen ist das Präsidium gern bereit, auf sonstige anderweite
Anfragen und Erkundigungen Bescheid zu geben.
Heidelberg, den 30. Juni 1865.
Das Prändium:
H. Köchly. B. Stark. Cadenbach.
36*
Fünfte Abtheilung.
Verordnungen für die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Erlässe.
(Vgl. Hft. VI. S. 470 f.)
Verordnung des k. k. Staatsministeriumä, Abtheilung für
Cultus und Unterricht, die Einführung von Lehrbüchern und
Lehrmitteln an den Mittelschulen betreffend, vom 25. Juni 1865^
Um den Lehrkörpern an Mittelschulen den üeberblick über die auf die
Einführung von Lehrbüchern bezüglichen Bestimmungen, welche bisher in
einer Anzahl verschiedener Verprdnungen vertheilt waren, zu erleichtem
und an einzelnen Bestimmungen die nach den bisherigen Erfahrungen als
zweckmäTsig erkannte Modification zur Geltung zu Dringen, findet das
Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Unterrichtsrathe folgendes
festzusetzen.
§. 1. Dem Unterrichte, welcher an Mittelschulen (Gymnasien, Real«
rjrmnasien und selbständigen Kealsohulen) in der Eeligionslehre , in der
Grammatik der classischen fcJprachen, der Muttersprache, der Landessprachen
und anderer lebender Sprachen, sofeme dieselben obligater Lehrgegenstand
sind, in der Geschichte und Geographie, in der Mathematik und den Natur-
wissenschaften und in der philosophischen Propädeutik ertheilt wird, sind
Lehrbücher zu Grunde zu legen, welche den durch den Lehrplan erfor-
derten Lehrstoff in der Vollstlndigkeit enthalten, dass sie den Schülern
ohne Hinzunahme von Dictaten zur Grundlage ihrer häuslichen Repetition
dienen können. — Alle Schüler sind verpflichtet, die an einer Mittelschule
für eine bestimmte Classe gesetzlich eingeführten Bücher zu besitzen.
§. 2. Die Wahl der Lehrbücher für die einzelnen Classen und Gegen-
stände (mit Ausnahme der t^}ligionslehre §. 8) geschieht an jeder einzelnen
Mittelschule durch Conferenzbeschluss des Lehrkörpers (8. 3 — 7).
§. 3. Fällt die Wahl eines an der Lehranstalt bisher nicht ge*
brauchten Lehrbuches auf ein solches, welches für den betreffenden Gegen-
stand und die betreffende Classe bereits für allgemein zulässig erklärt ist,
ßo ist zur Ausführung des Conferenzbeschlusses nur erforderlich, dass der-
selbe bei der Einreichung des Lehrplanes für das folgende Schuljahr der
Landesstelle zur Kenntnisnahme angezeigt werde.
§. 4. Fällt dagegen die Wahl auf ein solches Lehrbuch, das bisher
noch nicht für allgemein zulässig erklärt ist, so hat der Lehrköroer des-
halb ein motiviertes Gesuch um Zulassung an die höchste UnterrichtsbehÖrde
zu stellen.
£rl^se. 545
§. 5. Innerhalb eines Schulcurses kann eine Aenderung in dem Ge-
brauche eines Schulbuches nicht eintreten.
Ebenso ist iedes Schulbuch, welches bestimmt ist, dem Unterrichte
durch mehrere auf einander folgende Cursc zur Grundlage zu dienen (z. B.
Grammatiken, mathematische Lehrbücher), im Gebrauche derjenigen Schüler
zu belassen, mit denen der Unterricht nach Anleitung des bißtreffenden
Schulbuches begonnen ist, und eine Aenderung darin darf für die regel-
mäTsig in die höheren Classen aufsteigenden Schüler nicht stattfinden.
Eine Ausnahme von diesen beiden Verboten der Aenderung tritt dann ein,
wenn durch Verordnung der höchsten Unterrichtsbehörde die sofortige Be-
seitigung eines Lehrbuches verfügt wird.
§. 6. Die Erklärung der Zulassigkeit geschieht durch die höchste
Unterrichtsbehörde. Sie erfolgt in der Regel so, dass sie für den fraglichen
Gegenstand und die betreffende Lehrstufe allgemeine Giltigkeit hat, und
wird in diesem Falle amtlich bekannt gegeben. Ausnahmsweise kann ein
Schulbuch für den Gebrauch einer einzelnen Lehranstalt auf Grund der
besonderen Verhältnisse derselben für zulässig erklärt werden, in welchem
Falle die darüber ausgesprochene Genehmigung nicht weiter bekannt ge-
geben wird.
f. 7. Die Approbation eines Schulbuches gilt zunächst nur für die-
. uflage desselben, für welche sie ertheilt ist, und etwaige folgende
Auflagen bedürfen der ausdrücklichen Bestätigung dieser Approbation
seitens der höchsten Unterrichtsbehörde.
Gesuche um Zulassung von Schulbüchern zu stellen, welche bisher
noch nicht allgemein approoiert waren, steht nur den Lehrkörpern der
Mittelschulen zu, und die von anderen Seiten, insbesondere den Verlegern
oder Verfassern gestellten derartigen Gesuche werden nicht in Behandlung
genommen.
Dagegen ist es bei neuen Auflagen bisher approbierter Schulbücher
auch den Verfassern oder Verlegern gestattet, die Bestätigung der Approba-
tion nachzusuchen, und es ist zu diesem Zwecke, wenn Unterbrechung in
der Zulassung vermieden werden soll, ein Exemplar der approbierten und
eines der neuen Auflage bis 1. Juni an die höchste Unterrichtsbehörde
einzureichen.
§. 8. In der Wahl der dem Religionsunterrichte zu Grunde zu legen-
den Lehrbücher haben die Religionslehrer den Weisungen ihrer zuständigen
kirchlichen Oberen Folge zu leisten, und von dieser Weisung der Lehrer-
conferenz Anzeige zu machen.
Diese Lehrbücher können erst dann in Verwendung kommen, wenn
faiezn die Bestimmung von der höchsten Unterrichtsbehörde ertheilt wird.
Von der Lehrerconferenz wird daher die vom Religionslehrer gemachte
Anzeige unter Mittheilung des zur Einführung vorgeschlagenen Buches im
Wege der Landesstelle an die oberste Unterrichtsbehörde, welche über die
Zweckmässigkeit des Buches hinsichtlich der Form und Methode zu erkennen
hat, geleitet. Wofeme gegen die Zulassung des Buches ein Bedenken ob-
walten sollte, so wird hierüber mit dem Bischöfe oder der Kirchenbehörde
das Einvernehmen gepflogen, immer jedoch kann nur ein von dem Bischöfe
oder der Eirchenbenörde approbiertes Buch zum Gebrauche beim Religions-
unterrichte zugelassen werden.
8. 9. Was speciel den Unterricht in den classischen Sprachen betrifft,
80 wird die bisherige Verpflichtung der Gymnasien, bei der classischen
Leetüre die approbierten Auswahlen zu gebrauchen, aufgehoben, und den
Lehrkörpern rrei gestellt, entweder die vollständigen Texte in Gebrauch zu
nehmen, oder bei den bisher ausschliefslich approbierten Auswahlen zu
verharren.
Dagegen wird die Verpflichtung, in Betreff der Leetüre von Ovidius
sich einer blofsen Auswahl zu bedienen, aufrecht erhalten.
Insoweit vollständige Schriftsteller gelesen werden, bedürfen weder
die blofsen Texte, noch die commentierten Ausgaben, noch die Lexika einer
besonderen Zulässigkcitserklärung.
546 Erlöse.
Es steht den Lehrkörpern nicht zu, für die Lectöre der Classiker
von den Schülern mehr als die Anschaffung blofser Textausgaben zu fordern;
aber es steht ihnen auch nicht zu, den Gebranch von Schuloommentaren,
auf deren passende Wahl sie einzuwirken haben, anszuschliefsen
Da|?egen bedürfen Chrestomathien und Uebungsbücber ebeoao wie
Grammatiken der ausdrücklichen Approbation.
§. 10. Auf dem Gebiete des mathematischen Unterrichtes bedürfen
Logarithmentafeln keiner ausdrücklichen Approbation, doch steht es keinem
Lehrkörper zu, gröfsere als fünfstellige zu Ibrdern.
In den untern Classen der Mittelschulen kann für den Recbenunter-
rieht statt eines Lehrbuches ein blofses Uebungsbuch eingefühi-t werden.
Uebungsbücher ebenso wie Lehrbücher bedürfen einer ausdrücklichen
Approbation.
§. 11. Für den historisch-geographischen Unterricht bedürfen nicht
blofs die historischen und geographischen Lehrbücher, sondern auch die
geographischen Atlanten, deren Anschuffung von den Schülern zu bean-
spruchen ist, und historische Tabellen, falls deren Anschaffung den Schülern
sollte empfohlen werden, der ausdrücklichen Approbation.
§. 12 Die Approbation der Lehrbücher und Lehrmittel für nicht
obligate Lehrgegenstände geschieht durch den Schulrath des Kronlandes;
der Director der Lehranstalt hat auf Vorschlag des betreffenden Lehrers
den erforderlichen Antrag an den Schulrath zu richten.
§. 13. Es steht den Lehrkörpern nicht zu, von den Schülern die
Anschaffung anderer Lehrbücher oder Lehrmittel, als der zu dem Unter-
richte unmittelbar erforderlichen, direct oder indirect zu beanspruchen.
Wol aber haben dieselben, wenn Schüler selbst Bücher zu weiterem Sta-
dium über den unmittelbaren Bedarf hinaus (sogenannte Hilfsbücher) sich
anzuschaffen wünschen, auf deren passende Wahl durch ihren Rath ein-
zuwirken.
§. 14 Von denjenigen Lehrmitteln, welche nicht in den Händen der
Schüler sich befinden, sondern welche die Schulanstalt selbst zu den
Zwecken des Unterrichtes anschafft, bedürfen Wandkarten (geographische,
historische, statistische u. a.), naturhistorische Bilder und Zeichnungs vor-
lagen (insoweit der Zeichnungsunterricht obligat ist) der Approbation der
höchsten Unterrichtsbehörde, welche auf dieselbe Weise wie bei Schul-
büchern (§§. 2 — 7) nachzusuchen ist.
§. Ib. Die höchste Unterrichtsbehörde behält sich jederzeit vor, nn-
zweckmäfsiges und nachtheiliges auf dem Gebiete der Schulliteratur ansser
Gebrauch zu setzen.
Im Anschlüsse erhält die k. k Exemplare einer Verord-
nung, welche die in Bezug auf Zulassung von Lehrbüchern, Lehrmitteln
etc. an den Mittelschulen bisher vereinzelt erlassenen Bestimmungen in
einer theils ergänzenden, theils modificierenden Zusammenstellnng enthält
und mit welcher daher die bisherigen, auf diesen Gegenstand bezüglichen
Vorschriften aufser Kraft gesetzt werden.
Von dieser Verordnung ist jeder Mittelschule, für welche dieselbe
zn gelten hat, ein Exemplar zur Damachachtung mitzutheilen.
Behufs der richtigen Durchführung einzelner Bestimmungen wird
noch folgendes bemerkt:
1. Wenn der Lehrkörper einer Mittelschule die Einführung eines
bisher an der betreffenden LehranstaU nicht gebrauchten Lehrbuches er-
wirken will, so ist als Vorbereitung des darauf bezüglichen Antrages er«
forderlich, dass der Gegenstand in einer Conferenz des Lehrkörpers ver-
handelt werde, und dass bei der Einladung zur Conferenz diesedr Verhand-
lungsgegenstand bekannt gegeben sei.
2. Wenn in der Conferenzverhandlung der Antrag auf ein neues
Schulbuch in der Minorität bleibt, so ist der Director ü^r Verlangen der
Minorität verpflichtet, den Antrag mit den Motiven desselben und dem
ConferenzprotocoUe über die Verhandlung an den Schulrath zn richten.
Personal- und 8chulnotizen. 547
3. Jeder Antrag ant Zulassung eines bisher noch nicht approbierten
Schulbuches muss, wenn er bereits für das nächste Schuljahr eine Volge
haben soll, bis längstens 1. Mai an den der Schule übergeordneten Schiu-
rath gelangt sein. In dem Antrage müssen eingehend sowol die Gründe,
welche zum Aufgeben des bisherigen Schulbuches bestimmen, als die Zweck-
roäfsigkeit des beantragten Buches dargelegt sein; auch ist ein Exemplar
des fraglich on Buches unter Angabe des Preises beizulegen.
4. Der Schulrath hat das Original des Antrages sainmt den Beilagen
bis längstens 1. Juni an die höchste Unterrichtsbehörde im Wege der
Landesstelle zu übermitteln. Er ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, sein
Gutachten beizufügen.
5. Da keinem Gymnasium vorgeschrieben wird, bei der classischen
Leetüre die vollständigen Texte in Gebrauch zu nehmen, sondern gestattet
ist, bei den bisher ausschliefslich approbierten Auswahlen zu verharren, so
kann der Beschluss zu einer Aenderung nur durch die Majorität des Lehr-
körpers in einer Confercnz, für welche dieser Vcrhandlungsgegenstand
vorher angekündigt ist, gefasst werden. Durch diesen Beschluss ülSmimmt
der Lehrkörper zugleich die Verpflichtung, durch richtige Auswahl und
tact volle Behandlung diejenigen Uebelstände zu beseitigen, die sich etwa
an den Gebrauch der vollständigen Texte anschliefsen könnten. — Das Ein-
treten der Aenderung unterliegt denjenigen Bedingungen, welche in Betreff
der Schulbücher überhaupt in der Verordnung §. 3 ausgesprochen sind.
6. Wenn übrigens die Verpflichtung fortbesteht, bei der Leetüre des
OvidiuB eine Auswahl zu gebrauchen, so ist diese Bestimmung nicht in
der beschränkenden Bedeutung aufzufassen, als wäre dadurch die ausschlielüs-
liche Znlässigkeit der bisher allein approbierten Auswahl ausgesprochen.
Wien, am 25. Juni 1865. Schmerling.
Personal- und Schulnotizen.
(Ernennungen, Versetzungen, Beförderungen, Auszeich-
DTingen u. s. w.) — Der Supplent am k. k. G. zu Marburg Leopold
Konvalina und Rudolf Reichel zu wirklichen Lehrern an dieser Lehr-
anstalt; der Gynmasiallehrer zu Cilli Maximilian Pleterschnik zum wirk-
lichen Lehrer am UG. zu Krainburg; der Supplent am k. k. G. zu
Tri est, Johann von Klebelsberg, zum wirklichen Lehrer an derselben
Lehranstalt; der Supplent der philologischen iichrstelle am G. zu Iglau,
Heinrich Koziol, zum wirklichen Lehrer der Philologie und der gewesene
Gymnasialsupplent, Christoph Jak seh, zum wirklichen Lehrer am k. k.
G. zu Iglau; der Lehrer der griech. orient. OR. in Czemowitz, Paul
Schreiner, zum Lehrer der Geschichte und Geographie und der Gym-
nasialsupplent zu Bön misch -Leipa Franz Hübner zum Lehrer der Philo-
logie am kathol. G. zu Teschen; der bisherige Gymnasialsupplent Franz
Novotn^ in Leitomiscbl, Georg Jurmann in Czernowitz und Anton
Czarkowski in Brzeiany zu wirklichen Gymnasiallehrern, und zwar der
erstgenannte in Sambor, die beiden letzteren in Brzezany; der Sup-
plent am G. zu Suczawa, Denseter Jsopescul und der Gymnasialsupplent
n Olmütz, Joseph Reichel, zu wirklichen Lehrern alldort; der Supplent
am kath. G. zu Leutschau, Alexander Top 1er, zum wirklichen Gym-
nasiallehrer daselbst; der Lehrer am Agramer GG. Joseph Eostiö zum
wirklichen Director und der Franciscaner - Ordenspriester Cherubin Hor-
▼ati6 und der Supplent am Agramer G. Joseph Mesek zu wirklichen
Lehrern am UG. zu Karlstadt; der Gymnasialsupplent zu Venedig, Dr.
Karl Piccoli, zum wirklichen Lehrer am k. k. G. zu Treviso; der der-
malige Gymnasialsupplent zu Treviso, Weltpriester Julius Lorenzoni,
zum wirklichin Lehrer am Staats-G. zu Vicenza und d^r Gymnasial-
supplent Prosper Bolla zum wirklichen Lehrer für die lombardisch-
Tenetianischen Staatsgymnasien.
548 Personal- und Schulnotizen.
Der Lehrer an der k. k. OR. zu Brunn, Franz Berr, und der Lehrer
an der k. k. OR. in Görz, Johann Zitek, zu Lehrern an der k.k. böhmi^
sehen OR. in Prag, der Supulent an der k. k. OK zu Olmütz, Erailian
Schulz, zum wirklichen Lehrer an dieser Lehranstalt, und der proris.
Director der UR. zu Tarnopol, Joseph Kicki, zum wirklichen Director
dieser Lehranstalt.
Der leitende Lehrer an der Hauptschule und der mit dieser ver*
bnndenen Lehrerbildungsanstalt zu Djakovo, Anton §uniö, zum wirk-
lichen Lehrerbildner daselbst.
Der Primararzt im Wiener allgemeinen Krankenhause und Privat-
docent Dr. Leopold Dittel zum aufjjerordentlichen Professor der Chirurgie
an der Universität in Wien, der Professor der Dogmatik an der k. k. Uni-
versität zu Lemberg, Dr. Joseph Czerlunczakiewicz, zum Professor
des gleichen Lehrfaches an der k. k. Universität zu Erakan, und an der
Universität zu Pesth der dortige ordentliche öflFentliche Professor Dr. Jo-
hann Wagner zum Professor der praktischen Medicin und medicinischen
Klinik für Aerzte und das Mitglied der ungarischen Akademie der Wissen-
schaften Hermann Vämb^ry zum Lehrer der orientalischen Sprachen.
Dem Hofrathe und Professor, derzeit Rector der Wiener Univer-
sität, Dr. Joseph Hyrtl, ist, ausAnlass der Jubelfeier der letzteren, tax-
frei der Orden der eisernen Krone 2. Classe, dem Professor der rechts- und
staatswissenschaftlichen Facultät an der Wiener Universität, Dr. Ludwig
Arndts, in Anerkennung seiner verdienstlichen Leistungen, desgleichen
dem Abte des Benedictinerstiftes zu Kremsmünster Augustin Resl-
huber, in Anerkennung seiner Verdienste um das Unterrichtswesen und
die Wissenschaft, jedem taxfrei, das Ritterkreuz des kais. österr. Leopold-
Ordens, dem Director der philosophischen Facultät an der Universität zu
Padua, Abbate Ludwig Meniu, in Anerkennung seiner hervorragenden
Verdienste, das Comthurkreuz des Franz Joseph-Ordens, dem Vorstände
der administrativen Bibliothek im Staatsministerium, Ministerialsecretär
Dr. Constantin Wurzbach von Tannenberg, in Anerkennung seiner
verdienstlichen Verwendung, taxfrei der Titel eines Regierungsrathes Aller-
gnädigst verliehen, ferner dem Schriftsteller und Mitverfasser des Novara-
Keisewerkes Karl Ritter Scherzer das Ritterkreuz des kais. mexican.
Guadeloupe- Ordens annehmen und tragen zu dürfen Allergnädigst gestattet,
der Professor der Philosophie und Geschichte am Leut schauer G., Dr.
philos. Michael Micha lies, zum Ehrendoraherm am Eperieser Dom-
capitel mit Nachsicht der Taxen, der Consistorialassessor und Religions-
lehrer Victor Ladomörszky zum Ehrendomherm am gr. kathol. Dom-
capitel ebendort, und der Privatdocent an der k. k. Universität zu Wien,
Dr. S. Reinisch, zum corr. Mitgliede des archseolog. Institutes in Rom
ernannt worden.
Aus Anlass der Jubelfeier des funfhundertjährigen Bestandes der
Wiener Hochschule wurden von der theologischen und der philosophischen
Facultät zu Ehrendoctoren ernannt, und zwar von der theologischen : Simon
A ichner, Capitular zu Brixen, Matthäus Binder, Canonicus in St. Pol-
ten, Arnold Stummer de Ipolyi, Canonicus in Erlau, Johann Au er und
Berthold Winter, Piaristen-Priester in Wien , Eduard Komäromy, Abt
zu Heiligenkreuz, Job. Rais, Domdechant in Kimiggrätz, Adam Schreck,
Abt zu Klosterneuburg, Franz Setzer, Prediger bei St Stephan in Wien,
Franz Susil, Canonicus in Brunn, Joliann Zworgcr, Dompropst in Trient,
Jodok Stülz, Abt zu St. Florian; fernor von Ausländern: Michael Benger
aus Bayern, Karl Brandes aus der Schweiz, Stephan Braun aus Breis-
gau, Johann ffolzhamnier aus Mainz und Karl Vercellone aus Rom;
von der philosophischen: Der Dichter Anastasius Grün (Anton Alexander
Personal- und Schulnotizen. 54U
Ton Anersperg), Adam Ritter t. Burg, Ernst Birk, Joseph Bergmann,
Joseph Diemer, Franz Ritter t. Hauer, Andreas t. Meiller^ Aasrost
Neilreich, Auc^ustin Reslhuber, Abt von Kremsmünster, Joadiim
Barrande, Karl Kofistka und Alois Brins in Prag; ferner aus dem
Auslande: Joh. Jacob Bayer in Berlin, Johann Ddllinger in littnchen,
Emil Du Bois-Revmond in Berlin, Alfons Huillard Brenolles in Paris,
Georg Ludwig v. Maurer in München, Kaii Lrell in England, Johann
Bapt. y. Rossi in Rom, John Stuart- Mill in London, Paul Deahayes
in Paris, Karl Ludwig in Leipzig, Peter Merlan in Basel und Roderioh
Murchison in England.
Aus gleichem Anlasse wurden zu Ehrenmitgliedern der Doctoren-
coUegien der vier Facultäten gew&hlt, und zwar 1. in der theologischen
Facultät: Karl Güntner, Professor in Prag, Karl ▼. Rimely, Yicerector
des Pazmaneuros in Wien, Eduard Ter seh, Director des fürsterzbischöfl.
Clericalseminars in Prag, Franz Wieser, Professor in Olmütz, Heinrich
Denzinger, Professor in Würzburg, Franz Düringer, Profess(»r in Bonn,
Daniel Uaneberg, Abt und Professor in München, Karl v. Hefele, Pro-
fessor in Tübingen, Franz Hettinger, Professor in Würzburg, Hugo
Lämmer, Professor in Breslau, Lorenz Reinke, Domcapitular in Münster,
Alban Stolz. Professor in Freiburg, Andreas Thiel, Professor in Brauns-
berg; 2. in der Facultät der Rechts- und Staatswissenschaften: J. Fr. H.
Ab egg, Professor in Breslau, H. Ahrens, Professor in Leipzig, Hiezony-
mus Bayer, Professor in München^ Albert Friedrich Bern er, Professor
in Berlin, J. C. Bluntschli, Professor in Heidelberg, Georg Haussen,
Professor in Göttingen, C. G. Homever, Professor in Berlin, i^Y ▼. Holtzen-
dorff, Professor in Berlin, Rudolf Jh er 1 in g, Professor in GieÜMU, C. J.
A. Mittermayer, Professor in Heidelberg, Robert y. Mo hl, Bundestags-
gesandter in Frankfurt, K. H. Rau, Professor in Heidelberg, fSiedrich Oscar
Schwarze, Generalstaatsanwalt in Dresden, Heinrich Th5l, Professor
in Göttingen, E. G. v. Wach ter, Professor in Leipzig, K. Ad. y. Vangerow,
Professor in Heidelberg, H. A. Zachariä, Professor in Göttingen, und
Heinrich Zöpfl, Professor in Heidelberg; 3. in der medicinischen Facultät:
Ernst Gräfe, Professor in Berlin, RoMrt Bunsen, Professor in Heidel-
berg, Justus Freih. v. Liebig, Professor in München, Karl Gust Mitscher-
licn, Professor in Berlin, Rudolf B. Lange nbeck, Director des chirurg.
klin. Instituts in Berlin, Albin Y. Middeldorpf, Professor in Breslau,
Max Pettenkofer, Professor in München, Gustav Jak. H e n 1 e , Professor
in Göttingen, M. H. Roniberg, Medicinalrath in Berlin, Emil Dubois-
Beymond, Professor in Berlin, Hermann Helmholz, Professor in Hei-
delWg, Max Chelius, Professor in Heidelberg, Fr.edrich y. Scansoni,
Professorin Würzburg, Cornelius Donders, Professor in Utrecht, Theodor
Frerichs, Professor in Berlin, Otto Weber, Professor in Heidelberg, Jo-
hann Purkinye, Professor in Prag, Gustay Karl Carus, Professor in
Dresden, Karl Reichert, Professorin Berlin, Theod. Christ Ruete, Pro-
fessor in Leipzig. Victor v. Bruns, Professor in Tübingen, Wilh. Baum,
Professorin Göttingen, Emest v. Baer, Staatsrath in St Petersburg, Wil-
helm Griesinger, Professor in Zürich, Albert Kölliker, Professor in
Würzburg, Gabriel Valentin, Professor in Bern, Ma^nufl Hufs in Stock-
holm, August N^laton, Professor in Paris, Claude Bernard, Professor
in Paris, und Nikol. Pirogoff, emer. Professor in St. Petersburg; endlich
4. in der philosophischen Facultät: Alfred Ritter y. A rneth in Wien, Gustav
Bischof in Bonn, August Böckh in Berlin, William Robert Bunsen in
Heidelberg, Friedr Christian Dietz in Bonn, Heinr. Wilh. Do ve in Berlin,
Eduard Gerhard in Berlin, Hans Bruno Grinitz in Dresden, Franz
Grillparzer in Wien, Moriz Haupt in Berlin, Oswald Herr in Zürich,
August Wilh. Hof mann in Berlin, Victor Aime Huber in Wernigerode,
Gustav Robert Kirch hoff in Heidelberg, Hermann Kopp in Heidelberg,
Joseph Eulgrchias Kopp in Luzem, Adolf Eduard Kupffer in Petersburg,
Jus^ Freih. v. Lieoig in München, Johann Heinr. Mädler in Dorpat,
Karl Heinrich Naumann in Leipzig, Georg Heiarifeh Perti in Barini,
Zeitochrm t d. 6iterr. Oymn. IM5. VII.H«ft. 37
650 Personal- and Sehulnotiiea.
Friedrich L. 6. Y. Baumer in Berlin, Heinrich Bitter in Gottingen, F^*
dinand B5mer in Breslau^ Gustay Böse in Berlin, Anton Schrott er in
Wien, Christoph v. Stalin in Stuttgart, Georg Waits in Gdtdngen,
Friedrich Wöhler in Gdttingen, Georg v. Wyfs in Zürich, Hermann L.
Fr. Heimholt! in Heidelberg, Albert Jäger in Wien, August Beuft
in Wien, und Joseph Purgs taller in Pesth.
Femer hat das Doctorencollegium der theologischen Facultät an der
Wiener k. k. Unirersität bei der Universitätsjubelfeier die Professoren
der Theolorie an der Wiener Hoclischule: P. Clemens Schrader, S. J,
Doctor der Theologie und Philosophie, und P. Hyacinth Pellegrinetti,
0. S. Dom., Doctor der Theologie und Philosophie, in Anerkennung ihrer
Verdienste um die Wissenschaft und das Lehramt der Theologie, zu seinen
wirklichen Mitgliedern ernannt
^ Dem Karl Binzer, Friedrich Kolbe, Gustav Schaller, Adolf
Stanzl und Engelbert Westreicher die Allerhöchste Bewilligung zur
Gründung eines Vereines bildender Künstler und Kunstfreunde in Lins.
— Se. Ezoellenz der Herr Bischof StroXsmaycr hat dem Vereine
zur Unterstützung dürftiger Gymnasialschüler von Warasdin 1000 fl.
gespendet.
— Se. bisohöfl. Gnaden der hochw. Hr. Franz Joseph Budiffier
hat der Direction des k. k. Staats-G. zu Linz 100 fl. für brave, aber dürf-
tige Schüler eingesendet.
— Am 23. Juni 1. J. &nd an der Bealschule zu Brunn durt;h den
Director dieser Anstalt Joseph Auspitz die feierliche Uebeivabe eines An-
erkennungsdecretes für den Schüler der 3. Unterrealclasse Moriz Seh eil er
statt, der am 5. d. M. einen neunjährigen Knaben mit eigener Lebensge-
fahr vom Tode des Ertrinkens gerettet hat
— lieber die Aufnahme von Hörern in die k. k. Forstlehranstalt zu
Mariabrunn nächst Wien für den Lehrcurs i865/l&6 s. AmtsbL zurWr.
Ztg. V. 22. Junil. J., Nr. 141.
— Ueber die Aufoahme von Zös^lingen in die k. k. medicin.-chirurg.
Josephs- Akademie für das Schuljahr 1865 66 (nach Aufhebung &
niederen Lehrcurses) s. AmtsbL zur Wr. Ztg. v. 24. Juni L J^ Nr. 143.
— Ueber den Unterricht an der Bergschule zu Pfibram im Lehr-
jahre 186566 s. Amtsbl zur Wr. Zte. v. 25. Juni 1. J., Nr. 144.
— Ueber die Aufnahme von Zöglingen an der k. k. Bergakademie
zu Leoben s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 15. Juli 1. J., Nr. 160.
— Aufoahms-Bedingnlsse und Collegien-Ordnung an der k. k. Berff-
und FoTstakademie zu Schemnitz für den Lehrcurs 186£^66 s. AmtsU.
z. Wr. Zte. V. 29. Juli 1. J., Nr. 172.
— Unterricht und Anfiiahme an der k. k. höheren landwirthschaft-
lichen Lehranstalt zu Ungarisch-Altenburg s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v.
1. August L J., Nr. 174.
(Erledigungen, Goncurse u. s. w.) Feldkirch (Vorarlberg),
selbst Communal-UB., Lehrstelle für deutsche Sprache, Geographie und
Geschichte, Jahreseehalt 700 fl. ö. W. Termin: 16. August L J., s. AmtsbL
z. Wr. Ztg. V. 8. Juli L J., Nr. 154. — Leoben, k. k. Bergakademie, zwei
AssistentensteUen für den Haupt- und zwei für den Nebencurs. Termin: Ende
August 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 15. JuU L J., Nr. 160, und selbst ÜB.,
Lehrstelle für Naturgeschichte, Physik und Arithmetik, Jahresgehalt 600 fl.
ö. W., Quartier- und Beheitzungsbeitrag 150 fl. ö. W. und Anspruch auf Deoen-
nalzulagen. Termin: Ende August L J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 10. Au^pist
L J., Nr 182. — Teschen, k. k. ev. G., Lehrstelle für Lateinisch u. Griechisch
und für polnische Sprache, Jahresgehalt 735 fl. ö. W. mit Anspruch auf die
übli he Vorrückung. Termin: 15. August 1. J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v.
19. JuU L J., Nr. 163. — Brunn, k. k. OB., Lehrstelle für Chemie, Jah-
resgehalt 630 fl., eventuel 840 fl. ö. W., nebst Anspruch auf Decennalzn-
lagen. Termin: 90. Augutt L J., s. AmtsbL s. Wr. Ztg. v. 20. Juli L J.,
Personal- und Scholnotizeo. 551
Nr. 164. — Wien, k. k. Hofbibliothek, HilfBarbeitersstelle, jährL Bezug
525 fl. ö. W. Termin: 1. September L J., s. AmtsbL z, Wr. Ztg. v. 22. Jufi
1. J., Nr. 166; femer Lehrerstelle fQr englische Sprache und Literatur an
der k. k. oriental. Akademie, jährl. Honorar 315 fiL ö. W. Termin : 5. Octo-
ber L J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 3. August L J., Nr. 176. — Irnhar-
. ding, Landesackerbauschule, pro?. Lehrerstelle, Jahresgehalt 700 fl. ö. W.,
eine 4perc. Tantieme des Reinertrages vom Gute Imharding und Natural-
wohnung. Termin: 15. August 1. J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 1. August
L J., Nr. 174. — Gör 2, OB., 2 Lehrstellen, und zwar eine för italienische
Sprache als Hauptfach in Verbindung mit e. anderem Lehrgegenstande als
Nebenfach, die andere für Freihandzeichnen und Modellieren, yerbunden
mit Kalligraphie, Jahresgehalt 630 fl., eventuel 840 fl. ö. W., nebst dem
Vorrückungsrechte in 840 fl., beziehungsweise 1050 fl. und 126 j fl. ö. W.
Termin: 31. August 1. J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 9. August L J., Nr. 181.
— Kroatisch-Slavon. G., Lehrstelle für ein solches, u. zw. für Natur-
geschichte als Haupt-, und Mathematik u. Physik als Nebenfach, Jahres-
gehalt 945 fl., eventuel 1050 fl. ö. W., nebet Anspruch auf Decennalzulagen.
Termin: Ende August L J.. s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 9. August L J^ Nr. 181.
— Tri est, k. k. G., Lenrstelle fftr italienische Sprache und Literatur,
Jahresgehalt 945 fl., eventuel 1050 fl. ö. W. und 126 fl. ö. W. Quartiergeld.
Termin: Ende August 1. J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 10. August 1. J., Nr. 182.
(Todesfälle.) Am 19. Mai L J. zu Stockholm Udo Waldemar
Dietrich, bis 1864 iiector am deutschen Nationalljceum alldort, geschätzt
als Gelehrter und Schriftsteller.
— Am 25. Juni L J. zu London Dr. R Ferguson, einer der
Leibarzte der Königin, durch Fachschriften rühmlich bekannt, im 65.
Lebensjahre.
— Am 27. Juni L J. zu Brixen Se. Hochw. Franz Stadler, Welt-
priester, Professor der Moraltheologie und Paodagogik an der dortigen DioB-
oesan-Lehranstalt, im 70. J. seines Lebens.
— Am 28. Juni 1. J. im Bömerbad nächst Tüffer Steiermark) Char-
les V. Incledon (geb. in England am 17. April 1788), Professor der ene-
lischen Sprache, auch als gewandter Uebersetzer deutscher Dichtungen iif s
Englische, so wie als Verfasser eigener Poesien, bekannt.
— Am 30. Juni l. J. in seinem Geburtsorte Langenau (Böhmen) der
Porträtmaler Joseph B e c k e 1 (geb. 1806), als tüchtiger Künstler bekannt.
— Ende Juni 1. J. der Herzog von Rivas, zur Zeit Botschafter in
Neapel und Paris, auch Präsident des spanischen Staatsrathes , als spani-
scher Staatsmann und Schriftsteller bekannt; zu Upsala der schwedische
Dichter Professor Bernhard Elias Malmström, im Alter von 49 Jahren,
nnd zu London Sir John William Lubbock. namhafter Astronom und
Verfasser des Werkes «On Probability", 63 Jahre alt
— Nach americanischen Blättern im Juni L J. die Dichterin Mn.
L^dia Huntley Sigourney (geb. zu Norwich im Staate Connecticut),
Verfasserin von 35 Bänden in Versen und Prosa, im Alter von 74 Jahren.
— Am 1. Juli L J. zu Hemals bei Wien Frau Therese v. Megerle
(geh. zu Prefisburg 1813), als fruchtbare dramatische SchriftsteUerin bekannt,
und zu Prag A. Schmalfufs (geb. zu Medruschitz bei Saaz am 2. Jänner
1821), Beda^ur der nMittheilungen des Vereins für Geschichte der Deut-
sdien in Böhmen", auch als Schriftsteller („Die Deutschen in Böhmen*'
1852) bekannt. (Vgl. österr. Wochenschrift 1865 in Nr. 29, S. 125.)
— Am 3. Juli 1. J. im Kapuzinerkloster zu Wemding der hischöfl.
Bath und Domcapitular Dr. Andreas Eduard Kellner, Professor der
Chemie und Physik am hischöfl. Lyceum zu Eichstädt.
— Am 5. Juli L J. zu Qpdenburg der ungarische Sprachforscher
Alex. Torkos, im Alter von 32 Jahren, und zu Dresden der kais. nu-
sische General Andreas v. Gottmann, seiner Zeit Director des berühm-
ten Ldgenieur- Institutes in St Petersburg, erster Ingenieurgeneral (1869)
und 8di6pfer zahlrncher Staatthanteii in Rosiland.
37*
552 Personal- und Schaßiotizen.
— Am 8. Juli 1. J. 2ü Mödling bei Wien der OfBcial im Staatfi-
tMnisterinm Ludwig GtittMed Neumann, als Lyriker und Jagendschrifi-
äteller bekannt, im Alter von kaum 53 Jahren, und zu Jena der Vice»
ptftsident des OberappeUatlons^erichtes Dr. K. W. E. Heimbach, vordem
oMentlicher Professor an det jurid. Facultat der Universit&t Jena, im 6S.
Lebensjahre.
— Am 9. Juli L J. zv Wien der Historienmaler Karl Rahl (reb.
zu Wien am 13. August 1812), Professor an der k. k. Akademie der bil-
denden Künste, Ritter des Franz Joseph-Ordens, Ehrenmitglied verschie-
dener Akademien und Gesellschaften u. s. w. (vgl. Wr. Ztg. vom 11. JuH
1865, Nr. 156. S. 104), und zu Pesth Dr. Paul Bugat, Mitglied der un-
garischen Akademie der Wissenschaften, im 73. Lebensiahre.
— Am 10. Juli 1. J. zu Erakau der polnische Schriftsteller Yalerius
Wieloglowski, im 60. Lebensjahre.
— Am 12. Juli 1. J. in Klein-Oels bei Ohlau Graf Louis York v.
Wart^nberg, der einzige hinterlassene Sohn des 1830 verstorbenen Feld-
marschalls Y., Ehrendoctor der Breslauer Universität, als edler Menschen-
flreund und eifriger Unterstützer der Künste und Wissenschaften bekannt,
im 61. LebeUBJiÄre.
— Am 14. Juli 1. J. zu Wien der Dr. phil. Maximilian Nossek,
als Schriftsteller bekannt, im Alter von 28 Jahren, und zu Berlin der
Dr. phiL Stürenberg, Lehrer an der städtischen Turnhalle alldort.
— Am 16. Juli 1. J. zu Prag Med. Dr. Elias Altschui (geb. zu
Prag am 81. December 1795), Privatdocent, Herausgeber der Monaischrift
für Homoeopathie, Fachschriftsteller.
— Am 19. Juli 1. J. wurde zu Sessana der verstorbene fiedacteur
des „Osservatore triestino** Professor Malpaga begraben.
— Am 22. Juli 1. J. zu Florenz Vicenzo Antinori, als Cklehrter
und philosophischer Schriftsteller geschätzt, in hohem Alter. (Ygl. BeiL z.
A. a. Ztg. V. 5. August 1. J., Nr. 217.)
— Am 23. Juli 1. J. zu Paris Abb^ Kasangian (vulgo TArmenien
de la biblioth^ue), ein emsiger Arbeiter an einem arabischen Wörterbuche,
dessen gewissenhafter Yollendung er seit Jahren Zeit und Kraft widmete.
— Am 24. Juli 1. J. zu Gotha der Hofrath F. G. Becker, vordem
Herausgeber des „Allgemeinen Anzeigers*. (Vgl. Beil. zu Nr 213 dw A. a.
Ztg. vom 1. August 1. J. S. 3468.)
— Am 2o. Juli 1. J. im Dorfe Dora (Stanislauer Kr. Cktliziens) Dr.
M a ) i c k i , pens. Coadju tor und Gymnasiallehrer in Stanislau, als ruthe-
nischer Schriftsteller bekannt, im 29. Lebensjahre.
— Am 80. Juli 1. J. zu Hietzing nächst Wien Se. Ezcellenz Dr.
Andreas Freiherr von Baumgartner (geh zu Priedberg in Böhmen am
23. November 1793), Grofskreuz des k. österr. Leopold -Ordens, Ritter des
Ordens der eisernen Krone 1. Cl. u. s. w., lebenslänglicher Reichsrath,
emer. k. k. üniversitätrorofessor, Präsident der kais. Akademie der Wissen-
schaften, als Schriftsteller auf dem physikalischen Gebiete („Araeometrie^
Wien, 1820; -Die Mechanik in ihrer Anwendung auf Künste**. Wien, 1823
und 1834; „Die Naturlehre nach ihrem gegenwärtigen Zustande**, 3 Bde.
Wien, 1824, 4. Aufl. 1832 u. m. a.) bekannt
— Am 2. August 1. J. zu Hietzing nächst Wien der jub. k. k. Hof-
rath des Obersten (Gerichtshofes Dr. Ferdinand Ritter von Neupauer
(geb. 1790 zu Gleinstätten in Steiermark), seinerzeit Professor des Lehen-,
Handels- und Wechselrechtes an der Universität zu Innsbruck u. s. w^
auch als juridischer Schriftsteller bekannt.
Berichtigungen:
Heft V., 8. 375 Z. 2 v. u. lies ülotricheen st ülotricheen, und st
•fi, ebend. Z. 6 v. u. Liquor st. Liqueur; 8. 376 Z. 2 v. o. (Men st IdlieD.
Erste Abtheiliing,
Abhandlungen.
Zur Kritik der Sieben gegen Tlieben,
In diesem Verscompleie ist es namentlich das Verspaar
12—13, welches durch seine besonderen Schwierigkeiten Exegese
und Kritik viel beschäftigt hat. Während auch Weil oifen be-
kennt versus 13 difficillimi senteutiam esse ambiguam und aua
den Zügen des Mediceus varia elici posse fand Dindorf sogar
früher keinen anderen Ausweg, als die Worte:
TD. rec.
auszuwerfen. Das gerathenate dürfte sein, wir fcünmiem uns
zunächst gar nicht um die störenden Verse. Denn sobald wir
V. 10, 11, 14 verbinden, gewinnen wir einen abgeschlossenen
klaren Gedanken in vollständig befriedigender Form:
vuäg di XQ^ *^ ^*^^ ^^^ IXliiTrovT* hi
^ßf}g «ÄUft/or^ ital tov H^ßov XQ^^^
ßmfiOiQl _______
y^ Ti /UJjT^i y^irarjj TQQtftp,
'Ihr alle aber, auch derjenige, welcher das waflFenßLhige Alter
noch nicht erreicht hat und wer schon darüber hinaus iät, müsst
jetzt sowol die Stadt und die Altäre der Landesgötter als auch
das Heimatland vertheidigen/ Wo ich den Baum einstweilen
durch Striche gefüllt habe, stehen zwar im Texte noch die Worte :
ttg.iag fiij iiak£i(f}^mai ?ror€ %i'/imtg t£, aber jeder muss füh-
len, dass thva in diesen Zusammenhang nicht passen, sondern
als idtov aya&oy die Aufzählung der miva aya^a ein Fremd-
artiges unterbrechen und für den HXeItziüv ij^i^jg ohne Interesse
sind. Deshalb wolle man auf sie bis auf weiteres keine Rück-
sicht nehmen, sondern einstweilen ßtüfwlm yfj te fujtQi mlzazfj
iQow^ zu einem Verse verkDüpfen. Die nächste Periode erin-
aeri die Bürger an die Dankbarkeit, welche sie der Heimat für
treue mütterliche Pflege schuldig sind:
'MfH-hTih ( a &-(.5rr fiyrFiTM. 1S6Ä. Vlll. Heft 38
554 M. Sdimidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
uTtarru nardoxovaa ntuoitaq otlov
^&o^tl'icT* olxtar^Qai damdijifo^vi
Den ersten Anstofs erregt hier der Accusativ moToig, den aller-
dings die neueren SohoBen anerkennen. Doch woUen mir weder
der Dindorf 'sehe Vorschlag OTvojg yivoia&e /tQog XQ^^ Tnaroi
Tode, noch der Weil'sche Tnavog ng tag yeroivo nqog xqiog Tod€,
wonach oni-^g yevoiode Glossem gewesen sein soU, annehmbar
erscheinen. Sehe ich mich nämlich in der ganzen ^^tg des
Eteokles für den beanstandeten, aber sicherlich echten, 13. Vers
nach einem schicklichen Platze am, so scheint es mir nnzweifel-
haft. dass derselbe ursprünglich hinter V. 20 gestanden habe,
da die Verbesserung beider nach ihrer Wiedervereinigung eine
aufserordentlich leichte, auf ein einziges Wort beschränkte ist.
Denn im nunmehrigen Zusammenhange ist r', womit eben wedar
Härtung noch Weil etwas anzufangen wnssten, zur V^knüpfong
der Satee nöthig, der Nominativ Sxaazog aber, welchen WeU
selbst an alter Stelle zu ändern Bedenken trug, durchaus un-
antastbar. Fehlerhaft ist also nur ixo-^^^j des^sn Yerwandliuig
in die Optativform ^xoi^' gewiss eine ebenso leichte, wie un-
gezwungene Besserung heifsen darfl Und so kann denn lUCTOYC
nichts anderes sein, als lUCTOlQ, d. L nioroi ^ \ *Das Mat-
terland', sagt Eteokles, ^zog Eudi zu schildtragenden Bewoh-
nern auf:
nurrol ^' mroK yivota^€ ngot X9^ rodt,^
(xtgucp r* ij[ot^' ixaOTO^ '
Hiermit ist zugleich die Magerkeit des Finalsatzes einer eben-
mälsigeren Fülle gewichen. Die alezandrinische Exegese schwankte
in der Erklärung von u^av zwischen den Bedeu^gen Sqgv
(fqowida und äQavrjiuxiaK Für uns fiUlt die Entscheidung
unbedenklich für die erste Bedeutung aus, zumal sie eine selu-
einfache Besserung der Worte cjg n . av^ir^jtfg ermöglicht : rric
evTTQefTfj^ (vgl. Pers. 830) oder ov ^au ov^TTQurdcj d. h. ov
lOQay fx^iv aifi.TQiTteg fcrrif, wie in Soph. OK. ovdiv yao ar
nga^aifi^ ay ojv cm aoi q^ilor für Tovvfor a /r^errrar ifie w
a. (f. iauy steht.
Hat der 13. Vers hier sein Unterkommen gefunden, so
liegt die Vermuthung nahe, dass auch V. 12 in diese Partie
gehört habe. An welche SteUe derselben, erschlielst sich uns
vielleiclit aus folgender Erwägung. Nach der üeberlieferong sagt
Eteokles: 'Denn die Muttererde zog die Eindlein auf dem lieb-
reichen Boden der Heimat, sich der gesammten Mühe und Plage
ihrer Erziehung unterziehend zu Kriegern grols.' Diese Fassung
ist ungenügend. Denn sie erwähnt mit naidua nur die eine
auf das siUliche und geistige Leben der Jugend gerichtete Hälfte
der mütterlichen Sorg<, während der nächsUiegenden Sorge
für deren körperliches Wachsthum, Gedeihen und Imtfidtnng imt
3f. Schmidt, Zar Kritik der Sieben gegen Theben. 556
keiner Silbe gedacht ist. Gerade dies Moment ist aber in Y. 12
so deutlich ausgesprochen, dass es wol nur dieser Erinnerung
bedarf, um dem heimatlosen Verse hier zu seinem Platze zu
verhelfen :
i) ydg viovg tqnovtug tvuivtt niSt^
anctvTtt nav^oxovaa naiotlag ötXov
ßlaatrifAOv ttXJafvovra atofiarog noXvv
id'QiifHXT* oixiarrJQag aanidrupoQovg,
Diesen Platz verlangt wenigstens f&r*s erste der Accusativ ceA-
dalvovra, der sehr wohl zu otXov gehören könnte: sich unter-
ziehend der Mühe der Erziehung, welche das Gedeihen des Kör-
pers tüchtig fördert. Allein es stehen dieser Anordnung auch
mehrere Bedenken im Wege : einmal die Häufung der von ein-
ander abhängigen Accusative, die indessen zur Noth erträglich
wäre, femer die unerhörte Bedeutung von navdoiiovaay endlich
der üebelstand, dass die beiden Leistungen der yij, der ßhxoxrf
flog adfiarog und naideiag ovlog nicht coordiniert auseinander-
gehalten und nicht mit gleichem Nachdruck betont sind. Ilav-
doxovaa würde zwar tadellos sein, wenn man schriebe:
ij yäg viovg ^Qnovtag, €vu€Vii niSiy
anavra TttxvJoxovaa, naioeias örltp
ßlaarrifiov dXdaivovT^ atifiarog noXvv
id^Qiij/aj* . . .
aber die übrigen üebelstände blieben ungehoben. Wir werden
es daher mit einer andern Anordnung versuchen müssen : ^ yaq
— ßXaaTtj^ov — a/tavta — i&Q€\paT\ — Sie bietet zuvörderst
den doppelten Yortheil, dass vom ociina früher die Bede ist, als
von der Ttatdda und dass sv^eväi nedqf, was man seit alter
Zeit mit llQnowag verbindet, zum folgenden Particip gehört *).
Dies Particip kann aber jetzt kein acc. masc. mehr sein , son-
dern muss aldahovaa lauten und mit dem Particip des folgen-
den Verses durch rd verknüpft gewesen sein. Steht sonach auch
anawa r' sicher, so fragt es sich nur, welches Wort in avdo-
Mvaa verschrieben und vom Med. schol. durch vTiodaxo^ivri^et-
klärt worden ist. Dem Sinne nach genügt wenigstens hnovovaa.
Weil hat Jtavdoxovaa in der Bedeutung omnia in sinum
suum recipiens genommen und conjiciert:
tp navjtt nttvdoxovaa rixTirai naliv
«iJrij T* ^«* Ttxovaa naidiiag oxXov,
Dagegen ist aber gei-ade das von Weil entdeckte Gesetz der
rhrtorischen Symmetrie geltend zu machen. Es ist ganz richtig,
dass auf die neun einleitenden Verse (1—9), welche den ab-
schliefsenden neun Versen 70 — 78 entsprechen, 6-|-6 Verse
gefolgt sein müssen, welche zusammen mit den weiteren 9 4-9
Versen der Bede des Eteokles genau dem Versumfisinge (30) der
0 Aehnlich Aesch. Pers. 455 (485) Znif^x^^og "oQ^e^ miCov ivfd. iviZ
norm.
38«
556 M, Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
Botenrede entsprechen. Um diese 6 + 6 zu gewinnen, war Weil
allerdings genöthigt den Ausfall eines Verses anzunehmen, zu-
gleich aber auch V. 16 Taytvoig re — aus seinem organischen
Verbände zu reifsen und in sehr mislicher Weise zu den zweiten
sechs Versen zu ziehen. Wir haben dagegen die letzten sechs
vollständig beisammen und beginnen sie, wie sich gehört, mit
V. 17 ^ ya^. Für uns gilt es vielmehr die ersten sechs Verse
wiederzugewinnen. Die Ueberlieferung bietet nur fünf — Um-
stellung und Ausfall gehen ja gewöhnlich Hand in Hand. Doch
ist mir das anstöfsige reTivoig xe Beweis genug, dass die Lücke
hinter noze anzusetzen und nach ihr mit roxevai fortzufahren
ist. Fassen wir das Kesultat unserer Erörterung zusammen, so
dürften V. 10—21 folgende Gestalt gehabt haben:
10 vuag (fi XQV ^^'^f *«^ »^or llUiirovr' hi
Tjßrjg dxucUag xal xov e^rjßov XQ^V*
ttoXh t uQYiyHV xal O-etav iy/(OQ((m'
ß(oiuoTai, Ti/Liag fxri i$aUiqy9-rjvaC nore
15 ToxEvaif] yj re f4r}TQi (pilraTrjj tqoo^^.
ij yaQ v^ovg ^Qnovrag, tvfXivu n^oqt
ßluarrj^ov ilX^atvovaa atouarog nolvv,
nnavTu t' Ixnovovatt naioiCag otXov,
i&QiiljaT^ otxiariJQag dajn^rjipoQovg,
20 niOTol &* oTibjg y^voia^e noog XQ^og ro^ff
bioav X* ^;^o*^' ixuarog, ov an av/ungen^g.
V. 22.
Eteokles fahrt fort:
xttl vZn' jukv ig t6^* Vf^'fQ f^ ^iirei d-eog.
Aber so kann Aeschylus nicht geschrieben haben. Einmal be-
fremdet d^eog (wenn auch in der Bedeutung Tvxr]) so kurz vor
Ix d^ewv^ noch mehr aber vvv ^ev vor vvv de, wozu es einen
in eg too ^(lioq sattsam ausgedrückten Gegensatz bilden soll.
Die beiden neuesten Emendationen des Verses von Weil und
Heimsöth befriedigen mich nicht. Ersterer schreibt xat vvv {va
fieV yäg ig rod rj/uaQ iv ^inei . . . tliqü) vvv d^ unter der An-
nahme, dass viv de prioris post interpositionem repetitio sei,
was mir um so unglaublicher ist, als eine ähnliche Epanalepse
auch in der nächsten Periode angenommen wird. Heimsöth S. 146,
446 schreibt xal twv fisv ig rod^ rjjuaoev ^enei rr/jy, womit
wieder die Interpolation des Scholiasten B p. 303 fiexQi rrjode ttk
migag nalaig ^(luv ix tvxV^ ^X^^ ^^ n^ay^aza streitet. Der Haupt-
fehler steckt offenbar in »tv, einem Glosseme zu einer gewähl-
teren Wendung. Nach seiner Tilgung ergibt sich KAIMEN,
d. i. xaei ^ev. Vgl. Eur. Hei. 1670 ig iuev yag aei tov naqowa
tnjv xQovov. Damit könnte man sich zur Noth begnügen, zumal
dei bei Aeschylus im ersten Fufse des Senar steht, doch geht
xal mit ätl keine Krasis ein, wie Porson zu Eur. Phoen. 1422
gegen Pierso ad Mscr. p. lOö angemerkt hat, und aufserdem
erklärt es die Entstebungsart des befremdlichen vvv nicht ganz.
3L Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 557
Erinnern wir uns jedoch, dass devQ^ ael stets durch f^uxQ'^ »^^
i'iog vvv erklärt wird, so ist es höchst wahrscheinlich, dass
Aeschylus' Hand mit xai devQ^ aei fniv ev ^Inu ra tm tvx^
hergestellt wird ^). Vgl. Eur. Hei. 767: ehv. za f^tiv yag devQ
dei xalcig e^ii^ Aesch. Eum. 599 xat devqo y aei ttjv xvxrjv
ov fuiLKpo^aiy Eur. Phon. 1215 ea ra loiTtd. devQ^ del yciQ
£VTvx€ig. S. Porson zu Eur. Or. 1679, Phöniss. 1224, Boeckh
Plat. Min. p. 102. Statt rd Trjg rvyrfi (Phoen. 1217 Pors.) kann
auch anderes vermuthet werden ra datjtiovcov, zd ftQdyjtiaza, rd
Twv d^۟)v. Uebrigens vgl. Schol. B zu V. 35 xalcog o &e6g del
noiu und Schol. 0 TtlrjQöi fiixQi^ tov vvv.
V. 25-30.
Eteokles sagt: So weit stünden die Sachen mit der Götter
Hilfe gut. Jetzt aber bereitet der Feind, wie der Seher sagt,
einen gewaltigen Mauersturm vor. Dies ist tadellos ausgedrückt
durch die Worte:
vvv (f* (OS 6 /bidvTig (fijalv ottavcHv ßori^g
^ — fxiyCaxYiv TTQoaßokijv IrfjfaWa
vvxrrjyoQiia&ai xuTriflovlivHv noUi.
Vgl. Über diese ^Constructipn dig cprm vmtrjyoQeia&aL Soph. Tr.
1238 dyijQ od^ log eoiy^ev ov ve^eiv sfioi q>&ivovTt f.iöiQav^ Herod.
IV 5 (og de Syiv&ai Xeyovai vBiozaxov dndvxwv id^vicov elvav
To aq>h8Q0v. Mit ihr ist aber eine zweite Construction ver-
schmolzen. Da nämlich oiiüvaiv ßorriQ durch die Worte iv loai
— T^Vvj weiter ausgeführt ist, so wird durch olvog der Haupt-
satz 0 fidvTig olwvwv ßorrjo q>ri(jiv wieder aufgenommen , und
zwar in der Art, dass der Deutlichkeit wegen auch Uyei noch
einmal an das schon vorweggenommene (priaiv erinnert. Der In-
finitiv hängt also eigentlich schon von äg (fmiv ab, in zweiter
linie erst von {wg ovv) ovvog liyu. Weil nat olwvüv ßortjo
in Konmiata eingeschlossen; ich halte das für unrichtig, aa
udvTig offenbar Adjectivum ist. Ob Eitschl für nvqog d/x« , Diit
Becht (fdovg öL^a corrigiert, macht Eurip. Phon. 968: oaxtg
i(invq(fi Xß^öft Tixviß — oUovoGTcoftfj und Eur. Bacch. 257:
aTtonsiv nT€Q(üTög Ka/njtvQwv ixiaf^ovg (pe^eiv^ mindestens zwei-
felhaft, wiewol nvQog sehr leicht aus einem Glosseme ntjQog
entstanden sein könnte.
V. 76.
KdöfjLOv noUv
Cvyolai dovXiio^ai fjn^nore ax^^ttv.
Der mediceische Scholiast nimmt y^v und noXiv als Subject:
liT Ine^ekd^eiv {vitua-) t;vyov dovXaiccg. Ebenso der Schol. B
richtig fiirj i&elrjaare ycQarrj&rjvai, wie er zu V. 253 fdr ^6
») Herrn K. RumpeFs Untersuchung über del bei Tragikern Philol.
XXI p. 144 ff. spricht zwar dem Aeschylus od im zweiten FuXbe
luid in den Septem ab, allein dae kann ona unmöglich abhalten.
6i8 M. Schmidt, Zar Kritik der Sieben gegen Theben.
dovlelag tvxüv ähnlich bemerkt ^eXrjürjre. Polglich ist zu
schreiben [axsdijv (ßi^Tcor^ ivcx^Sijv) als apocopierter Aoristns
inf. pass., wie XQ^9>^^ KcttaxkvodTjv bei Dindorf praef. p. LXlX
und q>avfjv bei Timokreon. Denn aved^vai ist ycQcnrrf&fvaij wie
Schol. A zu 428 axi^Biv xai T^arraBiv.
V. 84. 85.
iXiSigxag m^ionXoxrvTiog
T$ yQifÄTiTeTai ßoä. notäxai, ß^gxH
<f' afīx^^^ ^Cxav vSarog oqojvtiov.
So gibt der Med. diese viel besprochene Stelle und dazu das
Scholion: xai ra Ttjg y^g de fiov Ttedia xaTaxTVTVOVfieva zdig
Ttoal t6)v %7i7tijDv aal twv oicIcjv Ttoiei ^ov TtQoaTtelatBiv tov
rjxov TÖig waiv. — rjxei (Je, wrfliy tqottov Ttorafiuiv ra Ttedia
'^fjs yfJG f^ov. Aehnlich der Scnoliast A : ytal zo rijs y^g di ^ov
jtidov i^aTanTVTCOVfievov röig OTtloig Ttoul fiov röig taüL ftQoafte-
la^eiv TOV fixov. Ohne Rücksicht auf das Scholion schreibt W.
Dindorf: dXe d ifdag (pgevag (poßog, 07tXu)v nTVTtog TtOTLXQif^Ttre-
Tai. dia Ttidov ßoa TtoTaTai, ßgifiei d' n. 9, w. Vgl. desselben
Aufsatz im Philolog. XX p. 390. Im genauen AnscUuss an den
Scholiasten dagegen Kitschi: Ttedi^ otvIoxtvtc^ fori XQ^I^^^^^
ßoav TtoTavav, dessen Correctur Enger seiner Lesung yag rdr^
S ifiag Ttedi ottXoxtvtv' loal xß^'i"^^«^ ßoav zu Grunde legt,
ebenso C. Prien der seinigen: iXehyatag Ttedi' OTcloxTVTt* äri
Xqi}i7iTet ßoag. Endlich hat Weil vorgeschlagen: e^e di yag
i/iag Ttedi^ OTtXoYxvTC^ ovg TtoTiXQl^TtTSTaL ßoalaw^ßqifiBL d\
Ich selbst gehe von der Bemerkung aus, dass die Worte ßoa
TtoT&Taiy denen Weil ihren Platz weiter unten anweisen will,
den Zusanmienhang unterbrechen und bei jedem Herstellungs-
versuche von ihnen abgesehen werden muss. Um aber die trüm-
merhafte Ueberlieferung des Uebrigen in Ordnung zu bringen
ist noch zweierlei festzuhalten: 1. dass dieselbe kleine Lücke,
welche im ersten dochmischen Dimeter durch die Interpreta-
tion der Schollen hinter l^äg indiciert ist, auch in die gleiche
Stelle des zweiten Dimeter hineingereicht hat; 2. dass xQ^ii-
TtTsrai einen Dochmius schloss, folglich, wenn die Accentuation
oftloxTVTtoa Grund hat, den ersten Dimeter geschlossen haben
muss. Es kommt also darauf an folgende Beste zu ergänzen :
EAEJEMAC TlXPlMnTETAI
nsjionAOKTYnoc bpemel
Die Schollen fassen Ttedia als Subject. Darin werden wir ihnen
folgen müssen, ohne dass wir uns deshalb auch an ihre £rkl&-
rung von x^'/iTTrerai zu binden brauchten. Xqi^TtTexat ist Pas-
sivum *wird gestreift' und muss mit einem Dativ verbunden
gewesen sein, den die zweite Lücke absorbiert hat. V. 204 aq^ia-
ToxTVTtov oToßov lässt denselben unschwer errathen, indem er
zugleich den beachtenswerthen Wink gibt, dass in OTthnurvTioo
nidit sowol ein Epitheton zu Ttedia als zu jenem Dative er-
M. Schmidt^ Zur Kritik der 2Sieben gegen Theben. 559
halten war. Hiernach lautete der zweite Vers: neöC oTtXoycTV"
7ro[i]cr[iy ozoßoig] ßgifi^i, oder 7cidov nach A. Die Lücke des
ersten ist durch %&ovog tioti zu ergänzen, E^E walirscheinlich
in TB^£ (r^A«) zu corrigieren : 'Die Ebenen meines Lan-
des werden weithin gestreift von dem Dröhnen des
Hufschlags/ Es ist instructiv zu verfolgen, welche Wege das
Verderbnis einschlug, bis unsere Stelle ihre jetzige Gestalt
empfieng. Das älteste noch aus dem Medic. erkennbare Scholion
lautete: xal rä rfjg yfjg de fiov Ttedia tüv OTrXaiv Ttoiet Ttgoa-
TteXaCeiv zov rixov. Weil erkannte diese Sachlage, als er Toug
OTtXälg corrigierte. Der Scholiast nahm xQff^^^^cci^ medial und
gewann dadurch die Vorstellung: das Gefilde nähert sich aus
der Ferne mit dem Dröhnen des Hufschlages ; je näher die Rei-
ter kommen, um so näher rückt gleichsam das Gefilde, um so
stärker wirkt die hufzerstampfte Ebene auf den Gehörsinn ein.
Dass er OTtXoiv ^) schrieb und nicht OTthov ist aus der Fassung
klar, welcher ein zweiter alexandiinischer Exeget der Deutung
seines Vorgängers gab, die im wesentlichen meselbe ist: xat
%0L Tfjg yfjg di fiov Ttedia xaTaxzvTtov/neva zdig Ttoal rdiv in-
TTütv Ttoiei fiov TtQoOTteld^eip xov rjxov röig (oat. Den ersten Mis-
griff that nun derjenige, welcher beide Erklärungen in eine
zusanunenschmolz, indem er hinter jenes i/tTtcov einschob rj xal
zwv OTthav (sie), und onhav misverstehend seinen Leser auf-
merksam machen wollte, unter oTtXontvTt — könne Hufschlag,
aber auch Waffenlärm gemeint sein. Für letzteres entschied sich
Schol. A, der ohne weiteres Toig Tiooi twv ircTtcov xat tilgt, und
zolg OTcXotg setzt. Die Wahl zwischen beiden lässt Schol. P:
ijyow 6 YZVTtog 6 ex avynqovofxo^ rdiv oithov TtQog allrjla,
xal ex TTJg iv rfj yij ziov %7t7tu)v TtoöoxQOTrjaecog yivoitievog^
doch erkennt man aen Einfluss des mediceischen Zwitterscholions
noch in s. ytal statt r/. Der jüngere alex. Scholiast ist aber,
ohne es zu wollen, eine reiche Quelle weiterer Misverständnisse
geworden. Während uns nämlich A durch seine Wortstellung
Tioiei fiov Totg (oai TtqooTteXaCßiv noch zeigt, dass fiov röig (oai
eine blofse exegetische Verdeutlichung ist, zu der der Text keinen
Anlass bot, wittern spätere Kritiker darin eine verwischte Lesart
des Textes und glaubten sich imi so mehr im Rechte OTcloTctvTt*
waiv herzustellen, als auch yuxraKvvTCOv/zeva toig Ttoal rwv Xtc-
Tttov unglücklicherweise die Vermuthung wecken musste, dass
sich der Dichter des Ausdruckes Tredi^ oTtXonxvTta bedient habe,
•) W. Dindorf griff seltsamerweiw zn BnXxov, Vom Waflfenlärm ist erst
unten die Bede. Bei Aeschylns ist richtig geordnet: Reiter, Fa()9-
truppen, Schlachtruf, Waffenlärm. Zuerst vernimmt das Ohr, dass
unter dem Hufschlae der Beitergeschwader die Erde dumpf erdröhnt,
dann den Anmarsch und das Kriegsgeschrei der schwerbewaffneten
Hassen und wenn dieselben näher kommen den Waffenlärm. Vollends
unglaublich aber ist, dass er awischen Reitern und FuXlBtruppen von
Waffenlärm und Kriegsgeschiei gesprochen haben sollte.
560 M. Schfnidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
trotzdem dieselbe durch die leichte Variante bei A Ttidoif ent-
schieden zurückgewiesen wird. So gab es denn eine Zeit, in
welcher der glossierte Text einmal folgende Gestalt hatte:
Ttt trjs yrjg Si fiov noul nQoaTttlaCfiv
Tfjle d* ifiag x^ovog noTiXQt^TtxBTOLt
xttTaxTvnovfi€va rotg noal rmv Xtitkov, fiov. rov ^ov. i^ii
TtedC onkoxTVTt' loaiv oroßovg. ßqi^u — .
Die weiteren Verderbnisse verschuldete der Zufall , dass die alex.
Handschrift in folgender Weise lückenhaft wurde:
. iili S* ifiäa Ti /^/ft;r«r«*
mSi* ÖTiloxrvTro . a ßQifiH
Dadurch wurde die byzantinische Conjecturalkritik herausgefor-
dert mit Hilfe der Scholien eine erträgliche Herstellung zu ver-
suchen. Man folgte zunächst der Wortstellung, welche die alexan-
drinische Exegese bot, zumal nicht nur überhaupt in Byzanz
die Neigung herrschte in den Tragikern zusammengehörige Worte
durch Umstellung einander näher zu bringen, sondern auch in
vorliegendem Fall zweifelhaft sein konnte, ob columnenweise
oder über die ganze Breite des Blattes zu lesen sei. So entetand
die Fassung:
.(US* ifiäs mSC onloxTvTioa
Verglich jetzt ein des Griechischen kundiger Schreiber diese
Worte mit seinen Scholien, so müsste er sofort zweierlei ver-
missen: 1. Tov movy 2. ^lov Tciig daiy 3. y^g. Das erste brachte
man hinein durcn das unpassende ßodp, das zweite durch ani
(Schol. OPN Tivig öi wtI xQLf.i7tBTai yQaq>ovaiv)^ das dritte
Y
durch de /nag. Der auf diese Weise immerhin mit einigem Nadi-
denken und Vorsicht zugestutzte Text hatte nunmehr diese
Gestalt:
y <a —
. clc Je ßiäs ntSionkoxTvno .a
tl XQ''f*7tT€T(a ßodv ßqifJLH
SafiaxiTov u. 8. w.
Sie ist es, mit welcher unsere bvzantinischen Scholien und der
Interpolator der mediceischen sich so gut abfinden als sie ver-
y
mögen. Aus elede/nag wurde entweder iXedepivag mit verschie-
dener Accentuation, als Masc. und Fem., was bedeuten sollte:
ihxvviov hc Twv de^vicop, oder iXBÖifxag im Sinne von hXovGot
t6 difiag fjfiwv. Man interpungierte ferner vor oder nach dem
Worte, je nachdem man es zu ayyeXog oder zum folgenden zo^.
Wer das letzte vorzog, war natürlich genöthigt ßoa zu schrei-
ben — und dies ist (fie allgemein recipierte byzantinische Les-
art — behielt aber immer die Wahl zwischen eXedefxvag und
ekedifiag. Daher W. Dindorf launig die byzantinischen Erkl&rer
in Heledemasten und Heledemnasten theüt. IledionkoxTvnog
wurde ein Wort, und als zweites oder alleiniges Epitheton zu
M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 561
ßoa gefasst, xqipiTCTBTat ward medial genommen in der Bedeu-
tung TtQOünelaKeL Ttlr^aia^ec rifuv, endlich ri entweder durch
xora Tt erklärt (OP) oder in lyxqif^Ttr^oit verwandelt (B) oder
in T€ corrigiert (xai xß'V^^^^* ß^ 7teöi07rl6yLTV7tog P). Die
Conjectur anl (ttj axo^, der Schall reibt sich am Ohr) kannte,
aber verschmähte man. Die letzte Hand, unseren Text zu schaffen,
l^te ein Metriker an, dessen Winke man nur nicht recht be-
griflfen zu haben scheint. Derselbe wollte einen dochmischen
ttmeter herstellen und conjicierte deshalb:
7n6io7iloxTV7tog
X^CfATimtit ßon. [norärai]. ßgifxH - .
Herr Weil behauptet zwar, dass die Scholien Ttotäzai nicht
kennen, allein B berücksichtigt es mit gl. haiqiog cpegerai und
P muss es auch gekannt haben, weil er nach ßod interpungiert
wissen will , was sich von selbst verstand , wenn darauf gleich
ßQi/i€i di folgte. Nachdem wir so der Verderbnis Schiitt für
Schritt nachgegangen sind, bleibt nur übrig V. 85 mit ogo-
TVTtov dUav iidarog dfnaxhov in Ordnung zu bringen; vgl.Hesych.
V. 89.
Abzuweisen ist Weil noräTai ßoa irtiq reixecov (worin TtotäTOii
aus dem vorhergehenden aufgenommen ist), theils weil die Er-
wähnung der Beiterei und des Fufsvolkes, deren Annäherung
sich dem Ohre durch das Stampfen der Füfse kundgibt, nicht
durch ßoiy welche mit anderen Mitteln aufs Ohr wirkt, unter-
brochen werden darf, theils wegen des Hiatus zwischen den
dochmischen Monometern, theils wegen der Verwandlung von
ßo§ (Schol. ^eict ßo^g) in ßoa, Gewaltthätig ist Prions ßdg
VTtiQ BQidiDv, Er sowol wie Dindorf, der ßo^ vtieq Tacpqtov cor-
rigiert, meinten nämlich reixliov sei überhaupt hier unpassend,
weil das Heer noch viel zu weit entfernt sei, als dass von einem
Ueberspringen der Mauern schon die Rede sein könnte. Aber so
richtig diese Bemerkung an sich ist, hat sie doch nur dann
Gewicht, wenn die Worte ßo^ vneq reixlotv unmittelbar auf
alevaete folgen. Stellen wir sie jedoch hinter dtioxcovy ausgehend
von dem Factum, dass V. 91 zur Completierung des dochmischen
Dimeter ein Jambus fehlt, verschwindet nicht nur der beregte
Anstofs, sondern auch eine Anzahl anderer. Der dochmische
Dimeter wird durch ßo§ voll, ßo^ heifst fueta ßorjg, und die
Erwähnung des Kriegsgeschreies wird in Verbindung mit diia-
Tuav nebensächlich, während das oQvva&ai des Fufsheeres Haupt-
sache bleibt. ^YnsQ zeixeiov heifst natürlich zum Schutze der
Mauern, nicht wie die Scholien sagen vTteQava); denn es gehört
zum folgenden:
r(q äq^ ^naqxiau*) ^€wv ^ ^iäv;
*) Der Med. r/f äo\ also vielleicht rtg uq* aox^aet, Ueber rig uq*
Tgl. Ari8t. Vespp. 888 rig «o* 6 ipUymv; Anders W. Dindorf Philol.
th p. 197.
562 M, Schmidty Zar Kritik der Sieben gegen Theben.
Der Gedanke, es mit aXevaarc^ co zu verbinden, liegt freilich
ebenso nahe. Aber jene Anordnung hat für sich, dass so ßoq
VTtio Teixicov nicht zerrissen und versetzt werden, sondern nur
durcii Interpunction und Ehythmus von einander gehalten wer-
den, und — - dass den Mauern eine gröfsere Gefiihr droht von
den Fufstruppen, als von den Eeitern.
Schon mit V. 86 tritt uns die Frage nahe, ob bereits in
diesem Theile des Chorliedes antistrophische Besponsion statt-
fand, wie z. B. von C. Prien angenonmien worden ist, oder,
wenn ein streng antistrophisches Princip nicht durchgeführt ist,
wenigstens insofern eine beabsichtigte Ausgleichung und paral-
lele Stellung der einzelnen Theile anzuerkennen ist, dass mit
Westphal und Weil von periodi ordinum numero et quodam
rerum similitudine inter se congruentes geredet werden kann.
Den Schein hat jedenfalls die letzte Ansidit mehr für sich als
die erste, indessen halte ich auch sie für irrig und wenn nicht
V. 97—102 a>Lf.ioLl^Bi — doQog die Annalune irgend welcher Be-
sponsion so verführerisch begünstigten, würde wahrscheinlich nie
ein durchgreifender Versuch zu deren Darstellung gemacht wor-
den sein. Strophische Anordnung tritt, obschon sich der doch-
mische Grundrhythmus fortsetzt, handgreiflich erst V. 110 ein,
nachdem sich die Jungfrauen von ihrem Schrecke soweit erholt
haben, dass sie zu einem Gebete an die Götter Sammlimg genug
besitzen. Dies Gebet beginnt mit einem Anruf an alle Götter
und wendet sich dann an Zeus und drei Götterpaare, darunter
V. 135 an Ares. Wie soll denn nun die proodische Partie mit
einer Anrufung des Ares geschlossen haben? Ich denke, sie
müsste ihren Abschluss in der Kundgebung des Entschlusses
finden an den Götterbildern Schutz und im Gebet zu ihnen Kraft
zu suchen: also mit V. 100 ei /nrj vvv 7i6t^ a/jiq)t htav* ?^o-
^lev; Aber, wird man einwenden, yLtvnov öiöoQxa TcaTavog ovx
€v6g öoQog kann ja nirgends anders stehen, da es die Antwort
auf die Frage dxovsr^ ij ovyc aytover^ damdog xtvttov; Da alle
Texte den Vers an dieser Stelle haben, scheint diese Aulfassung
zwar die allgemein herrschende zu sein, dagegen muss ich an
der Ansicht festhalten, dass diese Worte ni(£ts weniger als eine
Antwort enthalten, dass öedoQyca richtig von den Schollen = xa-
tavou) gefasst wird und von derselben Schaar Jungfrauen ge-
sprochen werde, welche V. 100 sprechen, so dass, wenn es eine
Möglichkeit wäre V. 103 an gegenwärtiger Stelle zu schützen,
sogar xTVTtov didoqx av geschneben werden müsste. Die ridi-
tige Erkenntnis der Anordnung des Proodus hängt einzig und
allein von der Vertheilung seines Inhaltes unter die einzelnen
Joche oder Botten ab. Diese also wollen wir uns zuvörderst klar
machen. Bis V. 85 ist kein Abschnitt wahrzunehmen. Zwar ver-
langt Dindorf einen solchen nach Y. 82^ weil es undenkbar sei,
M, Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 56S
dass die Beschreibung der andringenden GeMren ohne Unter-
brechung durch Weherufe verlaufen sei, und schrieb deshalb
^lls <J* €uag q>Q€vag öhg. Aber H. Weil hat richtig entgegnet,
dass der Chor seinem Schreck wol in Exclamationen Luft mache,
aber nicht in Betrachtungen über den Zustand seines Innern,
und was die Hauptsache ist, die Scholien mit ihrem vollständig
begründeten y,al ra zfß yfjg di fiö jcedia zeigen die Continuier-
li(£keit der Verse 78—85: „Der Feind naht. Voran brausen seine
Beitergeschwader. Himmelanwirbelnder Staub, ein stimamer, aber
verständlicher Bote, meldet sie dem Auge an, wie der Hufschlag
der Rosse, von dem das Gefilde, einem tosenden Giefsbach gleich,
erdröhnt dem Ohre." Jetzt erst erhebt ein anderer Theil des
Chors seine Stimme und bittet in einem dochmischen Trimeter
Götter und Göttinnen um Abwehr des einbrechenden Unheils.
Darauf führt ein dem ersten Redner verwandter Sprecher sein
Gemälde von den Schrecknissen der Belagerung weiter aus : 'das
Belj^erungsheer der weifsbeschildeten Argiver rückt unter Kriegs-
gsschreig^en die Stadt vor', und schliefst mit der Frage: welcher
Ott wird unsere Mauern schützen ? denn es geht nicht an, schon
diese Fn^e wiederum den Sprecher einer andern Gruppe thun zu
lassen, da nur im Munde der zweiten Gruppe der jetzt folgende
doclmusche Dimeter passend ist: Liegt in deinem Ausrufe rig.,.
&€diy die Aufforderung an mich bei den Bildern der heimischen
Götter Schutz zu suchen? (noteoa dfjrra TtoriTtiaco;) Bis hierher
wäre denn wol alles in bester Ordnung. Der ganze Chor steht
unter dem Einflüsse des Schreckens und der Furcht vor der
nächsten Zukunft, allein der Grad der Erregtheit ist doch ein
verschiedener bei den einzelnen Jungfrauen. Die einen erscheinen
doch etwas weniger verzagt, als die andern. Während die einen
noch im Stande sind, die Gefahr in ihren Einzelnheiten zu über-
sehen und zu schildern, wenn sie auch vielleicht Sinnestäuschun-
gen ausgesetzt sind {g)ayral^ovTat), haben die andern keine an-
deren yforte als Wehegeschrei und keinen andern Gedanken, als
Götterschutz und Götterbilder, machen aber keine Anstalt die
Tempel zu erreichen, weil die Furcht sie bannt und lähmt
Dieser Unterschied der Charakterzeichnung muss uns bei der Con-
stituierung der nun folgenden Partie des Textes leiten. Die erste
Gruppe hatte mit der Fn^e geschlossen: tig ccq^ inaqiUaevd^etiv
^ &ۊv; daran fugt sich nach kurzer Unterbrechung iw fidycaQeg
&jedQoi^ worin das Epitheton veranlasst ist durch ßQhrj öai/i6'
v(ov. Aber getreu seiner Aufgabe, die immer näher rückende Ge-
fahr zu malen, muss der Chor demnächst etwas mitgetheilt haben,
was seine Sinne wahrnahmen. Hier ist also die Stelle , an wel-
cher der erste der vier hinter V. 102 vorgeschlagenen Verse zu
seinem Rechte kommt: 0 Götter, ich vernehme Waffenklang,
da« Getöse vieler Speerträger (Joqv = öoQV(p6qog, wie tcoW
SjQhoa = TtoXkol To^orai). Es wird hohe Zeit die Nähe der
ötten)ilder zu suchen. Was versäumen wir die Zeit mit über-
504 M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
mäfsiger Weheklage ? Man sieht, diese Jungfrauen drängen mit
gewisser Energie die unselbständigeren Schwestern zur That —
denn eine solche ist in ihren Augen das Gebet und die Flucht
zu den Heiligthümem — und mit dem tadelnden Prädicat ayaozo-
voi bezeichnen sie trotz der ersten pers. plur. nicht sowol die
ganze Jungfrauenschaar, als die zagen Mädchen einer andern
Gruppe. Dieser Vorwurf hält jedoch dieselben nicht ab in neues
Jammern auszubrechen, statt die ß^iTTj zu umfassen. Denn ihnen
gehören die Worte ri ^i^etg — e'^ov, deren üngehörigkeit an
ihrer bisherigen Stelle wir oben nachgewiesen haben: „Was wirst
du über uns beschliefsen , o Ares; schirme das Land, was du
einst liebtest; willst du uns denn opfern?" Auf diesen neuen
Klageerguss folgt dann noch eine eindringlichere Mahnung der
muthigern Mädchen sich zum Gebet an die Götter anzuschicken :
„Habt ihr das Schildgetön gehört, oder nicht? Wann wollen wir
denn beten, wenn nicht jetzt?" Hiermit schliefst der Proodus
und das Gebet beginnt. Jetzt kann es ohne weiteres d^eol no-
Xioxoi x^ovog, Y&^ d&Qooi beginnen, ohne dass wir mit Dindorf
nöthig hätten Iw lo) &€ol zu schreiben, quia alia, quam quod
praecedentia cecinerat, persona loqui indpit. Für die eben ge-
troffene Anordnung der letzten Verse spricht auch der Bhythmus
und ein äufseres auf denselben bezügliches Zeugnis der Scholien.
Bis V. 97 verläuft alles in Dochmien, und zwar von dochmischen
Trimetern für die erregtere Schaar, von Dimetern für die ruhi-
gere. Von da ab aber spiegelt sich die mit der Gefahr gestei-
gerte An^st im Wechsel des Metrums ab. Die erste Schaar über-
nimmt die dochmischen Trimeter und verwendet für die Schil-
deiong des Kriegslärmes den jambischen Senar, die zweite greift
zu Bakchien und schliefst im dochmischen Grundmafs ab. Dass
eine strophische Anlage unmöglich stattfand, ist schon daraus
klar, aber auch aus dem überschüssigen Ausrufe: iw judyiaoeg
^€oi In den Scholien findet sich nun zu V. 103 xrvnov oi-
doQxa eine metrische Anmerkung: 6 (.levroi oxrdarjfAog ^v&inog
ovTog TtoXvg iariv iv ^Qm(i)di(f xat imrrjduog nqbg d^qrrvovg
%ai avevayuovg. eait de doyLua-m (doriuTui m. rec. in M. cf.
IJö). 01.10L0V To nole/tiog aiQsrai nqog sfxe yxxi x^eovg naQ
AQiOToq^dvu iv ^'Oqvioiv (1189) dXkd xai Ttag^ Evoiniörj ^Eyw
d^ övT€ aoi TivQog dvfiipa cpdig v6f,ufxov Iv ydjLioig*^ (Phon. 344).
Wenn diese Bemerkung dem V. 78 oder 110 beigeschrieben wäre,
würde sie nichts befremdliches haben, was soll sie aber üier zu
einem Verse, der selbst ein Jambus ist und von einem Com-
plex von Bakchien und Dochmien fortgesetzt wird ? Sie hat nur
dann Sinn, wenn V. 110 diejenige Stelle einnimmt, welche wir
ihm angewiesen haben, und unter der Voraussetzung, dass dieser
metrische Vermerk unvollständig überliefert ist, d. h. dass auch
der Uebergang vom Dochmius zum Jambus und wieder vom
Jambus zum Bakchius und Dochmius, so wie namentlich das
verschiedene (.Uye^og der dochmischen Eeihen besprochen war.
M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 505
In der That aber ist auch von den beiden gewählten Beispielen
Ar. Av. ein dochmischer Dimeter Eur. Phon, ein Trimeter, wäh-
rend an beiden Stellen Epimixis der Jamben stattfindet, und
aus dem Schol. zu 128 geht nur hervor, dass der Vf. auf die
dochmischen Dimeter aufmerksam ma<jhte, welche dem ytvog
Xüov angehören -|^ ^-, während der Tri-
meter 8 : 16 dem diplasischen Geschlechte angehört. Denn er sagt
xai Tcevra de doxf-wm eoTi Y.al iW, mv Tig avra o^iraarj^tog
ßaivT], Ich ordne den eben besprochenen Theil der Parodos fol-
genclermafsen an:
ita t(o S'€ol d-ial t' OQo/nfvov xaxov ttUvaar* w. —
o Xfvxaants oovvrai laog €v-
TQ€n^g ^n\ noUv dmxtav ßo^. —
VTi^Q Tfi/^(üv TIS tiga ()vatT(u
noTfOtt (F^r* iyat noTi^niOb) ßQ^rrj (nitTQia) duuiovütv; — *)
^aitaqtg ivf^QOc. — ^)
xTvnov o^iSoQxa, nnrayog ov/ ivos iSoq6<;. —
tixfitt^ii ß{)tT^o)v if/ioO^ca, tC fz^U-o/uev aydarovot; —
t{ ^^$€1$; 7iQot^0)O(ti 7ia).(t(x^oyv 'Aqtis rnr Tiav; —
<;it(f' ^TTli^e TloXtV, ((V TTOt' €V(flk^T€tV l^&ov, —
clxovix^ rj ovx dxov€T^ nantdttyv xrviiov; — ^
7t^nX(ov x((l au(f^(üv noj^ «^ /"») vvv d/Ltcfl Xirciv* k^ofiev; — ■)
Daraus ergeben sich neue Resultate: 1. erhellt, dass der
verzagteste Theil des Chores aus den fanf Sprecherinnen des
einen Stoichos bestand; 2. dass hier ein sicheres Beispiel einer
Anoi*dnung ymtcc azoixovg vorliegt, welches Lachmann de chor.
syst. 136 vermisste. Denn wenn wir die drei Rotten mit 123 4 5,
aßyÖBy I n III IV V bezeichnen, bekonmien wir ungezwungen
das Büd: II. lU. IV. e V, I. a. 2. 3. 4, ß. y. (J. 1. 5; 3. dass
nicht sowol zwei, als vielmehr drei Grade der Gemüthserregt-
*) Ich habe wegen Schol. Med. Ttar^t^aiv ^oavaiv mit Westphal naxqici
Btatt des Dindorf 'sehen rlfjiia eingeschoben. Aus A, der sehr gute
Scholien hat, will Heimsöth aufserdem ^ rl cF^w; Allein aus den
Worten desselben Scholiasten 312, 30. 313, 15 nuQuxaXovaa und
naouxaUam könnte man mit demselben Rechte auch ndTQia 6tjt
iy^ nonnioip XiraTg ßg^rr} ^ctiuovcjv verrauthen, oder da norega
durch das Lemma des Med. gescnützt ist, noxfQa ^fjr* lyto nori-
niao) Xiraii naxQi^^ rj xl ^qü) ßQ^xri daviiovfuv; dann übersteigen
wir aber das Mais des dochmischen Trimeter. Cf. Schol. A. 212.
•) V^ir haben also nicht nöthig, wie Dindorf p. XXI den Hiatus —
dQoi dxuL — zu entschuldigen. Ob i(o auf serhalb des Dochmius
stand oaer mit dem folgenden zusammen als jambische Tetrapodia
vy^x^x^v^-^-zu messen sei, ist zweifelhaft.
') x^oTor;?
•) ü uTj vvv nox* verlangt das Metrum. Doch ist die überlieferte
Stellung an sich legitim. Ar. Lysistr. 303: ttot* avx^ /läXXov tj viv,
M6 M, Schmidt, Zar Kritik der Sieben gegen Theben.
heit durch diese drei aroixoi und den Rhythmenwechsel ver-
treten sind. Der erste Stoichos I— V schilderte das Anrücken
des feindlichen Heeres, der Reiterei, des Fufsvolkes und zeigt
seine Bangigkeit nur in der abschliefsenden Frage seines füll-
ten Sprechers, welcher Gott unter solchen Umständen die Mauern
schützen werde? Der zweite OToixog (1 — 5), seiner Furcht schon
viel weniger Herr, wie der Ausruf seines ersten Sprechers ui
/nccTuxQeg iveöqoi zeigt, beschränkt sich auf zwei kurze Mitthei-
lungen seiner Sinneseindrücke {Ttarayog doQog — damdcjp xrinog)
und auf ebenso viele Anregungen zur That des Gebetes. Der
dritte endlich steht ganz unter dem Einfluss der Angst, wie die
dochmischen Trimeter und Bakchien zeigen, und unterbricht den
ersten Stoichos zweimal, den zweiten einnial durch seine Excla-
mationen; 4. wie der erste Stoichos mit einem Verse d-^o-
/lai — a)(rj beginnt, so der zweite mit einem Vorschlage </
/ncmageg evedqoi ; 5. da der Proodus in zwei ungleiche Hälften
zerfällt 78—96, 97—107 und über beide die Worte des dritten
Stoichos vertheilt sind, ist an strophische Entsprechung absolut
nicht zu denken.
Es erübrigt die V. 104 flf. in Ordnung zu bringen. Der
Med. schreibt den ersten Dimeter:
Die Streitfrage ist, sind das Dochmien oder schon Bakchien.
Prien ist far Dochmien, Dindorf, Weil, Rofsbach, Westphal für
Bakchien. Die Scholien geben keine directe, aber doch eine
sichere indirecte Antwort. Die Mediceischen Scholien und A
schrieben das Lemma nalalxd^wv ^Liqrß vor ihre Erklärung:
^x noXkovi^Xi]Qioaa(A£vog ZTjvde Trjv yijv. — lirTixcig de Tr]
Tikrjfiixn^io^'Aqrfiy o\ öe yqacpo^vaiv d ^^gr^. Wohlgemerkt w
^'Aqt], Der Exeget setzte dies w nicht blofs als Vocativzeichen
in üblicher Manier aus eigener Befugnis voran, sondern fand
es im Texte, üeberein stimmend sagt der Schol. 0: 6 nahu
Aal f^ agxrjg trjv riov @i]ßiov x^ova lax^v dg oUmiv. Da-
mit vgl. Hesych: laxov b Tdr^Qcoaai^evog. Die Paraphrase der
Scholien geht also nicht auf Tialaixd^wvy sondern auf einen Text,
in dem kaxcav oder eine ähnliche Form des Verbi layxavw er-
halten war. Gesetzt nun, wir hätten es mit einem dochmischen
Trimeter zu thun, auf welchen Rhythmus Ttakalx^wv ^^Aqm
hinweist, so würde der alexandrinische Text gewiss so abgetheilt
gewesen sein:
oder wenn man nach Anleitung der Scholien die fehlenden Fülse
ergänzt :
M, Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. S67
Hi^mit ist das Bäthsel der heutigen Lesart gelöst, ü ist nicht
i', sondern o) und gehörte vor fcgodtoasig y hxxwv aber und
nkfjQiaoafievog sind zwei Glosseme zu der auch aus Soph. OC.
1584 p. 201 Meinek. Eur. Tro. 243 bekannten Perfectform l€-
Xoyxi'S' Verglichen kann werden Aeschylus selbst Pers. 187 r
juey ^Ellada \ xXrjQ(p laxovaa yalav, r de ßagßäQov. ^JAbsin, I
p. 194, 14 ijdeiv aQeaxovra noitiv TÖig hxxovüiv avripf öai-
fioaiv. Es ist also zu schreiben und zwar mit veränderter Inter-
punction nach statt vor x^ova:
TTJv^e Trjv yijv
^ /€Aoy/(Off [fi ] A^fig;
Indem man XQONii als Correctur von AEAOrxilC nahm,
entstand genau der heutige Text, der wie ein dochmischer Dime-
ter aussehen und dessen erster Fufs offenbar als hyper-katalek-
tisch gelten sollte. Weiter schreibt der Mediceus:
tav riav. w /gvaoni^lr]^ dä(fiwv
ini^* im^i noXtv
«y TTor* ev(fiiXi]T(xv l^oi».
Das9 in diesen Worten Tvohv Glossem ist, zeigen selbst die
jüngeren Schollen (B) noch, wenn sie zu av] xrjv noXiv örjlovovi
bilden. Lachmann de chor. system. p. 82 hat längst zur Aus-
fällung des Metrums {reav) ergänzt, freilich ohne sich an den
kläglichen Jambus d xQ^'^onrjlr^^ dalfnov k'nid^ i'mde nohv
zu stofsen, und ohne wahrzunehmen, dass das vermisste xaav
durch Versetzung der Worte tolv Teav gewonnen werden müsse,
nämlich :
tni^* [It*] tin&Se yay
Tidv &v 7IOT* ivtf^ki^Tav i&ov.
Denn da man rav reav las, supplierte man noXiv und war da-
durch ^enöthigt ^das metrisch überschüssige IV zu tilgen und
yav Tiav hinter ^^AQTjg zu versetzen, worauf der von ngodioasig
abhängige im Texte zerstörte, aber in den Schoben erhaltene
Begriff x^ova und Trjpds ttjv yfjv einen aufmerksamen Verglei-
cher des Textes mit den Schollen führen müsste. — Wie end-
lich die Worte der vierten Jungfrau dieses Stoichos lauteten,
ist schwer zu sagen, da der Rest der Ueberlieferung w xQ^'(^o-
nrjXri^ öaifAwv vollständig an^hythmisch ist. Bis auf weiteres
möge es denn bei Dindorf 's bakchischer Dipoetie <ci xQ^'^oni]lr^^
verbleiben, und das Ganze geschrieben werden:
t( gi^fts x^ov^; w TiQo^ojaHe nalai Xfloy^iog fi* *'AQf]g ;
i(ü /qvaoTirjXrj^.
iniJ fj' ^niis yäv riuv av nor evqiXi^Tav ?&ov.
Die Stellung der Worte ti ^e^eig; x^ov' c3 Xelnyx^^g nakai
ftQoöwaeig Aqrjg würden allerdings in genauester üebereinstim-
mung mit den Schollen stehen, doch halte ich sie nicht für
ursprünglich. Das ausgestofsene dalfiwv oder däifiov erkennen
508
M, Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
auch die Scholien (rec.) nicht an. — Vgl. ri ÖQqg; 7tQod(ooeig
ravTa Enr. Suppl. 265.
üeberblicken wir nochmals die Disposition und vertheilen
gleichzeitig den Stoff unter die 15 Choreuten, so ist es folgende:
2. 0 Schreck, der Feind kommt. Voran Beiterei.
3. Ich sehe es am Staube.
4. Ich höre den Hufschlag.
10. 0 Götter, wehrt dem Unheil!
5. Das Fufsvolk rückt an mit Kriegsgeschrei.
1. Welche Gottheit wird da helfen?
6. Ob ich zu den Götterbildern flüchte?
12. Himmlische Mächte, was ist das?
13. Ich höre Speere klirren.
14. Es wird hohe Zeit den Heiligthümern zu nahen.
7. Willst du uns opfern, o Ares?
8. 0 goldbchelmter!
9. Schütze deine Lieblingsstadt!
11. Hört ihr das Schildgetön?
15. Wann wollen wir beten, wenn nicht itzt?
Der Grund für diese Anordnung ist ersichtlich aus nach-
folgendem Schema der Aufstellung xazä üroLxovq^ welche ihr
zu Grunde liegt, wenn auch der Chor nicht in ihr aufzog:
ä lavQOtndrai
aqiar tQoaxat tti
oder in der Aufstellung xara t^vya
(6)
(15 X_^
jl! VI 1
5 (2)
1 (3)
i2~'i3 U (4)
VUVlü IX
2 'Z 4
(5)
Cl)
D. h. es beginnen die drei Hegemonen des Chores, der Kory-
phäus mit den beiden Parastatä (1), es folgen die zwei ihnen
zunächst stehenden Kraspeditenpaai-e (2) (3) chiastisch; beim
Wechsel des Metrums beginnen die mittelsten drei Sänger des
ersten Stoichos, d. h. die drei besten nftchst den H^emonen,
Jlf. Sk^itU, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
569
welche in der Aufstellung xara iVya das dritte Joch bilden (4) ;
dann folgen die mittelsten drei des Hypokolpions oder des zwei-
ten Stoichos, welche in der Jochstellung das zweite Joch bil-
den (5), endlich schliefsen die letzten zwei Kraspediten (G)^
welche auch in der Jochaufstellung Flügelmänner der letzten
zwei Joche sind. Der Dichter hat also aus seinen 15 Choreuten
6 Gruppen gebildet, 3 zu 3, 3 zu 2 Personen und so geordnet:
3. 2. 2. 3. 3. 2. Dabei entspricht sich auch Zahl und (tU^e&og
der Verse genau bis auf eine einzige Stelle : diese Stelle ist 12
(iamb. tetrap.), 13 (iamb. sen.), wodurch die methodische An-
ordnung, die in den zwei anderen Stoichen durchgeführt ist,
verzerrt wird und das gestörte Bild:
senar. tetrap. senar. dochm. dochm.
11. 12. 13. 14. 15
erscheint. Wir werden dadurch zu der Annahme gezwungen, dass
13 vor 12 -f- 14 gesprochen habe, wornach ein reguläres Bild
entsteht, in dem sämmtliche kürzeste Beihen die Centren bilden :
1 iamb. sen. 1 ia. sen. 1 ia. tetr. Idochm. tr. dlchm. tr.=- V.105. 97. 96. 98+99. 106 -f 7.
ldochm.tr. 1 dchm.tr. 2 bacch. 1 dchm.tr. 1 dchm.tr. -94+5. 103+4. 102. 1004-1. 87. 88.
2docb.dim. 3doch.dim.2d. dim. 3d.dim.2d.dim.=92+3. 79-81.82+3.84-86. 90+1.
i} /f &Qiofiai fpoßeqa, fisyccV a^ri
(fjic&sTrai OT^ttTos arqtaomdov Xtntjv.
^eZ noXv^ B^e Um nQo^QO/nog innoxaq. —
ai&(Q{tt xovig fdi ni(&H if€tv(Ta\
avaviog aaip^g trvfioq ayyelog. —
rrile S* iftag /^wo? noTixQtfinrerat
mSi* onloxTvnoiaiv oroßoig. ßqifiH
6* öqoTvnov ^Uav vSarog ttfia/irn. —
/ 7(ü tt^ S'iol d-€ai T* OQOfievov xaxov dXii/aat* ä. —
^ §/ lo Uvxaanig ogvirrai Xaog iv-
I (rp€7rj}ff inl noXiv Suaxfov ßoq, —
^ V«' ^vTt^Q THX^iov rig uQa ^vasraif
\^r(g ttQ* inagxian ^fcur 5 ^f«^; —
,j g' noTtQa S^T* iy<ü nottniaui ßqixri naTQM Saifiovtav; —
i| ly IdJ fiaxaqtg evi^QOt, —
r tß^ /xjvn&v SiSo^xn, narayog ovx ^vog doqog, —
ri i^Y dxfdctCH ßQititav tx^a^^i. rl fiMofHv. dyadtovoi; —
,) ^ YI'^^ ^I«? X^^'f ^ nQodtaaag nnXui XiXoyxtog fi" "A^n^; -
4 71 A itia x^t;ao7TiiXfi^. —
i} ^j \\tnii* h' tm^t yav tfdvt liv not" tvifdi^TttV H^ov. —
)| mk ^dXiver' rj ovx dxovix* donlStav xrvno^'; —
i} it \ ninXwv xa\ atiifiwv ti fiij vvv, nox d/itfl Xixdv* l^ofiiv;-
Ztittehrift f. d. ötterr. Gyno. 1865. VIII, Heft.
39
870 M. Schmidt, Zar Kritik der 8i«VMn giAgni TImImb;
V. 210 (= 193).
Die Silben iv ycv von junger Hand auf Rasur im Mediceos,
TtQog xv/Äarc die andern Mss. IlQds] ^^ Schol. B. Weil ver-
muthete Ttovriq) y(Xvd(i)viip. Möglich, aber wahrscheinlicher dünkt
mir xirntj/iaTi, Vgl. nvfia xvxdiievov Hom. II. <Z>240 xixfjfia'
TccQaxog. Hesych. Auch TQixv/ii<f wäre seschyleisch oder tpvari^ati.
V. 291 (= 194 ff.).
;far« ßgirrj nlowoq d-ioiq vufdiog
8t* olocig vuf'OfAivag ßqofiog iv nvlacg.
Für diese Stelle sind wir auf A angewiesen. Er schwankt ob:
vKfadog vKfofiivrß oloJjg als Genetivus absolutus {e^cad^ev) stehe,
oder von ßqoixog abhänge, ferner, ob oV so viel wie orc oder
wie oTi sei. Ein Prädicat zu ßQOfiog scheint er nicht vorge-
funden zu haben, denn seine zweite Paraphrase entbehrt des-
selben , obschon seine erste der Deutlichkeit wegen ein yiyovev
einschaltet, nämlich wie B: ^x^s iyivero. Welche Stellung in
seinem Texte die Worte des genet. abs. gehabt haben, ist auch
nicht ersichtlich, da er das zweite Mal vi<pddog okoijg vupoui-
vrß ordnet. So viel aber scheint mir aus seinem e^tod^ev klar,
dass dieselben weder durch oVe, noch durch irgend ein anderes
Wort zerrissen werden konnte; ferner glaube ich nidit, dass
0T€ ßgofLiog für ore ßQo^og rv (yiyovevy iydvero) stehe, trotz
Matthiä Gr. Gr. §. 306, p. 608. Da nun der Rhythmus der
Strophe :
\^ y^ \^ \^ ^^ S^ S^ \^
die von Seidler vorgeschlagene Versetzung der Worte ^eolc niav-
vog fordert, so muss der Schluss dieses Dochmius o% oloag
gelautet haben. Begann somit der dritte Dimeter viq>ouivag vixfoi'
dog (denn eine andere Stellung lässt das Metrum nicht zu), so
muss das nächste einsilbige Wort vocalisÄ angelautet haben
und kann kein anderes sein als das vermisste ^. (Vgl. Soph.
Trach. 516 riv de. ro^iov Ttarayog,) Ich schreibe also:
— /«r« ßQ^rrj &€oig niawog ot* oloag
viifofi^vag viifd6og ^v ßQo/nog iv nvXaig,
Die Veränderung ist aufserordentlich leicht, indem nur yi^öog
seinen Platz ändert und die folgende Länge durch ^ ergänzt
wird. Halten wir hiermit die Strophe zusammen, wie sie der
Med. liest:
— Ottaa Tov aqfiajorrvitov Öroßov
8ti (ante ras. v) n avQiyyig ixXaytav ilitQoxoh
M. Sehmdi, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 571
SO erhellt: 1. dass dem ersten dochmischen Dimeter drei Semeia
fehlen. Man hat sie durch ein zweites ozoßov ergänzt, da in
den fibrijgen Hdschr. ovzoßov ortoßov otl {pta Par. L) steht;
2. dass im nächsten Dimeter sowol ort, oze wie o'Qiyyeg Glos-
seme für ein trochäisches und daktylisches Wort sind. Jenes
ist Glossem zu ^£ (Hes. £^r€*ijy/xa, otb)^ dieses zu xolviY.eg
(vgl. Hes. %voa(). Ich schreibe:
— Ottöa tov uQfiaToxTvnov oroßov v^ c— 3*
€VTi Ti ;^o/yiXfc txXay^av kXlrqoxot
und möchte y da die Schollen nicht, wie sie zu Y. 107, 134
thun, auf eine Verdoppelung des Wort^ otoßov aufmerksam
machen, oxiityv ergänzen.
V. 225.
firi fioi ^eog xtdovaa ßovltvov xaxtÜs,
miitcQx^a yuQ iari Ttjg evTtQa^iag
fi'^Tfit yvvrj a(orij(fog. cJ(f' ?/€* loyog.
Die Alexandriner ergänzten ^«og und interpretierten yvvr Jiog
awT^aog oder oixaiwg exovaa ttqoq to aci'^ead^ai (Med. A), wel-
cher lekteren Deutung die Misform aurrmog statt awrr^Qtog zu
Orunde zu liefen scheint. Auf eine andlere Exegese oioaTixng
basiert Demetriiw Triklinius seine Coiyectur yvvaiy awT^Qog (A.
gL B), wobei wn^^iag aorcfQog zu verbinden ist, Hermann
yotnjg aan^Qog^). Schwächte nur nicht jeder Zusatz zu ev-
noa^lag den Eindruck des Wortes ab, abgesehen von der ver-
sdirobenen Construction^ Darum Heimsöä ovrjaldwQog^ Weil
xvßeavffzfiHyg. Insofern c5d' l%€t loyog eine geschlossene, oft in
der Trs^ce^e vorkommende Phrase ist, die den Vers abschlielst,
ist Heim8öth*s Mittel tadelloser als das WeiFsche, im übrigen
aber schwer zu glauben, dass otnjaldojQog das richtige ist. Was
Eteokles von den Weibern verlangt ist Schweigen (V.217), nicht
sowol schweigender Gehorsam, als gehorsames Schweigen. Ihr
Gehorsam soU sich dadurch bekunden, dass sie jetzt still sind.
Darum meine ich, dass Aeschylos geschrieben habe :
fjin fioi ^eovg xalovaa ßovUvov xaxütg,
EvTtQa^lag vaQ iariv ij neid^a^x^a^
fir^tfi^, yw^ atOTirjQog, äS* fy^i loyog.
Mit deinem E[laggeschrei zu den Göttern erweisest du der Stadt
einen schlechten Dienst. Die Wohlfahrt hat die Folgsamkeit zur
Mutter, und die Folgsamkeit ist ein schweigsam Weib. KawUg
und evftQa^iag rücken absichtlich nahe zusammen, üeber ownau}
Buttm. ausf. Gramm. II, p. 130 a. E. Böckh Find. Ol. Xm 91
{6iaa(07taouai\ Isthm. I 63 (aeawnctfiivov), Hesych. Bvcwnla*
fjavxla. Also aaoTcriQog = aiiOTtriQa (Xen. Conr. I 9 oi ftiv y€
amTtijQoreQoi iyiyovro).
^ Eher KeAe rieh hören fin^fiQ\ tvxfjs oun^gog w(f* ?/w Xoyo^, wie
dnst Bitsehl wollte.
39»
57C M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben g«g«n Theben.
V. 211 (=227):.
gibt der Med. Text, womit Schol. A rm äfitjxoivov v&piXr[^ zu
stimmen scheint. Da aber mit dem medic. Scholiasten %6v fir
dwa/ievov eavrfp (jLrjxctvnaaa^ai xal ßotjd^ai 6 ^edg oQ^oi
Marcellin. Thuc. Vit. §. o Westerm. rov afimotvov stimmt, hat
Weil das Masculin recipiert, obschon das Metrmn der Strophe
- J^ - ^ - vorschreibt. Ich glaube in KAKOICITANA-
MAXANON dagegen yLOKoig [—] Ttavafiaxotvov zu erkennen
und die fehlende Länge durch tov ausfüllen zu müssen.
V. 253 (= 270) ff.
Wenn du meine Gebete veminmisty so stimme du in sie
nach hellenischem Brauche mit dem fronmien Opferruf der
Weiber ein:
duQüoq ipdoiQ Xxovaa noXifiiov tpoßov.
Weil nimmt die Worte gegen jede Aenderung in Schutz, ob-
schon ihm Ivaiv ts TtoXef^iwv q>6ßwv selbst correcter erscheint.
Das war auch die AufiiEtöSung von Schol. B dvtQCog toig oiiuimg
aal Tov TtolsfÄicov anotXkayri (foßov. Mir scheint der Dichter
hier von der Wendung Ubiv tivol rivog (Soph. Trach. 181 oxvov
ae loaiü) Gebrauch gemacht zu haben:
S-aQOog ifCXovq lioovai noli/nitov ipoßwv,
d. i. ^agaog if^noiovaa Tolg rovg eavruiv oineiovg Ivcovai tOv
nolefiiwv (f6ß(ovy zur Ermuthigung der Streiter, welche ihre
Angehörigen von den Schrecknissen des Krieges zu erlösen im
Begriff sind. Möglich, dass die Ordnung der Worte war &. q^oßtav
X. 7t, q)iXovg. Die folgenden Worte des Eteokles erhalten erst
ihre volle Wirksamkeit, wenn Uyio statt iyd an die Spitze des
Satzes tritt und treten erst in das richtige syntaktische Ver-
hältnis, wenn sie mit ^eoig schliefsen:
l^y(o Sk x^9^^ ^o«? noXiaaovyoiq iyaj
möiovofxoiq t€ xayoQag iniaxonoig
jdiQxrjg T€ ntiyalq ovd* an* ^lafiffvov &ioTg,
In dem dritten dieser Verse stecken aber noch einige alte Schreib-
fehler: In TEnnrAlC nämlich TEn.üTAlC, d. L t*
inontcLigj in OYJ aber .OYJ^ d. i. novo'. Eteokles befindet
sich auf der zwischen dem elektrischen und prötischen Thore
felegenen Burg Eadmeia. Von hier aus fällt der Blick auf den
luss Ismenos, der hart am prötischen Thore hinläuft, so dass
das hinweisende Pronomen völlig gerechtfertigt ist Er verspridit
also den Göttern, welche von diesem Ismenos aus schirmend auf
Dirke blicken, was folgt. Auch rotfd* in oder t6vd£ t* gienge.
In jenem Falle sind es die Götter, welche ohnfem dieses Is-
menos Dirke schirmen. Gemeint sind Dionysos, dem der Ismenos
wie die Dirke heilig war, Apoll — denn auch Dirke ist Wahr-
M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 578
sageriu, Unger parad. Theb. p. 94 — und Ismenos selbst als
Vater der Dirke.
V. 265 (282):
Weder kann in^ nach Schol. A mit ix^QÖiai ra^w zusammen-
constmiert werden, noch Canter's inaQxovg recht sein. Ich schreibe
6i qkinag 1'^, wozu iivd^g Glossem war, das in den Text ge-
nommen Tilgung des Hiatus verlangte.
V. 285:
dtfimg rdv ßad^vx^ov* aJav.
Gegenstrophe yehoveg di xagdiagj Dindorf xdgtccg. Die Ent-
scheidung hängt vom Metrum ab, Dindorf's Mittel ist nöüiig,
wenn eine Tripodie verlangt wird. Stand eine Tetrapodie da, dann
li^ der Fehler in ix^Qolg^ wofür man ixTonoig avrioig aX-
lo^i^ig versucht hat. Näher an EXQPOIC liegt EAEPOIC,
wie im Original ohne Consonantenverdopplung mr eXkiqoi^ ge-
schrieben sein musste. Hesych. : elXeqa £X^^, TioXe/ua^ adma,
V
— Einige Verse tiefer hat der Med. nach Prion xat t« iixjjOTcXov
V
atav^ nach Bibbeck m. ant. ytatagiipoTtkovy m. sec. tuxI t'
iixponXov. Es ist xa^a ^ixpOTzXov zu lesen.
V. 273 (=289 ff.):
jov d/Ä(f IT iiyrj Xitav
SQtixovTtt J* (og rig tixvimf
H a 'H
vn€Q^iSoix€ lex^ ^^ dvaiwrjtoQag Annv
ff ♦♦
tgofiog neXiiag
Die Correcturen sv a ^H sind von dritter Hand, von derselben
x£ auf Basur, ohne dass die erste Hand noch zu erkennen wäre,
q> von zweiter oder erster. Aus den alten Schollen ist erstens
mit Lachmann Uxaiwv zu entnehmen. Zweitens die Conjunction
di sichergestellt. Denn wenn auch die mediceischen nur sagen:
^ KuxQdia uov qirfli didoixe tov TtohooMvvTCi azqcnov mg o^-
yuovta V7t€Q rßv vaoüomv jteleiagy so folgt es doch aus A, der
auf die alten Scholien basiert, didoiyts yciQ f nagdia /lov. rov
i^ag di üvvdeofiov avzt rov yag vorp:iov. Ferner fähren sämmt-
ic^e alte wie neue Scholien auf d^xoi^a, nicht auf dga^ovrag
(Burney, Weil), obschon unb^eiflich ist, wie sie damit dvgsv-
vfzoQag in Einvernehmen brachten , was sie freilich ohne be-
denken durch ivaewTftovg erklären, dia rov woßov tö dQanovrog.
Aber vielleicht hatten die alex. Scholien Svaew'toQag] dvaev-
vrr», tS dQaxovTog^ dia t6 (foßov Bf.iTcoulv, Endlich scheint
vn€gdidoi7i€ vom Corrector des Medic. aus den Scholien berge-
574 M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
stellt, aber in der Hdschr. nicht das ursprfingliche gewesen zu
sein. Bei dieser Beschaffenheit des Textes hat natürlich die Con-
struction den Scholiasten einige Schwierigkeiten gemacht. AB
interpungieren nach Xewv und ziehen tov ä^q^iteixfj i^etav zum
vorhergehenden Satze, doch ergänzt jener dia, während dieser
in den Worten eine Erweiterung von tafßog erblickt, wie es
die poet. Syntax allerdings gestatten dürfte. Und so konmit
denn B mit dem neuen Satze nur zurecht, indem er aus v7t£Q-
didoixe ein dedoiyM herausnimmt, und zwar didoiyux tmeq %6v
laovy als ob er lew vor Augen hätte. Aehnliche Wege haben
die neueren Philologen eingeschlagen.^ Mit Becht erkttrt Weil
die Construction , nach welcher tov a^ig)tt€ix^ Xstav Epexegese
zu zdgSog sein soll, für erlaubt, aber hart. Wenn er aber aus
v7t€Qdedotx€v ein zu df^Kpnetxv Xbwv gehöriges VTteqdedon^via
herausholt, so erscheint mir das nicht minder nngdenk. Die
einzig glatte Construction fordert vTteQdidoiTux und das im Schol. A
bezeugte Si für den Hauptsatz. Wer dies als Basis der Emen-
dation zugibt, räumt damit die Verschiebung der Worte d^-
xovra und vTtsQSiöoixa ein und hat keine weiteren Schwierig-
keiten zu überwinden, als ihnen ihren durch Sinn und Metrum
gesicherten Platz anzuweisen. Für vTtcQÖidoixa ergibt er sich
mit Nothwendigkeit hinter de, fttr ÖQaxovra hinter iUxmW, da
offenbar der Schreiber von AESiN auf AEXESiN (sie) abgeirrt
war. Also:
nnvTQOfiog neleucg.
Die rückständigen Verstöfse gegen das Metrum sind nun leicht
zu heben: vTteodldoix' ola tig {wOTteq Schol. OP p. 334, 21
vgl. Hesych. ola'üaTteq Soph. Tr. 104 ola Ttv' a^hov o(fHv)
und docfxoKTog dvaevvaxoiiog sc. ovcog. Mit Zugnmdlegung dieser
Emendation erklären sich alle Textesschäden, vor allem die Ba-
sur, auf welcher die dritte Hand ihr xl gemalt hat. Auch d^-
A A
Aovia övaevvaTOQa ist aus JPAKONTOCJYCEYNATOPOC
leicht erklärt. Man verstand den Genet. absol. nicht und setzte
dafür einen Accus, ein, der wie zov df4<piTeix^ ledv von rTtep-
didoiY.cL so von vTtBQdidoine abhängig sein sollte. Das a dagegen
entstand erst in byzantinischer Zeit und ist der Best einer Lesart
1
lexiwv a dvaevvriTBiqa^ a TcavTQO/iiog TteXsiag^ wie SchoL OP
zeigt, oder dvaevvdtog' ä jidvrQo^og Ttehidg. Die Worte sind
zu übersetzen: gewaltig aber fürchte ich das rings um die Mauern
lagernde Kriegsvolk, wie fär ihre Jungen im Neste, wenn ein
Drache als böser Nachbar der Lagerstatt sich einfand, die schreck-
hafte Taube. Den allmählichen Uebergang der alt^ii Tradition
M, Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 576
in den heutigen Text kann man sich leicht veranschaulichen.
Die Alexandriner werden abgetheilt haben:
tov dfiiptr^xv ^fov
tintvtov Uxni-
«w, SganovTos dvatwatoQO^,
Die erste fehlerhafte Fassung lautete:
tov dfAipiTiixv Uth
\^QttitovTOS S* c&V ttg
.. ^
vn€Qdi6oix' \old xi^ tinvmv
liX»^ ow dvaewdtoQoe
Ans ihr entstand unsere Lesart:
dqdxovta d Sg tig tixvtov
«* « 1}
vntQdiSoixi Uxiwf ij dva€wriTOQ€^ d ndv-
indem die Glosseme in den Text drangen und trotz der An-
deutung des zweiten Schreibers dgcncoyToa nicht an seinen eigent-
lidien Platz zurückkehrte.
V. 316.
xXavTov d* aQTiTQonoig tOfioSqontnf
Snfidttov arvyeQav o^ov.
Allem Anscheine nach haben die Schollen nichts anderes ge-
lesen, als diese genau nadi dem Med. abgedruckten Wone.
Zwar schwanken sie zwischen aifriToonoig (c&s sie merkwürdig
genug erklären) und ajgridfOTtoig^ alles andere aber, namentlich
auch dw^dzwv {oixT^udrwv Med.) und den Genetiv w^od(^7Vü)v
erkennen sie an. Die Erkenntnis des Schadens haben sie uns
obenein ersdiwert durch ihre auf den ersten Blick hin riditige
und sachgemälse Deutung der zwei ganz und gar nicht zusam-
mengehörigen Worte vo^lfiwv und nfoitdoot^ev^ so wie durch
ihren Irrthum, dass der Chor von Jungfirauenschftndung als
Kriegsrecht rede, während er doch erst sj^terhin der cux^dlu)-
rog evvi^ gedenkt, hier nur der Sclaverei. Von letztem Lrrthum
haben sich wenigstens nur die ^ältesten Schollen M. A. freige-
halten; jener: ralg di diafxßißovaaig zry zfjg vXxfxaXtoalag ooov
hrrai ddufva, dieser: ii^iov ^eydlov ^Xlotv-S-fiOv Toig MfcugTäig
VLffvi öffinofiivaig %rv not^^^evtav^ nqo tov iX^elv sig ÜQOtv
570 M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
yccfio V, alxiiiahüTiod^yai xat dovXag ßig ^ivrpß xcti^ctf dnel^uv.
Hier ist alles richtig bis auf die unterstrichenen Worte, ^ nur
muss man, was wol auch nicht im Sinne A.'s 1^, die a^e-
ÖQOfcot als vv^upai aQTidqoTtoi aQtiya^ioi, als junge Frauen fassen.
Für sie ist es ein herbes Loos, das kaum erblühte häusliche
Glück durch Wegführung in die Sclayerei zertreten zu sehen.
Diese Wegfuhrung gehört unter die vo/m/na des Krieges, aber
es ist ein io(.i6tqo7cov v6(.u(.iov ein grausames Becht des erbar-
mungslosen Siegers. Denn to^ioTqonwv ^ nicht wfiodaoTciov hat
der Dichter geschrieben, und das .z/., welches jetzt über oq-
TiTQOTtoig steht, ist nur die erste Hälfte der richtigen Nach-
besserung eines alten Schreibfehlers:
.^. .T.
APTiTPonoicsiMOJPonnN.
Ungezwungen verbindet sich nun OTvyeqav odov vo/ni/awv lo^io-
TQOTCtov diafiieiipai, xXavzov iari aqriÖQOTtoig, Den trostlosen
Pfad rohgesitteten Kriegsrechtes zu wandeln ist das thränen-
werthe Schicksal der Neuvermälten, d. h. das eigene liebe Heim-
wesen zu verlassen und dem erbarmungslosen Sieger nach Kriegs-
recht und Brauch als Sclavin in seine verhasste Heimat zu
folgen. Uebrig bleibt als zusammengehörig dw^iarcc«' TiaoTt'-
Qoi&ev. In temporaler Beziehung ist TtQOTraQoi&ev übeniaupt
selten und regiert wenigstens bei Homer in derselben keinen
Casus, sehr gewöhnlich dagegen ist die locale und hier die einzig
mögliche. Das ist das empfindliche für die afjftidqonoiy dass der
Weg in die Sclaverei vorüberführt entlang den Häuserreihen
der Vaterstadt, den Zeugen ihres jungen Eheglücks, dass sie
hei-ausgerissen werden an's Licht der Oeffentlichkeit im Zustande
tiefster Erniederung und Mishandlung. Richtig rec. schol. dtj/noaiif
axl^aog elxovtat. Folglich ist die richtige Wortstellung dia-
(tielil'ai 7TQ07TaQoc^€v, wodurch — und dies ist ein schlagender
Beweis für ihre Richtigkeit — diaf-ieiiliai genau die Stelle ein-
nimmt, welche in der Strophe nqüimfca hat, so wie auch oiy^qov
und ÄavTov respondieren. Man schreibe:
xknvtov cJ" (tQTidQoirot^
(ofdotQOTKüv vofÄ(fji(üv ^ittfi engtet TiQontx^oi&ev
Der einzige Irrthum des ^ Med. Schol. bestand darin , dass er
diauelxpai CTvyeQav öw/itaTwv odov verband: diadi^aa^ai ttv
OTeqrfliv iiov oUrjf.LCiTtov,
V. 350. 51.
xttX uriv ttvtt^ ocT* aviog Ol6(nov toxos
€ig UQxCxoXXov ayyiklov Xovov fia&etv.
anovSri ^h xal jovö^ ovx anaQxCCu noSti,
Der Schwierigkeiten, welche diese Stelle enthält, sind zwei:
1.^ der Mangel des Verbi in V. 350; 2. die Deutung der Worte
oxTA. anaßzilu. Die zweite hoffte 6. Hermann dadurdi zu heben,
M. Schmidt, Zar Kritik der Sieben gegen Theben. 677
dass er anaqyltu schrieb: „Eile las st denFufs nicht säumen/
Aber aTcaqyitßiv wäre ein ixna^ elgnfxivovyon verdächtiger Bildung.
Eur. Phon. 765 sagt akk el/n^ onwg av /<^ xaraQyojfiav xiqa,
Gleichwol war sein Vorschlag verständiger als der Weil'sche
il umaQTi^et noda. Denn das kann unmöglich dfrUokkov knayu
bedeuten, sondern ist rein chirurgischer Kunstausdruck 'für einen
Fufs gut einrenken.* Starke Bedenken erregt auch Dindorfs
tov avyxara^itet noda *die Eile lässt auch seinen Fufs zu
gleicher und richtiger Zeit eintreffen.* Auf die SchoUen ist hierbei
von keinem Exegeten Bücksicht genommen, vielleicht weil sie die
Schwierigkeiten entweder nicht heben, oder sogar vennehren. Nicht
hebt sie der Mediceus. Er hat das Lemma anoidij de xat rov^
und erkennt in seiner Deutung ij tötö de anovörj ovtvco tikog
iX^et akX* eTtelyercLi. t6 yccQ a7rwipria^«^i'0>' u. s.w. ersichtlich
ov'K anaqfcit/ßi an. Zur anderen Classe gehören A (PQ) mit der
wunderlichen Erklärung eoiy^e de xat 6 ayyekog (??) ex Ttjg
ayav immcivoinivr^g ajiovd^g /uti edqaofxivov exeiv tov eavrov
Tiodoy aXÜ ixKQ€/iirj tovtov (so r) hcKpiqeiv xat aazaTOv. Wie
kommt er auf ayyekog, was nicht wie ein Irrtham statt ^EreoTdtjg
aussieht, wie auf eoixe? Glaubte er etwa in den Worten seines
Textes den Sinn zu finden : Eteokles Eile scheint auch den Laul
des Boten noch zu beschleunigen, und las er elx^ anaQrttetv
ffir ovK aTtaQti^ei, indem er, verleitet durch Phrasen, wie algeiv
aefra^eiv ^lerecjQt^eiv ekacfqiteiv xovfplteiv Awxeveiv noda, das
Verbum anaqvlteiv mit dnaQrav verwechselte? Wir wollen es
dahin gestellt sein lassen, ob man berechtigt ist, im genauesten
Anschluss an Schol.^ A auf eine Fassung des Textes zu schliefsen,
wie anovdij de xovtog eix* dnaQriKeiv noda *®), das Recht aber
haben wir jedenfalls, das störende ävx der mediceischen Schollen
und seines Textes nach Anleitung des ebenfalls sehr alten A
zu bezweifeln. Denn dass Q sagt: xal tov de: aal rovxov {xov
ayyekov) v anndh ovn anaqftitet ymI edga^et xal iartjOi tov
oixeiov noda dkk ixuqe^irj u. s. w. ist kein Grund dagegen, da
dieser Scholiast offenbar unsern Text auf verkehrte Weise mit
Schol. A in Einvernehmen zu setzen suchte, statt, wie sichjs
gebührte, zu umschreiben : ojiovdrj ovx edga^ei, xal Varr^ai tov
olxelov noda, akk^ dnaQTi^et aal {aal in diesen Schollen steht
für m^ow) ixxQefirj xrA. Ganz ohne Gewinn ist diese Erörterung
nicht für uns. Denn mögen auch Schol. APQ in ihrer Erklä-
rung von dnaQTil^eiv fehlgreifen, so ist es doch schon viel werth,
dass wir ovx losgeworden sind und nun dnagfvll^eiv noda ganz
einfach den Phrasen dvveiv und TekeXv {odov) anreihen können.
Zwar glaube ich nicht, dass dna^i^eiv noda so ohne weiteres
ohne Angabe des Wegziels und Zwecks stehen könne, allein
'•) üeber *?x' Pierson. Moer. j. 148, Brunck Ar. Nubb. 185, Eccl. 1161,
Avv. 1298, Eur. Bacch. 1284. Doch scheint die Form nur in der
JBedeutuDg 'ähnlich sem* fOx iixivM, iixm.os und jfxi} zu gelten.
578 M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
d£VQ^ dnaQTil^ei noda halte ich für eine ganz correcte Aus-
drucksweise und kehre unbedenklich zu der Exegese des medi-
ceischen Scholiasten anaofuit^etv ^s^ xihog ^ni^eivai zurfick. Er-
wäge ich dabei, dass uns A auf den Infinitiv f&hrt, so will mir
üTtovdrj de aal rtp SevQ* aTta^tCßtv rtoda kein fibler Herstel-
lungsversuch bedünken. Will man dabei sich vom Med. möglichst
aTtaftl^ßiv Ttoda gewesen zu sein ").
Wenn unser ürtheil über diesen Vers richtig ist, ist audi der
vorhergehende entschieden der Correctur bedfintig, da der Mangel
eines Verbi darin unerträglich ist Person freilich vermisste
keines, weil er eig aQrUollov durch opportune adest fibersetzte,
aber das ist ein ex^etisches Mittel, auf dessen Anwendung so-
bald niemand verfallen würde, auch darf man bedachtsamier-
weise äoriTioXkov nicht von iA^ov trennen. Sehr ein&ch scheint
Dindorf s Mittel fiod^eiv in Ttaqa zu verwandeln, doch hat er
diese Yermuthung mit Becht selbst zurückgenommen, da ihm,
wie Weil, die Emendation cig far elg leichter schien. Ich glaube
aber es kann noch leichter und geschmackvoller geholfen werden.
Ich erklicke in der alten Semasie:
ECAPTIKOAAONArrEAOAOrOMMABEN
zunächst :
EC APTIKOAASIN ArFEAON AOrilN MABHN
im ayyihav aber ein Glossem, sei es zu a^txoiUaiv Xoyunfj sei
es zu dem folgenden rov (vgl. Schol. Q), wodurch der Verbal-
begriff verdrängt worden ist. War derselbe durch ayxißl(og (s.
Hes. EM. ä^i Ttaqwv) ausgedrückt, so erklärt sich der Vorgang
sogar höchst ungezwungen, ^och würde auch nQo<n(^%u (Ar.
Thesm. 572) oder avvdqofxog eine sachgemäfse, vielleicht noch
zutreffendere Ergänzung sein. So schreibe ich denn:
xal uTiv ava^ 0(f' avTog 016 (nov toxog
€is aQTMoXltov ayyißlfog Xoytav fxad^.
anovori Sk xal r^, S^vq* anaQTlCHV n66a.
V. 362:
vn^ ttan(6og <f* tato.
Der Med. eVci, 6i r^ Vulg. 6" kaw Blomfield, Bitschi ,^ Här-
tung, de not Dindorf, di nov Weil. Das rechte wird sein i^ Xaov.
Eben solchen Schrecken wie Tydeus' übriges martialisches Auf-
treten flöfst sein Schild ein. — V. 375 pflichte ich Weil bei
Möglich sind auch natürlich andere Ergänzungen, wie atu TOQav
oder oQ{ai7tovv nkvei).
»') Da SnOAEAEKAITOAEOKAnAPTIZEnOAA auch in anov^n
Sk xal tov6^ tjx an. anfgelM werden könnte, eiinneie loh aos-
drücUich darto, dass cSxcc bei den Tragikern nicht voikonmii
Jf. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 579
V. 379 = 402.
Hat W. Dindorf gewiss recht ^ avoia tivi als unechte
LttckenfÄllung zu betrachten. Er schlagt Philol. XXI, S. 207
olot nelaerai dafür vor. Ich halte seinen früheren Vorschlag für
passender, da er den Gedanken „mit Gottes Hilfe", den man
hier erwartet, bietet, möchte mich aber unter den Phrasen, welche
diesen Gedanken ausdrücken, wie iv rvxjn rm, om avev ^bwv
Tivog u. a., ffir das auch Eur. Suppl. 157, Liban. II, p. 180, 16
gebrauchte evvoitf &€wv entscheiden. Vgl. liq^i^idog Bvvoiaiai
cvv t' aXkoiq &€öig. Tivl entstand vielleicht aus einem durch
Ttitfoi verdrängten nirvoi.
V. 416 = 440:
KanwwivQ d' aneiUi Sqav nagiax^imafiivog.
Vielmehr TtaQeanevaa^ivovg &€(wg onitjUDV. Vgl. Ar. Kan. 784,
Eur. Heracl. 691.
V. 404 = 428:
Mq^v nidoi axi^y/aaav ifjmodtHv ax^^ilv.
Die Kritiker bemerken mit Becht, dass in dieser dem Liban.
Narrat vol. IV, p. 1100, 1 ff. vorschwebenden Stelle, weder otv
fehlen kOnne, noch das Pronomen reflei. zu entbehren sei. Darum
verlangte Meineke ovdi raV, Heimsöth und Weil ovdi viv. Beide
Bequisite kommen zu Recht, wenn wir lesen:
(prial x^s Off ovS* i} Ji>6g
Vgl. V. 444 (= 469) und 603 (= 617). Doch halte ich sehr
wohl far möglich, dass q>rjalv wg c. inf. construiert war:
X&g 0(p* ovd* av Jiog
Hqiv nidot axr^xpaattv IfinoStov axid-eiv.
V. 487 = 501:
nomrov fikv ^Oyxa Tlalldg fjt* dy^^TitoUg
nvXmai yiCttov av^Qog Ix^'^^Q^^^* vflQiv
Anscheinend ist ydxov^ eine sehr leichte Correctur Ritschrs
und Dindorf 's; doch ist das Bedenken Weil's (der (jiaqyov vor-
schlägt) dagegen begründet. Vermuthlich hatte der Dicnter die
Wahl zwischen zwei Beweggründen der Göttin offen gelassen
und dieselben durch JB/T* — EIT' OYN auseinander gehalten :
€?t' ow avÖQog u. s. w.
V. 494 ff.
In den Hds. herrscht hier grofse Verwirrung in der Auf-
einanderfolge der Verse. Mir scheint sie sogar noch früher zu
beginnen, als^man gemeinhin annimmt. Der Mediceus ordnet
von 500 ab : x<W7tw — Toiade — Ttfog rwv — el Zeig — ^YrveQßiiii
-—eiwg yfi nfä^u^ <8ic) — tnotvQ — mit den ZaUzeichen ßyad
680 M, SchmidJt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
als einer die letzten vier Verse betreffenden Bandbemerkong.
Andere Handschriften waren ehog de Ttga^eiv — ei Zeig —
^YneQßiif} — acDTtiq — . Nun kann zwar kein Zweifel sein, dass
dem Anschein nach Y.ov7t(a — und euog ye die beiden Verse
sind, welche den ihnen gebührenden Platz verlassen haben, allein
wo gehören sie hin ? Man könnte meinen, die Entscheidung über
V. €£xoe falle nicht allzuschwer. Denn ordne man ^YTie^ßiif —
ehog ye — und verwandle ye in t^, so ergebe sich ein ^anz
annehmbarer Sinn: Wir aber halten es mit den Siegern, jeae
mit den Besiegten, wenn anders doch Zeus mächtiger ist als
Typho und es natürlich ist, dass auch die gegenüberstehenden
Helden mit gleichem Glücke kämpfen werden {TuxvÖQag Heim-
söth). Zur Unterstützung dieser Anordnung könnte vorgebracht
werden, dass die Erklärung dieser Verse in OPQ 385, 7 in der
That keine andere Beihenfolge derselben voraussetzt Trotzdem
glaube ich, dass diesem verlockenden Scheine nicht so unbe-
dingt nachzugehen, sondern die von Med. überlieferte Lesart
ye und die am Bande desselben hergestellte Ordnung der Verse,
wenn auch nicht die richtige, so doch keine geradezu verwerf-
liche ist — allerdings unter der Voraussetzung eines Versans-
falles. Die Schollen OPQ fassen nämlich, indem sie TtQog — «i ~
eixog — 'Y7teQßi(i^ — awrrjQ — ordnen, eiTcbg de Ttga^eiv (sie)
als Parenthese und verstehen, indem sie cjöe = dg 6 TtMftaevg
fassen, unter avdgag amataTag nicht Hippomedon und Hyperbios,
sondern alle Widersacher des Zeus, die wie Hippomeaon, den
Gott durch ihren Trotz herausfordern. Diese Erklärung ist natür-
lich falsch, beruht aber doch auf dem riditigen Gemhle, dass
die Worte, wie sie jetzt dastehen, nicht wohl bedeuten können,
was sie allerdings bedeuten sollen : hominum eandem quam deorum
fortunam fiituram,^d. h. es ist wahrscheinlidi, dass das Kriegs-
glück der beiden avTiozarai dasselbe sein werde, wie das ihrer
SchirmheiTn Zeus und Typhon. Aber xal, was Heimsöth ein-
schiebt,^ steht eben nicht da, und selbst, wenn es da stünde,
würde (ode immer noch nicht i^ laov TÖig nqoinacaig airsCiv
d'eolg bedeuten. Der Satz ist aber nicht sowol im Ausdruck
prägnant und knapp gehalten, als vielmehr unvollkommen und
verstümmelt. Uebersetzen wir wortgetreu: „Es ist wenigstens
wahrscheinlich, dass die avTiaTotTai mit solchem Glücke kämpfen
werden"^, so fühlt jeder heraus, dass nach cjöe hier ein wove
oder (og zu folgen hatte, um den vermuthlichen Aus^g ihres
Kampfes zu bezeichnen. Wie die Lücke zu fallen ist, davon
später. Die zweite Frage ist, wo yiovTtco zig hingehöre. Bitschl
belässt ihn an seiner Stelle hinter q)leyu)v und streicht alles
übrige aufser TtQog tcjv hqclthvküv d ' ia\xev^ o\ d* ^acwf^evwvy
dafern auch diese ^f^aig nur aus 15 Versen bestehe. Ich will
mich auf eine Polemik gegen diese Athetese hier nicht einlassen,
bemerke aber so viel, dass ihre Bichtigkeit vorausgesetzt, die
Ordnung der Verse sein ;uüsste : azadalog — ftnag %m — xot^n» ^
M, Schmiäi, Zar Kritik der Sieben gegen Theben. 581
. (richtiger inei, rig elde). Denn der Gedankengang müsste doch
wol sein: *ein glücklicher Zufall stellte gerade die beiden Recken
einander gegenüber, welche Typhon und Zeus als ihre Schild-
zeichen wäiuten. Das Symbol des Sieges aber ist auf unserer
Seite. Denn den Zeus sah doch gewiss noch jeder als Sieger/
Weil hat den Vers xovtto) nach 502 fjdxij eingesetzt: auch dies
ist ein unglücklicher Gedanke, obwol sich xcXiTta) so besser ein-
fügt, als bei Ritschi. Denn einer von beiden Versen ist ent-
schieden ganz überflüssig, und ohne Frage der letzte. Es gibt
für den Vers überhaupt keinen Platz in der ganzen Rhesis.
Denn auch awrffayov und ix^Qog hängen so eng zusammen,
dass es kaum möglich scheint, mit: ^Eg^fg d' evloycog owr^a-
y&f rxfonto xig «We Zriva nov vi-Ktjf^evov gleichsam ein zwei-
theiliges Thema anzuschlagen, welches in den folgenden Versen
ausgesponnen würde. Kann ich demnach in dem V. nur einen
Eindringling erblicken (und ein Gemeinplatz ist es doch), so
muss ich d^^en seinen Nachbar roiaöe — trotz des a/ra^ d-
ffril^ivov nK>V0IAElAj was nur noch aus LXX nachweisbar,
aber richtig von 7rQoaq>drjg gebildet ist, in Schutz nehmen;
schreibe aW weder f4ivT0i, noch fih rig, sondern fi*V roig.
'So steht's um den Schutz der Dämonen, welchen sich diese
(Kämpfer) erkoren haben.' Mit Bezug auf JAIMONSIN steht
im folgenden Verse der doppelte Plural. Kehren wir nunmehr
zu V. 504 zurück. Wir behaupteten oben, dass nach ihm ein
Vers ausgefallen sei und glauben in der glücklichen Lage zu
sein, denselben restituieren zu können. V. 530 heifst es nämlich
von Parthenopäus, sein Schildzeichen sei die Sphinx gewesen,
welche q>iqat v(p* avrfj wwra Kaöndwv Vva wg TiXeiax In
avd^ T(pd lajiread^ai ßArj. Weil bemerkt dazu: 'Haec valde
claudicant' und neigt zu Heimsöth's Schreibung iva — laTTTti-
Tcci. Doch begreife ich den Sinn auch dieser Worte nicht. Oder
könnten wirldich unter ßilr], wie die Schollen (auch A) statuie-
ren, die owxeg die Krallen der Sphinx verstanden werden?
könnten die Worte wirklich übersetzt werden: *sie scheint ihre
Krallen vielmals in den daliegenden Thebaner zu schlagen, so
dass er ganz zerfleischt aussieht?' Ich denke, der Vers hat hier
^nz und gar nichts zu thun, sondern ist aus unserer Rhesis
m die folgende verschlagen. Zeus ist auf dem Schilde des Hy-
perbios mit dem Donnerkeil in der Hand abgebildet {ßilog).
Diese ßiXri (Blitze) hoflFt Eteokles werden das Verderben des
Hippomedon und seines Tvphon sein. Also: ei-Kog^ye Ttga^eiv
avÖQag (od^ iwiatatag^ (og nXeiav^ in' avdQi T<pd lanxEO&ai
ßiXtj. Die weitere Construction ist abhängig von der Syntaxis
der letzten zwei Verse 505, 6. Dass dieselben jedoch nicht den
Hauptsatz zu einem Conditionalsatz bildeten, sondern eine för
sich bestehende Periode sind, ist 1. daraus ersichtlich, dass wir
kurz vorher nirgend einem yaQ begegnen; 2. dass aus Scbol.
OPQ TTttvrwg {xat om. 0) sich die Lesart ^Yne^ßlifi toi nicht
58S M. Schmidi, Zar Kritik der Sieben gegen Theben.
T€ ergibt; 3. aus der rhetorischen Symmetrie der ganzen Rhesis
332, 552, wonach alles von Toiade bis V. 505 zusammengehört.
Wir haben also zu übersetzen: ^Solche Freunde sind es, weldie
sich die beiden Gegner aus der Zahl der Götter erkoren haben.
So nach stehen wir auf Seite der Sieger, jene der ünt^l^nen.
Wenigstens ist wahrscheinlich, dass der Kampf zwischen den
beiden Gegnern dergestalt ausfallen werde, dass auf diesen Mann
(Hippomedon) Geschosse die Menge geschleudert werden. Jeden-
falls dürfte Zeus dem Hyperbios, aer ihn zum Schildzeidien
wählte, schirmend beistehen.' Oder^evotTo, als Wunsch: mödite
beistehen! Müfsig, oder darauf berechnet, einem schwachen Be-
griffsvermögen zu Hilfe zu kommen, ist hier nichts. Denn uxog
ye XL s. w. restringieren zugleich das Uebermals des in Ttfog
züv xQaTovvTtav ia^ev sich kundgebenden Vertrauens dahin, dass
wenigstens am onkäischen Thore den Thebanem der Sieg durch
die Hilfe, welche Zeus dem Hyperbios gewähren werde, gewähr-
leistet scheine. Also haltbar wäre, wie oben gesajgt ist, die
Stellung der Verse nach dem Mediceus. Aber sie ist holprig.
Glätte und Fluss kommt hinein, wenn wir ordnen:
Touide fikv tolg n^otSifCUut Saifiovatv;
nqog T(ov xQtxTovvTon/ «f* icfikv ot <f* i^aatofiivutv,
il Zevg yi Tv(fti xaQjiqtaTeoog fia^rff
iixos ti nQtt^HV ä^i ifmt* avruxtctta
^YneQßifp TOI TtQos loyov tov ai^fiarog
aairi}^ yivotto Zeig in' danCdog rv^tov.
Mit 'YneQßlip tritt der Bhetorik zu Liebe Constructionswechsel
ein, statt ^Yn€Qßi(it de ysvia^on Zrva auntjQa.
V. 540:
ianv Sk xal t^J* ov liyiig tov lAqxaia
ttv^Q axofinos, /€^ (f * 6q^ x6 ^^aifiov,
'!A3ct(oq doeXifog tov nuQog XsXeyfjiivov.
Die Charakterzeichnung ist ähnlich, wie die anderer thebanischer
Helden, deren einer %6f47vov h xe^oly Mxvav heilst, ein anderer
q>ilel aiy^v. An d' oqS hat man viel herumgebessert, doch
färchte ich, dass durch die mediceischen Schollen und A über-
dies eine Lücke indiciert ist. Jener umschreibt: aXko av6h r
aiwnav fiiv olöev rij öi x^^Q^ noke^elv, dieser akko aviip cl-
dev ovTog rj aiianav rn de x^^Q^ Trokefielv. Daraus erräih man
unschwer, dass beide 'im Texte eine Phrase fanden, wie ovdir
alko nlrp^ (Soph. Ai. Dawes Mise. p. 326, Ar. Ach. 376 c.
not. Mülleri), oidev aUo y' r^ (vgl. Pers. 209), owl«y aU' r
(Ar. Lysistr. 427) und ihr aitonav mit eldivcLi verbunden war^
wie bei Euseb. ap. Stob. I, p. 45 ed. Lips. uäeirpf aiym. Das
ddev des Scholiasten könnte freilich auch seinen ^ürsprmi^ dnem
Misverständnis verdanken, wie Ar. Av. 19 toi d' am aq ^tnrp^
avdev aHo ^Xijv daxveiv die von Cobet Phrem. VII, p. 276
corri^erte Art ^W^, lies ^ti^, und Amphid. Diog. L. IQ, 28
iig ovdev olad'a nkrv axv&iiamciuv fiovWf lies ^'^, allein
M. Schmidt, Zar Kritik der Sieben gegen Theben. 58S
das ist doch an wahrscheinlich, da dvm in dieser Verbindung
wol nur der Komoedie gehört. Eine sichere Ergänzung ist natür-
lich unmöglich, doch dürften die Worte:
KV^q ttxofxnogf [^ — ] ovdkv älXo y* rj
^AxTOfQ xrl,
der ursprünglichen Fassung ziemlich nahe kommen. Der Anfang
könnte lax(av oder xoi^eig avtjQ axofiTtog gelautet haben.
Ausfall zweier Halbverse scheint auch V. 669 stattgefunden
zu haben. ^Es genügt, sagt der Chor, wenn sich Argiver und
Eadmeer im Handgemenge morden. Wer fremdes Blut vergofs,
kann gesühnt werden. Wenn sich aber Brüder morden, so ist
dies ein Gr&uel, den die Zeit nicht tilgt, der ninmaer altert.'
Das ist ganz verständlich, aber die Worte:
dvS^oTv <f' ofiatfjioiv S-avarog eScf* ttvToxTovogf
ovx tati yrJQag rov^e tov fAutaficiJog
weisen eine Syntaxis auf, die man unmöglich gut heifsen kann.
Wie sollte Aeschylus unnützer Weise oi yr/Kxa^u so umschrie-
ben haben, dass der Nominativ ^avarog plötzlich als Genetiv
zu fassen wäre. Die Schollen A und Medic. saugen: orav adehpoi
ovroüTOveg (sie) yivu)wai xai ovrcog avTwv 6 d^dvazog
yivfjTai. Für mich enthält diese Interpretation den Hinweis
auf ein ausgefallenes otav yivr(tai^ also auf einen ausgefallenen
Vers. Derselbe mag versuchsweise so ergänzt werden:
ttvSQOiv (T* ofXtttfAOirV [dia fidyrig ßeflrixoTOiV
evT* av yivriTiti] Otivarog 26 ccvroxiovog,
Ueber dia fiaxrjg ß> Nauck. Eurip. Stud. II, p. 38. Ich glaube
nicht, dass man die Ansprüche an rhetorische Symmetrie so
weit treiben werde, für Satz und Gegensatz je zwei Verse zu
fordern. Wer das gleichwol thut, könnte eWe in dlde verändern,
müsste jedoch bedenken, dass eirrt nicht wie ein schwer ver-
derbtes Wort aussieht und da^ es auch Soph. OC. 954 heifst:
Qvfiov yoQ ovdiv y^g icTiv allo Ttli/v d'avelv. Es würde also
offenbar ohne gewaltsamere Heilmittel nicht abgehen. Denn auch
dv^Qoiv (T* ofiaCfiotv x^Q^^'^ ^^^ avroxzovoig
ovx £?fft yrJQag
ist keine leichte Aenderung, obschon sich für ihre Rechtferti-
gung das vorausgehende elg x^'^Q^^Q i^^iv und V. 797, 8:
A. av^Qtg t€&väaiv ix X^Q^ avtoxjovtov,
X. ovtfog ofiaifioig jjff^trly rjva^Qovr ' uyav;
verwenden lielse. Sonach ist meiner Meinung nach Ergänzung
eines Verses das sicherste Mittel. Zu yivrfuai ^avarog vgl. Suppl.
V. 562:
xal tdv aov av&ig nqoOfAoqav ddiltpiov.
Letztes Wort ist natürlich Glossem, und zwar höchst wahr-
scheinlich zu ofioanonov. Da der Sinn zu verlangen scheint,
584 M. Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben.
dass der Kretikus durch ein Wort, wie nQoaßUTrtav oder hoi-
doQuiv ausgefüllt werde, dürfte es nicht unpassend sein, an nQov-
aehiov zu denken, was in den Handschriften an den wenigen
Stellen, wo es überhaupt vorkommt, durch Tttjoaeldv vertreten
wird. — V. 544 ist x^tjqoq richtig von Weil als Glossem zu
dayiovg erkannt und dafür Täxog eingesetzt. Möglich wäre auch
TTVQyov, oder etwa ^acQov?
V. 613 verlangt das Metrum
S^ >m^ f S^ >^ >m^ — KJ —"
Dagegen gibt unser Text: fjineveQas releid-* dg noXig evrvxf^.
Aber fmeriqag ist offenbar Glossem zu XiTotg oder zu nolig,
wie aus Schol. OP erhellt: Xirag ^fiercgag und kurz darauf
nochmals : f x rTjg rnxeriQag Ttolewg Tqinovxeg ra ano %ov noli-
^lov. Das Scholion aber ist alt und trägt ganz das Gepräge
von A. Dies vorausgesetzt, bleibt:
TikeTd-* <ag s^ — s^ s^ >^ cuTv^j
SO ZU ergänzen, dass dazu sowol rfxereqag jtoXewg Glossem sein
konnte, als auch nohg als Lesart des Textes sich genügend
erklären lässt. Dies wird leicht erreicht durch:
Vgl. Soph. Ant. 163 avdqeg, za fiiv dij Ttoleog acq>ahig
&€ol [wQd'(oaav. Der Chor fasst sein Gebet absichtlich so unbe-
stimmt, weil er dem fronmien weisen Amphiareus nichts Böses
anwünschen mag. Die folgenden Worte:
öo^tnovtt xdx* IxTQinov-
(fg
Tfg yag inifxolovg,
wofür andere Hds. yag Tiqbg inifiolovg schreiben, scheinen:
— Tfg (og i/ri/nolovg
gelautet zu haben. Zu log waren dg und Ttfog gleich ange-
brachte Glosseme.
Y. 674.
t( fjiifji(yi>ttgy rixvov;
Gegenstrophe witiodaKi^ o^ ayav. Also ist zu lesen nij fnifiovag
rinvov; nach dem homerischen Ttij ^i^atov. * Wohin strebst du?
Kind.' Dass sich von diesem IIH in der alten Variante /lijU)^
vag eine Spur erhalten haben sollte, möchte ich nicht behaup-
ten. Sehr schwierig sind die voraufgehenden Verse 671—73.
Obgleich nicht im Stande sie sicher zu corrigieren, will ich
wenigstens ihren Inhalt herstellen. Es kann kein anderer sein,
als der von Dindorf zu Grunde gelegte, wenn er mit Verwerfung
eines Verses der Antwort des Eteokles die Fassunj? gibt: daivov
(.ih ioTiv akk oinwg ex^i nkiog. xakciv de mjtox(jiiv cXniy*
evTdeiav igeig. Die Keduction der Verszahl auf zwei ist offenbar
falsch, da bis V. 700 Eteokles durchweg seine Antworten in
drei Verse fesst, aber der Sinn ist allermngs: *Wenn jemand
M, Schmidt, Zur Kritik der Sieben gegen Theben. 585
Unheil erdulden muss, so treffe ihn wenigstens kein Schimpf
dabei. Denn wer ehrenvoll untergeht, hat doch den guten Na-
men gerettet. Verbindet sich aber der Schimpf mit dem Un-
heil, kann von ^xleia keine Rede mehr sein.' Da nun der
Med. Scholiast den ersten Vers umschreibt ei olcog ng aTvxei
TMiXop To äixcc alaxvvtjQ^ wird nichts darin zu ändern sein,
höchstens dass alaxvvtig y ' ctreg wahrscheinlich dünkt. Im fol-
genden scheinen die alten Schollen allerdings itiovop yccQ xegäog
fv zu schützen, so dass Weil nicht weiter zu gehen gewagt hat,
als h, Tov ftr lano und iv für JV zu schreiben. Aber A scheint
etwas ganz anderes gelesen zu haben, wenn er sagt: 6 yaq //?
vwTa didovg zöig ix^Qoig heivog, (prjfiUy tov d^avazov eTTidex^cci
hvi/inog xal evxXsaig xai aei iitaiveiTat ym lAaycaQiCevat. Er
muss statt yjQÖog ein xvdog gefunden haben, und für h, wie schon
Bücheier vermuthet hat Bhein. Mus. XV, p. 298, er. Mit gi-öfserer
Sicherheit liefse sich corrigieren, wenn wir über die Bedeutung
von xcfxoy <p^Qoi rig ganz in's Klare kommen könnten. Denn
Tig kann der Leidende, aber auch der Beleidigende sein, mithin
TiOTiov q>€Q£iv Uuglück dulden, aber auch jemandem Uebles zu-
fügen bedeuten. Die Schollen haben sich für aivx^lv entschie-
den; ich würde die zweite Bedeutung vorziehen und ungeföhr
folgendes als die Worte des Dichters betrachten:
Oder:
*Efxol xttxöv (f^Qot^ tig aiaxi^'tjg y* «Vf(>,
ftn€Q. fiovi^ yag xvdog ei Ti^rjxoTi,
Xttxdiv d^ xi}axQviv ovTiv* svxlstav fQfTg.
tiniQy xuxitv (f^QOi. m afaxvvfig y* ceriQ.
aeawauh'ov yng xv^og (v Tf &vrjx6ai, u. s. w.
Prometheus.
V. 12:
K{MToc lila Tf, an^iv filv hToli] Jioc
?/€!' j(Xoc ^fj.
Der Gegensatz oiff^v und iyw lehrt, dass cry^j^j' nicht richtig
sein kann, sondern von einer Präposition abhängig zu machen
ist. Dies kann nur ex gewesen sein. Von Euch her, d. h. so
weit Euere Unterstützung dabei in Anspruch genommen wurde,
steht der Vollziehung von Zeus' Auftrag nichts mehr im Wege,
mir fehlt's nur noch an der Tok^t] u. s. w.
V. 15:
Im Medic. steht tiJL mit überschriebenem tvqoc. Daraus möchte
ipan schliefsen, dass (pagayyi r^ide dvaxififp zu schreiben sei.
Zu dv<Jxi(Aog finden wir allerwegen dvaxei^^Qoc als Glossem.
S. Pers. 565. Eur. Bacch. 15. Sept. 504.
V. 41 :
oiov Tf ndic ov jovTO SufiaiviiC nliov.
Die ersten Worte scheinen ein Glossem zu sein, für aq ' tad^ ojum.
Jena. M. Schmidt.
2«tttclirift L d. ötterr. Qymn. 186S. VlII. H«ft. 40
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
Vollständiges Wörterbuch zu den Gedichten des Q. Horatius
J<1 accus. Mit besonderer Berücksichtigung der schwierigen Stellen
für den Schul- und PriTatgebrauch, von Dr. G, A. Koch. HannoTer,
Hahn, 1863. - 1 Thlr.
Wenn sich der Hr. Verf. ini Beginn seiner Vorrede die Mühe nimmt,
den Nutzen eines Specialwörterbuches für Horaz zu beweisen, so ist es
charakteristisch, dass er hauptsachlich bei dem Gesichtspunct verweilt, dass
er auch eine Vorarbeit für einen Thesaurus linguae latinae liefere, den
Schulzweck aber rasch abthut. Man mag dem Hrn. Verf. zugeben, dass der
Schüler ein Buch, das ihm besonders über die mancherlei realen Schwierig-
keiten fast immer entsprechenden Aufschluss gibt, nicht ungeme gebranchen
wird: aber ruht hierin zumeist die Schwierigkeit der Horazlectüre? Sind
es denn nicht vielmehr Inhalt, Zweck, Beziehungen, Abfassungszeit der
Gedichte als ganzen, auf die in vielen Fällen für die Erklärung das aller-
meiste ankommt? Und gerade diese Art von Erklärung musste von dem
Buche, soweit sich nicht dieses und jenes an einen Namen anknüpfen lassen
konnte, ferne bleiben. Darum werden wol kaum die Schüler neben dem-
selben einen Commentar entbehren wollen. Ob für den wissenschaftlichen
Gebrauch ein solches Buch, das trotz unverkennbarer Sorgfalt noch nicht
vollständig ist, viel Bedeutung gewinnen wird, ist zu bezweifeln. Hiefür
ist vorläufig für die Oden und Epoden durch den Vocabelindex der Eel-
ler'schen Ausgabe vollständig gesorgt, dem sich ho£fentlich im zweiten
Bande ein für die Satiren und Briefe gearbeiteter anschliefsen wird. Be-
rücksichtigt sind so ziemlich alle neueren Ausgaben, ohne dass man jedoch
ganz sicher erkennt, welcher der Herausgeber am meisten folgt, ausserdem
eine ziemliche Zahl der neuesten in Programmen und Zeitschriften zer-
streuten Horatiana ausgebeutet. Zu bedauern ist es, dass das Buch kurz
vor der Keller*schen Ausgabe der Oden erschienen ist, die Feststellung der
Ueberlieferung und die fast ängstliche Bückkehr zur selben wären auch
diesem Buche zu Gute gekommen.
Nun einige Kleinigkeiten, die uns aufgestofsen sind. Dafür, dass
auch dieses Buch noch lange nicht vollständig ist, vgl. man nnter anderen
aeuum, wo für die Bedeutung 'Lebensalter* Od. 2, 2, 5. 3, 11, 5 fehlen,
Koch, Wörterbuch sm Horatius, attg. v. X. Vielhaber. 587
omnii, wo neben omne pecus Ep. 1, 5, 2 oinne oius tehlt, postmodo, wo zu
dem einzig angeführten S. 2, 6, 27 noch 0. 1, 28, 31 zu stellen war,
primuSy wo 0. 4, 14, 31. S. 2, 8, 45 fehlen, qualis, wo der Hr. Verf. selbst
durch ein *u. ö/ angibt, dass er vollständige Angaben nicht beabsicht,
was freilich nicht recht mit der Vorrede S. VI. stimmt. Unter infwrresco
ist die 0. 1, 23, 5 f. von Bentley, Meinecke, Pauly, Linker und selbst von
Keller befolgte Leseart erwähnt, bei aduentiis nicht, ja uepris, das die
Genannten an Stellen von ueris setzen, fehlt ganz. Unter diens ist zu sehr
das ursprüngliche Verhältnis hervorgehoben ; unter doctus ist zu erwähnen,
dass Uoraz es nicht selten vom Dichter gebraucht, s. Obbarius zu Od. 3,
8, 5. Unter fahula ist die bekannte absurde, dem Oedankenzusammenhang
schnurstraks widei-sprechende Erklärung des alten Verderbnisses (s. Keller)
fabvXaeque numea 0. 1, 4, 16 ganz ohne Hinweisung auf das bedenkliche
der Worte hingestellt. — Graitis, Ein Gebrauchsunterschied zwischen
Grotus und Graecus konnte nach Dillenburger zu 0. 2, 4, 12 genauer
gegeben werden. Eben so ist der Gebrauch von kmare und lauere (nicht
blo& im Infin.) fest bestimmt, s. Dillenburger zu 0. 2, 3, 18. Unter plenus
fehlt die Verbindung ad pleimin 0. 1, 17, 15. — Ulcerosus 0. 1, 25, 15
ist nicht genau erklärt, s. Nauck zu der Stelle. — Ut. Seitdem Wunder
ut (dass) aus dem lU (wie) abzuleiten versucht hat, ist mehrfach die Schwie-
rigkeit, die ut an manchen Stellen bietet, durch die Auffassung als adverbium
interrogatiuum zu heben versucht worden. So auch im vorliegenden Buche
furS.2, 1, 50. Das richtige ist aus Meiring Lat. Graimn. §. 790—792 zu
entnehmen. Nicht fehlen sollte %U = seit 0. 4, 3, 41 (vgl. Nipperdey zu
Tac. A. 14, 53). — Depello. Für 0. 4, 4, 13 f. wird die übliche Erklärung,
wonach nuxtris ah ubere iam lade deptUsum zusammengehören soll, ange-
führt, ohne dass die jedenfalls bessere, die Nauck gibt, auch nur erwähnt
wird. Es sei mir erlaubt in möglichste Kürze meine Auffassung der Stelle
zu geben. Die Strophe lautet:
Qualemue laetü caprea pascuis
Intenta ftütiae »untris ab ubere
Iam lacte depulsum leoneni
Deute nouo perUura uideU
Da in den vorigen zwei Strophen immer die zwei ersten und zwei letzten
Verse eng zusammengehören, erwartet man von vorne herein, dass auch in
dieser mtxtris ab ubere zum Subject gehört {caprea) nicht zum Object
Uonem. Aehnliches will Nauck, nur hat er ab, das er, wenn ich ihn recht
verstehe, 'entfernt von* fasst, nicht richtig verstanden. In Erinnerung an
den bekannten Gebrauch von ab = 'von — aus*, 'auf Seite* verbinde ich
mairis ab ubere zunächst mit dem Subject caprea nach Analogie von Stellen
wie Liv. 37, 44, 4 und Tac. A. 2, 47 Magnetes a Sipylo, Diese CJonstruc-
tion ist hier um so leichter, als das Zeitwort uidü auf das Setzen dieser
Präposition eingewirkt hat und mittelbar dieselbe auch aufs Verbum zu
beziehen ist, gerade so wie in dem bekannten nXX ovjoi t6v yi^ 'At^a
nuyxoCvov kifivag 7r«T/(>* dvaiuaiis. Also das an dem Euter der Mutter be-
findliche Reh sieht von da aus den jungen Löwen. Hiermit ist aber durch-
aas nicht nothwendig verbunden, dass das junge Beh auch saugt, sondern
40*
688 Koch, Wörterbuch zn Vergiliuß, ang. v. L, Vielhaher.
nur gesagt, dass es an die Mutter sich anschmiegt, unter ihrer Hat das
saftige Gras der Wiese weidet = intenta laetis pasouis. Wir haben also
den jungen Löwen gegenüber einem jungen Reh, beide schon entwöhnt,
aber den Löwen schon auf Kampf und Beute ausgehend , das junge Reh
hilflos bei seiner Mutter Schutz suchend.
Angehängt ist ein 'Syntactisch-rhctorischer Anhangt der einige
grammatische und stilistische Seltenheiten, die bei Horaz sich finden,
vorführt. Besonders tief geht bis jetzt der Hr. Verf. nicht ein; so sind
zwei sehr wichtige Puncte: Stellung eines gemeinsamen Wortes im zweiten
Gliede, die sich nicht auf Präpositionen beschränkt (?gL 0. 3, 4, 6 f. 4, 2,
5—8 u. 0. und auch Schneider adn. crit. zu Cses. b. g. 5, 7, 9) und die in den
Satiren und Episteln so häufige Coordination hypothesischer Vordersätze
so gut wie nicht berücksichtigt. Da der Hr. Verf. den Anhang selber als
Anfang betrachtet, so möge er die Sache verfolgen, wobei jedoch zu wünschen
ist, dass er die andern Dichter zu Rathe zieht (wenn auch nicht für die
Beispiele), dass er die einschlägige Literatur möglichst vollständig benütze
(Jacob, Obbarius, die gut zusammengestellte praefatio von Grjsar u. a) end-
lich dass er sich einen festen Plan mache, was in diesen Anhang gehört
und was nicht.
Vollständiges Wörterbuch zu den Gedichten des P. Vergilius
Maro, mit steter Berücksichtigung des dichterischen Sprachgebrauches
und der für die Erklärung schwierigeren Stellen von Dr. G. A. Koch.
Dritte vielfach verbesserte Auflage. Hannover, Hahn, 1863. — 25 Sgr.
Vorliegendes Buch ist die neue Auflage des leider in den Schulen
ziemlich verbreiteten Wörterbuches von Crusius. Wenn ich gegen das Wörter-
buch zu Horaz nur solche Bedenken erheben konnte, die gegen die Noth-
wendigkeit und Zweckmäfsigkeit eines horatianischen Specialwörterbuches
überhaupt gerichtet waren, so ist, wenn man auch anerkennen mag, dass
der Hr. Verf. das Buch verbessert hat — ich kann es nur mit der ersten
Ausgabe des Crusius'schen vergleichen — - noch so viel zu thun übrig, dass
wir vorläufig es von der Schule am besten fernhalten.
Das erste Erfordernis eines Lexikons ist Vollständigkeit der Artikel
Wenn man noch auf lange hinaus an unsere Handwörterbücher und Thesauri,
ohne ungerecht zu sein, die Forderung einer Vollständigkeit in Eigennamen
nicht wird stellen können, wenn man nur im allgemeinen fordern darf,
dass die jeweilig zuverlässigsten Texte zu Grunde gelegt werden: so ist es
doch nicht zu viel verlangt, dass ein Specialwörterbuch sämmtliche Vocabeln
seines Schriftstellers enthalte, um so mehr dann, wenn man auf Eigen-
namen nicht besonders Gewicht legt und in Bezug auf Worte, welche erst
durch neuere Conjecturalkritik in den Text Aufnahme gefunden, Aus-
nahmen gestattet. So sollte G. 4, 270 amellus, das seit jeher im Texte steht,
nicht fehlen, ebenso wenig ebendaselbst 135 etiamnum und aquori G. 4,
193. In eine eigenthümliche Schwierigkeit hat sich der Hr. Herausg. ver-
setzt durch die Art, wie er der handschriftlichen Orthographie gerecht zu
werden versucht hat. Dass es gerade jetzt eine mialiche Sache ist hierüber
Koch, Wörterbuch zu Vergilius, ang. v. L. VieVhdber. 589
zu entscheiden, hat vor kurzem Professor £. Hoffniann an ein paar Bei-
spielen gezeigt; ob und wie diese Frage in einem Schulwörterbuch be-
handelt werden soll, mag fraglich bleiben, wiewol nach meiner Ansicht
die Inconsequenz unserer ältesten Handschriften und kritischen Ausgaben
nur dann iu's Lexikon gehört, wenn man alle Stellen auffuhrt: aber das
ist sicher, dass neben nöthiger Consequenz {adpcvreo neben apparo in un-
serem Buche) in den Lemmatis es nicht unrichtiges bringen soll. So hat
das Buch h\o£s conprimOy während doch G. 4, 87 sowol Wagner als Rib-
beck compressa geben. Selbst aus Bücksichten der Schule wäre es zweck-
mä/sig, bei jedem Worte zu zeigen, ob in sämmtlichen Virgilianischen
Dichtungsarten oder in welcher es sich findet. Man vgl. curare^ das im
Sinne *sich kümmern* auch in G. 1, 504 und ferratWj das nicht blo/s in
der Ae., sondern auch in den G. 3, 36 vorkömmt.
Im folgenden will ich einzelne Stellen anführen, an denen mir das
vom Verfasser gebotene fehlerhaft oder mangelhaft scheint. Ausgeschlossen
bleiben Vermehrungen von Citaten in allen Fällen, wo nicht eine Bedeu-
tung übersehen ist. arhor. Wie steht es zwischen arbor und arbos ? — at.
Der elliptische Gebrauch von at non G. 3. 349 fehlt. — aula. auch von
Bienen, G. 4, 90. — "cliuosus hügelig, steil G. 1, 108. 2, 212 von diuus
sanfte Anhöhe, Hügel E. 9, 8. G. 3, 293.' — concurro, G. 1, 318 ist
ungenau angeführt. — condo. für die eigentliche Bedeutung fehlt die Con-
struction in locum vgl. G. 4, 66. — deterior. G. 4, 89 ist deterior nicht
Attribut sondern Prädfcat. — exsto. G. 3, 370 ist falsch erklärt. Es ist
dort nicht 'in die Höhe ragen mit den Geweihen*, sondern aus dem Schnee
herausragen. — foiieo. 'cubilia riniosa (der Bienen) ungue d. i. verstreichen
und dadurch gegen Frost und Ungeziefer schützen G. 4, 46.* Es ist doch
nicht in den Versen : tu tarnen et leui rimosa cubüia linw \ Ungue fouens
circum et raras superinice frondea etwa ungue als ablativ gefasst? Unter
ungtw steht freilich das richtige. — ghUen und lacriina. Verworren und
sich widersprechend. — iinber. Der Abi. imbri G. 1, 393 fehlt. — induresco,
G. 3, 366 steht nicht horridis barbis (Versschluss), sondern korrida barbis.
— labor. Auch in der gewöhnlichen Bedeutung Prädicat zu einem Infin. —
Neptunus. metonym für Wasser, G. 4, 29. — ora. Zu erklären ist ora
loricae Ae. 12, 924. —parcus. Die Auffassung der Stelle G. 1, 4 von Wagner
und Forbiger sollte mindestens erwähnt sein. — penUus. Es fehlt die Be-
deutung 'tief drinnen* G. 4, 43. — praeceps. G. 3, 359 vertritt das Wort
ein Partie, perf. — profluo. G. 425 ist es nicht 'hervorfliefsen*, sondern
'vorwärtsfliefsen*. — remitto. A. 4, 436 musste erklärt werden. -— scaber.
In der Verbindung mit robigo G. 1, 495 ist es 'schartig machend*. — sin.
Anzuführen war dn autem ohne hervorgehendes 8t G. 4, 67. — supra. G.
4, 246 ist ungenau angeführt. — terra. Zu beachten ist der Plural im
abstracten Sinne z. B. G. 4, 117, während von einem hestimmten Land
der Singular steht. — usque. Zu erwähnen war usque adeo, G. 4, 84. —
uideo. Das Passiv steht im eigentlichen Sinne G. 4, 89. — alter, ille alter.
G. 4, 93. — cursus. metaphorisch vom Dichter G. 1, 40. — demitto. G. 2,
524 sollte nicht fehlen. — dem = göttHcher Geist, Weltgeist. G. 4, 221.
— inflo. Die Construction mit effectivem Object fehlt. G. 2, 540. — inspiro.
500 Georges, Deutsch-lat. Wörterbuch, aug. v. L, VieJhaber,
G. 4, 237 ist nwrsibus sicher Ablati?. — primus. Es fehlt cum primis G.
1, 178. — soliw. Die von G. 4, 199 gegebene Erklärung ist jeden&lls sehr
zweifelhaft.
Kleines deutsch -lateinisches Handwörterbuch von Dr. K E.
Georges. Leipzig, Hahn, 1865. — 2 Thlr.
Der auf dem Felde der Lexikographie bekannte und geschätzte Hr.
