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Full text of "Zeitschrift für deutsche Philologie"

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ZEITSCHRIFT 


FUE 


DEUTSCHE  PHILOLOGIE 


BEGRÜNDET   vox  JULIUS  ZACHER 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


HUGO  GERING    UND   FRIEDRICH  KAUFFMANN 


VIERUNDDREISSIGSTER   BAND 


HALLE   a.  S. 

VERLAG    DER    BUCHHANDLUNG    DES    WAISENHAUSES. 

1902. 


3 'oo  3 
t:  3  s 


INHALT. 

Seite 
Über  das  Verhältnis  der  mittelniederdeutschen  Übersetzung  des  Lippifloriunis  zu 

den  verschiedenen  lesarten  der  originaldichtung.  Von  H.  Ältliof  .  .  .  1 
Die  Heidelberger  handschrift  G41  und  die  St.  Florianer  handschrift  XI  284  der 

predigten  des  Nicolaus  von  Strassburg.     Von  R.  Neber t 13 

Zur  Chronologie  der  gotischen  brechung.     Von  E.  A.  Kock 45 

Eine  alemannische  fronleichnamspredigt.     Von  R.  Xebert 50 

Karl  Weinhold.     Von  Fr.  Vogt 137 

Die  rhythmik  der  ljoctahattr.     Von  H.  Gering 162.  454 

Zur  Gottesfreundfrage.     I.  Das  Neunfelsenbuch.     Von  Ph.  Strauch      .     .     .     .  235 

Zu  den  handschriftenverhältnissen  des  Niebelungenliedes.     Von  E.  Kettner      .  311 

Über  einige  namen  im  Waltharius.     Von  H.  Althof 365 

J.  Engerds  Übersetzung  v.  J.  Aurpachs  'Odae  Anacreonticorum '.     Von  A.  En giert  375 

Wilhelm  Hertz.     Von  W.  Golther 396 

Beiträge  zur  kritik  und  erklärung  der  Gudrun.     Von  Fr.  Panzer 426 

Beiträge  zur  niederdeutschen  syntax.     Von  0.  Mensing 505 


Miscellen. 

Zum  Clermonter  runenkästchen.     Von  E.  Wadstein       127 

Neue  predigthandschriften.     Von  K.  Schi  ff  mann 127 

Zu  Fischarts  Flöhhaz  v.  1341  — 1350.     Von  ,T.  Bleyer 132 

Zu  Hnvamül  str.  100.     Von  H.  Gering 133 

Zu  Theobald  Hock.     Von  M.  H.  Jellinek 413 

Zu  den  Kleineren  Schriften  der  brüder  Grimm.    Von  R.  Steig 550 

Citharoedus.     Von  Fr.  Kauffmann 560 

Zu  v.  d.  Hagens  Gesamtabenteuer.     Von  R.  Sprenger 561 

Der  diebsfinger.     Von  R.  Sprenger 562 

Berichtigungen 421.  563 


Litteratur. 

P.  Wessel,  Mhd.  lesebuch;  von  0.  Mensing 63 

P.  Wessel,  Geschichte  der  deutschen  dichtung;  von  0.  Mensing 65 

J.  Seiler,  Heliand;  von  0.  Mensing 66 

H.  Zwingli,  Von  freiheit  der  speisen,  hrsg.  von  0.  Walther;  J.  Vogelgesang, 

Ein  heimlich  gespräch  von  der  tragedia  Job.  Hussen,  hrsg.  von  H.  Holstein; 

von  0.  Clemen 67 

F.  Detter,    Deutsches    Wörterbuch;    A.  Braun.    Deutscher    Sprachschatz;    von 

H.  Wunderlich       68 


IV  INHALT 

Seite 
F.  Seiler,  Die  entwicklung  der  deutschen  kultur  im  spiegel  des  deutschen  lehn- 

worts;  von  G.  Binz 70 

A.  Buss,  Deutsche  Sprachinseln   in   Südtirol  und  Oberitalien;  von  J.  Schatz    .  73 

Kunz  Kistener,  Die  Jacobsbrüder,  hrsg.  von  K.  Euling;  von  Fr.  Panzer    .  74 

F.  Zöllner,  Einrichtung  und  Verfassung  der  Fruchtbringenden  gesellschaft;  von 

G.  Witkowski 81 

K.  H.  v.  Stockmayer,  Das  deutsche  Soldatenstück    des   18.  Jahrhunderts;    von 

G.  Witkowski 82 

E.Müller,  Schillerregesten;  von  H.Fischer 84 

U.  Gaede,   Schillers  abhandlung  „Über  naive    und   sentiment.   dichtung";   von 

G.  Witkowski .     .  80 

A.  Leitzmann,    Karol.  v.  Humbolds    briefwechsel;    ders.,    seclis    ungedruckte 

aufsätze  Wilh.  v.  Humboldts;  von  G.  Witkowski 87 

A.  Waag,  Bedeutungsentwickelung  unseres  Wortschatzes;  von  R.  M.  Meyer      .  88 

R.  Petsch,  Beiträge  zur  kenntnis  des  volksrätsels;  von  A.  Häuften    .     .     .     .  89 

R.  Lehmann,  Der  deutsche  Unterricht;  von  H.  Wunderlich 95 

K.  Mortensen,  Studier  over  »Idre  dansk  versbygning;   von  Finnur  Jönsson  96 

K.  Geuther,  Studien  zum  liederbuche  der  Klara  Hätzlerin;  von  Fr.  Panzer  .  97 
A.  Kopp,    Deutsches    volks-    und    studentenlied ;  W.  Uhl,    Das  deutsche  lied; 

J.  W.  Bruinier,  Das  deutsche  Volkslied;  von  Fr.  Panzer 100 

G.  v.  d.  Gabelentz,  Die  Sprachwissenschaft'-;  von  H.  Oldenberg 107 

J.  Ranftl,  L.  Tiecks  Genoveva;  von  R.  Steig 108 

G.  Züricher,  Kinderlied  und  kinderspiel;  von  J.  Meier 110 

E.  A.  Boucke,  Wort  und  bedeutung  in  Goethes  spräche;  von  R.  M.  Meyer      .  112 

A.  Walde,  Die  germau.  auslautsgesetze ;  von  Y.  Michels 114 

R.  Baier,  Briefe  an  G.  F.  Benecke;  von  Fr.  Kauft  mann 400 

K.  Müllenhoff,  Deutsche  altertumskunde  IV;  von  Fr.  Kauffmann  ....  405 

H.  Hirt,  Der  indogerm.  ablaut;  von  L.  Sütt erlin 408 

W.  Deetjen,  Immermanns  Kaiser  Friedrich  II;  von  R.  M.  Meyer 411 

E.Castle,  Nicol.  Lenau;  von  R.M.Meyer. 412 

Fr.  Kauffmann.  Aus  der  sehule  des  Wulfila;   ders.,  Balder;  von  Fr.  Kauff- 
mann        515 

W.  Braune,  Die  handschriftenverhältnisse  des  Nibelungenliedes;  von  Fr.  Panzer  529 

J.  M.  Nassau  Noordewier,  Willehalm;  von  E.  Bernhardt 542 

Neue  erscheinungen 134.  421.  503 

Nachrichten 424.  504 

Register  von  W.  Beese 565 


ÜBER  DAS  VERHÄLTNIS  DER  MITTELNIEDERDEUTSCHEN 

ÜBERSETZUNG  DES  LIPPIFLORIUMS  ZU  DEN  VERSCHIEDENEN 

LESARTEN  DER  ORIGINALDICHTUNO. 

Das  in  der  zweiten  hälfte  des  13.  Jahrhunderts  von  dem  Lippstädter 
raagister  Justinus  verfasste  Li  ppif  1  ori  u  m ,  welches  in  lateinischen  distichen 
das  wechselvolle  leben  des  westfälischen  Odysseus,  Bernhards  II.  zur  Lippe 
(c.  1140—1224),  verherrlicht,  wurde  im  jähre  1487  auf  veranlassung 
der  nonnen  des  Lippstädter  Augustinerklosters,  einer  Stiftung  Bernhards, 
von  einem  unbekannten  in  niederdeutsche  gereimte  verse  gebracht  und 
diese  umdichtung,  dat  Lippeflorer,  von  den  klosterjungfrauen  als  ein 
zeichen  ihrer  dankbarkeit  dem  damals  regierenden  landesherrn,  Bern- 
hard VII. ,  gewidmet. 

Dem  vorletzten  herausgeber  des  Lippifloriums,  G.  Laubmann,  ist 
es  entgangen,  dass  die  in  einigen  hss.  zusammen  mit  der  lateinischen 
dichtung  überlieferte,  allerdings  freie  Übersetzung  uns  mitunter  gute 
dienste  zu  leisten  vermag  in  fällen,  wo  der  lateinische  text  verdorben 
oder  von  den  quellen1  in  verschiedener  weise  überliefert  ist. 

Ich  habe  bereits  in  meiner  ausgäbe  der  lateinischen  dichtung 
(Leipzig  1900)  wiederholt  bei  solcher  gelegen heit,  besonders  in  bezug 
auf  v.  17,  143,  259.  483 fg.,  415,  629,  dat  Lippeflorer  herangezogen 
und  will  nunmehr,  wo  ich  zum  zwecke  der  herausgäbe  eine  vollständige 
abschrift  der  noch  ungedruckten  nd.  Übersetzung  angefertigt  habe,  noch 
einiges  nachtragen  und  frühere  ausführungen  näher  begründen. 

Ich  bemerke,  dass  im  folgenden  W  die  ausgäbe  der  lateinischen 
dichtung  von  Winkelmann  (Riga  1868),  L  den  von  mir  revidierten  text 
Laubmanns,  ndL.  die  nd.  Übersetzung  (nach  der  Überlieferung  in  A),  X 
die  vorläge  derselben  bedeutet.    Es  lässt  sich  aus  den  unten  angeführten 

1)  Die  älteste  hs.  des  Lippifloriums  ist  die  Detmolder  A  aus  dem  anfange  des 
16.  Jahrhunderts,  auf  welche  die  jüngeren  BCDE  trotz  einzelner  auffallender  ab- 
weichungen  zurückgehen.  ABDE  enthalten  auch  die  Übersetzung.  Die  hs.  M,  nach 
der  H.  Meibom  sen.  die  editio  princeps  des  Lippifloriums,  Frankfurt  1620,  herausgab, 
ist  verschollen ,  ebenso  P,  aus  der  J.  Piderit  eine  reihe  von  citaten  für  seine  Lippische 
chronik  (Rinteln  1627)  bezog. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  1 


citaten  nicht  immer  klar  ersehen,  wie  der  Übersetzer  las;  oft  aber,  z.  b. 
v.  118,  174,  219,  236,  267,  309,  312,  344,  394,  456,  462,  493,  673, 
683,  708,  749,  768,  776,  806,  833,  950,  1010  des  Originals,  ist  seine 
wiedergäbe  so  frei,  dass  eine  gegen  überstellung  des  lateinischen  und 
des  niederdeutschen  textes  zwecklos  sein  würde. 

Die  Überschrift  Lippiflorium  Magistri  Justini  haben  A  ndL.. 
nicht  M. 

v.  8  Simon  MWL,  Symon  A  (vgl.  v.  13  und  961)  ndL.  9  (vgl. 
v.  16  und  1726). 

v.  23  Nobilis  ingenuus  dominos  servos  venerar  is;  ingenuos  P; 
ndL.  36  fg.:  dyn  volck  vormerstu,  eddel  here,  —  —  Eddel,  fr  ig. 

v.  25  Tu  cum  jocundis  jocundus  ludicra  träctas;  lubrica  P;  ndL. 
41:  mit  den  froliken  bistu  frolick   Und  spelich  mit  en. 

v.  50  mens  in  tenero  corpore  cana  patet.  Scheffer -Boichorst  nahm 
früher  sana  an;  ndL.  83:  Eynen  olden  sin. 

v.  52  Hildensemensis  A1,  die  zweite  band  hat  das  erste  n  ge- 
strichen, also  Hildesemensis  A2L;  Hildesieusis  MW;  ndL.  87:  tho  Hil- 
densem. Förstemann  und  Österlejr  verzeichnen  neben  Hildessem  folgende 
formen  mit  n:  Hildinisheim ,  Hildeneshem ,  Hildinshem ,  Hildensim  und 
Hildensent. 

v.  82  hie  citior  nulla  sagitta  volat  AL;  dtius  MW;  ndL.  147: 
Mer  dusse  helt  over  de  banen  fläch  Sneller  dem  van  dem  schotte  eyn 
pyll;  vgl.  unten  s.  9. 

v.  87  Omnes  lassantur  crebris  impidsibus  L;  Omnes  X,  Omnia 
MW;  ndL.  161:  Se  ivorden  alle  des  steckens  müde. 

v.  89  Lucio  finis  adest  AL;  QuandoM.W\  ndL.  165:  Do  nam  ock 
dat  spei  eyn  ende. 

v.  94  modico  vino  vim  recreare  parant  L;  vino  B2M,  vicio  AB1; 
recreare  AB,  reparare  MW.  ndL.  173:  Den  ivyn  brachtmen  ene  en- 
tegen,  Dat  se  xvat  kreffte  weder  kregen. 

v.  113  aurea  vasa  propinant  Vina:  liquor  nullus  clarior  esse 
potest  L;  ndL.  212:  So  schenckede  men  dar  den  klaren  tvyn  In  gülden 
vaten.  W  hat  propinant:  Vino  etc.  „Sie  reichen  goldene  gefässe  dar: 
kein  nass  kann  funkelnder  als  wein  sein";  vgl.  darüber  Laubm.  s.  156 fg. 

v.  115  Nulla  eibi  species  vel  potus  deficit  illic;  eibi  M,  tibi  A; 
ndL.  213:  vort  neyn  gebreck  Noch  eiliger  spyse  daf  getreck  Noch  ge- 
dranckes  hadde  hinder. 

v.  125  Hie  salit  et  vario  motu  sua  membra  fatigat;  modo  P. 
ndL.  235:  Und  drifft  syner  lede  taelheit  vel.  Vgl.  das.  242  taelheit  = 
mobilitas  L.  130  =  motus  125. 


ÜBER    DAS    VERHÄLTNIS    DES    L1PPEFL0RERS    ZUM   LIPPIFLÖRlUM  5 

v.  136  Iste  dies:  transit  cum  breviore  mora;  mansit  P.  ndL.  251: 
Busse  grote  dach  so  eyn  ende  nam. 

v.  137  Munera,  quos  sanguis  praefert,  eques  atque  sateUes  Larga 
manu  larga  dant  LW;  quos  M,  quas  A,  quae  B,  profert  A.  Letztere 
lesart  scheint  dem  nd.  Übersetzer  vorgelegen  zu  haben;  vgl.  v.  253:  Bar 
na  dat  molk  in  dem  hudel  read,  Gaff  he  do  gare  mit  milder  haut, 
Dat  wer  ritter  offte  kriecht. 

v.  143  Ante  bonus  melior  fit  et  optimus  esse  relegat;  Dedecus, 
illicitum  spernit,  honesta  sitit  L;  esse  AM,  a  se  W,  ense  Laubm.  Ich 
habe  mich  an  dieser  vielgedeuteten  stelle  einer  mir  privatim  mitgeteilten 
meinung  A.  Pannenborgs  angeschlossen,  der  relegare  in  der  bedeutung 
„versprechen"  auffasst:  Bernhard  verspricht,  der  beste  zu  werden.  Doch 
bin  ich  später  bedenklich  geworden  wegen  L.  865:  simulacra  relegat 
Latria  sacra;  es  ist  anzunehmen,  dass  relegare  auch  v.  143  die  näm- 
liche bedeutung  hat.  Nach  einer  mitteilung  K.  Streckers  (Anz.  f.  d.  a. 
27,  244)  hat  P.  v.  Winterfeld  aus  den  in  meiner  ausgäbe  s.  94  Girierten 
worten  des  ndL.  226:  Erst  was  he  gut,  na  better  und  ivorth  best, 
Wente  alle  undogede,  als  inen  van  emme  lest,  Was  van  emme  rer- 
fromedet  ver  —  geschlossen,  dass  statt  esse  zu  lesen  sei  omne,  und 
angenommen,  dass  oe  zu  ee  verlesen  wurde.  Damit  ist  auch  meines 
erachtens  das  richtige  getroffen. 

v.  145  Strenuus  ante  studet  plus  streuuus  esse,  teuere  Certat 
suprenium  strenuitate  gradum  L;  Certa  MW.  ndL.  272:  He  wolde  sgn 
de  flijtigeste  her. 

v.  163  Nullt  fortuna  sie  Candida ,  quod  nihil  atri  Incidat  L.  Das 
fälsche  acri  A  lag  auch  dem  Übersetzer  vor;  vgl.  ndL.  303:  Want  nü 
gelucke  was  so  schön,  Dar  en  wer  wat  scliarpes  in  tho  düu. 

v.  170  (fortuna)  ab  eis  lucra  reeepta  rapit  L;  capit  MW.  ndL. 
319:    Want  dat  wert  emme  weder  entogen. 

v.  171  Si  dives,  potes  esse  miser ,  si  sospes  es,  aeger;  Fortis  et 
inftrmus  est  status  iste  tuus  L;  Fortis  es,  infirmus:  est  status  ille  MW. 
Letzterem  entspricht  ndL.  321:  Bistu  nu  ryke,  arm  werstu  to  haut; 
Hefstu  ge?wch,  kumer  wert  dg  behaut;  Bistu  nu  starck,  krauck  machstv 
werden.     Bus  vorwandelt  seck  up  ausser  erden  Dyn  stät  usw. 

v.  185  IÄvor  edax,  animae  virus  letale  M;  cirtus  A.  ndL.  347: 
Quaet  fengn. 

v.  186  (livor)  ruina  boni  M,  bonis  A;  ndL.  349:  Alle  gu dt  maket 
haet  snöder.  Wegen  der  drei  vorhergehenden  genitive  ist  boni  vorzu- 
ziehen. 