Verf. hat neben seinem gröfseren deutsch -lateinischen Handwörterbuch
das vorliegende 'kleine* erscheinen lassen, das vorzugsweise den Zwecken
der Mittelschulen dienen soll. Indessen ist auch dieses noch zu einem sehr
bedeutendem Umfange angewachsen, denn es zählt nicht weniger als 84 Bo-
gen in Grofsoctav mit 2690 Spalten. Und dieser bedeutende Umfang ist
derart ausgefüllt, dass manches weggeblieben ist, was kaum zum Vortheil
des Buches fehlt. So kann ich keinen Vortheil darin sehen, dass nicht
durch Angabe der Auetoritat oder durch eine andere kurze Bezeichnung
wenigstens in wichtigeren Fällen zwischen oratorischer und historischer
Prosa unterschieden ist. So ist occupare z= 'zuvorkommen* auf gleiche Linie
mit den Ciceronischen Ausdrücken gestellt, obgleich es dem historischen
Stil angehört. Diese Unterscheidung der für den Zweck des Buches ¥rich-
tigsten Stilarten hatte vielleicht noch zu etwas weitergehender Aufnahme
von Ausdrücken und Wendungen der historischen Prosa geführt, als deren
Hauptvertreter wir vor allen Livius, Sallust, Tacitus, weniger den Me-
moiristen Caesar zu betrachten haben. So möchten decara im Sinne von
'militärischen Auszeichnungen' und 'ausgezeichneten Thaten' s. Wei. Tac
Agr. 34 in. für den historischen Stil ebenso wenig zu verwerfen sein, aU
fortuna «- 'Stellung, hohe Stellung*, das fast ein Lieblingswort des Sal-
lust und Tacitus ist. Obruo = begraben (ohne terra) ist durch SaU. J. 79, 8
gerechtfertigt, was freilich Freund im Lexikon erst aus Tac. belegt. Of-
ficium = 'Huldigung* ist von Verhältnissen der Kaiserzeit kaum zu
vermeiden, s. Tac. A. 1, 24. 6, 56. H. 1, 74. 2, 1. nulla parte 'ganz
und gar nicht* omni parte 'durchaus', aliqua parte 'theilweise* u. ä. zu
brauchen dürfte in historischer Darstellung unbedenklich sein (s. Fabri
Liv. 21, 56, 8); vielleicht wenigstens nicht ganz zu verwerfen pudendus
s. Fabri Liv. 23, 3, 11, das freilich Freund nur als poet. und nachaugust
gelten lassen will. Und so in vielen anderen Fällen. Raum hiefUr konnte
in dem für die Schule, also die Schüler bestimmten Buche dadurch
gewonnen werden, dass Artikel, die der Schüler aus der Grammatik lernen
muss und zwar bevor er das Lexikon in die Hand bekommt, gestrichen
werden. So sind auf der letzten Seite mindestens 18 Zeilen, welche mit
zwölf, zwölfhundert, zwölftausend u. s. w. angefüllt sind, tiberflüssig. —
Em weiterer Punct, den ich anders behandelt sehen möchte, ist folgender.
Es liegt allerdings nahe, vorzugsweise auf ganz sich deckende Uebersetzung
Substantiv durch Substantiv u.s.w. zu sehen. Aber wer die Natur unserer Schü-
ler kennt, würde eher wünschen im d. 1. Lexikon ein Zuviel in Bezug auf
sogenannte 'Ersatzmittel' zu linden ab zu wenig. Zwar hat der Hr. Verf.
diese Seite nicht unbeachtet gelassen, wi? z. B. die Artikel: ganz, Mitt«!
OeorgeSy Deutsch-lat. Wörterbuch, ang. v. L, Vidhaber, 501
natürlich, weise u. ä. zeigen: aber gleichmafsig berücksichtigt erscheint
sie nicht So fehlen üebersetzungen durch Sätze, besonders relative unter:
'Ansicht, Eindrücke, Inhalt', so die Dasssätze für 'daran' u. ä. Es ist vom
Hm. Verf. auch auf den Wegfall deutscher Substantive und Adjective ge-
achtet, vgl. 'äussere, innere, sinnlich, Grundsatz' u. s. w. ; doch liefse sich
noch manches anfügen z. B. für 'eigennützige Freigebigkeit' wird man
mit largitio ausreichen (vgl. Sali. J. 103, 6), die vornehmen Ahnen sind
einfach maiores u. ä. Ich weifs wie schwer es ist, hier eine Grenze zu finden,
indessen ist möglichste Reichhaltigkeit in solchen Dingen sehr erwünscht.
Daran schliefst sich noch ein anderer Wunsch. Das Lexikon würde wenig-
stens bei denkenden Schülern noch viel mehr nützen, wenn bei solchen
Üebersetzungen, wo das lateinische und das deutsche sich nicht decken,
durch ein Wort der Weg, wie man zu dem Ersatz kommt, angegeben wäre.
Bei manchen ist es allerdings nicht nothwendig, weil er von selbst in die
Augen fallt, z. B. wo Sätze ein einzelnes Wort vertreten, bei manchen hat
der Verfasser es gethan, z. B. bei Ausführungen durch ein Hendiadyoin,
aber in Fällen, wo der Schüler nicht so leicht die Art des Ersatzes sieht,
z. B. bei üebergang von subjectiver zu objectiver Bedeutung, von abstractem
zu concretem Gebrauch u. ä., ist es nicht geschehen. Man kann freilich hier
zweifeln, ob hiebei nicht noch eine andere Einrichtung praktisch wäre.
Wie im Antibarbarus von Krebs "') vor dem lexikalischen Theil eine Art
negativer Stilistik steht, die von fehlerhaftem oder nicht nachahmenswerthem
dasjenige, was sich in Gruppen vereinigen lässt, übersichtlich vorführt, so
könnten von dem deutsch-lateinischen Handwörterbuch in aller Kürze die
Hauptgrundsätze der 'Topik', um einen Ausdruck Nägelsbachs zu gebrauchen,
zusammengestellt werden.
Von solchen Dingen abgesehen, verdient das Buch durchaus das Lob,
dass es auf selbständiger Arbeit beruht und mit groXiser Umsicht gearbeitet
ist. Ohne gerade zu den strengen Puristen zu zählen, hat der Verfasser
ein Buch hergestellt, das zu den besten der vorhandenen gehört und den
Schülern, die nun einmal denn doch nicht so ganz ohne Grund dem viel
gehörten Grundsatz, dass ein d. 1. Lexikon unnöthig, ja schädlich sei,
^viderstreben, empfohlen zu werden verdient.
Im folgenden will ich einige Ergänzungen, welche ich mir angemerkt,
mittheilen, um so noch einigen Beitrag zur Vervollkommnung dieses Buches
zu liefern. Absichtlich. Nebenden angegebenen Uebersetzunger war noch
studiase Cic Off. 1, 37, 134 und stiAdio Cic. Rose. Am. 32, 91 anzuführen, wo
die gewöhnliche Erklärung gegen die von Halm aufgenommene Nägels-
bach's (Stilist. S. 226 der 2. Aufl.) richtig sein dürfte. — Ausschicken,
abschicken ist doch ;iuch durch emüto auszudrücken SalL J. 773. —
Besiegeln. Das Sallustianischc lUum diem aut omnis Idbores et uictorias
confirmaturum aut maxumarum aerumnarwn initium fore, J. 49, 3,
*) Die vierte von Allgay er besorgte Auflage, von der bis jetzt zwei
Hefte (bis ignitufi) erschienen sind, hat durch die eigenen Studien
des Verfassers, sowie durch Berücksichtigung der Arbeiten von Poppo
Schneider u. a. sehr an Richtigkeit des einzelnen und an Reichhaltig-
keit gewonnen.
502 GeorgeSf Deutsch-lat. Wörterbuch, ang. y. L. Vielhaber.
ißt sicher unbedenklich zu verwenden. Bei G. fehlt ein Ausdruck för diese
Bedeutung. — Changen. Die Changen des Krieges und Friedens heiXsen
bei Sallust J. 97, 2 belli atque pacta rationes. — Felseninsel fehlt Die
Taciteische Bezeichnung scopiUi H. 1, 2 u. ö. ist, wo es sich von Verban-
nungen handelt, kaum zu entbehren. — Frage. Es ist noch eine offene
Frage (tamquam) integrum est nach Cic. Cat. 4, 3, 6. — Gemein. Der
gemeine Menschenverstand kann unter Umständen auch durch das bloJbe
sensus ausgedrückt werden s. Cic. de Fin. 4. 19, 55. — Gerecht Streng
gerecht kann auch durch seuems ausgedrückt werden, s. Heraus zu Tac.
H. 1, 37 u. 1, 48. — Glückskind kann unter Umständen auch nach Cic.
Lael. 15, 54 qu>08 (fortuna) complexa e^t gegeben werden', s. Seyffert zu
der Stelle. — Glückswechsel. Nebst den angegebenen Wendungen s.
auch C»s. b. c. 2, 17, 3 »e quoque ad motus fortunae mouere coepit. —
Mafshalten (Substantiv). Das einfache modus reicht aus, s. Heraus Tac.
H. 1, 83, wo auch Beispiele aus Cic. angeführt sind. — Meeresströmung.
Diesen bei G. fehlenden Ausdruck wird man wol nach Tac. Agr. 10 durch
flumen zu geben haben, s. Wex zu der Stelle. — Mittel. Auffalligerweise
fehlt res.y s. tmtaiis rebus Cic. Mil. §. 34. — Mündlich. Bei Abstim-
mungen auch pcdam, vgl. Nipperdey Tac. A. 1, 74. — N u r. Die Wendung
'auch nur* kann auch durch etiam gegeben werden, s. Cic. Phil. 2 §. 68
dazu Halm. — Persönlich. Für domesticua s. die bei Nipperdey zu
Tac. A. 3, 70 angeführten Stellen. —Populär. Gegenüber dem popularis
der republicanischen Zeit ist das ciuüis des Tacitus u. a. von den Verhält-
nissen der Kaiserzeit kaum zu vermeiden, s. Tac. A. 1, 54. 1, 33 u. o. —
Religionsverlctzung. Für gewisse Fälle reicht einfach religio aus, s.
Cic. ad. Att 1. 14, 1. — Schlechthin. Zu dem angeführten aimpüciter
ist noch das deiktische sie zu stellen Cic. Sest 26, 71. Obbarius zu Hör.
0. 2, 11, 14. — Sofort. Ueber d^inde im Sinne des ironischen 'sofort
aber* s. Halm zu Cic. Verr. IL 4, 37, 81. — Soweit. Das angegebene
adhuc könnte so blofs hingestellt zu Misverständnissen Anlass geben.
Ausser diesem auch Atque Jmec quidem s. Seyffort schol. lat. I S. 59, wo
auch für diese und ähnliche Wendungen noch andere Ausdrücke stehen. —
Spiel. Freies Spiel haben = eludere nach Cic. Mil. 12,32. — Speciell
kann nach Cic. Mil. 29, 78 auch durch praecipuus gegeben werden. —
Statthalterschaft Wenn von den Verhältnissen der Kaiserzeit die Rede
ist, ist für die Verwaltung der kaiserlichen Provinzen legatio nicht zu
umgehen, s. Tac. H. 1, 13, Agr. 10. Ebenso dürfte legatio legionis (Tac.
Agr. 9) vielleicht zu verwenden sein. — Stimmensammler = rogator
(s. Zumpt zu Cic. Mur. 1, 1) fehlt — Subordination. Modestia ist
angeführt, aber auch das Adjectiv modestus findet sich in diesem Sinne, s.
Heraus zu Tac. H. 1, 52. 2, 19 und ähnlich ist die Wendung in Cic. post
red. in sen. 2, 4. — Trotz bieten kann auch durch spernere über-
setzt werden, s. ausser Ts.c. 12, 5. 12, 3G. 15, 57 auch Cic. de re publ 1,
42, 67. — Umsturz. 'Allgemeiner Umsturz' comvwueri omnia nach Cic,
Sest 30, 64. — Unberechenbar. Es ist blofs die eine Seite dieses Wortes»
ausgeführt Wenn es im Sinne von 'zufällig* o. ä. steht, dürfte fartuUus
anzuwenden sein, s. Tac. H. 1, 4. — Verlegenheit Auch negotium, s.
Ä Westphal, System cL antik. Rhythmik, ang. v. W. Berger. 598
Cic. Cat. 4, 5, 9. — Werk. Es ist etwas im Werke = paratur aHiquidj
Sali. J. 102, 15. — Wissen. Der Unterschied zwischen scire u. s. w.
cwiStat, notum est sollte angegeben sein. — Zweck kann manchmal auch
durch nomen übersetzt werden, s. Obbarius Note zu Hör. 0. 3, 21, 5. —
Zufriedenheit. * Zur Zufriedenheit' kann auch durch cum ^rcrfta gegeben
werden, s. Klotz zu Ter. Andr. 422.
Wien. L. Vielhaber.
System der antiken Rhythmik von Kudolf West phal. Breslau,
Leuckart, 1865. XII u. 195 S. - 1 Thlr. 15 Sgr.
Das vorliegende Werk kündigt sich als System der antiken Rhythmik
an, ein Titel, den mancher für zu viel versprechend halten könnte; aber
wir sind überzeugt, keiner wird, nachdem er das Buch durch gründliches
Studium sich zu eigen gemacht hat, den Hrn. Verf. der Ueberhebung zeihen,
vielmehr ist seine in der Vorrede ausgesprochene Hoffnung, „trotz der Karg-
heit und Zerrissenheit der uns überkommenen Urkunden ein klares, nicht
blo/s in seinen Umrissen ausgeführtes Bild der antiken Rhythmik" zu geben,
in vollem Mafse erfüllt. Vor uns liegt in der That die klare und durch-
sichtige Darstellung des ganzen Systems in nicht blofs skizzierter Aus-
fuhrung, und der Hr. Vf. hat es sehr gut verstanden, die verschiedenen
Quellen theils, wo es galt, streng auseinanderzuhalten, theils glücklich zu
combinieren und oft durch die genaue Interpretation eines kleinen unbe-
achteten Sätzchens neues Licht über bisher nicht verstandene Lehren zu
verbreiten. Besonders beachtenswerth und für alle Mitforscher sehr erwünscht
ist die genaue Scheidung des Sprachgebrauches in den verschiedenen Quellen,
denn gerade darin lag eine Hauptschwierigkeit der richtigen Interpretation
der rhythmischen Ueberlieferung , dass verschiedene rhythmische Quellen
dieselben Worte in ganz verschiedenem Sinne gebrauchen. Gleich das erste
Capitel des vorliegenden Werkes scheidet genau die Ausdrücke für die
Fundamentalbegriffe der antiken Rhythmik, so dass danach über die Be-
deutung der Worte (^vif^/no^- (vgl. auch S. 15. 52), noig, atjjunov, ßaatg,
tigatg (vgl. auch S. 12. 147) bei Aristoxenus auf der einen, Aristides und
den späteren auf der andern Seite niemand mehr in Zweifel sein kann.
Der Nachweis der in der Vorrede S. X ausgesprochenen Behauptung, dass
unser Aristides aus drei verschiedenen Quellen (A B C) von ungleichem
Werthe zusammengeschrieben sei (Westphal Harmonik S. XL sq.), wird
durch das gapze Buch hindurch gegeben, und zwar ist die Quelle C (bei
Westphal Rhythmik. Frgm. S. 52, 14 — 60, 15), die nichts von Rhythmik
enthält, mit Recht fast ganz aus dem Spiele gelassen (vgl. S. 53 Anm.),
die einzigen für die Rhythmik brauchbaren Notizen aus ihr über die ge-
dehnten Spondeen, den r^o/uiog arjfjuvTog und oQd^iog sowie über die irra-
tionalen Trochäen und Jamben niit aufgelöstem schweren Tacttheile finden
wir S. 185 f. und S. 81 f. verwerthet. Die Quelle B (Westph. Rhythm.
Frgm. S. 47, 4—53, 13 und 60, 16-63, 12) hat S. 52—59 eine eingehende
Besprechung erfahren, die in einem besonderen Falle ihr Verhältnis zur
Aristozenischen Lehre vollkommen klar auseinandersetzt. Eben dies ist bei
504 B. Westphal, System d. antik. Rhythmik, ang. v. W. Berger,
Gelegenheit der Darstellung des Textumfanges schon S. 14 — 18 geschehen,
eine Stelle, die dadurch noch besonders interessant ist, weil es hierbei
möglich war, der Aristidoischen Ueberlieferung die rein Aristoxenische de»
Psellus (S. 15) und die mehr mit Aristides übereinstimmende des Prgm.
Parisinum gegenüberzustellen , und durch genaue Vcrgleichung des Aristi-
des mit dem Frgm. Paris, die ursprüngliche Fassung ihrer gemeinsamen
Quelle überzeugend darzulegen S. 16. Das Verhältnis dieser drei Quellen
zur Aristoxenischen Tradition ist dann aus dem schliefslich S. 18 gegebenen
übersichtlichen Stemma vollkommen klar zu erkennen. Was wir sonst dieser
Aristideischen Quelle B verdanken, bestätigt durchaus das von Westphal
Harmon. S. XLI über sie gefällte ürtheil, dass sie uns so gut wie gar
nichts lehrt, was wir nicht auch sonst aus Aristoxenus (oder dessen un-
mittelbareren Compilatoren wie Psellus etc.) wussten. Man vergleiche nur
das vorliegende Werk S. U — 18 über die ^i-yi^n TioSmf, S. 52 — 59 über
ovv&fOtgy ^laiQtatg und oxfi^a, S. 78. 79 über die nloyoi, S. 93 über das
Verfahren der /w^/^orr*? in Betreff der einfachen und zusammengesetzten
Tacte, S. 119 und 124 über die «ywyij, S. 146 sq. über denxQovog ttq^o^,
S. 161 über den xQ^^^i ovv(^tjog bis zum jtjQttatifiog, S. 169. 173 über
die xQovoi iQQv&jnoi KQQv&fAoc uud (^v&fÄO€i^fTg — alles Stellen, in denen
wir die Quelle B dem gegenüber, was wir von Aristoxenus über dieselben
Sachen erfahren, leicht entbehren könnten. Eine erwünschte Ergänzung zu
dem, was uns sonst überliefert ist, gibt sie uns nur für die rhythmische
fAtraßoXri S. 131 ff. so S. 82 ff. für die TQonot, (^v&fjtonoUaq S. 134, flir die
(^vx^jLtonoiifc selbst S. 140, für die Pausen S. 157 ff., für die arQoyyvloi und
nfQinUoi S. 173. Neu und eigen thümlich ist ihr die Eintheilung derxQovoi in
itnkoT und nollanXot, deren Sinn wir bei Westph. S. 154. 160 auseinander-
gesetzt finden, doch ist diese Eintheilung praktisch von nur sehr geringem
Werthe. Dagegen ist die wirklich gut Aristoxenische Quelle A (Westph.
Rhythm. Frgm. S. 63, 16 — 65. 30) in allen ihren Theilen eingehend
erörtert worden, wie sie dies bei der Menge von interessanten und neuen
Notizen, die sie uns bringt, verdiente. Ihr verdanken wir nämlich fast
alles, was wir von dem Ethos der verschiedenen Rhythmen wissen, sowie
den wichtigen Unterschied zwischen einfachen und zusammengesetzten
Rhythmen (d. h. ganzen rhythmischen CJompositionen im Gegensatze zu
den einfachen und zusammengesetzten Tacten) und diese Partie ist von
Westphal S. 124 — 130, S. 173 f. 185 f. 191 ausführlich behandelt worden.
Dass aber Aristides sich da, wo er sich selbst überlassen ist, oft genug
üngenauigkeiten und Fehler zu Schulden kommen lässt, die nur ein Aus-
flufs seiner mangelnden Sachkenntnis und gedankenlosen Compilation sein
können, dafür liefern die ihm vom Hrn. Vf. S. 34. 403. 41, 65. 82. 172.
173. 187 nachgewiesenen Irrthümer Beweis genug.
Das „System der antiken Rhythmik" zerfällt in zwei Theile, einen
theoretischen und einen praktischen. Jener zeigt uns ganz abstract die
Gliederung der Zeit nach gewissen Abschnitten durch die Gesetze des Rhyth-
mus, dieser die Ausfüllung jener Abschnitte durch die concreten Zeiten der
sprachlichen Längen und Kürzen. Gleich das Einleitungscapitel fuhrt uns
aber, wie gesagt, in die antike Terminologie ein nnd setzt somit einen jeden
R, Wegtphal, System d. antik. Rhythmik, ang. v. W, Berger. 595
in den Stand, sich in den alten Quellen zurechtzufinden und selbst prüfend
dem Hm. Vf. in seinen ferneren Erläuterungen zu folgen. Zu diesem Zwecke ist
es jedoch nöthig, den Text der gesammten rhythmischen Ueberlieferung stets
zur Hand zu haben, ein Bedürfnis, dem durch Westphal's „Fragmente und
Lehrsätze der griech. Rhythmiker" vollkommen genügt wird. Nach diesem
ersten Capitel lässt der Hr. Vf. die Erörterung der sieben ^uetfOQal no^tav
des Aristoxenus folgen, deren Verständnis jetzt in allen Einzelheiten er-
schlossen ist. Die Grundzüge dieser sieben Tactunterschiede fanden wir vom
Verf. schon in der Vorrede zn seiner Harmonik S. XVLIl — XLIX ange-
geben; in dem vorliegenden Werke sind sie mit steter Hinzuziehung der
eigenen Worte der alten Quellen ausfuhrlich erörtert, und in den letzteren
ist wieder das Wahre von dem Falschen^ das echt Aristoxenische von dem
mit späteren Zuthaten Versetzten streng geschieden. Auch die von der
Aristoxenischen etwas abweichende Anordnung jener sieben Sut(fO(mC bei
Westphal können wir nur billigen, denn so beginnt das System sehr an-
gemessen mit der Erörterung der drei Tactgeschlechter und steigt dann natur-
gemä!\3 von weiteren zu immer engeren Kategorien hinab. Der Hr. Vf. gibt
immer zuerst die Worte des Aristoxenus oder der von ihm abgeleiteten Quellen
und sucht dann durch genaue Interpretation derselben den Leser in ihren
Sinn einzuführen. Besonders gefallen hat uns in diesem Abschnitte über
die sieben Aristoxenischen ^ittqoQttl no^wv (vgl. II — VI) die Erörterung
der SiaipoQtt xtaa tJxfj/an S. 49 ff., dann die sich an die SiaifOQn xnr*
ttVT(&kaiv anschlie/sende Auseinandersetzung, wie die Alten dazu gekommen
sind, neben den drei gebräuchlichen Tactgeschlechteni aucli noch epitritische
und triplasische Tacte zu statuieren S. 65 if., ferner die im genauen Anscbluss
an die Aristoxenischen Worte zuerst ganz abstract gegebene Erklärung
des Wesens der uloyUt S. 73 ff. und die Erläuterung dieser akoyia durch
einige concrete Beispiele von 8. 80 an, woraus wir namentlich die auf
Grundlage einer Aristideischen Stellen gegebene Auffassung des Dochmius:
-i -^ — ^ -^ als eines novg ^traßäU-tav i^ dXoyov (fg tiloyov hervorheben.
Wesentlich neu ist der darauf folgende Abschnitt über die rhythmi-
sche Reihe und Periode. Der Hr. Vf. findet es an und für sich unwahr-
scheinlich, dass die Alten geglaubt haben sollten, eine blofse Zusammen-
stellung und Aufeinanderfolge von Tacttheilen und Tacten gebe schon
Rhythmus, er verlangt vielmehr, dass sie wie wir verschiedene einzelne
Tacte zu kleineren Ganzen (den rhythmischen Reihen) und diese wieder zu
grofseren (den rhythmischen Perioden) zusammenfassten , und erst eine so
gegliederte Composition für eine wirklich rhythmische hielten S. 85 ff.
Doch bleibt W. bei dieser blofsen Forderung nicht stehen, sondern benutzt
vielmehr die uns erhaltenen alten Musikreste und die Tradition der alten
Metriker dazu, um aus diesen geringen Mitteln durch einige äuXserst scharf-
sinnige Combinationen eine vollständige Terminologie aus alten Namen her-
zustellen, die einen wirklich systematischen Zusammenhang zeigt S. 101.
102, und aus der hervorgeht, dass die Alten so gut wie wir den Begriff
der rhythmischen Reihe {jiovg avvif^fTog, xtoXov) und der Periode (TitQio^og,
fiixfiov) kannten und anwendeten (S. 99 — 103 wobei man zu der S. 102
gegebenen Ausführung über die aus Aristides beigebrachte Belegstelle noch
506 -B. Westphal, System d. antik. Rhythmik, ang. v. W. Berget.
das S. 125 gesagte und als eine zweite Belegstelle Aristid. S. 66, 1 Westph.
vergleichen möge: ol avvO^trot Tin&ijjixwTiQoi tioi rit) oxk ju^v dno
d-^aewg, örk Sf ir^Qiog ttjv inißoX^v r^g nfQioSov novfTa^i). Dabei
erfahren wir auch sofort etwas über den Umfang dieser Reihen und Perioden
durch die von den Metrikern überlieferte Lehre von den ßaang und per-
cussiones der Metra JS. 107 — 117, die zugleich mit dem, was wir von
Aristoxenus über die atiufia der verschiedenen einfachen und zusammen-
gesetzten Tacte wissen, im besten Einklänge steht Diese Herstellung
einer längst vergessenen Lehre aus so dürftigen Notizen, wie sie uns vor-
liegen, ist in der That glänzend, und was das Beste ist, sie beruht nicht
auf willkürlicher Erfindung, sonder auf guter alter Tradition, und lehrt
uns, dass selbst in so späten Metrikem wie Marius Victorinus, Diomedes
etc. noch ein guter Kern echter Aristoxenischer Lehre enthalten ist Das
folgende (VIJI.) Capitel stellt das, was wir über das Tempo (nytoyri) bei
den Alten wissen, übersichtlich und vollständig zusammen und macht dann
noch auf eine andere Bedeutung des Wortes dytoyii aufmerksam, auf die
wir weiter unten noch einmal kurz zurückkommen müssen.
Dann folgt im 9. Capitel wieder etwas neues, die Unterscheidung der
ganzen rhythmischen Compositionen in einfache und zusammengesetzte,
die W. aus dem Aristideischen Abschnitte über das Ethos der verschiedenen
Rhythmen Aristid. S. 64 — 65 Westph. glücklich eruiert hat S. 125 — 130,
und den Schluss dieses Capitels und damit des ganzen ersten Theiles bildet
die umfasseude Erörterung der rhythmischen Metabole nach den von W.
combinierten Berichten des Aristid. (Quelle B) und des Bacchius, die sich,
wie IS. 131 zeigt, auf das schönste gegenseitig ergänzen.
Damit ist der erste Theil des ganzen Werkes beendet Wir haben
erfahren, wie viel Tactgcschlechter es gibt und wie sich in ihnen die ein-
zelnen Tacte unterscheiden; wie sich die Tacte zu rhythmischen Reihen,
diese zu Perioden und diese zu ganzen einfachen und zusammengesetzten
rhythmischen Compositionen zusammenordnen ; wie dies alles durch das
Tempo beeinflusst werden kann und wie genau endlich die Alten auf jede
denkbare Art von Tactwechsel Acht gaben. Jetzt im 2. Theile lernen wir,
wie der ^vx^^uo7lOl6g diese abstracten mathematischen Gröfsen, die Tacte und
Tacttheile, durch die verschiedenen (n>d^f4iC6ufv((, die Sprache, die Töne und
die orchestischen Bewegungen ausfüllte, und zwar kommt es hier vorzugs-
weise auf die Ausfüllung derselben durch das ovf^fuCo^ivov der Sprache,
also durch lange und kurze Sylben an. So lernen wir zuerst die Thätigkeit
des tU'&^oTTotog in dieser Beziehung (8. 140) und den aufserord entlich ver-
schiedenen Zeitwerth der langen und kurzen Sylben kennen (S. 141 — 143);
erfahren dann von der durchgreifenden Bedeutung des nicht weiter thcil-
baren /govog nQtoTog 8. 144 ff. und dessen Bezeichnung bei Aristoxenus
und den Späteren S. 147;- hören von einer neuen Eintheilung der von der
^vd^iionoUii angewandten Zeitgröfsen in /oövoi (tavrf^froi und avv&erot,
so dass wir das letztere Wort jetzt in dreifach verschiedener Bedeutung
gehabt haben: no^tg i\avv(^eTot und aiVi^frot S. 24 ff., ^v^^toX nnXoT und
avvd^iroi S. 125 ff. und endlich XQ^^^*' fiovvd^troi und avv&irot S. 150 ff.
besonders 8. 155, und erhalten schliefslich noch eine vollständige Zusam-
R We^phal, System d. antik. Rhythmik, anpr. r. W. Berger. 597
menstellang der bei den Alten gebräuchlichen Pausen S. 156 — 158. Nach
einer kurzen Erörterung einer Stelle des Aristides über seine xQ^voi nnXol
und noXXanlot folgt dann eine Yollkommen erschöpfende Abhandlung über
die irrationalen Zeiten und deren verschiedenen Zeitwerth, die wir in ähn-
licher Weise schon in der Vorrede zur Harmonik S. IX— XXXVIII aus-
geführt sehen. Es ist darin dem Hm. Vf. gelungen, durch eine strenge
Durchföhrung c(er von Aristoxenus selbst angestellten Vergleichung zwischen
den irrationalen Intervallen und den irrationalen Zeiten den genauen Zeit-
werth der letzteren in allen einzelnen Fällen zu bestimmen, und niemand
wird leugnen können, dass diese Ausführung ebenso scharfsinnig wie in
ihren Resultaten überraschend ist. Die Identificierung des Drittel-/()oi'oc-
notoTog mit dem öiaösxttrrifioQmr lovov halten wir für ebenso berechtigt
als fruchtbar, denn mit Hilfe dieses Dnitel'/Qovog-TinüiTog lässt sich wirk-
lich für jede einzelne uXoyia ein leidlich einfacher Ausdruck finden, und
er bildet die Grundlage für die im 13. Capitel näher erörterten /Qovot
^v&fiOTToUag f^ioi^ für die es dem Verf. noch in seinen „Fragmenten und
Lehrsätzen der gi'iechischen Rhythmiker" S. 235 ff. nicht gelungen war,
eine vollkommen genügende Erklärung zu finden, vgl. auch Harmonik
S. XXXVm und XXXIX. Das 12. Capitel schiefst mit der Behandlung
zweier Stellen und dem Frgm. Paris, d. Aristid. über die xqovoi. ^oQv&uot^y
äoQv&fjtoi und QVx9^/noei&€Tg, von denen die letzteren mit Recht mit den
uloyo$ identificiert werden, und schliefslich finden hier auch ihre beiden
Classen, die vielgenannten und vielbesprochenen aTovyyvloi und nfoinl^f^
ihre endliche Erledigung.
Wir kommen zum Schlusscapitel des ganzen Werkes: den Tacten
im ^v^fiiCofitvov der Sprache. Alles auf die Rhythmopöie bezügliche ist
bereits auseinandergesetzt. Wir kennen die sehr verschiedenartigen Zeit-
gröfsen von der unter die Ein zeitigkeit verkürzten Kürze an bis zu der
bis zur Fünfzeitigkeit verlängerten Länge, die dem (ßu&fjonowg zu Gebote
stehen, dass er mit ihnen die vom Rhythmus hervorgebrachten abstracten
Tacttheile, einfachen und zusammengesetzten Tacte ausfülle. Jetzt kam es
darauf an, von jenen verschiedenen Zeitgröfsen namentlich diejenigen
welche von der einzeitigen und zweizeitigen Sylbenmessung abweichen, in
den uns erhaltenen metrischen Compositionen nachzuweisen und so den
Beweis zu liefern , dass die bis jetzt gegebenen Erörterungen nicht blofs
abstracte Theoreme sind, sondern tief in die metrische Pra.ris eingreifen,
ja recht eigentlich ihr festes Fundament bilden. Dies geschieht in diesem
Schlusscapitel. Der dreizeitige Dactylus und der zweizeitige Trochäus,
der vierzeitige Trochäus, der achtzeitige Spondeus und der zwölfzeitige
Molossus, sie alle bekommen in den uns erhaltenen Poesien ihre Stelle an-
gewiesen. Die Pausen finden in den katalektischen Tacten ihren Platz und
die alte Terminologie dieser letzteren gibt einen neuen Beleg für die von
Rossbach in seiner Rhythmik zuerst statuierte und jetzt immer mehr zur
Geltung kommende Synkope. Endlich am Schlüsse bei Besprechung der
metabolischen Tacte gelingt es dem Hm. Vf. noch durch aufmerksame Be-
trachtung ihrer offenbar etwas gemeinsames enthaltenden Namen — sie
heifiien die lahmen, schiefen und gebrochenen — nicht nur den Beweis zu
596 i?. WettphcU, System d. antik. Rhythmik, ang. v. TT. Befgef.
liefern, dass die von ihm angegebenen metabolischen Tacte wirklich zu
einer und derselben Kategorie gehört haben müssen, sondern auch für die
ihnen gegenüberstehenden tactgleichen Metra den entsprechenden antiken
Namen aufzufinden: sie worden nämlich jenen /(oAo/, 66xfitoi, dvuxXtofierot^
gegenüber die oQxf^oi genannt.
Somit ist die antike Bhythmik durch das vorliegende Werk za einem
wirklich systematischen Abschlüsse gebracht worden, so weit er immer bei
den uns zu Gebote stehenden Quellen möglich war. Alles, was in diesen
von echter rhythmischer Tradition enthalten war, ist gründlich ausgenützt
und hat seine entsprechende Stelle in dem Zusammenhange des ganzen
Systems erhalten. Dabei ist mit besonderer Anerkennung hervorzuheben,
dass sich der Hr. Vf. nicht damit begnügt hat, bloüs in den Sinn der alten
rhythmischen Quellen einzufuhren, sondern dass er sich überall die Auf-
gabe gestellt hat, die gegebenen.Erklärungen der rhythmischen Lehren in
ihrer Bedeutung für die metrische Praxis nachzuweisen. Keine Erklärung
bleibt ungenützt liegen, sie wird stets auch für die Metrik ausgebeutet.
Gerade darin liegt der Werth des vorliegendeu Werkes für alle, die sich
mit der griechischen Metrik in irgend welcher Beziehung befassen wollen,
darum sei es uns vergönnt, dies wenigstens an einem Beispiele nachzuweisen.
S. 72 ff. wird zuerst ganz allgemein auseinandergesetzt, was wir uns unter
Irrationalität ((IXoyiu) zu denken haben, und dafür S. 77 der leicht ver-
verstäudliche Ausdruck gefunden: irrationale Zeitgröfsen sind solche, die
nicht durch ein multipluui des ;^ooi^o^ n(}üiTog bestimmbar sind, sondern
sich nur durch Bruchtheile des /(*. nf). bestimmen lassen. Dazu werden
von S. 80 an einige concrete Beispiele von Versfüfaen zur vorläufigen
Erläuterung gegeben. Jene Erläuterung von S. 77 wird dann S. 161 ff.
wieder aufgenommen. Wir wissen: irrationale Zeitgröfsen sind nur durch
Bruchtheile des /(>. 7i(i. bestimmbar, es fragt sich: durch welche Bruch-
theile? Diese werden von S. 162 an angegeben und mit ihrer Hilfe S. 164
bis 167 der genaue Zeitwerth einer jeden möglichen dXoyüt bestimmt.
Schliefslich werden dann die so gefundenen Zeitwerthe von S. 181 — 185
in wirklich und oft in der Metrik «vorkommenden VersfüXsen nachgewiesen.
Die Sprache ist durchgehends klar und leicht verständlich auch für
solche, die sich bisher mit der antiken Rhythmik nur sehr wenig oder gar
nicht befasst haben. Doch hat sich leider wegen der Entfernung des Hm.
Vf. vom Druckorte eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Druck- und
Flüchtigkeitsfehlern eingeschlichen, die allerdings von dem in diesen rhyth-
mischen Fragen schon geübten sofort als solche erkannt werden, aber den
noch ungeübten doch hin und wieder stutzig machen könnten. Da wir aber
das vorliegende Werk gerade auch diesen letzteren empfehlen möchten, so
geben wir in der Anmerkung hier ein möglichst vollständiges Verzeichnis
aller einigermafsen bemerkenswerthen Fehler, die man vor dem Gebrauche
des Buches berichtigen möge*).
*) S. 18, Z. 23 von oben lies O^iaig statt: ft(>ff*tf. — 24, 4 von unten lies
TioJf? st. /(iovo*. — 31, 18 V. u. 1. 16 zeitigen st. 16 zeiligen. —
34, 2 V. 0. l. G. Hermann st. J. Hermann. — 38, 17 v. o. 1. avyxHvrtu
st. avyxtlvrai. ~ 46, 6 v. u. 1. verschieden von den Theilen st
B. Wesipfuü, Sjstem d. antik. Rhythmik, ang. v. W. Berger. 500
Endlich wird der Hr. Vf. wol nichts dagegen haben, wenn wir S. 17,
Z. 10 V. 0. und S. 122, Z. 5 v. u., sowie in seinen Frgm. der Rhythmik
S. 80, Z. ö V. 0. iiav iv ravT^ Xoyt^ nodwv statt roJr ^v rtvTtp l. n. lesen.
Von seinen eigenen zahlreichen und trefflichen Conjeeturen können wir nur
der auf S. 78. 79 an Aristid. S. 53, 10 — 13 versuchten nicht beistimmen,
iowie uns die S. 122. 123 dem Worte dyfoyri beigelegte zweite Bedeutung
nicht recht geüülen will, d. h. insofern auch sie Aristoxenisch sein soll.
Auch stimmt die dortige Ausführung mit dem S. 17. 18 über dieselbe
Sache gesagten nicht überein. Unser Hauptgrund gegen die Auffassung auf
S. 122 ff. ist der, dass man, wenn man die tlytjyrj als to nQoif^Qfa&ai rci
fiey4&fi Twy no^iav twv Aoyaiy, auCofn^vary ovi at S-^aetg noiovvrtti UQog
T«f uQaetg fasst und demgemäXä als ein avUo&at der /Qovoi-nomot'Zahl
innerhalb derselben Taetart erklärt, dass man dann diesem durchaus pas-
versch. v. d. Tacten. — 52, 23 v. u. 1. ttg no^ag (hnlvo/nsvoi st. ttg
X^ovovq ttval, •— 53, 19 v. o. L viersilbige Päon st. einsilbige Päon.
— 53, 17 V. u. 1. nvanMaji.x6v st. avTianaajixov. — 54, 12 v. o. 1.
i^aafjf^og 6axr, — ^|-^ ^-|^ — st. -v^|-^ v>|^ — ~.
— 55, 6 V. 0. 1. xn\ Tovg /nh st. xal rovrovg fii^r. — 56, 21 v. o.
Fehler in den Zeichen (desgl. S. 94, Z. 4 v. u., 157, 7 v. u., 158,
1 V. 0., Z. 13 V. u., 190, 6 u. 7 V. o.). - 56, 23 v. o. 1. §. 104 st.
§. 101. — 56, 6 V. u. 1. J^ h (w»^^(^ st. J^ (w^fi^. — 59, 1
novs TT. 7iov<; novi n, novg
V. 0. 1. — ^^|-^^|-ww st. -^^I^^l-^^^.
— 67, 3 V. u. 1. inruarifjog st. TSTQtiarjjuog. — 69, 23 v. o. l. Xoyog
T()i7iXdawg st. Xoyog InUQtrog. — 70. 3 v. o. streiche „Komiker
und". — 7, 21 V. 0. 1. xavovixol st. xuvtttvixoC und ebenso S. 72,
2, 4, 5, 7. — 75, 1 V. 0. streiche: also nicht einmal auf ganz 1'/,
XQovoi no. — 82, 20 u. 21 v. o. vertausche: iufißoei^rj und tqo-
ycuoH^ij. — 104, 3 V. u. 1. naQiare st. naQfari, — 106, 14 v. u. 1.
Melik st. Metrik. — 110, 3 v. u. 1. /h^tqu aus 4 päonischen st.
8 päonischen. — IIb, 1 v. o. 1. S. 104 st. S. 00. — 120, 1 v. u. L xal
rag nvrag st. xal (WTttg, ebenso S. 122, 3. — 127, 18 v. o. 1. vor
jenem st. von jenem. — 135, 5 v. o. 1. systaltischen st. hesychasti-
schen. -— 138, 19 v. o. \. ytvo^^vag st. ytvofiivrig. — l^, 7 v. u. 1.
(k^atai st. aqmai, — 142, 13 v. o. 1. in einem Tacte oder Tacttheile
st. in einem Tacttheile etc. — 143, 7 v. u. 1. % x^- ^Q- ^t. Vs XQ-
ng. — 147, 12 v. o. 1. notis signant atque aestimant st. notis atque.
— 148, 2 V, 0. 1. avyxQtaiv st. avv^iotv. — 148, 15 v. o. 1. insofern
sie untheilbar ist st. insof. sie theilb. ist. — 148, 10 v. u. 1. ayrjua
st. atifieTu — 149, 19 v. u. 1. eva st iva. — 151, 5 v. o. l. S. l39
st S. 138. — 151, 12 y. u. 1. Grenze hin st Grenze hier. — 154,
24 V. u. 1. ist es ein avvi^trov st. ist es ein uavv(^trov. — 155, 10
V. 0. hinter: „Eine Silbe" fehlt wol unabsichtlich: nur Ein Ton. —
— 156, 14 V. 0. 1. beim üebergange st. vom Uebergange. — 157,
6 V. 0. 1. fxiraßnatg st ^eraßaaeig. — 158, 5 v. u. 1. lOl st. 100. —
160, 4 v. 0. 1. TtoXXarXovg st anXovg. — 169, 23 v. o. 1. ^uihfioH^tlg
vor st (wd^fi. von. — 173, 16 u. 5 v. u. 1. neQtnXtui st neginXet^t
und ebenso S. 174, 12. — 173, 13 v. u. 1 xiXQa/nh'ot st xfxgauin^voi,
180, 19 V 0. 1. fig t« iravt^tt st (ig hnvrCa. — 181, 15 v. u. 1.
xvXivSiJo st xvXtvSiTtti, — 184, 10 v. o. streiche: auf. — 185, 7
u. 8 V. 0. 1. ot Sk /Liiaoi xexQUfi^voi t€ i$ ti/mpoTv xal avfifAiTQot
Ttiv xaraaTttaiv. — 185, 15 v. u. 1. gedehnten Kürzen st. gedehnten
Längen. — 188, 7 v. u. 1. ein einfacner; noch vgl. st. ein einfacher
»och. Vgl
600 Heidelberg u. a., Gramm, d. deutsch. Sprache, toig. v. Ä, Egger.
siven Verlialton doch schwerlich eine Svvafjtig (J"«* rriv rrig uyctyyijg Svvafny)
beik^gen kann. Doch davon \ielleicht ein andennal ausführlicher.
So möge dieses Buch allen empfohlen sein, denen die griechische
Metrik, allen, denen die griechische Poesie am Herzen liegt, denn auch
diese ist ja ohne Kenntnis der Metrik nicht vollkommen zu durchdringen.
Und es hat Anspruch darauf, gekannt zu werden, denn es gibt nicht bloft
dem Mitforscher eine sehr willkommene Bereicherung seiner Kenntnisse
und mannigfache Anregung, sondern es ist auch ganz geeignet, den mit
metrischen und rliythmischen Fragen noch unbekannten nicht blofs ober-
flächlich in dieselben einzuführen, da es ihm für das Verständnis der alten
Rhythmiker den Schlüssel, für das Studium der griechischen Metrik die
Fundamente bietet.
Cottbus. Dr. W. Berger.
I.H.Heidelberg, Elementargi-ammatik der deutschen Sprache
für untere Gymnasial- und Realclassen, für Bürger- und höhere Töchter-
schulen. Zweite verbesserte Auflage. Celle, Capaun-Karlowa, 1864. —
6 Sgr.
2. E. Hermann, Der deutsche Satz für die untersten Classen
der Mittelschulen. Wien, Beck, 1865.— 25kr.ö. W.
3. E. und Fr. Wetzel, Die deutsche Sprache. Eine nach
methodischen Grundsätzen bearbeitete Grammatik für höhere Lehr-
anstalten und zum Selbstunterrichte. Berlin, Stubenrauch, 1865. —
% Thlr.
Die beiden erstgenannten Werkchen begegnen sich im Zwecke, wei-
chen aber in der Methode völlig von einander ab. Beide wollen dem
Elementarunterrichte in der deutschen Sprache dienen, und geben^darum
nur den noth wendigsten grammatischen Stoff in kurzer und übersichtlicher
Fassung, aber während bei Heidelberg das Regelwerk überwiegt, lasst
Hermann die Beispiele als Hauptsache hervortreten. Ersterer rechnet
offenbar auf ein passendes Lesebuch zur Einübung der Regeln, letzterer
aber bietet ein vollständiges Material für grammatische Uebungen, und
erwartet vom Lesebuche nur allgemeine geistige Anregung. Ref. kann
nicht umhin, der zweiten Methode entschieden den Vorzug zu geben. Die
praktische Erfahrung lehrt, dass eine unmittelbare Verbindung von Regel
und Beispiel den Schüler fördert und den Unterricht erleichtert, wahrend
ein Aufsuchen des Passenden in verschiedenartigen Lesestücken Zeit und
Mühe kostet, und die grammatische Analyse eines anregenden Inhaltes dem
jungen Gemüthe die reine Freude am Ethischen und Aesthetischen desselben
stört. Muss man auch anerkennen, dass Heidelberg sich mit pseda-
gogischem Tacte auf das nothwendigste beschränkt hat, so erscheint uns die
karge Vertretung der Beispiele doch als ein Mangel seines Schulbuches.
Dagegen möchte Ref. in der Methode, die Hermann anwendet, einen
didaktischen Fortschritt begrüfsen. Die Bedeutung des Beispieles ist noch
in keinem Elementarbuche so in den Vordergrund getreten, als hier; sie
bilden den Hauptinhalt jedes Paragraphen, und ihnen folgen die „Lehr-
sätze" in einfacher und präciser Fassung, kleingedruckt Alles überflüssig«
Üeidelberg u. lt., Qramm. d. deutscli. Spiaclie, ang. v. Ä, Egger, 6Öi
logische Schematisieren föllt weg und der Schüler fühlt recht lebendig,
dass die grammatische Regel sich aas der Sprache ableite , nicht aber die-
selbe meistere. Der Hr. Verf. hat vorläufig nur die Syntax nach diesen
Grundsätzen bearbeitet; Referent zweifelt nicht, dass wenn auch die For-
menlehre so behandelt würde, die deutschen Mittelschulen Oesterreichs
ein vortreffliches Lehrbuch gewännen. Das orthographische Wörterverzeichnis,
welches der Lehre vom Satze beigegeben ist, wird freilich nicht so allseitig
befriedigen. Es wird zwar kaum jemanden gebon , der jede Vereinfachung
der deutschen Schreibung hartnäckig verwürfe, aber wenige werden sich
mit Aenderungen befreunden, die der geläufigen hochdeutschen Aussprache
Gewalt anthun, z. B. betriegen st. betrügen, Lerm st. Lärm. Selbst T e st.
Thee ist zu befremdend.
Den eben besprochenen bescheidenen Lehrbüchlein gegenüber tritt
das Werk der Gebrüder Wctzel in Berlin mit einer gewissen Prätension
auf. Es kündigt sich als eine nach methodischen Grundsätzen be-
arbeitete Grammatik an, und die Verlagshandlung nennt es selbst eine
hervorragende Erscheinung. Die Vorrede erklärt, dass hier der ganze
Unterrichtsstoff auf drei Stufen methodisch vertheilt sei , so dass die Ety-
mologie auf alle drei Stufen sich ausdehne, die Orthographie vornehmlich
der ersten und zweiten Stufe anheimfalle, die Syntax und Interpunctionslehre
aber besonders auf der zweiten und dritten Stufe zu behandeln seien.
Dem Inhalt nach sollen sich diese drei Stufen dadurch unterscheiden, dass
die beiden ersten das Anschauliche der sprachlichen Erscheinung darstellen,
während die dritte aus den Erscheinungen den Begriff entwickelt. Aeufber-
lich sind dieselben durch verschiedene Schriften und durch die Margi-
nalbezeichnungen 1, II, III unterschieden. Referent kann diese Methode
nur billigen y hat er doch selbst vor einiger Zeit in dieser Zeitschrift den
Wunsch nach einem so geordneten Lehrbuche ausgesprochen. Die Stufen-
eintheilung jedes Paragraphen macht eine Auswahl leicht möglich , ohne
den Stoff zu sehr zu zersplittern, und nothigt den Schüler zugleich zur
Wiederholung des Vorhergehenden. — Man muss zugeben, dass die Hrm. Vf.
als praktische Lehrer für jede Stufe das passende gewählt und den üeber-
gang vom Leichten zum Schwierigen richtig festgehalten haben. In diesem
Sinne ist ihr Buch eine wirkliche Bereicherung der Schulliteratur. Aber
in anderer Beziehung erscheint es uns veraltet und unbrauchbar.
Die Hrm. Verf. stehen nämlich noch ganz auf dem Boden der Beck er 'sehen
Doctrin, ja sie sind hinter dem Musterwtti» ihrer Schule, der Schulgrammatik
von K P. Becker, noch zurückgeblieben. Denn diese wurde in ihrer neue-
sten (8.) Auflage nach den Grundsätzen der historischeD Grammatik um-
gestaltet und hat dadurch an wissenschaftlichem Werth gewonnen. Im vor-
liegenden Werke findet sich keine Spur einer historischen Auffassung der
Sprache, wol aber ist die Etymologie durch die crassen Irrthümer der phi-
losophischen Anschauung verunstaltet. Insofeme die Grundsätze Jakob
Grimm's auch für Schulbücher bereits herrschend geworden sind, können die
Becker's heute als veraltert gelten, und insofeme wissenschaftlich unrichti-
ges Rir die Schule nie empfohlen werden kann, muss man dieses Buch
unbrauchbar nennen.
2c!tAcb»m f. <]. 9ster Ojrmn. 1S6&. Vm. II«ft. 41
60t Heidelberg u. a., Gramm. ^ deutsch. Sprache, ang. v. Ä.
Um zu zeigen, wie wenig die Hrm. Verf. die deutsche Sprache wis-
senschaftlich bewältigt haben, weil sie es verschmähten, sich an Grimmas
Grammatik zu schulen, will ich nur einiges hervorheben. S. 2 helfst es:
„Der Name Buchstabe für die Zeichen der Sprachlaute errinnert daran,
dass im Anfange der Buchdruckerkunst die Lautzeichen auf Stäben von
Buchenholz ausgeschnitten wurden." — War denn den Hrm. Verf. wirklich
unbekannt, dass das Wort p%u>Jistap lange Jahrhunderte vor Erfindung der
Buchdruckerkunst schon im Althochdeutschen in Gebrauch war? — Wenn
es auf derselben Seite, Anmerkung d helfst: Verschiedene Buchstaben bezeich-
nen denselben Laut, wie f und v in fiel und viel, g und ch in selig, welt-
lich, — mag, mach, so müssen wir Süddeutschen das als ein unberechtigtes
Vordrängen einer Mundart zurückweisen.
S. 4 sind als Beispiele des Ablautes auch : stechen, stecken, schwingen,
schwenken angegeben , während in der Wissenschaft der Ablaut rein voca-
lischer Natur ist. — Naiv klingt die Bemerkung S. 12, dass die Substan-
tiva auf o^, tU, od aus dem Mittelhochdeutschen stammen. Als ob nicht
fast der ganze nhd. Wortschatz aus dem Mittelhochdeutschen stammte! —
Die von Theodor Becker selbst aufgegebene Unterscheidung von Stämmen
und Spross formen ist hier noch beibehalten, so wie der Irrthum der
zweisilbigen Wurzel Wörter und der Glaube, dass aus starken Verben
nur Substantiva und Adjectiva abgeleitet werden können. Dass die Hrm. Vf.
Zusammensetzungen für Ableitungen , ja sogar für reine Stämme (wie
Gesang) ansehen, muss man ihrer Schule zu Gute halten. — Als syntak-
tische Sonderbarkeit fiel uns S. 118 auf die Unterscheidung von: Ich
schwitze (weil ich will) und: Es schwitzt mich (ohne meinen Willen). —
Nach dem vorstehenden lässt sich wol erwarten, dass die von der histori-
schen Schule angebahnte Vereinfachung unserer Orthographie im Buche
der Hrrn. Wetzel keinen Eingang gefunden hat Sie schreiben inuner noch
haar, MaaTs, Schaar, Maal, bescheeren, Loos u. s. w. Doch in diesen
Dingen ist auch die historische Schule noch nicht einig, und es gilt noch
das Recht der eigenen Meinung, aber in andern Fällen sind die Resultate
der historischen Grammatik so bestimmt und sicher, dass eine Abweichung
davon nicht mehr als Originalität, sondern einfach als Lrthum gelten kann.
Schliefslich kann Ref. auch das Bedenken nicht unterdrücken, dass
die Herren Verf. ihren Schülern zu viel Grammatik bieten. Sie erklären
zwar in der Vorrede: „Sollte überhaupt das Mafs des zu Lehrenden für
manche Verhältnisse überschritten aein, so glaubten wir dem Grundsatze
folgen zu dürfen: Wer vieles bringt, wird allen Etwas bringen und Aus-
lassungen sind ja leicht gemacht."* Aber dieser Ansicht können wir nicht
beipflichten. Nicht die Zahl der Seiten, Paragraphen und Zeilen ist es,
was des Schülers Geist überladet, »ondern die vielen und subtilen logischen
Unterscheidungen in der Wort- und Satzbildung. Diese hängen so innig
mit der ganzen Methode zusammen, dass sie eben nicht einfach durch Aus-
lassung entfemt werden können. Sie quälen eben den jungen Verstand und
fördem die Stilbildung in keiner Weise. Man kann dem Scharfsinne der Hrm.
Verf. volle Anerkennung zollen, wenn sie den logischen Bau der Sprache
ergründet, und doch ihre Darstellung für die Schule unbrauchbar finden.
Wien. A. Egger.
Literarische Notizen. 60S
Literarische Notizen. Neue Auflagen.
Re8 gestehe divi Augusti ex monumentis Ancyromo et Apölloniensi
edidii Th. Mommsen. Accedunt tabulae tres. Berolini apud Weid-
raannos. 1865.
Wegen der Wichtigkeit, welche dem mofitwientum Ancyranum für
die Geschichte des Augustus zukommt, hat Mommsen dassellie in vorlie-
gendem Buche gesondert herausgegeben, obgleich es natürlich im corpus
inscriptionum ebenfalls veröflfentlicht wird. Die abgesonderte Herausgabe
ist darum geschehen, damit Raum zu Erklärungen geschafft würde, die
im Corpus nicht aufgenommen werden können. Der Inhalt des Buches
ist folgender. Zuerst die Geschichte des Textes, um es so zu nennen,
seit seiner ersten Veröffentlichung durch Busbecqius bis zur letzten und
genauesten Abschrift, welche im Auftrage des Kaisers Napoleon 11 1.
Georg Perrot und Edmund Guillaume von der lateinischen und griechi-
schen Inschrift genommen und welche Mommsen seiner Ausgabe zu Grunde
legt. Ebenso ist über die ziemlich unbedeutenden Keste der griechischen
üebersetzung, die zu ApoUonia gefunden worden sind, S. 24 gehandelt.
Es folgt der genaue Abdruck des lateinischen und griechischen Textes des
Mon. Ancyr. ohne Ergänzungen und zwar so, dass dem lateinischen auf
der linken Seite der entsprechende griechische auf der rechten Seite bei-
ffesetzt 'und dem letzteren der Text des mon. ApoUon. unten beigegeben
ist. Dieser Theil ist nochmals auf drei Tafeln enthalten, von denen die
zwei beiden die lithographische Nachbildung der laieinischen Inschrift in
verkleinertem Mafsstao, die dritte in gewöhnlichen Lettern den griechi-
schen Text des mon. Ancyr. und den des Apollon. enthalten. Es folgen
ebenfalls einander gegenübergestellt der latemische und griechische Text
mit Ergänzungen der lückenhaften Stellen. Der lateinische Text ist na-
türlich von Mommsen selbst, der griechische von Kirchhoff hergestellt.
Im nächsten Theile ist der Commentar des Herausgebers (mit besonderer
Paginierung) enthalten.. Die Einrichtung ist folgende. Der in Capita ab-
feÜieilte lateinische und griechische Text ist zur Bequemlichkeit des Ge-
rauches nochmals und zwar je ein Caput vorgesetzt und daran gefügt
was in kritischer, und ausführlicher was in exegetischer Hinsicht zu be-
merken war. Dass gar manche oder eigentlich die meisten solchen kleinere
Artikeln historische S])ecialuntersuchungen geworden sind, ist bei Mommsen
selbstverständlich, so über die Verhältnisse Roms zu den Daken S. 88,
über die dem Augustus erwiesenen Ehren S. 97 ff. Angehängt ist eine Ab-
handlung über die Reste einer Inschrift, welche zu Tibur gefunden worden
ist (Henzen N. 5366). Es handelt sich dort die Person zu finden, der zu
Ehren die Inschrift gesetzt war. Mommsen bestimmt als denselben den
P. Sulpicius Quirinius. Dann folgen vier Indices, erstens einer der im
monum. Ancyr. enthaltenen Dinge nach der Ordnung des Monumentes,
zweitens ein chronologischer, dann der Index verborum des lateinischen
Theiles, wobei die Ergänzungen auch in den einzelnen Worten kenntlich
femacht sind. Vorangeschickt sind diesem Index Bemerkungen über einige
ligenheiten der Sprache, über Orthographie und Formen. Den Schluss
macht ein Realindex zu dem Inhalt des Buches. Es kann dem Referenten
nicht beifallen, eine Kritik zu üben, nur einen Hinweis auf diese glän-
zende Bearbeitung der umfangreichsten und bedeutendsten lateinischen
Inschrift von dem dazu berufensten Manne zu geben war seine Absicht.
Zugleich möge einem Wunsche Ausdruck gegeben werden, den dieses Buch
bei jedem erregen wird, nämlich dass der Verfasser bald Mufse finden
möge zur Fortwtzung seiner römischen Geschichte.
Dr. Moratadt, Beiträge zur Exegese und Kritik des Sophokleischen
Aias. Schaffhausen, 1863. 32 S. 4.
Vorliegendes Programm bespricht eine Reihe von Stellen des Aias,
und stellt verhältnismäfäig zahlreiche Conjectnren auf, die freilich meist
41*
604 Litorarischd Noticen.
ff e wagt sind oder auf subjectivem Belieben beruhen. Passend erscheint uns
oier Vorschlag V. Iä3 xttxovg, das ein allzu verschwommener Gegensatz zu
aioifQovas ist, mit Bezug auf V. 763 (und 766) in (ivohf zu ändern, ebenso
379 TittvO-' o^diVf das keinen Tadel enthält, sondern vielmehr ein Lob, in
ndvraS pwv (der du alles, schlechtes wie gutes, thust) zu verwandeln. An-
sprechend ist femer V. 988 die Umgestaltung des Glossems &avovai in
ix^Qoiat , welcher Begriff an jener Stelle nicht fehlen darf, welchen Vor-
schlag i^brigens auch die neueste Dindorf sehe Ausgabe nach Herwerden^s
Vorgang in der prsef. S. 13 und Meineke Analecta Sophoclea S. 285 machen.
Dindorf hat ix^-ootai auch sofort in den Text aufgenommen. Ingleichen
sind die Einwendungen, die M. dagegen macht, dass S^hneidewin und Nauck
die beiden Verse 1396 und 1397 für unecht erklären und demzufolge ein-
klammem , nicht ganz unbegründet, wenn auch seine eigenen Vorschläge der
Schwierigkeit der Stelle keineswegs abhelfen. Berecht^ ist auch die Ab-
weisung der Nauck'schen Athetese bei V. 314, wobei M. wenigstens der Sache
nach mit Kviöala (in dieser Zeitschrift 1862, 5. und 6. Heft) übereinstimmt.
Znaim. Ign« Prammer.
Deutsches Lesebuch für die erste Gy^ninasuüclasse, vonK. A. Madiera.
Prag, J. L. Kober, 1865.
Das vorliegende Lesebuch ist für Schüler bestimmt, deren Mutter-
sprache das öechische ist. Deshalb ist demselben ein aufmerksam gearbeite-
tes deutsch-cechisches Wörterverzeichnis beigegeben (S. 148 — 205). Die-
selbe Rücksicht bestimmte den Hm. Verf., die leichte V^erwendbarkeit der
Iiesestücke zu Sprechübungen besonders ins Auge zu fassen. Daher hat er
eine grofse Zahl der Stücke aus Reiser*s 'Stilschule*, Otto's 'Anleitung*
und Ritserts 'Lehre vom deutschen Style' aufgenommen, um den Lehrern
Gelegenheit zu geben, die in diesen Werken gegebenen Andeutungen und
Winke zur mündlichen Ausführung einer Reihe passender Aufgaben zu
benützen. Die durchgängige Kürze und einfache Diction der einzelnen Lese-
stücke war durch den ^eck des Buches nahe gelegt.
Von mehreren Seiten treten die gewählten Stücke mit den übrigen
Unterrichtszweigen in Verbindung. Au? naturgeschichtlichen und geogra-
phisch-historischen Lesestoff ist entsprechend Rücksicht genommen. Der
stilistischen Durcharbeitung solcher Stücke jedoch hat der Hr. Verf. weit-
aus nicht jene Sorgfalt für correcte und gewählte Form zugewandt, welche
in Mozart 's Lesebüchern unverkennbar ist. So wären z. B. die Stücke aus
den 'geographischen Bildern aus Gestenreich' (vgl. N. 145) oder aus Gmbe's
'Charakterbildern* (vgl. N. 111, 114, 123) in Hinsicht auf Stil und An-
ordnung gewiss erst einer sorgfältigen Bearbeitung zu unterziehen gewesen,
ehe sie in einer Sammlung von Musterstücken Platz finden durften. Die
aufgenommenen historischen Stücke nach Grube sind überdies viel zu
dürftig und trocken, um neben dem geschichtlichen Lehrbuch für sich eine
Geltung zu haben. Zum Theil trifft dieser Tadel auch die Stücke aus der
Naturgeschichte, welche hie und da auch sachlichen Bedenken Raum geben,
80 wenn z. B. N. 160 die Vermuthung ausgesprochen wird, dass der un-
überwindliche Abscheu mancher Menschen vor der Katze 'von den elektrischen
Ausdünstungen dieses Thieres' herrühre!
Dass in einem Lesebuche für die untere Stufe, wie es hier der Fall
ist, Fabel, Märchen und Sage reichlich vertreten ist, rechtfertigt sich von
selbst; nicht zu billigen ist es jedoch, wenn in der Fassung der letztem
zweifelhaft bleibt, ob man es mit Geschichte oder Erfindung, mit wunder-
baren Thatsachen oder blofsem Spiele der Phantasie zu thun habe. Es ist
mislich, wenn der Lehrer in solchen Fällen den Fragen der Schüler, ob
das Erzählte auch wahr sei, wird begegnen müssen, während die blofse
Form derartiger Lesestücke einer Aufklärung zur Beseitigung abergläubi-
scher Wirkung überheben soll. Dem widersprechen aber z. B. das Lesestück
N. 52 'die weiTse Frau* oder N. 156 'Krok und seine Töchter*.
Aus nahe liegenden Gründen entschied sich der Hr. Verf. in der
Kegel für jene Orthographie und Interpunction, welche in den Ar die Haupt-
Literarische Notizen. 605
schulen vorgeuchriebenen Lehrbüchern befolgt ist und die Franz Herrmann
in dem Schriftchen 'die deutsche Schreibung und Satzzeichnung* dargelegt
hat. Doch kommen im vorliegenden Buche zahlreiche Verstöfse dagegen
vor. Das Haupterfordernis jedes Schulbuches, Correctheit, ist in diesem
Pnncte derart verletzt, dass in einer zweiten Auflage Verbesserungen nach
dieser Richtung dringend geboten sind. Hiefür erlauben wir uns, das dem
Buche angehängte, ziemlich ausgedehnte Druckfehlerverzeichnis, wo einiges
einschlägige corrigiert ist, zu ergänzen. In der Setzung des ss nach kurzem,
des fs nach langem Vocal herrscht grofse Verwirrung. So steht fehlerhaft S.55
u. 97 niüfsen, S. 56 mufst, S. 83 mufste, S. 92 müi^, S. 56 wufkte, S. 110
wufste, ebenso S. 79 Spass (stat Spafs), dazu S. 9() Spassigkeit, dann S. 91
Müfsiggang, S. 146 Strassen; fehlerhaft steht ferner S. 125 masiv (massiv),
S. 54 und oft: wohl statt wie sonst vorkommt: wol, S. 70 Brod (sonst
Brot), S. 147 Koncert, wo nach des Verfassers angenommener Re^el Konzert
zu drucken war, S. 120 Ceremonie, während S. 29 Zeremonie steht u. s. w.
Mit Tilgung der Dehnungsbuchstaben bei einzelnen Wörtern kann
man nicht einverstanden sein, da sie in ganz ähnlichen nicht durdigeführt
ist. Der Hr. Verf. druckt S. 17 gestolen, S. 71 stelen, S. 96 stralt, S. 39
u. ö. wamehmen, aber zahlen, mahlen, mahlt u. s. w. Femer liest man
S. 121 Sper, S. 107 mosig. dagegen Loos, Aussaat u. s. f. Ebenso auflTallend
inoonsequent ist das Buch in betreff des th. Da schreibt der Verfasser
S. 55 u. sonst Gemüth, S. 62 Irrthum, S. 67 röthlich, S. 70 Noth, aber
dberall Wert, Wirt, S. 83 Armut, S 80 sogar mietete, ebd. geraten (aber
S. 65 wieder rathschlagen , S. 87 räthselhaft) , S. 90 Geräthschaft u. s. w.
Verwirrung herrscht auch in der Initiale der adverbiel gebrauchten
Substantive, die einmal grofs das andere mal klein gedruckt ist. So S. 71
Nachts, S. 75 tags, S. 116 Anfang, S. 117 anfangs, S. 64 abend u. s. f.
Ebenso wäre durchgängig das Komma vor einem Satztheile mit 'und* zu
tilgen , wenn derseloe kein eigenes Subject hat. Da treffen wir hier das
Komma bald, bald nicht. Auch die vorkommende Setzung zweier Zeichen,
wie S. 20 u. f. des Komma und de: Pause, ist überflüssig.
Zu verbessern ist noch S. 45 allmälich (sonst immer allmählich),
S. 24 Lichtenstein in Liechtenstein, S. 65 Bockhorn in Bockshorn, S. 73
Stack in itak u. e. a. Noch wollen wir sagen, dass auffallenderweise das
allein richtige Brosame (altd. brosamä, wahrscheinlich aus brohsama, das
verbum brohoson confringere voraussetzend) im Druckfehlerverzeichnis in
das unbedingt verwerfliche Brotsame verschlechtert ist.
So wie an durchgängiger Correctheit des Stils, so vermag dies Lese-
buch auch an Reichhaltigkeit des Inhalts, geschmackvoller Auswahl und
Anordnung des passenden Lesestoffs mit dem entsprechenden Band des
Mozart'schen Lesebuches sich nicht zu messen. Die harmonische Pflege
idealer und realistischer Bildungsmomente verleiht den Lesebüchern Mozart's
fürs UG. den Charakter eines einheitlichen Ganzen. Ein Vorzug, dessen
wohlthätige Folgen im Unterrichte der Referent durch jahrelange Erfah-
rung beobachtet zu haben glaubt. Auch in dieser Beziehung hat der Hr.
Verl, das Lesebuch Mozart's sich zum Muster genommen, doch ohne dasselbe
zu erreichen, geschweige denn zu übertreffen. Erwägt man jedoch die ein-
gangs angegel^ne eigene Tendenz des vorliegenden Buches und die dadurch
bedingte besondere Einrichtung desselben, so kann die Einführung des-
selben in Schulen, in welchen die Mehrzahl der Schüler dechischer Zunge
ist, nichts anders als empfohlen werden. Dass der Preis dieses Buches um
etwa 20 kr. ö. W. höher steht als jener des entsprechenden Mozart'schen
Bandes (72 kr.), mag durch die geringere Aussicht auf Absatz gerecht-
fertigt sein.
1, J, G. Fr. Cannabich's Schulgeoarnphie. Neunzehnte Auflage.
Zum zweiten Male neu bearbeitet von Dr. Friedrich Maximilian Oertel,
zweitem Professor und Lehrer der Geschichte und Geogranhie an der königl.
Sachs. Landesschule zu Meissen. Weimar, Voigt, 1865. kl. 8. 274 S.
Wer die vorliegende Bearbeitung des Lehrbuches mit den altern
806 Literarische Notizen.
Sewagt sind oder auf subjectivem Belieben Auflafj^en desselben vergleicht,
er würd die Mühe nicht verkennen, welche auf die Verbesserung dieses
Lehrmittels verwendet wurde. Bei den vielen Berichtigungen und Zusätzen,
welche das Buch hat erfahren müssen, ist es erklärlich, wenn noch hie
und da einzelne Unebenheiten zurtickblieben , wie z. B. S. 134, 135, 137,
Angaben bei einzelnen Orten wie Gastein, Klagenfurt, Olmütz, die nicht
ganz zutreffen. Im Ganzen ist jedoch die umfangreichste Partie des Lehr-
buches, die politische Geographie, sorgfältig durchgesehen und verbessert
worden. Dagegen bleibt dem HerauseelSr noch immer eine wichtige Arbeit
tlbrig, der er sich auf die Lange der Zeit nicht wird entziehen können,
wenn das Lehrbuch den jetzigen Anforderungen entsprechen soll, wir
meinen eine mehr zusammenhängende und ausfuhrliche Darstellung der
oro- und hydrographischen Momente. Cannabich^s Entwurf hat, wie über-
haupt alle älteren Lehrbücher, diesen Momenten nur eine untergeordnete
Stelle eingeräumt; die Bahn, welche Sydow's Wandkarten gebrocnen, be-
weist, dass diese Momente die Grundlage sind, auf welcher die politische
Geographie aufgebaut werden solle. Die Ausstattung des Buches ist gut.
2. Schuf^eographie. Elfte, wesentlich verbesserte und vermehrte Be-
arbeitung des Leitfadens für den geographischen Unterricht von fmst von
Seydlitz. Gröfsere Ausgabe. Mit 51 in den Text gedruckten Abbildungen
und geographischen Skizzen. Nebst einem geographisch - geschichtlichen
Namen- und Sachregister. Breslau, Hirt, 1865. kl. 8. 286 S.
Kleine Schulgeographie, kleinere Ausgabe der elften Bearbeitung des
Leitfadens.
Die neue Bearbeitung der Lehrbücher von Seydlitz, über die wieder-
holt in diesen Blättern referiert wurde, rechtfertigt das früher bereits ab-
gegebene ürtheil, dass diese Lehrbücher mit Umsicht und Sachkenntnis
verbessert und für den Schulunterricht eingerichtet werden. In dieser Auf-
lage ist namentlich den statistischen Momenten eine besondere Sorgfalt
gewidmet und erstrecken sich die Berichtigungen und Zusätze in gleicher
Weise auch auf die Länder des österreichischen Kaiserstaates. Die Anzahl
der Skizzen ist um drei vermehrt, die älteren Skizzen wurden revidiert und
zum grofsen Theile gleich den der Menschen -Racen neu im Holzschnitt
ausgenihrt.
3, Wiederholufigshw^h zu den Charakterbildern aus der Geschichte
utid Sage von A. W. Grube. Leipzig, Brandstetter, 1865. 8. 70 S.
Das vorliegende Büchlein verdankt seine Entstehung der Aufforde-
rung von sehr achtbaren Schulmännern an den Hm. Vf., zu seinen Ge-
schichtsbildern noch ein Repetitionsheft zu geben. Statt eines zum Aus-
wendiglernen bestimmten Auszuges hat der Hr. Vf. ein Wiederholungsbucb,
bestehend aus Fragen zusammengestellt, welche sich mit dem Inhalte seiner
Geschichtsbilder beschäftigen. Diese Fragen, welche der Repetent neben
seinem Geschichtsbuche vor Augen haben und nach deren Anleitung den
Stoff wieder durcharbeiten soll, sind vorzugsweise für die häusliche Repeti-
tion bestimmt und können einzelne derselben, wo Zeit und Kraft vorhanden
ist, auch schriftlich beantwortet werden.
Den Vorgang in seinem Wiederholungsbuche rechtfertigt der Hr.
Vf. mit der Bemerkung, dass das Auswendiglernen von Namen und
Zahlen nur dann von Nutzen sei, wenn der Schüler mit eigener Thatig-
keit in seiner Wiederholung zuvor inwendig gelernt, selber für das
Inwendiglernen gearbeitet habe ; und die Wiederholung bestehe nicht
in dem blofsen Wiederdurchlesen des Lehr- und Handbuches, auch genüge
es nicht, dass der Lelirer das Vorgetragene fragend und nachhelfend wieder-
hole: den Schülern müsse Anleitung gegeben werden, dass sie selber das
Wiederholen lernen. ~ Die Winke, welche der Hr. Vf. in diesen Ansichten
über den Geschichtsunterricht niederlegt, sind im ganzen richtig; das was
über Verwcrtliung des Gelesenen hier gesagt wird, lässt sich eben so gut
auf den Vortrag des lichrers anwenden. Soll nämlich das Gelesene oder
Vorgetragene, kurz das einmal Gelernte sich auf lange Zeit, wo mög-
Literarische Notizen. 607
lieh auf immer einprägen, so ist es, sagt Herbart (ümriss pädagogischer
Vorlesungen. 2. Auflage. Göttingen, 1841. §. 82, 2), nur ein zweideutiges
Mittel, das nämliche immer von neuem, so oft es vergessen war, zum
Memorieren aufzugeben. Der Ueberdruss kann CTöfser werden als der Gewinn.
Es gibt nur ein tüchtiges Mittel, und das ist uebung durch beständige An-
wendung im Zusammenhange mit dem , was wirklich interessiert. Auf den
historischen Unterricht angewendet besteht dieses Mittel darin, dass der Stoff
durch zweckmäfsige Fragestellung von verschiedenen Gesichtspuncten durch-
gearbeitet wird. Die ZweckmäTsigkeit der Fragestellung wird beding theils
durch die Materie selbst, theils durch die Entwicklungsstufe derjenigen,
an welche die Frage gerichtet wird. Diese bedingenden Momente können
nan bei einem Lesebuche , wie die Ge^hichtsbilder es sind , nicht in jener
Schärfe hervortreten, wie dies bei jenem historischen Stoffe der Fall ist,
welcher in dem Schulunterrichte gewöhnlich geboten wird, wo zwei bis
drei Stufen des historischen Unterrichtes unterschieden werden. Und darin
mag jene Ungleichmäfsigkeit in der Fragestellung ihre Erklärung finden,
wenn Fragen, wie z. R „Woher der Name: „freie Maurer** ? Was verstand
man unter einer Bauhütte und wo waren die grofisen Bauhütten ? Welches
sind die beiden gröfsten und ehrwürdi^ten Denkmale mittelalterlicher
Baukunst? Wann war der Kölner Dom r)egonnen, wann d«r hohe Chor
vollendet? Wie viel FuTs Höhe erreichte dieser? Wie viel FuXfe der Biesen-
thunn von Strafsburg?** — eine Frage beigesellt wird: „Wie spiegelte sich
der christliche Sinn und Geist in der ganzen mittelalterlichen Baukunst?**
Abgesehen jedoch von derlei etwas weit gehenden Fragen, deren es im
ganzen wenige gibt, ist die Einrichtung des Wiederholungsbuches wol
geeignet, einer fmchtigen Leetüre der Charakterbilder vorzubeugen, voraus-
gesetzt, dass die Lehrer selbst den entsprechenden Antheil an der Controle
Übernehmen.
i. lieber Sichtskarte des Alpen- Systems, für den Schulgebrauch ent-
worfen und gezeichnet von Hermann von Baczko, Hauptmann und Com-
paffnie-Chef des Cadettencorps in Wahlstatt. Lith. Druck und Verlag von
C. Flemniing in Glogau. Mit einem Begleitworte unter dem Titel: An-
leitung zum Gebraucn der Uebersichtskarte des Alpensystems von Hermann
von Baczko.
Obwol es an Karten des europäischen Alpengebietes in den Atlanten
nicht fehlt, so leiden noch viele derselben, wie der Hr. Vf. mit Recht her-
vorhebt, an zwei Gebrechen: einmal enthalten sie nicht auf Einer Bild-
ffäche die Darstellung des Gesammt^ebietes, dann ist, was die Ausführung
in der partiellen Darstellung betrifft, gerade das Zuviel des Details ort
störend. Die Einsicht in diese Uebelstände, sowie die Erfahrung, welche
sich der Hr. Vf. durch einen mehrjährigen Unterricht erworben, bestimmten
denselben diese Karte zu entwerfen (im Mafsstab von 1 : 2,500000), worin
folgende Gesichtspuncte mafsgebcnd waren:
1. Die Eintheilung des Alpengebiets soll in gröfscrer Schärfe anschaulich
(durch Colorierung) dargestellt werden.
2. In der Urographie .sollen die Hauptketten von den Nebenketten genau
unterschieden und der Zusammenhang der verschiedenen Ketten er-
sichtlich gemacht werden.
3. In der Hydrographie soll das Flusssystem namentlich durch präcise
Hervorhebung der Quellengebiete genau bestimmt werden.
4 Auf Grundlage einer genauen Bestimmung der oro- und hydrographi-
schen Momente sollen die Communicationen (Pässe, Strafsen, Eisen-
bahnen etc.) 80 wie die Lage der Orte ersichtlich gemacht werden.
Wie man sieht, so spiegelt sich in den Gesichtspuncten der me-
thodische Vorgang des Hr. Vf. bei seinem Unterrichte ab, und wir werden
nicht in der Annahme irren, dass diese Karte das Resultat der Bemühun-
gen des Hr. Vf. ist, seinen Schülern auf der Tafel ein klares und ansehau-
Uohes Bild von dem Alpengebiet zu verschaffen. Und derlei praktische Er-
folge auB dem Sehulieben verdienen jederzeit eine Beachtung, weshalb wir
008 Literarische Notizen.
diese Karte als einen Beitrag zur methodischen Behandlung eine« ftr Geo-
graphie und Greschichte hödist wichtigen Objectes willkommen heiüaen.
2, FlusS' und Gebirgskarte von Deutschland. Nach Di eh Ts plasti-
scher Darstellungsart auf Stein gezeichnet von E. Serth. Bl. L Süd*
Deutschland. Verlag von J. P. Dienl in Darmstadt
Auch diese Karte (im Mafsstabe von 1 : 2^000000) hat zum Greeen-
Stande die Darstellung des Alpengebietes. Die Vortheile, welche Diehl's
Darstellungsart bietet, sind bereits bei der Anzeige seines Schalatlas her^
yorgehoben worden, und es ist jedenfalls als ein erfreulicher Fortschritt
zu oezeichnen , dass die Flusszeichnung nirgends durch die Schraffierung
der Gebirgstheile in Schatten gestellt wurde, weshalb der Gesammteindnick
des Bildes als ein wirksamer Dezeichnet werden kann.
Dagegen lässt die Detailausführung an einzelnen Stellen eine nach-
bessernde B^nd als wünschenswerth erscheinen. So ist z. B. das Quertbal
des Inn bei Cemez nicht genug hervorgehoben ; die Zeichnung der Drau
von Toblach bis Lienz fehlt ganz, auch das Verhältnis des Glanflusses zum
Gurkflusse ist nicht genau gegebe \ Eine Anhäufung von Zuflüssen ist
Ciss nicht zu billigen; allein wo es sich um Zuflüsse handelt, die eine
dschaft charakterisieren, da vermisst man selbe ungern, wie z. B. bei
der obem Salza im Pongau, die Zuflüsse Steyer und Salza bei der Eons. Im
obem Draugebiete hätte der Weissen- der Millstädter-See noch Baum
finden können.
3. Als Ergänzung zu dem Sydow'schen Gradnetzatlas in 16Kar^
ten (Gotha, J. Perthes) ist eine ^Cfradnetzkarte für das KaiserÜMm OesUr-
reim"' erschienen.
Die Zweckmäfsigkeit dieses Lehrmittels ist allgemein bekannt und
anerkannt; der Preis, 1 Ngr. für das Blatte ermöglicht den wirklichen
(gebrauch.
Programme österreichischer Gymnagien und
Realschulen.
(Fortsetzung v. Hft. VU. S. 520.)
I. Abhandlungen philologischen und linguistischen Inhaltes.
1. Conrad Pasch, Die Frage über die Entstehung oder den Dichter
des Nibelungenliedes. (Programm des k. k. Gynmasiums zu Cilli 1864.)
2. Joh. Tuzina, Die üntersuchunaen über die Entstehung des
Nibelungenliedes. Ein geschichtlicher üeberDlick. (Jahresbericht der Ober-
realschule zn Ellbogen 1865.)
Es ist zwar nicht sehr erfreulich, aber für die wissenschaftlichen
Zustände Oesterreichs bezeichnend, dass in der Heimat des Nibelungenliedes
aufser Prof. Dr. Fr. Pfeiffer*s akademischem Vortrag über den Dichter kein
Werk von irgend einer Bedeutung über dasselbe erschienen ist, während
Nord- und Suddeutschland wetteifert in der Erforschung und Erläuterung
des Nationalepos. Die gutgemeinten Untersuchungen des oberösterreichi-
schen Ritters von Spaun (1840—44) und Wilhelm Gärtner's Entdeckungen
des Konrad von Göttweih (1856^ können nur aln literarische Curiositäten
feiten. Erst nach geraumer Zeit fanden hier Lachmann's Forschungen
lingang^ und die Vertreter von Holtzmann's gegentheiligen Ansichten trafen
hier noch frischen Boden. An dem literarischen Kampfe „um der Nibelungen
Hort" seit 1864 nahm hier meines Wissens nur Josef Hermann öffent-
lichen Antheil, der sich in einem Schriftchen „über Lachmann's firitik*
n.855) von den Lehren seines Meisters Prof. Bahn lossagte. In neuester
Zeit hat sich ihm ein Schüler Prof. Pfeiffers, M. Thansing in seinen
Literarische Notizen. 609
-Nibelungjenstudie«** (1864) angeschlossen. — Mehr als für die gelehrte
Forschung ist Ar die Popularisierung der alten Sage in Oesterreich ge-
schehen. HebbeTs Nibelungentragoedie, die von Wien ausgegangen, ist in
erster Reihe zu nennen; dann ist Sage und Dichtung durch die österrei-
chischen Schulbücher verbreitet worden und hat das Interesse der Jugend
Seweckt. — Zu den Schriften, welche geeignet sind, die Theilnahme für
as Edos in weitern Kreisen zu wecken, möchten wir auch die beiden vor-
Hegenaen Abhandlungen rechnen. Beide belehren in allgemein fasslicher
Weise über den Gang und den Stand der Untersuchungen, die man in Deutsch-
land in Bezug auf das Nibelungenlied angestellt, ohne sich auf eine gründ-
liche Prüfung oder selbständige Würdigung der kämpfenden Parteien ein-
zulassen. Pasch sieht in PfeiflFer's Vortrag die Frage nach dem Dichter
erledigt, Tn^ina konnte noch die vermittelnde Lösung der Nibelungen-
frajpe durch Karl Bartsch (1865) in seineu „geschichtlichen Ueberblick**
au&ehmen. Erst^rer geht in seiner Darstellung von Lachman aus, letz-
terer greift bis Bodmer zurück und ist auch insofern vollständiger, aber
die o&n genannten österreichischen Schriften ignorieren beide; Pasch über-
j[eht sogar die Vertheidiger Lachmann's gegen Holtzmann. — Für gebil-
dete Laien und strebsame Schüler haben diese Abhandlungen dessenun-
geachtet ihren Werth und sind darum nicht ohne Verdienst..
3. E, Kurz, Das Wiederaufleben detUscher Dichtuna in Oester-
reich seit der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. (Jahresbericht
der Landes-Oberrealschule zu Krems 1864.)
Der Herr Verfasser bezeichnet seine Arbeit als schwachen Erstlings-
versuch zur Herstellung einer österreichisch-deutschen Literaturgeschichte,
bekennt nur Hilfswerke benützt zu haben und will nur Auswahl, Zusam-
menstellung und vielleicht Andeutung des Planes als sein Eigen betrachtet
wissen. Niemand wird auch von einer Programmabhandlung eine gründ-
liche Bearbeitung eines so umfassenden Themas erwarten, und wird be-
friedigt sein, wenn er den Plan in allgemeinen Zügen entwickelt findet.
Diese Schrift gewährt aber dem Leser diese Befriedigung nicht. In der Ein-
leitung heiflst es, dass der Stoff in zwei Abschnitte geordnet sei, wovon der
erste die Zeit der Revolution, der zweite die Zeit der Reaction dar-
stelle. Zugegeben, die Eintheilung einer österreichischen liiteraturgeschichte
nach diesen politischen Gesichtspuncten sei die richtige, so wird man ge-
rnt sein, wie der Herr Verfasser das Verhältnis der Schriftsteller zu
grollen weltgeschichtlichen Bewegungen auffasst, und ist überrascht
zu finden, dass diese leitende Idee in der eigentlichen Darstellung fast ganz
fidlen gelassen wurde, und die Dichter nach SBsthetischen Momenten, Lyrik,
Epik und Dramatik geordnet erscheinen. Fast alle Bemerkungen über Schrift-
steller und Werke sind rein biographischer oder sesthetischer Natur. — Dass
manche, wie Adalbert Stifter, zu wenig gewürdigt werden, liegt wol in
den engen Grenzen des Programmaufsatzes. Auffallend aber ist es, dass
MlUiner, wie Tschabuschnigg, Alfred MeiXlsner, Moriz Hartmann u. a. (auch
Sealsfield hätte dem Hrn. Verf. schon bekannt sein können) gar nicht ge-
nannt sind, dass unter den Werken Anastasius Grün's der „Pfaffe vom
Kahlcnberg« (1850) fehlt, und der Mörder Kotzebue's Georg Sand (statt
Karl) genannt wird. Die Eintheilung der österreichischen Literaturgeschichte
in ein Zeitalter der Revolution und Reaction möchte Referent übrigens nicht
als die richtige' anerkennen. Denis und seine Zeitgenossen stehen der Re-
volution geisrag viel zu ferne, als dass sie als Vertreter derselben gelten
könnten. Und wie wenig passend für das 19. Jahrhundert der Titel Reac-
tion ist, geht schon daraus hervor, dass auch Lenau und Grün unter
dieser Firma aufgeführt werden müssen. Die österreichische Literatur kann
vor allem nach mren Verhältnissen zui allgemeinen deutschen eingetheilt
werden, wird aber auch hie und da eigenthümliche politische und Ästhe-
tische Gesichtspuncte bieten, die in den speciellen österreichischen Verhält-
nisscn liegen.
Wien. A. Egger.
Vierte Abtheilung,
Miscellen.
Ueber die Bedeutung der Namen Europa, Asia,
Afrika.
Die Namoii, mit welchen die drei Erdtheile der alten Welt be-
zeichnet werden, sind semitischen und zwar phönizischen Ursprungs. «An-
fangs hatte**, so bemerkt Herodot, ^ Europa so wenig als die andern Erd-
theile einen Namen." IV. 45. Erst nachdem die kühne Schifffahrt der Phö-
nizier die Länder erschlossen und das Getrennte und Einzelne f&r die An-
schauung zu einem Ganzen verdunden hatte, können die drei Erdtheile ihre
Namen erhalten haben. Diese semitischen Vocabeln bezeichnen das Ver-
hältnis der drei Continente zu den: Mittelmeere, und zwar ¥on dem Stand-
puncte Phöniziens aus. Es sind Schifffahrtsausdrücke der Phönizier, welche
eben deshalb erst spät bei den übrigen Völkern, deren geographischer Ge-
sichtskreis weit enger war, für die Geographie in Aufnahme gekommen sind.
In den hebräischen Schriften fehlen diese Namen, obwol eine An-
zahl Völker aus den drei Erdtheilen genannt werden, I Mos. 10, ebenso steht
dem engen Gesichtskreise der homerischen Geographie noch die Anschauung
dreier grofser Continente fern, aus dem Nebel seines Jahrhunderts können
die Namen Europa, Asia, Afrika noch nicht auftauchen, die den sidonischen
Männern wol längst schon geläufig waren.
Die Bedeutung und das sprachliche Verständnis dieser drei Namen,
deren Ursprung auf die älteste Periode der phönizischen Seeherrschaft um
1300 V. Chr. zurückdatiert werden muss, war um das Jahr 450 v. Chr., ah
Herodot seine Geschichte schrieb, schon vollständig erloschen — eine Folge
der starken Formänderung, welche diese Worte im Laufe eines Jahrtau-
sendes erfahren hatten. Das griechische und römische Alterthum hatte den
Schlüssel der Erklärung verloren und man musst« sich bis zum heutigen
Tage mit mythologischen Namen begnügen.
Das es aber den Forschern des Alterthums keineswegs gleichgiltig
war, die Frage um den Ursprung dieser drei Namen zu lösen, sehen wir
am deutlichsten ans den Bemühungen des Herodot. „Ich kann", sagt Hero-
dot, „keinen Grund dafür finden, weshalb die Erde, die doch nur Eine ist,
drei Namen trägt, die nach den Namen von Frauen ffebildct sind." IV. 45.
Wie wenig diese Art der Erklärung von Europa, Asia, Libva den zweifelnden
Herodot befriedigt, ersehen wir aus seiner skeptischen Haltung gegenüber
der mythischen Tradition. „Wir müssen", sagt er, „es bei diesen Annahmen
bewenden lassen." IV. 45. Die Nainen der Erdtheile waren Hieroglyphen
geworden, deren Entzifferung iiiclit jErelingen wollte. Die Erklärung der-
selben auf Grundlage der phönizischen und der hebräischen Sprache ergibt
folgendes :
Miscellen. 611
Für die Phönizier war Europa das Abendland^ sie erst nannten
diesen Continent Europa, d. h. Aoendland, denn ereb bedeudet der
Abend.
Das Land, welches den Phöniziern diesseits des Mittelmeeres lag,
nannten sie das diesseitige. Asia, enstanden aus hazeh — dieses da —
bedeutet das diesseitige Land.
Das Land jenseits des Mittelmeeres nannten die Phönizier Afrika —
der Stamm ist afer — das jenseitige Land, denn eher bedeudet jen-
seitig. Hieraus erklärt sich das Auffallende, dass in der Geographie des
Alterthums (Herodot IV. 39) Acgypten nicht zu Afrika, sondern zu Asien
ffchört, weil es für Phönizier weniger jenseits als ,vielmehr diesseits des
Meeres liegt.
So weisen diese drei Namen, ereb, hazehy eber, die auch sonst noch
als geographische Bezeichnungen viefach auftauchen — Europus Oropus
ArtwiOy loeria Iberus Ebora Hibernia Iverna ebur Hebräer Ophir —
wie Strahlen auf Phönizien als ihren Ausgangspunct hin und zeigen uns
dieses alte Cu}turland als die Geburtsstätte der Erdkunde. Das phönizische
Volk, welches schon in der Zeit des Neko den grofsen Gedanken einer Um-
schulung Afrikas zur Ausftihrung brachte, wkundete eine erofse welt-
historiscne Sendung dadurch, dass es seine Cultur gleich einer Leuchte den
rohen Völkern en&egen trug und auf dem Wege des Handels zugleich
der Bildung und Wissenschaft Bahn brach.
Dieses friedliche Volk wird durch den Mythus von Kadmus und
Europa als Brudervolk Europas bezeichnet. Kadmus — kedetn — der
Orient, Europe der Occiaent — dies ist die Bedeutung der Namen —
sind Geschwister, und ihre Völker sind eines Ursprungs. Die älteste euro-
päische Cultur erblühte unter phönizischem Einflüsse in Kreta, wohin Zeus,
wie es heifst, die Europe über das Meer entführte. Dem Herodot bereitet
der Name Europa, den er nicht zu deuten weifs, wie auch der Mythus,
unüberwindliche Schwierigkeiten, die er mit der Verzichtleistung auf eine
Losung in folgender Weise ausspricht: „Was Europa anbelangt, so ist uns
keine Kunde zugekommen, weder ob es rings mit Meer umgeben ist, noch
woher es seinen Namen erhalten hat, noch auch wer diesen Namen j?e-
geben hat, falls wir nicht sagen wollen, dass dieser Erdtheil von der Eu-
ropa aus Tyrus den Namen erhalten habe. Vorher also war es ohne Na-
men, sowie die andern Erdtheile. Die Europa stammt, wie es scheint, aller-
dings aus Asien, ist aber nicht in dasjenige Land gekommen, welches jetzt
von den Griechen Europa genannt wird, sondern etwa aus Phönizien nach
Kreta und aus Kreta nach Lycien. Doch genug hiervon, denn wir müssen
es bei den üblichen Annahmen bewenden lassen. ** IV. 45.
Kreta war, wie die Mythologie zeigt, das erste Land, an welchem
sich der Name Europa fixierte und von da aus erweiterte sich die phöni-
zische Kunde des Aoendlandes, so dass der Begriff Europa einen immer
reicheren Inhalt erlangte, desgleichen auch die Begriffe Asia und Afrika.
Hat auch keine schriftliche Aufzeichnung die Kunde überliefert, dass
die Phönizier es sind , welche die Erdtheile der alten Welt benannt haben,
so tragen die Namen in ihrer harmonischen Zusammengehörigkeit doch
diesen Beweis in sich selbst und treten nach zweitausendjähriger Vergessen-
heit wieder an das Licht des sprachlichen Verständnisses.
Neisse. Dr. Krause.
Zu Tacitus Histor. Hb. 1. IL
In der Teubner'schen Sammlung commentierter Schulausgaben hat
vor einiger Zeit der durch seine kritischen Arbeiten über Tacitus bekannte
and geschätzte K Heraus die ersten beiden Bücher von Tacitus Historien
herausgegeben. Die Ausgabe wird durch ihren inneren Werth und ihre
ÜVt Miscellen.
Zweckmäßigkeit sich gewiss bald Ausbreitung in den Schulen versebaffen,
um so mehr, da sie eine in der ähnlichen Weidmännischen Sammlung bis-
her noch gebliebene empfindliche Lücke ausfüllt. Im Nachfolgenden soll
nicht eine eigentliche Recension dieses Buches gegeben, sondern es sollen
nur einige Stellen besprochen werden, in denen eine Aenderung der An-
merkungen wünschenswerth scheint oder ein Zusatz; in letzterer Hinsicht
ist es freilich schwer das einzuhalt-ende Mafs mit voller Sicherheit zu be-
stimmen.
Lib. I cap. 2 heifst es von den delatores : (dii 8€u;erdotia et c<m8tdat%u
ut spolia adepti. Hier verdiente der Sarcasmus delatores . . . tU spolia
adepH eine kurze Bemerkung. Die delatores, die in ehrloser Weise durch
geheime Machinationen ihre Opfer verderben, erhalten dafür Consulate und
Priesterthümer, besonders der Verurth eilten, zum Lohne, als hätten sie ihren
Feind im offenen, ehrlichen Kampf« besiegt und ihm seine Rüstung abge-
nommen. In ähnlicher Weise sarcastisch ist Agr. 45 von dem Angeber des
Arulenus Rusticus gesagt; una adhuc victoria Carus Metixis censehatur.
— ibid. fin. quUms deerat inimiais, per amicos oppressi. U, 63 vernichtet
der Prätor Plancius Varus seinen intimen Freund Dolabella durch seine
Anzeige; IV, 1 werden reiche Römer den siegreichen Soldaten Vespasian's
zum Behufe der Plünderunj? von ihren Freunden verrathen (alii ab atnicis
monstrabatUur) ; ibid. cap. 10 P. Celer, testis in Bareanu proditor amicir
tiae ; Ann. IV. 33 fallnces amicitias wie XVI, 32 von P. Egnatius (emptus
ad opprimendum amicum).
cap. 10 verdient nuüis honisqtie artihus mixttts eine Bemerkung:
es ist mivtusy wie sehr oft bei Tacitus, auf die Person (das Subject) Mu-
cianus bezogen, statt auf den Abi. artihtis. Ebenso cap. 9 fin. exercUus —
nee vitiis nee tnribus mücebantur. Anders cap. 65 von den Lugdunensem
und Viennensern : uno amne discretis connexum odium , wo man mit Be-
ziehung auf das ))ersönliche Subject erwartete : discreti connexi odio. Auf
die Wahl des Dativs discretis scheint dort das vorausgehende aemiUatio
et invidia eingewirkt zu haben, denen entsprechend auch der Nom. odium
gesetzt wurde.
cap. 11 post experimentum domini minoris, ist es uns unmöglich, in
domin^i minoris „den Ausdruck bitteren Hohnes über seine (des Clodius
Macer) Tyrannei** zu finden. — cap. 20 ist gesagt, dass In Xii htswürdigen,
die Nero so reichlich beschenkt hatte, von air den ungeheueren Summen
nur die instrumenta vitiorum geblieben waren. Diesen Ausdruck erklärt
H. in der Note: „Die Einrichtung, das Mobiliar** synonym mit supeUex.
Allein dann passt der Plural vitiorum nicht, der doch anzeigt, dass von
verschiedenen Lastern die Rede ist, auf deren Befriedigung das von Nero
verschwendete Geld vergeudet worden. Darum möchten wir es vorziehen,
mit Ruperti unter instmmenta vitiorum die gefräfeige Kehle, die luxuriös
ausgestatteten Bäder und die Maitressen (gtdifi, bfdnea, scorta) jener Günst-
linge Nero's zu verstehen. — cap. 22, Z. 3 ist es wenigstens nicht noth-
wendig, regnorum lilndin^s mit Ritter concret aufzufassen, als: Gegenstände
despotischer Willkür (Laune) oder: Gegenstände der Wollust.
cap. 31, Z. 16 Germanica i^exilla diu ntttavere. Nach Suet Galbt
cap. 20 machten sie sich auf den Weg . um Galba zu unterstützen , kamen
aber zu spät, weil sie sich auf dem Wege verirrten.
cap. 33 sagt ein Theil der Anhänger Galba's: occurrendum discrimini:
id Othoni invidiosius etc. Diese Voraussagung bewährte sich ; siehe II, 31,
wo es von Otho heifst: addiderat huic terrorem atque odium caedes Galhae.
— cap. 34 fin. erscheint der Relativsatz in der von arhitrabantur abhängi-
gen oratio obliqua (qui . . . vulgaverint) in der Anmerkung aus Versehen
als abhängiger Fragesatz , vielleicht veranlasst durch Nipperdey's Note zu
Ann. 1 , 61 , wo er unsere Stelle aus den Hist. citiert. — cap. 37 , Z. 11
scheint uns deditos ein nachträglich in den Text gedningenes Glossem zu
dem nachfolgenden Relativsatze (quos deprecantes in fidem acceperat) zu
Btin, wenn nicht durch die Häufnng das grausame der That hervorgehoben
werden soll.
Miscellcn. 018
cap. 45 init. kann cdium crederes senatum, alium populwn — um
die plötzliche , nur durch die Gesinnungslosigkeit des Senates und Volkes
motivierte Sinnesänderung zu bezeichnen, passend übersetzt werden: 'aus-
gewechselt schien der Senat, ausgewechselt das Volk.' — cap. 47 contHcia
ac probra, quae pramiscue iacta haesisse animo eins (Othonis) nemo sensit.
cf. Sali. Jug. 11 quod verbtwi {Hiempsalis) inpectus Jugurihae altius quam
quisquam ratus erat, descendit. — ibid. Z. 7 verlangt per stragem iacen-
Hum eine Verweisung auf cap. 40 disiecta plehe , proculceUo senatu . . .
forum inrumpunt
cap. 48, 10 ist stuprum reflexiv oder passiv zu nehmen : sie waete es,
sich schänden zu lassen. — Was die CharaKt^rschilderung des T. Vinius,
wie sie in diesem Capitel gegeben wird, anbelangt, so konnte in einer An-
merkung kurz berührt werden, dass es einigennafsen auffällig ist, wie
Tacitus den T. Vinius, von dem er doch selbst sagt, er habe sein Leben
vari^is moribus zugebracht, dem er nur zwei (freilich arge) fUtgitia vor-
wirft, während er auch Gutes an ihm anerkennt — wie also Tacitus diesen
Mann cap. 6 so schlechtweg deterrimus nwrtalium nennen konnte Diese
allzu grofse Strenge des Urtheils lässt sich, wenn man nicht der tacitei-
schen Rhetorik einen Einfluss gestatten will, wol aus den aristokratischen
Grundanschauun^en unseres Scnriftstellers erklären, denen zufolge ihn jene
beiden Ehrgefühl und Anstand so grob verletzenden, ganz plebejischen
flagitia des T. Vinius auf das tiefste empören mussten.
cap. 49 init. ist folgende Stellung der Worte überliefert: Galbae
corpus, diu neglectum et licentia tenehrarum plurimis ludibriU vexatum
dispensator Argius . . . humüi sepultura . . . contexit. Hier hat H. die
Worte licentia tentbrarum mit Döderlein und Halm nach vexatum gestellt,
^nachdem schon Jacob, der die beiden Worte vor contexit stellte, erkannt
hatte, dass nicht sowol der rohe Pöbel zur Mishandlung des Leichnams,
als der mitleidige Sclave zur Beerdigung des Schutzes der Nacht benöthigt
war." Allein licentia tenebrarum heifst nicht „unter dem Schutze der Nacht**,
zu dessen Bezeichnung man eher obtentu noctis (wie Hist. II, 14) oder ähn-
liches erwarten würde, licentia hat vielmehr einen schlimmen Sinn : Ztigel-
losigkeit, die Freiheit, mit der man sich herausnimmt, das zu thun, was
man nicht thun sollte, cf. c. 72 volgi licetitia; 82 licentiam in omnes;
U, 49 const emotione ac licentia militum; ibid. 64 Triariae licentiam mit
seinem Gegensatze modestum exemfiHum etc. So pa.sst also licentia tenebra-
rum sehr wohl zu plurimis ludibriis vexatum, von dem es nicht zu trennen
ist, und für den rohen Pöbel, der unter dem Deckmantel der Nacht (in
nächtlicher Zügellosigkeit) seinem Muthwillen und seiner Bestialität erst
recht die Zügel schiefsen lässt — aber nicht für den mitleidigen Sclaven,
der seinem unglücklichen Herrn die letzte Ehre erweisen will.— ibid. Z.ll
ist von Galba's sträflicher Indolenz und Gleichgiltigkeit (also Willens-
schwäche) die Rede, mit der er gute und schlechte Freunde und Freigelassene,
je nachdem sie ihm durch eine Laune des Zufalls zu Theil geworden, hin-
nahm und ertrug. Im Texte heifst es nun: amicorum libertorumque , übt
in bonos incidisset, sine reprehensione patiens, st mali forent^usque ad
culpam ignarus. An diesem ignarus, das in unanpnessener Weise eine
Ver Standesschwäche bezeichnen würde, haben bereits Acidalius und Hein-
sius Anstofs genommen, während z. B. Walther die Ueberlieferung vertheidigt.
Die beiden genannten Gelehrten machten den scharfsinnigen, auch in palao-
graphischer Hinsicht acceptablen Vorschlag, ignavus zu lesen (mit Bezug-
nahme auf das nachfolgende segnitia). Vielleicht ist jedoch im Med. etwas
anderes als dieses Verschreiben von v (u) zu r eingetreten. Es dürfte
nämlich der Genetiv amicorum libertorumque , der nachdrücklich an die
Spitze des Satzes gestellt ist und dann in zwei Glieder {uhi in bonos in-
cidisset und si nuui forent) gctheilt wird, der Construction nach nicht blofs
zu sine reprehensione paiiens, sondern auch zu dem Glicde usque ad cul-
pam gehören. Demnach wäre also patiens nach sine reprehensione zu strei-
chen und erst nach usßue ad culpam zu setzen. Irgend ein Abschreiber
mochte dann schon bei sine repreh^nsioiH dieses patHn9 Tennissen, und
614 MiHoellen.
setzte es hinauf: und die dann nach tisque ad culpam entstehende Lücke
wurde später durch das unpassende igtiarus ergänzt. Patiens bezeichnet
treffender als ignaims diese Hinnahme guter ^wie schlechter Freunde von
Seiten Galba's. Aufserdem würde dadurch, dass trotz der Trennung des
an den Anfang des Satzes gestellten amicorum libertorumque in die bei-
den Sätze mit uln und sH, trotz der beiden Gegensätze sine re^ehensione
und uaque ad ctdpam der eine Ausdruck jpa^i'ens ^emeinschaftüch zu allen
wäre, die auch bei dem Wechsel der Umstände sich immer gleichbleibende
und durch nichts zu erschütternde Indolenz des Galba schon durch die
äufsere Form psssend angezeigt sein.
Die Note zu c. 50, Z. 11 noia — nomina möchten wir als über-
Üüssig streichen, weil jeder Octavaner die dort angeführten Daten entwe-
der weiTs, oder doch leicht in einem geschichtlichen Handbuche findet —
c. 52, 4 ist ambiiione wol ebenso, wie 83, 3 ambitiosum imperium erklart
ist, durch „Haschen nach Gunst" zu interpretieren. — ibid. Z. 17 ist die
Note zu male fidaa zu ausführlich, da dieser Gebrauch von male ohnehin
schon c. 17 erwähnt worden. Es genügte eine einfache Vorweisung. ~
57, 9 konnte zu ingenio vfdidus das ganz gleiche Ann. II, 83 citiert wer-
den. — c. 59 init. ist ferox wol 'trotzig' = leicht reizbar — nicht „kampf-
lustig", wie es H. erklärt. Auch cay. b8 helfst es nichts anderes. — imd.
Z. 7 damnatos fidei cnmine, gravissimo inter desdscentes cf. cap. 31, 13
das von Longinus gesagte: fidm pruicipi suo et desdscentibtu Sfispectior
erat. — cap. 62, 7 ist in der Anmerkung das Geringschätzige, das in
sagi^m gravis liegt, durch die verblasste Uebersetzung .mit überladenem
Magen" nicht gegeben, sagina wird von der Mästung der Schweine und
der Gladiatoren gebraucht — hier von dem Imperator Vitellius, also etwa
mit Koth vollgestopft. Derselbe herbe Ausdruck kommt II, 88 von der
Fütterung der Soldaten durch denselben Vitellius vor, wobei noch gladiO'
tariam wegen des Gegensatzes zu müitilnts beigefügt ist. — ibid. fin. ea
quies interritae alitis fuit, ut Miid dubiiim magtiae et prosperae rei omen
acciperetur. Hier verdiente die des knappen Ausdruckes halber gewählte
Coordination nuiffiwe et prosperae rei eine kurze Note. Man erwartete
nämlich ^yrospen magmie rei eventus omen oder tnagtmm rem prosperum
eventum luihituram (prosfero eventu fore), — cap. 67, 7 ist die Anmer-
kung zu epistiUis (von einem Schreiben) an den unrechten Ort gerathen.
Sie gehört vielleicht zu 70, 11, wo H. statt des überlieferten ipsos die
allerdings nicht nothwendige Coujectur Wurm's episttUas aufgenommen
hat. — cap. 74, 11, wo elinfalls mehrere Briefe zu verstehen sind, ist
unpassend auf obige Note verwiesen. — c. 68, 1 Uli (Helvetii) ante discri-
men feroces, in j^^^iculo paindi. Dasselbe sagt Tacitus von den Britten
(und Galliern) Agric. 11. — cap. 69 fin. sind bei impetravere wol natür-
licher die legati als Subject zu verstehen (so ßuperti), und nicht die erst
aus vtdmis zu entnehmenden Soldaten, wie H. erklärt. — cap. 77 in mtdta
pace. Dasselbe auch Hist. III, 71 bei Erstürmung des Capitols; IV, 35
fehlt in.
cap. 78, 3 verdächtigt H. nach dem Vorgange von Lipsius, Savilius
u. a. (siene Walther und Euperti zu der Stelle) aas überlieferte Lingomlms,
während es schon Byck in angemessener Weise gerechtfertigt hat. Aus dem-
selben Grunde, den H. aus der dem Otho feindlichen mltung der Lin-
gonen (von der dieser zur Zeit der Erlassung des Edictes noch nichts wis-
sen konnte) gegen die lUchtigkeit der Leseart hernimmt, könnte auch au
den Belohnungen und Auszeichnungen der Hispalienser und Emeritenser
und der proinnciu Baetica gerüttelt werden : denn Spanien ist ja für Vitel-
lius c. 76, wobei Otho noch durch einen falschen Bericht getäuscht den Clu-
vius Bufus belobt. — ibid. Z. 6 heifst es von Otho: ne tum quidem im-
memor amorum etc. — womit seine Leichtfertigkeit in der ernsten und
geftüirvollen Lage getadelt wird. Noch schärfer von Fabius Valens III, 41:
7ie in tafUo quidem discrimine infamia caruit etc. — c. 80 sollte bei ob-
sequia meliorum nox absttderat statt c. 79 adempta eauorum permcOate
lieber Hist. JII, 85 deformitas exitus misericardiam äbstuUrat citiert sein. —
Miäcelieu. 615
c. 81, Z. 10 steht rari nicht, wie in der Note gesagt ist, im Gegensatze
zu dem entfernteren frequentia, sondern zu dem anmittelbar nachfolgenden
plurimif und heilet darum nicht „einzeln^, sondern „wenige." So fasst es
z. B. ßuperti. In derselben Bedeutung steht II, 84 fln. ranasimus quisque.
An den von Ruperti citierten Paralielstellen Germ. 2 und Agr. 37 liat
rarus wol seine gewöhnliche Bedeutung „vereinzelt." — c 82, 16 erklärt
H. otium durch „Ruhe und Friede", während er es cap. 46, 13 richtig als
„Freiheit vom Dienste", also Entlassung erklärt, und dabei auf unsere
Stelle verweist. — ibid. heüjst es gleich darauf: sensit invidiam mües, H.
erklärt mit Ruperti: invidiam „das Gehässige seines Benehmens", also «n-
vidiam auf mües bezogen. Das hatte aber der Soldat schon früher gefühlt,
siehe Z. 10 deiecti in terram müitum vultus. Es ist im Gegentheile invi-
dia gesagt von dem bittern und kränkenden Vorwurfe, der fUr die Soldaten
in dem unmittelbar vorher geschilderten Benehmen ihrer Centurionen und
Tribunen liegt, die den Imperator bei seinem Eintritt« in das Lager um-
ringen, ihre militärischen Itangabzeichen abwerfen, und erklären, sie sähen
nur in der Entlassung ihr Heil. — 83, 22 erklärt H. plures in der Note
aus Versehen: „die Mehrzahl", während es doch mit offenbarer Beziehung
auf das vorausgehende wrns alterve gesetzt ist. Auch II, 8, 2 heifst iAurilms
nicht die Mehrzahl , wie H. zu Anfang unseres Capitels bemerkt. Das Citat
bei Nipperdey Ann. I, 32 bezieht sich eben auf diesen Anfang vulgus et
plures. — c. 84, 19 imaginem mjandam exercitus Iwbet. Heraus legt auf
imoffinem (*ein blofses Schattenbild, Schemen* zu sehr Gewicht. Der Zu-
sammenhang gebietet vielmehr exercUus schärfer zu nehmen : Vitellius
hat allerdings Soldaten, die zusammen wie ein Heer aussehen ; aber u. s w.
— c.38 ciemulis urhibus regibusve — urhes heifst hier, wie sonst pomili in
Verbindung mit regesi Freistaaten. Die Anmerkung zu exdssis gehört in
den Anhang oder kann ganz entfallen. — c. 42 tum incubuit hostium
acies, integris ordinibus, robore et numero praestantior : Othmiiani, quam-
quam dispersi, paucioreSy fessi . . . Hier konnte die Stellung der Gegen-
ätze {abc — a, c, &,) und die Bedeutung von robore , die sich aus seinem
Gegensatze fessi ergibt, kurz berührt werden. — ibid. Z. 15 konnte zu exo-
sculairi auch Hist. 1, 45 citiert sein. — c. 59 fin. halten wir Classen's Con-
jectur (Einschiebung eines nee vor rebus adversis) für den Sinn der Stelle
für nothwendig. — c. VA, 5 heifst es von der Ermordung des Dolabella
durch Vitellius: magna cum invidia novi principatus, cuius Iwc primum
specimen noscebatur. Cf. Ann. I, 6 von Tiberius: primum facinus novi
principatus fuit Postumi Ägrippae caedes. Der Re^erungsantritt beider
Fürsten ist durch Blut und Mord gleichsam eingeweiht. Ann. 13, 1 pi'ima
novo principatu mors Junii Süani paratur — aber ignaro Nerone. —
c. 70, 6 heifst es von dem empörenden Servüismus der Cremonenser: nee
minus inhumana pars tnae . . . III, 83 wwwc inhumane securitas. — 76, 9
positum est. est ist wol mit Haase zu streichen. — ibid. Z. 17 sagt Mucian:
(ibiit iam et tratisvectum est tempus , quo posses videri concupisse : confw
giendum est ad imperium. An dieser Stelle scheint es kaum möglich, ohne
Einschaltung eines non vor concupisse einen erträglichen Sinn zu gewin-
nen. Der wahrscheinliche Sinn der nicht ganz einfachen Stelle ist wol der,
dass Mucian dem Vespasian gegenüber denselben Grnnd geltend macht,
wie I. 52 Fabius Valens vor dem schwankenden Vitellius : tres patrui con-
sulatus . . . et imponere iam pridem imperatoris dipuxtionem et auferre
privati securitatem. In gleicher Weise erinnert Mucian an Corbulo's Ge-
schick, und fügt l)edeut8am hinzu: satis darus est apud timetüem quis-
quis iimetur. „Die Zeit deiner Sicherheit ist vorüber, du stichst durch
deinen Waffenruhm und durch dein Ansehen dem Vitellius zu sehr in die
Augen, als dass er dir nicht ein Streben nach dem Throne zumuthen sollte."
Das con vor coticupme ist wol nicht zu ändern (in «07*, wie es vorge-
schlagen worden), weil es wegen des Gleichklanges mit dem unmittelbar
nachfolgenden confugiendum gewählt scheint, wodurch eben der sachliche
Gegensatz schärfer hervortritt. — c. 82, 12 kann der Singular Parthum
616 Misceiicft.
Armeniumque ebenso gut Ton dem ganzen Volke gesagt sein, als von den
Königen. — c. 84, 2 ist vom Gelde j^esagt: eos esse beUi civüis nervös.
cf. 32, Z. 18 die Ansicht des Suetonius raulinns: pectmiam inter civües
discordias ferro vdUdiorem. Cic. orat. Phil. V, 2 nervi civüis heüi pecuma
infinita. — ibid. Z. 7 scheint iniquitates in der Note doppelt erklart,
zuerst mit Ruperti concret als „Ungerechtigkeiten'', also = iniauM res oder
iniqiui et initista facta — und dann = iniquas senteniias iuaicum. Es ist
wof nur das erstere richtig. — c. 86, 9 heilst es von Antonius Primus :
discordiis et seditionibus potens, Cf. Verg. Aen. XI, 340 von Dranoes: se-
ditione potens.
Als allzu weitläufige, fast zu grammatischen oder sachlichen Excursen
ausgesnonnene Anmerkungen erschienen uns I, cap. 1 die Noten zu inseitia
rei pMicae und zu obtwxius; cap. 2 die etymologische zu sttecuhrum,
femer die zu procurationes und zu agerent verterent; c. 7 zu uUro ; 46 zu
in libertum; 70 fin. zu subsiffnanum müitem et grave legümum agmen;
77 zu videri maiestatem; 78 zu volgits u. a. m. Dagegen muss anerkannt
werden, dass der Verfasser nirgends durch die Note eine Schwierigkeit zu
bemänteln versucht, wie es in so manchen (auch sonst vortrefflichen) Aus-
gaben der Fall ist.
Zum Schlüsse wollen wir noch eink^e Druckfehler registrieren. S. 39
soll zu Z. 8 in der Anm. zuletzt statt aVI, 15 — 14 citiert sein; S 52
ist in der ersten Spalte der Note inritis statt invitis zu lesen, an der Spitze
der nächsten Zeile ist statt 5 4 zu schreiben, und vor ut in magnis men-
daciis 5; S. 61 fehlt in der letzten Zeile des Commentars vor fälia4t; S. 80
ist in der Note zu proturbatus cap. 31 (statt 32) zu schreiben; S. 92 im
Texte Z. 20 das Komma nach foedavit zu tilgen; S. 93 in der Anm. zu
c. 74, 9 fin. *konnt€* statt *könnte* zu setzen; S. 95 im Texte cap. 77, 3
quaedam statt quaedem zu lesen; S. 112 steht in der Note zu 90, 1 Ver-
gantung?; S. 113 ist in der Note zu M. Galerius Trachalus am Schlüsse
das Citat U, 60 fin. weggefallen ; S. 191 fehlt in der Note zu Jiaud perinde
bei dem Citate aus Agr. perinde vor attoJli.
Znaim. Jgn. Prammer.
Fünfte Abtheilung,
Verordnungen für die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Verzeichnis
der an österreichischen Mittelschulen allgemein zulässigen Lehrbücher upd
Lehrmittel.
Im Zusammenhange mit der Verordnung vom 25. Juni 1. J., die
Einführung von Lehrbüchern und Lehrmitteln an den Mittelschulen be-
treffend (vgl. Heft Vn. S. 544 ff.], hat das k. k. Staatsministerium unter
dem 15. Juli 1. J. zunächst für die Mittelschulen mit deutscher Unter-
richtssprache das nachstehende revidierte und vervollständig Verzeichnis
der allgemein zulässigen Lehrbücher und Lehrmittel pubhciert.
Für Gymnasien.
I. Lateinische Sprtiche.
1. Schinnagl M., lateinische Grammatik für Gymnasien. 3. Auflage.
gr. 8. Wien, Beck's Üniversitäts-Buchhdlg., 1862. Preis 1 fl. 80 kr. ö. W.
2. Schultz Dr. Ferd., kleine lateinische Sprachlehre zunächst für die
unteren und mittleren Classen der Gymnasien bearbeitet. 8. Auflage.
8. Paderborn, Schöninfifh, 1864. Preis 13% Sgr.
3. Siberti M., lateinische Schulgrammatik für die unteren Classen be-
arbeitet. Neu bearbeitet und für die mittleren Classen erweitert vom
Gymnasial-Director M. Meiring. 16. Auflage, mit einem Wörterver-
zeichnisse zu den lateinischen Beispielen der Syntax für die unteren
Gassen. Bonn, Habicht, 1863. Preis 20 Sgr.
4. Ellen dt Friedr., lateinische Grammatik für die unteren und mitt-
leren Classen der höheren ünterrichtsanstalten , bearbeitet von Mor.
Seyffert. 6. Auflage. Berlin, Weidmännische Buchhandlung, 1864.
Preis 15 Sgr.
5. Schinnagl M. , theoretisch - praktisches lateinisches Elementarbuch
für die erste Gymnasialclasse. 5. Auflage. Wien, Beck, 1864. Preis
72 kr. ö. W.
6. Schinnagl M., lateinisches Lesebuch für die zweite Gymnasialchisse.
Als Vorübung zur Leetüre des Cornelius Nepos nach Putsche's lateini-
scher Grammatik geordnet und bearbeitet. 4. Auflage. Wien, Beck,
1859. Preis 96 kr. ö. W.
7. Dünnebier J. A., Elementarbuch der lateinischen Snrache für die
ersten ünterrichtsstufen. Nach Putsche's lateinischer Grammatik be-
arbeitet. I. Cursus. 3. Auflage. Auch unter dem Titel: Lateinisch-
deutsche und deutsch-lateinische Uebersetzungsbeispiele aus classischen
ZciUchria (. d. öaterr. Gymn. ISfid. YIU. Haft. 42
616 Verordniingen f. d. Ssi Gymnasien u. Bealsclialen.
Schriftstellern. Za gründlicher und stufenweise fortschreitender Ein-
übung der Formenlehre derselben Grammatik versehen. 3. Auflage.
Jena, Mauke, 1861. Preis 7'/, Sgr.
8. Schultz Ferd., Uebungsbuch zur lateinischen Sprachlehre, zunächst für
die unteren Classen der Gymnasien bearbeitet. 5. Auflage. Paderborn,
Schöningh, 1863. Preis 20 Sct.
9. Ro2ek J. A., lateinisches Lesebuch für die erste und zweite Classe
der Gymnasien des österreichischen Kaiserstaates. 1. Theil. Wien, C.
Gerold's Sohn, 1860. Preis 40 kr. ö. W.
10. Ro2ek J. A., Uebungsbuch zum üebersetzen aus dem Deutschen in's
Lateinische. I. Theil. Casuslehre. Wien, 1863. Preis 60 kr. ö. W.
Desselben Werkes II. Theil ^empus und Moduslehre). Preis 80 kr. ö. W.
11. Meiring M., Uebungen zur lateinischen Grammatik für die mittleren
Classen der Gymnasien, Real- und höheren Bürgerschulen. I. Abtheilung.
Bonn, Habicht, 1863. Preis 12 Sgr.
12. Süpfle E. Fr., Aufgaben zu lateinischen Stilübungen, mit besonderer
Berücksichtigung von Krebs Anleitung zum Lateinschreiben und
Zumpt's, Schultz's und Feldbausch^s lateinischen Grammatiken und mit
Anmerkungen versehen.
I. Theil. Aufgaben für untere und mittlere Classen. 13. Auflage. Carls-
ruhe, Groos, 1862. Preis 28 Sgr.
13. Desselben Werkes U. Theil. Aufgaben für obere Classen. 11. Auflage.
Carlsruhe, Groos, 1863. Preis 1 Thlr. 3 Sgr.
14. Seyffert M., Uebungsbuch zum Üebersetzen aus dem Deutschen in's
Lateinische für Secunda. 7. Auflage. Leipzig, 0. Holtze, 1864. Preis 1 Thlr.
15. Grysar C. J., Handbuch lateinischer Stilübungen. I. Abtheilung für
die untere Stufe des Obergjrmnasiums. 3. Auflage. Köln, Schmitz, 1851
Preis 16 Sgr.
16. Historiae antiquae usque ad Caesaris Augusti obitum libri XIL locis
ex scnptoribus latinis excerptis contezuit et scholarnm in usnm edidit.
Em. Ho ff mann. Editio VUl. Wien, Gerold, 1864. Preis 65 kr. ö. W.
17. Ro^ek J. A., kurze Chrestomathie aus lateinischen Dichtem zusam-
mengestellt und mit Anmerkungen versehen. Umgearbeitete und ver-
mehrte Auflage. Hermannstadt, Th. Steinhaussen, 1862. Preis 32 kr. ö. W.
18. P. Ovidii Nasonis^ carmina selecta in usum scholarum edidit C. J.
Grysar. Editio VII. Wien, Gerold, 1864. Preis 65 kr. ö. W.
19. P. Ovidii Nasonis Metamorphoses. Auswahl für Schulen mit erläutern-
den Anmerkungen und einem mvthologisch-geoeraphischen Register
versehen von J. Siebeiis. I. Heit, Buch I — IX und Einleitung ent-
haltend. 4. Auflage. Leipzig, Teubner, 1865. Preis 15 Sgr. Desselben
Werkes II. Heft, Buch X — XV und das mythologisch -geographische
Register enthaltend. 3. Auflage. Leipzig, Teubner, 1862. rreis i5 Sgr.
20. Memorabilia Alexandri Magni et aliorum virorum illustrium selectasque
fabulas Phaedri in usum scholarum edideruntC. Schmidt, 0. Gehlen.
Vindobonae, typis Sommeri 1865. Preis 1 fl. ö. W.
IL Griechische Sprache.
Grammatiken.
1. Cur t ins G., griechische Schulgrammatik. 6. Auflage. Prag, Tempsky,
1864. Preis 1 fl. 12 kr. ö. W.
2. Kühner R., Elementar-Grammatik der griechischen Sprache. 20. Auf-
lage. Hannover, Hahn, 1860. Preis 26 V, Ngr.
Grammatikalische Uebungsbücher.
Für die IH. und IV. Classe.
3. Sehen kl K., griechisches Elementarbuch für die DI. und IV. Classe
der Gymnasien etc. 5. Auflage. Prag, Tempsky, 1863. Preis 92 kr. ö. W.
Für die V — VIE. aasse.
4. Sehen kl K., Uebungsbuch zum üebersetzen aus dem Deutschen und
Verordnungen f. d. öst. Gymnasien u. Realschulen. 019
Lateinischen in's Griechische, für die Classen des Obergymnasiums.
2. Auflage. Prag, Tempsky. 1861. Preis 92 kr. ö. W.
5. Franke Friedr., Aufgaben zum Uebersetzen in das Griechische nach
den Grammatiken von Buttmann, Kühner und Krüger. III. Cursus.
3. Auflage. Leipzig, Brandstetter, 1857. Preis 17'/, Sgr.
Leetüre in der IV. und V. Classe.
6. Sehen kl K., Chrestomathie aus Xenophon. 4. Auflage. Wien, Gerold.
Preislfl.30kr.ö.W.
HL Deutsche Sprache.
1. Heyse J. C. A., Leitfaden zum gründlichen Unterricht in der deutschen
Sprache für höhere und niedere Schulen nach den gröfseren Lehr-
büchern der deutschen Sprache. 20. Auflage. Hannover, Hahn'sche
Hofbuchhandlung, 1863. Preis 10 Sgr.
2. Bauer Friedr., Grundzüge der neuhochdeutschen Grammatik für
höhere Bildungsanstalten. 9. Auflage. Ausübe für katholische Schulen.
Nördlingen, Beck'sche Buchhandlung, 1863. Preis 14 Sgr.
3. Hoff mann K. A. J., neuhochdeutsche Elementar-Grammatik, mit
Rücksicht der historischen Grammatik bearbeitet. 6. Aufl. Clausthal,
Grosse, 1865. Preis 16 Sgr.
4. Mozart J., deutsches Lesebuch für die unteren Classen der Gymasien:
I. Band. 14. Auflage. Wien, Gerold, 1865. Gebunden 70 kr. ö. W. —
n. Bd. 8. Aufl. Wien, Gerold, 1863. Geb. 90 kr. ö. W. - III. Bd.
8. Aufl. Wien, Gerold, 1864. Geb. 75 kr. ö. W. — IV. Bd. 6. Aufl.
Wien, Gerold, 1864. Geb. 70 kr. ö. W.
5. Mozart J., deutsches Lesebuch für die oberen Classen der Gymnasien:
L Band. 7. Auflage. Wien', Gerold, 1863. Preis 1 fl. 30 kr. ö. W. —
n. Bd. 7. Aufl. Wien, Gerold, 1864. Preis 2 fl. ö. W, - UI. Bd. 3. Aufl.
Wien. Gerold, 1863. Preis 1 fl. 50 kr. ö. W.
6. Wein hold K., mittelhochdeutsches Lesebuch mit einer kurzen Gram-
matik des Mittelhochdeutschen und einem Glossar. 2. Auflage. Wien,
Braumüller, 1862. Preis 1 fl. 50 kr. ö. W.
7.Beichel K., mittelhochdeutsches Lesebuch für Gymnasien. Wien,
Gerold, 1858. Preis 1 fl. 5 kr. ö. W.
Anmerkung. Wolfeile Schulausgaben einzelner Werke oder der
Gesammtwerke deutscher Classiker können ebenfalls als Ersatz der Leetüre
der oberwähnten Lesebücher oder zur Ergänzung dieser Leetüre verwendet
werden.
IV, GeograpMe tmd Geschichte.
1. Schubert Fr. W., Grundzüge der allgemeinen Erdkunde für die
unteren Classen der Gymnasien und Realschulen bearbeitet. 4. Auflage
mit 2 lithographierten Tafeln und mehreren Holzschnitten. Wien,
Gerold, 1865. Preis 40 kr. ö. W.
< 2. Beilin ff er J., Leitfaden der Geographie in zwei Cursen für die k. k.
Österreichischen Gymnasien und Unterrealschulen. 15. Auflage. Wien,
Gerold, 1865. Preis 30 kr. Ö. W.
3.Ptaschnik J., Leitfaden beim Lesen der geographischen Karten. Für
die erste Classe der Gymnasien entworfen. 2. Auflage. Wien, Beck,
1861. Preis 28 kr. ö. W.
4. Voigt F., Leitfaden beim geographischen Unterricht. Nach den neueren
Ansichten entworfen. 21. Auflage. Berlin, W. Logier, 1864. Preis 10 Sgr.
5. Daniel H. A., Leitfaden für den Unterricht in der Geographie. 23. ver-
besserte Auflage. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses, 1864. Preis
VU Sgr.
6. Daniel H. A., Lehrbuch der Geographie für höhere Unterrichtsan-
st^ten. 15. Auflage. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses, 1864.
Preis 15 Sgr.
7.Klun V. F.. Leitfaden für den flfeographiBchen Unterricht an Mittel-
schulen. 4. Auflage. Wien, Gerold, 1864. Preis 1 fl. 30 kr. ö. W.
42*
680 Verordnungen f. d. öst. Gymnasien u. Realschulen.
8. Kozenn Bl., Grundzüge der Geographie. 3. Auflage. Wien und Olmütz,
1864. Preis 40 kr.
9. Pütz W., Grundriss der Geographie und Geschichte der alten, mitt-
leren und neueren Zeit, für die mittleren Classen höherer Lehranstalten.
— I. Ahtheilung. Das Alterthum. 12. Auflage. Cohlenz, Bädecker 1863.
Preis 10 Sgr. - II. Ahth. Das Mittelalter, lO. Aufl. Mit historischen
Karten. Cohlenz, Bädecker, 1861. Preis 10 Sgr. lU. Abth. Die neuere
Zeit. 8. Auflage. 2. Abdruck. Cohlenz, Bädecker, 1863. Preis 10 Sgr.
10. Pütz W,. Grundriss der Geographie und Geschichte der alten, mitt-
leren und neueren Zeit für die oberen Classen höherer Lehranstalten.
— I. Band. Das Alterthum. 11. Auflage. Cohlenz, Bädecker, 1863. Preis
25 Sgr. — n. Bd. Das Mittelalter. 9. Auflage. Mit 2 Karten. Cohlenz,
Bädecker, 1861. Preis 20 Sgr. — in. Bd. Die neuere Zeit. 9. Auflage.
Cohlenz, Bädecker, 1863. Preis 20 Sgr.
11. Welt er Th. B., Lehrbuch der Weltgeschichte für Schulen, ein frei
bearbeiteter Auszug aus des Verfassers gröfserem Werke. 20. Auflage.
Münster, Coppenrath, 1864. Preis 25 Sgr.
12. Gindely A., Lehrbuch der allgemeinen Geschichte für Obergymnasien.
— I. Band. Prag, Bellmann, 1860. Preis 1 fl. 14 kr. ö. W. — 11. Bd.
Prag, Bellmann, 1863. Preis 92 kr. ö. W. — lU. Bd. Prag, Bellmann,
1864. Preis 92 kr. ö. W.
V. Für den fnathematischen Unterricht.
A. Untergymnasium.
Für den arithmetischen Unterricht.
A. Für den Unterricht in der I. und 11. Classe, und zum T heile auch in
der m. und IV. Classe.
1. Heis E. Dr., Rechenbuch für die Gymnasien, Realschulen und Gewerbe-
schulen Oesterreichs. 4. Auflage. Köln, Du Mont, 1864. Preis 20 Sgr.
Damit in Verbindung lässt sich als die Regeln enthaltend gebrauchen:
2. Baltzer R. Dr., Rechenbuch ftlr den Standpunct der Mittelschulen.
Leipzig, 1850. Preis V,, Thlr.
Für den Unterricht im Buchstabenrechnen u. s. w. in der III. und
IV. Classe die einschlägigen Paragraphe von:
3. Heis £. Dr., Sammlung von Beispielen und Aufgaben aus der all-
femeinen Arithmetik und Algebra. 14. Auflage. Köln, Du Mont, 1864.
*reis 1 Thlr.
B. Modnik F. Dr., Lehrbuch der Arithmetik für die Untergymnasien:
I. Abtheiluug für die I, und II. Classe. 13. Auflage. Wien, Gerold, 1864.
Preis 80 kr. ö. W. — II. Abtheilung für die in. und IV. Classe. 9. Auf-
lage. Wien, Gerold, 1862. Preis 55 kr. ö. W.
Für den geometrischen Unterricht.
A. Für den Unterricht in allen vier Classen:
I.Fried leben Th. Dr., Leitfaden zum methodisch-praktischen Unter-
richt in der Formenlehre und der gemeinen Geometrie. 2. Aufl^e.
Frankfurt a. M., J. D. Sauerländer, 1851. Preis 12 Ngr.
2. Modnik F. Dr., geometrische Anschauungslehre für das Untergym-
nasium: I. Abtheilung für die I. und II. Classe. 6. Auflage. Wien,
Gerold, 1864, Preis 50 kr. ö. W. — II. Abtheilung für die III. und
rV. Classe. 5. Auflage. Wien, Gerold, 1864. Preis 50 kr. Ö. W.
B. Obergymnasium.
Für den arithmetischen und geometrischen Unterricht.
1. Wiegan d A. Dr., Lehrbuch der Mathematik. Halle, Schmidt, a) All-
femeine Arithmetik. 4. Auflage. 1859. Preis 12 '/;, Sgr. b) Planimetrie.
Cursus. 7. Aufl. 1864. Preis 10 Sgr., IL Cursus. 6. Aufl. 1863. Preis
10 Sct. c) Ehene Trigonometrie. 4. Aufl. 1860. Preis 10 Sgr. d) Stereo-
metrie. 4. Aufl. 1862. Preis 15 Sgr. e) Analytische Geometrie der Ebene.
1854. Preis 12'/, Sgr.
Verordnungen f. d. öst. Gymnasien u. Realschulen. 621
2. Eambly L„ Elementar- Mathematik. Breslau, F. Hirt, a) Arithmetik
und Algebra. 7. Auflage. 1864. Preis 12% Ngr. b) Planimetrie. 11. Aufl.
1864. Preis 12 'A Ngr. c) Trigonometrie. 4. Aufl. 1865. Preis 12 V, Ngr.
d) Stereometrie. 4. Aufl. 1865. Preis 12% Ngr.
3. Brettner H. A. Dr. a) Leitfaden beim Unterrichte in der Buchstaben-
Arithmetik, Algebra und Combinationslehre. 5. Auflage. Breslau, Jos.
Max & Comp. 1857. Preis 20 Ngr. b) Lehrbuch der Geometrie. 5. Aufl.
Breslau, Jos. Max & Comp., 18&. Preis 1 Thlr. 5 Ngr.
4. Boy mann. J. R. Dr., Lehrbuch der Mathematik. Köln und Neuss,
Schwann'sche Buchhandlung, a) Geometrie der Ebene. 3. Auflage. 1865.
Preis 20 Sgr. b) Ebene Trigonometrie und Geometrie des Raumes.
1859. Preis 22'/ Sgr. c) Arithmetik. 1861. Preis 22% Sgr.
5. Koppe R., Anfangsgründe der reinen Mathematik. Essen, Bädecker,
a) Arithmetik und Algebra. 6. Auflage. 1862. Preis 27 Ngr. b) Plani-
metrie. 8. Aufl. 1862. Preis 18 Ngr. c) Stereometrie. 6. Au£ 1863. Preis
12 Ngr. d) Ebene Trigonometrie. 3. Aufl. 1860. Preis 16 Ngr.
6. Moönik F. Dr. a) Lehrbuch der Algebra für die Obergymnasien.
8. Auflage. Wien, Gerold, 1863. Preis 1 fl. ö. W. b) Lehrbuch der
Geometrie für die Obergymnasien. 7. Aufl. Wien, Gerold, 1862. Preis
1 fl. 40 kr. ö. W.
Bemerkungen. Für den arithmetischen Unterricht ist bei
jedem dieser Werke als Uebungsbuch Dr. E. Heis's, Sammlung von Bei-
spielen und Aufgaben oder eine andere Aufgabensammlung, deren Zulassung
zum Gebrauche früher nachzusuchen ist, erforderlich. Für den geometri-
schen Unterricht erfordern 2, 4 und 5 einen Leitfaden für den Unter-
richt in der analytischen Geometrie, als welcher Wieg and 's analytische
Geometrie der Ebene zulässig ist.
VI. Naturgeschichte.
A. Für Untergymnasien und Unterrealschulen.
1. Föllecker, Anschauungsunterricht in der Mineralogie, für die k. k.
österreichischen Untergymnasien und Unterrealschulen. Mit vielen Holz-
schnitten. Wien, Gerold, 1857. Preis 32 kr. ö. W.
2. Po kor ny, Naturgeschichte des Mineralreiches, für österreichische
üntergymnasien. Mit 46 Dlustrationen. Wien, k. k. Schulbücherverlag.
Preis 25 kr. ö. W.
3. Pokorny, Naturgeschichte des Pflanzenreiches, für österreichische
Gymnasien und Uuterrealschulen. Mit Holzschnitten und 8 Tafeln
Naturselbstdruck. Wien, k. k. Schulbücherverlag. Preis 54 kr. Ö. W.
4.Kukula W., Leitfaden der Naturgeschichte des Thierreiches. Wien,
Braumüller. 1863. Preis 1 fl. ö. W.
5. Pokorny, Naturgeschichte des Thierreiches, für die österreichischen
Untergymnasien. Mit 83 Holzschnitten. Wien, k. k. Schulbücherverlag.
Preis 48 kr. ö. W.
B. Für Obergymnasien und Oberrealschulen.
1. Fellöcker, Leitfaden der Mineralogie und Geognosie für Obergym-
nasien. 2. Auflage. Wien, Gerold, 1860. Preis 80 kr.
2. Bill, Grundriss der Botanik für Schulen. 3. Auflage. Wien, Gerold,
1860. Preis 1 fl, 30 kr. ö. W. ')
3. Leunis S., Schulnaturgeschichte. Botanik. Mit zahlreichen Holz-
schnitten. 3. Auflage. Hannover, 1852. Preis 28 Sgr. ')
') Bei der gröfseren Ausdehnung und streng wissenschaftlichen Be-
handlung des Gegenstandes werden die Lehrer besonders an Ober-
realschulen beim Vortrage eine etwas beschränkende Auswahl treff'en
müssen.
') Es gilt jedoch die Beschränkung, dass die, die specielle Bestimmung
der Pflanzen betreffenden Abschnitte keinen unmittelbaren Gegen-
stand des Lehrens und Lernens bilden, sondern nur als Hilfsmittel
dienen sollen.
682 Verordnungen f. d. öst. Gymnasien u. Realschalen.
4. Giebel, Lehrbuch der Zoologie, zum Gebrauche im Unterrichte an
Schulen und höheren Lehranstalten. 3. Auflage. Mit 104 Abbildungen.
Darmstadt, 18B5. Preis 18 Sgr.
5. Schmidt Ose. Dr., Leitfaden der Zoologie, zum Gebrauche an Gym-
nasien und höheren Unterrichtsanstalten. Mit 158 Holzschnitten. Wien
Gerold, 1860. Preis 1 fl. 20 kr. ö. W.
6. Schabus Dr., Anfangsgründe der Mineralogie, mit einem kurzen Ab-
risse der Geo^uosie, zum Gebrauche an Oberr^dschulen uni Ober-
gynmasien. Wien, BraumuUer, 1859. Preis 1 fl. SO kr. ö. W.
VIL Für die Physik.
A. Im Untergymnasium.
1. Brettner H. A. Dr., Leitfaden der Physik auf Gymnasien, Gewerbe-
schulen und höheren Bürgerschulen. 16. Auflage. Breslau, Jos. Max k
Comp., 1864. Preis 25 Sgr.
2. Kr ist Joseph Dr., Anfangsgründe der Naturlehre für die unteren
Classen der Mittelschulen. Wien, Braumüller. 1864. Preis 1 fl.20 kr. ö. W.
3. Kunze k A. Dr.. Lehrbuch der Experimental-Physik. 7. Auflage. Wien,
Braumüller, 1864. Preis 1 fl. 40 kr. ö. W.
4.Pi8ko F. J., Lehrbuch der Physik für Untergymnasien. 2. Auflage.
Wien, Gerold. Preis 1 fl. 20 kr. ö. W.
5. Schabus J. Dr., leichtfassliche Anfangsgründe der Naturlehre. 9. Auf-
lage. Wien, Gerold, 1863. Preis 1 fl. 5 kr. ö. W.
6. Koppe K., der erste Unterricht in der Naturlehre für mittlere Schulen.
Essen, Bädecker, 1859. Preis 12 Sgr.')
7. Subic S., Lehrbuch der Physik für die unteren Classen der Gym-
nasien und Realschulen. Pest, Heckenast, 18<>l. Preis 1 fl. .50 kr. ö. W.
8. Pick H. Dr., Vorschule der Physik. Wien, (Gerold, 1863. Preis 1 fl.
20 kr. ö. W.
9. Weiser J. Dr., Anfangsgründe der Physik. 3. Auflage. Wien, L. W.
Seidel, 1860. Preis 1 fl. ö. W.
B. Im Obergymnasium.
1. Kunzek A. Dr., Lehrbuch der Physik mit mathematischer Begrün-
dung. 3. Auflage. Wien, Braumüller, 1865. Preis 4 fl. ö. W.
2. Subic S., Lehrbuch der Physik für Obergymnasien. Pest, Heckenast,
1861. Preis 3 fl. ö. W.
3. Koppe K., Anfangsgründe der Physik. S. Auflage. Essen, Badecker,
1864. Preis 1 Thlr. 8 Sgr.
4. Wiegand A. Dr., Grundriss der mathematischen Geographie. 2. Auf-
lage. Halle, H. W. Schmidt, 1851. Preis 63 kr. ö. W.
5. Pisko F. J., Lehrbuch der Physik für Obergymnasien. Brunn, Winiker.
1859. Preis 3 fl. 40 kr. ö. W,
6. Schabus J. Dr., Grundzüge der Physik. 3. Auflage. Wien. Gerold,
1862. Preis 3 fl. 20 kr. ö. W.
, 7. Weiser J. Dr., Lehrbuch der Physik, auf Grundlage der Elementar-
Mathematik. Wien, L. W. Seidel & Sohn, 1857. Preis 4 fl. ö. W.
Anmerkung. In Bezug auf die Lehrbücher von Kunzek, Weiser
und Pisko ist zu ^merken, dass nicht der Umfang dieser Bücher, sondern
der Organisationsentwurf die Grenze bestijnmt, innerhalb welcher der Lehr-
stoff" zu nehmen ist.
VIII. Für die philoaophiscfie Proprpdeutik.
1. Lichtenfei s R. J., Lehrbuch der Einleitung in die Philosophie.
5. Auflage, Wien, BraumüUer, 1863. Preis 2 fl. ö. W.
') Wäre besonders an solchen Gymnasien brauchbar, wo wegen der vielen
lebenden Sprachen, welche aie Schüler zu lernen haben, der physi-
kalische Unterricht noch gröfsere Schwierigkeiten findet.
Yerordnangen f. d. öst. Gymnasien u. Realschulen. 628
2. Zimmermann R. Dr., philosophische PropaBdentik. 2. Auflage. Wien,
BraumtiUer, 1860. Preis 3 fl. ö. W.
3. Beck J. Dr., Grundriss der Logik. Stuttgart, Metzler, 1863. Preis 8 Sgr.
4. Lindner G. A. Dr., Lehrbuäi der formalen Logik nach genetischer
Methode. Gratz, Leykam's Erben. 1861. Preis 80 kr. ö. W.
5. Drbal M. A. Dr., Lehrbuch der propädeutischen Logik. Wien, Brau-
mtiUer, 1865. Preis 1 fl. ö. W.
6. Drobisch M. W., neue Darstellung der Logik. 3. Auflage. Leipzig,
Voss. 1863. Preis 1 Thlr. 10 Sgr.
7. Ho ff mann K. A. J., Abriss der Logik. Clausthal, Grosse, 1859.
Preis 10 Sgr.
Für Realschulen.
I. Deutsche Sprache.
a) Für ünterrealschulen.
1. Heys e, Leitfaden für den gründlichen Unterricht in der deutschen
Sprache. 20. Auflage. Hannover, Hahn, 1863. Preis 10 Sgr.
2. Bauer, Grundzüge der neuhochdeutschen Grammatik. 9. Auflage.
Nördlingen, Beck, 1863. Preis 14 Sgr.
3. Hoff mann K. A. J., neuhochdeutsche Elementar-Grammatik mit Rück-
sicht der historischen Grammatik bearbeitet. 6. Auflage. Clausthal,
Grosse, 1865. Preis 16 Sgr.
4. Knappe, Grundzüge der Grammatik für ünterrealschulen. Der 2. Auf-
lage 6. Abdruck. Wien, Beck'sche Sortimentsbuchhandlung, 1862.
Preis 42 kr.
5. Deutsches Lesebuch für die unteren Classen der Gymnasien von Mozart.
Wien, C. Gerold. I. Band. 14. Auflage. 1865. Preis 70 kr. ö. W. —
U. Bd. 8. Aufl. 1863. Preis 90 kr. ö. W. — HI. Bd. 8. Aufl. 1864.
Preis 75 kr. ö. W. — IV. Bd. 6. Aufl. 1864. Preis 70 kr. ö. W.
6. Deutsches Lesebuch. Eine Grundlage für den Sprachunterricht von
Franz Herrmann. Prag, Fr. Tempsky. L Theil. 4. Auflage. 186L
Preis 40 kr. ö. W. - II. Theil. 3. Aufl. 1863. Preis 60 kr. ö. W. —
111. TheiL 3. Aufl. 1862. Preis 80 kr. ö. W.
7. Deutsches Lesebuch für die österreichischen Unterrealschulen und
ähnliche Lehranstalten von Theodor Vernaleken. Wien, L. W. Seidel
& Sohn. L Theil. Preis 50 kr. ö. W. - H. Theil. Preis 50 kr. ö. W. —
in. Theil. Preis 65 kr. ö. W.
b) Für Oberrealschulen.
Literaturbuch, deutsches Lesebuch von Theodor Vernaleken. Wien,
W. Braumüller. I. Theil, aus dem Alterthum. 6. Auflage. 1865. Preis
1 fl. 40 kr. ö. W. - n. Theil, aus dem Mittelalter. 4. Aufl. 1861.
Preis 1 fl. 40 kr. ö. W. - IlL Theil. 3. Aufl. 1857. Preis 1 fl. 40 kr. ö. W.
Scheinnflug B., deutsches Lesebuch für die oberen Classen der Mittel-
schulen. L Theil. 2. Auflage. Brunn, Buschack & Irrgang, 1860. Preis
1 fl. ö. W. — IL Theil. Frag, Mercy, 1855. Preis 80 kr. ö. W. —
m. Theil. Brunn, Buschack & Irrgang, 1856. Preis 1 fl. 20. ö. W.
Mozart's Lesebuch für die oberen Classen der Gymnasien. Wien. C. Gerold.
11. Theil. 7. Auflage. 1864. Preis 2 fl. ö. W. — UI. Theü. 3 Aufl.
1863. Preis I fl. 50 kr. ö. W.
II. Geographie und Geschichte.
1. Schubert Fr. W., Grundzüge der allgemeinen Erdkunde für die
unteren Chissen der Gymnasien und Realschulen bearbeitet. 4. Auflage
mit 2 lithographirten Tafeln und mehreren Holzschnitten. Wien,
Gerold, 1865. Preis 40 kr. ö. W.
2. Bellinger J., Leitfaden der Geographie in zwei Cursen für die k. k.
österreicnischen Gymnasien und Unterrealschulen. 15. Auflage. Wien,
Gerold, 1865. Preis 30 kr. ö. W.
624 Verordnungen f. d. öst Gymnasien n. Realschulen.
S.Hauke, Lehrbuch der Geographie. 17. Auflage. Wien, Braumüller.
1%5. Preis 1 fl. 40 kr. ö. W.
4. Klun, V. F., Leitfaden ftjr den geographißchen Unterricht an Mittel-
schulen. 4. Auflage. Wien, C. Gerold, 1864. Preis 1 fl. 30 kr. ö. W.
5. Daniel H. A., Lehrbuch der Geographie für höhere Untenichtsan-
stalten. 15. vermehrte Auflage. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses,
1864. Preis 15 Sgr.
6. Voigt, Leitfaden für den geographischen Unterricht. 21. Auflage.
Berlin, W. Logier, Preis 10 Sgr.
7. Ptaschnik J., Leitfaden beim Lesen der geographischen Karten. Für
die erste Classe der Gymnasien entworfen. 2. Auflage. Wien, Beck,
1861. Preis 28. kr. ö. W.
8. Kozenn BL, Grundzüge der Geographie. 3. Auflage. Wien und Olmütz,
1864. Preis 40 kr.
9. Warb an ek W. F., Leitfaden für den geographischen Unterricht für
Unterrealschulcn. 3 Bandeben. Wien, JSallmaver. Preis ä 70 kr. ö. W.
10. Klun, Allgemeine und Handelsgeographie. 2. Auflage. Wien, Gerold,
1861. Preis 2 fl. 60 kr. ö. W.
11. Pütz, Grundriss der Geographie und Geschichte für die mittleren
Classen der Gymnasien und höheren Bürgerschulen. Koblenz, K. Bä-
decker. I. Band. Das Alterthum. Preis 10 Sgr.
12. Pütz, Grundriss der Geographie und Geschichte für die oberen Classen
höherer Lehranstalten. Koblenz, K. Bädecker. IL Theil. Das Mittel-
alter. Preis 20 Sgr. — III. TheiL Die neuere Zeit. Preis 20 Sgr.
13. Gindely, Lehrbuch der allgemeinen Geschichte für Obergymnasien.
2 Theile. Prag , Bellmann. I. Theil. 1856. Preis 95 kr. ö. W. -
n. Theil. 1860. Preis 1 fl. 20 kr. ö. W.
14. Schmued Ludwig, Leitfaden zum geschichtlichen Unterricht. L Theil.
Wien, 1864. Preis 90 kr. (Für die zweite Unterrealclasse.)
HL Für den mathematischen Unterricht.
A. Für Unterrealschulen.
a) Arithmetik.
1. Mocnik Fr. Dr., Anleitung zum Rechnen für die I. und IL Classe
der Unterrealschule. Wien, Schulbücherverlag. Preis geb. 53 kr. ö. W.
2. Mocnik Fr. Dr., die angewandte Arithmetik etc. für die dritte Classe
der Unterrealschule. Wien, Schul bücherverlag. Preis geb. 51 kr. ö. W.
3. Villicus Fr., vollständiges Lehr- und Uebungsbuch der Arithmetik
für Unterrealschulen. 3 Theile. Wien, L. W. Seidel & Sohn. 1861 — 64.
Preis ä 75 kr. ö. W.
4. Streb 1 Job., Handbuch der Arithmetik für Unterrealschulen. 3 Theile.
Wien, Sallmeyer & Comp. Preis ä 64 kr. ö. W.
5. Heis E. Dr., Rechenbuch für die Gymnasien, Realschulen und Ge-
werbeschulen Oesterreichs. 4. Auflage. Köln, Du Mont, 1865. Preis 20 Sgr.
6. Balz er, Rechenbuch für den Standpunct der Mittelschulen. 1850.
Preis 12 Sgr.
b) Geometrie.
1. Glas 1 C, Lehrbuch der Geometrie für Unterrealschulcn. 4. Auflage.
Wien. W. Braumüller, 1858. Preis 1 fl. 50 kr. ö. W.
2. Fialkowsky , Lehrbuch der Geometrie und des Zeichnens für Unter-
realschulen. Wien, Gorischek, 1864. Preis 1 fl. 20 kr. ö, W.
3. Friedleben Theodor Dr., Leitfaden zum methodisch - praktischen
Unterrichte in der Formenlehre und der gemeinen Geometrie, zunächst
für Bürgerschulen. 2. Auflage. Frankfurt a. M., Sauerläuders Verlag.
1851. Preis 12 Ngr.
c)
Blodig Hermann Dr., Darstellung der österreichischen Zoll- und Monopolt-
oronung für die k. k. Realschulen. 5. Auflage. Wien, Prandel & Mayer.
1860. Preis 65 kr. ö. W.
Verordnungen f. d. öst. Gymnasien u. Bealschulen. 625
B. Für Oberrealschulen.
1. Salomon Josef Dr., Lehrbuch der Elementar-Mathematik für Ober-
realschulen. Wien, Gerold. I. Band Algebra. Preis 1 ii, 60 kr. ö. W. —
IL Band. Geometrie. Preis 2 fl. 10 kr. ö. W.
2. Schnedar R., Grundziige der darstellenden Geometrie. S.Auflage.
Brunn, Winiker, 1865. Preis 1 fl. 70 kr. ö. W.
3. Heis E. Dr. und Eschweiler, Lehrbuch der Planimetrie und
Stereometrie. Köln, Du Mont. Preis I. Theil. 25 Sgr. IL Theil 25 ISgr.
4. Wiegan d, Lehrbuch der Mathematik. Halle, Schmidt. Allgemeine
Arithmetik. 1859. 4. Auflage. Preis 12 Va Sgr. — Planimetrie 1. Curs.
1846. 7. Aufl. Preis 10 Sgr., IL Curs. 1865. 6. Aufl. Preis 10 Sgr. —
Ebene Trigonometrie. 1860. 4. Aufl. Preis 10 Sgr. — Stereometrie.
1862. 4. Aufl. Preis 15 Sgr. — Analytische Geometrie der Ebene. 1854.
Preis 12 '/j Sgr. Algebraische Analysis 1865. 3. Aufl. Preis 15 Sgr.
IV. Für Naturgeschichte.
Siehe oben VI, Naturgeschichte für G^Tunasien.
V. Physik.
A. Für Untergymnasien.
1. Kunze k A. Dr., Lehrbuch der Experimental-Physik. 7. Auflage. Wien,
Braumuller, 1864. Preis 1 fl. 40 kr. ö. W.
2. Weiser J. Dr., Anfangsgründe der Physik. 3. Auflage. Wien, L. W.
Seidel & Sohn, 1860. Preis 1 fl. ö. W.
3. Pisko F. J., Lehrbuch der Physik für Unterrealschulen. 6. Auflage.
Brunn, Winiker, 1864. Preis 1 tl. 20 kr. ö. W.
4. Seh ab US J. Dr., leichtfassliche Anfangsgründe der Naturlehre. 9. Auf-
lage. Wien, Gerold, 1863. Preis 1 fl. 5 kr. ö. W.
5. Kr ist Joseph Dr., Anfangsgründe der Naturlehre für die unteren
Classen der Mittelschulen. Wien, Braumüller, 1864. Preis 1 fl. 20 kr. Ö. W.
6. Netolicka E. Dr., Leitfaden für den ersten Unterricht in der Physik
für Unterrealschulcn. 7. Auflage. Brunn, 1860. Preis 1 fl. 8 kr. ö. W.
7. Pick H. Dr., Vorschule der Physik für die unteren Classen der Mittel-
schulen. Wien, Gerold, 1863. Preis 1 fl. 20 kr. ö. W.
8. Koppe K., der erste Unterricht in der Naturlehre für mittlere Schulen.
Essen, Bädecker, 1859. Preis 12 Sgr.
9. Subic S., Lehrbuch der Physik für. die unteren Classen der Gym-
nasien und Realschulen. Pest, Heckenast, 1861. Preis 1 fl. 50 kr. ö. W.
B. Für Oberrealchulen.
1. Kunzek A. Dr., Lehrbuch der Physik mit mathematischer Begrün-
dung. 3. Auftage. Wien, Braumüller, 1865. Preis 4 fl. ö. W.
2. Schab US Dr., Grundzüge der Physik für die oberen Classen der Gym-
nasien und Oberrealschulen. 3. Auflage. Wien, Gerold, 1862. Preis 3 fl.
20 kr. ö. W.
3. Weiser J. Dr., Lehrbuch der Physik auf Grundlage der Elementar-
Mathematik. Wien, L. W. Seidel & Sohn. 1857. Preis 4 fl. ö. W.
4. Pisko, Lehrbuch der Physik für Oberrealschulen. Brunn, Winiker,
1860. Preis 3 fl. 40 kr. ö. W.
5. Subic S., Lehrbuch der Physik für Obergymnasien und Oberreal-
schulen. Pest, Heckenast, 1861. Preis 3 fl. ö. W.
VI. Chemie.
A. Für Unterrealschulen.
1. Berr Franz, Anfangsgründe der Chemie oder Lehrbuch für unter-
realschulcn. 6. Auflage. Brunn, Buschak & Irrgang, 1864. Preis 1 fl.
6 kr. ö. W.
2. Hinterberger Fr., Lehrbuch der Chemie für Unterreal- und Ge-
werbeschulen. 8. Auflage. Wien, Braumuller, 1862. Preis 2 fl. ö. W.
3. Hornig E., Anfangsgründe der Chemie. Wien, Gerold. Preis 1 fl.
5 kr. ö. W.
6t6 Verordnimg«!! f. d. öst. Gymnasien n.^ Bealscholen.
4. Quadrat B. und K. J. Badal, Elemente der Chemie f^ (Jnterreal-
schulen. Brunn, C. Winiker, 1860. Preis 90 kr. ö. W.
B. Für Oberrealschulen.
1. QuadratB., Lehrbuch der Chemie für Oberrealschulen und technische
Lehranstalten. Brunn, C. Winiker, 1856 — 1867. I. Abtheilung. Unor-
ganische Chemie. Preis 1 ü. 58 kr. ö. W. — II. Abtheilung. Organische
Chemie. Preis 1 fl. 58 kr. ö. W.
2. Will ig k E., Lehrbuch der Chemie für Real- und Bürgerschulen. Prag,
Temps%. 1. Theil. 2. Auflage. 1864. Preis 1 fl. 50 kr. ö. W. — 2. ThciL
1860. Preis 1 fl. 50 kr. ö. W.
VIL Geometrisches Zeichnen.
1. Hieser J., die zeichnende Geometrie als Vorschule für die Projections-
lehre, das technische Zeichnen und die Feldmesskunst. Für Real- und
Gewerbeschulen. Mit 15 Steintafeln. 3. Auflage. Wien, L. W. Seidel
& Sohn, 1864. Preis 2 fl. ö. W.
2. He issig F., Vorschule zum perspecti vischen Zeichnen geometrischer
Objecte nach der Anschauung, enthaltend das Zeichnen geometrischer
Formen in der Ebene aus freier Hand. Mit 15 Tafeln. 2. Auflage.
Wien, Gerold, 1858. Preis 1 fl. 80 kr. ö. W.
3. H eis 8 ig F., Anleitung zum Zirkel- und Linearzeichnen als Vorschule
für die darstellende Geometrie, das Architektur-, Maschinen- und
Situationszeichnen. Wien, Gerold, 1855. Preis 1 fl. 30 kr. ö. W.
VIIL Baukunst an BealscJiuHen.
1. Gabriel y A. v., Grundzüge der Baukunst für Real- und Gewerbe-
schulen. 7. Aufl. Brunn, Buschak & Irrgang, 1864. Preis 1 fl. 80 kr. ö. W.
2. Schnedar J., Anleitung zur Baukunst. Zum Gebrauche für Real-,
Sonntags- und Gewerbeschulen. Mit einem Atlas von 10 Kupfertafeln.
Wien, Gerold, 1856. Preis 2 fl. 10 kr. ö. W.
Anhang.
AUgefnein zulässige Atlanten für Mittelschulen.
1. Sydow E. V., Schulatlas in 42 Karten. Neueste Auflage. Gotha, Perthes.
Preis 1% Thh-.
2. Stiel er Ad., Schulatlas. Ausgabe fftr die österreichische Monarchie
in 39 illuminirten Karten. Gotha , Perthes. Preis 1 '4 Thlr. Ausgabe
in 45 illuminierten Karten 1*4 Thlr.
3. Berghaus H., Schulatlas der österreichischen Monarchie nach der
neuesten politischen und gerichtlichen Eintheilung. Neueste Auflage.
In 7 illuminirten Karten. Gotha, Perthes. 12 Sgr.
4. Kozenn B., geographischer Schulatlas für Gymnasien, Real- und
Handelsschulen. 31 Karten. Wien und Olmütz, Ed. Hölzel Preis 2 fl.
60 kr. ö. W.
5. Steinhauser A., Atlas für die erste Stufe des geographischen Unter-
richtes in den österreichisch-deutschen Schulen. Wien, Artaria & Comp.
I. Heft. 6 Karten zur allgemeinen Erdbeschreibung. Preis 60 kr. ö. W.
— IL Heft. Karten zur Vaterlandskunde 7 — 15. Preis 1 fl. 40 kr. ö W.
(einzelne Karten 7 — 14, je 15 kr., Karte 15 zu 20 kr. ö. W.).
6. Simony Fr., kleiner Schulatlas für den Elementarunterricht, besonders
zum Gebrauche zu Belli ng er 's Leitfaden der Geographie. 7 Karten und
4 Blätter Text. Wien, Gerold. Preis 54 kr. ö. W., für die erste Classe
zulässig.
7. Lange Henry, gröfserer Schulatlas. 34 Karten in Stahlstich und Bunt-
druck. Braunschweig, Westermann. Preis 1 Thlr. 10 Sgr.
8. Lichtenstern Freih. v. und Lange Henry, neuester vollständiger
Schulatlas. 44 Karten in Stahlstich. Braunschwoig, Westenuann. Preis
2 Thlr. 9 Sgr.
Verordnungen f. d. ösi Gymnasien u. Realschulen. 887
S.Kiepert H., historisch-geographischer Schulatlas der alten Welt.
16 Karten mit 4 Bogen erläuterndem Text. 15. Auflage. Weimar, geo-
faphisches Institut. Preis 1'/^ Thlr.
iepert H., Atlas antiquus. 10 Karten zur alten Geschichte. 3. ver-
hesserte Auflage. Berlin, D. Reimer. Preis 1 Thlr. 15 Sgr., jede Karte
einzeln 6 Sgr.
11. Menke Th., Orbis antiqui descriptio in usum scholarum. 3. Auflage.
1860. 18 Karten. Gotha, Perthes. Preis 1% Thlr., jede Karte ein-
zeln 2 Sgr.
12. Spruner K. V., historisch-geographischer Schulatlas. 22 illuminirte
Karten in Kupferstich. 2. Auflage. Gotha, Perthes. Preis 2'/, Thlr.,
jede Karte einzeln 4 Sgr.
Wandkarten für die Schule,
1. Sydow E., Erdkarte in 2 groXsjen Planigloben, 12 Sectionen mit Text.
4. Auflage. Preis 1% Thlr., aufgezogen 37, Thlr.
2. Sydow E., Europa in 9 Sectionen mit Text. 4. Auflage. Preis 1'/, Thlr.,
aufgezogen 3'/« Thlr.
3. Sydow E., Asien in 9 Sectionen mit Text. 3. Auflage. Preis 1% Thlr.,
aufgezogen 3 Thlr.
4. Sydow E., Afrika in 6 Sectionen mit Text. 3. Auflage. Preis 1 Thlr.,
aufgezogen 2% Thlr.
5. Sydow E., Australien in 6 Sectionen mit Text. Preis 1'/^ Thlr., auf-
fjzogen 2% Thlr.
ydow E., Nord- und Südamerika in 10 Sectionen mit Text. 3. Auf-
l^e. Preis l'/a Thlr., aufgezogen 3 Thlr.
NB. Die Wandkarte von Deutschland wird demnächst in neuer Be-
arbeitung erscheinen.
7. Bergbaus H. und Stülpnagel Fr. v., Chart of the world. 3. Auf-
lage in 8 Sectionen. 1864. Preis 4 Thlr., aufgezogen 5'/, Thlr. (1 — 7
bei J. Perthes in Gotha.)
8. Scheda J., Planiglobien der beiden Hemisphären 1 und 2. Preis
6 fl. 30 kr. ö. W.
9. Scheda J., Wandkarte von Europa. Preis 3 fl. 15 kr. ö. W.
10. Scheda J., Wandkarte von Mitteleuropa. Preis 5 fl. 25 kr. ö. W.
(8 — 10 im k. k. Schulbücherverlag zu Wien.)
11. Kiepert H., die alte Welt. 8 colorierte Blätter. Preis 2V3 Thlr.
12. Kiepert H., Altgriechenland. 11 coloriei*te Blätter. Preis 3'/3 Thlr.
13. Kiepert H., Altitalien. 12 colorierte Blätter. Preis 4 Thlr.
14. Kiepert H., Umgebungen von Rom. Preis l'A Thlr.
15. Kiepert H., das römische Reich. Preis 4i% Tnlr. (11 — 15 im geo-
graphischen Institute zu Weimar.)
16. Spruner K. und Bretschneider A., historisch - geographischer
Wandatlas. 10 Karten zur Geschichte Europa's im Mittelalter bis auf
die neueste Zeit, coloriert roh, Preis 18% Thlr., aufgezogen 30 Thlr.,
jede einzelne Karte roh 3'/3 Thlr., aufgezogen 4'/, Tnlr.
17. Stülp nage 1 Fr. v., Wandkarte von Europa mit Angabe der politi-
schen Eintheilung. 2. Auflage. 1864. Preis roh \% Thlr., aufgezogen
2V, Thlr.
18. Stülpnagel Fr. v., Wandkarte von Deutschland mit Angabe der
politischen Eintheilung. Preis roh 1'/, Thlr., aufgezogen SV» Thlr.
19. Stülpnagel, Berghaus und Petermann, Karte des österreichi-
schen Kaiserstaates mit einem Plane von Wien und 9 Cartons. Preis
1% Thlr., aufgezogen 2 Thlr. (16 — 19 bei J. Perthes in Gotha.)
Zur Erläuterung des vorstehenden Verzeichnisses hat das k. k. Staati-
ministerium in dem Erlasse vom 15. Juli , durch welchen das Verzeichnis
den einzelnen Länderstellen mitgetheüt ist, folgendes erklärt:
a) Das unter Nr. III für deutsche Sprache an Gymnasien verzeich-
nete Lehrbuch: Hoflfmann's neuhochdeutacne Elementar-Grammatik, war
W6g«n einiger Eigenthümlichkeiten in der Orthographie aufser Gebrauch
688 Personal- und Schulnotizen.
gesetzt; dieser Anstand ist aber in den neueren Auflagen dieses an sich
sehr trefflichen Buches beseitigt worden.
b) Die von Dr. Mocnik herausgegebenen mathematischen Lehrbücher
werden noch für jene Schüler, welche in den Schuljahren 1867./t>8 bezüglich
in die 1. und 5. Classe gelangen, zugelassen ; die ^ulässigkeit dieser Lehr-
bücher für die Schüler , welche vom Schuljahre 1868/69 an in die L und
5. Gymnasialciasse gelangen, wird jedoch von einer solchen, bis dahin
durchgeführten Verlfesserung derselben abhängig gemacht, welche einen
gedeihlichen Erfolg des Unterrichtes nach ihnen erwarten lässt.
c) Aehnliches gilt auch von Dr. Hillardt's geometrischen Wandtafeln,
denen der Anspruch auf allgemeine Zulassigkeit erst dann wird zuerkannt
werden, bis eine Ausgabe derselben im Quartformate mit viertelzölligen
Entfernungen der Punkte und zu billigem Preise veranstaltet sein wird,
so dass eine solche Autlage, deren Erscheinen vom Verfasser im Laufe des
Schuljahres 1865/66 in Aussicht gestellt wurde, neben Friedlcben's Leit-
faden oder Moßnik's geometrischer Anschauuugslehre als entsprechendes
Hilfsmittel wird dienen können.
d) Durch die im „Anhange des Verzeichnisses** eingeführte Ver-
mehrung der approbiert^jn Wandkarten für die Schule ist der ünterrichU-
Ministerial-Erlass vom 10. Juli 1854 Z. 7635, insoweit derselbe den aus-
sch lief suchen Gebrauch der darin verzeichneten Schul Wandkarten zum
Gegenstande hat, als aufgehoben zu betracliten.
Da dem Ministerium daran gelegen ist, eine gleiche Revision und
geordnete Uebersicht solcher an den Mittelschulen bereits allgemein oder
speciell zugelassenen Lehrbücher, welche in einer anderen Landessprache
als der deutschen verfasst sind , zu veranlassen und eine thunliche Ver-
vollständigung der bezüglichen Verzeichnisse zu ermöglichen, so wird die
unter einem beauftragt, zu diesem Behufe ein möglichst vollstän-
diges Verzeichnis der im letzten Decennium im Drucke erschienenen ....
ßchuUiteratur mit Angabe des Verlages und Preises bei jedem Buche ent-
weifen zu lassen und zu Ende September d. J. anher vorzul^en, wobei
bezüglich der bereits eingeAihrten Lehrbücher der Ministerial-Erlass , mit
welchem die allgemeine oder specielle Zulassung ausgesprochen wurde, an-
zuführen ist.
Personal- und Schulnotizen.
(Ernennungen, Versetzungen, Beförderungen, Auszeich-
nungen u. s. w.) — Se. k. k. Apost. Majestät haben mit Allerhöchster
Entschliefsung vom 10. September 1. J. den Hofrath der oberösterreichi-
schen Statthalterei, Adolf Ritter von Kriegsau, zum Sectionschef im
h. k. k. Staatsministerium Allergnädigst zu ernennen geruht.
Der Lehrer am Hermannstädter G., Dr. Jakob Rumpf, zum Lehrer
am k. k. G. zu Laibach; der Gymnasiallehrer zu Krainburg, Maximilian
Pleterschnik, zum Lehrer extra statum am k. k. G. zu Görz; der
prov. Director des G. zu Spalato, Lucas Svillovich, zum wirklichen
birector dieser Lehranstalt; der wirkl. Lehrer am Stanislauer G., Johann
Kerekjarto, zum Lehrer am akadem. G. zu Lemberg; der bisherige
prov. Director des SamborerG., Alexander Kosminski, zum wirklichen
Director derselben Anstalt; die Gymnasiallehrer Johann Branik zuStanis-
lawow und Joseph Hof mann zu Tarnopol, dann der Gymnaaialsupplent
Joseph Bayerl zu Linz und der Lehramtscandidat Alois Scherzel zu
Gymnasiallehrern extra statum am k. k. OG. zu Czernowitz; der Gym-
nasiallehrer zu Mariatheresiooel, Ferdinand Meszaros, zum ordentlichen
Lehrer am k. OG. zu Ofen; aie Supplenten am OG. zu Neusohl, Joseph
Loos und Franz Mräz, zu wirklichen Gymnasiallehrern daselbst; der
Supplent am G. zu Mariatheresiopel, Andreas Hejja, zum wirklichen
Gymnasiallehrer daselbst; der Supplent und Weltpriester Karl He che lein
zum wirklichen Lehrer der Philologie am OG. zu Szathmär; dann der
Personal- und Schutnotizen. 6tO
Supplent am k. k. 0. G. zu Innsbruck, Jakob Walter, der Lehraintscandi-
dat am k. k. akad. G. in Wien, August Glembek und der Supplent am
k. k. G. zu Czemowitz, Joseph Kraska, zu wirklichen Lehrern am k. k.