v.  222  pleraque  damna  facit  AL;  pluraque  MW.  ndL.  415:  So 
Valien  ser  hinderlich  js;  vaken  deutet  auf  pleraque. 

v.  239  Praecipit  indigenas  ad  se  properare  colonos ,  Mandatumque 
ligai  aspera  poena  necis,  Secum  quisque  ferens  sua  vomera,  rastra, 
ligones;  Hos  quoque  non  maculet  ulla  rubigo  jubet  L.  ndL.  451:  Se 
solden  bringen  na  sgnem  rade,  Dat  wer  plöchjseren ,  sehnte  offte  spade, 
Und  mähen  dal  ran  dem  roste  blande.  Str.  nennt  mit  recht  ferens 
eine  kühne,  bei  Justinus  beispiellose  construetion;  allein  das  wort  wird 
von  allen  quellen  überliefert  und  würde  als  Schreibfehler  etwas  auffallend 
sein.  Sollte  ferens  dem  fruens  ende  v.  238  oder  dem  metuens  v.  237 
seine  entstehung  verdanken  oder  hier  etwa  wie  nach  v.  244  etwas  aus- 
gefallen sein?  Se  sohlen  bringen  würde  wörtlich  einem  ferat  der  vor- 
läge entsprechen,  was  man  erwartet.  Dem  von  Laubm.  vermuteten 
Haec  v.  242  statt  Hoc  AM,  Hos  BW  scheint  dat  ndL.  453  zu  entsprechen 

v.  263  Praedam  praedo  petit  volucris  ceu  tnrba  cadaver  etc.;  vgl. 
gegen  Ws.  deutung  Laubm.  s.  159fg.  Hierzu  stimmt  ndL.  486:  Want 
den  roeff  soehet  de  gyrige  hant,  Dat  aes  wert  den  vogelen  snel 
behaut . 

v.  275  Dax  MW,  Dum  A,  ndL.  511:  De  hertoge. 

v.  281  Pars  inimica  dolet,  hujus  quod  tanta  lyrannis  Praevalet; 
tyranni  A.  ndL.  522:  Mer  syne  viande  hedde?i  des  smerte,  Dat  he  se 
so  hadde  vorunmnen;  se  lässt  auf  lyrannis  M  schliessen. 

v.  287  Si  placet,  insidiis  hostem  defraudet  ut  hostis  L;  hostem 
A.  hostes  MW.     ndL.  531:  Se  hedden  em  gerne  schaden  gediin. 

v.  301  Vendicat  ablatas  res  insiituitque  colonos  AL,  restituitque 
MW.  Str.  empfiehlt  letzteres,  da  das  land  ja  schon  vorher  bebaut  ge- 
wesen war.  Damit  stimmt  überein  ndL.  557:  He  satte  syn  volle  wahr 
by  de  plöch.  Ein  ursprüngliches  restituit  kann  aus  euphonischen  gründen 
wegen  des  vorhergehenden  res  in  A  geändert  worden  sein,  aber  auch 
bei  restituit  unwillkürliche  assimilation  an  res  vorliegen. 

v.  342  Felix  tum  Hymenaeus  adest  MW,  hie  hynieneus  (ohne 
felix)  A,  Felix  hie  hymenaeus  Laubm.  vgl.  s.  160.  ndL.  636:  Wat  xeliger 
echtschop  mochte  dat  syn. 

v.  403  Postera  lux  oritur  ML;  Postea  A;  ndL.  746:  Des  dages 
dar  na. 

v.  425  u I  proprio  liceat  mihi  condere  fundo  Oppidulum  M,  fun- 
dere  fundo  A;  ndL.  792:  Buiven  eyne  stat. 

v.  433  (oppidulum),  quod  provida  pal  nun  Fundavit  ratio  rebus, 
amore,  fide  MWL;  fides  A  =  ndL.  805:  De  de  vorsichtig^  rede,  Dyr 
vaders  gelove  hefft  gestichtet,   Mit  (jade  und  leyffte  uthgerichtet. 


VBER    DAS    VERHÄLTNIS    DES    L1PPEFL0RERS    ZUM    LIPPIFLORIU.M  5 

v.  455  Praeside  te  gens  si  vigeat,  domineris  et  illa  Serviat  L; 
si  A.  sie  MW.  ndL.  843:  Heuet  se  eynen  beschermer  koen,  Heyn  viant 
mach  er  schaden  dö?i.     So  blijfstu  here,  und  se  deynt  d/j. 

v.  479  Convention  statuit  Christi  sub  honore  suaeque  Matris,  ut 
in  f'/nen/  glorificei/tur  ibi  AL;  ghrificetur  MW.  ndL.  889:  Eren  namen 
tho  benedyenn;  eren  kann  sing,  und  plur.  sein. 

v.  489  Plebs  e  diversis  huc  partibus  confluit  orbis  AL;  adfluit 
MW;  ndL.  911:  Hyr  quam  tho  samen  uth  allen  landen  Grollt  volclc. 
Es  ist  wahrscheinlich,  dass  eonfluit.  wie  Str.  nieint,  aus  v.  475  plebs 
confluit  stammt.  Jedenfalls  aber  ist  diese  form  meines  erachtens  des- 
wegen zu  verwerfen,  weil  sie  metrisch  falsch  ist  und  ihre  Verwendung 
dem  gebrauche  bei  Justinus  nicht  entspricht;  vgl.  v.  462  Mentis  coneep- 
tu/u.  v.  943  industris  corpore. 

v.  492  quam  (plebem)  Jioste  tuetur  M,  tcuetur  A;  ndL.  916:  und 
vordan  Beschermede  se  de  eddell  man. 

v.  507  Gens  fem  conspirat  domino,  genti  ferus  heros  BM,  herus 
(metrisch  falsch)  A;  ndL.  941:  I)at  rolle  in  der  wreitheit  vel  ein  tho 
Und  vordroch  mit  den/  wreden  heren  so  usw.  Ob  here  dem  dominus 
oder  dem  herus  der  vorläge  entspricht,  ist  nicht  sicher. 

v.  515  Ambo  necem  tolerant  pro  Trajectensis  honore  Ecclesiae, 
pleni  laudibus  ambo  cadunt  L;  necem  AW,  mortem  M;  v.  516  fehlt  in 
A;  ndL.  952:  De  eyn  bysscliop  was  de?'  kereken  fyn  To  Utrecht;  beyde 
sloech  se  dar  doeth  Bat  böse  volck  in   vyandes  nöth. 

v.  535  Huic  infert  morbos,  alii  dispendia  rerum  AL;  aliis  MW; 
ndL.  988:  den  eynen  mit  krancheit ,  Dem  anderen  syn  gut  to  rugge  geit. 

v.  559  (Conficitur  sporfaj  Haec  binis  gestatio-  equis  AlWL;  Hie 
AB1,  Hac  B-';  ndL.  1025:  makeden  sc  dar  Eynen  horff  eu  tho  raren 
openbär  Tusschen  twen  perden.  eu  =  Hie,  doch  ist  Haec  vorzuziehen, 
denn  es  ist  zunächst  von  der  sporta,  dann  v.  561  fg.  von  dem  insassen 
die  rede. 

v.  637  nerris  arentibus  humor  Infinit  AL  (vgl.  v.  549:  Marce- 
seunt  nervi):  membris  MW.  ndL.  1163:  De  xenen  vuehticheit  —  — 
iVedder  rorkregen. 

\.  643  n/ei  cordis  pars  maxima  AL;  mei  oculis  MW.  W  ver- 
mutete meis.     ndL.  1176:  Myns  Jurte//  eyndeil. 

v.  658  color  ejus  (floris)  hebet  AL;  habet  M,  labet  (gegen  das 
metrum)  W.     ndL.  1203:  Ere  rarrc  de  <>/  darf  nicht  lanck. 

v.  661  qua  AM.  Laubmanns  ausfiihrungen  gegen  AY  (qaia)  werden 
bestätigt  durch  ndL.  1204fg. 


v.  682  (cassare  salubre)  Non  audens  votum  MWL;  audiens  A; 
ndL.  1237:  dorste  se  nicht,  Dar  entegen  sprechen  jchtes  jcht. 

Die  in  M  fehlenden  v.  685-686  standen  in  X;  vgl.  ndL.  v.  1250-1254. 

v.  698  ad  vitam  provehit  ille  ratam  AL;  provehet  MW.  Zu 
letzterem  scheint  zu  stimmen  der  conj.  ndL.  1274:  De  my  gheve  dal 
leven  myn. 

v.  703  Quicquid  aget,  vestro  faciet  moderamine  L;  vestro  M,  verbo 
A,  faciat  MW.  ndL.  1282:  All  dingk  do  he  mit  juwem  rade.  Vgl. 
unten  s.  9. 

v.  709  De  rebus  tibi  possessis  quodcunque  necesse  Sitsibi  (=matri), 
provideas  sedulitate  pia  AL.  Sit  ei  W;  Sit  tibi  BM1  =  ndL.  1290: 
Wat  dy  ankompt  van  den  guderen  dyn,  Dar  salstu  stedes  vorsichtich 
jn  syn. 

v.  721  Subjectos  tibi  promoveas;  mihi  W.  ndL.  1308:  helpen  den 
undersaten  dyn. 

v.  751  Se  totum  domino  mactat;  solum  P;  ndL.  1351:  vorth  genck 
he  seck  selves  gentxlich  uth. 

v.  753  Scripturas  relegit  M;  relegat  AP;  ndL.  1355:  De  hilligen 
schrifft  he  weder  umme  las. 

v.  767  esse  salubre  Pins  putat  L;  esse  A,  ipse  MW;  ndL.  1391: 
Dat  wer  em  zeliger. 

v.  769  A  pastore  suo  fas  impetrat  et  mare  transit  MWL;  ut  A; 
ndL.  1392:  bath  orleff  dar  tho  Van  synem  abte,  tho  trecken  so  —  — 
over  mer. 

Die  in  M  fehlenden  v.  771  —  772 2  standen  in  X. 

1)  Hier  haben  wir  ein  beispiel  (vgl.  v.  94,  456,  507  und  919),  dass  B,  eine 
abschritt  von  A,  sei  es  infolge  einer  conjectur,  sei  es,  weil  eine  andere  hs.  zu  rate 
gezogen  ist,  mit  M  stimmt.  Ähnliche  fälle  finden  sich  auch  bei  den  anderen  jüngeren 
hss.  Daher  habe  ich  in  einigen  kritischen  bemerkungen  meiner  ausgäbe  ABCDE 
„der  reihe  nach  aufmarschieren"  lassen,  was  Str.  auffällig  ist. 

2)  Meine  erldärung  dieser  verse: 

770  bitrat  humum;  fuit  haee  continuata  muri. 
Quae  non  inproprie  Livonia  dicihir,  in  qua 
Gens  fera  Cliristicolis  proelia  multa  movet  — 
nennt  Str.  „eine  starke  entgleisung".    Nach  Laubmann  s.  154  leitet  Justinus  das  wort 
Livonia  wahrscheinlich  von  livere  (lioidtis,   livor)  ab.     Pannenborg,   dem  diese  ety- 
mologie    nicht  gefiel,    meinte   (GGA   1872,    s.  1335),    es   sei  in   hinblick  auf  v.  772 
eher  an  litem  movere  zu  denken,  während  Str.  wieder  auf  Ls.  erklärung  zurückkommt 
und   den    „beweis"    für  dieselbe  in  v.  495 fg.  finden  will,   wo  von  den  auf  Bernhards 
macht  eifersüchtigen   westfälischen  berren  gesagt  wird:   dominos  terrae  xelus  livoris 
acerbat.     Abgesehen  davon,  dass  man  bei  den  unterdrückten  Livländern  eher  von  hass 
als  von  neid  und  missgunst  den  Deutschen  gegenüber  reden  konnte,  ist  Ls.  erklärung 


ÜBER    DAS    VERHÄLTNIS    DES    LIPPEFLORERS    ZUM    L1PPIFLORIUM  7 

v.   779    Dunemunde    AL,    Dunemünde    MW,    /o    Dunemunden 

ndL.  1410. 

v.  831  unus  ab  Jiis  est  filius  ejus;  est  AL,  ei  MW;  ndL.  1495: 
y«H  de«  bisschopen  eyn  Syn  sone  /ras. 

v.  849  Mars  furit  et  dubio  eventu  eertatur  utrimque.  v.W.  ändert: 
Mars  furit:  evenht  dubio  etc.,  in  der  annähme,  rfwfo'o  eventu  sei  ein 
Schreibfehler  und  etf  eine  interpolation.  Bereits  Laiibm.  macht  s.  144 
anm.  mit  recht  darauf  aufmerksam,  dass  hier  weder  die  hss.  eine  Va- 
riante haben  noch  auch  grund  vorhanden  ist.  an  der  richtigkeit  der 
Überlieferung  zu  zweifeln.  Dass  Justinus  gleich  anderen  mittelalterlichen 
dichtem  in  der  regel  die  elision  und  den  hiatus  meidet,  rechtfertigt 
die  änderung  des  verses  noch  nicht.  Ein  hiatus,  wie  Str.  meint,  liegt 
aber  hier  gar  nicht  vor,  denn  auch  bei  den  klassischen  dichtem  ist  es 
erlaubt,  dass  dem  elidierten  vokale  noch  ein  vokal  vorhergeht;  vgl.  Aen. 
2,  359:  Vadimus  haud  dubiam  in  mortem;  6,837:  Capitolia  ad  alta. 
Übrigens  scheint  auch  der  nd.  Übersetzer  et  gelesen  zu  haben:  v.  1530: 
To  beyden  syden  weren  se  hastich  Unde  ivorden  na  gevalle  ser  tnech- 
ticJt.  Nu  de  cristen   und  nu  de  heyden. 

v.  859  Blanditiis  quos  sire  minis  trahit  a  si/uulacris;  sine  B. 
ndL.  1550:  nu  mit  drouwen,  nu  mit  smeken. 

v.  917  Tu  quoque  rirtute  polles,  Hermanne,  paterna  APL:  pollens 
MW.    ndL.  1645:  jn  den  dogeden  fyn  Bist//  ser  säuerlich  des  raders  dyn. 

v.  919  Res  patrias  bene  conservans  AL;  patrias  AP.  patrie  MW, 
conservas  BPMW.  ndL.  1649:  bewarst  dyn  lant  scheint  mit  M  zu 
stimmen. 

v.  943  industris  corpore  AP  (vgl.  v.  522:  Industrie  corpore)-, 
illustris  MW  =  ndL.  1690:   ran  licham  ser  luchtich. 

v.  945  subjeetis  initis  ML;  subjeetus  AP;  ndL.  1696:  Sachtmodich 
dy)ien  undersaten. 

(gleich  der  Pannenborgs)  schon  aus  dem  gründe  unwahrscheinlich,  weil  man  annehmen 
muss,  Justinus  habe  die  begrüudung  für  non  inproprie  dieitur  an  ort  und  stelle  aus- 
gesprochen, nicht  aber  276  verse  vorher.  Dieser  annähme  entspricht  meine  deutuug: 
das  land  zieht  sich  am  meere  hiu  und  wird  daher  nicht  unzutreffend  Livonien  ge- 
nannt, d.  i.  sandland,  küstenland  (vom  esthnischeu  live  sand;  vgl.  hd.  und  nd.  sauf 
=  Strand,  gestade,  und  den  namen  „Eandalist"  [=  Strandleute]  für  Liven).  Ich  halte 
daher  meine  auffassuug  der  stelle  mindestens  für  nicht  unwahrscheinlicher  als  die  bis- 
her vorgebrachten  und  kann  auch  die  annähme,  Justinus  habe  von  einem  der  gegend 
kundigen  westfälischen  Livlandfahrer  von  der  beschaffenheit  des  landes  (vgl.  v.  773 fg.) 
und  der  bedeutung  seines  namens  kenutnis  erhalten,  gar  nicht  so  „abenteuerlich"  finden. 


8  ALTHOF 

v.  949  Tu  forti  capis  arma  mann;  tuet  sedula  claret  Strenuitash; 
Tu  MW,  Tunc  AP,  tua  sedula  claret  P,  tua  claret  A,  tua  claret  ubivis 
MW;  vgl.  Laubm.  s.  147.  ndL.  1705:  Du  sterekedest  dy  mit  ivapender 
haut.  Wie  der  letzte  teil  des  verses  in  der  vorläge  hiess,  geht  leider 
ans  der  Übersetzimg  nicht  klar  hervor:  Dyne  flijticheit  is  dar  jn  bekant. 

v.  953  absit  ut  unquam  Vincaris  WL;  utrumque  AP,  utrinque  M. 
ndL.  1712:    Vorwannen  to  werden  sy  ver  van  dy. 

v.  955  Sab  te  Lippensis  possessio  crevit  M;  cernis  AP.  ndL.  1715: 
Jn  dyner  tydt  so  is  gewassen  ser  Bat  lippesche  lant. 

v.  960  Vos  quoque  prosperitas  continuata  beetf  AL;  posteritasWW . 
ndL.  1723:  Undkomen,  ivan  gy  mötet  sterven,  To  der  ewighen  zalicheit. 

v.  963  —  966,  die  in  M  fehlen,  waren  in  X  vorhanden,  vgl.  ndL. 
v.  1729  —  34.  Str.  meint,  es  würde  ein  natürlicherer  gedankenfortschritt 
erzielt,  wenn  man  v.  963  für  egregie  schriebe  egregiae  (vgl.  v.  36:  san- 
guinis egregii),  da  sonst  diceris  et  digne  v.  964  sehr  matt  sei.  Man 
kann  dem  beistimmen.  Die  worte  des  ndL.  1729:  Dyns  Stammes  bisiu 
eyn  hovet.  Temlick  wert  dat  gesecht,  o  bisschup  guth,  Van  dy  lassen 
uns  im  unklaren. 

v.  967  Tu  flos  pontificum i,  flos  nobiliiatis,  odorem  Floris  diffundis 
undique,  mentis  apex  MWL;  diffundit  (auf  mentis  apex  bezogen)  A. 
Dies  stimmt  zu  ndL.  1737:  Wyde  vorbreydet  dyn  hoghe  sin  Den  rocke 
der  blomen,  war  ick  bin.  Da  die  zweite  person  vorher  und  nachher 
gebraucht  ist  (eris,  vis),  ist  diffundis  wol  vorzuziehen.  Die  änderung 
diffundit  ist  wahrscheinlich  erfolgt,  weil  man  den  vocativ  verkannte. 

v.  993  Vos  ego  nunc  —  —  saluto  M;  ergo  A;  ndL.  1785:  Ick 
grote  juw  uu. 

v.  995  Vos  ego  siueero  complector  corde;  salute  Exopto  vitae  vos 
utriusque  frui  MWL;  ergo  A,  saluto  A,  Excepto  A.  ndL.  1788:  Ick 
grote  jw  van  herien  vorwair.  Got  spare  juw  hyr  und  hyr  na.  Es 
scheint,  als  ob  der  Übersetzer  das  falsche,  aus  dem  ende  von  v.  993 
stammende  saluto  (vielleicht  auch  Excepto)  vor  sich  hatte  und  daher 
mit  v.  996  nichts  rechtes  anzufangen  wusste. 

v.  1021  Post  hanc  qui  dicet  A,  Post  liunc  MW,  Posthac  L,  dicit 
MW.  ndL.  1830:  Mer  we  hir  na  spreckt.  Dicet  ist  wegen  des  folgenden 
erit  1023  vorzuziehen. 