Staats-G. zu Hermannstadt.
Der Lehrer an der k. k. OR. zu Troppau, Franz Charwat, zum
wirklichen Lehrer an der k. k. OR. in Salzburg; zum wirklichen Lehrer
an der k. k. OR. zu Steyr Leopold Frank; der Supplent an der k. k.
OR. zu Innsbruck, Joseph Egger, zum wirklichen Lehrer an dieser
Lehranstalt; der Lehrer an der OK. in Spalato, Dr. Friedrich Buckeisen,
zum wirklichen Lehrer an der k. k. OR. in Brunn; der Supplent am UG.
zu Freiberg, Alois Kaplan, zum wirklichen Lehrer an der k. k OR.
zu Ol mutz, und der Hilfslehrer an der Prager k. k. deutschen OR.,
Adolf Leinweber, zum wirklichen Lehrer an der griech. Orient. OR. zu
Czemowitz.
Zum Lehrer für Naturgeschichte und Geographie an der Gumpen-
dorfer RS., Dr. Joseph Ferdinand Krautschneider, und zum Lehrer
der Arithmetik und Physik an derselben Lehranstalt Joseph Haberl.
Der Director der hydrograühischen Anstalt in Tri est, Dr. Franz
Schau b, zum Director der Hanaels- und nautischen Akademie alldort.
Der steirische Landesausschuss hat unter Gutheifäung des Staats-
miniateriums folgende I^ehrkanzeln an der Grazer technischen Hoch-
schule besetzt: die Lehrkanzel der theoretischen und angewandten Statik
und Mechanik wurde dem Hrn. Ferdinand Lippich, Assistenten der Physik
an der k. k. Universität und am Landespolytechnicum in Prag, verliehen ;
die Lehrkanzel für Hochbau dem städtischen Baurathe Hrn. August Essen-
wein in Graz; jene für Maschinenbau dem Hrn. Franz Hlawatschek,
Maschinenbauingenieur in Prag; für Forstwirthschaft dem Hrn. Jobann
Schmirger, erstem Assistenten in Maria-Brunn ; die Lehrkanzel für Strafsen-
und Wasserbau, Wiesencultur und Drainagearbeiten dem Hrn. Remigius Götz
aus München, Assistenten und Repetitor an der k. Bau- und Ingenieur-
schule in München ; für chemische Technologie dem Hm. Dr. H. Sc nwarz,
außerordentlichen Professor der Gewerbekunde an der Breslauer Univer-
sität ; die Lehrerstelle für Figuren- und Landschaftszeichnen dem Hm. Hein-
rich Bank, Assistenten des Freihandzeichnens an der k. k. deutschen OR.
in Prag; die Stelle eines honorierten Docenten ftlr Bau- und politische
Verwaltungsgesetze dem Grazer Universitätsprofessor Hrn. Dr. Adalbert
Michl im Berufungswege, jene für landwirthschaftliche Thierhpilkunde
dem Hrn. Dr. J. R. v. Koch, Director der landwirthschaftlichen Hufbe-
schlagslehranstalt in Graz, im Berufiingswege verliehen.
Der bisherige Präsident des Unterrichtsrathes Dr. Leopold Hasner
Ritter von Art ha, nach der auf sein Ansuchen in Gnaden ihm bewillig-
ten Enthebung von diesem zur vollen Allerhöchsten Zufriedenheit versehenen
Amte und unter Genehmigung seiner Bitte um Rückversetzung in die
lehramtliche Thätigkeit und zugleich taxfreier Verleihung des Titels und
Charakters eines Hofrathes, zum ordentlichen Professor der p<)litischen
Wissenschaften an der Wiener Universität; der aufserordentliche Pro-
fessor der Physik an der Grazer Hochschule Dr. Victor v. Lang, zum
ordentlichen Professor desselben Faches an der Wiener Universität; der
ordentl. Professor der Lemberger Universität Dr. Ferdinand Bischoff zum
Professor der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte und des deutschen
Privatrechtes an der Grazer Hochschule; der a. o. Professor der deutschen
Sprache und Literatur au der Lemberger Hochschule Johann Hloch,
zum ordentlichen Professor dieses Faches an derselben Lehranstalt; der
aufserordentl. Professor der polnischen Sprache und Literatur an der Uni-
versität zu Praff Heinrich Suchecki zum aufserordentlichen Professor
für vergleichende slavlBche Spiachknnde an der Hochschule zu Krakau.
680 Personal- and Schnlnotizen.
Der Lehrer der französischen Sprache am Pester 00., Karl Coli and,
zum Lehrer der französischen Sprache an der königlichen Universität zu
Pest; der Priester Bartholomäus Maistrello zum ordentlichen Pro-
fessor der Eirchengeschichte und der Priester Peter Italiano zum ordent-
lichen Professor des Bibelstudiums alten Bundes und der orientalischen
Dialekte an der UniYersität zu Padua.
Der Privatdocent der Physiologie zu Leipzig Dr. Ewald Hering,
zum Professor der Physiologie und medicin. Physik an der k. k. medicinisch-
chirurgischen Josephsakademie in Wien, zugleich tax^i zum MitgUede
des liulitärsanitätscomite.
Zum Adjuncten und Bibliothekar an der k. Rechtsakademie zu Prefa-
bnrg Dr. Karl Milbeck und zum Adjuncten und Bibliothekar an derk.
Rechtsakademie zu Kaschau der Conceptsprakticant der kön. ungar. Statt-
halterei Dr. Georg Fesüs.
An der nunmehr zum Rang einer „k. k. Bergakademie"* Allergnädigst
erhobenen k. k. Montanlehranstalt zu Pribram ^n der zugleich die Errich-
tung einer besonderen Lehranstalt für Berg- und Hüttenmaschinenlehre und
Baukunst Allergnädigst genehmigt wurde) , der PHbamer proY. Bergrer-
waltersa4junct und Bergschullehrer Augustin Beer, zum Professor der
Bergbaukunde, der 2. Probierer des Wiener Generalprobieramtes Wenzel
Mrazek zum Professor der Probier- und Hüttenkunde und der Schemnitzer
Maschineninspectorsadjunct Julius Ritter v. Hauer, zum Professor der
Berg- und Hüttenmaschinenlehre und der Baukunst.
Der Rector des Patriarchalsenünares in Venedig Johann Peter Fer-
rari, zum Residenzialdomherrn und der Präfect des dortigen Dicecesan-G.
Laurenz Nobile de Canal zum Ehrendomherm an dem Patriarchalcapitel zn
Venedig.
Der Archimandrit Andjeliö, der Erzpriester Nokoli^ und der
Major Matiö zu Patronen des G. zu Carlo witz.
Dem Professor an der Wiener Universität, Hofrath Dr. Johann
Oppolzer, ist, den kais. russischen St. Annen-Orden 2. Cl., dem Professor
an aerselben Universität, Dr. Ernst Brücke, das Ritterkreuz des kön. schwe-
dischen Nordstern-Ordens, dem Professor amk. k. Polytechnicum, Joseph
Stummer zu Wien, das Commandeurkreuz des päpstl. St. Georg-Ordens, dem
Universitätsprofessor in I n n s b r u c k , Dr. Karl Libor Kopetzky, das Ritter-
kreuz des kais. mexicanischen Guadalupe-Ordens, dem Professor ander Aka-
demie der bildenden Künste in Wien, Oberbaurath Friedrich Schmidt,
das Ritterkreuz des kÖn. sächs. Albrecht-Ordens und dem Assistenten bei der
k. k. Direction für administrative Statistik, Max Wald stein, die herzogi.
Sachsen-Coburg-Gotha'sche Medaille ftir Kunst und Wissenschaft annehmen
und tragen zn dürfen Allergnädigst gestÄttet; femer dem Amanuensis der
k. k. Hofbibliothek in Wien, Adolf Mussafia, die kais. österr. gol-
dene Medaile für Kunst und Wissenschaft und dem k. k. Landesgerichtsaus-
cultanten Franz K upido in Brunn, in Anerkennung seiner schriftstellerischen
Leistungen auf dem Gebiete der Numismatik und Archsoloeie von der
Universität Jena den Titel eines Doctors der Philosophie verliehen; endlich
der hiesige Schriftsteller, Dr. August Silberstein, zum Ehrenmitglied
und Meister des deutschen Hochstiftes zu Frankfurt a/M. ernannt wowen.
Das bisher Gclassige G. zu Neu-Sandeö (Galizien) ist mit Aller-
höchster Entschliefsung vom 20. Juni 1. J. zu einem Sclassigen vervoll-
ständigt und gleichzeitig der Stadtcommune die hochortige Anerkennung
für ihre Opferwilligkeit zum Frommen des öffentlichen Unterrichtes ausge-
sprochen worden.
Das G. zu Neusatz ist mit Allerhöchster Entschliefsung vom 5.
Juli 1. J. zum OG. auf Staatskosten unter Belassung seines confessionellen
und nationalen Charakters mit dem Rechte der Oeffentlichkeit und der Aus-
gabe von im ganzen Reiche giltigeu Zeugnissen erhoben worden.
Personal- und Schulnotizen. 681
Ihre kais. Hoheit die Frau Maria Antonia, Grofsherzogin von
ToBcana, widmete neuerdings ein Capital von lO.OOOfl. Ö. W. dem Gyra-
nasialfonds zu Schlackenwertb, mit der Bedincfung, dass von den ent-
fallenden jährlichen Interessen 430 fl. ö. W. zur Unterhaltung eines Leh-
rers für die 3. Hauptschulclasse aus dem Piaristen -Orden verwendet wer-
den. Von gleicher Seite wurden Auslagen für Herrichtung der Professoren-
zimmer mit 600 fl. bestritten.
Hr. Ludwig Ri edler hat zu Schulzwecken am RG. in Mariahilf
in Wien 100 fl. gespendet.
Der zu Triest verstorbene Dr. Gregor A nani an hat, nebst zahlreichen
anderen Legaten zu wohltbätigen Zwecken, auch namhafte Stipendien für
Studierende („Fondazione di stipendi scolastici Ananiare**) gestiftet, darunter
je zu 200 fl. für Triester Gyninasialscbüler und zu je SOO fl. ö. W. für
Studierende der Rechtswissenschaften der Medicin n. d. Technik in Wien.
Am 5. September 1. J. fand zu Wildenschwert in Böhmen die feier-
liche Enthüllung des dem bekannten Psedagogen und Schriftsteller Job.
Amos Komensk^ (Comenius) (geb. zu Comna in Mähren lö92, gest. zu
Kaarden bei Amsterdam 1671) statt.
Ueber die Aufnahme der Schüler an der k. k. Akademie der
bildenden Künste in Wien für den nächsten Studiencurs s. Wr. Ztg.
V. 10. September 1. J., Nr. 207. S. 683.
(Erledigungen, Co ncurse u. s. w.) Z om bor, selbst. UR., Lehr-
stelle für Freihandzeichnen und Schönschreiben, mit Berücksichtigung der
Kenntnis der un^ar. u. serb. Sprache, Jahresgehalt 525 fl., mit Quartierrelu-
tum von 105 fl. Holzrelutum von 63 fl. ö. W. und Pensionsfähigkeit. Ter-
min: 15. October 1. J., s. AmtsbL z. Wr. Ztg. v. 7. September 1. J., Nr. 205.
— Tronpau, k. k. OR. , Lehrstelle für Naturgeschichte als Hauptfach,
Jahresgehalt 630 fl., eventuel 840 fl. Ö. W. und Anspruch auf Decennal-
zulagen. Termin : 17. October 1. J., s. Aratsbl. z. Wr. Ztg. v. 10. September
L J., Nr. 207. — Pesth, k. une. Universität, Lehrkanzel der nraktischen
Medicin und medicin. Klinik für Wundärzte, Jahresgehalt 1365 n., eventuel
1680 fl. u. 1995 fl. Ö. W. Termin: 15. October l J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg.
V. 12. September 1. J., Nr. 208. — Hermannstadt u. Klausenburg,
k. Rechtsakademie, 2-3 Privat-Docentenstellen an derselben für eventuelle
Vorlesungen in rumänischer Sprache, Remuneration 200—250 fl. ö. W.
nebst Bezug des Collegiengeldes. Termin: 1. November 1. J., s. Amtsbl.
z. Wr. Ztg. v. 16. September l J., Nr. 212. — St. Polten u. Wiener-
Neustadt, Landes-OR., an ersterer Lehrstelle für Mathematik, an letz-
terer für deutsche Sprache und Geographie, Jahresgehalt 800 fl. Ö. W.
und Anspruch auf Decennalzulage. Termm : 10. October 1. J., s. Amlsbl. z.
Wr. Ztg. V. 19. September 1. J., Nr. 214. — Zengg (Militärgrenze), k. k.
OG., Lehrstelle für classische Philologie, Jahresgehalt 735 fl. ö. W., mit
Vorrückungsrecht u. Anspruch auf Decennalzulage, s. Amtsbl. z. Wr. Ztg.
V. 21. September 1. J., Nr. 216. — Stanislawow, k.k.G., Lehrstelle für
Mathematik und Physik, Jahresgehalt 735 fl., eventuel 8^ fl. ö. W., nebst
Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: Concursfrist , s. Amtsbl. zur Wr.
Ztjg. V. 24. September 1. J., Nr. 219. — Prag, polytechn. Landesinstitut
mit deutscher Unterrichtssprache, Lehrkanzel der mechan. Technologie,
Jahresgehalt 2000 fl., eventuel 2500 fl. und 3000 fl. ö. W. Termin: Ende
October 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 26. September 1. J., Nr. 220.
(Todesfälle.) Am 18. L J. zu Hall (Tirol) der dortige Bürger-
meister Advocat Dr. Alois Strafser (geb. 1806 zu lenbach in Tirol), als
echter Kenner, Freund, Schilderer und Vertreter seiner Landsleute bekannt,
in dessen Nachlasse viel Volksthümliches sich finden dürfte. (Vergl Beil.
z. A. a. Ztg. V. 8. Auffust 1. J. Nr. 220, 8. 3580.;;
— Am 26. Jonil J. zu Southampton Dr. WiUiam Freemau Daniell
632 Personal- und SchulnotizeiL
(geb. 1818 zu Liverpool), Vf. geschätzter Monographien über die Einge-
hörnen an der westafricanischen Küste, so wie über' die dortigen omci-
nellen Gewächse (von denen der westafricanischc Weihrauchbaum nach ihm
Daniella benannt worden).
— Anfangs Juli 1. J. zu Warschau der in weiten Kreisen als Rechts-
kundiger und Geschichtsschreiber bekannte Nik. Malinowski, im 66.
I^ebensjahre.
— Mitte Juli 1. J. zu London Dr. S. P. Wood wo rd, Mitelied der
geologischen Gesellschaft, auch als Archseolog bekannt, und zu Haag der
Keichsarchivarius Dr. Bakhuizen van den Brink, auf den Gebieten der
Geschichte, der Archseologie und der classischen wie der modernen Litera-
tur gleichbewandert, im 55. Lebensjahre.
— Am 4. August 1. J. zu Böhmisch-Trübau der Concipist des böhm.
Landesauschusse« Franz Wolak (geh. 1829 zu Lidmafi bei Tabor), als
czechischer Schriftsteller (namentlicn durch Uebersetzung polnischer Romane)
bekannt, und William Edmondstoune Avtoun (geb. zu Edinburg 1813),
Professor der Rhetorik und der schönen Wissenschaften ander Universität
zu Edinburg, namentlich durch seine „Lays of the Scottish Cavaliers" und
seine geschmackvolle Uebersetzung Gcethe'scher Lyrik (mit Th. Martin)
bekannt. (Vgl. A. a. Ztg. v, 10. August 1. J. Nr. 222, S. 3603.)
— Am 5. August 1. J. zu Ober-Siebenbrunn (im Marchfelde, unfern
von Wien) Wilhelm Jos. Constantin Phillippens, Professor der firanzö-
sichen Sprache und Literatur , im 61. Lebensjahre, und zu Graz Se. Exel-
lenz der k. k. wirkl. geh. Rath und Staatsrath Anton Freiherr von Haim-
berper fgeb. am 3. Mai 1795 zu Seitenstetten in Nieder - Oesterreich),
durch lange Jahre k. k. Universitätsprofessor, auch als juristischer Schrift-
steller (-Lehrbuch des römischen Rechtes") bekannt. (Vgl. Wr. Ztg. vom
27. Sept. 1. J. Nr. 221, S. 858.)
— Am 7. August 1. J. zu Wien der Schauspieler Karl Julius,
auch als dramatischer Schriftsteller und Bearbeiter fremdländischer Thea-
terstücke bekannt, im Alter von 45 Jahren, und zu Krukanitz der frühere
Director und Professor der Astronomie am Josephs-Polytechnicum zu Ofen ,
Se. Hoch würden Dr. Lambert Meyer, Prämonstratenser des Stiftes Tepl,
im 70. Lebensjahre, femer der befähigte Lemberger Maler und Zeichner
Julius Blotniecki durch einen Sturz vom Gerüste beim Malen in dergr.
kath. Kirche zu Uhnow.
— Am 8. August 1. J zu Gmunden der dortige k. k. Tabak- und
Stempelhauptverlcger Hr. Joseph Lechner (geb. zu Wien 179^), auch als
Schriftsteller („Volkasagen", „Zur Gmundner Chronik'* u. m. a.) bekannt,
und zu Schwerin der Director des dortigen Gymnasiums Dr. Friedrich Kaii
Wex, in der philologischen Welt mit Ehren genannt, namentlich um
Sophokles hochverdient, im Alter von 63 Jahren.
— Am 10. August 1. J. zu London Hugh Cum in g (geb. im Fe-
bruar 1791 zu West-Alvington in Devonshire), durch seine reichen zoo-
logischen, besonders Pflanzen- und Muschel-Sammlungen bekannt.
Am 10. (?) AugTist 1. ,1. zu Reichenhall der Pianist und grofs-
herzogl. badische Hofmusicus Karl Zahl borg, auch als Componist be-
kannt, im Alter von 24 Jahren.
— Am 12. August 1. J. in Loucim bei Klattau Dr. Rudolf Mayer, durch
zahlreiche poetische Producte in der neuesten böhmischen Literatur vor-
theilhaft bekannt, im Alter von 28 Jahren, und zu Berlin Consistorialrath
Dr. Christian Wilh. Niedner, Professor an der dortigen Universität, durch
seine Werke auf kirchen- und dogmengeschichtlichem Gebiete bekannt.
— 13. August 1. J. in der Döblinger-Heilanstalt nächst Wien Hr.
Med. Dr. Ignaz Semmelweifs, Professor an der medic. Facultät der
Pesther Universität, im Alter von 47 Jahren, und zu Dresden der bekannt«
Schriftsteller und Dramatiker Dr. Wilhelm Wolf söhn (geb. zu Odessa), im
Alter von 44 Jahren.
(Diesem Hefte sind ftlnf literarische Beilagen beigegeben.)
Erste Abtheilung.
Abhandlungen.
Kritisch-exegetische Bemerkungen zu Aeschylus.
Qro&e und mannigfache Schwierigkeiten für Exegese und
Kritik bietet die Stelle in den Supplices des Aeschylus v. 995 ff.
ed. Dindorf.
vuag <f* fnaivm fitj xoTtuaxuviiv ifiiy
aQav <f* ixovaas ti^vS* in(arqinTov ß^xotq.
riQUv^ oniüQa J' evtfvXaxros ovSa^üq.
^^Q€S ^k XriQtt(V0vai Xttl ßqOTOl TlfAV^V
x«l xvfo^ala nTf Qovvra xai ni^oariß^t
xaQTitüfiaTa araCovra xfiQvoau KvTtQig
HV
xaXfoQa xtoXvovaav ^(oa fjiivtjv Iq^ü
xal nagd^ivviv jifiUJartfAV x. x, l.
Es sind zu diesen vielfach verdorbenen und entstellten Versen
mancherlei Verbesserungsvorschläge gemacht worden; indessen
finden wir bei näherer Prüfung, dass alle Ausleger an den ^rQeg
und yLviodaXa , so wie an Kvnoi^ und i^ gescheitert sind. Es
wird daher nöthig sein, die Stelle in ihrem Zusammenbange
nochmals darzulegen, um für die Erklärung und Ejitik neuen
Boden zu gewinnen. — Nachdem die Danaiden von ihren Ver-
folgern glücklich befreit sind, ermahnt der Vater Danaus seine
Töchter, den Argivem für ihre gastliche Aufnahme und filr den
ihnen gewährten Schutz zu danken {v. 980—988). Alsdann bittet
er sie dringend, Tugend und Unscnuld zu wahren (988 — 1013).
Der Bede des Vaters nun entsprechend zerföUt der folgende Chor-
gesang eben&lls in zwei Abtheilungen: 1. Segenswünsche auf
Argos (1014—1030); 2. Bitten zu den Göttern, sie vor einer
Ehe zu bewahren, zu der sie mit Gewalt gezwungen werden
sollen. Was nun die Ermahnungen des Vaters betrifft, so erin-
nert er selbst an die früheren Rathschläge, die er ihnen ertheilt
habe v. 991.
noXXoTaiv äXXoig awpqoviafiaatv natQog,
Ztltfohrlft 1 d. 5tt«rr. Otüui. iSGft. IX. Etil. 43
684 Kritisch-exegetische Bemerkungen zu Aeschjlus, y. J, Oberdidc.
Hiermit bezieht er sich auf die Rede, die er v. 176 — 204 an
seine Töchter gehalten hat, worin er sie besonders zur Demuth
und Bescheidenheit ermahnt und ihnen empfiehlt, die Augen
züchtig niederzuschlagen; denn ein frecher Blick ziemt keiner
Jungfrau; wol aber erkennt man aus dem Funkeln der Augen
das Weib, das die Liebe des Mannes erfahren hat, wie Aes(£y-
lus in den To^otidegy Fgi 255 bei Hermann sagt:
vias ywaixog ov fi€ fi^ Xud^ (fXiytüv
6(^'&uXu6g, fJTig dvJgos j yfyevfi^vti'
^w de TovTiav ^vftdv iknoyvfofiovtt.
Der Jungfrau aber geziemt Verschämtheit und ein ruhiger Blick.
Hierauf gehen die vielfach misverstandenen Worte (v. 198 ff.):
t6 fi-^ jbiuTatrOV (f* ix fiertontüv atMfgovtav
Hermann hat hier für das verdorbene fietd^io aoHfqovwv (Med.)
oder ^etanio aioipQovioVy welches Eobortellus in fierofTnav auxp^-
v(ov verwandelte, mit Person fierwTtoauKpQonoy geschrieben, wäh-
rend er im folgenden Verse statt des n^awitov des Mediceus
aus dem Wolfenbüttler Codex nQoacjTtcov aufnimmt Schmidt
ml\ ^teyiGToaioijpQovuiVf wahrscheinlich nach Hermann zu Eum. 44
emendieren, wie auch Suppl. 709 ähnlich ^eyiaroTi^ov gesagt
ist. Indessen sind hier die fthioTta ot'fQova durchaus nöthig
zur Vervollständigimg des Oemäldes, welches Danaus von den
züchtigen Jungfrauen entwirft. Dieses würde nun auch durch die
von Dindorf, Schwerdt, Kjruse aufgenommene Cönjectur aeaa/-
q)Qovigfteviüv festgehalten; jedoch bedarf es einer so gewalt-
samen Aenderung nicht. Der Fehler ist offenbar in dem folgen-
den 7t^aw7tov zu suchen, wo die Aenderung in n^aeqnov auf
der Hand liegt:
t6 firi /naraiov J' ix fAHtonbiV ato^qovtiv
txo) TTgoü^QTiov oufjiaTog nttf)* ijav/ov.
Ein Gegenstück zu diesen Ermahnungen bietet unsere Stelle.
Gar leicht, sagt der Vater, erhebt sich wider den fremden An-
kömmling die Lästerzunge. Darum ermahne ich euch, mir keine
Schande zu bereiten, da ihr nunmehr zu dem Alter erblüht seid,
das die Männer anlockt. -— Sie sollen also züchtig und rein
leben und sich hüten, ihre Jungfräulichkeit Preis zu geben. Nun
aber weifs Danaus, dass er seinen Töchtern eine sdiwere Pflicht
auferlegt; denn nicht leicht ist die liebliche Frucht zu hüten.
Ihr stellen die Thiere nach, geflügelte und vierflifsige und nach
der Jungfrauen herrlichen Gestalten werfen die vorübergehen-
den Männer der liebetrunkenen Blicke Geschofs. So würde die
Rede des Danaus im Zusammenhange lauten. Denn es ist wol
klar, dass jener den Satz: TfQeiv' OTrioQa d' evipilcncTog ovia-
l,uZg im folgenden dadurch begründet, dass einmal die ^^
ihr nachstellen, sodann die Männer, welche sie voll Verlangen
anschauen. Hermann scheint sich nun die ^^^ an unserer Stelle
Kritiscli-exegetisclie Bemerkungen xu Aesohylns, t. J. Oherdidc 6S5
nicht haben erklären können. Daher verändert er mit Wieseler
'^Q€$ in dTioaig^ indem er den Vers liest:
Der Sinn aber soll sein: arcere dicitur Venus congressnm, quia
etiam bestiae feminae, quum nondum matorae sunt, marem ad-
mittere detrectant. Abgesehen nun davon, was Welcker, Bh. Mus.
1854, p. 185 mit Bern bemerkt, „man begreife nicht, warum
Danaos seine Töchter von diesem schwierigen Natiurgesetz unter-
halten solle y das zu gewahren die Gelegenheit nicht so häufig
sei, um die Jungfrauen füglich darauf verweisen zu können,
wenn es sonst schicklich wäre", sind ja schon die Jungfrauen
zum reifem Alter erblüht und es ist auch die Emendation in-
sofern unmöglich, weil jenes Wort im folgenden Verse voraus-
Sesetzt wird, wo es nämlich in ytvwSala Tcteqovvra wxl tt«-
ooTißfj specialisiert wird, wie Dr. Burgard in seiner Disser-
tation über fiiv und Si, p. 93 gegen die Schwerdt'sche Umstel-
lung weiter ausführt Daher ist zu untersuchen, ob sich nicht
^fjQeg rechtfertigen und erklären lässt &fjQ€g sind nun die
göUerentsprossenen, sagenhaften Gestalten der Urzeit, die halb
Mensch y halb Thier waren. So nennt Aeschylus die Sphinx in
den Spt. V. 558:
iixio ifiQOvta nolifi{ug in* aantSoq,
Ebenso nennt Sophokles im Oed. Col. v. 1568 den Cerberus :
aüfia T* dvtxajov S'tiQof,
In den Trach. bezeichnet derselbe Dichter die Centauren häufig
mit diesem Namen (v. 680, 576, 1164), die sonst auch in der
Dias und bei Pindar cpfjqeg heifsen. Von den Satyren heifst es
bei Eurip. Cycl. 620:
Siyare ttqos ^fwy, ^QH, fjov/dCite.
Dass diese Halbmenschen schönen Frauen und Jungfrauen nach-
zustellen pflegten, ist aus der Mythe bekannt. Der Centaur Nessns
wollte der Deianira Gewalt anäiun. Pasiphae gebar von einem
Stiere den Minotaurus, Jupiter nahte sich der Leda in Schwans-
gestalt, der Europa in der Gestalt eines Stieres. Mit Bezug
hierauf lässt Aeschylus den Apollo von den Eumeniden sagen
(^- '^0): ^
vnvtp TTeaovatu S* al xaxdnrvaxoi xoqtu
NvxTog naXacal natSig, alg ov u(yvvz<u
S^iüiv TIS ovd' avd-Qtonog ovok ^i^Q* noT€,
Er unterscheidet also hier die Beiwohnung der Weiber, die von
einem Gotte, oder einem Menschen, oder einem @i;^ , d. i. von
einem jener Wesen, die halb Mensch, halb Thier sind, oder
wenigstens in einem Thierkörper menschliche Neigungen haben.
Auf ähnliche Weise sind auch die Verse in den Choephoren
V. 595—601 zu verstehen:
43*
686 Kritisch-exegetiBche Bemerkungen xu Aescbylos, ▼. J. Oberäkk.
dX^ v7ri(}tol/nov dv^fidg (f^ovfifiu xlg Uyoi
xal ywatxüh ipQialv rlttfjLovwv
navTokfjiovg igonag aratat awvofiovg ßQortav;
avCvyovg <f' o^avKag
&riXvxQ€CT7Jg dniqtarog I^Qfag nuQavix^
KVta^ttlwv rc xal ßgoimv,
Aeschylus spricht hier von der Ausartung der Weiber, indem
er zunächst die unnatürliche Liebe {aTtiqonaq eMog) mancher
zu den ^f^g erwähnt^ während sie die passenden Verbindungen
verschmähen, wobei ihm die Pasiphae, Leda u. s. w. vorschweben
mochten. Nur ist hier ßQorwv zweifelsohne corrupt. Da nun
xv/Saka hauptsächlich die auf der Erde wandelnden Thiere be-
deutet, indem so besonders die Kentauren genannt werden, so
ist statt ßQOToiv wol TtTSQwv zu lesen. Es ist nun hiemach wol
klar, dass unsere oben gegebene Erklärung der Stelle:
^fJQ€g J^ xij()a{vovat xal ßQOtol Ti^fÄi^v
xal xvüt^aka nnqovvTa xal nedoaußij
„Die Thiere aber beschädigen sie, sowohl die geflügelten Un-
geheuer, als auch, die auf der Erde wandeln^, nicht sdlein statt-
haft ist, sondern ganz den Aeschyleischen Anschauungen ent-
spricht, zumal Danaus in einer Zeit lebte, wo dergleichen una-
daXa die Töchter der Menschen zu beunruhigen pflegten. — In
der That rechtfertigte ja auch die Zukunft die Besorgnis des
Vaters: Tioeiv^ onioqa d' evqn^XaycTog ovdotfifjjg und es erscheint
hier die Herbeiziehung der %viodahx eine vom Dichter beab-
sichtigte Anspielung auf das folgende Satyrspiel, wie Kruse,
Hik. p. 24 mit Recht bemerkt. Denn Amymone, des Danaus
Tochter, traf bei dem Suchen nach Wasser statt des Hirsches
mit ihrem Speere einen schlafenden Satyr, der nun ihrer Liebe
begehrte. Zur rechten Zeit aber erscheint Poseidon und ver-
scheucht das Thier und mit ihrem Eetter enteilt „das lachende,
eben nicht spröde Mädchen." Wir sehen demnach, dass Hermann
mit dem gröfsten Unrecht Wieseler folgte und d^rjQaig schrieb.
Dadurch aber, dass er die Stelle verke&t auffasste, entstanden
seine übrigen In-thümer. Er glaubt nämlich, nach v. 1000 sei
ein Vers ausgefallen. Denn es sei undenkbar, dass da die Vögel
und die Vierfülsler erwähnt wurden, die Fische übergangen wor-
den seien, zumal von einem Athenischen Dichter. Auch werde
durch die Inconcinnität der Diction die Lücke angedeutet. Des-
halb schiebt er folgenden Vers ein: xat vqxra navtcjg iattv
a^Tra^ovT* ideiv. Hermann vermengt hier Wahres und Falsches.
Die Erwähnung der vr]XTa ist völlig unstatthaft, da von der-
artigen Neigimgen der Fische zu den Töchtern der Menschen
nichts weiter bekannt ist. Mit Eecht verwirft auch daher Welcker
diese Herbeiziehung der Fische (Eh. Mus. 1854, p. 185). Aller-
dings fehlt nun die Concinnität der Dielion. Aber die Störung
des Gedankenganges ist anderswo zu suchen. Streichen wir näm-
lich die beiden Verse 1000—1002:
KriÜBch-exegetische Bemerkungen zu Aeschylus, ▼. /. Oberdick, 6S7
xttQntafKtxa cfraCovra xtiQvaan Kvngis
x£U(OQa xtoXvovöav d-toüfdiveiv igdi
an dieser Stelle, so erscheint alles in schönster Ordnung; denn
seine Behauptung:
begründet Danaus auf doppelte Weise: erstens die ^fjQeg stellen
ihr nach, und zwar die xvtodaXa Ttxeoovvxa und die 7t€doGti8rj;
zweitens suchen sie die sterblichen Männer zu gewinnen, inaem
er zugleich die Mittel angibt, deren sich diese bedienen, um
ihren Zweck zu erreichen, nämlich die zo^evf^ata o^^anav.
Es schliefsen sich also die Worte tloI TtaQ&iviov u. s. w. eng
und naturgemäfs an das xal xvcjdaXa TtreQovvra xai TteSocvißfj
an. Nachdem so durch das Ausstofsen jener beiden Verse der
unterbrochene Gedankenzusammenhang wieder hergestellt ist,
bleibt uns noch übrig, die Corruptelen geringerer Art auszu-
merzen. Offenbar sind die Worte xai ßgorol Ti/Ltrjv verdorben,
da dieselben in keiner Weise erklärt werden können. Man könnte
nun mit leichter Veränderung xal ßQorwv ri^rjv lesen und das
Tifirjv als gleichbedeutend mit yiqag auffassen, so dass es sich
auf T€^iv OTtwQa bezöge; indessen scheint dem ganzen Ge-
dankengange entsprechender zu sein, Tifirjv in dixr]v zu ver-
wandeln, um das eigenthümliche der Vorstellung xHj^g de
nrjQaivovai zu mildern, so dass also die ganze SteUe nunmehr
lautet:
T^Qtiv* onwQd J' ^vtfvXttXTog ovSa/nais
&rjQts ^k xrjQctfvovai xai ßqoTWif SCxtiv
xal xvioSaXtt nriqovvTa xal nf^oöTirß^,
xttl nttQ&ivtov x^SaXaiv ivfjioQipoig fni x. t, X.
Das Object zu xrjQaivovac ist aus dem vorigen leicht zu ergän-
zen. — Es erübrigt nun noch, die Verse, die wir von dieser
Stelle entfernt haben, an ihren richtigen Ort zu stellen und zu
emendieren :
xttQncifÄCCTn arnCovra xrjQvaan Kvnqi^
HV
xnXfOQtt xfoXhovCnv &mi fi^vrjv iQm.
Wenn nun auch der Vater Danaus mit Eecht seine Töchter
ermahnt, Tugend und Keuschheit zu bewahren, so kann er doch
unmöglich gegen ein rechtmäfsiges Ehebündnis etwas einwenden.
Denn eine Jungfrau, die unverehlicht bleibt, gleicht ja der Wein-
rebe, die ohne die stützende Ulme traurig am Boden hinschleicht
und von Niemand geachtet wird. — üeberhaupt ist ja die Ehe
die Grundidee des Stückes, die Ehe, welche gegenseitige Zu-
neigung schliefst. Derartig ist aber nicht der Bund, den die
Aegyptiaden erstreben. Einmal verbietet ihn der Vater; dann
aber fliehen die Töchter voll Abscheu diesen avroy^vfj yafxov
aaeßf] r«, die ja immerfort zum Zeus flehen, sie vor der ver-
hassten !Bhe zu bewahien;
0S8 KritiBeh-ezegetische Bemerkungen zu Aeschylus, ▼. /. Oberdkk,
O fÄfyas Zivs dnaU^ai
yafAOV ÄtyvitToyivii fiot (v. 1053)
und: Zivg ava^ dnoaxiqoCfi yd/uov SvadvoQu,
Nur das Ehebündnis ist ihnen erwünscht, das K^ris schlieTst
und dem Eros zulächelt. — Hierauf gehen die Worte des Chors
von V. 1036 an. — Unter der Bedingung möge auch uns, so
flehen sie, ein Ehebund beglücken, wie so viele Frauen der
Vorzeit:
^«To nollmf äk ydfitnfSde'tiUvtd
Jetzt aber sollte sie frevelnder Baub in's Ehebett reifsen, den
allerdings der Qötter schützende Obmacht gn&dig abgewendet
hatte; namentlich hatten sie diese Hilfe Kvpris zu verdanken,
der ehestiftenden Göttin, die an des Zeus Seite mit Hera ver-
eint herrscht und den Mädchen, denen sie hold ist, die Ver-
wirklichung der passenden Heirat als ersehnten Ziel von dem
Vater der Götter und Menschen erfleht, wie sie ja auch vordem
zu dem hohen Olymp aufstieg, um des Pandareos Töchtern der
Vermälung Ziel zu erbitten:
xoiQTig airrjaovaa xilog d-aUQoXo yauoio
(g J(a TfQTtix^Quwov — (Od. 20, 75.)
Daher richten sie an diese liebreizende Göttin, die aber nur da
hold ist, wo Eros und Anteros verschwistert erscheinen, vor-
züglich ihre Bitten, sie auch fürderhin huldvoll in ihren Schutz
zu nehmen. — Da nun der Zusammenhang zwischen dem Chor-
gesange und der Bede des Vaters auf der Hand liegt, so sind
sicherlich die oben erwähnten Verse auch nach dieser Beziehung
hin zu erklären, woflir aber auch die klarsten Judicien vorliegen.
Wir haben hier ja die Kvttqlq und f,Qcj, welches ursprünglich
''Eq(^ lautete und xaXiooa yuoXvovaav, welches sich offenbar auf
den von Kypris verhinaerten Raub bezieht. — Ehe wir aber zu
dem einzelnen übergehen, müssen wir über die ursprüngliche
Stellung dieser Verse klar werden ; denn dass sie an der Stelle,
wo sie überliefert sind, unmöglich gestanden haben können,
ist oben nachgewiesen. Unverkennbar ist nun die Beziehung
zwischen vfiag d ' inaivui und xrjQvaaei KvTtQtg, ich heifse euch
— Kypris befiehlt und es dürfte wol keine Frage sein, dass das
KvTtQig xmvaaei x. t. X. nur eine weitere Ausfahrung des Be-
fehles des Vaters ist. Daher schieben wir die beiden Verse nach
V. 997 ein:
vudg S^ inaivta firj xaratax^^*''^ ^h^
toQav i^^vaag r^yJ' InCajQinrov ß^oroig^
XitoTtfOfitna ardtovra xtjQvffan XvTtQig
xaXü}ga xtiXvovattv &afg fiivHv ^Egt^.
Wir haben uns denmächst über die Form eijw für Souni zu
rechtfertigen und dann noch einige naheliegende Verbesserungen
anzureihen. Bekannt ist der Gebrauch der Föhn ^'E^ für "^^fog
Kritisch-exegetische Bemerkungen zu Aeschylus, y. J. Oheräidt. 689
bei den Epikern; sie findet sich indessen auch bei den Tragi-
kern; jedoch meistens nur im Nominativ und Accosativ. Vgl
Soph. Electr. v. 198 ff. kgog 6 xTeivag. Eur. Med. 152. zig aol
nore tag anlatov nohag eQog, Hippel. 337. olovy fd^€Qy
noaadTjg eqov, v. 449. ymI didovo^ kgov. So findet sich auch die
Glosse beim Suidas ^'Eqov, tov sQwra u. s. v. ''Egtog ' ^^TTixdig
di ano zov 6 egog tov kgov 'Äiverai. Der Dativ €Q(p findet
sich Hom. Od. a, 212: "jEip^i d^ aga ^//oy ei^elx^ev und den
Gebrauch desselben bei den Tragikern documentiert die Glosse
beim Hesychius: "£l?v> ^'xo^n, wofür zweifelsohne ^'Egant zu lesen
ist, wie schon früher vermuthet wurde. Im übrigen sind nur
die Worte Tuxlwga Tcwlvotaav x^iog stark verderbt; jedoch liegen
die Verbesserungen auf der Hand. Wenn wir nämlich bedenken,
dass Eypris es war, deren Hilfe die Danaiden ihre Rettung zu
danken hatten, so ist klar, dass statt xakioga xioXvovaav d^ioa
zu lesen ist:
l^ltüQa xcoXvovaa cf * tag fAivHV "E(Hp,
Denn die Silbe xa in ytahoga ist wol nur aus dem vorigen
7ta-Q7t(o^aTa entstanden und keineswegs mit Schütz in x^r'^^O^
zu verwandeln. Nun kann aber der Vers Y,ctQ7tia(.icn;a araKovra
xwyaaet Kingig unmöglich ohne Verbindung mit dem vorigen
stehen; daher haben wir die Stellung der beiden Verse zu ändern
und lesen demnach die ganze Stelle:
vuäg <f* iTTttii'dift^ XKTruff/vvHV ift^
mQKV (;(ovattg rijyJ' inlarQ^nrov ß^roTg'
HXüt^a xtoivovaa <f * tog fA(vHv ^EQia
xnQJiomftTtt ard^ovra xtiQvaOH Kvngig,
t(qhv ÖTKüQa (T* ev(fvXaxTog ov^a^üg'
d-rJQfg Sk xrjQttfvovai, xal ßgoTtiv Stxrjv
xal xvtodaXn mf^ouvra xal nfSoüTifitj,
xal ntt{)ih(vbrv x, r, X.
^Euch heiXs ich nun, mir zu bereiten keine Schmach,
Die ihr im Alter steht, das da die Manner lockt.
Sie, die den Raub verhindert, Kypria auch befiehlt,
Dass nur der Liebe bleib' bewahrt die reife Frucht.
Gar schwer zu hüten freilich ist die zarte Frucht:
Nach Menschen Art verderben sie die Thiere auch,
Vierfü/s'ge Ungeheuer und geflügelte.'*
üeber die Stellung des öi in dem Verse i'lojga ntjlvovaa d' ug
fi€v€iv €Qqß vgl. Burgard, Dissert. p.66, und über cig Breitenbach zu
Xenoph. Cyr. 1, 1, 2 u. VI, 4, 16. — Die Beziehung des handschrift-
lichen igu) zur Kypris fasst auch Heimsceth airf, dessen Ansicht
über die von uns besprochene Stelle ich kurz darlegen will, um
daran noch einige Bemerkungen zu knüpfen*). Er sagt in seinem
Buche: „Die Wiederherstellung der Dramen des Aeschylus**:
*) Die bisherigen kritischen Versuche, die betreffenden Verse zu emen-
dieren, stellt C. Kruse zusammen „Aeschylus, Griechisch und Deutsch
u. s. w. L IKETUEZ^ Strrisund, 1861.
640 Kritiach-ezegetiBche Bemerkungen zu Aeschylus, y. /. Obefdiek,
BoTov als Glosse von ßoexrj^aTa scheint auch HiL v. 999 an-
gewandt zu sein, wenn dort überliefert ist: ^VQ^g di xfjQcUvovüi
xal ßQOToi TifitjVy so scheinen die letzten Silben die disiecta
membra des von der Glosse überschriebenen ßoaurjidctTa zu sein
und zu schreiben : x^ig re yirjQalvovai xal ßoaxrnicna xai xm-
daXa TtTSQOvvTa xal TtedooTißfj -MXQTtioiiad- a ara^owa xrjfvO'
ou KvfCQiig^ wqcLv t* aiMaXvtiag dqinova^ ^v&ia/^ivmy oder wie
immer dieser unkenntlich gewordene Vers geheifsen naben mag.
iQw am Schlüsse des Verses wäre die Glosse e^fog zu Kvnqig
und nun erst folgt zu dem ri der Thiere das xaL der Menschen/
Einer Polemik im einzelnen glauben wir uns überheben
zu können, da hierfür im Laufe der Abhandlung genug ge-
schehen ist. — Was das Heimsoeth'sche Princip der Teites-
verderbung durch die Glossen betriflft, so sind wir völlig mit
ihm einverstanden, dass demselben Rechnung getragen werde.
Jedoch muss man sich hüten, überall Glossen nachzujagen und
die heilig zu haltende Ueberlieferung so unglimpflich zu behan-
deln, üeberhaupt ist die ganze Scholienfhige noch immer nicht
genügend gelöst. Wir wissen noch nicht, wie weit die Schollen
Autorität verdienen, da zwar in der letzten Arbeit über die-
selben von G. Frey nachgewiesen ist, dass sie auf Didymus zu-
rückgehen, aber kemeswegs festgestellt wird, nach welchen Prin-
cipien man zu verfahren hat, um die Frage zu beantworten,
was von denselben alt und auf jenen Kritiker zu beziehen sei,
was aber neuern Ursprunges. Sind jene Principien festgestellt,
dann sollte man die in den Schollen zerstreuten Bruchstücke
des alten Textes sammeln und unter den Ausgaben vermerken,
wie die Lesearten der Codices. — Wir wollen nun im folgenden
auf einige Schollen näher eingehen und mit Hilfe derselben
mehrere alte Lesearten wieder herzustellen suchen. Unser Ge-
sichtspunct nun ist folgender: Kurze, schlagende und genaue
Periphrase ist das Kennzeichen der alten Schollen. — So lesen
in den Persern v. 616 ed. Dind. die Handschriften:
j-fig aUv Iv (fvXloiai &nlXovafjs ßlov.
Mag man nun dieses d^alXaiv ßiov verstehen wie diayeiVy dia-
tbUIv ßiov, welche Erklärung wegen des Zusatzes von h wvX-
Xoiat noch die vernünftigste wäre, wenn nur überhaupt diese Ver-
bindung anginge, oder ßlov als Lebensunterhalt erklären, was
einmal wegen iv (fiHoiat nicht geht, dann aber an und für
sich nicht passt, da die Frucht des Oelbaumes unmöglich ßiog
genannt werden kann; soviel ist ersichtlich, dass ßlov verderbt
ist. Daher will Dindorf laov schreiben, was ganz matt ist, Volck-
mar Ußag, was nichts besagt. Der Cod. Med. überliefert nun zu
dieser Stelle kein Scholion; wol aber findet sich ein solches in
den anderen Codices, welches, wie schon aus der Form ersicht-
lich ist, aus guten Quellen stanmfit und ohne Zweifel die alte
Periphrasis enthält: 7ta{jao%i yoirv talg ifialg x^Q^^ xalxaQ'
Eritisch-eiegetische Bemerkungen zu Aeschylns, y. J, Oberdick. 041
nog ilctiag ^avdijg tijg aliv &akXovorjg tolg wvHoig. Hiemach
kann keine Frage sein, dass in den alten Handschriften Ttk
%^ aXh iv qwXhnai d^alXovatjg x^Qolv ^avdijg x. r, L stand.
Hätte der Scholiast im Text nicht x^Qolv gelesen, so hätte er
unmöglich talg if^aig x^^i erklären können. Ebendaselbst v. 598
liest der Mediceus:
die Übrigen Handschriften haben efiTtsiQog, was von den meisten
Kritikern gebilligt worden ist. Der alte Scholiast las aber mit
dem Mediceus e^iTco^g, da er die Stelle erklärt: w q>lXoiy oarig
xvQÜ %al vTtctQXBc e^TtoQog tüv xofxcSv. Es ist auch kein Zweifel,
dass dem Dichter hier das Bild der Schiffahrt vorschwebte, wie
die Ausdrücke xXvdiov xanuiv, orav dalfuov evQof], daifiova ov-
Qi€iv Tvx^ bezeugen. Ueberhaupt ist es eine Eigenheit unseres
Dichters, die man bei der Kritik wohl berücksichtigen muss,
dass ihm zuweilen ein Vergleich vorschwebt, den er zwar nicht
Genauer ausführt, dass er aber dann stets die einschlagenden
lusdrücke anwendet. — Aehnlich verhält es sich mit der viel-
fach besprochenen Bede des Königs in den Supplices v. 438 seq.
xal /^fj^iKcr» fjkv ix doutiv noQ&ovjuivtov
«Tijy yi ueiCto xal (jiiy ijunli^aag yofiov
yivoiT* av akla xrrjöiov Jws ;(aQiv,
Der König ist ungewiss, was er thun soll; er muss entweder
mit den Göttern oder mit den Menschen den Kampf unter-
nehmen. Handeln aber muss er und zwar sogleich; denn das
Fahrzeug ist fertig zum Auslaufen. Da ergeht er sich in allge-
meinen Betrachtungen. Ohne Leiden gibt es keine Umkehr zum
Bessern. Vieles er&ägt der Handelsherr. Er verliert beim See-
sturm sein Besitzthum ; aber dann mag er sich durch des Zeus
Gnade wieder reichern Besitzes erfreuen. — dass die Stelle so
aufisufassen sei, ist wol unzweifelhaft; yofiog ist die SchiflFs-
ladung ; dofiog ist das Schiff selbst, welches oben v. 135 do^og
ala axiyiov doQog genannt wurde und ebenfalls im Agamemnon
V. 1008^ so bezeichnet wird: ovx edv TtgoTtag dofiog Ttr^fioväg
yifAwv ayav; yefiitetVj welches von den Scholiasten statt des
verdorbenen ye f^ei^io gelesen wurde, bezeichnet das Betrachten
des Schiffes. — Es sind nun mit Hilfe der Scholiasten zu un-
serer Stelle mancherlei Verbesserungen gemacht worden. Nament-
lich hat man erkannt, dass yefniLeiv xat niy* ifinX^at statt
ye^ultu) xat f.Uy' i^mlrjOag zu lesen sei und ebenso hat man
statt ^Qr^iaai die in einer Glosse aufbewahrte riditige Leseart
XQTj^taT(ov wieder hergestellt (vgl. Burgard, Dissert.^p. 61, 62).
Kruse, Suppl. p. 159 liest zwar yefieiKiov ycal fiiy^ e^iTtXr^aagj
indem er pch auf das Scholion Jiog hirtiimhavTog wxc ye-
(AitovTog atrjg xov yo^ov und auf die L. A. des Escorial. y«
fiei^wv stützt; indessen sind, abgesehen von der so entstehen-
den Anakoluthie, die zwar nicht ungerechtfert^ aber doch hfh
042 KriÜBch-exegetische Bemerkungen zu Aeschylns, v. J. Oberdki.
denklich ist und bei einem so vorsichtigen und conservativen
Kritiker, wie Kruse, auf^t, die Stützen sehr unsicher. —
Einmal ist offenbar, dass das SchoUon erst späterer Fassung und
augenscheinlich nach dem schon corrumpierten Texte unagdformt
ist; denn dass der Text arfjg ye^l^wv aal jueV ifmXr/aaq yo-
fiov — statt (xTr}v — yo^iov las der Scholiast dxrß — yo^ov — ,
unmöglich richtig sein kann, liegt auf der Hand. Alsdann aber
zwingen die Participien ymiCpvnog und i^Ttlrjoavtog keines-
wegs zur Annahme der absoluten Nominative; es können viel-
mehr damit ebenso gut die Infinitive erklärt werden^ indem der
Sdioliast sie auf Jiog bezieht. Fassen wir aber den letzten Cre-
sichtspunct auf, so liegt ein anderer Schluss nahe, nämlich dass
der Scholiast die Verse in anderer Ordnung las, indem der Vers
yivoir' av akka y,.t.L zuerst stand, welche Umstellung schon
Hermann wegen des concinnen Baues dieser und der folgenden
drei Verse vornahm. — Eine andere Corruptel schliefslich haben die
meisten Kritiker übersehen, nämlich aTm — yofiovy mit Ausnahme
von Härtung und Burgard. Es ist docn sehr wunderlich gesagt,
„die Ate befrachtend und gewaltig anfüllend mit Ladung*" und
ich gestehe, dass es mir unmöglich ist, hierfür Verständnis zu
gewinnen. Besser wäre schon die Leseart des Scholiasten arrjg.y
yoftov, wofür Härtung ganz ungerechtfertigt und unpassend do-
fiov setzt, mit Ate die Ladung aniuUend. Was soll jedoch hier
die oTTj, wo es darauf ankommt, die xaraar^op^ zu bezeichnen?
Der Fehler steckt offenbar in arr^v, wie richtig Burgard sah,
der deshalb adt]v schreibt, um eine genaue Responsion von
iidrjv yeixLteiv und fisy^ fftjtk^aai herzustellen. Es kann nun
zwar das Object aus dem vorhergehenden öoficjv ergänzt werden ;
aber immerhin bleibt die Structur hart und beim ersten Lesen
fällt sogleich dieser Mangel der Diction auf. Zudem ist der Grund
der Besponsion kein stichhaltiger; denn diese drei Verse correspon-
dieren mit den folgenden ähnlich gebauten und hier erscheint
blofs das Adverbium xa^ra in dem Verse: aXyeiva dr^iov xagra
yuvnvriQia. Wenn wir uns nun so durch das iidrjv nicht befrie-
digt sahen, so fragt sich, was an unserer Stelle gestanden haben
kann. Erwägen wir , dass hier zu ye/niCwv und ifinkrjoai. das
Object fehlt und analog diesen Verben der Begriff „Fahrzeug"
notii wendig ist, oben aber axawog angewendet wurde, wofür
sich sonst auch axacpr^ (Fgt. 206) findet, so ist wahrscheinlich,
dass Aeschylus schrieb:
xal ;((}rjfittT(üV ^Iv ix ^6/natv nogS-ovfjiivün*
y^voiT* av älXit xrrjö^ov jdiog X^Q^'^
axdtffiv ysfÄ^Cftv xal /niy* ifinlijaiu yofiov,
-Ward aus dem Fahrzeug auch die reiche Fracht gestürzt,
Mag' anders Gat verleihen der Schätzewalter Zeas,
Das Schiff zu füllen und zu thürmen hoch die Last.**
Ich habe in der Uebersetzung TtoQd^ovfievwv mit „gestürzt*"
KritiBch-exegetische Bemerkungen zn Aeschylns, v. J. Obcrdidc. 64S
wiedergegeben, um an die Art des Verlustes zu erinnern, da beim
Seesturm die Ladung über Bord geworfen zu werden pflegt. Wie
aber aus a}uiq>rjv ciztjv entstehen konnte, ist nicht schwer zu
erUären; das ax zu Anfang des Verses war ausgefallen, wie
sich z. B. Fers. 924 statt xAcr/|ct> im Leipz. Cod. ay^w findet und
nun la^ die Umwandlung des AOHN in ATHN nahe genug.
Eine Uinliche Stelle, welche die vorliegende Auffitösung und
Emendation der besprochenen Verse unterstützt, findet sich im
Agam. V. 1008 ff.:
xal notuos evd-vnogwf
äipavTov %QfJia.
xvriaCfov oxvog ßtdiiv
OVX Hiv TTQOTTag OOfiOS
ntjfjioväg yifAOtv äyav
ovo* inovTUfe axatpog.
Der Ausdruck afpavrov %<a fßhrt dem Dichter das Bild der
Schiffarih vor Augen, die ihm von xai to uiv u. s. w. vorschwebt,
ohne dass er das Bild im einzelnen durchfuhrt. Darauf deuten
die Ausdrücke om edv TiQOTtag do^iog^ nr^fiovag, yi^wv ayav^
oid' inovTioe OTuctwog, Von diesem Gesichtspuncte aus sind auch
die beiden ersten Verse xai to ixev u. s. w. aufzufassen, welche
nach einer Mittheilung von Dr. Burgard, der diese Stelle in
einem Werke über die absoluten Casus, an dessen Veröffent-
lichung ihn der Tod hinderte, behandelte, nach Annahme einer
schönen Conjectur von Stenzel, der nach Spt. 770 :
TiQonQVfÄva S* ixßoXdv tfi^n
dvSQcüv dliftjaTttv okßog ayav na^w^ifs
statt TtQO xQrj^cctiav liest TtQonfv^va, folgendermafsen zu resti-
tuieren sind:
xal TÖ fikv TiQonQv/uva tov
xtrjfffov yofiov ßaliav
awevSovag an* evu^rgov
OVX HJv TtQonag oo^og
nfjuovag y^/nfav ayav
ovo* Inomae axatpog.
XQfj^aztov erklärt Burgard offenbar richtig als Glossem zu dem
von ihm fär oxvog restituierten yo^ov und &sst do^og als das zu
ßalciv gehörige Substantiv, wodurch die grammatischen Schwie-
rigkeiten dieser Stelle beseitigt werden. Um nun auf die be-
sprochene Stelle in den SuppUces zurückzukonmien , so bleibt
uns noch übrig, einen Blick auf die folgenden drei Verse zu
werfen, die ebenfalls einer Erklärung bedürfen:
xal yitioaa To^evoaaa urj ra xaiQia
yivoi^To /LivO^ov fAv&og av d-elxrii^iog
ukyttvd &vfjrOv xtcQTa xcvrjrrjQia,
Kruse interpungiert hinter ^ekKttjQiog und übersetzt:
644 KritiBch-exegetische Bemerkungen za Aeschjlus, v. /. Oberdki.
Und wird der Zunge Pfeil entsandt in Ungebühr,
Die Bede mi^ die Bede wohl beschwichtigen:
Es regt der Schmerz so sehr den Sinn der Menschen auf.
Wie unbeholfen das aXyeiva dvfxov u. s. w. nach dieser Inter-
pnnction nachhinkt, brauche ich nicht erst auseinanderzuseteen.
Aufserdem ist hieme^en einzuwenden, dass nach den Gesetzen
der Symmetrie auch in den vorigen Versen eine solche Intcar-
punction nöthi^ wäre. Burgard stellt an der schon dtierten
Stelle seiner Dissertation den Vers um, da er die entsprechen-
den drei ersten Verse unverändert stehen lässt, ohne jedoch bei
der Umstellung denselben interpretieren zu können. Da wir nun
schon erkannt haben, dass die Umstellung in den vorigen Versen
vorzunehmen sei, so lassen wir die Ordnung der Verse hier
unverändert. Am einfachsten und natürlichsten wäre nun cf>l-
yuva, TLvrftriQia als Objectsaccusativ zu -d-el^Tr^Qiog zu fassen,
wie sich unter andern Beispielen Choeph. v. 24: lalrog At 66-
^wv eßav xoccg nqoTtOfiTtog o^x^^Qf- ^^ xivnt^ findet. — Es
bliebe dann nur noch eine Unregelmäfsigkeit übrig, nämlich der
Genetiv fw&ov; es liegt aber, wenn wir die obige Auffassung
als die der Aeschyleischen Sprachweise entsprechendsten anneh-
men, auf der Hand, dass wir für ^ivd-ov den Accusativ /av&ovg
zu restituieren haben. Dass 2 am Schlüsse des Wortes konnte
aber bei folgendem M leicht wegfallen. Es würde dann die ganze
Stelle folgendermafsen lauten:
X«i/p»?U«TOW ukv ix SofJLtOV 7TOQ&OVjLt^V(OV
yivoiT av älla xTfiöiov ^-^tof /«(>*y,
axnff'fjv yffiiCftv xal fjiiy^ ijLinlijffat yofiov'
xttl yXtoaöa To^fvöaaa firj rd xatnux,
yivotTO jiivd-ovg fiv&og av &€XxTrjQios
nly€i'Vn d^v/nov xdgia xivijTi^Qia,
Ward aus dem Fahrzeug auch die reiche Fracht gestürzt,
Mag anders Gut verleihn der Schatzewalter Zeus,
Das Schiflf zu füllen und zu thürmen hoch die Last.
Und ward der Zunge Pfeil in Ungebühr entsandt,
So möchte wohl das Wort des Wortes Heilung sein,
Das sehr das Herz in bitterm Schmerz gekrääct.
Nicht selten werden durch die Scholien ümstelhmgen
von Versen oder einzelnen Worten angedeutet. So lesen beide
Scholiasten zu Choeph. v. 484:
fi Sk firj, TiftQ* ivSilnvoig ;^t^oyoff
äjtfAog ifjtnvQocöi xviüwToTg t^öH
statt
ajtfxog IfinvQotai, xvi(f(oToig x^ovog,
wie sich namentlich aus dem zweiten Scholion ergibt: el de fik
aTL/iog iv Ttvqoioi nviüorvoig ear] Ttaq^ eidsiTtvoig x^ovog^ 6
iarc TtaQcc xaTOixo^evoig deiTtvip Tifuof^evoig'ovriDg t6 e^fg, —
Aehnlich verhält es sich Eum. v. 259:
716qI ßgird nli/O^e^g S-eag dfAßqoiov
vn6^ixog d-iUi ytvi^^m /e^ftH^.
Eritiscli-exegetiscbe Bemerkungen zn Aesclijlas, v. J. Oberdich 645
Dass diese Verse verdorben sind, unterliegt keinem Zweifel. Zwar
sucht Schütz dieselben zu erklären: non vult obnoxius esse mani-
bus nostris; indessen ist dieses sprachlich unmöglich. Daher
verbessern schon Scaliger und Wakefield XQ^^n ^^s auch Her-
mann billigt. Zur Unterstützung dieser Verbesserung führt Her-
mann^ wenn auch mit einem gewissen Bedenken, das Scholion
an: avd'^ iov fifuv XQ^iaaTÜy TtQoaqn)^ d-elei yeviad-aL t^ d'eoi).
Indessen sagt er selbst: Quamquam potest hoc ad solum voca-
bulum vTtcSnwg pertinere, quod Hesychius ita interpretatur:
vTisv&wogj XP*^^^> evoxog dUm. Es ist aber auch an und
für sich die Conjectur xe«c3y ofifenoar unrichtig. Einmal ist der
Gedanke nicht recht klar: „Indem er das Bildnis der unsterb-
lichen Göttin umschlungen hat, will er sich Hecht sprechen
lassen wegen der Schuld." — Die Eumeniden sind vielmehr
Eichterinnen über das vergossene Blut. Daher beklagen sie sich,
dass sich eine andere Göttin in diesen Process einmischt und es
fehlt in dem obigen Gedanken, von wem er sich Recht sprechen
lassen wolle, unter welche Gerichtsbarkeit er sich begebe. Dieses
bezeichnet deutlich der Scholiast: avd-' wv rj^lv x^ewara, rtpoacpv^
d^iUi yevia&ai rrjg d^eov. Dann aber bezeichnet XQ^og nimmer-
mehr die Blutschuld, es ist und bleibt die Schuld, die man
bezahlen muss und wird so im übertragenen Sinne gebraucht.
So heilst es Ag. 457: dr^^ioxQovrov d ccQag rivei XQ^^S- ^^
unserer Stelle aber soll es die Schuld bedeuten, wegen welcher
Orestes gerichtet werden soll. In dieser Beziehung lässt sich
aber XQ^^S i^icht nachweisen. Wenden wir uns nunmehr wieder
zum Scholion, so werden wir sehen, dass dasselbe auf eine ganz
andere Lesart hindeutet. Der Scholiast erklärt offenbar das vtco-
dixog durch TTQoacpv^j Klient, Schützling. Analog erklärt es
Hesychius durch v7t€v&wog, XQ^^^'^V^^ evoxog dUrjg, — Dann
aber verbindet er vnodixog mit deag. Die Verbindung ist aber
bei der jetzigen Wortstellung wenn auch nicht unmöglich, doch
äufserst hart. Daher ist wol als sicher anzunehmen, dass der
Scholiast las:
vno&ixog ^^Xh yiv^a&M S-tag.
XSQoiv und »€ag haben durch ein Versehen des Abschreibers
ihre Stellen vertauscht und nun verwandelte man x^Qoiv in
X^Qiiv, indem man es von inodi^og abhängig machte. So foM
aus dem Scholion zu Eum. v. 387: dvaodonaiTtaXa: dvcTtaga-
ßara aal TQaxea Ctoac xat TÖig ^raxovaiv, dass statt des cor-
rupten övaodoTtaiTtaka y wo die Messung -' ^ ^ - ^ ^ sein
muss, dass diaßaia, Ttalnahx zu lesen sei. — Offenbar hatte
der Scholiast zwei Worte vor Augen, die er mit SvaTia^ßara
und TQaxia erklärt. Wo überhaupt die Paraphrasis genau ist
und, so viel ersichtlich, unverdorben, da hat man dieselbe stets
genau zu berücksichtigen. Wenn daher zu Suppl. v. 187 wfitj
646 Eritiscli-exegetische Bemerkungen zu Aescbjlns, y. J. Oberdkk»
^v oQyp Tovd' ETtoqvvrai arolov vom Scholiasten bemerkt wird:
Tov TTQog ijAag otoaov jiera oQfi^g Ttouitai, so ist klar, dass
er ffAiv fiv OQm tovd' ino^vvrav aT6Xov\B&. Diese Lesart ver-
dient aber vor der des Cod. Med. entschieden den Vorzug und
scheint die ältere zu sein. — 6(f/r wird in der Begel von dem
Scholiasten durch T^nog erklärt (cf. Spt. 678). Ueberdies finden
sich 6(fpju und oq^riv vertauscht, wie Spt. 678 Colb. b., Par. n.
und Vit. oqixriv lesen. Dann ist durdiaus nicht ersichtlich, wie
hier Danaus loiiy ^v 6(fyy sagen konnte, da er über die Öe-
sinnung der AnKommenden völlig im Unklaren ist. — Auf ähn-
liche Weise verhält es sich im folgenden, v. 192 und 193, wo
die Hdschr. lesen:
xal XivxoaTe(f€ig
Der Scholiast erklärt die Stelle folgendermafsen : o ianv avt-
ix^ad^e tri de^i^ Tviv ayakfKXTioVj ry aQiatSQ^ Tovg xladovg
xarix^vaai. — Hier scheint der Scholiast ayaliAara gelesen zu
haben und aus dem aqiOT^ hat man evwvifjuav in den Text
eingetragen. Indessen verhält sich die Sache anders. Der Scholiast
erklärt, die Supplices sollten mit der rechten Hand die Bild-
nisse umfassen, während sie mit der linken die Zweige empor-
hielten. Daher muss er statt awwvv^wv gelesen haben o^o;-
rificov, was er allerdings, da oQ&dw^og nomini recte respon-
dens bedeutet, so und nur so erklären konnte. Daraus folgt
aber, dass das Eomma nach Jiog zu streichen und fOr o/oA-
/iar' zu lesen sei ayaX^d %\ so dass also die ganze Stelle lautet:
xnl UvxoaTitpeTs
txTviQ^as äyttXfitt t* aiöoCov jJiog
atfAVtag txovaai ^ut x(Qoiv OQd-favv/ntüv.
Beiläufig erwähnen wir hier einer Lesart zu Pers. v. 232, wo
das Lemma den alten Text aufbewahrt hat. Der Scholiast er-
klärt nämlich den Vers xal v^Xe TtQog dvaudig avaxTog ^HUov
^ivaafAOTwv durch (p&ivaafiaTiov twv kr^ewv, tüv dvafAÜv ^
Twv dvoetüv ^ tüv hXeixpeiov ot€ yccQ diu 6 fJA/o^, hXalnW
¥y&ev xal Xlifj 6 avsfxog ano dva/Äidv. Jeder, der mit der Er-
klärungsweise der Scholiasten vertraut ist, sieht auf den ersten
Blick, dass hier zu lesen ist: dva^cSv: r tüv dvaaiov rj TtSv
inleltpetüv • oVe yccQ dvec 6 ijhog, hdeiTtet ' kv&ev xcfi Juip 6
avB^og ano dvofÄWv. — q)&ivaafiaTa)v : twv lrj§€(av. — Im Texte
der Scholiasten stand also:
xal Tfjli TTQog Svafitäv, ttvaxrog *Hl(ov (f&ivaafiarofv,
Schliefslich möge noch eine leichtere Emendation zu Suppl.
V. 784 hier Platz finden. Der erste Vers der Antistrophe a
lautet in den Handschriften
ttfpvüTov <f* ovxit* &v niXo^ xiag.
Zu Piaton, Y. H. Banite. 047
Mit vollem Eechte verändert Hermann ag>mrov^ welches hier
ganz widersinnig jst^ in dlmrovy indem er höchst scharfsinnig
bemerkt, jenes t6 dgwKTov bei Suidas sei einem Scholion zu
unserer Stelle entnommen. Für xiag will er alsdann v'ag schrei-
ben, welches so viel als q)daua bedeuten und den Herold be-
zeichnen soll. Indessen wird das Wort selbst schon von Lobeck
bezweifelt; au&erdem aber wäre es sehr sonderbar, den Herold,
oder besser das Schiff ein q>aafia, ein Traumbild zu nennen.
Im Gegentheil ist es baare Wirklichkeit, die ihnen vor Augen
steht. Was sie sich vorher gewünscht haben, das sind leere
Träumereien, nichtige Gedanken, die unmöglidi r^lisiert wer-
den können. Aus diesen Träumen ruft sie das an das Land
stofeende Schiff zurück und sie sehen ein, dass sie der Wirk-
lichkeit nicht entrinnen können. Daher vermuthe ich:
ttlvxtdv ä* ovx /t* Sv niXoi^* vna^,
Neisse. Joh. Ob er dick.
Zu Piaton.
Bep. I. 340 C Ktt{ /noi eini, tj Q^aavfiaxe * tovro rjv o ißovXov
Xiyav t6 S^xaiov, t6 tov xQfdxovog ^vu^Hqov doxovv ilvai r^ xgeirrovi,
iav T€ ^v/tiifiQTf idv re (at^; oiJtoi Oi (fw/usv Xiyeir;
Thrasjmachus hatte als die Definition von Sixaiov, durch welche
die nichtigen, von Sokrates im Gespräche mit Polemarchos geltend ge-
machten Bedenken beseitigt würden, den Satz aasgesprochen wfifil iyt!^
tlvai rö Sixtuov ovx alio ti rj tö tov xgeirrovog ^vfHpiQov^ doB C, und
diese Definition näher dahin erklärt, dasis er unter xqhttov verstehe to
tt^X^ ^^ ixaariji noln 338 D. Die herrschende Macht in jedem Staate trifit
die Anordnungen zu ihrem Vortheile, in der Befolgung ihrer Vorschriften
besteht die Gerechtigkeit, also t6 SCxatov to roif xq€(Ttovog ^v^tpigov.
Nun gibt aber Thrasvmachus zu, dass es einerseits Forderung der Gerech-
tigkeit sei, den Anordnungen der regierenden Macht in allen Fällen Ge-
horsam zu leisten, anderseits, dass diese Anordnungen, wenn sie auch
überall den Vortheil der regierenden Macht bezwecken, doch ihn keines-
w^ immer treffen, sondern gar manchmal das dieser regierenden Macht
selbst Nachtheilige fordern fvgL Gorg. 466 D ff.J. Indem nun die Gerechtig-
keit den Gehorsam gegen die Anordnungen der regierenden Macht aus-
nahmslos fordert, so ergibt sich, dass in den Fällen, wo diese Anordnungen
zu der Befehlenden eignem Nachtheile gereichen, to iJ/xioor nicht mehr
TÖ TOV xQeirrovog ^vu^iqov, sondern tö tov xQilxrovog d^vfiwooov ist.
Den hierdurch zu Tage tretenden Widerspruch sucht, während Thrasy-
machus noch zu erwidern zögert^ ein ihm befreundeter Mitunterredner da-
durch zu lösen, dass er erklärt, unter „zuträglich dem Stärkeren** verstehe
Thrasjmachus das, was dem Stärkeren zutr^Uch zu sein scheint, tö tov
XQfiTTOvog ^vfA^'igov iUytv o tjyoiTO 6 xgehrtov avr^ ^vuwfgHV. Es
fragt sich nun, ob Thrasjmachus diese Modification seiner Dennition des
dCxaiov annimmt und auf diese Weise die erhobenen Einwendungen be-
seitigen wül. Diese Frage richtet Sokrates an Thrasjmachus in dem oben
an me Spitze dieser Bemerkung gestellten Satze. Der Sinn dieses Satzes
ist schon durch den Zusammenhang so sicher gesteUt, dass darüber kein
Zweifel sein kann; aber die grammatische Construcüon ist, obwol meines
Wissens noch kein Heransgeber daran Anstofs genommen hat, unerklärlich.
648 Zu PlatoD, V. H. Bonus.
Interpungiert man, wie oben nach dem Vorgänge aller neueren Ansgaben
geschehen ist, so ist in dem Satztheile ro tov — xqs^tjovi entweder roi
x^e^TTovog oder t^ xQilxTovi zn viel. Wenn Schleiennacher übersetzt:
„war es dieses, als was du das (gerechte beschreiben wolltest, das dem
Starkeren als ihm zuträglicher erscheinende**, so scheint es wirklich, dass
er oonstruiert habe ro t^ XQiirrovi' Soxovv itvav (vuu'iQov toü xQi(novog^
im Widerspruche mit seinem sonst bewährten feinen Tacte für das sprachlidi
Mögliche und Unmögliche. Einen anderen Weg der Construction schlägt
die Mttller^sche Uebersetzung ein: „war es das, was du für das derechte
erklären wolltest, das dem Starkeren ErsprieXlsliche, was dem Stärkeren es
zu sein scheine'', eine Uebersetzung, bei der stillschweigend eine andere
Interpunction , nämlich ein Komma nach (vfuf^^^v vorausgesetzt wird.
Aber sie wird dadurch sprachlich noch nicht m^lich; denn zu dem Par-
ticipium Soxoihf müsste eben so nothwendig der Artikel t6 gesetzt sein,
wie vorher zu ^vuifiqov; und wenn nicht unmöglich, so doch höchst un-
wahrscheinlich ist es, dass in dem Ausdrucke doxovv ilvui t^ xQiijjovi,
der Begriff ^vfitfinov^ um den es sich handelt, sollte aus dem Vorigen
ergänzt werden; deshalb stilistisch unwahrscheinlich, weil dadurch der
Gegensatz zu lav n luu </)/(> y luv rf fin die Schärfe des sprachlichen
" de. Die -•'••'•'
Ausdruckes verlieren würde. Die Schwierigkeiten verschwinden, wenn
voraussetzt, dass hier der Fehler begangen ist, in den bei der unmittel-
baren oder fast unmittelbaren Aufeinanderfolge desselben Wortes bekannt-
lich Abschreiber und Setzer am leichtesten verfallen, und mit einer solchen
Ergänzung schreibt:
Ka£ fjLoi ünif o5 BQaavfittxij touto tjv o ißovXov l^ysiv rö S(x(uov
10 TOV XQftrroi'og ^vfi(f}f(}0Vy ro ^vfxif^qov Soxovv elvai r^ XQflr-
Tow, i(tv re (vf4(f^QTji idv ts ^i}.
d. h. „Sage mir, Thrasymachus, war dies der Sinn in welchem du das
Gerechte als das dem Stärkeren Zuträgliche definiertest, dass das Gerechte
das sein sollte, was dem Stärkeren zuträglich zu sein scheint, mag es nun
wirklich zuträglich sein oder nicht** Durch die ersten Worte t6 S(xnwv
tö TOV xQt(TTovog (vuifi^Qov wM dio vom Thrasjrmachus wiederholt ge-
gebene Definition (to <S(xmov ovx aXXo r^ ^ t6 tov xQifxTovog ^vfiw4QOv
338 C, navTaxov tlvai t6 avro Slxaiov^ t6 tov xQS^TTOvog ^vfitfä^ov 339 A)
möglichst unverändert wiederholt; durch die folgenden t6 ^vfia>(Qov Soxovv
älvttir T^ xQitTTovi wird die von dem Freunde des Thrasymachus gegebene
Erläuterung o r^yoiTo 6 xqs{tt(üv avTtp h'jii(fiQS&v in diejenige Form ge-
bracht, in welcher ihr Unterschied gegen die ursprüngliche Definition scwf
hervortritt.
Wien. H. Bonltz.
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
Sophoclis Antigona. Ad novissimam optimi codicis conlationem
recensuit et brevi adnotatione inatruxit Mauricius Seyffertus. XIV
u. 133 S. Berlin, Weidmann, 1865. — 24 Sgr.
Nach einer gegen die Verächter der (modernen) Teiteskritik gerich-
teten Polemik, die mehr rhetorisch ausgeschmückt als überzeugend ist und
in der sich manche bedenkliche Aeusserungen *) finden, gibt der Hr. Verf.
in der Vorrede als Veranlassung zu der vorliegenden Ausgabe der Antigone
die auülserordentliche Fehlerhaftigkeit von Dindorfs Ausgabe an. Ueber
diese wird das Urtheil gefällt: „Rem longe secus cecidisse (nämlich, als
als man nach der, Dindorf zu Gebote stehenden, von Dübner besorgten
Collation des Laurentianus erwarten konnte) evenisseque, hodie ut nuUa
facile editio corruptior atque deformior extaret Dindorfiana, si quis est in
Sophocle paulo versatior qui non ipse usu compertum habeat, hac nostra
editione, quae ducentis paene locis ab illa distat, faciam ut intellegat".
Hierauf werden die Fehler, von denen nach Herrn Seyffert's Urtheile Din-
dorfs Ausgabe strotzt, in Classen eingetheilt und für jede etliche Beispiele
zum Beweise gebracht (Vorrede, S. Vü— XÜ). Dies geringschätzige Urtheil
ist unseres Erachtens unbillig. Ref. hatte allerdings in seinen „Beiträgen
zur Kritik und Erklärung des Sophokles" auch öfters Veranlassung, Din-
dorfs unbegründeten Ansichten entgegenzutreten (vgl. die Bemerkungen
zu £1. Id2 Ant. 59, 231, 577 ff. u. a.) und er stimmt auch an vielen an-
deren Stellen, die in den „Beiträgen** nicht besprochen werden, mit Din-
dorf theils in kritischer, theils in exegetischer Hinsicht nicht überein; aber
trotzdem ist er weit davon entfernt, Dindorfs Ausgabe für eine solche
*) So treffen wir S. VI folgenden Ausdruck übertriebener Bescheiden-
heit an: „Postremo ex omnibus dissensionibus, ad quas ubique vel
naturae vitio vel cupiditate quadam animi facilius vocamur, hoc unum
debet hauriri imprimique animis certissimae scientiae, viam veritatis
multorum semper erroribus obstructam atque im^ditam esse neq^ue
quemquam ruisso mortalium, qui si quid aliquando in-
venent veri, id süa potius sapientia quam aliorum vani-
tate (!) consecutus sit.
ZolUobrirt f. d. OiUr. Oymn. 186A. IX. n«ft. 44
660 Sophocl Antig, ed, M, Seyffert., ang. v. J. Kvidäla,
Carricatur einer Ausgabe anzusehen, wie sie Hrn. S. erscheint; und obzwar
wir einerseits Nauck's ürtheil ^) fiir zu günstig halten, können wir uns doch
anderseits noch viel weniger Hrn. S.'s wegwerfendem ürtheil anschliersen.
Hr. S. sagt, dass seine Ausgabe von der Dindorfs an fast 200 Stellen sich
unterscheide. Diese Differenz würde nur dann als giltiger Verdammnngs-
grund gegen Dindorfs Ausgabe gebraucht werden können, wenn die üeber-
zeugung des Hm. Verf.'s, dass er an allen diesen Stellen im Rechte, Din-
dorf dagegen überall im Unrechte sei, begründet wäre. Aber unter diesen
200 Fällen, in denen zwischen den beiden Ausgaben ein Unterschied statt-
findet, gibt es Tiele, vielleicht die Hälfte (eine genaue Zählung haben wir
freilich nicht vorgenommen), in denen unserer Ansicht nach Dindorf gegen
den Hm. Verf im Rechte ist. Wir können nicht umhin, auf das Sünden-
register, das Hr. S. in so schroffer Weise Dindorf vorhält, näher einzu-
gehen, um die oben hingestellte Behauptung, Hm. S.'s Ürtheil sei unbillig,
zu begründen. Wir glauben dies um so eher thun zu können, als sich
dabei die Gelegenheit ergeben wird. Hm. S.'s eigene Leistungen zu be-
sprechen.
Die Unbilligkeit, mit welcher Hr. S. über Dindorfs Ausgabe urtheilt,
erhellt am klarsten daraus , dass Dindorf unter anderem in vollem Ernste
auch das zum Vorwurfe gemacht wird, Conjecturen nicht selbst gemacht
zu haben, welche Hr. S. selbst gemacht hat. S. YHI lesen wir nämlich in
der Reihe der Vorwürfe auch diesen: ^Non vidit vemm facillime elid posse
ex eiusdem (nämlich des Cod. Laur.) scripturis leviter cormptis 211 xQ^tJv,
376 tlfjKfivooüi (sie pr. m.), 519 rovrovi, 578 ix dk räa^e XQ^ ^^' Ö55
noXvVf 941 ßcca^Mtt, 1098 Xax€iv, innumerabilibusque (!) aliis, quae quoniam
etiam in apographis depravata sunt, nunc omitto**. Angenommen, aber nicht
zugegeben, diese Conjecturen Hm. S.'s seien wahre Emendationen', war
Hr. S. berechtigt^ Dindorf einen Vorwurf daraus zu machen, dass er nicht
glücklich genug war, ihm die Conjecturen xvQ€lv (211), afAifivotav (376),
xoivovg (519), ev t^erilg J^ xQn (^'^^) ^* ». w. vorwegzunehmen? Ist denn
Hr. S. seiner Sache so sicher, dass er behaupten könnte und wollte, es sei
keinem Nachfolger mehr möglich „verom elicere ex Laurentiani scripturis
leviter cormptis"? Und wenn er dies nicht behaupten kann und nicht be-
haupten will, muss er da nicht im vorhinein sich darauf geüasst machen,
dass ein glücklicher Nachfolger, dem dasselbe an anderen Stellen gelingen
kann, was Hrn. S. nach seiner Meinung an den angeführten Stellen gelungen
ist, denselben Vorwurf machen könnte, den er jetzt Dindorf macht? Und
wamm macht er diesen Vorwurf gerade Dindorf? Derselbe trifft ja ebenso
alle die Kritiker, die sich seit Veröffentlichung der Dübner'schen CoUation
mit der Kritik der Antigone befasst haben; denn keiner von ihnen verfiel
auf die Conjecturen, die Hr. S. an den genannten Stellen macht und in den
Text aufnimmt. Uebrigens sind die Aenderungen theils unnöthig, theils
sogar unnöthig und unrichtig zugleich; nur zwei derselben sind möglich,
aber auch nur möglich; als evidente Emendationen können sie nicht be-
zeichnet werden.
^) Jahn's Jahrb. 1862. Bd. 85. S. 153 ff.
Sophod, Antig. ed, M. Sey/fert., ang. v. J. Kvüdla, 9S1
Diese zwei möglichen Aendenmgen sind die, welche im V. 211 und
941 gemacht werden. An der ersten Stelle hat L aoi tuvt* a(tiax€i, not
Mivoixifog Kq^oxv (apogr. Kq^ov), t6v rySf dvavow xal tov ev^evrj ttoIh.
Diese Ueberlieferung ist allerdings corrupt; denn die Annahme, dass der
Accnsativ mit uQiaxu zufolge einer Construction x«r« avveaiv (als hätte
dem Dichter vorgeschwebt au raura öimaai voug) verbunden sei, ist ein
höchst unwahrscheinliches Auskunftsmittel. Hr. S. nun schreibt für Kq^üjv
mit einer allerdings nicht bedeutenden Aenderung xvQiTv, wovon der Acc.
lavra als Object anhängen würde. Aber diese Aenderung ist nicht die ein-
zige Möglichkeit. Ebenso gut möglich, ebenso scharfsinnig und äuX^rlich
noch wahrscheinlicher ist Dindorfs Aenderung, der Kqiov beibehält und
im nächsten Verse xal in xdg verändert Eine andere Möglichkeit hat schon
Scaliger wahrgenommen, der nach V. 211 eine Lücke annahm. Ebenso
wäre die Annahme, dass V. 212 eine Interpolation ist, nicht unmöglich.
Im Hinblick auf diese möglichen Fälle, denen sich sicherlich noch andere
anreihen lassen, können wir Hrn. S.*s Ueberzeugung , seine Conjectur sei
die sichere Emendation, nicht theilen. — Gefallig ist im V. 941 die Aen-
derung TT^y ßteadu^icv fjLovvr\v loinriv, ZU welcher Emperius dem Hm. Vf.
den Weg gewiesen hatte. Aber die Ansicht Dindorfs, der V. 941 streicht,
schreiben wir nicht ohne Grund einen ebenso hohen Grad der Wahrschein-
lichkeit ZU. — Entschieden unrichtig ist die Aenderung im V. 376. Hr. S.
glaubt in der Ueberlieferung des L it/uifivood}, die nichts weiter als ein
Schreibfehler für dfjufivob} ist, die echte Leseart t^fitfirodiv entdeckt zu
haben, und sieht sich deshalb veranlasst, im folgenden Verse ro<f« in rore
zu verändern. Die so gestaltete Stelle erklärt er: „qui nuper (?) in pro-
digium ambiguus essem, quomodo nunc postquam scio esse, haue Antigonam
esse negem?" Diese Aenderung und Erklärung ist aus vielen Gründen un-
statthaft, die hier zu entwickeln zu weit führen würde; wir bemerken nur,
dass t6t€ hier die vom Hm. Verf. geforderte Bedeutung nicht haben kann
und dass Stellen, wie El. 278 keine ausreichende Analogie darbieten. —
Unnöthig und unwahrscheinlich ist die Conjectur im V. 519 o/noig o y
^A^i\q Toiig vo/novg xoivovg no&H, Einzig richtig ist tovg vojnovg laoug,
was Dindorf mit richtigem Getlihl und guter Begründung aufgenommen
hat; ein evidentes Zeugnis für die Richtigkeit von Tüovg bietet das folgende
raog (V. 520) dar. Vgl. meine Erörterung im 2. Hefte der Beitr. S. 67 ff.
Ebenso schreibt der Hr. Verf. sehr mit Unrecht im V. 578 tv dentg ^k
XQ^ ywaixng ilvm xiia^e. Auch Dindorf hat an dieser Stelle den Text
mit greller Willkür veranstaltet. Hm. S.'s Aenderung ist den Schriftzügen
nach weniger gewaltsam, ja sogar sehr unbedeutend, aber sicherlich un-
nöthig (vgl. meine Verthcidigung der Ueberlieferang II, S. 100 ff.) und
sprachlich gewagt ißixitg soll « St^ifiivtig sein; aber bekanntlich ist der
Gebrauch der einfachen Verbaladjectiva im Sinne eines Part. perf. pass.
auf wenige Fälle beschränkt) und dem Sinne nach unrichtig ; denn gewiss
hat Kreon sich mit dem Befehle, die beiden Mädchen im Hause zu be-
wachen, begnügt. An eine Fesselung ist nicht im geringsten zu denken.
Auch würde Antigene bei ihren Klagen V. 806 ff. gewiss nicht unterlassen
haben, ihre Fesselung, wenn eine solche stattgefunden hätte, als Beweis
44*
65t Sophoel. ÄnÜg. ed. M. Seyffert., ang. y. J. KvUtaa.
der schmaclivollen Behandlung hervorzuheben. — Die Conjectur im V. 855
{noXvg für noXvv oder nolv; jenes bietet i, dieses die übrigen Handschriften,
mit Ausnahme von Lb) ist, wenn man auch die Richtigkeit des von Hm. S.
nach dem Vorgange anderer an dieser Stelle angenommenen Gedankens
gelten lassen wollte, sprachlich gewagt. Die einzige Stelle Od. cf, 709, an
welcher novlvg als Femininum vorkommt, ist keine sichere Stütze für diese
Coigectur. Bei Tragikern findet sich von den Adjectiven auf vs nur ^Jlt;;
als Femininum gebraucht, ein Wort, bei welchem dieser Gebrauch leicht
erklärlich ist. Dass ein Tragiker auch noXvg — noXli^ sollte gebraucht haben,
ist unglaublich. Uebrigens ist auch der an dieser Stelle angenommene Ge-
danke entschieden unrichtig, wie ich im 3. Heft meiner Beiträge (das sich un-
ter der Presse befindet) dargethan habe. — Die Aenderung endlich im V. 1098
(Iw^fti', L hat Xaxnv, die übrigen Codd. Kq(ov) ist unnöthig. Die üeber-
lieferung des L kann aufrecht erhalten werden, wenn man den Satz als
Frage nimmt. Der schüchterne Chor wagt es noch nicht, Kreon entschieden
zur fvßovX(a aufzufordern, sondern fragt, ob er tvßovXCag (gute Rath-
schläge; der Plural auch bei Aesch. 2, 75, freilich in anderem Sinne) aus-
sprechen solle, er wartet erst die Erlaubnis ab. Uebrigens kennen wir
keine Stelle, an der ivßovXCav Xafxßttvuv oder ßovXfiv Xafißdviiv in dem
hier erforderlichen Sinne vorkäme, und wir möchten Hm. S.'s Conjectur
für einen Latinismus halten.
S. XI tadelt Hr. S. auch das als einen Fehler der Ausgabe Din-
dorf 's, dass er an einigen Stellen aus den Schollen nicht die echte Leseart
emiert hat. „Mtiltas ex illius interpretatione et praeclaras scriptnras vel
ab aliis iam ductas esse vel duci etiam posse ne Dindorfius quidem igno-
ravit, . . . scd idem tarnen multo plura neglexit vel ab aliis iam inventa . . .
vel ad hoc tempus praetermissa, ut 612 (nahv), 961 {yX^oatfag),
1301 (o^vTrXrjxTogy. Auch dieser Vorwurf ist unbillig. Angenommen, Hr. S.
hätte an diesen Stellen wirklich die echte Leseart aus den Schollen restitu-
iert, so wäre er dennoch nicht berechtigt gewesen, Dindorf (und implicite
auch allen anderen Herausgebern und Kritikern der Antigone) einen Vor-
wurf daraus zu machen, dass es ihm nicht gelungen ist, an diesen Stellen
denselben glücklichen Griff zu machen. Gewiss wird Hr. S. nicht behaupten
wollen, er habe die Schollen behufs der Textesgestaltung vollständig aus-
genutzt und den Nachfolgern bleibe in dieser Hinsicht nichts mehr zu
thun übrig. Was nun diese drei mit Hilfe der Schollen vorgenommenen
Aendemngen der handschriftlichen Ueberlieferung betrifit, so sind wir der
festen üeberzeugung , dass sie nicht richtig sind. Hr. S. schreibt to t*
inena xal to juiXXov xal ro nttXiv InuQxiaH vo/nog 8^ und ergänzt zu
naXiv das Part. ^iXXm\ Dass diese Ergänzung möglich sei, erscheint uns
unglaublich; wir halten vielmehr diese Textesfassung für unverständlich
und unmöglich. Aber y^to naXiv sine dubio legit scholiasta sie interpretatus
TO iao^fvov xal ju(t fxfivo fxiXXov xal naUv laojusvov'^. Mit nichten!
Der Scholiast erklärt mit to laof^fvov den Ausdruck to Itthtk und mit
der Periphrase xal fin^ fxeh'o fi^XXor xal naXiv iao/Lierov den zweiten
Ausdruck xa) t6 u^XXor. Er fand es bemerkenawerth , dass auf einen die
Zukunft bezeichnenden Ausdruck (to tTreiTa) abermals ein ähnlicher Aus-
Sophod. Antig. ed. M. Seyffert., ang. v. J. Kviöala. 65 S
druck (t6 fiÜXov) folgt, und so war er denn bemüht, diesen letzteren recht
genau zu erklären und fügte den Worten xal /ust ixeTvo /u^XXov den gleich-
bedeutenden Zusatz x€tl TtaXiv ia6fA€vov an. Nur dann, wenn der Scholiast
xal nnliv ^ilXov geschrieben hätte, würde gefolgert werden können, dass
er x6 Ttdliv las und fiiUov ergänzte. — An der zweiten Stelle schreibt
Hr. S. xftvog in^yv(o fAKviavg -tpitvütv tov &i6v iv xiQJOfi(oiq yXm(aagt
wobei xtQTOfi^oig als Substantiv (ra xiQtofjiut) genommen wird. Die Schollen
bieten freilich den Genetiv: xelvog iniyvta tov 9i6v x(QxofA(oiq yltiaarig
aig
fiav(ag timvojv. Aber xigiofiia yltoaatjg ist unwahrscheinlich, weil der Zu-
satz yltaaarig überflüssig und matt ist; es gibt keine anderen xi^iofAut
als xtQTojnia yloiaatjg; und wir glauben, dass Soph., wenn er schon die
homerische Beminiscenz hier hätte anbringen wollen , sich ganz an Homer
gehalten haben würde. Möglicherweise ist ylutoatig^ wie Dindorf glaubt,
nichts als ein Schreibfehler für yXtaaamg. Die Einwendung des Hrn. Verf.
gegen yXuaaaig „plurali numero quis yhoaaag dixerit dicta non novi** ist
von keinem Belang. Bekanntlich wird im Griechischen yXdaau, ebenso wie
in anderen Sprachen die entsprechenden Wörter, metonymisch in der Be-
deutung „Sprache*' gebraucht; folglich konnte vermittelst derselben Me-
tonymie auch yXdiaaai zur Bezeichnung wiederholter Reden des Lykurgos
gebraucht werden. Vgl Verg. Aen. 3, 361 volucrum linguas. Phaedr. 1,
23, 5, sowie yXdHaaa in der Bedeutung „Provincialismus , veralteter Aus-
druck**. — An der dritten Stelle ist die Aenderung ö^vnXrfxiog sehr zweifel-
haft Sie könnte nur dann für eine sichere Emendation ausgegeben werden,
wenn die Emendation des ganzen Verses Hrn. S. gelungen wäre. Aber, was
Hr. S. schreibt, fcT* o^inXtixjog ^J« (foivCav dngl^ Xvh xtXatva ßX^tfaQcc,
ist offenbar unrichtig. „Perditum luctu regem vocat nuntius ad moriendi
aspectum verbo /cT^.** Der Sinn dieser Bemerkung ist uns vielleicht nicht
recht klar. Oder hat Hr. S. wirklich gedacht, dass Eurydike erst jetzt
vor Eroon*8 Augen verscheidet (vocat... ad moriendi aspectum)? Wir
finden diese Annahme so ungerechtfertigt, so sonderbar, dass wir lieber
glauben wollen, den Sinn der Bemerkung nicht richtig erfasst zu haben.
Unserer Ansicht zufolge kann es gar nicht zweifelhaft seiu, dass der Bote
hier etwas vergangenes erzählt, dass Xvh historisches Präsens ist,
gerade so wie xajxvaaaa und ii^vfxvriaaaa auf die Vergangenheit sich be-
ziehen. Unverständlich ist uns auch dnQ(^. Soll es mit o^inXuxxog oder
mit litt verbunden werden? In keinem von beiden Fällen vermögen wir
zu errathen, wie die bekannte Bedeutung von ängl^ zu den andern Worten
stimmen soll. Für o^vnXfixrog beruft sich Hr. S. auf das Scholion o^v^tixjog]
oUlov Xaßovaa ifXrjyrjv. Aber der Scholiast hat dabei offenbar nicht an die
Wunde, die sich Eurydike beigebracht hat, gedacht; denn o^dav Xaßovaa
nXrjyrjv wäre für die Selbstverwundung ein höchst sonderbarer Ausdruck.
Vielmehr glaube ich, dass der Scholiast mit nXiiyii den Unglücksschlag
(Haimon's Tod) bezeichnet und vermulhe o^v^ijxTog für o^v&tixrog. Juxvhv
wird bekanntlich oft vom heftigen und plötzlichen Schmerz gebraucht Auf
o^vSfixTog^ d. L „von scharfem Stich getroffen**, um mit Böckh zu reden,
würde die Erklärung des Scholiasten sehr gut passen.
654 Saphod. Antig. ed. M. Seyffert., ang. v. J. Kviidia,
S. XU wird Dindorf getadelt, dass er Corruptelen, die er hätte ent-
decken sollen , nicht entdeckt hat. ^lam vero quid dicam . . . quam saepe
quae depravata esse vel alii cognoverant vel ipse debebat cognoscere,
ea intacta reliquerit?** Offenbar auch ein unbilliger Vorwurf! Es ist
eine bekannte Erfahrung, dass man oft bei zehnmaligem Lesen einer Stelle
alles glatt und in der Ordnung findet, während man das eilftemal plötz-
lich, vielleicht bei einem oberflächlichen Anblick, Fehler entdeckt, welche
bisher übersehen zu haben man sich wundert. Und heutzutage, wo zahllose
Kritiker an zahllosen Stellen, die gewöhnlich für richtig überliefert ge-
halten werden, Corruptelen theils mit Recht, thcils mit Unrecht entdeckt
haben, ist es vollends begreiflich und leicht zu entschuldigen, wenn einem
Kritiker an der einen oder anderen Stelle eine wirkliche Corruptel ent-
geht, wie sie vielen anderen vor ihm entgangen ist und vielleicht vielen
anderen nach ihm auch entgehen wird, bis endlich einem Nachfolger es
glückt, sie wahrzunehmen. Es geziemt also in dieser wie in anderen Hin-
sichten human über fremde Leistungen zu urtheilen, wofern nur nicht
Nachlässigkeit oder unverzeihliche Ignoranz im Spiele ist. Sehr richtig
bemerkt der Hr. Verf. selbst S. VI: „Quam modestos, quam in iudicando
aequos, quam denique humanos d«ceat esse eos, qui se criticos volunt, quis
est quin intellegat? Enimvero veri amans nemo est, qui falsa, modo verum
serio sequantur, süperbe fert aut hinc illius lucem accendi ingrate obli-
viscitur". Es wäre sehr zu wünschen, dass diese Mahnung, die im Prindp
von allen als richtig anerkannt wird, auch in der Praxis befolgt würde.
Gehen wir nun zur Beurtheilung der vorliegenden Ausgabe selbst
über. Im ganzen kann Ref. über dieselbe das ürtheil fallen, dass aus ihr
für Kritik und Exegese der Antigene ein nicht unerheblicher Gewinn er-
wachsen ist, obzwar die Mehrzahl der aufgestellten Conjecturen und
eine nicht geringe Zahl der mitgetheilten exegetischen Bemerkungen
nicht annehmbar ist.
Beachtenswerth und wahrscheinlich sind nach unserer Ansicht von
den ziemlich zahlreichen neuen Conjecturen, welche diese Ausgabe bie-
tet, nur folgende. An der vielbesprochenen Stelle V. 351 schreibt Hr. S.
dvttaaercu. Ref. hat dieselbe Conjectur bereits vor mehreren Jahren in
dieser Zeitschrift (1859, S. 606) aufgestellt und neuerdings (Soph. Beitr. I,
S. 101) empfohlen. Statt n//^do(/>(^i C^'yv, wie Hr. S. nach Kayser's Con-
jectur schreibt, hält Ref. d/LKfdoifov C^'yt^ für wahrscheinlicher, wie er
a. a. 0. S. 102 f. darzuthun versuchte. — Für richtig halten wir ferner
die im V. 528 gemachte Conjectur vecfürj d' 6(fgv(ov ineQuifiaroev (für
6(f>Qv(ov iniQ cä/Ltarotv) (i^&og tda/vvitf zu deren Begründung Hr. S. be-
merkt: „Admonitus et conlocatione praepositionis , quam Lehrsius primum
notavit, et attributo (df^arosv per se admodum ambiguo scripsi id, quod
res {ala/vv€i) flagitat, vTreQcu/LtctToev, in quod ipsum Schneidewini inter-
pretatio cum maxime cadit. 'OtfQvtov viif>og simpliciter posuit Eurip. Hipp.
173". — Im V. 718 schreibt Hr. S. dXl" eixe &v/u(^ xal jueTccaiaaiv ^tSoig
(überliefert ist (T/cTot'). Von den zahlreichen Conjecturen, die an dieser
Stelle versucht worden sind, hält Ref. diese für die beste (vgl. meine Beitr.
3, S. 13 f.), ja er steht nicht an, sie für eine sichere Emendation zu er-
Sophod, Antig. ed. M. Seyffert., ang. v. J. Kvidala. 655
klären. Aber die Priorität dieser Emendation gebührt G. Hennann. Von
Hermann aber glaubt Ref. bezüglich der Erklärung von ^vfi^t abweichen
zu müssen und er stimmt Wunder bei (a. a. 0.). In Betreff der von Hm.
S. gegebenen Erklärung des xaC (postulat filius, ut est modestissimus, a
patre, ut cedat nihil aliud faciens quam ut iratum animum, id quod suapte
natura poscerc videtur, in contrarium se sinat vertere. Vis igitur particulae
xal eadem est quae Ai. 345 ra/ av yciQ aiStü xdn i/nol ßXi^fag Xaßoi),
deren Berechtigung wir nicht einzusehen vermögen, verweisen wir auf die
von uns a. a. 0. gegebene Erläuterung, — Sehr gefällig ist die Conjectur
os'iv ßXifXfiuai ntnjHq (V. 782), die man nach der vom Hm. Verf.
gegebenen Begründung wol für eine glückliche Emendation halten darf.
Früher (Jahn's Jahrbb. 87. S. 497) hatte Hr. S. 6V tv y' o/ufiaat
n(7tJHq vorgeschlagen, welche Conjectur er mit Recht aufgegeben hat, da
die Partikel yi geradezu unerträglich ist. ~ Ebenso ist im V. 1149 die Con-
jectur ncil Jtov (für Jtog) yivi&Xov sehr ansprechend; denn in der Strophe
muss jedenfalls xal vvv geschrieben werden; xal vw, was Böckh um der
Responsion willen vorschlug, ist offenbar unstatthaft.
Die übrigen Conjecturen sind theils unnöthig, theils unwahrschein-
lich, manche auch aus sprachlichen oder inneren Gründen unrichtig. So
ist z. B. gleich die erste Conjectur unstatthaft. Hr. S. glaubt die viel-
besprochene Stelle 23 ff. durch die einzige Aenderxmg xi^fjOTog (f^r xQfio&€(g)
heilen zu können, welche Conjectur er bereits früher (a. a. 0. S. 483) auf-
gestellt hat. XQtjOTog soll bedeuten „virum probum se praebens**. — Ebenso
unmöglich ist, was V. 138 f. geschrieben wird: (7x€ J* ällog t« /li^v,
aXXa <f* ^/r* uXXotg Imyto^a arvifMi^itiv fxiyttg ^A^rig^ was erklärt wird:
,sed haec (impetum eins, qui Ltinvu ^i^nalg Ix^Catwv dvifuov) alius
cohibuit, alia autem inter alios dispensavit prae se agens et adurgens Mars**.
Unter aXXog soll Zeus verstanden werden: JiXXog, quem lovem fuisse
novimus, nQoXfinnxiog, ut vulgo, refertur ad Martem**. Diese Conjectur und
Erklärung, die Hr. S. auch schon früher (a. a. 0. S. 484) veröffentlicht
hat, ist so unstatthaft, dass sie einer Widerlegung nicht bedarf. — Im
V. 156 wird xq(C(ov zur Ergänzung der metrischen Lücke eingeschoben und
Kq^chv 6 Mivoix^üig xQi((ov vioxfJLog erklärt „rex recens factus**. Kq%ltov
wäre an und für sich höchst anstöfsig, hier ist es neben Kqitav doppelt
anstöfsig und vollkommen unstatthaft; denn man wird doch dem Chor nicht
zumuthen wollen, dass er dies frostige Wortspiel beabsichtigt habe. — Im
V. 241 ist die treffliche handschriftliche üeberlieferong iv yi <yTo/«f<t
(vgl. über den Sinn derselben meine ßeitr. 2. S. 25 ff.) durch die Conjectur
ajox(^H verdrängt worden. — Im V. 263 wird die cormpte Ueberlieferung
ÄXX" ^(f€vy€ t6 fi^ Miviu verändert in dXX* itpfi t6 ^^ dSivai. Eine
ähnliche Conjectur hatte Göttling gemacht, tlXV lif'aaxe jurj ei^^vM, welche
sich von der des Hm. Vf. zu ihrem Vortheile dadurch unterscheidet, dass
der anstöfsige Artikel fehlt. — V. 593 ff. schreibt Hj. S. «e/«'"« '«
Attfi^ax^äp 6 6 jLKov (in der Vorrede aber sagt er: „pro Jo^ow^ quod metro
flagitante (?) pro otx(ov substitui, nunc malim rox^wy'*) oQtofiav mi^tcr'^
ixifvvTtJV inl nrifjiaai 7iCnT0VT\ ovä' dnaXXdaau yivtdv yivog, «U*
Inilytv ^e«y t^, was den Sinn geben öoU, »mala quae in domo Labda-
656 Sophod. Antig. ed. M. Seifffert., ang. v. J. Kvicäla.
cidarum versantur antiquitus in mala cadunt s. evadunt postgeDitonmi".
Und über das treffliche handschriftliche ^Qt^nn wird bemerkt: „Ab hoc
perpetuae calamitatis a familia ad familiam propagatae descriptione alienis-
sima (!) imago est snbruendi, qnae non ad postgenitomm seriem (ytreav
y^vo^), sed duutaxat ad domos apta esset; at domomm cogitationem ei
primo autistrophae versu mente repetere molestissimum est**. Natürlich
ist als Object y^vog zu denken, und zwar, da o«;J* dnaXXdaaei yevedv
yivog vorausgeht, in dem Sinne „jede Generation**. Inwiefern das in Iq^Itih
liegende Bild an unserer Stelle unpassend sein soll, ist nicht abzusehen.
Der Hr. Vf. gibt keinen Grund an. Oder wollte er etwa mit den Worten
„ab hac perpetuae calamitatis a familia ad familiam propagatae de-
scriptione" einen Grund angeben? Aber der Umstand, dass hier die Schil-
derung einer „perpetua" und „a familia ad familiam propagata calamitas"
stattfindet, berechtigt doch nicht im mindesten zu einem Zweifel an der
Angemessenheit und Echtheit von ^Qt^ufi^. Fortwährend ist, will der Dichter
sagen, irgend ein Gott damit beschäftigt, eine Generation der Labdakiden
nach der anderen zu vertilgen, wie wenn ein Holzhauer (vom Fällen der
Bäume nämlich ist das Bild entlehnt) einen Baum fällen, und wenn an
dessen Stelle ein neuer emporwächst, wiederum an diesen die Axt legen
würde. Ucbrigens spricht für iQtfnei. unverkennbar der Umstand, dass in
den folgenden Versen dasselbe Bild sich findet, wozu offenbar durch iQe^nu
Veranlassung gegeben ist (man beachte yttQ im V. 599). — Sehr auffallig
ist auch die Conjectur V. 648 /uri vvv not\ ta not, xng (pQivag x^^^
rjdovrjs yvvaixog ovvtx' ixßdlrjg. Xvrd soll für /i/Jiyr stehen. Abgesehen
von der Unglaublichkeit dieser Annahme wäre aber auch /vStiv hier un-
möglich. Xv^rjv und das lat. temere decken sich nicht ganz; hei x^^^l^
ist der Begriff der Menge („durcheinander**) unerlässlich ; hier aber haben
wir als Object rag (fQivag. — Im V. 687, wo die handschriftliche Ueber-
lieferuug lautet yivono fi^vruv /dr^^fp xaXdig ^x^v, schreibt Hr. S. x^^^Qov,
Als Grund gegen die Ueberlieferung wird angeführt: „In vulgata scriptura
quid sit xttXbig ^/oy admodum obscurum atque incertum est**. Darauf ist
zu erwidern, dass es um nichts dunkler und unsicherer ist als bei der
Conjectur /«r^^or. XäieQov erhält Licht durch die vorausgehenden Worte
oTiüjg av firi Xfyng oQd^dig rd^e; auf eben diese Worte kann sich auch
jlfar/^cfi ebenso gut beziehen. Der Unterschied ist nur der, dass x^t^^Qov
speciel im Gegensatze zu rd^e steht, während der Gegensatz von x^^QV
in €fv zu suchen ist. Nach Hrn. S.'s Conjectur würde der Satz vollständig
lauten yivoiro fiivräv /«rf^ov Xeyofievov (was aus l^yetg zu ergänzen ist)
xaXüig ^or. Nach der handschr. Ueberlieferung hat man zu ergänzen:
yivoiTo fiivruv x^^^QV Xiyovrv xaXtjg Hx^v, wozu nicht etwa ri als Sub-
ject zu denken ist, wie manche irrthümlich meinen, sondern to vir* avrov
(näml. von dem €T€Qog) Xfyofnvov. Dass die Ueberlieferung viel besser ist,
als die Conjectur ;f«r*(>oy, kann man zuversichtlich behaupten; offenbar
verlangt av einen Gegensatz, der eben durch x^^^QV gegeben wird. Aus
diesem Grunde ist auch die Leseart /«r^(>(ü?, auf welche das Scholion hin-
weist, zu verwerfen, obzwar sie an und für sich einen guten Sinn gäbe,
Freilich dürfte man keinesfalls mit dem Scholiasten erklären, di/^^orpy dk
Sophoch Antig. ed. M. Seyffert., ang. v. J, Kviiala. 657
xal h^Qtag xalwg ^^raßovUvaaadM, sondern zu x^^^Q^ ^Äre einÜEich
UyofAivov r» zu ergänzen. — In hohem Grade unwahrscheinlich sowol in
sprachlicher Hinsicht als auch hinsichtlich des Gredankenzusammenhanges
iiit die Conjectur V. 1035 xwv vnai yovovq (überliefert ist rwr <f* vnu^
y^vovg) i^TifinolfifAuv xaxnnpo^ia^ai naXtu (s. über diese Stelle meine Er-
örterung im 3. Hefte der Beitr.)* — Eine unmögliche Conjectur macht der
Hr. Verf. im V. 1118 xlvräv og d^^inug tfVTaliav (überliefert ist
'htik(av) bezüglich deren er sich einer grossen Illusion hingibt, wenn er
sie „certissima*' nennt. Alle übrigen Conjecturen, wie *IxaQiap, Kt^aXiav,
^HyaUttv würden, wenn die üeberlieferung corrupt wäre, was wir nicht
glauben, den Vorzug vor derselben verdienen, weil sie auf der richtigen
Ansicht beruhen, dass hier ein Eigenname einer Landschaft unumgänglich
erforderlich ist. Neben fji(6ng Ttayxoivotq 'Eleva^vittg ^rfovg iv xoXnoig
und den folgenden Angaben specieller Lieblingsorte des Bakchos ist (fviaXiav
unerträglich. — Ungerechtfertigt ist es, dass der Hr. Verf. an av&tg
(V. 1204) Anstofs nimmt und ev&vg schreibt. Wenn der Dichter sagt xal
Tvfißov OQd-oxQitvov olxifttg /d-ovog x^aamg avS^ig nqog U&oaT^mtov
xoQtjg vvfupHQv Z-ltäov xotXov iiafßaiyofÄtv, so bezieht sich ccu^t;
natürlich darauf, dass Kreon's Diener mit ihrem Herrn früher schon einen
Gang gemacht hatten, nämlich zu dem Orte, auf dem Polyneikes' Leiche
lag (iyto J/ atp noöayog iano/^tjv noaci ntiCov in äx^v V. 1196 f.).
Und so könnten wir denn auch von den übrigen Conjecturen darthun, dass
sie, wie oben gesagt wurde, theils unnöthig, theils unwahrscheinlich, manche
auch aus verschiedenen Gründen unrichtig sind.
Günstigere Resultate, als auf dem Gebiete der Conjecturalkritik, hat
der Hr. Verf. durch Aufnahme mancher gewöhnlich mit Unrecht vernach-
lässigter Lesearteu des Laurentianus und durch Vertheidigung der hand-
schriftlichen Üeberlieferung an solchen Stellen, wo dieselbe angefochten
wird, erzielt.
So wird ohne Zweifel mit Becht im V. 374 ^ijrf fioi. nach L ge-
schrieben. Aller Nachdruck liegt auf noQiax^og und laov tp^ovdiv. Wenn
man /ui^t' ifioC schreibt, so erweckt dies die Erwartung, dass ein Gegen-
satz zu lfio£ folgen soll. — Ebenso wird richtig im V. 386 die Üeber-
lieferung des L gegenüber der Leseart der anderen Codd. eig 6iov gewahrt;
vgl. auch meine Bemerkung zu diesem Vers im 2. Heft der Beitr. — Auch
im V. 575 ist nach \L 'LMrjg 6 navötav tovaöe lovg yd/noug ifiol mit
Recht der Üeberlieferung €ipv vorgezogen worden. — Im V. 326 ist ohne
Zweifel r« dewd x^QÖri ntj/uovog i^yu^tTM richtig und änld eine alte,
aber unglückliche Conjectur (vgl. Beitr. 2, S. 39 £). — üeber mxQag
(V. 423 xuvttxüjxvei ncxQug oQvi&og o^lv tpx^yyov) wird bemerkt: nixQagf
quod est in libris, recte se habet: avis <fMc ri/LKogiav, ut ait Arist. Rhet.
I, 10, 8, acerba i. e. exacerbata est, non lugubris, ut volunt, vel maesta**.
In derselben Weise hat Ref. (a. a. 0. S. 57 f.) die Üeberlieferung vertheidigt.
— Mit Recht wird V. 630 iiTtdrag Xtx^ojv vmqaXywv in Schutz genommen.
„In vv. dnuing X^x^iav qui de adulterio cogitandum censent idque ipsi
poötae vitio vertunt, ingenio certe perperam abutuntur. Quae sit ista fraus
coniugio facta, quam Haemon qaeritur, vel, quod magis credo, falsa d9
658 Soj^d, ÄtUig. ed. M. Seyffert., ang. v. J. Kviöala,
coniugio spes atque opinio, quis sanus non intellegat? Scholiasta recte, nt
videtur, vn^Q rrjg twv lex^tov dnoTv^^ag «/^cJ^fvoj**. In dflr That hat der
Scholiast durch dnorvx^a den Sinn gut wiedergegeben. Freilich darf man
dndiag Xixifov nicht verstehen in dem Sinne, dass Haimon Yon Kreon um
die Gattin betrogen wurde; denn das konnte der furchtsame Chor nicht
auszusprechen wagen. £s bezieht sich vielmehr dnaraq darauf, dass Hai-
mon's HoflEhung sich als trügerisch erwies. — Gebührender Mafeen wird der
Angriff auf die Ueherlieferung im V. 652 f. (tC yaQ yivoit av Uxog fjieTCot
ij (pdog xaxog; alXd ntvaag taaiC re dvö/Lievfj fjtiB^fg) zurückgewiesen, und
ehenso V. 680, den Meineke getilgt wissen wollte, genügend vertheidigi
— Ebenso sind wir einverstanden mit der Beibehaltung der Ueherlieferung
im V. 1090 (töv vovv t dfiilvta ttHv (pgevaiv fj vvv (piQei). „Dubium non
est quin coniungenda sint verba rov vovv rdiv (fQ€vdiv eadem vi, qua
yveifirf (fQtywv Oed. B. 524; mentem animi item dixisse Latinos dooent
lexica". Jene Kritiker, welche tov vovv ruiv (fQcvtHv für unmöglich hielten,
weil sie dieser Verbindung keine andere als die absurde Bedeutung „ Ver-
stand des Verstandes** abgewinnen zu können glaubten, übersahen unhegrif-
licher Weise, dass vovg unzähligeraal nicht „Verstand", sondern die ein-
zelne concreto Bethätigung des Verstandes, die einzelne Ansicht, das ein-
zelne Vorhaben {yviü/xr], votj/Lta) bedeutet und dass somit vovg in dieser
Bedeutung ebenso gut mit (fQtvaiv verbunden werden kann, wie man findet
yvtofAf] (f>Q€vtov oder rC/rre cT^ aoi'^ tf^Xt rixvoVf ivl (f^taX tovto v6r\fjia
tnX%jo (Od. ß, 363), womach ja auch rdiy/i« (fQcvdfv gesagt werden könnte.
— Auch V. 1156 wird die Ueherlieferung ovx ?<y^* onolov axavt^ av
ttvd^^mnov ß(ov ovt* aMaMfi^ liv ovte fiifjL\ptt(fitiv nori, die ohne Zweifel
unantasthar ist, vertheidigt. Vgl. unsere Erörterung dieser Stelle im 3. Hefte
der Beitr. — Ebenso hält der Hr. Verf. mit Recht an der Ueherlieferung
im V. 1179 mg cJcf' ix^vrwv rtiXXa ßovXevuv nttQa fest. „Si integra sunt
verba a libns prodita, id quod minime dubito, nihil possunt valere nisi
hoc: rehus sie se habentihus reliqua deliherare licet. Reliqaa
autem post caedcm factam, quae quidem in deliberationem veniant, quaenam
esse putas nisi res ad maestitiam regis consolandam et ad funus faciendum
necessarias? Atque id ipsum velle nuntium mihi persuasum est: scd ita ille
quod vult pronuntiat, ut et homiuem se praebeat pauIo, ut Plautino maxime-
que proprio vocabulo utar, delicatiorera, quasi penes ipsum sit, deliberentne
patres nee ne — nam naga dicit — et vero curiosum". Ref. hat, he vor ihm
noch die vorliegende Ausgabe zu Gesichte kam, die Ueherlieferung (im
3. H. d. Beitr.) vertheidigt und ersieht jetzt, dass er sich hier, sowie ao
einigen anderen Stellen (V. 326. 351. 423. 429. 718. 1006. 1156), in fast
vollständiger Uebereinstimmung mit dem Hrn. Verf befindet.
An einigen Stellen ist der Hr. Verf. zwar der handschriftlichen üeber- •
lieferung, aher nicht der richtigen, gefolgt. Für sehr irrig und schädlich
hält Ref. das Vorurtheil gegen die von zweiter (alter) Hand dargehotenen
Lesearten des L, welches Vorurtheil freilich der Hr. Verf. mit den meisten
Kritikern theilt. „Alteram manum, quam antiquam vocat Dübnerus, aucto-
ritate ad primam aut nulla aut non magna esse eamque fere cum apographis
consentire, ut 125, 130, 765. 1036, aut recta cormpisse, ut 569, 735, non
Sophod. ÄfUig. ed. M. Seyffert.y ang. v. J. Kviiäla. 659
mnlta emendasse facile apparef*. Dies geringschätzige ürtheil, das man
so häufig antrifft, hat Ref. im 1. Hefte der Beiträge S. 10 ff. dnrch Bei-
spiele aus der Elektra zu widerlegen versucht und gelegentlich auch in
den Bemerkungen zur Antigene (2. 3. Heft der Beitr.) auf die Nichtigkeit
desselben hingewiesen. Es ist ein grofser Irrthum, wenn man die von
zweiter Hand dargebotenen Lesearten flir Conjecturen ansieht; sie be-
ruhen vielmehr auf Vergleichung einer von dem Original des Laur. ver-
schiedenen und, wie sich beweisen lässt, vorzüglichen Handschrift. Freilich
ist gerade bei der Antigene die Ausbeute, die sich aus der von zweiter
(alter) Hand dargebotenen üeberlieferung machen lässt, viel geringer als
bei den anderen Tragödien, wie denn überhaupt die Summe der von dieser
Hand dargebotenen Lesearten in der Antigene sehr gering ist. Die echte
Leseart bietet diese zweite Hand z. B. im V. 125, 664, 1036 dar. Im V. 125
muss, wie Bonitz (2, 32 f.) dargethan har, amnakov dQaxovrog gelesen
werden, wälirend die erste Hand die Dative bietet. Ebenso verdient im V. 664
die von zweiter Hand dargebotene üeberlieferung roTg xQarovaiv Iwotl
vor toTg xQcavvovaiv votl den Vorzug (vgl. meine Bemerk, zu dieser Stelle
im 3. H.). Ebenso ist im V. 1036 xdxTrttfOQT&ajuai ohne Zweifel die echte
Leseart und nicht die üeberlieferung der ersten Hand, wie an dieser Stelle
Hr. S. selbst anerkennt.
An einigen Stellen hat der Hr. Verf. mit unrecht die von erster
Hand gemachten Aenderungen (wir bezeichnen sie mitZr*) verworfen und
das was der Schreiber des Laur. ursprünglich geschrieben (L) aufgenommen,
obzwar er im Principe mit Dinderf 's unzweifelhaft richtiger Ansicht, dass
die Autorität von i>' in der Regel gröfser, als die von L ist, übereinstimmt,
um die Autorität von L^ zu schwächen, führt Herr S. Aenderungen an, die
auf Conjectur beruhen sollen; aber der gröfsere Theil derselben verdankt
sicher seinen Ursprung nicht Conjecturen. und wenn man anderseits die
Fälle betrachtet, in denen L * offenbar die echte, nicht aus Conjectur her-
vorgegangene, Leseart darbietet*), so wird man da, wo sowol die von L
als die von L^ gebotene üeberlieferung aus sprachlichen und inneren
Gründen möglich ist, von vornherein mehr dieser als jener vertrauen dürfen.
Wir behaupten demnach im Gegensatze zu dem Hm. Verf., dass V. 315
limlv Tb ^(oaeig (nicht eincTv J^ Sutatig; rj atQatfelg ourtog fw; So inter-
pungiert der Hr. Verf., was vollends unstatthaft ist ; er hätte doch wenigstens
iinnv 6h dioaetg^ rj arQatfilg oiitog fto; mit anderen Herausgebern schreiben
sollen), im V. 486 ofjimfioveaUQa (was auch viel passender ist, als das an
und für sich freilich nicht unmögliche ofiaifAoviaxiQag), im V. 1105 fioUg
fiiv, xttQ^Utg 6" i^^arafiat t6 SqHv zu schreiben ist. An der letzten Stelle
schreibt der Hr. Verf. nach L ftoXig fiiv xagdiif ^^iniarafiM jo Sqav
(jedoch mit Auslassung des handschriftlich überlieferten d" nach xff^wTr^).
Den Sinn gibt er in folgender Weise an : „Aegre equidem ab animo impetro
ut faciam. . . . 'E'itnlarafjim dicit a vate scilicet et choro, postquam diu
') Z. B. 327 L (TOI, 2y' ro^; 406 L evQ^&rj, i' W^»? (was auch dem
Schol. vorlag); 604 L 6vvafiiv,L^ övvaa^v; 60b L «y»i^y, L^ «y»i^wf,
was einzig und allein angemessen ist.
MO Sophod, AtUig. ed. M, SeyffeH., ang. v. J. Kvieaia.
yestitit, edoctos*'. Offenbar ist diese Erklärung unmöglich; die Worte
i$exi0TafAai t6 dQÜv werden ganz willkürlich und unberechtigt in dem
Sinne iU^ltnufiM Sqnv fi€ ^€iv genommen.
Wir haben oben gesagt, dass der Hr. Verf. günstigere Resultate, als
auf dem Gebiete der Conjecturalkritik, durch Vertheidigung der handschrift-
lichen Ueberlieferung erzielt hat. Freilich finden sich, wie wir jetzt hinzu-
fügen müssen, manche sehr auffallende Ausnahmen. Der Hr. Verf. unter-
nimmt es zuweilen, Stellen zu vertheidigen, die heutzutage mit fast voll-
ständiger üebereinstimmung, wenigstens mit Uebereinstinmiung jener Kriti-
ker, die nicht verblendete Anhänger der Ueberlieferung sind, für interpoliert
oder corrupt gehalten werden.
Am meisten befremdet die Vertheidigung der berüchtigten Verse 905 ff
Der Hr. Verf. glaubt auch nicht einen einzigen Vers tilgen zu müssen und
legt bei seiner Vertheidigung hauptsächlich Gewicht auf seine Behauptung,
dass die in der Antigene eintretende Peripetie, die in diesen Versen dar-
gestellt ist, sehr angemessen seL „Sapientissime po^ta et ad tragoediae
veteris consilium, xd&ttQaiv dico, perapposite quam in Creonüs partibus
instituerat niQtnixiunv, eandem effingit in persona Antigonae**. Den Grün-
den, dio gegen die Echtheit dieser Stelle vorgebracht worden sind, wird
gar kein Gewicht beigelegt. Das, was andere in diesen Versen für absurd
und unmöglich halten, erscheint dem Hm. Verf. nur „minus perfecte et
ezplanate dictum**, ja er wagt sogar die Behauptung, dass gerade darin feine
Berechnung und Kunst zu suchen ist „Quod si hac tanta animi fluctuatione
quaedum minus perfecte et explanate dixit, ut dizit sane, hoc profecto
Qon interpolatoris, ut volunt, temeritati atque inscitiae, sed ipsius po^tae
sapientissimi consilio artificioque nobis videmur attribuere". Nur einen
einzigen von den Gegnern vorgebrachten Grund ist er einigermafiaen geneigt
als haltbar gelten zu lassen. „Tertium num ab ipso po^ta profectum sit
dubium potest viderL Nam quod ait v. 910 x€tl ndig an alXov tfunoq,
gl Tovd* fjfiTtlaxoVf mirum est, quod et sine causa sumitur maritum ante
Ulli mortem esse vita defunctum , et quod lovde pronomeu ad (ptorog potius
quam ad uatg refcrendum videtur" *). Diesem Uebelstand könne aber, meint
Hr. S., durch die Conjectur xal naTg av tlXXoifavjoq, ei rov^* tjjanXaxov
abgeholfen werden. Bei hat über diese Verse, sowie über die ganze Rede
der Antigene, eine ausführliche Erörterung im 3. Hefte der Beiträge an-
gestellt^}, ohne auf die Vertheidigung Hrn. S.'s, die bereits in den Jahr-
büchern für class. Philol. veröffentlicht ward, Rücksicht zu nehmen, um nicht
den Umfang jener Erörterung übermäfsig auszudehnen und weil ihm diese
Vertheidigung ganz und gar unstatthaft erschien. Hier wollen wir nur auf
*) In den Jahrbb. f. class. Pha 1863. S. 498 hatte Hr. S. eine ent-
schiedenere Ueberzeugung von der Ungereimtheit dieses Verses; er
nennt daselbst die diesen Vers betreffende Ausstellung „die einzige,
wie ich zugestehen muss, begründete".
*) Einen Punct bedauert Ref. m dieser Erörterung übergangen zu
haben, nämlich die Frage nach dem Alter der Interpolation. Es ist
wichtig, auf diese Frage einzugehen, weil die Vertheidiger der Verse
auf das aristotelische Zeu^is grofses Grewicht l^n. Ref. will die
Erörterung dieser Frage ein andermal nachtragen.
Sophod. ÄfiHg, ed. M, Seyffert^ ang. t. J. KvüaUL 661
einen erst jetzt vorgebracliten Pnnct (in den Jahrfob. a. a. 0. ersclieint er
nicht) anfmerksam machen^ um zu zeigen, zn welchen sonderbaren Aos-
kunftsmitteln die Vertheidiger dieser Verse zu greifen sich veranlasst sehen.
„Postremo quod absurdissimum esse clamant l'dque aperte ex imitatione
Herodoti III, 119 temcre huc inlatum, ut quae apud illum Intaphemis uzor
de fratre dizerat superstite, ea ab Antigona ad occisi fratris corpus accom-
madarentur, oblinscuntur sagacissimi homines hoc velle Antigonam, firatrem,
si insepultum reliquisset , ita sibi perpetuo defuturum fuiase, ut eins amore,
quoniam in yivis iam non esset, ne apud mortuos quidem frui videretur. Hac
enim spe tanquam solacio se duci modo ipsa professa erat t. 897 sq.: nam
amieos apud viTos nullos invenerat, omnem amoris spem positam habebat
in mortuis**. Eine Stelle, die auf solche Weise gerettet werden müsste,
ist wahrlich unrettbar verloren! Man braucht nur die Verse fArirq6g <r h
"Aidov xal noTQog Tcixiv^otoiv ovx Hot ddiltpog oatig av ßlaaroi
TT OT i zvi lesen, um sofort zu sehen, dass Hr. S. den Sinn dieser Verse, auf
welche sich seine Vertheidigung bezieht, vollständig ignoriert hat. Was
nützt eine solche Vertheidigung, wenn der klare Wortlaut jedem unbefeai-
genen zeigt, dass der Verfasser der Verse nicht so gerechtfertigt wer-
den wollte!
Für verfehlt halten wir femer die Beibehaltung der Verse 465—468.
Hr. S. hatte diese Verse bereits in den Jahrbb. a. a. 0. S. 488 f. ver-
theidigt, fÖr rov i$ ijuijg /urjTQog die Aenderung tov /| hog ntnqog vor-
geschlagen und weiter ä^anrov rjvxojutjv vixw. Diese beiden unstatt-
haften Conjecturen hat jetzt Hr. S. aufgegeben und schreibt im V. 466
Toi^ ^1 ofiiig firjjQog (obzwar ofxog nur episch ist) und im V. 467 nach
Wolff uTtttpov ttvta/ojLiTiv y von welcher Conjectur er früher gesagt hatte,
dass sie an sich nicht viel innere Wahrscheinlichkeit hat und nicht die
unbedingte Anerkennung von Bonitz verdiente. Vgl. über diese Verse meine
Beitr. 2, S. 59 ff.
Im V. 368 hält Hr. S. an dem handschriftlichen naqi(^tjv fest und
stellt für die Worte vofiovg naQiiQtov x^ovog ^e£v t* ivoQXov d(xuv vi///"-
noUg folgende Erklärung auf, die, was Kühnheit und Unnatürlichkeit be-
trifft, ihres Gleichen sucht: „Uli — r^p inrixavoevri xixvag — si inserit
i e. admiscet, tanquam lemniscos corollae, humanas divinasque leges,
in summo civilis dignitatis gradu versatur**. Wir zweifeln nicht, dass
Pflugk*s Conjectur niQuivatv (oder noch wahrscheinlicher ntQaiQtav), die
dem Hm. Verf. nicht gegenwärtig gewesen zu sein scheint (sie wird näm-
lich von ihm neben den anderen Conjecturen gar nicht genannt), die rich-
tige Emendation ist (vgl. Beitr. 2, S. 41 f.).
Auch V. 1175 f. wird die Ucberliefemng vertheidigt. Den Wider-
sprach, der zwischen der Meldung des Boten Atfiwv okadevtivToxdQ cf*
atfAttüaerai und der Frage des Chors nortQa noTQipag ij nQog oixifag
XfQog; stattfindet, sucht Hr. S. durch eine unmögliche Erklämng von
auToxetQ zu beheben. „Avio^hq^ t(vToa(f>ayrjg et quae sunt similia mihi
videntnr non caedem a cognatis lactam (dies ist gegen Lobeck's Erklärang,
der Hr. S. früher beistimmte, gerichtet) significare, sed vim vitae a quoHbet
inlatam vel mortem violentam et necessariae oontrariam^.
<Mt Sophod. Anüg. ed. M. SeyffeH,, ang. v. «T. Kvi^äla .
Die Exegese der Antigone hat durch die vorliegende Ausgabe in
manchen Fällen eine anerkenncnswerthe Berichtigung oder Bereicherung
erfahren. Zunächst gebührt Hm. S. das Verdienst, an manchen Stellen, die
in Folge ungenügenden Verständnisses oder in Folge eines Vorurtheils für
interpoliert oder für corrupt gehalten werden, die richtige Erklärung ge-
funden und dadurch die Ueberlieferüng gestützt zu haben. Beispiele hiefÜr
sind bereits oben angeführt worden. Aufserdem hat Hr. S. aber auch in
rein exegetischen Bemerkungen, deren Zahl freilich im ganzen gering ist,
für Exegese manches geleistet So halten wir für yoUkommen richtig die
Erklärung von roT^ xoafiov^ivovg (V. 677 ovtojg ufAvvrf iarl tois xoOfAovfii-
voi^\ was gewöhnlich in dem Sinne „Anordnungen" aufgefasst wird. ^Immo
sunt ol xoa^ovfÄtvoi iidem, qui ot oQ&ovfAfvoi v. 675, i. e. ii, qui ut
ordinem servent facile adducuntur, quibus mulier scilicet contumax opposita
est. Cfr. v. 730 nxoa/uovvrfg'^.
Freilich finden sich auch manche unstatthafte Erklärungen, die Hr.
S. theils nach dem Vorgange anderer aufgenommen, theils selbst auf-
gestellt hat.
So sind z. B. gleich die ersten zwei Erklärungen verfehlt, lieber
die Construction von V. 2 f. wird bemerkt: „Pro commotiore Antigonae
animo ab instituto orationis cursu («<(>* ola&' ort) paulum deflexum videtur
et pro ov&lv ov non recta interrogationis forma, quod poterat, noioy oi///,
sed illud adrairationis dolorisque plenum (a/trhttarixov) onoTov ovxl
positum**. Freilich scheint Hr. S» von der Richtigkeit dieser Erklärung
selbst nicht fest überzeugt zu sein , da er auch die Conjectur xf^notov
(natürlich mit Beibehaltung von o n) mittheilt. Ref. hat dieselbe Con-
jectur gemacht, hält sie aber nicht für nothwendig, da sich noch ein anderer
Weg der Erklärung zeigt. Vgl. Beitr. 2. S. 1 ff. — Der Sinn von V. 3 f.
wird angegeben: „Nihil enim neque acerbi neque, omissa calamitate, aut
turpis aut ignominiosi est, quod non — viderim". Es stimmt diese Er-
klärung im wesentlichen mit der Böckh's überein und ist ganz unwahr-
scheinlich. — Für unrichtig hält Ref. femer die Erklärung zu V. 10:
y^Tüiv Ix^Qviv xctxa sunt mala, quae hostibus inferri solent, non, ut
vult scholiasta, quae ab hostibus parantur". Gewiss würde der Dichter,
wenn er den Sinn „Uebel, welche Feinde treffen sollen**, beabsichtigt hätte,
sich deutlicher ausgedrückt haben. Ttüv ix^Quiv ist subjectiver Genetiv und
auf Kreon zu beziehen. Wenn Hr. S. bemerkt „Creontem sie hostem de-
scribere, qui quidem et rex suae patriae et cognatus esset, vix poterat
Antigona", so ist darauf zu erwidem, dass raiv Ix^qwv nicht „meiner**
oder „unserer Feinde** ist, sondern „der Feinde unserer </YXo*** ; kurz Kreon
wird damit als ix^^Qog des Polyneikes bezeichnet, was ebenso natürlich ist
als der Umstand, dass Polyneikes ein ix^^gog Kreon's war und von ihm
als solcher behandelt ward (vgl. Beitr. 1, S. 100 f.). — Entschieden un-
richtig ist die Erklärung von V. 70 (l/nou y «r r^Sifag SQ^r\g ^^r«): „Nee
iubebo iam te facere, nee si velis facere, credo te libenter esse facturam
mecum, quae quidem longo aliter sentiam ac tu**. Unzweifelhaft ist ^cf«a>f «=
Hiiag i^ol, vgl. Beitr. 2, S. 8 ff. — Unrichtig ist auch die Brklärang von
V. 226 o^olg xvxXmf IfiavTov dg avaaTgoff-r^v: „Dicit custos cogitationes
Saphod, AnHg. ed. M. SeyffeH., ang. t. J. Kviöäla, G6S
Buas et cüras effecisse ne porro pergeret, sed srpatiia fadendis {o^oig) in
orbem se circumagens iret rediret. Verba igitar stg opaar^otpriv non con-
siünm reversionis significant, sed effectum jov xvxXdv: ita ut eodem
revolverer**. Unwahrscheinlich ist hiebei die Anf^sang von (fg «vu-
OTi^otpr^v, während die Auffassung „znr Umkehr** die natürliche und nahe-
liegende ist. Die Einwendung „nam qui reverti vult cur tandem in orbem
se circumfenit?** ist nicht stichhaltig. Der Wächter legte eine Strecke
zurück; dann blieb er stehen und drehte sich, nehmen wir an, rechts um,
um zurückzugehen; nachdem er eine Zeitlang in dieser Richtung zurück-
gegangen war, drehte er sich wieder nach derselben Seite (rechts hin) um
und gieng wieder vorwärts und so wiederholte es sich mehrmals. Er be-
schrieb also eine krumme in sich zurückkehrende Linie, und der Dichter
nannte die Umdrehung, welche der Wächter machte, um zurückzukehren,
mit Recht ein xvxXfTv lautov. — Ebensowenig kann die Erklärung von
393 (^ . . . nnq il7r(^ag /«(>« ^oixtv «iLAiy fiijxog ovdh jJcTovJ) befriedigen.
„Verba fdvjxog ovSiv non seiungenda sunt, sed valent nulla mensura
— nam magnitudines rerura metiri solemus — conferri potest cum
alia voluptate h. e. aliarum voluptatum mensuram multo superat**.
Es scheitert diese Erklärung an dem Umstände, dass fiiixoq nicht = men-
suram ist. — Im V. 536 (6iSQaxa rovQyoVy ifnfQ ijd' ofjioQQoS^ei) wird
die Erklärung des Scholiasten (oqu nuig ittvrrjv nQoSrjlov (6g avxotfavTovaav
noiH' ofjLoXoyu yaQ nenQttx^vM TttvTrjg awri&Bfiivfig) angenommen, die
sicherlich falsch ist; vgl. ßeitr. 2, 8. 71 ff. — Unrichtig ist femer die
Erklärung der Verse 556. 557; vgl. Beitr. 2, S. 78 ff. — V. 715 {avrvig
6h vttog oöTig iyxQUTfj n66a reivag) wird vadg lyxQitrijg novg erklärt
„funis, qui navem in potestatc sua habet i. e. quo navis regitur** und Über
die richtige proleptische Auffassung von iyxQUTrj {no^a rt^vfiv äan iyxQftrrj
iJvm), die sich bei Dindorf findet, gesagt „quod quid sibi velit prorsus me
fugit**. Wie iyxQctTtjg a(SriQog (474) festes, hartes Eisen ist, so wird auch
von einem straff gespannten Tau, das zufolge der straffen Spannung
nicht so leicht nachgibt (vn€(xHv)j wie ein locker gespanntes Tau, also
gewissermafisen fest ist, sehr passend iyxQttTtjg genannt. — Unverständlich
ist uns die Erklärung von ^vyyvot/niv im V. 926 {na^ovreg Rv ^vyyvoTfitv
fi/uttQTTjxoTfg): „Non metri causa, ut ait Gu. Dind., ^vyyvolfjKv posuit
poSta pro yvolfifv (dies ist allerdings eine sehr oberflächliche und nach-
lässige Auffassung), sed quadam faceta verbi inversione: nam si vere pia.
esset Antigona, non ^vyyvoifi(v dicere debebat, sed ^vyyvoCfifd-a'^, Die ein-
fache und richtige Erklärung glaubt Ref. im 3. H. der Beitr. gegeben zu
haben. — Ueber tvvtig rrig xnrto tp&oQuv (V. 1224) wird bemerkt; „sepul-
turam, placidam requietis sedem, amissam queritur Haemon: nam sperare
debebat fore, ut et Antigona et ipse in spelunca insepulti iacerent**. So
auffallend uns auch der überlieferte Ausdruck in dem gewöhnlich ange-
nommenen Sinne „coniugera iam apud inferos agentem** erscheinen mag,
so ist doch die von Hm. S. gegebene Erkläreng ans mehreren Gründen
noch auffallender und gewiss unzulässig. — V. 1277 will Hr. S. tog nicht
mit Hoixag, sondem mit den folgenden Participien verbunden wissen: „tan-
quam unus, qui ad ea, quae habet, alia acqnisivit**. Uns scheint hier
4184 R' Kitimity Grieeh. Schulgrammatik, ang. t. A. Fleitdimaim.
Dindorf , der tog io^tcas als Ezclamation verbindet, offenbar im Rechte xn
Bein und wir zweifeln nicht, dass tog hier dieselbe Qeltang bat, wie an
vielen anderen Stellen, mit denen diese unverkennbare Aehnlichkeit hat
Eine solche Stelle führt Dindorf selbst an, nämlich 1270 otßi mg ioutag
6\lfk xftv J/ariyy IShv. VgL noch Ai. 354- oXfi tag iotxag 6(>^ fjtagiwvqiXv
ayav. El. 1185 tag ovx ä^* ySrf riav ifitov ovSkv xaxdiv. Trach. 871 m
natdtg, tag äg* i^filv ov Ofjuxqw xaxäv tjQ^iv ro SutQor 'H^xlit ro
nofinifiov XL a.
Prag. Johann Kvfdala.
Eurzgefasste Schulgrammatik der griechischen Sprache für die
unteren und oberen Gymnasialclassen , von Dr. Baphael Kühner.
Statt der vierten Auflage der Schulgrammatik. Hannover, Hahn, 1865.
276 S. 8.
Die Elementargrammatik des verdienstvollen Hrn. Verf.'s ist den
meisten Lesern dieser Blätter bekannt; die meisten haben darnach die
Elemente der g^echischen Sprache gelehrt oder gelernt. Neben derselben
bestand eine bei uns weniger bekannte Schulgrammatik für die oberen
Gymnasialclassen. Endlich hat sich der Hr. Verf. entschlossen, eine Gram-
matik auszuarbeiten, welche dem Unterrichte im Griechischen von der un-
tersten bis in die oberste Classe genügen soll. Dieselbe enthält wesentlich
dasselbe System wie die Elementargrammatik, bis auf gewisse aus didak-
tischen Gründen in der letzteren vorgenommene Umstellungen in der For-
menlehre; auch sie hat die bekannten Eigenthümlichkeiten , wie die Auf-
fisissung des Optativs als Conjunctivs der historischen Tempora und dem-
nach auch äoTserlich die Verbindung des Optativs Präs. und Perf. mit
dem Imperf. und Plusquamperf. , die Bildung des Perf. I der labialen und
gutturalen Verba mittelst der Endung a, die Eintheilung der Syntax nach
gewissen Denkformen. Dem Zwecke des Buches entsprechend entfielen die
Aufgaben zum Uebersetzen, welche das Elementarbuch enthielt, dagegen
wurde der grammatische Stoff vermehrt, die rationale Auffiassung der Sprache
durch Verwerthuug der Resultate der Sprachforschung f&r die Formenlehre
und durch Darlegung der Sprachgesetze in ihrem Zusammenhange ange-
strebt. Das Buch entspricht in hohem Grade seiner Bestimmung, wie es
von dem Hr. Verf., der seit einer langen Reihe von Jahren unermüdet in
dieser Richtung arbeitet, nicht anders zu erwarten ist. Besonders zweck-
mäf^ig ist §. 8 die Unterscheidung der Contraction der Vocale in eine
lautliche und eine grammatische, und die unter letzterem Namen zu-
sammengestellten Ausnahmen von den Regeln der lautlichen Contraction;
§. 123 die Aufzählung aller Verba mit der attischen Reduplication ; die
Wortbilduugslehre zeichnet sich aus durch genaue Angaben der Betonung
und der Bedeutung der einzelnen Bildungsarten; ausführlich und lehrreich
ist die Lehre vom Artikel, ebenso die vom Part, besonders die Anführung
der Verba, welche antaer dem prädicativen Part, mit Verschiedenheit des
Sinnes auch mit dem Inf. construiert werden. Doch erachtet Ref. manche
Ausführungen für überflüssig, und zwar alle jene, deren Inhalt dem Schüler
B* Kühner, Griech. Schulgrammatik, ang. ▼. Ä, Fleischmann, 665
ans der deutschen und lateinischen Grammatik schon bekannt sein muss.
So §. 38 die Aufzahlung und Definition der Wortarten , §. 39 die Ein-
theilung des Substantivs, §. 238 Begriff des Satzes, vom Subject und
Prädicat; im §. 315 die Begriffsbestimmung der Beiordnung, §. 316 die
der Unterordnung, §. 321 die der Adverbialsatze, §. 330, 1 die Einthei-
Inng der Fragesätze. Manche Unebenheiten und Ungenauigkeiten, die sich
darin finden , werden hoffentlich in einer folgenden Auflage beseitigt wer-
den. Dahin gehören §. 8. A. 1. c. und §. 62: oa werde in ov contrahiert
im Acc. Plur. von ßovg, da dieses eben so wenig als yQuvg durch Contrac-
tion entstanden ist §. 13, 3 wird gelehrt, in der Formations d eh nung
werde « auch in «* gedehnt wie in ifaCvto, im Widerspruche mit §. 21.
2. d, der die richtige Erklärung, durch Einschiebung des j, und dasselbe
Beispiel enthält. Damach ist auch die Vorbemerkung zu §. 158. y^ßaCvu»
hat den Stamm vocal « in «*, lXauv(o in av gedehnt**, zu berichtigen. §. 82
wird unter den Adjectiven, welche bei der Steigerung den Endvocal o ab-
werfen, auch das nur poet. nsQulog ohne Bemerkung angeführt, während
sonst die poetischen Formen wenig berücksichtigt werden. §. 112 Anm.
wird ißovXiva als Tempusstamm des Aor. I. angesetzt, zwar entsprechend
der Definition von Tempusstamm, aber in diese ist das Merkmal ^in Ver-
bindung auch mit dem Augmente** mit Unrecht aufgenommen worden,
wenn nämlich der Hr. Verf. unter Stamm, dessen Begriff er nicht erklärt
hat, den Theil des Verbs versteht, der allen Formen desselben zu Grunde
liegt, womach man also unter Tempusstamm den Theil des Verbs denken
muss, der allen Formen des bestimmten Tempus zu Grunde liegt. — §. 114
werden die Personalendungen des Optativs Act. in Verbindung mit dem
Modusvocal, die des Optativs Med. aber ohne denselben angeführt —
Während Curtius sieben, Müller-Lattmann acht Tempusstämme oder Bil-
dungsgruppen statuiert, werden hier im §. 128 drei sogenannte Reihen von
Zeitformen aufgestellt: 1. Zeitformen, welche den reinen Stamm verstärken
können, 2. welche einen Tempuscharakter ansetzen, 3. welche von
dem reinen Stamm ohne Tempuscharakter gebildet werden, doch in ge-
wissen Fällen eine Veränderung des Stammvocals erleiden können. Von
den in einer solchen Reihe liegenden Zeitformen sage man, dass sie von
einander abgeleitet werden. Denmach müsste man sagen können, dass z. B.
aus dem Futurum das mit demselben in einer Reihe liegende Perfectum
und umgekehrt abgeleitet werde, was aber unwissenschaftlich und unprak-
tisch wäre. Man kann höchstens, und zwar nur bei einer größeren Zahl
von solchen Reihen sagen, dass Inan nur das erste Tempus einer jeden
Reihe zu kennen braucht, um darnach die zu derselben Reihe gehörigen
Tempora bilden zu können. Die Eintheilung in nur drei Hauptreihen hat
keinen wissenschaftlichen und keinen praktischen Werth. Keinen wissen-
schaftlichen; denn der oben angegebene Charakter 'der ersten Hauptreihe, des
Präs. und Impf., kommt einem grofsen Theile der Verba nicht zu; femer, zur
zweiten Hauptreihe gehören die tempora prima, insbesondere a) das Perf. I
und Plpf I Act, davon werden gebUdet das Perf. und Plpf. Med. oder
Pasa., aber ohne Tempuscharakter; also ein Tempus jener Reihe,
Ztltwhrift t d. «ttcrr. Gymn. 1865. IX, B^ll. 45
606 B. Kühner f Oriech. Schulgrftmmatik, ang. ▼. Ä. FleisckmanH,
welche einen Tempuscharaliter ansetzen, und doch ohne TempuBcharakter.
Keinen praktischen Werth. Es dient zu nichts, dem Schüler zu sagen,
dass z. B. das Fut. L unter die Tempora gehört, welche einen Tempus-
charakter ansetzen; man muss denselben eben nennen. Soll der Schüler
die Tempusbildung kennen, so muss er seine sieben oder acht Tempus-
stamme nach ihren Merkmalen genau lernen; solche weite Kategorien
nützen ihm nichts. In der That wird auch diese Obereintheilung der Tem-
pora in dieser Grammatik selbst nicht weiter berücksichtigt. — §. 129, 1
sagt: „Die Verba pura setzen die Tempusendungen an den unveränderten
Charakter.** Es muss heiTsen: die Verba pura mit langem Charakter-
vocal u. s. w. , sonst stünde sie im Widerspruch mit der 2. Regel: der
kurze Charaktervocal des Präs. und Imperf. wird in den übrigen Zeitformen
verlängert. — Nach der Vorbemerkung zu §. 162 wird nur nna/to von
der Regel ausgenommen, dass a^ an den Verbalstamm mittelst eines i an-
gehängt wird, wenn der Stammcharakter ein Consonant ist. Aber aufser-
dem sind ausgencnnmen ;^»airai, ^Maxw, dann die poet. X«ox(o nXvaxto.
Die Lehre vom hom. Dialekte i;^ ausführlich und mit zahlreichen
Beispielen versehen, doch wäre noch ein kurzes Verzeichnis derjenigen un-
regelmäfsigen Verba, welche der Schüler nach den gegebenen Regeln nicht
erklären kann, für die Präparation und Privatlectüre nicht überflüssig. Die
Ableitung des Aor. y^rro aus J^^Xio (§. 228) ist nicht sicher. Grundz. der
grieoh. EtymoL v. G. Curtius U. S. 321.
In der Syntax stimmt die Anordnung des Stoifes mit der voraus-
geschickten Eintheilung nicht genau tiberein. Im I. Abschnitte, Syntax
des einlachen Satzes, handelt das 1. Cap. von den Bestandtheilen des ein-
fachen Satzes, von der Congruenz, vom Artikel, von den Arten des Verbs,
von den temporibus und modis S. 155 — 186. Das 2. Cap. handelt auf
zwei Seiten von dem attributiven, das 3. von dem objectiven Satzverhält-
nis. Dazu werden gerechnet a) die Casus, b) die Präpositionen in Ver-
bindung mit den Casus, c) der Inf., d) das Part., e) das Adv. Man muss
nun erwarten, dass diese Partien als Unterabtheilungen des 3. Cap. nach
einander folgen werden; aber es folgen unter I. und II. nur die Casus-
lehre und die Präpositionen, und auf einmal erscheint als 4. Cap. die Lehre
vom Pronomen und darauf als 5. die vom Inf. und Part. , und als 6. Cap.
die vom Adverbialobjective. Im 2. Abschnitte, Syntax des zusammengesetzten
Satzes werden auch die einfachen Fragesätze behandelt. Die Anmer-
kung zu §. 240 über den Gebrauch des Duals gehört nicht hieher, wo von
der Congruenz die Rede ist, sondern vielmehr zu §. 242 unter die Eigen-
thümlichkeiten im Gebrauche des Numerus. §. 808, 3 ist das Beispiel
KvQoq ttViy^Xaofv Inl rtp XQefrrovi tov ffQWfoq (f^taxovr^ ilvrn für eine
Schulgrammatik wol unpassend.
Die Ausstattung des Buches ist anständig, nur ist der griechische
Druck etwas zu klein und nicht ganz correct. So muss es heifsen §. 57
«. 1 nv^og, 66, 11. riy/, 113, 1. Perf. Ind. ßovXiv-o-^air, 3. Pers, Opt-
ßovUv'Oi'To, 161, 11. nw^vofAai., 179. 2. iävvita&rjv 220. 3. im Act*
(st. Akk.), 234. 8. a, Properisp. (st Paroxyt.), eben dort yuvtux^ios, 237. 2.
naV'iiyvQis, 240. 10. ixaUiTO, 260. 2. a ytyvofiipw st ytyofiivmp, eben
dort ist * subscr. ausgefiallen in ija&iro, dasselbe 270. 2. in ija^ono und
Anm. 2 in v^xtfev, 270. 3. soll es heifsen i^nuQog, imaT^/LKov eifil etc.
272. 4. neiQw, 27b, 1. o (fdfZ, 282. 2. naTdtg, 282. 7* roirrtp. S. 231 Z. 1:
§§. 313. 314. - §. 323. 1. iig 8, 323. 3. A. 1. rdiv st rwf. 330. 3. A. 4.
den letzten ftUif Zeilen fehlt je der erste Buchstabe.
Wien. A. Fleischmann.
Griechische Chrestomathie für die zwei ersten Jahrescurse im
griechischen Sprachunterricht, von Peldbausch und Süpfle. Achte
Auflage. Leipzig und Heidelberg, Winter, 1865. VUI u. 228 S. —
20 Sgr.
Das Buch ist für die zwei ersten Jahrescurse bei etwa vier Lehr-
stunden wöchentlich bestimmt. Der erste Cursus enthält griechische und
deutsche Sätze zur Einübung der regelmäfsigen Formenlehre mit Einschluss
der Verba auf f^i und der unregelmaXäigen Verba yi?^^, elfdC, eljui, oUa
und xelfjiai S. 1—79; der zweite enthält Uebersotzungsaufgaben aus dem
Griechischen, u. z. äsopische Fabeln, mythologische Erzählungen, Geschicht-
liches aus dem Leben Alexanders, Anekdoten und Erzählungen, S. 80—152.
Der erste Cursus nimmt Bücksicht auf eine Methode, deren Zweckmässig-
keit dem Ref. nicht einleuchtet. Da nämlich die Lehrer der Anstalten,
in denen das Buch eingeführt wurde, die Beispiele so zu vertheilen pflegten,
dass sie in einem Jahre die Paragraphen mit ungeraden Zahlen, im an-
deren die mit geraden übersetzen Uelzen, so sind seit der vierten Auflage
die Paragraphen so geordnet, dass sich nicht nur jeder Abschnitt in zwei
gleiche Hälften theilen liefs, sondern dass auch die griechischen und deut-
schen Beispiele der eben besagten Vertheilung entsprechen. Es wird also
im ersten Jahre eigentlich nur die Hälfte eines jeden Abschnittes absolviert,
die andere Hälfte im zweiten Jahre. Diese Hälften unterscheiden sich aber
nicht etwa in formaler oder didaktischer Hinsicht, sondern sind von der-
selben Qualität, setzen dieselben Kenntnisse voraus, so dass man die Para-
graphen mit geraden Zahlen ebenso gut im ersten Jahr und die mit ungeraden
im zweiten übersetzen könnte. Wiederholung des im ersten Jahre Erlern-
ten ist gewiss nothwendig, und es ist anzunehmen, dass die Schüler nach
einer einjährigen Uebung die andere Hälfte des Lehrstoffes vom 1. Cursus
in einer verhältnismäfsig viel kürzeren Zeit, etwa in einem Drittel- oder
gar in einem Vierteljahr verarbeiten werden; aber selbst diese Zeit ist
keine Kleinigkeit, wenn für das Griechische wöchentlich nur vier Stunden
bestimmt sind, und diese Zeit ist insofeme verloren, als der Schüler keine
neuen Formen lernt, während er diese lernen und doch auch die im ersten
Jahre erlernten weiter üben kann ; verloren, insofeme ein Stoff, der eigent-
lich für das erste Jahr bestimmt ist, für die geübtere Kraft des Schülers
im zweiten Jahre viel zu leicht ist.
Abgesehen von dieser Eigenthümlichkeit (und man kann von ihr
absehen, indem man entweder eine Auswahl unter den Sätzen trifft oder
alle der Reihe nach vornehmen kann) ist das Buch dort, wo nicht die
Grammatik von Curtius . eingeführt ist, sehr brauchbar. Sowol die ein-
seinen Sätze alt auch die zusammenhängenden Stücke sind im ganzen in-
46»
668 Boffmaum ti. a., Lai TJebiingBbftclier, ang. t. L. VUXkäber.
lialtsToU und den Vorkenntnisseii der ScMler angemessen. Nor in letiteier
Bezielmng ist es nicht zn billigen, dass nicht wenige dem Schüler noch
unbekannte Formen, besonders Verbalformen aufgenommen wurden, deren
üebersetzung in den Anmerkungen steht, die dann der Schüler mechanisch
nachsagt. So z. B. schon im §. 15, am Anfange der dritten DecL i^mxe,
ijXaaev, §. 16 itoQaxa, xarißaU, fisuviäv, aß^wvrai. Mit Rücksicht auf
den Wortschatz der griechischen Beispiele sind mit Geschicklichkeit die
mannigfachsten Sätze zur Üebersetzung in*s Griechische gebildet. Der
zweite Theil enthält den Stoff zur Einübung der unregelmäfisigen Yerba
und der Syntax. Nach genauer Aushebung aller darin vorkommenden un-
regelmäÜBiger Yerba fand sich, dass nur wenige und seltener vorkommende
Yerba fehlen. Auf die Regeln der Syntax wird fleiTsig hingewiesen; nur
Über die häufig vorkommenden hypothetischen Sätze ist eine genauere Be-
lehrung wünschenswerth, als die blofse Üebersetzung bietet, wie z. B. §. 152,2.
§ 253, 5. §. 255, 17, oder eine Regel wie §. 235, 10 J&iQamveg av vertritt
die Stelle des Imperf. Conj.: „so würdest du nicht—." §. 212 in dem Satze
6 xpiiaTTjg xa\ aXtid-rj Xiytov ovxiT& marfviTai verdiente sowol xal Uywv
als auch das Pass. niarfvirai eine Erklärung ; letzteres erhält sie erst im
§. 261. — §. 130 kommt die Form ^fAifa«? das erstemal vor, ohne dass, wie
es sonst geschieht, in einer Anmerkung das Präs. angegeben wäre. — Die
sachlichen Anmerkungen sind kurz und gut, dass Wörterbuch, S. 153—288,
enthält auch die Eigennamen mit den nöthigen geschichtlichen, geogra-
phischen, mythologischen Notizen, und bei den unregelmäfsigen Verben die
Hauptformen der abweichenden Tempora, damit der Schüler dahin gelei-
tet werde, mit dem Memorieren der Wortbedeutung auch die Wortformen
sich zu bemerken. Die Ausstattung und der Druck sind gefällig, der grie-
chische Text aber nicht ganz correct: es finden sich folgende Fehler: §. 8,
Z. 1 To, §. 60, Z. 4 V. u. kfyovai, §. 65, Z. 2 v. u. ynfüfir)v, §. 124, Z. 3
V. XL oXii&ai, §. 131, Z. 2 dno^^fiveog, §. 161, Z. 1 flaatXevatv, ib. Z. 4 v. u.
tlnovTog, ib. Z. 1. v. u. rovriOri st. Tovriari, wofür besser rovt^ for* wäre,
§. 190, Z. 6 Ig «(favovg st i^ atfavovg, §, 198, Z. 7 V. u. inofi^^fi, §. 202,
Z. 4 V. u. AXt^ttvSQov, §. 213 Anm. ImatQitfo.
Wien. A. Fleischmann.
TJebungsstücke zum TJebersetzen in 's Lateinische für eine Alters-
stufe von zwölf bis vierzehn Jahren, bearbeitet von J. L. Hoff mann.
Dritte vermehrte und sorgfältig verbesserte Aufiage. Nürnberg, Bauer
u. Raspe, 1864. — % Thlr.
In einer Zahl von 416 üebungsstücken , von welcher nicht wenige
in zwei geschieden sind, wird die ganze Syntax, wie sie in unserer Tertia
und Quarta durchzunehmen ist, vorgenommen. Die Stücke sind alle zu-
sammenhängende Beschreibungen und Erzählungen, mit einer gewissen
Vorliebe solche, welche einen heiteren Anstrich haben, aus den verschie-
densten Zeiten und Verhältnissen hergenommen. Hiemit könnte man zu-
frieden sein, ebenso mit der ziemlich fließenden deutschen Diction und
den Anleitungen zum Uebersetzen (Noten unter dem Text); die Gelegen-
heit zur üebung der einzelnen Regeln ist zahlreich sowol doxeh die gXQÜM
Spiefii a. a., Lat. Uebongsbücher, ang. v. L, Vielhabtr. 069
Zahl der Stücke als dadurch, dass in geschickter Weise in den einzelnen
inuner Anlass zu Verwendung gegeben ist: kurz, man könnte das Buch
recht angelegentlich auch für unsere Schulen empfehlen, wenn der prote-
stantische Verfasser einige Nummern tilgen wollte. Schon Nr. 101 der
Mausethurm und Hatte von Mainz bliebe besser weg. Nr. 212. Selbst für
protestantische Schüler möchte der Schluss der Beschreibung derXrappisten:
'Dass man ihnen befiehlt ihre Zeit auf die Wissenschaften zu wenden,
habe ich nicht gelesen. Aber ich bin dennoch überzeugt, auch der faulste
von euch ist nicht darauf aus, dass man ihm das Bürgerrecht der Trap-
piiten schenke', zu frivol gehalten sein. Selbst die anagrammatischen Spi&*
lereien Nr. 245 und 246 bliebeu besser weg.
Vorläufig kann das Buch nur den Lehrern als eine Fundgrube von
Aufgaben zu Compositionen empfohlen, unseren Schülern kann es erst nach
einer auf solche Dinge gerichteten tilgenden Durchsicht in die Hand ge*
geben werden.
üebongsbuch zum üebersetzen aus dem Lateinisclien in's Deutsche
und aus dem Deutschen in*s Lateinische, von E. Spiefs. Erste Ab-
theilung: Für Sexta. Sechzehnte vermehrte und verbesserte Aufiage.
Essen, Bädeker, 1865. — 7 \ Sgr. Zweite Abtheilung: Für Quinta. Achte
Auflage. Essen, Bädeker, 1865. - 12 V, Sgr.
Beferent kann auf seine Anzeige der vorliegenden Bücher in dieser
Zeitschrift 1862, S. 203 f. verweisen und hat um so weniger zuzusetzen, als
die dort gemachten Ausstellungen in den neuen Auflagen sämmtUch be-
rücksichtigt sind; nur von dem germanistischen Gebrauch von heuere
S. 8 f. hat sich der Besorger des Buches nicht ganz trennen wollen. So
steht noch immer feminae et ßiae naiUarum habent inopiam.
Vielleicht ist es gerade jetzt an der Zeit auf die Bücher von Spiels
hinzuweisen. Denn je schärfer der diglotte und polyglotte Charakter mancher
unserer Gymnasien hervortreten wird, desto wünschenswerther sind Uebungs-
bücher, welche so einfEMshe Sätze verwenden, dass sie in dem Wort- und
Gedankenkreis selbst der Schüler liegen, welche der deutschen Unterrichts-
sprache vielleicht nur unvollkommen mächtig sind. Für solche Verhältnisse
sind neben dem Uebungsbuch von F. Schultz die Spie£s*schen Bücher an-
deren selbst an sich besseren vorzuziehen.
Lateinisch - deutsches und deutsch - lateinisches Wörterbuch zu
Ostermann's lateinischen Uebungsbüchern für Sexta und Quinta, alnha-
betiscb geordnet von Dr. Ch. Ostermann. Leipzig, Teubner, 1863.
- % Thlr.
Uebunffsbuch zum Üebersetzen aus dem Lateinischen in's Deutsche
und aus dem Deutschen in's Lateinische, von Dr. Ch. Ostermann.
Erste Abtheilung: Für Sexta. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig,
Teubner, 1863. — % Thlr.
Lateinisches Vocabularium für Anfänger, von Dr. Ch. Oster-
mann. Erste Abtheilung: Für Sexta. Zweite verbesserte Auflage.
Leipzig, Teubner, 1863. — 3 Sgr.
Das Uebungsbuch und das Vocabular hat Bef. in dieser Zeiti»chrift
1962, S. 207 £ besprochen und bat um so weniger Ursache auf die ueue
670 Ä, Trappe, Leitfaden der Physik, ang. v. J, Stefan.
Auflage weiter einzugehen, als alle dort gemachten Ansstellungen berücksich-
tigt sind. Für die Methodik ist die wichtigste Neuerung die, dass diejenigen
Yerba, welche unregelmällsige Perfecte bilden, sowol im Uebungsbuch als
im Vocabular von den regelmäTsigen getrennt sind, so dass es dem Lehrer
ohne jede Beeinträchtigung möglich ist, die unregelmäfsigen Yerba ganz
auszuschliefsen. Das neu hinzugekommene Wörterbuch hat vor allem den
Zweck, den Gebrauch des Uebungsbuches auch solchen Schülern der Quinta
(IL) möglich zu machen, welche in Serta (I.) sich eines anderen Uebungs-
buches bedient, also nicht gerade dieselben Vocabeln gelernt haben, welche
Ostermann's Uebungsbuch und Vocabular für Quinta schon Toraussetzt.
Nicht ganz einverstanden ist Ref. damit, dass im deutsch -lateinischen
Theil die Verba mit abweichendem Perfect nur im Infinitiv angeführt sind.
Denn angenommen, mancher Lehrer verwende das Wörterbuch sogleich in
der untersten Classe, weil er mit Vocabularien nicht einverstanden ist, wo
hat der Schüler das Perfect eines solchen Verbs zu suchen V In der Gram-
matik kann er es nicht, weil er den betreflfenden Theil noch nicht durch-
genommen; im lateinisch-deutschen Theil des Wörterbüchleins findet er wol
das Gesuchte : aber ist es nicht Zeitverlust, ohne irgend sonstigen Gewinn,
ihn zum doppelten Nachschlagen zu zwingen?
Wien. Leopold Vielhaber.
Die Physik, für den Schulunterricht bearbeitet von Albert Trappe.
Dritte, wesentlich verbesserte und bereicherte Auflage. Breslau, Ferd,
Hirt, 1865. 296 S. — 25 Sgr.
Der Hr. Verf. dieses Lehrbuches sagt in seiner Vorrede: „Von dem
Lehrer muss vorausgesetzt werden, dass er des von ihm vorzutragenden
Gegenstandes mächtig sei, dass er seine Kenntnisse nicht erst aus dem
Schulbuche zu schöpfen braucht ; dieses soll ihm aber den mit dem Schüler
durchzunehmenden Stofi*, die Art der Entwicklung und die Reihenfolge
geben, in welcher der Stoff vorzutragen ist." — Man soUte diese Bemer-
kung für eine von selbst verstandliche und daher überflüssige halten. Dass
jedoch dem leider nicht sa ist, glaube ich, zeigt schon ein flüchtiger Blick
in die verschiedenen Werke, welche von ihren Verfassern zu Lehrbüchern
für unsere Mittelschulen bestimmt worden sind. Ihr meist sehr bedeuten-
der Umfang sowol als auch die Art der Darstellung im einzelnen lassen
sie vielmehr als Handbücher für den Lehrer erscheinen als für den Schüler.
Das eine ergeht sich in detaiUierten Beschreibungen von Apparaten mit
allen ihren Modificationen, als wäre es dazu bestimmt, den Katalog einer
Fabrik physikalischer Instrumente zu illustrieren. Das andere wieder strebt
in langwierigen mathematischen Entwickelungen scheinbar elementarer Na-
tur eine Gründlichkeit an, die von Unverständlichkeit nicht mehr weit
entfernt ist. Ein geschickter Lehrer wird zwar aus einem noch so um-
feingreichen Buche immer das herauszufinden wissen, was sich für den Un-
terricht eignet, er wird es immer \ erstehen, schwierige Entwickelungen zu
umgehen oder durch leichter fassliche, wenn auch die Frage nicht ganz
erschöpfende, zu ersetzen. Aber was soU dann solch ein Werk in der Hand
des Schülers, für den es doch eigentlich beetimmt ist? Und wa6 damii
A, Trappe, Leitfaden der Physik, ang. v. J. Stefan. 671
wenn der Lehrer in der Darstellungsweise eines solchen Werkes das Ideal
der Wissenschaffclichkeit erblickt, was fast immer der Fall, sobald sein
Wissen über den im Buche gezogenen Horizont nicht hinausreicht? Dann
wird die Physik für d6n Schüler zu jenem Gegenstande, an den er nur
mit Grauen zu denken vermag, sehnlichst die Zeit herbeiwünschend, wo
er ihm für immer den Eücken wird kehren dürfen.
Namentlich in Bezug auf mathematische Begründung werden in den
Lehrbüchern die gröbsten Verstöfse gemacht. Was soll es z. B. heifsen,
wenn in einem für Mittelschulen bestimmten Lehrbuche die Mechanik mit
dem Principe der virtuellen Bewegungen eingeleitet wird, einem Principe,
dessen Auffassung allein schon schwierig ist, dessen Beweis nur nach tie-
ferer Einsicht in die Lehren der Mechanik begriffen werden kann. Und
wozu wird diese Anleihe bei der analytischen Mechanik gemacht? Man
sollte glauben, damit werde zu viel allgemeineren Sätzen, zu tieferer Er-
kenntnis der Weg gebahnt werden, als dies mit den gewöhnlichen Mitteln
geschehen kann. Aber dies ist nicht der Fall. Das kunstvolle Princip
wird benützt zum Beweise des Satzes vom Parallelogramm der Kräfte, eines
Satzes, der in anderer Form ausgesprochen von unmittelbarer Klarheit ist
und eines Beweises gar nicht bedarf.
Man überschätzt gewöhnlich den Werth der mathematischen Be-
weise für den physikalischen Unterricht an einer Mittelschule. Soll dem
Schüler ein physikalisches Gesetz klarer erscheinen, wenn es den Schluss-
satz einer langen mathematischen Entwickelung bildet, in welcher ihm je-
der üebergang von einer Form zur anderen wie zufällig erscheint? Es ist
nicht zu läugnen, dass z. B. die elementaren Ableitungen der Schwin-
gungsdauer des Pendels, einer gespannten Saite und andere sehr scharf-
sinnig sind, aber sie sind auch sehr künstlich und eben deshalb kann es
dem Anfänger nicht zugemuthet werden, dass er dieselben sich zum Ei-
genthum zu machen im Stande sein müsse. Wozu ihm solche Plage auf-
erlegen, deren Resultat ein die Examinationsstunde kaum überdauerndes
Wissen ist
Mehrfach hört man Lehrer der Physik klagen, dass es in den wenigen
dem physikalischen Unterrichte zugewiesenen Stunden nicht möglich sei,
mit dem Lehrstoffe fertig zu werden. Und eine solche Klage bedeutet
meistens doch nur, dass nicht der ganze Stoff vorgetragen werden könne.
Wie steht es denn mit der Einübung desselben? An die wird wol gar
nicht gedacht. Und doch soll ja die Physik nicht blofs vorgetragen, es
soll in der Physik unterrichtet werden. Die Ursache aber, die es den
Lehrern so schwer macht, das richtige Verhältnis zwischen dem zu leh-
renden Stoffe und der dazu verfügbaren Zeit zu treffen, wo soll man sie
suchen, wenn nicht in den umfangreichen Lehrbüchern, deren ausgedehnter
Inhalt das für eine Mittelschule passende Mafs bei weitem überschreitet.
Wenn das vorliegende Werk mich zu diesen Bemerkungen führt, so
liegt die Veranlassung darin, dass es von den bei uns im Gebrauch stehen-
den Lehrbüchern bedeutend absticht. Schon sein mäfsigeres Volumen
macht einen gewinnenden Eindruck. Und auch seiner ganzen Anlage nach
exBchfittt e» als ein für die Schule nicht nur bestimmtes, sondern auch
07S A. Trappe, Leit&den der Physik, ang. v. /. Stefan,
sehr brauchbares Bach. Einen besonderen Vorzug desselben bilden die vielen,
jedem physikalischen Gesetze angehängten Beispiele von leicht anzostellen-
den Versuchen oder leicht sich darbietenden Erscheinungen, an welchen
das Gesetz zur Anwendung kommt. Denn nur dann wird das Allgemeine
begriffen, wenn es an vielen speciellen Fällen nachgewiesen wird.
Ich will im folgenden mich specieller nur über jenen Theil des Baches
verbreiten, welcher der Lehre von der Ruhe und Bewegung der Körper
gewidmet ist, weil ich gerade in diesem Theile manches anders geordnet,
manches anders gelehrt, manches weggelassen wünschte, wenngleich mir
die hier eingehaltene Darstellung dieses Capitels besser zusagt, als die in
unsem Lehrbüchern übliche.
Es wird dieses Capitel mit allgemeinen Erklärungen über Bewegung
eingeleitet. Dieser Weg ist nach meiner Ansicht der richtige, nur ist er
auch hier nicht consequent genug verfolgt. Denn die Erklärung der gleich-
förmig beschleunigten und verzögerten Bewegung, sammt der Ableitung
aller darauf Bezug nehmenden Formeln gehört vor die Betrachtung des
Begriffes Kraft. Wenn diese als Ursache jeder Veränderung in dem Zu-
stande eines Körpers, als Ursache der Bewegung definiert wird, so kann sie
ja nur durch letztere als ihre Wirkung bestimmt werden. Bei dieser Ge-
legenheit ist es dann erst nothwendig und möglich, den Begriff der Masse
zu erklären, und die Beziehung zwischen dieser, der Kraft und der er-
zeugten Beschleunigung auseinander zu setzen. Der Erklärung dieser Be-
ziehung ist in dem vorliegenden Werke mehr Raum gegönnt, als dies ge-
wöhnlich zu geschehen pflegt, doch ist darin manches nach meiner Mei-
nung nicht zu billigende enthalten. So spricht der Hr. Verf. von einer ein-
pfündigcn Masse, als ob Gewicht und Masse eines Körpers einerlei wären.
Unrichtig ist die Definition: „Quantität der Bewegung ist die Kraft, die
ein Körper vermöge seiner Bewegung besitzt." Denn diese Definition ist
mit dem Begriffe der Kraft nicht vereinbarlich. Quantität der Bewegung
ist die von einer Kraft in einer gewissen Zeit hervorgebrachte Wirkung,
so wie die von ihr auf einem bestimmten Wege geleistete Wirkung Arbeit ist
Der Satz vom Parallelogramm der Kräfte soll als Folgesatz eines
andern, in der Lehre von der Zusammensetzung und Zerlegung der Bewe-
gungen vorgetragenen behandelt werden. Der in diesem Buche gegebene
Beweis desselben scheint mir nicht klar genug. Der Beweis för die Con-
struction der Resultierenden zweier Kräfte ist, nachdem der erwähnte
Satz vorausgeschickt ist, wol überfiüssig.
Es folgt nun auch ein Abschnitt über die bekannten einfeushen
Maschinen, ftlr welche das Verhältnis der sich Gleichgewicht haltenden
Kräfte, von welchen natürlich eine immer zur Last degradirt wird, zur
Erörterung kommt. Nach meiner Meinung ist die gesonderte Betrachtung
dieser einfachen Maschinen überflüssig. Die schiefe Ebene gehört als
Beispiel zur Lehre von der Zerlegung der Kräfte. Der Hebel gehört als
Beispiel zur Lehre von der drehenden Bewegung. Von der festen Bolle
muss schon früher dort gesprochen werden, wo gezeigt wird, wie jede nach
beliebiger Richtung wirkende Kraft durch den Zug eines Gewichtes er-
setzt werden kann. Die specielle Betrachtang der Schraube und des Keik.
A. Trappe, Leitfaden der Physik, ang. v. J, Stefan. 678
als Maschinen halte ich für yoilkommen nutzlos. Es gibt viel wichtigere
Dinge in der Physik, die gewöhnlich übergangen werden, zu besprechen,
als diese es sind. Speciel das vorliegende Werk betreffend ist noch zu
bemerken, dass der Beweis für das Stattfinden des Gleichgewichtes von
Krftften an einem Hebel mit Hilfe des Gleichgewichtssatzes für die Bolle
unpraktisch ist.
Nach den einfachen Maschinen kommt der Hr. Verf. erst zur Lehre
vom Schwerpuncte. Diese sollte jedenfalls vor der Betrachtung des Hebels
abgehandelt werden. Während der Hr. Verf. sonst schwierigere mathema-
rische Deductionen vermeidet, macht er hier eine Ausnahme und berechnet
die Lage des Schwerpunctes für ein Trapez, eine abgekürzte Pyramide,
einen Kreisbogen, eine Eugelkappe und für die Ausschnitte und Abschnitte
eines Kreises und einer Kugel. Solche Dinge gehören wol nicht in ein
für Mittelschulen bestimmtes Lehrbuch, sie geben ihm fast den Anschein
eines Tummelplatzes, auf dem der Verfasser mit seinem Wissen sich breit
machen will.
Darauf kommt der Hr. Verf. zu den durch die Wirkung der Schwere
erzeugten Bewegungen. Die Formeln für die Endgeschwindigkeit und den
Weg, den der fallende Körper in einer gewissen Zeit zurücklegt, werden
auf dem Wege der Induction gefunden. Was die letztere Formel anbetrifft,
so glaube ich ist es wol am zweckmäTsigsten , sie nach Aufstellung des
Begriffes der mittleren Geschwindigkeit, der doch auch erklärt werden soll,
abzuleiten oder eigentlich nur anzuschreiben, da eine Ableitung dann nicht
mehr nothwendig ist Was die Fallmaschine betrifft, so ist zu bemerken,
dass dieser Apparat nicht blof^ zur Verdeutlichung der Fallgesetze ver-
wendet werden soll, sondern, was vielleicht noch wichtiger ist, auch zur
Erklärung der Beziehung zwischen Kraft, Masse und Beschleunigung.
Die Formel für die Schwingungsdauer eines Pendels ist nicht ab-
geleitet, was vollkommen gebilligt werden muss, so lange keine einfachere
Ableitungsweise derselben, als die bisher gebrauchten, gefunden ist. Hin-
gegen ist deutlich gemacht, was auch nothwendig ist, in welcher Weise
die Schwingungsdauer von der Pendellänge und der Beschleunigung der
Schwere abhängt. Statt der hier gelehrten Anwendung des Pendels zur
Bestimmung der Dichtigkeit der Erde wäre es wol einfacher gewesen, die
zur Bestimmung derselben Gröfse führende statische Methode zu erörtern.
Es wäre gut, die Keppler'schen Gresetze nicht blofs anzuführen,
sondern auch dabei wenigstens anzudeuten, auf welche Weise Keppler zu
ihnen gelangte.
In dem letzten Abschnitte über mechanische Arbeit und lebendige
Kraft ist in den Formeln wieder die Identificierung von Gewicht und Masse
störend. Auch ist es unpassend, den Buchstaben, mit dem man sonst die
Beschleunigung der Schwere bezeichnet, den Fallraum in der ersten Se-
cunde bedeuten zu lassen. Zeichen, welche von den Mathematikern und
Physikern in allen Specialarbeiten consequent immer mit einer bestimmten
Bedeutung verbunden werden, sollen doch auch in den Lehrbüchern die*
selbe Bedeutung haben.
Wien. J. Stofftiu •
074 Literarische Notizen.
Literarische Notizen. Neue Auflagen.
Uehungsbuch, enthaltend deutsche und griechische üehersetzungs-
stücke zur Erlernung der Formenlehre und der Syntax«, als Anhang zu
des Verfassers kurzgefasster griechischer Schulgrammatik, von Dr. Baphael
Kühner. Hannover, Hahn, 1865. 128 S. 13V, Sgr.
Die Uebersetzungsaufgaben, welche in die ElementarCTammatik an-
gereiht waren, in der Schulgrammatik aber keinen Platz fmden konnten,
sind wesentlich unverändert sammt den jeder Aufgabe voraas^^chickten
auswendig zu lernenden Wörtern hier zusammengestellt Es sind leichte
griechische und deutsche Sätze zur Einübung der l ormenlehre, und deutsche
Sätze zur Einübung der Syntax. Der Inhalt ist zwar bekanntlich nicht
bedeutend und mannigfach, die aToaTidtitti und noUfitot spielen da eine
grofse Rolle; aber der vorhandene Sprachstoff kann um so sicherer einge-
prägt und die Einübung der Formen am bekannteren Stoffe leichter er-
zielt werden.
Aufgaben zum Heber setzen itCs Griechische für die oberen Classen
der Gymnasien, von Dr. Gottfried Böhme, Professor und Prorector am
Gymnasium zu Dortmund. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig, Teubner,
1861. VUI u. 304 S. 8. 24 Sgr.
Die erste Auflage hat volle Anerkennung in dieser Zeitschrift 1859,
S. 500 f. gefunden. Die Veränderungen dieser neuen Auflage bestehen in
einer bedeutenden Vervollständigung und Verbesserung des Wörterverzeich-
nisses und in der Hinzufugung eines neuen nach Thukyd. IV, 2—41 bear-
beiteten Abschnittes unter Nr. 190» —190* „Der Kampf bei Pylos.« Das
Buch besteht aus zwei Cursen, von denen jeder zuerst einzelne mit Rück-
sicht auf die Grammatik von G. Curtius geordnete Sätze, dann zusammen-
hängende Stücke enthält, und zwar der erste zur Einübung der Casus-
lehre, der zweite zur Einübung der Tempus- und Moduslehre. Endlich hat
es einen Anhang lateinischer Uebungsstücke. Sollte es daher an irgend
einer Anstalt wüuschenswerth sein, Ssa Uebunpsbuch von Dr. Schenkl auf
eine Zeit lang abzuschaffen, so wäre die Emführung dieses Buches zu
empfehlen.
Griechisclie FarmetUehrc für Anfänger, von Fr. Spicfs. Fünfte,
berichtigte Auflage, bearbeitet von_Dr. Th. Breiter, Director des Gym-
nasiums in Marienburg. 10 Sgr.
Vebungsbuch zum üebersetzen atis d^m Griediischen in's Deutsche
und aus dem Deutschen in's Griechische für Anfänger. Begründet von Fr.
Spiefs. Sechste, berichtigte Auflage, bearbeitet von Dr. Th. Breiter.
Essen, Bädeker. 122 u. 184 S. 15 Sgr.
Die beiden Bücher sind in dieser Zeitschrift wiederholt eingehend
besprochen worden, die 2. Aufl. 1854, S. 24 ff., 425 ff., die 3. Aufl. 1858,
S. 283 ff., endlich die 4. Aufl. des Uebungsbuches 1862, S. 721 f Wir
können uns mit der Hinweisung auf diese, nur dem Uebungsbuche günsti-
fen Anzeigen um so mehr begnügen, als die darin gemachten begründeten
usstellungen und Vorschläge tast ganz unberücksichtigt erscheinen. Nur die
eine Bemerkung können wir nicht unterdrücken, dass die griechischen Typen
bezüglich der Haar- und Schattenstriche den Eindruck einer im Spiegel
gelesenen Schrift macheu. und der Druck überhaupt so dicht ist, dass
man die Bücher schon deshalb im Interesse der Augen der Schüler nicht
empfehlen könnte.
Auswahl aus Lobeck's akademischen Beden. Herausgegeben von Al-
bert Lehnardt, Director des kgl. Gymn. zu Thorn. Berlin, Weidmann,
1865. Vm u. 230 S. 8.
Wer Lobeck nur aus semen gedruckten Werken kennt, der sieht in
ihm mit auMchtiger Hochachtung den Gelehrten im eminenteiteii Sinne
Literarische Notizen. 675
des Wortes, den der Umfang des Wissens, die sichere Herrschaft über seine
reichen Schätze, und die strenge Gewissenhaftigkeit der Forschung unter
die Heroen seiner Wissenschaft versetzt. Von dem persönlichen Charakter
Lobeck's ^eben kaum einzelne Stellen, namentlich in Vorreden, die äufscr-
sten Umnsse eines Bildes, die zugleich den Wunsch erwecken, eine voll-
standigere Anschauung desselben zu gewinnen. Denn wenn es sich leider
manchmal findet, dass mit der wissenschaftlichen Bedeutung von Gelehrten
der Werth ihres persönlichen Charakters nicht im Einklänge steht, und
man wünschen möchte den Mann zu vergessen, um nicht die Achtung vor
dem Gelehrten zu beeinträchtigen, trägt bei Lobeck jeder Zug des persön-
lichen Charakters, jeder Ausdruck seiner Gesinnung dazu bei, die voll-
ständige Harmonie zu zeigen, in welcher das Wissen und das Leben dieses
Mannes stand. Die „Mittheilungen aus Lobeck's Briefwechsel", welche Fried-
länder im Jahre 1861 veröffenthchte (vgl. in dieser Zeitschrift 1861. S. 747 f.),
haben in dankenswerthester Weise dazu beigetragen, ein anschauliches Bild
von Lobeck allen denen darzubieten, die ihn bis dahin nur aus seinen
Schriften kannten. Noch werthvoller und reicher ist die vorliegende Schrift
In der Einleitung gibt der Herausgeber zunächst S. 1—28 Nachricht über
Loheck's literarischen Nachlass. jLn der Rotunde der königlichen Biblio-
thek zu Königsberg ist Loheck's literarischer Nachlass aufgestellt. Derselbe
besteht aus mehr als 130 zum Theil sehr starken Quartbänden und zu-
sammengeschnürten Fascikeln. Ein Fremder, der aus Neugier die Räume
durchwanderte, würde staunen, wenn er diese stattlichen Reihen über-
blickte und erführe, dass dies nicht die ganze Arbeit eines Menschen-
lebens, dass es der Rest nur ist von Vorarbeiten, zu deren Vollendung
das Leben des einen Menschen nicht mehr ausgereicht hat." Mit diesen
Worten leitet der Herausgeber den genauen Bericht ein, den jeder Philo-
loge mit dem lebhaftesten Interesse verfolgen wird, da er in die Art und
den ümfimg der Vorarbeiten, aus denen Lobeck's Schriften hervorgegangen
sind, einen Einblick thun lässt. Dem Gegenstande der vorliegenden »Samm-
lung unmittelbar dient der folgende Abschnitt der Einleitung S. 29—70
^Lobeck als akade^nkcher Redner.*^ Als professor eloquentiae hat Lobeck
in den 42 Jahren seiner Königsberger Lehrthätigkeit mehr als achtzigmal
bei Feiern der Universität mo Festrede gehalten, bald in lateinischer,
bald in deutscher Sprache. Der Herausgeber verzeichnet S. 36— 42 die
Themata aller derienigen Reden, die sich in dem literarischen Nachlasse
Loheck's vorgefunden haben und schliefst hieran eine treffende Charakteristik
der akademischen Reden Lobeck*s. Bei einem so häufigen Anlasse zu Reden
war es unvermeidlich, dass manche der behandelten Themata einander nahe
standen; man kann es daher nur billigen, dass der Herausgeber eine Aus-
wahl getroffen, welche jede Wiederholung ausschliefst, und dass er zu-
gleich die allgemeine Charakteristik benützt hat, aus den nicht abgedruck-
ten Reden einzelnes mitzutheilen. Unter den hier zum Abdrucke ausge-
wählten 41 Reden S. 71—230 einzelnes hervorzuheben und die Leser auf
sie besonders aufmerksam zu machen, würde schwer sein. Die gleiche Herr-
schaft über die Sprache, mögen die Reden deutsch oder lateinisch abge-
fasst sein, die Klarheit und der Adel der Gedanken, die Wahrheit der Ge-
sinnung, welche jede leere Phrase ausschliefst und sich in Scherz und
Ironie so sicher und treffend ausprägt, wie im Ernste, werden diese ganze
Sammlung nicht blofs den Fachgenossen, sondern einem weiteren Leser-
kreise lieb und werth machen. Wenn wir auf eine Rede, die bei der Säcular-
feier der Königsberger Universität gehaltene, hinweisen, so geschieht es,
weil in dem zweiten Theile, in der Darlegung der Gefahren, welche der
Entwicklung der Wissenschaft drohen, grundsätzliche Ueberzeugungen Lo-
beck's den kürzesten Ausdruck gefunden haben. Die Hochschulen nöherer
Greistesbildung überhaupt sieht Lobeck bedroht von ^den Eumeniden der
Glaubenszwietracht", von der immer lauter werdenden Forderung, „dass
die Wissenschaft ihre Lehre fortan ausscbUef^lich auf die VennehitUiff der
Erwerbsmittel und den Bedarf der WeHanannsbildnng berechne Im bo«
676 Literarische Notizen.
Bduränke**, und von dem „Pharisäismas der WiBsenschaft, welcher den
Resultaten modemer Forschung das Oaukelwe^k spielender Comhinaücn
entgegenstellt"
Die Welt der Jugend. Neue Folge von Otto Spamer's Illustrierter
Jugendbibliothek. Leipzig und Berlin, Spamer. Einzelnes Heft 10 Sgr.,
im Abonnement 7»/^ Sgr. Heft 1, 2, 3.
Die ,,Welt der Jugend**, welche in zwanglosen Heften von 80—100
Seiten in sorgfältiger Ausstattung erscheint, sucht ftU: das Jagendalter
von 12—16 Jahren „eine passende Lectüre** zu schaffen , eine Sache , die,
wie der Prospect sagt, heutzutage immer seltener und schwieriger wird.
Darum empfiehlt auch die Yerl^shandlung dieses Unternehmen, welches
eine so schmerzliche liücke auszufüllen bestimmt ist, ganz besonders den
Familien, den Lehrern, den Vorstehern der Volks- und Schulbibliotheken
und verspricht mit der Ehre ihrer Firma fELr die zweckdienlichste Ausföh-
rung dieses Programms einzutreten. Jedes Heft bildet gewissermalsen ein
geschlossenes Ganzes, enthält drei längere Erzählungen, von denen gewöhn-
lich die erste einen histoiischen Stoff, die beiden anderen das Tbier- und
Pflanzenleben zum Gegenstande haben. Daran schliefst sich ein Abschnitt
„Erholungsstunden**, in denen allerhand Notizen, Schach-, Rösselsprnngauf-
gaben, Kätbsel Bechenezempel etc. zusammengetragen sind. Damit auch
aas Auge nicht leer ausgeht, sind zahlreiche Illustrationen, die gröfsten-
theils gut sind , und je ein Titelkupfer beigegeben.
Dies alles ist gewiss recht gut und das Bestreben überhaupt nur
lobenswerth. Leider scheint es uns nicht alle Hoffnungen, die es selbst er-
weckt, zu rechtfertigen. Die ersten drei Hefte, die unter den Titeln „Heute
und ehedem**, „Draufäen und Daheim**, „Oben und Unten** ersdüenen
sind, bringen allerdings , wie ihre Titel dies wol andeuten sollen, mannig-
faltiges genug, aber auch manches, dessen Werth für die Jugend wenigstens
fraglich ist. Die Erzählung „Unter der Fahne** vom Hauptmann a. von
Deaenroth gibt allerdings eine patriotische Schilderung des letzten Schl^wig-
Holstein-Erieges , in dem auch die mannigfachen Anekdoten über diesen
Krieg geschickt zusammengetragen sind; ebenso ist auch die Erzählung
„ein deutscher Krieger**, welche das Leben Gneisenau's behandelt, eine pas-
sende Unterhaltung für die Jugend. Die Schilderung Pompeji*s und Her-
culanum's unter dem Titel „Die begrabene Stadt** erhebt sich freilich schon
nur wenig über das Niveau des schon oftmal dagewesenen ; aber es würde
doch immerhin noch nichts unpassendes sein. Erschreckend aber war uns
die in Heft 3 enthaltene Novelle „Die Heise im Finstem**. Wie? ist unsere
Jugend von 12—16 Jahren schon so blasiert, dass man einen solchen Schwidl
von Ungeheuerlichkeiten aufbieten muss, um sie zu interessieren? Den
Charakter dieser abenteuerlichen Geschichte, wie sie sich selbst nennt,
wiederzugeben, nur dieses. Auf Seite 3 entflieht der Held nicht nur drei-
mal der entsetzlichen Todesgefahr, auch seiner Mutter Tod erlebt er auf
diesem kurzen Blatt. Die weiteren dreif^ig Seiten schildern uns seine
Eeise von Europa nach Peru, die er bergehoch unter Fässern und Kisten
im unteren Schiffsräume verpackt mitmacht und dort „im Finstem** von
Schiffratten sich nährt, die inm begreiflicherweise „köstlich wie Hammel-
fleisch schmeckten.** Und dies alles erleidet der Held nicht als gedrückter
Flüchtling, als entflohener Sclave, sondern weil er, ein IGjähriger Bursch,
sich auf das Schiff gestohlen, um die Fahrt mitzumachen, dann zwischen
den Fässern einschläft, die während der Nacht von den Matrosen über-
packt werden.
Wenn die „Welt der Jugend** noch viele derartige Geschichten zu
bringen beabsichtigt, so wird sie die Worte des Prospectes lügen strafen,
welche uns versichern, dass die Verlagsbuchhandlung es verschmähe „durch
Kriminalgeschichten und Sensationsnovellen etc., wie sie die Mehr-
zahl der Volkspresse jetzt bringt**, das Interesse des Pablicoms auf sich
zu ziehezL
Dritte Abtheilung*
Zur Didaktik und Pädagogik.
Aus der Gymnasialpraxis.
I. Schuldisciplin in den untersten Classen.
Es ist, wenn ich nicht irre, in diesen Blättern einmal bemerkt wor-
den, man müsse die Kenntnisse und Fähigkeiten der neu eintretenden Gym-
nasialschüler nicht zu hoch anschlagen, sondern den Unterricht unter der
Voraussetzung heginnen, dass man Ejiahen vor sich habe, die im allge-
meinen geläufig lesen, richtig schreiben, ein wenig rechnen können und
— nichts weiter. Diese Bemerkung ist gewiss eine ganz richtige; denn
welcher Lehrer wüsste nicht, dass selbst die erwähnten mafsigen Kennt-
nisse bei gar vielen der aufgenommenen Schüler nur theilweise vorhanden
sind und dass darüber hinaus nur selten einer oder der andere etwas er-
kleckliches vermag. — Ich möchte dem noch hinzufügen, dass man auch
in disciplinärer Beziehung bei Knaben der untersten Classe anfangs mit
geringem sich bescheiden müsse. Es muss da in der That genügen, wenn
der Knabe nur zu gehorchen weifö, wenn er Scham und Ehrgefühl genug
besitzt, um für Lob oder Tadel von Seite des Lehrers empfänglich zu sein. Was
über diese allgemeinen Anforderungen hinausgeht, ich habe hier speciel
das richtige, angemessene Verhalten der Schüler während des Unterrichtes
im Auge, das wird von den Neulingen im Gymnasium weit weniger ver-
langt als ihnen vielmehr beigebracht werden müssen. Man sehe nur einmal
zu, was die Knaben in dieser Beziehung in die höhere Lehranstalt mit-
bringen. Da sind ihrer, die in der Bank zumeist stehen oder wenn sie ja
sitzen, gewohnheitsmäTlsig mit den Füfsen schlenkern. Und wie diese ihre
FüX^e, so beschäftigen andere ihre Hände, sei es nun, dass sie bei jeder
Gelegenheit durch Aufheben derselben die Aufmerksamkeit des Lehrers
auf sich zu lenken suchen, oder dass sie allerlei herumtändeln, schnitzen,
zeichnen, in Ohr und Nase fahren u. dgl. Wieder andere sind nicht im
Stande zu schweigen. Sie denken laut, reden unwillkürlich mit sich und
zu anderen, antworten ungefiragt oder verlangen ungestüm von dem Lehrer
zur Antwort aufgerufen zu werden. Von noch ganz anderen Unarten gar
nicht zu reden, welche manchmal die den Knaben vordem zu Theil ge-
wordene Schulerziebung gar seltsam illustrieren. — Ich meine nun, man
•78 J, Wolfy Aus der Gymnasialpraiis.
müsse die Knaben um all dieser Unzukömmlicbkeiten willen nicht ohne
weiteres entrüstet anfahren. Sie meinen es damit zumeist gar nicht so übel
und sind sich überhaupt der Unziemlichkeit alles dessen gar nicht so sehr
bewusst. Vieles davon wurde eben von ihren früheren Lehrern entweder
nicht beachtet oder auch geradezu hingenommen; manches glauben sie
sich auch erlauben zu dürfen, gerade weil sie in einer hohem Anstalt sich
befinden. Zwar enthalten die Disciplinarvorschriften, die jeder Schüler bei
Beginn des Schuljahres zu hören bekommt, die nöthigen Weisungen be-
züglich des Verhaltens in der Schule. Allein einmal sind diese Weisungen,
wie es auch nicht anders sein kann, mehr allgemeiner Natur, und dann möge
man nicht vergessen, dass nicht blofs der Knabe weniger nach dem ab-
stracten Gesetz, als vielmehr nach dessen praktischer Auslegung und Hand-
habung sich zu richten pflegt Es ist daher, wie bereits bemerkt, durchaus
noth wendig, dass der Lehrer ausdrücklich und bestimmt vorschreibe, wie
sich zu verhalten sei: Ein jeder hat zu sitzen und zwar so zu sitzen, dass
er den Lehrer sieht und er von dem Lehrer gesehen werden kann. Auf-
zustehen hat nur, wer aufgerufen wird. Wird ein Schüler aus der Bank
herausgerufen, so haben die neben ihm sitzenden sofort die Bank zu räumen,
damit er nicht genöthigt sei, über die Bank hinweg zu steigen oder gar
unter derselben durchzukriechen, was nebenbei gesagt, gar viele zu thun
gewohnt sind. Zu reden hat nur, wer gefragt wurde, und zur Antwort hat
sich keiner zu melden, wenn der Lehrer nicht hiezu auffordert — u. s. w.
Sind einmal diese und ähnliche positive Weisungen ergangen, dann erst
und nicht früher mag verlangt werden, dass man sich darnach verhalte.
Aber letzteres muss nun auch consequent und unnachsichtlich verlangt
werden und der Lehrer wird, so beharrlich und lästig es ihm auch ankom-
men mag, jede auch noch so geringe Ausschreitung übel vermerken und
sei es auch nur durch einen Blick den Schüler deshalb zurecht weisen
müssen. Ich bemerke dies von jeder geringen Ausschreitung, denn Versuche,
über die unbequemen Schranken der Disciplin wenn auch nur einigermaTsen
sich hinauszusetzen , treten an den folgsamsten £jiaben heran und pfl^en
gröfseren Ausschreitungen in der Regel vorherzugehen. An derartigen grös-
seren Ausschreitungen ist demnach der Lehrer mitschuldig, der es unter-
lässt, schon die Versuche dazu hintanzuhalten. — Das Hauptgebot indessen
ist und bleibt, dass während des Unterrichts die ungestörteste Ruhe herrsche.
Dies zu Wege zu bringen, ist bekanntlich um so schwieriger, je leichter
und je lieber es den Knaben ist, irgend ein für sich geringfügiges, durch
das Beisammensein vieler aber immerhin störendes Geräusch zu machen.
Es braucht eben nur zur gleicher Zeit der eine zu räuspern, ein zweiter
zu spucken, ein dritter zu schnauzen, ein vierter die FüXlse zu wechseln,
ein fünfter in einem Buche zu blättern, ein sechster seinem Nachbar etwas
suzulispeln und sofort jeder Schüler einen ganz unscheinbaren Theil dazu
beizutragen, so wird eine Unruhe entstehen, bei der ein gedeihlicher Un-
terricht nicht möglich ist. Um eine derartige Unruhe, die kein einzelner
verschuldet und an der doch alle Theil haben, zu verhüten, werden bekannt-
lich gar verschiedene Mittel angewendet. Der eine nimmt z. B. den eisten
besten, der ihm 211 dem GerftuBche mit beizutragen scheint, hexans und
«r. 'Woif, Ans der GjmnasialpraxiB. 670
lässt ihn znm warnendem Exempel für alle hülfen. Ein anderer herrscht
von Zeit zn Zeit der Classe ein kräftiges n^^hig** zu, worauf in der That
die gewünschte Stille einzutreten pflegt, aber nur um nach wenigen Mi-
nuten allmählich wieder zu weichen. Wieder ein anderer sucht Abhilfe
darin, dass er das herrschende Geräusch überbietet, indem er nicht nur
selber mit lauter Stimme peroriert, sondern auch von den aufgerufenen
Schülern verlangt, dass sie so laut als möglich reden. Umgekehrt end-
lich greift mancher auch zu dem Mittel, den Ton seiner Stimme zu mäfsi-
gen, je vernehmlicher das Geräusch wird, um so wenigstens denjenigen
Theil der Schüler, dem daran gelegen ist, zur unbedingten Ruhe während
des Unterrichtes zu nöthigen. Eine von diesen Methoden oder eine ganz
andere als die zweckmäfsigste zu bezeichnen, das fällt mir natürlich nicht
bei, denn hiebei kommt es eben zu sehr auf die Individualität des Lehrers
an, auf die Art und Weise, wie er gewohnt ist, der Classe gegenüber auf-
zutreten. Eines aber erachte ich doch als unbedingt geboten, nämlich
dass der Lehrer überhaupt einen bestimmten Vorgang beobachte und dass
er diesen Vorgang consequent beobachte. Ich will damit sagen, dass man
nicht, wie es denn doch nicht selten geschieht, heute in dieser, morgen in
jener Weise verfahre, oder dass man gar bei einem Theil der Schüler
hingehen lasse, was man dem andern Theile verargt, und was dergleichen
Fehlgriffe mehr sind. Die Schüler wissen eben gar gut, wie sie mit jedem
Lehrer daran sind und benehmen sich durchaus darnach. Wer ihnen nur einige
Male, sei es aus Bequemlichkeit oder aus einem anderen Grund, die Zügel
schleusen liefs, der wird fortan zu thun haben, sie im Zaum zu halten.
Und so wird desgleichen, wer nur einigemal in der Schule plötzlich auf-
brauste, um eben so schnell sich wieder zu beruhigen, nicht leicht mehr
im Stande sein, die Knaben ohne Aufwand besonderer Mittel zu beherr-
schen. Daher denn auch die auffallende aber doch sehr erklärliche Erschei-
nung, dass ein Lehrer durch seine blofse Gegenwart bewirkt, was ein an-
derer durch alle pädagogischen Mittel, durch Belehrung, Ermahnung,
Rüge oder Strafe nicht zu Wege bringt. Wie schwer es einem indessen
auch ankomme, die Ruhe in der Classe zu erhalten und wie gering auch der
Erfolg dieser Mühe sei, so hüte sich der Lehrer, oder bedenke sich wenig-
stens sehr, ehe er in dieser Beziehung die Beihilfe eines dritten, sei es nun
des Classenlehrers oder des Directors in Anspruch nimmt. Ein derartiger
Schritt, wenn nicht unbedingt geboten, kann nicht anders als dem Ansehen
dessen Eintrag thun, der ihn unternimmt. Ich meine daher, dass Classen-
lehrer oder Directoren, besonders wenn sie von jüngeren Lehrern zu einer
derartigen Beihilfe aufgefordert werden, sich ihrerseits immer fragen soll-
ten, ob die verlangte Beihilfe auch zu leisten, oder ob es nicht gerathener
sei, lieber den betreffenden Lehrer über das Unpaedagogische seines Vor-
ganges und Über die geeignete Handlungsweise zu belehren.
Eine ganz besondere Veranlassung zur Störung der Ruhe während
des Unterrichtes ist unstreitig das so häufig vorkommende „Hinaus begehren**
der Schüler. Letzteres hat seine verschiedensten Ursachen. Diesen befällt
ein plötzliches Unwohlsein, jenen drängt die Nothdurfb, aber es fingiert
auch gar mancher das eine oder das andere, sei es nun, nm sich auf einige
680 Jl Wolf, Ana der GymnAsialpraxia.
Augenblicke Kurzweil zu verschaffen, oder um über ein bestimmtes Thema,
das eben an die Reihe kommt , nicht etwa befragt zu werden, oder aus
anderen Gründen. Es ist keine Frage, dass in dem ersten und dem zwei-
ten der angegebenen Fälle dem Begehren des Schülers stattgegeben wer-
den muss; ebenso auTser Frage steht jedoch das Gegentheil in den letzteren
FSUen. Damit wäre die Sache abgethan, wenn es eben nicht seine Schwie-
rigkeit hätte zu constatieren, welcher Fall just vorhanden seL Die Knaben
wissen sich bekanntlich in einer Weise zu verstellen, dass ihnen der Lehrer
beinahe schlechterdings glauben muss. Und wie gewagt es ist, dem Hi-
nausbegehren eines Schülers nicht statt zu geben auf den blofsen Verdacht
hin, dass es am Ende nicht nothwendig sei, das dürfte allgemein bekannt
sein. Es darf dem Knaben hinterdrein nur das geringste thatsächliche
Unwohlsein zustossen, so wird der Umstand, dass er trotz seines Hinaus-
begehrens von dem Lehrer im Schulzimmer zurückgehalten wurde, sicher-
lich als ein Grund jenes Unwohlseins mit angeführt werden. Aus alle dem
kann und darf aber nicht folgen, dass man die Schüler während des Un-
terrichts aus- und einfliegen lasse, wie in einem Taubenschlag. Die Sache
lässt sich zwar nicht schlechtweg verbieten, aber sie lässt sich doch auf
ein gewisses Mafs einschränken. Um letzteres zu erreichen, wird der Leh-
rer zuvörderst nicht unterlassen dürfen, die Schüler allen Ernstes zu be-
lehren, wie ein derartiges Ab- und Zulaufen nicht blofs für die betreffen-
den, sondern für den Untei rieht überhaupt vom Nachtheile sei. Die Schüler
werden auch darauf aufmerksam gemacht werden müssen, wie es besonders
für einen höhere Bildung anstrebenden Menschen nothwendig sei, sich früh-
zeitig daran zu gewöhnen, derartige Verrichtungen immer zur gelegenen
Zeit abzuthun. Es wird deshalb sogar nicht überflüssig sein, ausdrücklich
zu bemerken, dass man vor dem Eintritt in die Classe, wie vor dem Be-
suche jeder längere Zeit in Anspruch nehmenden Versammlung von Meh-
reren sich dessen immer im Vorhinein versehen müsse. Man belächle diese
Bemerkungen nicht. Zu einem gewissen Grade von Urbanität kann in die-
ser Beziehung der Knabe nicht früh genug angeleitet werden. — Bei der
Belehrung allein jedoch darf man es freilich nicht bewenden lassen. Ich
habe daher in der Regel nebenbei wenigstens einige Monate hindurch den
der Thüre zunächst sitzenden Schüler ein Verzeichnis führen lassen, welches
ersichtlich machte, wie oft einer in einer bestinmiten Zeit hinaus begehrte.
Es stellte sich da gewöhnlich heraus, dass nur eine geringe Zahl von
Schülern es ist, welche so hinauszulaufen pflegt Hat der Lehrer nun auf
diese geringe Zahl ein besonderes Augenmerk, verbindet er mit dem jedes-
maligen Hinausbegehren eine Art Sühne, indem er die betreffenden bei-
spielweise nach Schluss des Unterrichtes das Versäumte nachholen, oder
indem er sie überhaupt dafür etwas arbeiten lässt, dann wird auch jene
geringe Zahl von Hinausläufem noch abnehmen und es werden end^ch
nur noch jene übrig bleiben, deren schwächliche Natur in der That nicht
gestattet, dass sie längere Zeit an einem Orte verweilen. Uebrigens unter-
lassen die Schüler das Hinausgehen von selbst, sobald sie merken, dass
es der Lehrer wirklich nicht gerne sieht und dass er die Sache nicht
gleichgiltig geschehen lässt, wie ich denn hier wiederholt nicht umhin kann
J. Wolf, Ans der Gymnasialprazis. OSl
zu bemerken, dass all die verschiedenartigen piedagogischen Hansniitid
ihre Wirknng verfehlen, wenn der natürliche Respect vor der Person und
vor dem Willen des Lehrers bei den Schülern nicht vorhanden ist.
Eine ganz besondere Aufmerksamkeit und eine eigene Handhabung
erheischt die Aufrechterhaltung der Disciplin in den Zwischenstunden. Das
einfachste wäre hier freilich, die Schüler nie allein zu lassen. Allein abge-
sehen davon, dass dies bei dem Fachlehrersysteme gar nicht ausführbar ist,
10 scheint es mir auch engherzig, ja vom podagogischen Standpunct gera-
dezu verwerflich, von den Schülern sofort sich gröblicher Ausschreitungen
zu versehen, wenn der Lehrer nicht fortwährend die Zuchtruthe über sie
schwingt, und sie darnach zu behandeln. £ine wolgesittete Classe muXls im
Gegentheile auch in Abwesenheit des Lehrers nicht nur wissen, wie sie
sich zu verhalten hat, sondern sich auch so verhalten. Eine unbedingte
Stille , wie während des Unterrichtes , kann und soll hier natürlich nicht
verlangt werden; es muss den Knaben gestattet sein, innerhalb bestimmter
Schranken sich etwas freier zu bewegen, wobei es auf ein gewisses Geräusch
nicht ankommt. Aber die berührten Schranken müssen, wie gesagt, be-
stimmt sein und das gestattete Geräusch muss seine Grenze haben. Es
darf z. B. nicht lauter geredet werden, als nothwendig ist, um sich den
zunächst sitzenden verständlich zu machen. Insbesondere aber darf es den
Schülern nicht freistehen, ihre Sitze beliebig zu verlassen. Letzteres kann
nur jenen gestattet sein, die sich deshalb bei dem abgehenden Lehrer ge-
meldet und von ihm die Erlaubnis hiezu erhalten haben. Nicht unwesent-
lich für die Erhaltung der Disciplin in den Zwischenpausen der einzelnen
Lehrstunden ist auch das kategorische Verlangen, dass jeder Schüler beim
Eintritte des nachfolgenden Lehrers die nothwendigen Bücher, Schreibma-
terialien etc. sofort in Bereitschaft habe und nicht etwa erst nach bereits
begonnenem Unterrichte darnach herumsuche. Ein solches Verlangen, un-
nachsichtlich gestellt, beschäftigt mehr oder minder jeden und hält ihn ab,
sich anderweit die Zeit zu vertreiben. In der Regel beauftragt man auch
einen oder den andern Schüler, auf das Verhalten der Classe während der
Abwesenheit des Lehrers zu achten, und die etwaigen Ruhestörer namhaft
zu machen. In den untersten Classen scheint mir dieser Vorgang auch
durchaus geboten. Ich bin natürlich weit entfernt hiemit etwa der Pflege
von „Angeberei«* unter den Schülern das Wort zu reden. Im Gegentheile
glaube ich, dass gerade durch das Bestellen eines bestimmten Aufeehers
in den unteren Classen jene Angeberei vermieden wird. Wenn nämlich ein
Schüler ausdrücklich von dem Lehrer angewiesen wird, über das Verhalten
der Einzelnen zu wachen und darüber auf Verlangen Bericht zu erstatten,
beziehungsweise diejenigen namhaft zu machen, die sich gegen die bekann-
ten Vorschriften vergiengen, so ist dieser Schüler kein Angeber, denn er
thut alsdann nur, was ihm aufgetragen wurde. Durch das Bestellen eines
solchen Aufsehers wird aber, wie bemerkt, alle Angeberei vermieden, denn
der Lehrer hat unter diesen Umständen nicht nöthig, auf diejenigen zu
achten, die sich bei jeder Gelegenheit geneigt zeigen, ihre Mitschüler an-
zuschwärzen. Selbstverständlich darf auch auf solche freiwillige Ankläger
nicht geachtet, ja es muss ihnen ihre Bereitwilligkeit sogar verwiesen wer-
Zoltwhrlfl f. d. »iUrr. Oymsai. IW. IX. H«lt 46
66t J. Wolf, koB der 0 jmnasialpTazis.
den, sobald die Anfsicht einem einzelnen Schüler übergeben wurde, und
dieser zum Mistrauen in sein Aufseheramt noch keine Veranlassung gebo-
ten hat. Dass zur Aufsicht über seine Mitschüler nur ein in jeder Bezie-
hung tadelloser Schüler berufen werden darf, steht wol auOser Frage. Ich
würde dies auch gar nicht erw&hnt haben, wenn nicht doch hie und da
die Meinung herrschte, dass zu AufiBehem über die Classe gerade die ärg-
sten Ruhestörer am besten sich eignen, weil sie, einmal mit dem Amte
betraut, nicht nur selber fortan sich eines ruhigeren Verhaltens befleiMgen,
sondern auch ihren Mitschülern am meisten zu imponieren verstehoi. Das
w&re alles recht schon, wenn die üebertragung der Aufsicht über seine
Mitschüler nicht eine Bevorzugung des betreffenden Schülers wi&re, und
wenn dieser Schüler nicht gewissermaÜBen in Stellvertretung des Lehrers
handelte, ganz abgesehen davon, dass die Schüler der unteren Classen jede
ausnahmsweise Beschäftigung, zu der sie von dem Lehrer berufen werden,
als eine besondere Vergünstigung anzusehen gewohnt sind. Der Knabe
bildet sich viel darauf ein, wenn ihn der Lehrer mit einer kleinen Besor-
gung beauftragt, oder wenn er Kreide und Schwamm aufzuheben und her-
zurichten berufen ist; um so mehr nun, wenn ihn der Lehrer gar zum
Aufseher Über die anderen macht Diese Einbildung soll man dem Knaben
nicht vorzeitig nehmen, sie verliert sich ohnedies früh genug.
Nicht gerade zur Schuldisciplin, ganz gewiss aber zu den Gegenstän-
den, denen der Lehrer der untersten Classe seine Aufinerksamkeit zuzuwen-
den hat, gehört der äuTsere Anstand der Schüler im Verkehre mit andern.
Der gebildete Mensch kann sich eben gewissen herkömmlichen Formen die-
ses Anstandes nicht entziehen, mit andern Worten, es ist nicht gleichgil-
tig, wie einer grüJElst, kommt und geht, wie er fragt und antwortet u. dgl
Ich komme darauf zu sprechen, weil man in dieser Beziehung gegen neu
eintretende Gymnasialschüler häufig unbillig ist. Man verlangt nämlich ohne
weiteres von ihnen, dass sie alle Begeln des Anstandes beobaditen und
ist nicht selten höchlich entrüstet über ihr ungeschicktes, unanständiges
Benehme, bedenkt aber dabei nicht, dass vielleicht die meisten der Knaben,
die man vor sich hat, in der That noch gar keinen Begriff davon haben,
was der Anstand erheischt, oder dass ihre Begriffe in dieser Beziehung
ganz eigenthümliche sind, je nachdem sie da oder dort, unter diesen oder
jenen Umständen herangewachsen. Die Knaben vom Lande z. B. sind
meist gewohnt, jedermann, dem sie begegnen, ein ^Gtelobt sei etc.** zuzuru-
fen und dabei die Mütze ein wenig zu rücken. In der Stadt merken sie
sofort, dass ihr herkömmlicher Grui^ hier nicht üblich ist und sie unterlassen
ihn daher; aber sie merken nicht, dass das blofse Bücken der Mütze da-
für nicht genügt, sondern dass der Anstand einnud das völlige Abnehmen
der Kopfbedeckung und überdies auch eine Art Verbeugung verlangt
Desgleichen sind nicht bloXk die Knaben vom Lande zumeist ganz vnitaer
Stande, den Lehrer oder eine andere fremde Persönlichkeit in der ge-
bräuchlichen Form anzureden. Sie wissen gewöhnlich nur, dass man sich
dem Lehrer und dergleichen Persönlichkeiten gegenüber nicht der unter
bekannten gebräuchlichen Ausdruckswoise bedient, und da ihnen die hier
angemessene Form der Rede nicht geUhifig ist, so stottern sie oder reden gar
L, Viethciber, Üeber Stenographie an Mittelschulen. 688
nichts auch dann, wenn sie recht gat wissen, was sie zu sagen haben und
solches auch sonst zn sagen verstehen. — Es lieXise sich da noch vieles an-
f&hren, besonders auch, was die Reinlichkeit des Körpers , die Sauberkeit
in der Kleidung und dgl. anbelangt; allein meine Absicht ist nicht, den
Gegenstand erschöpfend zu behandeln, sondern ich wollte nur bemerken,
dass es geboten sei, von dem Knaben nicht blofs äu&em Anstand zu ver-
langen, sondern auch solchen zu lehren. Wessen besondere Aufgabe diese
Belehrung ist, ob des Directors, des Classenlehrers , des Katecheten oder
wessen immer, das bleibe vor der Hand unberührt, aber nothwendig ist
jedenfalls, dass einer sich der Aufgabe unterziehe, denn wofür mehrere
verantwortlich sind, dafür ist bekanntlich in der That keiner verantwortlich.
Ich schlieüto mit dieser Bemerkung, um ein andermal wieder damit
zu beginnen.
Eger. Josef Wolf
EinYotuin über die Stenographie an Mittelsclialen,
besonders an Gymnasien.
In den letzten Jahren ist die Frage, ob die Stenographie in den
Kreis derjenigen Unterrichtsgegensl&nde einzubeziehen sei, welche au den
Mittelschulen gelehrt werden, und im Falle der Bejahung, ob als obligater
oder ^Eicultaiiver Lehrgegenstand, vielfach ein Gegenstand der Erörterung
gewesen. Denn abgesehen davon, dass in den Fachzeitschriften der zahl-
reichen stenographischen Vereine der Gegenstand vielfach besprochen wor-
den ist und besprochen wird, haben seit der Zeit, als das Abgeordneten-
haus in Preui^en im Juni 1862 sich mit der Frage beschäftigte, die Schul-
männer PreuTsens und Norddeutschlands überhaupt die Frage vielfEUsh
erörtert. So sind in Stiehrs Centralblatt 1863 S. 265 fünf Gutachten
abgedruckt, so ist zweimal in den Sitzungen der pädagogischen Section
der Fhilologenversammlung — in Augsburg und Hannover — über die Steno-
graphie gesprochen worden, so hat kürzlich im 92. Bande der Jahrbücher
für Philologie und Paedagogik S. 291 ff. J. Tietz in Braunsberg gegen-
über einem Votum der Versammlung westph&lischer Directoren zu Soest
die Frage einer ziemlich ausführlichen Erörterung unterzogen. So weit
mir die betreffenden Verhandlungen bekannt sind, haben in der Kegel die
Schulm&nner mit Ausnahme jener Bayem's sich abwehrend gegen die Steno-
graphie verhalten*), so dass Tietz ziemlich allein steht; für welche Hal-
tung ihnen freilich von Seite der zünftigen Stenographen mancherlei Ver-
unglimpfung zu Theil wurde *). Wenn ich hier die Frage aufiiehme, so ge-
schieht es deshalb, weil es mir scheint, als ob in der ganzen Discussion
weder von den Freunden noch von den Gegnern der Stenographie diejeni-
gen principieUen Fragen gestellt und erörtert worden sind, die gesteUt
und beantwortet sein müssen, ehe man einen Unterrichtsgegenstand in
die Mittelschule einfahren oder bestimmt von ihr abweisen kann.
Bas Programm von Bielefeld 1863 habe ich nicht einsehen können.
I Einen £aftau8druck gegen die ionoranten Gegner der Sten^^nhi«
8. in der Zeitschrift far Bealschiuen und Gymnasien 1862. S. 69.
46*
6d4 L. Vklhaber, Ueber Stenographie an MiUelsclialen.
Um jedoch für die Erörterung dieaer Frage die nöthigen Gesichts-
puncte zu gewinnen, wird es passend sein, früher mit wenigen Worten
das Wesen der Stenographie zu charakterisieren.
Beide in Deutschland bestehende Systeme der Stenographie, das Gabels-
berger'sche und das Stolze'sche, welche im wesentlichen sich so vertheilen,
dass das G. im südlichen und mittleren, dass Stolze*sche im nördlichen
Deutschland Geltung hat, wenn auch das G. im Norden immer mehr An-
hanger findet, haben ein vollständiges Alphabet, beide mit einer solchen Aus-
dehnung über die Currentschrift , dass auch für viele Doppelconsonanten
wenigstens anscheinend einfache Zeichen vorhanden sind. Die Zeichen sind
nahezu in beiden Systemen dieselben — man stellt ziemlich willkürlich
als Grundfigur den Kreis mit zwei sich rechtwinklig schneidenden Durch-
messern hin — nur ist die Verwendung der einzelnen Zeichen für die
einzelnen Laute insoferne verschieden, als Stolze vor allem darauf sah,
dass der stenographische Buchstab ein Theil des entsprechenden der latei-
nischen Gurren tschrifb sei, während Gabelsberger vor allem die Verbindungs-
f&higkeit und Schreibeflüchtigkeit einzelner Zeichen in*s Auge fasste und da-
her für die am häufigsten vorkommenden Buchstaben die einfachsten Zeichen
und zwar solche wählte, die sich mit den Zeichen der Laute, mit denen der
betreffende am häufigsten verbunden wird, am leichtesten vereinen lassen-
Hiedurch ist zwar eine Zeitersparung, aber noch lange keine solche ge-
wonnen, dass man dem gesprochenen Worte in graphischer Darstellung
folgen konnte. Deshalb sind beide Systeme fortgeschritten zum System
der Yocalunterdrückung oder wenigstens zu einer nur andeutungsweisen
Bezeichnung der Yocale durch Lage, Verdickung und Schärfung der Con-
sonantenzeichen. Da hiedurch auch das eben bezeichnete Ziel noch nicht
SU erreichen war, so ist Stolze dahin gekommen, fQr eine groX^ Zahl häufig
vorkommender Worte Siglen, d. i. nach einem bestimmten Plan ein für
allemal festgesetzte Abkürzungen aufzustellen, während das Gabelsber-
ger*8ch6 System von den Siglen einen sehr mäfsigen Gebrauch macht, da-
ftlr durch das Mittel der sogenannten logischen oder Prädicatskürzungen
es der geistigen Gewandtheit, der Vertrautheit mit dem jeweiligen Gegen-
stande sowie dem Selbstvertrauen des Schreibenden überlässt, wie viel oder
wie wenig des gehörten er nur andeutungsweise zu fijueren brauche, um
das geschriebene wieder lesen zu können. Dass mit beiden Arten nichts
neues gegeben, sondern nur die Abkürzungen , welche auch vor G. und St.
jeder zu schnellerem Schreiben genöthigte in der Currentschrift anwendete,
weiter ausgedehnt und zu einer Art System vereinigt worden sind, liegt
auf der Hand. Ebenso braucht kaum noch erwähnt zu werden, dass alle
jene Erörterungen, wie sehr die Buchstaben zeichen z. B. des Gabelsber-
ger*schen Systemes die Art des gesprochenen Lautes charakteristisch dar-
stellen, mehr oder weniger Geflunker und unnütze Phantasmen sind, so wie
es selbst unter den Stenographen von Profession nur sehr wenige geben wird,
welche im Ernst glauben, dass das eine oder das andere System je unsere
Currentschrift verdrängen werde. Gegen solche üeberschwänglichkeiten,
wie die eines Sprechers auf der Philologenversammlung in Hannover, der
von dem Anbrechen einer atenographischeB Aera sprach, ist es nnnöthig
X. Vielhdber, Ueber Stenographie an Mittelscliulen. 885
zu polemisieren, da die Erfahrung bereits das ürtheil gesprochen hat.
Ich kehre nach dieser einleitenden Uebersicht zur eigentlichen Frage
zurück.
Jedesmal wenn ein ünterrichtsgegenstand in die Kette einer Schul-
einrichtung als festes und för alle bindendes Glied eingeführt werden
soll, ist zuerst zu fragen, ob derselbe solche Momente in sich trägt, die
zur Erreichung des Zweckes der Schule wesentlich beitragen, dass deren
Nichtberücksichtigung eine wesentliche Lücke in dem Kreise des Wissens
und Könnens lässt, welches die betreffende Schule zu yermittcln hat. DieM
Frage setzt die Bestimmung des Zweckes der Schule voraus. Wenn wir
nun den Zweck der Mittelschule bestimmen, so können wir die eine Seite
der durch die Schule zu vermittelnden Bildung, die ethische, bei Seite las-
sen, da die Stenographie, ernst betrieben, ebenso wie jeder ünterrichts-
gegenstand, wenn er mit ernster Thatigkeit von dem Schüler gefasst
wird, sittlichend wirkt, eine unmittelbare sie vor andern auszeichnende
Qualification zur ethischen Bildung ihr nicht innewohnt. Wir können uns
somit auf die didaktische Seite der Frage beschränken. Von dieser Seite
aus definiert man gewöhnlich den Zweck der Mittelschule als die Mitthei-
lung allgemeiner Bildung. Allgemeine Bildung im Gegensatz zur Fach-
bildung (Universität) und zu den Vorbildungen der Bildung (Volksschule)
kann nur eine solche Bildung bezeichnen, welche hinausgehend über die
Erfordernisse des praktischen Lebens in dem Individuum eine solche Summe
propädeutischen Wissens vereinigt, dass auf Grund derselben jede wissen-
schaftliche Beschäftigung mit Erfolg getrieben werden, und eine solche
geistige Gewandtheit bewirkt, dass jede Art geistiger Operation, wie sie
eben die einzelne Wissenschaft fordert, ohne Schwierigkeit und mit Sicher-
heit gemacht werden kann. Sehen wir nun, ob die Stenographie zu der
Erreichung einer solchen Bildung soviel beiträgt, dass sie in den Kreis
der obligaten ünterrichtsgegenstände aufgenommen weiden mnss. Begin-
nen wir bei der der Stenographie unbedingt günstigsten letzten Seite, so
ist es nicht zu läugnen, dass 7wei Seiten der Stenographie in gewisser
Weise formal bildend wirken. Da in stenographischer Schrift kein Strich
und kein Punct umsonst gesetzt wird, so liegt hierin gegenüber der Lax-
heit der Currentschrift, bei der es P4if einen Schnörkel mehr oder weniger
nicht ankömmt, eine gewisse Zucht des Geistes, die das Zusammenhalten
der Gedanken befördert. Indessen gar zu bedeutend ist der Gewinn aus
dieser Eigenschaft nicht, zumal wenn man bedenkt, dass die Schule Ün-
terrichtsgegenstände hat, die diese geistige Zucht und Beschränkung auf
das streng sachgemäTse in noch ganz anderer Weise erzwingen. Jeder Be-
weis eines noch so einfachen mathematischen Salzes, jede üebersetzung
aus dem Lateinischen und Griechischen und umgekehrt, die Beschreibung des
einfachsten Naturgegenstandes wirken unmittelbarer und eingreifender.
Femer kann jeder Lehrer, wenn er diese speciel aus der Schrift fliefsende
Zucht für nothwendig hält, sie auch bei der gewöhnlichen Schrift erzielen,
wenn er nur darauf dringt, dass keine unnützen VerschnÖrkelungen be-
sonders der Majuskeln gemacht werden. Bedeutender ist der Gewinn, der
aus den höheren Stadien der Stenographie, besonders der nach Gabelsberger,
MO L. Vidhaber, Ueber Stenographie an MiHelBchnlen.
flieTst. Die Abkürzungen einzelner Worte, sei es dadurch, dass die Endung
weggelassen, hlota der Stammvocal mit oder ohne Vorsilbe angedeutet, oder
blofs die Endung gesetzt wird, erfordert rasches Ueberlegen, schnelle Ueber-
sicht des Satzes, Combination des folgenden aus dem schon gesprochenen.
Noch mehr ist das der Fall bei den eigentlichen Satzkürzungen, wenn
ganze Sätze durch ein paar charakteristische Worte angedeutet werden
sollen. Indessen ist hiebei doch zweierlei zu beachten. So sehr allerdings,
vom Standpunct der Schule aus betrachtet, gerade hierin ein Vorzug des
Gabelsberger'schen Systems gegen das Stolze*sche liegt, so ist doch diese
Art Kürzung, wie schon oben gezeigt worden ist, nichts der Stenographie
eigenthümliches, sondern mehr oder weniger oonsequent von jedem Sdinell-
schreiber in Currentschrift angewendet worden. Zweitens setzt die einiger-
mal^en erfolgreiche Anwendung dieser Kürzungsmittel die erwähnte gei-
stige Gewandtheit zum guten Theil schon voraus, setzt femer genaue
Kenntnis der Grammatik sowol nach der Seite der Formenlehre als be-
sonders der Syntax voraus. Denn will ich das gewöhnlichste Wort abge-
kürzt schreiben, so muss mir der Unterschied von Stamm, Endung, Vor-
und Ableitungssilben, Zusammensetzung u. s. w. schon so gelaufig sein,
dass ich so wenig mehr daran zu denken brauche, als z. 6. beim Ciavier-
spielen daran, welche Taste den betreffenden Ton gibt. Will ich den ein-
fachsten Relativsatz abkürzen, so muss ich schon geübt sein, die Trager
eines Gedankens zu finden, ja fast instinctmäfisig zu fühlen, ich muss femer
die Gesetze des deutschen Satzbaues so genau kennen, dass ich wol weift,
der so begonnene Satz muss so oder so schlieX^en. Daraus folgt, dass die
Stenographie von dieser Seite betrachtet nichts neues gibt, sondem eine
praktische Einübung der Grammatik jener Sprache in der man schreibt ist,
und zwar Uebung zu einer Zeit und auf einer Stufe der Sprachkenntnis,
wo sie nicbt mehr besonders noth wendig ist. Darin liegt natürlich schon
enthalten, dass diejenige formale Bildung, welche diese Seite der Steno-
graphie gewähren kann, am Beginn der Ausübung schon vorhanden, also
durch andere Unterrichtsgegenstande, wesentlich den Sprachunterricht,
schon bewirkt sein muss. Wenn man daraus, dass die Stenographie ein
System ist, ableitet, dass ihre Erlernung solche Vortheile für formale Bil-
dung bringt, wie sie die Uebung jeder systematisch geordneten Wissen-
schaft, Kunst, Fertigkeit u. s. w. bewirkt, so kann man das zugeben, ob-
gleich der Stenographie zu dem Charakter des systematischen eine sehr
wesentliche Eigenschaft fehlt : aber für die Frage, um die es sich hier han-
delt, wird dadurch gar nichts gewonnen. Denn systematisch soll jeder Un-
terricht sein, selbst auf den Stufen, auf welchen anscheinend keine Syste-
matik zu treiben ist, z. B. den Sprachunterricht auf der untersten und
mittleren Stufe. Zudem gibt es Unterrichtszweige, die selbst in der Mittel-
schule, wenigstens auf der oberen Stufe derselben, nach einem strengen Sy-
steme gelehrt werden, so dass auch diese Seite der Stenographie uns kein
neues, den anderen Unterrichtsgegenständen mangelndes Bildungselement
zuführt.
Aus dem bisher gesagten ergibt sich also das Besultat^ dass in Be-
zug auf formale Bildung die Stenographie keine Seiten bietet, weldie der
Xr. Vielhäber, Ueber Stenographie an Mittelschiüen. 687
Schale neue, von den anderen, anerkannt nothwendigen ünterrichtsgegen-
ständen nicht zu vermittelnde Elemente zuführten, dass also yon Seite der
formalen Bildung sie keinen Anspruch erheben kann, als integrierender
Bestandtheil in den Lehrplan der Mittelschale angenommen zu werden.
Noch weniger freilich vom Gesichtspunct der realen Bildung aus. Sollte sie
von dieser Seite aus überhaupt nur den Anspruch machen können in die
Mittelschule eingef> zu werden, so müsste sie entweder selbst eine Wissen-
schaft sein, oder doch den Zugang zu einer Wissenschaft öfinen, welche
auf der Hochschule ihre eigentliche Statte fände. Zum Begriff der Wissen-
schaft gehört aber ganz unerlasslich, dass sie ihren Zweck in sich seihet
hat, womit natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass sie in der mannigfach-
sten Weise für den Gebrauch des Lebens verwendet werden kann und ver-
wendet wird. Wie die Schrift überhaupt ist auch die stenographische Schrift
nicht im geringsten Selbstzweck, sondern ist nur Mittel zum Zweck. Wie
daher die Schreibekunst überhaupt nicht eine Seite der Bildung, sondern
nur eine Vorbedingung unserer Bildung ist, so ist um so weniger die
Stenographie unter die constitutiven Bestandtheile der Bildung zu rechnen.
Hatte zwar die stenographische Schrift je Aussicht die Currentschrift zu
verdrängen, so müsste freilich der Unterricht in ihr — wenn auch noch
nicht jetzt ~ obligatorisch eingeführt werden, aber nicht in die Mittel-
schule, sondern in die Volksschule. Aber um nur eines anzuführen, man
denke sich die schwere Hand eines Landmannes oder die eines Schmiedes
welcher schon die Buchstaben unserer Currentschrift zu fein und zu zart
sind, in die Nothwendigkeit versetzt, in stenographischer Schrift Worte zu
schreiben, und zwar nach Gabelsberger'schem System, das eine schwerere
Hand noch viel eher verträgt als das Stolze'sche : glaubt wirklich jemand
im Ernst, dass das von einem solchen Manne geschriebene überhaupt noch
Schrift sei? Unsere Currentschrift ist so recht die Schrift der deutschen
Arbeit und wird es bleiben.
In Wahrheit ist die Stenographie nichts als eine von vorne herein
auf die Kreise Gebildeter beschränkte Abkürzung des mechanischen Schreibe-
geschäftes vomehniiich zu dem Zwecke, wörtliche Aufnahme der gespro-
chenen Worte zu ermöglichen. Nun entsteht weiter die Frage — und
hiemit kommen wir aus dem Gebiete der Nothwendigkeit in das der Zweck-
mäfsigkeit, — ob die Stenographie je die Schrift der Gebildeten in ihrem
Verkehr untereinander werden kann. Auch diese Frage ist entschieden
zu verneinen. Erstens gibt es mit Ausnahme des vertraulichen Briefes
und der zu eigenem Gebrauche gefertigten Notizen kaum eine Nothwen-
digkeit zu schreiben, ohne dass das Geschriebene auch Leuten geringeren
Bildungsstandes, denen nach dem oben gesagten die Stenographie immer
ferne bleiben wird, verständlich sein soll; man denke z. B. an den kauf-
männischen Verkehr; zweitens kommt jeder, der sich zu den (Gebildeten
zählt, unzählig oft in die Lage, in einer fremden Sprache, sei diese eine
sogenannte classische oder eine moderne, schreiben oder lesen zu müssen.
Nun ist es natürlich, dass jedes stenographische System so auf die be-
treffende Sprache gebaut ist, dass es ungeändert für keine andere passt:
wie viel ßchriftsyateme müsste ein Kaufinann, der eine nur mäfbig aiuige-
688 L, Vidhaher, tJebet Stenographie an Mittelscbulen.
dehnte Correspöndenz fuhrt, oder ein Gerichtsbeamter in einem zwei nnd
mehrsprachigen Lande, oder ein Gelehrter haben, der mit französischen
und englischen, mit italienischen und russischen Fachgenossen in Ver-
bindung steht?
Nach dem angef&hrten stellt sich nunmehr die Frage so: Wenn
die Stenographie zur Bildung nicht nothwendig, sondern nur eine f&r be-
stimmte Zwecke nützliche Fertigkeit ist, wenn demnach von ihrer Ein-
reihung unter die obligaten Unterrichtsgegenstande der Mittelschule keine
Bede sein kann: ist ihre Nützlichkeit der Art, dass sie als facultativer Un-
terrichtsgegenstand einzuführen ist, falls überhaupt die Mittelschule noch
irgend einen Baum für sie hat? Wie ist femer die fEusultative Einführung
zu denken? Dass die Schule selbst den Unterricht in die Hand ninmit
und nur die Betheiligung freistellt (in Bayern), oder sich nicht weiter um
den stenographischen Unterricht kümmert, als dass sie allenfalls das Locale
hergibt, wie es wenigstens dem Wesen nach bei uns ist, trotz eines Prü-
fungsreglements für Lehrer der Stenographie?
Dass die Stenographie von maainigfiachem Nutzen ist, unterliegt
keinem Zweifel; nur sind auch da Ueberschwänglichkeiton in der Werth-
schätzung zu Tage getreten. Für Schüler und Studenten halte ich sie,
insofeme sie dazu dienen soll die Vorträge nachzuschreiben, eher für schäd-
lich, da, wie mich die eigene Erfahrung belehrt hat, über dem Fixieren
des Wortes es fast unmöglich ist dem Gedanken zu folgen. Ich habe
dieses Bedenken schon in den Bemerkungen geäussert, die meinem Be-
richt über die dritte Sitzung der psdagogischen Section der ein und zwan-
zigsten Philologenversammlung in Augsburg beigefügt sind (Z. f. öst G.
1862, S. 802), und die oben erwähnten Gutachten in Stiehl's Centralblatt
sowie die Soester Directorenconferenz haben gerade auf diesen Punct ent-
schiedenes Gewicht gelegt. Lidessen steht es in der Macht des Lehrers,
unnütze Schreiberei zu verhindern. Nach Vollendung der Studien wird die
Kenntnis der Stenographie dem Prediger zum Entwurf seines Vortrages,
dem Bichter, dem Polizeibeamten nützlich sein. Bei nicht wenigen Männern
anderer Berufskreise dagegen hat es mir oft geschienen, als ob der Um-
stand, dass sie nicht recht wissen was sie mit ihrer Stenographie machen
sollen, Schuld trage, dass sie sich möglichst in recht kleine 'Stenographen-
vereiue* zusammenseparieren. Auf die Heranbildung von Stenographen von
Profession, welche durch Aufnahme von Parlamentsreden u. s. w. ihren
Unterhalt verdienen, darf die Mittekchule an sich gar nicht Bücksicht
nehmen, soll sie ihrem Charakter nicht untreu werden. Allerdings aber
wird bei der veränderten Gestaltung des öffentlichen Lebens gerade bei
uns in Oesterreich ein bedeutender Theil der ietzigen Gymnasiasten der-
einst der Stenographie aus äuTseren Gründen nicht wol entrathen können ;
daher ist es gewiss wünschenswerth, dass das Gymnasium seinen Schülern
die Möglichkeit biete, diese Fertigkeit zu erlernen. Damit ist die ganz-
liche Passivität der Schule, die es dem Zufall überlässt, ob sich im Orte
jemand findet, der die Stenographie lehrt, nicht wol vereinbar, schon des-
halb nicht , weil da gar manche kleinere Anstalten keinen Lehrer haben
würden. Ferner ist, wie in allen sogenannten freien Hchem, der Unter*
L. Vielhaber, Ueber Stenographie an Mittelschulen. 089
rieht vielfach ein illusorischer , wenn er nicht von einem Mitglied des Lehr-
körpers selbst ertheilt wird, znmal das erste Erlernen der Stenographie
nichts weniger als interessant ist. Aus diesen Gründen ist wenigstens für
Oesterreich das in Bayern befolgte System das entsprechendste, nach wel-
chem wo möglich Lehrer der Mittelschulen selbst den Unterricht erthei-
len sollen. Eine gewisse Bücksichtnahme hierauf lasst sich bei Anstellun-
gen von Lehrern ganz wol mit den sonstigen Erfordernissen vereinen.
Dann hat es die Schule auch in der Hand, gewissen Befürchtungen, wie
dass Orthographie und Kalligraphie leiden, die Spitze abzubrechen. Sie
lasse eben keinen Schüler zum stenographischen Unterrichte zu, der nicht
die Muttersprache richtig schreibt, und dessen Cnrrentschrift nicht einen
gewissen ausgesprochenen Charakter hat. Wann man den Unterricht be-
ginnen soll, hangt wol auch von localcn Verhaltnissen ab, keinesfalls vor
unserer Quarta, s. Z. f. öst. G. 1862, S. 799 und 802. Dass bei uns wie
in Bayern eine wenn auch kleine Summe aus dem Staatsbudget für den
stenographischen Unterricht ausgeworfen werde, ist nicht zu hoflfen; eher
dürfte es möglich sein, dass für manche kleinere Anstalten die Landtage
eine mäfsige Remuneration (in Bayern 60—100 fl.) bewilligen. Die innere
Einrichtung des Unterrichtes, die Stundenzahl, die Dauer desselben u. s. w.
hängt natürlich ebenfalls vielfach von den Verhältnissen der einzelnen An-
stalten ab, im allgemeinen dürfte der gegenwärtige Usus, der sich dem in
Bayern geltenden nachgebildet hat, zu behalten sein.
Das scheinen nun diejenigen Puncte zu sein, auf welche die Frage,
ob die Stenographie obligatorisch, facultativ oder gar nicht an den Mittel-
schulen einzufuhren sei, zurückgeführt werden muss, eine Anzahl anderer,
die von Gegnern wie von Vertheidigern der Stenographie angeführt werden
— man findet sie bei Stiehl und bei Tietz beisammen — sind nach meiner
Ansicht ganz unwesentlich für die Entscheidung der Hauptsache und sind
von mir absichtlich bei Seite gelassen worden.
Wien. Leopold Vielhaber.
Vierte Abtheilung.
Miscellen.
Bericht über die Verhandlungen der 24. Versamm-
lung deutscher Philologen und Schulmänner zu
Heidelberg, vom 27. bis 30. September 1865.
Auf der vorjährigen Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer zu Hannover war das schöne Heidelberg zum Orte der 24. Ver-
sammlung erwählt und zum Präsidenten Prof. Dr. Edchly, zu Viceprasi-
denten Prof. Dr. Stark und Lycealdirector Cadenhach erwählt worden,
welcher letztere leider durch Krankheit verhindert war, sich an der Ver-
sammlung zu betheiligen. Bereits in den letzten Tagen vor der Versanun-
lung, besonders aber am 26. September traf eine grofse Anzahl der Fest-
theünehmer in Heidelberg ein, welche, noch ehe sie die mit deutschen
und badischen Fahnen geschmückte Stadt betraten, sich sogleich in das
auf dem Bahnhofe eingerichtete Empfangsbureau begaben und dort ihre
Mitgliedskarte und auTserdem eine Anzahl der weiter unten aufzuzaJilenden
Begrüfsungsschriften in Empfang nahmen. Von Nachmittags 3 Uhr an
fand am 26. September gesellige Zusammenkunft in den Oartenanla^en der
Schlosswirthschaft statt, die sich Abends bei sehr lebhafter Betheiligung
in dem grofsen Saale der Museumsgesellschaft fortsetzte. Ehe ich zu der
ofificielien Eröfihung der Versammlung übergehe, will ich aus dem gedruck-
ten Mitgliederverzeichnisse, welches in dem während der ganzen muer der
Versammlung erschienenen ^Tageblatt" desselben veröffentlicht ist, einige
Nachrichten herausheben. Die Gesammtzahl der Mitglieder betrug 476
und war somit die höchste, deren sich je eine Philologenversammlung zu
erfreuen gehabt hat. Die Stadt Heidelberg war darunter durch genau 100
Mitglieder vertreten, worunter 40 der Universität und 8 dem Lyceum an-
gehörten ; 85 Mitglieder waren aus dem übrigen Baden erschienen, 37 aus
Würtemberg, 20 aus Baiern, 6 aus Oesterreich (Jülg, Müller, Mussafia,
Petters, Pfeiffer, Schell). Aus Preufsan kamen 52 Mitglieder; die
Gymnasiallehrer der östlichen Provinzen waren zumeist durch die ungün-
stige Lage ihrer Ferien von der Betheiligung abgehalten. Königreich Sachsen
stellte 17 Mitglieder, Thüringen 3, Hessen Cassel 24, Hessen Darmstadt 17,
Frankfurt a/M. 22, Nassau 6. Der deutsche Norden wurde durch 18 Mit-
flieder aus Hannover, 2 aus Braunschwei^, 2 aus Oldenburg, 1 aus Holstein,
aus Hamburg, 1 aus Lübeck, 3 aus Medclenburg und 1 aus Lippe Detmold
vertreten. Auf die Schweiz kamen 19 Mitelieder, auf Frankreich 6 (darunter
5 auf Strafsburg), auf Belgien 1, auf Holland 1, auf Grofsbritannien 2,
auf Italien 1, Kussland 3, Griechenland 2, Orient (Cäsarea und Magdala) 2,
Mordamerika 3. lu Hinsicht auf die Hervorhebung herronagendei Nanieiii
Miseellen. 691
die zahlreich vertreten waren, wird es genügen, auf die Mitgliederliste zn
verweisen, welche den im B. G. Tenbner^schen Verlage erscheinenden Ver«
handlungen der Yersauuulung beigegeben werden wird.
Allgemeine Sitzungen.
Erste Süeung, Zf, September. Präsident Professor Dr, Köchly.
Anfang 9 Uhr.
Der Präsident erklärte die Versammlung fnr eröffnet und be«
grü/ste dieselbe mit einer schwungvollen Rede, welche von der Erinnerung
an die Humanisten, die einst in Heidelberg gewirkt hatten, ihren Ausgang
nahm und viele derselben in kurzen markigen Zügen treffend schilderte.
Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts wurde Geltes, der gekrönte Dichter,
Luther's Vorgänger Wessel, Agricola, der classische Lateiner, Johannes
Reuchlin, der „Phönix der Deutschen", und der eifrige Schulmeister Wimpfe-
ling erwähnt, sowie der Kanzler Dalberg, der gemeinsame Mäcen der
Humanisten ; dann aus dem Zeitalter der Reformation der ritterliche Her-
mann von dem Busche und der ernst fromme Simon Grvnäus, besonders
aber Jacob Micyllus, der grofse Schulmann, um den sich das schöne Heidel-
berg und das reiche Frankfurt lan^e Zeit gestritten, an uns vorübergefuhrt.
Letzterer sei nicht nur ein tüchtiger Humanist und lateinischer Dichter,
sondern auch einer der „fröhlichen Gesellen, deren Stadt Heidelberg heiXto**,
gewesen. Darauf wurden der gelehrte und eifrige Uebersetzer Holzmann,
genannt Xylander, nebst Aemilius Portus, dem Bibliothekar und grofsen
Kritiker Johann Sylburg und dem vielverschlagenen Janus Gruterus als
die Säulen der letzten Blüthezeit des Humanismus in Heidelberg kurz ge-
schildert. Die traurigen Zeiten des Verfalls und der Zerstörung im 17.
und des Scheinlebens der Jesuitenuniversität im 18. Jahrhundert wurden
bei dieser Gelegenheit natürlich nur kurz angedeutet. Aber auch die Zeit
der neuen Gründung und Blüte der Universität seit Carl Friedrich dürfe
hier nicht eingehend geschildert werden. Man sage, der Lebende hat Recht;
das ist in allem wahr, nur nicht darin, dass er über seine eifi^ene Zeit ein
maÜBgebendes UrtheU zu fallen das Recht habe ; denn nur die Weltgeschichte
ist das Weltgericht. Nur dürfe er die Namen dreier Männer nicht ungeehrt
lassen, die längst dahin gegangen: er müsse Creuzer nennen, der gleich
am Anfang die Gründung eines philologischen Seminars verlangt und dessen
Bestimmung in den Hauptzügen richtig gezeichnet habe, sowie seinen
kräftigen Gegner, den Rationalisten gegen den Romantiker, den Eutiner
Leuen J. H. Voss, der Heidelberg, wenn auch nicht eigentlich der Univer-
sität angehört habe. Der dritte, Carl Friedrich Hermann, rufe ihm die
vor 20 Jahren gehaltene Darmstädter Philologenversammlung lebhaft in
die Seele zurück, wo er über die Laokoonsgruppe gesprochen und dadurch
Creuzer zu den begeistertsten Ausdrücken über die Kunstwerke der Zeit des
Phidias veranlasste, „die kein Mensch, sondern ein Gott gemacht habe*,
während die süäteren Werke nur „in Marmor gehauene Bravourarien" ge-
wesen seien. Hermann habe sich damals scharf gegen die Bildung von Sec-
tionen erklärt, der Redner für dieselben, und so habe auch die Versamm-
lung entschieden. Hermann sei nun auf ihn zugekommen und habe gesagt:
„Ich ehre ihre Ueberzeugung und die Art, wie Sie dieselbe vertheidigt haben ;
aber die Philologenversammlung haben Sie gesprengt**. Diese Weissagung
sei zum Glück nicht in Erfüllung gegangen, vielmehr sei erst durch die
Sectionen das rechte Leben in sie gekommen. Dies führt den Redner auf
die Betrachtung, ob die Philologie überhaupt, die ja wissenschaftlich in
jeder Beziehung fortschreite, auch ihre praktische Aufgabe noch löse ? Drei
SroXto Erfolge habe sie schon errun^n: dass sie Rom der griechischen
ildnng unterwarf, im 15. und 16. Jahrhundert den Humanismus hervor-
rief, im 1& die BUMiMeit dw d^ntedieii Uteratiur mitbegründete. Es sei
60t Misoellen.
auch jetzt noch lange nicht mit ihr zu Ende, wie so mancher behaupte,
der auf ihren Heimgang speculiere. Wer frühe ohne Gmnd todt gesagt
werde, lebe noch lange; so werde es auch unsere Wissenschaft thun, und
zwar zum Segen der Welt. Denn in der heutigen Zeit der groläartigsten
Erfolge auf allen Gebieten menschlichen Strebens, wo so viel auf das arme
Menschenherz einstürme, dass es bei allen Einzelgenüssen oft des Lebens
selbst nicht froh werde, da thue es vor allem Noth, die alte hellenische
aamQoavvrj, den animus antiguus des Livius wieder zu gewinnen, die mafs-
volle Euhe und Festigkeit, die Harheit des Bewusstseins, dass jeder auf
sich selbst stehen solle. Das solle die Philologie wirken, indem sie dem
Verstände nicht nur, auch dem Herzen und Gemüthe, ja auch der Phan-
tasie das Alterthum in seiner ethisch bildenden Kichtung erschliefse, dass
es dem Schüler zu Fleisch und Blut werde. Dieser We^ müsse befolgt
werden, die Philologie müsse wieder zu Humanismus werden, sonst werde
sie ihre alleemein bildende Stellung in Schule und Leben immer mehr
verlieren. Aber gerade die Philologen- Versammlungen hätten zur Belebung
dieser Richtung entschieden beigetragen und Kraft und Lust verliehen,
für diese höchste Wirkung das ganze Leben einzusetzen; auch hier gelte
ja des Dichters Wort: und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch
das Leben gewonnen sein.
Nach diesem Vortrage begrüTste Hr. Dr. Knies die Versammlung
im Namen der grofsherzoglichen Regierung, wobei er hervorhob, wie wichtig
das Tagen dieser Versammlung in Baden m einer Zeit sei, wo dort eine Neu-
gestaltung der Mittelschulen durchgeführt werden solle, Herr Bürgermeister
Krausmann im Namen der Stadt, der rector magnificus Hr. Prof. Kirch-
hof f im Namen der Universität, Hr. Dr. 0 ncken im Auftrage des historisch-
nhilosophischen Vereins. Zu Secretären wurden sodann auf den Vorschlag
des Präsidenten erwählt: Dr. 0 ncken aus Heidelberg, Dr. Alb. Müller
aus Hannover, Dr. Bossler aus Darmstadt und der unterzeichnete Bericht-
erstatter. Dann theilte der Secretär Dr. 0 ncken mit, welche neuen Zusen-
dungen die Versammlung erhalten habe (s. u.). Dieselben wurden sodann
an die Versammlung verthcilt. Ein Geschenk des Geh. Bath Prof. Ger-
hard aus Berlin veranlasste den Präsidenten, die Anwesenden zu ersuchen,
dem unter ihnen weilenden verehrten Manne ihre Theilnahme an seinem
vor Kurzem gefeierten fünfzigjährigen Doctorjubiläum durch Erhebung von
ihren Sitzen zu bezeugen.
Professor Stark theilte einen Vorschlag des abwesenden Hofrathes
Prof. 's Gervinus mit, dass die Versammlung cÖe Betheiligung an einer von
der Gesellschaft der Archseophilen in Athen zum Zwecke der Förderung
gröfserer planmäfsiger Ausgrabungen in Griechenland unternommenen Lot-
terie befürworten solle. Es wird beschlossen, die Sache der archseologischen
Section zur Erwägung anheimzugeben, die in der letzten allgemeinen
Sitzung darüber referieren solle.
Nach einigen unwesentlichen Mittheilungen wurde die Commission
zur Bestimmung des nächsten Versammlungsortes ernannt; sie ward aus
den Herren Prof. DD. Hassler, Wagner, Eckstein, Pleckeisen,
Halm,Ahrens und G r o t e f e n d , als den anwesenden Präsidenten früherer
Philologen- Versammlungen, zusammengesetzt.
Nach Erledigung aller dieser Geschäfte bestieg Prof. Fritzsche
aus Leipzig die fSdnerbühne und hielt seinen angekündigten Vortrag:
^Wodurch begründete Theokrit seinen Ruhm als bukolischer
Dichter"? In der Einleitung wies er auf J. H. Voss und Hebel hin, zwei
Idyllendichter, an die ihn dieses Heidelberg erinnere, wo wol mancher
schon gerufen habe *Tityre, tu patulae rccubans sub tegmine fagi'. Wodurch,
fragte der Redner dann, hat Theokrit jenen Ruhm, warum nennt ihn Longin
den evTvx^OTitTog der BukolikerV Nicht seine höfische noch seine erotische
Poesie bildete seinen Ruhm, sondern die bukolische, mit der er in einer
Zeit, wo iede Art hoher Begeisterung geschwunden war, das kleinere Still-
leben wahrhaft plastisch dargestellt hat. Nicht durch Originalität noch
durch Universalität oder Idealität rage er herror, Bondem imh Innigkeit
Miscellen. 60S
und treue Natürlichkeit. Auch den stolzen, eigentlich rauhen, durch epische
Einwirkung aber veredelten dorischen Dialekt habe er glücklich gewählt
Die gehäuften Cäsuren entsprechen dem wirklichen Leben, der fünfte Fuss
sei ort meisterhaft als Echo des ersten verwendet^ die Symmetrie und den
Wechsel in Bede und Antwort habe Köchly bestens dargethan. Er zeige
wecie Gelehrsamkeit, wie Tibull, und lasse sich auch nicht zu breiter
Landschaftsmalerei verführen, was Humboldt im Kosmos an ihm anerkenne.
Dadurch sei die Einheit gerettet, der Hirt selbst sei Mittelpunct. Seine
Gestalten haben Realität, auch wo sie mythologische sind; ihre Liebe ist
naiv, nicht sentimental, und verläugnet das Begehren nicht. Besonders
Pol^hem und die liebenswürdig kokette Galathea seien ausgezeicheet ge-
schildert. Auch Allegorie und schalkhaft eingestreute Satire — r« ^|a>^fv,
wie Longin sagt — würzen seine Darstellung. Die beabsichtigte Yergleichung
mit Vergil lässt der Redner der vorgerückten Zeit we^en weg.
Es schliefst sich an diesen Vortrag keine Discussion an. Rector Eck-
stein aus Leipzig weist in Betreff der oben erwähnten Lotterie in humoristi-
schen Worten auf die ernste Thatsache hin, dass es in den meisten Staaten
verboten ist, in fremden Lotterien zu spielen; man möge lieber zu frei-
willigen Beiträgen auffordern. Der Beschluss bleibt auf cße letzte Sitzung
verschoben.
Geh. Rath Prof. Gerhard spricht seinen herzlichen Dank aus für die
Ehre, die ihm vorhin von Seiten der Versammlung zu Theil geworden sei.
Der Präsident fordert die einzelnen Sectionen auf, sich in den
ihnen bestimmten Localitäten zu constituieren ') und schliefst die Sitzung
um 11 Va Uhr.
Am Nachmittag wurden im Marstallhofe verschiedei^ Seiten des
antiken Kriegswesens zu realer Anschauung gebracht. Freiwillige des Heidel-
berger Lyceums führten unter dem Coromando des Prof. 's v. Langsdorff
Uebuneen aus der ^echisch-macedonischen Elementartaktik ans. Es waren
folgende: Die naQuta^iq nach den Commanders «v« €h r« onXa (in's Ge-
wehr!), a(ytt xal nQuOi^^ rtp nctQayyiXfAatt (still! Achtung!), iutarri&t^
aiofx^i, CvyH (Distanz genommen! Rotten, resp. Glieder gerichtet!), ^f^ov
ovrtug (Halt!), — die fi irtt^e ^qk^is {nvto ra (f o(>«rct Gewehr auf; xad-sg
T« (fo^ara fallt's Gewehr; »iad^e r« ojila Gewehr bei Fufs — abh — die
xXiaftg oder Wendungen : inl (Joqv xJirroi' rechts um, i/t* naitfoa xlTvoy
links um; inl ^6qv und in aant^a furaßaXov rechts, links um kehrt;
iig oQ&ov dnodog zurück; — die «yaiyjf oder der Anmarsch: nQoaye
(Marsch!) natav^Ctov (mit Päan) oder Sqq^k^ (im Laufschritt); tx^v ovtok
(Halt!h inl q-aXayyog ngoaye (in Linie aufmarschiert) oder ini xiQtog eis
€va {ovo) TTQOityi (in Colonne ein fzwei] Mann hoch sich gesetzt); ■— die
dtnXuataafioC mit den Commaiiao's xctr» xonov (resp. xaT aqid-^ov) xo
urjxog (resp.ro ßa&og) ^tnXttnla^i (Auflösung in zwei Theile; bei uns un-
oekannt) und dTioxttiaajTiaov (hergestellt!): — die imaTQotfaC oder
Schwenkungen : ln\ ^6{iv, resp. in uanCäa, in(aTQ€(fs (Viertelschwenkung),
ntQtaitn (halbe) und ixnfqlanu (Dreiviertelschwenkung); lni.xaTaait]aov
(zugeschwenkt); — endlich die i^eXi^yfiol (Contrcmärsche , Ge^enzüge):
jov Attxtm'Uy Tov M(cxe&6va und tov Kqtitixov (oder /o^*oy) x«ra Xo^oug,
resp. xara ^vy«, i^iXiaof.
Alle Uebungen wurden mit grofser Pracision ausgeführt. Der Zweck
dieser durch den ersten Kenner des alten Kriegswesens, den Vorsitzenden
der Versammlung, arrangierten Uebungen war, zu zeigen, dass sie von den
Gemein- und Massenübungen des Spiefs'schen Systems gar nicht wesent-
lich verschieden sind (nur dadurch war es möglich, dass niesige Lyceisten,
bei denen dieses System eingeführt ist, zum Theil ganz junge Knaben, die
noch kein Griechisch verstehen, in vier Wochen, bei nur zweimaliger
^ Die mathematisch -piedagogische Section, die sich zum erstenmale
im voriofen Jahre in Hannover constitniert hatte, kam wegen Man-
gel an Theilnahme nicht in Stande.
«04 IfiseeUett.
wöchentlicher Ueban^, es zn der hier gesehenen Vollendung brinc^ konnten),
dass also, da die Erlernung so leicht ist, die Gymnasien es sich znr Pflicht
machen sollten, durch Einführung dieser üebungen die lebendige An*
schauung des Alterthums bei ihren Schülern bedeutend zu heben. — Daran
schlössen sich Wurftibungen mit römischen Pilen, deren eine groDM An-
zahl .theils denen der casarianischen, theils der trajanischeu Zeit nach-
g)bildet angefertigt war, unter Leitung des Dr. Wassmannsdorff, Ton
eiwilligen Turnern vielfach mit Kraft und Geschick ausgeführt — Sehr lehr-
reich waren endlich die im Auftrage des groMerzogl Eri^^tministeriums
nach den Angaben der alten Mechaniker construierten Geschütze: Katapulte
und Balliste; mit der Katapulte wurden auch durch Hm. Hauptmann
Deimling völlig befriedigende Schieftproben vorgenommen'). Manche
Twenn nicht die meisten) der Philologen und Schulmänner werden an diesem
Nachmittage, sowie spater z. B. bei dem Vortrage des Prof. v. d. Launitz
über die Toga und Palla, ihre Anschauung und damit ihre Kenntnis vom
Alterthum in nicht geringem Grade vermehrt und belebt haben *).
Am Abend fand das sehr belebte Banket in dem reich geschmückten
Banketsaal des Schlosses statt. Um den Raum nicht übermal^ in An-
spruch zu nehmen, hebe ich unter den vielen Trinksprüchen nur den des
Germanisten Prof. Creizenach aus Frankfurt auf die Verdienste der
Germanisten als den launigsten hervor und erwähne, dass die prächtige
bengalische Beleuchtung des Schlosshofes und in anderer Weise der Vor-
trag eines historischen Schwankes „das Heidelberger Fass*» von V. Scheffler
allgemeine Freude erregten.
Zweite Süzwng. 28. September.
AnfiEmg 11 Uhr.
Die Sitzung wurde durch einige geschäftliche Berichte eröfihet;
darauf machte der Präsident Prof. Dr. Köchly Mittheilungen über die
für den Nachmittag angesetzte Fahrt zur Festaufführung im Carlsruher
Hoftheater, und übertrug darauf das Präsidium für diese Sitzung an den
ersten Vice-Präsidenten Prof. Dr. Stark.
Professor Fleischer aus Leipzig hielt darauf seinen angekündigten
Vortrag über „den Morgenländer in Europa", zu welchem er durch
den Präsidenten der Orientsdisten-Section, Herrn Airchenrath Hitzig, aufge-
fordert worden sei und durch den er der Versammlung nicht sowohl eme
Belehrung, als eine Unterhaltung zu bieten beabsichtige. Der Inhalt war
im Wesentlichen folgender. Nacndem in früherer Zeit mehrere fingerte
Reisen von Orientalen nach Europa mit bestimmten Tendenzen geschneben
worden waren (am berühmtesten sind Montesquieu's Lettres fersanes), habe
jetzt zum erstenmale ein Morgenländer die Eindrücke semer wirUichen
Reise durch Europa in einem Buche veröffentlicht, welches unter dem Titel
-Das Buch der ergötzlichen Reisebeschreibungen" im Jahre 1856 in der
Missionspresse zu ßeyrut erschienen ist. Selin Bisteris gibt in dieser Be-
schreibung seiner Reise uns sachlich nichts Neues; aber sein ruhiger, vor-
urtheilsfreier Blick von einem ganz anderen Bildungsstandpuncte aus gibt
der Erzählung, die nach orientalischer Art auch durch (mittelmäfbige^ Ge-
dichte gewürzt wird, ihr besonderes Interesse. Uebrigens ist der Autor
Christ und dadurch viel besser zur Beurtheilung europäischer Verhältnisse
*) Photographien der Balliste und Katapulte, durch Hm. Schnitze hier,
Plöckstrasse 79, aufgenommen, sind auch verkäuflich zu haben.
*) Hier wird am besten die Nachricht anzuschliel^n sein, dass Modelle
der Katapulte und Balliste, sowie eine Anzahl, vom Museumsdirector
Dr. Lindenschmitt in Mainz eingesandte antike Waffen zur Besich-
tigung aufgestellt waren, sowie dass Donnerstag 10 Uhr die hiesige
Jugendwehr üebungen hielt, zu deren Besichtigung die Philologen
eingeladcoi waren.
MiscelleiL 605
befthigt, als ein Mnhamedaner es wäre. Grand seiner Reise war der Bath
der Aerzte, welche ihm eine Lnitreränderung Yorsehrieben. Am 37. März
1855 reiste er Ton Beymt ab, kam über Aesypten nach Malta, wo ihm ein
Tanzsaal ^^r Herrn und Damen* verwunderlich, eine Dampfmühle sogar
dämonisch vorkam, und dann am «»Hdllenberge*' Stromboli vorbei nach
Neapel. Die Stadt gefiel ihm sehr, aber der jBerg „Volcano** flofste ihm
Entsetzen ein. Von Pompeji hörte er, dass es vor 1200 Jahren zerstört
worden sei, er wisse nicht wodurch. Aus Rom klagt er sehr über die
schlechte Luft und die Hitze, wie ihm das Wetter überhaupt in Europa
viel zu schaffen macht. Mehr noch als die Peterskirche gefiel ihm dort aie
neue Kirche S. Paolo; die ganze Stadt machte ihm einen herrlichen Ein-
druck. In Pisa, meint er, „wagt es kein Fremder, an dem schiefen Thurme
vorbeizugehen, aber die Einheimischen thun es olme Furcht*', üeber Florenz
und Genua geht es nach Marseille, wo ihn eine Fabrik türkischer Fess,
ein Spectakektück, die Erstürmung des Malakoff darstellend, und eine Hell-
seherm (die wieder dämonisch ist) besonders interessieren. In Paris, dem
„irdischen Paradiese'* (welches Epitheton übrigens recht freigebig ausgetheilt
wirdVweilt er 29 Ta^e und ist von der Stadt und den Menschen entzückt.
Die Pariser sind meist Rentiers und Lustwandler; doch gibt es auch sehr
arme Leute, von denen sich manche in der Seine ertränken. In der Industrie-
Ausstellung fand er mit Betrübnis wenige türkische Artikel; bei dieser
Gelegenheit lässt er sehr vernünftige Bemerkungen über den Charakter-
unterschied zwischen den Orientalen und den rührigen Europäern hören.
Der Telegraph, ein Automat, das Spiel der Rachel und aui^erdem ein Affen-
und Hundetheater (!) erregen ihm wahrhafte Begeisterung. — Ganz anders
ist es in London, wo ihm Nebel, Rauch und Rufs und die finsteren Ge-
sichter der Menschen aufs Höchste misfallen; er wird unwohl und flieht
nach Brüssel, wo zum erstenmale seine orientalische Tracht Aufsehen er-
regt. Ueber Köln, das keine Merkwürdigkeiten bietet, während die Gegend
von da bis Bonn reizend ist, kommt er nach Berlin, dem „schönen Ga^n"
mit wohlgesitteten und — gottesfürchtigen Bewohnern. Mehr aber noch
gefallt es ihm in Potsdam, das ihm sogar zum Wunsche begeistert, ewig
ort bleiben zu dürfen. Die Rückreise über Wien und Tnest wird nur
flüchtig beschrieben; „Böhmen** nennt er eine Eisenbahnstation; Schön-
brunn und Baden gefallen ihm ausnehmend; bei Chios erleidet das Schiff
einen Unfall, doch besucht er noch das herrliche Constantinopel und lan|^
am 1. October 1855 wieder in Beyrut an, glücklich, die Heimat und aie
Lieben wieder zu sehen.
Da während dieser ganz unterhaltenden Erzählung, an welche sich
natürlich keine wissenschamiche Debatte anlmüpfen konnte, die Zeit schon
recht weit vorgerückt war, musste leider der Vortrag des Prof.'s v. d. Launitz
auf die nächste Sitzung verschoben werden. Um 12% Uhr wurde die Sitzung
geschlossen.
Ein Eitrazug führte um 2'/, Uhr einen grofsen Theil der Mitglieder
der Versammlung nebst einer Anzahl ihrer Damen nach Carlsruhe zur
Festvorstellung, welche um QV^ Uhr in dem den Gästen vollständig zur
Disposition gestellten ^ossherzogl. Hoftheater ihren Anfang nahm. „Brutus
undf CoUatinus", eine Tragcedie von Lindner, einem Philologen in Rudol-
stadt, war zur Aufführung erwählt worden. Das Stück wirkte nach der
Ansicht der Meisten, trotz mancher Längen, nach Inhalt und Form recht
befriedigend, und die ausgezeichnete Darstellung erhöhte den Gfenuss noch
bedeutend. Um 11 Uhr brachte ein Extrazug die Festgenossen nach der
Musenstadt zurück.
Dritte Sitzung. 29. September. Präsident Prof. Dr. Köchly.
Anfang 10V, Uhr.
Hofrath Halm aus München weist auf eine auf dem Bureautisch
vorliegende Abhandlung Theodor Mommsen^s iä den neuesten Berichten
066 Miscellen.
der Berliner Akademie hin und legt der Versammlan^ in des VerÜEUseis
Auftrag eine in der Abhandlung enthaltene Bitte an*8 Herz. Mommaen
beklagt nänilich, dass in vielen, besonders süddeutschen Bibliotheken zweiten
und dritten Ranges noch viele handschriftliche Schätze vollständig ver-
borgen liegen und fordert insbesondere auf, die von Fröhner im Philologas
Bd. 16. 1860 S. 719 beschriebene, bisher vergeblich gesuchte handschrift-
liche Inschriftensammlung, welche sich noch Ende des vorigen Jahrhunderts
in Mannheim befand, in ihnen aufzusuchen. An diese Mittheilung schlieM
Halm überhaupt den Wunsch an, dass man von den Handschriften in den
erwähnten Bibliotheken überall Kataloge anfertigen und veröffenÜidien
möge, wozu sich besonders die Gymnasialprogramme eigneten. Man solle
sich nicht durch falsche Scheu, besonders durch die Furcht, das Alter der
Handschriften falsch zu bestimmen, abhalten lassen; auch den Geübtesten
begegneten hier zwar Irrthümer, aber im allgemeinen sei die Auf^be viel
leichter, als man sie sich oft vorstelle.
Hierauf theilte Rector Eckstein aus Leipzig mit, dass die Com-
mission, welche zur Wahl des nächsten Yersammlun^rtes niedergesetzt
war, sich für Halle entschieden habe, für das er die zuvorkommendste
Aufnahme im Namen des preufsischen Cultusministeriums verbürgen könne.
Es erhebt sich kein Widerspruch; Halle wird als der Ort der fünfund-
zwanzigsten, der Jubiläums-Versammlung, festgesetzt und Prof Dr. G.
Bernhardy zum Präsidenten, Prof. Dr. Th. Bergk und Director Prol Dr.
Kr am er zu Vicepräsidenten erwählt. Dort, schlug Rector Eckstein vor,
solle auch eine allgemeine Revision der seit einigen Jahren schon factisch
verletzten Statuten erfolgen. Sie sei dringend noth wendig; das habe sich
besonders bei der Einrichtung der kritisch-exegetischen Section gezeigt, die
der pädagogischen viel Kummer bereitet habe.
Der Präsident zeigt an, dass ein von Dr. Weismann und Hoff-
mann v. Fallersieben eingebrachter, von Mussafia, v. Keller, Lieb-
recht, Lübben, Petters und Wattenbach mit unterzeichneter Vor-
schlag dahin laute, das Präsidium der nächsten Versammlung zu ersuchen,
es möge sich mit den Eisenbahnverwaltungen in Verbindung setzen, um
eine Ermäfsigung der Fahrpreise für die Besucher der Versammlung zu
erwirken. Der Vorschlag wird einstimmig augenommen.
Der Präsident zeigt an, dass Photographien der antiken Belage-
rungsgeschütze angefertigt und verkäuflich (s. o.) sind und ertheilt hierauf
das Wort an:
Prof. V. d. Launitz aus Frankfurt a. M. zu seinem Vortrag „üeber
die Toga der Römer und die Palla der Römerinnen". Prof. v. d.
Launitz begann seinen äuf^erst interessanten Vortrag mit der Bemerkung,
dass er ihn theil weise schon früher^) gehalten und nur auf die Aufforderung
des Hm. Präsidenten sich zur Wiederholung entschlossen habe; er wolle
aber etwas neues hinzugeben, die Besprechung der Palla. Er wolle übrigens
keinen gelehrten langdauemden Vortrag halten, sondern nur ein kleines
Prakticum geben. Der Unterschied zwischen der freieren, individuelleren
Kleidung der Griechen und der der Römer und Etrusker bestand im Schnitt
des Gewandes und der Art des Umwurfs. Das paUiumj die griechische
Tracht, war viereckig; die römische Toga oval, von abgerundetem Schnitt.
Letztere Tracht machte der Redner dadurch in hohem Graäe anschaulich, dass
er sie einer schon mit der tunica bekleideten Modellfigur wirklich umlegte,
von der linken Schultor hinten herab um die rechte Hüfte herum bis
wieder auf die linke Schulter herauf, von welcher weiter das letzte Drittel
entweder wieder über den Rücken herab oder (so meist bei den Griechen)
Über den linken Arm nach der Seite herunter geworfen wurde. Meistens
aber wurde bei den Griechen auch der rechte Arm in das Gewand ver-
schlungen, und es ealt dies als elegantere Tracht. Den einfacheren Umwurf
zeigte Redner an der Abbildung einer Statue des Zenon, die elegantere
*) Auf der Versammlung mittelrheinischer Gymnasiallehier in Frank-
furt, Pfingsten 1865,
Miscellcn. 697
Ansbildung an der einer Statue des Aeschines. — Ganz ähnlich jener
erstem war die römische Tracht bis za der späteren Zeit der Republik.
Dann kam als Veränderung der sinits auf f t^enlms nuUi sinus' Quintil.
IX 3, 137), der durch eine theilweise Verdoppelung des Gewandes unter
dem rechten Arme her bewirkt wurde ; der ainus ward immer gröfser, der
umbo und bcUteus an demselben ausgebildet, der rechte Arm ganz frei und
lebhafte Gesticulationen möglich. Diese ausgebildetste Art der Toga ward
an der Abbildung einer Statue des Tiberius gezeigt, und sodann legte
Redner selbst um das erwähnte Modell eine Tow von feinstem Stoffe in
jener späteren Weise, wodurch vor aller Augen die genaue üebereinstim-
mung mit der Tracht jener Statue sichtbar wurde. Nach der Erklärung
aller Theile dieses Kleidungsstückes las Redner die Stellen aus Quintilian
(IX 3, 137. 139 vor, wo dieser die Procedur des Umnehmens der Toga
beschreibt, welche mit den von ihm hergestellten amicius vollständig über-
einstimmten. Diese elegantere Toga verlangte, um am sinus keinen zu
grofsen Wulst zu bekommen, eine andere Art von Zuschnitt des Tuchs,
das statt oval nun halbkreisförmig mit einem runden Ausschnitt um das
Centrum des Kreises wurde. Der Redner hatte diese Form durch Zufall
bei einer Demonstration von Kegelschnitten entdeckt. Die übergrofse Sorg-
falt, welche die Elegants jener Zeit auf ihren Anzug verwendeten, wird
durch Steilen des Macrobius (Sat. III 13, 4) und TertuUian (de nallio 5)
anschaulich: Man nähte damals den sinus jedenfalls an die Toga und wandte
Klammem, Nadeln u. s. w. viel mehr und künstlerischer an, als viele
denken. Endlich wurde ein pontifex maximus capUe obvoluto dargestellt,
was durch Bedecken des Kopfes mittelst d^ sinua und Heraufziehen des
umbo bewirkt wurde.
(Jeher die paüa der Matronen, dominae, will ich mich kurz fassen.
Sie war auch ein üeberwurf ; unter ihr trugen die Frauen die stola (tunica
exterior), die ein Ivdvua war, kein ntgtßkfi^ay und unter dieser die tunica
interior (intenda, inausium). Die stola gieug bis auf die FüTse; am Halse
wurde die interula sichtbar. Darüber wurde nun die paüa geworfen, ein
längliches Viereck gleich dem griechischen paUium, deren Reiz nicht sowohl
in mrer Form, als vielmehr in dem kungtvoUen Umnehmen zu suchen ist.
Diejenigen, bei welchen der obere Theil der stola möglichst frei blieb,
welche somit die Tracht von Göttinnen tragen, sind zunächst Kaiserinnen,
doch später auch andere Frauen, die als Göttinnen dargestellt sind. So
die berühmten herkulanischen Statuen in Dresden, die wohl nicht lauter
Poljmnien vorstellen, sondern nur eine aus deren Tracht hervorgegangene
elegante Kleidung haben. Es wurden dann die verschiedenen Arten dos Falten-
wurfes gezeigt und erklärt, wie die Damen ihm noch durch die Aufnahme
des Randes eine besondere Anmuth zu geben wussten. Zum Schluss wurde
dann auch die Statue einer Matrone (in welche die früher gezeigte Statue
eines Mannes einstweilen umgewandelt war), mit der farbigen Palla über
die weifse Stola angethan, der Versammlung vorgezeigt.
Auch über diesen Vortrag, für welchen dem Redner lauter, lebhafter
Beifall lohnte und der auch die zahlreich anwesenden Damen interessierte,
fand keine Debatte statt.
Privatdocent Dr. Just i aus Marburg, dessen Vortrag „Mi tth eilun-
gen aus Winckelmann's schriftlicnem Nachlass*' noch auf der
Tagesordnung stand, verzichtete wegen der vorgerückten Zeit auf das Wort.
Nach einigen geschäftlichen Mittheilungen wird die Sitzung kurz
vor 1 Uhr geschlossen.
Der Nachmittag brachte den Mitgliedern der Versammlung nebst
den Damen der Gäste beim herrlichsten Wetter das Vergnügen eines Aus-
fluges in das Neckarthal hinauf, wo man in dem reizend gelegenen Neckar-
steinach einige fröhliche Stunden bei einer von der Stadt Heidelberg ver-
anstalteten festlichen Bcwirthung zubrachte. Unter den R^iden nenne ich
die des Bürgermeisters Krausmann auf einen „Bund zwischen Heidelberg
und den Philologen" und die darauf folgende, schon in öffentlichen Blä&
;Seit$rhritt t. U. ostrrr. Gyiuii. lh(>.V IX. Heft. 47
098 Misocllcn.
tern vielfach gedruckte poetische Improvisation von Hoffmann v. Fallers-
lehen anf das Gedeihen dieses Bandes. Nach ehenso schöner Rück&lüt,
welche bis nach Neckargemünd anf Schiffen gemacht wurde, die langsam
durch die Abendstille dahinglitten, vereinigte am Abend noch eine Fest-
Reunion in den Sälen des Museums die Jungen und Alten zu Tanz oder
zu fröhlicher Geselligkeit.
Vierte Sitzufig, 30. September. Präsident Prof. Dr. Köchly,
Nach 10 Uhr eröffnete der Präsident die Sitzuns^ mit einigen
feschäftlichen Mittheilungen. Hierauf hielt Hofrath ürlichs aus Wftrz-
urg seinen angekündigten Vortrag: „üeber das römische Forum***).
Der Präsident trägt hierauf die ihm schriftlich zugekommene Bitte
des Privatdoc. Dr. Justi aus Marburg an die Versammlung vor, dass ihm
etwaige Nachrichten über noch unbekannten handschriftlichen Nachlass
Winckelmann's gefälligst mitgetheilt werden möchten, und schliefst hieran
die Aufforderung an Herrn Dr. Justi, seinen Vortrag „Mittheilungen
aus Winckelraann's schriftlichem Nachlass", den er leider von der
Tagesordnung zurückgezogen , in den bei Teubner erscheinenden Verhand-
lungen der Versammlung vollständig abdrucken zu lassen.
Prof. Fi ekler aus Mannheim theilt mit, was die Mitglieder, welche
sich dem Programme gemäfs am Nachmittage nach Mannheim begeben
würden, dort zu erwarten hätten: die Besichtigung einer kleinen aber
werthvollen Gemäldesammlung, dann insbesondere das Antiquarium, aus
dem er eine Inschrift mit dem ältesten Namen von Heidelberg {civitas
Ulpia Sfevera) und 14 etruskische Todtenkisten hervorhob, und Dr. Lorent's
grofse Photographien (gegen 200) orientalischer Gegenden und Gebäude.
Der oben erwähnte Trinkspruch Hoffniann*6 v. Fallersleben, der
unterdessen gedruckt worden war, wird vertheilt.
Rectoi Eckstein aus Leipzig hielt darauf seinen angekündigten
Vortrag „üeber Johannes Sturm.** Er wollte eine Ehrenrettung dieses
hochverdienten Schulmannes geben, der in Schmidts Biographie fast nur
von der theologischen Seite tStrachtet, in K. v. Raumer*s Geschichte der
Paedagogik aber ganz oberflächlich behandelt sei. Er war 1507 in Schiei-
den gelwren, lehrte nach vollendeten Studien 8 Jahre lang in Paris be-
sonders über Cicero und Dialektik, und heiratete dort eine sehr gelehrte
Frau. Dann wurde er nach Strafteburg berufen, wo er Mai 1537 im Auf-
trag der Scholarchen die noch jetzt berühmte Schule gründete. Sein Ge-
halt betrug Anfangs 40 fl. , steigerte sich aber allmählich auf die unge-
wöhnliche Summe von 200 fl. Die unselige formula concordiae bedrohte
die Hochschule in ihrer Existenz. Als Sturm sich weigerte sie zu unter-
zeichnen, musste er abdanken; erblindet und lebensmüde starb er endlich
1598. Die damals geltende Schulordnung Melanchthon's von 1&28 hatte
keine radicale Aenderun^ des mittelalterlichen Systems gewollt; die „drei
Haufen von Schülern** sind noch das trivium und quadrivium des Mittel-
alters. Jetzt gibt es ihrer 6 ; schon Bugenhagen führte 5 ein , nur in
Pommern blofs 4, weil es da „an Geistern fehle." Sturm 8chwäm:t fftr
Griechen und Römer, nur in der Religion seien wir ihnen voraus; doch
tritt das kirchliche Element bei ihm mehr zurück. Die wesentlichste Schrift
rtde ludis aperiutidis*^ hat Raumer nebst anderen ganz unberücksichtigt
felassen. Er wollte Einheit der Erziehung. 7 Jahre gehören der Mutter,
4 dem Lehrer, der zur sapiem cUque eloqriem pietas anleiten soll. Die
„Concentration des Unterrichts**, um ein modernes Schlagwort zu gebrauchen,
war sehr streng durchge^hrt. Religionsunterricht kam damals in den Schulen
nie vor. Sermonis eleganiia ist ihr Ziel; nach einem aus Cicero entnom-
menen Schema sind die ersten 7 Jahre bestimmt, die Rede pura et dikicida,
die nächsten 2, sie arnata, die Universitätsjahre sie eon{fruens et cupia zu
machen. Copia vocabutorum ist sehr wichtig, sie wird in jeder Weise gcför-
*) Dieser Vortrag wird im nächsten Hefte mitgetheilt werden.
Miscollen. ÖW)
dert, ancli durch Aufführungen des Plautus und Terenz. Mit Unrecht warf man
Sturm eine unpraktische Geringschätzung des Deutschen vor: man bedenke,
wie wichtig Latein damals im Leben war^ so z. B. in diplomatischen Ge-
schäften, für die er mehrmals verwendet wurde. Er „riss" deshalb „das
Deutsche aus der Schule", bewunderte aber doch Luther's Deutsch, und
wollte keinen „lateinischen Staat gründen", wie man spottete. Klarheit
der Gedanken will er durch den Unterricht erzielen, nicht Phrasen; des-
wegen ist er entschiedener Gegner der einseitigen Ciceronianer und Eras-
miauer. Baumer sagt, er habe auch Astrologie in die Schule aufgenom-
men, und bedenkt nicht, dass astrologia Astronomie helfst! Auch wir
müssen die technische Seite des Alterthums mehr hervorheben; viele Ver-
irrungen und Verdächtigungen werden dann schwinden. — Wegen der vor-
gerückten Zeit brach der Redner hier seinen Vortrag ab.
Hierauf wurden nach einer neu getroffenen Einrichtung die Berichte
der Sectionen über ihre Thätigkeit vorgelesen. Prof. v. Langsdorff, be-
richtete aus der piedagogischen Section, Dr. Bülau aus der orientalistischen,
Prof. Creizenach aus der germanistischen, Prof. Stark aus der archäo-
logischen, Dr. Oncken las den Bericht der kritisch-exegetischen Section vor.
Da in dem Berichte der archseologiachen Section die Versammlung
auch aufgefordert wurde, sich über die oben erwähnte durch die Gesell-
schaft der Archseophilen in Athen veranstaltete Lotterie nunmehr auszu-
sprechen, so adoptierten sie die Ansicht der archsBologischen Section, dass
zur ßetheiligung an derselben nicht zuzurathen, sondern vielmehr die un-
eigennützige Beihilfe von Regierungen und Privaten zu diesem äufserst
nützlichen Unternehmen zu erwünscnen sei.
Der Präsident erhob sich darauf zur Schlussrede. Er constatierto
mit Befriedigung, dass die Versammlung stärker besucht war als alle
früheren. Für einige Aenderungen, die das Präsidium getroffen, rechtfer-
tigte er sich gegen den darüber vernommenen Tadel; so z. B. dass er die
Mitgliederliste nicht vorgelesen habe. Allen gefallen sei schwer ; Allen ge-
fallen wollen, thöricht. Das Präsidium habe sein Amt als eine dicta-
tura betrachtet, aber cum provocatione ad populum. Besonders sei die
Gründung einer neuen , der kritisch - exegetischen Section angefochten
worden. Nach seiner Meiiung liege gerade in den Sectionen der Kern des
wissenschaftlichen Lebens aer Versammlung; immer mehr und me]ir uiüss-
ten sie zur Blüthe gedeihen. In den allgemeinen Sitzungen seien allge-
meinere, für einen gröfseren Kreis anziehende, auch formell vollendete
Vorträge von Nöthen. Möge man diesen Gesichtspunct bei der Statuten-
revision in Halle festhalten. Sei man auch hierüber uneinig, einen gröfse-
ren Einigungspunct habe man , ein Name sei der jedes Deutsclien Herz
begeistere , der auch in dieser Versammlung freudig widerhalloji werde,
wenn er ihn ausspreche und mit ihm wolle er schliesseu: ein einiges,
freies Deutschland — es lebe hoch!
Nach dreimaligem lauten Hochrufen der Versammlung, ehe noch
der Präsident die VersammlungpAhloXs, erhob sich Director Ahrcns aus
Hannover, um im Namen der Versammlung allen denen ihren innigen
Dank auszusprechen, die durch ihre Unterstützung und Thätigkeit das
Gelingen der verflossenen schönen Tage ermöglicht hatten : der grofsh. Re-
gierung und dem Universitätssenat, der Stadt Heidelberg, dem Vorstande
des Museums und allen Privaten, dem Präsidium der Versammlung, dem
Localcomite und dem J^ureau. Ihnen allen sei man Dank schuldig. Die
Versammlung gab demselben durch ein dreimaliges Hoch freudigen Ausdruck.
Der Präsident erklärte hierauf nach 1 Uhr die vierundzwanzigste
Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner für geschlossen.
Anhangsweise sei eine Uebersicht der der Heidelberger Philologen-
Versammlung gewidmeten Festschriften und der in gröfscrer oder ge-
ringerer Anzahl von Exemplaren vertheilten literarischen Geschenke zu-
sammengestellt
47'
700 Misceilen.
L Festschriften, a) Pküologos paedagogosqiie Germanos , . . rite
reverenter amice conscUtUant Artninius Koechly Bemardus Stark Ca^
rolus Cadenbach friumviri conventui moderando. Heidelb. XXYII und
44 S. gr. 4. Enthält e. Abhandlung y. Eöchly über den codex Palatinus 43
des Mus&us, über den sg. Homerischen Hynmus an Apollo, der in flinf
Gedichte zerlegt wird, und über Aristoph. Ran. 1420 — 1466. Sodann eine
Abhandlung von Stark über zwei Mithrasdenkmäler aus hiesiger Gegend,
deren Abbildungen beigegeben sind.
b) Festschrift des nies. Lyceums: De Aristophanis fabula quae in-
ierüntur Aves, scripsit S. Loehle. Heidelb. 88 S. 8.
c) Festschrift zur Begrüfsung veröffentlicht von dem historisch-
philosophischen Vereine zu Heidelberg. Leipg. 1865. XVI und 147 S. 8.
Enthält Einleitendes über den Verein, vom Schriftführer Dr. Ondcen; wis-
senschaftliche Beiträge von Oncken: Die Wiederbelebung der aristote-
lischen Politik in der abendländischen Lesewelt; Ihne: Ueber die patres
conscripti; Zeller: Eine Arbeitseinstellung in Rom; Riese: Üeber die
Geschichtswerke des L. Cornelius Sisenna; As her: Die bina iugera der
römischen Bürger; Doergens: Ueber die Mitregentschaft unter Augustus;
Scherrer: Ad vocem Druides; Wattenbacn: Benedictus de Pileo;
Kays er: Heidelberger Philologen im sechszehnten Jahrhundert
d) Das vaterländische Element in der deutschen Schule. Vier Schul-
reden von Dr. G. Weber, Prof. u. Schuldirector in Heidelberg. Leipg.
1865. Vm u. 47 S. gr. 8.
e) Fi ekler. Römische Alterthümer aus der Umgegend von Heidel-
berg u. Mannheim. Mannh. 1865. 14 S. gr. 8.
f) Forchhammer, En schreben ßreef an min lewe Pründ Ed. v.
d. Launitz, von wegen Polyklet sin Nägeln. Kiel 1865. gr. 4.
f) Aufruf zur Gründung einer Bopp- Stiftung. Berlin 1865. gr. 4.
I. Geschenke, a) Ueber den Inhalt und Zusammenhang von
Plato's Symposion. Von Dir. Deinhardt Bromberff. 35 S. gr. 4.
b) V. Valentin, Orpheus und Herakles. 1865. a
Heidelberg. Alexander Riese.
Verhandlungen der kritisch-exegetischen Section.
Die kritisch-exegetische Section constituiertc sich nach dem Schlüsse
der ersten allgemeinen Sitzung, nachdem die von Prof. Köchly an die
Herren, welche in dem filr die Sitzungen der Section bestimmten Hör-
saale der Universität anwesend waren, gestellte Vorfrage, ob sie die Grün-
dung dieser neuen, im vorigen Jahre erst projectirten Section für wün-
schenswerth hielten, allgemein bejaht worden war. Zum Präsidenten wurde
Hofrath v. Leutsch aus Göttingen, zu Schriftführern Dr. Wölfflin aus
Winterthur und Dr. Zöller aus Heidelberg ernannt. Nach Festsetzung der
Tagesordnung fär die erste Sitzung wurde die Vorversammlung geschlossen.
Erste Sitzung. 28. September.
Anfang 8 Uhr.
Nach einigen einleitenden Worten des Präsidenten erhält Hofrath
Platz aus Carlsruhe das Wort zur Besprechung der vorgeschlagenen
Frage: „Sind die Verse des Horaz in den Satiren I 4, 81 — 85
dem Dichter oder dem Gegner desselben in den Mund zu le-
flfen?" Keck war es, welcher zuerst in MützeU's Zschr. f. GW. 1856 S. 860
diese Verse 'Ahaentem qui rodit amicum u. s. w. hie tUaer est; hune tu
Bomane caveto* dem Gegner des Dichters in den Mund legte; und Dö-
derlein und Krüger sind ihm hierin gefolgt. Auf Horazens Frage nach
einem Gewährsmann für seine Anschuldigung exponiere der Gegner lieber
Miscellen. 701
den Begriff eines bösen Menschen und subsumiere daninter stillschweigend
den Horaz. Redner sucht diese Ansicht aus dem Zusammenhang der ganzen
Stelle sowohl, als aus dem Charakter des Horaz zu widerlegen, der ja
durch sämmtliche in diesen Versen vorgebrachten Vorwürfe gar nicht ge-
troffen werde.
Prof. Teuf fei aus Tübingen erklärt sich mit der Verwerfung der
Keck'schen Ansicht einverstanden; überhaupt sei er ^egen neue Auslegun-
gen im Horaz, an dessen Erklärung sich schon so viele treffliche Männer
abgemüht hätten, im voraus eingenommen.
Hofrath Platz erklärt sich mit diesem Grundsatze nicht einver-
standen. Besonders durch Aenderung der Interpunction hätte sich schon
manche treffliche neue Erklärung ergeben, wie gerade in unserm V. 81,
wo Doderlein das Komma nach rodü statt nach amicum setzte.
Weiterhin sprachen sich noch Prof. Kratz aus Stuttgart, Dr. Albert
Müller aus Hannover, Prof. Teuffei, Bector von Jan aus Erlangen
über die Stelle aus. Letzterer hebt hervor, dass Doderlein, sonst in seinen
Behauptungen sehr hartnäckig, gerade hier auf Keck's von ihm angenom-
mene £)rklärung, wie er aus Gesprächen mit ihm wisse, keinen Werth ge-
legt habe.
Präsident Ho^th v. Leutsch erklärt, er wolle, durch Horazens
Spruch gemahnt, sich für den abwesenden Keck verwenden. Wenn man
mit diesem die Verse dem Gegner in den Mund lege, so sei der Zusam-
menhang dieser: Auf die tVage des Horaz, wer denn auctor dieser mis-
günstigen Ansicht über ihn sei, antworte der Gegner: dazu brauche er
keinen Gewährsmann; es sei ja stadtbekannt, ein wie schlechter Mensch
Horaz sei; denn „wer den Abwesenden verläumde** u. s. w.
Oberlehrer Dr. Lieven aus Riga ist der Ansicht, auch der Anfang
der dritten Satire V. 1—19 sei dem Gegner des Horaz in den Mund zu
legen. Er, sowie Prof. Planck aus Heilbronn, stimmen der Keck'schen
Annahme theilweise bei.
Indem der Präsident dem Redner für seinen Vortrag dankt, consta-
tiert er, dass wol die meisten der Anwesenden sich für die frühere Er-
klärung entschieden hätten und TeuffeFs Scheu vor Neuerungen somit
diesmal wenigstens gerechtfertigt sei. Da viele der Anwesenden sich an
den Verhandlungen der archäologischen Section zu betheiligen wünschen,
wird die Sitzung um 9V, Uhr geschlossen, nachdem an Stelle des bald
darauf abreisenden Hofraths v. Leutsch Prof. Teuf fei aus Tübingen zum
Präsidenten gewählt worden war.
Zweite Sitzung, 29. September.
Anfang 8 Uhr.
Nachdem der Präsident Prof. Teuf fei die Sitzung eröffnet hatte,
hielt Privatdocent Dr. Hagen aus Bern einen Vortrag Jueber den co-
dex Bernensis 172 saec. IX— X des Servius." Die Emendation
des Servius stelle man sich in der Regel wegen der Verdorbenheit der
Ueberlieferun^ wie wegen seiner unoorrecten Sprachweise als sehr schwer
vor; durch die zu besprechende noch unbenutzte Handschrift werde sie
aber wesentlich erleichtert. Auch biete sie schätzenswerthen Zuwachs zu
dem Texte, indem sich zur Aeneis III 520 ein unediertes Fragment der
Historiae des Sallust finde: 'et parvis modo velorum cUis remissitf*. Da
parvi8 sich wol auf veliSf nicht aoer auf velorum olis, eine ziemlich poe-
tische Umschreibung für velis alatis, beziehen könne, so sei statt dessen
p<»ulum zu lesen, was sich durch Vergleichung mit Sali. Jug. 60 empfehle.
(Der Unterzeichnete schlug paulisper als den Buchstaben nach näher lie-
gend vor.) Die Stelle müsse sich auf einen Seekrieg beziehen; und sehr
passend deutete Redner sie auf die bei Plutarch Sertor. c. 7 geschilderten
Ereignisse. — Hierauf legte Redner als Probe der Güte seiner Handschrift
einige mit ihrer Hilfe cmendierte Stellen vor. Zu Ann. III 217 gebe sie
708 Miscellen.
mnosum statfc annomm; daraus sei saniomm zu emendiren. — Zu Aeit
JII 317 hat sie paphas statt dapnas: man lese pathos. — ibid. 410 wird
Columtia an der sicilischen Meerenge genannt; cod. Bern, bietet calumna:
Hagen liest daher Calahria. Dagegen weisen Dr. Weidner aus Cöln
und Prof. Planck aus Heilbronn auf einen Witz in Cicero's Sestianabio,
der nur zu verstehen sei, wenn man in jener Gegend eine Oertlicbkeit
Namens Columria annehme. — Zu Aen. IV 75 steht statt indueere im
Bernensis xnQucere, woraus sich ivilicere ergibt; und statt impendiwn
cowpetulitim 'Gewinn'. — Aen. IV 215: prohrosis enim non lenibus (Siiitz
und Dietsch ergänzten rerbis): aus dem Bern, non linibus ergibt sich
iäheTzeusend nominibus. Eckstein schlug haminihus vor. — ibid. 216 liest
H. auf Grundlage der Hds. : quod est convieium maius, non ifinZtem
tantum sed eiiam merttricem vocare, — ibid. 404: quo ante Acciua
«aus est de Indi^. Bern.: de inde nos. Hagen liest de MyrfmdowStms,
An der Disputation betheiligt sich Rector v. Jan. Eckstein emendiert imt«
in item. -- ibid. 589 liest Hagen statt versum mit seiner Handschrift
usum. — Aen. V 30. effigieni canis pei'cussum. Man ergänzte nummum
e ff igte c. p. Die Handschrift aber bietet est cum effugtem; also ist xa
lesen: aes cum effigie. Vorher hat sie richtig cum qua delata und cmiii
ea fehlt. — ibid. 40 iverit; Bern, merit; zu lesen maereat und mit der
Handschrift reversos. — ibid. 117: dÄ Bemer codex hat a quo nomine
geas italic memmia; daraus ist iiala herzustellen, das übrige in dieser
Fassung zu behalten. Das folgende A quo — Memmii ist Glossem. ut
si nom. plur, hat die Handschnft, als Hindeutung auf ut sit. — ibid. 408 :
vetteret und comideraret gebe das ms. richtig. Vertu virtus sei in v. cestus
zu emendieren. Diese Stelle nebst andern zeige auch, da Servius das Wort
vertit statt versfU erkläre, dass ihm ein corruptes Vergilexemplar Torge-
legen habe. —
Der unterz. Berichterstatter sprach hierauf über das eollegium
poetarum in Rom. Auf der vorigen Philologenversammlnng schlug
Prof. Hertz vor, da sich Horaz Sat. II 6, 36 als scriba bezeichnet, ihn
hienach nicht als Secretär eines Quästors, sondern als Mitglied des coUe-
gium scriharumy der römischen Dichterzunft, zu betrachten, deren Existeni
unter diesem Namen 0. Jahn aus Festus s. v. scribas überzeugend nach-
gewiesen hat. Hertz erklärte nach andern dieses eollegium in der Zeit
des Horaz als Sammelplatz der Poeten reactionärer Tendenz. Dies sei ein
sehr unklarer Ausdruck; wir wüssten von jenen Dichtern eigentlich nichts
— indessen möge man sie immerhin als Anhänger der alexandrinischen
Dichtungsweise betrachten. Meine Frage betraf vielmehr das Wesen, das
Fundament jenes CoUegiums. Als Vereinigungspunct von Dichtem Einer
Tendenz, als Clique, hätte es sich eines senr Tangen Lebens erfreut: denn
im zweiten punischen Kriege gestiftet, bestand es jedenfalls noch nach
90 V. Chr. vgl. Valer. Max. JII 7, 11. Besonders spricht eben die Stelle
des Festus selbst gegen diese Annahme, welche besagt dass "cum ZAviua
Andronicus bello Punico secundo scribsisset carmen publice ad*
tributa est ei in Aventino aedis Minervae, in qua lieeret scrt6ia (d. h.
poetis, wie Festus vorher erklärte) histrionibusque consistere ac dona
ponere, in ft&noretn Litni, quia is et scribebat fabulas et apebat*. Also
fublice, unter Staatsautorität, gestiftet hatte das Colleg den officiellen Zweck,
in ienem Tempel der Minerva sich zu versammeln und Opfergeschenke
niederzulegen. Durch letztere Handlung religiöser Art tritt aas oolleginm
in die Reihe der andern gleichnamigen Gesellschaften, welche alle ihre
Thätigkeit um eine Cultushandlung gruppieren, aber zu einer geregelten
Verfolgung praktischer Zwecke bestimmt sind. Letztere müssen auch für
das eollegium der scribae aufgesucht werden. 0. Jahn fand sie in der *He-
bung ihrer bürgerlichen Stellung*; dagegen spricht wol, dass auch der
vornehme Tragilcer Csesar Strabo Mitglied war. Sie werden sich vielmehr
daraus errathen lassen, dass scribae und fUstriones nach Festus' Worten
die Genossenschaft bildeten; was erklart wird 'quia Livius et 9cr%htbai
Miscellen. 708
fainüaa et agebcU^ wobei weder seine damals so wichtige Odyssee, noch die
an jener Stelle doch besonders naheliegenden Cultusheder erwähnt wer-
den. Bemhardy sieht diese Erklärung ohne Grund für Erfindung des
Grammatikers an ; natürlich ist sie aber so zu fassen, dass Livius nur der
persönliche Ausdruck einer zwischen den scribae und histrimies überhaupt
oestebenden realen engen Verbindung war. Diese beiden Aeufserungen
des Festus weisen denn darauf hin, dass unter scribae speciell dramu-
tische Dichter zu verstehen sind. Solche waren Livius, Attius und Caesar
Strabo, die einzigen bekannten Mitglieder. Dass der Lj^rikcr CatuU das
Collegium nie erwähnt, zeigt bei seiner Dichtungsweise sicher, dass er kein
Mitglied desselben war; dies ist natürlich kein stricter Beweis für mich,
doch immerhin erwähnenswerth.
Der Zweck des CoUegiums muss, wie es nun vor uns tritt, gewesen
sein, die öffentliche Thätigkeit der dramatischen Kunst zu fördern
und zu erleichtem. Zur Erkenntnis, wie dies geschah, ist Hör. sat. I 10,
36 fg. äufserst wichtig, obgleich noch unberücksichtigt: Turgidus Alpinus
iugmat dum Memnofia dumque Defingit Rheni luteum Caput, haec ego
ludo, Quae neque in aede sanent certantia iudice Tarpa, Nee redeant
iterum atque Herum spectanda theatris. Ich, will den unnützen Wust der
Erklärungen durch die hier fast vollständig im Dunkeln tappenden Scho-
liasten bei Seite lassen und vielmehr auf den Zusammenhang eingehen.
Während andere grofsartige und pomphafte Gedichte schreiben, sagt Horaz,
thue ich das nicht. Das Grofsartige wird V. 38 fg. definiert als Dramen
(v. 39); 38 erklärt Nipperdey als Hymnen, wozu aber certantia iudite
Tarpa nicht jpasst. Dieser Name (Macius Tarpa bei Porph.) führt vielmehr
coli. Cic. ed Fani. VII, 1 darauf, einen Leiter dramatischer Spiele hier zu
erkennen. Auch hier also, wie bei Festus, dramatische Poesie im Tempel'),
der, da keine andere Wahl möglich, unser Minerventempel sein muss. Dort
fand also ein certare statt, erfahren wir hier; und Tarpa hatte zu ent-
scheiden.
Soviel ist über das collegium nun wol sicher ; ich wage meine An-
sicht nun auf die gegebenen inneren Gründe hin — denn äufsere Beweise
dafür habe ich nicht — in folgender Weise auszusprechen: Tarna war viele
Jahre (cf. Cic. 1. c.) eine Vertrauensperson , ein Beauftragter aer Aedilen,
welche theatralische Aufiiihrungen veransüilteten ; der öfientliche Zweck
des Dichter- und Schauspieler-CoUegiums war, ihm die Auswahl zu er-
leichtern, indem die neuen Dramen dort vorgelesen oder vorgespielt wurden,
worauf er, wol mit Berücksichtigung der Meinung des Colle^s, den Aedilen
seine Vorschläge machte. Donat. vit. Ter. p. 28, 8 sqq. Reiff. steht nicht
in Widerspruch damit. — Horaz und die meisten seiner Zeitgenossen können
demnach nicht Mitglieder des collegium poetarum (so Yal. Max. statt
scribarum) gewesen sein'); ihre Freundschartsbünde sind entschieden davon
zu sondern. Auch mit den privaten Recitationen hat es nichts zu thun.
Die Dramatiker, deren Wohnung bekannt ist, Ennius und Cäcilius, wohnten
auf dem Aventin, wo ihr collegium auch war.
Prof. Teu ffel erklärt die Beweisgründe für nicht recht stichhaltig.
Die Worte quia is et scribebat u. s. w. seien doch wohl eigener Zusatz des
Grammatikers.
Rector Eckstein glaubte, die Horazs teile sei in dieser Weise nicht
zu verstehen. Er verstehe sie von Becitationen. Auf die Fraffe, was dann
iudice Tarpa bedeute, bekannte er, ein vollständiges Verständnis der Stelle
noch zu entbehren.
Hofrath Platz fand auch die Deutung der Horazstelle nicht an-
gemessen.
Der Berichterstatter wies darauf hin, dass diese lediglich für
') Natürlich nicht des Apollo Palatinus: Sat. I, 10 ist anfangs der
dreifsiger Jahre gedichtet, der Tempel erst 28 vollendet.
^) Dadurch fällt Hertz' Erklärung von scriba hinweg.
704 Miscellen.
sich betrachtet ja auch willkürlich wäre; dass vielmehr darch Yerbindang
dieser Stelle mit der des Festus Licht darauf falle.
Dr. Steinmeyer aus Wolfenbüttel zeigte, dass die Beziehnng des
T. 38 auf diese dramatischen Proben zum Zusammenhanff sehr wohl passt
AoTserdem betheiligten sich Prof. Planck aus Heilbronn, Beotorv.
Jan aus Erlangen, Dr. Hagen aus Bern u. A. an der Discussion. G^;en
10 Uhr wurde die Sitzung geschlossen, nachdem vorher noch besonden
durch Rector Eckstein vorläufig ein entschiedener Einspruch gegen das
Weiterbestehen einer gesonderten kritisch-exegetischen Section erholen war,
deren Objecte theils in das Gebiet der allgemeinen Sitzungen, theils in
das der pssdagogischen Section gehörten.
Dritte Sitzung. 30. September.
Anfang 8 Uhr.
Der neue Präsident, Rector v. Jan aus Erlangen, eröffnete die Sitzung.
Professor Teuf fei hielt einen Vortrag über Juvenal 9, 118—1^.
Er sprach zuerst im allgemeinen gegen Ribbeck's Methode in der Behand*
lung des Juvenal ; übrigens fänden sich Spuren doppelter ftearbeitung, wie
z. B. an vorliegender Stelle, an welcher die zwei parallelen Gedanken
'linguam contemnere servi und 'linauas mancipiorum contemnas* unmöglich
so nebeneinander stehen können. Wir müssten vielmehr zwei Bearbeitungen
hier erkennen; der ersten gehörten die vier letzten Verse an, der zweiten
die zwei ersten , durch welche der Dichter jenen Entwurf (v. 120 — 123)
verbessert habe.
Dr. Weidner aus Köln suchte dagegen den Zusammenhang der
vier erRten Verse nachzuweisen.
Dr. Alb Müller aus Hannover schliefst sich dem Vorredner an.
nur müsse idcirco verderbt sein und dafür ein Wort stehen, welches fol-
genden Zusammenhang herstelle: „wenn du meinen eben gegebenen Rath
nicht befolgest, dann hüte dich wenigstens* u, s. w.
Dr. Weidner schlägt statt praecipue vor zu lesen praeeepium est.
Damit ist nach Prof. TeuffeTs Ansicht nichts gewonnen.
Aufserdem betheiligten sich an der Debatte Hofrath Platz, Rector
V. Jan u. A. Auch wurde vorgeschlagen, v. 119 statt servi zu lesen volgi.
Ein bestimmtes Resultat ward nicht erzielt.
Da Prof. Fritzsche aus Leipzig, welcher die Athetese der Worte
Soph. Antig. v. 2—3 *Tc5r nn Ot6(nov xaxah onotov oh^C* zu begründen
versprochen hatte, nicht anwesend war, wurde die letzte Sitzung nacn 9 Uhr
geschlossen.
Heidelberg, Alexander Riese,
Zu Philodem neqi eiaeßelag.
Aus den herculanischen Rollen.
Dass in dem oberen Theile des Bruchstücks auf Tafel 127 ein
dichterisches Citat enthalten ist, dies hatten mich die wenigen lesbaren
Worte: [xtjoawovv nv. . ßokovg nXaxag längst errathen lassen. Doch wniete
ich die Stelle nicht zu restituieren. Wenn ich dies ietzt vermag — und
ich möchte jeden Buchstaben meiner Herstellung verbürgen — , so danke
ich dies einem glücklichen Ungefähr.
Die Tafel 208 des 4. Bandes der Herculanensia Volumina schildert
in ironischer Weise die begeisterte Bewunderung, welche die Beredtsam-
keit (oder aber vorzugsweise die gewaltige Stimme ?) eines Rhetors Apollo-
phanes zu Tyros erregt habe. Von nah und fern seien Fremde herbeige-
strömt, um ihn zu hören: — ul Sk xnl xamnUvanvxts iig tov Ufiitw
Mi^cellen. 705
xal naQa<ptta[x]ovTig iXniStt^ i6g avrovg ov&* av rö a€fxv[6v 7f]vQ ei^ya^
&ot Jtdg t[61 ^[rj\ ov xar äxoiov 7r«^[y]«^ft»' ^[JlJ^rr top €v\^'\a{fAOva <f*'
8v iv&ig . . . [(fin]v€v(TS-^vTeg (?)... Es mag nun mit der Reaekunst jenes
sonst unbekannten Apollophanes (denn an den stoischen Philosophen, den
Schuler des Ariston von Cnios, ist wol nicht zu denken) welches Bewenden
immer haben, die Beziehung dieser Erzählung zu dem übrigen Inhalt der
JlnTserst merkwürdigen Schrift — ignoti fortasse Philoderai tkqI noirj-
uaTtitv — sei noch so dunkel: eines ist unbestreitbar, die Thatsache, dass
hier zwei Verse des Eurinides in scherzhafter Anwendung erscheinen, jene
Verse der Phönissen , in aenen Kapaneus auf der Sturmleiter vorwärts drän-
gend in tollem Uebermuth ausruft:
fitj^* ttv t6 atfivov 7TVQ viv ttgyttd-eiv ^fiog
to firi ov x«r* axQMV 7r«(»j'aaa>y M*i> TroJltr (1 174 - 6 Nauck).
Wer nun frisch von dieser Wahmehmune wieder an die Käthsel der Ta-
fel 127 des 2. Bandes dieser Sammlung nerankommt, dem kann es nicht
länger verborgen bleiben, dass auch hier zwei Verse der Tragoedie schlummern:
— vn(QßoXtx^[g ^«Jl'] iin[([ov]' — (so hieüs es wol, obgleich die Abschrift des
Papyrus EinHP bietet) —
M»;[cr* civ t6 ai\iAv6v nvg [vvv iigytt]S^tiv dtog
\t6 firj ov xf]oawovv nv[Qi]ß6lovg filv [rccf] nXaxag —
„auch die Blitzesflammen aes Zeus würden ihn nicht hindern die Fluren
der Erde gluten-schleudemd zu versengen" und (der durch ^(v erforderte
Gegensatz konnte kaum ein anderer sein) Ströme und Meeresfluthen zu
verzehren.
{nvpißoXovg „glutgetroffen" ist natürlich proleptisch zu verstehen.
Das den Wörterbüchern, auch der letzten Bearbeitung des Thesaurus graecae
linguae, fremde Wort bietet uns ein Bruchstück des euripideischen Phae-
thon , Frg. 781 , V. 65 Nauck. nvgfßoXog — n vqlßXvixog wie rjXtoßoXog «*
TJXioßXrjTog. Man vgl. auch rjXioßXrjTot nXitxeg Eur. Bacchae 14.)
Hier erhebt sich nun eine lange Reihe nur durch Muthmaflsungen
zu beantwortender Fragen : Wie ist die üebereinstimmun^ des ersten Verses
dieses neuen Bruchstücks mit jenem Verse der Phoenissen zu erklären?
Schrieb Euripides einen älteren, oder sich selbst aus, oder ist er von einem
jüngeren Dichter benützt worden? In welchem Zusammenhang^e wurden die
zwei Verse gedichtet? Sind es etwa die vifßiiyoQa xofxnaa^aTades
Typhon (Aesch. Prom. 362—3 Hrm.)? Oder gehören sie einer Darstelluns^ der
Phaethon-Sage an, in der Phaethon (anders als bei Ovid) durch die Drohun-
fen und den Aufruhr der zomentflammten Sternbilder*) erschreckt, selbst
en Lauf der Sonnenrosse gegen die Erde lenkte und in jene trotzig^ver-
messene Drohung ausbrach, die sofort — gerade wie bei Kapaneus — die
Blitze des Zeus auf sein Haupt herabrief? Oder aber — und so scheint
jedenfalls Philoderaos die Verse zu verwenden — , galten sie dem Sonnen-
gotte selbst, der dem Hephästos Kunde von der Untreue seiner Gremalin
bringt (tog [ryl *H(ftt((TT(p 7T[fol r^g] *!AQiiog ngog l4[tfQodi(]xriv ofitHag
liest man im folgenden, vgl. Od. ^, 270) — und bei diesem Anlass, so
müssen wir hinzudenken, von der Höhe des Firmaments auf den Olvmp
herabsteigend der Erde zu nahe kömmt und sie zu entzünden droht? —
Dann erkenne ich nach einer unverständlichen Zeile nur mehr — ioxilr.
liXo[i^g] ^* iv rfy] xal t«. . . Ward hier nicht der "Hwaiaxog aa-
rvQixog des Achäos genannt, neben Epicharm's K(Ofiaaxa\ ij 'L^fftuarog
eben das eine griechische Bühnenwerk, dem man in dieser Umgebung zu
begegnen erwartet?
Wien. Th. Gomperz.
♦) Vgl. Nonnos (36, 332 fg.), dessen Darstellung Gottfried Hermann
(Opuscula III, 140 — 141) durch die Heliaden des Aeschylus beein-
flusst glaubt.
Fünfte Abtheilung.
Verordnungen für die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Organisationsstatut für das k. k. poljteebnische Institut in
Wien, von Sr. k. k. Apost. Majestät mit Allerhöchster EntschlieMng
vom 17. October 1865, zur Reorganisierung des- Wiener Folytechnicunis
AUergnädigst genehmigt.
I. Allgemeine Bestimmungen.
§. 1. Das k. k. polytechnische Institut in Wien hat den Zweck, eine
gründliche theoretische und, soweit es an der Schule möglich ist, auch
praktische Ausbildung für jene Berufsrichtungen zu ertheüen, welche an
oemselben durch besondere Fachschulen vertreten sind.
§. 2. Am Institute bestehen folgende Abtheilungen:
A. Die allgemeine Abtheilune, in welcher jene Gegenstande
feiehrt werden, welche die wissenschaftliche Grundlage der darauf folgen-
en Fachstudien bilden; B, die Fachschule für Strafsen- und Wasser-
bau; C. die Fachsch. f. Hochbau; 2). d. F. f. Maschinenbau; E. d.
F. 1 technische Chemie.
§. 3. Die Gegenstände, welche am k. k. polytechnischen Institute
gelehrt werden, sind folgende:
A. Mathematik, darstellende Geometrie, praktische Geometrie, höhere
GeodsBsie, sphärische Astronomie, technische Mechanik, analytische Mecha-
nik, allgemeine Physik, technische Physik, unorganische, Chemie, org^anische
Chemie, analytische Chemie, Mineralogie, Geologie, Zoologie, 2k>ologie mit
Beziehung auf Paläontologie, Botanik.
B. Maschinenlehre , allgemeine Maschinenkunde , Maschinenbau,
mechanische Technologie, Baumechanik, allgemeine Baukunde, Hochbau
und Architektur, Wasser-, Brücken-, Strafsen- und Eisenbahnbau, Terrain-
lehre, Bauordnungen und Amtsmanipulation, chemische Technologie, Waren-
kunde, Land- und Forstwirthschaftslehre.
C. Allgemeine Geschichte, österreichische Geschichte, Geschichte der
Baukunst, Geschichte der inductiven Wissenschaften, deutsche Literatur,
Acsthetik, Natipnaloekonomie , Statijjtik, Handels-, Wechsel- und Seerecht,
österreichische Verfassungs- und Verwaltungslehre» Buchhaltung.
D. Technisches und Freihandzeichnen, Ornamentik und Ornamenten-
zeichnen, Landschaftszeichnen, Modellieren.
£. Französische Sprache, italienische Sprache, englische Sprache,
Stenographie.
Erweiterungen oder Veränderungen des vorstehenden Veneichnisses
nach Mafsgabe des Bedürfnisses bleiben vorbehalten.
§. 4. Mit den Vorlesungen über Botanik, Zoologe, Geologie, mecha-
nische und chemische Technologie, Land- und Forstwirthschaftslehre, Ter-
Verordnungen f. d. öst. Gyninasien u. Realschulen. 707
rainlehre, Maschinenbau und die B&uwissenschaften sind die zum gründ-
lichen Verständnisse noth wendigen Excursionen und mit der praktischen
Geometrie eine gröfsere Vermessung im Sommersemester verbunden.
§. 5. Die Vertheilung der obligaten Lehrgegenstände auf die ein-
zelnen Jahrescurse der allgemeinen Abtheilung und der Fachschulen wird
durch besondere Lehrpläne bestimmt, welche nach Bediirfnis abzuändern
sind und der Genehmigung des Ministeriums unterliegen.
§. 6. Der Unterricht in den einzelnen Lehrgegenständen wird theils
in Jahrescursen , und zwar in der Dauer vom 1. October bis Ende Juli^
theils in Semestralcursen ertheilt.
Das erste Semester schlieM mit Ende Februar, das zweite beginnt
am 1. März.
n. Von den Zuhörern.
§. 7. Die Zuhörer am poljrtechnischen Institute sind entweder ordent-
liche, welche in die allgememe Abtheilung oder eine der vier Fachschulen
eingeschrieben sind und an dem vollständigen Unterrichte nach den Be-
stimmungen des §. 16 Theil nehmen, oder auf serordentliche, welche
nur über einzelne Lehrgegenstände die Vorlesungen besuchen.
§. 8. Die ordentlichen Zuhörer werden als solche in den Zeugnissen
bezeichnet, sie sind im Vollgenusse der Rechte, welche der Besuch der
Lehranstalt gewährt, und haben alle diesiuUigen Pflichten zu erfüllen. —
Die aufserordentlichen Zuhörer geniefsen im allgemeinen die Rechte der
ordentlichen, werden aber weder zu den strengen Prüfungen (§. 28) zu-
gelassen, noch haben sie einen Anspruch auf Stipendien. In den öiffent-
chen Zeugnissen werden sie ausdrücklich als aufserordentliche Zuhörer
bezeichnet. Ihre Verpflichtungen kommen, soweit nicht besondere Aus-
nahmen gemacht sind, mit denen der ordentlichen Zuhörer überein. Sämmt-
liehe Zuhörer unterliegen der Disciplinarordnung. — Die ordentlichen Zu-
hörer unterstehen in Ansehung der Disciplin zunächst den Abtheilungt-
Torständen, die aufserordentlichen dem Rector.
§. 9. Als ordentlicher Zuhörer in den ersten Jahrgang der allge-
meinen Abtheilung kann aufgenommen werden: 1. Wer die Oberrealschule
oder das Obergymnasium mit dem Zeugnis der Reife absolviert hat; 2. wer,
ohne seine Vorbildung an einer Mittelschule erworben zu haben, sich der
Maturitätsprüfung an einer vom k. k. Staatsministerium hiezu autorisierten
Realschule mit gutem Erfolge unterzogen hat. — Gymnasialschüler haben
noch eine hinreichende Fert^keit im geometrischen und Freihandzeichnen
nachzuweisen.
§. 10. So lange Maturitätsprüfungen an den Realschulen nicht all-
gemein eingeführt sind, haben jene, welche ein Zeugnis der Reife nicht
vorzeigen können, sich einer Aufnahmspi üfüng am k. k. polytechnischen
Institute zu unterziehen. Die im §. 9 unter 2 angeführten Aufnahmsbwerber
haben in diesem Falle ein Alter von mindestens 17 Jahren nachzuweisen.
Gegenstände der Aufnahmsprüfung sind: a) Arithmetik, Algebra,
Geometrie, ebene und spbaerische Trigonometrie, analytische Geometrie in
der Ebene; b) Geographie und Geschichte; c) Physik; d) Naturgeschichte;
e) geometrisches und Freihandzeichnen; f) Fertigkeit im deutschen Stile,
zu erweisen an einem Aufsatze über ein gegebenes Thema.
Die Gegenstände a) bis e) in dem für Oberrealschulen vorgeschriebenen
Umfange, worüber insbesondere vom Institute ein genaues Programm zu
veröffentlichen ist.
Für die Aufnahmsprüfung ist eine Taxe von 5 tt. ö. W. zu ent-
richten, ¥relche den Prüfenden zufällt.
§. 11. Neueintretende, welche als ordentliche Hörer für Gegenständ«
höherer Jahrgänge einer Fachschule eingeschrieben werden wollen, haben:
1. die allgemeinen Aufnahmsbedinguneen zu erfüllen (§. 9) und
2. sich über die weiteren nothweudigen Vorkenntnisse entweder durch
legale Zeugnise auszuweisen oder sich einer Prüfung zu unterziehen, für
welche eine Taxe nicht zu entrichten ist.
§. 12. Zur Aufnahme als ordentlicher Hörer ist erforderlich:
708 Verordiiuugen f. d. öst. Gymnasien u. Realschalen.
1. das zurückgelegte Alter von 17 Jahren und
2. der Nachweis der nothwendigen Vorkenntnisse, um die gewünsch-
ten Vorlesungen mit Erfolg zu hören.
Dieser Nachweis wird entweder durch legale Zeugnisse oder durch
eine Aufnahmsprüfung geliefert.
Für jeden Prüfungsgegenstand ist eine Taxe ron 2fl. d.W. zu entrichten.
§. 13. Die Aufnanme der ordentlichen Hörer findet am Anfange des
Studienjahres statt. Dieselben haben sich zu diesem Behufe längstens bis
7. October persönlich bei dem Vorstande jener Abtheilun^ zu melden ^ in
welche sie einzutreten beabsichtigen, und demselben ihr Nationale sammt
den nothwendigen Ausweisen zu übergeben. Der Vorstand prüft die Aus-
weise, ob sie den Bedingungen entsprechen, und verfügt erforderlichen
Falles das nöthige hinsichtlich der Aufhahmsprüfung. Er ertheilt sodann
den Bewerbern zum Behufe der Immatriculation eine Besdieinigung, welche
die Angabe der Abtheilung und des Jahrganges, in welchen cueselben ein-
treten, so wie der gewählten Lehrgegenstände enthält. In zweifelhaften
Fällen steht die Entscheidung über die Aufnahme dem Abtheilungsool-
legium zu.
§. 14. Die Meldung aufserordentlicher Zuhörer geschieht in gleicher
Weise bei den Professoren jener Gegenstände, welche sie zu hören wünschen.
Für jene Gegenstände, welche nur im Sommersemester vorgetragen werden,
kann die Einschreibung auch bei Beginn des zweiten Semesters erfolgen.
§. 15. Nach Erfüllung der in den §§. 9 bis 14 ausgesprochenen Be-
dingungen und nach Entrichtung der in den §§. 19 bis 21 festgesetzten
Gebühren erfolgt die Immatriculierung Neueintretender, so ¥rie die Ein-
schreibung bereits immatriculierter Zuhörer durch den Rector.
§. 16. Die ordentlichen Zuhörer haben in der Regel die für die ein-
zelnen Jahrescurse der allgemeinen Abtheilung und der Fachschulen aufge-
stellten Lehrpläne einzuhalten. Ausnahmsweise kann ihnen jedoch gestattet
werden, sich einen anderen Plan zu bilden, für den sie am Anfange des
Studienjahres die Einwilligung des Abtheilungscollegiums einzuholen haben.
Diese Einwilligung kann jedoch nur gegeben weroen, wenn in dem ge-
wählten Plane
1. auf die Reihenfolge der zum gründlichen Verständnisse nothwen-
digen und einander unterstützenden Lehrgegenstände Rücksicht genommen
ist, und
2. für die gewählten Unterrichtsfächer die Gesammtzahl der wöchent-
lichen Stunden mindestens achtzehn beträgt, wobei je zwei Uebungs- oder
Zeichnungsstunden als eine Stunde zu rechnen sind.
§. 17. Aufser den in seinem Studienplaue enthaltenen Lehrgegen-
ständen kann der ordentliche Zuhörer auch noch Vorlesungen über andere
Gregenstände besuchen, für welche er die erforderlichen Vorkenntnisse
besitzt.
Die Erklärung hierüber ist entweder bei der Anmeldung (§. 13) oder
spätestens am 15. October, beziehungsweise 15. März (§. 6) persönlich bei
dem Rector abzugeben.
§. 18. Den Zuhörern wird, so weit es angemessen erscheint, der Be-
such der Zeichnungssäle und Laboratorien auch auTker den Stunden ge-
stattet, welche durch den jeweiligen Stundenplan festgesetzt sind.
§. 19. Jeder Zuhörer hat l^i seiner ersten Aufnahme an das Institut
ein für allemal eine Matrikelgebühr von 5 fl. ö. W. an die Institutscasse zu
entrichten. Bei einjähriger oder längerer Abwesenheit von dem Institute
ist sie im gleichen Betrage neuerdings zu erlegen. Eine Befreiung hievon
findet nicht statt.
§. 20. Jeder ordentliche Zuhörer ohne unterschied der Abtheilung
und ohne Rücksicht auf die Zahl der von ihm gewählten Unterrichtsstunden
hat ein jährliches ünterrichtshonorar von 50 fl. ö. W. zu bezahlen. Das-
selbe kann entweder bei der Aufnahme ganz oder in zwei Raten erlegt
werden, von denen die erste bei der Aufnahme und die zweite spätestens
am 7. März zu entrichten ist.
Verordnungen f. d. öst. Gymnasien u. Realschulen. 709
§. 21. Das von den aurserordentlichen Zuhörern zu entrichtende
Unterrichtshcnnorar wird in der Weise bemessen, dass für jede Lehrstunde
in der Woche per Semester 1 fl. 50 kr. ö. W. zu erlegen sind, wobei je
zwei Uebungs- oder Zeichnungsstunden als eine gerechnet werden.
§. 22. Die auf serordentlichen Vorlesungen der Professoren, die der
Privatdocenten und der vom Staate nicht besoldeten Lehrer sind in dem von
denselben festgesetzten Betrage besonders zu honorieren.
§. 23. Bei nachgewiesener Mittellosigkeit und gutem Foi*tgange
können Zuhörer von den in den §§. 20 und 21 festgesetzten Grebühren ganz
oder zur Hälfte beheit werden. Die Entscheidung über die Befreiung steht
über Vorschlag des ProfessorencoUegiums der Si&tthalterei zu.
§. 24. Auf Grund der im Laufe und nach Ermessen der Lehrenden
auch am Ende des Schuljahres abzuhaltenden mündlichen und schriftlichen
Prüfungen , sowie der durch Hausarbeiten u. s. w. dargelegten Leistungen
des Zuhörers wird bestimmt, mit welchem Erfolg er die Studien in den
einzelnen Lehrgegenständen zurückgelegt hat. — Die Entscheidung, ob ein
Zuhörer mit Bücksicht auf seine Gesammtleistung zum Vorrücken in den
höheren Jahrgang befähigt sei, steht dem Abtheilungscollegium (§. 50,
Z. 3) zu. — Hat ein Zuhörer in einzelnen Lehrgegenständen nicht genügt,
so hat er bei Beginn des nächsten Studienjahres und zwar längs&ns bis
7. October nach Erlag des Taxbetrages von 5 fl. ö. W. durch eine Prüfung
seine genügenden Kenntnisse nachzuweisen. Unterlässt er dies oder ist da^
Ergebnis der Prüfung nicht entsprechend, so kann ihm das Vorrücken nur
dann gestattet werden, wenn der ungenügende Erfolg nicht Gegenstände
betrifft, deren Kenntnis für ein erfolgreiches Studium d^ Hauptföcher des
folgenden Jahrgangs unerlässlich ist. Auch darf sich in diesem Falle das
weitere Studium nur auf jene Lehrgegenstände erstrecken, welche die mit
ungenügendem Erfolg gehörten nicht nothwendig voraussetzen. — Für den
üebertritt aus der allgemeinen Abtheilung in eine Fachschule wird jedoch
«in mindestens genügender Erfolg in sämmtlichen lehrplanmäi^igen Gegen-
ständen der allgemeinen Abtheilung erfordert. — Zuhörern, welche zur
Wiederholung eines Jahrganges verhalten werden, ist es gestattet, einzelne
Lehrgegenstände des folgenden Jahrganges der betreffenden Abtheilung zu
besuchen, für welche sie die nothwendigen Vorkenntnisse auszuweisen ver-
mögen. — Die Wiederholung eines mit ungenügendem Erfolge gehörten
Gegenstandes, sowie die Wiäerholung eines Jahrganges ist nur einmal
gestattet.
§. 25. Jedem ordentlichen Zuhörer wird am Schlüsse des Schuljahres
ein Zeugnis ausgefertigt, welches den Besuch, die Verwendung während
des Curses und, auf Grund seiner Gesammtleistung, den Erfolg in den
obligaten Lehrfächern , so wie das Verhalten desselben bescheinigt. — In
gleicher Weise, jedoch für jeden einzelnen Gegenstand ausgefertigte Fort-
gangszeugnisse werden den ordentlichen Zuhörern in Bezug auf nicht obli-
gate Lehrfächer, sowie den aufserordentlichen Zuhörern ertheilt. — Der
Erfolg wird durch die Noten : ^vorzüglich , gut , genügend , ungenügend*
ausgedrückt Das Verhalten wird mit den Noten: „den akademischen Ge-
setzen vollkommen gemäfs, gemäfs, und minder gemäTB** bezeichnet. —
Frequentationszeugnisse, welche blofs den Besuch der Vorlesungen bescheini-
gen, werden ordentlichen Zuhörern nur für den Besuch nicht obligater
Lehrgegenstände ausgefertigt.
§. 26. Das Autgeben des Besuches einzelner Vorlesungen ist bei den
betreffenden Professoren, der Austritt aus der Lehranstalt während des
Studienjahres aber bei dem Bector zu melden.
§. 27. Als Gäste können zu den Vorlesungen über einzelne Gegen-
stände mit Bewilligung des betreffenden Professors Männer zugelassen
werden, welche rtiäsicntlich ihrer Stellung und sonstigen Eigenschaften
zu der Erwartung berechtigen, dass durch ihre Zulassung die Zwecke des
Unterrichtes nicht beeinträchtigt werden. — Gäste sind von dem Nachweise
ihrer Vorkenntnisse entbunden. Oeffentliche Zeugnisse werden den Gästen
nicht ausgestellt.
710 Vorordnunj^Pii f. «1. ost. (lymiiftsit^n u. Rt»ftlso1iuIen.
IIL Von den strengen Prüfungen zur Erlangang eines Diploms.
§. 28. Durch die strengen Prüfungen soll die Befähigung des Can-
didaten für seinen Beruf erwiesen werden. Sie haben den Nachweis «u
liefern, dass der Candidat die vollständige Kenntnis aller Prüfungsgegen-
st&nde (§. 35) in theoretischer und praktischer Beziehung und zwar in
jenem Umfange besitze, in welchem dieselben an der betreffenden Fach-
schule gelehrt werden. — üeber die bestandene Prüfung wird ein Diplom
ausgefertigt.
§. §9. Zur Vornahme der strengen Prüfungen wird für jede der vier
Fachschulen eine besondere Prüfungscommission gebildet, welche aus den
ordentlichen Professoren jener Gegenstände, über welche sich die Prüfung
erstreckt, und aus Fachmännern besteht, welche das Ministerium zu diesem
Behufe ernennt. — Die Leitung der Prüfungen, sowie den Vorsitz in den
Prüfungscomniissionen übernehmen die Vorstände der betreffenden Fach-
schulen. — Die Prüfungen selbst werden am k. k. polytechnischen Institute
abgehalten. — Die näheren Einrichtungen werden durch eine besondere
Instruction geregelt.
§. 30. Wer zur strengen Prüfung zugelassen werden will, hat die
mit mindestens genügendem Erfolge zurückgelegten Studien der sämmt-
lichen in dem Lehrplane der betreffenden Fachschule aufgenommenen Gegen-
stände, femer der Nationalökonomie, des Handels- und Wechselrechtes
und der Buchhaltung nachzuweisen.
§. 31. Für die Ablegung der strengen Prüfungen ist eine Taxe zu
entrichten, welche unter die Mitglieder der Prüfungscommission gleich-
mäfsig vertheilt wird. — Der Vorstand der Prüfungscommission bezieht
nebst seinem Antheile als Prüfender noch eine gleiche Quote als Vor-
sitzender. — Die Taxe beträgt in den Fachschulen für Strafben- und Wasser-
bau, Hochbau und Maschinenbau für beide Prüfnngsabtheilungen (§. 32)
zusammen 150 fl.; in jener für technische Chemie ^ fl. ö. W. — Die für
eine Prüfung, beziehungsweise Prüfungsabtheilung, enl fallende Taxe ist im
vorhinein zu erlegen. — Befreiungen von dieser Taxe finden nicht statt. —
Die Kosten der Ausfertigung des Diploms und die Stempelgebühren sind
von dem Empfanger zu oestreiten.
§. 32. Die strengen Prüfungen fttr Straften- und Wasserbau, Hochbau
und Maschinenbau zerfallen in zwei Abtheilungen. Jede derselben, ebenso die
strenge Prüfung für Chemie, ist schriftlich und mündlich abzulegen. Die
schriftliche Prüfung besteht in einer Clausurarbeit, wobei die Benützung von
Büchern und Schriften mit Ausnahme von Tafeln nicht gestattet ist. - Als
Grundlage zur Beurtheilung für die praktische Befähigung der Candidaten
aus dem Strafsen- und Wasserbau, dem Hochbau und Maschinenbau dienen
die in dem letzten Jahrgange der betreffenden Fachschule ausgearbeiteten
Entwürfe, so wie ein gröfseres Prüfungselaborat nach einem gegebenen
Programme. — Die DipToniswerber für technische Chemie haben vor der
Zulassung zur strengen Prüfung die Anfertigung von mindestens zwei Prä-
paraten nachzuweisen und sich noch der Ldsung einer gröfseren praktischen
Aufgabe zu unterziehen. Für letztere, sowie für die Ausarbeitung der oben
erwähnten gröfseren Prüfungselaborate wird eine bestimmte Frist fest-
gesetzt — Die Prüfungen werden in der Zeit vom 1. November bis Ende
Juni, und zwar die mündlichen öffentlich abgehalten.
§. 33. Zur zweiten Abtheilung der strengen Prüfung (§. 32) kann
der Prüfungswerber nur zugelassen werden, wenn er die erste Abtheilung
der betreffenden Prüfung mit genügendem Erfolge bastanden hat und die
im §. 32 bezeichneten Entwürfe und Prüfungselaborate mindestens für
genügend befunden worden sind. — Zwischen beiden Prüfungsabtheilungen
hat in der Regel ein Zeitraum von drei Monaten zu verfÜel'sen. Diese Frist
kann jedoch auf Ansuchen des Candidaten über Beschluss der Prufunffs-
commission abgekürzt worden, wenn derselbe bei der ersten Abtheilung die
Stimmen aller Prüfenden für sich hatte.
§. 34. Bei ungenügendem Erfolge kann eine Prüfung oder Prüfung»-
Verordnungen f. d. Ost. (»ynmasien u. Realschulen. 711
abtheilung wiederholt werden. Die Wiederholung ist nur einmal und nicht
▼er Ablauf jener Frist gestattet, welche die PrüfungscommisBion im ein-
zelnen Falle ausspricht. — Die für die Prüfung oder Prüfungsabtheüxmg
entfallende Taxe ist abermals zu erlegen.
§. 85. Die Gegenstände, auf welche sich die strengen Prüfungen, und
zwar in dem an der betreffenden Fachschule gelehrten Umfiange erstrecken,
sind folgende:
I. Für Straföen- und Wasserbau:
1. Abtheilung: Mathematik, darstellende Geometrie, technische Physik,
Mechanik, allgemeine Maschinenkunde, Geologie.
2. Abtheilung: Praktische Geometrie und höhere Geodssie, Baumechanik,
Hochbau, ßtrafsen- und Wasserbau.
IL Für Hochbau:
1. Abtheilung: Mathematik, darstellende Geometrie, technische Physik,
Mechanik, allgemeine Maschinenkunde, Gesteinslehre.
2. Abtheilung: Praktische Geometrie, Baumechanik, Hochbau, Geschichte
der Baukunst, Strafen- und Wasserbau.
IIL Für Maschinenbau:
1. Abtheilung: Mathematik, darstellende Geometrie, technische Physik,
Mechanik, praktische Geometrie.
2. Abtheilung: Allgemeine Bauknnde, Maschinenlehre, Maschinenbau und
mechanische Technologie.
IV. Für technische Chemie:
Mineralogie, Botanik und Zoologie, allgemeine und technische Physik,
allgemeine Maschinenkunde, Chemie, chemische Technologie u. Warenkunde.
§. 36. Unter Beobachtung der Bestimmungen der §g. 30 und 31 ist
es gestattet, sich der strengen Prüfung für mehrere Fachschulen zu unter-
ziehen. In diesem Falle kann bei einer folgenden Prüfung über Beschloss
der betreffenden Prüfungscommission eine Dispens bezüglich jener Gegen-
stände eintreten, auf welche sich die bereits bestandene Prüfung erstreckte.
IV. Von der Leitung des k. k. polytechnischen Institutes.
§. 37. Die Leitung des Institutes ist dem ProfessorencoUegium über-
tragen, an dessen Spitze der Rector steht.
§. 38. Der Rector wird auf die Dauer eines Jahres von dem Pro-
fessorencoUegium aus den ordentlichen Professoren des Institutes mittelst
Stimmzettel gewählt. Der abtretende Rector ist erst nach Ablauf zweier Jahre
wieder wählbar. Die Wahl wird dem Ministerium zur Bestätigung vorgelegt.
§. 89. Der Rector vertritt nach aui^en das Institut in aJlen seinen
Beziehungen. Er führt in den Sitzungen des ProfessorencoUegiums den
Vorsitz und leitet dieselben nach der Geschäftsordnung. Er vollzieht die
Beschlüsse des Collcgiums und macht über die Art des Vollzuges in der
nächsten Sitzung die Mittheilung. Findet der Rector, dass gegen einen
Beschluss des ProfessorencoUegiums gegründete Bedenken obwalten, so kann
er die Ausführung desselben sistieren und hat sodann den bezüglichen
Gegenstand in der nächsten Sitzung des Collegiuras zur nochmaligen Be-
rathung zu bringen. Im Falle abermaliger Meinungsverschiedenheit ist der
Gegenstand durch das Protocoll dem Ministerium zur Entscheidung vor-
zulegen. — Geschäftsstücke, welche nur der Anwendung bestehender Vor-
schriften in unzweifelhafter Weise bedürfen oder bei denen Gefahr im Ver-
zuge ist, erledigt der Rector und berichtet darüber dem Professorencol-
legium in der nächsten Sitzung aus dem Geschäftsprotooolle. Er gibt die
einzelnen Fälle bekannt, in welchen die liehrenden ihre Vorträge zu halten
verhindert waren, sowie, ob und welche Vertretungen stattfanden. In Ver-
hinderungsfällen wird der Rector von seinem Vorgänger im Amte (Pro-
rector) vertreten.
§. 40. Der Rector bezieht eine Functionszulage von 1000 fl. ö. W.
Kr ist der Vorstand der Institutskanzlei und hat als solcher einen Seoret&r
und das nöthige Kanzleipersonale.
§. 41. Das ProfessorencoUegium besteht aus den wirklichen ordent-
712 Verordnungen f. d. («t. Gymnasien u. Kealscbnlen.
liehen und aurserordentlichen Professoren des Institutes und zwei oder
einem gewählten Vertreter der an demselben lehrenden Frivatdocenten , je
nachdem die Anzahl derselben die Zahl fünf überschreitet oder nicht
Letztere haben nur berathende Stimme. — Die Vertreter der Frivatdocenten
werden von denselben aus ihrer Mitte auf die Dauer eines Jahres gewählt
nnd sind dem Ministerium zur Bestätigung anzuzeigen. — Wähll^ sind
nur jene, welche mindestens zwei Semester hindurch am Inatitute gelehrt
haben. — Honorierte Docenten werden den Sitzungen des Professorencol-
legiums in solchen Fällen beigezogen, in welchen es sich um den Ton ihnen
vorgetragenen Lehrgc^enstand handelt. In dieser Angelegenheit steht ihnen
eine entscheidende Stmime zu. — Professoren der Sprachen , Lehrer und
Supplenten sind nicht Mitdieder des ProfessorencoUegiums.
§. 42. Die Sitzungen des ProfessorencoUegiums werden vom Rector nach
seinem Ermessen oder auf Verlangen von mindestens einem Drittheile des
CoUegiums einberufen. — Zur Gilti^keit eines Beschlusses ist die Anwesen-
heit von mindestens zwei Drittheilen der Mitglieder des Frofessorencol-
legiums und die absolute Majorität der anwesenden Stimmberechtigten er-
forderlich. — Keinem Mitgliede ist es gestattet, sich der Abgabe der Stimme
SU enthalten.