An  den  oben  citierten  stellen  stimmte  X  niemals  allein  mit  P, 
aber  ziemlich  ebenso  oft  mit  A  wie  mit  M  überein,  auch  in  offenbaren 
fehlem;  vgl.  v.  163  acri  AX,  995  saluto  AX,  172  es  MX,  710  tibi 
MX.  v.  143  und  485  hatte  X  das  richtige,  während  AM  die  gleiche 
falsche  lesart  überliefern;  vgl.  unten  s.  9  fg.    Die  in  A  und  M  fehlenden 


ÜBER    DAS    VERHÄLTNIS    DES    LIPPEFLORERS    ZUM    LIPPIFLORIUM  U 

verse  standen  iu  X.  Die  in  AM  (und  den  übrigen  quellen)  vorhandene 
lücke  nach  v.  244  befand  sich  auch  in  X  (vgl.  meine  ausgäbe  s.  98), 
was  auf  gemeinsame  abstammung  schliessen  lässt,  und  zwar  scheinen 
AM  auf  X-hss.  zurückzugehen. 

Das  wichtigste  ergebnis  der  obigen  vergleichung  ist  die  heilung 
von  v.  143,  wo  omne  kursiv  zu  drucken  ist.  Von  den  direkt  überliefer- 
ten lesarten  glaube  ich,  ausser  v.  489  adfluit:  nur  v.  52  Hildens&mensis 
aufnehmen  zu  müssen;  die  position  ens  kommt  bei  dem  deutschen  worte 
nicht  in  betracht.  Dagegen  ist  v.  301  instituitA.  und  restituitM  streitig, 
ebenso  v.  776  iste  (vgl.  v.  41,  136,  172,  727,  780)  A  und  ante  M.  v.  82 
kann  man  mit  Str.  den  naheliegenden  abl.  hoc  statt  hie  der  hss.  als 
conjeetur  aufnehmen,  zumal  auch  v.  473  in  A  hie  statt  hoc  geschrieben 
ist;  auch  ist  v.  241  ferat,  242  Haec  und  963  egregiae  empfehlenswert, 
wie  schon  bemerkt  wurde.  Dagegen  stimme  ich  Strs.  vorschlagen  in 
bezug  auf  v.  703  und  716  nicht  bei.  v.  703:  Quicquid  aget,  vestro 
fadet  moderamine  AL;  MW  haben  faciat,  was  Str.  für  besser  hält  (vgl. 
v.  702  sit  tutus);  aber  faciet  entspricht  dem  in  allen  quellen  überlieferten 
aget.  Ähnlich  ist  es  v.  716:  sit  ratio  praevia,  quicquid  agas  AL.  Hier 
stimmt  agas  zu  sit,  während  das  von  Str.  bevorzugte  ages  MW  aus 
v.  703  in  den  text  gekommen  zu  sein  scheint. 

Auf  v.  483 fg.  des  lateinischen  gedichtes  muss  ich  etwas  näher  ein- 
gehen und  dabei  noch  einmal  auf  einige  früher  bereits  besprochene 
citate  zurückkommen. 

In  Justinus'  berichte  über  die  gründung  des  Lippstädter  Augustiner- 
nonnenklosters zu  St.  Marien  durch  Bernhard  IL  heisst  es: 
Sanxit  in  hoc  popido  jus  spirituale,  quod  kujus 

Ecclesiae  pastor  cum  ratione  regat; 
Praesit  et  ecclesiae,  quarum  proventus  ad  ipsum 
Collegium  speetant,  huic  alimenta  ferat. 
So  überliefern  die  quellen;   doch  ist  zu  bemerken,  dass  M  spectet  statt 
speetant  d.  übr.  bietet. 

Die  erklärungsversuche  Laubmanns  und  Pannenborgs  kann  ich 
hier    übergehen.      Wattenbach    (Gesch. -qu.  2.  bd.  V.  §  12)    hat   ecclesiis, 

quarum spectet  —  —  ferat  vorgeschlagen,  wogegen  ich  auf  grund 

des  ndL.1  ecclesiae,  cujus spectet- ferat  lese.     Strecker  meint 

1)  Hier  heisst  es  v.  896  fg. : 

Eyn  geystlich  gerichte  he  dar  lechte 
Dem  volke"2,  dat.  dar  sy)i  sähe  brechte. 

-)  D.i.  den  nonnen;  vgl.  ndL.  1601:  Bat  voll;  der  kereken  to  Dunemunde  und 
mein  lat.  L.  s.  111. 


]n  ALTHOF 

dagegen,  dass  wir  in  clor  Übersetzung  zwar  eine  treffliehe  controle  hätten, 
aus  der  man  in  vielen  fällen  erkennen  könne,  welche  lesart  der  Über- 
setzer vor  sich  hatte,  dass  sie  jedoch  nur  eine  dritte  Überlieferung  neben 
A  und  M  repräsentiere,  aber  nicht  mehr;  sie  sei  demnach  wertvoll,  um 
eine  lesart  von  A  oder  M  zu  stützen,  doch  könne  von  einer  sicher- 
stellung keine  rede  sein.  Trifft  das  aber  auch  in  diesem  falle  zu,  wo 
AM  imsinn  bieten,  dagegen  der  mit  hilfe  der  Übersetzung  von  mir  re- 
konstruierte text  einen  guten  sinn  gibt?  Aus  dem  von  mir  noch  ein- 
mal geprüften  urkundlichen  materiale  ergibt  sich  aber  mehr  als  dies, 
nämlich,  dass  Wattenbachs  erklärung  „entschieden  falsch",  die  meinige 
dagegen  allein  richtig  ist. 

Ich  mus  szunächst  bemerken,  dass  ich  früher  (s.  110  meines  Lippi- 
tloriums),  durch  AVattenbachs  ansieht  und  die  ungenaue  fassung  einiger 
Lippischer  regesten  (her.  v.  Preuss  und  Falkmann,  4  bde.  1860  —  68) 
veranlasst,  fälschlich  von  einem  propst  der  Lippstädter  marktkirche  ge- 
sprochen habe.  Einen  solchen  hat  es  nicht  gegeben;  der  praepositus 
de  Lyppia,  L.  R.  nr.  1496  v.  j.  1230  (vgl.  auch  u.  a.  nr.  1721  n.  1812), 
ist  lediglich  propst  des  Marienklosters  und  Vorsteher  der  klosterkirche, 
hat  aber  über  die  anderen  kirchen  in  der  sfadt  und  ihre  geistlichen 
nichts  zu  sagen.  Daher  Urkunden  auch  in  nr.  841  v.  j.  1343  neben  dem 
propst  Wilbrand  des  nonnenklosters  die  rectoren  der  Nicolai-  und  der 
Jacobikirche,  sowie  der  propst  Heinrich  der  Augustinereremiten  in  Lipp- 
stadt. Das  zum  nonnenkloster  gehörige,  öfters  genannte  clusorium  extra 
imtros  ist  keine  ecclesia. 

Zu  Justin us'  zeit  erscheint  als  propst  des  nonnenklosters  Thegen- 
hard,  und  zwar  in  nr.  1496  v.  j.  1230,  sowie  in  nr.  220  u.  477  v.j,  1240. 
In  nr.  220  tritt  als  zeuge  neben  ihm  auf  herr  Lutfried,  der  auch  in 
nr.  479  v.  j.  1246  als  priester  unter  den  zeugen  aufgeführt  wird.  In 
nr.  324  v.  26.  juni  1264  wird  unter  den  zeugen  preposüus  Hermannus 
de  Zdppa,   nobüis  de  Lippa  junior  (vgl.  auch  nr.  3146  anm.)  genannt, 

De  riehter  solde  syn  de  fictstor 

In  (/er  selven  kerclcen  vor  dem  kör1 

Und  brühen  dar  der  rede"  syn. 

I  'nrth  solde  der  kerclcen  der  sehe  man 

Vor  syn,  und  diu  vor  all  dal  dar  van  quam, 

Und  all,  dal  he  dar  van  up  bürde. 
Dal  dal  all  tho  dem  (dosier  hörde; 
Mit  host  solden  se  en  besorge/in. 

')  Dem  chore  des  klosters;  vgl.  a.  a.  o.  s.  111. 
*)  =  ratio. 


ÜBER    DAS    VERHÄLTNIS    DES    LIPPEFLORERS    ZUM    LIPPIFLORIUM  1  1 

der  in  nr.  329  v.  23.  febr.  1265  als  regierender  herr  die  Privilegien  von 
Lippstadt  bestätigt.  Dann  fangiert  Lntfried  als  propst  in  nr.  496  v.  j. 
1266.  nr.  349  v.  j.  1269.  nr.  380  v.  j.  1277  und  nr.  507  v.  j.  1280, 
wahrend  in  nr.  515  v.  j.  1290  und  nr.  518  v.  j.  1293  propst  Johann 
genannt  ist. 

In  nr.  2374  v.  j.  1470  beanspruchen  priorin  und  klosterschwestern 
nach  alter  gewohnheit  das  recht  der  wähl  und  Präsentation  ihres  propstes 
in  vacanzfällen  und  bitten  den  erzbischof  von  Köln,  ihren  kandidaten.  den 
Hildesheimer  scholasticus  Simon  von  der  Borch.  zu  bestätigen,  während 
fast  gleichzeitig  (vgl.  ebendas.  anm.)  papstPaulII.  den  nonnen  anzeigt,  dass 
er  einem  anderen,  Bernhard  Duster,  die  stelle  verliehen  habe;  vgl.  auch 
nr.  2387.  Nach  nr.  2398  v.  j.  1471  ist  auf  Bernhards  VII.  vermittelung 
das  abkommen  getroffen,  dass  Simon  die  praislye  (propstei)  erhalten, 
der  päpstliche  kandidat  aber  dessen  nachfolger  werden  soll,  und  ist 
zwischen  den  damaligen  gemeinsamen  besitzern  von  Lippstadt,  den 
regen ten  von  Lippe  und  Cleve,  ausgemacht  worden,  dass  künftig  die 
Verleihung  der  propstei  zwischen  beiden  abwechselnd  ohne  zuthun  des 
anderen  erfolgen  soll. 

Die  Stellung  des  Lippstädter  propstes,  wie  sie  Bernhard  IL  ge- 
schaffen oder  wie  sie  sich  im  laufe  der  zeit  entwickelt  hatte,  entspricht 
dem,  was  Raumer  (Gesch.  d.  Hohenstaufen  6,  256)  über  die  propstei 
sagt:  „In  den  nonnenklöstern  finden  wir -einen  propst  für  die- 
jenigen geschäfte,  welche  frauen  nicht  übernehmen  konnten,  also  für 
gottesdienst,  beichte  u.  dergl.  Dass  sich  von  diesem  punkte  aus  sein 
einfluss  leicht  erweiterte  und  allmählich  wol  auf  alles  und  jedes  er- 
streckte, ist  leicht  einzusehen.  Gewöhnlich  wurde  der  propst  von  den 
nonnen  und  der  äbtissin  gewählt,  dem  bischofe  vorgestellt  und,  sofern 
nicht  befrei ungen  stattfanden,  von  ihm  bestätigt.  Er  versprach  dem 
bischofe,  und  die  übrigen  geistlichen  (seines  klosters)  versprachen  ihm 
gehorsam.1'  Nach  einer  bestimmung  despapstes  Alexander  III.  v.j.  1179  (?) 
sollte  die  zu  einem  kloster  gehörige  gemeinde  (und  mancher  hielt  es 
für  heilbringend,  im  kloster  zu  beichten,  taufen  und  begraben  zu  lassen) 
durch  einen  vom  bischofe  abhängigen  geistlichen  verwaltet  werden;  vgl. 
a.  a.  o.  s.  272 fg. 

Auch  der  propst  des  Lippstädter  nonnenklosters  hat  nach  den  Ur- 
kunden und  dem  Lippiflorium  weltliche  und  geistliche  fnnktionen.  In 
nr.  2581  v.j.  1478  ist  von  der  Vereidigung  des  oben  genannten  Bern- 
hard Duster  auf  die  hergebrachten  Verpflichtungen  die  rede  und  u.  a.  der 
bestimmung  gedacht,  dass  jeder  propst  zugleich  priester  sein  oder  es  im 
nächsten  jähre  werden  solle. 


12  ALTHOF    ÜBER    DAS    VERHÄLTNIS    DES    LIPPEFJ.ORERS    ZUM    LIPPIFLORIUM 

Justinus  sagt  von  dem  propste: 

1.  regat  jus  spirituale;  er  soll  also  auf  die  befolgung  der  das 
kloster  betreffenden  kirchenrechtlichen  Verordnungen  achten,  dasselbe  in 
weltlichen  angelegenheiten,  recbtsgeschäften  usw.  beraten  und  vertreten. 
Dies  geschieht  in  den  Urkunden  nr.  220  v.  j.  1240,  nr.  477  v.  j.  1240, 
nr.  479  v.  j.  1246,  nr.  481  v.  j.  1248,  nr.  496  v.  j.  1266,  nr.  849  v.  j.  1269, 
nr.  380  v.  j.  1277,  nr.  507  v.  j.  1280,  nr.  515  v.  j.  1290,  nr.  516  v.J.  1291, 
nr.  518  v.  j.  1293  usw. 

2.  praesit  et  ecclesiae:  ausserdem  soll  er  der  klosterkirche  vor- 
stehen. Str.  nimmt  an  diesem  et  anstoss  und  meint,  dass  die  werte 
nur  einen  sinn  haben,  wenn  sie  eine  erweiterung  seiner  befugnisse  an- 
deuten. Dies  letztere  ist  auch  in  der  tat  der  fall,  doch  ist  die  erwei- 
terung nicht  so  zu  verstehen,  „dass  er  später  propst  der  noch  im  bau 
begriffenen  kirchen  l  (Wattenbach:  praesit  et  ecclcsi is)  werden  soll",  sondern 
sie  besteht  darin,  dass  er  nicht  nur  kurator  der  nonnen,  sondern  auch 
hauptpastor  der  klosterkirche  ist.  Dieser  Stellung  entspricht  in  nr.  2374 
v.j.  1470  (vgl.  auch  nr.  2581  v.  j.  1478)  die  bezeichnung  praepositus  et 
archidiaconus.  Als  letzterer  hat  er  nach  nr.  299  v.  j.  1258  an  gewissen 
hohen  festen  den  nonnen  servida  delicatissima  zu  ministrieren.  Ihm 
sind  die  anderen  priester  an  der  klosterkirche  unterstellt;  sie  werden  er- 
wähnt in  nr.  299  und  in  nr.  518  v.j.  1293  (zwei  kaplane).  Wenn,  wie 
wir  oben  gesehen  haben,  zeitweilig  ein  laie,  Junker  Hermann,  die  stelle 
eines  propstes  bekleidet,  so  ist  dies  eine  ausnähme. 

3.  Bezüglich  der  Verwendung  des  proventus  ist  zu  berücksichtigen, 
dass  kloster  und  klosterkirche  zwei  juristische  personen  sind  und  als 
solche  besondere  siegel  führen;  vgl.  L.  R.  abb.  der  Siegel  nr.  21  u.  21a 
v.  j.  1291.  Die  einkünfte  des  klosters  kommen  allein  den  nonnen  zu 
gute;  die  der  kirche  sollen  nach  Justinus  (cujus  proventus  ad  ipsum 
Collegium  spectet,  huic  alimenta  feratj  zum  teil  den  nonnen,  zum  teil 
dem  propste  (bezügl.  dessen  priestern)  gebühren. 

Dies  wird  die  ursprüngliche  bestimmung  gewesen  sein;  eine  Ur- 
kunde darüber  besitzen  wir  nicht.  Oder  bezieht  sich  huic  nicht  auf 
den  propst,  wie  der  nd.  Übersetzer  annimmt,  sondern  auf  das  collegium 
der  nonnen,  und  hat  Justinus  die  ihm  sicher  nicht  unbekannten  Ver- 
hältnisse seiner  zeit  im  äuge  gehabt?  Ist  letzteres  der  fall,  so  würde 
sich  daraus  ergeben,  dass  sein  epos  nach  dem  20.  September  1258  ver- 
fasst  ist.  Da  nämlich  die  einkünfte  des  klosters  im  13.  Jahrhundert  noch 
geling,    die    der   klosterkirche    aber   infolge   anwachsens    der   gemeinde 

1)  Dio  klosterkirche  ist  offenbar  das  älteste  gotteshaus  in  der  Stadt. 