§. 43. Das ProfessorencoUeffium ist für den Zustand des polytech-
nischen Institutes in wissenschattlicher, disciplinärer und oekonomischer
Hinsicht verantwortlich. — Alle Angelegenheiten, welche nicht ausdrück-
lich dem Bector, den Vorständen oder den Abtheilungscollegien zugewiesen
sind, gehören in den Wirkungskreis des ProfessorencoUegiums. Insbesondere
bat dasselbe darauf zu achten, dass sämmtliche Lehrfächer genügend ver*
treten seien. Die Besetzung erledigter Lehrstellen erfolgt durch Berufung
oder Bewerbung und das Frofessorencollegium hat in älen Fällen sowol
über den einzuschlagenden Weg, als rücisichtlich der Personen den Vor-
schlag zu erstatten. Letzteres gilt auch rücksichtlich der Besetzung der
Posten des Bibliotheks-, Kanzlei- und Hauspersonales. — In Fällen läneer
andauernder Verhinderung eines Lehrers oder der Erledigung einer Lenr-
kanzel hat das Professorencollegium, vorbehaltlich der Genehmigung des
Ministeriums, provisorische Vorkehrungen für den Unterricht zu treffen. Fer-
ner liegt es dem Professorencollegiuni ob, die Lehrpläne festzustellen und
dafür zu sorgen, dass sie stets den Bedürfnissen des Unterrichtes entsprechen.
§. 44. Sämmtliche Professoren, Lehrer, Docenten, Supplenten, Ad-
juncten und Assistenten haben in einer gegen das Ende eines jeden Schul-
jahres von dem Rector einzuberufenden allgemeinen Versammlung zu er-
scheinen. In dieser Versammlung sind die Wünsche und Anträge der Gegen-
wärtigen in Betreff des Unterrichts und der Disciplin vorzubringen und zu
besprechen. Das Protocoll dieser Versammlung ist sofort mit dem Berichte
des ProfessorencoUegiums an das Ministerium einzusenden.
§. 45. Auf Grund der am Schlüsse des Studienjahres von den
AbtheilungscoUegien abgefassten Berichte über die Ergebnisse des Jahres
(§. 50) und mit Rücksicht auf die in der Versammlung des gesammt^n
Lehrkörpers (§. 44) geäusserten Wünsche und Anträge erstattet das Pro-
fessorencollegium aUjährlich einen Bericht über den Zustand des Instituts,
welchen der Rector sammt den Berichten der Abtheilungscollegien dem
Ministerium einbegleitend vorgelegt.
§. 46. Die einzelnen Abtheilungen des Institutes werden zunächst von
den Abtheilungscollegien geleitet. Ständige MitgUeder dieser CoUegien sind
die Professoren, honorierten Docenten und Lehrer der obUgaten ünterrichts-
gegenstände der betreffenden AbtheUung; ferner Jene Frivatdocenten der
obligaten Lehrfacher, welchen die Berechtigung, staatsgUtige Zeugnisse aus-
zusteUen, zuerkannt worden ist. Alle anderen Frivatdocenten obligater und
nichtobUgater, in die betreffende AbtheUung einschlagender Disciplinen
sind wohl Mitglieder der Abtheilungscollegien, aber nur mit berathcnder
Stimme. —- Auf Verlangen auch nur eines Mitgliedes können den Berathun-
gen för einzelne Fälle auch andere Mitglieder des Lehrkörpers beigezogen
werden.
Verordnimgen f. d. ösi Gymnasien o. Realschulen. 718
§. 47. Die ständigen Mitglieder jedes AbtheilangscoUegiums wählen
einen der Professoren aus ihrer Mitte zum Vorstande auf die Dauer von
iwei Jahren. — Der Austretende ist wieder wählbar. Nur dieser kann die
Wahl ohne Angabe der Gründe ablehnen; jedes andere Mitglied hat die
Gründe der Ablehnung anzugeben, über deren Zulässigkeit die Wählenden
ohne Debatte abstimmen. Fällt die Abstimmung gegen den Ablehnenden
aus, so kann er Berufung an das ProfessorencoTlegium einlegen, welches
über die Zulassung der Ablehnung endgiltig cntsche.det. — Der Rector
kann nicht zugleich Vorstand einer Abtheilung sein. — Die Wahlen der
Bämmtlichen Vorstände sind dem M.nisterium zur Genehmigung vorzulegen.
§. 48. Die Vorstände der Abtheilungen haben a) die ZweckmäTsig-
keit des gesammten Unterrichts in der Abtheilung, sowie die IStudien, den
Bildungsgang und die disciplinäre Haltung der Zuhörer zu überwachen und
diesen mit ihrem Rathe beizustehen und d) dem Professorencollegium die
Berichte über die Beschlüsse der Abtheilungscollegien zu eistatU^n.
^. 49. Das Verhältnis der Abtheilungscollegien zu ihren Vorständen
ist in Betreff der Geschäftsordnung dasselbe, Wie jenes des Professoren-
collegiums zu dem Rector. — Auch hat für die Verhandlungen der Ab-
theilungscollegien die Geschäftsordnunff des Professorencollegiums ihre An-
wendung. — Die Sitzungen werden von dem Vorstande nach seinem Ermessen
oder auf Verlangen von mindestens zwei ständigen Mitgliedern einberufen.
§. 50. Dem Abtheilungscollegium liegt es ob:
1. die Gesuche ordentlicher Zuhörer um Bewilligung zur Befolgung
eines selbstgewählten SStndienplanes (§. 16) oder um Dispensation von ein-
zelnen obligaten Lehrfächern endgiltig zu erledigen;
2. in zweifelhaften Fällen über die Aufnahme der Zuhörer zu entscheiden ;
3. über das Vorrücken der ordentlichen Zuhöier zu beschliefsen ;
4. mit Scbluss des Schuljahres einen Bericht zu erstatten über die
Ergebnisse dieses Jahres, sowohl in Betreff des Foitganges als der Disciplin
der Zuhörer;
5. Anträge zu dem Programme und Stunden plane des nächsten
Studienjahres, sowie über die vorzunehmenden Ezcursionen zu stellen, und
6. etwaige Vorschläge über Aenderungen im Unterrichte zu machen.
Zur Berathung solcher Vorschläge ist insbesondere gegen das Ende
des Schuljahres eine Sitzung abzuhalten und zwar mit Beiziehung ausser
dem Institute stehender Fachmänner, welche von dem Ministerium zu diesem
Behufe bezeichnet weiden und denen das Recht, Anträge zu stellen, und
entscheidende Stimme zusteht.
§. 51. Die Abtheilungscollegien sind berechtiget, so weit es ohne
Beeinträchtigung der Beruiepflicht der Professoren geschehen kann, auf
Verlangen unentgeltliche Gutachten abzugeben. — Die fcitzungsprotocoHe
der leh] amtlichen Conferenzin, sowohl des Professorencollegiums, als der
Abtheilungscollegien, sind dem Staatsministerium zur Einsicht vorzulegen.
V. Von den Lehrkräften.
S. ß2. Für den Unterricht in den im §. 3 aufgeführten Lehrgegen-
ständen werden theils ordentliche, theils aufseroidentliche Professoren,
honorierte Docentin und Lehrer bestellt.
8. 53. Svstemisierte Lehrkanzeln bestehen fftr folgende Gegenstände :
a) zwei ordentliche Lehrkanzeln für Mathematik; b) eine ordentl. Lehrk.
f. darstellende Geometrie; c) eine o. L. f. Zoologie und Botanik; d) eine
0. L. f. Mineralogie und Geologie; e) eine ord. und eine aufserord. L. f.
Physik; f) eine o. L. f. Chemie; g) zwei o. L. f. chemische Technologie;
h) zwei 0. L. f. technische und analytische Mechanik, Maschinenlehre und
allgem. Maschinenkunde; i) eine o. L. f. Maschinenbau; k) eine o. L. f.
mechanische Technologie; 1) zwei o. L. f. praktische Geometrie, höhere
Geodesie und spluerische Astronomie; m) drei o. L. f. allgem. Bankunde,
Hochbau und Architektur, Bauordnung und Amtsmanipulation; n) zwei o.
L. f Strafsen-, Wasser-, Brücken- und Eisenbahnbau; o) eine o. L. f. Land-
und Forstwirthscbaftslebre; p) zwei o. L. f. Nationalcskonomie und Statistik,
Handelt-, Wechsel* und Beerecht, VerOMBOiigs- nod Verwaltongtlehre ;
Z«iuelirlll f. d. ftturr. OyvB. 1865. IX. Ben. 48
714 Verordniingen t d. ösi Gymnasieii u. Beftlfcholen.
q) eine o. L. f. allgem. und österr. Geschichte. — Es bleibt vorbcbalten,
oie Zahl der systemisierten Lehrkanzeln io nach Bedürfnis zu vermehren.
§. 54. Der Unterricht über Baumechanik, Terrainlehre, Warenkunde,
Geschichte der Baukunst, Geschichte der inductiven Wissenschaften, deutsche
Literatur, Aesthetik, Buchhaltung, technisches und Freihandzeichnen, Orna-
mentik und Ornamentenzeichnen wird entweder von Professoren^ des Li-
sütutes oder Docenten gegen Bemuneration besorgt, wenn nicht mit Rück-
sicht auf die verfligbaren liChrkräfte oder bei zulässiger Verbindung ver-
wandter Gegenstände die Ernennung eines ordentlichen oder aufserordent-
liohen Professors zweckdienlicher erscheint. — Für das Landschaftszeichnen,
Modellieren, dann fUr die englische, französische und italienische Sprache, so-
wie für die Stenographie werden Lehrer mit Gehalt oder Bemuneration bestellt.
§. 55. Die ordentlichen Professoren haben den Rang der siebenten
Di&tenclasse gleich den Universitätsprofessoren und beziehen abgesehen von
den bei Berufungsfällen im Wege des Uebereinkommens etwa festgesetzten
Bedingungen den systemisierten Gehalt von 2500 fl. mit dem Vorrückungs-
rechte in 3000 iL und Sbi)0 fl. nach zehn-, beziehungsweise zwanzigjähriger
am k. k. polytechnischen Institute oder einer demselben gleichgestellten
Lehranstalt in obiger Eigenschaft zufi;ebrachter Dienstzeit und ein Quartier-
Seld von 400 fl. ö. W. Die aufserordentlichen Professoren haben den Bang
er achten Diätenclasse und beziehen einen Gehalt von 1500 fl. und ein
Quartiergeld von 300 fl. ö. W.
§. 56. Die Lehrenden haben die Verpflichtung: a) den ihnen oblie-
genden Unterricht in dem Umfange eines von dem Professorencollegiura
angenommenen Programmes in den festgesetzten Stunden zu ertheilen ; jede
Verhinderung ist dem Rector anzuzeigen; b) sich fortwährend sowohl von
dem Besuche als von der Verwendung ihrer Zuhörer durch die geeigneten
Mittel Kenntnis zu verschaffen und nach Mafsgabe derselben die im §. 24
vorgesehene Beurtheilung auszusprechen; c) bei den strengen Prüfungen
als Mitglieder der Prüfungscommission thätig zu sein (§. 2&).
§. 57. Die Excursionen bilden einen Theil des Unterrichtes. Der
betreffende Professor l^t durch das Abtheilungscollegium (§. 50, Z. 5)
hierüber, sowie über die Anzahl und Dauer derselben seine Anträge dem
ProfessorenooUegium zur Genehmigung vor. — Die excurrierenden Professo-
ren haben unter einander das nöthige Einvernehmen zu pflegen. — Ex-
cursionen, welche mit Unterrichtsstunden coUidieren, können nur ausnahms-
weise bewilligt werden. — Den Professoren und Adjunclen gebühren bei
Excursionen Diäten und Wagengelder nach den allgemeinen hiefür gelten-
den Bestimmungen. Zur Vergütung der sonst aullaufenden Kosten und
Entschädigung des betreffenden Assistenten, falls er an der Excursion Theil
zu nehmen hat, werden Pauschalbeträge ausgeworfen.
§. 58. Der Lehrkanzel für Maschinenbau werden zwei, jener für Chemie
ein Adjunct zugewiesen. Die Adjuncten werden auf Vorschlag des Professo-
rencollegiums vom Ministerium ernannt und beeidiget, stehen in der neunten
Diätenclasse und beziehen einen Gehalt von 1200 fl. mit einem Quartier-
gelde von 200 fl. ö. W.
§. 59. Für jede der im §. 53 unter a, c, d, e, g bis n aufgezählten
19 Lehrkanzeln, sowie für das technische und d^ks Omamentenzeichnen
werden je ein, für die Lehrkanzeln der darstellenden Geometrie und der
Chemie je zwei Assistenten bestellt — Die Assistenten werden auf Antrag
des Professors vom ProfessorencoUegium ernannt und dem Ministerium zur
Bestätigung angezeigt. Bei entsprechender Verwendung kann eine Ver-
längerung der Anstellung auf weitere zwei Jahre, in besonderen Fällen
auch auf das fünfte und sechste Jahr eintreten. Sie beziehen 600 fl. Ge-
halt und ein Quartiergeld von 100 fl. ö. W.
§. 60. Die Bewerber um Adiuncten- und AssistentensteUen müssen
sich mit einem Diplome der einschlägigen strengen Prüfung oder eines
Poctorates ausweisen. Die Adjuncten und Assihtenten haben zum Behufe
der Förderung des Unterrichtes den Professor in seinem Wirken lu' unter-
stützen, nöthigenüJls zu vertreten und allen seinen hierauf beiüglichen
Anordnungen nachzukonunen.
Yerordnungen f. d. dst. Gymnasien u. Realschulen. 715
§. 6L Ettckßichtlich der Privatdocenten gelten die Bestimmungen
der Unteirichtsministerialerlässe vom 19. Uecember 1848 (Ergänzungsband
lum K. G. ßl., Z. 37) und vom 13. Juli 1860 (ß. G. Bl, Z. 335) mit der
MaTsgabe, dass behufs der Habilitierung das Doctorsdiplom durch das
Diplom über die bestandene strenge Prütung der einschlägigen Fachschule
ersetzt werden kann. Jeder Privatdocent , welcher durch vier auf einander
folgende Seroester am k. k. polytechnischen Institute keine Vorlesungen
hält, wird seines Lehrbefugnisses verlustig und muss sich, wenn er wieder
als Privatdocent aufzutreten wünscht, einem neuen Habilitationsacte unter-
ziehen, von welchem zu dispensieren nur dem Ministerium zusteht.
VI. Lehrmittelsammlungen, Laboratorien und Bibliothek.
§. 62. Zum Zwecke des Unterrichtes bestehen am k. k. polytechni-
schen Institute folgende Lehrmittelsammlungen und Anstalten mit den
nebenstehend ausgesetzten jährlichen Dotationen: 1. die Sammlung für
darstellende Geometrie 250 fl., 2. die Samml. für Zoologie und Botanik
450 fl., 3. d. S. f. Mineralogie und Geologie 450 il., 4. d. S. f. Warenkunde
150 fl., 5. d. S. f. Maschinenlehre 8U0 fl., 6. d. S. f. Maschinenbau 1500 fl.,
7. d. S. f. mechanische Technologie 1500 fl., 8. d. S. f. praktische Geo-
metrie 400 fl. und für die gröfseren praktischen Vermessungen ein Pau-
schalbetrag von 200 fl., 9. d. S. f. den Hochbdu 800 fl., 10. d. S. f. den
StraTsen- und Wasserbau 800 fl., 11. d. S. f. die Landwirthschaftslehre
400 fl., 12. d. S. f. das technische Zeichnen 200 fl., 13. d. S. f. das Orna-
mentenzeichnen 200 fl., 14. d. S. f. das Landscbaftszeichnen 100 fl., 15. das
physikiiiische Cabinet sammt Laboratorium 1000 fl., 16. das Laboratorium
für allgemeine und analytische Chemie 1250 fl., 17. zwei Laboratorien für
chemisctie Technologie, jedes mit der Dotation von 1000 fl., 18. das Obser-
vatorium mit der Sammlung für höhere Geodäsie und sphärische Astronomie
400 fl., 19. die Modellierwei kstätte mit der Modellensammlung 250 fl. ö. W,
§. 63. Die in dem vorhergehenden Paragraphe angeführten Samm-
lungen und Laboratorien stehen unter der Leitung und Verwaltung der
betreffenden Professoren als Vorstände derselben. — Jeder Vorstand ist
dafür verantwortlich, daas die ihm anvertraute Lehrmittelsammlung mit
Rücksicht auf die aasgeworfene Dotation stets in einem ihrer Aufgabe ent-
sprechenden Zustande erhalten werde. Die Vorstände haben;
1. Genaue Inventarien über die Gegenstände der Sammlungen zu führen;
2. sich bei Anschaffungen innerhalb der Grenzen der Dotation zu halten;
3. die Verwendung der letzteren alljährlich auszuweisen;
4. zur Vermeidung der Anschaffung von unnöthigen Doubletten das
gegenseitige Einvernehmen zu pflegen.
Die Sammlungen werden an einem Tage der Woche den Studieren-
den geöffnet.
§. 64. Das den Lehrkanzeln beigegebene Personale wird auch für
die Arbeiten in den betreffenden Sammlungen verwendet. — Aufserdem
sind der Lehrmittelsammlung für mechanische Technologie ein Adjunct,
ein Eanzlist uud ein Au&eher, jener für Maschinenbau ein Mechaniker,
femer dem Laboratorium für Chemie ein Präparator und den beiden
Laboratorien für chemische Technologie je ein Laborant zugewiesen. — Die
Bezüge dieses Personales sind folgende: Adjunct des technischen Cabineta
945 fl. Gehalt, 126 fl. Quartiergeld; Kanzlist des techn. Cab. 420 fl. G.,
63 fl. Q.; Aufseher des techn, Cab. 420 fl. G., 63fl. Q.; 2 Laboranten für
chemische Technologie, jeder 500 fl. G., 100 fl. Q. ; Präparator für die all-
gemeine Chemie 500 fl. ö. W. G. und Naturalwohnung. — Die Entlohnung
des der Sammlung für Maschinenbau zugewiesenen Mechanikers wird von
Fall zu Fall bestimmt.
J|. 65. Die Bibliothek des k. k. polytechnischen Institutes liat eine
otation von 5000 fl. ö. W. Das Personal derselben besteht aus einem
Bibliothekar, einem Custos und einem Scriptor. — Der Bibliothekar steht
zu dem Institute in dem Verhältnisse des Vorstandes einer Lehrmittel«
Sammlung. Ueber die zu machenden Anachaffunffen entscheidet snnächst
im Einvernehmen mit dem Bibliothekar ein ans der Mitte der Professoren
48*
716 PersoDal* and Schulnotizen.
mit Rücksicht anf die Abtheilungen des Institutes in bestellender Biblio-
theksaasschuss und im Falle abweichender Meinungen das Professorencol-
legium. — Die Benützung der Bibliothek wird durch besondere Vorschriften
geregelt. — Der Bibliothekar bezieht 1600 fl., der Custos 1000 fl-, der Scriptor
700 fl. Gehalt in ö. W. mit einem Quartiergelde von löpCt. des Gehaltes.
VII. Kanzlei- und Hauspersonale.
§. 66. Das Kanzleipersonale besteht aus einem Secretar, einem Cas-
sier und Rechnungsführer, einrm Controlor, einem Protocollisten und zwei
Kanzlisten. — Der Secretar steht in der achten Diätenclasse. Rücksichtlich
des übrigen Personales bleiben die bestehenden Bestimmungen aufrecht. —
Die Obl.egenheiten des Kanzleipersonales werden durch eine besondere In-
struction geregelt. Die Bezüge desselben sind folgende: Secretar 1500 fl.
Gehalt, Naturalwohnung; Cassier und Rechnungsführer 1200 fl. G., 210 fl.
Quartiergeld; Controlor 900 fl. G., 157 fl. ÖO kr. Q.; Protocollist 700 fl. G.,
126 fl Q.; 1. Kanzlist 600 fl. G., 105 fl. Q.; 2. Kanzlist 500 fl. G., 105 fl.
ö. W. Q. — Das Hauspersonale besteht aus dem Hausinspector , einem
Kanzleidiener, dem Portier, 2 Bibliotheksdienem, 10 Saaldienem für solche
Lehrkanzeln, mit welchen Lehrmittelsammlungen verbunden sind, 9 Haus-
knechten und, nach zeitweiligem Erfordernis, den nöthigen Aushelfem zur
Dienstleistung bei der Bibliothek, den übrigen Lehrkanzeln und zur Ver-
richtung der Hausarbeiten. — Besondere Instructionen regeln die Obliegen-
heiten des Hauspersonales. Die Bezüge desselben sind im Folgenden auf-
geführt: Hausinspector 600 fl. Gehalt, Naturalwohnung; 1 Kanzleidiener
360 fl. G., Naturalw.; 1 Portier 300 fl. G., Naturalw.; 6 Saaldiener, jeder
400 fl. G., 80 fl. Quartiergeld; 4 Saaldiener, jeder 350 fl. G., 70 fl. Q.;
2 Bibliotheksdiener a 400 fl. G., 80 fl. Q.; 5 Hausknechte, jeder 240 fl. G..
60 fl. Q.; 4 Hausknechte, jeder 200 fl. G.. 50 fl. ö. W. Q. — Zwei Saal-
diener und zwei Hausknechte wohnen im Institutsgeb&ude.
Personal- und Schulnotizen.
(Erledigungen, Concurse u. s. w.) Olmütz, k. k. OR, Lehr-
stelle für deutsche Sprache als Hauptfach, Jahresgehalt 840 fl- ö. W., mit
Anspruch auf Decennalzulagen. Tern'in: Ende November L J., s. Amtsbl.
z. Wr. Ztg. vom 17. October 1. J., Nr. 238. — Hermannstadt, k. k.^
kathol. Staats-G., Lehrstelle f&r Mathematik und Physik (mit deutscher
Unterrichtssprache), Jahresgehalt 945 fl. ö. W., mit Vorrückungsrecbt und
Anspruch auf Decennalzulagen. Termin: 6 Wochen vom 12. October L J.
an, s. Amtsbl. zur Wr. Ztg. vom 25. October 1. J., Nr. 245. ~ Rove-
redo, k. k. G., Lehrstelle für classische Philologie (mit italienischer Un-
terrichtssprache), Jahresgehalt 735 fl., beziehungsweise 840 fl. ö. W., nebst
Anspruch auf Decennalzulcgen. Termin: Ende November 1. J., s. Amtsbl.
z. Wr. Ztg. V. 25. October! J., Nr. 245. — Prag, Altstädter-G., Lehr-
stelle für classische Philologie (bei Kenntnis beider Landessprachen), Jahres-
gehalt 945 fl., beziehungsweise 1050 fl.ö. W., nebst Anspruch auf Decennal-
zulagen. Termin : 6 Wochen von» 5. October l. J. an, s. Amtsbl. z. Wr. Zt^.
?. 25. October 1. J., Nr. 245. — Pancsova (in der Militärgrenz-Communi-
tät), k. k. OR., Lehrstelle für Naturgeschichte und deutsche Sprache, Jahres-
? ehalt C30 fl.. bezüglich 840 fl. ö. W., mit Anspruch auf Decennalzulagen.
ermin: Ende November 1. J., s. Amtsbl. z. Wr. Ztg. v. 26. October L J.,
Nr. 246. — West-Galizien, k. k. Gymnasien: a) Erakau, k. k. OG..
Iichrstelle 1. Gehalts-Cl. für Latein .und Griechisch (durchs ganze G.).
ebend., UG., Lehrstelle 3. Cl. l^r Latein und (Griechisch (mit polDischer
Unterrichtssprache); b) Bochnia, UG., Lehrstelle 3. Cl. für Latein und
Griechisch (mit polnischer Unterrichtssprache); c) Neu-Sandec, OG.,
Lehrstelle 3. Cl. f. Latein u. Griechisch (mit deutscher u. polnisdier Ü.Spr.);
d) Tarnow, OG., Lehrstelle 3. Cl. f. Latein u. Griediisch (mit denticher
u. poln. U. Spr.); e) Rzeszow, OG., Lehrstelle für latein u. Griechisch
(mit deutscher u. poln. U. Spr.). Termin: Ende November L J^ ». Amtsbl.
a. Wr. Ztg. ▼. 7. November l. J., Nr. 255.
(Diesem Hefte sind drei literarische Beilagen beli^agebeft.)
Erste Abtheilung.
Abhandlungen.
Die herculanischen Eollen.
Herculanensinm Voluminum CoUectio altera. Tom. II, HI, IV, V, 1.
(Neapel 1862-1865.)
I.
Seitdem L. Spengel im Philologus (SuppL Bd. II , Heft 5) über die
neue Sammlung herculanischer Bollen berichtet hat, ist dem dort bespro-
chenen ersten Bande ein zweiter, dritter, vierter nnd das erste Heft des
fünften gefolgt, eine Gesammtzahl von fast siebenhundert (665) Columnen,
der eine gleich umfassende Besprechung noch nicht zu Theil geworden ist.
Ich versuche es im folgenden diese Lücke in beschränktem MaTse auszu-
füllen. In beschränktem Mafse: denn während Spengel es sehr wohl als
angemessen erachten konnte, das erstorbene Interesse an diesem Literatur-
zweige durch reichliche Mittheilungen aus den neuerschlossenen Schriften
zu beleben, halte ich einen gleichen Vorgang gegenwärtig für nichts weniger
als zweckentsprechend. Ich bin mit der Bearbeitung dieser Schriftenmasse
unablässig beschäftigt und ich kann es nicht über mich gewinnen dort
Unvollkommenes oder Unvollständiges zu bieten, wo ich fortgesetzter Be-
mühung reifere Früchte abzugewinnen hoffen darf. Und von meinen Nei-
gungen abgesehen : ob das Zerpflücken eines der Forschung neu-gebotenen,
von Schwierigkeiten aller Art strotzenden Materials, ob das Abschöpfen
des Anziehendsten und Verständlichsten darin, während der wahrhaft er-
schöpfenden Behandlung, — und auf diese kommt im Grunde doch alles
an, — nur der trübe Bodensatz der allergröfsten Schwierigkeiten überlassen
bleibt, — ob ein derartiges Verfahren der Förderung soldier Studien dien-
lich sei oder nicht, darüber mögen Sachkundige und Unbefangene entscheiden.
So stehen denn meine gegenwärtigen Mittheilungen nahezu in um-
gekehrtem Verhältnis zu der Ergiebigkeit ihres Gegenstandes. Von den
hieber gehörigen Schriften die einer zusammenhängenden Behandlung
mehr oder weniger reiche Ausbeute gewähren ist eine in kritischer Bear-
beitung bereits von mir veröffentlicht worden {4HXo6rifiov ntgl arjfii(a>v
xal Qr^fAfwamav) , eine zweite Publication steht unmittelbar beyor (^»Ao-
Zottaohrift f. d. ORterr. QymBM. 1866. X. Heft. 49
718 Th. Gomperzy Die herculanischen Rollen.
«TiJ^oi' 7I€qI svofßeitts), für eine dritte und vierte (desselben nenl noui-
ficcTütv E oder richtiger tov E itav elg 6vo ro B und m^l ^riTOQtx/js
[Papyr. 1674 und 1427]) sind umfassende, dem Abschluss nahe Vorberei-
tungen getroffen. In Betreff aller dieser Stücke beschränke ich mich auf
wenige vorläufige oder ergänzende Bemerkungen. Anders steht es mit dem
übrigen Inhalt dieser Bände. Diesen bilden Ueberreste, deren zerrütteter
Zustand jedes Bemühen um Herstellung eines irgendwie fortlaufenden Tex-
tes oder um Ermittlung des Gedankenzusammenhangs entweder als ver-
geblich oder, in Verbindung mit anderen weiterhin zu erwähnenden Um-
ständen, als verfrüht erscheinen lässt. Hier sind reichere Mittheilungen
interessanter Einzelheiten, insbesondere der zahlreichen eingestreuten Citate,
wohl an ihrem Orte. In welche Kategorie aber jede der Schriften gehört,
dies soll unsere Durchmusterung der üeberbleibsel lehren.
1) Columne 1 — 147 des zweiten Bandes werden von der oben er-
wähnten Schrift 4>iXdrifjLov 7T(qI evaeßt^ag eingenommen, über die in diesen
Blättern bereits mehrfache Mittheilungen erfolgt sind. Hier sei nur be-
merkt, dass es mir gelungen ist, ein Facsimile des Oxforder Apographum
(im gedruckten Verzeichnis Nr. 1428 „Paginae 25 incerti auctoris*' und
Nr. 1077 „Paginae 5 incerti auctoris") zu erlangen. Das letztgenannte Stück
enthält zwei bisher unbekannte Blätter, das erstere auTser den zwölf von
Hajter bearbeiteten Columnen die von diesem übergangenen Columnen I— lü
und 16 der durch die Neapolitaner Ausgabe bekannt gewordenen Frag-
mente. Die sämmtlichen facsimilierten Blätter werden in (bereits vollen-
deter) photo - lithographischer Nachbildung dem nächsten Hefte meiner
„herculanischen Studien" beigegeben werden.
2) II , 148 — 158 : <i>cXoSiijLiov ttcqI noirifidTtov J (oder ^ d. h.
vierte Abtheilung des ersten Buchs?) Die Benützung des unveröffentlichten
Apograph. Oxon. Papyr. Nr. 207 (das Bruchstück n fehlt, der Titel zeigt
etwas deutlicher die Zeilenzahl 2050, die Buchnummer ist nicht erhalten)
macht es mir möglich wenigstens ein paar Einzelheiten aus den arg zer-
störten Bruchstücken hieher zu setzen, die wohlerhalten unser lebhaftes
Interesse beanspruchen würden. Muthmafsliche Beziehungen zu der Poetik
des Aristoteles (oder zu verwandten Schriften? zwei Peripatetiker : Deme-
trios von Byzanz und Praiiphanes werden in 3) genannt) deute ich kurz
an. Zu Luftfahrten im Beiche der Möglichkeiten mag ich den Leser nicht
einladen.
Auf der (sogenannten) Oolumne I sind nur einzelne Phrasen lesbar
wie: n^^X noi,r]iia\xoq\, [v]»?/iil ^^ [f*]»}, \iov\q nodttovrag [x]tt[l t«c
nQul^iig, loyovs, xal nUiovlotv], nmrra tavx^ tig xovg, tSitog iar{v, «r-
Tov dudsyofiivov [xal] SMvrog ayo^jjuijy]. In CoL 2 zeigt ein Satz,
dass die Malerei in den Kreis der Betrachtung gezogen ward: noXXm'
j(ov vaj[eQOv] (xkv oQÖhnrai yQatpal [joi]ovt(ov, ttl «Ti roTg tow —
Col. 3 enthält ein anziehendes, für mich nicht lösbares Räthsel in
den Worten: — rijg i[m]aTfJijirfg , Sw xal Age {IIq€ in O am Ende der
Th. Gomperz, Die herculaniscben Rollen. 719
Zeile) yovo[^] ov [x]uTuxQvao[vg] ttvd-Q[a)]n[ovg i]n[6]ria(v , i7ti/€iQTJ[a]ai
xivng yQtt(fmv i$av&[Q](ü7T[{C](t'V Trjv jQctytodyav]. — Welcher Bildhauer
das kostbarste Material den Göttern vorbehalten und nicht au die Dar-
stellung von Menschen wenden wollte, ist mir unbekannt'); geht y^afftav
auf denselben, so war es zugleich ein Kunstschriftsteller, der überhaupt
auf strenge Sonderung des Göttlichen und Menschlichen drang und gegen
jene bürgerliche Auffassung des Mythischen und Heroischen eiferte, wie
sie vornehmlich durch Euripides auf der griechischen Bühne heimisch ward.
Das folgende: tt^v[v]aTov — [t]o yag tj [A^|]f* xal rotg 7iQit[y]fi[aaiv] —
[x]aTaUl7ieiv ist mir unverstandlich. Ein Gegner hatte der Tragoedie (und
dem Epos?) als Darstellungen göttlicher und heroischer Handlungen Ko-
moedie und Jamben entgegengesetzt: (Col. 4) €iv^Q[io7T]ix(ü[T]iQag ^[(>]/[/]-
lol^ov [t€ xa\] liQiaxo^{ttvri\v \jjfu(ifA]TJad^(u 7r^a^f*[f], — wogegen Philo-
dem in leider verstümmelten Worten Einsprache erhebt: cJy [6] jukv 'Aqx('
lox[o\g oi}cf* av juffiii^na&at,,.. (bei Archilochos sei überhaupt von /ui/uri-
aig keine Rede), [6] «T' H[()]iaTO(fa[vt}]g — tv id ndvra, ... lx]aT avjov (?)
IIttva[(o\vog fJKfju^ri^ivov^ noog rt^ fii^T ^nog etvat /UiJt« T()«y^<f/«[r] r^v
xoifAt^Cav xal t[o]vg idfißovg Inlg äv ij [rt]T»?<r*tf. Die Discrepanzen der
beiden Abschriften vereiteln jeden weiteren Restitutionsversuch, am Beginn
der Col. scheint zu lesen [jLii]fii^a€ü)g i[x]T6g taxat xu[l (\xHvog—. üeber
den auch von Aristoteles (Poet. 2 und Polit. 1340 a, 36) genannten Maler
Pauson vgl. Brunn, Künstlergesch. II 49—50.
Col. 5: xdv [t]ol[g\ in[€ai,v] xdv %a[ig] t{iayiü6lMg^ [(üS\ax^ ov Trjg
filv xqayioS[(]ag ro n d7Tttyyi[XX]€iv iv rotg nXXoig . . . [i]v i7t([ai] t6
fi6v[ov dnayyyXXnv . . . xal ^aipiX^ategov t6 [dn]ttyy^XX€iv. dXld fxrv x[ttl
t6] UyHv Tov ri[Q\(pov a[xl]xov [dv\jl rtav TQuyixuiv ^[;|f«]*v, [avyx]H[a]d'(u
yd^ Ix ndvT[ü}v fi^]TQa)[v T]i)y TQaytp^iav . . . [9]Uip€vaTa& .... [aT£]xoi'g . .
TJ xttTaax€[v]j TiaQa zoig (7ro[noioig] . . . ratg TQayto[9{tug] .... In alle dem
kann eine Polemik enthalten sein gegen Arist Poet. c. 5: z^ ^k ro
fiitgov dnlovv ix^tv xal dnayyiUav ilvai, xairtr^ itatfiqovaiv (vgl. auch
c. 24), wie man im folgenden eine Bekämpfung des aristotelischen Aus-
spruchs (ibid. u. c. 26) wittern kann: « fikv yuQ InonoUa ix^i, vndgx^^
TJ %gay(fid(tfj a ^k ai)r»{, ov ndvTU iv TJ inonoUif,
CoL 6 folgt nämlich nach einigem mir zweifelhaftem (rrjv dnay"
y\iUa]v (og jli6qi[ov] jrjg . . . artxfjg dXV d[v]TurTQ[6](ftog): ov^k ndv[T]a
iv Tj TQtt[y(p]6 i(jc [a] xal iv ixe^vlrf, T]ovvavT{ov (f* ovx vndQxeiv, dlld
xd[fjL\naXiv dfiv&ri[^^] oaa mgiXa/Lißdvetv (fvaetog tgya xa[l] tvx^£ ««^
d-itov xal 7iav[%\o[Sa\nC}v Cww[r etwa «i'riji' a] ov Svva&* rj T^ay^[cf/]a
[/rpl^y i[7i* 6]Xiy[ov] . . . , wobei ich freilich bemerken muss, dass ich oben
[a] geschrieben habe, wo in AT eine Lücke und in meiner Abschrift von O
ein T nebst leerem Raum für einen Buchstaben zu sehen ist.
*) Man wird wol ^p«[Tcf]va»'of ergänzen müssen, bisher freilich weder
als Künstler- noch aucn sonst als Personenname nachgewiesen. Die
Zeichen der zwei Abschriften wenigstens gestatten kaum an Anti-
gonos zu denken, den pergamenischen Bildhauer der nach Plinius
(34, 84) ^Volumina condidit de sua arte.^
49*
720 Th, Oompere, Die herciilanischen Bollen.
Völlig unergiebig ist Col. 7: ^^r^« . . . axtifdara . . . fiiTQa [rw]
i-yQÖiv xal ^rjQtJV n. dgl. xal i^a/n&Qtp xal navrl tii[rq](fi XQ**ih^v[ri xa]ui
tov TovTov koyov xa(T[oi] atXrj(fvla ^(lonotav [ti]x6Tü}g ttv vofiiCoiTO . . .
ittvriji ?;tW*M • • • fdtfiovf^^vrjv . . . xaS- ' ^r . . .
Col. 8: noTioig' f[/] ^h* ovx Iv , . . [^^J^^w^/rj [l]yf[ry]«t, i€y^a[&](ü
To HXog ^/(iv l[v] (ftov^ xal ^6<foi^, Ind 6* (f[ol] Xoyot /u^itodov/niroi,
[t]a(ag h rovxotg «ZA* ovxl xdv [t]^ Ao[y]y to rdog %lov[ai] rrjg fufirimiog
fialXov [5] ^6v(p X6y(p 6i>a to [</'Wy]3 xa[l i//6]^tf a(r[i']y«[Tor] ilvtu
TTQeiyfiaTa fitfieia&ai xal firj fiovov (f(av€cg xal \p6(fovg aurdfv, ov fir^v
[o]i5J' tag nqog rovg Tqay(fido[n]otovg ifa^iiv tx^iv rovg [vnox'lQtxäg xal
nQ{6g\ rovg l[n\onoiovg rovg ^ipüi^ovg, [ovrto] jiQog rovg fiiJLo7iot[ovg]
Tovg ^a\pto^o[vg ^ 7TQ6]g rovg /Lt(Xo7io[i]ovg rovg [avX]fiJag xal rovg rp
Xv[Q(f] — y eine Stelle über deren Auslegung sich sehr viel mathm&fsen
Heise und deren Ergänzung nicht sicherer sein kann als unser tastendes
Verständnis es ist.
Einen verständlichen Satz wenigstens bietet uns Col. 9: xa[l] firjv
ovJ' Iv z^ Xoytp iu[6]vov i} rqayt^Sia näöav nouTraitriv iQyaaiaif, aXXei
xal TJ (püyyj x^Q^V^^ ^^ [v]7roxgtTtiv xa[l t^J] fi^Xei tov T€ avXfiT[ov
xal] TOV Ix]o[qi]xov (?) 7roXXtt[xi] — wobei man an Arist. Poet. c. 6 und
c 26 gemahnt wird: ij ydg Trjg TQaytp^tag dvvafxig xal avfv dym^g xal
vTioxQtTühf lariv — und: cfta yuQ tov dvay&vtiaxHv (pavsQa 6no(a tk iaT{v\
Vgl. auch c. 14 init. Vorher erscheinen die Namen Homer's, des Euripi-
des und Sophokles in einem mir unverständlichen Zusammenhang.
Col. 10 scheint schon in den ersten Worten von den lyrischen Lei-
stungen der Tragiker zu handeln: o[v]^€v6g ijrrovg fulonotav (so hier
immer geschrieben) und alsbald: ^i cfi) ttiv [T]Q[ayi^]d(a[v\...,aniQ ^<^[^]
jfo[*]w, Tfig a[v\Trig itvtu Tix^vs ovMg [6]fjioXoyria€i (so scheint auch CoL 9
zu lesen: oi5(f' €i Trj'g avrijg iaT& r^x^rig), [x]aTa[y€]XdaiTai dk nag dxovtür,.
Leider vermag ich in der folgenden über den wenig bekannten Tragiker
Dikaiogenes handelnden Stelle, von dem höchst interessanten in O wohl
erhaltenen Schluss abgesehen nur einzelne Worte zu entzifferp, doch scheint
über den Sinn „Dikaiogenes war in den melischen Partien ebenso glück-
lich als unglücklich in der Tragoedie selbst** kein Zweifel zu bestehen. Ich
sehe sogleich nach dxovtov: ^[»?]cr* ^ttoi;^ . . . jJilxa]to[y^v]fjv ,,, ftkv [ydq]
... \}ii\X[on]otag [tc3]v f{(p^ rj\fxmv (ist dies richtig, so haben wir ein
Citat aus einem älteren Schriftsteller vor uns) . . . oiJ xd[v] raXg tQaytfid[C]iug
oirtug d[va\TvxovvTaf X^9^^ ^o*^> *"*' ^«[^]*?Ta* ravTa, IKvSaQov fxkv
[a\n(Q fig ttjv Tqayt^Siav ^/^^[r 7r^o(T]f ^Jlijy/[r]o*, /tixa^o-
yivfj[v] «T* faxtix[^v]tti, T[d] TtQog r^r ^l[« t]rjg TQ[ay]iffS[{]ag
fieXoTiotav. Der Lyriker Pindar besafs das Zeug auch zu einem Tragi-
ker, der Tragiker Dikaiogenes nur das Talent für undramatische Lyrik. So
schlieflsen diese wenig erquicklichen Ueberreste, — zugleich mit einem geist-
vollen Gedanken und einer schätzenswerthen Nachricht. — Weit glück-
licher steht es um
Th. Gomperz, Die herculanischen Bollen. 7M
3) nnd 4) 11 , 159—197 und ü, 198 — 208, zwei Stücke, deren
Besprechong sich nicht wohl trennen lässt, ans dem ein&chen Grande,
weil es zwei Exemplare einer und derselben Schrift sind.
4) (nach der nnveröffentlichten Oxforder Abschrift Papjrr. Nr. 1538) ent-
halt in ganz verschiedener Zeilen- und Columnenabtheilnng sehr dtbrftige
den Colnmnen 27 (O) » 25 (N) bis zum Schluss entsprechende Beste. In
dem mir vorliegenden Facsimile der Oxforder Abschrift dieser Donblette
fehlt das Bruchstück Col. VII A'), während sie ein in der Neapolitaner Aus-
gabe fehlendes der Col. 30 (O) entsprechendes Stück enthält. Wir verdanken
dieser Doublette die genaue Kenntnis des Titels: ^iloSri/xov mql
noififturtov xov E rtiv etg Svo lo B, d. h. des fünften Buches zweite
(nnd letzte) Abtheilung, während in 3) nur lesbar ist ^iloSrifiov m^l
noififXKTtav E. AuTserdem bietet sie uns (besonders in der von mir be-
nützten Oxforder Abschrift) trotz ihres' trümmerhaften Zustandes manche
werthvoUe Ergänzung einzelner in 3) zerstörten oder verderbten Stellen,
z. B. den Schluss der Schrift und auf der vorletzten Columne eine bereits
aus Plutarch (Mor. p. 777 C — 949, 45 DübnerJ bekannte, von Meineke
(Add. et Corr. ad Vol. IV, p. 122 vor Jacobi's Comic, lect. ind. gedruckt)
einem unbekannten Komiker zugewiesene Phrase : o xal „^gly Gioyvtv
yhyovivtLi,^ xaxilx^ftiVf hier wie bei Plutarch zur Bezeichnung einer faden-
scheinigen Trivialität verwendet („das brauchte uns nicht erst Theognis
zu lehren"). Die Oxforder Abschrift von 3) ward bereits vor vierzig Jahren
(im HercuU. Voll Oxonii 1825 11, P. 117 sqq.) der Oeffentlichkeit über-
geben. Sie gab bekanntlich Dübner den Anlass zu einem Bestitutions-
versuch (Philologis Gothae conventum agentibus S. P. D. Fr. Dübner.
Insunt Fragmenta Philodemi thqI noirj/uiarüry, Parisiis, Firmin Didot 1840),
über den dieser sich selbst in folgenden bemerkenswerthen Worten ausspricht :
«sperabam . . . , si per dierum aliquot otium . . . sedulo in hoc opusculum
inquirerem, me eo fuisse perventurum, ut remm et argumentationis seriem
breviter significatam et locorum aliquammultorum cmendationem Vobis simul
Possem offerre. At iis ausis excidi planissime, ingenii culpa, non nego, sed
majore, ni fallor, ipsius rel Librarius enim hujus voluminis, sive potius
(quod mihi est persuasissimnm) lithographus Oxoniensis (?) suo munere
adeo negligenter functus est, ut vel in iis paginis, quae paucis modo lit-
terulis carent, non dico sententias sanas, sed sententiarum simulacra aegre
expisceris. Äuget obscuritatem Philodemi institutum, non rem ipsam trac-
tantis, sed sophistae alicujus (fortasse ejusdem quocum in alüs scriptis de
rhetorica certat) et aliorum, velut Peripateticorum , placita, magnam par-
tum et ipsa ignota, redarguentis. Igitur quum in argumenti serie dispi-
cienda nüllo modo proficerem, ea quaercnda destiti, nnaqne valere jussi
conjecturarum copiam satis amplam, lusus inanes, nisi continnus *
decnrsus sententiarum quae verae sint, quae falsae, eviden-
ter arguat." Dübner, von dessen weiser Enthaltsamkeit diese Worte ein
glänzendes Zeugnis ablegen, hat sich daher darauf beschränkt die Oxforder
*) Die zur angeblichen Columne VII vereinigten Stücke A und B sind
Ueberreste zweier auf einander folgenden Colnmnen.
722 Th. Gomperz, Die herctvXanischen Rollen.
Steindruck -Tafeln durch geschnittene Typen wiederzugehen und („ne pa-
gellae hae prorsus nihil de meo continere cum dedecore deprehendantur**)
zehn Columnen und zwei Bruchstücken von solchen seine Muthmafsnngen
heizuschreihen. Er ist auch im Laufe eines Vierteljahrhunderts zu dieser
Schrift nicht mehr zurückgekehrt. Ich selbst habe auf dieser schätzbaren
Vorarbeit fufsend und durch die, wie fast immer minder reichhaltige aber
diesmal an manchen Stellen correctere Neapolitaner Abschrift unterstützt,
dem schwierigen Werke bereits ein nachhaltiges Studium gewidmet und will
meinem oben ausgesprochenen Grundsatze gemäTs mich hier auf eine Bemer-
kung und deren Erweis beschranken: Jedes ürtheil über Inhalt oder Form
einer nur in stückweiser (und darum nothwendig, äufserst unsicherer) Bearbei-
tung bekannten Schrift wie es die vorliegende ist, entbehrt jeder irgend
haltbaren Grundlage, und sollte darum (es sei von wem immer ausge-
sprochen) auch jedes Gewichts entbehren. Wenn z. B. ein so einsichtsvoller
Mann wie Egger in seiner „Histoire de la critique chez les Grecs** unter
directer Bezugnahme auf diese Schrift des Philodemus urtheilt: „a lire sa
prose si rüde et si obscure on le croirait etranger au plus vulgaire senti-
ment de la poesie" (P. 241), so wird die Vermuthung gestattet sein, dass
dieses harte ürtheil zum grofijen Theil durch eine Beschaflfenheit des Textes
beeinflusst ist für die man wahrlich nicht Philodemus verantwortlich machen
kann. Und so sei es denn bemerkt, dass Ausdrücke und Wendungen wie:
voaov iqt^VTUj ars iXlHnofxevoi oktog rijg iwofag, TfTQififi^vtji Siavol(f
antoatovy oi^cig av eg^ets Sucvoiav u. dgl. mehr auf nachweislich unrich-
tigen, durch die unzulängliche Beschaffenheit der einen Abschrift vielleicht
erklärlichen Ergänzungen beruhen. Gewiss, unser Epikureer ist nichts weniger
ab ein mustergiltiger Schriftsteller, ja er erinnert in einzelnen Fällen so-
gar an Erscheinungen, die der gesammten Profan-Literatur fremd sind *) ;
allein er ist alles in allem doch um kein Haar schlechter als Polybius*),
dessen Namen man doch zu nennen pflegt ohne sofort in jene Scheltworte
auszubrechen, die man dem von der Ungunst des Schicksals und von den
Heilbemühungen seiner Kritiker gleich schwer heimgesuchten Philodemus
nicht ersparen mag. Und damit das Gesagte nicht jedes Beleges ermangle,
mag hier wenigstens eine der Dübner'schen zehn Columnen dem Texte
gegenübergestellt sein, dessen Herstellung sich mir aus der Benützung
eines vollständigeren Apparates ergeben hat:
Col. XXIV Dübn. CoL XXU N - XXIV O
ei fikv li fikv
Tovg ttsqI tov *E7i(xovqov x]oifg niqi tov *EnCxovQOV
aMTT€Taif o ifXvttQit iJJU- i}r]/'TT€[T]o, (f{X\vaQog rjv,
^ So durch den Gebrauch des Verbums <fi^«T^cD (nsol arj^BCeav xal
arjui(ü)af(av Col. XI, Z. 7—8). Gern würde ich hier Nauck's brief-
licncn Vorschlag annehmen und av dwatrian ändern in adwairiaiiy
allein der Gedankenzusammenhang thut Einspruch und erlaubt nicht
Philodemos von diesem Makel zu befreien.
^ Mit diesem und mit Chrysipp vergleicht in Bezu^ auf Styl und
Sprache unseren Schriftsteller auch der jüngste und nicht der mindest
treffliche Bearbeiter und Erklärer des Lukrezischen Lehrgedichts,
J. H. Munro (Lucretius II, 101, Cambridge 1864).
Th. Oomperz, Die hercolanigchen Bollen.
788
<oif xai yiyovi xvX ytvr-
aeiM (t4>) ivTvxom davfi'
(pavis' il S^ ttXkovg ttvdg,
OV, TO (f* i%p€V^QVTO, T« «fi
naQ^XitnoVy urt HXitTto-
j£v darsitov xal tpavXwv
TfOlTIfiaTtÜV
...... 0/ (f^ ipv-
aixov dyad'ov Ifx noni/na'
Ti fAfidkv ilvat HyoV'
xig ftn€^ TouT* Htpaaxop,
ov6k TfQoai&rixav o dcfcce-
XriTTTov ivijv. ^Eyjsv-
Sovxo <f' i^aXXaxrd nnv-
ra vofiiCovrtg ilvai xal
x^iaiv ovx vndqx^^'^
dariiofv ijidiv xal (pav-
Xa>v xo&VTJv, dXXd na-
q' aXXoig äXXrjV log r^r
vofxifAiav l^aXXayriv ' xa-
&^ o nofifia (pvOixov ov6kv
uvt€ Xi^tog ovT€ Sta'
votj/LiaTog wf^Xfifia na-
^aax€va(H. /Ii>d tovto i-
|oi T^g d^ezfig iarrixoTcg |
vnoxHvrai axoTtot.
w]f xal [y]iyov€ xal yivri-
a[c]TM [7rQo]'£6vT(ü[v a]vfi'
(f[av]ig'€l (f* ttXX[ov]g rtvdg,
i[xe]lVOt TO iLi[kv] ijillf^fi;-
o[y, t]o <f* i^€v&[ovT]o, T« <fi
7iaQ^X]Hno[v, n]a[Q]^XH7rof4,
fikv oXtog T[dg] iv[v]oiag
ttav dariCiav xal (fjavXtov
noififArdTtav xal noiri-
Tc5v], ijXi^<vav] ^k yv-
ai[x]6v dya&ov l(x novijbia'
T& firiSkv elvai X[f\yoV'
Te[g]f ttniQ rovr* ttpaaxov
ov6h nQ\oa49"nxttv ddut-
XriTtTOV [0V^]^V ' l^€V'
SovTo dh aa[9-Q\d rd ndv-
la [ifo\fi(^o[vT]ig f?ra[i x\al
xQt[aiv\ ovx vndQX([iv xwv
dOT^Ctav inthf xal [(pav^
Xiov xo&vijv dXXd na"
Q* aXXotg aXXijv tog ttjv (?)
vOfiifAiav. (l yaQ <T>ot xa-
&6 norifia (pvaixov ov6lv
ovTi Xi^€to[g] ovTt J[«a-
vo]ijfiaTog mpiXuifia [na-
Q]aaxivaZH, Sid rovt* [H-
oi] jijg uQST^g kaxr^xoxig \
vnoxHvrair, ix[Hv\oi —
Ist es mislich über die Form einer so nnyolliommen gekannten Schrift
zu urtheilen, welchen Werth können wir einem auf gleicher Grundlage
beruhenden Urtheil über den Gehalt derselben beimessen, über den Ge-
dankengehalt eines arg zerrütteten philosophischen Werkes, dessen Ver-
ständnis sich nur der hingehendsten Bemühung und auch dieser vielleicht
niemals vollständig erschlicfsen kann? Ein solches Urtheil begegnet uns
bei Brandis (Entwickelungen der griechischen Philosophie II, 52), der
die Abhandlung mQl noirifjidTtov dadurch charakterisiert, dass er sie eine
Schrift nennt, die ihren Gegenstand ^lediglich vom Standpuncte der epiku-
reischen Ethik betrachtet** („dem Inhalt nach sind erheblicher**, so fahrt
B. fort, „die Bruchstücke aus dem Werke über die Tugenden und Laster").
Unmöglich kann der ehrwürdige Veteran der antiken Geistesgeschichte mit
diesen Worten nichts anderes sagen wollen, als dass die »sthetische Ab-
handlung eines Epikureers nichts enthalte was der epikureischen Ethik
widerstreitet. Denn dies wäre wahrlich nicht ein Tadel, wie er beabsichtigt
scheint, aber freilich auch kein Lob, sondern etwas so völlig selbstver-
ständliches, dass es gewiss niemand für charakteristisch halten könnte.
Sollen aber seine Worte mehr besagen, sollen sie besagen dass moralische
7E4 Th, Chmperg, Die herculanischen Rollen.
Betrachtungen in dieser Schrift die Stelle einnehmen, welche den spedfisch-
ästhetischen zukonnnt (man denke an die moralisierenden Knnst-Theorien
des vorigen Jahrhunderts), so dass aus derselben für die Erkenntnis der
bisher völlig unbekannten Aesthetik der epikureischen
Schule (&st nur dem Namen nach kennen wir MriJQoSvtqov m^l no^firw)
nichts zu gewinnen wäre, — dann sei mir mit all der Ehrerbietung,
die einem Forscher wie Brandis^) gebührt, zu bemerken gestattet, dass
eine grundlosere Behauptung niemals ausgesprochen worden ist An einer
der besterhaltenen Stellen unserer Schrift wird eine Definition poetischer
Vortreffliohkeit mit dem Bedeuten abgelehnt, dass dieselbe dasspecifisch-
Poetische^ nicht hinreichend betone und den Dichter von dem Sitten-
schilderer nicht scharf genug unterscheide: — oS fikv oiofjitvoi rov h
Tois fxvd'Otg xal raig älla^g r^&oTtoUavg Ttnv t^ X^^h 7ia^nlriaCm[g\
^xXcifin6\vTa ttotjttjv ttQtaroy ilvai l([yov\ai fih ta[tD]g aXri&^g ri, tov
<f^ norjTTJv TOV ayad-ov ov 6i>OQ(^ovat • xul yuQ fi^fioyqaipov xal nQi-
*) Derselbe beklagt den Verlust aller Schriften der älteren Epikureer:
„Im übrigen erhalten wir nur ein dürres Namensverzeicnnis der
einander folgenden Schulhäupter : Hermachus, Polystratus, Dionysius,
Basilides Allerdings ist uns mit den Schriften dieser Manner
die Kenntnis der Art verloren gegangen wie sie angreifend und ver-
theidigend gegen ältere und neuere philosophische Theorien sich
verhielten ; doch ist der Verlust nicht hoch anzuschlagen wenn ihre
Polemik nicht eine eindringlichere war als die des Kolotes, soweit
Plutarch uns Kunde davon gibt" (a. a. 0. S. 51). Diese Klacre und
der ihr nacheilende Trost würden wol ein wenig anders lauten,
hätte Brandis gewusst, dass eine, zum Theil prächtig erhaltene,
Schrift des Poljstratos (des Schülers oder Enkelschülers £pikur*s,
des Nachfolgers Hermarch's im Schulamte) in ganz ertraglicher
Bearbeitung uns bereits seit 33 Jahren vorliegt. (fioXvaTQarov n€Qi
ttloyov xartt(f>gov^(n(og, ol <f' i7ii,yQ«(Lovai>v nQog rovg Äkoymg xm«-
&Qaavvouivovg T(av Iv Totg noXXoTg oo^aCo/Li^i'ojv Herculanens. Vo-
lumm. Tom. IV, Neapel 1832.) Man mag über diese, von dem Hauch
jueendfrischer Begeisterung durchwehte, Schrift denken wie man
wiU, man mag, gleich mir, dieselbe mit ihrer tief eindringenden Po-
lemik gegen den Qmismus, mit ihrer, ich meine, siegreichen Be-
kämpfung ethischer Ansichten die das ganze Alterthum beherrschen
(ich denke an die Auffassung der Begriffe wuch und yotc^, den
Gegensatz des Natürlichen und Conventionellen) sehr hocn halten
oder nicht, — niemand der sie kennt wird sie einfach als nicht-
vorhanden betrachten. Warum ich dies erwähne? Nicht aus Splitter-
richterei, sondern weil es nöthig schien darauf hinzuweisen, dass
auch die übrigen Urtheile, die der berühmte Geschichtschreiber über
diese Literaturgattung fällt, dass vor allem seine Klagen über die
traurigste „Popularphilosophie", über die Verkommenheit eines Zeit-
alters in dem „man fast ein Tausend solcher Schriften aufspeicherte*"
(a. a. 0. S. 51 und 54) u. s. w. keineswegs von jener umfassenden
Sachkenntnis getragen sind, die ihnen Beachtung sichern müsste.
•) Auch der Ausdruck ist Philodem nicht fremd. Vgl. Ol 27 iV=29 O:
rj ^^ avvd-iaig Xi^ftw ivnQytig xal f^qnxixwg r^r vnoTCTayfi^Vfjv
Stavoittv [a]rifMaCvovam' xoi[v\ri [la]Tt. xal Xoyov navrog dQetijg xal
TOtg oXoilg oMt naq^tfumixal rcvog iöCov xfav ti^qI Tfon^-
fiaiog aQirtiv xu\ ^fiXiara Trjg (Tvvx^^a[€]tog, (Hier beginnt ein
neuer Satz, in dem statt Dübner's äfia noth wendig zu schreiben ist
«[fl^or, nämlich der Gegner.)
Th, Chmperz, Die herculanischen Rollen. 7t6
Tttlk6y]ov [ttUr\ Ol awyqaif.itog aqnriv av ng ') TavTt}V (CJol. JX
iV — XI O). Und wenn irgend etwas in dem vielfach verschlungenen Ge-
dankengang dieser Schrift sonnenhell hervortritt und für jeden weiteren
Erklärungs- und Restitutionsversuch den unerschütterlich sicheren Aus-
gangspunct (gleichsam die kritische Operations - Basis) hilden kann , so
ist es ehen das Gewicht, welches auf das specifisch-künstlerische und ästhe-
tische gelegt wird im Gegensatz zu der Nützlichkeits- Theorie eines Geg-
ners, bei der man nicht umhin kann an die Lehren der Stoiker und des
Grammatikers Krates von Pergamum (vgl. C. Wachsmuth, De Gratete
Blallota p. 21—22) so wie an deren praktische Bethätigung durch die
didaktische Poesie der Alexandriner zu denken. Um aber dies zu erhärten,
sei es mir erlaubt, den Gedankengang der ersten Columnen dieser Schrift
in freier aber wahrlich nicht willkürlicher Darstellung möglichst gedrängt
zusammenzufassen :
Schon in den ersten Zeilen der ersten Columne {Nl — 03 ■) finden
wir Philodem in lebhafter und, wie es seine^ Art ist, nicht eben rücksichts-
voller Polemik mit einem Gegner begriffen. Dieser entpuppt sich alsbald
als der Vertreter einer jBsthetischen Richtung , die wir heutzutage halb als
Gehalts-Aesthetik und halb als Realismus bezeichnen würden. Das Wesen
der Poesie (so scheint er etwa zu sagen) ist die wirksame Darstellung des
Wirklichen; diese schaffe zugleich Nutzen und Genuss, und beides zu er-
zielen sei die Aufgabe der Dichtkunst. Die Naturwahrheit sei das Haupt-
erfordemis aller Poesie, und darum für den Dichter die Erkenntnis der
Natur (sammt ihren Hilfsmitteln, der Geometrie, Greographie, Anatomie
u. s. w.) wichtiger als die Kenntnis aller Feinheiten der Sprache.
Dagegen kämpft Philodem an: Vor allem habe die Poesie überhaupt
nidit nach Nutzen zu streben und die Erzielung desselben gewähre durch-
aus keinen MaTsstab für die Beurtheilung des Werthes der Dichtung und
des Dichters. Wäre dem so, dann müsste man ja die herrlichsten Erzeugnisse
der vornehmsten Dichter, da sie durchaus keinen Nutzen, ja, so viel an
ihnen liegt, den gröfsten Schaden verursachen, als werthlos verwerfen. (Diese
Folgerung scheint nicht der Gegner aus seiner Definition gezogen zu haben,
sie zieht Philodem und muss sie ziehen als Epikureer, dessen rationeller,
auf Befreiung von Aberglauben und auf Bezwingung der Leidenschaften
gegründeten Lebensansicht ein guter Theil der antiken Poesie, die home-
rische vor allem, als die Heimat und Pflanzstätte des Mythos, als die Ver-
herrlichung und, wie es Seitus Empiricus "), nach dem Vorgang eines Epi-
^ (x[Xiyo]iTo?
•) Die ersten zwei Tafeln sind in O als Columnen, in N als Frag-
mente, d. h. als Stücke bezeichnet über deren ursprüngliche Stel-
lung und Reihenfolge die Herausgeber sich jeder Vermuthung ent-
halten.
•) Adv, Mathemat. I, 298 (p. 668 Bekk.): xa&okov t€, oaov inl rotg
ffoiriTttlg, ovy olov avtotffkTjg t^ ß^tp alla xal ßlaßegündirj (die
Grammatik aß Interpretin der Poesie). inmix^a/Lin yuQ (iv&QtjnfvüJv
7itt&(av ij TTot^rjTixrj xad-^atrjxev Ta filv ovv vnd rdiv aXktov
XiyofiiVii xuTit Tov toTiov xal ^dliara tmv 'EmxovQiCtov IfSrl
ToictvTtt. Womit auch im Ausdruck seltsam übereinstimmen die
oben benützten Worte Philodem's (Col. 1 iV — Col. III 0); t( yd^
720 Th. Gomperz, Die hercnlanischen Bollen.
knreen, wie es scheint, so treffend ausdrückt, als die «feste Bnrg' aller
I^eidenschaften geradezu wie eine Todfeindin gegenüber steht, so lange
sie nämlich den Anspruch erhebt, das Leben zu bestimmen und zu lei-
ten.) Femer stifte die poetische Darstellung des Wirklichen gar nicht
nöthwendig Nutzen. Endlich bestehe zwischen poetisch - wirksamer Dar-
stellung auf der einen, der Naturwahrheit auf der andern Seite keiner-
lei innerer Zusammenhang, — so wenig, dass die beiden Dinge in ihrer
höchsten Entwickelung sich vielmehr auszuschlieXton scheinen. Nicht nur
Unwahres, eben das AUermärchenhafteste sei bei den Dichtem oft am
wirksamsten dargestellt, und — umgekehrt — die vollendete Darstellung
der Wissenschaft lasse sich kaum mit der dichterischen Form vereinigen.
(Wenigstens «babe noch Niemand in der Heilkunde, in der Weltwebheit
n. s. w. das Höchste erreicht und seine Lehre zugleich mit dichterischem
Schmuck auszustatten vermocht." — Ob freilich diese Unvereinbarkeit in
der Natur der Sache ihren Grund habe, darin dass die wissenschaftliche
und die künstlerische Darstellung der physischen und psychischen Phäno-
mene grundverschiedene Zwecke verfolgen und daher auch völlig verschie-
dene Mittel anwenden müssen'^), — was der tiefefe Gedanke wäre — , oder
aber in der Schwäche der menschlichen Natur, der es kaum gelingen mag,
so verschiedenartige Vorzüge zu vereinigen, dies wird weder ausdrücklich
gesagt, noch lässt es sich, wie so vieles andere in unserer Schrift, aus
dem Gesagten mit unbedingter Sicherheit erschlieflsen.)
Wien. Th. Gomperz.
^et Uy[€iv] T« [x«ll ß[l]aßtiv xall fiiW<f[Trj]v , oaov i(f* [iavrote],
iJji7T]oiovvTa; — Worte, der6n Schr^iDunj^ sobald sie ^6funden ist
wol von selbst einleuchtet und gleich so vielem, was icn im obigen
stillschweigend als ergänzt oder berichtijB^ voraussetze, kaum erst
der Begründung bedan oder der Vertheid^ne gegen Dübner*s völlig
abweichende Fassung: tC yuQ ^€t U^^iv ra xal ßlaßtjv xal /ne-
yCajfiv voaov Iff'Uvra, elnev 6 awra | ^ag dlrj&^arccrov Xoyov * to
fikv xtL Dann ist nach einer nicht völlig sicher auszufüllenden Lücke
ohne Zweifel [xajra t6v Xoyov zu schreiben, mit dem folgenden zu
verbinden und der ^^ze Satz als Frage zu verstehen, c^m Sinne
nach: tl Sh^ x6 xaxa rov Xoyov to fjilv xri. Ln folgenden halte ich
Dübner's Svvaad-at für völlig sinngemäfis, allein es entzieht sich
jeder möglichen Constmction, wenn man nicht weiter unten mit
diesem das KAI beider Abschriften ändert in [ieT\vm. Räthlicher
scheint es mir — und irgendwo muss geändert werden — trotz des
NA2BAI beider Apograpna etwa [6]qaa&ai zu schreiben. Wenn ich
noch hinzufüge, dass ich zu Anfang Dübner's Lücke ergänzen will
durch: d-alvfiaaltog or[i] und zum Schluss nach i^tQyaaiag stark
interpungiere und zu lesen vorschlagen xal ^i) \ä]riT[Mvt rov rig-
novra fihv ovx (oifeXovvra ^k notriTix[6]u ukv iiviu, ra [9k n]Qayr~
filara fxri ii6]ivM, — so habö ich die Aulzählung der mir nöthig
scneinenden Abweichungen von Dübner*s Recension in Betreff dieser
Columne erschöpft.
'•) Man vergleiche hierüber die treffenden Bemerkungen Alexander
Bain's in döm Schluss-Gapitd seines epochemachenden Werkes „Die
Sinne und der Geist."* (The Senses snd the Intellect, by Alex. Bain,
2. Aufl. London 1864.)
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
Die neuesten Textesausgaben der Scriptores
historiae Augustae.
Seit Salmasias und Grnter ist für die KaisergescMchte der sechs
SchriftsteUer Aelius Spartianus, Julius Capitolinus, Aelius Lampridius,
Vulcatius Gallicanus, Trebellius Pollio, Flavius Vopiscus Jahrhunderte hin-
durch wenig geschehen. Eine Zusammenstellung der Noten von Casaubonus
Salmasius und Gruter enthalt die Ausgabe von C. Schrevelius: Historiae
Augustae Scriptores VI cum notis selectis Isaacii Casauboni, Salmasii et
Jani Gruteri accurante Comelio Schrevelio. — Lugd. Bat. a.* mdclxi.
Einen wesentlichen Nutzen f&r die Herstellung des äufserst verdorbenen
Textes gewährte darauf die Ausgabe von Obrecht, Argentorati mdclxxth,
welcher verschiedene Stellen sehr glücklich verbessert hat. Seit dieser
Zeit hat sich die Kritik wenig mit den Scriptores beschäftigt, lieber den
Werth der Ausgabe von Püttmann Lpz. 1774 kann ich kein ürtheil aus-
sprechen, da es mir nicht gelungen ist, mich in Besitz eines Exemplars
dieser Becension zu setzen, was ich um so mehr bedauere, da ihn v. Wie-
tersheim, Gesch. d. Völkerw. II, p. 9. neben Tillemont, Casaubonus zu
den gelehrtesten Forschem zählt. Erst in neuerer Zeit ist den Scriptores
gröfsere Aufmerksamkeit zugewendet worden. So erschienen: H. E. Dirksen,
Scriptores historiae Aug. — Andeutungen zur Texteskritik. Lpz. 1842.
Bemhardy, Scr. h. Aug. HaUe 1845. Pr. — Bichter, Scr. h. Aug. — Bh.
Mus. N. F. VII. — Einzelne gute Conjecturen finden sich in der üeber-
setzung der Scriptores von Closs, Stuttgart 1857. — Freilich sind nun die Ge-
schichtsschreiber der Kaiserzeit äufserst untergeordnete Persönlichkeiten ohne
historischen Sinn, verworren, unkritisch, von grofser Leichtgläubigkeit, die
sie selbst die crassesten Widersprüche sagen lässt, und von unglaublicher
Unwissenheit. Wenn aber auch ihre Kaiserbiographien häufig nichts anders
sind, als die reinen Düngergruben romischen Stadtklatsches der allergemein-
sten Sorte, so sind sie doch in vieler Beziehung von der gröfsten Wich-
tigkeit für die Geschichte des 2. und 3. Jahrb., da für einzelne Partien
derselben — ich erinnere hier z B. an des Julius Capitolinns Biographie
des Mark Aurel, an Trebellius Pollio Gallieni duo, an Flavius Vopiscus
7t8 Scri^, hist. August, ed. Jordan, Peter etc., ang. v. OberdieL
Anrelian — wir auf sie als die einzige oder wenigstens die Hanptquelle
angewiesen sind, üeberdies sind diese Biographien angefallt mit Senats-
beschlüssen, öflfentlichen Reden, Briefen der Kaiser und hochgestellten Per-
sonen und anderen Documenten, deren Authenticität im ganzen unzweifelhaft
ist, da unseren Autoren die Staatsarchive offen standen. Kurz, trotz der
Verworrenheit der Darstellung und der Unvollkommenheit des Stils, durch
den, wie Bemhardy sagt, „die Idiotismen des sermo plebeius, incorrectc
Formen, falsche Structuren und ein unedler, besonders provincialer Sprach-
schatz in die Literatur eingeführt wurde,** sind sie für die Zeiten, welche
sie behandeln, von der höchsten Bedeutung. Nun war bis jetzt die Be-
nützung der Scriptores dadurch sehr erschwert, dass der Text durchaus un-
zuverlässig war, da man die Lesarten der beiden nicht interpolierten Codices,
des Bamberger und Palatinus, gar nicht, oder wenigstens nur für einzelne
Stellen kannte. Zwar hat Salmasius den letzteren bei seiner Ausgabe be-
nutzt, aber, wie es die Sitte jener Zeit war, nur gelegentlich dtiert, ohne
eine vollständige Collation desselben zu geben. Auch da, wo er jene
Handschrift anführt, ist er nicht zuverlässig, da er, wie aus den neuesten
Arbeiten hervorgeht, wahrscheinlich eigene Conjecturen für handschrift-
liche Lesarten ausgibt. Diesem äufserst fühlbaren Bedürfiüise ist nun in
jüngster Zeit abgeholfen, da in kurzer Frist zwei Ausgaben erschienen
sind, welche beide zum erstenmalc den Text geben, wie er durch den Pa-
latinus und Bamberger cod. beglaubigt ist.
1. Scriptores historiae Augustae ab Hadriano ad Numeriamtm, Henri-
cus Jordan et Franciscus Eyssenhardt recensuerunt, BeroHini
apud Weidmannos 1864, 2 voll
2. Scriptores historiae Augustae reeensuit Hermannus Peter,— Lipsiae
in aedibus JB. G, Teubneri. 1865. 2 voll.
I. Was die erste Ausgabe von Jordan und EyiÜsenhardt angeht, so
enthält dieselbe in 2 Bänden zuerst eine praefatio von Jordan (p. I— XXVI),
worin über die Entstehung des Buches und die Handschriften gehandelt wird,
dann einen index vitarum (p. XXVU— XXVni) ; darauf die vitae diversorum
principum et t3rranorum ab Divo Hadriano usque ad Numerianum, sammt
dem kritischen Apparat, der die Abweichungen des Palat. und Bamb. ood.
enthält und schlieüälich drei indices und zwar nominum, rerum, autorum.
Einen dritten Band stellen die Herausgeber in Aussicht ,i der die Noten
des Casaubonus und Salmasius in verbesserter und vermehrter Crestalt ent-
halten solL In Bezug auf die Entstehungsgeschichte des Buches ist fol-
gendes von allgemeinem Interesse. Bereits war der Bamberger cod. von
Peter verglichen, worüber weiter unten das nähere gesagt werden soll,
als bekannt wurde, dass A. Xiefsling den Palatinus, der seit dee Salmaüos
Zeiten verloren gegangen war, durch einen glücklichen Zufttll im Winter
des Jahres 1861 in der vatikanischen Bibliothek wieder aufgefunden habe.
Darauf reiste Jordan nach Rom und verglich dort an Ort und Stelle den
lange vermissten Codex. Alsdann setzte er sich mit EyHäenhardt in Ver-
bindung, der den Bamberger Codex collationiert hatte und beide zusam-
men edierten nun die Scriptores, nachdem sie noch einmal gemeinschaftlich
die Bamberger Handschrift verglichen hatten und zwar so, dass Jordan
Script. JUsi, August, ed. Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdick. 729
die Redaction des ersten Thcils, Eyfsenhardt die des zweiten übernahm.
In ihren Arbeiten vmrden sie von Mommsen unterstützt, der seine Con-
jecturen den Herausgebern mittheilte (piaef. XXVI). Was femer die Unter-
sachung über die Handschriften angeht, so übergehe ich hier vorläufig
diese Frage, da sich die Herausgeber im ganzen auf Peter stützen und
ich spater darauf zurückkommen muss. Ich will nur mit einigen Worten
über die Benützung des handschriftlichen Materials sprechen. Leider ist
dasselbe nicht mit der Sorgfalt benützt, die man nach den Worten Jor-
dan's über die Collation der Bam. cod. (p. V) „ut satis confidenter spoii-
deri possit, non multa de hoc libro nos fugisse" billiger Weiae erwarten
sollte. Aus der Vergleichung des kritischen Apparats bei den Berliner
Editoren und bei Peter ergibt sich nämlich, dass jene viele handschrift-
liche Lesarten entweder gar nicht oder falsch notiert haben. Ich verweise"
hier der Kürze halber auf die Präfatio bei Peter p. 30 , wo jenen nachge-
wiesen wird, dass sie allein aus dem Leben des Hadrian 20 Abweichungen
übergangen und 4 falsch mitgetheilt haben. Offenbar nimmt dieses der
Ausgabe einen grofsen Theil ihres sonstigen Werthes, da ja gerade nur
durch die diplomatisch genaue Wiedergabe der handschriftlichen Lesarten
dem so fühlbaren Mangel eines sicheren Textes abgeholfen werden konnte.
Der Text selbst hat endlich durch einige recht gute Conjecturen bei-
der Herausgeber gewonnen, wenn sich auch nicht läugnen lässt, dass
vielleicht bei längerer Durcharbeitung desselben sich manches anders ge-
staltet hätte. Namentlich ist dieses von EyXsenhardt zu bemerken, der
häufig ohne Grund, oft, weil der richtige Weg zur Emendation erst bei
längenn Verweilen gefunden wird, theils völlig richtige Stellen, theils
blofs verdorbene aus dem Texte entfernt. Jordan verfährt dagegen mit
grösserer Umsicht und Besonnenheit Daher überrascht es uns bei dem
letztem ganz besonders, dass er an mehreren Stellen gegen die ausdrück-
liche üeberliefemng der Handschriften besondere Eigentiiümlichkeiten im
Sprachgebrauche der Scriptores durch Conjecturen beseitigt. Dahin gehören
Hadrian 2. venandi . . . studiofus statt des handschriftlichen vencmdo,
welches schon Peter praef. 32. mit Recht rügt; ibid. 23. ne gratiaa quidem
statt nee gratias quidem. AeL Ver. 3 quem non midtum proharet statt
proharat; ibid. 4 consiliis defuU mit Monmisen statt consüiis iuvii.
Anton. Phil. 16 quis . . . di^licebat statt qui . . . displicehcmt. Commod. 9
in dracones redigerentw statt degererentur etc. Auch Eyfsenhardt schreibt
Maxim, du. 12 circumventus esset statt est, womit Hadrian 27. zu verglei-
chen ist: nee appeUcUus est ditmSj nisi Antoninus rogasset. Als eine be-
sondere Eigenheit ist noch zu erwähnen, dass häufig mit dem gröfsten
Unrecht Relativsätze als selbständige Sätze hingestellt werden, ohne dan
die geringsten Anzeigen vorhanden wären, dass hier das Relativ zur blofken
Verbindung diene. Des Beispiels wegen führe ich Ver. c 7 an: riaui fitU
omnibm Syris . quorum muUa ioca m theatro in cum dicta exstant. Offen-
bar ist doch hier zu interpungieren: risui fuit omnibm Syris, ^t^tcntm
müUa u. 8. w. — Dieses gilt von vielen ähnlichen Stellen. — Was schlielb-
lich die Ueberschriften der einzelnen vitae anlangt, so richten sich die
Berliner Herausgeber genau nach dem im Palatinua und Bamb. ood. gldck-
7S0 Script, hist. August, ed. Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdidt.
lautenden Inhaltsverzeichnis^ obwol dasselbe einen klar am Tage liegenden
Fehler enthält. Es heilst nämlich hier : XVIIII iulii Capüolim duo maxi-
mini XX eiusdem gordiani tres n. s. w. bis LI treveUii poUionis daudius.
Es werden also nach diesem Index dem Jnlins Capitolinos die Maximini
dno, Gordiani tres, Maximus et Balbinus, Valeriani duo, Gallieni duo und
die Triginta tyranni zugeschrieben, dem Trebcllius Pallio bloiSs die vita
des Claudius. Hiermit stimmen im allgemeinen die Unterschriften der ein-
zelnen vitae. Am Schlüsse des Maximus undBalbinus heifst es: Maximus
»ive Pupienus et Balbinus Juli Capitolini explicit, indpit eiusdem VäU-
riani duo; ebenso zu Anfang der Gallieni: incipit eiusdem Chüieni duo. —
Trig. tyr. : incipit eiusdem Tyranni triginta. Nur zu Anfang des Claudius
heifst es abweichend vom Index: incipit eiusdem dipus Claudius f elidier .
Erst die jüngste Hand hat trevellii pöUionis über eiusdem geschrieben. Am
Schlüsse dieser Biographie jedoch findet sich die Unterschrift: Expilicit
TreveUii PoUionis Divus Claudius ; incipit Flavii Vopisci Syracusii Divus
Aurelianus. Es ist nun sehr auffallend, dass die Ueberschrift des Claudius
ytindpit eiusdem'^ u. s. w. lautet und nicht TreveUii PoUionis. Suchen wir
den Grund hierfür. Offenbar rühren die vitae der Valeriani duo, Gallieni
duo, triginta tyranni und des Claudius von einem und demselben Autor.
Am Schlüsse der Valeriani duo (c. 3.) heifst es: et quoniam vereor, ne
modum voluminis transeam, si Oäüienum, Valeriani ßium, de quo tarn
multus noHs fuit sermo, vel Saloninum, ßium (Mlieni, qui et Oal-
henus est dictus, huic libro adiungam, ad aliud volumen transeam. Der
Verfasser der Valeriani will also die Grallieni in einem neuen Bande be-
handeln. Im letzten Capitel der Gallieni duo sagt derselbe femer: Nunc
transeamus ad triginta tyrannos , qui Ocdlieni temporibus contemptu mali
principia exstiterufU. Hiermit ist die Einleitung zu den 30 Tyrannen zu
vergleichen: Cum vel in Valeriani vel in Gdüieni vita pleraque de Ms
dicta nee repetenda tamen scttis constet. Im 81. Capitel der 30 Tyr. be-
kennt sich ebenso der Verfasser zu dem Leben des Claudius: Nunc ad
Claudium principem redeo, de quo speciale mihi volumen quamvis breve
merito vitae illius videtur edendum addüo fratre singulari viro u. s. w.
Hiermit in üebereinstimmung heifst es endlich im 1. Capitel des Claudius:
Ventum est ad principem Clatidium .-. . . de quo ego idciro recusare
non potud, quod alios tumultuarios videlicet imperatores ac regulos scrip-
seram eo libro, quem de triginta tyrannis edidi, qui Cleopatranam etiam
stirpem Victoriamque nunc detinet. Nach diesem Zeugnisse des Autors selbst
ist es unnöthig, auf Inhalt und Sprache weiter einzugehen, um auch hieraus,
wie es leicht geschehen kann, nachzuweisen, dass die vorliegenden 4 Volu-
mina von einem Schriftsteller herrühren. Der Verfesser dieser 4 Bücher
war nun nach Flavius Vopiscus Aurel. c. 2. Trebellius Pollio: Et quonicm
sermo nobis de TrebeUio PoUione, qui a duobus Phüippis usque ad divum
Claudium et eiiAS fratrem QuintiUum imperatores tam daros quam obscuros
memoriae prodidä u. s. w. Es sind also die vitae der Philippi duo, Decii duo,
des Gallus Hostilianus und des Aemilius Aemilianus, sowie der Anfang der
Valeriani duo verloren gegangen. Hieraus ergibt sich nun auch, v?arum
in . den Handschriften eiusdem Valeriam u. s. w. steht; es sind nämlich
Script, Jmt. August, ed, Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdick. 7S1
die Mhern vitae des Trebellius Pollio, worauf sich jenes eiitsdem bezieht,
nicht mehr erhalten. Der Index des Bamh. und Palat ist aber offenbar
erst nach den Unter- und Aufschriften der vitae angefertigt. Darum vin-
diciert Peter mit Recht das Fragment der Yaleriani sowie die ührigen
vitae bis einschliefslich Claudius dem Trebellius Pollio. Ebenso handelt
Peter, um das gleich hier zu bemerken, durchaus im Geiste des Flavius
Vopiscus, dass er die vita des Florianus, welche in den Handschriften
durch die Unterschrift des 13. Cap. feliciter explidt Tacittis, i^icipit Floriantis
als selbständig hingestellt wird, wieder mit Tacitus verbunden hat.
Sehr störend beim Gebrauche dieser Ausgabe sind die vielen Druck-
fehler, von denen namentlich der 2. Theil wimmelt. Ich notiere hier die-
jenigen, die mir hesonders aui^efiEdlen sind: I p. 70, 4 etdöluisse — ei
doluisse, 70, 11 manstrabit — monstravü. 174, 5 neeem — necem. II 2, 1
atronibtis — latronibiM, 9, not. 7 Chüierd — Maximini, 13, 23 com-
miUtiones — commüüonea. 13, 4 mx exarsit — sie exarsit 44, 11 gestis
— gentis, 79, 13 soüerti - soUertia. ibid. ülia — tot. 84, 31 tota — toto.
92, 12 mereanttir — mereatur. 93, not. 25 canvenietibus — convenieniibus,
113, 5 vUo — vitio, 129, 8 Aponino — Apennino, 155, 9 tarnen — talem.
157, 10 terore — terrore. ibid, 27 trigides — tigrides, 166, 15 unicam
— unciam,
n. Gehen wir nunmehr zu der zweiten Ausgabe tlber. Schon im
Jahre 1860 hat Peter in seiner „historia critica scriptorum historiae Au-
gustae** das Verhältnis der Handschriften zu einander festgestellt und
damit das Fundament zur Texteskritik geschafifen. In dem Programm des
k. evang. Gymnasiums zu Posen vom J. 1863 hat er dann das in der
Dissertation aufgestellte Princip der Textesconstituierung an ungefähr
74 Stellen praktisch durchgeführt. In diesem Jahre erschien nun seine
Textesausgabe in zwei Bänden, welche eine praefatio von 32 Seiten, den
Text mit den Collationen des Bamh., Palat., der excerpta Palatina, des
Vaticanus nr. 1899 und der editio princ. Mediolanensis und schliefslich
einen Index nominum et rerum memorahilium enthält. Von den Hand-
schriften hat Peter den cod. Bamb. zweimal, die ührigen bei seinem Auf-
enthalte in Italien collationiert. Das Verhältnis derselben, wie er es in
der Dissertation und in der praefatio entwickelt hat, ist kurz folgendes. —
Es gibt zwei Classen von Handschriften, nicht interpolierte und inter-
polierte. Aus beiden ist eine dritte Art entstanden, ein genus mixtum,
welches diejenigen Bücher umfasst, die zwar ihren Ursprung aus der ersten
Familie herleiten, aber mit einem Codex der 2. Classe verglichen und nach
demselhen umgestaltet sind. In die erste Classe gehören der Bamb. cod.
und der Palatinus, die heide aus dem Archetypus ahgeschrieben sind. Der
Bamb. cod. ist etwa um ein Jahrh. älter , und deutliche Spuren lassen er-
rathen, dass damals der Archetypus noch hesser erhalten war. Im Uehrigen
aber theilen heide Handschriften im allgemeinen dieselben starken Fehler
und Mängel, woraus sich über die Beschaffenheit des Archetypus nähere
Schlüsse ziehen lassen. Namentlich ist hier zu erwähnen, dass in der Mitte
des Buches einige Quatemionen verloren gegangen sind, andere aher in
eine falsche Lage gekommen waren, so dass eine heillose Verwiming des
7S2 Script, kist, August, ed. Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdiids.
Textes entstand, cf. praef. XIII u. hist. crit 29. in die dritte Classe, das
genas mixtum, gehören die excerpta Palatina, der Cod. Vaticanns 5301,
der Cod. Ambrosianus A. 269 und Murbaoensis. Dass die editio princeps
aus dem Cod. Yaticanus 5301 geschöpft sei, weist der Herausgeber p. XDC
der praeü überzeugend nach und wirft damit die Annahme Jordan*8 p. XX
praef. über den Haufen, dass Bonus Accursius, der editor der ed. pr., den
Cod. Palat. benutzt habe. Zu der zweiten Classe, also zu den interpolierten
Handschriften, gehören der Cod. Yaticanus n. 1902, Laurentianus plut XX
n. 6, Yaticanus n. 1898, Laurentianus plut LXYI n. 32, Ambrosianus C
110, Neapolitanus , Yaticanus 1899, den der Herausgober theilweise col-
lationiert hat, Yaticanus 1901, Riccardianus, Yaticanus n. 1900, Yaticanus
1903, Ottobonianus, Laurentianus plut. LXIII n. 31, der von Casaubonus
benutzte cod. Regius und andere.— Während nun die Berliner Herausgeber
blofs die beiden Handschriften der ersten Classe benutzt haben, würdigt
Peter auch die schlechten Codices seiner Aufmerksamkeit und hat sie wenig-
stens theilweise verglichen, um nachzuweisen, in welchen Abstufungen der
Text derselben sich allmählich so gestaltet hat, wie er jetzt vorliegt. Sein
ürtheil über diese Handschriften ist folgendes (praef. p. XX.): „fallitur
enim qui hosce libros quamquani ad unum omnes recentioris sint aetatis,
ea re illis praetulerit, quod non sunt corrupti eadem foliorum transpositione
qua qui modo a nobis enumerati sunt (B. P.) ; nam sive haec coUocatio
rectior ingenio eins, qui omnium horum codicuni communem fontem exaravit,
debetur, sive descriptus est ille liber eo tempore ex archetypo, cum folia
nondum erant inter se commutata aut denuo in pristinum ordinem redacta,
hoc quidem constat, omnino nihil ex eis peti posse ad ipsa verba melius
constituenda" . . . Nun sind und bleiben auch jene Codices das Fundament
jeglicher Kritik der Scriptores, aber darum liegt gar kein Grund vor,
die interpolierten Handschriften zu vernachlässigen, und es ist die Be-
hauptung Peter's, omnino nihil ex iis peti posse ad ipsa verba melius oon-
stituenda, augenscheinlich übertrieben. — Zwar lasst sich noch kein ent-
scheidendes Urtheil hierüber fallen, so lange keine vollständige Collation
eines dieser codic^ vorliegt; nur ist eigenthümlich , dass sie an verschie-
denen Stellen die richtige Leseart aufbewahren ; so Anton. Phil. 12 (p. 52,
1 Jord.) tms, der Corr. des Palat. statt vineas. Hadr. 24 init sed Cod.
Beg. Casaub. statt et des Bamb. u. Palat. Maxim, duo. C. 1 (Z. 12 Jord.)
vicino Exe. Palat. statt vici/ni des Pal. u. Bamb. — Annähernd richtig gibt
der Cod. Beg. Anton. Philos. 22 statt des hi äliique des Bamb. u. Palat
(»yäliiy wofür Taifaii zu lesen ist. Abgesehen jedoch hiervon und um von
dem Umstände, dass die Transpositionen des Bamb. u. Palat sich in dem-
selben nicht finden, zu schweigen, da ich die Möglichkeit einer glücklichen
Conjectur gern zugebe, wovon sich ja auch Andeutungen im Palatinus
finden (Jordan, praef. XIY.), sind mir doch besonders zwei Stellen aufge-
fallen, die bei der Beurtheilung der interpolierten Handschriften nicht un-
schwer in's Gewicht fallen dürften. Zuerst findet sich nämlich im Leben
Yalerians folgender Passus, der im Bamb. u. Palat. nicht enthalten ist
und deshalb für eine Interpolation erklärt wird: ,jVicius est enim a Sapore
rege Persarum dum ductu cuiusdam mi duds, cui summam omnium M-
Script, hiit AuguM. ed. Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdidc. 788
Ikarum rerum agendarwn coinmiserat , seu fraude^ seu adversa fortuna
in ea esset loca deductus, uln nee vigor nee disciplina militaiis quin ca-
peretwr quidquam valere potuit. captus igitur in ditioneni Saporis pei'-
venit: qtiem cum gloriosae vktoriae successu minus honorifice quam deceret
9uperbo et elato animo detineret atque cum Romanorum rege ut vüi et
objecto mancipio loqueretur, lUeras ab amicis regibus qui et ei contra
Vcderianum faverant, plerasque missas accepit, quarum seriem JuHus
refert. — In der Sprache dieses Excerptes liegt nun nicht nur gar kein
Grund, warum wir es dem Trehellius Pollio absprechen sollten, im Gegen-
theil ist der Stil des Autors hier durchaus nicht zu verkennen. Sodann
verrath diese Stelle eine solch' genaue Kenntnis der historischen Verhält-
nisse, dass wir sie unmöglich für eine Interpolation des XIV. oder XV.
Jahrh. halten können, (cf. Mcijie Beiträge zur Geschichte des römischen
Orients. XIV. Bericht der Neisser Philomathie p. 56 flf.) Es wird nämlich
jener dux, der den Valerian verrathen hat, nicht mit Namen genannt, aber
so deutlich bezeichnet, dass man ihn leicht errathen kann. Unzweifelhaft
ist nämlich Macrianus damit gemeint. So heifst es in dem. Schreiben,
welches Valerianus vor seinem Perserfeldzuge an den Senat richtete: Ego
P. C. Persicum bellum gerens, Macriano totam rempublicam credidi [et]
quidem a parte müitari. (30 Tyr. 11). Aehnlich bezeichnet ihn Dionysius
von Alcxandrien bei Euseb. h. eccL VII, 10. og 7tq6t€qov fih inl ruiv
xa^oXov loyüxv Xsyo/usrog tov ßnad^ojg (Rationcüis Imperatoris^ procurator
summae rei. cf. Vales. ad Euseb. VIIL p. 39., VII, 13) oväk evloyov ov^^
xad^oUxov iifQovriae. — So heifst er auch beim Anonjrmus r« fiertt /l(m'u
(Müller fgt. bist. gr. min. IV, 183): MttxQivog xofirjg twv ^rianvQijv xal
itfiOTtog rj ilyoQt} tov airov. Ausdrücklich bezüchtigt ihn nun der h.
Dionysius des Verrathes (Euseb. VII, 10): ohog Sh tJ ßaadela n«i)€t rriv
d^iav inifAttviig xal tov ßaaCknov vnoSvrai xoOfiov aSwurCiv avajtriQoj
Tifi 0(Ofi((Ti Tovg <fi'o Jtaiäag rag 7it(T()(i)ag dvct^e^afiivovg dfiaQTiag tiqo-
san^atero. Deutlicher noch und bestimmter spricht derselbe Euseb. VII,
23: *ExHVog {MnxQUtvog) fAlv ovv tüjv ttqo kavrov ßttaiXiüry tov filv
nQoifxEvog, Tut dk Invihifitvog , wo nur Valerian und Gallien geraeint sein
können. Dass nun die Angabe des h. Dionysius durch das Fragment des
Anonymus bei Müller a. a. 0. durchaus nicht entkräftet werde, wie v.
Wietersheim Gesch. d. Völkerw. IL p. 290 meint, habe ich in meinen Bei-
trägen a. a. 0. p. 57. hoffentlich überzeugend nachgewiesen. Rührt nun
jenes Eicerpt nicht von Trehellius Pollio her, sondern von einem Ab-
schreiber des XIV. oder XV. Jahrb., so müssen wir annehmen, dass der-
selbe die angeführten Stellen genau kannte. Dann aber erregt es billig
unsere höchste Verwunderung, dass jener zu solchen vorsichtigen Um-
schreibungen seine Zuflucht nimmt und nicht statt cuiusdam sui ducis
einfach Macriani u. s. w. geschrieben hat. Dieser Umstand aber ist es,
der einen neuen Beweis dafür liefert, dass jenes Fragment aus der Feder
des Trehellius Pollio herrührt. Im Leben des Saloninus Gallienus 112 heüfet
es nämlich : huc accedit, quod quaedam etiam studiose prattermistj ^le eius
posteri multis rebus editis laederentur. Scis enim ipse guales homines cum
£titichrift f. d. öiterr. Gyinn. 1865. X. HcfL 50
784 Script bist. August, ed. Jordan, Feter etc., ang. v. Oberüet
his, qui aliqua de vmioribua eoruiii scripseri^U, quanium gerant bfüum. —
Nun lebten aber zu des Trebellius Pollio Zeiten noch Nachkommen des
Macrianus zu Rom, die angesehen und mächtig waren. Unser Schriftsteller
selbst war mit Cornelius Macer, einem Abkömmling aus jener Familie, be-
kannt und wurde von demselben zu Schmausereien und Gelagen eingeladen
(30 Tjrr. 15). Daher ist es ganz natürlich, dass er sich hier so vorsichtig
ausdrückt und den Verrath nur andeutet — In dem Umstände endlich,
dass es in dem Excerpte heifst: ,^quarum seriem Julius refert*^, liegt auch
nicht die geringste Andeutung, als sei hier die Hand des Interpolators zu
erkennen, der den in den Unterschriften des Bamb. u. Palat. und in den
indices fälschlich als den Autor der Valeriani duo genannten Julias Capito-
linus selbst citierto. Wahrscheinlich ist hier Julius Atheiianus zu ver-
stehen, den Trebellius Pollio 30 Tyr. c. 6 als seine Quelle bezeichnet, —
Die zweite hierher gehörige Stelle findet sich Firmus c. 5. Hie (Firmus)
ergo sumpsit imperium ad defendendas partes quae super erant Zenobiae.
Sed Aureliano de Thraciis redeurUe superatus est. Merkwürdiger Weise
findet sich nun in der ed. princ. für Thraciis die Leseart Carris. Ist dieses
Conjectur oder die Lesoart eines Codex? Eine Conjectur kann es. unmöglich
sein. Im Gegentheil ist jenes Thraciis verdächtig und tragt alle Merkmale
einer Conjectur an sich. Flavius Vopiscus berichtet nämlich im Leben des
Aureliau c. 30. 31. 32., dass der Kaiser nach der ersten Eroberung von
Palm3Ta und der Gefangennehmung der Zenobia nach Emisa gezogen, dort
ein Kriegsgericht über die gefangenen Palmjrener abgehalten habe und
sogleich nach Europa aufgebrochen sei, wo er die Carpen gedemüthigt habe.
Da erhielt er die Kunde von dem neuen Aufistande der Palmyrener, eilte
im Fluge dorthin, eroberte und zerstörte die Stadt und nun heifst es c 32.
Securior denique iterum in Europam rediit atque illic omnes qui vaga-
bantur Jwstes nota iJla suu virtute contudU. interim res per Thracias Euro-
parnque omnem Aureliano iiigentes agente Firmus quidam exstitit , . . ad
quem contimio AurclUmus revertü . . . Hiemach ist es nun durchaus nicht
einzusehen, wie jemand Firm. c. 5 de Thraciis, wenn es handschriftliche
Leseart war, in Carris verändern konnte; wol aber war es leicht möglich,
dass ein Abschreiber Carris für verdorben hielt und dafür nach AureL 32
Thraciis schrieb, wie im ßamb. u. Palat. vorliegt. Carris ist nun aber
nicht blofs eine gute handschriftliche Leseart, sondern die einzig richtige,
da sich Thraciis aus historischen Gründen nicht halten lässt Einmal liegt
es in der Natur der Sache, dass beide Aufstände, der von Palmyra und
von Firmus, zusammenfielen. Nachdem nämlich Palmyra abermals unter-
jocht und in den Staub getreten war, wäre es roiner Wahnsinn von Firmus
gewesen, wenn er sich nun noch gegen den übernmchtigen Aureli&n erhoben
hätte. Zudem heifst es Firm. c. 5. Hie . . . sumpsit imperium ad defen-
dendas jmries, quae supererant Zenobiae und ebendaselbst in dem Bulletin
des siegreichen Kaisers: Finnum etiam latrofiem Aegyptium barbaricis
moiibus aestuantem et foeminei propudii reliquuvi coüigentem . . . fugavimus.
Dieses hat nur dann Sinn, wenn wir annehmen, dass es von der Zeit nach
der ersten Eroberung Palmyra s gesagt sei; nach der Zer8U)rung und Ver-
niclitung der Stadt auf dem zweiten Zuge Aurelians gegen den Orient
Script hiti, August, ed. Jordan, Peter etc., ang. v. Oherdidc. 785
kann von einer Partei der Zenobia füglich wol nicht mehr die Rede sein.
Sagt doch Anrelian selbst in dem Briefe an Cerronius Bassus (Anr. 31):
tarn satis TcHmyrenorum caemm atque concisum est. mülierihus non peper-
eimus, infcmtes ocddimus, senes iugtdavimuSf rusticos interetnimus. Fallen
nun aber beide Empörungen in ein und dieselbe Zeit, so mnss Anrelian
unmittelbar ans dem Orient nach Aeg3rpten aufgebrochen sein, da es ganz
widersinnig gewesen wäre, wenn er erst wieder nach Enropa seinen Marsch
genommen hätte, wie es Aurel. 32 heiTst. Abgesehen hiervon ist es aber
auch ganz unmöglich anzunehmen, Anrelian sei abermals nach Thrazien
gezogen und habe dort und in ganz Europa ungeheure Thaten vollbracht.
Die erste Eroberung Palmyra's fällt nämlich in den Anfang des Jahres 273;
gegen Ende dieses Jahres oder zu Anfang des folgenden, 274, wurde Tetricus
und mit ihm Gallien unterworfen; denn in das Jahr 274 (cf. Chronic.
Cassiod. ed. Mommsen, Ck)mm. der k. S. Gesellsch. der Wissensch. VIII. p. 644)
fällt der glänzende Triumph Aurelians, in welchem Zenobia und Tetricus
aufgeführt wurden, (cf. Vop. Aurel. 45). Nach dem Berichte des Flavius
Vopiscus fielen also in den Zeitraum von ungeföhr zehn Monaten der Rück-
zug des Anrelian von Pahnyra über Emisa, wo sich derselbe offenbar längere
Zeit aufhielt, nach Thrazien, die Besiegung der Carpen, der zweite Zug
desselben Über Antiochia, wohin der Kaiser nach einer Nachricht bei
Zosimus I, 61, dass dieser zur Zeit der Festspiele die Antiochener über-
rascht habe, womit Malala p. 284 ed. Bonn, zu vergleichen ist, der be-
richtet, dass die groföen Spiele während 45 Tage in den Monaten Panemos
und Loos abgehalten würden, wahrscheinlich im Monate August des Jahres
273 kam, nach Palmyra, der Rückzug nach Thrazien, verschiedene dort
und überhaupt in ganz Europa vollbrachte Kriegsthaten, der Zug nach
Aegypten, Besiegung des Firmus, Rückkehr nach Europa. Dieses ist nun
eine haare Unmöglichkeit. Hierzu kommt noch, dass Zosimus I. 61. von
einem abermaligen Rückzuge Aurelians nach Enropa nichts weif^, sondern
im Gegentheil denselben unmittelbar nach der zweiten Unterjochung Pal-
myra's gegen Firmus ziehen lässt: auv taxn ^^ ical 'Ale^ttv&Q^ag araaia-
attvrag xtti n^oq nnoaraaiv iSonaq nttQttarriattfxfvog , . . Wir hätten also
hiemach die Angabe des Flavius Vopiscus zu Anfang des 32. Cap., dass
Anrelian aus Thrazien gegen Firmus gezogen sei, für einen einfachen Irr-
thum zu erklären, der aus der Unkenntnis desselben über die Begeben-
heiten im Orient herrührt. Uebrigens gesteht unser Autor Firm. 2. selbst
offen ein, dass er bei der Abfassung der vita des Anrelian die €reschichte
des Firmus nicht genauer studiert habe. Augenscheinlich kannte derselbe
über ihn nichts anders, als den Siegesbericht Aurelians. Daher berichtigt
er ebendaselbst die Angabe im liCben Aurelians, Firmus sei ein Räuber
gewesen, aus Münzen und Edicten, in denen sich jener ttvroxQatoQa ge-
nannt habe. In ähnlicher Weise scheint Vopiscus ibid. c. 5 bei genauerer
Kenntnis der Verhältnisse seinen Irrthum im 32. cap. Aurel. dahin ver-
bessert zu haben, dass er nunmehr Carris schrieb. Nur fragt sich noch,
wie Anrelian nach Carrae in Mesopotamien gekommen sei, da diese Stadt
doch auX^erhalb seines Weges nach Aeg} pten lag. Weit entfernt aber, dass
dieser Umstand die Leseart Ca/rris redeunte verdächtigt, wie v. Wieters-
50*
786 Script, hift. August, ed. Jordan, Peter etc., ang. v. OberdM.
heim a. a. 0. IIL C. XIV, Anm. 15 glaubt, ist er vielmehr ein neuer
schlagender Beweis für meine Behauptung, dass Carris die ursprungliche
LesefuH^ Thraciü hingegen bloXlie Coigectur sei. Es steht nämlich fest, dass
Aurelian einen Feldzug gegen die Perser unternahm, obwol Wietersheim
a. a. 0. dieses leugnet. Im 35. Cap. der vit. Aur. sagt Planus Vop. aus-
drücklich: His gestis ad OaUias profeetm Vindelicos ohsidione barbariea
liberavit, deinde ad Illyricum redUt paratoqMA magno patius quam ingenti
exercitu Perm quos eo quoque tempore, quo Zenobiam 9uperavU, gUmo9i9-
sime iam vicerat, bellum indixit. Ebenso heilst es in der Bede des Tacitui
(ibid. 41) : itte, pro pudor, orientem femineo pressum iugo in nostra iura
restituit, iUe Per aas insuUantes adhuc Vakriani nece fudü, fugavit, op-
pressit. Wegen dieser Kämpfe und Siege erhielt der Kaiser die Beinamen :
Armeniens, Partbicus, Adiabenicus (vit. Aurel. c. 30.), die zwar Wieters-
heim a. a. 0. für unhistorisch erklärt, aber mit dem gröHsten Unrecht, da
nach der Inschrift n. 1030 bei Orelli vom Jahre 274 wenigstens der Bei-
name Partbicus sicher ist: Bestitutor. orbis Imp. Caes, L, D, Aureliano
Pio Felici Invicto ÄugtMto Pont. Max. Germ. Max. Oot. Max. Part.
Max. Trib. Pot. IUI Cos. III. Es fragt sich nun, wann dieser Krieg
geführt wurde. Aurelian war, wie wir wissen, als Kaiser zweimal im Orient;
als er sich zum dritten Zuge anschickte, wurde er zu Caenofrurium er-
mordet. In die Zeit des ersten Zuges gegen Palmyra kann nun der Perser-
krieg nicht gesetzt werden, weil Aurelian unmittelbar nach der Einnahme
von Palmyra sich nach Emisa und von da nach Europa begab. (Zosim.
I, 56.) Daher muss dieser Zug nach der zweiten Einnahme Palmyra's unter-
nommen worden sein. — Offenbar stehen, wie ich schon oben bemerkte,
die Aufstände der Palmyrener und des Firmus, sowie die Bewegungen der
Perser im engsten Zusammenhange mit einander. Die Letztem erkannten,
welch' groPsen politischen Fehler sie begangen hatten, als sie ruhig zu-
sahen, dass Aurelian die Macht der Königin Zenobia brach. Diesen Fehler
suchten sie wieder gut zu machen, indem sie die Orientalen und Aegypter
zur Empörung reizten und ihnen Hilfe versprachen. Aurelian aber machte
durch seine Schnelligkeit ihre Berechnungen zu Schanden. Noch ehe der
Aufstand organisiert war, schlug ihn der liömerkaiser nieder, indem er
Palmyra zerstörte uud die Bedeutung der Stadt für immer vernichtete.
Wahrscheinlich brach er nunmehr nach Mesopotamien auf, besiegte die
auf dem Marsche befindlichen Hilfevölker der Perser .und eilte dann, nach-
dem er den Satuminus zum dux der orientalischen Grenzwehr (Flav. Vop.
Saturn, init.) bestellt hatte, nach Aegypten gegen den Firmus.
So haben wir gesehen, dass Firm. c. 5 ohne Zweifel Cktrris die ur-
sprüngliche Leseart ist, wodurch Flavius Yopiscus den Irrthum, dessen er
sich Aurel. c. 32 schuldig gemacht hatte, verbesserte. — Aus allem diesen
aber geht doch klar hervor, dass der zweiten Handschriftenclasse ein Codex
zu Grunde lag, der dem Archetypus näher stand, als deijenige, aus welchem
der Palatinus und Bamberg, ihren gemeinschaftlichen Ursprung herleiten.
Betrachten wir nun noch einige Augenblicke den Text der Scriptores,
wie er in der Ausgabe von Peter vorliegt. Vor allen Dingen ist die Sorg-
samkeit und Accuratesse der Durcharbeitung, sowie die BesonBenheit nnd
Script hist Äuguftt. ed. Jmänn, Feter etc., ang. v. Oherdiek. 787
Umsicht rühmend anzuerkennen, mit der die Texteskritik gehandhabt wird.
Die besonderen sprachlichen Eigenheiten dieser Schriftsteller, die Jordan,
wie oben gerügt wurde, durch unbesonnene Conjecturen theilweise besei-
tigt, weiA er mit sicherm Tacte an der Hand der Codices festzuhalten.
Nur geht er an einzelnen »teilen zu weit, indem er mit zu grofser Aengst-
lichkeit die handschriftliche Leseart festhält. So nimmt er Gallien du. 9.
die Lesart des Bamb. und Palat. ageret auf, während doch augenschein-
lich die ed. pr. das Richtige , agerenty bietet. — Die Emendationen , die
derselbe in den Text aufgenommen hat, sind zwar nicht alle sicher, aber
treffen mit wenigen Ausnahmen durchweg verdorbene Stellen. Ungerechtfer-
tigt scheint mir z. B. 30 tyr. 24 (p. 113 , 13) atatim in furtim verändert
zu sein, obwol schon Q ruter das Wort verdächtigt und in eo statu schreibt
und es bei Eutrop. IX, 13 per lüer(is occuUas Aurelianum . . . deprecc^tis
heirist. Statitn ist hier entschieden in der gewöhnlichen Bedeutung fest-
zuhalten „sogleich*", nämlich als Aurelian gegen ihn rückte. — Auf andere
Stellen komme ich noch weiter unten zurück. — Druckfehler sind mir in
diesem äuTserst sorgfältigen und säubern Buche nicht aufgestoJDsen.
Um nun mein Urtheil noch einmal zusammenzufassen, so ist durch
beide Ausgaben ein bedeutender Schritt in der Kritik der Scriptores vor-
wärts gethan, namentlich aber durch die von Peter, die wegen der gröXIseren
Fülle und sorgfältigem Ausarbeitung des kritischen Apparates, sowie durch
die Umsicht und sprachliche Sicherheit bei der Constituierung des Textes einen
groflsen Vorzug vor der ersten hat und unter den Ausgaben der Scriptores
stets einen hervorragenden Platz einnehmen wird. Uebrigens bedarf es bei
dem verdorbenen Zustande, in welchem der Text auf uns gekommen ist,
noch mancher Arbeit, um die vielen noch übrig gebliebenen Corruptelen
zu heilen. — Ein glücklicher Gedanke von Jordan und Eyfsenhardt ist es,
die Noten von Casaubonus, Salmasius und Gruter in einem besondem Bande
mit zeitgemäfsen Verbesserungen und Zusätzen herauszugeben. Hoffentlich
werden die Arbeiten der neuem Historiker hierbei benutzt und gewürdigt
werden. Namentlich mache ich hier auf v. Wietersheim^s Geschichte der
Völkerwanderung aufmerksam, in welcher auch die Scriptores mit groflsem
Fleifiie und selbständiger Kritik unter beständiger Vergleichung mit den
übrigen einschlägigen Quellen vielfältig behandelt worden sind.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungeu gehe ich dazu über, eine
Anzahl verdorbener Stellen mit Bücksicht auf die vorliegenden beiden
Ausgaben zu besprechen.
Hadrian. c. 2. fuüque in amore Traiani nee tarnen ei per pmdaqogos
puerorum, quos Traianus impensius diligebat, Gxülo favente defuit. Jor-
dan und Eyfsenhardt lassen die Stelle unverändert, Peter deutet die Cor-
mptel Crollo favetUe durch ein Kreuzchen an, ohne sich für eine der schon
versuchten Emendationen zu entscheiden. Casaubonus schreibt: CMo /o-
ciente inf)idia defuit. Wer war nun dieser Gallus? Es ist nirgend mehr
von ihm die Bede und doch muss er in diesen Intriguen eine solche Rolle
gespielt haben, dass man sich billig über das Schweigen des Aelius Spar-
tianus wundem müsste. Daher corrigiert Gmter malefaventia, und in der
That scheint dieses die richtige Weise der Behandlung dieser Stelle zu sein.
7S8 Script, hist. August ed. Jordan, Peter otc., ang. v. Oberdkk.
Nur ist gegen mcUefaventia zu erinnern, dass es sich sonst nicht findet;
daher möchte ich ftudevolentia vorschlagen. —
Ibid. s. f. denique statim suffragante Sura ad anUcitiam Traiani
pleniarem redit statim ist oflfenhar verdorben; daher schreibt Peter pri-
vatim. Freilich hat das Wort nur die Bedeutung „singulariter , inprir
mia, wie jener aus mehreren Stellen beim Plinius nachweist; aber an
unserer Stelle passt dieser Sinn nicht; im Gegentheil verlangen wir hier
ein Wort, welches „inständig** bedeute. Deshalb vermuthe ich ^instanter^
Ibid. 24. Sed mortuo Helio Vero Casare Hadrianus ingruente tri-
stissima vaLetudine adoptavit Ärrium Äntoninum. ingruente passt weder zu
dem folgenden tristissima vaietudine noch zu dem vorhergehenden ingra-
vescente vaietudine. Darum vermuthe ich inurgente tr, txüet.
Ael. Vcr. c. 3. Hie tamen valetudinia adeo miserae fuit ut Hadrior
num statim adoptianis paenituerit potueritque eum amovere a famüia im-
peratoriaycum saepe de äliis cogitaret, si forte vixisaet. Zu potuerit findet sich
im Pakt, eine Verbesserung der 3. Hand petiverügue. Diese Lesart ist
zwar nicht wol zu rechtfertigen, aber trifft offenbar den richtigen Sinn,
ef. ibid. 4. wide apparet eum Iwhuisse in animo alium detigere. — c. 6.
Etiam vivente adhuc Vero decreveram. — Hieraus folgt, dass oben zu
schreiben sei: volueritque eum amovere u. s. w.
Anton. Phil. 22. Gentes omnes ab Ulyrici limite usque in CraUiam
canspiraverantf %U Marcomanni, Varistae Hermunduri et Qwtdi Suevi
Sarmatae Lacringes et Buri hi aliique (Bamb. Palat. ayaUi cod. Reg.)
cum Vi4:iuali8 Sosibes Sicobotes u. s. w. Statt hi aliique schreibt Momm-
sen VandcUique und im Folgenden Müllenhoff OH Bessi Cobotes, Sowol
in der Berliner Ausgabe als auch von PetiT werden diese Emendationen
ohne weiteres angenommen. Ohne Zweifel sind den Herausgobem die
gründlichen Einwürfe von Wietersheim a. a. 0. II. p. 53 seqq. unbekannt
geblieben. Für hi aliique liest derselbe mit Beatus Rhcnanus und Caaau-
bonus Taifalique cum VidovaliSf die auch Eutrop. MII, 2 ntit don Vic-
tovalen zusammengenannt werden. Ebenso rechtfertigt derselbe die Les-
arten Sosibes Sicobotes , indem er mit Zcuss und Grimm die Sicobotes
für identisch mit den Sigipedes erklärt, während die Osi (Tac. GernL 43)
und Bcssi {Ihiaaoi bei Ptoleiu. UI. 5 §. 20) sowie die sonst unbekannten
Cobotes ^ die Müllenhoff mit den Sabokem bei Ptolemaeus a. a. 0. idcn-
tificiert, nach Schaffarik, Slav. Alterth. unzweifelhaft Slaven waren und
sich von denselben aufscr bei Ptolemaeus auch nicht die geringste Spur
mehr findet.
Vor. c. 1. Quem constat nofi inhoruisse vüiis, non dbundasse virtu-
tibus, vixisse deinde non in stw libero 2ff^i^^cipatu sed sub Mario in simüi
ac paria maiestatis imperio. Ä cuius seda lascivia liwrum et vitae liccn^
tioris nimietate dissensit — a cuius secta wird nun ,vou dessen' philoso-
phischen Grundsätzen*' übersetzt. Indessen gibt dieses durchaus keinen
Gegensatz zu dem folgenden vit. lic. nimietate und erat enim morum sitn-
pUcium et qui adumbrare nHvH passet. Nehmen wir nun noch hinzu, da<fs
M. Anton. Philos. c. 29. gesagt wird: dederunt et vitio, quod effictus fuis-
set nee tarn simplex quam videretur aut quam vel Firn vel Verua fmsset,
Script hist. AwftASt. ed. Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdick. 789
80 folgt hieraus, dass oben a secreta lasciviu zu lesen sei und das folgende
morum et vitae licentiaris nimi^tate zusammengehöre.
Ibid. 3. ab Antanino videtur ob Iwc retentm, qiwd etim pater ita
in adoptionem Pii transire iusserat, tU Nepotem appellaret Pii ist
entschieden verdorben ; Mommsen schreibt sibi, welches indessen hier über-
flüssig ist. Wahrscheinlich stand ursprünglich per transire.
Ibid. c. 4. sed Marcus haec omnia nesciens dissimulab(U rem pudore
iUo ne repreli^nderet fratrem. Die Berliner Editoren beziehen rem auf
dissimxHabat; aber es iässt sich das Wort nicht halten und mit Recht
nimmt Peter die Emendation von Obrccht an prae pudore. — Statt
nesciemj welches hier sinnlos ist, liest Jordan rescienSf Peter schreibt
non fiesdens. Viel näher aber liegt die Emendation bene sciens.
Ibid. c. 9 schreibt Peter richtig de quo bello quidem quid per lega-
tos... quid per duces, während Jordan diese Worte mit Mommsen streicht ;
— ebenso liest im folgenden Peter mit Recht r edier unt quodque und in
demselben Satze festinatum statt destinatum.
Ibid. c. 11. Nota est fabula qtuim Mard non capit vita u. s. w. —
Diese Worte werden erklärt „welche mit des Marcus Leben nicht im Ein-
klänge steht. "^ Ist die Lesart richtig, dann wäre das folgende sed hoc nefas
u. B. w. sehr überflüssig. Wahrscheinlich ist zu schreiben: quam Marci
nun c capit vita. cf. Claud. 1. eo libro .., qui Cleopatranam etiam stir-
pem . . . nutui detinet.
Avid. Cass. 7. imperatorio ammo cum processisset eum qui sibi
aptaverat omamenta regia statim praefectum praetorii fecit. — Die Vul-
gata war hier imperatorio nomine. — Der Zusammenhang indessen ergibt,
dass imperatorio amictu zu schreiben sei.
Ibid. 13. Antonine cletnens, di te serveM, — Mommsen tilgt diese
Worte als Wiederholung des vorigen Ausrufes. Richtiger erklärt Peter
demens für corrupt; vielleicht ist patiens zu lesen; unten heiflst es pa-
tientiae tuae.
Commod. Antonin. c. 2. muUerculas formae scitioris ut prostibtüa
mancipia perfidum (sie Bamb. Palat. perfidens tert man. Pal.) lupatumum
et dibrium pudidtiae contraxit. imüatus est propolas drcumforanos. Statt
et dibrium gibt die Vulgata unzweifelhaft richtig ad ludibrium; für das
verdorbene perfidum schreibt Salmasins per fadem^ Turnebus j)cr «peci^m ;
die letztere Conjectur ist in beide Ausgaben aufgenommen worden. In-
dessen verhält sich die Sache anders. Richtig erkennt Peter, dass der fol-
gende Satz mit diesem zu verbinden ist und dass derselbe gelesen werden
muss : cotUraxit imitatus propolas drcumforaneos. Dann ergibt sich aber
mit Noth wendigkeit, dass statt perfidum , wofür die 3. Hand des Palat-
perfidens bietet, perspidens zu schreiben sei. Damach lautet der Satz:
mulierculas fonnae sdtioris ut prostibüla mandpia perspidens lupanarium
ad ludibrium pudidtiae contraxit, imitatus propolas drcumforaneos. Der
Genetiv lupanarium ist also mit prostibüla mandpia zu verbinden und
dieses sowie mtdierculas das gemeinschaftliche Obiect zu perspidens und
contraxit.
740 Script, hist. Aitgmt. ed. Jordan^ Peier etc., ang. v. Oberdidc.
JTbid. 5. Jiac igitur lege vivetis ipse cum trecentis concubinis quas
ex matronarum mereiricumque delectu ad formae speciem concinity trecen-
tisque cdiie puheribus exoletiSy quos aeque ex plehe ac nobilüate nuptiis-
que (Palat. nieptusque B. nuptus ed. pr.) forma disceptatrice College-
rat. Statt des verdorbenen nuptiis schreibt Salmasins nuptus quoque, Jor-
dan ifüectusque, Tumebus vtdtus; diese letzte Emendation hat Peter in
den Text aufgenommen; aber die Verbindung vultus forma ist hier un-
statthaft, da fortna an unserer Stelle auf die ganze Körpergestalt geht.
Demgemäfs und mit Rücksicht auf die obige Parallelstelle delectu ad for-
mae »peciem ist statt nuptiis wahrscheinlich ipsisqtic forma disceptatrice
zu schreiben.
Maxim. 3. lods etiam miliiiac a Severo adiutus. Der Sinn ist War;
Maximinus wurde von Severus zu militärischen Würden befördert; aber
der Ausdruck adiutus ist doch wol nicht zu rechtfertigen. Offenbar ist das
Wort aus admotua corrumpiert.
Ibid. c. 12. nisi Germmii amnts ad paiudes . . EyiÜBcnhardt schreibt
hier omnes ad; schön corrigicrt Peter aus Herodian. VII, 2, 5 ol Jk FfQ-
fiavol dno i^lv tüHv TreJ/ow a campis ad . . .
Ibid. c. 12 (Z. 13. ed. Jord.) Juibuit enim hoc harharicae temeritatis
ut putaret imperatorem mami etiam sua semper debere. Bemhardj liest
hi«r manum stiam; indessen beweist die handschriftliche Lesart moftu sua
zur Genüge, dass der Text lückenhaft und „uti^ zu supplieren sei.
Ibid. c. 15. paume civitales fidem Jiosii publico servaverunty quae
prodüis hiSf qui missi ad eos fueroM, ad Maximinum cito per indices de-
tülerunt, Casaubonus nimmt nach indices eine Lücke an und schreibt rem
detuLerunt. — Wahrscheinlich ist aber cito verdorben und dafür cuncta
zu lesen.
Ibid. c. 17. alia die admissis amiciSy qui eum videre non poterant,
sed tacebawt et qui factum senatus tacite laudabant, cansilium habuity
quid facto opus esset. — Obrecht liest atque für et qui; Salmasius er-
kannte, dass der Zwischensatz sed tacehatit . . . laudabant hinter die Worte
qmd facto opus esset zu stellen sei. Trotzdem aber bleibt noch eine Cor-
ruptel übrig. — Wie will man nämlich „gut eum videre non poterant*^
erklären? Die richtige Verbesserung ergibt sich übrigens unmittelbar aus
dem Zusammenhange. Die bisherigen Freunde des Maximinus sind in ihrer
Treue wankend geworden und obwol sie es öffentlich nicht zeigen dürfen,
doch im Geheimen Anhänger des Senats. Daher Ist augenscheinlich zu
lesen qui eum vitare non potera^vt, die ihm nicht ausweichen konnten
und es lautet demgemäfs die ganze Stelle: dtia die admissis amicis, qui
eum vitare non poterant, consüium habuity quid facto opus esset, sed
iaceba/nt atque factum senatus tacite lauddbant.
Ibid. c. 19. ttmc Capelianus victor pro Maximino omn^s Chrdiani
mein {^motu ed. pr.) partium in Africa vnteremü. Hier können die Worte
metu partium in Africa in keiner Weise genügend erklärt werden; daher
streicht Casaubonus dieselben. Aber abgesehen von diesem gewaltsamen
Verfahren bleibt die Stelle noch ebenso unklar, da das blol\»e onmes Oor-
diani doch nicht „alle Anhänger des Gordianus** gedeutet werden kann.
Scri^. hiat, August, ed, Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdick. 743
Hon desselben, wie aus den beiden Victor nnd Zonaras erhellt, gegen Ende
der Regierung Galliens. Freilich war jetzt schon seine Haltung zweideutig,
weshalb Gallienus selbst nach Illyrien geeilt zu sein scheint. Hierauf geht
der übertriebene Bericht des Tr. PoUio: cun^ . . . mrum fortem frustra
temptasset (cf. Meine Beitrage u. s. w. a. a. 0. p. 48 Not. 2). Indessen zog
Aureolus f&r jetzt mit dem Kaiser gegen Postumus zu Felde. — Daher ist
unsere Stelle zu lesen: ei cum (actus esset iam rnlidus imperator cumque
Chüienus expugnare virum fortem frustra temptasset, pacem cum eo contra
Postumus pugnaturus fecU, quorum pleraque et dicta sunt et dicenda.
Ibid. c. 13. Multa de hoc in patris imperio praelibata sunt; qui
nunquam impercUor f actus esset ^ nisi prudentiae patris eius creditum
videretur. Jenes nisi prudentiae u. s. w. wurd übersetzt „wenn nicht die
Wahl der Klugheit seines Vaters anheimgegeben wäre*'. Abgesehen nun
davon, dass diese Deutung der Stelle sehr gezwungen ist, widerspricht der
so gewonnene Sinn auch durchaus dem Bericht über die Wahl des Macrianus
und seiner Söhne, wie ihn Maeonius Astyanax (c. 12) als Augenzeuge gibt.
Hiernach erscheint die Wahl der Söhne als ein Verdienst der klugen Be-
handlung des Heeres von Seiten des Vaters. Daher hat Trebellins PoUio
statt creditum wahrscheinlich meritum geschrieben, wie es auch weiter
unten hei£st: ^hic enim vehemens cum prudentissimo patre, cuius merito
imperare coeperat u. s. w. videri = esse. cf. Ael. Ver. c. 3. ut pater
adoptionis adfectt/vm, quo ei videhatur adiunctus u. s. w.
Ibid. & 14. sed ubi comperit Odenatus qui olim u»m orientem tenebat
ab Äureolo Macrianum patrem quietcum eius fratre Macriano victos u. s. w.
— Die gewöhnlichen Ausgaben lesen Quietum et eitM fratrem Macrianum,
welches die Berliner Editoren in den Text aufgenommen haben. Sonst
notieren dieselben die Varianten fratrae Macriamo (B), fratrem Macriano
(P), wogegen Peter fratre Macriano als Leseart des Bamb., fratrae Ma-
criano als die des Palatinus erklärt. — Salmasius verbessert Quieti cum
eius fratre u. s. w. und es ist diese Conjoctur durchaus richtig; denn von
Aureolus wurden nur Marcus Fulvius Macrianus der Vater und der ältere
Sohn Titus Fulvius Junius Macrianus in Illyrien besiegt, während der
jüngere Sohn Caius Fulvius Quietns mit Balista zum Schutze des Orients
zurückgelassen war (vgl. die oben cit. Abh. p. 48 u. 62).
Ibid. c. 14 — (läMdesccivtem cumi Balista praefecto dudum interemit.
dudum ist oiFenbar verdorben; Obrecht verbessert dttcum, welches Peter
in den Text aufgenommen hat, ohne dass dieses einen passenden Sinn gäbe ;
Eyfsenhardt oonjicicrt nudum, welches aber ebenfalls nicht wohl erklärt
werden kann. Wahrscheinlich schrieb Trebellins Pollio durius.
Ibid. e. 30. bibit saepe cum ducibus, cum esset alias sobria; bibU et
cum Persis atque Armeniis, ut eos vinceret. Wir können nun aber unmög-
lich annehmen, dass die Königin mit den Persem und Armeniern um die
Wette getrunken hätte; dieses würde durchaus im Widerspruche stehen
mit allem, was wir über den Charakter der Zenobia wissen. Daher wird
hier wohl mit leichter Aenderung vinciret zu schreiben sein, welches an
unserer Stelle ähnlich gebraucht ist, wie Tac. ann. 4, 10.
Glaud. c. 6. Dicat nunc quinoi aäukUumis accusat, Claudium minus
744 Script M9t, August, ed, Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdick.
esse mtiabilem. — Die Liebenswürdigkeit des Claudius folgt nun aus dem
Umstände, dass er so viele Völker besiegte, keineswegs ; wol aber verdient
er seiner tapfem Thaten wegen Bewunderung. Daher ist hier zu schreiben
minus esse admircMem, welches, wie ich sehe, auch von Peter n. 9
angeführt ist.
Ibid. c. 11. Sed dum haec a dito Claudio aguntur, Pälmyreni duei-
hus Saba et Timagene u. s. w. Der Feldherr, den Zenobia nach Aegypten
schickte, heiTst bei Zosimus I. 44 Zaßdag und demgem&fe wird auch wol
an unserer Stelle Zahda gelesen werden müssen. Derselbe Name kehrt auch
in der von Vogüe zu Palmjra gefundenen Inschrift wieder: 2€nri^(av
Zivoßfav r^v XttjunQOTdrip' evaeßrj ßaa(haaav £int(fiioi Zaßda^ 6 u4ya^
(fTQiCTrjXdTtjs xal Zaßßatog 6 iv&a^e aTQaTrjXdrrig, Ol XQnrunoi r^v «f^-
anoivav. ^Erovg ßnff furjvil Ao^ (Aug. 270 n. Chr.). Das Beiwort fifyttg
bezieht sich wahrscheinlich auf die Siege des Zabdas in Aegypten.
Aurel. 7. Müle SarnuUas miUe Francos semel et semel occidimm
miüe Persas quaerimus.
Die Berliner Editoren lesen das Liedchen mitCorssen:
MiUe Sarmatcis miÜe Francos semel et semel occidimtis
MiUe müle miUe miUe müle Persas quaerimtis.
Wenn auch die Soldaten Aurelians keine grofse Metriker waren,
so werden sie doch gewiss wohlklingendere Verse gebildet haben, als ihnen
hier zugemuthet wird. — Oflfenbar zeigt sich in diesem Liedchen blofs
der Wortaccent maTsgebend. Darum habe ich in dieser Zeitschrift 1863.
p. 788 geschriebene
Müle Francos inüle simul
Sarmaias occidimus:
MiUe miUe müle müle
Müle Persas quaeritmis.
Die Umstellung von Sarmatas und Francos wird iheih durch den
Rhythmus, theils durch die Folge der historischen Ereignisse begründest.
Die Entstehung des Liedchens fallt nämlich (vgL Beitrage a. a. 0. p. 31
n. 2.) in das Jahr 258 nach Beendigung des Feldzuges gegen die Sarma-
ten, als Valerian zu Byzantium die Vorbereitungen zum Perserfeldzuge
traf. Die Franken hatte Aurelian vorher bei Mainz besiegt.
Ibid. 25. Pugnatum est post haec de summa rerum contra Zeno-
biam et Zabam eius socium, Dass hier sowohl wegen des Zusatzes eius
sociwm, als auch aus historischen Gründen Zabbam eius sodam gelesen
werden müsse, habe ich in dieser Zeitschrift L L p. 750 nacfagewieeen. Unter
Zabha ist doch wol die Amalekiter-Königin Zabba, Tochter des Amm, zu
verstehen, welche dazumal ein von Amalekitem und südarabischen Stämmen
bewohntes Reich an der sjrrisch-arabischen Grenze beherrschte.
Ibid. 26. Romani me modo dicitnt bellum contra feminam gcrere,
quasi sola mecum Zenobia et suis vinbus pugnet. atque hostiumf quanttwi
si vir a me oppugnandus esset, in comcietitia et timore longe deteriore.
Salmasius liest atqui hostium; sonst ist für diese äuflserst verdorbene
Stelle wenig geschehen. Ich werde nun meinen Emendationsversuch gleich
mittheilen und denselben mit wenigen Worten erläutern. Bomam me modo
Script, hist. Augtist, ed. Jordan, Peter etc., ang. v. Oberdich 745
dicunt beUtitn contra feminam gerere, quantum si vir a me oppugnandus
esset. QtMsi sola mecum Zenobia et suis viribus pugnet in conscientia
et tifHore longe deterior ! Ätqui hostium . . . (lacuna fors. expl. „numerus
ingens esf^), Dici non potest u. s. w. „Die Romer sagen, dass ich gegen
ein bloT^es Weib einen Krieg führe, wie wenn ich einen Mann bekämpfen
müsste. Als ob die Zenobia allein und blofs mit ihrer Macht mit mir
kämpfte, und sie obendrein noch ihr Schuldbewusstsein und ihre Furcht
schwäche. Nun ist aber die Zahl der Feinde ungeheuer u. s. w. Nur so
wird der Gedankengang des Briefes klar. Den Vorwurf, als ob die Zenobia
allein mit ihm kämpfe, widerlegt er dadurch, dass er die grofsc Zahl
der Feinde und ihre mannigfaltigen Kriegsrüstungen beschreibt. In Bezug
darauf aber, dass mau ihm einwendete, Zenobia sei in conscientia et
timore longe deterior bemerkt er am Schlüsse des Briefes : Quid plura ?
timet quasi fenUna, pugnat, quasi poenas tlmentes. Die Furcht hat sie
zu dem Muthe der Verzweiflung getrieben. Die Umstellung der Sätze end-
lich „qucMtum si vir und quasi sola u. s. w. wird einmal durch den Man-
gel an Zusammenhang, dann durch 30 tyr. 30. angedeutet: Nam cum a
quib%isdam reprehenderetur, quod mtUitrem veluti ducem oHiquem vir for-
tissimus triumphasset.
Ibid 27. nobis Persarum auxüia non desunt, quae iam speramus.
Aus dem Zusätze qtMC iam speramus ergibt sich, dass non deerurU ge-
lesen werden müsse.
Ibid. 30. Chrave, . . de Longino phüosopho fuisse perhibetur. —
Fuisse lässt sich hier nicht halten. — Vielleicht ist fecisse zu lesen.
Tacit. 16. (Flor. 3.) Nunc quoniam interi meo studio satis factum
arbUrans studio et cupidUati meae. Obrecht verbessert nunc quiescam in-
terim in stadio fneo u. s. w. Jedoch lässt sich in stadio wol schwerlich
rechtfertigen. Wahrscheinlich schrieb unser Autor : nunc quiescam interim
meo stüo, satis factum arbitrans studio et cupiditati meae.
Prob. c. 9. Pugnavit etiam contra Palmyrenos pro Odenati et Cleo-
patras partibus Äegyptum defendentes, primo feliciter u. s. w. Die Erwäh-
nung des Odenat in diesen Kämpfen ist durchaus unmöglich, da derselbe
schon mehrere Jahre früher in Emisa von Maeonius ermordet war, als
Probus gegen den Palmyrenischen Strategen Zabdas in Aegypten kämpfte.
Daher habe ich im 18. Bd. der Zeitschrift der d. Morg. Gesellschaft
Äthenodori statt Odenati vorgeschlagen. Zenobia bestieg nämlich nach
der Ermordung des Maeonius zugleich mit ihrem Sohne aus erster Ehe
Vaballathus den Thron des Orients. Vabtülathus =r donnm deae el-Lat
hei&t griechisch "A&riv66taQog. Auf Münzen wird er OYABAAAASOC
ASHNO oder auch blofs A9UN0^f(0P0C genannt, in der von Gardner-
Wilkinson publicierten Inschrift (Böckh C. J. IH. p. 1174) («wo) KPATOPOC
OYABAAAA (»ov) ABHNOdtüPOY. Flavius Vopiscus nennt ihn außer-
dem im Leben Aurelians c. 38., wo er ihn mit seinem einheimischen Namen
Vaballathus bezeichnet.
Neifse. Job. Oberdick.
746 Atlanten v. A. Ficker, Th Metike n. s. w., ang. v. /. FtoBdimk.
1. Elementar- Atlas für den Gebrauch der Volksschule in den
k. k. Staaten. Aus den Kartenwerken Stieler's und E. v. Sydow's zu-
sammengestellt und mit einem Vorworte versehen von Dr. Adolf Ficker,
k. k. Regierungsrath und Director der administrativen Statistik. Gotha
und Wien, Justus Perthes, 1865. — 80 Nkr. in Silher.
Die Kartenwerke Stieler's und E. von Sydow's, ans denen dieser
Elementar-Atlas znsammengesteUt ist, sind xu bekannt, als dass es noth-
wendig wäre, auf die Vorzüge derselben nSher einzugehen. Wichtiger er-
scheint der Geiichtspunct, von dem aus die Auswahl dieser Karten getroffen
wurde. Im Gegensatze zu Steinhauser's Atlas für die erste Stufe des geo-
graphischen Unterrichtes, der für die allgemeine Erdbeschreibung 8 Karten
(Erdkarte, Europa, Mittel-Europa) bestimmt, 9 Karten der Vaterlandskunde
gewidmet hat, enth< dieser 'Elementar-Atlas ffir den letzteren Zweck nur
3 Karten (Oesterreich physische, Oesterreich politische Karte und als Bei-
gabe eine Kronlandskarte, in dem vorliegenden Atlas die Karte von Stieler's
Schulatlas, Oesterr. Staat Nr. 2), während die übrigen 12 Karten (1. Mathe-
matische Geographie, 2. Hemisphseren, 3. Europa, physich, 4. Europa, politische
Uebersicht, 5. Deutschland, physisch, 6. Asien, physisch, 7. Asien, politische
üebersicht, 8. Afrika, 9. Nordamerika, 10. Süd-Amerika, 11. Australien,
12. Palästina) für die sogenannte allgemeine Erdbeschreibung bestimmt
sind. Welcher der beiden Gesichtapuncte in der Auswahl der richtigere soi,
das zu entscheiden wird Sache derjenigen sein, welche sich mit den In-
teressen der Volksschule näher zu befassen in der Lage sind. Au;; dem
Gegensatze der Ansichten und dem Umstände, dass, wie das Vorwort zu
diesem Elementar-Atlas hervorhebt, ^ein eigener in gesonderten Stunden
zu ertheilender Unterricht über Geographie durch den Lehrplan selbst der
vierten Hauptschul-Classe ausgeschlossen erscheint*', folgt nur, dass die
Gymnasien an ihrem für die erste Classe festgestellten Lehrplane des geo-
graphischen Unterrichtes vor der Hand nichts zu ändern haben.
Der Preis von 80 Nkr. in Silber für 15 Karten ist gewiss billig zu
nennen.
2. Orbis antiqui descriptio. In usum scholarum edidit Th. Me nk e.
Editio quarta. Gothae. Sumtibus Justi Perthes. Anno MDCCCLXV.
Tabul. XVm. — 1 fl. 75 Nkr. in Silber.
Bei der geringen Auswahl von Atlanten, welche für das Studium
der Geographie und Geschichte des Alterthums empfohlen zu werden ver-
dienen, glauben wir nur im Interesse des Schulunterrichtes zu handeln,
wenn wir die Aufmerksamkeit der Lehrer auf die neueste Auflage dieses Atlas
lenken. Herr Th. Menke, welcher behufs der Herausgabe einer neuen Auflage
von Spruner's Atlas antlquus in umfassender Weise die besten Hilfsmittel «
zu Bathe gezogen, hat eine neue Revision dieses Atlas in einer Weise vor-
genommen, dass die 4. Auflage desselben als eine wesentlich verbesserte
erscheint. Die Reichhaltigkeit des Materials sowol in der Angabe der Orte
als auch der politischen Grenzen nach den verschiedenen Perioden dürfte
geeignet sein, allen Wünschen zu entsprechen, welche sowol bei dem Ge-
Elementar- Atlas v. Steinhauser, ang. v. J, Ptaschnik, 7 74
schichtsonterrichte als auch beim Lesen der Classiker gestellt werden. Der
feine Stich, die gefällige Colorierung, verbunden mit einer deutlichen, leicht
lesbaren Schrift, die noch durch die äussere Unterscheidung des wichtigen
Yon dem minder wichtigen gehoben wird, sind Eigenschaften, welche einem
Schul-Atlas zur Empfehlung gereichen.
3 Atlas für die erste Stufe des geographischen Unterrichts in
den österreichisch- deutschen Schulen, entworfen, bearbeitet und mit
Text versehen von Anton Steinhauser, k. k. Rath. 3. Heft. 10 Karten
zur besonderen Erdbeschreibung. Wien, Artaria & Comp., 1866. —
1 fl. ö. W.
Um vielfachen Wünschen nachzukommen, haben die HH. Autor und
Verleger sich entschlossen, die Grenzen des ursprünglichen Programms
dahin zu ändern, dass noch ein drittes und viertes Heft als Nachtrag folgen
sollen. Das vorliegende 3. Heft enthält 10 Karten zur besondem Beschrei-
bung der fünf Erdtheile und zwar mit Ausnahme der Karten von Afrika
und Australien, welche auf je einem Blatte die physische und politische
Uebersicht enthalten, je zwei, eine physische und politische Karte für jeden
einzelnen Erdtheil. Die Genauigkeit in der Zeichnung, die Sorgfalt in der
Ausführung sind Eigenschaften, welche auch diese Karten in gleicher Weise
auszeichnen, und die Karte von Afrika beweist insbesondere, mit welcher
Gewissenhaftigkeit die neuen Forschungen benützt wurden. Die Begleit-
worte (7 Bl.) enthalten eine Fortsetzung der methodischen Winke, welche
auf den Inhalt und Zweck der Karten Bezug haben. Der Preis ist 1 fl.
ö. W. flir 10 Blätter geb. nebst Text. Einzeln jede Karte 10 kr. ö. W.
Wien. J. Ptaschnik.
Die Lehre von den elliptischen Integralen und den Thetaftinc-
tionen. Von K. H. Sc he Hb ach. Berlin, Georg Reimer, 1864. X u.
472 S. - 2 Thlr.
Das vorliegende Werk führt den Leser in die Lehre von den ellip-
tischen Functionen von einem andern Ausgangspuncte ein, als es die bis-
herigen DarsteUungen dieser wichtigen mathematischen Disciplin zu thun
pflegten. Es würde uns auffallen, wenn jemand die Lehre von den periodi-
schen Functionen nicht mit der directen Untersuchung der Eigenschaften
dieser selbst, sondern mit einer Discussion der cyclometrischen oder Kreis-
functionen beginnen und aus den Eigenschaften dieser die der ersteren ab-
leiten würde. Und dieser Gang wäre, wenigstens zu Anfang der Ent-
wickelung dieser Lehre, eingeschlagen worden, wenn wir der Integral-
rechnung ihren Ursprung zu verdanken hätten, wie dies mit der Lehre
von den doppelt periodischen Functionen der Fall ist. Die Lehrbücher
der Integralrechnung müssen zuerst die sich von selbst darbietenden ellip-
tischen Integrale discutieren , um dann die Gelegenheit zu gewinnen, von
diesen auf die inversen Functionen überzugehen. Es lassen sich aber letz-
tere sämmtlich durch eine von Jacobi eingeführte Function, Thetafunc-
tion genannt, ausdrücken. Diese wird nun in dem vorliegenden Werke
748 ScheUbach, EUipt. Integrale, ang. v. J. Stefan.
zuerst entwickelt, und aus ihr werden dann die doppelt periodischen Func-
tionen gebildet und ihre Eigenschaften abgeleitet. Das Werk selbst besteht
aus zwei Theilen, einem theoretischen und einem Anwendungen enthalten-
den. In dem letzteren werden behandelt: die Oberfläche des EUipsoides
des schiefen Kegels, die geodätische Linie, das sphärische Pendel und die
Drehung eines festen Körpers um einen festen Punct.
Ein solcher Name, wie der des Herrn Verfassers, macht es wol über-
flüssig, über die Vorzüge des Werkes, sowol was die Menge und Neuheit
des darin Gebotenen, als auch was die Klarheit und Eleganz der Darstel-
lung betriflFt, zu reden. Es mag nur auf einen, der sich nicht von selbst
versteht, aufmerksam gemacht werden, der liegt in den zahlreichen numerisch
berechneten Beispielen, welche am besten geeignet sind, deii Lernenden
mit der Bedeutung der entwickelten Lehren vertraut zu machen. Allen
Freunden der mathematischen Wissenschaft sei dieses Werk hiemit aufs
beste empfohlen.
Wien. J. Stefan.
Literarische Notiz.
Globus, iüustrierte Zeitschrift für Länder- tmd Völkerkunde, Chro-
nik etc. In Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben
von Karl Andree. Hildburghausen, Verlag des bibliographischen Instituts,
1865. Bd. VIII. Lieferung 1-5.
Der Globus fährt fort, unter den vielen Zeitschriften, welche die
unterhaltende Seite des Wissens betonen, eine hervorragende Stellung ein-
zunehmen. Wir haben schon gelegentlich einer früheren Besprechung mit
Freude hervorgehoben, wie diese Zeitschrift die Mannigfaltigkeit der geo-
graphischen Kenntnisse wiederzugeben sucht. Doch nicht allein hiedurch
bemüht sich der Globus sich einen möglichst weiten Leserkreis zu sichern
er versucht es auch , den Lesern des verschiedensten Alters etwas zu bieten
indem seine Aufsätze die vielfachen Nuancen von der ünterhaltungslecture
bis zur wissenschaftlichen Arbeit durchlaufen. So wird es auch jedenfalls der
Zeitschrift zum Vortheil gereichen, dass die Anzahl der Verfasser, die sich
nennen, um ein bedeutendes gestiegen ist, z. B. Berlepsch, „die Sprachen
und Mundarten der Schweiz", Emil Schlagintweit, „geschichtliche Entwick-
lung des indischen Kastenwesens", Leist, „die Zigeuner in den Süddonau-
ländem'* u. a. Der Aufsatz „die Alharabra** mit den beigegebenen Illustra-
tionen des genialen Dore geben neuerdings Zeugnis, welch hohen Werth
die Bedaction auf gute Holzschnitte le^, und wie viel man heute auf
diesem Gebiete zu leisten im Stande ist. In einem Aufsatze „der Goldreich-
thum Australiens" finden wir den ersten Band des statistisch-commerciellen
Theiles der Beschreibung der Novara-Reise, von Dr. Scherzer herausgegeben,
sorgfältig verwerthet, eine Quelle, der Übrigens mit vielem 1^1^ ge-
dacht wird, doch zugleich mit einem Tadel der unnütz prächtigen Aus-
stattung. — Wir können diese Zeitschrift wieder mit gutem Gewissen Leh-
rern und Schülern empfehlen.
Vierte Abtheilung.
Miscellen*
Bericht über die Verhandlungen der germanistischen
Section der 24. Philologenversammlung inHeidelberg.
Nach dem Schlüsse der ersten allgemeinen Sitzung begaben sich
die Mitglieder der germanistischen Section in das fUr sie bestimmte Zimmer.
Professor W. Wattenbach aus Heidelberg begrüM in Vertretung des
durch Krankheit verhinderten Vorsitzenden Hofrath Professor A. Holtz-
mann die Versammlung und übergibt dem in Hannover zum zweiten Vor-
sitzenden gewählten Dr. Max Rieger die Leitung der Verhandlungen.
Dieser veruest die Statuten der ^ction, vrährend die Mitglieder ihre
Namen in das Denkbuch einzeichnen '), und schlägt als stellvertretenden
') Die Namen der 43 eingezeichneten Theilnehmer sind in alphabetischer
Reihe folgende: Dr. AUeux, Studienlehrer aus Hof. — Dr. August
Barack, fürstl. Fürstenbergischer Bibliothekar in Donaueschingen.
— Professor K. Bartsch aus Rostock. — Th. Becker, Hofrath
'und Gymnasiallehrer in Dannstadt. — Professor Bergmann, Decan
der Uterär. Facultät zu StralÜsburg. — Dr. Wilh. Crecelius, Gym-
nasiallehrer aus Elberfeld. — Professor Theodor Creizenach aus
Frankfurt a. M. —Professor Dr. Franz Dietrich aus- Marburg. —
Pfarrer G. Th. Dithmar, Gymnasiallehrer in Marburg. — Dr.
Heinrich D ü n t z e r , Bibliothekar in Köln. — A. Emmert, Studien-
lehrer in Speier. — Dr. 0. Gerhard, Gymnasialoberlehrer aus
Wetzlar. — Dr. Rudolf Hildebrand, Gynmasiallehrer aus Leipzig.
— Ho ff mann von Fallersleben, vom Schloss Corvey. — Prof. Dr.
W. Ludwig Holland aus Tübingen. — Prof. Dr. Ad. v. Keller
aus Tübingen. — Dr. Reinhold Köhler, Bibliothekar in Weimar.
— Dr. Lemcke, Prof. der abendländ. Literatur in Marburg. — Prof.
Felix Lieb recht aus Lüttich. — Dr. August Lübben, Gymnasial-
lehrer in Oldenburg. — Dr. Wilhelm Mannhardt, Privatdocent,
derzeit in Danzig. — Dr. Rudolf Menzel aus Dresden. — Prof.
Wilh. Müller aus Göttingen. — Prof. Dr. Adolf Mussaf ia aus
Wien. — Lehramtspracticant Neff aus Heidelberg. — A. Nu seh,
Studienlehrer aus Dürkheim. — Prof. Dr. Pabst, aus Bern. —
Gymnasiallehrer Petters aus Leitmeritz. — Prof. Dr. Franz
Pfeiffer aus Wien. — Dr. Max Rieger aus Darmstadt. —
Archivsecretär Dr. Franz Roth aus Frankfurt a. M. — Dr. Ruth,
Privatdocent in Heidelberg. — Dr. J. V. Scheffel von Karlsruhe.
— Dr. jur. et phiL Job. Scherrer ans Heidelberg. — Prof. Dr.
Schnitzer aus Ellwangen. — Gymnasiallehrer Ludwig Sieber
ans BaseL — Prof. Karl Simrock aus Bonn.— Prot Dr. Stein-
Zei'uchtlft L d. österr. Oymn. 186». X. Heft. 51
750 Miscellen.
Vorsitzendon Professor Creizenach aus Frankfurt, als Schriftführer Dr.
Barack und Dr. Weis mann vor. Die Vorschläge erhalten die Zustim-
mung der Versammelten und nach Verlesung der eingeschriebenen Namen
wird die constituierende Sitzung geschlossen.
Erste Sitzung. 28. September,
Der erste Gegenstand der Tagesordnung war eine 'Mittheilung des
Dr. W. Mannhardt aus Berlin: Ueher Gründung eines Queüenschatzes
der aermanischen Volksüberlieferung\ Der Redner deutet darauf hin, zu
welch wichtigen Ergebnissen die Sammlungen zur deutschen Mythologie
seit J. Grimmas Darstellung der Grundzüge des alten Glaubens bis jetzt
schon geführt haben. Die Forschung finde hier in den Resten alter Cultur-
stufen einen so reichen Stoff wie in der Naturwissenschaft; die Methode
der wissenschaftlichen Verarbeitung sei aber nicht historisch genug. Es
handle sich um eine vollständige Geschichte der Ueberlieferung; es dürfen
keine Lücken gelassen werden, weil sonst der Forschung wesentliche
Mittelglieder entzogen bleiben könnten. Man müsse den vollständigen
Quellenschatz der gennanischen Volksuberlieferung zusammentragen, der
fewissermaX^n eine Ergänzung der Monumenta Germaniae historica zu
ilden hat. Redner hat bereits vor 11 Jahren mit dem für unsere For-
schung leider zu früh verblichenen J. W. Wolf an die Gründung eines
Vereines zu diesem Zwecke gedacht und in den Vorreden zu seinen Werken :
' Germamsche Mythenforschungen^ und 'Die GötierweU der deutschen und
nordischen Völker* Andeutungen darüber geliefert.
Dr. Mannhardt ist gegenwärtig mit der Sammlung der agrarischen
Sitten und Gebräuche beschäftigt, einem Stoffe, der gewiss Aussicht auf
rege aUgemeine Theilnahme hab^n kann und dessen hone Wichtigkeit sich
längst, z. B. an dem bekannten Vergödendel, dem 'Antheile des Herrn
Godan (Wuotan)' dargestellt hat. Von besonderem Interesse ist die mehr-
fache Begegnung zwischen deutschen und fremdländischen Sitten beim
Ackerbaue ; die Verfolgung aller Spuren muss zu merkwürdigen Aufschlüssen
über die ältesten Zeiten führen. Gerade in diesem Gebiete müssen wol die
Gebräuche an ihren Fundorten genuin, nicht etwa, was sich in anderen
Fällen nachweisen lässt, durch die Literatur eingeführt sein. — Die ganze
Arbeit soll in zwei Theile zerfallen, der erste den Stoff in ethnographisch-
geographischer Ordnung, von Gau zu Gau, Ort zu Ort enthalten, der zweite?
die wissenschaftlichen Ere^ebnisse. — Wie wunderseltsam manche agrarischen
Gebräuche sind, stellt der Redner aus der Gegend von Danzig dar. Die
Magd, welche die letzte Garbe gebunden hat, bekommt eine daraus ge-
bildete Puppe, den Bankart (d. i. Bankert); diese wird wie ein hilfloses
Kind behandelt, das anderwärts auch eanz ähnlich Hörkind heifst. Das
Getreide erscheint wie ein dämonisches Kind, die Ernte als die Vollendung
der Geburt des Jahres. Der Redner hat eine groXse Reihe einschlägiger
Fragen zusammengestellt und bereits 70.000 Exemplare seiner HugbMtter
verschickt, an Gymnasien, historische und landwirthschaftliche Vereine
p. 8. w.^) Auch den Gegner Deutschlands hat er sich zinsbar gemacht:
in Graudenz hat er dänische ICriegsgefangene systematisch in's Verhör ge-
nommen und schätzbare Mittheilungen erhalten. — Zum Schlüsse dankt
Dr. Mannhardt für die ihm bisher in reichem Mafsc zu Theil gewordene
thal aus Berlin. — Dr. H. ülbrich aus Frankfurt a. M. —
Gymnasiallehrer Dr. H. Weis mann aus Frankfurt a. M. — Prof.
Werner aus Braunschweig. — Privatdocent Dr. Hugo Wislicenus
aus Zürich. — Stud. Ernst Wülcker aus Frankfurt a. M.
') Wir dürfen nicht unterlassen, im Namen unseres eifrigen und tüch-
tigen Forschers die dringendste Bitte um reiche Beiträge an alle
Kenner des Volkslebens in den Ländern Oesterreichs zu richten. Die
Zusendungen mögen adressiert werden: Dr. Wilh. Mannhardt in
X>anzig, HeomarKt 5.
Miscellen. 751
Förderung und bittet, die Section möge sein Unternehmen dem Plenum
der Philologenversammlung empfehlen, damit diese den Schulmännern die
Sache dringend an's Herz lege.
Präsident Creizenach dankt dem Redner für seinen anregenden
Vortrag und empfiehlt sein Unternehmen der thätigsten Förderung der
Versammlung.
Hierauf nimmt Professor Bartsch aus Rostock das Wort, um im
Namen der in Hannover gewählten Commission über die Angelegenheit des
niederdeutschen Wörterbuches Bericht zu erstatten.
Nach den durch den Redner von Prof. A. Höfer in Greifswald ein-
geholten, wie auch von letzterem in Pfeiflfer's Germania gelieferten Auf-
schlüssen über die Handschrift von Kosegarten's Wörterbuche ist nun die Ge-
wissheit vorhanden, dass diese vortreffliche Grundlage eines niederdeutschen
Wörterbuches in zwei Monaten an Ort und Stelle (in Greifswald) recht
wohl ausgenutzt werden kann. Es handelt sich also nur noch darum, einen
Gelehrten zu finden, welcher mit aller nöthigen wissenschaftlichen Tüchtig-
keit ausgerüstet, sich die Herstellung des Wörterbuches zur Lebensaufgabe
machen will. Die jedenfalls sehr bedeutende Arbeit kann mit Sicherheit
auf die wärmste Theilnahme und Unterstützung rechnen. Bartsch erklärt
z. B., dass der Grofsherzog von Mecklenburg -Schwerin das lebhafteste
Interesse dafür besitzt, und dass man gleiches vom Könige von Hannover
hört. Auch wissenschaftlich wird das Unternehmen in Mecklenburg gefordert
werden ; so stellt Dr. Karl Schiller in Schwerin, bekannt durch seine werth-
vollen Schriften: *Zum Thier- und Kräuterhuche des mecklenburgischen
Volkes\ seine reichen Sammlungen, die sich auch auf die alten Sprach-
denkmäler erstrecken, bereitwilligst zur Verfügung. Da nun die Commis-
sion (bestehend aus den Professoren: W. Müller m Göttingen, A. Höfer
in Greifewald und K. Bartsch in Rostock) die gewünschten Schritte gethan
hat, um Kosegarten's Nachlass für die deutsche Lexikographie nutzbar zu
machen, so erklärt sich die Commission nunmehr ihres Manaates entbunden.
Hierauf macht Director Dr. Ludwig Linden seh mit die versam-
melten Gäste aufmerksam auf die übersichtliche Sammlung deutscher Alter-
thümer in dem von ihm verwalteten römisch-germanischen Museum zu
Mainz und zeigt einen der neuesten und interessantesten Runenfunde in
Abbildung vor, eine Silberfibula mit Runenschrift von einem alemannischen
Todtenfelde bei Nordendorf in der Nähe von Augsburg. Hier sei ein offen-
barer Beweil für das Vorkommen alemannischer Runen im 6. — 7. Jhd.
geliefert.
Professor Dietrich aus Marburg (dessen sorgfältige Forschungen
sich seit langem mit den germanischen Runen beschäftigen) knüpft an die
Worte des Vorredners eine Reihe von andern Mittheiluugen una einzelne
Anfragen über deutsche Runen (ausser Skandinavien).
Eines der merkwürdigsten Runendenkraäler ist das Kreuz von Ruth-
well in England, das volle vier Seiten Runenschrift enthält und zwar
ein northumbrisches Bruchstück eines von Cynevulf verfassten Gedichtes.
(Näheres hierüber in der Schrift Dietriches: "De cruce ButhweUenst etc.
Marbuj^, Elwert 1S65.) Bezüglich eines zweiten englischen Runendenkmales,
eines £^euzes aus dem 7. Jhd. , wünscht der Redner freundliche Auskunft,
wo nämlich die hierüber in Newcastle erschienene Publication aufzutreiben
sein könnte. — Schleswig-Holstein gehören mehrere Runendenkmäler an;
bekannt ist besonders das goldene Hörn von Tondern, ein altes sächsisches
Denkmal, femer ein Goldbracteat aus Süd-Schleswig, andere Bracteaten aus
Kaschberg (?), eine bronzene Spange, eine Schildbuckel. — Ueber den Fund
von Dannenoerg in Hannover hat der Redner auf der letzten Philologen-
Versammlung berichtet ; die Abhandlung darüber soll nächstens in Pfeiffer's
Germania erscheinen. — Auch der Süden hat seine Runen. Bei Dijon, auf
burgundischem Boden, ist ein grofses Todtenlager, von Chlodwigs Zeiten
her, auch mit christlichen Emblemen aufgedeckt worden. Die Runen der
dort gefundenen fibula gehören dem 5. Jhd. an und durch diese Runen
erscheinen die Hrabaniscnen sogenannten Tseudorunen' gerettet. Höchst
51*
752 Miscellen.
werthvoll siud femer die 22 GoldgefäÜBe des Banater Fundes (aus der
2. Hälfte des 5. Jhdts.) , die in Runenschrift die Namen der Besitzer und
der Anfertiger enthalten (so mehrmals den Namen Gundivakrs; ein ahd.
Gundowacar ist von Förstemann im Namenbuch 1, 562 vemiuthet. Offen-
bar sind die Formen Gundacar, Gundachar, Gundecar, Gundichar u. s. w.
nicht mit Gundhar, Gunthar für identisch zu erklären, den ersteren liegt
ein goth. vakrs, den letzteren harjis zu Grunde, vgl. Namenb. 1, 12&
VACAR). — Auch bei Verona ist ein Runeudenkmal gefunden worden, ein
Bronzestab mit 25 Runen, den man für Theodorichs Schwert gehalten hat;
die Abzeichnung desselben in Peringskjölds Vüa Theodorici ist jedoch
sicher ungenau und die Runen sollten neuerdings veröffentlicht werden.
£iner Aufklärung bedürfe auch der in mehreren Blättern gemeldete Runen-
fund von Robenhausen in der Schweiz (wo im Torfmoore groflsartige Pfahl-
bauten entdeckt worden sind), nämlich zwei Basaltkegel mit Runenschrift *).
Dr. J. V. Scheffel (beiläufig bemerkt, der Dichter des Ekkehard
und des Trompeters von Säckingen) sieht sich hier bedrängt, dem Redner
augenblicklich eine freilich sehr unwillkommene Aurklärung zu geben. Er
sei auf die Nachricht von dem höchst interessanten Funde soeleich nach
Robenhausen gefahren, habe aber auf alle seine Nachfragen nichts anderes
als Grobheiten bekommen; die ganze Sache sei eine Mystification.
Nach dieser komischen Unterbrechung kommt Prof. Dietrich zum
Schlüsse seines Vortrages. Trotz dieser Übeln Mystification von Roben-
hausen haben wir eine schöne Reihe deutscher Runendenkmäler; die Zeit
vom 4. — 6. Jhd. sei besonders reich an Goldbractcaten. Während nicht-
deutsche Regierungen diesen so ungemein werth vollen Alterthtimem die
fi^ebührende Aufmerksamkeit widmen^), hat sich bisher noch keine einzige
aeutsche Regierung der Sache angenommen und unsere Akademien machen
sich eher um alle möglichen fremden Inschriften verdient als um unsere
einheimischen deutschen.
Präsident Creizenach zeigt der Section an, dass an dieselbe zwei
Schriften von Professor F. G. Bergmann aus Strafsburg gelangt sind, be-
titelt: 'V unüi de V espece huntame et laplunüUe des langties primitives
und 'De V unite de la compositum grammaticäle et syntcu^ique datis les
differentes famüles de langues' \ hierauf bringt der Präsident nachträglich
Mannhardt*s Unternehmen nochmals zur Sprache. Wie sehr auch vereinzelte
Beobachtungen durch Anschluss an andere bedeutsam werden können, stellt
er an einer von ihm in England beobachteten Sitte dar. Nach einer kurzen
Debatte einigt sich die Versammlung zu dem Beschlüsse, die Angelegenheit
nicht geradezu der Plenarversammlung zu empfehlen, sondern bei der Ver-
öffentlichung der Verhandlungen nachdrücklich auf die Bedeutung von
Mannhardt's Werk aufmerksam zu machen.
Zweite Sitzung, 29. September.
Mit Rücksicht auf die 'allgemeine* Sitzung, die um 10'/, Uhr be-
ginnen sollte, und das Interesse der römisch-griechischen Philologen kam
zuerst der Vortrag des Professors K. B a r t s c h aus Rostock über den
satwmischen und altdeutschen Vers an die Reihe *).
*) Vgl. Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit 1865, Sp. 255.
*) So hat z. B. der schwedische Staatsausschuss 1863 1500 Thaler für
Aufsuchung und Abzeichnung von Runensteinen und 2000 Thaler
zum Ankaufe des von Professor Stephens herausgegebenen Werkes
über die alten Runeninschriften von Skandinavien und England
bewilligt.
^) Es sei mir gestattet, meine lückenhaften Aufzeichnungen hierüber
durch das sorgfältige Referat der Kölnischen Zeitung (Nr. 274,
3. October 1865), das der Feder Dr. Heinrich Dflntzer^a entstammt,
ZU ersetzen.
Miscellcn 753
Prof. Bartsch ist durch eingehende Studien über das System der
deutschen Metrik zu einem höchst bedeutungsvollen Resultate gelangt, näm-
lich zu der üeberzeugung, dass der Versus saturnius mit dem altdeutschen
Verse wesentlich nur eine rhythmische Form bilde und beide ursprünglich
aus acht Hebungen bestehen ; dass femer der griechische Hexameter wie der
indische Slokas den erstgenannten Versen ursprünglich verwandt und alle
vier auf eine gemeinsame indoeuropäische Grundform zurückzuführen sind.
Was die Auffassung des satumischen Versmai^s betrifft, so stimmt
Prof. Bartsch der Darstellung von Prof. Ritschi bei Wenn der romische
Dichter zwar den Accent mit der Vershebung in Einklang zu bringen
suche, aber, wo dies nicht angehe, eine Verletzung des Accentes sich er-
laube, in der zweiten Vershalfte weniger als in der ersten, so fordere der alt-
deutsche Vers auch das Zusammenfallen von Hebung und Woitaccent, lasse
aber dafür manche Abweichungen von der prosaischen Betonung zu. Der
satumische Vers löse auch die Länge selbst in dem Vorschlage in zwei
Kürzen auf, der altdeutsche dagegen lasse dies nur im Vorschlage zu, wo
sich sogar drei Kürzen fanden. Eme Verletzung der Cäsur in der Vers-
mitte gestatte der satumische, nicht aber der altdeutsche Vers. In der
Freiheit der Auslassung der Senkungen stimmten beide Verse überein,
ja auch die Griechen kannten solche, da die Grammatiker von*leeren Zeilen'
redeten. Dass der Vorschlag des Verses fehlen könne, dafür spreche der
altdeutsche Vers und es sei dies um so wahrscheinlicher, als bei dem
ursprünglich zum Gesänge bestimmten Satumius die Hebungen das eigent-
liche Gerüste seien, worauf alles ankomme. In jeder Hälfte des Verses
könne, wie auch Ritschi will, eine Senkung ausfallen ; indes geschehe dies
in der ersten Hälfte nach der ersten Hebung, in der zweiten nach der
zweiten. Aber auch der gewöhnlich als dritter Fufs geltende Schluss bei-
der Hälften enthalte je zwei Füfse, zwei Hebungen nämlich, hinter wel-
chen die Senkungen weggefallen seien. So bestehe denn der satumische Vers
eigentlich, wie der altdeutsche, aus acht Hebungen und entspreche diesem ^nz.
Dr. Düntzer aus Köln erklärt sich entschieden gegen die vom Vor-
redner gegebene Darstellung des satumischen Verses ; die jetzt geltende Auf-
fassung sei vermehrt. Die kteinischen Grammatiker wissen nichts von einer
Auslassung der Senkung, wie auch bei den Griechen nichts der Art sich
finde. Der satumische Vers sei eine Verdopplung des kleinen Verses, den
man im Liede der Fratres arvales hat : Enos Loses iuvate. Die Grabschrift
auf den Dichter Nävius bestehe aus regelmäfsie^en sechsfürsigen Versen
ohne Unterdrückung von Senkungen. Aus den Tetzen* des Livius und
Nävius lasse sich alles machen. Dass uns auch die alten Inschriften den
altrömischen Vers darbieten, müsse erst bewiesen werden. Man habe sich
durch gewisse Puncte und Lücken in den Inschriften nach Niebuhr's Vor-
gang zur Annahme von Absätzen im Verse verleiten lassen, was ganz
verkehrt sei; die unzweifelhaft prosaischen Inschriften zeigen nämlich
diese Zeichen auch, die weiter nichts seien als starke Interpunctionen.
Auch Altmeister Böckh wolle von der Unterdrückung der Senkungen nichts
wissen und lasse in den besprochenen Inschriften nichts als einen metrischen
Anlauf gelten. Die vier Verse, deren ursprüngliche Gleichheit von Prof.
Bartsch oehauptet worden , müssen als selbständige nationale Formen be-
trachtet werden.
Gegen die Bemerkungen von Dr. Düntzer wendet sich hierauf Dr. Fr.
Bücheier aus Freiburg i. IB. mit der gleich entschiedenen Erklämng, er
sei mit dem Vorredner m allen Puncten — nicht einverstanden. Die übrigen
Vertreter der classischen Philologie, die den Vortrag von Prof. Bartsch
mit ihm angehört hätten, seien mit der Methodik desselben in Ueberein-
stimmung; er selbst habe bereits in ganz ähnlicher Weise sich über den
Satumius in einer Besprechung der Monumenta priscae latinitatis geäufsert^.
Vgl. Bücheler's und A. Spengel's Abhandlungen über den satumi-
schen Vers in den Jahn'schen Jahrbüchem 1863, S. 320 ff. und im
Philologus 23. Band, 1. Heft.
754 Miscellen.
Der nächste Vortrag von Prof. Dr. Bergmann aus Strafsburg hatte
die Deutunq der Namen Germanen und Deutsche zum Gegenstande,
(üeber den Warnen Germani sprach im vorigen Jahre Dr. Mahn aus Berlin
8. Gymn. Z. 1864 S. 869.)
Mit derselben Zuversicht, mit welcher man heute die Erklärung dfö
Namens Germanen aus dem Deutschen abweist, spricht sich der Redner
gegen die keltische Deutung aus; er sieht in Germani nur das lateinische
Wort Den Namen legten sich nach Dr. Bergmannes Ansicht die Tungem
bei, um leichtere Aufnahme in*s römische Gebiet zu finden, wie aus dem
zweiten Capitel von Tacitus' Germania deutlich hervorgehe, wo ob metum
die Furcht der einwandernden Tungem vor den Römern und Kelten bezeichne.
Die Furcht bewog die Tungem sich Stammverwandte der Trevirer zu nennen,
die Römer gebrauchten den Namen nicht ohne Ironie. Das Etymon von
deutsch, diutisc sei im skythischen tavitiy Herd, zu erkennen, welches Wort
weiter noch die Bedeutung Familie, Göttin der Familie erhalten habe;
deutsch sei somit national im Gegensatz zum Fremden. Das Suffix des
Wortes sei mit dem lateinischen -esco von senesco und dem griechischen
"laxog der Deminutiva identisch. Sprache, Religion und Sitte zeigen nach
Dr. Bergmannes Ansicht, dass die Skythen Herodots die Ahnen der Deut-
schen seien , die deutsche Forschung müsse weiter hinauf in's Alterthum
dringen als bisher; Tacitus und Herodot seien herrliche Fundgraben unserer
alten Geschichte. Alle skythisch-getischen Sprachreste seien organisch aus
deutschem und slavischem Sprachmateriale zu erklären, wovcm der Redner
an einem skythischen Worte (hexampaios, Bezirk mit einem Bjreuzwege
und heiligem Quell, verwandt mit goth. vigs. Weg, skr. samä, Begegnung
und goth. veihs, heilig) eine Probe liefert.
Dr. Rieger dankt als Vorsitzender dem Redner für den ehrenden
Besuch aus Frankreich und seine Begeisterung für das deutsche Alterthum,
hält aber dafür, da die Sache in die weitesten Tiefen der Zeiten sich ver-
liere, dass eine Debatte darüber aufgegeben, und die übrige Zeit so viel
als möglich für die anderen Vorträge benutzt werden möge.
Es folgte nun der angekündigte Vortrag des Präsidenten Theodor
Creizenach: lieber die ältesten Spuren Dante" s in der deutschen Litera-
tur, der eine Fülle interessanter Einzelheiten enthielt. Aus der wohlgeord-
neten Reihe derselben sei nur einiges hervorgehoben.
Niklas von Wyle, Steinhöwel, Albrecht von Eyb, die doch von
Petrarca Kenntnis haben, verrathen keine Bekanntschaft mit Dante. Der
Geschichtschreiber Baierns , Joh. Aventinus, bringt die erste deutsche Stelle
über Dante, den er als Humanisten bezeichnet. Flacius Illvricus fuhrt den
Dichter unter den Zeugen der evangelischen Wahrheit auf und nennt ihn
den heftigsten Gegner des Pabstes. Zinkgref liefert eine Anekdote aus
Dante. Höchst interessant sind die *Lectiones memorabiles* von Wolfius
vom Ausgange des 16. Jhdts., hier wird Dante's Muth gerühmt, zugleich
aber auch seine Neigung zur Mystik getadelt.
Besonderes Aufsehen machte Dantc's Monarchia, welche zuerst im
16. Jhdt. gedmckt wurde. Aus ihr erlangten manche Stellen eine grotäe
Bedeutung. So fängt die goldene Bulle mit einer durch Dante zur Geltung
gebrachten biblischen Stelle an; KarVs V. Wahlsprach *Plus uUra schliefst
sich wol an Dante's Fii^ oltre und an dessen Anschauungen von der andern
Hemisphäre an. Dante scheint die Versuche der Schifffahrer zu verdammen,
wie alles, was über die Grenzen der alten Welt hinaus will. Karl V. deutet
mit seinem Wahlspruch, der auch zwischen zwei Säulen, d. i. den Säulen
des Herkules steht, dass er über jene Grenzen hinauszukommen strebt.