NEBERT   HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  13 

offenbar  vermehrt  waren,  so  sahen  sich  nach  nr.  299  an  genanntem 
tage  Bernhard  III.,  sowie  die  consuln  von  Lippstadt  und  der  convent 
des  Marienklosters  zu  der  Verfügung  veranlasst,  dass  die  eeclesia  clau- 
stralis  mit  allen  einkünften  den  nonnen  dienen  solle,  mit  ausnähme 
der  zweiten  messe,  welche  für  die  erforderlichen  kirchenbauten  zu  dienen 
bestimmt  ist.  Dagegen  sollen  die  dem  kloster  gehörigen  korngefälle 
jährlich  in  angemessener  weise  zwischen  dem  propste  und  seinen  priestern 
und  den  nonnen  geteilt  werden.  Überdies  wird  bestimmt  (und  deswegen 
Urkunden  die  städtischen  consuln),  dass  die  cibaria,  que  offerentur  ad 
ecclesiam  beute  Marie  in  foro  (die  städtische  marktkirche)  halb  dem 
propste  und  seinen  priestern,  halb  den  nonnen  gehören  sollen  usw. 
Einige  jähre  später  überweist  in  nr.  496  v.  j.  1266  propst  Lutfried  „um 
der  not  und  des  mangels  der  nonnen  willen"  diesen  die  ertrage  einiger 
der  klosterkirche  (nicht  der  marktkirche,  wie  ich  früher  irrtümlich  an- 
nahm) gemachten  Schenkungen  an  getreide  und  renten. 

In  der  folge  ist  es  nicht  ohne  Streitigkeiten  zwischen  propst  und 
kloster  wegen  der  beiderseitigen  kompetenzen  abgegangen.  Daher  werden 
in  nr.  2576  vom  1.  märz  1478  von  herzog  Johann  von  Cleve  und  Bern- 
hard VII.  zur  Lippe  angesichts  der  von  ihren  vorfahren  gemachten 
Schenkungen  und  Stiftungen  alle  zinsen,  renten  und  guter  verzeichnet 
und  zwischen  dem  propste  und  den  Jungfrauen  mit  beider  Zustimmung 
verteilt.  Der  erstere  soll  u.  a.  die  pfarrkirche  zu  U.  L.  Fr.  mit  allen 
renten  und  aufkünften,  die  geistliche  Jurisdiktion  und  sendwroge  haben. 

Aus  obigem  geht  hervor,  dass  v.  485  die  lesart  der  von  dem  nd. 
Übersetzer  benutzten  hs.  des  Lippifloriums  in  jeder  hinsieht  unanfechtbar 
ist  und  allein  der  geschichtlichen  Überlieferung  entspricht. 

WEIMAR,    IM    OKTOBER    1901.  HERMANN    ALTHOF. 


DIE  HEIDELBERGER  HANDSCHRIFT  641   UND  DIE 

ST.  FLORIAXER  HANDSCHRIFT  XI  284  DER  PREDIGTEN  DES 

NIKOLAUS  VON  STRASSBURG. 

Von  den  beiden  haupthandschriften  der  predigten  des  Nikolaus 
von  Strassburg,  der  Heidelberger  A  nr.  641  und  der  St.  Florianer  C 
XI  284  hat  Pfeiffer  (Deutsche  mystiker  des  14.  Jahrhunderts  bd.  I)  nur 
die  Heidelberger  vollständig,  von  der  St.  Florianer  dagegen  nur  die  erste 
predigt  benutzt,  welche  Hoffmann  von  Fallersleben  in  den  Altdeutschen 
blättern  2,167—172  veröffentlicht  hatte.  Der  gebrauch  der  handschrift 
selbst  ist  ihm  versagt  geblieben.    Im  folgenden  werden  nun  zum  ersten 


14  NEBBRT 

male  alle  lesarten  der  St.  Florianer  Handschrift,  welche  vom  Pfeifferschen 
texte  verschieden  sind,  abgedruckt,  und  zugleich  werden  die  ergebnisse 
einer  erneuten  vergleichung  der  Heidelberger  Handschrift  bekannt  ge- 
macht. Pfeiffer  hat  zwar,  wie  er  a.  a.  o.  einleitung  s.  XXIV  sagt,  nur 
selten  veranlassung  gefunden,  von  A  abzuweichen,  aber  sein  text  zeigt 
doch,  dass  er  diesem  Vorsätze  nicht  treu  geblieben  ist.  Für  die  beur- 
teilung  des  textes  und  für  eine  neue  ausgäbe  der  predigten  werden 
deshalb  auch  diese  Varianten  von  nutzen  sein. 

Den  lesarten  sollen  einige  bemerkungen  über  die  beschaffenheit, 
den  dialekt,  das  alter,  den  wrert  und  das  Verhältnis  der  beiden  Hand- 
schriften vorausgeschickt  werden. 

1.  Über  die  beschaffenheit  der  Heidelberger  Handschrift  A  berichtet 
Pfeiffer  S.  XXII  fgg.  das  wissenswerte.  Die  Handschrift  C,  welche  sich 
in  der  Stiftsbibliothek  zu  St.  Florian  bei  Linz  in  Oberösterreich  befindet, 
trägt  die  Signatur  XI  284,  hat  das  format  kl.  4°  und  enthält  95  perga- 
mentblätter.  Sie  ist  sehr  sauber  und  sorgfältig  geschrieben  und  viel 
gebraucht,  was  man  aus  den  rechts  unten  abgegriffenen  blättern  schliessen 
muss.  Unsere  predigten  stehen  darin  auf  48  gespaltenen  blättern,  jedoch 
ist  von  dem  48.  blatt  nur  die  erste  seite  und  davon  wieder  die  erste 
spalte  ganz  und  die  zweite  nur  mit  drei  zeilen  beschrieben.  An  dem 
ran  de  des  ersten  blattes  ist  ein  lesezeichen  aus  leder  befestigt.  Den 
predigten  des  Nikolaus  von  Strassburg  geht  voraus  Der  veter  bnoch, 
welches  von  Palm  nach  einer  Breslauer  handschrift  Stuttgart  1863 
(Litterarischer  verein  72)  herausgegeben  ist,  es  folgt  ihnen  eine  fronleich- 
namspredigt  mit  der  Überschrift:  Dis  ist  ein  bredie  von  ünsers  herren 
fronlichamen.   Über  beide  stücke  werde  ich  mich  ein  anderes  mal  äussern. 

2.  Beide  handschriften  sind  alemannisch  (vgl.  Zeitschr.  33,  466), 
C  im  besonderen  ist  wahrscheinlich  in  Südalemannien  entstanden.  Darauf 
scheinen  mir  hinzuweisen:  dien  (dat.  pl.  von  der),  welches  16  mal  auf- 
tritt (vgl.  Zeitschr.  33,  468  und  Weinhold,  Alem.  gr.  §  419)  und  die 
formen  vom  verbum  stein  mit  ä:  xe  ivider stände ,  xe  widerstänne,  xe 
verstenne,  stände  (vgl.  Zeitschr.  33,  472  und  Weinhold,  Alem.  gr.  §  35). 

3.  Beide  handschriften  stammen  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Die 
frage,  welche  die  ältere  sei,  lässt  sich   auf  folgende  weise  entscheiden: 

a)  C  hat  den  wandel  von  ä>6  niemals,  A  nur  10  mal  und  davon 
8  mal  in  dum  ortsadverbium  da,  welches  mit  dem  temporalen  dö  leicht 
verwechselt  werden  konnte.  Da  nun  das  Alemannische  und  im  be- 
sonderen die  Urkunden  von  Freiburg  i.  Br.  erst  um  1350  mit  dem 
Übergang  von  ä>ö  beginnen  (vgl.  Zeitschr.  33,  472  und  Weinhold, 
Alem.  gr.  §  44),  so  wird  die  handschrift  A,  worauf  die  beschränkte  aus- 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  15 

dehnimg  des  lautwandels  hinweist,  bald  nach  1350,  die  handschrift  C 
dagegen  vor  1350  entstanden  sein. 

b)  In  der  1.  pl.  praes.  und  praet.  hat  die  handschrift  C  nur  1  bei- 
spiel  mit  sekundärem  t  am  ende,  die  handschrift  A  dagegen  18,  in  der 
3.  pl.  praet.  hat  die  handschrift  C  3  beispiele  mit  sekundärem  t  am  ende, 
die  handschrift  A  dagegen  8.  Daraus  geht  hervor,  dass  die  handschrift  A 
aus  einer  zeit  stammt,  wo  diese  sekundäre  entwicklung  schon  weiter 
vorgeschritten  war,  als  es  in  C  der  fall  ist.  Die  handschrift  A  muss 
also  jünger  sein  als  die  handschrift  C  (vgl.  Zeitschr.  33,  483  fg.). 

c)  Zu  demselben  ergebnis  führt  schliesslich  die  betrachtung  des 
sekundären  d.  Die  handschrift  C  hat  das  sekundäre  d  im  gen.  und  dat. 
des  gerundiums  in  der  regel  nicht,  es  treten  nur  9  fälle  mit  d  auf,  die 
handschrift  A  dagegen  hat  dieses  d  fast  durchgehends.  Daraus  muss 
analog  dem  punkte  b)  geschlossen  werden,  dass  A  jünger  ist  als  C 
(vgl.  Zeitschr.  33,  482). 

4.  Den  wert  und  das  Verhältnis  der  beiden  handschriften  zu  ein- 
ander wird  folgende  vergleichung  der  wichtigsten  lesarten  zeigen: 

A  C 

261,  20 fg.  Nu  meint  si  dax  er  Nu  meinet  si   dax    er   ir  süne 

ir  süne  set\e  in  die  vereinunge  setze  in  die  vereinunge  gotlicher 
göttelicher  nature  und  mensch-  und  menschlicher  nature  wan  dar 
licher  nature  und  sprach  do  da  inne  werdent  siu  alle  selig  in  der 
miuuent  si  in  etc.  vereinunge  gotlicher  und   mensch- 

licher    nature     und     sprach      da 
minnent  siu  in  etc. 
C  hat  die  richtige  lesart,   denn  der  Schreiber  von  A   hat  infolge  flüch- 
tigen  abspringens  vom   ersten   nature  auf  das   zweite    die   begründung 
ivan  —  nature  ausgelassen. 

261,  25  fg.     Wir   sint    in    der  Wir  sien  i)i  der  kleinen  schule 

kleinen  schule gelert  und  rat  uns  etc.      er  leret  und  ratet  uns  etc. 
C  hat  die  richtige  lesart,  A  gibt  keinen  sinn. 
261,  29fg.  Du  dritte  schule  ist  Die  dritte  schule  ist  dax  ewige 

dax   ist  dax  ewige  leben.  teben. 

C  hat  die  richtige  lesart,  in  A  ist  ist  dax  doppelt  geschrieben; 
ebenso  verhält  es  sich  desgleichen  bei  den  auslassungen: 

264,  2 fg.  lihent  mirs  er  verseil  lihent  mir  es  run >  rehter  xime- 

mir  wol  von  rehter  ximelicheit  lichi  enmag  er  siner  swester  nit 
mag  er  siner  swester  nüt  versagen  versagen  so  er  mir  wol  zimlich 
so  er  mir  wol  ximlich  verseit.  verseil. 


1 6  NEBERT 

262,  23.  niena  den  in  himel-  niene   denne   in   deme   himel- 

riche.  riche. 

262,   34.     und    deste    heinlich  und    deste    bas    dir    heimlich 

muhte  bi  dir  sin.  mShte  sin. 

264,  19  fehlt.  hinter  flammen  steht    Und  im 

antwürt  abraham. 

266,  2.  Ja  sprach  er  ich  bekenne  

üch  wol  inirf  weis  ivol  wer  ir  sint.  .  .  und  weist  du  wol  teer  ich  bin. 

Die  lesart  von  C,  mit  der  B  übereinstimmt,  macht  den  dialog 
lebendiger. 

268,  32  fehlt.  nach    xal   steht:    aber   uns   ist 

gegeben  über  masse  der  xale. 
C   hat  die  in  A  fehlende  notwendige   Vervollständigung    des  ge- 
dankens. 

269,  36.  er  sprach  ia  er  kumet  Er  sprach  ia  er  tut  reht  als 
inen  xe  helfe  und  tuot  rehte  als     du  muter  etc. 

diu  muter  etc. 

In  A  ist  er  kumet  inen  xe  helfe  überflüssig,  da  es  kurz  vorher 
schon  gesagt  ist.     B  stimmt  mit  A  überein. 

270,  1.  ander  der  bürdi.  dar  under. 

271,  1.  dax  dax  ist.  dax  da  ist. 

272,  38  fehlt.  hinter  lichamen  steht:  ane  allein 

du  gehörde. 
Die  lesart  von  C  drückt  die  durch  den  Zusammenhang  geforderte 
ausnähme  aus. 

272,  40.    hinter  gehörde  steht:  fehlt. 
die  huret. 

In  diesem  falle  verdient  die  lesart  von  A  den  vorzug. 

273,  4.  unsern  herren.  unser s  herren  fronlichame. 

C  hat  die  genauere  und  bessere  lesart,  die  sich  auch  in  B  findet. 

273,  25fg.  wenne  ein  mensche  wenne  ein  mensch  ein  tötsünde 
eine  tötsünde  getüt  und  so  er  wider  tut  so  ist  edles  das  tot,  dax  er  ie 
nf  gestat  so  werdent  die  guten  gutes  getet  und  so  er  wider  ufge- 
werg  wider  lebende.                               stat  so  werdent  etc. 

C  hat  die  richtige  lesart,  weil  in  ihr  die  folge  der  tötsünde  zum 
ausdruGk  kommt. 

274,  36 fg.  lihte  als  mit  eime  licht  als  mit  eime  gedanke  in 
vwi/vel  ald   mit  andern   linsen  ge-  einen  xivivel. 

denke  ii. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  17 

Die  lesart  von  C  entspricht  274,  36. 
275,  4fg.  fehlt.  Er   weis   wol  dax   er  eine  tot- 

sünde  nüt  da  ist. 
Die  lesart  von  C  ist  notwendig,  ähnlich  B. 
275,  36fg.  min  man  din  kneht  min    man    diu    kneht   der    ist 

ist   tot  min  man    der  dir  dienen      tot  min  man   der  min  consciencie 
solte.  rihten    solte    din    kneht    der    dir 

dienen  solte. 
Die  scheidung_  von  man  und  kneht  macht  die  lesart  von  C  klarer, 
sie  verdient  deshalb  den  vorzug;  ähnlich  B. 

277,   15  fg.    wie    sont    ir    tun  wie  sülen  wir  tun  Das  sag  ich 

haut  ir  war  geseit  uf  in  so  soltu      dir   Hast    du    war  geseit   solt    du 
gan  etc.  doch  gan  etc. 

C  hat  die  richtigen  pronomina  wir  und  du,  Das  sag  ich  dir  leitet 
die  auf  die  vorhergehende  frage  folgende  antwort  ein  und  macht  dadurch 
die  ganze  stelle  zumal  für  den  hörer  verständlicher,  doch  drückt  das 
zwischen  den  beiden  sätzen  bestehende  konzessive  Verhältnis  aus. 

279,  18.  doch  der  nach.  och  dar  nach. 

C  hat  in  Übereinstimmung  mit  B  die  richtige  lesart,  denn  doch 
in  A  gibt  keinen  sinn. 

280,  26.  mit  edlen  den  dingen.  mit  midenne   aller  der  dingen. 

A  drückt  gerade  das  gegenteil  von  dem  aus,  was  ausgedrückt 
werden  soll. 

280,  35.  mit  hienger  mit  durste  mit  frost  fehlt. 
mit  frost  mit  smeichcite  etc. 

Die  lesart  von  C  verdient  den  vorzug,  da  Christus  unter  frost 
nicht  gelitten  haben  mag  und  der  zusatz  altformelhaft  ist, 

281,  8 fg.  Man  git  im  sinen  teil  

eds  dem  der  da  bi  dem  vatter  was      hi  dem  vedter  /ras  iran 

als  sin  geelingeter  kneht.    Also  ist      er   sin  natürlicher   sun    was    dar 
es  etc.  umb  wart  im  sin  erbe  aber  meng- 

lich strichet  dax  es  dem  ximlicher 
werde  der  da  bi  deine  vatter  was 
eds  sin  gedingeter  kneht  also  ist 
es  etc. 

In  A  fehlt  der  grund,  weshalb  der  söhn,  der  in  die  fremde  ge- 
gangen war,  sein  erbteil  erhielt.  Der  Schreiber  von  A  ist  wahrschein- 
lich von  dem  ersten  bi  dem  vatter  ivas  auf  das  zweite  übergesprungen. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.   XXXIV.  2 


18  NEBERT 

281,  30  fg.  daz  wax  ein  ver-  daz  was  alles  ein  verdienen  und 
dienen  und  wax  alles  ein  verdienen     was  alles  unser. 

und  ivaz  alles  unser. 

In  A  liegen  wieder  dittographien  vor. 
282,  26.  Er  sprach  herre  ivaz  du  Er  sprach  Meister  nu  sag  Unser 

ivilt.     Er  sprach  etc.  herre  sprach. 

Die  lesart  von  C  ist  deutlicher,  auch  B  hat  maister. 

282,  32 fg.  hinter  vergeben  heisst  Unser  herre  sprach  Du  hast 
es:  Sich  da  von  hei  disiu  vil  ge-  reht  gesagt  Sihe  davon  wem  disü 
minnet  da  von  ist  ir  och  vil  ver-  vil  geminnet  hat  davo7i  ist  ir  och 
geben.                                                       vil  vergeben. 

C  hat  die  klare  und  bessere  lesart. 
284,  2.   wart  der  bihter  ist  ein  wart  der  priester  ist,  ein  kenel. 

kener. 

285,22  fehlt.  hinter  ir  tünde  steht:  und  iver- 

dent  merü  tünde. 
Die  lesart  von  C  ist  unentbehrlich,  Aveil  die  folgenden  worte  darauf 
bezug  nehmen. 

286,  19  fehlt.  hinter  bekant  steht:    denne   er- 

ror ie  keiner  kreature  bekant  wurde. 
Der  vorhergehende  komparativ  vernünfteklicher  bekant  macht  die 
lesart  von  C  notwendig. 

290,  4.  und  einen  vernünftigen  und  einen  redlichen   oder  ver- 

willen.  uünftigen  willen. 

Dass  C  die  richtige  lesart  hat,  zeigen  290,  19.  30,  wo  A  und  C 
übereinstimmend  dem  natürlichen  willen  den  redlichen  gegenüber- 
stellen. 

290,  28 fg.  und  in  disem  under-  und  in  dem  undergange  ünsers 

gange  unsers  natürlichen  willen  lit      natürlichen  willen  lit  uns  och  ewig 
in  uns  och  ewig  leben.  leben. 

Der  sinn  des  satzes  erfordert  „für  uns"  nicht  „in  uns". 
290,  34.  doch  gar  wening.  doch  bor  vil  oder  nüt. 

Die  in  den  Worten  von  C  liegende  ironie  hat  der  Schreiber  von  A 
nicht  verstanden. 

290,  34  fehlt.  hinter  gewaltig  steht:  Und  denne 

sin  wir  ir  gewaltig  so  dir  natür- 
liche etc. 


HANDSCHRIFTEN    HKS    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  19 

C  hat  die  notwendige  folgerung  zu  dem  folgenden  bedingungssatz. 

291,  15.   Die  ander  sacke   von  Die  ander  sacke  von  der  Sant 

der  er  seit  daz  waz  dax  Kristus      Augustinas  seit  du  Kristo  sin  liden 

ein  fürste  wax  etc.  swerote  dax  was  dax  er  ein  fürste 

was  etc. 

C  hat  die  deutliche  und  bessere  lesart,  während  es  nach  A  nicht 
nur  für  den  hörer,  sondern  auch  für  den  leser  unklar  bleiben  kann, 
wer  mit  er  gemeint  ist.  Zwar  heisst  es  am  anfang  dieser  (X.)  predigt: 
Aber  sünderlieh  von  xwein  dingen  sprach  saut  Augustinus,  diu  im 
sin  liden  swereten,  aber  das  liegt  weit  zurück. 

291,  19.  dax  got  der  obersten  dax  got  die  frode  der  obersten 
kraft  also  uf  enthielt.                           kraft  also  uf  entkielt. 

In  A  fehlt  das  akkusativobjekt. 

292,  3.  Der  wurde  ir  von  ireu  Der  wurde  ir  vor  ir  Ögen  er- 
ougen  ertötet.                                           tötet. 

Die  lesart  von  A  beruht  auf  einer  verschreibung. 
292,  11  fg.  underlas  in  der  got-  uuderhix   in  der  gotheit  iewirs 

heit  nach  der  obersten  kraft  in  also      im  wart  ivan  sin  sele  du  spilet  in 
grosser  rickeit  und  frode  etc.  der  gotheit  nach  der  obrosten  kraft 

in  als  grozer  rickeit  etc. 

Die   lesart  von   C    ist   richtig,    weil   sie   in    ie  wirs   im   wart  das 

notwendige  korrekt  zu  ie  mer  er  bekunde  (292,  8)  enthält.    Der  Schreiber 

von  A  oder  der  seiner  vorläge  ist  wahrscheinlich  von  dem  ersten  gotkeit 

auf  das  zweite  übergesprungen  und  hat  so  ie  ivirs  —  gotheit  ausgelassen. 

294,  35 fg.  Als  der  einen  Spiegel  Der  einen  Spiegel  breche  in  tu- 
breche  in  tuseut  stücke  so  sehe  der  sent  stücke  so  sehe  sich  der  mensch 
mensche  sich  in  eime  ieglichen  ivol  in  eime  ieklicheu  stuk  sun- 
stücke   so   sehe  sich   der   mensche      derlich. 

sünderlich  ivol. 

Die  lesart  von  C  ist  besser,  weil  sie  die  beiden  sätze  in  A,  die 
einen  einheitlichen  gedanken  ausdrücken,  zu  einer  einheit  zusammen- 
gezogen hat. 

295,  31.  Und  als  vil  ir  ück  von  zu 

im  ßgent.  im  fügent. 

A  sagt  das  gegenteil  von  dem,  was  gesagt  werden  soll. 
297,  3fg.   Wein  als  vil  wir  im  Wem  als  vil  als  wir  im  kie  ere 

hie  eren  bietent  in   unser  xit  und      bieten  in  diser  xit  und  ime  danken 
im  duulwu  nach  unser  müglicheit      nach    ünserre    muglicheit    als    eil 


20  NEBKRT 

als  vil  sün  ivir  eweklich  deste  nie  sühn  wir  ewklick  deste  me  von 
von  im  geeret  werden  des  helfe  uns  im  geeret  werden  Daz  ivir  in  hie 
got  amen.  also  geeren    daz  wir  eivlüich  von 

im   geeret    iverden   des   helfe    uns 
got  Amen. 
Der  Schreiber  von  A  scheint  auch  hier  vom  ersten  geeret  werden 
auf  das  zweite  übergesprungen  zu  sein. 

298,  20fgg.    Do  er  daz  ivasser  Er  zierte  do  daz  wasser  do  er 

zierte  daz  waz  do  er  sinen  i ungern,      sincn  iungern  die  fasse  tvüsch  in 
die   fasse    wusch   us  dem    ivasser.      dem  wasser  und  do  zierte  er  den 
Do  er  den  luft  zierte  daz  waz  do      luft  do  er  in  sinen  lieiligen  fron- 
er  inen   sinen  heiligen  fronen  li-      lichamen  gab. 
chamen  gap. 

Der  zu  gründe  liegende  gedanke  wird  allein  in  C  in  korrekter 
form  ausgedrückt. 

298,  39.  der  kleidet  sine  knehte  der  kleidet  sine  Jcnehte  mit  dem 

mit  dem  sune  ze  eren.  sun  dem  sune  ze  eren. 

Das  in  A  fehlende  dem  sune  ist  unentbehrlich. 
300,  37.  in  die  stat.  stat  fehlt. 

A  hat  hier  die  richtige  lesart. 

300,  39.   daz  du  pfert  als  als  daz  du  pferit  als  unmaterilich 
unmaterüich   wereu    und    daz   ir     iveren  daz  irü  bilde  etc. 

bilde  etc. 

A  hat  als  zweimal  und  und  ohne  sinn  geschrieben. 

301,  3fg.  so  sehe  er  in  im  selben  so  sehe  er  in  im  selber  weler 
keren  so  sehe  er  weler  hande  crea-     liand  kreature  er  wölte. 

iure  er  ivolte. 

Die  lesart  von  A  giebt  keinen  sinn;  der  Schreiber  hat  keren  der 
vorhergehenden  zeile  noch  einmal  geschrieben  und  dann  wieder  mit  so 
sehe  er  angefangen. 

302,  12  fehlt.  iverde. 
C  hat  die  richtige  lesart. 

304,  25.    sin  geivant   was  als  sin  geivant  ivis  als  der  sne  (als 

der  sne.  prädikat  aus  dem  vorhergehenden 

satze  wart  zu  ergänzen). 
was  in  A  ist  offenbar  aus  wis  verschrieben. 
304,  34.  dex  dunkel  es  sich  un-  fehlt. 

wirdig  durch  got  ze  lidende. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  21 

Die  in  A  überlieferte  stelle  stört  den  sinn  des  satzes.  B  ist  A 
ähnlich  aber  stark  erweitert. 

305,  18fg.    Qolöbestu    dax    die  hinter    lebende    heisst    es:    Do 

sunnedax  mag geivürken.  und  edlen  sprach  er  Globest  du  eleix  du  sunne 
dingen  dax  der  me  müge  gewürken  dax  mag  gewürken  und  globest 
war  nmbe  xtvivelst  du.  nüt   daz   der   der   der  saunen   ir 

kraft   gif    und    alten    dingen    d<t\ 
der  die   toten    mug    erkicken    war 
umb  xivifelcst  du. 
Der   Schreiber  von  A   hat  einen   ganzen   satz   ausgelassen.     B   ist 
C  ähnlich. 

305,  33.  geruch.  gar  ruh. 

Schreibfehler  in  A. 

Ausser  diesen  lesarten  gibt  es  noch  eine  grosse  anzahl,  bei  denen 
man  C  ohne  bedenken  den  vorzug  geben  muss,  obwol  A  an  und  für 
sich  gelten  könnte.  Dass  A  die  bessere  lesart  hat,  gehört  zu  den  sel- 
tenen ausnahmen.  Wir  haben  somit  das  ergebnis,  dass  die  handschrift  C 
viel  wertvoller  ist  als  die  handschrift  A;  bei  einer  neuen  ausgäbe  der 
predigten  wird  sie  die  grundlage  des  textes  bilden  müssen. 

Was  das  Verhältnis  der  beiden  handschriften  zu  einander  betrifft, 
so  ist  es  sicher,  dass  A  aus  C  nicht  direkt  abgeschrieben  ist,  beide 
scheinen  verschiedene  vorlagen  gehabt  zu  haben.  Die  gleiche  anzahl 
der  predigten  in  beiden  handschriften  erklärt  sich  aus  der  tatsache,  dass 
beide  dem  original  an  alter  nahe  stehen. 

I.   Handschrift  C. 

Überschrift:  Dis  sint  bredien  brüder  Nielaus  von  Strasburg  des  lesmeisters  bredier 

Ordens  (rot). 

261  (nach  Pfeiffer,  .Mystiker  1,  261fgg.). 
2  Wan,  hütte,  unser  3  heimlich,  und  5  verdampnende ,  geislende,  krüxi- 
yende  6  verspiende,  sri  7  töde,1  h'n  8  fröice.  iohänes,  iacobs  9  unser,  fronen, 
hies,  maria,  ünserm  10  spch,\und,  herr,  das,  siine  11  rechten,  hand  12  ant- 
tvürt,  unser,  uii.  enivissent  13  sü  14  das  15  unser,  herr.  16  hand,  uii,  das 
(erstes  in  der  zeile),  ich  es  äch  17  es,  bereitet.  Was  18  hand,  xü  ds  linggen, 
da  (für  dax),  liand  19  die,  hand,  und,  die  menscheit,  si  die  lingge  hand  20  got- 
lieher  un  meschlicher  nature  22  hinter  selig  steht:  in  di  vereinunge  gStlicher  und 
menschlicher  nature.  da  23  Unser  h'r  24  nam  sine  iung'n  x/i  im  alder  sine 
Schüler,  sien  25  drier  hand  schäle,  sien  26  uns  27  uns  28  die  grox  schule, 
die  helle     29  Die  dritte  schule     30  ewig"     32  uns     33  nit 

1)  Die  länge  wird  nur  an  den  stellen  bezeichnet,  wo  sie  handschriftlich  be- 
zeugt ist. 


22  NEBRRT 

262. 

1  (lerne  neide,  Strasse,  es      3  gegenwürtkeit ,   eigennen     4  enbin,   aber  fehlt 

6  <7</.v      7  form,    es      8  mV,  eigenen  forme     10  sülcnu     11  vorhfe.   n/t,  xe  ruggen, 

sü In),  uns     12  x inilich'     13  s*Ae£,  dorfman  (für  gebure),  ns  einem  dorfe     14  «sse£, 

tische    isset      15    cimlich,    Stilen,  uns      16  ünserm ,   die,    uns      17  se  tnonde  fehlt, 

ihiserm     18  /r'e«  (für  /veri/i)     19  sülen,  unser,  unser     20  f/«s     21   ^'».s-.  natürlich 

22  ^s     23  Z>as     25  der  se/6     26  eivekliche,  bi  inte,  starb     27  schämlichen,  todes, 

1/rr:       30  andr/'t,   von  ussen,  dis      32  £oefe      33  hetti,   schenxli      34  glichte,   bas, 

heimlich      36  xe  kosenne,  glich      37   allein      38  fZ«s,  mugest,   sag'  mir,   es,   ime 

40  se/o 

263. 

1  dankberlceite,  machte  andacht  3  unmessiger,  ximberman  Adas  5  s  ander ine, 

hitxigen     6  vergesse    7  «r  so»/  wissen,  sitxet     8  obrosten,  throne,  alse  bid'beman 

9  iügsten    10  richtet,  Wem  do  sunt  Paulus    11  unser     12  t öde     13  /nit  inen,  gexüge, 

urstendi     14  re&£  gexüge,  es     17  altaren     18  gewer  got     19  ^rroxe  w<m  anders  (für 

wwd  anders)      20  raa&      21  7(7«  sprich  (ich,  /ins      22  r/e)?,  gotxhus,  das     23  saera- 

mente,   uf  deme   altare      24   dnser,  geturren      25    i'inseren  gebresten      26  geturren 

27  jms,  wie  wir  in  enphange  habe  (iüv  so  wir  in  etc.)     28  mugen ,  mugen ,  betrachten 

30.  unser,  unser,  unser,  Ja  er  ist  da  unser  ratter     31    unser  bnlder     32  geturstig 

33  <*ms,  rechter,   ximlicheit     34  i'iuscr     35  od*  (für  o/<7)     36  Frankrich,  ein  swester 

hette  im  er  hetti  ein  hus     37  *'cA  ermnn  üch     39  m*r  es,  kun/ct     40  spricht, 

264. 

1  icA  ermane  üch  2  »m*  es,  enmag,  nit  4  gerechtikeit  5  rfres  6  »&,  ^oer 
dwzes  vatter  7  s«/e«  8  unmessiger .  ximberman  9  #*o,  f/as,  lebenes  10  ewklich 
Es  folgen  noch  die  worte:  D?-'se  begirde  un  bekenne  wirdikeit  des  sacramentes 
mag  von  minnen  als  gröxlieh  enxundet  werden  so  der  mensch  gedenket  der  minne, 
in  der  er  sich  gegeben  hat  in  des  priesters  huud  under  dem  sehine  des  brotes  und 
den  nutx,  der  uns  davon  kumet,  so  mochte  der  mensche  wol  von  minne  xerfliessen 
und  ist  nüt  muglieh  dax  da  ichtes  rerxigen  /verde.  Nu  sülent  ir  selten  was  ir 
groxer  minne  schuldig  iverent  gegen  diser  minne.  Und  von  uns  hie  eins  rehten 
leeres  des  willen  und  der  minne  gebristet  dax  si  xe  klein  ist  dax  muox  erfülle! 
/verde/)  in  dem  reg  füre  mit  unsere  eigenen  koste.  Wan  minne  der  mttx  eint/veder 
gebresten  oder  aber  ent/virten     Ende   der  I.  predigt. 

Anfang  der  II.  predigt.     Am  anfang  steht:  Brüder  Nielaus  (rot). 

12  habe,  /vortlin,  us  13  n/an.  h'n  14  Abrahams,  schoxe,  starb  15  helle, 
sah,  ivüne,  fröde  16  gestatte  es,  das  17  minsten,  stosse,  nasser  18  lasse,  nim 
19  verbrinne,  idmerliche,  hinter  flammen  stellt:  Und  im  antwürt  abraha/n ,  es 
21  aber  (für  und),  nit  22  es,  umbe  gekeret,  bist  du  23  fröde,  und  mag  24  und 
dir  mag  niemer  me,  beschehen,  es,  enx/vüschent  25  üch,  dax  von  uns  nieman  xü 
üch  komen  mag  //och  von  üch  xü  uns  26  ml/van  27  deme  minsten  28  tropflin, 
minsten,  vröde,  sü,  Itaheut,  allü  29  w'e,  lebenes  30  da  31  der  mit,  lustiger, 
//au  er  hatte  si  dike  genomen  33  gisset,  geschiftet  34  was,  saget,  geschach  es  och. 
umb  den  riehen  man  35  niuran,  überflüssikeit  36  und  an  kleidem,  dar  umbe 
37  klegte,  umb,  unerbarmherxikeit 

265. 

3  ime,  erbermde,  /ran  sine  Kunde  4  nit  5  Pfenning  unrecMutiges ,  hetti, 
nur  fehlt,  dafür  steht:   er  behielt  es  aber  unreht      6  sont,   /rissen,  got,   hinter  ist 


HANDSCHRIFTEN    DKS    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  23 

steht:  an  ims,  crbarmherxikeit  7  an  uns  fehlt,  ist  (für  enist),  uns,  unerbarm- 
herxikeit  9  ein  xungen,  /ran  (für  und),  hat  10  .Das,  8*c&,  Es  11  #i£W, 
krcften .     ir/i    werk,    dien,    sü    sehet/t       12    gehorch    (für    ffev     s*    hoerent)    spehx 

14  lcumet,  so  (für  das  erste  noch},  enhSrt  er  nit  noch  enspriehet  nit  15  mensch, 
Mite,  (jesihct  16  icol  fehlt  17  e»M£,  c/ikeins,  doch  fehlt,  hinter  o?/</e//  fehlt  diu 
er  vor  hat  18  und  allü  du  gelider  19  die.  hatte,  kamt,  die  geistlich  kraft  20  /W. 
f/as,  oVs  rd/es.  Aa#e  21  ricA  man,  ein  tungen  22  rfze  in  der  tungen  wa%,  die 
lebet,  in  ewiger  pine  23  oder  (für  ald)  fröde,  es  24  ach,  ein  rede,  hefte  25  en- 
neme,  oder  (für  ald).  eine  anhabe  26  D/s  rede,  eitnc  briefe  27  e??»e  hsren,  alse. 
erbarmherxig ,  das  28  keinen  armen  sinem  29  lebenne,  mit  30  Zie&  sm  erbarm- 
hsxkeit  31  £#»,  W/  es  32  m7  we  (für  nüme)  33  «wser  aZweff  (für  allewent),  cr- 
barmherxigen  35  schlafe,  lies,  dingen  36  aZs,  gemaehct  37  a/Ve*.  erwachet,  hatte. 
es     38  tfrSra,  enachtet,  hubschliche     39  getromet    Unser,  lassen,  ime     40  aYe 

266. 