Wegele hat uns die Spuren von Dante*s Aufenthalt in Frankreich
nachgewiesen, Creizenach fuhrt mehrere Stellen an, die auch auf einen
Besuch des grofsen Dichters auf deutschem (lebiete hinweisen können.
Dante's Bildern sei in der Regel der Stempel eigener Anschauung aufge-
prägt. Er vergleicht die Friesen von der Scheide mit Nimrod , er spricht
von Bibern im Lande der gefräfsigen Deutschen, von dem Schnitt der
Mönchskutten in Köln, von einem Damme bei den Flamändera.
Miscellen. 755
Die erste gute üebersetzunff aus Dante verdanken wir dem viel-
seitigen Andreas Gryphins. Gottsched kennt das nothwendigste über den
Dichter nur aus Bavle's Dictionnaire , das er übersetzte. Boomer hielt es
noch für nöthig, dem deutschen Leser zu sagen, dass er sich unter der
Dante'schen *KomÖdie* kein Lustspiel vorstellen dürfe!
Der gelehrte Redner schlieM seinen schätzbaren Beitras^ zur Dante-
forschung mit der Bemerkung, dass die Hingabe an Dante, der im Jahre
1844 hemge Angriffe in Italien erfahren hat, mit einer freieren Auffassung
des Christenthums recht wohl vereint sein kann und dass uns die schöne
religiöse Ansicht, die sich in den Worten kundgibt:
Se '1 mondo si rivolse al Cristianesmo,
Diss' io. senza miracoli, quesf uno
E tal, che gli altri non sono U centesmo (Parad. 24, 106—108)
noch lange wird genügen können.
Nachdem hierauf Dr. Rieger im Namen der Versammelten dem
Redner Dank gesagt hatte, wurden einige Exemplare einer Schrift von
Professor Watt enb ach aus Heidelberg, unter dem Titel: 'MonumerUa
Lubens%a\ historische Denkmäler des ehemaligen Klosters Lübben an der
Spree, unter die Anwesenden vertheilt
Dritte Sitzung. 30. September.
In der letzten Sitzung las zuerst Professor Bartsch eine schöne
Probe aus einer üebersetzung von Dante's Komödie vor, welche bisher
ungedruckt ist und unsern österreichischen Dichter Friedrich Halm (Prh.
V. Münch-Bellinghausen) zum Verfesser hat.
Hierauf machte Bibliothekar Dr. K. A. Barack aus Donaueschingen
Mütheüungen über die Schicksale der Nibelwngenhandschrift C, theilweise
nach einem Briefe des edlen Freiherm J. v. Lassberg.
Was über die Wanderungen der beiden Nibelungentexte, die Jahr-
hunderte lang auf dem Schlosse Hohenems in Vorarlberg beisammen waren,
der Handschrift C, die sich jetzt in der Hofbibliothek zu Donaueschingen,
und der Handschrift A, die sich in München befindet, bisher mitgetheilt
worden ist, ist theils unrichtig, theils unvollständig. Die Schicksale sind
wesentlich folgende. Als der Mannesstamm der Gnuen von Hohenems aus-
Sjstorben, später aber die Herrschaft dem Gemahl der letzten Gräfin von
ohenems Maria Rebekka, dem Grafen Harrach zurückgegeben worden war,
versteigerte die Gräfin ihren Besitz an Alterthümem, unter welchen die
Bücher und Handschriften zehn Kisten einnahmen. Die beiden Nibelun-
genhandschriften und die Handschrift von Barlaam und Josaphat (die
sich heute mit C in Donaueschingen befindet) machte die Gräfin ihrem
Advocaten, dem Dr. Schuster in F?ag zum Geschenke. Dieser schickte die
beiden Nibelungenhandschriften nach München und erhielt für die Hand-
schrift A, die für die Hofbibliothek behalten wurde, Incunabeln eingetauscht;
C wanderte wieder nach Pra^g an ihn zurück. Darauf kam die Handschrift
an Frickart in Wien. Während des Wiener Congresses kam nun am Kai-
sertische die Rede auf das Nibelungenlied ; der Kaiser wollte die Hand-
schrift von Frickart kaufen und liefs ihn zu sich kommen. Frickart ver-
langte tausend Ducaten, der Kaiser war es zufrieden und schickte Frickart
an den Grafen Oczolinski zum Abschluss des Kaufes. Dieser aber macht
Später
Kauflustige, A. W. von Schlegel und H. F. v. d. Hagen, ohne dass es je-
doch Zum Kaufe kam. Zuletzt erschien ein Engländer, Lord Spencer Marl-
borough, und wollte die Handschrift ftlr seine Büchersammlung erwerben.
Das hörte Lassberg, und fest entschlossen, auch sein letztes Hemd zu ver-
kaufen, um nur die Handschrift vor der drohenden Verbannung zu retten,
erklärte er, er werde dieselbe nach einer bestimmten Zeit für die verlangten
250 Speciesducaten kaufen. Lassberg schreibt hierüber: *Das war nun gut.
756 Misoellen.
aber — ich hatte das Geld nicht, und das war nicht gut!' Betrübt kam
er zur Fürstin Elise von Fürstenberg. Sie sah ihm den Kummer an, ent-
lockte ihm sein banges Geheimnis und gab ihm edelsinnig die verlangte
Summe. So war nun die beste Handschrirt des Nibelungenliedes für Deutsch-
land gerettet. Nach Lassbergs Tode kam die Handschrift 1853 nach Donau-
eschingen in den Besitz des Fürsten von Fürstenberg.
Diesem das lebhafteste Interesse der Versammlung in Anspruch
nehmenden Vortrage reihten sich Mittheilungen von Dr. A. Lübben aus
Oldenburg an: 'Ueher aararische und territoriale Benennungen\ Der Red-
ner will auf Din^e in Norddeutschland hinweisen, die noch viel zu wenig
beachtet sind. Zeitungsanzeigen von Subhastationen, Verkaufsantrage u. dgl
bringen öfters höchst seltsame Bezeichnungen für Grundstücke; Dr. Lübben
ist diesen alten Namen eifrig nachgegangen und hat eine umfangreiche
Sammlung zu Stande gebracht, aus welcher er einiges hervorheben will,
was besonders häufig auftritt und doch in unsem Wörterbüchern entwe-
der gar nicht oder noch nicht genügend untergebracht ist
Seine Auswahl beschränkt sich auf Oldenburg. Hier erscheint in
Flurnamen z. B. ein Appellativum heUe, das für identisch mit Halde zu
feiten hat, wenn auch die Einsenkung des Bodens Manchem, der an Berg-
alden gewöhnt ist, kaum bemerkbar sein sollte; weiter Ueth, offenbar
das mhd. lite, ahd. hlita, altn. hlidh, Bergabhang'); ein sehr merkwürdige
stroth in der Bedeutung Wald; das den Philologen von der herrlichen
Eilenriede so wol bekannte und doch kaum verdändliche riede, dessen
Bedeutung wol fliefsendes Wasser, dann Aue sein wird; femer hammerich,
ursprünglich Dorfmarke, jetzt Wiese; wand, ein Ackerstück von 1—20
Morgen; ein völlig dunkles regente, r engte y renkte, auch rehen u. s. w.
Die grol^n Reihen von Belegen für diese einzelnen Wörter lassen erkennen,
vrie lebendig diese noch vor Zeiten gewesen sind und wie ergiebig auch
anderwärts aie Forschung auf diesem Gebiete sein muss.
Prof. Pfeiffer aus Wien erkennt an, dass die Forschung hier zu
interessanten Aufschlüssen führt, und betont nachdrücklich, dasis sie die
alten Quellen, soweit es nur immer möglich ist, also besonders die soge-
nannten Urbarien oder Lagerbücher zu Käthe zu ziehen und auszubeuten
hat, darüber aber auch nicht versäumen darf, sich über die Oertlichkeit sellwt
genau zu unterrichten, damit die Deutung nicht zuweilen von den That-
sachen natürlicher Verhältnisse abirre. Wie leicht man zu falschen Erklä-
rungen gelangen kann, zeigt ein Beispiel aus Salzburg. Die dortige Kai-
gasse heiTst, wie Pfeiffer aus alten Urkunden ersehen Eeit, in früherer Zeit
Ohay-, Oehaygasse (veL auch den Artikel Kai im Grimmischen Wh.).
Prof. A. v. Keller aus Tübingen erklärt, dass er ebenso wie Prof.
Pfeiffer seine Aufinerksamkeit schon län^t auf die Flurnamen gerichtet
habe, und dass es ihm durch seine Forschung schon oftmals möglich wurde,
die würtembergischen officiellen Flurkarten auf Grund der T^kunden zu
berichtigen.
Präsident Creizenach theilt nun mit, dass für die nächstjährige
Philologenversammlung Halle gewählt wurde und schlägt zu Vorsitzen-
^) Das Wort leite begegnet häufig in Flurnamen Nordböhmens und
wird auch im oberdeutschen Gebiete zu finden sein; wir haben z. B.
Geltschleite (ein Abhang des Geltschberges), Schützenleite, die kahle
Leite u. dgl. Stroth ist uns in den Waldnamen Lehmstruth und
Struth aus der preui^ischen Rheinprovinz bekannt (Jüngst, Volks-
thüml. Benennungen S. 117); Förstemann verzeichnet in seinem
trefflichen Buche über die deutschen Ortsnamen S. 59 ahd. Esgene-
struot und Wideiistruot und bespricht das oldenburgische hamimrich
S. 106 u. 271. Bezüglich regente erlauben wir uns auf reghenoot,
reenghenoot in Hoffmann's Glossar, belg. auiinerksam zu machen,
das zu unserem Worte ganz gut zu passen scheint; rehen ist wol
ein ganz anderes Wort
Miscellen. 757
den der Section Prof. Dr. Heinrich Leo und Dr. Julius Zacher vor.
Der Vorschlag wird von der Versammlung angenommen.
Hierauf hielt noch Dr. Max Bieter seinen angekündigten Vor-
trag : üeher Dante" 8 Minnesafig im Verhmtnis zu Vorgängern und Zeüge-
nossen, der ebenso auf gründlichen Studien beruhte wie er Zeugnis gab
von dem feinen Urtheile des Redners. Er wird, wie wol zu erwarten
steht, in den Verhandlungen der Versammlung erscheinen und darin mit
Creizenach's Vortrag einen schönen Beitrag zur Danteliteratur des Jubel-
jahres 1865 bilden.
Von den sonst noch angekünd^ten Mittheilungen entgieng uns
leider durch die Kürze der Zeit eine MittheUunj^ von Dr. Barack über
Fragmente eines unbekannten aUdeutsdien Retmwerkes und eine zweite
von Dr. R. Hildebrand, unserm trefflichen Lexikographen, über einen
ostmitteldeutschen Dativ des Pronomen personale der 5. Person; wir
hoffen das Versprochene in den Verhandlungen zu finden.
Vor dem Schlüsse der letzten Sectionssitzung wurde die Angelegen-
heit des niederdeutschen Wörterbuches nochmals vorgenommen und durch
Beschluss das Mandat der in Hannover gewählten Commission, bestehend
ans Prof. Müller, Prof. Bartsch und Prof Höfer, erneuert. Der Commission
wird die Sorge übertragen, einen Herausgeber oder Verfasser des Wörter-
buches zu gewinnen, diesem eine entsprechende Anzahl von Mitarbeitern
zu verschaffen und endlich die nöthigen Schritte zur Erwerbung von Un-
terstützungen zu den Kosten der Unternehmung einzuleiten. Ueber ihre
Thätigkeit soll die Commission in Halle Bericht erstatten.
Schliefslich widmet Prof. Creizenach dem zum allgemeinen Be-
dauern der in Heidelberg versammelten Germanisten durch Krankheit fern-
gehaltenen Hofrath ProL Holtzmann einige freundliche Worte der Erin-
nerung, denen sich die Section durch Erhebung von den Sitzen anschliefst.
Nachdem noch über Antrag von Prof. Pfeiffer und v. Keller dem Prä-
sidium und den Secretären der Section gedankt worden war, wurden um
10 'A Uhr die germanistischen Verhandlungen geschlossen.
Leitmeritz. Ign. Petters.
Bericht über die Verhandlungen der psedagogischen
Section der 24. deutschen Philologenversammlung
zu Heidelberg.
i. Sitzung, ^. September,
Mittags 12 Uhr.
Prof. v. Langsdorffaus Heidelberg eröffnete mit einer begrüf sen-
den Ansprache die Versammlung , indem er beklagte, dass das Mitglied
des Präsidiums, dem die Leitung dieser Section zilomme, Prof. Director
Cadenbach, erkrankt sei Auf besondere Bitten habe er in Folge dessen
die Eröffnung der Sitzung und die vorläufige Geschäftsleitung übernom-
men, wünsche aber sich sobald als möglich dieses Auftrages überhoben zu
sehen und das Amt in die Hände des zu erwählenden Präsidenten nieder-
zulegen; er erlaube sich dazu den in dieser Eigenschaft so oft bewährten
Prof Bector Dr. Eckstein von Leipzig vorzuschlagen.
Eckstein lehnte die Annahme ab, weil er es für durchaus zweck-
mäfsig halte, wenigstens den Präsidenten aus demselben Lande zu wählen,
in welchem man tage.
V. Langsdorff entsprach nach zuerst ganz entschiedener Ableh-
nung zuletzt doch dem dringenden Wunsche der Versammlung und über-
nahm den Vorsitz, worauf er die Professoren Löhle und Schiller er-
suchte, das Amt als Secretäre zu versehen. Sein Vorschlag, die jedesma-
758 Miscellen.
ligen Sitzungen dieser Section um 8 Uhr zu beginnen, wurde auf die Be-
merkung, dass die germanistische Section auf diese Stunde verlest sei, von
der bereits constituierten Versammlung dahin abgeändert, dass aafar9ühr
festgesetzt wurde.
Darauf schritt man zu einer Berathung über die Thesen.
Nachdem sich die Versammlung auf den Vorschlag des Präsidenten
unter bereits aufgestellten oder noch einlaufenden Thesen das Kecht der
Auswahl vorbehalten hatte, kam nach einer längeren Debatte rücksicht-
lich der Reihenfolge der Verhandlungen der Vorschlag Ecksteines zur
Annahme, wonach es schon die Pflicht der Rücksicht, die man dem Prä-
sidenten schulde, als Act der Billigkeit fordere, dass dessen These :
„lieber die Aufnahme der Griech. -Makedonischen Elementartaktik
in den Turnunterricht" vor allen andern den ersten Rang auf der Tages-
ordnung für Donnerstag den 28. September einnehme.
Gegen den weiteren Vorschlag desselben, hieran konnte sich dann
2. die Discussion der Thesen von Prof. Dr. Piper aus Berlin:
„lieber die Einführung der monumentalen, insbesondere der christ-
lich-monumentalen Studien in den Gymnasialunterricht** und 3. der Vor-
trag des Director Dr. Peter aus Pforta:
„lieber den obligatorischen Unterricht der alten Geschichte in Prima*
passend für denselben Tag anreihen, macht« Prof Piper geltend, dass
seine Thesen noch nicht gedruckt seien und stellte deshalb, unterstützt von
Prof. Dr. Stoy aus Jena, der sich sofort für die Einführung dieser Studien
aussprach, aber auch auf die Nothwendigkeit hinwies, sich über eine Frage
von solcher Wichtigkeit vorher genau zu orientieren, den Antrag, die Ver-
handlung hierüber zu vertagen, die in Folge dessen auf Freitag den 29.
anberaumt wurde.
Femer war Eckstein der Ansicht, man möge die von Oberlehrer
Dr. Voigt aus Düren vorgeschlagene Thesis:
„Üeber das Latein an Realschulen" nicht zur Verhandlung kommen
lassen. Es seien doch vorzugsweise Gjnoinasiallehrer hier versammelt, es sei
deshalb gewagt, diesen allein irgend welche Entscheidung in der fraglichen
Angelegenheit anheimzugeben. Auch habe dieselbe für Gymnasiallehrer kei-
neswegs ein so grofses, allgemeines Interesse.
Rector Götz vom Progymnasium in Neuwied bestreitet die An-
sicht des Vorredners: Die These habe auch ihre allgemeine, interessante
Seite und die Anzahl der anwesenden Reallehrer sei keineswegs eine so
geringe; er bitte um Ermittlung derselben. Da diesem Antrage wegen des
Wegganges schon vieler Mitglieder nicht entsprochen werden kann, so be-
hält sich derselbe auf eine aer nächsten Sitzungen seinen Antrag vor.
Schluss der Sitzung.
2, Sitzung. 28. September. Präsident: Prof. v. Langsdorff.
Anfang um 9 Uhr.
Tagesordnung:
Die bereits in der ersten Sitzung für diese Versammlung bestimmten
Vorträge :
1. von Prof V. Langsdorff '), 2. von Director Dr. Peter.
') Der engen Beziehung wegen, in welcher ein Theil des auf den Nach-
mittag des 27. Septembers zur Unterhaltung der Gäste aufgestellten
Festprogrammes, nämlich die „Uebungen aus der Griech. - Makedo-
nischen Elementartaktik" zu der unter 1. erwähnten, in dieser Sitzung
zur Verhandlung gekommenen Thesis steht, möge uns ohne die WurP
Übungen mit dem püttm , das mit grofser Geschicklichkeit und be-
deutender Wirkung auf erhebliche Distanzen abgeschleudert wurde,
sowie die SchieX^proben mit der Katapulte, während die Balliste g« -
rade gebrauchsunfähig war, näher zu besprechen, der Hinweis auf
Miscellen. 759
Hofrath Behagel von Mannheim übernimmt auf Ersuchen des
Präsidenten, da er über die erste Thesis einen Vortrag halten werde, den
Vorsitz.
Nachdem Prof. v. Langsdorff vor allem bekannt, dass die Idee
der von ihm eingebrachten Thesis nicht seine, sondern die des Prof Köchly
sei, der um Verwirklichung derselben gebeten, und dass er trotz mancher
anfan^ gehegter Bedenken eine solche üebung für sehr zweckraäXsig und
empfenlenswerth befunden habe, legte er die öründe der Mangelhaftigkeit
dar, die sich Tags zuvor in der hie und da weniger exacten DurchfÜMung
einzelner Uebuneen gezeigt hätte, trotz der er aber hoffe, dass die Ver-
sammlung, wilcne als Augenzeuge auf dem Turnplätze erschienen sei, die
Ueberzeugung von der leichten Durchführbarkeit gewonnen haben werde.
Habe man doch erst spät zum Versuche schreiten können. "Weder sei eine
grofse Auswahl von Schülern vorhanden gewesen, noch habe der Besuch,
besonders seitens der gröfsem regelmafäig stattfinden können. So sei es
gekommen, dass Schüler von 16 Jahren neben solchen von 11 gestanden
seien. Die Geschicklichkeit der einzelnen sei ebenso verschieden und die
kleinsten nur schwer zu verwenden gewesen, doch habe man sie für diesmal
ihres Eifers und der Sache wegen nicht zurückweisen mögen. Dazu seien
noch die Ferien gekommen, die der Uebungen wegen in Heidelberg zuzu-
bringen man die Schüler selbstverständlich nicht habe veranlassen können.
So seien in den Uebungsversuchen der einzelnen bald da, bald dort Lücken
eingetreten; ja er habe unter den gestrigen Theilnehmem einen wahrge-
nommen, der vierzehn Tage gefehlt habe, während er früher kaum dreimal
erschienen sei. Noch andere Gründe wolle er hier nicht zur Sprache bringen.
Er halte nach alle dem die Ausführbarkeit der Idee für leicht und bitte
nur die Versammlung, dieselbe nicht nach dem Versuche des gestrigen
Tages zu beurthcilen.
Mit dieser Frage sei jedoch die nach der RäthUchkeit dieser Uebun-
gen noch nicht gelöst. Es handle sich darum, welche Vortheile denn dar-
aus entspriefsen würden.
Was die Mühe und den Zeitaufwand angehe, so seien selbige nicht
sehr gTo£s. Auch solle nicht der Schulunterricht durch Entziehung von
Lehrstunden hiefÜr beeinträchtigt werden, wol aber würden die Lehrer
der Gymnastik die Uebungen zu leiten gerne bereit sein. Dagegen könne
man oei allen Schülern jedes Alters eine aufserordentliche Lust und Liebe
f^ solche Uebungen wahrnehmen. Man könnte vielleicht sagen, es sei dies
nur der Reiz der Neuheit; allein die Beschäftigung mit den Waffen, die
Taktik, die kriegerische Seite des Lebens muthe alle ungemein an und
übe einen ganz außerordentlichen Reiz auf die jugendlicnen Gemüther.
Und diese Richtung sei von den Pädagogen nicht zurückzuweisen. Damit
gehe aber ein gewisser Ernst Hand in Hand; der Sinn für Ordnung und
Gehorsam finde ohne jede Anwendung eines äu/^ren Zwanges seine Pflege
und Kräftigung. Genügen schon diese Bemerkungen für die Einführung
solcher Uebungen in die Knabenspiele, so erwachsen noch andere Vortheile
obige Uebungen um so mehr gestattet sein, als einige Redner im
Laufe der Debatte darauf zurückkamen.
Gewiss war es ein Schauspiel echt griechisch - antiken Gepräges,
unter Leitung des Thesensteüers die Schüler des Heidelberger Gym-
nasiums, wenngleich im Tumeranzuge, mit langen Lanzen, kleinen
runden, mit einem u4 bezeichneten Schilden diese Uebungen aus-
führen zu sehen, wie sie bald in Reih und Glied dastehend auf
Griechisches Commando die Handgriffe, Wendungen und Schwen-
kungen, wie wir sie täglich beim Militär sehen, ausführten, bald
wieder unter Absingung eines griech. Marschliedes (xnrn Tvqkuov,
wie es auf den in der Arena an die Gäste verheilten nur Griechi-
schen Exemplaren der Taxrixa naoayyiXfjiaxa heifst), oder im Lauf-
schritte vorwärts eilten. Die erwähnten raxtixa naMxyyiXfiaxtt finden
die Leser bereits in den allgemeinen Bericht S. 693 aufgenommen.
760 Miscellen.
aus ihrer Pflege, indem neben der Vertrautheit mit dem Alterthum, mit
dem Hellenenthum, körperliche Tüchtigkeit und ein gewisses kriegerisches
Wesen erzielt werde.
Redner glaubt darauf für jene Herren, die sich mit dem Alterthunie
nach dieser Richtung hin nicht näher befasst hätten, die Bemerkung
machen zu müssen, &S8 hier nichts willkürliches stattfinde. Die Quellen
seien bei Arrian und Aelian zusammengestellt und von Eöchlj in seiner
Geschichte des Griech. Kriegswesens exact belegt. Sonach weide dadurch
eine gröfsere Vertrautheit mit dieser Seite des classischen Alterthums, ja
mit der ganzen ethischen Richtung erreicht In den Wendungen, Schwen-
kungen, Contremärschen liege allerdfings nichts neues für die Jugend, alle
diese Dinge würden vom Militär und in noch gröfserer Mannigfialti^keii
von den Turnern ausgeführt; allein die tiefere Kenntnis eines Gebietes,
des Kriegswesens, übe einen ungemeinen Einfluss auf das jpnze Verständ-
nis des Alterthums, indem bei lebhafterer Erregung ein tieieres Eindringen
in die Tjcctüre erzielt werde ; die Vorstellung gewinne an Farbe und Le-
bendigkeit. Habe er doch diese Erfahrung an sich selbst gemacht, habe
er doch selbst dadurch manches, ia sehr vieles gewonnen.
Was die Ausführung der Uebungen anbetreffe, so sei diese auf den
Turnplätzen, wie ja auch die Alten dort manövriert hätten, unter Anwen-
dung des Griechischen Commandos sehr leicht möglich. Selbst der Thcr-
inopylenausfall und die Schlacht bei Kunaxa könnten sehr leicht darge-
stellt werden. Das Gebiet aber, welches die Uebungen zu umfassen hät^n,
sei die Art der Taktik, wie sie nach Vertreibung der Perser allgemein
herrschend gewesen sei. Auf die frühere Zeit könne man schon wegen der
darüber verbreiteten Dunkelheit nicht zurückgehen. Die Gliederung der
Schaar in ko^o;, nfVTtjxoaTvg, fvcof^orta hänge natürlich von der Zahl der
Schüler ab.
Der Redner schloss, indem er nochmals auf den so geringen Auf-
wand von Zeit und Mühe hinwies und neben der Lust der Schüler die
daraus entspringenden Vortheile betonte.
Präsident fragt, ob jemand zur Unterstützung des Antrages oder
dagegen das Wort ergreifen wolle.
Gymnasialdirector Jäger aus Köln: Im Turnen machen sich zwei
Richtungen geltend: das Moment der Freiheit und das des Schulzwanges,
oder, wenn dieser Ausdruck zu scharf sein sollte, das der Schuldisciplin.
Früher habe Freiheit geherrscht, während es jetzt obligates Fach sei ; im
letzteren liege Gefahr das Turnen zu „verschulmeistem" , so dass die in-
dividuelle Neigung zu sehr beschränkt erscheine. Der Vorschlag könne das
erste oder zweite Moment verschärfen. Als Spiel betrachtet, wie es Tags
zuvor behandelt worden, sei es, wenn Lehrer die Sache in die Hand neh-
men, gut und empfehlenswerth ; wenn dagegen mit dem Vorschlage der
Rath gegeben sein solle, diesen Uebungen methodisch eine Stelle im Unter-
richte einzuräumen, dann sei er dagegen; da würde jenes Spiel zur un-
erträglichen Pedanterie. Herr von Laijgsdorff habe vielleicht die Güte zu
sagen, in welchem Verhältnisse diese Uebungen zur Jäger'schen Tumme-
thode stünden.
V. Langsdorff: Das Griechische solle nicht auf den Turnplatz
verlegt werden ; es solle Freiheit herrschen ; er wolle die Einführung tlofs
denen empfohlen wissen , die Gefallen daran fänden , aber keine neue
Disciplin in's Tumwesen einführen. Man solle der Jugend zeigen, dass die
Griecnen solche Uebungen gemacht und durch ihre Taktik ganze Haufen
von Feinden geschlagen hätten. Auf die zuletzt an ihn gerichtete Frage
könne er keine Antwort geben, weil er der Entwicklung des Systems nicht
weiter gefolgt sei.
Präsident: Es liege jetzt die Frage vor, ob die Uebungen der
Griech.-Makedonischen Elementartaktik, wie es nach der Meinung des
Hm. Dr. Jäger das Turnen sei, obligatorisch sein oder der Ansicht beider
Redner gcmäfs frei stehen sollen. Die Versammlung dürfte einverstanden
sein, dass die Einführung in letzterem Sinne wünschenswerth erscheine.
Miscellen. 761
Jäger: Man könne es so einrichten, dass man nach dem Spiefs'schen
oder Jäger^schen Systeme turnen oder dass man die Schüler sich selbst
organisieren lasse. Er sei nun mit Herrn v. Langsdorflf einverstanden, wenn
diese Uebungen von einem begeisterten und geistvollen Lehrer betrieben
als Spiel behandelt würden, nur möge kein Zwang herrschen ; es sei ohnehin
von oben herab schon gar zu viel vorgeschrieben.
Rector Götz aus Neuwied: Im wesentlichen stimme er beiden Vor-
rednern bei: es solle Freiwilligkeit herrschen; weder Lehrer noch Schüler
dazu gezwungen sein; doch gehe er rücksichtlich der Uebungen weiter: es
solle nicht bloXä die Griechisch-Makedonische , sondern auch die Römische
Taktik eingeführt werden. £s mögen auch die Schlachtordnungen, ja sogar
diese oder jene Schlacht dargestellt werden. Ob Herr v. Langsdorff zu-
stimme, wisse er nicht, doch dürfte die Sache ungefährlich sein.
Prof. Dr. Stoy aus Jena: Mit Freuden habe er wahrgenommen,
dass, wie in MeiXlsen die Spaziergänge, so dies Moment hier Desprochen
werde. An Vorbildern fehle es m dieser Beziehung nicht. So habe der
Rector von Trotzendorf, von dem Melanchthon sa^e, er sei zum Schulmeister
wie Scipio Africanus zum Feldherm geboren, seinen Senat, seine Consuln
gehabt und er selbst sei Dictator perpetuus gewesen. Dies sei ein leuchtendes
ExempeL Ja es verführen selbst Feldherren ähnlich. So lasse Napoleon III.
die ScMacht bei Jena aufführen. Er spreche deshalb den Wunsch aus,
diese Besprechungen möchten nicht zum Materiale gelegt werden und die-
jenigen der Anwesenden, welche Lust daran gefunden und Versuche gemacht
hät&n, möchten sich bei der nächsten Philologen- Versammlung inre Er-
fahrungen mittheilen.
Prof. Rehdanz aus Magdeburg: Für das Studium der Sprache und
ihr Verständnis seien solche Uebungen sehr empfehlenswerth ; nur fürchte
er auch hierüber den allzu verbreiteten Vorwurf, dass wir dem heutigen
Leben zu ferne stünden. Ob es übrigens, wenn solche Uebungen betrieben
würden, nicht räthlich sei, auch ein entsprechendes Costüm — die Toga —
einzuführen? Es mache dies auch etwas dabei aus. Dazu käme noch die
gesunde Bewegung. Beides vereint dürfte die Eltern von dem vortheilhaften
er Sache leicht überzeugen.
Prof. Planck aus Heilbronn: Beide Wünsche, das Element der
Freiheit solle nicht beschränkt werden und, es wäre wünschenswerth, diese
Uebungen doch einzuführen, seien unvereinbar. Wir würden, was Herr v.
Langsdorff und Rector Götz zu erreichen streben, nur dann zu leisten im
Stande sein, wenn man sich nicht scheue mit Schülern von elf Jahren
solche Uebungen durchzumachen. Herr v. Langsdorff habe selbst auf die
Schwierigkeiten hingewiesen; es sei nicht möglich das vorgesteckte Ziel
zu erreichen, wenn nicht schon von früh auf für die Schüler das Materiale
in die Uebungen eingeführt würde.
Präsident: Wir seien von der Fraj^e abgekommen und würden so
in's unendliche ^crathen. Es handle sich jetzt darum, ob in engerer oder
weiterer Weise ein Versuch gemacht werden solU und dass darüber bei der
nächsten Philologen- Versammlung Mittheilungen gemacht würden.
Dr. Wassmannsdorff aus Heidelberg: Er wolle als Lehrer des
Turnens das Wort ergreifen. Mehrere Redner seien nicht in der Lage
darüber zu urtheilen. Es sei Freiheit und Zwang vereint; in Jahn's Methode
finde sich beides; er dürfe annehmen, dass bei dieser Betriebsweise der
Jugend weder ihre Freude verloren gehe, noch dass Verweichlichung und
lotteriges Wesen oder das Gegentheil dadurch verursacht werde.
V. Langsdorf: Es sei sehr leicht mit vorgerückten Schülern die
Aufgabe durchzuführen. Die Frage nach der Möglichkeit sei gjar nicht
nothwendig, da sie schon durch die Uebungen Tags zuvor bewiesen sei.
Bei der nächsten Versammlung aber sei der Austauscn über die gemachten
Erfahrungen und Resultate durchaus wünschenswerth.
Rufe: Schluss!
702 Misa'llen.
Dir. J äff er: Er müsse sich noch die Frage erlauben, ob unsere Turn-
lehrer im Stande wären, den Unterricht zu ertheilen, und ob dazu literarische
Hilfsmittel vorhanden seien.
V. Langsdorff: Nach Vorarbeiten sei dies leicht; als eine solche
könnten die Taxrixa TTttQayy^/iara mit deutscher Uebersetzung dienen.
Die Schüler hätten die griechischen Commandos in zwei Stunden inne
fehabt. Für Schlachtenpläne verweise er auf das Werk von Rüstow und
^öchlj, das den grofsen Vorzug besitze, dass dessen Verfasser auf dem
Gebiete der Philologie und Taktä bewandert seien. Es würden sonach die
übrigen Turnlehrer für Ertheilun? dieses Unterrichtes ebenso befähigt sein
wie der ihrige ; denn es sei nur Zufall, dass nicht dieser, sondern er selbst
Tags vorher das Commando übernommen habe.
Was die von ihm oben abgegebene Erklärung in Bezug auf die im
Turnwesen hervortretenden Richtungen anbetreffe, so wolle er dieselbe nicht
etwa so verstanden wissen, als ob ihm die Systeme unbekannt seien; damit
sei er vertraut, nur habe er die betreffende Literatur nicht näher verfolgt.
Bücksichtlich der Erweiterung des in der These begrenzten Gebietes aus
der Taktik bemerke er, dass noch manches im Dunkeln liege.
Rufe: Schluss!
Präsident stellt, indem er die Debatte für geschlossen erklärt, an
die Versammlung die Frage: Ist der Antrag: „Ueber die Aafoahme der
Griechisch-Makedonischen Elementartaktik in den Turnunterricht" anzu-
nehmen und der Wunsch auszusprechen, dass über die hiebei erzielten Er-
folge bei der nächsten Versamnüung referiert werde?
Entschiedene Majorität.
Hofrath Behagel tritt vom Präsidium zurück und an seine Stelle
Prof. V. Langsdorff.
Da so eben die Nachricht vom Eintreffen der Jugendwehr auf dem
Turnplatze eingelaufen war (welche durch exacte Ausführung aller Stel-
lungen und Bewegungen jegliche Erwartung übertraf), so erklärte schliefä-
lich der Präsident v. Langsdorff, indem er die Sitzung aufhob, dass die
Debatte über die andere These den folgenden Tag stattfinden werde.
Des Zusammenhanges wegen möge es uns gestattet sein die Worte,
welche Prof. Köchly bei der folgenden Tagessitzung noch in Betreff der
eben discutierten Frage an die Versammlung richtete, gleich hier ihrem
wesentlichen Inhalte nach anzureihen.
Vor allem dankte er der Versammlung für den Beschluss, der die
Einübenden und Leiter um so mehr ehren und erfreuen müsse, als ihnen
die Ausführung zum Theil unnützer Weise sei erschwert worden.
Die Uebungen hätten keineswegs eine Spielerei, sondern ein Beleff
für die gestrige Debatte sein sollen. Knaben, die zum Theil nicht einmal
Griechisch verstünden, seien in vierwöchentlichen Uebungen mit öfterer,
ja sogar einer 14tägigen Unterbrechung des Exercitiums geschult worden.
Also, es gienge schon. Ein Schritt sei somit wieder geschehen den classi-
schen Unterricht in Fleisch und Blut übergehen zu lassen. Was den Namen
„Griech.-Makedonische Taktik"* betreffe, so beziehe sich dieser auf die Zeit
von Tjrrtäus an. Nachdem der Redner mit Bezug auf die Bewaffnung, in
welcher die Schüler vorgeführt worden waren, die den Zeitperioden nach
dreifache Art derselben erwähnt und im Gegensatz zur Homer.-Spartiati-
schen die zur Zeit des Tjrtäus übliche in*s Auge gefasst hatte, fuhr er
nach der Bemerkung, dass das ui, welches man auf den Schildern gelesen
habe, nicht blofs ^^ttxf^ttifioviog'^f sondern auch „Lyceist* bedeuten könne,
weiter fort: Helm und Beinschienen habe man weggelassen; eine Maskerade
habe man nicht gewollt, weil dies unpraktisch sei.
Was das gesungene Lied anbetreffe, so sei mehrfach die Bemerkung
gemacht worden, warum man eine neue Melodie, nicht eine antike zu
Grunde gelegt habe. „Die antike kenne ich nicht; wer sie mir lieben kann,
erit mihi et unus, ia sogar magnus et maximus Apollo." Die Trommel
konnten wir nicht emführen, die Melodie kennen wir nicht, wo! aber den
Miscelleu. ' 768
Rhythmus. „Hätte uns übrigens der alte Schubueister von Aphidnä exer-
cieren sehen, er hätte sich sicher darüber gefreut.**
Nach der Bemerkung, er habe rtic&ichtlich der ausgebetenen Zeit
(„6 bis 7 Minuten") Wort gehalten, schloss er mit der Bitte an die An-
wesenden, welche diese Uebunpen einzuführen gesonnen seien, sich mit
ihren etwaigen Wünschen an sie zu wenden, welche diese üebungen in's
Leben gerufen hätten; sie seien gerne bereit ihre Erfahrungen mitzutheilcn.
3. SUzufig. 29. September.
Anfang um 9 Uhr.
Tagesordnung :
1. Vortrag des Director Dr. Peter „Ueber den obligatorischen Un-
terricht der alten Geschichte in Prima."
2. Thesen von Prof. Dr. Piper betreflfend „Die Einführung der
monumentalen, insbesondere der chnstlich - monumentalen Studien in den
Gymnasialunterricht."
Nachdem der Vorsitzende, Prof. v. Langsdorff bedauert, dass die
Zeit allzu beschränkt sei, da bereits um 10'/, Uhr wegen der allgemeinen
Sitzung die Verhandlungen geschlossen werden müssten, begann
Dir. Peter mit der Erklärung, dass er nicht, wie es in der Thesis
heifse, einen Vortrag halten, sondern nur Bemerkungen machen wolle. Die
alte Geschichte solle ein Hauptgegenstand des Geschichtsunterrichtes in
Prima sein. Um Misdeutungen vorzubeugen fühle er sich veranlasst, vor
allem anzukündigen, dass es nicht seine Absicht sei, die deutsche Geschichte
herabzusetzen oder zu verlangen, dass nur alte Geschichte in Prima ge-
lehrt werden solle; nein, sie solle nur nicht ausgeschlossen sein. Gestern
sei gegen ihn mehrfach die AeuJfserung gethan worden , dass diese These
wenig Widerspruch finden werde, doch halte er dagegen die Erfahrung,
dass an mehreren Gymnasien gerade die alte Geschiente in Prima nicht
behandelt würde. Nach seiner Ueberzeugung nun komme hierbei nicht gröfse-
res oder geringeres Ma& des Stoffes oder Gleichmäfsigkeit der Behandlung
in Betracht, sondern es solle vor allem die Liebe zum Gegenstande ge-
nährt und das historische Urtheil geschärft werden. Die Ausbildung des
historischen Sinnes ist aber nur in Prima möglich und nur an der alten
Geschichte zu erreichen, denn erstens kann der Unterricht stets in Bezug
zu den Quellen gesetzt werden, was auf die historische Wärme sehr nach-
haltig einwirkt. Hat es für die Schüler schon groften Werth zu wissen,
dies ist von Herodot, dies von Sallust behandelt, so ist es noch weit wich-
tiger, dass man ihnen Stellen tiefem Inhaltes mittheilt. Sie können auch
zum Unterricht Stellen aus Autoren (z. B. Herodot, Sallust) lesen. Erst
durch das Studium der Quellen schlägt die Wissenschaft tiefere Wurzeln,
um reichere Nsdirung daraus zu ziehen. Zweitens ist nur die alte Geschichte
in allen Beziehungen so einfach, dass der Schüler sie gründlich erkennen
kann. Die wirkenden Kräfte treten, wo alles schon zum vollständigen Ab-
schlüsse gelangt ist, deutlich hervor; selbst die Schlachtenbesclireibungen
sind so klar, wie dies in der neueren Geschichte, wenigstens seit l?a-
poleon I., nicht der Fall ist.
Ueberzeugt, dass das Gymnasium bis jetzt die Schüler mit histori-
schem Interesse und tieferem Eindringen nicht in dem Mafse ausgerüstet
habe, als es möglich sei, bittet der Redner, dass die Versammlung über
seineu Rathschlag ihre Ansichten aussprechen möge.
Gymnasialdir. Dr. Piderit von Hanau: Im Principe halte ich es
etwas anders. Deutsche Gesinnung zu wecken ist Hauptaufgabe; unsere
Schüler sind doch noch zu weit davon entfernt , tiefer in das Studium der
Quellen eindringen zu können, da sie noch zu viel anderes zu treiben
haben; die Hauptsache muss für die Universität übrig bleiben. Man drängt
sie sonst auf einen Standpunct, der vielleicht zu hoch ist. Gerade die mittel-
alterlidie Geschichte soll aber Torzugsweise das deutsche Gefühl heben.
764 Miscellen.
Prof. Dr. Weber, Director der höheren Bürgerschule in Heidelberg:
Das ^ze erscheint mir zu fragmentarisch; wir müssen erst wissen, wo
die übrigen Theile der Geschichte gelehrt werden sollen. Sollen wir femer
blol^ die Methode des Studiums, £e Erwerbung des historischen Sinnes
in's Auge fassen? Nein, wir sollen auch vom modernen Staatsleben Kennt-
nis erzielen. Aus der blol^en alten Geschichte wird der jxxTige Mann die
Gegenwart nicht verstehen. Wie soll nun die deutsche una neuere Ge-
schichte behandelt werden? Ich meine, man solle sie gerade im Obergjm-
nasiuni betreiben.
Dir. Peter: Zur Vermeidung von Abwegen die Bemerkung: Mein
Vortrag soll kein Präjudiz gegen den übrigen Geschichtsunterricht ent-
halten. Den Vorschlag des Herrn Dir. Piderit habe ich vor einem Viertel-
Jahrhundert drucken lassen. Sonach bin ich auch mit Dir. Weber im gansten
einverstanden. Der Geschichtsunterricht soll eben so wenig als ein anderer
Zweig am Gymnasium abgeschlossen werden. Mein Ziel jedoch glaube ich
am besten durch die alte Geschichte zu erreichen. Mit beiden Gegnern bin
ich sonach einverstanden.
Gym.-Dir. Dr. Beneke aus Elbing: Trotz wiederholter Gegenvor-
schläge seit 25 Jahren, seit wann unser Lectionsplan besteht, bin ich von
demselben nicht abzubringen gewesen. Die geschichtliche Darstellung ist
darnach in den beiden untern Classen biographisch. Die Knaben eignen sich
so an einzelnen Individuen den Sto£f im ganzen und grofsen an. In Quarta —
Präsident.: Zu weit! —
Bedner fortfahrend: Die griechische Geschichte ist fUr die Quarta,
die römische in der Tertia vorzunehmen. Für die beiden oberen Classen
muss die Geschichte fortgehen, doch sind die schwierigem Puncte auf der
höchsten Stufe zu behandeln.
Dir. Peter: Ihre Einwendung trifft mich nicht. Griechische und
römische Geschichte soll nicht in den obem Classen allein, sie soll schon
unten vorgetragen und nicht auf die obem Classen beschränkt werden.
Dir. Weber: Ich wiederhole es: Gerade die neuere Geschichte ist
in den obem Classen zu behandeln. Es ist naturgemäfs. Es werde mit
der alten Geschichte, die so einfach ist, begonnen, aber oben gerade die
neue ausführlich behandelt, damit die Schüler audi etwas für das Leben
mitbringen. Die alte Geschichte ist für die Methodik sehr gut; doch Me-
thodik allein reicht nicht aus; das Nationalgefühl wird sonst zu sehr
abgestumpft.
Präsident: Zwei Ansichten stehen sich mehr oder minder schroff
gegenüber, die der Gymnasien und die der Realschulen.
Prof. Rehdantz aus Magdeburg fragt, wie es bei diesem Vorschlage
mit dem Vortrage zu halten sei. Soll die Geschichte disputando oder repe-
tendo durchgenommen werden?
Dir. Piderit: Das Wort „Methodik" könne leicht misverstanden wer-
den. Er halte es für übel, dass schon die Schüler in die Politik einge-
führt würden; politisches Räsonnement tauge nicht f^ sie.
Gymnas. -Dir. Jäger aus Köln: Wie denkt sich Herr Dir. Peter
die Sache: der Unterricht in der neuem Geschichte soll nicht ausgeschlossen
sein? Wie gestaltet sich dann das Zeitverhältnis; wie viel Stunden sollen
auf die alte, wie viel auf die neuere verwandt werden?
Dir. Peter: In den untersten Classen soll der Unterricht biogra-
phisch, in den Tertien und Secundcn ethnographisch, die griechische,
römische , mittlere und neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung
der deutschen umfassend, in Prima soll die ganze Geschichte vom welt-
historischen Standpuncte nicht repetiert, sondern im höheren Sinne unter
Voraussetzung des Unterrichtes auf den untern Stufen behandelt werden.
Der Ansicht des Herrn Dir. Weber gegenüber bemerke er noch, dass wir
auf den Gymnasien unsern Lehrpkn nicht nach den Bedürfnissen derer
modulieren könnten, die das Gymnasium nicht absolvieren wollten.
Dir. Jäger: Es sei die Aeui^mng gethan worden, man solle die
Schüler nicht zu früh in das politische Leben der Gegenwart einführen;
Miscellen. 766
er dagegen sei der Ansicht, dass die Schüler an der Hand der Schule
durch einen verständigen Lehrer in die bewegte Zeit eingeföhrt werden
sollten, nicht jedoch durch Räsonnement, sondern durch Schilderung der
Gegenwart. Dies sei besser als sie Parteischriften lesen oder von einer
religiösen Partei bearbeiten zu lassen.
Dir. Piderit: Damit bin ich vollkommen einverstanden.
Prof. Schäfer aus Bonn: Ich hatte Jahre lang den ganzen Ge-
schichtsunterricht in den Händen und hielt es immer für nothwcndig, mit
der neuern Geschichte abzuschlieXsen. Wer in's Feuer soll , muss wissen,
wo er zu stehen hat. Die Stunden aber, die der alten Geschichte gewidmet
wurden, waren mir deshalb sehr lieb, weil ich dadurch die Schüler zur
Wissenschaft hinleiten konnte, üebrigens gentigen wenige Stunden, da die
Repetition auf das frühere basiert werden kann. Ich möchte die Schüler gern
patriotisch ausrüsten und glaube diese Wirkung nicht erzielen zu können,
wenn nicht in Prima mit der neuem Gesehidlw abgeschlossen wird.
Dir. Weber: Der geehrte Vorredner habe alles am besten zusam-
mengefasst. Auf die Bemerkung des Herrn Dir. Peter, wonach er als Ver-
treter der Realschule dastehe, erwidere er, dass er in seinem Geschichtswerke
nicht als Lehrer der Geschichte an einer Realschule aufgetreten sei. —
üebrigens sei die Geschichte zweimal zu behandeln: zuerst etwas unvoll-
ständig und ohne pragmatische Darstellung; dann aber im Ober-Gymnasium
pragmfttisch. Gegen die Ansicht, als ob politische Beziehungen eingewebt
oder die Lebensanschauungen der Schüler dadurch bestimmt werden sollten,
verwahre er sich.
Gymnas.-Dir. Tycho Mommson aus Frankfurt: Lehrer und Schüler
bleiben nicht ganz unberührt von den politischen Bestrebungen: ein ge-
wisser politischer Kern muss unwillkürlich im Unterrichte sein. Mir ist
aber der Geschichtsunterricht in Prima nicht Abschluss; Hauptsache ist,
dass der Schüler zur Wissenschaft hingeleitet werde; mit welchen Mitteln,
durch Vertiefung in welches Fach ^es geschieht, scheint gleichgiltig.
Dir. Peter: Lebhaft bedaure ich das bei Herrn Dir. Weber ent-
standene Misverständnis; ich habe nicht daran gedacht, ob Sie Gymnasial-
oder Realdirector sind; beide sind mir gleich werth. — Auf die Bemer-
kungen des Vorredners erwidert er: Selbstverständlich solle mit dem Ge-
schichtsunterricht auf Gymnasien kein Abschluss erfolgen; weder der Ju-
rist noch der Philosoph solle die Sache später bei Seite setzen. Rücksicht-
lich der Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Ansichten in gewisser
Hinsicht freue er sich, doch sei es ihm nicht gleichgiltig , ob der politi-
sche Sinn unausgebildet bleibe. Wird dieser übrigens nicht auch durcli
die griech. und röm. Geschichte entwickelt? Doch soll ja die neuere nicht
ausgeschlossen sein ; ja, es wäre wünschenswerth, dass sie recht weit , bis
auf die neueste Zeit herabgeführt werde. Den Bemerkungen dos Herrn
Prof. Schäfer halte er gegenüber, dass er auch 30 Jahre lang Geschichte
vorgetragen habe.
Präsident: Wir müssen abbrechen; an einem andern Platze wer-
den wir uns vielleicht einigen.
Rufe: Abstimmung!
Gjmnas.-Dir. Dr. Ähren s aus Hannover: Man möge die Entschei-
dung offen lassen; die Majorität sei bei diesen Versammlungen immer eine
sehr wechselnde; es könne daher leicht kommen, dass ein früherer Be-
schluss durch einen spätem wieder aufgehoben werde. Deshalb sei man
seit einem Decennium gewohnt, so wichtige Fragen nur zu discutieren, nicht
aber darüber abzustimmen.
Die Anfrage des Präsidenten, ob vielleicht, da eine definitive
Entscheidung nicht gelegen sei, eine vorläufige eintreten solle, findet keine
ünterstüzung.
Schluss der Debatte.
ZciUohi :ft f. d. Ötterr. Gymn. iBßi. X. Ben. 52
966 MisceÜeiL
Nach der bereits oben wieder gegebeneu Ansprache des Prof. Dr.
Köchly wurde zur zweiton Frage der Tagesordnung übergegangen, nämlich
zur Verhandlung über die hier im Abdrucke folgenden
Thesen von Prof. Piper,
betr. die Einfahrung der monumentalen, insbesondere der christlich-monu-
mentiäen Studien in den Gymnasialunterricht.
(Siehe den Vortrag in der Verhandl. der XXm. Philologen- Versammlung.)
1. Die Aufnahme dieser Studien in den Gymnasialunterricht wird
erfordert als Voraussetzung für den Unterricht auf der Universität in
dem ganzen Kunstgebiet, insbesondere in der classischen wie in der christ-
lichen Kunstarchaöologie.
2. Sie ist nothwendig für den Zweck der Gvmnasialbildung selbst:
erstens nach der formalen Seite, um gegenüber der Ausbildung des Ver-
standes das Anschauungsvermögen zu entwickeln und den Sinn für die
Sprache der Kunst zu üben.
3. Sodann dem Inhalte nach, um durch die Vorbilder aus der Blü-
thezeit der classischen wie der christlichen Kunst auf die Bildung des
Charakters in der ethischen und religiösen Richtung zu wirken.
4. Drittens um mit der allgemeinen Bildung und deren Ansprüchen
die Leistungen der Schule in Einklang zu setzen.
5. Nach dem Mafs dieser Leistungen , das von der Schule zu fordern
ist, bildet der Unterschied in der Begabung der Schüler kein Hindernis
der allgemeinen Einführung.
Die Werke der Kunst sind geeignet auf allen Stufen des Unterrichts
als Bildungsmittel zu dienen.
6. Das Studium der Kunst auf Gvmnasien erfordert nicht die Ein-
räumung besonderer Lehrstunden, sondern die Berücksichtigung in den
verwandten Disciplinen. Es stellt sich dar nicht als Belastung mit neuem
Stoff, sondern als Ergänzung und Erleichterung der Methode.
7. Der Ort dafür ist : erstens die Lesung der Schriftsteller, vornehm-
lich der alten Dichter (Homer, Virgil, die Tragiker) : und hier dient es so-
wol für das Verständnis ihrer selbst, nach der Wechselwirkung, in welcher
die Literatur mit den Kunstdenkmälern gestanden ; als mit ihnen für die
Erkenntnis des ganzen Alterthums, für welches beiderlei Quellen gleiche
Berechtigung haben.
Demnächst die Lesung der deutschen Classiker, zumal Lessins^s
und Göthc'ä, nach der Einwirkung, welche sie tbcils auf das Studium der
Kunstwerke geübt, theils selbst daher empfangen haben.
8. Der Ort dafür ist zweitens der Geschichtsunterricht.
9. Drittens der Religionsunterricht, vor allem in seinen geschicht-
lichen Theilen: sowol der biblischen als der Kirchengeschichte.
Auch die Einführung in die Glaubenslehre wird gefordert durch
Benützung der christlichen Kunstwerke.
10. Den meisten Gymnasien felilen die noth wendigen Lehrmittel
für das Studium der classischen und noch mehr der chnstlichen Kunst.
Die Benutzung fremder Sammlungen ist eine Aushilfe, welche den
eigenen Besitz einer planmäfsigen Sammlung von Nachbildungen nicht er-
setzen kann.
Aber der letztere macht die Führung oder Excursion zu einzelnen
grossen Originalwerken der Kunst nicht überflüssig.
11. Die Anlegung von Kunstsammlungen sowol classischen als christ-
lichen bei den G}Tnnasien ist , analog dem Besitz von Bibliotheken , ein
unabweisliches Bedürfnis des Unterrichts, dessen Erfüllung nicht gehindert
werden darf.
Gegenüber der Ausstattung, welche besonders für naturwissenschaft-
liche Zwecke gewährt wird, ist es eine Fordorung der Gerechtigkeit, dass
in der V^erwendung der Einkünfte die kunstwissenschaftlichen Zwecke nicht
versäumt werden.
Miscellen. 767
12. Es erscheint vor allem als Aufo^be der Schale, mit den erfor-
derlichen Lehrkräften, wo sie fehlen, sich zu versehen.
Prof. Dr. Piper: Die Verhandlung „üeber die Einführung der mo-
numentalen, besonders der christlich-monumentalen Studien" in den Gjm-
nasialunterricht wurde bereits in Hannover *) begonnen , aber auf Antrag
des Herrn Prof. Dr. Stark aus Heidelberg die Fortsetzung hierher verlegt.
Der Redner erörtert darauf die drei Gesichtspuncte, die hierbei in's Auge
zu fassen seien, nämlich: 1. die Nothwendigkeit, 2. der Ort im Lehrplan,
3. die Ausfuhr ung; und Ausführbarkeit, in folgender Weise.
Die zehnjänrige Leitung eines archsologischen Seminars weist mich
darauf hin, dass der Beginn dieser Studien auf der Universität zu s^t
ist, eine Anleitung soll und muss schon auf dem Gvmnasium gegeben sein.
Zu grofser Freude gereichte mir in dieser Hinsicht die gestern über die
Einmhrung der griech.-makedonischen Elementartaktik statt gehabte De-
batte. Wie der Schüler in die Welt des griechischen und römischen
Geistes eingeführt wird, so soll er auch hier zu einem tiefem Verständnis
der Kunst angeleitet werden. Zwar ist selbst von Autoritäten die Ein-
wendung gemacht worden, die Jugend sei nicht durchaus dazu geeignet,
es Heise sich dies Studium nicht jedem octrojieren; doch im ganzen ist
die Jugend dazu befähig und der Gegenstand für Sprache, Geschichte
und Religion sehr wichtig. Keine Stufe auf dem Gvmnasium ist zu früh
um darauf hingewiesen zu werden, aber immer noch soU eine höhere Auf-
gabe übrig bleiben.
Was den Ort anbetrifft, wo der Gegenstand zu behandeln ist, so
fordern erstens vor allem die alten Dichter fortwährend den Hinweis auf
die Kunst, da sie — der Redner verweist auf Prof. Stark in der Niobe —
entweder daraus geschöpft oder auf ihre Entwicklung eingewirkt haben.
Zweitens muss der Gegenstand ganz besonders in der Geschichte seine
Stelle finden und drittens im Religionsunterrichte. Während es sich im
Alterthume um Anschauung handelt, gilt es hier Ueberzeugungen zu pflan-
zen, auf die sich leben und sterben lässt. Die ganze biblische Geschichte
liegt in monumentalen Denkmalen entwickelt vor uns : durch Begeisterung
wird Begeisterung geweckt. Darum ist das Studium so wichtig; die älteste
Kunst ist aber an solchen Darstellungen gerade sehr reich. S> findet sich
z. B. auf Sarkophagen Moses, wie er die Schuhe am Berge Horeb auszieht.
Die Schuhe sind nämlich ein BUd der Sterblichkeit, daher die weite Ver-
breitung dieser Idee auf Grabdenkmälern. Sehr häute sehen wir femer das
Kind Jesu in der Krippe liegend, von Ochs und Esel umgeben, was deich-
falls eine tiefere symbolische Bedeutung hat. Es ist dies ein Bild der
menschlichen Undankbarkeit; denn es heiTst: „der Ochs und Esel kennt
seinen Herrn.** Maria und Joseph sind aber auf diesen ältesten Denkmalen
nicht, weil der Mariencult erst im fünften Jahrhundert aufgekommen ist.
Was endlich die Ausführung und Ausführbarkeit des Unterrichtes
betrifft, so scheint die Nothwendigkeit der Lehrmittel durch die Sache
selbst geboten. Goethe sagt in seiner Italien. Reise: „Die Kunst ist da, da-
mit man sie sehe, nicht, damit man davon schwätze.** Es müssen Exem-
Slare von Abbildungen da sein. Wenn für Naturwissenschaften enorme
[ittel vorhanden sind, so werden sie auch hier zu beschaffen sein, so-
bald die Nothwendigkeit dieses Unterrichtes anerkannt ist Vor dreißig
Jahren waren am Gymnasium keine Abbildungen; ich selbst trage den
Schaden davon.
Präsident eröffnet die Debatte mit der Erklärang, er wolle zwei
Fragen, eine allgemeine und eine besondere, an die Versammlung richten:
Ist es gut diese Studien 1. überhaupt in den Unterricht und 2. insbeson-
dere in den Lycealunterricht aufzunehmen?
Oberstudienrath Dr. Hafsler aus Ulm: Es ist nicht meine Ab«
sieht, mich über den ganzen Inhalt der Thesen zu verbreiten oder den
Consequenzen entgegenzutreten, sondern nur sie zu empfehlen. Ich habe
') Vgl. Jahrgang 1864 dieser Zeitschrift Heft X, S. 786 ff.
52*
196 Uiscellcii:
im speciellen Vaterlande, dem ich angehöre, die Kirchen zu besuchen und
Fragen auch über Kunstgegenständc an die Geistlichkeit beider Confes-
sionen zu stellen. Sie gehören zur Kategorie derer, die Luther ^einßlltige
Geistliche" nennt. Damit mache er ihnen keinen Vorwurf hätten sie doch
keine Gelegenheit gehabt. Nachdem er noch auf eine Berliner Scene hin-
gewiesen hatte, indem ein Collegium von Conservatoren aus 17 Individuen
zusammengewürfelt gewesen sei, von denen der eine Mediciner, der zweite,
nachdem er schon in anderen Lebensrichtungen widerholt Schiffbruch gelit-
ten, zuletzt als Diplomat verunglückt sei, der dritte dem Juristenstande
angehört habe, u. s. w., kurz, von denen jeder in allem anderen weit eher
als auf dem Kunstgebiete bewandert gewesen sei, schloss er mit den Worten:
„Drehen Sie es recht, dann wird es recht gehen.**
Prof. Dr. Stark aus Heidelberg: Seit Jahren befasse ich mich mit
Studien über Kunst und bereits im sturmbewegten Jahre 48 schrieb ich,
23 Jahre alt, ein kleines Werkchen: ^Kunst und Schule**, worin ich auf
die Nothwendigkeit der Betreibung dieser Studien in Gymnasien hinwies.
Ich freue mich deshalb um so mehr darüber, solche Ansicht aus dem Munde
eines protestantischen Theologen zu hören, als ich unter den Theologen
wenig Empfänglichkeit für dies Gebiet gefunden habe. Rücksichtlich der
These bitte ich, die Versammlung möge die Einführung der monumentalen,
insbesondere der christlich-monumentalen Studien in den Gymnasialunter-
richt als durchaus zu forderndes Ziel hinstellen. Es ist ein Widerspruch,
wenn diese Richtung der höheren Bildung auf Gvnmasien, wo man alles
andere treibt, vernachlässigt bleibt. Man möge sich verständigen, dass, wie
die classischen Studien den Mittelpunct des GymnasialuntSrrichtes aus-
machen, so die archaeologischen , die damit im engsten Zusammenbange
stehen , angeregt werden , ohne dass man das andere darüber bei Seite
setze. Die alte Kunst ist für das Verständnis der Kunst überhaupt die
Grammatik ; die mittelalterliche Kunst und Allegorie können wir ohne sie
nicht verstehen. Es muss sonach das Classisch-Antike und Mittelalterliche
verbunden auftreten.
Die Versammlung möge also die Durchführung der These für eine
den Gymnasialunterricht sehr fördernde Aufgabe erklären.
Es müssen aber vor allem Musterbilder vorhanden sein. Da nicht
SBsthetisiert, nicht antiauarisch-trockene Gelehrsamkeit aufgetischt werden
soll, so möge nur ein Minimum von Apparaten benützt werden, auf welche
die Schüler, besonders in Freistunden, vom Lehrer hinzuweisen wären.
Freilich muss solch ein Hinweis mit einem gewissen Können und Verstehen
in Einklang gebracht werden. Doch hierüber lassen sich keine speciellen
Regeln geben; der richtige, klare Sinn muss leiten.
Präsident: Da die Zeit bereits verstrichen sei, finde er sich ver-
anlasst, für heute die Debatte zu schlief sen, deren Fortsetzung morgen
folgen möge. — Sein Vorschlag, die nächste Sitzung um 8 Uhr beginnen zu
lassen, konnte wegen bereits erfolgten Weggangs einer grossen Anzahl von
Mitgüedem nicht zur Abstimmung gebracnt werden.
Schluss der Sitzung.
4. Sitzvmg, 30. September,
Anfang um 9 Uhr.
Tagesordnung:
1. „üeber die Sommerferien der Gymnasien" von Rector Prof. Eck-
stein aus Leipzig.
2. Fortsetzung der Verhandlung „über die Thesen, betreffend die
Einführung der monumentalen, insbesondere der christlich -monumentalen
Studien in den Gymnasialunterricht** von Prof. Piper aus Berlin.
3. Verlesung der Protokolle. — Schlussworte des Vorsitzenden.
Der Präsident lässt, da Rector Prof Eckstein noch nicht anwe-
send sei, mit Nr. 2 der Tagesordnung, der Fortsetzung der gestrigen
Debatte beginnen.
Miscellen. 709
Prof. Stoy aus Jena: Lassen Sie mich vor allem bekennen, dass
ich mit der Hauptsache vollkommen einverstanden bin; ich will deshalb
zunächst nur Ergänzungen geben, und zwar zuerst zu §. 6 — 9 auf die
hochwichtige Frage antworten : Welche Stellung soll dies Studium zu den
andern Fächern einnehmen ? Die Zahl der Lehrstunden darf nicht vermehrt
werden, da die freie Zeit für den Schüler ohnehin beschränkt ist. Der
Zeichenunterricht ist nicht allgemein obligatorisch, obwol er sehr besucht
wird. Nachbildungen und Analysen von Kunstwerken sind hier sehr prak-
tisch. Darüber gibt das Werk von Prof. Stark „Kunst und Schule", das
der Verfasser bereits selbst erwähnt hat, Anhaltspuncte.
Auch das Herstellen der Lehrmittel ist sehr wichtig. Für die An-
stalten, denen solche Sammlungen abgehen, müssen sie beschafft werden.
»Wenn man will, wird's gehen**, ist gesagt worden; doch der Wille allein
reicht nicht aus, die That muss ihm zur Seite stehen. Würde man, wie
es einst bei physikalischen Apparaten geschehen sei, kostbare Hilfsmittel
anschaffen, so dass der Schüler nur am äuTserlichen hängt, so wäre dies
ein grofser Fehler: nur das einfachste ist zu wählen. Ein Austausch über
die Mittel ^ ist wegen der Kürze der Zeit nicht mehr möglich. Die
Herren, welche sich darum interessieren, mögen sich über die Bestrebungen
und Erfolge mit Herrn Prof. Piper in's Einvernehmen setzen.
Gymn.-Dir. Piderit: Bereits in der jüngst zu Frankfurt stattge-
fnndenen Versammlung mittelrheinischer Gymnasiallehrer wurde eben dieser
Gegenstand von dem hier anwesenden Prof. von d. Launitz, der den Vor-
trag über die Toga und Palla gehalten, behandelt. Er war der Ansicht,
dass man durch die Schüler vieles könnte beschaffen lassen. Prof. Launitz
könnte, schUefst der Redner, der ebenfalls nur das „wesentlichste** der
Hilfsmittel betont, uns wol Andeutungen geben.
Gymn.-Dir. Mommsen: Ich würde dasselbe wie Prof. Stoy sagen,
nur statt der Ergänzungen eine Beschränkung vorschlagen. Bei den mittel-
rheinischen Versammlungen hat man sich dahin geeinigt, dass das Zeichnen
dazu verwandt werden solle , dass man aber in andere Fächer, wie die In-
terpretation der Schriftsteller, dies Gebiet nicht hineintrage. Die ganze
Frage greift indessen in die Methode des Unterrichts ungemein tief ein.
Hat der Lehrer keine Kenntnis von der Kunst, so ist es schwer künstle-
rische Anschauungen wach zu rufen. Ich war in Italien ; bloft durch Bücher
ohne eigne Anscfiiuung die Werke der Kunst kennen zu lernen, ist kaum
erreichbar. Gleichzeitig müssen wir uns vor dem „Zuviel** hüten. Der von
dem Herrn aus Schwaben gegen Geistliche gemachte Vorwurf trifft nicht
die Schule. Im übrigen bescbränke ich mich auf das bei der mittelrhei-
nischen Verhandlung erwähnte.
Dir. Dr. Brennecke aus Posen nennt eine k. Anstalt, die Gyps-
abdrücke liefere.
Präsident: Für Beschrankung der ünterrichtsgegenstände bin ich
überhaupt, doch möchte ich die monumentalen Studien nicht blofs in den
Zeichenunterricht verweisen, sondern auch auf die Leetüre ausgedehnt wis-
sen. So könnte man femer im Mittelalter auf die Hauptarten der Stile
eingehen; denn es ist sehr zu beklagen, wenn im Lehrbuche „vom gothischen
Stile** u. 8. w. steht, ohne dass etwas genaues darüber gesagt wird. Man
gebe Bilder, nicht blofs die Namen. „Kunststudien** ist ftir Lehranstalten
ein unrichtiger Ausdruck, da eigentlioie Studien auf der Schule nicht ge-
trieben werden können. Sehr wichtig ist es, wenn der Lehrer zeichnen kann ;
Bilder gibt es überall; auch die Photographie kann für diesen Zweck sehr
*) Wir bedauern dies um so mehr, als in Hannover dieser wichtige
Theil gar keine und hier nur eine oberflächliche Erörterung fand.
Vgl. Jahrg. 1864 dieser Ztschr. Heft X, S. 794. [Zu theilweiser Er-
gänzung aes hier vermissten geben wir auf S. 751 ff. den Inhalt
der hier erwähnten VerhMidlung der mittelrheinischen Gymnasial-
lehrer. Anm. d. Bed.]
770 Miscellen.
ausgebeutet werden. Damit kann man aber den Schüler fast überall hin-
führen.
Prof. Piper: Ich danke den Herren für die Ergänzungen und Zu-
stimmungen, ^nz besonders aber dem Herrn Präsidenten. Was die Be-
schränkung dieses Gebietes auf den Zeichenunterricht betrifft, so kann
dieser doch nur ausnahmsweise dazu dienen. Vom Zeichenlehrer kann man
nicht archaeologische Kenntnis verlangen und dem Archieologen nicht Fer-
tigkeit im Zeichnen zumuthen. Auch sind die Archseolog'^n nicht immer
Kritiker.
Prof. Spengel lehnt unter Berufung auf die Hannoverischen Ver-
handlungen ^) die Einfühmng dieses Studiums in der geforderten Weise ab.
Prof. Piper: Es soll nicht fremdes eingeführt werden, es soll nicht
abstract bleiben. Die Alten sahen fortwährend ihre Heroenbilder; unserer
Jugend müssen wir zum Ersätze dieser Anschauungen Bilder vorföhren.
An Lehrern mag es fehlen, doch sind sie zu beschaffen, wenn man ihr
Vorhandensein fordert. Die Ausgaben von Lehrmitteln sollen nur das noth-
wendigste enthalten; Abgüsse gibt es in reichlicher Menge. Nachdem
der Redner noch auf seinen Aursatz: „Ueber die Anlage christlicher Mu-
seen", abgedruckt im Berliner Museum, verwiesen und Prof. Stoy sowie
jedem der Anwesenden, der zur Durchführung behilflich ist, seinen Dank
ausgesprochen hat, schliefst er mit dem Bemerken: Ich habe im vorigen
Jahre zu meiner Orientierung sechs Wochen lan^ eine Reise durch die
Gymnasien gemacht und mich überzeugt, dass einige Anstalten etwas lei-
sten, ein solcher Unterricht ist aber nirgends eingeführt, wie auf der
Versammlung zu Hannover behauptet wurde*).
Präsident beklagt es, dass keine Zeit mehr sei, um über einiges
andere, was der Erörterung noch bedürfte, und besonders über das christ-
lich-monumentale weiter zu verhandeln, und stellt, da niemand mehr um
das Wort bittet, folgende Frage:
„Hält es die Versammlung für zweckmäfsig, dass auf das monumen-
tale Studium in den Unterrichtsstunden der höhern Lehranstalten Rück-
sicht genommen wird?**
Majorität.
Präsident: Ich trage dann den Wunsch des Herrn Prof Stey der
Versammlung vor, dass die Herren dem Antragesteller ihre Erfahrungen
mittheilen wollen und schliefse hiemit diese Verhandlungen.
Prof. Köchly tritt auf und bittet die Versammlung um Ernennung
eines Referenten zur Abfassung eines Berichtes, der jedoch die Zeitdauer
von etwa fünf Minuten nicht überschreite, über die Verhandlungen dieser
Section, da eine solche Vorlage der allgemeinen Sitzung sehr erwünscht sein
würde. Die Versammlung giot zu dem Antrage ihre Zustimmung und der
Präsident übernimmt auf deren Wunsch die Abfassung des Berichtes.
Recter Eckstein, hierauf aufgefordert, den von ihm in Aussicht
gestellten Vortrag ^über die Sommer&rien an Gymnasien** zu halten, be-
schränkt sich, da die vorgerückte Zeit eine wirkliche Erörterung des Gegen-
standes nicht gestattet, auf folgende Bemerkungen: Bei der jetzigen Ver-
theilun^ der Ferien entetehen im Unterrichtsjahre drei Lücken: zu Ostern,
neben den Pfingsttagen noch im Hochsommer und im Herbste. Diese
Frage habe für die südlichen CoUegen, die sich ja längerer Herbstferien
erfreuten, wenig Bedeutung. Darum habe er auch die These für die dies-
jährige Verhandlung weniger nässend gehalten; er wolle deshalb lieber
den Vorschlag machen, für näcnstes Jau viele hier einschlagende Thesen
festzusetzen, z. B.:
*) Vgl. Jahrg. 1864 dieser Zeitschr., Heft X, S. 794 die Worte des
Dir. Dr. 0. Frick aus Burg.
*) S. die vor. Note.
Miscellen. 771
Die Ferien sind für den Lehrer, der «chiiler bedarf keine ; man soll
sio für ihn möglichst weni^ störend machen.
Wann sollen die Fenen sein?
Im Herbste sind eben nur vier Wochen zu setzen aus Rücksicht auf
die Schüler, besonders auf die kleinem, damit ihre Arbeit nicht allzulange
unterbrochen werde.
Er verlange, um gar nicht darauf hinzuweisen, wie höchst unan-
fßnehm die diesjährigen Hundstage gewesen seien, für den Herbst längere
erien.
Aus den angeführten Gründen wünsche er keine Discussion.
Prof. Köchly: Ich will keine Discussion, aber auf eines möchte
ich hinweisen. Trotz der überaus zahlreichen Betheiligung an der Ver-
sammlung sind nur weni^ Collegen aus dem Norden gekommen, nur weil
sie, wie mir vielfach versichert wurde, jetzt keine Ferien haben. Daher ist
schon wiederholt der Wunsch ausgesprochen worden, ob die im Statute
für die Philologenversammlung enthaltene Bestimmung über die Abhal-
tung derselben in den letzten Tagen des Sentember nicht zu modificieren sei.
Rector Eckstein: Das ist mir aus der Seele gesprochen. Diese Frage
muss auf der nächsten Versammlung gelöst werden, da nach fünfnnd-
zwanzigjährigem Bestehen ein neues Statut entworfen werden soll.
Prof. Kehdantz: Dem Wunsche des Antra^tellers rücksichtlich
der Ferien kann Rechnung getragen werden, wenn wir vom Cardinalpuncte
anfangen, nämlich von der Frage, ob Schuljahr oder Seme^tercurse ? Im
erstem Falle ist die Möglichkeit vorhanden, im zweiten nicht.
Präsident: Soll der Antrag also weiter discutiert oder verschoben
werden ?
Die Versammlung ist für letzteres.
Präsident bedauert, dass es nicht mehr möglich sei, dem Rück-
blicke noch einige Worte zu widmen, da man schon zur allgemeinen Ver-
sammlung eilen müsse, und erklärt die Sitzung, indem er an die An-
wesenden Worte des Dankes richtet, für geschlossen. Rector Eckstein
spricht im Namen der Versammlung dem Präsidenten den Dank für die
gefallig übernommene Leitung aus.
Salzburg. Dr. Schell.
Anmerkung zu S. 766 ff. Zur Ergänzung des oben mitgetheilten
entlehnen wir dem in der Zeitschrift Eos Jhrg. IJ. Heft 2, S. 254 ff. ent-
haltenen „Berichte über die 8. Versammlung mittelrheinischer Gjrmnasial-
lehrer" dasjenige, was unmittelbar zu der hier behandelten Frage gehört.
Hierauf erhält Hr. Professor Ed. v. d. Launitz das Wort.
Nach einer kurzen Erklärung, wie der Redner als Künstler dazu gekom-
men in einer Lehrerversammlung das Wort zu ergreifen, legt er die Frage,
die er hier erörtert sehen möchte, in folgender Fassung der Erwägung der
Versammlung vor: „Ob es dem heutigen Stande der Alterthumskenntnis
und dem neu erwachten Interesse für dieselbe nicht entsprechend sein
dürfte, bei dem Unterricht der alten Geschichte, der alten Sprachen und
der antiken Poesie in den Gymnasien den Werken der antiken Kunst
eine gröfsere Aufmerksamkeit zu widmen und ihnen einen grö&eren Werth
für die geistige Ausbildung der Schüler beizulegen, als dies bisher ge-
schehen ist.** -
Der Redner stellt seinem Vorschlage sogleich die 3 Haustein Wen-
dungen entgegen, welche die muthmarslicnen Gegner desselben mit schein-
barer Berechtigung vorbringen könnten, nämlich 1) dass es nicht rathsam
sei, eine neue Disciplin, die nicht einmal der Wissenschaft, sondem der
Kunst angehöre, m den Lehrcursus des Gymnasiums aufzunehmen; 2) dass
die ohnedies knapp zugemessene Zeit der Lehrstunden allein schon einen
Ablehnungsgrund darbiete, und 3) dass für eine bei dieser Kunstlehre
nnerlässliche Kunstsammlung in den allermeisten Gymnasien die
Geldmittel fehle. — Diese Einwürfe widerlegt der Redner etwa durch
77t Miscellcn.
folgende Enigegnung : Ersteus fordere er keine neue Disciplin, keine Kunst-
lehrc, keine Kunstgescliiclite oder Kuustphilosopliio , sondern nur die Be-
nutzung der Werke der antiken bildenden Kunst, um hierdurch dem Schüler
ein möglichst treues und klares Bild des antiken Lebens und der antiken
Denkweise zu geben. Dem Einwände des Zeitverlustes begegnet er durch
die schlagende Bemerkung, dass die Anschauung das zeitersuareudste
Mittel der Erkenntnis sei, da das Verständnis hier nicht aurch lange
mündliche Erklärungen bewirkt werde, sondern durch einen momentanen
Eindruck des Gegenstandes von allen Seiten und nach den verschiedensten
Beziehungen hin. Dazu komme noch, dass die Anschauung ein unendlich
klareres, unzweifelhafteres Bild gebe, als jede Erklärung, und dass endlich
der Anblick eines Gregenstandes das am längsten im Gedächtnis haftende
Mittel der Erinnerung sei. Wenn man nun aber auch, dieses zugegeben,
die bildende Kunst als eine der rein wissenschaftlichen Tendenz eines
Gymnasiums entgegengesetzte Seite der höheren geistigen Interessen be-
trachte, so fragt der Redner, ob denn die Gymnastik des Geistes, die in
den Gymnasien denn doch getrieben wird, sich auf syntaktische Regelrich-
tiffkeit, rhetorische Formen oder dialektische Schärfe des Ausdrucks be-
scnränken solle, oder ob die classischen Autoren lediglich dazu dienen müssen,
die Regeln der Grammatik zu erlernen, die Kenntnis der antiken Versmafse
beizubringen, und nicht vielmehr dazu, der Jugend ein Bild vorzuführen
von einem höheren Leben als die Wirklichkeit es später bieten wird, von
einer idealeren Richtung des Geistes als die bloX^en Realstudien dies zu
geben vermögen und als das praktische Leben es später fordern kann.
Diese ideale Seite des antiken Lebens, fragt der Redner mit Entschieden-
heit, ist diese allein in den geschriebeneu Werken der Alten zu fin-
den und vielleicht nicht noch in augenfälligerer Weise in der antiken
bildenden Kunst, d.h. der antiken Architektur, Sculptur und Malerei V
Jedenfalls ist sie in den Werken der Nachahmung dem Schüler am
leichtesten nachzuweisen. Unlogisch wäre aber die Ablehnung des Heroin-
ziehens der Kunst in eine rein wissenschaftliche Lehranstalt wegen
der so ausgesprochenen Verschiedenheit beider Geistesrichtungen. Denn,
fragt der Redner, macht nicht die Erklärung von Kunstwerken schon von
i'eher einen Theil des Gymnasialunterrichtes aus? Und nicht gerade den
deinsten! Werden Homer, Sophokles und Hora^ nicht als Repräsentanten
der Poesie gelesen und erklärt? und steht nicht die Poesie ooenaii in der
Reihe der Künste? — Wie wolle man aber ein klares Bild von dem Geiste
eines Volkes erhalten, ohne von dessen Leben einen Begrifl' zu geben , das
doch das sichtbare Product des Geistes eines Volkes ist? Nun gebe aber
keines der existierenden Gymnasien den Schülern Gelegenheit zur Anschau-
ung von guten alten Kunstwerken, und so seien die Schüler am Ende, falls
sie bemittelt sind, auf das Theater oder den Circus mit seinen römischen
Costümen, wenn, sie unbemittelt sind, auf die Wachscabinette in den Mess-
buden angewiesen, um Darstellungen von Griechen und Römern zu sehen.
Welches Bild des Alterthums hieraus entstehen müsse, ist leicht einzusehen.
Den dritten Punct, nämlich die Kosten einer für diese Zwecke dienlichen
Sammlung, erledigt der Redner kurz durch die Bemerkung, dass nach seiner
Idee die Sammlung für's erste nur aus Zeichnungen in Wandkarten form be-
stehen solle, die nicht einmal eine groXse künstlerische Technik zu haben
brauchten, um dennoch treffliche Dienste zu leisten. Sie sollten alle von
den Schülern in ihren obligatorischen Zeichnenstunden gefertigt werden,
und dürften theils aus Contouren, theils aus leicht ausgeführten Kohlen-
zeichnungen (fixierten) bestehen, von denen der Redner einige Proben vor-
legte. Derselbe gesteht, dass die Auswahl der Stücke einige Umsicht er-
fordere, sowie auch die Herbeischaffung von Originalen für viele Gymnasien
Schwierigkeiten hätte, aber diese würden mit Leichtigkeit beseitigt durch
das Vorangehen eines oder mehrerer Gymnasien, die sich in Kunststädten
befänden und denen die Werke aus reichen Bibliotheken zu Gebot ständen.
Solche erste gefertigten Zeichnungen müssten den andern Gymnasien zum
Copieren geliehen werden, und in wenig Jahren würde sich ein jedes Gym-
Miacellen. 77S
nasium eine dienliche klein«^ Sammlung von mythologischen und Costüm-
Figuren sowie von Grund- und Aufrissen antiker Gebäude selbst beschafft
haben. Schenkungen von Privaten würden, auch wenn sie an sich gering-
fügig wären, fiir die genannten Zwecke immer schätzbaren Zuwachs geben.
— Redner selbst erbietet sich mit Kath und Er&hrung jeden Anfang zu
unterstützen.
Director Piderit spricht sich darauf für die einfache Erweiterung
der iii den Gymnasien schon vorhandenen Hilfsmittel iius.
Prof. Köchly wünscht eine ausgedehntere Berücksichtigung der
bildenden Kunst im Gymnasialunterricht, soweit sie nach dem Princip und
der Strenge der Gymnasial-Studien ermöglicht wird, namentlich zum Zweck
des gründlicheren Verständnisses der Autoren, das nur zu oft über der
spracnlichen Seite vernachlässigt werde. Nur was bei der Lectüro vorkomme,
sei zu berücksichtigen und dazu ein profser Apparat nicht erforderlich.
Der Lehrer soll wo möglich an der Taiel die Dingo in wenigen Strichen
darstellen, z. B. das homerische Schwert, den Helm, die antike Tracht.
Obcrstudienrath Wagner spricht über die Mittel zu jenem Zweck;
er hält die von Herrn v. d. Launitz vorgeschlagenen Schülerzeichnungeu
für nicht ausreichend; die Kosten für vermehrte Anschaffung von Muster-
vorlagen seien nicht so bedeutend.
In gleichem Sinne Director Piderit und Director Voemel.
Prof. Stark betont namentlich die Erweckung des Sinnes für das
acht künstlerbche im Gymnasium durch Anschauung. Der Zeichnenunter-
richt solle gewissenuarsen idealer aufgefasst werden, indem man vom Zeich-
nenlehrer verlange, dass er von den antiken Dingen, die or zeichnen lasse,
selber genaue Kenntnis habe und den Schülern Auskunft darüber geben
könne; so könne bei den Schülern der künstlerische Sinn in beschränktem
Umfang, aber in gründlicher Weise gefördert werden.
Prof. Köchly will unterscheiden zwischen allgemeinen Vorschriften
für alle Gynmasien und solchen Vorschriften, die der Individualität der
Lehrer zu überlassen sind. Die Forderungen, welche Prof. Stark an den
Zeiehnenlehrer richte, könne man doch nicht allgemein aufstellen. Nur das
Allernothwendigste für das Verständnis der Autoren sei beizubringen; alle
allgemeinen Knnstrcgeln dagegen fernzuhalten, insoweit sie nicht vermöge
einer richtigen Bchandlungs weise der Sache von Seite des die Autoren er-
klärenden Lehrers dem Schüler von selbst in die Augen springen. Uebri-
gens komme namentlich auf die Selbstthätigkeit gerade des letzteren, auf
seine Fähigkeit des geistigen Erfassens sehr viel an. Die Zeichnenstunde
könne dafür gar manches bieteu , sei jedoch nicht in die erste Linie zu
stellen.
Director Moni rasen legt gleichfalls grollen Werth auf die momen-
tane Thätigkeit des Lehrers bei der Erklärung der Schriftsteller, insbeson-
dere vermittelst Skizzierungen an der Tafel. Da sich indessen nicht alles
80 rasch darstellen lasse, so seien Modelle im Sinne von Prof. v. d. Launitz
sehr empfehlenswerth. Andererseits dagegen glaubt er doch auf eine weise
Beschränkung bei der Einführung des Schülers in die Kunstwelt dringen
zu müssen, da durch dieselbe leicht das Genussleben in verderblicher Weise
befördert werden könne.
Nachtrag zu dem Berichte über die allgemeinen
Sitzungen der 24. Philologenversammlung.
(Vgl. Heft IX. S. 698.)
Hierauf erhielt Hofrath ürlichs aus Würzburg das Wort zu seinem
angekündigten Vortrage 'lieber das römische Forum'. Er ^eng von
der constatierten Thatsache aus, dass an der via sacra die zwei ehernen
Elephanten standen, welche der ostgothisohe JKönig Theodahat aul' den Be-
774 Miscellen.
rieht des Präfecten Honorius hin, als sie iu's Wanken gerathen waren,
durch eine Untermauerung stützen liefs, die noch in Trümmern erhalten
ist, und zwar auf der Nordseite des Forum, wo also damals weniestens
die via sacra sich hefand. Diese Elephanten waren an der Bi^ auf dem
Triumphbogen des Augustus (20 v. Ch.^, dessen parthischer Triumph auf
Münzen durch einen von Elephanten gezogenen Wagen ausgedrückt wird;
vgl. Schol. Veron. ad Aen. VII. 606. Ihm entsprechend errichtete Tiberius
16 n. Ch. auf der Südseite des Forums (sub veteribits) einen Bogfm zur
Feier der deutschen Siege des Germanicus. Von zwei weiteren Tnum^h-
bögen, die August errichtete, ist wol der eine später in den des Septimius
Severus verbaut. Der foi-nix Fabianus aber stand zwischen der nördlichen
und südlichen Strafse. Welche von diesen beiden war nun die sacra via ?
Nach Canina und Detlefsen die südliche. Da aber die sacra via schon in
ältester Zeit als der heilige Weg zu der sabinischen Stadt auf der arx,
dem nördlichen Theile des capitolinischen Hügels, bestand und von der
Capelle der Strenia in der Gegend des Colosseums ausgieng; da ferner
die Curie an der Nordseite des Forums stand und Caesars Triumphzug sich,
wie wir aus einer Anekdote wissen, an den Bänken der Tribunen (d. h.
aber an der Curie) vorüberbewegte, so ist nichts anderes möglich , als dass
die via sacra die Nordgrenze des Forums bildete. Das Forum war nur
630' lang und 190' bis 110' breit, wozu noch die Terrasse des capitolin.
Hügels kommt; das Gedränge ward allmählich unerträglich, wie Cicero
klagt. Die Basiliken, später die kaiserlichen Fora, musst^n da Abhilfe
schaffen. Rath und Volksversammlung tagten anfangs auf jener Terrasse,
dem sg. Volcanale. Tullus Hostilius legte in dessen Nähe auf dem Forum
comitium und curia an, Tarquinius Priscus umgab sie mit Hallen und
Buden, im 5. Jahrhundert erst wurde der eigentliche Marktplatz durch
Erbauung der rostra, der Rednerbühne, der politischen Thätigkeit eröffnet.
Durch Anwachsen von dieser und von der palatinischen Seite her ent-
stand allmählich das Forum. Ueber die Ausdehung des comitium eibt
es die verschiedensten Ansichten. Es wurde z. B. für den östlichen Theil
des Forums erklärt (von den älteren Italienern, ßunsen, Becker), südlich
vom Forum verlegt (Canina und ähnlich Niebuhr), man liefs es auch
nördlich aus demselben hervorragen (Detlefsen). Mommsen's Entdeckung,
dem Ei des Columbus zu vergleichen, ist die, dass das comitium zunächst
das Volcanale einnahm. Sie Dciiiht auf sicheren Angaben und lässt die
Anordnung aller Gebäude mit' Leichtigkeit zu. Wo lag zunächst die ama
Hostüia, das durch Sulla vergröfserte, 52 v. Chr. abgebrannte alte Senats-
gebäude , an deren Stelle Lepidus den Tempel der Felicitas vor 43 erbaute,
woraiif der Senat 29 dio neue curiu JuXia bezog? Der Redner wies letzterer
in einer scharfsinnigen Untersuchung, die ihn besonders in die spätesten
Zeiten herabführte, ihren Platz neben dem Chalcidicum oder atnum Mi-
nervae, auf dem westlichen Ende der Nordseitc des Forums bei der Kirche
S. Adriano an und neben ihr setzte er die curia Hostüia. Von ihr östlich
statuierte er nach Anleitung des curiosum den Tempel der Felicitas, dann
eine Strafse, deren Verlängerung er als Grenze des Comitiums und des
Forums im engeren Sinne betrachtete, dann die prachtvolle basilica AemUia
und den Tempel der Faustina. Auf der schmalen Ostseite stand nach dem
Bogen des Augustus der Tempel des Ctesar mit seinen rostra, der fornix
Fc3tianu.s (quer über die Strasse), viellciclit auch ein zweiter arctis Aumsti.
An der Südseite war der Vestatenipel und die Regia mit den fasti Capi-
tolini, der Tempel der Castores und der Minerva, die ungeheure basilica
Julia, deren Grundriss blofagelcgt ist, endlich der viats lugarius. Am
clivus CapitoUnus endlich erblicken wir noch jetzt den hochemporragendon
Tempel des Saturn, den arcM.s Tiber ii, eine Reihe von Bureau's (scftolae),
die spätem rostra CapitoUmi, die ^raecostasis , den Bogen des Severus,
drei Säulen vom Tempel des Vespasian und A.; endlich aen schauerlichen
Carcer. Nach einer anschaulichen Schilderung des Lebens auf dem Forum
in der Kaiscorzeit und bunten, belebten Darstellungen der römischen Welt
aus verschiedenen Zeiten der Republik, wie sie sich auf diesem Platze
Miscellen. 775
darstellte, gieug der Ivoducr zu einer Beschreibung des Platzes selbst über.
Auf der durch Cippussteinc angedeuteten Grenze zwischen dem Forum im
engeren Sinn und dem Comitium standen hart an dem nördlichen Ende
die rostra, bis sie Csesar auf die Westseite verlegte, dadurch dem Redner
freien Blick auf den ganzen Platz gab, aber den Zusammenhang mit der
Curie löste. Rechts von der curia war das senactdumy eine Art diploma-
tische Tribüne für die Volksversammlungen, dann die Graecostasis für
f^mde Gesandte. Das Tribunal des praetor urbanus war im coMitium^
doch beweglich, ohne bestimmte Stätte. Dazu kam das des praetor pere-
grinus und später die der verschiedenen quaestiones, die alle in einer Keihe
von der Curie bis zum Carcer aufgestellt wurden. Das Tribunal des prae-
tor peregrinus war bei einem puieal, einer umzäunten Bmnnenöffhnng,
in welche Blitze eingeschlagen hatten ; seit 71 benutzte man dafür das
tribuncH Aurelii mit seinen Stufen, dem Sammelplatze der clodianischen
Urwähler. Weiter von der Curie entfernt wai* nur die Ehrensäule des
MaeniuB ; der mittlere Platz war frei, auf dem auch Gladiatorspiele statt-
fanden. Die columna rostrata des Duillius stand am Severusbogen. Den
Tribunen errichtete Cato 193 ihr Gebäude, die hasüica Porda, dicht an
der Mauer der curia j unter lebhaftem Widerspruch der Optimaten. Die
Zahl der tabernae argentariae wurde allmählich verringert, doch blieben die
drei Jani bis auf die Kaiserzeit, von denen man den medius im 16. Jahj:-
hunderte wieder fand. Den Brand der Curia und der ha^ilica Porcia be-
nutzte CsBsar, seine Erweiterungspläne auszuführen, und es entstand nun
das forum Jüliutn. Curia^ rostra und graecostasis wurden von ihm mit
bestimmter Tendenz verlegt, d. h. auseinandergelegt. Das wenige politische
Leben concentrierte sich nun in der curia Julia; das Forum wurde ein
Pracbtmuseum von Ehrenstatuen. Domitian oder Aurelian errichtete auf
der neuen Graecostasis die neuesten rostra. Diese neue Einrichtung sehen
wir noch heute ebenso wie sie uns ein Relief des Constantinbogens zeigt,
auf dem der ganze Apparat des officiellen Roms zusammengetragen er-
scheint. Dies, schlofs der Redner, sei seine Ansicht vom Forum; Gram-
matici certant et aähuc sub iudice lis est: Parcite, ^thom res est litigiosa
forum,
Nachtrag zu dem Verzeichnis eingelaufener Schriften. ,
Zu II, Forchhammer, Rede zur Feier des Geburtstages S. Hoheit
des Herzogs Friedrich VIII. Kiel 1865.
Geh. Reg. R. Gerhard, 1) Eine Zuschrift mit einer photographi-
schen Abbildung einer attischen Pentere nach dem Modell von Graser.
2) üeber den Bilderkreis von Eleusis. 1—3. Abhandlung. Berlin 1863.
Rüdiger, Demesthenis orationes pro Megalopolitis et pro Rhodio-
rum libertate ill. Lipsiae 1865.
Fulda, Untersuchungen über die Sprache der Homerischrn Gedichte
1. Duisburg 1865.
Nicolai, Geschichto der griech. Litteratur. Erste Hälfte. Magde-
burg 1865.
Blätter für das balerische Gymnasial wesen, redigiert von W.Bauer
uud Dr. Fried lein. 1. Band. Bamberg. 1865.
Von der Bassermann'schen Verlagsbuchhandlung vorgelegt:
1^ Dr. Alb. Wittstock, Encyklopsedie der Psedagogik im Grundriss.
2) Kuno Fischer, Geschichto der neuem Philosophie. Band I,
1—2. Theil. Zweite völlig umgearbeitete Auflage.
Zu I ist zuzufügen:
Statut für die philologischen Seminarien in Heidelberg und Freiburg.
Heidelberg. Alezander Riese.
776 MiflceUcn.
Verhandlungen der archaeologischen Section.
Die Section hatte sich wie im vergangenen Jahro zu Hannover einer
sehr zahlreichen Betheiligung zu erfreuen und auch an Ötoflf zu Verhand-
Inngen war üeberfluss vorhanden. Das Präbidium führte Herr Profeagor
Stark, die Sitzungen fanden im Locale der akademischen archieolc^iachen
Sammlung statt. Die Coustituierung geschah am M i 1 1 w o c h d e n 27. S e p-
tember; man begrüfste in dieser und der folgenden Sitzung einen Vete-
ranen des Faches, Herrn Geheimrath Gerhard aus Berlin, gern als Theil-
nehmer.
Die erste ordentliche Sitzung am Donnerstage den 28. Sep-
tember wurde von dem Herrn Vorsitzenden mit einer einleitenden An-
sprache begonnen, in welcher namentlich hervorgehoben wurde, dass auch
gerade au dem Orte, an welchem man dieses Mal zusammenkomme, die
Archflßologie ihre Geschichte habe. Leider weise dieselbe allerdings haupt-
sächlich aus älterer Zeit Anfange zwar nicht ohne Bedeutung auf, die dann
zum Theil im Zusauunenhange mit den Schicksalen der ganzen Landschaft
zu keinem bleibenden Fortgange gelangten. Die in Heidelberg residieren-
den pfälzischen Fürsten waren unter denen, welche früh in Deutschland
Antikensammlungen bildeten; vielleicht schon Philipp der Aufrichtige,
jedenfalls Otto Heinrich sammelten; doch sind diese Sammlungen ver-
schollen. Einen bleibenden Namen und bleibende Bedeutung haoen die
Erwerbungen Karl Ludwigs, freilich jetzt an anderem Orte als eine
der Hau p4'ruw klagen des Berliner Museums, gewonnen. Mit einem grofsen
Theile der Sammlunjreu Karl Ludwigs gieng auch der Heidelberger Ar-
clucologe Lorenz Beger, der zusammen mit Ezechiel Spanheim fär
dieselben thätig gewesen war, nach Berlin über. Erst nach längerer Pause
begaim dann m Heidelberg in neuerer Zeit frische Thätigkeit für die
Kunde der alten Kunstwelt; grofse Wirkungen giengen auf diesem Felde
hier von Creuzer aus; auch die Sammlung der Universität hat sich zu
einem ganz ansehnlichen Hilfsmittel für die archieologischen Studien her-
angebildet. Der Vortragende hielt eine Aufforderung, auch auf andern
Universitäten die Localgeschiclite der archaiologischen Studien eingehend
zu verfolgen, für zeitgemäfs. Im weiteren Verfolge gien^ der Vorsitzende
zu einer zusammengefassten Darstellung der in dein von ihm herrührenden
Theile der vom Präsidium der Versammlung gebotenen Begrüfsungsschrift
enthaltenen Ansichten über Erklärung der Mithrasdenkmiler über. Von
früher bekannten Mithrasdarstellungen bietet diese Schrift das Neuenheimer
Belief in besserer Abbildung, als man sie bisher besai^, und pnblidert zum
ersten Male das durch Beichthum der Nebendarstellungen besonders aus-
fezeichnete, vor einigen Jahren erst gefundene Mithraeum von Osterburken,
lerr Professor Stark suchte hauptsächlich als die richtigere Deutung de»
Stieres, iiyjlcher von Mithras durchbohrt wird, die auf den Mond statt
der bisher meist angenommenen auf die Erde als im Symbole dos Stieres be-
zeichnet zu begründen. Bei längerer Debatte sprachen namentlich die Herren
Voemel, Bursian, Curtius, Preuner für die hergebrachte Auffassung,
ohne dass eine auf so ausgedehntem Materiale beruhende Untersuchung in
der Debatte zu einem festem Abschlüsse hätte gebracht werden können.
Professor Conze legte hierauf eine Reihe von Zeichnungen solcher
unedierten athenischen Bildwerke vor, welche besondere Schwierigkeiten
för die Erklärung bieten. An dem Sarkophage mit Reliefdarstellung eines
von Kindern dargebrachten bakchischen Opiers blieb die Szene auf der
einen Seitenfläche, wie schon in Bursian's älterer Beschreibung (Ger ha rd's
archjBol. Anzeiger 1854, S. 476 f.), auch jetzt unerklärt. — Ein groJbes in
der Sammlung an der Hadriansstoa zu Athen in mehreren Stücken liegen-
des und auch sonst sehr zerstörtes Relief lässt noch eine auf einer langen
Kline beim Mahle ruhende Gesellschaft erkennen und zwar zumeist rechts
vom Beschauer Herakles, dann einen sterblichen Mann und folgend acht
Frauen, welche zum Theil musikalische Instrumente führen. Am linken
Miscellen. 777
Ende ist das Relief leider abgebrochen, so dass noch andere wenn auch
keinenfalls viele Figuren, verloren gegangen sein können. Vor der Kline
stehen Tische mit SSix?isen, Weingefiifse und andere Gerathe, hinter den
Schmausenden ragen (Zypressen und andere Bäume empor. Eroten bedienen
die Festgenossen, andere schweben oben in der Luft zwischen den Bäumen.
Der Vorlegende vermuthete in dem ganzen eine sepulcrale Deutung, zu-
nächst den u. a. von Stephani ^ausruhender Herakles) behandelten Re-
liefs anzureihen. — Einem auf beiden Knieen knieenden Bronzcfigürchen
eines nackten Mannes mit an den Leib herab anliegenden Armen, etwa
dem Typus der älteren sog. Apollofiguren von Thera u. s. w. vergleichbar,
liefs sich nur ein Fragment einer ähnlich knieenden männlichen Marmor-
figur zu Würzburg an die Seite stellen. Die Darstellung blieb unerklärt.
Das Figürchen gehört Herrn Münzconservator Portolakkas zu Athen. —
Aus Athen herrührend, jetzt aber, wie nachträglich Hr. Professor Bursian
eefunden hat, im Museum zu Basel befindlich, ist ferner das dann in
Zeichnung vorgelegte Bleirelief einer Frau, die einen Knaben zum Tode
fortschleppt. Professor Conze dachte au Medea, wogegen in der letzten
Sitzung der Section Hr. Prof. Friedländer passender an den Gebrauch
des Bleis zu Zauberwesen, wie namentlich zahlreiche Inschrifttäfelchen
zeigen, erinnerte und im allgemeinen das kleine Werk daher in diesen
Kreis von Vorstellungen zu verweisen vorschlug; gerade Medea aber komme
nicht mit nur einem Kinde vor. ~- Auf diese Werke zweifelhafter Be-
deutung folgte die Zeichnung eines bei Athen gefundenen inneren Ein-
satzes eines thönemen Kohlenbeckens; derselbe hat auf dem oberen Rande
drei starke offenbar zum gefahrlosen Anfassen des heifsen Beckens be-
stimmte Hervorragungen; diese sind wieder in ihrer nach dem Inneren
des Beckens gekehrten Seite mit Silensmasken mit übermäfsigcn vorsDrin-
penden Barten verziert; die Barte sind eine originelle und sehr glückliche
Einkleidung der am inneren Rande eines jeden Kohlenbeckens dann nöthi-
gen VorspÄnge, wenn ein Gefafs zum Wärmen etwa einer Flüssigkeit
anf das Feuer gesetzt werden soll. Ganz gleichartige abgebrochene Henkel
allein haben sich schon seit längerer Zeit zu Athen wiederholt und in
grofser Anzahl gefunden. Nur ein Fxemi)lar zu Würzburg war dem Vor-
tragenden bekannt (gleich nachher fand sich bei dem Ausflüge nach Karls-
mhe noch ein gleicnes in der dortigen Kunsthalle), welches statt des
Silens vielmehr einen ebenfalls starkbärtigen Kopf mit spitzer Mütze*),
offenbar hier an der Verzierung der Feuerstelle die Mütze des Hephaistos
und seiner Feuerarbeiter, zeigt. Neben der tektonischen Bedeutung des
Kopfes, für welche der Bart das wesentlichste ist, glaubte der Vortragende
in der Silensmaske noch die ursprüngliche Bedeutung eines hier die Feuer-
steile schützenden Apotropaions zu erkennen; er verglich dabei ein Vasen-
bild, auf dem die Silensmaske an einem Ofen angebracht ist. Hr. Prof.
Bursian läugnete dagegen die Nothwendigkeit einer solchen symbolischen
Deutung ganz, während Hr. Prof. Curtius sie nur in anderer Richtung
suchte; dieser glaubte, der Silen sei an dem zur Wassererwärmung b^
stimmten Kohlenbecken in seiner Bedeutung als Wasserdämon augebracht
Zweite Sitzung, Freitag 29. September. Herr Prof. Fi ekler,
dem wir für nachträgliche briefliche Unterstützung dieses Berichtes zu
danken haben, trug über die römische Vorzeit der Umgegend von Heidel-
berg in Anschluss an eine kleine der Versammlung gewidmete Urkunden-
sammlung (Römische Alterthümer aus der Umgegend von Heidelberg und
Mannheim von C. B. A. Fickler. Mannheim 1865.) vor. Auf die ältesten
Bewohner der oberen Rheinebene und der Neckargegend Helvetier, dann
Sueven folgte die römische Herrschaft seit Caesar, Augustus und so fort
bis zum Verfalle derselben im 5. Jahrhundert nach Chr. Der Vortragende
•) Etwa fünfzig solcher Exemplare befinden sich nach Mittheilung des
Herrn Professors Kumanudis in der Sammlung der archtTologischen
Gesellschaft zu Athen.
778 Miscellen.
verfolgte die Hauptereignisse durch die Regierungen der yerschiedenen
Kaiser hin. Unter Augustus gehörte die Neckargegend zur Germania prima,
es begann die Bildung von civitates mit decuriones; abhängig waren die
rechtsrheinischen Gebiete von dem Commando der linksrheinischen Plätze
Moguntiacum u. s. w., ein Verhältnis, welches noch in den spätem Grenzen
der Bisthümer geblieben ist. Erwähnt wurden dann die Kämpfe des Legaten
Pomponius (51) zum Schutze der römischen Gebietstheile am Neckar, die
gleichen Unternehmungen des Domitian, die glücklichen Kämpfe Txajans,
die guten Zeiten unter ihm, Hadrian und Antoninus Pins, darauf die Bar-
barenstürme unter Marc Aurel. Septimius Sevcrus fügte nach der Vermu-
thung des Herrn Vortragenden seinen Namen dem Ulpischen für die
römische Niederlassung zu Ladenburg hinzu, vielleicht dass sich auch die
Nemeteretadt zu Heidelberg nach ihm civitas Septimia oder Severiana Ne-
metum nannte. Unter den freien feindlichen Stämmen treten unter Cara-
calla statt der „Chatten** die Alemannen hervor; nach ihrer Besiegung ist
namentlich unter Elagabal Friedenszustand. Unter Alexander Sevems über-
fluthen die Germanen wieder Alles, der Kaiser wird, ehe er den Rhein
überschreitet, ermordet. Von nun an hören die Kaiserdenkmale auf dem
rechten Rheinufer auf. Die Alemannen werden zwar von Probus besiegt,
das Land aber den Miethstruppen und Bundesgenossen der Römer über-
lassen. Erheblicher ist erst wieder der Zug Julians in das Neckarland.
Nach seinem Tode wagen die Alemannen schon wieder den Uebergang über
das Rheineis, Valentinian 1 treibt sie aber bis an die Donauquellen zurück;
um den mons Pirus, den Heiligeuberg bei Heidelberg, wird gestritten. Den
Festungsbau zwischen Rhein und Weckar verlegt der Herr Vortrafi^ende
nicht nach Ladenburg, sondern nach Altripp, wo namentlich die Uebcr-
reste des zum Schutze der Mauern gegen den Neckarstrom angelegten
Dammes noch zu erkennen sind, im vierten Jahrhundert drängen sich
nach und nach die Burgundionen ein. Zum Schlüsse stellte der Herr Vor-
tragende die in seiner angeföhrten Schrift enthaltenen romischen In-
schriften nach verschiedenen Hauptgesichtspuncten zusanmien, hob dabei
auch den Mangel aller Spuren des Christenthums hervor und betonte das
immer unverwüstlich wieder aufblühende Leben der Pfalz nach den da-
maligen Zerstörungen wie nach späteren. — Die folgende von den Herren
Rein, Grotefend und dem Vortragenden, auch dem Herrn Vorsitzenden
geführte Discussion lies den aus einer der Inschriften geschlossenen Bei-
namen Severiana oder Septimia für Heidelberg immer noch als sehr zwei-
felhaft stehen.
Herr Professor Bursian begann nun in Zeichnungen, Photographien
und Abgüssen römische Alterthümer aus der Schweiz vorzulegen und zu
erläutern. Unser Bericht benutzt auch hier nachträglich vergünstigte brief-
liche Mittheilunffen. In drei photographischen Ansichten wurde der an-
tike Becher im Kirchenschatze der Abbaye zu St. Maurice in Wallis vor-
gelegt; die der ersten römischen Kaiserzeit entstammende Darstellung, nur
sehr zweifelhaft als Opferung der Polvxena zu deuten, ist in die zwei
Lagen eines Sardonyx geschnitten. — In grosser theils farbiger Zeichnung
folgte dann das grofse im Jahre 1862 bei Orbe im Kanton Waadt entdeckte
und bereits von Klug mann im Bull, dell' inst. 1863, S. 193 ff. beschrie-
bene und wesentlich richtig gedeutete Mosaikbild mit Planetengöttem und
A. in einzelnen Feldern. Die Darstellung eines Feldes ist etwas unsicher,
von Klügmann nicht gedeutet; hier dachte der Herr Vortragende an eine
Narkissosscene. — Abguss und Photographien brachten sodann das von
Bachofen in Gerhards arch. Zeit. 1864, Taf. 190 herausgegebene Erzgefifs
BUS Avenches mit Scenen ländlicher Feste des Priapus zu möglichst guter
Anschauung.
Dritte Sitzung, Sonnabend 30. Septemter. Zunächst setzte
Herr Professor B u r s i a n seine Mittheilun^en fort; er brachte namentlich
noch weitere Funde von Avenches zur Vorlage , zwei Bronzestatuetten, die
eine einen Schauspieler, die andere einen GliuUator darstellend^ an welchem
MLscellen. 779
letzteren Herr Professor Friedländer eine Besonderheit in der Tracht
einer Beinschiene bemerkt. — In Avenches gefunden ist auch ein Relief-
stein von Juramarmor, welchen Hen*n Professor Bursian sodann in Zeich-
nung vorlegte. Der Finder soll sich übertriebene Vorstellungen von dem
Werthe des Steines gemacht und grofse Geldforderungen für den Fall
eines Verkaufes gestellt haben ; doch enthält der Stein nichts als die römische
kindersäugende Wölfin ; Beiwerke sind Bäume, in denen Vögel nisten, und
auf der einen Seitenfläche des Steines eine Gans; der Herr Vortragende
sah hierin nur die wilde wasserreiche Gegend charakterisiert; dagegen
wollten andere Mitglieder der Section tiefere Symbolik in diesen Neben-
sachen suchen. — Don Scliluss machte Herr Prof. Bursian mit Vorzei-
gung der Photographie einer schon seit dem 16. Jahrhundert in Solothurn
befindlichen, aber noch nicht genügend publicierten Marmorstatue einer Venus.
Herr Professor Freudenberg theilte eine neuentdeckte Mainzer
Inschrift mit; sie lautet mit des Herrn Vortragenden Ergänzungen (wir
benutzen freundliche briefliche Mittheilungj :
[lOVl] 0[pnMO MAXIMO] MESSORIA PLa[ci]dA PRO SALUTE [a]üGÜ8TA-
LDilORÜM INPETRATI [ET] AUGÜSTINAE [FIlIiORUM SUGRÜM V. S. L. L. M.
Hierauf referierte Herr Professor Freudenberg über noch eine
Mainzer Inschrift im Auftrage des Herrn Professor J. Becker; dieselbe
enthält eine Weihung an Minerva von einem str. leg., einem secutor tri-
buni legionis . . . , wie gedeutet wurde. — Endlich erläuterte Herr Profes-
sor Freudenberg noch die durch Herrn Director Lindenschmidt
ausgestellten antiken Waffen, namentlich zwei im Rhein bei Mainz gefun-
dene römische piZa und eine im Rheinbette bei Bonn gefundene Schwert-
klinge (Herrn Freude nberg angehörend) mit dem Stempel sabini. Die
Seltenheit einer derartigen Inschrift wurde hervorgehoben.
Herr Professor F ick 1er zeigte ein dem Herrn Lisch in Köln ge-
höriges römisches Gefäfö von Glas in Gestalt einer hockenden Figur mit
Affengesicht, dessen äg}^tisclier Typus auf die Vermuthung einer Verfer-
tigung in Alexandria führe. Den jßgjptischen Typus des Affenkopfes und
auch des Mantels der Figur erkannte namentlich Herr Bildhauer Professor
von der Launitz an.
Herr Hofrath Urlichs war leider durch Unwohlsein verhindert, die
von ihm mitgebrachten Antiken, einen kleinen Marmortorso, Wiederholung
des Pasquino, und den AbguTs eines kleinen Kopfes selbst vorzutragen und
zu erläutern. Eine Bemerkung des Herrn Professor von derLaunitz führte
darauf, den Kopf als einen Apollokopf von einem Sarkophagrelief zu erkennen.
Ein von Herrn Professor Wie sei er der Section zugesandtes Manu-
Bcript über Alterthümer auf Schloss Friedenstein bei Gotha konnte wegen
Zeitmangels nicht mehr zur Mittheilung kommen; es wird in den Jaiir-
büchem des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande gedruckt werden.
Vor Schluss der letzten Sitzung nahm noch die Section das von
ihrer Commission entworfene Gutachten über einen Plan zu Ausgrabungen
in Griechenland an, wie es später in der allgemeinen Sitzung ebenfalls an-
genommen wurde. Der Gesellschaft der Archaßophilen in Athen, von welcher
der erwähnte Plan ausgeht, ist in diesem von der genannten Gesellschaft
erbetenen (Jutachten der Rath gegeben, statt sich, wie beabsichtigt, auf
eine CoUecte bei Privatleuten einzulassen, vielmehr die europäischen Re-
gierungen anzugehen und die dann von diesen etwa bewilligten Gelder
unter Controle der betreffenden Gesandtschaften zu Athen zu verwenden.
Die deutschen Regierungen ersucht die Versammlung um Unterstützung
des schönen Unternehmens. Zum Vorsitzenden der archseologischen Section
bei der nächstjährigen Versammlung zu Halle wurde der dortige Professor
Conze bestimmt.
Die archaeologische Section hat sich am Sonnabend noch mit der
paedagogischen zur Berathung der Thesen des Herrn Professor Piper über
Einführung der monumentalen Studien in den Gymnasial Unterricht verei-
nigt; Referent konnte hierbei nicht zugegen sein.
Halle. Conze.
780 Miscellen.
Verhandlungen der Orientalisten in der 24. Versamm-
lung deutscher Philologen und Schulmänner.
Eröffnung der Orientalistcnscction am 27. September, Schlnss der-
selben am 30. September. Anwesend waren unter anderen: Prof. Arnold
aus Halle, Prof. Brockbaus und Prof. Fleiscber aus Leipzig, Prof. Gilde-
meister aus Bonn, Prof. ReuTs aus Strafsburg, Prof. Stahelin aus Basel,
Prof. Steintbal aus Berlin, Diaconus Dr. Trumpp (ebemaliger Älissionär in
Asien) aus PfuUinffen, Prof. Weil aus Heidelberg, Stadtpfarrer Dr. Wolff
aus Rotweil. Den Vorsitz führte Prof. flitzig aus Heidelberg. Als Vice-
präsident fungierte Prof. Roth aus Tübingen. Secretare waren Dr. Müh lau
aus Leipzig und Privatdocent Dr. Steiner aus Heidelberg. Grchaltcn
wurden folgende Vorträge: Von Hitzig über die Verwandtschaft des Se-
mitischen mit Arischem, Keltischem, Turanischem auf Grund einer frü-
hesten nichtsemitischen Bevölkerung JPalästina's, Syrien's und der Euphrat-
und Tigrisländer; von Trumpp über die indischen Kafir's; von Roth
über ffelehrte Tradition im Alterthume; von Dr. Ley über Alliteration
im Hebräischen (wurde jedoch als bei der Kürze der Zeit zu weit führend
nicht vollendet). Prof. Fleischer las auszugsweise den von Prof. Gosche
ausgearbeiteten wissenschaftlichen Jahresbericht für die Jahre 1859—1861.
Als besonders interessant ist zu erwähnen die Vorlegung und Erläuterung von
Druckproben und handschriftlichen Copien mandäischer Werke von einem
jungen Gelehrten aus Stuttg-art Namens Euting. Bewundcmswerth sind
die von ihm selbst angefertigten Copien wegen üirer musterhaften techni-
schen Ausführung. Es kann denn auch dieser strebsame Gelehrte, wie Prof.
Brockhaus versicherte, der Unterstützung der deutschen morgenlandischen
Gesellschaft zum Zwecke der Herausgabe von Denkmälern jener Literatur
gewiss sein. Wie verlautet, gedenkt Herr Dr. Euting das Studium der
von ihm zu publicierenden mandäischen Werke durch ein eigenes Glos-
sar zu fördern. Nicht zu übergehen ist hier auch der von dem mit Palä-
stina so vertrauten Wolff gestellte Antrag, ob nicht von der Versammlung
ein Grufs geschickt werden solle an die englische Gesellschaft zur Erfor-
schung Palästina'« und zugleich das Erbieten, das Unternehmen derselben
wissenschaftlich so viel als möglich zu fördern. Die Versammlung erklärte
sich selbstverständlich damit einverstanden, dieser Gesellschaft ihre Aner-
kennung zu bezeugen. Fleischer's eigentlich auch der Orientalistensection
angehörender Vortrag „der Morgenländer in Europa" wurde in der allge-
meinen Sitzung gehalten und es riefen die naiven Ergüsse dieses modernen,
seine Reise durch Europa schildernden Orientalen nicht geringe Heiter-
keit hervor.
Wien. Alois Müller.
Aus der „Mittelschule."
In den Versammlungen vom IG., 23. und 29. December 1864, femer
vom 3., 5., 10., 14. und 17. Jänner 1865 wurden die Verhandlungen über
die Denkschrift, betreffend die Reform der Realschule und die Enveiterung
der Rechte der Realschüler, gepflogen. Dieselben wurden sammt der Denk-
schrift in einer separaten Broschüre der Oefle atlichkeit übergeben, welche
in Folge Vereinsbeschlusses allen Gymnasien und Realschulen zugeschneit
werden wird.
Versammlung von 3. Februar 1865.
Der Präsident verliest eine Zuschrift der Verlagshandlung Justuä
Perthes, mittelst welcher dieselbe 21 Exemplare von je 3 Karten Deutsch-
Hnds dem Vereine zur Vertheilung unter seine Mitglieder übermitveli
MiflcelleA. 781
Hierauf wird die Wahl zweier Ausschüsse vorgenommen. Das Scnitinium
ergibt Dr. Czcrmak, Professor am k. k. Josefstädter Gymnasium, und
Herrn Luithlen, Professor an der protestantischen Realschule.
Der übrige Theil dieses Versammlungsabendes war dem Vortrage
des Dr. Pick über das Telephon gewidmet.
Versammlung vom 17. Februar 1865.
Nachdem der Präsident den Empfang bei Sr. Exellenz dem Herrn
Staatsminister gelegentlich der Ueberreichune der Denkschrift über die
Reform dar Realschulen mitgetheilt hatte, hielt Professor Grün seinen
Vortrag über den Anschauungsunterricht in der astronomischen Geographie.
Redner macht zuerst auf die Schwierigkeiten auftnerksam, mit
denen jeder Lehrer zu kämpfen hat, der Knaben von neun bis zehn Jahren
die astronomische Geographie zum klaren Bewusstsein bringen will, und
bedauert, dass dieser Theil des geographischen Unterrichtes leider noch
an manchen Schulen sehr stiefmütterlich behandelt werde. Es kämen
Fälle vor, dass Schüler als Abiturienten eine Mittelschule verlassen und
nicht im Stande seien, die einfachsten Himmelserscheinungen zu erklären.
Redner stellte sich daher die Aufgabe, den Anschauungsunterricht in der
astronomischen Geographie so einfach und fruchtbringend als möglich zu
machen und theilt nun die in dieser Richtung von ihm gemachten Ver-
suche und Studien mit
Der Vortragende erinnert zuerst, dass er bereits vor zwei Jahren
in diesem Vereine ein von ihm construiertes Modell einer ArmillarsphsBre
besprach. Dasselbe war jedoch, weil nur aus Holz verfertigt, noch sehr
unv(dlkommen. Heute nun trete er abermals mit einem Modelle einer
Armillarsphsere unter seine CoUegen. Dieses Modell ist von dem Mecha-
niker Merz aus Draht angeferti^ und bezüglich der Ausführung schon
bedeutend vollkommener. Die Armillarsphsere selbst besteht, wie schon an-
gedeutet wurde, aus einem Drahtgerippe und zwar aus zwölf Meridian-
nreiaen, welche so gelegt sind, dass einer derselben durch die Aequinoctial-
Duncte geht, femer aus dem Aequator, den beiden Wendekreisen und den
neiden Polarkreisen, und endlich aus der Ekliptik. Die zwölf Meridiankreise
benützt Grün sehr zweckmäfsig zur Erklärung der zwölf Thierkreise und
des Standes der Sonne in den einzelnen Monaten. Die beiden Pole sind
durch die Weltaxe verbunden, um welche sich der ^nze Mechanismus
drehen lässt. Aufserdem kann die Weltaxe durch eine einfache mechanische
Vorrichtung unter jeden beliebigen Winkel gestellt werden. Diese Vor-
richtungen sind nun allerdin^ nicht neu; aber eine entschiedene Verbes-
serung, die Grün anbrachte, ist folgende.
Eine eijgenthümliche Vorrichtung macht es möglich, in das Innere
des Drahtgerippes eine kreisrunde Scneibe von nahezu ebenso groHsem
Durchmesser, wie jener der ArmiUarsphare , zu bringen. Diese Scheibe
wird auf die im Oentruni der Armillarsphsere befindliche kleine Kugel,
welche die Erde darstellt, aufgesetzt, was durch einen centralen kreisrun-
den Ausschnitt ermöglicht ist. Dadurch ist bildlich der Horizont darge-
stellt, und es ist nun ein leichtes, durch entsprechende Drehung der Ar-
millarsph»re , bei welcher natürlich die Scheibe stets horizontal oder
überhaupt in ihrer bestimmten Lage bleibt, den Schülern die einzelnen
Himmelserscheinungen anschaulich zu erklären. Um später auf das ooper-
nicanische System übergehen zu können, benützt Grün die Armillarsphnre
gleichzeitig als Tellurium, indem er noch einige mechanische Vorrichtungen
an derselben anbringt.
An den Vortrag knüpfte sich eine Discussion, an der sich nament-
lich die Directoren Kopetzky und Doli, und die Professoren Sonndorfer
und Schmued betheiligten.
Versammlung am 3. März 1865.
Der Prüsident macht die Mittheilung, dass Dr. Gzermak die auf ihn
gefallene Wahl eines AasschuwiB nicht aimehmen könne. Hierauf stellt
Zeltsclirifl L 0. österr. Qjmn, 186». X Heft. 63
78t Miscollen.
derselbe den als Gast erschienenen Maler aus Berlin, H^rrn Kiesewetter,
der Versammlung vor, worauf dieser raittheilt, dass er viele Jahre hinter-
einander Asien, namentlich den Kaukasus, die Tartarei, Persien etc. hereist
habe, um ethnographische Studien zu machen, und dass er an Ort und
Stelle seine Reisebilder gemalt habe. Er sei bereits im Jahre 1857 hier
in Wien gewesen und habe namentlich in Schulen seine Sammlung ethno-
graphischer Reisebilder gegen Entgelt gezeigt. ^ Da er nun dieselbe seit
jener Zeit sehr vervollständij^ habe, so sei er letzt abermals nach Wien
gekommen, sie hier zu zeigen. Er benütze daher die Gelegenheit der
heutigen Sitzung, um den hier versammelten Schulmännern sein Vorhaben
mitzutheilen.
Hierauf hielt Dr. W^metal den angekündi^n Vortrag über die
historischen Portraits der hiesigen Galerien. Der Vortragende setzte zu-
erst die Bedeutung der historischen Portraits überhaupt, dann die Bedeu-
tung derselben für den geschichtlichen Unterricht auseinander. Die Maler
des 16. und 17. Jahrhunderts hatten eine sehr genaue Kenntnis der Für-
sten, denn sie waren in der Regel sehr gut gestellt, ja sozusagen Mit-
glieder der fürstlichen Familien. Die Fürsten der damaligen Zeit wussten
bedeutende Künstler, wie einen Tizian, Rubens u. a. in ihre nächste Nähe
zu ziehen; sie hatten daher vollkommen Mufse, den Charakter jener Für-
sten sehr eingehend zu studieren, so dass die historischen Portraits jener
Zeit den eigenthtimlichen Charakter derselben genau kennzeichnen. Die
Jugend, welche Geschichtsunterricht geniefst, wird also aus der Anschauung
dieser historischen Portraits gewiss einen bedeutenden Nutzen ziehen. Allein
nicht nur die historischen Portraits von Fürsten und Staatsmännern, sondern
auch jene von Gelehrten und Künstlern, von schlichten Bürgern und Bär-
gersfrauen werden, von der Jugend aufmerksam betrachtet, derselben dnen
richtigeren Begriff der damaligen Zeit geben, namentlich wenn hiebe! das
erklärende und erläuternde Wort des Lehrers unterstützend hinzutritt
Nach diesen einleitenden Bemerkungen bespricht der Vortragende
zuerst die Belvedere-Galerie und macht auf die dort befindlichen histori-
schen Portraits aufmerksam. Er betont jedes einzelne und knüpft daran
sehr interessante Bemerkungen ; namentlich unterzieht er die Meisterwerke
Tizian's einer eingehenden Besprechung. Aus der niederländischen Schule
erwähnt Redner Rembrandt's „ßürgersfrau" und des „Künstlers Mutter",
femer Van Dyk's „Karl der 1. von England." Hierauf gibt er eine Schil-
derung des grofsen Rubens-Saales. Er beginnt mit einer Charakteristik
dieses berühmten Malers, bespricht dann dessen Selbstportrait und führt
schlielislich die bedeutendsten Werke desselben erklärend vor, so seine ^Mar-
garetha von Parma", das grofse „lldefonsbild" , „Karl Ferdinand, Statt-
halter der Niederlande" u. m. a. Von den im zweiten Stockwerke befind-
lichen Bildern erwähnt der Vortragende unter andern des Portraits Kaiser
Max L von Albrecht Dürer, femer einige Portraits von Hans Holbein.
Schliefslich berührt der Redner mit einieen Worten noch die Liech-
tensteinische und die Eszterhazy-Galerie. An diesen Vortrag knüpfte Dr.
Hoffer einige Bemerkungen über die Benützung der modemen Kunst
und meint, dass es auch sehr gut wäre, wenn unsere studierende Jugend
öfters die Ausstellung des Kunstvereins besuchen würde, wo sie auch Ge-
legenheit hätte, historische Darstellungen zu sehen. Auf diese Bemerkung
hin erwiedem die Professoren Fleischmann und Schmued, dass dies am
akademischen Gymnasium und an der Schottenf eider Oberrealschnle seit
längerer Zeit regelmäfsig geschehe.
Versammlung am 17. M^ 1865.
Die Verlagshandlung Justus Perthes ersucht um Begutachtung des
historischen Atlas von Sprunner. Nach einer kurzen Debatte wird beschlossen,
darüber erst in der näcnsten Sitzung zu entsdieiden. Da Dr. Czermak
die auf ihn gefallenene Wahl eines Ausschusses ablehnte, so wird in der
heutigen Sitzung abermals die Wahl eines Ausschuftmitgliedcs vorgenom-
men. Die Anwesenden (22 an der Zahl) wählen Direetor Peyerfeil vom
Miscellen. 7dSI
Josephstadter Gymnasium einstimmig. Prot. F ick er stellt den Antrag,
ein Mitglied möge die heute ausgestellte Karte von Italien in einer der
nächsten Sitzungen besprechen, welchem Wunsche Prof. Grün nachkom-
men wird.
Hieraufhält Director Pokorny seinen Vortrag über eine CoUec-
tivausgabe der Jahresberichte der Wiener Mittelschulen. Der Vortragende
weist zuerst in schlagender Weise daraufhin, dass all die schätzenswerthen
Abhandlungen und statistischen Daten, welche seit einem Decennium in
den Jahresberichten der österreichischen Mittelschulen erschienen sind, in
keiner Bibliothek vollständig existieren, dass es daher vorläufig: nicht mög-
lich sei, ein vollständiges Kepertorium hierüber anzulegen. Trotzdem dass
der Programmaustausch an den Schulen stattfinde, so seien doch die
wenigsten Schulbibliotheken auch nur im Besitze der Programme der
ihnen zunächst liegenden Schulen, ja es komme vor, dass einzelne Schulen
nicht einmal eine vollständige Sammlung ihrer eigenen Programme be-
sitzen. Diese Lückenhaftigkeit könne nicnt vielleicht einer nachlässigen
Bibliotheksvenvaltung zugeschrieben werden, sondern sie Hege, wie j^er
Bibliothekar wisse, in der Schwierigkeit der Erhaltung einer m jährlichen
kleinen Heften erscheinenden Druckschrift. Nur eine sehr rigoros gehand-
habte Ordnung im Bücherwesen und ein besonderes Augenmerk des Biblio-
thekars auf dergleichen Druckschriften wäre im Stande, deren Zerstreuung
zu verhüten und allmählich längere complete Serien zu sammeln. Sollen
jedoch solche Serien dann der Zukunft erhalten bleiben, so gebe es kaum
ein fi^eeigneteres Mittel, als eine entsprechende Anzalil derseluen in einen
Bana zusammenzubinden. Bei dem Umstände jedoch, dass bisher in dem
Format dieser Programme die verschiedensten Variationen bestehen, dürfte
auch dieses kaum ausführbar sein.
Diese Scliwierigkeiten der Aufbewahrung bringen es nun natur-
gemäJüs mit sich, dass der durch die Publicatiou dieser Programme ange-
strebte Nutzen gröfstentheils verloren gehe und in gar keinem Verhält-
nisse zu den Kosten stehe, welche dieselben verursachen. Wenn man
bedenke, dass gegenwärtig im österreichischen Eaiserstaate 206 Gymnasien
und 68 Bealschulen bestenen, und dass jede Anstalt von ihrem in der Begel
mehrere Bogen starken Programme mindestens 800 bis 1000 Erempiare
drucken lassen müsse, so könne man auf die Summe schlieTsen, die hiezu
verwendet werde. Was aber hier durch die langjährige und aufopfernde
Mühewaltung einzelner und da auch nur selten erreicht werde — die Er-
haltung der Schulprogramme für die Zukunft — dies lasse sich vielleicht
rascher und ausgiebiger durch die Macht der freien Association erreichen.
Der VoriJagende sagt, er habe zunächst nur die Wiener Mittel-
schulen vor Augen, und le^ nun einen Plan vor, durch den auf eine höchst
einfache Weise die Programme dieser Anstalten in allen Bibliotheken, für
die sie doch eigentlich Destimmt sind, bleibend erhalten und überhaupt in
der Schulliteratur nicht nur ihrem Umfange, sondern auch ihrem Inhalte
nach einen hervorragenden Platz einnehmen würden. Dieser Plan besteht
darin, eine CoUectivausgabe der Jahresberichte der Wiener Mittelschulen
unter einem gemeinschaftlichen Titel und mit einem gemeinschaftlichen
Inhaltsverzeichnisse zu vcranstelten. Hiedurch würde ohne besondere Mühe
und Kosten eine Art Jahrbuch der Wiener Mittelschulen geschaffen, welches
die statistischen Verhältnisse, den Lehrplan, die Chronik etc., zugleich
aber auch eine Beihe interessanter wissenschaftlicher Abhandlungen bringen
würde. Eine solche Vereinigung würde femer ganz leicht sehr lehrreiche
Vergleiche zwischen den einzelnen Lehranstalten zulassen und das Auffin-
den einzelner Aufsätze erleichtem. Ebenso würde dadurch der Verschlep-
pung und Zerstreuung dieser Druckschriften vorgebeugt. Ein besonderer
Nutzen dürfte jedoch der sein, dass sich auf diese Weise eine gröfsere
Gleichfbrmiflrkeit in der Darstellung statistischer Daten ergeben werde und
dass der Inhalt der wissenschaftlichen Abhandlungen nur gewinnen müsse :
denn jetzt werde den Schulprogrammen manche werthvolle Arbeit durch
den Gedanken entzogen, dass dieselbe durch das Programm kaum in die
53*
784 lüseeUeiL
Oefifentlichkeit gelange, um schnell wieder zu verschwinden. Eine solch«
Collecti?aaseahe werde femer auch die Anhnerksamkeit der Faclyonmale
auf sich ziehen und Besprechungen in denselhen veranlassen; ja eine An-
zahl Exemplare könnte vielleicht in Commissions-Buchhandel gegeben wer-
den. Was femer die Wiener Mittelschulen thun, das dürften vielleicht
dann auch die Mittelschulen anderer Städte oder ganzer Provinzen unter-
nehmen und der erste Schritt zur Concentration der Schulproeramme wäre
somit geschehen. — Director Pokorny setzt nun in sehr eingenender Weise
auseinander, auf welche höchst einfache und wenig kostspielige Weise eine
solche Collectiv- Ausgabe veranstaltet werden kann, bespricht das zu wäh-
lende Format — g^enwärtig hat fast jede Wiener Mittelschule ein an-
deres Format — und übergibt schlieMich diese Idee vertrauensvoll seinoi
Bemfs^enossen zur weiteren Würdigung. — Wegen vorgerückter Stunde
wird die Debatte über diesen Vortrag auf die nächste Versammlung vertagt.
Versammlung am 7. April 1865.
Herr Johann Fliedl, Beligionslehrer am Bealgvmnasium in Maria-
hilf, trat dem Vereine als ordentliches, Herr Alois Schopf, Privatlehrer,
als ausserordentliches Mitglied bei.
Professor Egeer stellt den Antrag, man möge die von der Verlags-
handlung Justus Perthes angesuchte Begutachtung des Sprunner*schen
Atlas nicht zurückweisen, denn es sei dies gewiss eine des Vereines wür-
dige Aufgabe. Der Redner führt weiter aus, dass das Gutachten ein dop-
peltes sein könne, ein didaktisches und ein wissenschaftliches. Der Verem
möge nur mit dem ersteren sich befassen. Nachdem noch Vielhaber,
Schmued und Ficker darüber ihre Ansichten geäui^ert, wird schlief^lich
der Antrag Egger*s angenommen.
Der Präsident eröffnet nun die Debatte über den in der letzten
Sitzung von Director Pokomy gehaltenen Vortrag. Zuerst emeift Director
Pokomv selbst das Wort, vriederholt mit einigen Worten die Hauptmomente
seines Vortrages und stellt schlieJHalich den Antrag: „Der Verem Mittel-
schule mö^e aussprechen, dass eine solche Golleäivaus^be zweckmäßig
und wünschenswerth sei." Der nächste Redner, Director Fey er feil, hebt
zuerst hervor, dass die Programme wol durch Anlegung von Katalogen
und Aufopferung" einiger Mühe der Lehranstalt bleibend erhalten weiden
könnten, wie z. B. dies am Josefstädter Gymnasium der Fall sei, welches
2000 wohlkatalogisierte Programme besitze, dass jedoch eine Collectivaus-
gabe auch so manches Gute für sich habe. Um die Zeit möglichst zu
sparen, beantragt derselbe schlief such , man möge sich bei der heutigen
Debatte streng an den Antrag Pokoray's halten. Professor Vielhaber er-
klärt sich entschieden gegen rokomy's Antrag. Derselbe führt in einer
längeren Rede mehrere Gründe gegen die Zweckmäf^igkcit einer solchen
Collectivausgabe vor, namentlich den, dass dadurch die Benützung der
Programme erschwert würde, und erklärt, wenn schon eine Collectivausgabe
veranstaltet würde, dass dann die beiden Arten von Mittelschulen strenge
gesondert werden müssten. Hierauf bekämpfen Pokomy und Feyerfeil die
von Vielhaber vorgebrachten Gründe, wobei ersterer überdies noch einige
erläuternde Aufklärungen beifügte. Professor Sonndorfer spricht im
selben Sinne wie der Antragsteller, weist nochmals auf die ZweckmäXfeig-
keit einer solchen Collectivausgabe hin und empfiehlt, einigen speciellen
Gründen Vielhaber's entgegnend, die Annahme des von Pokomy gestellten
Antrages. SehlieXblich wurde dieser Antrag mit grol^er Majorität angenom-
men. Director Pokorny theilt nun mit, dass er, gestützt auf diesen
Beschluss, die Directoreu der Wiener Mittelschulen zu einer freundlichen
Besprechung einladen und ihnen seine Propositionen vorlegen werde.
Versammlung am 21. April 1865.
Der erste Gegenstand der heutigen Tagesordnung sollte die Beschluss-
fassung über den §. 26 der Statuten sein. Da jedoch nur 50 ordentliche
Mitglieder anwesend sind, nach den Statuten jedoch 52 nothwendig wären,
so kann die Beschlussfassung nicht vorgenommen werden.
Miscellen. 785
Prof. Egeer macht eine Mittheilung über das gegenwärtig ausge-
stellte Grofsglocknerpanorama. Pof. Grün bespricht nun die bereits in
der Versammlung am 17. März ausgestellt gewesene Karte von Italien.
Er wies zuerst darauf hin, welche Schwierigkeiten sich der Ausfuhrung
eines vollständigen Terrainbildes auf einer Qeneralkarte von Italien bei
der geringen Breite und der grofsen Längenausdehnung entgegenstellen,
um so mehr, als noch ein Theil der Alpen darauf erscheine, welchen gegen-
über, da man auf einer und derselben Karte weder eine doppelte ßeduc-
tion noch eine zweifache Böschungsscala anwenden könne, aie Apenninen
etwas gedrückt erscheinen. Dies sei auch der Grund, warum diese Karte
aus der Entfernung rücksichtlich der Bodenplastik keinen oesonderen Effect
mache; trete man jedoch näher, so sehe man, dass bezüglich der Situations-
zeichnung wirklich das Beste geleistet worden sei. Der Redner bespricht
nun das Detail der Karte noch näher und sa^ schliefslich , dass er sich
einer Bemerkung über die zum mindesten sonderbare Färbung der Grenzen
auf dieser Karte nicht enthalten könne. Während nämlich die politische
Grenze gegen Frankreich hin scharf markiert und gegen Savoyen und Nizza
bloXs schwach gelb verwaschen sei, so besitze man gegen die Schweiz einen
Anflug an die Farbe der Hoffnung. Ganz Venetien, Istrien und auch sogar
noch das Küstenland seien jedoch mit der das ganze Königreich um-
schliefsenden rothen Farbe eingesäumt, welche sich hier nur dadurch unter-
scheide, dass sie ein etwas schmutziges Roth sei. — Nach dieser Bespre-
chung hielt Professor Vielhaber einen längeren Vortrag über das „Leben
CsBsar's" von Kaiser Napoleon. Der Vortragende erwähnt zuerst, dass er
sich nicht nur mit diesem, sondern namentlich auch mit dem Momm-
sen'schen „Csesar** eingehend beschäftigt habe, und dass er Napoleon's
Werk nur vom rein wissenschaftlichen Standpuncte beleuchten werde. Diese
Beleuchtung bot ein vielseitiges Interesse, indem sie bis in das Innerste
des Werkes ihre Streiflichter warf. Es seien deren nur einige erwähnt.
Trotzdem der kaiserliche Autor in der Vorrede die geschichtliche
Wahrheit als heilig hinstelle, so kämen doch zu wiederholtenmalen sehr
arge Verstofse gegen dieselbe vor. So werden z. B. die Cimbem zu Gal-
liern (Kelten) gemacht. Um dies zu können, werden die Teutonen, deren
Name wahrscheinlich zu unkeltisch geklungen hätte , . gar nicht erwähnt,
entsprechend der Weise, wie die Napoleon'sche Karte des alten Galliens
die Tribokken und Nemeten aufs rechte Rheinufer versetzte, um Strafis-
burg zur urgallischen Stadt machen zu können. Ein anderer arger Verstofs
sei die Verwechslung der conventus mit den conventus civium Komanorum
u. dgl. m. Ebenso tadelnswerth sei es femer, die Reden in den Werken
der alten Historiker für wirkliche historische Ueberlieferungen auszugeben,
wie dies sehr oft von dem Verfasser geschehe, oder Anekdoten als wahre
Geschichte darzustellen. Das Gute im Buche bestehe nur in einer Reihe
staatsmännischer Raisonnements , die freilich etwas vorsichtig beurtheilt
werden müssen, und in einem Ueberblick über die Zustände der Mittel-
meerländer. Der erste Band enthalte so gut wie nichts Neues und auch
bezüglich des Reproducierten müsse man sehr auf seiner Hut sein. Mehr
sei von dem zweiten und dritten Bande zu erwarten.
Versammlung am 20. October 1865.
Nach mehrmonatlichen Ferien hielt der Verein an diesem Tage
wieder seine erste Versammlung ab. Als ordentliche Mitglieder traten dem
Vereine bei: H. Johann Halmschlag, Professor am Leopoldstädter Real-
gymnasium, Dr. Michael Wretschko, Professor am akademischen Gym-
nasium, und H. Victor Steiner, Professor am Mariahilfer Realgymnasium.
Herr Franz Kaschl, Zeichnungslehrer am akademischen Gymnasium,
wurde als aoGserordcntliches Mitglied aufgenommen.
Ilierauf hielt Herr Regierungsrath Dr. F ick er einen sehr eingehen-
den Vortrag über sein neuestes Werk „Geschichte, Systematik und Sta-
tistik der österreichifchen Volks- und Mittelschule."
Fünfte Abtheilung.
Verordnungen für die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Personal- und Schulnotizen.
(Ernennungen, Versetzungen, Beförderungen, Auszeich-
nungen u. s. w.) — Se. k. k. Apost. Majestät liaben mit Allerhöchster
Entschliefsunff vom 17. November 1. J. dem o. ö. Professor an der Uni-
versität zu Wien, Dr. Franz Haimerl, den Titel und Charakter eines
Hofrathes taxfrei zu verleihen und Allergnädiffst zu genehmigen geruht,
dass demselben die Leitung des Unterricntsratlies übertragen werde.
Der bisherige Lehrer am k. k. G. zu Rovercdo, Fortunato De massi o,
zum Lehrer am k. k. G. zu Trient; der Beligionslehrer der unteren
Classen am k. k. GG. zu Cilli, Johann Eruschitz, über Vorschlag des
fürstbischöfl. Ordinariates zu Marburg, zum Religionslehrer für alle
Classen dieses G.; der evang. Pfarrer augsb. Confession zu Cäcov in Un-
fam, Lic. theol. Johann Bor bis, zum Religionslehrer und Armand Gustav
^arell zum Supplenten am k. k. evang. G. zu Tcschen; der suppl.
Religionslehrer amG. zu Neu-Sandec, über Vorschlag des betr. bischöiL
Ordinariates, zum wirklichen Religionslehrer an derselben Lehranstalt;
der prov. Religionslehrer Constantin Andriewicz und der Hauptschul-
lehrer zu Suczawa, Joan Beldian, über Vorschlag des betr. bischöii. Or-
dinariates, zu wirklichen Religionslehrem an dem mechisch-oriental. G.
zu Suczawa; der Rupplent am kön. OG. zu Pest, Ludwig Bosko. zum
wirklichen Gymnasiallehrer ebendaselbst ; der bisherige Supplent am kath.
G. zu Schemnitz, Joseph Cselko, zum wirklichen Lehrer für classische
Philologie alldort; der bisherige Supplent am kathol. G. zu Neusohl,
Vincenz Zaymusz, zum wirkbchen Lehrer an derselben Lehranstalt; die
Supplenten am evang. Staats-G. zu Loutschau, Gustav Kor dos und
Kairl Kolbenheyer zu vnrklichen Gymnasiallehrern an derselben Lehr-
anstalt; der Supplent amG. zu Mariatheresiopel, Franz Hildenstob,
zum wirklichen Gymnasiallehrer daselbst; der Lehramtscandidat, Anton
Koch, zum Lehrer für Naturgeschichte am kathol. OG. zu Eperies; der
Hofconcipist d. kÖn. croatisch-slavon. Hofkanzlei, Zivko Vukasoviö, zum
wirklichen Director des OG. zu Essek; der supplierende Religionslehrer am
Staats-G. zu Mantua, Canonicus Robert Ardigö, über Antrag des betr.
bischöfl. Ordinariates, zum wirklichen Religionslehrer daselbst; der Gym-
nasiallehrer zu Treviso, Ferdinand Gnesotto, zum Lehrer am Staats-G.
zu Padua, der prov. Director des G. zu Rovigo, Dr. Leopold Mali
piero, zum wirklichen Director dieser Anstalt; endlich der bisherige Gym-
nasialsupplent zu Mantua, Franz Trevisan und der Lehramtscandidat
Leander Tallandini, zu wirklichen Lehrern für die lombardisch-
venezianischen Gymnasien.
Personal- und Schulnotizen. 787
Der Lchramtscandidat Joseph Divis zum Lehrer an der ÜB. zu
Steyr; der Lchramtscandidat Wastler zum wirklichen Lehrer an der
k. k. OR. in Laihach; der Gymnasiallehrer in Capo dlstria Franz Spi-
taler und der Lehrer an der Communal-OR. in Kuttenherg, Franz Zv er i na,
zu wirklichen Lehrern an der k. k. OR. in Görz; der suppl. Lehrer an
der Stadt. OR. zu Prefshurg, Karl Pal z er, zum wirklicnen Lehrer der
Geschichte alldort; der Hilfslehrer Albert Vesz an der städtischen ÜR.
zu Fünfkirchen zum wirklichen Lehrer dortselbst; femer der Piaristen-
Ordenspriester und Gymnasiallehrer Johann Nepomuk Matusik zum
1. Lehrer und Director, dann Karl Andrafsy und Stephan Korody zu
Lehrern an der neuerrichteten UR. zu Gyergyö-Szent-Miklös; end-
lich der Inhaber einer Privat- Lehr- und Erziehungsanstalt in Oeden-
burg, Albert Kossow-Gerronay, zum Präparandenlehrer an der dor-
tigen Präparandie, und der griech. kath. Priester und Lehrer am Belenyeser
G., Paul Vela, zum Lehrer an der griech. kathol. Präparandie in Grof s-
w a r d e i n.
Zu Turnlehrern an der Rofsauer C. OR. in Wien Heinz und am
C. RG. in der Leopoldstadt ebenda Weber.
Auf Grundlage des über die Organisation der akademischen Be-
hörden unter dem 27. September 1849 erflossenen provisorischen Gesetzes
und der Erläuterung des hohen k. k. Staatsministenums vom 26. Juli 1862
wurden im Juni und Juli an der hiesigen k. k. Universität die Wahlen
der akademischen Würdenträger für das eben besonnene Studienjahr 1865/66
vorgenommen und es sind hiebei gewählt worden:
a) Bei der theologischen Facultät: zum Decan des Doc-
torencollegiums Hr. Theol. Dr. Clemens Kickh, Capitularpriester des
Benedictiner-Stiftes zu den Schotten in Wien und zu Telky in Ungarn,
k. k. Hofprediger und Professor am k. k. Schottengymnasium, und zum
Decan des k. k. ProfessorencollegiumsHr. Theol.Dr.JosenhKisser,
Weltpriester, k. k. o. ö. Universitätsprofessor u. s. w. Als Proaecan des
theolog. Professorencolle^iums ist dessen letztjähriger Decan, Hr.
TheoL Dr. Joseph Danko, Weltpriester und Ehrendomherr an der Metro-
politankirche in Gran, k. k. o. o. Universitätsprofessor u. s. w., eingetreten.
b) Bei der rechts- und staatswissenschaftlichen Facultät
wurden gewählt: zum Decan des DoctorencoUegiums Hr. U. J. Dr.
Franz Egger, Hof- und Gerichtsadvocat u. s. w., und zum Decan des
k. k. Professorencollegiums Hr. U. J. Dr. Wilhelm Emil Wahlberg,
k. k. 0. ö. Universitätsprofessor u. s. w. — Das Prodecanat des rechts-
und Staats Wissenschaft liehen Professorencollegiums hat dessen
letztjähriger Decan, Hr. U. J. Dr. Ludwig Arndts, k. k. o. ö. Universitäts-
professor u. s. w., angetreten.
c) Beider medicinischcn Facultät wird als Decan des Doc-
torencoUegiums der Med. Dr. Karl Bernt, k. k. Landesmedicinalrath
und Präses der ständigen Medicinalcommission, am 7. December d. J. sein
drittes Decanatsjahr vollenden, und es wird sohin als Decan des Doc-
torencoUegiums Hr. Phil, und Med. Dr. Johann Alexander Lerch,
Ordinarius im Spitale der Barmherzigen u. s. w., das erste Jahr seines Deca-
nats beginnen. — Zum Professorendecan ist Hr. Med. Dr. Johann
Dlauhy, k. k. o. ö. Universitätsprofessor u. s. w., erwählt worden und als
Pro decan ist der letzl^ewesene Decan Hr. Med. und Chir. Dr. Joseph
Späth, k. k. 0. ö. Universitätsprofessor u. s. w., eingetreten.
d) Bei der philosophischen Facultät wurden erwählt: zum
Decan des Doctorencoilegiums Hr. Phil. Dr. Hermann Ferdinand
Burian, k. k. Ministerialsecretär im Staatsministeriam u. s. w., und zum
Decan des Professorencollegiums Hr. Phil. Dr. Robert Zimmer-
mann, k. k. 0. Ö. Universitätsprofessor. — Als Prodecan ist der letzt-
jährige Professorendecan Hr. PniL und U. J. Dr. Franz Xaver Miklosich,
L k. 0. 5. UnivenitfttsprofesBor tu b. w., eingetreten.
788 Personal- und Schnlnoiizen.
Indem nach der Reihenfolge der Facnltaten der Bector Mafifnificns
der Wiener Hochschule für das Studieigahr 186f/66 aus der philosophischen
Facultät hervorzugehen hatte, so wurden für diese höchste akademische
Würde sowol von dem Doctoren-, als von dem ProfessorenooUe^ium der
genannten Facultät die Vorschlage erstattet, und der akademiscne Senat
hat den Hrn. Phil. Dr. Alhert Jaeger, k. k. o. ö. Universitätsprofessor
der österreichischen Geschichte, Vorsteher des philologisch - historischen
Seminars, Director des Instituts für österreichische Geschichtsforschung,
Mitglied des k. k. Unterrichtsrathes , wirkliches Mitglied der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften in Wien u. s. w., in Anerkennung der wich-
tigen und vielfältigen Verdienste, welche sich derselbe sowol im Univer-
siultslehramte , als um die Wissenschaft erworben hat, zum diesjährigen
Universitäts-Rector erwählt.
Die feierliche Inauguration des neu gewählten Universitäts-Rectors
Magnificus hat am 2. d. M. in dem — von der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften dazu eingeräumten — Festsale des vormaligen Universitäts-
gebäudes stattgefunden.
Der ordentliche Professor der Statistik Dr. Eberhard Jonak zum
ordentl. Professor der politischen Wissenschaften, der a. o. Professor Dr.
Joseph Maschka zum ordentlichen Professor der gerichtlichen Medicin
und der Staatsarzneikunde, und der Privatdocent Joseph Dastich zum
auTserordentlichen Professor der Philosophie an der Hochschule zu Prag;
Eduard Linnemann aus Frankfurt a. M. zum aufserordentlichen Pro-
fessor der allgemeinen und pharmaceutischen Chemie an der Universität
zu Lemberg; femer Dr. phil. Franz Karl Joseph Mertens aus Wreschen
im GroiÜsherzogthum Posen zum auXserordentlichen Professor der reinen
Mathematik (in polnischer Vortragssprache) und der a. o. Professor des
römischen Rechtes Dr. Friedrich Zoll zum ordentlichen Professor dieses
Faches an der Universität zu Krakau; der o. ö. Professor der Prelis-
burger Rechtsakademie, Dr. Paul Hoffmann, zum ordentl. öflfentL Pro-
fessor des römischen Riech tes an der Pester Universität.
Der Nobile Antonio DalTAcqua Giusti zum Professor der Kunst-
geschichte an der Akademie der schönen Künste in Venedig; Dr. Franz
Coglievina, vordem Assistent an der Universität, dann Lehrer der
italienischen Sprache und Literatur an der k. k. Theresianischen Akademie,
zum Professor desselben Faches am Wiener Conservatorium ; der Maler Jo-
hann Kriehuber zum Professor der Zeichnenkunst an der k. k. Theresia-
nischen Akademie; der wegen seiner Tüchtigkeit auf dem Gebiete der
pathologischen Anatomie vortheilhaft bekannte Dr. Theod. Meynert zum
prov. Prosector am k. k. Irrenhauie in Wien; der quiescierte Universitäts-
professor Dr. Michael Koczinski zum überzähligen Advocaten in Krakau.
Dem Präsidenten der statist. Centralcommission, Sr. Excellenz Karl
Freiherm von Czoernig, ist, bei seiner über eigenes Ansuchen erfo^ten
Versetzung in den bleibenden Ruhestand, in Ai^crkennung seiner vieljäh-
rigen mit Treue und Auszeichnung eeleisteten Dienste, taxfrei das Com-
mandeurkreuz des Leopold-Ordens; dem Regierungsrathe und Vicedirector
des geh. Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Alfred Ritter von Arneth, in
Ajierkennunfi; seiner ausgezeichneten Leistungen auf dem Gebiete der öster-
reichischen Geschichtsscnreibung, und dem kais. Rathe und Director der
k. k. Gemäldegalerie in Wien, Erasmus Engert, der Orden der eisernen
Krone 3. Cl. ; dann dem Scriptor der k. k. Hofbibliothek und Professor an
der Kriegsschule, Joseph Weil, so wie dem Professor an der medicinisch-
chirurgischen Josephs- Akademie, Dr. Matthias Schwanda, in Anerken-
nung seines besonders erfolgreichen Wirkens im Lehrfache, das Ritterkreuz
des Franz Joseph-Ordens, AUergnädigst verliehen; ferner ist dem vater-
ländischen Dichter Hofrath Franz Grillparzerdas GroMreuz, dem Gustos
der k. k. Hofbibliothek Theodor von Karajan das Ck>mmandearla:eaz, und
Personal- und Schulnotizen. 780
dem Hof- und Universitätsbuchhändler Wilhelm Braumüller das Ritter-
kreuz des kais. mex. Guadalupe- Ordens, dem Director der geologischen
Reichsanstalt Hofrath Wilhelm Ritter v. Haidinger den kais. russ. St.
Annen- Orden 2. Cl., dem Wiener Buchhändler Friedrich Gerold das
Ritterkreuz der kais. französ. Ehrenlegion, dem Wiener Universitätspro-
fessor Dr. Joseph Hyrtl den kön. preufs. Eronenorden 2. Cl. und dem
Wiener üniversitätsprofessor Med. Dr. Karl Cefsner denselben Orden
4. CL, dem Schriftsteller Dr. Ludw. Aug. Fr an kl das Ritterkreuz des
kön. schwedischen Wasa-Ordens, und dem Schriftsteller Dr. Leopold Ko m-
Sert das Ritterkreuz des grofsherz. Sachsen - weimarischen Falken - Or-
ens annehmen und tragen zu dürfen Allergnädigst gestattet; dem Pro-
fessor am polytechn. Institut in Prag, Dr. Joseph Lumbe, in Anerken-
nung seines vieljährigen verdienstlichen Wirkens taxfrei der Titel eines
kaiserlichen Rathes, und dem Professor an der Akademie der bildenden
Künste in Wien, Karl Rösner, in Anerkennung seines vieliährigen ver-
dienstlichen Wirkens als Lehrer und Künstler, taxfrei der Titel eines Ober-
banrathes zuerkannt, und sind femer der Professor der Katechetik und
PflBdagogik zu Klagen fürt, Dr. Johann Wilhelm, zum Canonicus theo-
logalis an dem Gurker Domcapitel, der Director und Katechet an der Haupt-
und ÜR. zu Pirano, Johann Sin eich, zum Ehrendomherrn an dem
Kathedralcapitel von Triest, der Consistorialrath der Szathmarer Dicecese
und Lehrer der ungarischen Sprache und Literatur an der Theresiani-
schen Akademie in Wien, ifmerich H o m o k v , zum Vorstande der Real-
abtei zu Lekör, endlich Prof. Dr. Eduard Herbst zum Mitglied der Com-
mission zur Controle der Staatsschuld, der k. k. Hofrath Adam Ritter von
Burg zum Präsidenten - Stellvertreter , der k. k. Professor Dr. Rudolf
Eitel berger v. Edelberg zum Vertreter des k. k. Staatsministeriums,
dann die Professoren: der k. k. Oberbergrath Otto Freiherr von Hingenau
und Dr. Anton Schrötter zu Mitgliedern des k. k. öst. Centralcomite's
für die Agricultur-, Kunst- und Industrieausstellung in Paris, und aufser-
dem Prof. Dr. v. Eitelberger zum Präses des zum Zweck der Pariser-
Weltausstellung aufgestellten Filialcomit^s für Kunst in Wien, der Custos
am k. k. Münz- und Antiken - Cabinet in Wien Dr. Eduard Freiherr von
Sacken zum wirklichen Mitglied und Rath der Akademie der bildenden
Künste in Wien, und der k. k. Oberbergnrath Freiherr v. Hingenau von
der Universität zu Bonn zum Doctor iuris honoris causa ernannt worden.
üeber die öffentlichen Vorlesungen an der k. k. Universität zu W i e n
im Winter-Semester 1865/B6 s. AmtsbL z. Wr. Ztg. vom 21. October 1. J.,
Nr. 242.
Das G. zu Grofs-Kanisza, aus dem so viele hervorragende Persön-
lichkeiten hervorgegangen sind, feierte am 5. November d. J. das lOOjäh-
rige Jubiläum seines Bestehens; ferner beabsichtigt die Stadt Grofs-
Kanisza die Errichtung eines OG. , wozu die Erlaubnis, das nöthige
Capital auf dem Wege der öffentlichen Sammlung aufzubringen, ihr er-
theilt wurde.
Der am 31. August L J. verstorbene Dr. Martin Scherer, k. k.
Universitätsbibliothekar zu Innsbruck, hat die dortige k. k. Musterhaupt-
schule, an der er durch viele Jahre als Katechet gewirkt, zum Erben
seiner Bücher eingesetzt, und gleichzeitig als Beitrag für ein beantragtes
Präparandenstipendium eine 4procentige Staatsschuldverschreibung von 100 fl.
Yennacht.
Der Hochw. Hr. Bischof Strofsmayer hat dem Vereine für Unter-
stützung dürftiger Schüler am G. zu Warasdin den Betrag von 1000 fl.
gespendet.
Sr. k. k. Apost. Majestät haben mit Allerhöchster Entschliefsung
vom 2. October 1. J. die Enichtung eines 4clas8. UG. in der Kreisstadt
Wadowice Allergnädigst zu genemnigen geruht, wobei die Opferwillig-
790 Personal- nnd Scholnotizeii.
keit der dortigen Stadtgemeinde für Unterbringung, Beheizung nnd Bei-
schaffan^ durcn Einzahlung eines Betrages von 1500 fl. ö. W. in den Stndien-
fonds mit verdienter Anerkennung zur Wissenschaft genommen wurde.
Der Fabriksbesitzer und Hauseigenthümer A. M. Po Hak hat dera
Bürgermeister von Wien, aus Anlass des fünfzigjährigen Jubiläums und
der Reorganisierung des hiesigen Polytechnicums, den Betrag von 1000 fl.
mit der Bestimmung überreicht, dass hiefÜr eine Bibliothek zur Benützung
für Studierende der Technik und Gewerbetreibende gegründet werde.
Dem evang. Pfarrer Brunn ich, dem Franz Bürckholdt und
dem Heinrich Pfeiffer in Rumburg ist die Bewilligung zur Errichtung
eines Vereines für die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse unter
dem Namen „Humboldt-Verein" mit dem Sitze in Rumbarg, unter
Genehmigung der Statuten desselben, Allergnädigst bewilligt woroen.
(Erledigungen, Concurse u. s. w.) Wadowice, neu errichtetes
UG., Directorsposten und 2 Lehrstellen, die eine für das historisch-philo-
logische, die andere für das mathematisch - naturwissenschaftliche Gebiet
Termin: 15. Jänner 1866, s. Amtsbl. zur Wr. Ztg. v. 19. November 1. J.,
Nr. 265.
(Todesfälle.) In der Nacht auf den 14. August 1. J. zu Schwerin
der Justizminister Dr. August Wilhelm Schröter, früher Professor an der
Universität zu Jena, in der juristisch- literarischen Welt wohlbekannt
— Am 14. August 1. J. zu Babenc Med. Dr. Johann Zobel, seiner
Zeit Assistent der Botanik an der Prager Universität, dann Professor an
der Forstschule zu Weifswasser, auch durch gediegene Fachschriften bekannt,
im 53 Lebensjahre.
— Am 15. August 1. J. zu Wien der k. k. Kammer-Medailleur und
Director der k. k. Münz-Graveur-Akademie Joseph Daniel Böhm (geb. am
16. Ijiärz 1794 zu Wallendorf in der Zips), als Künstler, Kunstkenner und
Kunstsammler gleichgeschätzt, im Alter von 72 Jahren; zu Kronstadt Dr
Georg Petreanu, Professor am dortigen griech. orient. G., im 31. Lebens-
jahre , und in der sächs. Landes-Irrenanstalt Sonnenstein der ausgezeichnete
Postmann, Gottlieb Friedrich Hüttner, auch au/öerhalb Sachsens durch
seine Thätigkeit als volkswirthschaftlicher Schriftsteller wohlbekannt
— Am 16. August 1. J. zu Prag der hoffnungsvolle Schriftsteller Wilh.
Hansel im Alter von 22 Jahren; zu Stuttgart Dr. Hermann Hauff (geb.
ebendort am 21. August 1800), Bruder des bekannten Novellisten und
Dichters Wilhelm H. , praktischer Arzt und seit 38 Jahren Redacteur des
werth vollen literarischen Journals „Morgenblatt** (vgl. Beil. zu Nr. 262 der
A. a. Ztg. V. 19. September 1. J.); zu Hamburg der Senator Dr. iur. und
theol. Hudtwalker, durch seine literarische Thätigkeit auch in weiteren
Kreisen bekannt, im Alter von 78 Jahren, und zu London der Director
des botanischen Gartens in Kew Sir William Jackson Hook er, um die
Botanik durch einschlägige Werke („Flora Borealis Americana", „Genera
Filicum", „Flora Exotica", „Museologia Britannica" u. m. a.) hochverdient
im Alter von 80 Jahren.
— Am 17. August 1. J. zu München der quiesc. kön. Oberstkämmerer
Joh. Nep. Freiherr v. Poifsl (geb. 1783 auf Schloss Loifling im bayer.
Wald), als Kunstförderer und (Jompositeur rühmlich bekannt, und zu Brüs-
sel der Bibliothekar des Königs der Belgier Dr. Sigmund Sehe 1er (geb.
zu Coburg), 73 Jahr alt.
— Am 18. August 1. J. auf der Insel Aegina der ehem. k. griechisch«
Ministerpräsident Alexander Maurokordatos,der bekannte Kämpfer für
Griechenlands Selbständigkeit, im Alter von 77 Jahren.
— Laut Meldung aus Pest vom 18. August 1. J. der Nestor der
Ungar. Gelehrten weit, Georg Bartal, eine Specialität auf dem Felde der
Geschichte und Rechtsgelehrsamkeit, im hohen Alter von 86 Jahren.
— Am 19. August L J. zu Neuhaus in Bdhmon Se. Hochw. d«r
Personftl- und Schulnotizen. 791
Piariiten-Ordenspriester Hubert Hudec, pens. Director des dortigen k. k.
G., im Alter von 70 Jahren.
— Am 20. August 1. J. zu Reichenau Franz Chladek, Syndicus
der Prag er Universität, im Alter von 76 Jahren.
— Am 21. August 1. J. zu Reufs der G3anna8ialoberlehrer Dr. J.
Franz Ahn (geb. zu Aachen 17%), durch seine vielen Schriften auf sprach-
lichem Gebiete, namentlich durch seine französischen Grammatiken weit über
die Grenzen Deutschland's bekannt, und zu Alexanderbad in Bayern der
preuss. Kechnun^rath a. D. Müller, Schriftführer des Berliner Zweig-
vereines der Schillerstiftung, auch als Lyriker nicht unbekannt.
— Am 22. August 1. J. zu Frankfurt a/M. der ausgezeichnete Maler
Ernst Schalck (geb. ebendort 1828) , namentlich im humoristischen Facho
geschätzt.
— Am 23. August 1. J. der Maler Ferd. GeorgWaldmüller (geb.
zu Wien am 14. Jänner 1793), k. k. akadem. Bath und Professor an der
Wiener Akademie der bildenden Künste, Ritter des Franz Joseph-Ordens
u. s. w., im Fache der Genre- und Conversations-, dann der Porträtmalerei
ausgezeichnet.
— Am 26. Auffust 1. J. zu Spandau der berühmte Astronom, früherer
Director der Berliner Kön. Stemwaixe, Professor Dr. Joh. Frz. Encke (geb.
zu Hamburg, am 23. September 1791), Mitglied der „Royal Society" (vgl.
Beil. zu Nr. 291 der A. a. Ztg. v. 18. Octoher 1. J.).
— Am 27. August 1. J. zu Graz der k. k. Hofrath und Reichshistorio-
graph Friedrich v. Hu rter- Ammann (geb. zu Schaffhausen am 19. März
I7w), durch seine historischen Schriften („Geschichte Papst Innocenz EI.*',
„Geschichte Ferdinands IL**, „Biographie der Erzherzogm Maria", „Cri-
minalgeschichte des Kammerdieners Philipp" u. m. a.) in weitesten Kreisen
bekannt (vel. öst. Wochenschrift. 1865. Vi. Bd. Nr. 36 S. 343 ff.), und zu
Isleworth (Grafschaft Middlesex) der Dichter Dr. Thomas Chandler Halibur-
ton (geb. zu Windsor in Neuschottland), als Vf. von „Sam Stick's Say-
ings and Doings" u. m. a. bekannt, im Alter von 68 Jahren.
— Am 28. August L J. zu Pesth Anton Elter, Chormeister des
dortigen Universitäts-Gcsangsvereines, als tüchtiger Musiker bekannt.
— Am 29. August 1. J. zu Kissingen Med, Dr. Robert Remak , a.
0 Professor der Medicin an der Universität zu Berlin, im 49. Lebensjahre.
— Am 30. August 1. J. zu Gotha der Maler Wilhelm Kiesewetter
feeb. zu Berlin), durch seine vieljährigen Reisen in Schweden, Russland,
ftr Tartarei und dem Kaukasus und seine bildlichen Skizzen und Vorträge
darüber bekannt.
— Am 31. August 1. J. zu Innsbruck der dortige üniversitäts-
bibliothekar Martin Seh er er (geb. zu Satteins in Voralberg am I.Jänner
1786), auch in weiteren Kreisen bekannt; zu Ofen Se. Hochw. Schmidt-
Ször^ny aus dem Orden der Benedictiner, Mitglied der Studiencommission
bei dem k. ung. Statthaltcreirathe, k. Rath, Ritter des Franz Joseph-Ordens
u. s. w., im 61. Lebensjahre, und zu Eisenberg (Sachsen-Altenburg) Georg
Friedrich Hanisch, der Componist des bekannten Liedes .-„Sind wir ver-
eint zur guten Stunde u. s. w."
— Anfang Aueust 1. J. zu Brüssel der Genieoberst Lagrange, zweiter
Director der Knegsschule, sehr geschätzter Militärschriftsteller.
— In der 1. Hälfte des August 1. J. zu Brüssel Dr. Dieudonn^,
Präsident der dortigen medicinischen und naturhistorischen Gesellschaft,
58 Jahre alt.
— Mitte August 1. J. zu Frankfurt a/M. Dr. Eduard Hey der. durch
seine Vorlesungen und durch sein Werk: „Biographien berühmter ausge-
zeichneter Frankfurter" bekannt, und zu Dresden Friedrich Brockhaus
(geb. am ::3. September 1800 zu Detmund), früherer Mitinhaber der Firma
F. A. Brockhaus, Mitbegründer und langjähriger Leiter der „deutschen
Allgemeinen Zeitung."
— In der 2. Hälfte des Monats August 1. J. zu Paris der Kupfer-
fteeher und Schriftoteller Alezander Marcean, als Graveur und Drama-
792 Personal- und ScbuinotizeiL
tiker bekanut, im Alter von 48 Jahren; zu Düsseldorf der ymge talent-
volle und bemittelte Landschaftsmaler J. Hatogensis aus Holland, durch
freiwilligen Tod im Rhein, und zu Rom der Maler Cavalleri, Pro-
fessor an der Akademie der schönen Künste alldort, ein 7Qjähriger Greis,
durch Selbstmord.
— Gegen Ende August 1. J. zu Rom der gewandte und mit feiner
Naturempfindun^ begabte Künstler J. Raff alt, ein Sohn des berühmten
vor mehreren Janren verstorbenen Landschaftsmalers, im 32. Lebensjahre;
zu Speyer das Mitglied der belg. Akademie Dr. Arendt (geb. zu Berlin),
Professor an der Universität zu Löwen, durch staatswissenschaftliche, hi-
storische und politische Werke bekannt, und zu Florenz der schwedische
Arzt und Naturkundiger Johann Hegenborg, im Alter von fast 79 Jahren.
— Laut im August 1. J. eingegangenen Nachrichten aus den nie-
derländischen Colonien Dr. H. A. Bernstein (geb. zu Breslau am 22. Sep-
tember 1828), früher Arzt in Batavia, als Durdiforscher von Neu-Gninea,
Halmaheira u. s. w. und Berichterstatter über die dortige Bevölkerung, Pro-
ducte u. s. w. alldort bekannt.
— Ende August 1. J. zu Dorpat Frau Andelew, Schriftstellerin
auf dem Gebiete der slavischen Literatur und Nationalcekonomie.
— In der Nacht vom 31. August zum 1. September L J. zu Ober-St.
Veit nächst Wien Dr. Moriz Edler von Stubenrauch (geb. am 22. Sep-
tember 1811 zu Wien), Professor der öst. Verwaltungsgesetzkunde und des
Ost. Handels- und Wechselrechtes an der k. k. Wiener Universität,
Mitglied der theor. Staatsprüfungscomniission u. s. w., als Redactenr der
Zei&chrift für öst. Rechtsgelehrsamkeit, der allg. öst. Gerichtszeitune und
als Verfasser gediegener Fachwerke in weiten Kreisen bekannt , durch
Selbstvergiftung.
-- Am 3. September 1. J. in seiner Wohnung bei der Sternwarte zu
Dunkirk der engliscne Astronom und Mathematiker William Rowan Ha-
milton, Professor der Astronomie an der Universität zu Dublin, im Alter
von 60 Jahren.
— Am 4. September 1. J. zu Graz Sr. Hochw. Dr. Franz Schell,
fürstbischöfl. Consistorialrath, Kanzler des füritbischöfl. Ordinariates u. s. w.,
im 50. Lebensjahre; zu Stuttgart der bekannte Schriftsteller Traugott
Bromme {geh. zu Leipzig 1802), der sich durch seine Reisen in America,
so wie durch seine Bemühungen zur Regelung der Auswanderung und zur
Gründung deutscher Ansiedelungen in Nord- America vielfache Verdienste
erworben hat, und zu Freiburg i. Br. der Nestor der kathol. Theologen
Deutschlands Dr. J. B. v. Hir scher (geb. 1788), grofsherzgL Geheimrath,
Domdecan, Professor der Theologie an der Universität alldort.
— Am ö. Sentember 1. J. zu Werschetz im Banat der Dichter Dr.
Friedrich Bach (geb. 1817 zu Königgrätz), ein liebenswürdiges lyrisches
Talent, Vf. der ^Sensitiven" (Leipzig, 1839. 2. Aufl. 1847}.