2  hinter  //-o/  steht:  ?///d  we*si  dw  /red  wer  w?A  fei«  (für  w«d  weis  woZ  wer  «V 
.sv'///}  3  /a.  de»  4  andren,  nacht,  /reist  du  dax  irol  dax  ich  es  hin  0  hörest  du 
mich  7  /reist  du  8  /reis  es.  /ras  fast  du  irtxc  9  /ich.  /reist  du  dax  wol  dax  du 
mit  mir  gast,  ja,  fehlt,  /reis  10  es.  /ras  11  sü  12  slaffent.  /ras  t/'h/t  dinu  oren, 
s/i  liörent  mit.    /ras      13   beschlosse?i ,    mV,    was      14  /}?sse,    »SVr,    wwd  engant  nit 

15  hinter  re«2  ist  eingeschoben :  Er  sprach,  schuld,  das1  16  licham  17  schlöffet, 
Sih.  als,  hat.  ü//scr.  umb  din  erbarmh'xkeit  18  gexeiget  19  dis,  geistlich  kraft 
20  kumt,  mit  21  xSigie,  die  schoenen  guldinen  stat  22  raaeA,  süsseste  23  sma&, 
ws,  d üchte,  solichs  24  befunde  25  ai/es,  schönsten  26  ^Wi»  27  ?asse,  ///d 
28  5iA,  es,  e/as,  paradys,  helias  29  s/ilent,  iungsten  30  erbermde,  nit  me  (für 
uünii]  32  vrSden,  Dis.  erwarb,  erbarmherxikeit  33  unser,  unglöben,  umb,  gern 
34  erbarmherxig ,  wi,  anders  fehlt,  gepinget  35  danne  (für  ?/•«;?),  wwfe,  unerbarm- 
herxikeit ,  was ,  abrahams  36  schösse,  unser,  hat  37  e/cklich.  iügsten,  das  (zweites) 
38  regfür,  unser     39  starp,  mit     40  erstarb,  es,  was,  u/anige,  tot 

267. 

1  m&,  im  2  xe  ersterbene  3  fe'r,  es,  /'/>/.  ancVest  (für  anderwarbe)  4  xe 
ersterbene  5  xe  gerichte  sas,  es  6  se  gerichte,  gesessen,  gerihten  7  rehteten, 
alle  fehlt,  iungste  8  erstarb  9  w«te,  mensch  10  es,  &e  himelriche,  möchte,  sü, 
füren,  die  stat,  der  vorhelle  fehlt  11  oder  (für  a/d),  s«  12  gebessert,  edse,  s/i2 
13  i«  das  hinielrich  14  abrahames .  schoxe  15  gegeben  fehlt  16  em  seeA  w/d/e 
i/rnirn,  als  17  iwe,  opher,  einbornen  18  des  fehlt  19  die  die  darnach  stürben, 
alder,  sü,  gebessert  20  /V/r  sie/i  fehlt,  schösse  21  »0/  gebessert  hattent,  in  das 
reg  für  22  gebessert  hatten,  abrahams  23  schösse,  regf/ir,  das  24  s«  do  i«  //'//. 
schösse  25  xerganklich,  gebrochen,  vegfür,  dax-  fehlt  26  mtf  /ran  (für  ni/nre/it) 
27  /ediö,  iungsten,  so  (hinter  fogre)  fehlt  28  es  29  «oa«  (für  /raa»),  c/rklich  (für 
allewege)  30  kant  (für  enhant)  31  s/i  32  sw  (erstes) ,  haut  [im  enhant),  keinen  (für 
deheinen),  sü-,  /rissen,  sü3  33  red/'e.  s//  34  Aefti,  stürbe  35  Frankrieh ,  wurde, 
weis  36  es.  ;//d.  //»/-de  es  «feer  37  weis  38  es,  es  39  die?*,  AeZ/e,  niüssc/i 
40  /rissent,  sü,  wurden,  getoffet 

26S. 

1  i??e«,  lichte,  sü,  das  2  bissen,  consciencie ,  //ei«  3  »/d.  Etlich,  s/i  s/m. 
des   enist  nit   {/rar  fehlt)       4   s/?,   lichtes   und  fehlt,    /r?7«e,   «md  is/    ///'//    afe   «W 


2  1  NEBERT 

5  in  irem  natürlichem  Hechte,  das  6  wart  (für  enwart),  sü.  als  7  xe  glichene. 
sü  wissent,  sti  8  inen,  verdampneten  9  iungsten,  in  das  himelrieh,  pin,  dest 
10  Es.  enxwuschent  1 1  uns,  inen,  Es,  enxwüschent  12  &,  vielent,  s/i  13  ü//si ,-. 
machete  15  ansah,  mit  einem  wolgevallene  16  höffart,  undanknemikeit  17  es, 
.7/Y.  widerwertigest  18  Verstössen  19  me,  dankberkeit  20  müsse//,  ewklich 
21  bliben,  engele,  beliben,  die  (hinter  und)  fehlt  22  dankberkeit,  dien  23  re/z/  a/s 
/•//  afe  p*7  ieklich'  von  natur,  mochte     24  wesliches,  wesliches     25  ieklicher,  inrlich' 

26  l/ol/er.  den  27  ewklich,  klärlieh*  28  engele,  natur,  dtn,  unser,  hat,  uns 
29  wirdekeit  3<>  mugen  an  nunc  31  begirde,  engele  32  nüwan,  nach  der  masse, 
nach  '.«/  steht:  aöer  ^;?s  *si  gegeben  über  masse  der  zale  33  nitwan  (für  niuwen), 
d'o  mugen  3-1  e*wer  mer  /*/.  f.?,  alweg  35  i/tngslc,  mer,  minne  30  gnad,  enwahset, 
merem.  denn  37  we  loachsen,  minne  38  denn,  dero  mugen  uns  39  n/nijen  wir 
40  über  wesliche  steht:  %nvallende,  einer 

269. 

1  vierzig  oder  sechzig  iar,  unser  3  wahset  (für  enwahset),  minne.  und  au 
ernste  (für  «ocA  «.  f.)  4  hundert  fehlt  5  tuseng ,  /e»/  6  a«  xürallende///  lone 
7  menschen,  glicher,  stundin,  das.  wurkte  8  werke,  wurdi  9  rf«  10  irurhiin, 
glichü,  das,  hetti  11  «/se,  wurde  12  minne,  Also,  uns,  gnade  13  wesentlichen, 
werke  14  Aoä  /e//.  <7e/>  engein,  das  wirdige  verdienen  15  /insers.  enkam,  ertrich 
16  allein,  de;  17  wwd  dar  »/////.  ?"s/  fehlt,  «//es  e/as.  hinter  Äerre  steht:  ?7rV  a;pc 
18  oder,  geleid  19  mit  demütkeit ,  iamerkeite,  das.  alles  20  unmessiger  wirdekeit, 
/ins,  %e  sämne  21  griffen  und  gelten  unser  schulde  (es  fehlt  s/illen'2)  22  minste, 
kSndest,  es  23  hoehgültet  wirdig ,  unser*  24  mit  minne  und  mit  begirde,  es  wurdi 
vollemechtig  25  besserende  26  sSltist,  vegfure,  /ins  27  /insers.  ledig  28  //e//",  zires 
Ende   der  II.  predigt. 

Anfang  der  III.  predigt:  am  rande  steht:  BriüV  Niclaus.  30  ilfaw  /«'se/ 
//"//<?  ?'«  e/ewi  heiligen  etrangelio  das  unser  h>r  sprach  Die  /reit  die  wirt  üeh 
31  hassende  Ich  sprich  da%  unser  herrc  sine  lieben  32  fründe  dike  h/t  vollen  i// 
anvektunge  und  in  bekorunge  des  33  tievels,  su,  krankheit,  bas  34  sw  35  wellent, 
mugent  bestan  36  st«  hand,  kumt1,  in.  hinter  helfe:  Er  spracli  in  er  tut  reht  eils 
tl/i  muter  die  leit  dem  kinde  ein 

270. 

1  c«/yu  burdi,  xe  tragenne,  das.  dar  under  (für  under  dir  bürdi)  2  es  //(///' 
dVe  b/trdiu.  treit  si  dir  müter  3  Jiso,  &V,  zms  4  &e  lidenne,  hilfet  /ins  es  trage// 
5  uiiiean.  hurdi/i.  als  du  muoter  tili  6  swindlen,  es,  unser  h>r  7  uf  dem  mer 
wol  sinken  8  darumb,  vergessen,  üeh  9  uf  sendet,  Nein  er!  fehlt,  konieut .  sü 
10  or/s  11  als,  sü  sien  swie  böse  s/i.  alle  12  es,  dinem,  daruffenüt  13  hübest. 
es,  es,  etls  14  6(5s,  ////reis.  mSeht  15  su  sien,  sü  mugen ,  oder  16  es,  es,  enschadet 
///'/.  es,  es  17  leid,  laxe  sü,  oder  mit  18  dar  nach,  wan  ein  mensch  19  oder, 
trSmte,  nachtes  20  vallet,  wen  .  es  gnÜg  21  imd  aVr  ?e«7  /s/  fehlt,  es  22  laxe  es 
varn  bis,  ledig,  wirdest  fehlt.  l)</\  wir  also  ledig  werden  aller  schulde  des  keif  uns 
got  amen.     Ende   der  TU.  predigt. 

Anfang  der   IV.  predigt.     25  spicke,   und  spricke.   unser     26  lige,   luste 

27  unser,  süsxen,  unmessigen,  enphindenden  29  engelen,  unsers  30  kein  wir, 
unmessiger  fröden  31  süssikeit,  das,  dar  -,ü  xe  glichenne,  hat  32  ieklich,  ein 
(für  ?we),  sunderlich,  enphangen     35  gelobet,  mit,  dien  verdampneten     37  siixse// 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBORG  25 

271. 

1  allrs  das,  und  wol  smacket,  da%  da  ist  2  als  wol ,  selbsfröde  3  dero  als  vil 
ist  4  gras,  mere  5  //ahnt  wir  so  vilfrSden,  tuseng  tusentstunt  me,  vrSden  6  wurme, 
kette,  arme  vrbwe  7  seiti,  ein  hörne,  unser  8  künges,  haben  wir  9  ie  (vor  »ze) 
fehlt  10  einem  hohem,  und  also  wachset  unser  Ion,  war  sülen  wir,  diser  11  vröde, 
hbpt  lone,  als  kleine  12  oder  13  avemaria,  oder,  oder  aplax,,  hob  mies  14  dingen, 
luisf  du,  vrSden  15  ewklich  16  «'/?s.  orfer,  s«  vms,  minsten  17  getöffet  18  a7s 
/r/.sv.  es,  kreature  19  mere  es  «Ws,  minsten  20  «si  (für  sfo£),  «Zs  #ro:&  21  seZ, 
unser.  da%  fehlt  22  dferaw,  allein,  ensien  23  ais  ?««>/  spriehx  24  es.  wns,  s*ew, 
rechte,  Ich  sprich  25  rnegtlieher ,  und  spriche ,  wan  sol  26  strSwin  man  der  striten 
solle  27  was,  deme,  %e  tünne  28  fkihe,  oder,  wurde,  mit  ime,  also  sülen  wir 
29  wellen  wir  30  stark pfeffer ,  wan,  menigem  31  ursach,  ze  valle,  es.  unorden- 
lich  32  rerlusseu.  Halü.  unwises,  gnadlos  33  Das ,  gefliehen  Behelf  uns.  Ende 
der  IV.  predigt. 

Anfang  der  V.  predigt.     36  wörtlin,  us     37  boxlich,  verxeret 

272. 

1  gedachte,  besseren  wSlt  und  wölte  gan  iS  sinem  votier  und  sprechen  2  ich 
hab  3  zmd  ewftw«  w«  ;z//  wirdig,  heisse  4  knechten  5  umbviejig  6  Meid,  gab 
7  a«  sine  band,  schlug,  reisses  halb  8  uii/rau  9  w«7  10  und  mit  einem  minnen- 
den  herxen  sprichx  11  das  erbe  12  n/üt ,  heisse  13  knehten,  unser,  sihet  14  grössi, 
dar  iuur  er  gewesen  ist  16  unmessiger,  ein  schepher  aller  der  weite,  läwü  17  l/itxig, 
ernsthafte,  lijffet  18  unser,  enphahet,  vergibt  20  aWes,  aoe,  //o/e.  meinet  21  s^w, 
riugerli  22  &awd  23  schlehet  ime,  kalb,  unser  24  hinter  krefte  steht:  der  seZe, 
«7s  peäa  .  s«  erf/illef  mit  gnaden  gütliches  trostes  25  gotlicher  26  s^  aZ/es 
27  nuiran.  hungerte  28  z/z  tf>.>-o  29  hinter  erfüllet  fehlt  wn£,  me«  30  unlustig 
alhs  das.  alse  ein  31  sm,  aW«  götlich  32  enwellent  das.  tts  33  zma"  z-o//  saeoö 
mfer  34  erstgeborner  35  rfas,  ysaae  36  alleine  die  gehörde,  diu  37  ysaac,  es, 
unser  38  unser,  hinter  lichamen  steht:  <me  allein  du  gehörde  39  enphindet  nit 
wan,  nut  wan     40  rcwZ  waw,  alleine,  diu  kSret  fehlt 

273. 

1  «//«;•  2  sprichx,  von  dero,  ünsers  3 fgg.  lautet:  Er  sprach  Seh  Dax  kumet 
in  minen  koph  nit  der  ünsers  herren  fronlichame  ie  einest  wirdeklich  enphieng 
nach  siner  muglicheit  dax  der  mensche  iemer  verlorn  werde.  5  vallet,  unser 
6  e/lich.  im,  kumet  7  oYe«  sünden,  hette,  einveltigoste  8  f/r»/z  9  /eisest,  geleret, 
das  10  koment,  gebi ',  ?m£,  ami,  s*w  ftzmsZ  11  unser,  demütkeit  12  weß  .EV 
sprach  ow-h  das  13  were,  o/s  ^errae  14  &me,  «/s  lustig,  umb,  ist  es  dax,  meistt 
werk  15  himelrich,  irti  16  sünden  17  (///,-.  teeret,  hette  18  tötsünde,  im  es 
alles  zemal,  hat  echt  er  19  o/w  «md  da«  er  20  enkein  sünde  welle  Hin  und 
sunderlich  tötsünde  21  «//7.  hinter  gi halbierter  /rille  steht:  ><W  ewz  starker  wille 
nit  ein  zitternder  wille  als  ich  eniccis  22  es,  enmein  23  es,  zms  24  denn.  /ins. 
pinige,  uns  25  2ma"  *r  so«£  ocA  wissen,  mensch,  ein  tötsünde  26  r7^  so  ?s<  «7/es 
r/as  <o<  «Y^  er  /e  gutes  getet  und  so  er  wider  ufgestat  usw.,  wer&  27  werk,  die2, 
totsünden  28  e-ms,  über  totü  ist  eine  rasur  vorhanden,  wahrscheinlich  ist  der  haken " 
wegradiert,  ertStü  29  w?er&,  werk,  tbtsünd  30  lebent  31  weA,  ^y/s.  tötsünde 
32  gedenk  ich,  das  golt,  tbts/inde  33  gedenk  ich,  es  34  so  gedenke  ich  es  mag  dir 
mit  werden  ich  wil  einen  gesellen  xü  mir  nemen     35  «7/s  #oW.  unmüssig,  das  gold 


20  NKBKRT 

36  das  totsünde     37  Jcumet.  hinter  beseheidenheit  steht  din  consciencie,  wilt  du  stein 
38  totsünde,  du  es     39  ein  totsünde     40  es  totsünde,  es 

274. 

2  rergibet  im  es,  wem  3  ?m7,  fee#»,  %e  bihtenne  4  e/d  er  die  wile  (nie 
totsünde,  was,  werken  5  würkx  darübe  6  geben,  er  es  aber  e,  sicherre,  dest  be- 
reiter 7  tugend,  xe  äbenne,  hinter  übende  fehlt:  und  götliche  gnade  xe  enpfähende 
8  «e  iciderstände  9  d«  s«  #or  (für  a7so  rfo  si  vor),  groxer,  nüt  achtete  10  si, 
achtende  11  schier  bichtet,  gebotie  12  so  fehlt.  m*£:  aa»  xü  dem  iare  einest  %e 
bichtenne  13  es,  trotte ,  oder  ?0<5ß*  /a??^  e'ara  14  selbs  sorgti,  oder  wolte  ansers, 
enphahen,  oder  15  wolte  fehlt,  xe  der  e  grifen,  sölt  biehten,  sin  nüt  16  xe  dem 
iare.  xe  bihtende  fehlt,  echt,  rehte  17  hat,  ze  bichtenne  19  tag ,  iccrk,  rollet. 
20  totsünde,  werk,  aber  (vor  /o<)  fehlt,  /ö7  21  totsünde,  einem  22  .Das  23  £67- 
sünde,  würke,  xiren,  werk  24  solicher  25  /öde,  totsünde  26  werken,  iut  fehlt,  d*'e, 
totsnnden,  hat  27  minsten,  den  du  die  teile  ie  28  gedächte  29  ZTad  ?'r  s<mf 
wissen,  ans  30  ate  re&£,  dennoch,  ein  d«e  fehlt  31  piniget,  denn  32  Ae^e, 
mensch,  totsünde  33  ieklich,  sölti  34  reg  für  35  r/o/  vergibt  im  es  alles  xe  male, 
vallet,   tode      36   oder,   <ode,   totsünd,   lieht  als   mit  eime  gedanke   in  einen  xwivel 

37  oder1,   andren,   oder  was  es  ist,  da  mit      38  ro»  fehlt,   hinnen      39  unser  h'r, 
ieht    40  totsünde,  abe  hatte  geleit,  einem 

275. 