— In der Nacht vom 10. auf den 11. September 1. J. auf seinem
Schlosse Pronzel bei Amiens der bekannte französische General, zuletzt Ober-
commandant der päpstlichen Armee, Christoph L. L. Juchault de Lamo-
riciöre (geb. zu Nantes 1806).
— In der Nacht vom 13. zum 14. September L J. zu Prag Hein-
rich Kessels (geb. zu Altona), Professor der mechan. Technologie am
dortigen polytechnischen Landesinstitut, im Alter von 30 Jahren, durch
Selbstvergiftung.
— Am 14. September 1. J. zu Cremona der durch seine medicini-
sehen und naturwissenschaftlichen, insbesondere chemischen, Werke be-
kannte Arzt Cavaliere Dr. Gaspero Cerioli, Entdecker des Nicotins, im
Alter von 85 Jahren.
— Am 16. September 1. J. zu Venedig Dr. Giovanni della Porta,
seiner Zeit als Zeituuffsredacteur („ Lombarde- Veneto**, „L' Indicatore**) be-
kannt, im Alter von kaum 43 Jahren.
— Am 18. September 1. J. zu Kopenhagen der General ä la suite
Christian Julius de Meza (geb. zu HelsiDgöi am 14. Jännei 1792), früher
Personal- und Sclmlnotizen, t9S
commandierender General in Sclilcswig, dann zur Zeit des Ausbruches
des letzten deutsch-dänischen Krieges Oberbefehlshaber der activen däni-
schen Armee, und zu Reichenhall der Schriftsteller Ernst Roth.
— Am 19. September 1. J. zu Montpellier der Professor an der
chirurgischen Klinik Alguie, im kräftigsten Mannesalter.
— Am 22. September 1. J. zu Olmütz der Redacteur der politischen
Zeitschrift „Neue Zeit*' Joseph August Bartsch, und zu Petersburg der
durch seine naturhistorischen Untersuchungen bekannte Staatsrath Dr.
Christian Pander (geb. 1794), namentlich im Bergwesen thätig.
— Am 28. September 1. J. zu Hassfart der Professor an der poly-
technischen Schule zu Nürnberg Karl v. Heideloff (geb. zu Stuttgart
am 2. Februar 1788^, Conservaior, Baumeister , Maler u. s. w., ein Meister
altdeutschen Baustiles, durch seine Neubauten, Restaurationen und Fach-
schriften rühmlich bekannt. (Vgl. BeU. zu Nr. 280 A. a. Ztg. v. 7. October
1. J. S. 4547 ff.)
— Am 29. (?) September 1. J. zu Krakau der Militärarzt Dr. Her-
bich, Mitglied der k. k. Gelehrtengesellschaft alldort, Verfasser mehrerer
botanischer Werke.
~ Zu Padua am 29. September 1. J. der ausgezeichnete Orientalist
Samuel David Luzatto, (geb. zu Triest am 22. August 1800), Professor
am dortigen Rabbinerseminar.
— Am 30. September L J. zu Pötzleinsdorf nächst Wien der Lan-
desgerichtsrath Heinrich Adami (geb. zu Wien am 16. December 1807),
als Belletrist, Journalist und juristischer Schriftsteller vortheilhaft bekannt;
zu Stuttgart der geschätzte Berliner Bildhauer Hermann Heidel (geb. zu
Bonn), Verfasser emer nKünstleranatomie**, in der Blüte seiner Jahre, und
zu Frascati der treffliche Landschaftsmaler Johannes Frey aus Basel.
— In der 1. Hälfte des Septembers 1. J. zu Aylespury der Admiral
W. H. Smyth, auch als Gründer der geographischen Gesellschaft und Di-
rector des alterthumswissenschaftlichen Vereines bekannt, im Alter von
77 Jahren, und zu Berlin Professor Dr. Moriz Baumert aus Bonn (geb.
in Schlesien), Mitglied der Examinationscommission für die Staatsprüfung
der Apotheker, durch Leistungen auf dem Gebiete der Chemie bekannt.
— Mitte September 1. J. zu Florenz Michel Angelo Migliarini,
CoBservator der Antiquitäten in der dortigen Galerie, als Archaeolog ge-
schätzt, im Alter von 86 Jahren.
— Im Sentember 1. J. zu Petersburg der Landschaftsmaler Tschenet-
zoff; zu Dresaen der holländische Marinemaler J. P. Schotter, und
zu Frankfurt a/M. Dr. iur. J. D. Loben stern (geb. zu Hanau), als Vf.
mehrerer in der juristischen Literatur mit Anerkennung genannter Schriften.
— Ende September L J. zu London Job. Frederik Herring (aus
Holland stammend), der bekannte Thier-, namptlich Pferdemaler, im Alter
von 71 Jahren, und zu Peyraube (Frankreich) Carneille, als ausgezeich-
neter Sammler und Kenner von seltenen Büchern bekannt, im Alter von
97 Jahren.
— Am 2. October 1. J. zu Wien der Antiquar-Kunsthändler David
Weber (geb. zu Ztlrich am 15. April 1790), eine Notabilität im Kunstfache,
auch als Landschaftsmaler, Bilderrestaurateur und Aetzkünstler geschätzt.
— Am 4. October 1. J. zu Wien Sr. Excell. FML. Heinrich Baron
Sunstenau von Schützenthal, seit 1798 der k. k. Armee angehörig,
auch als Fachschriftsteller („GrundsÄtze der Strategie" u. m. a.) von Ruf,
und zu Teschen der Reli^onslehrer am k. k. evang. OG., Senior der
Bchlesischen evang. Gemeinde und evang. Pfarrer in Teschen, Gustav Hein-
rich Klapsia.
— Am 6. October L J. lu Wien die geschätzte Genre- und Porträt-
malerin Elise Modell (geb. zu Wien 1820), zuletzt erblindet in ärmlichen
Umständen.
— Am 6. October 1. J. zu Stuttgart der Hofgraveur Philipp Hirsch,
ein in seinem Fache hochgeschätzter Künstler, und zu Paris Dr. Adolf
Tr^buchet (geb. zu Nantes am 11. October 1801), Mitglied der Aca-
794 Personal- nnd Schnlnotizen.
demie de Medecine, Sccretär des öffentlichen Gesundheitrathes u. s. w., auch
ab Fachschriftsteller geschätzt.
— Am 8. October 1. J. zu Prag Johann Helhling Ritter von
Hirzenfeld (geh. zu Prag am 3. Decemher 1789), pens. a. ö. Professor
der historischen Wissenschaften an der k. k. Universität zu Prag, Custos
des k. k. numismatischen Cahinets, wirkl. Mitglied des vaterländischen
Museums u. s. w., und Heinrich Lengerich, Maler, Professor an der
Akademie zu Berlin.
— Am 9. Octoher 1. J. zu Wien der pens. Sparcassabeamte Ferdi-
nand Bitter von Seyfried, langjähriger Redacteur der Zeitschrift „Der
Wanderer", auch als Kunstkritiker und Schriftsteller („Rückschau auf das
Theaterleben Wien's") thätig, im Alter von 55 Jahren, und zu Nizza der
berühmte Violinvirtuose undComponist Heinr. Wilh. £rnst (geb. zu Brunn
1817), „Der erste Sänger auf der Geige" genannt.'
-- In der Nacht zum 11. October 1. J. zu Wien durch Selbstmord
Dr. Ferdinand Uefsler (geb. zu Regensburg in Bayern am 30. Februar
1803J, 0. ö. Professor der Physik am k. k. Polytechnicum zu Wien , corr.
Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften, uemeinderath u. s. w., als
Lehrer geehrt, als Fachschriftsteller („Lehrbuch der Physik**, „Jahrbuch
für Physiker u. s. w.", „Jahrbuch für Fabricanten u. s. w.") geschätzt.
— Am 12. October 1. J. zu Florenz Filippo Luigi Polidori (geb.
zu Faenza), Director des Staatsarchivs zu Siena, auf dem Gebiete der Philo-
logie und der italienischen Literatur und Sprache hochgeachtet , und auf
Schloss Bagen (Dcpart. der oberen Garonne) William Vincent Wallace
(geb. zu Waterford in Irland 1815), als Operncomponist („Maritana**, „Maria
V. Ungarn", „Lurline", „Die Ambra-Hexe", „Die Blume der Wüste" u. a.),
so wie als Violin- und Klavier-Virtuose, bekannt.
— Am 13. October 1. J. zu Neumühlen der durch seine Compositionen
und sein ViolonceUspiel bekannte Tonkünstler Cypriano Rom berg, früher
Mitglied der k. russischen Oa]>elle, durch Ertrinken beim Baden in der Elbe.
— Am 14. October 1. J. Bildhauer Crcorg Hurt zig in Hannover.
— Am 17. October 1. J. zu Paris der Professor an der dortigen
medicin. Facultät Malgaigne, Vorstand der Academie de Mädecine, einer
der geachtetsten Chirurgen Frankreichs, im Alter von 59 Jahren.
— Am 18. October 1. J. zu Greifswald der geschätzte Geschichtsforscher
und Sammler ponimer'scher Alterthümcr Dr. ^Medrich von Hagenow,
Verf. e. trefflichen antiquarischen Karte von Rügen, und zu Brooket-Hall-
Herts bei London der englische Minister Henry John Teraple, dritter Vis-
count Palmerston (geb. zu Broadlands in der engl. Grafscnaft Hampshire,
am 20. October 1784), eine der grüfäteh diplomatischen Celebritaten der
Gegenwart.
— Am 21. October 1. J. zu Breslau Dr. Fried. Wilhelm Lilie, Pro-
rector am dortigen G. zu Maria Magdalena, 67 Jahre alt, und zu Salzburg
der bekannte Musiklehrer Ferdinand Zeller, als Violinspieler, Pianist und
Tonsetzer gcscliätzt, im Alter von 51 Jahren.
— Am 24. October L J. zu Strafäburg Paul Lehr, ein überaus
gründlicher Kenner der deutschen Literatur, als Uebersetzer von Pfeffel's
„Fabeln" und Bürger's „Leonore" bekannt, im 78. Lebensjahre.
— Am 25. October 1. J. zu Wien Franz Breither, als Zeitungs-
redacteur („Oesterr. Volksfreund") bekannt, im Alter von 59 Jahren.
— Am 28. October 1. J. zu Prag der Musiker und Redacteur der
böhmischen Musikzeitung, J. Ulm (übra), und zu Paris der Nestor der
Buchhändlerwelt Martin Bossange (geb. im Februar 1766 zu Bordeaux).
— Am 29. October 1. J. zu Arad der pens. Schuldirector Demeter
Constantini, um das rumänische Volksschulwesen hochverdient, auch als
Literat geachtet, im 77. Lebensjahre.
(Diesem Hefte ist eine kritische Beilage beigegeben.)
Beilage
zur
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.
(XVI. Jahrgang, X. Heft.)
Entgegnung
auf die Anzeige in Heft VIU. S. 604 u. 005.
In dem letzten Hefte der Zeitschrift für die Gymnasien Oesterreichs
findet sich auf Seite 604 eine Recension des von mir herausgegebenen
Lesebuches, welche mich zu einigen Bemerkungen veranlasst.
Ueber das Verhältnis memes Lesebuches zu dem von H. Mozart
herausgegebenen zu sprechen, steht mir am wenigsten zu; so viel erlaube ich
mir aber doch zu sagen, dass, rticksichtlich „der Reichhaltigkeit des In-
haltes, geschmakvoller Auswahl und Anordnung des passenden Lesestoffes"
der Mozart'schcn Lesebücher ein grofser Theil des Lehrerstandes einer an-
deren Ansicht ist als der H. Recensent. Einen grofsen Anstofs nimmt der
H. Recensent an der Orthographie des Jjesebuches. Ueber diesen Punct
glaube ich zu meiner Rechtfertigung etwas bemerken zu müssen. Nach
reiflicher Üeberlegung entschied ich mich für jene Orthographie, welche
in den för die Hauptschulen im Kaiserthume Oesterreich vorgeschriebenen
Lehrbüchern befolgt wird. Die Regeln dieser Orthographie hat Fr. Hcrr-
mann in recht fasslicher Weise zusammengestellt in dem Werkchen, auf
welches in der Vorrede hingewiesen wird. Der vollständige Titel lautet:
^Dio deutsche Schreibung und Satzzeichnung wie sie in den im Kaiser-
thume Oesterreich vorgeschriebenen Schulbüchern angenommen ist. Prag
1856. K. Andre.«
Nach dieser Orthographie ist also ganz richtig S. 55 und 97 mü-
ßen, S. 56 mußt, S. 83 mußte, S. 92 müße. So gedruckt findet man es
auch in dem Buche: Nömeckä mluvnico a ätanka pro treti tfidu hlav-
nich Skol etc. S. 96 und 22. Vergl. Herrmann S. 74 und 177. Die Schrei-
bung S. 79 Spass und S. 90 Spassi^keit ist nach Herrmann S. 37, 39 und
178 eben so richtig, wie S. 91 Müßigang nach Herrmann S. 74 und 177.
Seite 54 und sonst überall steht 'wohl' nach Hetrmann S. 48 und 180;
dass sonst auch 'wol' statt Vohl* gedruckt ist, ist zwar gesagt, aber nicht
nachgewiesen. Der H. Recensent könnte hier höchstens den Druckfehler
S. 9 anführen, welcher im Druckfehlerverzeichnisse berichtigt ist.
Mit der Tilgung des Dehnungszeichens bei einzelnen Wörtern ist
der H. Recensent nicht einverstanden und führt eine Anzahl Inconsequenzen
an. Hätte der H. R. das so oft erwähnte Buch von Fr. Herrmann nachjge-
schlagen, so wären ihm diese Inconsequenzen minder auffallend gewesen.
8. 49 steht die Regel: „Das Dehnungszeichen wird nicht gesetzt a) Wenn
die Silbe einen zusammengesetzten Anlaut (seh und st eingerechnet) hat,"
und S. 50: „Ist der An- oder Auslaut zusammengesetzt, so bleibt das
Dehnungszeichen weg." Demnach steht S. 17 gcstolen, S. 71 stelen, S. 96
Btralt, S. 39 u. ö. wahi nehmen (Herrmann S. 50); dagegen mahlen, mahlt
tt. s. w. nach Herrmann S. 49 und 176. Ebenso hätte der H. R. bei Herr-
mann S. 49 und 178 Aufschluss erhalten, warum S. 121 Sper gedruckt ist;
S. 107 steht mosig nach H. S. 20 und 47. Das Wort Loos kommt als
Substantivum im Lesebuche kaum vor, Aussaat ist richtig nach Herrmann
S. 47. Nach diesen Regeln wird es nicht auffallend inconsequent scheinen,
wenn ich nach Herrmann S. 50 sowohl S. 55 als auch an anderen Stellen
Gemtith, S. 52Irrthum (Herrmann S. 60;, S. 67 röthlich, S. 70Noth, aber
überall Wert, Wirt, S. 83 Armut, S. 80 sogar mietete (Herrmann S. bl)
drucken liefs.
Dass Druckfehler vorkommen, ist am Schlüsse der Vorrede bemerkt
und zugleich auf das Wörterverzeichnis hingewiesen, nach welchem sich
die meisten berichtigen lassen. Wie schwer es hftlt, gleich bei der ersten
Aufls^e die nöthige Correctheit des Druckes zu erzielen, davon hätte sich
der H. R. überzeugen können, wenn er den Druckfehler S. 13 mit der
Berichtigung auf der letzten Seite verglichen hätte, wo in der Berichti-
gung selbst wieder ein Druckfehler vorkommt. Und finden sich nicht unter
viel günstigeren Umständen auch in neueren Auflagen der Mozart*schen
Lesebücher Druckfehler?
Nicht wenig hat es mich befremdet zu lesen : Noch wollen wir sagen,
dass auffallenderweise das allein richtige Brosame (warum auch nicht von
pro — Speise und samo — Korn) im Druckfehlerverzeichnisse in das unbe-
dingt verwerfliche Brotsanie verschlechtert ist. Hätte der H. B. besser lesen
wollen, so hätte er im Druckfehlerverzeichnisse gefunden: S. 14, Zeile 18
von oben Brosamen statt Brodsamen.
Pisek. A. Madiera.
Erwiderung.
Der Herr Verfasser weist uns mit unsem bescheidenen Einwendun-
gen gegen sein Lesebuch an eine andere Adresse; dadurch begibt er sich
wol der eigenen Rechtfertigung, die Einwendungen aber bleiben bestehen.
Für den Gewährsmann seiner Orthographie führt der Herr Verfasser an,
dass er die orthographischen Regeln recht fasslich zusammengestellt habe.
In wiefern damit die Brauchbarkeit von Herrmann*s Hilfsbuch für die
Schule bezeichnet ist, müssten wir in allen Stücken zur entgegengesetzten
Ansicht uns bekennen. Das Lob der Fasslichkeit übrigens ist ein sehr
problematisches: es kann in gröfster Fasslichkeit das falsche nicht minder
als das wahre ausgesprochen werden; und gerade zu den Irrtümern in
Herrmann's Leitfaden gehören die beiden Regeln, welche der Herr Verfasser
zu seiner Rechtfertigung glaubt anführen zu dürfen. Sie sind, wie jeder
Fachmann weiXö und schon die von Herrmann und dem Verfasser selbst
angeführten Beispiele darthun können, in den Bereich blosser Fictionen
zu weisen. Zu verwundem abar und zu bedauern ist es, wenn eine solche
Orthographie, da sie sich auf die in den österreichischen Hauptschulen vor-
geschriebenen Lehrbücher stützt (vgl Herrmann S. III), mit der Präten-
sion und unter dem Schutze officieller GutheÜ^ung auftreten kann.
Der Referent
Erste Abtheil ung.
Abhandlungen»
2ur deutschen Metrik.
Im Junihefte dieser Zeitschrift lese ich einen Aufsatz von
Theodor Vernaleken „über die Betonung, nodt Rücksicht auf
den deutschen Versbau^, dem mir gestattet sein mag einige
abweichende und, wie ich hoffe, berichtigende Bemerkungen ent-
gegen zu setzen. Ich fahle mich um so mehr dazu aufgefordert,
als der Verfasser von den Principien der altdeutschen Verskunst,
wie wir sie aus Lachmann's umfassenden und eindringenden Un-
tersuchungen kennen, einen nach meinem Dafürhalten nicht ge-
rechtfertigten Gebrauch macht. Nichts geringeres scheint er zu
unternehmen, als die ganze neuere deuteche Metrik, wie sie seit
Klopstock weniger theoretisch vollkommen begründet, als prak*
tisch vollkommen ausgebildet besteht, mittels der altdeutschen
Yerskuust aus den Angeln zu heben.
Oder irre ich mich? wäre seine Absicht eine beschränk-
tere, und sollten nur die Theorien einiger neuerer Handbücher
der Metrik angegriffen werden? Ich befinde mich in dem glück-
lichen Falle von solchen Handbüchern wenig oder nichts zu
kennen. Und selbst dieses wenige reicht allerdings hin, um mir
die üeberzeugung zu verschaffen, dass dieselben einer prindpiel-
len Verbesserung, einer Verschärfung ihrer Grundsätze sehr wohl
zugänglich wären. Aber was Hr. vernaleken will, ist offenbar
mehr. Man soll künftig in Büchern über deutsche Verskunst
nicht mehr von einem „Pyrrhichius und Tribrachys u, a. w.**
lesen. Was ist in diesem „u. s. w."" enthalten? Man meint: alle
übrigen Benennungen griechischer und lateinischer VersfüG^
findet sich aber, wenn man des Verfassers ferneren Erörterun*
gen folgt, in dieser Meinung bald widerleg und bald bestärk!
Der Verfasser polemisiert hauptsächlich gegen Klopstock^
undeutsche Verse, schwerfällige metrische Formen, Nachahmung
antiker Maläe, führt Goethe, Schlegel und Bückert gegen ihn
in*s Feld und sucht seine metrischen Ansichten zu verdächtigen
durch eine Probe seiner lächerlichen Orthographie. Aber was der
Zolt«chrirt r. fl. Sctvr Qymn. 1H65. XI lltft 5^
798 W. Scherer, Zur deutschen Metrik.
angeführte Ausspruch Rückert's, dass ein Dichter nicht taub
sein könne, mit der vorliegenden Frage zu thun habe, ist nicht
abzusehen. Und Schlegel hat selbst Hexameter gemacht, Qoßthe
nicht minder. Die Stelle Goethe's , auf die sich Vemaleken be-
ruft, weist die Polemik gegen den Trochäus im Hexameter zu-
rück. Die Aeufserung von Klopstock selbst endlich über das neue
Silbenmafs, das viel Widerspruch und viel Beifall gefunden habe,
bezieht sich auf seinen Hexameter und dessen wesentlich deut-
schen, dem griechischen gegenüber durch die Aufnahme des
Trochäus veränderten Charakter.
Zwei Dinge mithin mischen sich hier so mit einander,
dass man die wirkliche Absicht des Verfassers nicht zu erkennen
vermag. Will derselbe alle Nachahmung antiker Metren ver-
bannt wissen, oder uns nur die Unmöglichkeit strenger Nach-
ahmung beweisen? Die letztere wird doch wol längst von kei-
nem Einsichtigen mehr bestritten. Das erstere aber, kann es
der Verfasser im Ernste wollen? Er gibt uns keine nähere Auf-
klärung im folgenden, verstrickt uns vielmehr noch tiefer in
die Zweideutigkeit seiner Worte.
Auch Platen wird herbeigezogen, soll sich aber selbst wider-
sprechen. Der Dichter von marmorglatter Form „tadelt Klopstock
wegen des Hexameters". Nun, marmorglatt sind die Klopstock*-
schen Hexameter doch nicht und der Widerspruch wäre also nicht
so grofs. Aber Platens Tadel bezieht sich gar nicht auf die Form,
sondern einen Irrthum nennt er den Gebrauch des Hexameters
als episches Mass und will ihn nur zu geringen Gedichten an-
gewendet wissen. Und was Platen vom italischen wogenden
Rhythmus sagt, der jenseits des Gebirges klappernde Monotonie
werde, geht natürlich auf italienische Kunst und knüpft an die
Bemerkung an, die Octave, im italienischen episch, athme im
deutschen lyrischen Ton. Die Nachahmung antiker Metren zu
bekämpfen, fällt Platen nicht entfernt ein, und wenn er die-
jenigen persilBiert, die „die Sprache verschmähn und den Rhyth-
mus", so beweist das doch nicht, dass er „ein gutes Stück selbst
auf das Volksthümliche hielt" — was in diesem Zusammenhange
heifsen müsste: auf die nationalen Principien der Verskunsi
Wie wenig er von diesen wusste, zeigt sein Aufsatz über das
Versmass des Nibelungenliedes, im fünften Bande der gesammel-
ten Werke.
Vemaleken aber streitet ganz im allgemeinen gegen die-
jenigen, welche die Versma&e der Alten unserer Spradie ein-
impfen und aufpropfen wollten. Ganz im allgemeinen spricht er
von den Gedichten in fremder Fonn, die niemals national werden
könnten, weil eben die fremde Fonn uns kalt berühre, da wir
den Rhythmus nicht fühlen. Den Rhythmus nicht? Selbst im
Hexameter den Rhythmus nicht? Aber der Verfasser fugt ja
selbst gleich begütigend hinzu: jene Gedichte seien uns nicht
verloren, wir lesen sie nur nach deutscher Weise. Und was er
W. ^Sv/wrer, Zur ileutsclioii Metrik. 7J>J)
unter deutscher Weise verstehe, das gibt uns Hr. Vernaleken
ziemlich unzweideutig zu erkennen, wenn auch seine Worte uns
wieder zweifelhaft lassen. „Sehen wir genau zu, sagt er, so stellt
sich das Bestreben jener Dichter und Uebersetzer als eine Selbst-
täuschung heraus. Die Nachahmer der antiken Masse glauben
z. B. einen Spondeus zu setzen und schreiben einen Trochäus."
Unmittelbar darauf nennt er einen solchen angeblichen Spondeus
einen „sogenannten" Trochäus, und um die Scansion eines Verses
anzugeben, bedient er sich der für Länge und Kürze gebräuch-
lichen Zeichen. Also muss man doch wol in der deutschen Metrik
von Trochäen sprechen dürfen, wenn auch nur von sogenannten.
Von Spondeen aber darf man, wie wir soeben erfuhren, nicht
sprechen, und ausdrücklich erklärt der Verfasser, in einem deut-
schen Worte könne unmöglich eine Silbe der andern gleichge-
setzt werden, auch wenn diese eine Stammsilbe wäre (es sollte
heifsen: auch wenn beide Stammsilben wären). Pyrrhichius und
Tribrachys dürfen gleichfalls nicht angenommen werden, wie
wir oben sahen. Welche Versfüfse also können wir nach-
ahmen und welche nicht? Diese Frage, gleichviel für jetzt
ob sie richtig und wohlbegründet oder nicht, hat der Verfasser
in seinem ganzen Aufsatze weder aufgeworfen noch beantwortet,
obgleich nur er selbst uns mit Nothwendigkeit darauf führte
sie aufzuwerfen. Es ist aber klar, dass erstens darin die Vor-
aussetzung liegt: wir können gewisse antike Metren
nachahmen, wodurch die Polemik gegen alle Nachahmungen,
zu welcher wir den Verfesser geneigt fanden, zm-ückgewiesen
wird; und das9 zweitens sich daran die weitere Frage schliefsen
muss: in wieferne können wir antike Metren nach-
ahmen? eine Frage, welche der Verfasser gleichfalls nicht auf-
wirft und natürlich auch nicht beantwortet. Ihre Beantwortung
würde uns näher darüber aufgeklärt haben, was unter jenem „so-
genannten" Trochäus gemeint sei.
Das mit deutlichen Worten uns zu sagen, wäre nämlich
keineswegs überflüssig gewesen. Denn was man darunter ver-
muthen möchte, die Ansicht, der deutsche Trochäus sei nur
eine ßeproduction von dem Rhythmus des alten, aber mit anderen
Mitteln, scheint der Verfasser ausdrücklich abzulehnen, indem
er den antikisierenden Versen den Rhythmus absprichi
Was versteht Vernaleken unter dem Rhythmus ? Vielleicht
kann uns dies zu einer Verständigung fuhren. Er beruft sich
S. 416 auf das merkwürdige Buch, in welchem Gottfried Her-!
mann 1799 die antike Metrik auf Principien der Kantischea
Philosophie zu gründen suchte, und definiert übereinstimmend
damit den Rhythmus als die Aufeinanderfolge von Zeitabthei-.
lungen nach einem Gesetz. Und dem entsprechend nennt er bald
nachher den Rhythmus die geregelte Verbindung der Zeitabthei-
lungen unter einander, und fügt hinzu, diese habe im Dentscheu
54*
800 ^. Scherer, Zur deutschen Metrik.
eine „aDdere"" Grundlage, eine andere nämlich als in der antiken
Metrik, muss man verstehen.
Wenn aber der Verfasser dann die „bestimmte Benennung
Metrik*' in Beziehung auf die deutsche Dichtkunst nicht gelten
lassen will, „weil Mafe (pUtqov, mensura) blofs das Verhältnis
der Länge der Zeitabtheilungen gegen einander ohne allen Rhyth-
mus bezeichne^, also das Metrum dem Bhythmus entgegensetzt,
so ist das von seinem Standpuncte aus schwer in Einklang zu
bringen. Welcher Unterschied soll stattfinden zwischen der „Auf-
einanderfolge von Zeitabtheilungen nach einem Gesetz" und dem
^Verhältnis der Länge der Zeitabtheilungen gegen einander''?
Auf einander folgende Zeitabtheilungen müssen sich zu einander
in irgend einer Weise verhalten, und dass etwa dies Verhalten
rhythmisch einem Gesetze gemäfs, metrisch ohne ein solches
geschehen solle, ist gewiss nicht gemeint. Diese Schwierigkeit
wäre verschwunden durch einfaches Festhalten an der antiken
Theorie, welche deutlich genug sagt, dass das Metrum nichts
anderes ist als der Bhythmus, insoferne er an dem Materiale
der Sprachlaute zur Erscheinung kommt.
Suchen wir nun der „anderen** Grundlage des deutschen
Bhythmus näher zu treten. Der Verfasser hebt drei Elemente
des deutschen Verses als musikalische hervor. Wenn er im Gegen-
satze dazu auch von grammatischen Elementen der deutschen
Verskunst weifs und diese in den Lauten und der Aussprache
findet, so verstehe ich nicht wie dies gemeint ist; denn der
Vers als solcher wird durch Laute und Aussprache in keiner
Weise bestinmit. Die musikalischen Elemente aber sind nach
Vemaleken: die Hebung und Senkung des Tons, der Accent;
die Dehnung und Kürze, Quantität; die Einstimmung oder der
Qleichklang der Laute und Silben, der Beim (wozu später auch
die Alliteration gefügt wird). In der Betonung soll das Dyna-
mische, in der Zeitdauer das Bhythmische, im Wohlklange das
Melodische liegen. Ich unterdrücke die Bedenken, welche sich
mir erheben, wenn dem Gleichklange der Wohlklang unterge-
schoben und wenn der Wohlklang des Verses blofs in Beim und
Alliteration gesehen wird. Ich sehe von den Einwendungen ab,
welche die Herleitung von Tact, Vers und Strophe aus jenen
drei „sprachlich-musikalischen" Elementen hervorruft. Ich will
nur was den Bhythmus betrifft herausheben.
Ganz klar bezieht Vemaleken den deutschen Bhythmus an
dieser Stelle auf die Quantität. Wo bleibt also die „andere'
Grundlage desselben ? Sollte etwa der Vergleich mit der Musik
gehindert haben, dass das Bichtige klar hervortrete? Schon die
Scheidung und Nebeneinanderstellung des Dynamischen und
Bhythmischen fällt auf. Sind das in der Musik coordinierte Be-
S'ffe? Dreierlei constituiert den musikalischen Bhythmus, das
rt jedes beliebige Handbuch , z. B. Marx allgemeine Musik-
lehre S. 79 f. der 6. Ausgabe: die Geltung oder Zeitdauer der
W. Scherer, Zur deutschen Metrik. 801
Noten, der Tact oder die regelmäfsig wiederholte Zusammenord-
nnngje einer gleichen Zahl von Zeitmomenten, und die einem
einzelnen Tone zugetheilte gröfsere Schallkraft, der Accent. Letz-
teren kann man das dynamische Element des Ehythmus nennen.
Und wenn aufserhalb des Bhythmus die Schallkraft noch eine Be-
deutung hat, die mit dem Inhalte der Composition und der Wich-
tigkeit, welche einzelne Töne und Tongruppen für den letz-
teren beanspruchen dürfen, wesentlich zusammenhängt: so besteht
allerdings hierin die vollständigste Analogie mit der Verwendung
und Vertheilnng der Schallkrafk im lebendigen, d. h. im vor-
getragenen Verse: nur wird diese nicht durch den Accent, son-
dern speciel durch den Ictus allgemein bezeichnet. Auch die
Geltung der Noten föUt genau zusammen mit der Quantität der
Silben. Und wo diese Princip des Versbaues ist, bedeutet Vers-
fufs genau dasselbe, wie Tact. Also kann man wirklich den
musikalischen Accent, Geltung und Tact nicht blols mit metri-
schen Elementen vergleichen, sondern sie finden sich in der
Metrik, aber nicht blofs in der deutschen (ja in dieser, was den
Tact anlangt, nicht einmal vollständig) identisch wieder als
Ictus, Quantität und Versfufs: während z. B. die Melodie und die
Bindung der Verse durch Alliteration oder Beim kaum Anlaiii
zu einer richtigen Vergleichung mit einander bieten. Sehr wohl
vergleichbar jedoch ist der Tonfall oder — mit Schmeller über
Quantität S. 742 zu reden — die Tonhebung (er meint Ton-
erhebung und -Senkung der Bede) mit der Melodie.
Aus dem gesagten ergibt sich, dass es ein irriger Aus-
druck ist, wenn Vernaleken S. 419 aufstellt, in unserer Musik
bewirke das Dynamische den Tact. Und wenn er fortfährt, im
Deutschen habe der Accent oder die Betonung einen dynamischen
Einfluss, indem er die Hebung bewirke und dadurch den Bhyth-
mus erzeuge: so ist der Ausdruck zwar auch nicht sehr exact,
doch liegt ein wahrer Gedanke zu Grunde, der durch den aber-
mals nicht scharf gelassten Satz „neben der Messung in den alten
Sprachen bestand allerdings auch eine Betonung, diese muss aber
weniger dynamisch als vielmehr melodisch gewesen sein", ergänzt
und S. 420 aus dem Grammatiker Diomedes näher bestmimt
werden soll. Der alte Accent bedeutet die Tonhöhe des Vocals
und hat auf den Ictus nicht die geringste Beziehung, mit der
Vertheilung der Schallkraft im Worte, der Intensität des Tones,
nicht den geringsten Zusammenhangt). Unser deutscher Accent
ist beides, lautester und höchster Ton des Wortes. Und der Ictus
des deutschen Verses kann in der Begel niemals auf eine andere
als die meistbetontc Silbe des Wortes faJlen. Dies schwebt offen-
bar dem Verfasser unter der „anderen Grundlage** des deutschen
Bhythmus vor. Wie er S. 417, wieder nicht mit der letzten
') Vgl. z. B. Roftbach, griechische Rhythmik, S, 34, Anin. 7? auch
Zeitschrift fftr Völkerpsychologie l, 64 Anm.
802 ir. Schcrer, '/aw «Icutschen Metrik.
Schärfe, den Gegensatz ausdruckt: die Alten messen ihre Silben
und die Toudauer ist das wesentliche Element ihres Rhythmus,
wir Deutsche wägen die Silben und die Tonstärke ist das wesent-
liche Element unseres Rhythmus. Oder S. 420: im Deutschen
ist der Accent für den Rhythmus des Verses mafegebend, bei
den Griechen war er nur begleitend.
Das müssen wir denn wol als Vernaleken's eigentliche
Ansicht betrachten und von seiner ersten Definition des deut-
schen Rhythmus absehen, auch seine mit diesen Erörterungen
verknüpften Bemerkungen über den Unterschied der alten und
neueren Musik uns nicht anfechten lassen: die Stelle aus Gott*
fried Hermann's „Handbuch", welche er darüber auszieht, dass
die griechische Musik von allem Tacte entblöfst gewesen sei,
spricht eine Behauptimg aus, die von niemand mehr gebilligt
wird. Wir haben ausdrückliche und bestimmte Nachricht von
drei griechischen Tactarten, welche im wesentlichen mit der
zwei-, drei- und fünftheiligen Tactordnung der modernen Musik
(die fünftheilige z. B. in dem Liede „Pnnz Eugenius der edle
Ritter**) öberemkommen. Was vollends der Verfasser zur Er-
läuterung der Hermann*schen Lehre anführt, ist zwar zum Theil
aus Schmeller über Quantität S. 745 Anm. entlehnt, aber darum
nicht treffender als die Behauptung, welche es stützen soll, über-
dies durch die Art und Weise, wie dabei an den Gegensatz
zwischen ambrosianischem und gregorianischem Kirchengesang
erinnert wird, undeutlich gemacht Der „alte Kirchengesang,
der keines Tactes bedurfte", ist eben der sogen, gregorianische:
was sich aus den Worten des Aufsatzes nicht entnehmen lässt.
Ueber die musikalischen Schlussbetrachtungen beistimmend oder
widerlegend mich zu äufsem, darauf wüi'de ich am liebsten ver-
zichten, weil es mir nicht gelang, in ihre Absicht und Bedeu-
tung genügend einzudringen. Den rhythmischen unterschied
zwischen dem gesungenen Liede und der reinen Musik, wenn
es einen solchen gäbe, zu erforschen, müsste, scheint mir, eher
im Interesse der Compositionslehre als der Metrik liegen. Wie in
der Liederpoesie Hebung und Senkung durch „das Musikalische*^
raodificiert werden solle, vermag ich nicht einzusehen. Und was
wäre in der Liedercomposition der Tact, wenn nicht reinmusi-
kalisch? Mir genügt es festzuhalten, dass bei uns, anders wie
bei den Alten, der Rhythmus der Musik nicht zugleich mit dem
Rhythmus des Textes gegeben ist, dass also im geraden Wider-
spruche zu Vernaleken's Ansichten beide ganz ohne Einflnss auf
einander, ganz unabhängig von einander bleiben müssen. Die
Freiheit des Componisten, dass er auf jeder Silbe, unangesehen
ihre Quantität, beliebig lange verweilen darf, findet sich schon
in der ältesten Melodie eines deutschen Gedichtes, die uns er-
halten ist, in der Notation des S. Petrusliedes aus dem neunten
Jahrhundert,
W. Scherer, Zur deutschen Metrik. 803
Wie steht es nun mit der Behauptung, dass deutschen
Versen, welche antike Metren nachzubilden suchen, der Bhyth-
mus gebreche? Und noch einmal: was haben wir unter dem
„sogenannten" Trochäus zu verstehen?
Es stimmt zu jener Behauptung, wenn Vernaleken den
Bhythmus ausschliefslich auf die Zeitdauer der Silben bezieht.
Es widerspricht ihr, wenn er die andere Grundlage des deutschen
Bhythmus andeutet. Freilich, wenn die Quantität unserer gegen-
wärtigen Sprache noch dieselbe wäre wie vor tausend Jahren
und wir auf ihrer Grundlage Heiameter bauten, so würden diese
in deutscher Weise blofs nach dem Accent gelesen, allen und
jeden Rhythmus verlieren. Schwebte ein solcher Gedanke dem
Verfasser vor? Aber sollte sein Ohr denn unempfindlich für
die rhythmische Gleichheit des antiken und des neudeutschen
Hexameters sein? Oder, um bei dem von ihm gewählten Bei-
spiele stehen zu bleiben, so wird man in dem Verse
Wenn gesalbt er um die Schaltern in den Tibris sich hinabtaucht
allerdings den Bhythmus des lonicus a minore schwerlich heraus-
hören. Weshalb wählte er aber eine mislungene Nachbildung?
Wie will er in der dritten Zeile einer anderen üebersetzung
derselben horazischen Ode:
Vor den Worthieben des Oheims
oder in der sechsten:
Das Einherschimmem des Hebrus
den ionischen Bhythmus läugnen?
Somit behalten wir schliefslich von den Auseinandersetzun-
gen des Verfassers nichts übrig als die Annahme eines von dem
classischen verschiedenen Princips der deutschen Metrik. Und
jenen antikisierenden Versen gebricht der Bhythmus keineswegs,
er beruht nur nicht auf der Quantität und ist daher in gewisser
Beziehung ein anderer.
Soll ich genauer sagen, in welcher Beziehung, so werde
ich über den Kreis der von Vernaleken besprochenen Gegen-
stände hinausgeführt und muss selbständig die Frage zu beant-
worten suchen, zu welcher sein Aufsatz nothwendig hinführt,
ohne sie auch nur ausdrücklich auszusprechen : die Frage, inwie-
ferne antike Metren im Deutschen nachgeahmt werden können.
Nur einen kleinen Beitrag gibt uns der Verfasser zu ihrer Be-
antwortung, und der Beitrag steckt in dem mehrfach erwähnten
„sogenannten** Trochäus. Wozu S. 421 die Unterscheidung
zwischen Wortbetonung und Versbetonung, merkwürdiger Weise
als zur musikalischen Seite unserer Verslehre gehörig, tritt. Die
erstere, erfahren wir, möge immerhin das Wort Bergschluckt
spondeisch nehmen, im deutschen Verse gebe es „nur Trochäen,
Hebung und Senkung". Das wäre freilich ein eclatanter Wider-
spruch, aber, nach der Ausdrucksweise des Verfassers, kein Wider-
spruch der Wortbetonung und Versbetonung, sondern ein Wider-
804 W, Scherer, Zur deutschen Metrik.
sprach der Wortquantität und Versquantität. Vergebens suchen wir
nach einer Beendung dieser merkwürdigen Ansicht : wir können
wenigstens constatieren, dass Quantität im Deutschen hier an-
erkannt wird, sogar zweierlei Quantität. Blättern wir jedoch
wenige Seiten zurück, so finden wir das Gegentheil unzweifel-
haft angedeutet S. 417 ist von der „Währung, gewissermafsen
Quantität"" die Bede. Ja, durch den analogen Ausdruck „Be-
tonung, gewissermafsen Accent^ wird auch ein eigentlidier
Accent im Deutschen geläugnei Mit dieser Unterscheidung
zwischen Betonung und Accent kann nichts anders gemeint sein,
als die schon berührte verschiedene Natur des Aocentes im
Deutschen und in den classischen Sprachen, obgleich dieselbe
bei Vemaleken nirgends scharf gefasst und in ihrer eigentlichen
Bedeutung gewürdigt erscheint. Was jedoch den Unterschied
zwischen Währung und Quantität, zwischen gedehnten und kurzen
Silben im Deutschen ^) einerseits und zwiscl^n langen und kurzen
Silben im Griechischen und Lateinischen anderseits ausmache,
erfahren wir nicht, und möchte auch wol schwer anzugeben
sein. Bedarf die deutsche Quantität noch eines Beweises for den,
der Jacob Grimmas Granunatik und Lachmann*s Abhandlung über
althochdeutsche Betonung und Verskunst kennt und studiert?
Oder musste uns der Verfasser die Grunde nicht eingehend vor-
legen, die ihn veranlassen konnten, von Grinmi^s und Lach-
mann's Ansichten in diesem Puncte abzuweichen ? Ist ihm viel-
leicht der Unterschied zwischen antiker und deutscher Metrik
im allgemeinen so grofs erschienen, dass er ihn unwillkürlich
im einzelnen sich gar nicht zu grofs glaubte vorstellen zu können,
und Unterschiede auch in Dingen fand, in denen die vollstän-
digste Einstimmung herrscht? Oder macht sich darin eine Nach-
wirkung von Lachmann's alten, bald aufgegebenen Terminologien
geltend, die man in der Vorrede zu seiner „Auswahl aus den
hochdeutschen Dichtern des dreizehnten Jahrhunderts" findet?
Dann will ich aus einem Briefe Lachmann's an Jacob Grinmi
vom 17. Juni 1820 den Scheingrund hinzufugen, der ihn ver-
anlasste, eine Zeit lang ge^en die deutsche Quantität sich zu
sträuben. „Ich habe nichts dagegen**, schreibt er, „aber es ist
ganz willkürlich und hilft schwerlich zu etwas, wenn Sie Silben
mit gedehntem Vocal oder durch Position gedehnte lang nennen
wollen, die mit ungedehntem oder kurzem Vocal aber kurz. Die
so unter eine Classe fallen, sind doch an Dauer ungleich, und
in den deutschen Sprachen hat schwerlich jemand darnach Verse
gemacht, einige unglückliche Versuche abgeredmet**
') „Maed, roth haben gedehnte Vocale, Macht, Gott haben knne Vocale."
Werden die Positionsl&igen von Herrn Vernaleken auch nicht aner«
kannt? Wir andern pflegen Wörter wie Macht, Gott fär folche n
halten, wenn wir uns anch genöthigt sehen, den Begriff 4er Poti«
Üonslänge im Nendentschen anf betonte Silben einznachitnken.
TT. Scherer, Zur deutschen Metrik. 805
Wir brauchen (iie8e Aeufserung nicht mehr zu widerlegen.
Mit Lachmann's eigener Beistimmung dürfen wir jetzt statuieren :
es gibt eigentliche Quantität im Deutschen und auch ganz eigent-
lidie Trochäen gibt es, nicht blofs sogenannte. Aber die Quan-
tität ist nicht das Prindp des nationalen deutschen Verses und
dem Trochäus steht metrisch der Spondeus und der Pyrrhichius,
ja der Jambus vollkommen gleich, alle jedoch nur unter der
Bedingung, dass die erste Silbe den Hochton trage.
Das Princip unseres nationalen deutschen Versbaues dürfte
gich im hellsten Lichte darstellen, wenn wir seine geschichtliche
Entstehung, soweit unsere Vermuthungen dahin zu dringen ver-
mögen, in*s Auge fassen.
R. Westphal hat im neunten Bande von Euhn's Zeitschrift
die Grundzüge einer vergleichenden Metrik der indogermanischen
Völker entworfen. Glieder der Vergleichung waren dabei zunächst
die indische, iranische und griechische Metrik: aber der Grad
ihrer Congruenz darf als ein Zeugnis für das Indogermanische
überhaupt angesehen werden. Die für uns wichtigen Resultate
Westphal's lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen.
Erstens: Die Elemente des iambischen Dimeters, des
akatalektischen und katalektischen Trimeters der Griechen finden
sich bei den verwandten Völkern Asiens wieder. Das älteste
Metrum scheint ein lediglich silbenzählendes gewesen zu sein.
Aber schon zur Zeit der Gemeinsamkeit muss sich ein Fort-
schritt zur quantitierenden Metrik gezeigt haben, indem streng
iambischer Schluss der metrischen Reihe verlangt wurde.
Zweitens: Der Dimeter trat mit einem zweiten zur Vers-
einheit zusammen, aber die Cäsur sonderte beide innerhalb des
Verses von einander.
Drittens: Am Ende des Verses fand womöglich ein Ab-»
schluss des Sinnes statt.
Viertens: Die Verse waren zu Strophen verbunden, von
denen wir zwei Formen als besonders wichtig hervorheben : die-
jenigen, welche in der indischen Metrik gäyatri und anushtubh
genannt werden. Die gäyatri besteht aus drei Dimetern von
der Form
im griechischen . _ ^ _ ^ . _ ^ -
deren beide erste sich zur Verseinheit zusammenschliefsen. Die
ant^shttAh besteht aus vier Dimetern, deren je zwei einen Vers
ausmachen. Die äufsere Physiognomie dieser Strophe entspricht,
wie man leicht sieht, der altdeutschen Strophe von zwei Lang-
zeilen, und die gäyatri der Grundform des von Müllenhoffals
gemeingermanisch nachgewiesenen liodhahättr.
Es fragt sich aber, wie die innere Umwandlung zu denken sei.
Von der groläen Aenderung des germanischen Betonungs-
principes, welche den Hauptton auf die Stammsilbe warf, geht
806 W. Scherer, Zur deutschen Metrik.
sie natürlich aus. Schon damals ist der deutsche Accent wahr-
scheinlich nicht blofs Hervorhebung durch Tonerhöhung, sondern
auch durch Tonverstärkung gewesen. Das Festhalten einer wesent-
lich silbenzählenden Metrik musste zu einem schwer erträg-
lichen Widerstreit zwischen den rhythmischen Ictus und den
Hochtönen der Worte fuhren. Die Aufhebung dieses Wider-
streites wurde daher das Grundgesetz des germani-
schen Verses. Während also zwischen zwei selbständigen
Hochtönen der Khythmus freies Spiel hatte wie vorher, war er
fezwungen, das Verhältnis von höher, tiefer und nicht betonten
ilben zu respectieren. Sollten femer die zahlreichen drei- und
mehrsilbigen Wörter mit absteigender Betonung (wie steininäe)
für den Vers nicht unbrauchbar werden, so musste man ein wie
es scheint bereits früher gemeinschaftlich mit den Italikem aus-
gebildetes Princip zur Anwendung bringen, wornach Hebung und
Senkung durch eine einzige Länge vertreten werden konnten (vgl.
die griechische tovt] in Antispasten : Bosbach, Bhythmik S. 150£).
Anderseits theilten die Germanen auch mit den Griechen da^
entgegengesetzte Vertretungsprincip, das die Auflösung der Länge
in zwei Kürzen gestattete. Während nun bis dahin die möglichen
Formen für die überwiegende Mehrzahl der Versfüfse Spondeus,
Trochäus, lambus und Pyrrhichius waren, konnte hinfort durch
Vertretung des Pyrrhichius (wenn man das so ausdrücken will)
auch eine einzige lange Silbe ^), durch Vertretung des Trochäus
der Tribrachys, durch Vertretung des Spondeus, unter gewissen
leicht erklärlichen Einschränkungen *), der Proceleusmaticus den
germanischen Versfufs bilden.
Damit war das Princip der Silbenzählung völlig umge-
stofsen, der iambische Khythmus konnte gleichfalls nicht fest-
gehalten werden, gemessen wurde allein nach den Hebungen,
gezählt von der ersten Hebung ab. Zurück blieb jedoch aus dem
alten iambischen Ehythmus der Grundsatz, dass mit dem Ictus
der Vers schloss. Und vielleicht sind auch noch andere Spuren
des verdrängten Princips in der ältesten deutschen Poesie nicht
*) Beiläufig, an dem Grundsatze der altdeutschen Metrik, dass ein mit
Consonant seh lief sendes einsilbiges Wort mit kurzem Vocal in der
Hebung als Länge gilt, zeigt sich, wie die Theorie alter Musiker
und Rhetoren, welche Abstufungen der Länge und Kürzen unter-
scheidet und unter anderem den kurzen Vocal ohne Consonant f&r
kürzer als den kurzen Vocal mit Consonant erklärt, doch etwas
mehr als eine „Spielerei" (Rofsbach, Rhythmik S. 32), ja in der
Natur der Sache sehr wohl begründet ist Der schliefsende Conaonant
erpibt im Altdeutschen mit dem Halt am V^ortende Position.
*) Die Vertheilung der Schallkraft erfolgt nothwendig auf solche Weise,
dass das für die Senkung disponible Mafs derselben nicht ausreicht,
um einen Hochton oder stärkeren (d. h. ein materielles Wortelement
enthaltenden) Tiefton mit noch einer darauf folgenden Silbe za
beherbergen: es sei denn dass ein ganzes Wort im Satze nur for-
melle Function habe, wie die zweisilbigen Formen des Artikels und
Utara bei Otfrid: Lachmann zu Iwein S. 391 f.
ir. Scherer, Zur deutschen Metrik. 807
ganz verschwunden. Dieser Meinung war wenigstens Lachmann
im Jahre 1824, und seine bezüglichen Aufstellungen werden
bei der Bearbeitung und Herausgabe seiner althochdeutschen
Metrik sorgfältiger Nachprüfung bedürfen.
In welchem Sinne es zu nehmen sei, dass der deutsche
Vers auf der Betonung beruhe, das wird nun klar geworden
sein. Das Princip war mit der Enstehung der germanischen
Sprache und ihrer eigenthümlichen Betonungsgesetze selbst
gegeben und kann auf keine Weise aus ihr wieder verdrängt
werden. Die speciellen metrischen Gesetze, welche zu verschie-
denen Zeiten sich herausbildeten, und die Ursachen, welche ihre
Verschiedenheit bedingten, thaten jenem Princip keinen Eintrag.
Wol aber ging der metrischen Theorie das Bewusstsein desselben
bald nach Opitz verloren, und man vermeinte, die Quantität
zum Princip auch des deutschen Verses erheben zu können. Ein
verzeihlicher Irrthum, da die alte Quantität längst verschwunden
und die neue ein Erzeugnis des Accentes war. Aber ein Irrthum
nichtsdestoweniger, mit welchem unsere metrische Theorie end-
lich brechen sollte: die metrische Praxis ist niemals stark be-
einflusst worden dadurch, selbst nicht in der Nachahmung antiker
Metren ; denn nur wenn man, wie bei den ersten Versuchen in
Hexametern geschah, die antiken Positionslängen dem deutschen
aufpfropfen will (vgl. o. S. 804 Anm.) , sind wesentliche Unter-
schiede in den Ergebnissen möglich. Sonst wird jede Erwägung
zu denselben Resultaten für den Gebrauch der einzelnen Silben
kommen müssen, wenn nur die wesentlichste Grundbedingung
für derartige Untersuchungen in demselben Mafse erfüllt ist:
ein feines und gebildetes Ohr.
Das besass im hohen Grade Voss, und die fundamentalen
Aufiitellungen seiner „Zeitmessung" (1802) würden durchaus
mafsgebend sein, wenn es möglich wäre, den Wahrnehmungen
des Sprachgefühles den Charakter des Individuellen und Sub-
jectiven gänzlich abzustreifen. Der einzigen Instanz für den Streit
verschiedener Sprachgefühle, dem Gebrauche der besten Schrift-
steller, fehlt in metrischen Dingen die Competenz, weil der
gröfste Dichter nicht nothwendig der gröfete Metriker gewesen
sein muss. Auch ein feines Ohr und feine dichterische Empfin-
dung kann durch vorgefasste Meinungen, durch allzu staiTes
Festhalten an der Consequenz eines systematischen Grundge-
dankens getrübt und verdunkelt werden. Das war mit Karl
Philipp Moritz der Fall, dessen interessanter, schöngeschriebener
„Versuch einer deutschen Prosodie" (1781) gleichwol Gcethe's
Beifall erhielt. Die Iphigenie in lamben zu übersetzen, schrieb
er am 10. Januar 1787, hätte er nie gewagt, wäre ihm in
Moritzens Prosodie nicht ein Leitstern erschienen. „Hier ist denn
doch ein Anhalten, und wenn auch damit nicht alles gethan
wäre, so hat man doch indessen einen Leitfaden, an dem man
sich hinschlingen kann'^ — sagt er, nachdem er den Grund-
g08 ^^. Scherer^ Zur deutschen Metrik.
gedanken kurz mitgetheilt, dessen richtiges sich im wesentlichen
reducieren lässt airf den Satz: die Hebung muss höher betont
sein als die Senkung, oder wie er in genauerer Fassung lautet:
die Hebung darf nicht geringer betont sein als die Senkung.
Je mehr Goethe das Bedürfnis empfand der antiken Form
sich zu bemächtigen, desto entschiedener wurde Voss für ihn
metrische Autorität und erschienen ihm Moritzens und Anderer
Bemühungen als schwankende Versuche, aus welchen erst Voss
die metrische Lehre der erforderlichen Gewissheit und Festigkeit
entgegen hebe. Voss tritt bei Goethe in zwei ziemlich gleich-
lautenden Aeufserungen aus dem Jahre 1793, als der Dichter
sich angesichts des französischen Eönigsgerichtes den fieineke
Fuchs zum Abieiter seiner satirischen Stimmung wählte, wie
ein metrischer Magus auf, dem die Geister das wichtigste Ge*
heimnis anvertraut haben, um das alle anderen sich vergeblich
bemühen. Sein Tadel der Beineke-Hexameter wurde schmerzlich
empfunden, aber sorgsam beachtet Und als er nach Jena ge-
zogen war, bot sich die lange gewünschte Gelegenheit, im persön-
lichen Verkehr seiner rhythmischen Grundsätze habhaft zu wer-
den. Später, als diese nun mittlerweile an's Licht getreten, Vos-
sens unsterbliches Verdienst um die deutsche Bhjthmik in der
schönen Becension seiner Gedichte von Goethe laut gerühmt
war, anderwärts aber sich Widerspruch erhob: konnte in den Er-
wägungen eines epischen Teil bald der entfachte Streit von dem
Plane ablenken helfen, bald das gute Verhältnis zu Voss darin
bestärken. Ich erwähne das alles, weil es uns natürlich ist, bei
jeder um Goethe her lebendigen Bewegung zu fragen, wie er
sich dazu gestellt habe ; weil dadurch bestätigt wird, dass Goethe's
Praxis nichts entscheiden kann, der sich hierin so ganz abhängig
von der Theorie fühlte; und weil Goethe's Bespect vor Voss
uns ermahnen dürfte, nicht im Gefühle unserer seither gewon-
nenen historischen Einsicht allzu vornehm auf ihn herabzusehen,
und seine Bestrebungen darum gering zu achten, weil wir uns
im Besitze einer richtigeren Grundanschauung glauben.
Moritz und Voss halten wie Klopstock daran fest, den
deutschen Vers auf die Quantität gründen zu wollen. Voss be-
hauptet es sogar als eine Demüthigung zu empfinden, wenn
man in unserer Sprache statt des Zeitmafses nur ein Tonmals,
nur eine Quantität des Accentes zugebe. Aber sehen wir uns
dieses Zeitmafs etwas näher an.
„Die Silbenzeit der Alten wurde blofe durch das Ohr be-
stimmt, sagt Klopstock, sie war mechanisch : die unsrige gründet
sich auf Begriffe. Die Wörter und Silben sind bei uns lang, wenn
sie Hauptbegriffe, und kurz, wenn sie Nebenbegriffe ausdrücken.**
Was Klopstock die mechanische Quantität nennt, das ist eben
was wir unter Quantität überhaupt verstehen müssen, wenn wir
nicht in allgemeiner Verwirrung der Bezeichnungen den festen
Boden der antiken und altdeutschen Quantitätslehre uns selbst
W. Scherer, Zur deutschen Metrik. 809
unter den Füfsen wegziehen wollen. Was ist das für ein Begriff
der Quantität, der Bestimmungen wie die folgende zulässt?
„Wenn dich ohne Leidenschaft ausgesprochen wird, so ist es,
nach einer Kürze, mechanisch lang: wenn aber mit Leidenschaft,
80 ist es, ohne Rücksicht auf die vorhergehende Kürze, lang;
und dies ist es in dem gesetzten Falle auch nach einer Länge,
wo es sonst mechanisch kurz sein würde."
Und wenn Moritz unter verschiedenen Ausdrucksweisen
den Gedanken durchführt, dass wir nicht Silben wie die Alten,
sondern Ideen gegen einander abmessen, auf die Unterscheidung
von Haupt- und Nebenideen unseren Versbau gründen, — wenn
er den stärkeren oder schwächeren „Begrifft' der Redetheile,
ihre gröfsere oder geringere „Bedeutung'', ihre „Unterordnung
nach dem Gewicht ihrer Bedeutung" untersucht und dies für
das hauptsächliche Geschäft unserer Prosodie erklärt: so fragt
man erstaunt, wie er auf solchem Wege einander entgegenge-
stellte Silben noch als lange oder kurze unterscheiden mochte %
Voss selbst endlich, der eifrigste Kämpe der Quantität,
muss nicht auch er anerkennen, dass die Tondauer der Silben
aus ihrem Begriff hervorgeht und dass diese Dauer durch Be-
schaffenheit der Buchstaben, durch Tonstellnng, durch Verhält-
nisse der Zeiten unter sich und durch den Tact des Verses
mancherlei Vermehrung oder Verminderung erhält, also keines-
wegs etwas constantes und fest gegebenes ist? Muss er nicht
seine Länge, Kürze und Mittelzeit wesentlich durch: Ausdruck
des Hauptbegriffs, des Nebenbegriffs und, was theils einen
schwächeren Hauptbegriff, theils eine schwächere Nebenbestim-
mung ausdrückt, charakterisieren? Gewinnen wir nicht an der
ungemeinen Ausdehnung, welche er der Kategorie der Mittel-
zeit ertheilen muss und den mannigfaltigen Erwägungen, welche
sich nothwendig zeigen, um einer mittelzeitigen Silbe zu ent-
schiedener Quantität im Verse zu verhelfen, einen einleuchten-
den Beweis dafür, dass die eigentlich mafsgebenden Mächte des
deutschen Verses ganz anderer Natur sind?
Auch die Wichtigkeit der Betonung ist keinem dieser
Metriker entgangen, ab^r unterschätzt haben sie sie sämmtlich,
am wenigsten verhältnismäfsig Moritz. „Die Länge entsteht durch
Anhalten, sagt Klopstock, und durch Anstrengung der Stimme,
die hierbei nothwendig muss erhoben werden. Wenn wir sagen,
dass die Länge den Ton hebe, so meinen wir die Erhebung der
Stimme. Das Anhalten erfordert eine gewisse Zeit, aber dass
die Stimme während dieser Zeit angestrengt oder erhoben wird,
ist das wesentliche bei der Sache.'' Liest man dies und wie er an
*) Vergl. namentlich auch S. 123. „Im Versbau dör Alten entstand das
Metrum erst durch die künstliche Zusammenstellung kurzer und
langer Silben; in unserm Versbaa entsteht die Länge und Kfirze
der Silbea selbst erst durch ihre ZusammensteUung."
810 W. Scherer, Zur deutschen Metrik.
einer anderen Stelle die kurzen Schlagworte hinstellt: „Deutsche
Länge. Ton das Herrschende**: so bekommt man das Gefühl,
dass es nur der naheliegenden Fragestellung, welche Silben im
Deutschen in arsi und welche in thesi stehen können, bedurft
hätte, um Klopstock zur Anerkennung des Richtigen zu bewejgen.
Voss täuscht sich über die Bedeutung des Accentprincipes,
indem er fälschlich die Zulassung aller tieftonigen Silben zu
der zweiten oder dritten Stelle des Dactylus als eine nothwen-
dige Consequenz desselben behandelt Moritz dagegen weist
kräftig darauf hin, wie die Lehre vom Accent in die prosodischen
Regeln unserer Sprache eingreife. Weil der Nachdruck, den wir
durch den Accent auf eine Silbe legen, ohne Ausnahme inmier
auf die bedeutendste oder eigentliche Begriffssilbe in einem Worte
falle, so diene er dem Silbenmafse gleichsam zur festen Unter-
lage, weil es in Ansehung der mehrsilbigen einzelnen Wörter
durch ihn erst bestimmt werde.
Gerade diese in der Natur der Sache gelegene Noth wendig-
keit, den Accent zu berücksichtigen, diese enge Verschwisterung
des Accentes und der Quantität, von welcher wir aus der Ge-
schichte* wissen, dass sie eigentlich ein Causalverhältnis ist, hat
be¥riirkt, worauf ich schon oben hinwies, dass der Ausgangspunct
prosodischer Betrachtungen für das schliefsliche Resultat ziem-
lich gleichgiltig ist. Aber nur wem die möglichst genaue Nach-
ahmung antiker Metren als die Blüte der deutschen Vers-
kunst, die Theorie dieser Nachahmung als das oberste Ziel einer
deutschen Metrik erscheint, wird sich veranlasst finden, auf der
Quantität seinen Standort zu suchen. Er würde sich dadurch
selbst aller Aussicht berauben auf die ganze grofse Masse nach
reindeutschen metrischen Principien gebauter Verse. Was für
ein XJngethüm von Theorie müsste es sein, welche Drehungen,
Wendungen, Verschiebungen und Dehnungen müsste sie sich
gefallen lassen, um auch nur den gesammten Umfang von Goethe
gebrauchter Metren in sich zu beherbergen ! Was will die Theorie
der lamben und Trochäen gegenüber einer Praxis, welche ge-
legentlich dreisilbige Senkungen wagt oder Senkungen vereinzelt
ausfallen, Auftacte ohne Bedenken fehlen lässt. Und wie lautet
das Gesetz, nach welchem steigende und fallende Spondeen mit
lambus und Trochäus wechseln ? Die Lehre vom accentuierenden
Vers weifs solche Bedenken ohne Mühe unterzubringen, die
antikisierende Doctrin steht rathlos davor, wie sie lange vor
dem römischen Saturnius stand, bis ihr eine germanische Analogie
zu Hilfe kam.
Kein Zweifel, wenn nicht unser gröfster Dichter in unserer
Metrik eine nur geduldete Stellung einnehmen soll, so muss die
theoretische Erfassung desGoethe'schen Versbaues eine ihrer ersten
und dringendsten Aufgaben, deshalb aber die Darlegung der ein-
geborenen deutschen metrischen Grundsätze, wie sie sich unter
seiner Hand gestalteten, ihr hauptsächliches Bestreben aus-
W. SehereVy Zur deutschen Metrik. 811
machen. Und die festgehaltene Einheit der geschichtichen Ent-
wickelung, in welcher das mit dem Genius der deutschen Sprache
selbst gegebene Princip sich consequent entfaltet, wäre nicht
als der geringste Vortheil anzuschlagen, der aus einer solchen
Darstellungsweise erwüchse.
Sollen wir aber nun die ganze metrische Doctrin unserer
modernen Poesie in derselben Weise auf den Accent gründen,
wie wir die altdeutsche darauf gründen müssen? Sollen wir
wirklich nach WackernagePs Verlangeji (Geschichte des deut-
schen Hexameters und Pentameters bis auf Klopstock, Berlin
1831) von Hexametern und Pentametern „wie von andern deutschen
dactylischen Versen sprechen, vom Dactylus aber als von einem
Fufse, der aus einer accentuierten und zwei unaccentuierten
Silben bestehe"? Sollen wir die Hexameter Vossen's, Wolfs,
SchlegeFs, Platen's auf eine Stufe mit den Dactylen Ulrich's von
Liechtenstein stellen?
Ich verkenne nicht das Gewicht von Koberstein's Gründen,
wenn er (Grundriss S. 1096) auseinandersetzt, wie ein deutscher
Hexameter niemals dem Eindrucke eines griechischen oder lateini-
schen gleichkommen könne, wenn er namentlich auf die Ver-
schiedenheit hinweist, die zwischen deutschem geschwächten e
und vollen kurzen Vocalen stets obwalten und empfunden werden
müsse. Aber wird er läugnen wollen, dass die Dactylen in dem
Hexameter
Höchstdero Vers übertäubt unser Obr gegen Zeitmafs und Tonmafs
(Voss Zeitmessung S. 12) weniger den Eindruck von antiken
iJactylen machen, als in dem Vossischen „Hurtig mit Donner-
gepolter"? Und doch sind beide gleich gut, sobald man sie
lediglich an der deutschen metrischen Hauptregel misst: die
Forderung höher betonter Hebung finden wir in beiden zur
Genüge erfallt.
Worauf beruht denn überhaupt die Möglichkeit, antike
Verse im Deutschen nachzuahmen? Wie können wir den Rhyth-
mus annähernd wiedergeben? Auf Gegensätze gründet sich im
Verse die Einheit des Fufses. Dem Gegensatze der Länge und
Kürze entspricht am vollständigsten der deutsche Hochton und
das geschwächte e. Was aber wird mit dem Tiefton? Diese
schwierigste Frage erhebt sich sofort, wenn wir versuchen, das
deutsche metrische Princip dem antiken unterzuschieben. Die
Schwierigkeit besteht jedoch, wie man sich bald überzeugt, darin,
dass der Begriff des Tieftons, wie wir ihn im altdeutschen ge-
brauchen, sich im neudeutschen nicht festhalten lässt. In dank^
hare, liehlicJw haben bar und lieh nicht mehr den Tiefton. Ich
schlage vor, solche voUlautige Silben als unbetonte von den
schwachlautigen e zu unterscheiden. Die Grenze zwischen Tief-
ton und Unbetontheit wird man dann im einzelnen zu ziehen
unternehmen müssen, 4ind an Schwierigkeiten wird es dabei
812 W. Scherer, Zur deutschen Metrik.
nicht fehlen, weil man kaum ein etwaiges specifisch neuhoch«
deutsches Accentgesetz zu entdecken, vielmehr wahrscheinlich
nur den Eigensinn des Gebrauches zu betragen und sorgsam^
möglichst vollständig zu verzeichnen hat. Das Moment des SUben-
gewichtes, der Quantität, wird bei der Grenzbestimmung aber
auch ganz nothwendig in Betracht konmien. Und dass in vielen
Fällen eine Entscheidung unmöglich, also für den Yersgebrauch
ein freier Spielraum hierin bleiben müsse, scheint mir unzweifel«
hait Das aber wird sich dann, von der zurückbleibenden Un-
sicherheit abgesehen, als Begel für die Nachahmung antiker
Bhythmen festhalten lassen: Hochton und Tiefton ent-
sprechen der Länge, Unbetontheit und Lautschwäche
der Kürze; Zweizeitigkeit wird durch jene, Ein-
zeitigkeit durch diese wiedergegeben.
Ja, man wird die Behauptung wagen dürfen, dass damit
auch die Quantitätsunterschiede des neuhochdeutschen auf die
antiken so ziemlich reduciert seien. Eine Scala, in welcher die
Tonwerthe der Silben in absteigender Folge aneinander gereiht
würden, ergäbe die gleiche Abstufung ihres Gewichtes. Und die
Allmählichkeit der Abstufung, die Unmerklichkeit namentlich des
Ueberganges vom Tiefton zur Unbetontheit bedingt eben die
Schwierigkeit dieser ^nzen Lehre, welche für die eigentliche
Metrik die nothwendige Grundlage und Voraussetzung bildet.
Nur muss sich an die Untersuchung der Betonung im ein-
zelnen Worte auch die Untersuchung der Satzbetonung noch
anschliefsen. Auch hier eine allmähliche Abstufung und ein
nicht wenig ausgedehntes Gebiet der Unbetontheit. Die Satz-
betonung war das Hauptaugenmerk der Moritz'schen Theorie,
und es fragt sich, ob nicht einzelnes daraus könnte adoptiert
werden. Dass er im ganzen viel zu weit geht, Distinctionen
macht, von denen das lebendige Sprachgefühl nichts weifs und
anderseits durch die starre Consequenz seines Princips doch
zur Gutheifsung schlechter Verse verleitet wird, liegt für den
aufmerksamen Leser seiner Schrift auf der Hand. Voss ist auch
hier, weil er sich von aller Systemsucht fern hält und empirisch
das Sprachgefühl analysiert, zu Bestimmungen gelangt, denen
man wahrscheinlich nur eine andere Fassung zu geben braucht,
um sie unserer Theorie mit gutem Grunde einverleiben zu kön-
nen. Seine „Mittelzeit" freilich wird unter Tiefton und Unbe-
tontheit so vollständig als möglich aufgetheilt werden müssen.
Und für den Best zweifelhafter Silben wird die Begel gelten:
sie dürfen überhaupt nur an solchen Stellen des Verses gebraucht
werden, die für den Bhythmus desselben wenig entscheiden, so
dass das Gefühl desselben durch sie nicht in's Schwanken ge-
rathen kann.
An diesem Puncto erst zeigt sich die ganze Unumgäng-
lichkeit der nationalen Accenttheorie auch für den antikisieren-
den Vers. Kein Mensch wird läugnen, dass z. B. drei unbetonto
TT. Scherer, Zur deutschen Metrik. 818
Silben oder eine unbetonte, auf welche zwei lautach wache folgen,
einen Dactylus geben können. Und es ist schlechterdings nicht
abzusehen, wie man auf dem Boden der Quantitätstheorie solchen
Fällen anders beikommen wollte, als höchstens durch den un-
befriedigenden, höchst vagen Begriflf der Mittelzeit. Wir aber
entnehmen daraus den Beweis, dass die Grundregel des
altdeutschen Verses in ihrer negativen Fassung
auch für den neudeutschen volle und allgemeine
Geltung hat. Nur müssen wir für den streng antikisierenden
Versbau die zweite Eegel hinzufügen: Niemals darf eine
hoch- oder tieftonige Silbe antike Kürze vertreten.
Wollte man zur Vertheidigung der Quantitätstlieorie Verse
anführen, gegen die allerdings nichts einzuwenden ist, Verse wie
Brausender steigt Meerflüt im Orkan . . .
(einen schleifenden Spondeus, dessen schwächer betonte Länge
durch den Verstact gehoben wird, nennt das Voss S. 129): so
gewährt uns auch hiefür die reindeutsche Verskunst in der schwe-
benden Betonung die erforderliche metrische Kategorie, die man
auch sonst vielleicht zweckmäfsig herbei ziehen wird.
Auf die eben angegebene Art also, meine ich, hat die
neudeutsche Metrik zu zeigen, wie antike Verse nachgebildet
werden können. Eine ganz andere Frage aber, welche eigent-
lich einer Theorie der üebersetzungskunst anheimfiele, ist die:
wie weit antike Verse im Deutschen nachgebildet werden
sollen. Und hier wären alle Schwierigkeiten aufzuzählen, welche
aus dem strengen Festhalten der Grundsätze sich ergeben, es
wären die Vortheile geltend zu machen, deren sich die ängstlich
genaue Nachahmung entschlagen muss. Es wäre hinzuweisen
auf die durchschnittliche Unempfindlichkeit des deutschen Ohres,
infolge welcher auch ein Vers, der auf das glücklichste Sprach-
gewandtheit und Klarheit des Ausdruckes mit äufserster Strenge
des metrischen Baues vereinigte, immer ein nur von Wenigen
gewürdigtes Schaustück bliebe. Die unmittelbare Verständlich-
keit, die ungezwungene Einstimmung mit dem Geiste unserer
Sprache muss durchaus das Hauptaugenmerk jedes Uebersetzers
sein, dem er im Nothfalle alles andere aufzuopfern hat. Es scheint
mir in diesem Sinne z. B. vollkommen gerechtfertigt, dass man
sich hie und da entschloss in der Uebersetzung griechischer Dramen
den Trimeter mit dem fünflfüfsigen lambus zu vertauschen. Wer
aber wird vollends in der Nachbildung griechischer lamben und
Trochäen sich Spondeen nur nach griechischer Regel gestatten ?
Die Metrik kann in dieser Beziehung wenigstens Einen
beachtenswerthen Gesichtspunct aufstellen, aer wol unmittelbar
einleuchtet: die Behandlung des Verses muss um so
strenger sein, je schwieriger der Ehythmus von dem
Ohre erfasst und behalten wird. Von hier aus lässt sich
der Trochäus im Hexameter rechtfertigen. Von hier aus wird
für die prosodischen Regeln peinlichste Beobachtung nirgends
Zeluchrlft t d. ösurr. Gymn. 1Hi;ü. XI. H«ft. 55
814 W'. Schmr, Zur deutschen Metrik.
SO sehr wie bei der Nachbildung von Chören und pindarischen
Hymnen verlangt. Nur dürfte vielleicht abermals die Theorie
der Uebersetzungskunst das metrisch mühsam Errungene ziem-
lich gleichgiltig bei Seite schieben, wenn sie etwa den Grund-
satz aufstellte: es seien zuerst die Gedanken solcher kunstvoll
rhythmisierter Gedichte darauf hin zu prüfen, ob sie nicht etwa
in einer anderen als der gegebenen metrischen Form weit voll-
ständiger zur Geltung gebracht werden konnten, so dass die
Forderung einer dem Geiste der Dichtung entsprechenden metri-
schen Neuschöpfun^ oder die Anwendung sonst bereits vor-
handener Formen sich erhöbe.
Wie sehr nach diesem allen die praktische Wichtigkoit
eines vollständigen Systems der neudeutschen Betonung zusam-
menschwindet, sieht man leicht. Die schlichte Darlegung der
Betonungs- und metrischen Grundgesetze bleibt die Hauptsache.
Ich will öchliefslich eine briefliche Aeufserung Laehmann's
an Jacob Grimm vom 17. Juni 1820 mittheilen, welche mit
den vorgetragenen Ansichten zwar nicht durchweg, aber doch
im ganzen übereinstimmt.
„Opitz, als er mit seinen Vorgängern die Mafse des 16. Jahr-
hunderts abschaffte, konnte nicht die franzosische Art einführen:
denn beide hatten ganz einerlei Fehler. (Es wird zwar allgemein
gesagt, auch in italienischen Versen sei Mafs und Ac<»ent gleich-
giltig aufser den resure ; aber ganz unrichtig : endecasiUabi mit
weniger als fiinf Accenten sind wenigstens rozzi oder viehnelu*
deioli, Petrarch selbst hat einige Unverse mit sieben Hochtönen
gemacht, Dante niemals.) Er kehrte nicht zurück zur alten deut-
schen Verskunst, weil bei verlornem Gefühl für Betonung und
Wohlbewegung ihm der Tiefton als Tonlosigkeit erschien. Den
Tiefton wied(T herausgefühlt zu haben bei richtiger Declama-
tion und voll aus tönender Aussprache, ist Klopstock's Verdienst,
erkannt hat ihn zuerst Voss und völlig zu Ehren gebracht.
Will man nicht, wozu ich rathe, ganz wieder zurück, so muss
man durchaus bei der künstlichen Vossischen Mittelart stehen
bleiben : volksmäfsig kann sie zwar niemals werden. Bei Nach-
ahmungen alter Versmafse ist nicht anders zu verfahren, als
dass ungefähr bestimmt werde, welche Silben wol in der der-
maligen Periode der Sprache den alten Längen und Kürzen am
ähnlichsten sein mögen; dann ist Vorsicht nothig, und ein fein-
hörender, wie Voss, stelle Regeln auf nach seinem Ohr, an
denen im einzelnen ein anderes Ohr manches zu tadeln findet:
weiter kann es eine gelehrte und gemachte Verskunst nicht
bringen. Hauptregel bleibt bei der Anwendung aller fremden
Versarten immer, dass der Hochton nur der antiken zweizeitigen
Länge entspreche, niemals der Kürze. Dies ward bei den ersten
Versuchen in Hexametern übersehen, bei denen jaget, leben un-
bedenklich für P3rrrhichien galten."
Wien. Wilhelm Scherer.
Th. Gomperz, Die herculauischen Kullen. ^l^
Die herculanischen Rollen.
Heroulanenaimn Voluminum Collectio altera. Tora. II, III, IV. V, 1.
(Neapel 1862-1865.)
IL
Der dritte Band, zu dessen Besprechung wir jetzt gelangen, hi
unter den bisher veröffentlichten der unergiebigste. Nicht durch seinen
Inhalt, dessen bunte und anziehende Mannigfaltigkeit vielmehr schon aus
der Fülle von Eigennamen und namenlosen Citaten ersichtlich ist, die man
in den zerstörten üeberresten wahrnimmt. Allein welche Zerstörung! Nicht
eine von den 209 Columnen dieses Bandes lässt sich auch nur mit an-
nähernder Vollständigkeit wiederherstellen, in weitaus den meisten Fällen
sind wir auf kümmerliche üeberbleibsel angewiesen, unter denen Tafeln
die einen zusammenhängenden Test von einem halben Dutzend Zeilen
erkennen lassen, bereits seltene und glänzende Ausnahmen bilden. Bei der
Behandlung der zwei ersten Stücke freilich gewährt mir die Benützung
der unveröffentlichten Oxforder Abschriften eine nicht hoch genug anzu-
.schlagende Hilfe; leider erlischt diese Leuchte eben dort, wo wir sie am
: schmerzlichsten vermissen, bei den ungemein interessanten und beispiellos
aerrütteten Bruchstücken der dritten Nummer, welche die ganze zweite
Hälfte dieses Bandes einnimmt. Nur in geringem Mafse wird dieser Mangel
durch die ungewöhnliche Correctheit der Abschrift ausgeglichen, welche
eben diese Tafeln vor ihren unmittelbaren Vorgängern sebr vortheilhaft
auszeichnet.
Da zwei von diesen drei Nummern (5 und 7) dem Werke oder besser
den Werken Philodem's „über Rhetorik" angehören, so wird es vor
allem angemessen sein die auf den Gesammt- Bestand dieser Schriften
bezüglichen Daten, in soweit sie bisher zu allgemeiner oder zu meiner
Kenntnis gelangt sind, dem Leser übersichtlich geordnet vorzulegen. In der
älteren Sammlung der Herculanensia Volumina sind veröffentlicht worden ;
VoL IV \ün.): *aoJ>i|>/oi;] hcqI i}r}^ooix[fjg] -^ Papyr. 1426 (hand-
schriftliche Oxforder Abschrift). Paginae 17.
Vol. V (init.) 4^ilod^iuov mqi ^J?[T]o(i[*x^ir] = P. 1669 (h. 0. A.).
Pgg. 38 '). ^
VoL XI (in.) ^vloör^fxov ntQl (>rixoQi.x^g J t(öv t\<; Jto xo jiQOTfoov —
P. 1423 (h. 0. A.). Pgg. 20.
Vol. XI (med.) 'PiXo^^fiov thqX ^rjroQixfjg J T[(i5v €]ig [^vo ro] cTf i;[t]«-
[qo]v theUweise - P. 1(X)7 (VoU. Herc. Oxon. II 1-45). Pgg. 69.
') Wo, wie in diesem Fall, die Anzahl der in den zwei Abschriften ent-
haltenen Tafeln eine verschiedene ist, nenne ich die gröfeero Zahl.
55*
816 Th. Cromperz, Die hercnlanischon Rollen.
Dazu kommen in der Collcctio altera:
Vol. HI (C. A.) 1 — 71 4»tXotiriijov 7T€q\ ^rjTOoixrji v7tOfjivr\u(tiixov =
P. 1506 (h. 0. A.). Pgg. 71.
Vol. m (C. A.) 110 — 209 (das Titelblatt fehlt) zum kleinsten Theil
= F. 1004 (h. 0. A.). Pgg. 101.
VoL IV fC. A.) 42 — 108 ^iXoS/jfjov [7T€qI (5»?To](j*[x]?f [t]?[c ttoJU-
r^Ws] (?) - P. 1674 (Voll Herc. Oxon. II, P. 46-116). Pgg. 69.
Vol. V (C. A.) 26—35 4'do^i^fiov ntQl ^rjTogtx^^ v7ro/LiVfjiic€Ta}[v] A
= P. 1427 (b. 0. A.) <f>aO<flifJOV TTfQl ^1]T0QC3(rjg. Ppg. 10*).
Vol. V (C. A.) 36-40 4>ao<f^iuou mql ^rjroQcxrig (?) Pgg. 5.
Die hieraus sich ergebende Gesammtzahl von 400 Columnen una
Fragmenten erfahrt nun einerseits noch einen zwiefachen Zuwachs, ander-
seits eine zwiefache Verminderung. Den Zuwachs gewähren die zwei noch
unveröffentlichten Oxforder Abschriften Papyr. 1015: [4>Uo]^i^fiov tkqX
^rjTOQtxrjg — Pgg. 77 Und Papyr. 1672: 4>ilo^i^fiov n€Ql ^Togixrjs B —
Pgg. 39. üeber die beiden zum Theil sehr wohl erhaltenen Stücke sei hier
nur bemerkt, dass sie sowol durch ihren Gredankengehalt wie durch an-
ziehendes Detail hoher Beachtung werth sind. 1672 enthält Anführungen
laus Epikur's wenig gekanntem avujToatov und desselben in diesen Bollen
öfter genannten Schrift ntol ß(m\ 1015 zeichnet sich aus durch Erwäh-
nungen von und Beziehungen auf Aristoteles , der Pag. 73 genannt und
gewiss auch Pag. 70') gemeint ist, Demetrios, Philipp von Macedonien,
') üeber diesen Widerspruch der beiden Titel und was sich hieran
knünft folgen weiter unten nähere Mittheilung^. Der Zweifel, den
ich oei der folgenden und bei einer früheren Nummer durch ein
Fragezeichen ausdrücke, gilt nicht der Autorschaft des Philodemus,
sondern einmal der richtigen Ergänzung, das andere Mal der Rich-
tigkeit des Titels überhaupt.
*) Die denkwürdige Stelle lautet: — xal Jm ravt^ J^qmQai^o] rovq
T( v6uov[g] OfVttyojv afia t^ ^«^j;t[^] xal rag roaaviag no-
XtTi(ag xal ra thqI rcwy [r6];iwr \di\xajnofM ara Mal xd
nQ[o\g Tovg xaiQovg xal nav oaov ...roiavt' — - Der -Schüler"
ist nicht Herakleides, an den man der Politieen wegen zunächst denkt,
sondern Theophrast, auf dessen vierbändige Sammelschrift ^über
jwlitische Opportunität** — ITolntxov (vielmehr IToli,zixcov, s, üsener,
Analecta Theophrastea 7) n^og rovg xai^oig a ß' y cT (Diogen.
Laert. V, 45—121,23 Cobet) die letzten Worte ebenso sicher hin-
weisen (vgl. die Bruchstücke 128, 129, 131 Wimmer und worauf
üsener a. a. 0. verweist) als es nahe lag seiner grofsartigen juridi-
schen Sammelwerke (siehe die Titel bei Diogenes v, 44— Izl, 18—19
Cob., die Bruchstücke bei Wimmer Frg. 97 — 106) im Vereine mit
denen des Meisters zu gedenken. (So citiert Parthenius 9 u. 18 ir
a und fv T(() J Twr noog rovg xatqovg.) Der Titel r« Tießl rdiv
Tonotv SixaiMfuara stimmt zudem auf Grenz- und Besitzstreitigkei-
ten bezüglichen Inhalt der erhaltenen Ueberreste der dtxatiüfiara
des Aristoteles ausnehmend wohl und dürfte vielleicht mit dem an-
derweitig überlieferten Titel ^ixactofiara noliutv zu verschmelzen
sein (vgl. die Bruchstücke bei Val. Rose, Aristoteles Pseudepigraphus
542—5). — Gegenüber Rose's wundersamen chronologischen Beden-
ken (ibid. 543 und de Aristotelis librorum ordine et auctoritate 58),
die ihm den Anlass geben, auch diese Schrift dem Stagiriten abzu-
sprechen« sei einfach bemerkt: die tarentinische Expedition det
Th, Oomperz, Die berculanischen Rollen. 817
Isokrates (?), Xenophon oder Xenophanes, Epiknr, die Stoiker, den Demo-
kriteer Nausiphanes, der lebhaft bekämpft wird. Und auch die Poesie geht
nicht völlig leer aus, zaui mindesten wird der eine von zwei bisher nur
aus Philo (11, 500 Mangey — de incorruptibilitate mundi c. 13) bekann-
ten und freilich durch (richtige) Conjectur bereits ergänzten Verse eines
unbekannten Epikers ^^ vervollständigt:
Papyr. 1015, 74 Philo ludaeus 1. 1.
— orJ^ yvviuxu t div tt o rj r div „OrJ^** ;'«(> „yt'vij", tf.tta(y •nToa-
tf ttaxovnav ovtms aya(}^ov rov üovife voov iniriStveTiti ia&Xov, Möre
xetS-varffitiv (oi tu ;|f^^<*oy i- x^Qitov il^a&ai dfiftvoT^^tav*^ {nn-
Xia O^ai u fitiVoT^Qüjv n tc n t- Qiovxtav wollte schon Mangey hinzu-
*vTOiv — fügen).
Vermindert aber wird die durch diesen Zuwachs um 116 Pgg. ver-
mehrte und auf 516 Pgg. erhobene Gesammtzahl durch zwei Wahrnehmungen,
über die ich im folgenden genauere Rechenschaft gebe. Das erste der oben
angeführten Stücke (Herc. Voll. Coli. Prior Vol. IV fin. -= Papyr. 1426
h.ü. A. 17 Pgg.) ist eine Doublette des Schlusstheiles unserer sogleich
näher zu besprechenden Nummer 5) (Herc. Voll. C. A. III, 61 fin. — 71 —
Papyr. 1506 h. O.A. 48—57); die Seite 47, die dem Beginn der Doublette
entsprechen würde, fehlt in der h. 0. A., ^manca 47" liest man auf P. 46.
Und ebenso ist das letzte der veröifontlichten Stücke (Vol. V C. A. 36—40)
eine Doublette von Vol. IV C. A. 98 fin. — 102 fin. = Papyr. 1674
(Herc. Voll. Oxon. II) 106—110 fin. — deren, den letzten sechs Columnen
des Papyrus 1674 entsprechendes, Schlussstück uns vielleicht der zunächst
zu veröflentlichende Fascikel bringen wird.
So liegt denn ein halbes Tausend von Columnen und Fragmenten
vor uns, deren vollständige Verwerthung selbstverständlich nur die Frucht
einer zusammenhängenden Bearbeitung dieser gesammten, durch innigste
Wechselbeziehungen mit einander verknüpften Ueberreste sein kann, üflfen-
bar kann diese Arbeit, zu der SpengeFs im Jahre 1840 veröffentlichte Re-
stitution von 39 Columnen des Papyrus 1007 den Grund gelegt, die mit-
unter geistreichen, nicht oft methodischen Versuche der italienischen Ge-
lehrten der CoUectio prior erwünschte Vorarbeiten bieten — nur von den
besterhaltencn Stücken ausgehen und stufenweise zu den schwerer beschä-
Alexander Molossus, die in dem letzten der Bruchstücke erwähnt
wird, fand nach Livius (VO, 3u. 24) im Jahre 340, nach Grote's
und Anderer Annahme (H. of Gr. XII, 534) im Jahre 332 statt;
Aristoteles starb 62 Jahre alt im Jahre 322; er war also, wenn wir
dem Zeugnis des alten Historikers Glauben schenken , zur Zeit jenes
Ereignisses 44, wenn wir der Vermuthung modemer Kritiker fol-
gen, 52 Jahre alt! — Wer hier chronologische Widersprüche und
Unmöglichkeiten wahniimmt, dem kann es nicht schwer werden zu
beweisen, dass niemals jemand ein Buch geschrieben hat, da er zu
diesem Geschäfte immer entweder zu jung oder zu alt war.
^) Darf man vielleicht an den Dichter der „kleinen Ilias** denken und
in ihm den Schalk vermuthen, der hier weibliche Geistesstärke ganz
ebenso aufrichtig preist wie anderwärts die Körperkraft und Aas-
dauer der Frauen {xa( xe yvvfi a.^Qoi (ix^og xii.)? — Meineke, der
die Verse gelegentlich anführt (Hist crit. com. gr. 68), bessert, ge-
wiss richtig: wäre /«^«/oy* kkia(hat„
818 Th. Gomperz, Die herculaiiischen Rollen.
di^teti und Zerrütteten vorschreiten, — man muss anch hier wie Überall
(um mit Epikur zu sprechen) nigt rCiv d^rjXcüv dno ray i^'atvofiivtof
arjfAÜova&m. Jede Mittheilung über Trümmer, wie sie uns in 5) und 7)
Vorliegen, müsste daher unter allen Umständön den Charakter einer vor-
16tifigen Nachricht besitzen; ein weiterer Grund zu solcher Beschränkung
in Betreff von 5) liegt in der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass
meine Mittheilungen über das Vorhandensein einer weit besser erhalte-
nen Doublette dieses Stücks zu Nachforschungen in Neapel und hoffent-
lich zur Wiederauffindung des vom Papyrus 1426 losgerissenen Anfangs
der Schrift den Anstofs geben werden. In derselben Weise ward die hoch-
wichtige Schrift des Polystratos durch die Vereinigung der Stücke 1150
und 33G gewonnen (vgl. Hayter's Report P. 37 Anm.) und ebenso sind 23
tum Papyrus 1007 gehörige Columnen erst nachträglich wiedergefunden
und der schon Jahrzehnte früher in der Oxforder Sammlung veröffentlich-
ten Schrift einverleibt worden.
5) m, 1—71 = P. 1506 (h. 0. A.) pp. 71: 4>aoifi^iov thqX ^tjto^
xrjg vTrojLtrtj^tdTixov u4qi& XXXHHHH (so viel erkennt man in O, während
der Titel in N nur 3100 Zeilen aufweist) beginnt mit 17 Fragmenten, die
in trümmerhalter Ueberlieferung nur in N vorhanden sind. Von Eigen-
namen — und diese sollen vorzugsweise den Faden bilden, an dem ich
diese meine auf das Wissenswertheste beschiSnkten Mittheilungen aufreihe —
stofsen uns zuerst auf Tafel 4, Frg. 4: Ki)iToXdo) xal l4Q([aTb)rt\ und
nach zwei Zeilen Kakkia&tv — die ersteren zwei ohne Zweifel die Peripu-
tetiker dieses Namens. Wir werden ihren Namen und ihren Lehren auch
dort wo sie niebt genannt werden, in 7) mehrfach begegnen und dort auiti
die wenigen hier und Col. 15 (in O) lesbaren Worte und Zeichen zu deu-
ten suchen. Kritolaos erscheint wieder T. 5, Frg. 6. Die Tafel 10 er-
scht'inende Phrase: trjv ldtjTOQ]ixriv ovx (?rru in Verbindung mit den in
diesen Fragmenten oft wiederkehrenden Worten xvßfQvnv, xvßfQvrixrn,
dann [or^nifyovTct xu( nva xa\ uavfirfooa , aotiog l[7i]t[aT\riuMv lorlv
[TOL>]r(i)v xcti u).lb)v (T, 7), T^i Tviv aoqvaT[o)]v ^ijro^jixfjg (T. 11) weisen
auf Eiörteningen über die Existenz der Rhetorik , über ihr Verhältnis zu
der auf Erkenntnis des Nützlichen bemhenden Politik, auf Vergleiche mit
anderen Künsten, auf die Unterscheidung der sophistischen und der sonbti-
gen Rhetorik hin, die uns anderweitig vielfach begegnen werden. T. 12
kann man in: fnl ttjv K6Qcc[xog t^/vtj]v (?) eine Beziehung auf den Vater
der Rhetorik, weiter unten muss man wol in den Worten [ro]*aiTiyr «ft-
va/uiv oy«r ... *0(^ v[oa£vg] xat A^/arw[^] xct[l X6\X(ov xctl ©«[luaro-
xki]g] (?) eine solche auf die heroischen und ältesten geschichtlichen Vor-
bilder der praktisch - politischen Redekunst erblicken (unten lese ich: r^^
^i[v(tfie(üg xiu] Tijg l/uTTHlQittg]). Der zwiefache Gegensatz des rhetorischen
Technikers einerseits zu dem empirisch-praktischen Politiker, anderseits zu
dem philosophisch gebildeten Redner-Staatsmann durchwaltet nämlich dieso
ganze Schrift, und nur weil diese und die übrigen angeführten Brocken sich
sehr wohl in die&en Rahmen fügen, glaubten wir sie mittheilen zu dürfen,
obgleich sie keine andere Gewähr besitzen als die der diesmal vÖUig an-
Th. Oomperz, Die lifrculuniöcheii Ri.llcn. 8il9
auverlässigen und oft bis zu totaler Unkenntlichkeit entstellten Neapolitaner
Abschrift. Die Worte: rov^- o/noioig {ioilv r[o]rs n.m, mir unverständ-
lich) reov ixxfCfi^VMV fj xul vij tov 'ÜQUid^a tioo^ Tovg neql J t]'
\jji]oa&(vriv — bilden den Schluss der nächsten Tafel (13) und der Frag-
mente überhaupt. — Dass wir in der nun beginnenden Columnenfolge
wenigstens einiges interessante Detail zu erkennen vermögen — ich be-
schränke mich fast ausschliefslich auf die Mittheilung von Stellen die
Personennamen erhalten — , dies verdanken wir der h. 0. A. , die den
Rest der Schrift mit Ausnahme der Colunmcn 8. 25 — 30. 47. 52. 53
wiedergibt.
Col. 1 erscheint in O oberhalb der ersten in iV erhaltenen Zeile
wieder der Name des [Jfifio]aO-irfi[<i]y von dem im folgenden auch an
Stellen die Bede ist, in denen sein Name, unkenntlich oder zweifelhaft
{^worden ist Unsicher ist dies tiefer unten: ovö^ 4>üixiiüv[u] ....
xotXiiaf^[iu] t(fri Jr)fio[aO](vrig x oiv iuvrov Xoytov, wo man an das
bekannte Dictum gemahnt wird: — oaüxti; uv avT((}ü)v avKp ^Pcjx^ojv
dvttßa(vo^ f Xi'yuv n()o^- rovi avvr'iO^Hs' „'i/ rcuv ifxciiv Xoytjv xojil^
c^vCaruiat,**^ (Plut. Dem. Xj — , die Lückenhaftigkeit und die Discrepana
der Abschriften aber jede Gewissheit ausschlieXst; (A' bietet jTiro.ytvin,
O hingegen Jnfxo.yivrwg.) Welcher Diogenes sogleich in den nächsten
Zeilen und Col. 12 (in O) gemeint ist, bleibe dahingestellt; der Col. 23
neben Chrysipp {[X^]val[7i]nov) genannte ist wol kein anderer als der
stoische Gegner unseres Philodemus, Diogenes der Babylonier.
Col. 3 (die links stehenden Zeilenreste in N sind um je eine Zeile
hinaufzurücken): — ua)([oX](av vnou([vov\Tig 'ivixu [rjoly toi^ovtiov^ ovJ'
vnoTccTTOVTfg iuvTovg ov[Jt]vl tioj/iok T(x)v T(t To[t«t']T« i7H(ry€U.ofji^v(üv
— dann: xul jioXhig ua^uXiag [xul x]uxo/iu0^i(([g] vTro/usfitvrjxuatv ol
yi[v]vaiot T[d)]v (jtjroQtüv — . Aehnlich Col. 4 (untere Hälfte): — x«l
7i(ir7i[6l]Xoi'g i7i^()0L'[g] HQOTfQOV xul vvv /q6v(i) x€cl (SaTTarrj xal novocg
x[u\) /uaO-rjan jiQog jr,v Inn^avnav iii^i[x]viiü^(tC ^r]iovvT[ug\ ov /nr^v
aXXa iwv — . Als illustres Beispiel der Mühen und Anstrengungen grofser Red-
ner wird Col. 4 oben auf die Lehrjahre des Demosthenes verwiesen, in einer
Stelle, auf deren vollständige Herstellung wir vorläufig verzichten müssen,
die aber nicht zeirüttet genug ist um uns nicht ein beachtenswerthes Zeugnis
für einen viel bestrittenen Punct in der Bildungsgeschichte des grofsen Staats-
manns und Redners darzubieten. Wir lesen nämlich: x]((l nXiiatriv .., £[/a]*-
vr)v(y/A^lvov] dxuvoTriv cf^ [>']fvo^*[i'oy] rwv x«^' (wt[6p a]oqwv — von wem
hier gehandelt wird (gewiss nicht von Themistokles , der zu Ende der
Col. 3 zweimal genannt zu sein scheint) und wie das zunächst folgende
zu deuten ist, muss ich Scharfsichtigeren zu errathen überlassen; bald
folgt: xal ^r}uo[a(yh']r}v Tip xid IlhiiTiovi [xal EjußovXt^H (1. Evßov-
X{Jrj) [ni(Q]aßißXrjx^vai — dies alles in N freilich völlig entstellt und
verderbt. Für den Verkehr des Demosthenes mit Eubulides von Milet,
einem Philosophen der megarischen Richtung fdem Urheber des ö iyxixa^
Xvfd/bi^vog genannten Fangschlusses, gegen den, beiläufig bemerkt, Epikur
in einem noch unveröffentlichten Stück von huji ((votog lebhaft streitet)
820 Th. GomperZy Die herculanischcn Rollen.
und wahrscheinliches Schülerverholtnis zu demselben zeugt die Persiflage
eines alten Komikers bei Diogen. Laert. II, 108 (Meineke Frg.Com. gr.IV,G18).
Die übrigen Zeugnisse findet man bei A. Schäfer, Demosthenes I, S. 296, der
allerdings „nicht zu viel auf diese üeberlieferung geben möchte", doch
sei ein Verkehr beider Männer wohl anzunehmen und „an sich wäre nichts
dagegen zu sagen, wenn Demosthenes bei einem Philosophen in die Lehre
gieng, der auf strenge Folgerichtigkeit sah" u. s. w. Ich denke , es wäre
auch nichts gegen ein gutes altes Zeugnis zu sagen, welches den grofsen
Staatsmann bei einem Philosophen in die Lehre gehen lie/se, der mit
seiner eigenen Geistesrichtung weit weniger gemein hätte. Wer erwartet
denn in einem Genie, wie Demosthenes es war, nur den Abklatsch seiner
„Lehrer** zu finden oder das mit leichter Mühe in seine Factoreu zu
zerlegende Product der Jugendeinflüsse und all der Bildungsmittel die
ein reicher und origineller Geist nach allen Seiten ausspähend aufsucht
und begierig in sich aufnimmt, ohne darum an seiner Eigenart die min-
deste Einbufse zu erleiden. Die weit zahlreicheren Zeugnisse für eine
gleiche Beziehung des Demosthenes zu Plato hat Schäfer ebenfalls ge-
sammelt und erörtert (a. a. 0. S. 280—282). Wie sich freilich aus diesen
Prämissen und ihrer Erörterung der Schluss ergibt oder ergeben kann,
man könne „mitrölliger Bestimmtheit aussprechen, dass De-
mosthenes weder Platon's noch Isokrates' Schüler gewesen sei" (S. 282) —
dies ist mir, ich gestehe es, wenig verständlich. Die Sache steht, denke
ich, einfach also: Es war im ganzen Alterthum der Glaube weit verbrei-
tet, — und er wurde auch von Cicero getheilt — dass Demosthenes in
seinen Jugendjahren Vorlesungen (ob einen oder mehrere Curse wird nicht
gesagt) bei Plato gehört habe. An dieser Nachricht, von der die Fraj^e
nach dem beträchtlichen oder geringen Einfluss, den der grofse Lehrer
auf den kaum minder grofsen Schüler geübt haben mag, vollständig zu
trennen ist, haftet nicht der leiseste Schatten innerer Unwahrscheinlich-
keit Um sie jedoch in den Bereich urkundlicher Gewissheit erheben zu
können, wünschten wir das Zeugnis eines der Zeit und den Verhältnissen
nahe stehenden, unbedingt verlässlichen Gewährsmannes zu besitzen, —
ein Wunsch den freilich nur eine günstige Laune des Zufalls erfüllen
könnte. Suchen wir nun nach Berichterstattern, die uns über die Quellen
ihrer Kenntnis Aufschluss geben, so finden wir deren vier: Diogenes,
Cicero, Aulus Gellius und Plutarch. Diogenes Laert. (III, 47) verweist
uns auf den Schriftsteller Sabinus, der unter Hadrian lebte und nach sei-
nen bei Suidas (s. v.) angeführten Commentaren zu Thukydides, Akusilaos
und anderen zu urtheilen sich vielfach mit der alten Literatur beschäf-
tigt hat. Dieser erwähnte die in Frage stehwide Notiz in dem 4. Buche
seiner fitXfTrjTi.xrj l'lt] betitelten Schrift und führte für dieselbe das Zeugnis
des Mnesistratos von Thasos an, eines Autors, den wir nur aus dieser
und einer andern beiläufigen Erwähnung bei Diogenes (VII, 177) kennen
(wenn, wie wahrscheinlich, hier derselbe gemeint ist). Aus letzterer erfahren
wir nur, dass er zur Zeit des Ptolemaeus Philopator, also ungefähr ein
Jahrhundert nach dem Tode des Demosthenes gelebt hat, ob er das Haupt
der bei Athenaeus (VII, 271) d) erwähnten philosophischen Secte der Mncbi-
Th, Gomperz, Die herculaiiischen Rollen. 821
strateer war, lässt sich nicht ermitteln. Cicero erwähnt die Sache zwei-
mal, im Brutus 31, 121 und im ürator 4, §. 15, hier mit Berufung auf
^die Briefe des Demosthenes", von denen einer auch an ersterem Orte
beiläufig erwähnt wird: „lectitavisp.e Platonem studiose, audivisse etiara
Demosthenes dicitur...dicit etiam in quadam epistula hoc ipso de
sese.*' Die gelegentliche ehrenvolle Erwähnung Plato's in dem fünften der
erhaltenen, fftr unecht geltenden, Briefe (p. 1490) kann hier nicht gemeint
sein; dass die Demosthenischen Briefe welche Cicero las „höchst wahr-
scheinlich unecht" waren, ist eine Annahme Otto Jahn*s (zu Cic. Oratcr. 4,
§. 15) und anderer, deren Begründung ich nicht kenne *). Das vieldeutige
^dicitur** kann alles und nichts besagen. Bei Aulus Gellius (III, 13)
endlich scheinen wir festeren Boden zu gewinnen. Dieser führt als seinen
Gewährsmann dafür, dass Demosthenes „admodum adulescens" die Aka-
demie besucht und Plato gehört habe, keinen geringeren an als, Her-
rn ippus, den Philosophen und Geschichtsforscher, der in der Schule des
Kallimachos gebildet, die Schätze der alexandrinischen Bibliotheken für
die Ausarbeitung seiner grofsen biographischen Werke verwerthen konnte,
dessen kritische Sorgfalt und Verlässlichkeit die competentesten Richter
im Alterthum mit einer Stimme rühmen (vgl. die Zeugnisse bei Lozinsky,
Hermippi Fragmenta 57—58), der diese Notiz endlich nicht beiläufig und
aliud agens, sondern in seiner mit Benutzung des reichsten literarischen
Materials ausgearbeiteten Biographie des Demosthenes vorbrachte. (TJeber
die fides des Hermippus, der von Parteilichkeit in Deutung und Grup-
pierung der Thatsachen nicht freizusprechen ist, werde ich bei einem an-
deren aus diesen Rollen geschöpften Anlasse zu handeln haben.) Und so
wären wir denn bei jenem höchsten Grade von Wahrscheinlichkeit ange-
langt, über den wir bei Beurtheilung abgeleiteter Nachrichten im Alter-
thum (Hermippus schrieb mehr als hundert Jahre nach der Jugendzeit
des Demosthenes) selten hinauskommen. Doch die kaum gewonnene Grund-
lage soll sogleich wieder — angeblich — erschüttert werden — durch eben
dieselbe Notiz, die in etwas veränderter Gestalt bei Plutarch auftritt
Dieser führt nämlich diese Nachricht gleichfalls aus Hermippus an, be-
gleitet sie aber mit dem verdächtigenden Zusatz, Hermippus habe hier
aus ttötanoToig vnouvrjfiam geschöpft (Dem. ö). Hier könnte man nun
etwa also folgern wollen : Wenn ein kritischer Geschichtsforscher nach ge-
wissenhafter Sammlung und Sichtung aller Quellen für eine Nachricht im
letzten Grunde keine andere Gewähr aufzufinden weifs als die einer autor-
losen oder einer Schrift von zweifelhafter Autorschaft (letzteres meint wol
Plutarch mit dem zweideutigen Ausdruck, denn ein Automame war im Alter-
thum gar leicht zu beschaffen), so muss es mit jener Nachricht wol sehr
schlecht bestellt sein. Dieser Schluss ist mehr scheinbar als richtig, er ist
^) Angemessener scheint mir die Zurückhaltung, die hier Grote übt
(Plato 1, 129 Anm. k): Cicero affirms on the authority of the Epistles
of Demosthenes that Demosthenes describes himself as an assidous
hearer as well as reader of Plato. I think this fact highly pro-
bable, but the epistles which Cicero read no longer exist. vgl. auch
ibid. 123 und Hist. of Gr. XI, 375-376.
812 Th, (xomperz^ Die herculauischeB Rvllei».
vor allem in dem gegenwärtigen Falle völlig unanwendbar. Ich rede nicht
von den mehr als zweifelhaften Prämissen („Es soll mir alles recht sein*",
sagte Wilhelm von Humboldt, „wenn man Plutarch nur nicht als Ge-
•chichtschreiber betrachtet") '^y der Schluss selbst widerspricht offenkun-
digen Thatsachen. Es gab andere Quellen jener Nachricht, zum miiidesten
doch die von Sabinns angeführte Notiz des Mnesistratos und jene Briefe de^i
Demosthenes, die der von einem erlesenen Kreise griechischer Gelehrten
umgebene Cicero gelegen und für echt gehalten hatte. Ich sehe hier nur
so viel: Herrn ippus glaubt an die Wahrheit der Nachricht, die er mittheilt
(dies darf man aus der Art der Anführung bei Gellius entnehmen), Piutarck
zweifelt sie an ; warum, bleibe dahingestellt, jedenfalls widersprach sie seiner
vorgefassten, anerkannt unrichtigen Meinung, Demosthenes sei ohne Bildung
und Unterricht aufgewachsen, freilich nicht mehr als ihr das Zeugnis des Demo-
sthenes selbst widerspricht '). Zu wessen Gunsten hier die Vermuthung
spricht ist mir nicht zweifelhaft. Volle Gewissheit könnte uns aber nur jene
genauere Auskunft über die von Hermippus benutzten Quellen verschaüen,
die der durch den Besitz vortrefflicher Hilfsmittel und durch kritische
Gewohnheiton gleich sehr ausgezeichnete Forscher in so reichem MaTse zi^
ertheilen pflegte (eine ebenso löbliche als im früheren Alter thume seltene
Gewohnheit). Allein die blufse Thatsache, dass seine Quelle — oder eine
seiner Quellen? — t^j «F<rw ^ r^ Jttv* (vielleicht beides Gewährsmänner
ersten Hanges!) beigelegt wurde oder allenfalls auch völlig namenlos war,
kann gewiss nichts gegen ihre Güte beweisen. Ein Name von gutem Klang
an der Spitze eines Geschichtswerks ist eine vortreffliche Empfehlung ihres
Inhalts, aber eine unerlässliche Voraussetzung ist es nicht. Es gibt histo-
rische Schriften und Documente genug, die in ihrer inneren Beschaffenheit
(von ihrer Provenienz abgesehen, die der „Kaliimacheer" sehr wohl kenueu
und in Anschlag bringen mochte) die voilgiltige Bürgschaft ihrer Treue
und Verlässlichkeit tragen und jeuer Empiehlung wohl entruthen können.
Welches Gewicht nun das neu auftauchende Zeugnis des Philodemus be-
sitze, hierüber wird das ürtheil verschieden lauten je nach der Vorstel-
lung die man sich von der Gelehrsamkeit und Verlässlichkeit dieses Schrift-
stellers gebildet hat; hierüber erschöpfend zu handeln würde mich allzu
weit führen.
Demosthenes und De mades sind Gegensätze, die sich berühren! und
in der That, wenn unsere oben besprochene Restitution noch einer Bekräf-
tigung bedürfte, so wäre sie in der gewiss nicht zufälligen Antithese zu
finden, die dem in den Schulen der Philosophen gebildeten Redner sofort
seinen naturwüchsigen Gegner gegenüberstellt, der „mit ungewaschenen
«) Niebuhr, Vorträge über alte Geschichte II, 360.
^ ■') Plutarch. Deinosth. IV
^*a re t)'^ tovto twv ffifxtXm' xal
^f^Tj^djwv dnti(6ii)Tog 6oxu yivi-
Demosthen. de Corona §. 257
nut(Sl jLitv ovTtr if^otiar ttg m ji^o-
otjxovrtt öiöuOicaXita, xui ij^tiv oou
Th. Gomperz, Die lierculaiiiöcheu Rollen. Bt^
Füfsen von der Ruderbank auf die Tribüne spranf?" ■). Wir lesen nämlicb
Col. 5: drifxdötiv a[y]oi*ja rovg ItcuT^ nuQaßaXXHv d-(XovTtng firl tow
Si^dcxaXov, rovT^ larlv t6[v] ^^uov — d. h. Demades wies Lenibegierige>
die seinen Unterricht suchten, an seinen eigenen Lehrer und führte sie auf
ihre Bitte sie zu diesem zu bringen, vor das versammelte Volk. Eh«»
diese, für den Autodidakten •) Demades so charakteristische Anekdote ward
später zu dem Apophthegma zugleich abgeschwächt und zugespitzt, wel-
ches wir mit einer entsprechenden Nutzanwendung versehen bei Stobaeu»
(l'lorileg. 29, 91 — 2, 18 Meineke) lesen "). — Bei Gramer Anecdd. Oxon.
IV, 253 wird derselbe Ausspruch, durch zwei Schreibfehler verunzicTt
(ix(fa(v(üv und xQ€fTTcj) , mitgetheilt, der Name des Demades ist ausge-
fallen; nur dieser und die Nutzanwendung ist übrig geblieben bei An-
tonius in melissa p. 57 tur. Da an beiden Stellen (auf die Sauppe Or. att.
II, 316 b verweist) das y,ix tüv jiQiatoi ^Xovg xQ^nmf"' geschöpfte Dictum
des Lasos von Hermione, — bei Stob. Floril. 29, 70 — 2, 8 Mein. — un-
mittelbar vorangeht, so darf man vielleicht vermuthen, dass eben dickes
Stob. Floril. 29, 90 erscheinende Lemma auch auf das folgende, nur „^//j/i«-
<foi** tiberschriebene, Apophthegma zu beziehen sei Welche Bewandtnis e«
aber mit diesen, jedenfalls auch Nicht-AristotelLsches enthaltenden Chrieen
habe (vgl. Meineke Hist. ciit. com. gr. 375), ob man sie mit Val. R^äe,
Arist Pseudepigr. 611 — 614, dem Ariston, und welchem, dem Keer oder
dem Chier, beizulegen habe, dies zu untersuchen ist hier nicht meines
Amtes. — Eine Anspielung auf diese Anecdote begegnet uns auch in fV
(C. A.), 65 = Vol. Herc. Ox. 11, 73, wo Philodemns einem Gegner er-
wiedert: 7tQ(iiT(x)[g] ftlv ov navikg aXX! oX(y(i\i\ xoaryaCov(Jiv n7i[oX]('t/.[t-]'
xivai, Tov /Qovov [ov flg (l]()(fi(JTov nefiocrtjxaair xtd rovg vioig ^/rl
tov ttVTüiv llyovai öt^aaxaXoVy tov ^ri\u()\v.
Vereinigt erscheinen die beiden Gegner (Col. 9 oben ist Gtu laro-
[xXrig] genannt, wol als Typus der SoaorriQiog avv^aig und noXiTixrj ^h-
voTTjg — arer Xoyov xal n(uSf:(ug, wie es bei Plutarch, Themistocl. 2
heifst) Col. 10 in dem Satze: — ro avf.ißovXfvTix6v €(VT[fj]g /u^no[g, Tov[g]
^k t6 öix(evix6]v . . xuTa rag «^/«[?] I^^jihqov o;^ ^nl [i\uTo[i\xrig f/fi
[x]«l Cf^yoct[ff^(ig] xal tip(o[v äXX(jj]v [T]f/v(ii[r] ' xal rovg 7j[fo) ztrj]uo~
[oO-]ivr}[v] xctl z/rjfi(([i^r]v ro avußovXf:VTtx6[v\ xa\ Six(ir[ix6v\ tiifog ix-
n(nortjx[6Tic]g (V) — . Die dritte Rede-Gattung (das ^jitötixTixor f?(Jng) hatten
schon die Sophisten und Isokrates zu hoher Vollkommenheit entwickelt.
Col. 20 behauptet ein Gegner die Nutzlosigkeit der Philosophie für
den Staatsmann : or uorov, </»?o[/'y], ibiv ^rjTOQiov ilXXa xa) nor T[i(]g :ru-
•) Syrian. ad Hermogen. in it. IV, 39 Walz.
•} Wie gewöhnlich der in diesem Sinne typisch gewordene Redner als
Instanz gegen den Nutzen der Rhetorik angeführt ward , mag Seit.
Emp. adv. Mathem. 2, 16 - p. 677, 28 Bekk. und Quintil. II, 17,
10 lehren, sowie was sonst Lhardy, de Demadc 21—22 zu diesem
Behufe zusammengestellt hat.
'•) /drifAitörig ^Q(orrj(^f'tg x(g nvro" ^t'^aaxnXog yfyovMg ifrj „i6 TcSr
*Ax)^rivaluiv"^ ffft] „ßfjun**, ^fLitfafrojv, ort i) cTm tmv TiQftyjuuTüßV
iununid xnfdron' Tidarjg ao(^4,aiix^g Si^ctoxuXiag laxh'.
824 Th, Gomperz, Die hcrculanischcii Rollen.
iHi xaToixovvTü)[v] . . . IJ^Jw^isr </*Xo(yo[</Y«f T*r]^f [yfy]6vaatr nQli[TixoC] — ,
wogegen in der folgenden Columne das grofse Beispiel des Ferikles ab
Schüler des Anaxagoras in's Feld geführt wird: m[Qi\Klrig ro(vvv, or
[(faai Jftyjorarov (?) j'f[y]o[r^j'at tü)\v äilary ^rirolQon'f xal l/iva^tcyoQov
xal [ttllanf rivaiv rjjxovaev ^^[Xoaotfanf] — , eine Stelle, deren RestitatioB
nur dämm im wesentlichen vor jeder Anfechtung geschützt ist, weil sie
uns nichts neues mittheilt. In Betreff der allhekannten, durch das Zeugni»
Plato's (Ph«dr. 2G9 E) gesicherten Thatsache hedarf es kaum einer Verwei-
sung auf Cic. Orat 4, 15, Quintil. 12, 2, 22, Schol. in Plat Phasdr. L L,
wo überall das Schüler -Verhältnis des Perikles zu Anaxagoras und jenes
des Demosthenes zu Plato als gleich hckannt und heglaubigt Yorausgesetzt
und in Parallele gestellt wird.
Col. 24 erscheinen Demosthenes und Kallistratos nrit Themisto-
kies verbunden: [J]T]fMoa9^^vTiv x(tl Ka[XUaTQ](tTov xnl 9ffiKrT\oxX\^cc xal]
Tove d/uofovg. Man vgl. Col. 34: rotv neol [Jr]]juoad^^vt}V xat AaJUi'[(7]r^-
Toy, o? XfyovTtti rrjv nohrtxiiv xexrrja&ai dvv[a]uiv — vorher gieng:
B€fiia[To]xXi]g xal ITtQt[x]Xrjg x[k]1 Ton [xal] vvv ax^o[r]ffrof toovvtm.
Ebenso Col. 42: Jri^[o]ad'ivTiv [xal KaXXfa]TQaTov; in Verhindimg mit an-
dern attischen Rednern Col. 33 unten: Jrjfdoüd^^vrjv x[al] ^rxovlQy]oT
xal *Y[nt]Qe(^rj[v Ttttl K{d]XiaTQaTov (wo man der Curiositat halber
N vergleichen mag); nur xal ^vxolv]nyo[v xi€]l /lijfda[d]riv CoL 32 unten^
Dass C^l. 32 die Namen Epikuros und Metrodoros erscheinen,
sei nur der Vollständigkeit halher erwähnt, so wie das Vorkommen des»
Demokriteer's Nausiphane8,desin diesen Rollen mehrfach genannten und
bekämpften angeblichen Lehrers Epikur's (vgl. Diog. Laert. X, 7. 8. 14) auf Col.
40. Mit dieser Columne beginnt eine Recapitulation des gcsammten Inhalts
der Schrift, die bis zum Schluss fortgeht und mit den Worten eingeleitet
wird: — tkcqu roTg «(>;|f«/o[*^] nug 6 Xiytuv iv ^nf^h»] (tt}Tü)Q (xaXii[io\.
Twr ö^ l[x\xtl^^^vo}V «[«</]« A «/wr kxaaxov vno\ui\iAvriaxt:[tv
ni]iQaa6\}i]i&a 6 i[a rovTtov (?)' T]o[Ly]aQovv —
Col. 44 unten erblickt man (in N) die Zeichen: ^'^^fjUN^
Sie sind trotz ihrer Vereinzelung vollkommen ausreichend um uns zu
lehren, dass hier ein Brief des Herraarchos citiert oder erwähnt war,
den dieser unter dem Archontat des Menekles an einen sonst unbekann-
ten Theopheides schrieb, in O aber erkennt man, wenn man die am
Riind rechts und links zerstreuten Buchstaben zusammenliest: [E:i(]x()v{yui
if'Tjfnv h' [Till] ttsqI (}rj[T]oQi^xfig xal MlrjTQn(f]o)(}og iv [rja/f^j ttooito) [jTtQ]i
7Toi[Tjfta]T(av xal "E[(}fAa]Q/og [ItiI] MtvtxX^ovg [(]v t[j nQo\g [öf]oy*i'-
Sriv i[7i]i[aToXtJ\ — eine Citatenreihe , die im Papyrus 1674 in ähnlicher
Weise wiederkehrt und dort dem Erweise des Satzes dient, dass die Schnl-
häupter die sophistische Rhetorik für eine wirkliche Kunst hielten, ein
Ausspruch der befremdend klingt, für den aber auch der Papyrus 1672
und der weiterhin zu besprechende Papyrus 1427 überreiche Beweismittel
enthalten. Die Citate in 1674 aber lauten, um mit dem letzten zu be-
ginnen: IV (C. A.) 99 -- Vol. Ox. U, 107 (beides ergänzt durch die Dou-
Th. Gomperg, Die herculanischen Rollen. 825
blotte V, 38, wo »eU^amer Weise fünf Zeilen zweimal freschnebon sind, das
Auge des Schreibers irrte von rtfol noi^fiarog am Schlasse des Satzes ab
zn Ttiol jToirjunroyv und er wiederholte die dazwischen liegenden Worte) :
xttl MriTQO^biQog (v t^ nQwrn) nfQl noirjiiKTaiV Ixttvtag ioixfv netQffjtfitf-
VHV t6 rfiv aoffiaTixrjv ^rjroQixrjv r^;jfrj;r v7icto/HT ' SmXsyofifToq yao
nnog rirrt rm* nto) 7i[otrj]uaTog avy[y]€'yQa(f{6T(ov] — . Wir lernen aus
diesen zwei Stellen den richtigen Titel der bisher 7tf(A noiiiroiv genann-
ten Schrift des Metrodoros kennen. (Ich selbst habe kttrzKch bei einer
gelegentlichen Erwähnung der Schrift S. 724 dieser Zeitschrift dön aus
Plutarch Mor. 1094 a — 1339 Dübn. bekannten Titel vorläufig beibehalten.)
Wenige Columnen vorher werden diese Anführungen eingeleitet mit den
Worten: (IV [C. A.] 93 = Vol. Ox. II 101) vvv in* [i]x(i7'[o] ßtt(frCü3ufr,
ort T^X'^'Tjv oi'X Vf^ft"? l^yo^iv [rri\v aorfiaTixrjv ol Sh r^r [n]r[(>]f(Try
xriaavTfg ^fjory niTiiforyovaiv ^ x[«l] t[^]v noltTixTJv [l]tTTOQ[(](<v rivci xtel
nttQaT'^Q[Tiai]v aiTrjaxrjf.th'rjv ovx ^««K ftXXa x«[x]f i>o(f) , naQa&riaofia[t,
<f'] onov xaX St* cjv ^</>ff[/'ro]v'[r]o ....TttiJT(tJSittatt(f(Ta^[(c]i.'6 rotwv
^EnlxovQog (v [t]^ ttbqI i[rj]g [Srj]TOQtxfjg oti (aIv dittTiXi[Z X](ywv t«
SiSa[a]xttXfTa rtav ^rjTOQixüh xri. — es folgt eine mit leichter Mühe her-
zustellende aber nicht sehr ergiebige Stelle. In der Mitt« der hier begin-
nenden Columne aber liest man: «AA« ju^v xcd '!E(i//«[();f]o? (ttI Meve-
xX^ov[g ?y] rivt nQ[6]g Bkot^^iidriv [ini\aToXr][i\ r^r avTri[v ^xW] y^'O)'
fi[ri]v. l4X^$[irS]o[g] ynQ Iv ToTg . . Qinyüy}'[oTg] [x]reTrjyoQov[v]Tog rtov
^TjTOQixbSv [ao]qc(rTMV or* „noXXa ^riTovatv «;^p»i<Trw?", wv ioTt xal ro
TtiQi Tjjv Xi^tv avTfov nqay^ttjfvfia xn\ ro 7T(qI rrjv (jur]ii/ii;v xal iv
olg i7TiC[rj]Tovat> XiyHv „(* f^V Wor[f a]uijß^ßrjx€v iv xoTg . , Tnoiv*^ tiv
^APXH.STPAYA Srj TTQoß^ßrjxe*^ xnl ii^qC Tvvm\y\ «i[>Lo)]v — . Ueber
diese wichtige Stelle, die ich, wie man sieht, nicht vollständig herzu-
ateUen vermag , ist aber folgendes zu bemerken : Die Briefsammlung des
Hennarchos kannten wir bisher nur ans einem Citat b^i Diogenes
(10, 15) '*); jetzt erfahren wir, dass auch seine Briefe gleich jenen Epi-
kur's nach Jahrgängen geordnet waren (ich werde die mit dem Namen
eines Archen Eponymos versehenen Citate aus letzteren — ich kenne etwa
ein Dutzend — bei der Besprechung von Nummer 6) zusammenstellen)
und gewinnen eine neue Bestätigung für den Eponjrmos Men ekles. Diesen
kennt man seit wenigen Jahren aus einer, von Kirchhoff im Philo-
logus XII 743 ff. und XIII 206 - 207 besprochenen, attischen Urkunde, deren
Abfassung dieser Gelehrte eben des neuen in ihr erwähnten Archen Epo-
nymos wegen „nach Ol. 122, 1 aber vor Ol. 129, 3" ansetzt, letzteres aus
Wahrscheinlichkeitsgründen die Eustratiades in einer dort angeführten mir
unzugänglichen Abhandlung entwickelt. Da auch dieser äuflserste terminus
ad quem nur neun Jahre nach dem Tode Epikur's (OL 127, 2) fallt und
") Dass eben diese Sammlung das Verzeichnig der Schriften des Her-
marchos bei Diogen. Laert. (10, 25J eröffne und von dem folgenden :
7rf(>l *E/j7TtSoxX7ovg (fxoat xa\ 6vo zu trennen sei (man las bisher
^EniöToUxa hsqI *E/li mSoxXiovg xri.), ist eine überaus ansprechende
Vermuthung von Bernays in seinem jüngst erschienenen schönen
Buche: Theophrastos' Schrift über Frömmigkeit S. 139—140.
826 Th. Gomperz, Die herculanischeii Rollen.
es keineswegs unwahrscheinlich ist, dass der Schüler den Meister so lan^
überlebt liabe. so bietet der Umstand, dass Hermarchos in dem AmtHJahr
jeues Eponymos einen Brief schrieb, -für die Zeitbestimmung des letzteren
Jceinön Anhaltspunct. Galt aber — wie nicht eben unwahrscheinlich ^- das
in jenem Briefe enthaltene Citat einer kurz vorher aufgeführten Konicedie
dos Alexis, so könnte man wol versucht sein, den Archonten Menekles
^n Ol. 122, 1 nahe heranzurücken. Doch ist die Chronologie des Alexi»
mit ihrem Ausgangspunct, der angeblichen Zerstörung von Thurii Ol. 97 3
(Moinoke, H. er. com. gr. 375—6 und Clinton, F. fl.ed. Kr. l«ö— 6) viel
rzu unsicher (vgl. Diodor XV, 7. XVI, 15 und die Belege bei Smith, Dict
of Anc. Geogr.) und nöthigt ihre Durchführung zu viel zu gewaltsamen
Annahmen (gleich jenen Droysen's in Zeitschrift für Alterthumsw. X. F.
I 55 ff ) als dass es gerathen wäre auf so schwankender Grundlage fort-
Äubauen. — Ob der Titel der Komcedie „[/TfJ^M^ywyo/" oder „[Mr]Qictyvjyti'^
(sc. nlol« oder rneufft}, Schiffe von tausend Lasten) oder anders lautete
steht dahin. Mit dem Paroemiacus „noXlä Cr^Tovatv tiyortürtai** vergleiche
man Alexis, 'Okvv^(a I, v. 16 (^Qvy/ag fVQtifAara avx^g) bei Meineke HI,
456. Einen zweiten Paroemiacus scheinen die mir unverständlichen Zeichen
und Worte : a();(r]aT(}(c(va)<^rj 7iQoß^ßrj(xe) zu enthalten (die eingeklammer-
ten Buchstaben fehlen in A^) Auch dem Trimeter ist durch die Verstüm-
melung des letzten Wortes die Spitze abgebrochen; der Sinn ist wol zwei-
fellos: „die Rhetoren bemühen sich Dinge auszudrücken, die sich niemals
ereignet haben oder ereignen können." Statt des erwarteten — avfjß^ßtjxsv
h' dv(hmjioeg trat gewiss eine spasshafte Wendung ein, h Torg [yv]7if(nv
(statt yvijjir) kann man einem Komiker wol nicht zutmuen '*).
Col. 48 unten entspricht dem Anfang der Doublette (vgl. S. 817),
auf deren Titelblatt das Wort v7iofATr]^axi,x6v unlesbar geworden ist; als
Zeilenzahl erscheint in iV: XE, in O hingegen: XXX, wonach wol noch ein
X und einige H verschwunden sind , denn da der Inhalt von acht Z«3ilen
des P. 1426 nur fünf Zeilen des P. 1506 einnimmt (mau vgl. die beiden
Schlusscolumnen) , so muss die Gesaramtzahl eine gröfsere und kann un-
■löglich eine geringere gewessn sein. Ich lasse den III (C. A) Col. 56
med. =- IV (C. P.j Col. 12 med. beginnenden Schlussabschnitt hier fol-
gen '^). Die Abweichungen von dem Texte, den Herr Scotti im Jahre 1832
veröffentlicht hat, namhaft zu nmchen und zu erörtern, würde mich zu
weit fuhren und ebenso wenig kann ich dem Leser den, diesmal aus vier
Abschriften bestehenden, kritischen Apparat vorlegen, der meiner Textes-
Recension zu Grunde liegt.
•*) N zeigt: OMH\ BEBHKENENTOrZ \ . . . ZIN
O hingegen: OMHOTOYM.BEBlIKENENTOril HEZIN
'^) Aus dem vorhergehenden sei nur ein Bruchstück des Rhetors Anaii-
menes von Lampsakos angeführt, weil es in Sauppe's Frag-
mcntsammlung (Or. att. H 320 - 321) vermisst und durch den Papyr.
1506 zugleich berichtigt und ergänzt wird: III (C. A.) C. 49 =» IV
(C. P.) C. 2: OTiiv J^ l^yMOiv, [u}]a/ifQ l4[ra:]$tu^vr}g, a>g ovx nv
noTf 7TQoat}(^t.y[f]aar roi\' ^fiTooixoii noyvQior oiif(r[r](i */ u^ ?o
77r. Gompere, Die hercuUnischen E^Jllen. 817
Ovxom\ int) xu) tuvtk r^» ai'Vi/ovarjs int4(}o\ju]rji ritivyj, hn-
nov (*r ttri dutkitßiiv i7iiiv[o] ro fiiQogy ti 6 ^i^twq ivExa ^rjTOMxi}^' nytt"
&6g UV yh'oiTo noXfiTixog. rov ft^v rolvw SvaxQißixov ^-^roga nmg
iiv Xiyotfjfv xa'^oaov (S/jrwp ttyaxkov liv yfv^a&ai TtoXftTixov^ og ye ovd*
Sla}g nokfnixng evotaxfro xtcO-oaov ()j]TO)q; vttIq J^ »"[or»] jroXtiTixov /J/j-
Tooog ünJ[f] Jnxif^iü^ofjfv dnoifaiviaOtu'Ttjg (iya&6[v\ 7JoktiT[i]x6[v <F]*«-
Xixrov 7ioox[fl]Q(i)[g ö]riXovarig ^h *[«i] t6[v] ^wutov TToXnrixov xccl
yivvt'Xtig ta7ifi[n]ov, ^rjXovatjg J^ xicl [t]6v anov^uTov Tolg i]&i[(i]i /lo-
X€iTt.x6v, x«r« \f^]^v t6 nooTfttov dixxov xaOo (^rJTtoQ dyaff-ov aurov
iptt/jfv tivttt noXirixoVy &(f7it{i xov nvXrixtiv xov xixvefxrjv xtty)-6a[o]v av~
Xrjxrlg xt^vi^xr^v X^youfv avXrjxi^v, ovxttjg cT^ xn) nyttO^ov ttvXrjxi^v. xaxä
Sk x6 ^evxfQor ^ixx[6]v ovx i[7i]c[ar)]fjniy6fit[9tt] X^ynVf xa&6 ^'}X(oq
aya&ov nv yivia&at noXH[xi]x6v xov ^qroQtt. tiqwxov fikv j^kj? xttxa
[xriv (\fM7fHQ(ttv xwv n6X((og TTOtoüv ai\u(f(Q6vx(av vofixai xal Xoyov duvd'
fiitog xadti7T€Q tttXQog xnxa xrjv itav voOiQtüV xal vy[i\Hrwv. idv ovv
ravx* [?;|fj?], xdv OTroioadtJlirox* y x]ovg TQorrovg, ov x[a}X]vixac (ji^xo)Q
vTUtQ/fi-Vy xo J' avxo xal inl xo[l] fjrj ^i]xoi}og noXfixixov J^ utt«-
xo[v]ax^ov' ([x]ct)Xvt[xo] <f* «r, d xai^o ^rj]x(oo dyafkog (tfpfiXfv flrat. x6
yuQ xa^o (5»;'rw() ovx uXXo xi. Xaußdysxai vvv rj t6 a[vv] xovxoj ^r^xü)[Q\
iaxl xal dno Trjg «it^? (fw&iatütg xal ovx (t[XX](tjg övvaxat ^i^xwq vndo'
;if<M', f/Li fiiao) xf [7Ti<]atv fari xtf^tvov, ^loxt 7rd/LinoXXot (irjxo(}6g fiiv
fiat duvaxtaxaxoi xo) cT* rjO-ei naunovriQoi, x6 dl xa&6 xoiovxoy xi iaxl
TTQoaov ovx fjndix^xat x^jqiö^uov. od-iv J^ xal diu x6 xav^ ovrcog f^itv
ovdk /p»?ff''w»?v ^yovfji&a xr^v TtoXuxtxrjv J/rpauiv ovx* avxoTg xotg xixxtf'
fLiivoig ovxf X€ug noXtaiv avxriv xaO-' avxriv^ dXXd noXXdxig aixlav xal
avfifpOQWV dvrjxiaxttiv, y X/ytrat noXXdxig afxiov x6 J*[J]6r dtfOQfidg.
[fJii\xd ^ivfot xaXoxdyaiXag Xujj ßavou ^r[r}]r [x]aTg fih noXiaiv dyad^
noXXd avfjßdXXtaf>at xal fnydXa, xoTg dl xfxrrjit^rot^g ^aTi[v] oxt [7r]Xe(to
xm' (v id[i](üxtf(f TToXXdxtg dl x[ax]d 7TXff[o)], xal xovxoig avxov ofo-
fif[^]a xov ßiov uaQTVQfiv. xal vrj xov zU\ dv xtg oig iXnafiiv 7i[Q\oa'
ßdXXcjv Xiyij, dtiv rar dya[^o\v tioXhxixov noXXdg ^X^i'V aQExdg xal Gut-
^ü[9'ai] xdg noXetg o[r]/ vno Tc5r drixoQtrv [rj] noXuxix^v dXX* vno
ttov dyaO^biVy 6Q&üig f[fi]fr. xaXov filv ovv yivotx* uv [(]l xal <f>tXoao(p(if
j^oQtvait-fv 6 TioXtix^xog^ tva xal vsavtxbJX^QOjg dyad-og i|, xal did
xovxo X^yoftev [o]ti (fiXoao(ffai xal xot-vöig nooaxt&iTaa JioXtmx^ diU'
d-ioH xal xaxd fnioog vnoO^rjxag TTQoaf/ttg rj noXeiTixj diotxijaei naga-
dovaa dta(fO()dv ovQavofjirjxrj norjaO' nQoq x6 XQfTxxov. ov //r)y dXXa
yivon* dv dya&og (jt'jXtoQ xal noXtixtxog xal noXXriv r^y tag iv iduo-
xaig ej^arv Inufxeutv xal XQ-rjaroTTiTa xal xrjv dXXrjv fjuxQionad^Cav xe xal
if'Qovriaiv (X Xf xijg (fvOftog xal Xfjg dyoiy}'rjg xal xfjg uxoXovd^[ov] xovxotg
dy/tvoiag. ^^
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80
35
driiiriy[oQ]fTv xal dixoXoyitv [dno x^g] x^x^rjg avrwv [niQu]y(vtxo — .
Auf Oig folgt in 1506 ör*, nur eines von beiden ist möglich; über
dem zweiten o in nQoar^ioav ist in 1506 0. noch ein C zu sehen,
ohne Zweifel das vorangehende, in den anderen Abschriften feh-
fende E. — Aehnlich behandelt, wie ich nachtraglich sehe, die Stelle
üsenor, Quaestiones Anaiimeneae 29.
828 r/i. Gomperz, Die herculanischen Rollen.
3 noXstTixog: in 1506, an den wenigen Stellen an denen das Wort
erhalten ist, immer noXirixog geschrieben. | SutTQ^ßixov (S^roo« : axoXnan-
[x6v ^riTo]Qa oder [aW]^« 1506, eine Variante, welche gleich eini-
gen anderen zeigt, dass die beiden Exemplare zwei yerschie-
dene Ausgaben der Schrift darstellen. 8 Die schlechte Schreibung
ytvvixüig ist bei Philodem vielleicht nicht anzutasten. 9 dixrov, hier und
12 „acception du terme", eine sonst nicht nachgewiesene aber durch den
Gebrauch von ^i/ta^at. — intellegere, interpretari (auch bei Philodem '*),
^exräog * intellcgendus sowie durch die Analogie von accipio erklärliche
Bedeutung. An das iexrov der Stoiker ist wol nicht zu denken. 14 noioiv
(gen. plur. von jio^ov) hat die Gewähr dreier Abschriften, (in löOG X
[Col. 57 oben] sind acht Zeilen, von denen Reste in O erhalten sind,
völlig verschwunden), ist mir aber nicht wohl verständlich. Die Schrei-
bung des italienischen Herausgebers raiv noXu tag not tSv avfKfiQovrtar
entstammt wol einer Reminiscenz des Gedächtnisverses: Quis? quid? ubi?
quibus auiiliis? etc. 19 vuv: xoixo [v\uv lo06 | a[vv\ xovxf^: vgL n,
atjfi. X. arjfjiuoa, Col. 33, 33 ff. 31 jiolXag: hier beginnt die Schluss-
colurone in 1506 (58 iV), die für die beispiellose Unzuverlässigkeit dieser
Neapolitaner Abschrift manchen entscheidenden Beleg liefert. So ist statt
uyaO-6[g] M älXog geschrieben, aus den Resten von [tov]to [X]iyo[ut7'] 35:
noXtig geworden, aus [6]ia(po^v ov[Qa]vo[juiixr]] 37: fiXXtav . ayovaav ^ aus
t[rig] dxoXov[d<iv] 40: ,,xttx6}g v — ! 40 (fvoftog: es war ursprünglich im
Papyrus 1506 q>Qdaetog geschrieben, dies ist aber, wie O zeigt (wo A
durchstrichen, P zu Y verbessert ist), nachträglich berichtigt worden. 4l
ayxivo(ag bieten nur die zwei Abschriften von 1426; in 1506 {N und 0)
liest man avotag, was freilich nur die ävout für richtig halten könnte.
Wien. Th. Gomperz.
'^) Z. B. niQl TTOtrjfiaTtov Col. X Dübn. : rirag dxovoiTttg xal elya-
&ovg avXTjrag \lßiyHV' o TiQog t6 itu<(^^Qftv tov (v noirOthtrc tov
dyaS'Ov ttoitjtov ö^yofxat,- aXy dnoö^^HXTtti. — ein Satz, dessen
Verständnis vielleicht nicht beeinträchtigt wird, wenn wir ihm die
folgende Fassung geben :^ (H C. A. 169 = II Vol. Ox. 125) — xal
[ro] Ttvug tt\vXovv\Tttg [ev\ d[)'ci]d^ovg avXrirVng 6\vx i'iv[iu\ HQog to
iia(f>^Q€iv TOV hv] notovvia tov dyad^o\v\ noiriTo[v\ d\i^\o^ah
dvTaino6td[6o^ai> —
Zweite Abtheilung.
Literarische Anzeigen.
Ausgewählte Tragödien des Euripides. Erklärt von F. G. Schöne.
Zweites Bändchen: Iphi^enia in Taurien. Zweite Auflage, bearbeitet
von H. Köcbly. Berlin, Weidmann, 1863. 48 u. 175 S. 8. — 14 Sgr.
Emendcdionum in Euripidis Iphigeniam Tauricam pars L
1800 (19 S. 4.). II. 1860 (16 S. 4.). Hl. 1861 (24 S. 4.). IV. 1861
(23 S. 4.). V. 1862 (19 S. 4.). Zürich, Meyer u. ZeUer. - 1 Thlr. 12 Sgr.
Ref. hat vor kurzem in einer Abhandlung, die im 2. Bande der
^Symbola philologomm Bonnensium in honorem Friderici Ritschelii col-
lecta" (S. 647—666) enthalten ist, die von Herrn Köchly bearbeitete Aus-
gabe der taurischen Iphigeneia als eine „arg interpolierte** bezeichnet Mit
dieser Bezeichnung ist jene Eigenthümlichkeit angegeben, welche haupt-
sachlich Herrn Köchly's Arbeit charakterisiert und durch welche sich diese
Ausgabe in auffallender Weise von allen bisherigen unterscheidet. Herr K.
ist in gleich hohem Grade kühn in der Annahme von Comiptelen, wie er
bei der Heilung von wirklich oder vermeintlich corrupten Stellen gewaltsam
zu Werke geht und sich einer unbegreiflichen Zuversicht über den Werth
seiner Conjecturen hingibt. Aber nicht blofs unnöthig oder gewaltsam sind
seine Conjecturen, sondern viele derselben sind auch so beschaffen, dass sie
als Corruptionen bezeichnet werden müssen, welche auf Nichtbeachtung
des griechischen Sprachgebrauches oder auf ungenügendem Verständnia
der handschriftlichen üeberlieferung beruhen. Die geehrten Leser dieser
iZeitschrift werden eine etwas ausführlichere und eingehendere Begründung
des im vorstehenden ausgesprochenen ürtheils gerechtfertigt finden. Pür'a
erste bedarf Ja ein ungünstiges ürtheil — und vollends ein in solchem
Grade ungünstiges — immer einer eingehenderen Begründung, als ein
günstiges, wienn anders das Referat nicht Gefahr laufen soll für ein bloftes^
Absprechen über ein Werk angesehen zu werden. Femer ist eine ausführ-
lichere Anzeige der vorliegenden Ausgabe, bei welcher natürlich auch auf
die „Emendationum in Eur. Iph. Taur. partt. V" desselben Verfassers Rück-
sicht genommen werden muss, auch deshalb zweckmäfsig, weil eine solche
Misachtung der handschriftlichen Autorität, eine solche Vernachlässigung
der Grundsätze, von denen sich der Kritiker leiten lassen muss, bei keinem
anderen Gelehrten, wenigstens bei keinem anderen Bearbeiter des Euripides,
Zeltnohrift l d. Ostcrr. Uymn. ISCS. XI. Hf tt. ü6
H80 Kurip. Iph. T., ?. H. Köchly, ang. v. J. Kvicala.
sich findet. Heim Köchly's Ausgabe ist ein klares Beispiel, auf welche Ab-
wege die Kritik geräth, wenn sie vergisst, dass znerst eine besonnene
Prüfung der handschriftlichen üeberlieferung stattfinden muss, welche
häufig zur Achtung der üeberlieferung führt, während eine oberflächliche
Betrachtung der üeberlieferung häufig irrthümlicher Weise zur Verachtung
derselben verleitet, wenn sie ferner vergisst, dass man an entschieden cor-
rupten Stellen in der Aufstellung eigener oder Annahme fremder Ver-
muthungen sehr an sich halten muss und nicht den ersten besten Einfall
für eine Emendation halten darl
Herr K. hat sich über die Grundsätze, die ihn bei der Kritik ge-
leitet haben, im Vorworte der Ausgabe nicht ausgesprochen. Er „hatte
zwar die Absicht gehabt, in diesem Vorworte sich über die Grandsätze
auszusprechen, nach welchen er die Euripidesaasgabe von Schöne in Bezog
auf Texteskritik, Commentar und Einleitung zu bearbeiten und fortzusetzen
begonnen hatte; schlierslich aber überwog seine Abneigung gegen der-
gleichen theoretische Auseinandersetzungen" (Vorwort, S. V). Ebensowenig
änftert sich Herr K. in den „Emendationes** über seine kritischen Grund-
s&tze. Doch verspricht er im Vorwort der Ausgabe: «Sollte eine Darstel-
lang dieser Grundsätze noch nothwendig oder wünschenswerth erscheinen,
00 wird dazu das Vorwort zur Medeia Gelegenheit bieten, welche zunächst
auf die Iphigeneia folgen soll". Wahrscheinlich wird Herr K, nachdem er
bereits von anderer Seite aufmerksam gemacht worden ist, dass eine solche
Darstellung, namentlich der Grundsätze in Betreff der Texteskritik, wün-
schenswerth sei, dieselbe zu liefern nicht verabsäumen. Vorläufig aber muss
Ref. im Hinblick anf die Resultate, welche die Prüfung der von Herrn
K. aufgestellten Cc>njecturen ergeben hat, die Ueberzeugung aussprechen,
dass Hr. K. im ganzen und grofsen von keinen festen, d. i. allgemein an-
erkannten, kritischen Grundsätzen sich hat leiten lassen, dass er vielmehr
bei seinen kritischen Bestrebungen eine offenkundige Misachtung der all-
gemein anerkannten Grundsätze der Kritik zeigt.
1. Bekanntlich hat der Kritiker, wenn er eine Stelle für corrupt
erklärt, sichere Beweise der Corruptel anzuführen. Herr K. dagegen lässt
oft, ohne eine gründliche Prüfung anzustellen, durch seinen subjectiven
Geschmack zur Annahme von Corruptelen, Interpolationen und Transposi-
tionen sich verleiten. So tilgt er z. B. V. 59. 60 als unecht, während sich
evident darthun lässt, dass diese Verse nothwendig sind, wofür Ref. im
2. Hefte der Beiträge zur taur. Iph., welches er zum Drucke vorbereitet,
den Beweis führen wird '). V. 105 t6v tov &(oü ^k XdV^f^^^ °^ xaxiariov
erklärt Herr K. im Commentar ganz richtig; aber im kritischen Anhang
sagt er: „Vielleicht &eov cT^ /orjof^ov ov xaxov vojuiaT^ov*^y ohne sich
durch die Kühnheit und auTserordentliche Ünwahrscheinlichkeit dieser Con-
') Ueberhaupt bemerkt Ref., dass er für alle die Puncto, die in dieser
Anzeige nicht bewiesen oder nicht vollständig bewiesen werden, in
diesem zweiten Hefte den Beweis liefern wird, falls er ihn nicht
schon bei anderer Gelegenheit geliefert hat. Auch sonst wird Ret
bei dieser Nachleso Veranlassung haben, auf Herrn EL 's Leistungen
Rücksicht zu nehmen.
Eurip. Iph., T.. v. H, Köchly, aiig. v. J. Kvicaia. SH
jectur von ihrer Veröffentlichung abhalten zu lassen. Im V. 219 verwirft
er das handschriftliohe dvax6Qtovg, weil er nicht znr richtigen Auffassung
desselben gelangt ist. Ebenso nngerechtfeitigt ist die Annahme, Xoyov im
V. 240 (Herr K. schreibt yoov) und ovou im V. 246 (Herr K. setzt, ohne
die für ovofi sprechenden Gründe zu würdigen, das unmögliche oxnf*^
in den Text) seien corrupt. Und so noch sonst oft.
2. Hat der Kritiker die Verderbtheit einer Stelle erkannt und be-
wiesen, so muss er bekanntlich, wenn er einen Emendationsvorschlag auf*-
stellt, entweder die Evidenz oder doch wenigstens die Wahrscheinlich-
keit desselben darzuthun suchen. Herr K. dagegen verf&hrt bei der Be-
handlung von wirklich oder auch nur vermeintlich corrupten Stellen ge-
wöhnlich so, dass er eine Vermuthung, die im günstigsten Falle nur ein«
Möglichkeit unter anderen ist, als Emendation entschieden hinstellt und
meist sofort in den Text aufnimmt Die Begründang ist bei Herrn K. in
der Regel eine unzulängliche und leicht zu widerlegende; Zuversichtlich-
lichkeit und Entschiedenheit der Behauptung und Derbheit in der Be-
kämpfung fremder Ansichten vertreten meist die Stelle einer wissenschaft-
lichen Begründung. Sehen wir z. B. wie die Aenderuug im V. 912 und 943
befürwortet wird. Im V. 912 bietet B ovöiv ^' inCax^ V ovJ* aTioariiaet
Xoyov, Herr K. fertigt nun zuerst die Vermuthungen anderer Kritiker kurz
und oberflächlich ab ^) — auf eine wissenschaftliche Widerlegung fremder
Ansichten lässt er sich überhaupt selten ein und wo er sich auf eine
solche einlässt, sind seine Gründe meist unstatthaft — und fährt dann
fort: »Et longe alio ducit tragici sermonis diligens observatio. In quo
sermone si quis festinantiorem alterius aut in dicendo aut in agendo ardorem
quacunque de causa reprimere vult, responsi initio inCaxig pronuntiare
solet, quem sollemnem imperativum hie quoque in librorum in(axn latere
bi loci ostendnnt". Nun werden aus Euripides neun Stellen angeführt, an
denen intaxes oder InCaxin sich findet, und hierauf wird folgende ver-
wegene Conjectur aufgestellt: infaxfS' ovöky yd() fi dnoatr^an Xoyov,
Also weil Euripides an neun Stellen intaxfs oder iit(ax€T€ gebraucht hat,
80 hält sich Herr K. für berechtigt, auch hier mit einer unerhörten Cumu-
lation von Aenderungen (Umstellung von ovJ^v und ^', Tilgung von /
und oi5<r, Einschiebung von ydg) iiriaxeg in den Text zu bringen. Dieser
Schluss (wenn man ihn so nennen darf) wäre nur dann begründet, wenn
es erwiesen wäre, dass Euripides nicht die Möglichkeit oder Geschicklich-
keit hatte, das Verbum in^x^iv anders als gerade nur in der Form inCaxt^
anzubringen.
*) Es finden sich in dieser Abfertigung (Emend. V, d. 14), wie über-
haupt fast auf jeder Seite der Ehnendationes , erhebliche Unrichtig-
keiten. So sagt Herr K. z. B. von Hermann's Vorschlag : „magno^re
vereor no (Hermannus) scribendo ov6iv fJi^ fin oxj y ov^ dnoarriau
Xoyov non tam „rarius dicendi genus**, sed prorsus soloecum
intulerit, quamquam id etiam Schoenius secure recepit". Wie sonder-
bar! Herr K., der oft, wie sich nachweisen lässt, den griechischen
Sprachgebrauch nicht beachtet hat, wirft dem-unübertroffenen Kenner
der Qräcität einen vollständigen Solöcismus vor. Worin soll dieser
Solöcismus liegen?
56*
838 Eurip. Iph. T., v. H. KöcUy, ang. v. J. Kvicala,
Im V. 940 f. erzählt Orestes:
iTitt T« jurjTQog tav&* « atyäifjiiv xaxd
filitwo/Aead-tt (fvydStg, tvrhiv fuoi tioJ«
lig Tiig 140-^vag tfi; y* ^irejuipe Ao^fag,
dixriv nttocta^ftv roTg dvojvv/notg ^fciig.
Herr K. nun schreibt lar' i/u6v ttoJ« {Ifiov nach Elmslej);^^!}««;
l^.'^ijvaff eiainifiilfi Ao^tag, Wir wollen von der Unwahrscheinlichkeit,
welche abermals diese Häufung von Aenderungen hat, absehen und nur
betrachten, wie die Vennuthung /(irjaag begründet wird. „Accedit aliud,
quod ut alibi ita hie quoque in perpetuae narrationis initio ipsum diserte
nominari oraculum desideramus. Quare non dubitandum, quin Euripides
ut supra V. 77 not u nv Tr]v&* ig (tQxt'v rjynyfg yQYfaag ita hie dicentem
fecerit Orestem : Inr* i^ov noSu /Qrjaug Ud-rjvag itaiTTfuipi Ao^tag**" (Emcnd.
1, 18j. Ausser dem ;^()»i<y«? im V. 77, welches die Hauptstütze dieser Con-
jectur ist, fuhrt dann Herr K. noch 971 ff. an, in welcher Partie als beweis-
kräftige Analogien durch den Druck hervorgehoben werden V. 973 (^'w^-
ig liyvdv rjXO-ov av 4>o(ßov n^^ov) und 977 f. imuS-tv av^rjv rglno-
Sog Ix ;(Qvaov Xax(av 'PoTßog fi' ^ntuxpi SfvQO. Welch' dürftige und
aufserdem verkehrte Argumentation! Weil Euripides V. 77 XQ^oag un«l
V. 977 einen ähnlichen Ausdruck gebraucht hat, so soll auch hier XQ^^"^
angebracht werden! Wie konnte Herr K. übersehen, dass an jenen beiden
Stellen die Ankunft des Orestes bei Apollon's Orakel ausdrücklich erwähnt
wird (82 iX&wv cT^ a' i]Q<i)Trjact, 972 fcjg fg ayvov ^X&ov av 4>o(ßov n^tfov)?
Und muss man nicht entschieden behaupten, dass Euripides, wenn er auch
an unserer Stelle von einem Orakelspruch hätte reden und die Ankunft
des Orestes in Athen als Ausfluss eines speciellon und unmittelbar voraus-
gegangenen xQ'if'^f^og Apollon's hätte hinstellen wollen, unzweifelhaft in
dieser ausführlichen Erzählung dem Orestes die ausdrückliche Aeufse-
rung in den Mund gelegt haben würde, er sei nach Delphi gegangen und
habe eine Weisung von Phoibos verlangt, worauf ihn dieser nach Athen
geschickt habe? Und womit begründet denn Herr K. seine Annahme,
Orestes habe drei Orakel von Apollon erhalten? Er begründet sie gar
nicht'), sondern stellt nur in seiner Ausgabe zu V. 78 ff. die Behauptung
hin: „Es war das dritte*) Orakel, welches Orestes von Apollon erhielt.
Das erste hatte ihm geboten, des Vaters Tod ... zu rächen. Das zweite
wies ihn an, sich vor dem Athenischen Gerichtshof des Areopag gegen
die Erinnyen (sie!)*) zu verantworten: s. V. 941 ff. Als aber trotz der
*) Die Hinweisung auf V. 972 eü)g ig ayvov ^l&ov a v 4>o(ßov niSov
ist nur ein öcheingrund : dies nv bezieht sich gerade so wie V. 77
Tiol u av Trjv^' ig uqxvv i^ytty^g X9^^^^i ^^^ ^^^ erste Ankunft
des Orestes in Delphi vor dem Muttermorde, und nicht auf eine
fingierte zweite Ankunft.
Schöne bemerkt mit Eecht: „Es war das zweite Orakel".
Diese unrichtige Schreibung des Wortes findet sich im Commentar
Herrn K.'s constant, während im griechischen Text der Name richtig
mit einfachem n gedruckt erscheint.
?
Eurip. Iph. T., Y. //. KöcMij, ang. v. J. Küiccfla. 888
Freisprechung er noch immer (nach Euripides' Fiction) von einem Theile
der Erinnyen in weiteren Irrsalen herumgetrieben wurde, so erzwang er
von Apollon dieses dritte Orakel, welches hier ausführlich mitgetheilt
wird: vgl. V. 970—978". Aber Euripides weiTs nur von einer zweifachen
Ankunft des Orestes in Delphi und nur von einem zweifachen Orakel
Apollon's. Das zweite Orakel, von welchem die angeführte Bemerkung
spricht, ist eine nichtige Fiction. Nach Euripides* Vorstellung und Dar-
stellung war die Ankunft des Orestes in Athen die Folge einer älteren
Weisung, welche Orestes gleich nach der Ermordung der Mutter noch
vor dem Beginn seiner Irrsale erhielt, ohne dass er sich speciell an das
Orakel Apollon^s fragend gewandt hätte. Vgl. Orest. 1653 ff. a^ <f' av
XQtf^Vf 'OQSOTtt, ya(ag rrjad* vmqßaXovd^ oqovg ITttQgdrTtov oixdv damdov
h'ittiTov xvxlov. xtxli^aeTM ^k afjg (fvyrjg iiKovvfÄOv li^oiaiv l^Qxaaiv r'
^OQ^areiov xaXuv. ivd^Mi (T iXd-(ov r^v 'Ad-rivatcav noXiv ^ixrjv i/iroa/tg
aXficLTog fATiTQoxTovov Ev/niv(ai T^iaamg. Vgl. auch El. 1246 ff. av cT
*'AQYog txXin^ ov yuq (Oti aoi noXiv Tt]v^' (f4ßaT€VHV, ^irjr^Qa xjitvnvra
üi^v. Seival 6k xrjoeg or* at xifVMniSeg S-titi TQo/rjXaTi^aoifa iufittvij nXavfO'
fiivov. iX&tüv S' 'AS-i^vag ITaXXtt&og aifivov ßQirng nqoamv^ov xtX.
3. Bekanntlich pflegen die Kritiker ihre Conjecturen auch äufserlich
wahrscheinlich zu machen, indem sie darauf hinweisen, dass ihre Ver-
muthungen den Schriftzügen nach von der üeberlieferung nicht sehr ab-
weichen und indem sie begreiflich machen, wie die Corruptel entstehen
konnte. Herr K. thut das erste fast niemals, und er kann es in der Regel
nicht thun; denn da seine Conjecturen fast durchweg von den Schrift-
zügen der handschriftlichen üeberlieferung radical abweichen, so muss er
auf solche Wahrscheinlichkeitsbeweise verzichten. Ebenso unterlässt er es
regelmäfsig zu zeigen, wie sich bei seinen Conjecturen das Eindringen der
Corruptelen, mögen diese irrthümliche oder absichtliche Veränderungen
sein, erklären lässt. Proben von der aufserordentlichen Kühnheit und Will-
kür, welche Herrn K's Conjecturen kennzeichnet, finden sich in grofser
Menge. — V. 15 bieten die Handschriften 6(tv^g t dnXo(ag nvevfiaxwv
T ov Tvyxavory, worin jedenfalls eine Corruptel ist. Ueber die wahrschein-
liche Heilung dieser Stelle vgl. meine Erörterung (Symb. 11, 648 ff.). Herr
K. nun macht in vollem Ernste in dem kritischen Anhange die Mit-
theilung: „Wahrscheinlich (!) ist zu lesen rv^tov <f* anXodtg nvivfiuKav
dfivbiv ßtff'*. Wie misbrauchlich ist hier das Wort „wahrscheinlich** an-
gewandt, da es offenkundig ist, dass diese Conjectur nichts anderes als
ein willkürliches Exiieriment ist, dergleichen sich an jeder Stelle Dutzende
machen liefsen. Muss man nicht im Hinblick auf solche Conjecturen Herrn
K. an seine eigenen Worte (Emend. II. p. 12) erinnern „quod domi pro
lubitu facias; palam si exhibeas, nee reiopem nee tibi laudem afferas**? —
V. 230 ff. ist die üeberlieferung t6v cT* '!/iQy(ir SfjaS-^vrtt xXalto avyyo-
vov, ov iXiTTov iniuuaTCJiov hi ß(}^(fog hi> viov ht d-aXog xrX. Herr K.
nun bietet uns folgende Fassung der Stelle dar: t6v J' "Agyn, 6fitt(hivra
xXa((o olyyovov dfjoVy tov ifXi/iov hi ßQ^(fog intfÄuari^iov TOTf, v^ov hi
^nXog. Ref. wird diese Stelle im 2. Hefte der Beitr. besprechen und die
Willkür dieser Aenderung, die freilich schon bei blofser Vergleichung des
884 Eurip. Iph. T., f. U. Köchly, ang. v. J, JToi^alOL
von Herrn K. gestalteten Textes mit der Ueberliefemng in die Aug»
ipringt, dartbun. ^ Man vergleiche noch die handachriftliche Ueberliefet
Tung von V. X403 ff.
vavTM cf' intvifiifdriaav evxaiatv ko^c
nautvtt yvfAvd^ ix /f^cuy iniüfxiJac
HUJiif TiQoaaQfioaavTtg ix xelevo/iatog.
fnäXXov (f^ fiuXXov n^i nir^as sfc« axatfot
and Herrn K/s Textgestaltung
wavrou cf' iirtvifiifjrffaav avxn^aiv x6(fm
naiäva, yvfAvdf mlivag intofildiov
«p- -^ w ixßaXovTig - o — X^gag
xanri n{^oaagfi6aavxig ix xtUtta^ojog
fiäkiov dk fiäkiov JtQog nitQttg yci axd(fog.
Die 80 constroierten Lücken glaubt Herr K. dem Sinne nach
etwa so ergänzen zu müssen: yvfiväg wXivag intüfitdütv JiQog ai^iff
ixßalQVXig, <^T* av&ig x^Q^^ xwnf^ nQoaagfjioaavTig ix xiliuCfiatog
naliQQod-oiOiv avTimvov xvfiaatv. Dies ist ein Aggregat so seit*
samer Conjecturen, dass man nicht weüjs, wo die Entgegnung anfangen,
wo aufhören soll. Und das sonderbarste ist, dass dieses Aggregat höchst
unwahrscheinlicher und unpassender .Conjecturen als sichere Emendation
betrachtet und in den Text aufgenommen wird.
4. Besonnene Elritiker hüten sich .sorgfältig bei ihren Conjecturen
gegen den Sprachgebrauch im allgemeinen wie gegen den Sprachgebrauch
des betreffenden Schriftstellers zu verstofsen ; Bedenken, die von Seiten des
Sprachgebrauches gegen ihre Conjecturen etwa erhoben werden könnten,
suchen sie im voraus zu widerlegen. Bei Herrn K. dagegen findet sich
manches, was gegen den Sprachgebrauch verstöXät oder doch gegründete
Bedenken erregt, ohne dass Herr K. es gemerkt oder beachtet hat. So
schreibt er V. 633 ^avd^f^ t ila((^ oüi^a aov xarai/zcxcS (überliefert ist
das sinnlose xaxaaßiatü). Nun ist aber die attische Futurform nur bei
sehr wenigen Verben auf dC(a üblich gewesen und es wird uns von alten
Grammatikern ausdrücklich gemeldet, dass z. B. von dyoj^C^ die gut-
griechische Futurform dyoQaaio lautet, während dyoQa barbarisch sei
Kann nicht xaraipixti ebenso gut eine barbarische Form sein? Mir ist es
wenigstens aus dem (Symb. II, 665) angegebenen Grunde wahrscheinlich.
Herr K. hat von der Seltenheit der att. Futurform bei Verben auf oC«
und von jener Nachricht alter Grammatiker nicht Notiz genommen; sonst
würde er doch wol nicht xaraiptxui zuversichtlich für die unzweifelhafte
Emendation ausgegeben haben. Uebrigens hat Bef. a. a. 0. weiter nach-
gewiesen, dass xarui^fixta von Seiten des Sinnes geradezu lächerlich ist, so
dass über die Unzulässigkeit der Cupjectur gar kein Zweifel obwalten kann.
— Im V. 453 setzt Herr K. die Form nokru in den Text. — V. 1246 wird
für das ohne Zweifel corrupte axi€Qq xaraxcclxos ev<pvU,(f} dd^fvif ge-
schrieben QxuQ^ xa^eiixTog ivif. J., was bedeuten soll „um den heiligen
Lorber geringelt". Manche noch auffallendere Fehler finden sich, um dies
gelegentlich zu bemerken, im Coramentar. Man muss z. B. staunen, wenn
Eurip. Iph. T., v. H. Köchiy, aiig. V. J. Kviäalu. 8S5
Herr K. S. 62 (zu V. 560) folgenden griechischen Satz bildet: nntm^
dixcua iiaengciiaTo f nicht beachtend, dass xaixtQ mit dem Participiam
constraiert werden muss. Anderes derart übergehen wir f&r jetzt
5. Endlich ist es ein von allen besonnenen Heraosgebem anerkannter
und befolgter Gmndsatz, nur solche — sei es eigene, sei es fremde — Gon-
jecturen in den Text aufzunehmen, welche evident oder doch wenigstens
in so hohem Grade wahrscheinlich sind, dass sie nahezu als evident an-
gesehen werden können. Herr E. dagegen nimmt fast alle seine Conjec»
taren (nur sehr wenige schliefst er aus) in den Text auf, ob/war die meisten
unwahrscheinliche oder geradezu unrichtige Aenderungen sind und nur
wenige derselben f&r mögliche Versuche erklärt werden können. Mit der-
selben Zuversicht setzt er auch viele fremde Conjecturen, die nicht stich-
haltig sind, in den Text. Ref. war daher berechtigt über Herrn K's Aas-
gabe das Urtheil zu fällen, das an die Spitze dieser Anzeige gestellt ist,
dass dieselbe eine arg interpolierte ist Herr E. wird freilich vielleicht, wie
man aus einzelnen Andeutungen in den „Emendationes'^ schliefsen kann,
geneigt sein, dies Verfahren bezüglich einiger Stellen*) dadurch zu ent-
schuldigen, dass er eine Schulausgabe liefern wollte und demnach den
Schülern einen lesbaren Text zu bieten bemüht war. Es hätte jedoch un-
serer Ansicht nach füglich den Lehrern überlassen werden können und
sollen, an corrupten Stellen, die sich der Erklärung entziehen, den Schülern
mitzutheilen, welcher Gedanke beiläufig erforderlich sei.
Bevor wir nun zur Besprechung einzelner Stellen übergehen, er-
scheint es noch zweckmäfsig, einige Worte über das Verhältnis der vor-
liegenden Ausgabe zu Schone's Ausgabe zu sagen.
Bef. findet es ungerechtfertigt, dass Herrn E.'s Ausgabe als zweite
Auflage von Schöne's Ausgabe sich anmeldet. Es gibt wenig gemeinsames
zwischen beiden Werken und Eöchly's Ausgabe hat mit der Schöne's nicht
viel mehr Aehnlichkeit als mit irgend einer anderen.
Schon die Einleitung ist eine vollständig verschiedene. Schöne's Aus-
gabe bietet eine dem speciellen Zwecke vollkommen entsprechende Ein-
leitung dar. Es werden in derselben zuerst die Mythen des Tantaliden«
hauses, besonders der Iphigeneia- Mythos, nach den verschiedenen Quellen
dargestellt j dann folgt die Auseinandersetzung des Ganges der Tragödie
und endlich eine Beurtheilung der künstlerischen Anlage derselben. Herr
E. dagegen bietet in der 36 Seiten langen Einleitung zuerst einige all-
gemeine Sätze über die Entwicklungsgeschichte der griechischen Mythologie
nnd dann eine Behandlung des Iphigeneia-Mythos , in welcher er zuerst
die älteste Form und Bedeutung dieses Mythos nachzuweisen sucht, worauf
dann der Gang des Mythos von Homer bis auf Euripides verfolgt wird;
zum Schlüsse folgen einige Bemerkungen über die dauernde Wirkung der
euripideischen Tragoedie, über die günstige Beurtheilung derselben, sowie
einer gleichnamigen Tragcedie des Polyeidos von Aristoteles und eine kurse
Bemerkung über die aulische Iphigeneia. Die Deutung und Verfolgung
•) Wir sagen „bezüglich einiger Stellen* ; denn die meisten Aenderungen
sieht er für Emendationen im wahren Sinne des Wortes an.
8S0 Eurip. Iph. T., v. H. Köchly, aag. y. J. Kvi6aku
des Iphigeneia-Mjthos wird mit den Worten gerechtfertigt : „Wir gUaben
damit nichts üeberflüssiges zu thnn, obgleich gerade dieser Mythos in
neuerer Zeit vielfach behandelt worden ist". Wenn nun auch dieser Glaube
des Hrn. Vf. begründet wäre, so könnte man es doch nicht billigen, dass
er seine auf die Deutung des Iphigeneia-Mjthos bezüglichen Studien, die
auf ein besseres Verständnis der Tragcedie gar keinen Einfluss haben, in
eine Schulausgabe aufnahm. Warum hat er für diese Studien nicht einen
passenderen Ort ausgesucht und warum hat er dieser Ausgabe das noth-
wendige nicht beigegeben? Für noth wendig aber oder doch wenigstens
für sehr zweckmäiÜBig halten wir die Angabe des Ganges der Tragoedia,
sowie eine Beurtheilung derselben. Hr. E. denkt hierüber freilich anders. Er
hat die betreffenden Partien von Schöne*s Einleitung, welche eine Angabe
des Ganges der Tragcedie und eine Beurtheilung derselben enthalten, ein«
&ch gestrichen. Die Aufnahme jener Abhandlung, deren Thema die Deu-
tung des Iphigeneia-Mjthos ist, in eine Schulausgabe ist um so mehr zu
misbilligen, da sie, soweit sie neues bietet, viele kühne Hjpothesen, un-
genügende Begründungen und Unrichtigkeiten enthält; in einer Schul-
ausgabe sollen aber doch nur feststehende Resultat^ der Forschung nieder-
gelegt werden.
Es sei uns noch gestattet, da wir schon von der Verschiedenheit
der Einleitungen Schöne's und Eöchlj's sprechen, den Schluss der letzteren
anzuführen. „Eine auf gründliche Leetüre gestützte Analjse unserer Tra*
g(Bdie und eine damit verbundene Vergleichung mit Gosthe's Iphigenia in
Tauris wird zu dem Endergebnisse führen, dass beide Dichtungen, trotz
oder vielmehr gerade wegen ihres diametralen allseitigen Gegensatzes als
gleichberechtigte Meisterwerke ersten Ranges ebenbürtig neben einander
stehen und dass nur einseitige Beschränktheit dazu kommen kann, das
eine auf Kosten des andern zu erheben." Es gilt dieser Angriff offenbar
zunächst dem Vorgänger Hrn. K.'s. Schöne sagt nämlich am Schlüsse
der Einleitung: „Ein noch höheres Interesse für uns hat die griechische
Dichtung durch ihr deutsches Gegenstück, die Iphigenia unseres Goethe.
Wenn der dichterische Genius des Letztern die Schöpfung seines Vor-
gängers weit überflügelt hat, so ist bei der Vergleichung Beider auch
nicht zu vergessen, dass der deutsche Dichter den bedeutenden Vorsprung
hatte, den Stoff im Geiste und von der Höhe der um Jahrhunderte vor-
geschrittenen christlich humanen Weltanschauung idealisieren zu können.**
Allerdings darf man nicht übersehen, dass Goethe einen bedeutenden Vor-
sprung vor Euripides von vorne herein hatte. Aber die Tragcedie des Euripides
hat Fehler und Mängel, die auch ein griechischer Dichter vermeiden konnte
und sollte, die ein Sophokles sicherlich vermieden haben würde. Mangel-
haft ist die Gestaltung der einzelnen Theile zum Ganzen. Euripides hat
der Anforderung, dass das Drama ein organisches Ganzes sein soll, dessen
Theile in innerer und inniger Verbindung stehen sollen, hier wie in anderen
Tragcedien nicht vollständig entsprochen, während G«the*s Schöpfung ein
harmonisch abgerundetes Ganzes bildet. Manche Theile der euripideischep
Tragcedie haben nicht die nothwendige innere Wahrscheinlichkeit, wir
meinen nicht die gemeine Wahrscheinlichkeit des gewöhnlichen Lebens,
Eurip. Iph. T., v. H. Köchhj, aiig. v. J. KvicaUt. 887
»ondern die höhere, die Wahrscheinlichkeit der dichterischen Ooraposition.