1  nü/ran,  umb  die  einen  2  s/ras,  enpiniget  3  «$  ?ae,  wissent,  es,  kun/t, 
manig  mensch  4  tievel,  nüt,  enweis,  /rar  umb,  weis  5  totsünde  nüt  da  ist,  /ras, 
die  sünde,  enweis  6  wem,  «-eis  ?rs  gewürket  7  £/«d  (für  Wcnne)  /ras,  einen/, 
hinter  riuicen  steht:  und  mit  einte  rehten  ker  des  /rillen  8  abe  geleit  und  fehlt, 
was  9  bekant,  mensch,  ledig  11  als,  bfisse  12  a'/e  aber  der  r/i/re  sülle  sin 
13  als  grox  14  s/?/e  hau,  Wollust  15  /?a£,  könde  16  getr/i/rlich,  minne,  das 
hochgültige  17  ünsers,  überflüssekliche ,  uns  18  gebessert,  und  könde  wislich  ge- 
he/sehen, möchti  uns  nit  19  vergultin,  unser,  trurdin  20  innerlicher  gnade, 
lebennes  21  Das,  m  de««  &*Y  der  gnaden  22  unser,  //elf  uns  Ende  der 
Y.  predigt. 

Anfang  der  YT.  predigt.  24  Wan  liset,  hätte,  in  der  epistel,  ein /rite/re 
25  helyseo,  sih ,  h'r  26  tot,  irellent,  min  27  x/ren,  sien,  hast  du  28  wenig  öles 
29  ras,  umb  din  30  /ras  mit  dinen  x/rein  sünen  und  gässe  das  Sie,  ras  31  gute 
din  schulde,  ledige,  wite/re  32  tot,  obroste,  sele  33  die  niderosten  krefte,  sele 
34  mensch  in  totsünde  vallet  tot  35  ein  fehlt,  irit/re,  /ras,  raffet,  rechten  36  ünsern, 
liimelrich,  sprichx,  h'r  37  der  ist  tot,  min  man  der  min  consciencie  rillten  solte 
diu  I: u cht  der  dir  dienen  solte 

276. 

1  scl/uldnere,  min  x/ren  säne,  in  selber  xe  eigen  2  machen  (für  hau),  dis 
xwen  säne  3  so  (für  /renne),  mensch  in  totsünde  vellet  4  schuldnere  5  sü,  von 
inen,  sä,  dien  werken  6  sinnen,  da  von  /rille  und  Vernunft  geneiget  wirt  7  alles 
das,  inen,  sä  8  sinnen,  s/t,  dien  volgent,  sä  9  ron  ine//,  sä  10  eigen  11  sprichx, 
hast  du  in  dinem  huse  ät  12  öles,  /reuig 2  13  hat,  bekennet,  schuld  14  ist,  vas,  umb 
15  das2,  gilt  litte  16  leben  nr,  dir  (für  din)  17  ünsern,  ledig  18  d«e,  götlichen, 
gehinderten  (für  unwirdig  gemähten)  19  ir  soi/t  wissent,  sprichx  20  Bitte,  hinter 
■/aad/  steht:   oder  gedenke  min,   Wissent,   es,  xe      21  #ro*  sünde,   hetti      22  umbe, 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  27 

vergibt  23  ersten,  enmag  24  hinter  ist  steht:  und  in  tötsünden  ist,  gut  tüte, 
müssen,  im  fehlt,  ünsem  25  selben,  Herr,  sülen  wir  26  uns.  es  27  es  28  dnser, 
sprichx .  y«  fehlt ,  m ins  29  laxen  gemessen,  sin,  vergeben,  ir  sont  wissen  30  unser 
31  getar  32  seZier  33  betin.  etwar  34  hSrent  dan  35  rfw?  s»'»e,  güsse,  das  öle 
36  mz  rfw  fere«  rasgilte .  s«,  (fr/s  o/e  37  ingöx,  nüwan,  tröphli,  dar  in,  es 
38  «>V  »ee,  lern  ras,  das  öle,  nit  me  39  das  öle,  nit  nie,  enphenklicheit  40  nüt. 
ledig  ist  aller  der  bilden  arnl  der  manigvaltikeit 

277. 

1  gütlichen ,  in  mir  irrent,  xe  würkenne     2  das  öle,  nit  nie,  ras      3  tcurdi, 
götlich,   ihn-  inne      4  nüwan,   trSphli,   dar  in  rieli.   wurde      5  es,   es,   Übergusse, 

Wahset,  die  6  anderen  7  si,  nit  arm,  au  rem,  ernste,  da  fehlt  8  sprich  ich. 
rordert  9  an  uns,  klein.  gro%  schuld  10  sien,  schuldnere,  xcm  minsten,  teglieher 
11  wir  werden  xweneweg  schuldig  unserem  13  min  kappen,  wan  14  n/in  kappen, 
dis  15  beschehen.  unserm ,  wie  sülen  wir  16  hinter  tuon  steht:  Das  sag  ich  dir, 
Hast  du  aar  geseit,  solt  du  doch  gan  17  du  es,  macht,  solt  du  18  us  minem 
bösen  herzen  boxlich,  geredet      19  ir  sont      20  ein  gut  mensche  sin.  Hast  du  aber 

21  solt  du  22  boxlich,  bist  da  23  Herr,  es  veraltet  und  verachtet  ist,  vergessen 
24  sol  ich  sit  sin  dorne  25  vergessen,  solt  du  sü  sin  nit  ermanen  26  es,  dinem, 
helfest  und  ratest  27  es  Bist  du,  aber  fehlt  28  er,  oder,  glich,  solt  du,  getrüw- 
lich,  es  29  sime  30  bist  du.  es.  alles  31  hie  oder  dort,  mensch  32  brinnenne, 
reg  füre.  die.  eine/n  33  mit  gebette  und  mit  rasten  ne  and  wachenne  34  und  aplas 
holende,  ledig,  kämet,  einem  35  töde,  es  36  sprichx,  ich  getrü/ven  gotte  dax  ich, 
ledig  37  groxer  vorhte.  regfüre  38  sprichx  er  Behöbe .  dind  hundert  iar  39  die1, 
ii im  du  mine  nünd  hundert,  die2     40  gebessert,  gute,  stirbt 

278. 
1  im  dax  himelrich.  mensch  2  icht  engelten,  gab,  es  3  iungste,  lebt  4  es, 
vastenne  mit  wachenne  und  aln/üsen  gebenne  5  und  aplax  holende,  aas.  getiit, 
ledig  6  er  es,  regfür  7  besseren,  gebessert,  hat  fehlt  8  in  dax  himelrich.  unser, 
umb  9  dem  menschen,  were  es  mitglich  10  es  wSlti  noch  gerne,  vegfür  11  vröden. 
wurde,  umb  12  sprich,  teglich ,  enkeins  13  gnad  14  si  enmag,  Nu  wil  ich  üch 
sagen  teie  15  Wurdi,  totswnden,  hetti  16  als  kreftig  17  schuld,  b/'/sse  18  lebti, 
mensch,  were  es  mutglich,  tag  19  ab  neme  and  lä/rer  und  lewer  wurde  an  minne 
und  an  ernste    20  vallet,  totsünde  sechxig     21  gelebt  hat,  stirbt,  das  vegfür,  besseret 

22  Idiriheit,  do  fehlt,  hat  geübt,  es.  alles  23  gebessert,  vert  er  in  dax  himelrich 
24  läwekeit  25  an  dem  töde  26  inrlichostem ,  x/'i  27  gekerte,  weslichem,  mensch 
28  in  das  reg  für.  uf  dax  ertrich  29  in  das  himelrich.  möchtint,  h'r  30  geben, 
ine>i  33  andrü  34  kein,  nütz,  sin  xe  ewigem  tone  35  in  tötsünden,  deste 
36  umb,  macht,  als  minneklicke  37  x/i  gotte  kau  neu  fügen,  schuld,  büsse  38  le- 
bennes.     Sihe,  gist  du     39  us,  helle,  hast,  diner     40  sint  fehlt,  pine 

271». 
1  Ä7*  (für  Reht),  leiti  2  vast.  brunnin.  schiebt ,  eins  ab,  es.  (lest  3  bat 
in  der  helle  4  santi,  ivarneti  5  iht .  kemin.  uns,  sü  6  mere.  wurdi,  mSehtint 
7  es  8  s?£  enmugen,  gunnen,  helle  9  es  nüwan,  dur,  selbs,  pine,  mit  10  wurde, 
geschihet  dien,  helle,  me  helle  brende  11  kumt.  sü,  brünnent  12  in  das  himel- 
rich, Das  13  uf  ertrich  aln/üsen.  in  maniger  /eise  14  werke)/,  erber n/de,  oder 
15  gibest     16  lebenne ,  es,  manig  mensch     17  xe  einem,  lebenne,  unbekant     18  S'cA, 


28  NEBERT 

dar  nach  19  dar  bi,  als  manig,  dinem  20  leben,  oder.  \>i  gröxerm  21  dinem 
22  hitxigerme,  so  fehlt,  davon  sin  Ion  wirt  gemeret  23  menigen,  liier  24  hast, 
siest  lebend,  tot,  man  ig  25  hast,  gist  du,  in  dax  himelrich  26  manig,  iverk, 
oder,  andechtig  gedank,  oder  27  kumet,  mit  dinem  guten  leben  und  bilde  28  en- 
phahest  du,  wunne  von  in  ewiger  selikeit  29  ivan  fehlt,  ire  30  sprichx,  alles 
himelseh,  frSwe  31  bekeret,  mer,  enphahent,  eines  32  wahset,  in  dax  33  vegfür, 
sih  in  dem  vegfür  da  sint  arm  und  riche  34  gelassen,  inen,  vast  35  einem, 
andern  36  enn/ohten  selb,  geben,  inen  37  müssent,  selben,  nüt  38  Die  dritten 
die  sint,  am,  kein,  nüt  wan     39  sü,  oder    40  globig 

280. 

1  su,  dar  von,  inen,  niht,  %e  einer  2  us  3  besser,  uns,  xe  gotte,  leere 
4  das,  enphenklieh,  dex,  bereitet  hat    5  uns.     Ende   der  VI.  predigt. 

Anfang  der  VII.  predigt.  7  han ,  wörtlin ,  us  8  hetlieh  x/ä gotte  9  Vtjfent, 
xile,  das  10  xile,  näher  11  besessen  12  «6er  die  die  in  dem  vegfüre,  xile 
13  xilloffer  14  mensch,  allein,  Die  andern  15  eint/reder,  xilloffer,  oder  16  ogen- 
bilce,  enphangen,  /rax  17  obrosten,  als  groxer  ivunne  und  in  als  groxer  wisheit 
18  als  er  hüt  dix  tages  ist  19  als  selig,  obrosten,  hätte  20  als  wol,  ere  21  tode, 
wax  22  ogenblike,  enphangen  23  verdiente  24  alles  dax  dax  er,  sinem  lebenne, 
hinter  lebenne  stellt:  unx  dax  er  an  detne  krüxe  starp,  alles  25  mit,  verdienet, 
Ir  sont,  wissen  26  mit  midenne  aller  der  dingen,  ximliehe  27  mochte,  es.  mit 
28  verdiente,  nüt,  wir  bedürften  29  sprich,  enphangen  30  Hb,  hette  er  als  wol 
sine//  lip  gekleidet  31  ere,  nah,  urstendi,  Dis  hette,  ximlich,  gehebt  32  icolt, 
einen  tätlichen  lidlichen  Hb  33  verdienti,  dem  selben  ersten  ogenblike,  enphangen 
34  alles  das,  dax,  herre  ih'c  xpe,  oder  leid  35  turste  mit  smaeheit  mit  demütkeit 
36  drissig  iar  nie  g fiten  tag  ge/van  von  grundloser  minne  37  unx  er,  starb, 
schamlichen  todes 

281. 

1  alles,  minste  2  werk,  glich,  verdiente  3  selber,  Nt'iwan  von  einer  xim- 
licheit,  notdurfte  4  do  hate  er  enkein,  es  alles  5  unser,  hette,  x/re//  6  füre,  blibe,  im 
7  k/tmt  9  auf  dem  vatter  /ras  folgt:  wan  er  sin  natürlicher  sun/casdarumb  wart  i/n 
si//  erbe  aber  menglich  sprichet  dax  es  dem  ximlicher  werde  der  da  bi  deine  vatter 
icas  als  sin  gedingeter  kneht ,  es  10  enkeins  rerdienens,  alles  11  dax  der  himelseh, 
natürlicher  12  eigenschaft.  natürlicher,  glich  13  /ras  verdiente  do  14  Dax  tet 
er  dax  der  himelseh,  lieite  15  ere,  für  ieklieh,  ein  sunderlicli  16  nüwan  17  sin 
bedorfti,  wir  bedürften,  sont  ivissen  18  enphangen,  bekunde,  in  einem.  19  scl/o- 
ivenne,  was  20  tode,  bekunde,  in  einem  scl/oweune  21  es,  do  er  es  leit,  enphint- 
liclieit  22  ieklieh  sunderlich,  es.  enphunde,  in  einem  23  bekunde  es  nüwan  in 
einem  scl/öwenne,  fragt/'  24  sprech  25  ünserm,  iveis,  schö/renne,  hein  26  kum, 
bekunde  27  schöwenne  28  bekunde,  enphangen  29  erstarb,  eins  schäntlichen  tödes 
30  alles  dax  er,  geleid,  drissig,  dax  was  edles  ein  verdienen  und  -was  altes  unser 
32  wörtlin,  miiicm  33  das,  rollen,  xe  besserenne  34  unser,  tusentwerbe  tuseng 
weite,  vil  tuseng  35  in  einem,  weiten,  were  es  36  gebessert,  der  persone  37  der 
fehlt,  besseren  38  dien  lüten,  hat,  nüt  39  im,  sprich^,  besseren,  es  40  es,  es, 
besser,   es,  es 

282. 

1  besser,  einem  keiser  edler  b<  st V ,  unser  2  die  wirdigest,  die  3  küng,  aller 
Lungen,   was,   minste      4  unser      5  Dar  umbe,   überflüsseklich,  drissig      6  froste, 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  29 

turste  7  alles,  us,  giessen  8  allerhand,  xe  iungste,  schamlichen  tot  9  da,  hat, 
uns,  hord,  xe  sämen.  da  wir  Stilen  in  griffen  10  und  sülen  gelten,  unser,  ia  und 
konden,  toislich  11  des  unseren,  dar  xü,  nit  ein  12  eigenen  13  und  mit  frömder 
koste  trol  mShte  gelten,  uns,  keiften  14  wirdig,  ünsers,  ledig  15  unser,  helf  uns 
Ende  der  VII.  predigt, 

Anfang  der  VIII.  predigt.  17  hiitte,  pkariseus  ünsern  herren  lud  in  sin 
hus  18  sünderin  19  ungelat,  unser  20  fassen,  trehnen,  trückente  21  sü  ime, 
irem,  sü,  kostber  salben  22  höpt,  das,  murmelte  23  gedachte,  irere,  wissag ,  wisti 
24  Unser  Wr,  weis  25  antwürte,  gedanken,  hab,  et /ras  (für  eimvenig)  26  redenne, 
Er  sprach  Meister  nu  sag  Unser  herre  sprach  27  Es,  xiven  schuldnere,  der  ein 
solte  28  Xu  kau/  der  h're  dem  sü  29  sin  gülte,  Sil  30  uns,  gnedig,  he  in,  xe 
gebenne  31  /-ergab  in  beiden  alle  ir  schulde,  Wedre  von  disen  32  vergebe»  Unser 
hsre  sprach  Du  hast  reht  gesagt  Sihe  davon  tvan  disü  vil  geminnet  lud  davon  ist 
ir  ijc//  vil  vergeben.  34  frbtr2  35  Was,  Es  3ü  abgescheidener.  oder,  gesimderter 
37  D/'s,  obersten,  sele,  abegescheiden 

283. 

1  gesündcrt,  oberste  2  unser»,  ime,  haben  3  gut  lüte  dik  setxent  in  ire 
aiululit.  welleut  5  dien,  engelen,  schSwenne,  sü  6  ünscrut ,  kämet  7  schlichende, 
sprichz    war    nach       8    was,    u/enseh       9    sprich^,    sih,    hast  das;    da    xe   wenig 

10  murmelt,  oberste,  sele  11  sprichz,  Dis  12  haben,  ünscrut,  etlicii  13  wellen 
wir  14  Nein  geselle  nein,  echt,  rüger  ine// ,  ivissent  15  si,  merem  16  trüg. 
imserm,  oder  17  trüg  nützen,  dannen,  ein  nutx,  18  schuld  ab  leite,  nutz  fehlt 
19  gereitxet,  merer,  und  xe  20  hitxigerme  schötvenne,  Dis  21  si,  abe  22  ire 
Nu  wir  sie//  alle  scliulduere.  xü  dem  minsten  23  tegt icher,  /ich,  gelobet,  unser 
24  h'r  vordert,  sin,  mit  25  Wan,  leere  26  ane  allü  ünsrü  oder  usserü  werk 
27  gehalbiert  oder  gex/reiet,  mit,  und  (vor  dax)  fehlt  28  enkein,  sunderlich  tot- 
sü/uIp  30  schepfer,  lü/cü.  mache  31  als  32  sin,  macht  dich  als  kreftelclich  heften, 
wirdig  33  ünsers,  hettist  cht  34  totsünde,  vergibet,  die  (vor  schulde)  fehlt,  büsse 
35  schuld,  büsse,  dir     36  einem     37  xü  dinem  bichtere,  alles     38  ivas     39  solt  du 

284. 