Und somit behaupten wir, dass man, auch wenn man beide Dramen von
einem , wir möchten sagen neutralen Standpuncte betrachtet und auf die
Vorzüge, welche Goethe^s Schöpfung zufolge der idealen Auffassung hat,
keine Rücksicht nimmt, dennoch zu dem Resultate gelangt, dass das
deutsche Drama bei weitem höher steht als das euripideische. Den Beweis
dafür hier zu fuhren müssen wir uns freilich versagen.
Wie in den Einleitungen, so zeigt sich die grofse Verschiedenheit
beider Ausgaben auch in der Textgestaltung, und zwar fast auf jeder Seite.
In einzelnen Fällen ist hinsichtlich der Textgestaltung Köchly's Ausgabe
im Vortheile, weil an einigen Stellen sichere Emendationen anderer Kritiker
aufgenommen worden sind, die Schöne nicht kannte oder nicht beachtete,
femer weil an einigen Stellen, an denen Schöne diese oder jene Conjectur
aufnehmen zu müssen glaubte, auf Grundlage einer seither gelieferten Ver-»
theidigung die Ueberlieferung beibehalten worden ist. Aber im ganzen und
grofsen ist die Textgestaltung Herrn K.'s weniger befriedigend als der von
Schöne gebotene Text. Es ist dies ungünstige Verhältnis eine natürliche
und nothwendige Folge der mafslosen Willkür Herrn K/s. Wir wollen hier
nur ein Beispiel herausheben; die nachfolgenden Bemerkungen sowie die
oben hervorgehobenen verfehlten Conjecturen bieten ja ohnehin genug Be»
lege. V. 442 ff. lautet die Ueberlieferung du(fl /«/r«y ^ooaov (äfiaTrjQuv
€iXi/&eTaa. Schöne hat dies mit Recht beibehalten, sehr passend auf V. 622
{xttfrrjv ttinfi afiv /fovtipo/ucn) verwiesen und ganz richtig ih/O-elaa „vom
Weihwasser umwunden, d. h. rings besprengt", erklärt. Ebenso hat Ref.
(Beitr. S. 39) die Ueberlieferung in Schutz genommen. Herr K. aber hat
in diu „Emendationen" (IV, 6 f.) eine höchst oberflächliche und durchaus
verfehlte Untersuchung angestellt und ist zu dem Resultate gelangt, dass
tlXi^X^iiaa unmöglich und ayviaß^titta die echte Leseart ist. Hoffentlich
wird die vom Ref. über tihx*>^ftaa neuerdings (Symb. II, 660 ff.) angestellte
Untersuchung auch von Herrn K. für eine genügende Vertheidigung der
Ueberlieferung angesehen werden.
Wir wollen nun der Reihenfolge der Verse nach eine Anzahl von
Stellen besprechen, an denen Herr K. theils seine eigenen, theils fremde
Conjecturen aufgenommen hat.
V. 77 f. lautet nach der Ueberlieferung to 'Poißt, not /u* av Trjv&*
ig UQXW fjyayfy XQ^^^^'> inft^ri TraTQog ctifi htadfjrjv urjri^n xaraxTng;
6iado/ctig cf' "EQn'ixüv i^kcturojufa&a xtX. Herr K. schreibt mit Aufnahme
von Markland's und Rauchenstein^s Conjectur: w <#>o*/9«, nol jn* . , ./gi^aag ;
intl yctQ naiQog füfji^ irwd^riv /nrjr^ifa xaraxidg, di,a6o)^aig *E()ivv(m)V
r^kavv6^€a&a. Die Ueberlieferung ist aber ganz tadellos. Sie gibt den Sinn:
„Wohin hast du mich da wiederum in dies Netz gebracht, nachdem ich
schon einmal durch dich in ein Netz gerathen bin, damals nämlich, als
ich zufolge deiner Weisung die Mutter tödtete". Die Weisung Apollon's,
den Vater durch Ermordung der Mutter zu rächen, wird auch als ein ig
itQxvv liyHv bezeichnet. Orestes vermuthet schon jetzt, was er 699 ff. (Kirchh.)
entschieden ausspricht: rifMäg <J" 6 *Poißog /unvTig wv iifßfvaaTO ' li/vriv dk
&ifAivog (og 7tQoaa}Tn&' 'EXln^og dnriXna' af^oC jmv ntiqog fAavtiV^otxwv.
818 Eurip. Iph. T., v. H. Köchiy, ang. v. /. KviiakL
^ TfdvT* iyd Jovg zn^a xat nfiOx^fli koyoig /AriTi(ju xuTuxrds avro^ urrm*
Tiollvfitu. Was die Geltung von ln€i4ri an unserer Stelle betrifft, so vef-
gleiche man Soph. Ant. 480 ff. aurri (T vßQ^C^iy fikv tot l^finlOTato,
fio/novg vTiiQßatvovaa Tovg nqoxu^^vovg' vßQis ^\ inel S^J^axiv, ij4t
dkvriQa, d. L ^nach der That (welche die erste vßQ^Q ist) ist dies ihr
genehmen die zweite vßQig,**^
V. 146 f., wo die üeberlieferung wg fgrivoig t^yx€ifia$ r«f oIm
fVfAOvaov fxoXnäg ßodv dXvgotg iläyotg lautet, schreibt Herr K tig ^^ifj^oK
fyxfifHUi rag ovx fv/novaov fiovaag fiokjitug^ dXvgotg lliyotg. Allerdings ist
die Üeberlieferung sinnlos; aber man kann sie doch nicht ignorieren, sondern
soll sie als Grundlage der £mendation ansehen. Gewiss ist in fioXTräg ßodp
die richtige Leseart durch Schreibfehler entstellt worden, und Ton ßoaw
kann man nicht abstrahieren. Uebrigens wie kann Herr K. seine Conjectnr
als sichere Verbesserung betrachten, da er (Emen. III, 6) selbst sagt:
„Quorum corruptela aeque aperta atque emendatio, cum innum^erabilia tentaii
possint, incerta est"?
V. 225 f. wird geschrieben alfjLOQQavrov ^vatpoQ/aiyya ^iCvtar r/y-
yovfi ftTttv ßfojuoig (überliefert ist alfAOQQavran» dvCipoQfiiyya ^tirw
aifddaaova^ utuv ßof/uQvg) und dies wird erklärt: „Eigentlich: das blut-
strömende mistönende Verderben der Fremden am Altare
netzend, d.h. die Fremden, welche unter Klagegeschrei geopfert werden,
mit dem Weihwasser besprengend". Diese Erklärung ist eine der gewag-
testen und unstatthaftesten, die jemals aufgestellt worden ist. "ATa ^ttviav
soll hier, in der Verbindung mit z^yyovaa, bedeuten „die Fremden, die
geopfert werden"! Herr E. hat dieser Stelle eine ziemlich ausführliche
Untersuchung (Emend. HI, 21 ff.) gewidmet, ohne diesen Punct auch nur
im geringsten zu erwähnen. Was über die Unmöglichkeit von alfidaaovaa
gesagt wird, ist unzulänglich. „Iphigenia sua manu sanguinem ipsa num-
quam profudit, sed mactandos tantum sacra aqua adspersa initiari solet,
quod ipsum, scilicet ne sanctissima virgo teterrimo sacrificio maculata
introducatur, pluribus locis disertisque verbis inculcatur." Das ist richtig;
aber konnte Iphigeneia, da die Opferdiener ihr, der Priesterin, gehorchten
und da sie Vorsteherin des Opfercultus war und bei dem Act der Opferung
persönlich zugegen sein musste (was an sich schon natürlich ist und sich
zum Ueberflusse beweisen lässt), nicht von sich selbst sagen alfidaaovaa^
zumal hier in ihrer schmerzlichen Erregung? Hat Herr Köchly V. 852 ff.
übersehen, wo Iphigeneia ebenfalls sagt : nu^ 6^ oKyov dnitfvyeg oUS^qov
dvoatov i^ (jLidv dai'/iiÖ-flff /"«(»öJv?
V. 295 (i^f^iig (T^ avOTaUvreg , tog ^avovfjiivoi^ aiyj xa9'i^fAf&') ist
ohne Zweifel d-avovfitvoi (d-tcvov/nivoi B, &avovfi€V(u C) echt und Stc/uißov'
fiivoi eine unglückliche Conjectur, bei der man unwillkürlich an Arisi
Eir. 289 flf. erinnert wird: vvw tovt ix€iv\ ijxH rö //driöog fjLilog,.. 6g
fjdofiai xal ;^cK/()o^aA xivtf^aivofiat. Uebrigens zeigt schon wg, dass
^ufißovfjievoi (auch abgesehen von dem Solöcismus) unstatthaft ist.
V. 382 schreibt Hr. K. nach seiner Conjectur xvxi(p 6^ n€Qißul6vfii
^ixXdpofAfv nin koiai x^H^^ ipdoyov. Schinie hat das hafidschriftliche
Eurip. Iph. T., v, H, Küchly, ang. v. J. Kvidala. 8St
HtxXiiptt^iv n^TQotai ganz richtig erklart: J^kxliiifafAtv ist ab Gegensati
zu TÖX^i^ gewählt: wir bezwangen sie nicht durch kühnes und offenes An-
greifen, sondern durch die List, dass wir sie erst dicht umringten un4
dann ihnen mit Steinwürfen die Schwerter aus den Händen entrissen**.
Warum nirgoioi nicht zu i^xl^ii^ujuiv und umgekehrt passen soll, ist
nicht abzusehen. Dass die Hirten die Jünglinge im Kreise umringten und
durch Stein würfe die Schwerter ihren Händen entwanden, war jedenfalls
ein ixxX^TiTHv, eine List. Herr K. aber sagt (Emend. 1, 15): „Sed nolumus
junplius in his titubare tenebris, quas subito disiiciemus scribendo pro
niTQotci ninXotai^, und im Comroentar der Ausgabe: ^Die Hirten wagen
68 nicht, mit offener Qewalt den Jünglingen zu begegnen; sie umringen
$ie und werfen von allen Seiten ihre Gewänder über sie und hindern sie
dadurch am freien Gebrauche der Schwerter, welche sie ihnen dann gewandt
fkus den Händen winden.** Aber die Hirten hätten sich in die nächste Nähe
4er Jünglinge wagen müssen, um die Gewänder über sie werfen zu können«
Und dass sie dies nicht wagten, kann man mit Bestimmtheit behaupten.
Erst nachdem den Fremdlingen die Schwerter entrissen waren und sie müde
zur Erde sanken, kamen die Hirten in ihre Nähe. Uebrigens wäre die Scene,
wie sie nach Herrn K's Vorstellung stattgefunden haben soll, geeignet,
Heiterkeit zu erregen. Man stelle sich nur vor, wie die barbarischen Hii*ten,
die schwerlich überflüssige ninloi. gehabt haben, ihre ^leider ausziehen,
um sie den Jünglingen über den Kopf zu werfen.
V. 462 ff. wird geschrieben: ti yäq oviCqotg tau av/ußniti ^o», nokfit
7iaTQ(p^ TiQTivöiv vfiVüyv djioXavfiVj was schon äuXlserlich von der üeber-
lieferung yäg ovi^gaot avfißa(riv JofAOig noln t€ naxQ(^(f zu sehr abweicht,
als dass es wahrscheinlich sein sollte, und worin nolfi^ sprachlich unstatt-
haft ist. Und welchen Sinn soll der von Herrn K gestaltete Text geben?
^'OviiQoiq tau ngl^i^^^ ^'^^ Traume" bezeichnet zunächst die überraschende
Schnelligkeit, mit welcher der Chor in seine Heimath zurückversetzt zu
werden wünscht (wäre das ein denkbarer und vernünftiger Wunsch?), dann
aber auch zugleich die Uebereinstimmung, in welcher die Erfüllung dieses
Wunsches mit seinen Träumen stehen würde.** Diese zweite Auffassung ist
unmöglich, weil taa nicht diese von Herrn K. angenommene Bedeutung
hat. Herr K. führt zur Vergleichung Soph. Trfwh. 1164 f. an (favCi J* kyat
TovToiai, av/ußuivovT taa fjtamta xtuvä xolg nnhu ^wriyoqa\ wir begreifen
aber nicht, inwiefern diese Stelle eine Analogie darbieten soll. Denn wenn
wir auch an dem überlieferten taa hier festhalten (doch vgl Wunderes
und Dindorf's Bemerkung), so hat doch dies taa hier seine gewöhnliche
Bedeutung und nicht die von Herrn K. an der euripideischen Stelle ange-
nommene. Es scheint, dass Herr K. die sophokleische Stelle nicht gehörig
aufgefasst hat
Zu V. 652 ((SHvtag yäg ix ywaixog ot^fteu Off-ayttg) wird im An-
hange bemerkt: „Vielleicht ix JafxuQTos*^. Aber es ist bekannt, daas ywii
oft „Gattin** bedeutet. VgL Soph. Ai. 1169 dv^gog roikr« nah t« xal
ywri. 1111 T^ff a^f yvvft^^og, Ant. Ö3 (Jt-v^ *«^ Y^^ ^ v. Was findet
also Herr K. an ywatxog anstöXäig?
V. 654 schreibt Herr K. houqos 6 fiiXeog w nnd bemerkt im An*
840 Eurlp. Iph. T., v. //. KöMy, ang. v. /. KviccUa,
hange: ^u^kkatv die Bücher, wofür man mit Musgrave gew. /u^Xlaiv schrieb;
Schöne setzte ju^vor fiMtav ein. Eines so unverständlich als das Andere.*
Schöne erklärte: „Der zweite Halbchor richtet seine Rede an den Orestes:
und du, wehe, findest den Untergang. Hieran knüpft der Gesammt-
chor seine Schlussklage: ach, ach, welcher von Beiden wäre als
nicht dazu bestimmt {jiiXXiov dioklva&ui) anzusehn? d. h. Beider
Lage ist der Art, dass man von keinem allein sagen kann, er sei der dem
Untergange Verfallene." Wir glauben, dass Schöne den hier erforderlichen
Gedanken ganz richtig getroffen hat, obzwar seine Aenderiing metrisch und
sprachlich (statt ^i) müsste vielmehr ov stehen) nicht zulässig ist. Ref.
hat nach Schöne*s Vorgang nori^og ov /uikXtav näml. dtoXlva&tu (ZtschfL
f. d. Ost. Gymn. 1864 S. 655) vorgeschlagen. Herrn K.'s Conjectur ist un-
statthaft, notfoog 6 fd^Xeog (üv kann keine wirkliche Frage sein, weil der
Chor nicht zweifeln kann, dass beide ju^ltoi sind; folglich kann ernicht
fragen, wer von beiden der unglückliche ist. Er könnte nur fragen: Wer
von beiden ist der unglücklichere?" Eine rhetorische Frage wäre eben-
falls unmöglich, weil diese den negativen Sinn ergäbe ov^^rtgog (ari fi^Uog.
V. 672 behält Herr K. die Ueberlieferung «rap StrjXd^i ;^«T*(>oy
koyov Tivn bei. Schöne schrieb nach Markland S(sX&i, Porson hatte StfjXS^ov
conjiciert. Beide Conjecturen nennt Herr K. „entschieden falsch". Dagegen
hat Ref. in den Beiträgen (S* 48) und dann in dieser Zeitschrift (1864,
S. 656 f.) dargethan, dass die Ueberlieferung unmöglich, dass Herrn K-'s
Erklärung verfehlt und sprachlich falsch ist, dass dagegen sowol Porson's
dif^Xd^ov als Markland's SUXß-f vollkommen zulässig ist, letzteres aber wegen
der unbedeutenden Aenderung den Vorzug verdient Herr K. ist auch hier
entschieden im Unrecht gegen seinen Vorgänger.
V. 834 f wird geschrieben ai, tov tot* hi (überliefert ist das sinnlose
t6 J/ Ti) ßo^ffog Hinov uyxaXaKfi vmoov rgoffoi-, und zu <T^ soll l;^cu aus
dem vorausgelienden ergänzt werden. Dass dies schlechterdings unmöglich
ist, ist jedem klar, der den Text auch nur oberflächlich ansieht.
Iph. to (fiXTicT\ ov6^v (iXXo, (ffXTaTog yaQ 6?,
Ij^W <t' 'Oq^OT«, TTjXvyiTOV
X^ovog uJTO naTqCöog
liQyoS-fVy (5 (f(Xog.
Orest. xdytj Oi t^v B-avovauv, (6g So^n^iTui.
xaTn Sh 6uxQV aSaxnv, xctTct tf* ynog nun x^Q^
TO (Jov vot{^h ßXitfctooVy (aanvTtog tf* ifiov.
Iph. (J^, TOV TOT* hl ßQ^tf'Og I^XlrTTOV.
Die Rede der Iphigeneia 989—1006 (964—981 Kirchh.) ist eine von
jenen Partien, die von Herrn K. am kühnsten behandelt worden sind. Es
werden in derselben grofse Umstellungen vorgenommen und so erscheint
denn diese Versfolge 989-993, 999-1003, 994-998, 1004-1006 (964-968,
974—978, 969—973, 979—981 Kirchh.). Die Unzulässigkeit dieser Umstel-
lungen werde ich ein andermal darthun; jetzt genüge es darauf hinzu-
weisen, dass dieselben im höchsten Grade unwahrscheinlich sind. Wie stellt
sich Herr K, , wenn er durch seine Transpositionen den echten Text her-
gestellt zu haben glaubt, die Entstehung der Co^'nptel in den Hand-
Eurip. Iph. T., V. H, Kädihj. ang. v. J. Kvicfäa. 841
schritten vorV Ucbrigens hat Herr K. in dieser Partie eine grofse Anzahl
von Conjecturen (nämlich 6 aufser der noth wendigen im V. 991) aufgenommen.
Einige Verse später wird wiederum das Mittel der Umstellung in
unzulässiger Weise angewandt. Herr K. nimmt nach 1049 (1024 Kirchh.)
eine Lücke an und lässt dann 1051, 1050, 1052, 1058 folgen.
V. 1214 bieten die Handschriften ok efxorw^' ae nnan d^nv^inCfi'
TioXig, vor welchen Worten eine Lücke von anderthalb Trochäen sich findet.
Herr K. schreibt: /*. ttxoTiag (die Ergänzung ist nach Hermann, und Ref.
hat sio selbst in den Beitr. befürwortet, aber mit Unrecht). 6»0. Mg xufjrn
xal a^ Tiüaa ^avftctCft' nokig, was offenbar schon aus sprachlichen Gründen
unmöglich ist. Was soll xal hier bedeuten')? Wer ist es denn aufser der
Iphigeneia, den näaa S^av/jnCii nohg? Und der ganze Gedanke, wenn wir
auch von dem unmöglichen xn/ absehen, ist unzulässig. Thoas konnte hier
gar nichts anderes sagen, als „wie berechtigt ist die Bewunderung, welche
dir die Stadt zollt'." Darum ist an der Ueberlieferung tüg tixoruig nicht
zu rühren.
In der Schilderung V. 1345 ff. (1313 ff. Kirchh.) wendet Herr K.
wiederum das beliebte Mittel der Transposition der Verse und der An-
nahme von Lücken in kühnster Weise an. Der Text lautet nach seiner
Gestaltung:
xuvTttvd^ OQoijbLiv 'EXXd^og veotg axtiifug 1345
vicvTttg T€ tiivti^xovt' inl axicXfitov nkdrctg 1347
t^ovrag, ix dtafjoyv di rovg vtaviag
iktvO-^Qovg — — — —
♦ » n(}VfxvYiS-iv iarwreg vttag
öTiivdovTfg riyov dwi x^Q^^ n^v^vrjaw, 1352
xovTolg J^ n()(^Qcty ti^ov, ol J' linarldbiv 1350
(cyxvQav i^avijnTOv, ol ^k xk{(.taxa
nojriti) 6i66vT€g xotv ^ivoiv xttx^ltaav. 1353
V. 1346 raQaq) xar^Qn 7i(xvlov imiQiafA^vov wird dabei mit Her-
mann nach 1394 gestellt. Ref. hat diese Stelle bereits in den Beiträgen
(S. 76 ff.) zum Gegenstande der Untersuchung gemacht und wird auf die-
selbe nochmals im 2. Hefte zurückkonimen. Vorläufig bemerkt er nur, dass
er mit Herrn K.'s Untersuchung fast in keinem einzigen Puncte überein-
stimmen kann und dass er dieselbe für vollkommen verfehlt hält.
Die wenigen Conjecturen Herrn K.'s, welche Ref. im Sinne hatte,
als er bei einer früheren Gelegenheit ®) sagte, dass sie eine gewisse Wahr-
scheinlichkeit für sich haben, sind folgende:
V. 498 lautet die Ueberlieferung (fUorrjTi y • laiilv d* ov xaaiyv^TO),
yvvM (voraus geht die Frage notiQov a^flifüt /utixQog iarttv ix /uiUig;); d*
'') Herr K. äufsert sich über xal (Jt gar nicht. Er sagt nur apodiktisch :
„Ne multa, Euripides scripsit adverbio, quod in deüciis habet, illato",
worauf die Textesfassung folgt (Emend. V. 19).
') Ref. hat Symb. II, 647 sich geäuXsert: „von diesen Aendemngen
kann meiner Ansicht nach nicht eine einzige auf Evidenz Anspruch
machen, und nur wenige haben eine gewisse Wahrscheinlichkeit für
sich; alle übrigen sind theils unnöthig, theils fehlerhaft**.
642 Kurip. Iph. t.. r. H. Köchiy. ang. v. /. Kmoda.
fehlt in der Aldina. Nauck vtrinuthet hier qiXoxrixi y* fofitv, ou xaaiyrri-
xfo (pvan, waa Herr K. mit der Modification yivn fttr (fvaet adoptierte.
Diese Conjectur schien dem Ref. früher, wenn auch nicht evident, so doch
zulässig und in gewissem Grade wahrscheinlich. Jetzt hält er eine Aende-
rung für unnöthig, weil die üeberlieferung nicht nur kein gegründetes
Bedenken darbietet, sondern auch passender ist als jene Conjecturen. r^vH
oder (frafi würde nur dann als Gegensatz von (fiXoTrjri passen, wenn auch
im zweiten Gliede uJiltffo stünde oder zu ergänzen wäre. Aber xnaf^^riTo^
bedurfte nicht nur nicht jenes Zusatzes, sondern verschmähte denselben
zufolge der engbegrenzten Bedeutung, die dies Wort hat, welches stets nur
den leiblichen Bruder bedeutet und nie in übertragener Weise gebraucht
wird, während n^eX(f>6^, wenigstens in adjectivischer Geltung, zuweilen
überhaupt eine innige Verbindung oder üebereinstimmung bezeichnet
Kaaiyv^xat yivu hätte wol den Griechen auffallend geklungen. Dass zwei
Verse vorher (496) sich auch yvvai am Schlüsse findet, ist nicht sehr
angenehm; aber Beispiele einer solchen Nachlässigkeit, wenn man es so
nennen darf, finden sich; vgl. 542. 546.
V. 558 ist die üeberlieferung noTQo'g &av6vTog rrjv^e Ti/no}Qovf4(vo(
etwas auffallend. Herrn K.'s Conjectur n(tTQ6g &fev6vTog atf dvTiTi^tüQov-
fifvog bietet eine gefälligere Ausdrucksweise dar, aber es gibt noch andere
Möglichkeiten (z. B. Elmsley^s al/ucc); sicher ist jene Conjectur keinesfalls,
V. 576 lautet nach der üeberlieferung (fiv <f(v' ri ^* rjfJii^i ot r*
i/Liol yewrjTOQfg. Aber Kirchhoff theilt mit: „ol (t (fjol add. m. sec)
yfwrjroQsg B ot t* ifjol ysvvi^TOQfg [C^**. Herr K. schreibt: t/ S' ijfilv ol
ifiXoi yivvriTOQtg, wo riulv matt erscheint. Rauchenstein vermuthet t( J*
r^fiüiv (ftkrarot yiwriroofg , was passender, aber auch nicht unzweifelhaft
sicher ist. Die üeberlieferung ist jedenfalls corrupt.
V. 875 ist überliefert rtva aot ttoqov iVQOfjtiva naXiv dno noXttog,
dno ifovov nfft\po) nmQtS^ ig l4Qyf(av. Herr K. bemerkt (Emend. IV, 12 f.):
„Neminem offendisse mirura est in nno noXimg^ cui certe pronomen demon-
strativum necessario addendum fuisse ipsae editorum interpretationes docent
Sed potius adjectivum desiderari, quo peregrinae sive longinquae non
tarn urbis quam terrae notio contineatur, ei oppositis ntttQf^' igU^yttar
apparet. Hinc non dubito, quin Euripides ilno ^4vag scripserit, cui quod
explicandi gratia male adscriptum est noXitjg genuinam lectionem expulif.
Allerdings wäre dno ^(vag viel gefälliger; doch ist es nicht sicher gestellt,
dass n6X%tog corrupt ist Die Behauptung, dass das demonstrative Pronomen
hätte nothwendig hinzugefugt werden müssen, ist irrig. Unzähligemal
werden bei den Tragikern die Wörter noXtg, /*wy, yri ohne Demonstrativ-
pronomina, auch ohne den Artikel gebraucht, selbst wenn von einer be-
stimmten Stiidt, von einem bestimmten Lande die Rede ist. Man vergleiche
die Beispiele, die Ellendt (lex. Soph. U, 232, 237, 239) aus Sophokles an-
führt. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass dno noX^ag bedeuten kann
„weg von der Stadt, d. i. von dieser Stadt". Fragt man aber, warum
Euripides gerade dno noXtajg sagt, so könnte man vielleicht antworten,
dass eben der Umstand, dass Orestes in der Nähe der Stadt sich befand,
die Rettung erschwerte.
Eurip. Iph. T.. v. H. Köchly, ang. v. J. Kvicala. ö4S
V. 1012 ff. lautet:
yv(a/urii cT' axovaov €i nQoaavxig f^v rocT«
xofjttofu ^' uyulf.ict &€('i^ TioXcGu* f/s" riuXXttßoi
xal aov TTQoaojTiov iiaidtiv;
Hier ist die Annahme einer Lücke nach V. 1014 wahrscheinlich. Vgl. Eraend.
n, 8 f.
V. 1046 schreibt Herr K. IfrX(i(Jr}g J* o<^* ^fitv tiov Tfra^iTtu Xoyov
(überliefert ist tfovov; Nauck verniuthete i^qaaov) „Pylades aber hier ~
welchen Platz wird er in jener Rede einnehmen?". Diese Schreibung wäre
freilich leichter verständlich als ifovov) aber deshalb ist die Annahme einer
Cormptel nicht noth wendig. Rfef. wird auf diese Stelle, die er schon ia
den Beiträgen besprochen hat, nochmals zurückkommen.
Die letzte von den Conjecturen, die noch als eine zwar mögliche und
gefällige, aber nicht evidente Emendation anzuführen ist, betrifft V. 1277.
Die üeberlieferung von 1276 ff. lautet inl (der offenbare Schreibfehler
l7jr«l ist von Musgrave verbessert) J" fOfiafv xofjiav nuvatv wx^ovg öv€iQoug,
dno 61 lad^oavvav vvxrwnov i^eiXiv ßqoTüiv. Hier hat Badham, um das
Asyndeton zu beseitigen, navaai für navatv vorgeschlagen, welcher In-
finitiv allerdings von den Worten in\ 6' eaeiaev xo^av^ da in ihnen ein
Versprechen involviert ist, abhangen könnte. Herr K. schliefst sich Bad-
ham an, nur mit der Modification, dass er naiauv aufnimmt, was den
Schriftzügen der üeberlieferung noch näher liegt. Aber es gibt noch andere
Möglichkeiten. Musgrave hatte zur Behebung des Asyndeton vorgeschlagen
inX 61 ae^aag xojuav. Auch wäre das Asyndeton zwischen dem zweiten und
ersten Satze nicht auffallend, wenn 6^ nach clno getilgt würde.
In exegetischer Hinsicht hat Herr KL den Commentar seines Vorgängers
bedeutend erweitert und zwar oft so, dass diese Erweiterung als eine zweck-
mäTsige Vervollständigung angesehen werden muss; manche Bemerkungen
Schöne's sind freilich in überflüssiger, zuweilen übermäfsiger Weise aus-
gedehnt worden. Anzuerkennen ist ferner, dass Herr K. an ziemlich vielen
Stellen die richtige, von anderen Exegeten gelieferte, Erklärung aufge-
nommen, an einigen selbst zuerst die richtige Erklärung aufgestellt hat.
Es mögen einige Beispiele folgen.
Zu V. 105 (tov tov -^eov 6k ;(Qrjafi6v ov xaxiariov) hatte Schöne
Seidler 8 Erklärung angeführt: «Non contumelia afficiendum est dei ora-
culum. Contumelia enim erat, si oraculo diffidentes fugiebant." Dagegen
sagt Herr K. mit Recht, dass sich diese Worte auf die wirkliche Be-
schimpfung des Orakels, die in den Worten ttoI fi^ av rijrJ' ig agxvy
iiyayeg x^n^^^ ü^^ff^i beziehen. Seltsam ist nur, wie oben bemerkt worden
ist, dass Herr K. trotz dieser richtigen Erklärung an der Echtlieit der
Üeberlieferung zweifelt und im Anhange eine höchst unwahrscheinliche Con-
jectur aulstellt. — üeber dydkfiad^ (V. 273) hatte Schöne bemerkt, daas dieser
Ausdruck bildlich für Nachkommenschaft, die eine Zierde ihrer Erzeuger
ist, gebraucht wird. Richtiger bemerkt Herr K. ^&yaX(jia wird bei Dichterm
gern von blühenden Kindern gesa^, welche die Freude (VMidoe^'ihnr
844 /. Haberly Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F, Klamwutger,
Eltern sind**. Mit Kocht wird »580 uvx ?(7i^' öjiMg hixiv ar t} ^liog düuao
Ar]tM ToattvTtjv tljLtaiß-Htv beibehalten und erklärt: „htxev äv steht in dem
gewöhnlichen conditionalen Sinne ; der dazu gehörige Vordersatz — tl
^oTfuig oiTCüff (ifja&rjg ^v — ist in Toaccvrrjv afjia(^(av enthalten, wie auch
wir sagen: „Unmöglich hätte Zeus' Gattin Leto ein so thörichtes Wesen
gebären können**, d. h. wenn Artemis ein so thörichtes Wesen wäre, könnte
sie unmöglich Zeus' und Leto's Tochter sein." Schöne hatte hier die Aende'
rung o7io)g nor hixtv aufgenommen. — Richtig wird über die Worte i^
Ti';;^i;y J' iäv ;^(>*wy (489) bemerkt: y,Trv tixiv cT* iav XQ^^^ heifist nicht
etwa, wie man es gemeiniglich erklärt: „habe das Schicksal seinen Lauf,
sondern vielmehr: „lasse man das Schicksal ruhen**, d. h. rede man nicht
davon". Wir fügen hinzu, dass für diese Erklärung offenbar der Umstand
spricht, dass in diesen Worten eine Rückbeziehung auf die Worte der
Iphigeneia rag Tv^ag rfg oJJ^ ort roia^J' iaovrai (V. 475) enthalten ist
Prag. Johann Kviöala«
Lehrbuch der allgemeinen Arithmetik und Algebra. Zum Ge-
brauche für Oberrealschuleii bearbeitet von Josef Hab er 1. Wien,
Braumüller, 1865. IV u. 376 S. — 2 fl. ö. W.
Bei der grofsen Zahl von Werken aus dem Gebiete der allgemeinen
Arithmetik und bei den erschöpfenden und gründlichen Untersuchungen,
welche in diesem Zweige der Mathematik stattgefunden haben, kann es
dem Verfasser eines Lehrbuches der Algebra für Mittelschulen nicht mehr
als Verdienst angerechnet werden, wenn er den mathematischen Lehrstoff
von streng wissenschaftlichem Standpuncte aus richtig behandelt. Soll ein
Lehrbuch der Mathematik für Mittelschulen empfehlenswerth erscheinen,
so muss auf die didaktische Seite desselben besondere Rücksicht genommen
werden. Der Lehrstoff soll mit steter Berücksichtigung der Fassungskraft
der Schüler kurz und bündig abgehandelt, die Erklärungen über einzelne
Rcchnungsoperationen vollkommen klar gegeben, und bei Berechnungen
selbst immer die zweckniäfsigste und einfachste Form gewählt werden.
Auch die äufsere Ausstattung trägt oft nicht wenig dazu bei, den didak-
tischen Werth eines Buches zu erhöhen. Sind besonders wichtige Sätze,
welche sich der Schüler, manchmal selbst dem Wortlaute nach anzueignen
hat, durch den Druck besonders hervorgehoben, mathematische Berech-
nungen nicht in zu gedrängter Form und ängstlichier Benützung des Raumes
ausgeführt , femer die Buchstaben der Rechnung deutlich verschieden von
jenen des Textes, so wird dadurch Klarheit und Uebersicht wesentlich
gefördert und dem Schüler, der sich mit Leichtigkeit in dem Buche zurecht-
findet, das Studium aus demselben nicht verleidet. Was nun die didaktische
Seite des eben angeführten Lehrbuches von Haberl betrifft, so ist nicht
zu verkennen , dass der Verfasser das vorerwähnte Ziel angestrebt hat,
indem es dem Buche an Klarheit, Uebersicht und präciser Darstellung in
den meisten Partien nicht fehlt. Dennoch kann anderseits nicht geläugnet
werden, dass einiges oberflächlich oder zu unbestimmt behandelt und manches,
was in einem Lehrbuche der allgemeinen Arithmetik nicht fehlen sollte,
J. HabeH, Lehrbuch der Anthmetik etc., ang. v. F. Klamminger, 845
ganz weggeblieben ist, dass femer bei praktischen Berechnungen nicht
immer die einfachsten Methoden gewählt sind. Referent erlaubt gich dieses
Urtheil in der folgenden Besprechung der einzelnen Abschnitte obigen
Lehrbuches näher zu begründen.
Die Einleitung enthält die Definition über Mathematik, stetige und
discrete Gröfsen, Arithmetik etc., man vermisst jedoch in derselben, sowie
überhaupt in dem ganzen Buche, eine Erklärung des Begriffes „ Algebra *"
trotzdem das Buch den Titel „Arithmetik und Algebra" führt, und es
jedenfalls eine ganz bescheidene Anforderung an ein wissenschaftliches
Lehrbuch ist, wenn man verlangt, dasselbe solle eine Erklärung des Titels
enthalten.
Der Begriff Algebra wird zuerst auf Seite 8 erwähnt , wo von der
Zahlenreihe — 4, — 3, — 2, —1,0,+!, +2, -|- 3, + . . . die Rede ist
und dabei bemerkt wird : „Die Zahlen dieser Reihe werden mit dem Namen
algebraische ganze Zahlen belegt, denn zunächst war es die Algebra, welche
auf solche Zahlen führte.*' Durch diese Erklärung wird man gewiss nicht
hinlänglich belehrt, was man unter Algebra zu verstehen habe, ja
nach dem ersten Satze würde man sogar einen sonderbaren Begriff von
diesem Zweige der Mathematik erhalten, da derselbe die Deutung zulässt:
Algebra sei blofs das Rechnen mit positiven und negativen numerischen
Zahlen. Ueberhaupt wird in dem Buche zwischen besonderen und allge-
meinen Zahlen kein Unterschied gemacht und die Eintheilung der Zahlen
in diese zwei Grupi)en nicht hervorgehoben, was jedenfalls in einem Lehr-
buche als ein Mangel zu bezeichnen ist.
Der Einleitung folgt eine kurze Erklärung der verschiedenen Rech-
nungsarten, nämlich der vier Grundoperationen, femer des Potenzierens,
Wurzelausziehens und Logarithmierens. Die Definitionen dieser Rechnungs-
arten sind deshalb bei den Capiteln, welche dieselben ausführlich behandeln,
weggelassen. Trotzdem wäre eine Wiederholung derselben an der Spitze
der verschiedenen Capitel vielleicht nicht überflüssig gewesen, indem z.B.
beim Multiplicieren, Potenzieren etc. man sich fortwährend auf die Grund-
erklämngen dieser Rechnungsarten beruft, und streng genommen aUes,
was über diese Rechnungsoperationen gesagt wird, mittelbar oder unmittel-
bar auf diese Erklärungen sich zurückführen lassen soll.
Bei der Definition des Potenzierens , sowie überall wo von Potenzen
die Rede ist, hat der Verfasser die Bezeichnung „Wurzel** sorgfaltig ver-
mieden, und dafür die Benennung „Grundzahl oder Basis** eingeführt.
Wenn schon der Verfasser die letzteren Bezeichnungen für besser hält, so
wäre es doch angezeigt gewesen, wenigstens einmal zu erwähnen, dass
die Zahl a in dem Potenzausdmcke o^ auch Wurzel genannt wird, um
so mehr, als der Verfasser bei der umgekehrten Rechnungsoperation, wo
aus o» und n die Wurzel oder Basis a gesucht werden soll, die Bezeich-
nung „Wurzelausziehen** beibehielt. Consequent hätte auch hier das Wort
Wurzel vermieden und diese Rechnungsart „Basisausziehen** genannt werden
müssen; aber freilich ist letztere Bezeichnung in der Mathematik nicht
gebräuchlich und es wäre auch ganz überflüssig dieselbe einzuführen j nur
Zoltaohrift f. d. Ostorr. Oymniifi. 1866. XI. Heft 57
846 /. Haberl, Lehrbach der Arithmetik etc., ang. y. F, Kkmminger.
darf die Bezeichnung ^Wurzel** dann beim Potenzieren nicht ganz rer-
mieden werden.
Wahrscheinlich bat der Verfasser die Benennung „Grundzahl oder
Basis" im Hinblicke auf die Lehre von den Logarithmen beibehalten, da
es gebräuchlich ist, die bestimmte Zahl, durch deren Potenzierung man
beliebige andere Zahlen erhält, ebenfalls so zu bezeichnen. Ob diese über-
einstimmende Benennung glücklich gewählt sei, ist wol zu bezweifeb :
die Grundzahlen von Potenzen können eben verschieden sein, während die
Grundzahl eines Logarithmensystems eine constante Zahl ist. Dieser Unter-
schied ist hinreichend, eine verschiedene Benennung einzuführen, ja es
kann sogar die conforme Bezeichnung beim Anfanger in der Lehre der
Logarithmen zu unrichtigen Auffassungen oder unliebsamen Verwechslungen
führen, was später bei der Besprechung über das Capitel der Logarithmen
näher erörtert werden soll. Da sich das Wurzelausziehen aus dem Poten-
zieren ergibt und der innigste Zusammenhang zwischen beiden Rechnungs-
operationen stattfindet, da femer die Benennung „Wurzel" beim Badicieren
identisch ist mit jener „Basis oder Grundzahl" für*s Potenzieren, so liegt
es viel näher, eine gleichmäfsige Bezeichnung für dieselbe Gröfse in diesen
beiden Rechnungsoperationen einzuführen.
Die auf Seite 10 gegebenen Erklärungen über das Reducieren sind
so unbestimmt, dass es nur ein Zufall wäre, wenn ein Schüler nach ihnen
das Reducieren richtig auffassen würde. Dem Reducieren muss unbedingt
eine gründliche Auseinandersetzung über gleichartige Ausdrücke voran-
gehen, was in dem Buche nicht der Fall ist. Als Regel beim Reducieren
gibt der Verfasser folgendes an:
^Sollen zwei algebmische Zahlen von gleichen Vorzeichen addiert
werden, so addiert man die Zahlenwerthe und setzt vor die Summe das
gemeinschaftliche Vorzeichen; hingegen bei verschiedenen Vorzeichen ziehe
man die kleinere Zahl von der gröfseren ab und gebe der Differenz das
Vorzeichen der gröfseren Zahl." Femer: „Die Ausmittlung der algebraischen
Summe nennt man gewöhnlich das Reducieren; hierbei addiert man am
einfachsten die positiven und negativen Zahlen für sich, bildet dann die
Differenz dieser Summe und setzt das entsprechende Zeichen vor."
Man wird sich vergeblich bemühen, aus diesen Erklämngen etwas
anderes herauszufinden, als wie man numerische Zahlen mit verschiedenen
Vorzeichen zusammenfasst. Die Art, Buchstabenausdrücke mit Coefficienten
zu reducieren, kann hiernach höchstens errathen werden, denn es ist gewiss
Zufall, wenn der Anfänger nach einer solchen Anleitung die Coefficienten
reducieii, den gleichartigen algebraischen Ausdruck daneben nur einmal
und zwar ungeändert aufschreibt, wenn es ihm überhaupt früher und aber-
mals durch Zufall gelungen ist, die gleichartigen Ausdrücke zusammen zu
finden. Dass die vom Verfasser gegebene Erklärung des Reducierens nicht
blofs für eine Aneinanderreihung numerischer Zahlen mit verschiedenen
Zeichen, sondern auch für Buchstabenausdrücke gelten soll, geht aus den
beigefügten Beispielen hervor. — Es wäre gar nicht unmöglich, dass ein
Schüler nach obigen Erklärungen 3«* -|- 4a' reduciert und allenfalls 7«'
herausbringt, da eben eine bestimmte Erklärung über gleichartige Aus-
J. Haberl, Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F. Klammnger, 847
drücke nicht vorangeht, und nur inuner vom Addieren und Subtrahieren
der Zahlenwerthe gesprochen wird; mindestens würde es schwer halten,
mit Hilfe der oben angeführten Regeln das unrichtige einer solchen Re-
duction nachzuweisen. Das Reducieren ist des häufigen Vorkommens wegen
so wichtig, und wird von dem minder begabten Anfanger, sobald man zur
Multiplication der Potenzen kommt, so häufig mit dieser Rechnungsart
verwechselt, dass der Lehrer ein grofses Gewicht auf eine richtige Auffas-
sung des Reducierens legen und deshalb die Erklärungen hierüber so präcis
geben muss, dass bei genauer Befolgung der ausgesprochenen Grundsätze
ein fehlerhaftes Rechnen unmöglich wird.
Bei der Subtraction algebraischer Ausdrücke, die nicht unterein-
ander, sondern nebeneinander in Klammem gesetzt werden, ist keine An-
leitung gegeben, wie die Rechnung durchgeführt werden soll, wenn im
Subtrahende mehrere Klammem ineinander vorkommen; ebenso fehlen in
dem Capitel über das Subtrahieren Beispiele hierüber. Nur in der am
Schlüsse der vier Rechnungsoperationen in allgemeinen Zahlen beigefügten
Aufgabensammlung kommt das Beispiel vor: 4a — [26 — (3a — 5!>) -f- 4a] =
3a — 76. Ein grofser Theil der Schüler dürfte ohne früherer Anleitung
diese Subtraction fehlerhaft und etwa so ausführen: 4a — 26— 3a-|-
56-4a = — 3a — 7 6.
Bei der Division von Potenzen derselben Wurzel wird angeführt,
dass Potenzen mit negativen Erponenten sich folgerichtig aus einer Division
von Potenzen ergeben, bei welchen der Exponent des Divisors gröfser als
jener des Dividend es ist, weshalb auch die Form des Resultates a-p in
dem Beispiele a»» .• afn-\-p weder durch einUebereinkommcn der Mathe-
matiker angenommen, noch überhaupt beliebig ist; ebenso bestimmt und
frei von jeder willkürlichen Annahme ergibt sich aus einer anderen Be-
trachtung, dass a~P «— — - sein muss. Nachdem er dies auch streng
mathematisch nachgewiesen, sagt der Hr. Vf. in einer unmittelbar auf den
Beweis folgenden Anmerkung: „Es ist also Sache der Convention, wenn man
-p als gleichbedeutend mit a-^ annimmt". Dieser Satz lässt nach
der Ansicht des Referenten nicht leicht eine andere Deutung zu als
folgende: die Gleichheit von a— ? und — sei eine willkürliche Annahme
der Mathematiker, was doch nach obigen Bemerkungen nicht der Fall ist;
wahrscheinlich hat der Verfasser sagen wollen: „Es ist Sache der Con-
vention, statt — den gleichen Werth a—P zu schreiben."
Wenn der Hr. Vf. das Aufsuchen der Primfactoren einer numeri-
schen Zahl stets nach dem auf S. 40 angeführten Musterbeispiele vor-
nehmen lässt, so muss man gestehen, dass sich diese Methode eben nicht
durch Kürze und Einfachheit auszeichnet, da jeder Quotient zweimal auf-
geschrieben wird, und bei n Factoren (n— 1) Divisions- und Gleichheits-
zeichen erforderlich sind. Wahrscheinlich hat der Hr. Vf. nur zur leichteren
57 •
848 Jl Haberl, Lehrbach der Arithmetik etc., ang. v. F. Klamminger.
Demonstrierung des Verfahrens diese Form gewählt; dann wäre es aber
passend gewesen, in einem zweiten Beispiele die kürzere und allgemein
gebräuchliche Strich methodc ersichtlich zu machen.
Der Zerlegung in Factoren numerischer Zahlen und algebraischer
Mononome hätte sich folgerichtig das Zerlegen mehrgliederiger algebraischer
Ausdrücke anschlief sen, und überhaupt dem so wichtigen Factorenzerlegen
ein eigenes Capitel gewidmet werden sollen. Allerdings kommen in dem
Buche, nämlich bei den Capiteln über Multiplication und Division, einzelne
Andeutungen vor, wie die Factorenzerlegung in einigen speciellen Fällen
durchzuführen sei ; diese Fälle beziehen sich auf die Differenz der Quadrate,
zweite und dritte Potenz von Binomen, endlich auf Binome von der Form :
Aber weder bei der Division noch an irgend einer anderen Stelle
wird das bei mehrgliedrigeu Ausdrückcu so häufig vorkommende Factoren-
herausheben erklärt; ebenso wenig findet man Andeutungen wie Trinome
zerlegt werden können; desgleichen unterblieb die Anleitung, geordnete
Polynome, welche entweder ganz oder theilweise aus Factoren von der
Form 05 ± « bestehen, zu zerlegen. Sobald aber die beiden letzten Arten der
Factorenzerlegung nicht gelehrt werden, mass das Aufsuchen gemeinschaft-
licher Factoren bei Bestimmung des gröfsten MaTses und kleinsten Viel-
fachen nach der mühsamen und meist langwierigen Methode der gegen-
seitigen Division vorgenommen werden, während man durch Factorenzer-
legung, wo dies überhaupt angeht, viel leichter und schneller zum Ziele
gelangt. Dass auch das Addieren von Brüchen, deren Nenner drei- oder
mehrgliedrige Ausdrücke sind, viel Zeit und Mühe in Anspruch nimmt,
ist selbstverständlich, und so hat denn der Hr. Vf. in den beigefügten
üebungsbeispielen alle derartigen Fälle vermieden, mit Ausnahme eines
einzigen Beispieles auf S. 70, wo ein Bruch mit dem Nenner oj' -(-3a:-|- 2
vorkommt. Der Hr. Vf. fand es für nöthig, daneben in einer Klammer
zu bemerken, dass: a;' -f- 3x -j- 2 =■ (x -|- 1) (x -f 2) sei, weil er voraus-
setzen musste, diese Zerlegung könne der Schüler nicht vornehmen, er
müsste denn durch Zufall oder systemlose Versuche die Factorenzerlegung
zu Stande bringen.
Warum der Hr. Vf. die Factorenzerlegung so stiefmütterlich be-
handelte, ist dem Referenten ein Räthsel, Dem etwaigen Einwurfe, die
beiden zuletzt berührten Fälle seien für den Anfänger zu schwierig, oder
man müsse überhaupt die Theorie der quadratischen und selbst der höheren
Gleichungen gut inne haben, um Factoren von Poljmomen aufzufinden, kann
der Referent sogleich begegnen. Ist z. B. das Trinom 12 o' -|- 17a6-f-66*
zu zerlegen, und sagt man dem Schüler die einfache Regel, er solle das
mittlere Glied in zwei Theile zerlegen, deren Product gleich jenem der
äuTseren Glieder ist, so wird selbst der minder begabte ohne Schwierig-
keiten finden, dass hinsichtlich der Cogfficienten die Zerlegung von 17 in
die Theile 8 und 9 stattfinden muss, um der angeführten Bedingung zu
entsprechen. Durch zweimaliges Factorenherausheben wird man dann leicht
zum Ziele gelangen; man hat also: 12a*-f 17 a6 + 6&» — 12a' -4-806+
9a& + 66» - 4a (3a -|-^6) + 36 (3a + 26) - (3a + 26) (4a + 36). Fügt
J, Haberlj Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F. KlamnUnger, 849
wall noch bei, dass die Zerlegung des mittleren Gliedes in zwei subtrac-
tive Theile zu erfolgen hat, sobald die Zeichen der äufseren Glieder ver-
schieden sind, so ist die Begel vollständig, gilt für jedes Trinom, das
durch Multiplication zweier Binome entstanden ist, und kann sehr leicht
aus dem Vorgange bei der Multiplication nachgewiesen werden. Was end-
lich die Zerl^ung von geordneten Polynomen in Factoren von der Form
Ä i « betrifft, so lässt sich dieselbe höchst einfach mit Hilfe der auf S. 30
erklärten Divisionsmethode vornehmen; wenn auch die einzelnen Werthe
von « manchmal erst durch zwei- oder dreimalige Versuche ermittelt
werden können, so liegt doch wenigstens System in den Versuchen, sobald
noch bemerkt wird, die verschiedenen Werthe von « müssen Factoren des
letzten, von x freien Gliedes sein. Der Beweis für obige Divisionsmethode,
welcher ungleich schwieriger ist, als die Anwendung der Methode zur Fac-
torenzer legung, wurde von dem Verfasser in das Buch aufgenommen, die
schönste Anwendung hicvon jedoch dem Schüler nicht gezeigt. Auf solche
Weise wird dem Schüler das Studium der Mathematik eher verleidet, als
das Interesse dafür geweckt.
Zur Theorie der gemeinen Brüche, welche kurz und sehr fasslich
gegeben ist, sei nur bemerkt, dass bei der Subtraction der Brüche nume-
rische Beispiele gerade nicht überflüssig gewesen wären, da eben hier Fälle
vorkommen, welche ungleich mehr die Aufmerksamkeit des Schülers in
Anspruch nehmen, als jede andere der vier Rechnungsarten in gemeinen
Brüchen. Ferner würden am Schlüsse dieses Abschnittes einige Bemerkun-
gen über die Reduction solcher Brüche, bei denen im Zähler und Nenner
wieder algebraische Summen von Brüchen vorkommen, ganz am Platze
gewesen sein. Der Schüler wird nach den im Buche enthaltenen Andeu-
tungen die Summierung der Brüche im Zähler und Nenner, und schlieXb-
lich die Division der summierten Brüche vornehmen, während die Methode,
nach welcher man Zähler und Nenner durch Multiplication mit dem
kleinsten Vielfachen der einzelnen Nenner von Brüchen befreit, weniger
umständlich ist Auch in der beigefügten Aufgabensammlung fehlen Bei-
spiele über combinierte Rechnungsarten mit numerischen Brüchen.
Nach der Theorie der gemeinen Brüche folgt die Lehre der Gleichun-
gen des ersten Grades. Obwol nun der Hr. Vf. hierin von dem Vorgange
vieler Autoren abweicht, welche den Gleichungen noch die Theorie der
Decimal- und Kettenbrüche, der Proportionen, Potemzen und WurzelgröXfeen,
ja selbst öfters die Lehre von den Logarithmen vorangehen lassen, so kann
eine solche Eintheilung selbst vom wissenschaftlichen Standpuncte aus
nur als vollkommen begründet und zweckmäßig angesehen werden, da
einerseits das Vorausgehende vollkommen genügt, um einfache Gleichungen
des ersten Grades auflösen zu können, und anderseits man öfters in die
Lage kommt, bei den früher genannten Capiteln mit Gleichungen operieren
zu müssen.
Was die Behandlung der Gleichungen des ersten Grades anbelangt,
so vermisst man eine anschauliche Darstellung, wie das Transponieren ein-
zelner Glieder vorzunehmen sei; ferner ist die Auflösung der Musterbei-
spiele ziemlich schleppend, weil fast alle Transformationen durch Hinzu-
850 J. Haberlf Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F. KUm^minger,
fflgung oder Verbindung identischer Gleichungen vorgenommen werden,
was doch nach den vom Hrn. Vf. vorangestellten Regeln, wie Gleichungen
aufzulösen sind, nicht mehr noth wendig erscheint.
Den Gleichungen mit einer Unbekannten folgen jene mit zwei oder
mehreren Unbekannten vom ersten Grade. Wenn auch das Vorausgegangene
genügte, um die Auflösung solcher Gleichungen richtig auffassen zu lehren,
so wäre es nach Ansicht des Referenten doch vielleicht zweckmäXlsiger
gewesen, diese Gleichungen später, nämlich vor jenen des zweiten Grades
abzuhandeln, da die Auflösung von Gleichungen mit mehreren Unbekannten
früher nicht gebraucht wird, oder doch vermieden werden kann, femer dem
minder begabten Anfänger die Auflösung solcher Gleichungen immerhin
noch zu schwierig erscheinen dürfte, da er von der Algebra nichts kennt,
als die vier Grundoperationen in ganzen Zahlen und Brüchen und selbst
hierin vielleicht noch wenig Gewandtheit besitzt. Noch unzweckmäüsiger
aber dürfte es erscheinen, hierauf die Auflösung der diophantischen Gleichun-
gen des ersten Grades vorzunehmen, und zwar aus folgenden. Gründen :
1. haben dieselben keine Anwendung in den folgenden Capiteln; 2. ist die
Theorie derselben für einen Schüler, welcher erst sehr kurze Zeit Mathe-
matik studiert, zu schwierig ; 3. lernt man erst bei der Theorie der Ketten-
brtiche eine Methode kennen, welche sich zur Auflösung solcher Gleichun-
gen sehr gut eignet; 4. werden ohnehin viel später abermals diophantische
Gleichungen, nämlich jene vom zweiten Grade abgehandelt und wäre eben
dort der geeignete Platz gewesen, die unbestimmten Gleichungen des ersten
Grades vorausgehen zu lassen.
Nach den Gleichungen werden die Zahlensysteme überhaupt und
das decadische insbesondere näher betrachtet. Wenn der Hr. Vf. allenfalls
die anderen Systeme, aufser dem decadischen, also das dyadische, triadische
etc. ganz übergangen hätte, so würde sein Lehrbuch für Realschulen an
Werth gerade nichts verloren haben.
Zunächst folgt die Theilbarkeit der Zahlen, in welchem Capitel ein
recht hübsches Theilbarkeitsgesetz für die Zahl 7 vorkommt, das grofse
iVehnlichkeit mit der bekannten Theilbarkeitsregel für die Zahl 11 hat.
Im folgenden Capitel über Decimalbrüche ist der Zusammenhang
zwischen denselben und dem decadischen System nicht recht ersichtlich
gemacht. Der Hr. Verf. erklärt Decimalbrüche als Brüche von der Form
lÖJT' ^®^* ^^ ^^^ folgendem Beispiele vom gemeinen Bruche -ttt- aus
3 2 4
und sagt, derselbe lässt sich auch in der Form : tr^r + ^^ + ^—^ = 0-324
AU A\A/ X\ÄA/
schreiben. Eleganter und auch verständlicher wäre der Vorgang gewesen,
jene Stellen, welche im Sinne des decadischen Systemes rechts von den
Einheiten stehen, Decimalstellen zu nennen und erst hieraus durch Sum-
mierung der einzelnen in Fonn von gemeinen Brüchen aufgeschriebenen
Stellen die allgemeine Form =rr^ abzuleiten. Bei einer derartigen Auffas-
sung wird dem Schüler klar, dass Decimalbrüche nichts anderes als deca-
dische Zahlen sind, dass er also mit denselben ebenso rechnen kann, wie
J, Haberl, Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F. Klammitiger, 851
mit ganzen Zahlen, und nur zu berücksichtigen hat, nach jeder Rechnungs-
operation den Decimalpunct im Resultate an die richtige Stelle zu setzen.
Das Verwandeln der gemeinen Brüche, welche endliche Decimal-
brüche geben, wird so oberflächlich genommen, dass selbst Andeutungen
fehlen, wie man im Vorhinein die Anzahl der Decimalen bestimmt, obwol
der Verfasser bei vorperiodischen Brüchen die Regel zur Ermittlung der
Anzahl vorperiodischer Stellen genau angibt. Ferner wird gesagt, nur
solche Bräche geben endliche Decimalbrüche, welche die Form -^ — haben.
2^5'
In einem Lehrbuche für Anfänger wäre es nicht übei-flüssig gewesen, die
zwei speciellen Formen -- und -- noch besonders hervorzuheben, wenn
2 ÖP
auch dieselben in der ersten Form enthalten sind. Der Beweis, wie man
periodische Decimalbrüche in gemeine verwandelt, hätte auf sehr einfache
und interessante Art direct geführt werden können, statt durch wieder-
holte Berufung auf vorhergehende Gleichungen, welche aus Beweisen
resultieren, die vielleicht nur von der geringsten Zahl der Schüler richtig
aufgefasst werden.
Die Erklärung der abgekürzten MultipUcation in Decimalen ist so
schwierig und umständlich gegeben, dass ein Schüler selbst nach mehr-
maligem aufmerksamen Durchlesen derselben sich schwerlich zurecht finden
dürfte. Ebenso ist die Form, wie der Hr. Vf. die abgekürzte MultipUcation
ausführt, unpraktisch, da er die Factoren nach der bekannten Regel nicht
untereinander, sondern blofs nebeneinander setzt und die MultipUcation
dann unmittelbar beginnt. Um nicht zu fehlen, ist der Schüler genöthigt,
vor Entwicklung jedes einzelnen Partialproductes zu untersuchen, mit
welcher Stelle im Multiplicande er die Rechnung beginnen muss, um
ein Product, entsprechend der letzten noch zu suchenden DecimalsteUe zu
erhalten, oder wenigstens alle Stellen in beiden Factoren durch Puncte
oder andere Zeichen zu markieren. Wenn auch solche Untersuchungen für
den Schüler immer einigen Werth haben, so muss man doch berücksichtigen,
dass abgekürzte Multiplicationen so häufig beim praktischen Ziffer-
rechnen vorkommen, dass nur jene Methode die beste genannt werden kann,
mittelst der man schnell und sicher rechnet. Das zweite Anschreiben des
Multiplicators wird nach der Methode des Hm. Verf.'s zwar erspart ; dafür
nehmen aber die fortwährenden Untersuchungen über SteUenwerth bei län-
geren Multiplicationen vielleicht das Vierfache der ersparten Zeit in An-
spruch. Ueberdies ist so ein fehlerhaftes Rechnen viel eher möglich, als
nach der anderen Methode, bei welcher die Aufmerksamkeit des Schülers
nur einmal, nämlich beim Ansatz, in Anspruch genommen wird, während
im Verlaufe der Rechnung ein Fehler unmöglich wird, wenn der Schüler
nur überhaupt das Ein mal Eins gut inne hat und addieren kann.
Andeutungen, wie combinierte Rechnungen in Decimalen, bei welchen
im Resultate ein bestimmter Grad der Genauigkeit gefordert wird, durch-
zuführen sind, fehlen gänzlich, und wären um so noth wendiger gewesen,
da gerade derartige Rechnungen nicht nur in der Mathematik, Physik,
852 J. Häberl, Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F. KlamnUnger.
Mechanik, sondern auch bei einfachen Rechnungen im praktiBchen Leben
häufig vorkommen. Rechnet der Schüler nur immer in so vielen DednuJen,
als im Resultate verlangt werden, so kann es leicht sein, dass er glaubt das
Resultat beispielsweise auf drei Decimalen genau zu haben, während nicht
nur diese Decimalen vielleicht ganzlich unrichtig, sondern oft selbst eine
oder mehrere ganze Stellen ungenau sind. Sobald der Schüler die Neben-
rechnungen nicht so durchfuhrt, dass die Genauigkeit derselben im Ein-
klänge steht mit der verlangten Genauigkeit des Resultates, so ist die
ganze Theorie der Decimalbrüche, wenn er sie noch so gut inne hat, ffSa
ihn werthlos, da er stets fehlerhafte Resultate erhält, wenn er anch jede
Rechnungsoperation regelrecht durchführt. Dass man nicht alle beim prak-
tischen Rechnen vorkommenden Fälle erschöpfen kann, ist wol selbstver-
ständlich und wäre auch ganz überflüssig; es genügt, wenn dem Schüler
eine Anleitung gegeben wird, wie abgekürzte Multiplicationen mit mehreren
Factoren, und Divisionen auszuführen sind, bei welchen Dividend und
Divisor oder beide zugleich aus Factoren bestehen.
Es folgt nun die Lehre der Potenzen, welche die gewöhnlichen Sätze
enthält, ¥rie sie in allen Lehrbüchern über allgemeine Arithmetik vorkommen.
Dem Rechnen mit negativen Exponenten wäre der Satz l~| == l-j
beizufügen gewesen. Die Anwendung dieses Satzes gestattet oft eine wesent-
liche Vereinfachung der Rechnung und der Hr. Vf. hätte mit Hilfe des-
selben Beispiel 3. S. 148 weniger umständlich ausrechnen können, wo es heiXist:
l— öTi^^i - + 5-^n-^z-^ " Q^m^x^y^' ^^ ^'' Anwendung
obiger Regel die Zwischengleichung entfallen wäre, ist klar; es erscheint
überhaupt sonderbar in obiger Rechnung alle positiven Exponenten durch
Potenzierung in negative zu verwandeln, um sie gleich darauf wieder
positiv zu machen.
In den Paragraphen über das Quadrat und den Kubus mehrthei-
liger Ausdrücke sollten die zweiten Methoden zu deren Ausführung, wie
sie der Hr. Vf. speciell erst beim Potenzieren decadischer Zahlen anwendet,
ebenfalls nicht fehlen, da die Potenzierung geordneter Polynome nach
diesen Methoden vorzuziehen ist. üeber das Potenzieren periodischer De-
cimalbrüche hätte der Hr. Verf. anführen können, dass dieselbe niemals
nach den Regeln für Potenzen mehrgliedriger Ausdrücke, sondern stets
durch abgekürzte Multiplication vorzunehmen sei.
Zur Lehre von den Wurzelgröfsen sei bemerkt; Bei dem im §. 160
angeführten und mit durchschossenen Lettern gedruckten Satze soll es am
Schlüsse statt : „ ... mit derselben Zahl multipliciert", heifsen : «... mit
derselben Zahl multipliciert und dividiert**.
Bei der Erklärung und Besprechung irrationaler Zahlen beweist der
Hr. Vf. in den Paragraphen 170 und 171, dass die Gesetze der Multipli-
cation, der Potenzierung und des Wurzelausziehens, wie sie für rationale
Zahlen gelten, auch bei irrationalen angewendet werden können ; diese Be-
weise, welche in anderen Lehrbüchern für Mittelschulen nicht vorkommen,
sind vom wissenschaftichen Standpuncte aus ganz am Platze und bilden
J. Haberl, Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F. Klamminger, 85S
eine interessante Bereicherung der Lehre über die Wurzelgröllseu ; nur ist
Referent der Ansicht, dass, den irrationalen Zahlen analog, auch in der
Theorie der Decimalbrüche ein Beweis erforderlich gewesen wäre, dass mit
periodischen Brüchen so gerechnet wird, wie mit endlichen DecimalbrÜchen ;
denn die ersteren verhalten sich, als Decimalbrüche geschrieben, gerade
so, wie irrationale oder incommensurable Zahlen. Mindestens hätte eine
Hindeutung auf die vorigen Paragraphe stattfinden sollen, da dieselben
ebenso gut für periodische Decimalbrüche, wie für irrationale Wurzel-
grofsen gelten können.
Das Rationalmachen der Brüche ist sehr ausführlich genommen und
wird vom Hm. Vf. eine recht hübsche Methode angefahrt, um Nenner von
n __ n n
der Form « + 1/a + r «' -f l^«* vom Wurzelzeichen zu befreien. Die
kurze Untersuchung über die Möglichkeit der Gleichung a + 1/6 = c + Yd
ist ganz am Platze. Auch das Rechnen mit imaginären Gröflsen wurde
vom Hm. Vf. ausführlich behandelt; hervorzuheben wäre noch, dass der
Hr. Vf. die interessante geometrische Bedeutung von V— 1, femer allge-
gemein von « + /S ]/— 1 erklärt und auch graphisch darstellt. Es wird
jedoch nur das Rechnen mit lateralen Zahlen von Form y — A gezeigt,
und nicht ein Beispiel angeführt, wie Multiplicationen, Potenzierungen etc.
von vierten oder höheren Wurzeln aus negativen Zahlen vorzunehmen sind.
2h
Der Hr. Vf. sagt nur: „Jede laterale Gröfse, allgemein |/ _^ läset sich
auf die Form « -f /9 V— 1 bringen**, erklärt jedoch nirgends, wie diese
Verwandlung stattzufinden hat
Es folgt nun die Lehre von den Verhältnissen und Proportionen,
sowie deren Anwendung auf praktische Rechnungen. Nach diesen werden
die quadratischen Gleichungen mit einer oder mehreren Unbekannten ab«
gehandelt. In dem letzten Capitel fehlen die Regeln, nach welchen eine
Gleichung vor dem Rationalmachen zu ordnen ist, wenn in derselben eine,
zwei, drei oder noch mehr Quadratwurzeln vorkommen. Wird vor dem
Quadrieren nicht eine entsprechende Vertheilung der rationalen und irra-
tionalen Theile auf beiden Seiten der Gleichung, und zwar nach be-
stimmten Regeln vorgenommen, so kann es leicht geschehen, dass nach
dem Quadrieren in der Gleichung ebenso viele, ja oft noch mehr irra-
tionale Gleichungen erscheinen, als ursprünglich in der Gleichung ent-
halten waren. Eine interessante Anwendung der im §. 233 erwähnten Formel
rP ± 9. V— i — aJ i y V---ii wo dem x und y bestimmte reelle
4 8
Werthe zukommen, wäre jene gewesen, 1/— 1, ]/— 1... oder überhaupt
a»
V —1 auf die Form a + ß ^ —1 zu bringen; mit Hilfe dieser Trans-
formation und des Satzes V— 1 «= — 1 wäre es möglich gewesen den
in
Beweis zu liefern, dass ^ —A sich jederzeit in der Form n + ß V— X
854 J. Häberl, Lehrbuch der Arithmetik etc., ang. v. F. Klamminger.
darstellen lässt, welche Behauptung zwar im §. 175 ausgesprochen, aber
nirgends bewiesen ist.
In dem Capitel über unbestimmte Gleichungen des zweiten Grades
sollten Untersuchungen nicht fehlen, welche Werthe dem x in dem Aus-
drucke j/« -\- ßx -\- yx^ beizulegen sind, damit derselbe rational werde.
In der Theorie der Logarithmen kommt der Satz vor: „Der Loga-
rithmus einer beliebigen PotenzgröJüse wird gefunden, wenn der Exponent
mit dem Logarithmus der Grundzahl multipliciert wird.** Da aber der
Logarithmus der Grundzahl eines Sjstemes « 1 ist, so lässt obige Regel
auch die Deutung zu, der Logarithmus jeder Potenzgröfse sei bloft gleich
dem Exponenten derselben, sobald man nicht bemerkt, unter der Bezeich-
nung „Grundzahl" in diesem Satze sei nicht die Basis des Systemes, son-
dern die Basis der Potenz zu verstehen. Hätte der Hr. Vf. in der Lehre
der Potenzen die übliche Bezeichnung „Wurzel" beibehalten, so wäre beim
logarithmischen Rechnen jede Zweideutigkeit vermieden.
Die Bedeutung eines Logarithmus mit negativer Mantisse, das Ver-
wandeln desselben in einen solchen mit positiver Mantisse und blofs n^a-
tiver Charakteristik, femer eine Erklärung, warum das Rechnen mit Loga-
rithmen, deren Mantissen negativ sind, mindestens am Ende der logarith-
mischen Reductionen, also vor Aufsuchung der dazu gehörigen Zahl, zu
vermeiden ist, hätte nicht übergangen werden sollen.
Zur Lehre der arithmetischen und geometrischen Progressionen sei
bemerkt, dass es der Fassungskraft der Schüler entsprechender gewesen
wäre, beim Interpolieren dieser Reihen die Einführung von Zeigern in
Bruchformen zu vermeiden. Man kann dem Schüler allerdings einen richti-
gen Begriff beibringen, was er unter dem n*«", (n — 1)*««, (n -f 5)^» ....
Gliede einer Reihe zu verstehen hat; es dürfte jedoch schwer halten, dem
gröfsten Theile der Schüler die Bedeutung von Gliedern mit den Zeigern
r A , r A , . . . r -I klar zu machen. Beim Intenx>lieren ge-
nügt es, zwei beliebige, aber unmittelbar aufeinanderfolgende Glieder der
Grundreihe zu betrachten, das vorhergehende Glied als erstes einer neu zu
bildenden Reihe , das nächste Glied aber als das (n -|- 2)*« in der zweiten
Reihe zu betrachten, sobald ^Glieder einzuschalten sind. Ist die Einschal-
tung nur zwischen zwei Gliedern erfolgt, so ergibt sich dieselbe von selbst
zwischen allen vorhergehenden und nachfolgenden Gliedern der Grundreihe.
Am Schlüsse des Capitels über die Reihen sind kurze Bemerkungen
über die Convergenz und Divergenz der Reihen beigefügt, um die Brauch-
barkeit der später entwickelten Binominalformel in bestimmten Fällen zu
erkennen.
In dem Capitel über Zinseszinsen gibt der Hr. Vf an, welche Modi-
ficationen die Formel fc« — ä; |l -f ~^l erleidet, wenn n keine ganze,
sondern eine gebrochene Zahl ist, oder als solche aus einer Rechnung er-
halten wird. Hiemit, sowie durch Aufnahme der Berechnung über Rück-
zahlung verzinslicher Anlehen erhielt das Capitel über Zinseszinsen wün-
schcnswerthe Bereicherungen.
J. Kehrein, Das Annolied, ang. v. TT. Scherer, 855
Den Schluss des Werkes bildet die Corabinationslehre mit ihrer
Anwendung auf das Binominaltheorem und die Wahrscheinlichkeitsrech-
nung. Die Ausstattung des Buches ist prachtvoll und kann als Muster für
mathematische Lehrbücher gelten.
Krems. F. Klamminger.
Das Annolied. Genauer Abdruck des Opitzischen Textes, mit
Anmerkungen und Wörterbuch von Joseph Kehrein. Frankfurt ü/M.,
G. Hamacher, 1865. VI u. 85 S. - 12 Sgr.
Hr. Kehrein will, wie er in der Vorrede betont, eine „Volksausgabe"
des AnnoUedes liefern. Ob es einer solchen bedürfe und worin das volks-
thümliche einer Edition altdeutscher Gedichte bestehen könne, darüber
wäre manches zu sagen. Jedenfalls dürfte der buchstäbliche Abdruck einer
Handschrift, vollends einer Handschrift mit höchst eigenthümlicher, ja selt-
samer Orthographie, am wenigsten dem Zwecke entsprechen. In dem vor-
liegenden Falle muss uns überdies eine mit mangelhaften Sprachkennt-
nissen besorgte und durch offenbare Druck- und Lesefehler entstellte Aus-
gabe des 17. Jahrhunderts die Handschrift ersetzen. Damit wird nun „das
Volk** wenig anzufangen wissen. Vielleicht aber verdient sich der Heraus-
geber wenigstens bei den Fachgenossen Dank, vorausgesetzt nämlich , dass
jemand die Edition von Karl Roth (München 1847) verschmäht, weil schlechte
Opitzische Lesarten aus dem Text in die Anmerkungen verwiesen sind: dass
Roth in üniformierung der Orthographie an einigen Puncten zu weit geht,
föllt doch wenig in's Gewicht. — In der Einleitung wird über den Ver-
fasser des Gedichtes das famose Holtzmann*sche Capriccio abgespielt,
worin derselbe mit Lambert von Hersfeld, dem Pfaflfen Lambrecht und dem
Dichter der sogen, jüngeren Judith zu einer einzigen Persönlichkeit ver-
schmilzt, deren literarisches Porträt, sorgfältig ausgeführt, ohne Zweifel
nur im indischen Kunststil möglich wäre, der bekanntlich Mehrköpfigkeit
gestattet. — Unter den wenigen Verbesserungen, die doch lange noch keinen
erträglichen Text geben, ist mir keine neue aufgefallen : manche der alten
blieben besser unwiederholt. Z. 598 z. B. braucht das überlieferte vure
dir wärheite keine Aenderung, vgl. Schmeller gloss. sax. s. v. furi. Und
Z. 584. 802 ist die Bemerkung, dass Hüften und atükkelinen richtiger wäre,
unnöthig , da Apokope des n im Annoliede häufig genug begegnet. — Die
Anmerkungen hat Hr. Kehrein im wesentlichen aus Bezzenbergers Ausgabe
entnommen. Aber dass die Deutschen vom dritten Jahrhundert 'an unter
dem Gesammtnamen Franken auftraten (zu Z. 93) und die Bemerkung ,, Gi-
ganten, Riesen, grofse Menschen** u. s. w. (zu Z. 152) gehört ihm freilich
zu Eigen. — Im Wörterbuch finden wir ganz dankenswerthe Zusammen-
stellungen über die Laut- und Formenlehre, auch zum Theile die Syntax
des Annoliedes: für ihre Vollständigkeit und durchgängige Richtigkeit
kann ich mich natürlich nicht verbürgen. Gleich Anfangs S. 48* werden
als Fälle des dem Substantiv flectiert nachgesetzten Adjectivs u. a. aufge-
führt ein beri wilde (193) und drei Beispiele (524, 533, 623) von nachge-
setztem vröne , aufserdem Z. 458 , was ich für ein falsches Citat nehmen
850 Literarische Notizen.
will. Das ganze Glossar durchzucorrigieren habe ich keine Lust. Unpra-
cise Angabe der Bedeutungen scheint leider darin die Regel zu bilden,
auch an z. Th. groben Unrichtigkeiten fehlt es nicht (vergL z. B. die
Artikel biceichenifU , Insten, bivcd, breite, genenden S. 61», hus, truite).
Manchmal ist dem Hr. Verf. das Gefahl für unsere heutige Sprache bei
seiner Arbeit ganz abhanden gekommen : er schreibt auch neudeutsch * be-
zeich enen, Genade.'
Wien. W. Scherer.
Literarische Notizen.
ErzäMungen aus der Geschichte für den ersten Unterricht auf
Mittel- und höneren Bürgerschulen zusammengestellt von K Kappes.
Zweite Auflage. Freiburg i. B., Wagner, 1866. kL 8. 272 S. — 24 Sgr.
In der Vorrede entwickelt der H. V. kurz die Ansichten, die ihn bei
der Zusammenstellung- dieses Stoffes leiteten. Dieselben stimmen mit der
jetzt allgemein verbreiteten Anschauung überein, dass beim biographischen
Unterrichte „ein gewisser durch die ganze Reihe der £inzelnerzahlungen hin-
durch ziehender Faden den innem Zusammenhang herstellen müsse.** Der
H. V. ist femer der Ansicht, dass bei dem ersten Unterrichte in der Ge-
schichte der zusammenhängende Vortrag gewisse Grenzen zu beachten habe,
welche theils durch die Natur des Schülers, theils durch die Natur der
Sache selbst geboten sind, indem einzelne Momente, wie das Geographische,
Ethische, Praktische, die Vergleichunff u. s. w. eine Unterbrechuiig des
Vortrages und ein längeres Verweilen oei einem Factum nothwendig her-
beiführen. Aus diesen Gründen und mit Rücksicht auf den so häufigvor-
kommenden Umstand, dass die Classen sehr zahlreich sind, hält der H. V.
die besnrechungsweise Mittheilung, das Wechselgespräch zwischen Lehrer
und Scnüler für den zweckmäfsigsten Vorgang imd hat derselbe für die
häusliche Repetition der Schüler das vorliegende Buch verfasst. Dasselbe
enthält das Material für den einleitenden Vorbereitunffsunterricht oder für
die erste Stufe mit Rücksicht auf die dreifache Abstuning des historischen
Unterrichtes. Die eigentliche Bestimmung des Buches macht uns, die wir
nur zwei Stufen des historischen Unterrichtes unterscheiden, selbstver-
ständlich einige Rücksichten zur Pflicht, weshalb wir uns nuV auf einige
Andeutungen bes'^hränken. Die Auswahl aus der Geschichte der Griechen
ist am reichhaltigsten getroffen, und dürfte der Stoff, wenn man von der
wenig beachteten Sagenperiode absieht, selbst für eine höhere Stufe, als
für den s. g. einleitenden Vorbereitungsunterricht genügen. Dag^en sind
die Erzählungen aus der römischen Geschichte in manchen Partien sehr
dürftig ausgefallen. In der Periode der Könige erhielten nur Romulus,
Servius Tullius und Tarquinius Superbus eine Berücksichtigung. Die Be-
mühungen des H. V. die inneren Zustände Rom's möglichst verstandlich
zu machen, verdienen gewiss Anerkennung, allein wir hätten gewünscht,
dass der H. V. die schönen Erzählungen des Livius mehr für seine Zwecke
benutzt hätte. Besonders wirksam sind , und nicht blofs für Anfanger
sondern überhaupt, die Aussprüche, Sentenzen, kurze Reden, welche die
Schriftsteller dem Helden in den Mund legen. Um nur ein Beispiel an-
zuführen, so hätte der H. V., der für Hannibals Ende einen besondern §
bestimmt, die passende Gelegenheit benutzen und die letzten Worte des
Helden: liberemus diuturna cura populum B, etc. (Liv. 39, 31) anführen
können.
Eigen thümlich ist femer die Gmppiemng des Stoffes, welche der
griechischen Geschichte vorangeht: Indier, Chinesen, Assyrier, Israeliten,
Phönizier, Perser, Aegypter. Dieser rasche Wechsel von historischen Schau-
plätzen dürfte für den einleitenden Vorbereitungsunterricht doch manche
Literarische Notizen. 857
Schwierigkeiten haben, abgesehen davon, dass in der Geschichte der Indier
und Chinesen ein passendes Material flir den biographischen Unterricht
nicht so leicht zu finden ist. Auch der § 16, Karthager, zwischen der
ägyptischen und griechischen Geschichte steht sehr isoliert. Weiter erregt
es Befremden, dass der H. V., während er Mittheilungen über die religiösen
Ansichten der Indier, Chinesen, Perser macht, von der Religion der Kömer
ganzlich schweigt. Die Auswahl aus der mittlem und neuern Geschichte,
worin die auf die Geschichte der Deutschen bezüglichen Erzählungen in
den Vordergrund gestellt ¥rurden, ist zweckmäfsig getroffen, eben so ist
es zu billigen, wenn in einem Lehrbuche, das zugleich die Stelle eines
historischen Lesebuches vertreten soll, Abschnitte, welche von den Erfin-
dungen und Entdeckungen handeln, in gröfserer Ausführlichkeit geboten
werden. Die Ausstattung des Buches ist gut.
Programme österreichischer Gymnasien und
Realschulen.
(Fortsetzung v. Hft. VllL S. 608" ff.)
L Abhandlungen philologischen und linguistischen Inhaltes.
4. De natura lattnüatis Justinianae scripsü J. Alex, Bozek, Abhand-
lung im Programm des k. k. Staatsgymnasiums in Hermannstadt für das
Schuljahr 1864/5.
Der nicht ganz correcte Titel bezeichnet den Inhalt der fleiX^igen
Abhandlung nicht vollkommen. Derselbe ist im wesentlichen folgender:
Von vorneherein stellt der Verfasser sich auf den Standpunct, dass er die
Justinianische Latinität nicht für sich betrachtet, sondern an dem Mafä-
stab der sogenannten classischen Prosa d. h. wesentlich der rhetorischen
Cicero's misst. Die ^weniger fehlerhaften' Partien werden als wörtlich aus
Trogus Ponipejus herübergenommen angesehen (11, 1. IV, 1. XX, 4. XXX VIII,
3, 11 ff. XXXXIIL 1, 3 ff. XLIV, 1), übrigens auch aus diesen einige Ab-
weichungen von der classischen Prosa angeführt. 38, 6, 8, hätte nur nicht
diu/Uiarum ieiunm allein citiert , sondern angegeben werden sollen , dass
auidos cUque ieiunos steht, wodurch die Construction viel leichter ist. An
Justinus selbst wird zuerst die Vermischung der prosaischen und poetischen
Sprache getadelt; ferner der Gebrauch des Plurals nach Dichterweise ohne
erkennbaren Grund. Ich will auf die angebliche Bedeutungslosigkeit des
Plurals — viel anders fasst auch Grjsar in der Vorrede zu seiner Horaz-
auswahl S. LXXXlIi die Sache nicht — nicht eingehen, sondern nur er-
innern, dass der Plural animi in ähnlichem Gel^rauch wie der vom Ver-
fasser angeführte ist , auch bei früheren nicht selten sich findet , s.
Kraner zu Cses. b. g 1, 33, 5. Weiter führt der Verfasser eine grofse An-
zahl von Worten an, welche Justin neu gebraucht oder aus der poetischen
oder der Vulgärsprache in seine Prosa herübergenommen oder denen er
neue Bedeutungen gegeben, und zwar Substantiva, Adjectiva, Adverbia,
Verba, Partikeln. Der verfehlte Gesichtepunct der ganzen Abhandlung,
dass Justin an Cicero allein gemessen wird, statt dass vor allem seine
Sprache mit der der Historiker Sallust, Livius, Tacitus TvieUeicht auch
Veliejus) verglichen würde , macht sich in dieser sonst sehr oankenswerthen
Zusammenstellung, die unsere Lexica ganz wesentlich bereichert, besonders
bemerkbar. Cognomentum z. B. statt cognomen ist nicht dem Justin eigen,
sondern auch taciteisch, vgl. aufser den SteUen bei Freund noch A 2, 9 u.
15, 40, sowie für diesen noch weiter gehenden Gebrauch Nipperdey zu A. 1,
31. Ebenso aüoquium s. A. 1, 71. 4, 9, was auTserdem schon die Lexica
auch aus Livius belegen. Der oppugnaHo Spartanorum steht der von
Fabri zu Liv. 24, 8, 16 erörterte Gelbrauch des Verbums oppugnar0 gegen«
858 Literarische Notizen.
über u. s. w. 27, 2, 6 durfte frnis unrichtig verstanden sein, da intra
finem Tawri monti nach Verffleichung von Sali. J. 19, 3 wol zu erklären
sein wird: bis an die durch den Taurus gebildete Grenzmarke. In Bezug
auf quamquam und tametsi mit Conjunctiv ist doch nicht ohne Bedeu-
tung, dass von den vier angeführten Stellen, 2, 1, 5 u. 2, 2, 9, in denen
quamquam steht, an der ersten der Conj. pf. log., an der zweiten der des
eigentlichen Praes. steht, während an den zwei andern 13. 5, 15. 9, 1, 10
tamentsi mit Conj. Impf, verbunden ist, vgl. auch Dräger Progr. von Güst-
row 1860 S. 20. Nach Anführung einer Declinationseigenthümlichkeit
sind die auffälligeren Composita zusammengestellt. Dann geht der Ver-
fasser zu syntaktischen Eigenheiten über und bespricht seltenere Fälle des
Gen. (unter den 'gen. attnbutionis' ist manches eingereiht^ was nicht dazu
gehört, beim gen. quäl, ist der Verfasser zu rigoros, s. Eraner zu Css. b.
g. 5, 35, 7 und zu 1, 18, 3), Dat. Accus. Abi., des Pronomens quisque und
der Demonstrativa. Dann wird der Indicativ in Orat. obl., und der Conjunc-
tiv statt des Indic. in Relativ- und Vergleichungssätzen angeführt. Hier
lassen jedenfalls 9, 7, 10 u. 10, 1, 7 eine ganz genaue £rkl^ung zu. Es
folgen Infinitive besonders in Heischesätzen, femer Eigenthümlichkeiten im
Gebrauch der Participien. Unter den Abi. absol. blosser Partie, fehlt itUeU
lecto 38, 3, 6. Es folgen einige Fälle der Synesis, zeugmatische und ana-
koluthartige Verbindungen, endlich et vor dem dritten Gliede einer Auf-
zählung. An dieses letzte konnte die Verbindung et — que 38', 9, 7 an-
geschlossen werden. Manche andere Puncte, die der Erwähnung werth ge-
wesen wären, hat der Verf. nicht berührt, z. B. den Conjunctiv des histori-
schen Perfect, den Conjunctivus iterativus, Gerundia, Supina u. ä. Referent
muss auTser dem schon erwähnten Uebelstand noch bedauern, dass der Ver-
fasser mehr eine Praefatio für den Schulgebrauch schreiben wollte, als
eine vollständige Untersuchung über den gesammten Sprachgebrauch des
Justinus, um so mehr, als von seiner genauen Kenntnis des Schriftstellers
sowie seiner Sorgfalt zu hoffen wäre, dass er dieser Aufgabe vollkommen
genügen würde. Freilich lässt sich dieses nicht in dem gestatteten Räume
eines Jahresprogrammes der wissenschaftlichen Abhandlung thun, aber es
hindert ja niöhts, die Arbeit auf mehrere Programmpublicationen zu ver-
theilen, wie es z. B. Richter und Lentz in ihren trefflichen Abhandlungen
de supinis linguae latinae und de verbis latinae linguae auziliaribus ge-
than nahen. Als Muster solcher Specialuntersuchungen möchte Referent
das schon erwähnte Programm von Dräger 'Untersuchungen über den Sprach-
gebrauch der griechischen Historiker* und die zwei Hallenserprogramme
1853 u. 1854 von Fischer 'die Rectionslehre bei Ciesar* bezeichnen.
Die Diction des Verfassers ist correct, aber etwas breit. Von den Citaten,
welche Referent im Jeepischen Justin nachgeschlagen hat, ist S. 15 bei tn-
crepatus IX, 3, 5 verschrieben statt XI, 3, 5.
Wien. Leopold Vielhaber.
II. Abhandlungen aus dem historisch-geographischen
Gebiete.
(Fortsetzung v. Ilft. VU. S. 520.)
8. Die Bedeutung des ager publicus in der röinischen Geschichte mr
der Zeit der Gracchen. Vom Gymnasial -Professor Jos. Rom. Schaller.
Programm des kais. königl. Gymnasiums in Marburg. 1S65.
Der Zweck dieser Abhandlung ist nach des Hrn. V. ausdrücklicher
Erklärung „eine wissenschaftliche Frage von besonderer Bedeutung, deren
Erörterung im Detail die karg bemessene Unterrichtszeit im Gymnasium
nicht gestattet, den Gymnasialschülern in einem Programmaufsatze vorzu-
führen." — Nach einer kurzen Einleitung, worin die Wichtigkeit und Be-
deutung des Kampfes der römischen Stände in den ersten anderthalb Jahr-
Literarische Notizen. 850
hunderten der Republik hervorgehoben wird, geht der Hr. V. an die Losung
seiner Aufgabe: er bespricht zuerst das Wesen des ager publicus und die
Verhältnisse, welche durch das gemeine Land zwischen den beiden Standen
waren geschaifen worden, und weist dann in einer gedrängten historischen
Uebersicht der Kämpfe wegen der lex agraria auf den Einfluss hin, den
dieselben auf die Entwicklung der römischen Verfassung ausgeübt haben.
Die lex agraria des Sp. Oassius und des Licinius und Sextius finden eine aus-
führliche Erörterung. Dass auf diesem Gebiete heutzutage jede Arbeit eine
genaue Vorbereitung nothwendig macht, braucht nicht erst bemerkt zu
werden, weshalb wir es unterlassen, auf den Eifer und die Belesenheit des
Hm. V. hinzuweisen ; wir fügen nur bei, dass die Behandlung historischer
Themata für diesen bestimmten Zweck besonders dann für unsere Gymna-
sialschüler von Nutzen ist, wenn sie für das Studium eines solchen Auf-
satzes selbst Vorarbeiten gemacht und einige darauf bezügliche Partien in
Livius durchgearbeitet haben. S. 20, wo von dem tribunus plebis Sp. Idlius
der bei Livius Sp. Licinius (U. 43, 44) genannt wird, die Rede ist, war
eine Anmerkung wünschenswerth , welche die schwankenden Angaben in
Betreff des Namens erläutert.
Wien. J. Ptaschnik.
9. Der Kampf der Kroaten mit den Mongolen und Tartaren atts der
Abhandlung: y^Borba Hrvatah 8 Mongoli i Patari*^ v. Kukuljevic, mit-
getheüt von Vanicek. (16 S.) Im Programm des k. k. Staats-Obergymn.
zuVinkovce in der kroat. slavon. MiliSrgrenze, veröffentlicht am Scnlusse
des Schuljahres 1864/5. Agram, Dr. Ljudevit Gaj, 1865.
Der vorliegende Programmaufsatz ist die theilweise Bearbeitung einer
historisch-kritischen Abhandlung in kroatischer Sprache, deren Verfasser mit
Recht eines bedeutenden Rufes als Kenner und Herausgeber kroatischer
Geschichtsquellen geniefst und in dieser Beziehung allerdings ein gewichtiges
Wort über den Antheil seines Volkes in dem welthistorischen Kampfe des
Abendlandes gegen die mongolische Barbarei sprechen darf. Zwei Umstände
entziehen jedoch das hier Gebotene einer eigentlichen kritischen Besprechung
und lassen nur eine kurze Inhaltsanzei^e Platz greifen. Für's Erste steht
noch der Schluss der deutschen Bearbeitung in Aussicht, und zweitens er-
mangelt sie vorläufig jener Quellenangaben, die es wenigstens theilweise
erlauben würden, sich ein selbständiffes Urtheil über die Verwerthung der
Quellen zu bilden. Da uns nämlich Kuku\jevi6' Abhandlung unzugänglich
ist und uns nur ein deutscher Auszug ohne alle Belege und Citate geboten
wird, so müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen, dass iene „durchgängig
auf sorgfältigem Quellenstudium, namentlich auch auf Urkunden" berunt,
„die aufserhalb J^oaticns wenig oder gar nicht bekannt sind und von
denen 17 der Abhandlung vollinhaltlich beigedruckt sind**, und zwar aus
der Zeit „von 1193 fBela ILI.) bis gegen das Ende des 14. Jahrhundertes" (S. 4).
Ebenso wenig dürren vrir das irgendwie in Zweifel ziehen, was der Bear-
beiter an derselben Stelle weiter bemerkt: „Für die objective Anschauung
di's Verfassers bürgt schon der Umstand, dass er nicht allein aus slavischen
Quellen schöpfte, sondern häufig auch aus solchen, die, wie dies bei Archi-
diakon Toma nachgewiesen ist, eben keine Vorliebe für den Kroatenstamm
hegten oder aber wie Fejer (Cod. dipl.) von magyarischen Anschauungen
getragen wurden."
Da aber die Art und Weise der Quellen benützung doch die Haupt-
sache bleibt und wir so aufser Stand gesetzt sind, dem Qneilenapparate
und seiner Verarbeitung auf den Grund zu sehen, so können wir uns einer
gewissen Befangenheit, eines leisen Misbehagens nicht erwehren und dies
umsoweniger, als die einleitenden Worte des Bearbeiters, Herrn Vaniöek's,
wenn auch gut gemeint, einen polemischen Beigeschmack zeigen, dessen
wir gerne entrathen würden. Wenn wir nämlich mit ganzer Seele das unter-
schreiben, was Herr Vaniöek zu Anfang si^: gewisse Volksstämme hätten
„die vollste Berechtigung, sich jene historischen Momente, die ihre Vorfahren
860 LiicrariHcbe Notizen.
mit ihrem Herzblute erkauft haben, als ihr Ei^enthum zu sichern und
sich ihre bestrittene oder unbekannte geschichtliche Stellung zu dem einen
oder anderen geschichtlichen Factum wissenschaftlich zu erkämpfen** —
ja auch den Beisatz ruhig hinnehmen wollen, der da jene Volksstamme
als solche kennzeichnet , „deren Antheil an Weltereignisscn, sei es aus Un-
kenntnis oder aus Mangel an Eechtlichkeitsgefuhl von der Geschichtachrei-
bung (!) ignoriert oder geläugjnet wurde**, — so verursacht dagegen eine
weitere Auslassung unser billiges Bedenken, da sie das, was Sache des
Nationalgefuhls ist, mit dem zusammenwirft, was als unverrückbares Ziel
der Gescnichtsforschung dasteht, da sie den Volksglauben, die sagenhafte
Volksüberlieferung und anderseits die verbürgte historische Thatsache
auf eine Linie stellt. Es heiTst nämlich S. 4: „Wir begegnen nicht dem
Drange nach Befriedigung nationaler Eitelkeit, sondern dem Erwachen des
nationalen Selbstbewusstseins und dem Drange des Bechtsgefühles, wenn
uns die Erscheinung entgegentritt, dass cechische Historiker für den An-
theil mannhaft einstehen, welchen Jaroslaw Diedic mit seiner Heldenschaar
an der Abwehr dieser Horden bei Olmütz genommen, dass femer die Kroaten,
deren Betheiligung an diesem Defensivkampfe von fremden Hüstorikera
bisher ganz ignoriert wurde, den Sieg am „grobnißko polje** feiern, den
ihre kampfmuthigen Vorfahren an ihrer Landesktiste über diese wilden
Asiaten erfochten hatten."
Diese Anschauung ist ein sehr abschüssiges Fahrgeleise. Denn jenes
„nationale Selbstbewusstseiu**, jener „Drang des Kechtsgefühls" könnte
auch leicht die Erfindungen eines Hajek von Libocan, die Märchen eines
Kadtubek oder die Tendenzlügen eines Anonymus Belae für historische
Wahrheit nelimen und um jeden Preis dafür einstehen wollen. Die Grenze
zwischen dem Erlaubten uud Unerlaubten in dieser Richtung ist eben
schwer einzuhalten. Hat der Gewährsmann des IL Vanicek, hat JCuku^evid
die Grofsthaten des Kroatcnvolkes im Kample mit den Barbaren wissen-
schaftlich erwiesen — und wir zweifeln nicht im mindesten daran —
so war es ihm uui historische, um wissenschaftliche Wahrheit zu thun
— und diese muss jedem unbefangenen Geschieh tsfreuude willkommen sein,
welchem Lager er auch angehören mag. Da bedarf es dann nicht erst
des „nationalen Selbstbewufstseins" und „des Dranges des Rechtsgcfühls*
zu Hebammendiensten bei der Geburt historischer Entdeckungen — denn
sonst könnte es auch leicht zur Untei-scliicbung unechter Kinder kommen.
Exempla sunt odiosa.
Die Monographien und kritischen Abhandlungen über den Tartaren-
einfall in die österreicliischen I^nde sind spärlich gesät *"). Um so mehr
verpflichtet uns Kukuljevic zum Danke. Denn wir erfahren durch seine Ar-
beit, was sich im Süden zugetragen ; wir überblicken die äufserste Verzwei-
gung des Mongolensturmes und vennögen die Lage des ungarischen Reiches,
aie Verhältnisse der Flucht Bela's IV. richtiger zu würdigen. Der deutsche
Aussfug hebt mit der Erörterung der vielseitigen iKjrsönlichen Verdienste
an, die sich der kroatische Adel in der vernängnissvoUen Schlacht am
Sajoflusse um den König erwarb (5— f>). »Sodann kommt die Ankunft des
flüchtigen Herrschers sammt Familie und Gefolge, zu Anfang Mai 1241 in
Agram, zur Sprache. Bela IV blieb hierorts bei 10 Monate und entsendete
von da Briefe an mehrere Fürsten, unter andern auch an den Pabst und
*) Ich erwähne hier: Boczek: „Vitez nad Mongoly." Olmütz 1841.
Palackf : Der Mongoleneinfall i. .1. 1241 in den Abb. der k. bo.
Ges. d. Wiss. 5. Folge 2. Band, Prag 1843 (369—408). Rosty: A
Tatäriäras törtenelme negvedik Bek kiräly idejeben. (Geschichte
des Tartarenzuges in der Zeit Bela's IV.) Pest 1856. Schwammel:
Der Antheil des österr. Herzogs Friedrich des Streitbaren an der
Abwehr der Mongolen . . . Gym. Ztschr. 1856 (665—695) und von
demselben: Ueber die angebliche Mongolen-Niederlage bei Olmütz.
Sitzungsber. der kais. Ak. der Wiss. XXXÜI. Bd. S. 179 ff. 1860.
Literarische Notizen. 861
Kaiser Friedrich II. Er sammelte ein neues Heer, liefb die Reliquien und
Reichskleinodien von StahlweiTsenhurg kommen, entschloXiB sich aber als-
dann zur weitem Flucht an die Küste. Denn die Tarturen hatten bald
die gefrorene Donau übersetzt und eines ihrer Heere, unter Kadan, wälzte
sich dem flüchtigen Arpaden nach. Die Königin hatte mit Kindern und
(befolge den Anfang gemacht und zunächst in Kliä (Klisa) ihr Asyl ee-
Ainden, da den Spalatensem nicht zu trauen war. Tmiin kam auch der
König bald, indem er wahrscheinlich den Weg über Modru§ und Bihad
zur kroatischen Küste und von da weiter nach Dalmatien einschlug (6—7).
Es werden seine Getreuen angeführt, dann diejenigen, welchen der König
die Yertheidi^ng wichtiger Puncte, so des Schlosses Yeliki Kalnik und
der porta lapidea am Ausgange der Podravina- Ebene anvertraute; femer
Graf Klet, der bei der Berennun^ des Schlosses Orliava im untem Slavo-
nien durch die Mongolen sein Leoen verlor ; es wird der grauenvollen Ver-
heemngen s^edacht, die das arme Kroatenland, von Slavonien und Ungam
aus im Umkreise von Öasma und Agram traf. Ende Februar 1242 war"
Bela IV. in Spalato angelangt; aber ebenso wenig als die Königen zum
längeren Verweilen daselbst geneigt, übersiedelte er sammt seiner Grattin
nach Trogir (Trau) und da er sich auf dem Festlande nicht sicher föhlte,
bald auf die gegenüberliegende Insel Boja. Hier bestätigte er den Grafen
von Krk (Yelja, Veglia) als Herrn von Modms und Vinodol ihre Besitzun-
fen und Freiheiten. — Kadan war in Sturmeseile bis an die i^driatische
lüste vorgedrangen^ voll Begierde sich des Königs zu bemächtigen. Am
Flusse Srb liefs er alle Gefangeneu niederhauen (B— 10). Futtermangel,
Proviantsorgen und Nachrichten von bewaffneten Zusammenrottungen in
Kroatien verzögerten den Zug aus dem kroatischen Littorale nach Dalmatien.
Zunächst wurde eine Recognoscierang der Ortslage von Spalato vorgenom-
men (A. März 1242), dann rückte Kadan mit dem Hauptheere nach und
bestünute Klis, musste aber nach manchen Verlusten abziehen, gerade da-
mals, als die Nachricht vom Tode des Grofschans Oktal eintraf. Ebenso
erfolglos lagerte er vor Trogir, das der berühmte Stjepko Subi(3 von Bribir
vertheidigte. Der König b^bachtete von der nahen Insel aus, die zum
Andenken an jene Zeit noch heute Kraljevac helfst, die Bewegiingen des
Feindes, der endlich nach erfolglosen Stürmen abzog und auf demselben
Wege den Rückzug antrat, da er in Erfahrang brachte, Bela IV. habe
sich gegen die kroatischen Küstengebirge und gegen die Karstinseln hin
begeben (10—14). Bela IV. steuerte nämlich auf eine Krk naheliegende
Insel zu ~ Vanicek (15) hält sie für Rah (Arbe). Jetzt begann Kadan
den König zu Lande und zur See zu verfolgen, indem er sich einiger Schiffe
bemächtigte und an der kroatischen Küste ein Lager schlug. Es kam für
Bela IV. die gefährlichste Zeit, wo er selbst alle Hoffnung auf Rettung
aufzugeben begann und sein Loos mit dem der israelitischen Kahel verglich.
Hier bricht Vanidek*s Auszug ab und wir sehen dem nächsten Pro-
gramme, das den Schluss bringen soll, mit begreiflicher Spannung entgegen.
Denn gerade für diesen Zeitpunct bieten uns die bisher oekannten Quellen
nur die spärlichsten Andeutungen.
Graz. F. Krones.
III. Abhandlungen aus dem niathematisch^physikalischen
Gebiete.
1. Die BriUen der WeitsicfUigen umi Kurasichügen, von Dr. Georg
Ullrich. Troppau, 1862. Abgedrackt aus dem Pro^mme der Realschule.
Dem Ret. ist es nicht bekannt, dass bisher irgend eine Notiz über
diese gelungene Arbeit in die öffentlichen Blätter ffelangt wäre, und doch
verdient die kleine Schrift, die auf 29 Seiten in georängter, gemein fass«
lieber Darstellung die dioptrischen Wirkungen des freien und brilleu^
Z«IUohrlf» l d. öitcrr. Qjmn. 18G6. XI. Hen. ^
862 Literarische Notizen.
bewaffneten Auges behandelt, nicht nur die Aufmerksamkeit der Schule,
jBondern, was einen besonderen Vorzug derselben bildet, auch die des bril-
lensuchendcn Publicums. Die beigefügte Anleitung zur Wahl taugli-
cher Augengläser sollte in der That von jedermann beherziget werden,
der sich genöthigt sieht, sein Gesichtsorgan durch Augengläser zu unter-
stützen , denn eine genaue Berücksichtigung derselben lehrt ihn, die aus der
Natur seines Sehorgans hervorgehende Anforderung an den Optiker zu
stellen , und sich eine Brille zu verschaffen , die seine Sehkraft unterstützt,
während bei unglücklicher Wahl das Auge unter dem Einflüsse unpassender
Brillen neuen Gefahren ausgesetzt wird.
Nach einer bündigen geschichtlichen Einleitung über die Erfindung
der Augengläser führt uns der Verfasser an einem recht genau und deut-
lich gehaltenen Holzschnitte die optischen Haupttheile des menschlichen
Auges vor. In dem Bilde des Augapfels tritt eine Genauigkeit der Zeich-
nung auf, die wir selbst in unseren für Mittelschulen approbierten Lehr-
büchern nur zu oft vermissen; an der Krystall-Linse sieht man nicht etwa
die sonst üblichen gleich gekrümmten Begrenzungsflächen, sondern es ist
die nach Krause's Messungen schwächer gekrümmte Vorderfiäche der Linse
auch mit einer schwächeren Krümmung verzeichnet. Die lichtempfindliche
Nervenmasse au der hinteren Wand des Augapfels wird als eine aus sieben
Schichten bestehende Nervenhaut bezeichnet, deren äufserste, die Stäb-
chenschichte, als die für die Lichteindrticke empfängliche angesehen
w^den muss. ilält man in einem ganz dunklen Zimmer ein Kerzenlicht
vor das Auge und schaut gegen eine Wand über's Licht hin , so sieht man
bekanntlich seine eigene Netzhaut als ein bräunliches netzartiges Gewebe
f leichsam vor sich ausgebreitet, zum Beweise, dass die lichtempfindliche
chichte hinter der vorderen Netzhaut liegt, da sie das Sehen der beleuch-
teten Netzhaut selbst möglich macht.
Bei der physikalischen Erklärung des Sehens erfahrt der Leser, dass
die Brechung des Lichtes im Auge in Folge der nicht sphärischen und
individuell verschiedenen Krümmungen, der ungleichen Dichte und der
Axenverschiedenheit der Au^enmedien eine derartige ist, dass für keinen
Objectpunct der Gang des gebrochenen Lichtstrahls genau angegeben werden
kann. Nach mehreren vergeblichen Versuchen anderer Forscher wies Li-
sting nach, dass man die verschiedenen Lichtablenkungen im Auge durch
die Brechung an einer einzigen Kugelfläche ersetzt denken kann, welche
auf der einen Seite von Luft, auf der anderen von Glasfeuchtigkeit begrenzt
wird. — Hier findet auch der von Helmholtz 1851 erfundene Augen-
spiegel, mittelst dessen man das verkehrte Bild des Gegenstandes auf der
Netzhaut beobachten kann, eine Erwähnung, und zwar in der Form, die
Coccius demselben gegeben. Listing war es auch, der Zersiareuungskreise
des Bildes bei verschiedenen Entfernungen des leuchtenden Punctes für
sein reduciertes Auge berechnete und mit dem Augenspiegel beobachtete.
Er fand, dass bei einer Näherung des leuchtenden Punctes aus unendlicher
Entfernung bis zu einem Abstände von 65 Meter der Durchmesser des
Zerstreuungskreises von 00009 bis 0-0011™"» wächst, also um eine so ge-
ringe Gröfse, dass dadurch keine Störung der Deutlichkeit des Netzhautbildes
und des Sehens bewirkt wird. Innerhalb von 65 Meter aber wachsen die
Zerstreuungskreise bedeutend. Diese Thatsache ist für die Accomodations-
fähigkeit von gröfstem Einflüsse. Denn soll von verschieden entfernten
Gegenständen auf der Netzhaut ein deutliches Bild entstehen, so kann
dies nur durch Veränderung in den lichtbrechenden Medien des Auges
geschehen.
Für die Erklärung der Accomodationsfähigkeit sind die angeftihrten
Versuche von Gramer und Helmholtz entscheidend gewesen, wenn auch
der Mechanismus, durch den die Formänderungen im Auge hervorgebracht
werden, noch nicht recht ersiolitlich gemacht werden kann. Gramer und
Helmholtz fanden nämlich, dass beim Nahesehen die Krystall-Linse stärkere
Krümmungen annimmt und etwas nach vorne rückt: die Linse wird also
dicker und erscheint der Hornhaut näher gerückt.
Literarische Notizen. 86S
Nach Bolchen treffenden Bemerkungen fuhrt uns der Verfasser zu
der Eigenschaft der Weitsichtigkeit und Kurzsichtigkeit , erörtert die Ur-
sache des Blinzeins kurzsichtiger Augen, schildert die Einflüsse, welche
auf die Accomodationsfahigkeit wirkend selbst ein organisch ganz fehler-
freies Auge mit der Zeit der Fähigkeit gewisser Formveränderungen be-
rauben, und dadurch bald zur Kurz- bald zur Weitsichtigkeit Veranla«-
sung geben.
Zu den Wirkungen der Brillen gelangend führt der Verfasser zu-
nächst die Sammellinsen als Brillen der Weitsichtigen an, stellt dem Leser
das Bild einer biconvcxen Linse vor, wie es dem Weitsichtigen dienlich
erscheint. In gleicher Weise versinnlicht er dem Leser die Wirkung der
BriDe des Kurzsichtigen an der Hand des durch eine biconcave Linse er-
zeugten Bildes.
Bei der Untersuchung über die Brennweite und den Sehbereich der
Brillen schlägt der Verf. einen doppelten Weg ein, indem er zunächst die
Regeln selbst für den Laien leicht verständlich hinstellt, dann aber in
kleinerer Druckschrift auch mathematisch begründet. Dadurch verschafft
er dem Büchelchen einen doj)pelten Werth, indem er es dem Laien zu-
gänglich macht, zugleich aber dem Studierenden, der in der Schule die
(jrleichung für die Bildweite der Linsen ableiten gcleint, die Gelegenheit
zu einem tieferon Verständnis der Brillen bietet. Aber auch der pnüctische
Optiker und der gewöhnliche Brillonverkäufer sollte diese Schrift besitzen;
denn in dieser Hinsicht empfiehlt sie sich nicht nur durch die Aufnahme
der Nummern der Brillen für die beigefügten in Zoll ausgedrückten deut-
lichen Sehweiten der Weitsichtigen und der Kurzsicht^en , sondern auch
durch eine sclir praktisch gehalt<»nc Anleitung zur Wahl der jMissenden
Brillen.
Die Untersuchung der Ursache, warum Wt;itsichtige bei der Betrach-
tung ferner (»egenstjinde die Brille ablegen, führt zu dem Ivesultate, dass
der S eh bc reich des brillenbewaffncten weitsichtigen Auges kleiner ist
als das des unbewaffneten, und dass dies noch abnimmt, wenn die Linse
schärfer und von kleinerer Brennweite ist. Bei richtiger Wahl ist der Seh-
bereich desto kleiner, je weitsichtiger das Auge ist. Hingegen erscheint
der Sehbereicli durcli die Brille des Kurzsichtigen vergrOfisert , aber er
bleibt doch stets kleiner als der des normalen Auges. — Hier wird der
Umstand berücksichtiget, warum sich der Kurzsichtige zum Ablegen der
Brille genöthiget sieht, wenn er kleinere Objecto, z. B. Banknotendruck
deutlich sehen will, und gelangt Verf. zu der Regel: Gegenstände, die
in der deutlichen Sehweite des unbewaffneten Auges liegen,
sollen nie mit der Brille betrachtet werden.
Was die Gröfse und Helligkeit der durch die Brillen betrachteten
Gegenstände anbelangt, so zeigt der Veri'., wie es denn komme, dass die
Brille des Weitsichtigen den Gegenstand vergröfsert zeigt, die des Kurz-
sichtigen aber verkleinert; dass die Sammellinse des Weitsichtigen mehr
Licht in das Auge bringt als ohne Linse geschieht, wird ebenso deutlich
an der Zeichnung ersichtlich gemacht, als dass die Zerstreuungslinse des
Kurzsichtigen einen Theil des sonst in*s Auge kommenden Lichtes zerstreut
und auf die undurchsichtige Schnenhaut des Augapfels wirft. Die Hellig-
keit wird also durch die Brille des Weitsichtigen gesteigert, durch die des
Kurzsichtigen aber vermindert. Der Kurzsichtige kann jedoch sowol gegen
die Verkleinerung als auch gegen die Verminderung der Helligkeit eine
kleine Abhilfe schaffen, indem er die Brille ganznaheandasAuge setzt.
In der Partie über die Wahl der Brillen wird der Leser aufmerk-
sam gemacht, dass die Augengläser, die nur als Stütze des Acco-
modationsvermögens wirken können , nicht auf sämmtliche Gesichts-
störungen anwendbar sind , und dass durch den Grebrauch des Augenglases
manche Störungsursachen sogar in der Entwickeluug unterstützt werden;
daher gibt der Verf. den Rath, bei eintretender Störung des Seh-
vermögens nicht beim Brillenhändler, sondern bei einem tüch-
tigen Augenarzte Rath und Hilfe zu suchen. Besonders wenn die
58»
864 Literarische Notizen.
GegeuHtande trübe, wie in Nebel gehüllt uud in keinem Abstände vom
Auge vollkommen deutlich erscheinen, oder die Augen die Helligkeit des
Tageslichtes ertragen können, wird von Brillen wenig zu erwarten sein. —
Vor der Wahl der Brille muss die deutliche Sehweite für jedes
einzelne Auge besonders ermittelt und sofern die Augen ungleiche
Sehweiten haben, für jedes eine besondere Nummer eewählt werden. —
Aber es kommt nicht nur auf die Wahl der richtigen Nummer an, sondern
auch auf ein passendes Brillengestell; dieses darf weder zu breit noch
zu schmal sein, sondern die Mittelpuncte der Linsenöffnun^n müssen mit
der Augenaxe möglichst in einer geraden Linie liegen, und die Brillen das
Auge ganz bedecken, so dass ein Hinwegsehen über den Rand derselben
anmögüch wird.
Dieses sind die Grundzüge der genau durchdachten Abhandlung,
die Darstellung ist durchwegs eine gemeinfassliche , und es ist dem Verf.
gelungen das Wissenschaftliche in populärer Form wiederzugeben, wodurch
sich S&8 Büchelchen besonders empfiehlt.
Graz. Dr. S. Subic.
2. Die Transversalen des ebenen Dreieckes. Abhandlung von Josef
Bayerl, im Programm des k. k. Staatsgymnasiums zu Linz für das
Schuljahr 1864/65.
In dieser Abhandlung werden verschiedene Sätze über Transversalen
des Dreieckes mit Hilfe der analytischen Geometrie entwickelt. Diese
Behandlung ist nicht neu; es werden, wie der Herr Verfiasser selbst an-
gibt, die Eigenschaften der merkwürdigen Puncte eines Dreieckes alsUebungs
aufgaben ftü: die Gleichung der Geraden in verschiedenen Lehrbüchern
der analytischen Geometrie entwickelt. In dieser Abhandlung werden zu-
nächst die Gleichungen der Seiten eines Dreieckes aufgestellt, aus diesen
verschiedene Ausdrücke über die Höhen, Segmente der Basis durch die
Höhe, Flächeninhalt u. s. w. meist auf trigonometrischem Wege abgeleitet.
.Von den merkwürdigen Puncten werden der Höhenpunct, der Mittelpunct
des um- und eingeschriebenen Kreises und der Schwerpunct behandelt.
Der übrige Theil der Abhandlung enthält, einige unwesentliche Sätze ab-
gerechnet, die Theoreme von Ceva und Menelaus.
Die Arbeit ist mit grofsem Fleifse und vieler Sorgfalt durchgeführt,
enthält auch manches, was als Uebungsstoff für die analytische Geometrie
verwendbar ist; aber im Allgemeinen möchten wir eine derartige Behand-
lung der merkwürdigen Puncte eines Dreieckes nicht billigen. Die einzig
zweckmäfsige Behandlung der Theorie der Transversalen ist die auf syn-
thetischem Wege. Durch die svnthetische Methode erhält man die hieher
gehörigen Sätze mit einer Einfechheit und Natürlichkeit, wie auf analy-
tischem Wege nie möglich ist Die Methode der analytischen Geometrie
wird immer schwerfällig sein, zu langen Rechnungen nihren, namentlich
wo es auf Segmente und Verhältnisse von Segmenten ankommt. Will
man dem Anfänger den Nutzen der analytischen Geometrie zeigen, und
diesen Zweck sollte nach des Verfassers Ansicht vorliegende Abhandlung
erreichen, so versuche man es auf anderen Gebieten als durch die Lehre der
Transversalen, auf Gebieten wo die Behandlung auf synthetischem Wege
weitläufig, hingegen auf analytischem leicht und kurz ist. Im entgegen-
gesetzten Falle wird man seinen Zweck ganz verfehlen.
8. Auflösufigen der ZMen^eichumen des dritten, vierten und
fünften Grades mit einer unbekannten. IL Reciproke (mit Einschluss der
binomischen) utid ihnen ährUidie Gieichu/ngen bis zum achten Grade incl.
III. Bemerkung zur Cartesischen Äuflösungsfarmel Uquadratischer Gleich-
wngen. Schlussbemerkunff. Die reeDe Wurzel der Gleichung a;*— 2a: — 5 = 0
in 60 Decimalstellen. Abhandlung von Josef Dvorak im Programm des
k. k. Staatsgymnasiums zu Innsbruck, 1865.
Der Hr. Verf. bemerkt am Beginne seiner Abhandlung > dass es un-
passend sei; die Cardanische Formel in elementare Lehrbücher aufzunehmen,
Literarische Notisen. 805
weil manche andere (indirecte) Auflösungsmethode schneller zum Ziele
führe, und dass es zweckmäfsiger sei, „eine Methode in die Lehrhücher
der Elementarmathematik aufzunehmen, welche sowol die reellen als auch
die imaginären Wurzeln auf eine und dieselbe Art berechnen lehrt**. Was
die unschuldige Formel des Cardanus verübt hat, dass der Hr. Verf. so
übel auf dieselbe zu sprechen ist, ist uns unbekannt. Die Gardanische Formel
ist eine geschlossene Formel und hat daher als solche theoretisches Interesse;
ihre Ableitung ist so einfach und kurz, dass sie es vor allen verdient in
Jahrbücher der Elementarmathematik aufgenommen zu werden. Nach einer
Aufzahlung der Sätze, welche nach des Hrn. Verfs. Meinung den Inhalt
einer elementaren Behandlung der Lehre der höheren Gleichungen bilden
würden, be|^nt derselbe mit den kubischen Gleichungen. Hier rechnet der
Hr. Verf. eine (reelle) Wurzel nach Homer's Methode, sondert diese dann
aus der Gleichung ab, und bestimmt nun aus der quadratischen Gleichung
die beiden übrigen Wurzeln. Das Verfahren ist ganz ähnlich wie das von
Kutherford, dessen Abhandlung über die Auflösung der numerischen Glei-
chung den Hm. Verf. zu seiner Abhandlung veranlasst zu haben scheint.
Die Gleichungen des vierten Grades behandelt der Hr. Verf. ganz nach
Butherford. Er leitet die rcducierte Gleichung ab , aus dieser die kubische
Hilfsgleichung, aus letzterer wird nach Homer's Methode die reelle Wunel
bestimmt und aus dieser dann die vier Wurzeln der biqnadratischen Gleichung
bestimmt. — Was der Hr. Vf. mit seinem Programme eigentlich bezweckt,
ist uns ganz unklar. Die Homerische Methode darzustellen, was man aus
einigen Stellen vermuthen könnte, kann nicht der Fall sein, denn kein
Schüler wird aus den numerischen Beispielen, welche der Hr. Verf. durch-
gerechnet hat, diese Methode verstehen. Ebenso unwahrscheinlich scheint es,
dass der Hr. Verf. die Methode Rutherford's erläutern wollte. Ueberhaupt ist
die numcerische Berechnung der Wurzeln einer Gleichung das allerunwe-
sentlichste Element, denn nur die Lehrsätze werden in der Kegel benöthiget.
Die theoretischen Sätze kommen in vielen analytischen Untersuchungen vor,
während die numßrische Berechnung der Wurzelwerthe einer Gleichung so
viel wie gar nicht benöthiget wird, wie Ref. aus seiner eigenen Praxis be-
zeugen kann. Die Bestimmung einer Wurzel einer Gleichung auf 60 Ded-
malstellen durch Schüler müssen wir für die nutzloseste Arbeit erklären,
welche man überhaupt einem Schüler übergeben kann.
4. Elementare AUeiiung der Budan ^ Homer' sch^ Auflöswngsme-
thode höherer Zahlenglei4:hunge7i. Von Dr. J. J. Nejedli, im Programm
des k. k. Obergymnasiums zu Laibach, 1865.
Der Zweck dieser Abhandlung ist, wie der Hr. Verf. am Beginne
seiner Arbeit ausdrückt, eine elementare Entwickelung der Methoden Budan*s
und Horaer*s zur Berechnung der reellen Wurzeln höherer Zahlengleichungen,
selbst ohne Voraussetzung der Binomialformel und der Reihen. Zunächst
wird die Definition der Wurzel einer Gleichung gegeben, unter welcher
anfangs eine rationale Zahl gemeint ist. Im § 3 wird dann die Zerlegung
des Gleichungspolvnom in seine Wurzelfactoren behandelt, wir vermissen
hier die Entwickelung der interessanten Eigenschaften der Coefficienten
einer Gleichung. Nach Aufstellung der Begriffe von Zeichenwechsel und
Zeichenfolge wird in § ö der Harriot-Descartes'sche Satz durch den Schluss
von n auf n + 1 bewiesen. Warum der Hr. Verf. nicht den viel ein-
fachem und eleganten Beweis von Ghnts mittheilte, ist uns unbegreiflich.
Die Beweise durch Induction, wenn auch vollständige, sollen, wo sie nicht die
nothwendigen oder erheblich einfacheren sind, doch nicht mit Gewalt her-
beigezogen werden. In § 6. Budan's Methode, die sämmtlichen Wurzeln einer
Gleichung um eine Zahl a zu erniedrigen, zeigt sich zunächst der Nach-
theil der Nichtanwendung der Binomialformel in der Theorie der höheren
Gleichungen. Mit dieser Formel, deren Beweis für ganze und positive Expo-
nenten doch der Theorie der höheren Gleichungen vorausgehen dürfte, lassen
sich alle Sätze über Verminderung der Wurzeln, Stetigkeit des Gleichungs-
866 Literarische Notizen.
polynoms, Wegschaffdng eines Wnrselfactors u. s. w. mit aofserordentliclier
Einfachheit beweisen. Der Hr. Vf. bedient sich zur Rechtferti^ng des Bn-
dan'schen Verfalurens des Schlosses Ton n aofn+l. Er beweiset die Rich-
tigkeit desselben far n — 1 , und rechtfertigt dann dasselbe dnrch die hö-
here Induction för jedes n. Für den Anfänger entbehrt dieses Verfahren
jeder Natürlichkeit, bei n <- 1 dürfte derselbe kaum das Gesetz bereits
wahrnehmen, dazu ist die Durchfuhrung der Rechnung für die weiteren
Fälle n » 2, n — 8 mindestens erforderlich. § 7 mehr als eine halbe Seite
lässt sich auf folgende Art in aller Strenge erledigen: Ista positiv, so sind
die Wurzeln der Gleichung F (a+t/) «• 0 um a Ueiner als die Wurzeln
der Gleichung F {x) » 0, also in ersterer Gleichung jeden&lls nicht mehr
positive Wurzeln, als in letzterer Gleichung enthalten. § 8, mehr als zwei
Seiten über die Stetigkeit des Gleichungspoljnoms, liefse sich mittelst der
Binomisdformeln in wenigen Zeilen geben. § 10 ist in § 5 bereits ent-
halten. Nach einigen Transformationsregeln der Gleichungen folgt eine
Auseinandersetzung der Homerischen Metnode, die Verwandlung einer Glei-
chung in eine solcne, deren Wurzeln die recinroken Werthe aer ersteren
sind, Budan's und Cartesius Kriterium über Wurzeln in zweifelhaften In-
tervallen, sowie mehrere vollständig gerechnete Beispiele. Auch dieser Ab-
schnitt ist sehr breit gehalten und voll von Wiederholungen , ohne deshalb
auf Klarheit der DarsteUnug Anspruch machen zu können.
5. Veher Theübruchreihen. Abhandlung von August Decker im
Programme des k. k. Obergymnasiums zu Troppau für 1865.
Diese Abhandlung enthalt eine allgemeine Darstellung der Theorie
der Theübruchreihen, femer in aller Kürze die Entwickelung eines Bmches
in einer Kettenreihe, Zerlegung eines Bmches sowie einer gebrodienen
Function in Partialbrüche (dieses letztere hätte besser wegblei^n können),
sowie eine bekannte Art Reihenentwickelung eines Bmches mit Hufe der
Kettenbruche. Der Hauptgegenstand der Abhandlung sind die Theilbmch-
reihen. Es wird zunäcnst die Verwandlung eines gemeinen Bmches in
eine Theilbmchreihe sowol allgemein durchgeführt, als auch durch speci-
eile Beispiele erläutert. Hierauf folgt die Summiemng einer Theilbmchreihe,
die Definition der Näherungs werthe einer Theilbmcnreihe , sowie die An-
wendung derselben zur Berechnung der Quadrat- und Kubikwurzeln. — Der
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist für ein SchulproCTamm recht pas-
send gewählt, namentlich für Schüler dürften die Theübruchreihen eine
sehr zweckmäfsige Uebung sein. Die Darstellung, gröfstentheils den Gang
der ausgezeichneten BeispielBammlung von Heis liifolgend, ist eine ganz
klare und natürliche.
Wien. J. Frischauf.
Vierte A b t h e i 1 u ii g.
Miscellen*
1. üeber den Ursprung und die Bedeutung der Zahl-
wörter.
Da« ernte Hilfsmittel, dessen sich der Mensch der Urzeit hediente,
iiH) die Hegriffe der Zahlen zur Anschauung zu bringen, war die Hand. Lto
lateinische Wort mantis stammt von der semitischen Wurzel manah zählen.
l)ie Finger in ihrer Zehnzahl dienten zur symbolischen Darstellung der ersten
Zahlbegriffe. Aber noch gab es keine Zahlwörter, um die Zahlen zu nennen.
Die Zahlwörter, welche in der griechischen, lateinischen und deut-
schen önrache wie auch im Sanskrit sich als völlig abstracte Begriffe dar-
steUen, nahen dennoch die sinnliche Anschauung zur Voraussetzung, üeber
die Grundbedeutung der Zahlwörter gibt allein das Semitische vollen Auf-
schluss, und selbst das Sanskrit beruht nicht weniger als das Griechische.
Lateinische und Deutsche in diesem Puncte wie in vielem anderen auf
semitischer Basis. Für die Zahlwörter von Eins bis Zehn ergibt sich fol-
gende Erklärung:
1. Etg bedeutet das Feste im Sinne des Ungetheilten. Die semitische
Wurzel OS — fest — erscheint einerseits in dem fiit. as mit der Bedeutung
das Ganze, das Ungethoilte (haeres ex asse)^ anderseits mit der Bedeutung
des Festen in os — Sanskrit asthi — (der Knochen) Eis, Eisen aes. So er-
klärt sich dann flg unus Eins als das Feste, Ganze, Ungetheilte.
2. z/to bedeutet das Verbundene, das Paar. Aus dem semitischen
akad — binden — leitet sich uxor die Verbundene, conjuges die Verbun-
denen, junao verbinden, Achsel axis die Verbindung, jugum Joch C^ov
das Verbindende, Ehe die Verbindung. Die Stammsilbe jug joch gieng all-
mählich in die Aussprache von ^vo duo Sanskrit dtia, zwo zwei über (wie
jugum in Cv'yov)^ so dass diese Formen ebenso identisch sind, wie Diovis
Jovis Bis Zeus. Der Stamm ctkad hat sich in dxoai — Zwanzig — und in
viginti stärker ausgeprägt erhalten, als in ^vo. — Das Semitische dagegen
benützte den Stamm akad in der Form ecfMd, um damit die Zahl Eins zu
bezeichnen; echad bedeutet das Verbundene, Einheitliche, als Zahl Eins.
Somit geht das eka — Eins — des Sanskrit auf semitischen Ursprang zurück.
3. Tgtig tres drei bedeutet die Beihe. Der semitische Stamm tur
— die Reihe — findet sich in series ardo wie auch in dem französischen
toufj — ä mon tour. Die Dreiheit ist die kleinste Zahl der Elemente,
welche eine Beihe bilden. Das Sanskritwort tri — Drei — gehört dem-
selben semitischen Stamme zu.
4. TiTjitQfg^ bedeutet die Gliedmafsen. Die Vocabeln HtraQig ptatuor
Vier gehen sämmtlich auf das ältere nCavQfg zurück, welchem die semi-
tische Wurzel had — das Glied — zu Grunde liegt. Der Plural hadim
— die Gliedmafsen — nahm als Zahlwort die Bedeutung Vier an. — Das
Zahlwort des Sanskrits tschatuar — Vier — steht in gleicher Linie mit
TirtftQfg und findet mit diesem seine Erklärung in der semitischen Wuripl
had, die sich in nCavQfg und quatuor entschiedener ausprägt, als in
tschatuar und Vier.
868 Miseellen.
ö. nivxi cpUnque Fünf bedeutet die Fläche oder die flache Hand.
Das semitische Stammwort pcmimj welches Flache bedeutet, erscheint in
novTog die Meeresfläche aequor. Die flache Hand mit ihren fönf Fingern
diente in der Sprache zur hierogljphischen Bezeichnune der Ftinfzahl. wie
denn auch das römische Zahlzeichen f&r Fünf die Andentung einer Hand
ist» die in dem Zeichen fcLr Zehn gedoppelt erscheint. Da nun nivrs alle
.Füiger der Hand begrifflich zosammenfasst , so ergab sich daraus für
navTig cUe Bedeutung Alle. Die Sanskritform panüidhan — Fünf — theilt
mU nivT€ und guinque den semitischen Ursprung.
6. "E^ sex Sechs bedeutet die Lilie. Die Sechszahl findet sich in den
6 Blättern und den 6 Staubpefafsen der Lilie — schoschan — stereotyp
ausgedrückt. Das Sanskrit weist schasch auf.
7. *E7trd Septem Sieben bedeutet die Wendung, die Mondohase. Die
semitische Wurzel ist schuib — zurückkehren, sich wenden. Da oie Phasen
des Mondesje 7 Tage befassen, so konnte der Bejpriff der Siebenzahl durch
das Wort Wendung bezeichnet werden. Kaum hefse sich in der ganzen
Natur ein beauemeres Mittel zur Bezeichnung der Siebenzahl finden. —
Die Zahl 7 erhielt aber eine besondere Bedeutung, als man die Sieben-
zahl der Planeten festgestellt hatte. Babylon yerdurte in den 7 Planeten
7 Gottheiten und Sieben erhielt dadurch den Werth und die Bedeutung
einer geheiligten Zahl. So blieb auch für die Hebräer, die ihren Ursprung
aus Cnaldäa herleiteten, Sieben die heilige Zahl, alB längst die Beziehung
auf den Cultus der Gestirne aufgehört hatte. Der Sabbath , der Siebente,
wurde zum heiligen Tage bestimmt. Schaba, schwören, bedeutet die An-
rufang der heiligen Siebenzahl, eine Wurzel, die auch in dem griechischen
aißofAM und aißag sowie in schwören auftritt — Es sei noch bemerkt,
dajBs Schub in der Bedeutung Wiederholentlich identisch ist mit dem latei-
nischen saepe — zu wiedernolten Malen. — Das Sanskrit bietet die Form
aopfan, welche ebenso wie ima Septem Sieben gegenüber dem Semitischen
secundär ist.
8. *Oxrcü octo Acht bedeutet ein Gespann. Derselbe Stamm akad,
aus welchem cku> hervorgieng, bildete dxrw. Aus akad — binden — ent-
stand axis «low Axe, aus axis aber Wagen ufia^a veho fahren, und so
bedeutet oxrto das Wagengespann. Die Achtzahl der Füfse eines Gespannes
wurde das Symbol der Achtzahl überhaupt. Die Form aschtan des Sanskrit
hat sich Ton dem semitischen Stamme weiter entfernt aJs oxrto octo Acht.
9. *Eyv4a novem Neun bedeutet eine Dauer oder eine Woche. Der
semitische Stamm nun — dauern — existiert noch in vvv nun nu/nc —
dauernd, während, und in novus v^og neu — - dauernd, während. Der Be-
triff der Neunzahl erhielt seinen sprachlichen Ausdruck in dem Namen
der „Dauer", d. h. derjenigen Woche, welche immer den neunten Ta^ als
Buhetag aussonderte. Die Kömer zählten von den Idus — dem Vollmonde —
nur bis zu den Nonae, aber nicht weiter zurück. Dies war die Woche,
welche das semitische Alterthum schon fixiert haben musste, als es die
Zahlen iwia novem Neun bildete, die darauf fufsen. Die Form des Sanskrit
lautet navan.
10. Mxa decem Zehn bedeutet die Finger. Das Stammwort dek
bedeutet zunächst Dieser und ist hinweisend, gieng aber in die Bedeutung
Finger als des Hinweisenden über, so in diaitus ^dxtvlog Jiixvvfii Sixofitu
Zehen zeigen Zeuae. Die Zehnzahl der Finger diente zur Bezeichnung der
abstracten Zehnzahl überhaupt. — Das Sanskrit bietet die Form Sisan.
So ergibt sich aus der Biologie der Zahlen ias Resultat, dass
die griechische, lateinische und deutsche Sprache ebenso wie das Sanskrit
in der Bezeichnung der Zahlen völlig von dem semitischen Sjprachstamme
abhängig sind. Das gesammte Sprachstudium muss nothwendig eine voll-
ständige Umwälzung erfahren, wenn man anfangen wird, die reichen Schätze
zu heben und zu verwerthen, welche die semitischen Sprachen in sich
beij^en. Der Ausgangspunct der Sprachen ist, wie dies die mosaische üeber^
beferung bezeugt, das Land Babylon,
Miscellen. 860
2. Ueber die Bedeutung von Penates und Pontifices.
Der Name der Penaten ist, wie nach der römischen Ueberlieferung
die römischen Penaten selbst, ans dem Orient gekommen. Die Erklärung
Cicero's (nat. deor. II. 27, 67), welcher den Namen von penus penüus her-
leitet, mnss als verfehlt bezeichnet werden, insofeme diese Wörter dieselbe
Wurzel zur Voraussetzung haben, wie Penates. Es gilt vielmehr, diese
gemeinschaftliche Wurzel nachzuweisen, wenn wir zu einem begrifflichen
Verstandnisse dieser Wörter gelangen wollen.
Der Name Pe»ia/es ist semitisch und hciTst die Segenverleihen-
den. Das Stammwort ba^iah bedeutet zunächst allerdings nur bauen, wie
wir es in Biene Bansem Wohnung pom hau Gebäude wiederfinden ; indes
hat bauen für den Orientalen neben dem ursprünglichen Sinne auch eine
figürliche Bedeutung. Wenn es von Jehovah hcifSt, di^a er das Haus Jemandes
baue oder Jemanden auf erbaue, so ist damit der Segen bezeichnet, der
sich in dem allmählichen Wachsthum und glücklichen Gedeihen der Familie
kund gibt (Psalm 127). Das Passivum ibbaneh — aufgebaut werden — hat
geradezu die Bedeutung: Kinder erzielen (I Mos. 16, 2), Selbst ben der
Sohn und bat plural. banot die Tochter — der erzielte Kinderspross , der
Erbau — weist auf die Wurzel banali zurück; ebenso gehören bonus, Venus,
Faunua und Pan — Gedeihen gebend — dem Stamme banah zu, welchem
sich auch vüis, vinum Wein olvog — das Angebaute, Erbaute und penus
— das Erbaute, der Vorrath — anschliefsen. Penates bedeutet demnach
die Auferbauenden, Segenspendenden, sie sind die Götter, welche häus-
lichen Segen und FruchtbarKeit verleihen. Weil nun die Penaten die Götter
der Frucntbarkeit sind, so erklärt es sich, dass zu Rom in dem Tempel
der Vesta. welcher die Penates pMicos poptdi Bomani enthielt, auch aas
Symbol aer Zeugung göttlich verehrt wurde (PUn. bist, nat XXVIIL
4, 7), und dass die Pelasger (Herod. 11. 51) dieselbe Symbolik bei ihren
Götterstatuen zur Anwendung brachten.
Die Verehi;jing der Penaten war eng mit dem Culte der Vesta ver-
bunden, d. i. des auf dem Herde lodernden Feuers. Dass auch dieser uralte
Cultus aus dem Orient stammt, beweist der Name 'Earia Vesta, dessen
semitische Wurzel — esch — das Feuer bedeutet, eine Wurzel, die sich auch
in aestus aestas hei/^ fayaQa Äsche Vesuvius Aetna at&rJQ al^ta darsteUt.
Von Penates ist oer Name der Pontifices abgeleitet Dieses räthsel-
hafte Wort greift über Numa hinaus in diejenige Zeit zurück, wo Pena/tes
nicht eine Classe niederer Götter, sondern die Götter überhaupt bezeichnete,
noch jenseits aller Individualisierung. Der Begriff der Penaten war sowenig
als jener der Eabiren oder der jüdischen Teraphim dazu angethan, streng
analysiert zu werden, und die Versuche der Kömer, die Namen und Zahl
der Penaten festzustellen, waren im Princip verfehlt. Die Götter, ursprüng-
lich namenlos (Herod. IL 52), wurden als die Segenspendenden, PenaJtes,
angerufen, und Pontifices nennt man die Priester der Penaten, d. h. des
Göttercultus überhaupt. Weit entfernt, dass Pontifices von pons und facere
abgeleitet werden könnte, ist vielmehr der erste Bestandtheil Penates, der
zweite ist das Verbum «o^a, welches bedeutet: freundlich entgegenkommen,
bittend angehen, andehen, vermitteln, — eine Wurzel, die m piaculwin
w^etas pacare nax p(wiscor erscheint. Derjenige, welcher die Penaten d. h.
die Grötter anneht, die Götter mit Bitten angeht — dies ist der PonHfex
nach der Grundbedeutung seines Namens.
Neisse. Dr. Krause.
Vebungsbuch zum Uehersetzen aus dem Deutschen in's Lateinische.
1. Theil (Casuslehre;. 11. Theil (Tempus- und Moduslehre). Wien, Carl
Gerold's Sohn, 1863 u. 1865 ').
•) Es liegt keineswegs in der Absicht des Verfassers, durch die nach«
folgenden ^Seilen, in denen er mehr die Gründe, die ihn zu Abfi»»
snng des Buches bestimmten, darzulej^n sucht, die Beurtheüung
desselben durch Fachgenossen irgendwie zu präjudicieren. D. Eins.
870 Miscellen.
In der Instruction für den grammatischen Unterricht in der lateim-
sehen Sprache heifst es bezüglich der dritten und vierten Classe des
Untergymnasinms S. 109 des Organisations-Entwurfes unter anderem also:
„In den Händen der Schüler und des Lehrers befindet sich eine
das Hauptsächliche in bündiger Kürze umfassende Schulgrammatik; der
Lehrer liest aus derselben eine Begel und erläutert ihre Bedeutung an
den zu diesem Zwecke in der Grammatik hinzugefügten Beispielen, welche
er von den Schülern übersetzen lässt, und zu welchen er desnalb eine vor-
gängige Präparation der Schüler zu fordern hat Hierauf lässt er die
Schüler selbst ähnliche Sätze, in welchen dieselbe Begel
sich zeigt, mündlich bilden, und erst nachdem durch diese üebung
der Umfang, in welchem die Begel zur Anwendung kommt, z. B. die
wichtigsten Verba einer bestimmten Casusconstruction , gehörig durchge-
arbeitet sind, geht er zu einer folgenden Begel über."
Unterzieht man nun dasjenige, was in der angezogenen Stelle der
Instruction in Betreff der Bildung der Sätze durch die Schüler gesagt
wird, einer aufmerksamen Prüfung, so findet man, dass die Worte „lässt
die Schüler selbst ähnliche Sätze mündlich bilden** kaum anders zu deuten
sein dürften, als dass darunter das Uebersetzen solcher Beispiele zu ver-
stehen sei, welche der Lehrer nach erfolgter Erklärung der Begel dem
Schüler vorsagt, von ihm wiederholen und sodann in 's Latein übertragen
lässt. Es kann daher nicht damit gemeint sein, dass der Schüler selnst
solche Sätze in der Unterrichtssprache zu entwerfen und dann in's Latein
zu übersetzen habe; denn der wie vielte wäre dies im Stande, und was
für Sätze würden da wol zum Vorscheine kommen? Nun kann aber dadurch,
dass der Lehrer selbst die Sätze entwirft und dem aufgerufenen Schüler
jedesmal vorsagt, oder aus einem nur in seinen Händen befindlichen Buche
nerausliest und von ihm bilden, d. i. lateinisch coniponieren lässt, die
Aufinerksamkeit und Thätigkeit sämmtlicher Schüler nicht leicht in einer
gleichmäfsigen und erspriefslichen Weise in Anspruch genommen werden,
weil der Satz, wofern er nicht recht kurz ist, von dem schwächeren oder
hanfig zerstreuten Schüler leicht vergessen wird, durch das Aufnotieren
der Beispiele dagegen, wozu man allenfalls die Schüler verhalten könnte,
nicht wenig Zeit verloren geht. Es erscheint somit ganz erklärlich, wenn
die Lehrer des Lateins es nicht blofs für zweckdienlich, sondern in mancher
Beziehung sogar für nothwendig erachten, dem Unterrichte in der latei-
nischen Syntax ein Uebungsbucn zum Grunde zu legen und zu Erzielung
einer gleichmäfsigen Beschäftigung sämmtlicher Schüler einer Classe, so-
wie zur Anregung und Förderung der Selbstthätigkeit denselben in die
Hände zu geben.
Eine andere Frage ist es allerdings, wie ein solches Uebungsbuch
einzurichten sei, damit es dem Zwecke, wie ihn zunächst unsere Tertia
und Quarta anzustreben hat, gehörig entspreche, d. i. damit dasselbe nicht
blofs zu schriftlichen Arbeiten, sondern ganz besonders auch zum münd-
lichen Componieren zweckmäfaig geordneten Stoff biete und hiedurch zu
fester Einübung der Syntax und Erwerbung einer gewissen Fertigkeit im
Uebersetzen geeignet sei.
Geht man die zahlreichen seit Krebs erschienenen, für die Mittel-
classen der Gymnasien abgefassten Uebungsbncher durch, so findet man,
dass sich in Betreff ihrer Einrichtung, der Wahl und Beschaffenheit des
Uebungsstoffes zwei verschiedene Ansichten unter den Verfassern geltend
gemacht haben. Die einen nämlich, wie Süpfle, Gruber, Schultz, Dringen
nur zusammenhängende Aufgaben und wollen auch nur diesen das Wort
geredet wissen, während andere, wie Krebs, Dronke, Kühner u. a., zu
einem Ganzen verbundene Aufgaben ausschliefsen und im geraden Gc^gen-
satze zu den obgenannten Verfassern einen blofs in einzemen Beispielen
bestehenden Uebungsstoff bieten. Aus dieser Verschiedenheit oder richtiger
ungleichen Beschaffenheit des dargebotenen Stoffes lässt sich leicht ent-
nehmen, dass die ersteren neben der grammatischen auch die stilistische
Seite berücksichtigen wollen, die letzteren dagegen schlechterdings nur
MisceUen. 871
die Einübung der Öyntai im Auge haben. Nun fragt es sich aber, welche
von den angeführten Arten von Uebungsbüchem, als die für unsere Zwecko
geeignetere, den Vorzug verdient? — Biese Frace wird sich am richtig»teii
dann erst beantworten lassen, wenn man über die Hauptaufgabe des gram-
matischen Unterrichtes in unserer 3. und 4. Gymnasialclasse zuvor den
Organisations-Entwurf, dessen Normen allein hierin mafsgebend sein können,
zu Käthe gezogen hat. Nach diesem ist nun in den besagten Classen des
Untergymnasiums die Einübung der syntaktischen Kegeln (Casus-,
Tempus- und Moduslehre) als Ziel des grammatischen Unterrichtes
hingestellt, Erwerbung des Sinnes für stilistische Form da-
gegen als Aufgabe des Übergymnasiums bezeichnet. Es ist so-
mit klar, dass diu stilistische Moment im Untergymnasium noch als un-
tergeordnet zu betrachten sei und hauptsächlich nur bei schriftlichen Com-
lK)sitionen, wie der Studienplan selbst anzudeuten scheint, einige Berück-
sichtigung finden könne. Da sich nun zu schnellerer Einübung acr Regeln,
wie die Erfahrung lehrt, kurze Sätze am besten eignen, die Einföhrung
zweier verschiedener Uebungsbücher dagegen in didaktischer Beziehung
kaum als zulässig erscheint: so ergibt sicn von selbst, dass, sofern die
Noth wendigkeit eines solchen Buches zum mündlichen CJomponieren über-
haupt eingeräumt wird, zwar jede der angeführten Arten von Uebungs-
bücnem in der ihr eigenen Richtung vielfachen Nutzen schaffen und den
Zweck fördern könne, das« jedoch keine derselben allein dem Bedürfhisse,
wie es sich in den Mittelclassen unserer Gymnasien zeigt, vollständig
genüge %
In Anbetracht dessen hat der Unterzeichnete, geleitet von der Ueber-
zeugung, dass das richtige und nutzbringende eines Uebungsbuches für
die erwähnte Stufe wol in der Vereinigung der beiden Arten, wie sie
die genannten Verfasser einander gegenüber vertreten, bestehen dürfte,
den versuch gewagt, ein solches Buch zusammenzustellen, welches theils
zum schriftliciicn , theils und zwar ganz besonders zum mündlichen Com-
ponieren Stoff bieten und somit in doj>pelter Hinsicht entsprechen sollte.
Zu diesem Behufe hat er, der gewöhnlichen Eintheilung der lateinischen
Syntax folgend, für jede Regel einzelne, meist kurze Sätze aufgenommen,
und erst nach Bewältigung mehrerer Regeln oder eines ganzen Capitels
neben vermischten, zu Wiederholung bestimmten Beispielen auch zusam-
menhängende Aufgaben folgen lassen. Diese Anordnung des Uebungsstofies
traf er aber aus dem Grunde, weil er der Ansicht und Ueoerzeugung ist, dass
der Schüler jede Regel zuerst einzeln kennen lenien, sie an emcr Reihe la-
teinisch-deutscher und deutsch-lateinischer Beispiele einüben, an Sätzen aber,
in denen sich mehrere Regeln zusammenge£Eisst finden, sowie endlich an zu-
sammenhangenden, zuweilen zu schriftlichen Bearbeitungen zu verwenden-
den Aufgaben befestigen solle. Diese Methode düifte denn auch den An-
forderungen des Organisations-Entwurfes im Ganzen entsprechen ; nur ist
der Unterzeichnete der Ansicht, dass beim mündlichen Einüben der Regeln
dem Schüler die Beispiele nicht so sehr vorzusagen, als vielmehr, um ihn
zur Selbstthätigkeit anzuregen und eine gewisse Gewandtheit im Ueber-
tragen bei ihm zu erzielen, aus dem Buche zur häuslichen Präparation auf-
zugeben seien. Dem Lehrer bliebe es selbstverständlich noch immer un-
benommen, die Sätze während des Unterrichtes zu verändern und mannig-
fach umzubUden. Wollte jedoch jemand den zusammenhängenden Aufgaben
durchaus den Vorzug auch auf dieser Stufe geben und sie bei mündlicher
Einübung der Regeln auch ausschliefslicli verwenden, so könnte man dem-
selben zu bedenken geben, dass eine schnellere Förderung des Zweckes auf
') Bei einer, auch an Oesterreichs Gymnasien stark verbreiteten Auf-
gabensammlung muss nebenbei auch der Uebelstand hervorgehoben
werden, dass sie zunächst für die Bedürfnisse aufserösterreichischer
Anstalten angelegt, für die Moduslehre, deren Einübung Aufgabe
unserer Quarta ist, gar keinen Stoff enthält, was der Brauchbarkeit
des sonst treftlichen Buches keinen geringen Abbruch thut
87t Miscellen.
diese Weise schon deshalb in Zweifel zu ziehen sei, weil sich in derartige
Aufgaben nicht eben viele Regeln zusammenzwängen, somit auch nicht
viele Fälle <lurchüben lassen, der Lehrer somit die auf den grammatischen
Unterricht zu verwendende Zeit unwillkürlich mehr der freien Uebersetzung,
also der Nebenaufgabe statt der Hauptaufgabe widmen würde "). Dagegen
ist nicht zu läugnen, dass durch Uebertragung von kürzeren und nach und
nach längeren, sowie von solchen üebungsbeispielen , welche in der Con-
structionsweise immer mehr abweichendes vom Deutschen enthalten, das
Stilistische allmähliche Anbahnung und an schrifblichen üebungen hin-
reichende Förderung findet. Auf die etwaige Einwendung, dass Sätze mehr
dem Elementarunterrichte angehören, kann erwiedert werden, dass es zwischen
Sätzen der ersten und zwischen jenen der zweiten Stufe denn doch einigen
Unterschied gebe, indem die Sätze dort in der Construction mit dem Deutschen
meist übereinstimmen und oft nur eine wörtliche Uebersetzung erheischen,
während sie hier, wo ein wesentlicher Theil der Uebung gerade in der
Auffassung der Verschiedenheit beider Sprachen besteht, mehr Nachdenken
und gröfsere Aufmerksamkeit des Schülers in Anspruch nehmen, zugleich
aber den Vortheil gewähren, dass sie in derselben Zeit die Durchübung
mehrerer Fälle ermöglichen.
Diese wenigen Worte hat der Verfasser hier anzuführen sich erhiubt,
um Plan und Anlage seines Buches hiermit zu rechtfertigen. Ueberdies
glaubt er noch eines hervorheben zu sollen, was ihn zur Veröffentlichung
des Wcrkchens mit bestimmte. Die meisten Uebungsbücher bieten näm-
lich nur in spärlichen Anmerkungen einigen Wnrtvorrath für die Ueber-
setzung. Der Schüler, zumal der schwächere, sieht sich daher, wenn er
auf ein ihm unbekanntes Wort stöffet, ffenöthigt, die Bedeutung im Lexi-
kon aufzusuchen, oder doch jemanden darum zu befragen. Besitzt er aber
keines oder ist es ihm nicht leicht möglich, sich anderswo Raths zu er-
holen, so legt er gar gern die Arbeit bei Seite und verliert nicht selten
alle Lust zum Gegenstende. Ja selbst in dem Falle, als er so glücklich
ist, ein deutsch-lateinisches Wörterbuch zu besitzen, fehlt es ihm noch
ziemlich an Geschick und Kenntnis, dasselbe mit Erfolg zu benutzen. Aus
diesem Grunde glaubte der Verfasser die Mühe nicht scheuen und zu
s&mmtlichen Üebungen, welche bestimmten Regeln folgen, den erforder-
lichen Wortschatz liefern zu sollen. Dies that er denn auch, indem er
theils unmittelbar nach jedem Absätze einzelne Bedeutungen anbrachte, —
besonders dann, wenn sich vermuthen liefs, dass bei der Wahl des Ausdruckes
ein Misgriff stattfinden könnte, — theils sie dem Wortregister zuwies und
zur Bequemlichkeit für den Schüler jedem Theile ein solches beifügte. Hie-
durch ist es dem Schüler zugleich ermöglicht, ohne vielen Zeitverlust auf
die einzelnen Paragraphen sich vorbereiten zu können.
Zum Schlüsse mag noch über den Uebungsstoff selbst Einiges ge-
sagt, beziehungsweise auch Rechenschaft gegeben werden. Derselbe ist
in den ungefähr 2740 Beispielen beider Theile bis auf einige wenige Sätze
lateinischen Schriftstellern, und zwar vorzugsweise den bessern unter ihnen
entlehnt. Die Üebungen sind geordnet nach dem Gange der kleinen Gram-
matik von Ferd. Schultz, als der an unseren Gymnasien am meisten ver-
breiteten, und dei Verfasser war bestrebt, alle Hauptregeln wo möglich
gleichmäfsig zu berücksichtigen. Ueber seltenere Spracherscheinungen, wie
sie namentlich bei Dichtem häufig zu finden sind, so über den griechischen
Accusativ, über Adjectiva mit dem Infinitiv u. a. hat er jedoch eben so
*) Schon Krebs spricht sich gegen die sogenannte freie Uebersetzung
aus, bevor man Beispiele üoer einzelne Regeln geübt, indem er in
der Vorrede zu seiner Anleitung zum Lateinschreiben folgendes be-
tont : „Vor Uebung der Grammatik und namentlich der Sjmtax durch
Beispiele Schreibübungen über nichts Bestimmtes (d. i. wol über
keine bestimmte Regel) machen zu lassen, wie auf vielen Schulen
geschieht, ist gegen alle gute Methode. Erst muss man einzeln die
- Kegebi kennen lernen, dann folgt die Anwendung in Üebungen.**
MiHCcllcn. 878
wenig Uebungen aafgenoinnien als über den Intinitivus historicus, eines-
theils weil die in der Grammatik beigefügten lateinischen Beispiele zur
Erklärung vorkommender Fälle in der Leetüre genügen, anderestheils weil
der Schüler Abnormitäten und der guten Prosa fremde Constructionsweisen
so wie auch den Infinitivus historicus, wenigstens auf dieser Stufe, nicht
nachzuahmen hat. Was den Stoff in den 161 zusammenhangenden Auf-
faben anbelangt, so ist auch dieser nicht blofs zumeist aus den Werken
es römischen Alterthums entnommen, sondern es sind sogar gröfsere Stellen
aus denselben benutzt und mit der nöthigen Umänderung und Anpassung
für den Zweck verwendet worden. Von diesen Aufgaben sind nun dieienigen,
die am Schlüsse eines jeden Theiles folgen, sogenannte freie Aufgaben, die
sich an die Leetüre anschlicfsen und zu denen einzelne Stellen des gele-
senen Auetors den Wortschatz liefern sollen, zum L Theile also die historia
antiqua, zum II. Th. Csesars bellum gallicum. Dieselben dürften sich in
dem Falle, dass die dazu vom Verfasser benutzten Capitel in der Schule
gelesen worden, vielleicht zu Schulcomiwsitioneu eignen, da hiedurch nicht
blofs die auf das Dictieren zu verwendende Zeit erspart, sondern auch dem
Lehrer die Gelegenheit geboten würde, zu erfahren, wie weit ein jeder
Schüler die einzelnen WOrter und Wortverbindungen aus dem gelesenen
Stoffe zu seinem Eigenthume zu machen sicli die Mühe nahm.
Indem der Verfasser sein Werkchen hiemit der nachsichtigen Beur-
theilung und wohlwollenden Aufnalune empfiehlt, hält er es fUr angemessen,
diejenigen Stellen der lateinischen Werke, die er bei Bearbeitung der zu-
sammenhangenden Aufgaben benutzt hatte, hier genau anzuführen , theils
zu eigener Kechtfertigung, sofern sich ein ähnlicher Stoff mitunter audi
in anderen Uebungsbücheru verarbeitet findet, theils auch, um denjenigen
Lehrer, welcher das Buch benutzen und das Original etwa nachschlagen
woUte, der Mühe des Suchens zu überheben.
1. Th.: Nr. 17 lust XLIV, c. 4. — 31 Cic. de Ür. U. 15, 62 (nach
Wüstemann's promptuarium sententiaruin, S. 148). -— 33 Eutr. III. 8. 9. —
34 Val. Max. VlI, 3 (nach Fischeri selectae e profanis scriptohbus histo-
riae, p. 152). - 35 Liv. XXIV, 10. — 45 Pün. Hist. nat. VIU, 19. —
46 Cic. Tusc V, 32. - 48 Liv. LX, 3 u. Aur. Vict. XXX. — 58 Plin. hist.
nat. XXXVI, 16 ff. — 66 C. Nep. Phoc. 4. — 67 Liv. XXUI, 11 ff. —
68 Sen. de tranq. VIII, 7 u. Ael. var. hist. XII, 56. — 77 lust. XV, 4. —
78 Quinct U, 16. - 90 Cic. Off lU, 11. - 91 Aur. Vict XXXV, 12. -
92 Val. Max. VI, 4. - 94 u. 95 lust. XLIV, 2. - 102 (Jell. N. Att. V, 10.
U. Th. Nr. 11 Aur. Vict. VII, 9 ff — 12 Sali. Cat. VI ff. - 13
Cic. Ep. ad div. XlV, 8. — 14 Cic. Tusc. I, 40. — 15. Aur. Vict. LXXV. —
18 Cic. nat. deor. n, 4. 5. — 19 lust. VI, 8. - 20 Eutr. H, 12. 13. -
21 Flor, prooem. - 22 Muret. Ep. I, 64. — 24 Plin. Hist nat. XVI, 82.
33. — 25 Plin. H. n. X, 24. — 26 PUn. H. n. XXXV, 10. 65. — 27 Sen.
de benef. I, 8. 1. 2.' (ed. Haase). — 33 Muret. Ep. l, 62. — 34 VaL
Max. VI, 4 (nach Fisch, select hist III. 61). — 39 Curt. VI, 34 u. 85
(ed. Zumpt). — 40 Cic. Off. I, 25. — 41 nach Wüstem, prompt sentent
p. 135. u. 136. — 42 u. 43 Liv. VIU, 7. u. 8. - 48. 49. 50 Curt. VIIL
1 ff - 52 Vell. Pat U, 42. - 58 Muret Ep. I, 63. — 59 Eutr. VU, 19. -
63 C. Nep. Thras. 4.-64 Muret Ep. I, 60. — 65 Sen. de moribue. —
76 Curt X, 31. - 77 Sen. ad Helv. 12 - 78 Cic. fam. XIV, 5. — 79
Fisch. seL hist V, 3. 3 u. IV, 36. 4. — 80 VaL Max. VU, 2. — 88
Aur. Vict LVn. — 84 Cic. Tusc. I, 47. - 86 GelL IV, 18. — 89 Curt
VII, 34. — 90 Cic. Tusc. I, 41. - 91 Curt VI, 7. — 92 lust XXVIII, 2.
- 93 lust XXXVni, 4. 6. — 96 Cic. Div. I. 27. 57. - 97 Fisch. seL
hiflt IV, 28. 2. - 102 Val. Max. lU, 2. - 103 Aur. Vict LXVH. —
104 Plin. H. n. II, 63. — 107 Sen. DiaL U, 5. 6. - 108 Fisch, sei hiat
UI, 54, 4. 5. — 109 Curt VU, 19. - 116 Fisch. seL hist H, 6. 1. —
117 Muret var. lect XIX, 21. - 118. 119. 120 Fisch. seL hist II, 14. 3;
m, 1. 1. — 121 VaL Max. VU, 1. 2. —
Graz. Joh. Alex. Roiek.
Fünfte Abtheilung.
Verordnungen für die österreichischen Gymnasien und
Realschulen; Personalnotizen; Statistik.
Personal- und Schulnotizen.
(Ernennungen, Versetzungen, Beförderungen, Auszeich-
nungen u. 8. w.) — Der Staatsminister hat die im Budgetdepartement
für Cultus und Unterricht erledigte JStelle eines Rechnungsrathes dem
Rechnungsofficialen Ferdinand Schallhofe r verliehen.
Der GjTnnasiallehrcr zu Linz, Karl Greis torfer und der Gvninasial-
supplent zu Graz, Joseph Egger, zu Lehrern am G. zu Graz; die Lehrer
am Drohobyczer RG. Eduard Golebiowski und Vinzenz B i e n e r t zu
Lehrern am k. k. Franz Josephs-G. in Lemberg; der suppl. Religions-
lehrer am k. k. G. zu Neu-Sandec, Franz Fox (vgl. Hft X. S. 786,
Z. 18 V. 0.), über Vorschlag des betr. bischöflichen Ordinariates, zum wirk-
lichen Religionslehrer an derselben Lehranstalt; der Sui>plent Marcell
Lawrowski am k. k. G. zu Stanislau zum wirklichen Gymnasiallehrer
alldort; der Supplent am kath. OG. zu Pest, Anton Zalka und die
Supplenten am Esseker G. Johann Radetiö und Andreas Kodri<> zu
wirklichen Lehrern an den genannten Lehranstalten, dann die Gymnasial-
supplenten Johann Tositti und Anton Zingerle zu wirklichen Lehrern
für die lombardisch-venezianischen Gymnasien.
Der Cooperator an der Stadtpfarre zu Wels, ,Franz Weinmayr,
über Vorschlag des Linzer bischöfl. Ordinariates, zum wirklichen Religions-
lehrer an der k. k. OR. zu Linz, und der Lehrer der gr. or. OR. in
Czemowitz, Thomas Klein, zum wirkl. Lehrer an der k. k. OR. in Görz.
Am C. R. G. in der Leopoldstadt in Wien für die nothwendig ge-
wordene Parallelclasse : Dr. Richard Heinzl für Latein; Dr. Eduard Röfs-
1er für Geographie und Geschichte; Johann Fuchshofe r (Volontär) für
Naturgeschichte; P. Joseph Win di seh für den Schreibunterricht- und
Jakob Binder für den Gesang.
— Die Gemeindevertretung zu Taufs hat beschlossen, die bisher
alldort bestandene ÜR. in ein RG. umzuwandeln.
— Der a. o. 5. Professor der Geschichte und Statistik an der R^chts-
akademie zu Grofswardein , Dr. Emerich von Hajnik, zum a. o. ö. Pro-
fessor desselben Faches an der Rechtsakademie zu K aschau.
— Die an der höheren landwirthschaftlichen Lehranstalt zu ünga-
ri&ch-Altenburg erledigte 5. Professorsstelle ist dem a. o. Professor
an dieser Lehranstalt Dr. Karl Reitlechner verliehen worden.
Personal- iiinl »S<rhuliiotizeii. 875
— Der Professor dor Wiener Handelsakailennc Dr. Wilhelm (j u-
nescli ist zum Prüfungscommissär bei der judiciellen Abtheihing der
theoretischen Staatsprüfiinjifscommission in Wien ernannt worden.
— Die Wahl des Universitäfc^prolessors un<l derzeitigen Universitäts-
rectors Dr. Jos. Majer zum Präsijlcnten «ler Gelehrtenfifesellschaft für das
.1. 18(>6 ist Allerh. ()rt<*s genehmigt worden.
S«\ k. k. Apost. Majestät halKMi mit Allerhöchster Entschliefsung
vom 25. NovemlKjr 1. J. dem ISohulrathe Adulhert Stifter in Oberöster-
reich, aus Anlas« seiner Versetzung in den bleibenden Ruhestand, taxfrei
den Titel eines Hofrathes Allergnii<ligst zu verleihen geruht.
-- Se. k. k. Aiwst. Majt^stat haben mit Allerh. Handschreiben vom
21. November 1. .1. den geheimen Itath Josejih Alexander Freiherrn von
Helfert in Gna<len, unter Anerkennung s<äner vieljiihrigen und crsprieflB-
lichen Dienstleistung und mit d«Mu Vorbehalte seiner neuerlichen Wieder-
aufnahme in d«'n activen Staatsdi«Mist, in d«'n zeitlichen Ruhesfcind zu ver-
setzen und zu genehmigiMi g«'ruht, dass d«'rsclbe auch während der Dauer
seines Ruhestandes mit dem Präsidium der Centralcommission zur Erfor-
schung und Erhaltung alter IJaudenkmah' betraut bleibe.
— Dem auf seine 1 litte in d<»n dauernden Ruhestand versetzten
Ministerialrath im Finanzministerium Franz Srhilder (seinerzeit auch
auf dem Felde der dramatis<h<'n Literatur vorth«»ilhaft bekannt) ist mit
Rücksicht auf seine fünfzigjährige treue und erspriefsliche J>ienstleistung
taxfrei der Ordim der eisernen Krone 3. Cl. verli<'h«*n worden.
(Erledigungen, Conen rsr u. s. w.) Zorn bor. selbst. (Vmim. UR.,
Lehrstelle für eeometr. Zeichnen, Haukunst und Bauzeichnen als Haupt-,
Geographie und Geschichte als Nebenfach. Jahresgehalt 525 fl., Quartier-
relutum 105 fl. und Holzrelutum «vJ fl. ö. W. Termin; 31. Jänner 1866,
8. Amtsbl. z. Wr. Ztg. vom 12. December 1. J., Nr. 2ö3. — Pancsova
(Militär- Grenz -Communität), k. k. OR., Lehrst^dle für Freihandzeichnen
und Kalligraphie, mit etwaiger Befähigung zu Vorträgen über Landwirth-
schaft, Jahresgehalt 63<) fl., eventuel H4<.) fl. ö. W. und Ansjiruch auf De-
cennalzulage. Tennin: Ende Jänner 1866, s. Amtsbl. z. Wt. Ztg. vom 19.
December 1. J., Nr. 289. _
(Todesfälle.) Anfangs October 1. J. zu Halle Dr. Gösch er, ordentl.
Professor an der juristischen Facultät der dortigen Universität.
— In der 1. Hälfte des Octobers 1. J. zu Bern Prof. Dr. Volmar,
Maler und Bildhauer, namentlich durch die Erlach-Statue in Bern und das
Girard-Denkraal in Freiburg bekannt.
— Im October 1. J. Maler Heim, Mitglied der Akademie der schönen
Künste in Paris, 78 Jahre alt; zu Leipzig Heinrich Strellcr, vorzüglicher
Holzzeichner, von dem die Mehrzahl der Holzschnitte zur Schnaase*schen
Kunstgeschichte herrührt, und zu 8t. Germain der dramatische Schriftsteller
Charles Desire du Peuly, 67 Jahre alt
— Ende ÜctobtT f. J. zu Salzburg der Hochw. P. Konrad Rois-
hamer', früher Conventual des Benedictinerstiftes Michelbeuem, Prior im
Kloster zu Mülln und Professor am k. k. OG. zu Salzburg.
— Am 1. November 1. J. zu Paris der Bildhauer Charles Nauteuil-
Leboeuf (geb. ebend. 1792), seit 1831 Mitglied der franz. Akademie.
— Am 3. (?) November 1. J. zu Innsbruck der ausgezeichnete Kunst-
maler und Photograph Joseph Mühlmann.
— - Am 6. November 1. J. zu Salzburg Sr. Hochw. Dr. Phil, und
Thcol. P. Tlieod. Stabeil, Bibliothekar im Stifte St. Peter, früher Gym-
nasialprofessor, ein dun h Talent, umfassendes Wissen und namentlich aul'ser-
gewidinliche Sprachkenntnisse ausgezeichneter Gelehrter.
Am 7. November 1. J. zu München der durch seine trefllichen
Genrebilder bekannte Maler Müller (vnlgo FenermtiUer.)
iT6
Personal- and HchulnotiÄen.
— Lfttit Meldinig hüb Viina Vf>üi 1. November 1. J. xu Purb iti?r
fruditUarü Drauiatiki^r MtUcsville (eigentlich Baron Da t tarier), der
si?it 181H nkht wenigpr als ri*Nl grutw^^-ntheih niit Erfolg aufgeführte Stücke,
tlieila allein^ theOa getiieiii^airi mit, anderffi Hchriftfitelleni OmmentUch nait
^ribti) gesciiriebeD hat.
— Am 9. Novcniber L J. sc.ü Bonn der Geh. Rath und Professor det
Anatomk und Physioloi^e ati der d^irtigeu Hochschule, Dr, F. J. K. Mayer
(geb. tn HcJiwäbiJsf'h -Gmünd um "2. Hu veni her 1787), der einzige kath. ür-
mnarius der I^Iedicin in PmuJsen, ü.ueh als Faehschriffcifceller hochgeHchatÄt,
— Aai 10. November 1. J. m Lond*>n Lady Theresia Lewis » Witwe
des fy&hereii Kriegsministers Sir G. C. Lewiis, als Sdirift-stellerin bekanat
— Am 12, NoveinWr 1. J. 'i^u Heran 8r, Huchw. P. Johannes
Gasser. Snperior des dortijfen i-ollegiöins des* Benedirtiner-Ötiftes M&rien-
Ijerg, Profeüfcor am dortigen <,Hi; 'm London die als Erzählerin auch in
PeutÄchland bcicannte Elii^aWth Cleghorn Garikell^ gek Stromkin (gek
1S22), Yerfa^erin von „Mary Barton**, .^Üie Moorkind Cotfca^e**, -Euth"
u. t; a», und au Paris J. Victor Le Clerc, Becftn der Faculte de« LcsttiQs
an der Pariser Universität» Mitglied des Institntea u. ». w., Verfasser Tiek«-
ausge zeichnete r Werke („Khetoriqiie fran^^ise" , p^Histoire des Joumam
chfiz lea llomains", Ausgabe dei^ Cic*:To, UeliersetZTTng der Dialoge Platoii's
n* V, a,), im 72. Lebensjabrc.
— Am 13. November 1, J. mi Hietüing tm:h^t Wien Frani von Ti*
inoni (geb. txt Conitantmo]H^t im J. 1785), seiner Zeit L k. Gtischaftfi-
trapr tu Ila^usa, ah KnnHtfrennd , Kumtkenner und Kunstsammler in
^rdtercn Kreiden bekannt, ein Mann v<in warraer Em|jfindung und geläu-
tertem Gesehmack, der sein© reiclie ColhH^tiou vuu geschnittenen 8t*.inen
dem k. L Münz- und Antiken-Cabinet' mid seine i^amndung antiker Münzen
deni fcseiiotterjütifte in Wien zuwendete; sau Baden bei Wien Frau Emihe
Überm eir, Kilns*tlerin und [Hchfcerin, als Freundin Ri>ssini^s und an-
derer C^lebri taten bekannt, und zu Paris Philippe Franct^is Dnmanoir
(geb. zu GnailabmjM:' am 2h Jtili 1*50<J), ^^iner der beliebtesten fransGoi-
sehen Bübnenächrit'tsteller.
— Am 18, November l. J. zö Wien Joseph Heb all v. Falkenhorst,
fenanut Forst (gek zu Wien 1806), zuletzt Obt^r- Regisseur des hiesig^iÄ
osephstadter 'rhcatera, al« talentYoller BchauBpieler und dramatisier
Dichter biskannt.
— Am 19. Navember L J, zu Mediaach der Gymnasiallehrer Joseph
Josephi; besonders um die Anordnung der dortigen Schulbibliothek vei^
dient, im 29. Lebensjahre,
— Laut Meldung vom 19. November L J, zu Neapel Professor Gabikl
de Stefano, als Phikdog hechgeaehtet
— Am 2L November I. J. zu Gotha der Minis torialrath Dt, Jacobi
(geb. zu Jena 179ßJ, als elasfiiacher Phih>log und Heb ul mann, so wie durch
werth volle Sebriffc*]:n p«edagogi*^cben und iihikdogtschen Inhaltes („Die Eni^
hung deg weiblichen Get^ehkehts" Hrnnburg 1839. „Handwörterbuch der
grieck u. röm. Mythologie" (.'oburg, 1881 ff., 2 Bde. u. m. aj bekannt,
— Am 24 November 1. J. zu Wien Andreas Edler von For naßati-
Verce, tii Professor, Lehrer der italiäniscben Sprache und Literatui' an
der k. k, Universität und an der Maria-Theresianischen Akademie au Wien
u, s, w*, durch seine zahlreichen gramtna tischen Arbeiten bekannt, im 79.
Lehensjahre, und zu Kopenhagen Karl Bernhard, eigentlich Andreaa
Nicolai de St Äubin, als Novellist bekaunk
(Diesem Hefte bt eine Uterarische Beilage beigegeben^
^^^^^k' ^^H
^^^^^^^^ STANFORD UNIVERSITY LIBRARY
^^^^^^■^M Stanford, California fl
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