1  nit  wan,  gebessert  2  totsünde,  priester,  kenel,  das  3  unser  schulde  xe 
vergebenne    4  kenel    5  unseren •vessen/,  loSltin  wasser  schepfen,  kein  ich    6  vas  wol 

wir 

und  eben,  kenel,  es,  einet/t  7  Setxen  ich  es,  es  nüivan,  habs  dar  in  8  müssen, 
es,  wir  es      9  nüivan,   lange,  trophlin  dar  in  kämet      10  müssen,  es,   das  wirdig 

11  Verdienern  ünsers  12  sin  büsse,  geknüphen  und  geheften  kan  und  eben  haben 
13  under  und'  den,  unmessigen  14  besserunge,  wie  klein  denne  du  büsse  ist 
15  unser  16  unn/essiger  17  mit  den  ich  dich  dick  und  unbi/lich  dich  18  Misse 
19  xe  xellenne  20  dins  21  verdienens,  lassest  22  xü  miner  kleiner  büsse,  un- 
messigen, besserunge  23  dines  verdienens,  xe  legenne  24  xe  vergeltenne,  es  ver- 
geben 25  ogenblike,  nüivan,  darxü  26  Und  kerest  du  dich  aber  als  /renig  27  der\ü, 
nit  iran  28  trophlin,  vallet  29  s/ras,  uns,  minne  30  müssen,  vegfür,  trän 
31  schuld,  %e  tünne  32  wan,  xe  vastenne,  fünf  33  sol  man  fehlt,  alles,  wirdige 
fehlt,  tinsers  34  minne,  wan,  abe.  da  mit,  unser  35  oder  36  oder  mir  ver- 
brinuet  min  hus,  oder  ich  wird  siech,  oder  s/ras  37  als,  enpkahen,  und  alles 
heften  38  das  minneklich,  ünsers  39  büsse,  rechte  40  einer,  tusrug  ntet reite, 
sprich^ 


30  NEBKRT 

285. 
1  schuldnere,  ttiseny  mark     2  ledig,  merkent,  also     3  acht  tage     4  siechtagen, 
oder,   oder  tvas  es  si,   macht  du      5  gnade,   minne      6   dar  für,   sehleht,  des  du 
br innen  soltist     7  vegfüre,  unser,  klein  gülte,  grox     8  alles,  allü     9  minsten,  be- 
reitet hat,  Das     10  unser,  uns    Ende  der  VIII.  predigt. 

Anfang  der  IX.  predigt.  12  Won,  hütte,  in  dem  heiligen  ewangelio, 
unser  h'r  13  sprach  Vatter  kläre  14  klere,  im  hast  gegeben  15  Dax  ist  aber 
16  sti,  gewären  17  gesant,  habe,  gekläret  18  habe,  werk,  die  du,  unser  19  h'r 
20  vater  21  hab,  bliben,  werk  die  22  merü,  mochten  23  mere  tun,  hies,  doch 
toten  24  Messen,  toten,  Sant  25  nuwan,  des  sü  26  merü,  sü,  es,  nit  wan 
27  sii,  ünsers  28  oder .  bis,  mohten  sü  29  ünsers,  aber  xpe  swas  der  tet  30  eigenen 
32  rufte  33  us,  ivitwun  sprach  er  34  iungling,  es  35  alles,  es  fehlt:  Aber  die 
jungern  täten  ex  allex  in  gebettes  ivise     36  gephlegen,  dero 

286. 

1  verlorn  denn  der  sun,  Dar  umbe  2  klere,  In  dir  fehlt  3  wurde,  machen. 
4  glich,  meinde  5  dax  er  in  uns  gekläret  wurde,  dax  der  sun,  klere;  Macht 
6  klärer  machen  7  geklar -z,  wurde,  Es  8  glich,  unser  frow  9  die,  Mocht  unser re 
fröiven  10  machen,  es,  xe  verstenne  11  mer,  denn,  alles,  Were  12  nu  dax  es 
Dinglich  were  dax  ein  seil  hienge  in  der  sannen,  das  13  das  seil,  min  hancl, 
klumme  14  näher,  kerne,  si  wurdi  in  minen  ögen  15  nein  es,  es,  schuld'2,  das 
16  ire  genähet,  es  unser,  fröicun,  sprichz  17  mag  selben,  nüt  18  ireni,  ver- 
min ftekl  icher,  und  vollekonienUcher  fehlt  19  keiner  kreature  bekant  wurde  20  und 
es  enkam  nie  enkein  kreature  gotle  so  nahe,  unser  frbicc  21  mocht  22  sprichz, 
hast  23  mensch,  alles,  hat  24  dem  steine,  und  fehlt  25  Dis  meinet  26  das,  sü 
27  gewären,  gesant  29  bildelich  30  gedenk  31  umb,  es,  nit  min,  Were,  das 
golt,  unmaterilich  32  vereint  were  33  das  golt,  selber,  minem  34  und  dax  were 
galt  besitzen,  unser  35  lebennes,  nuwan,  sehenne  36  uns,  im  37  minem,  alse 
ein     38  dar  iune,  selb     39  sprichz,  kläre     40  wurde,  höret  dis 

287. 
1  abe,  uns,  uns  2  die  weit  wurde  3  vielin,  hat,  uns  ewklich  4  iich, 
bredigen,  Uns  5  geleit  ist  6  werden,  schuld  abe,  büsse  7  Wan,  fritag,  xe 
vastenne  8  anders,  oder,  fritag,  xe  vastenne  9  anders,  Leu  es  10  abe,  es,  xe 
besserenne  dine  schulde,  das  11  abe  gequetxet  und  gedrucket  12  künftig,  xe 
hchiitenne,  dir  es  ein  anders  13  der  mitte,  xe  legenne,  es  14  dir  es,  anders, 
su-as,  oder  15  wellent,  sont,  bihtere,  sont  es  16  keissen  setxen  für  üwer  schulde, 
es,  abe  17  legenne,  alles,  irirdig,  ünsers  18  mugent,  ir  bedurfent  19  mit  üwer 
eigener  koste ,  wellent  cht  ir ,  hulfin,  allü  20  du  21  totsünde,  solte,  denn  22  sten 
23  mensch,  sacramente,  unser  24  konde ,  gemessen,  uns  25  regfür,  funde,  (inen 
menschen  da  ligendc  und  brinnendc  26  sprich,  ligest  du,  es  27  spreche  28  eigener, 
weist  du  nüt,  das,  ünsers  29  herreu  ih'u  xpi,  /ins,  gebessert,  /reis  es  30  Oder, 
es,  es,  es  31  als  kreftig,  es,  es  ist  wisch  grüne  32  es,  icht,  beschlossen,  oder 
iceret  es  33  nein  nein  es  34  es,  dine  schuld,  ligest,  eigener  35  eintweder,  du 
es.  mit,  kondest  36  oder,  als  träge,  du  es,  nüt,  nüwan  37  xireu,  mochtint,  h^r 
38  von  unwissentheit ,  vegfür,  menschen,  möchtin  39  deme  vegfür,  von  unwisheii 
40  wissende  wurde,  geschehe)/,  einem 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG  31 

288. 
1  Frankriche,  hetti,  als  groxen  2  gemainen,  einer  3  gemeine,  allen  menschen, 
hat  us  gcheisscn  raffen  4  stile,  eigener  5  nuwan,  wenig  hat ,  hinter  schulde  heisst 
es:  er  giltet  nit  (Mein  sin  schulde  er  wirt  och  geriehet  dar  vo?i  und  weret  es  nie- 
man  dem  andern.  6  kumet  7  er  sprichz  8  gute,  min  schulde  9  eigener,  einer, 
torehier  was  10  giltest  du .  us  dinem,  weist  du  nüt  11  weret  hat  12  us,  geheissen, 
sül.  eigenen  13  sprich  ich,  /reis  es  trol,  bist  du  14  dax  du  dar  nit  enkanst 
komen  oder  als  trege  15  nüwan,  vwen,  ane  16  es  gemaln.  und  darf  man  es  nüt 
hSwen,  trän  17  niaran  dar  in  18  ünsers  19  tins,  als,  als  20  mittue,  darxu 
21  dar  in.  frSmder  22  mit,  schuld,  ab.  dttr  von  23  inrlieher,  nüt  darx-ä  nüt  ein 
aut  maria  24  alles  daz  dax  min  lieber,  oder  geleid,  drissig  25  alles  unser, 
bedurfte  sin  nit  wir  In  durften  sin  26  ?ninstc  smdhe  wSrtlin,  minem  27  vollen, 
xe  bessere7ine,  unser  28  tuseng  tuseng  weite,  als  ril  tuseng,  einem  29  mag  ob 
sä  weren,  es.  gebessert,  Stilen  wir  30  lieber  herre  31  dich  dicke,  unbillich  dielt 
32  hau  33  bftsse,  xe  lellenm  34  die  fehlt,  hohgiiltikeit,  verdienens  35  unmessigen, 
besserunge  36  xü  miner  Ideinen  bilsse.  dins  verdienens  37  xe  legenne,  xe  ver- 
geltenne  38  unser  büsse  und  unser  besserunge  39  an  das  wirdig ,  ünsers  40  wfter- 
■ßüssekliche ,  uns,  gebessert,  hinter  wislich  steht:  grifen  in 

289. 

1  unmessigen,  besserunge,  wurdin  ledig  2  eigener  3  möchte.  Dax  wir  uns 
also  heften  und  griffen  4  mi  rfisen  untnessigen.  niinne.  begirde  5  aKe  tiuser,  helf 
uns  6  -EV  sprach  och.  mensch,  gelassen  7  fefo",  mochte,  oder,  gedulteklick  lidet 
S  (/t7v>.  enphahet,  sei     10  a/s  schone     Ende  der  IX.  predigt. 

Anfang  der  X.  predigt.  12  hüt,  dem  passion,  lidenne  ünsers  herren 
ilt'r  xpi  13  ich  sprieke  fehlt,  tras  ünserm,  s/n  rufe  und  ich  spriche,  nüt  14  stur/n . 
15  berg  bettenne.  hinter  bettenne  heisst  es:  Ich  sprich  tras  unserm  herren  st/t  liden 
swerote.  Dax,  was  16  bas  gebornest  und  geordnotest  mensche  was  und  der  xartest 
mensche  der  ie  gebom  wart  17  keinem  18  mensch,  alles,  sunderlich  19  sprichz 
20  siveroten,  Das  ein.  einem,  gemacheten  libe  und  einte  lütxeligen  lustlichen  Übe 
ril  l;tt mer  scheidet  21  denn ,  andern  22  Dis.  unser  hsr  23  unschuldigest  24  aller 
schönste  mensch  und  der  lustlichoste  und  minneklichest  mensch  25  ertrich,  schied. 
sei,  als  ktttne  26  gemacheten .  als  tre  beschuh  27  usser,  icölte,  ivölte  28  kriegten 
sü  29  sweis,  seite,  das,  hette.  er  es  30  mensch,  fttl  hand,  oder  31  gelid  das. 
sprichz.  redlich  32  gelid,  laxen  abe  sehiahen,  Hb.  sprichz  33  natürlich.  Itatut. 
xttket  die  hand  34  sprichz.  vernünftig.  Behob  ich  das  35  gelid,  es,  Hb,  stirbe, 
Aber  fehlt,  natürlich     36  e  er  dax  gelid  abe     37  schlahen  Dis  xiren.  tra/t 

290. 

1  hbpt,  gelidern,  umb  2  schlahen  teil,  dttr  das  höpt,  hand  3  das  höbet 
4  xiren,  und  eine//  redlichen  oder  vernünftigen  willen.  5  Aber  fehlt,  vernünftig, 
troll  trilleklich  sterbe//,  unser  6  unser,  gefristi,  siitetu  sterbenne,  unser  7  unser 
hupt  sien,  sittü.  natürlich  S  hette.  gelebt,  alles  9  selb  10  hete,  gehebt,  und  fehlt 
11  und  hette  vil  gerner  geliebt,  denn,  und  vil  lieber  fehlt  12  gemach  lieber  denn 
ungemaclt.  lictti.  gelebt  13  als  14  v/n/ /in  ff  ige .  ein,  alse  16  getrttrkte,  us,  und 
tra.  natürlich11  17  üt  us  teuft  lügen,  begirde,  eigen  Schafte,  kein  lustlich  18  so 
was  er,  schlug  19  redlichen  20  votier,  und  sin  redlich  tcille  21  lebenne,  ster- 
benne.  es  u-cre      22   mug   es.    überheb,    tödes      23   naturlich,   vernünftig      24   nüt 


32  NEBERT 

25  mer  20  sines  27  uns,  bedorße  nüt,  Sterbens,  bedürften  28  dar  inne  gefriet, 
in  dem  29  linsers,  lit  uns  och.  xwen  30  uns,  redlich  31  wissen,  dis  xwen,  ans 
32  uns  klein,  bekandensü,  einer,  oder  33  sü  iemer  bekandin ,  hülfe,  uns  34  cfoe/* 
/jo>-  /■//  oc/ry  mt£,  iceriii ,  //r,  denn,  gewaltig  Und  denne  sin  wir  ir  gewaltig  soder 
natürliche  35  redlichen  36  natürlich  us,  wölte,  eigensehaft  37  keines,  redliehe 
38  were,  gotlichen    39  sweme     40  ««  rft>>//  redlich,  deine  gotlichen 

291. 

1  vatters  2  dgenblik  nid  3  leberme,  sterbenne  4  jms  5  ir  sow£,  erschrieken, 
gern  hetti  6  ««  gehöret,  du  diser  begirde  lustlich,  und  ir  begert  7  redlich,  als 
gewaltig  8  da&  er  i«  zonale  nider  schieltet  9  ms  würkenne,  es  uch  10  «e  fristenue, 
oder  /ras  es  ist  11  ajjpe  rfer,  gelebt  hette,  allein  12  r/r/r  «yfe  13  «7«  (/erwe  sm 
feie«  fristet,  bill  icher  14  edeler  was  und  sin  leben  icirdiger  was,  unser  15  fo«s£- 
l icher  was  der  bi  xe  sinde,  Die,  von  der  Sant  Aug9  seit  du  xpo  sin  liden  swerote 
16  dax  er  ein  fürste,  unmessiger  wirdekeit  17  gelassen,  sinem,  aller  der  wunne 
18  obroste  kraft  der  sei  vereint  und  got  sch&wet  19  volkomenheit ,  des  wart,  dax 
got  die  fr  öde  der  obersten  20  wideren  21  vereint,  trophlin,  obrostem  22  allem 
dem ,  geleit  23  nit  ein  mit  24  luit  dis  25  obrosten,  als  groxer  26  dis  27  nuwan, 
■nideren  krefie  28  were  geflossen,  obrosten,  linderen  29  mbht,  gab  30  unser, 
inrlicher,  süssikeit,  gStlichs  31  sü,  dax,  uswendig  32  der  33  inwendig,  ussern, 
■icc ii ig  34  ein,  swerot  och  sin  liden  35  das  liden  36  nierer  denn  henken  und 
bgen  us  boren  und  schinden  und  vil  dinges  nie  dax  alles  niere  ist  denne  henken, 
Aber  nach  ivirdekeit  37  persone,  xenemenne,  geleid,  mensch,  swarlicher  38  wan 
so  vil  du  persone     40  s icerote 

292. 

1  ivirdekeit,  persone  2  klingen,  Das  swerote,  üch,  glichnt'tsse  geben  3  frbic, 
hette,  wurde,  vor  4  ir  bgen  5  sesse,  der  sun ,  tanxetin  6  sungin,  Sprüngen  fehlt, 
und  hettin  ane  n/axen  vil  fröden  7  mereti,  ir  ir  leid,  nie  8  es  umb,  me,  bekante 
9  oberste,  schbwete  10  volkomenheit,  lustliche  ankapfen  hatte  11  hinter  gotheit 
heisst  es :  ie  wirs  im  ivart  wan  sin  sele  du  spilet  in  der  gotheit  nach  der  obrosten 
kraft  in  als  groxer  richeit  12  dis  14  ein  tropfe  nie  xe  helfe  kam  15  hast  du, 
gelaxen,  Das  nierote      16  und  (vor  dax)  fehlt,   leid,   inen      17  oucli  fehlt,   swerote 

18  das,  inen,  selben  19  sas  20  selben,  lies  uns,  minneklick  21  fruntlichosten, 
mit  inen  die  er  mit  inen  ie  gerette,  bevalh  22  sinem,  getrüwlich  23  da  ich  bin, 
sien,  nachvolgere     24  ein  machest  mit  iins,  eins  sin     25  was,  und  (vor  wie)  fehlt 

26  verspien  solte,  gedaclite  27  beschall,  als  we  28  da\  im  der  blutig  sweis  durch 
ganx  lud  trang  dax  es,  erde  29  es  nit  nie  30  enphahen  mohte  31  umb,  stürbe, 
was  32  suchte,  hetti  uns  33  tot  der  were,  geborn  wart,  uns  xe  erlbsenne  34  drissig, 
es  were  als  loblich  nit  gewesen  35  ivere  als  grox,  geachtet,  unseren  36  hettin 
dar  xii  37  ninvan,  starb,  wenig  38  es,  es  eniveis,  lebennes  39  vollcomen,  tot 
40  wurdi,  siner 

293. 
1  mensch,  das,  kumet  2  sei,  Hb,  kunie ,  oder  3  inen,  weis  5  tili  inen 
der  ruijije,  die  Ugen,  achtent  6  icenig,  wolt  7  das  8  mölttin,  es,  loblicher,  dest 
me,  geachtet  9  ouch  (vor  <o<)  fehlt,  <o/\  enhette,  uns  10  ?ro//f  er  11  wws,  w- 
dienti,  das  minste  werk  12  o^Ar,  afe  kreftig  13  were,  imser,  es  «/fo'cA  rAw  »Wer 
meisten     14:  Nu  sülen  wir     15  iVeles,  Das     16  niener     17  denne,  unsers     18  sinem 

19  wcA,  glichnisse  sagen,  Es  giengen,  ein  fuchs  und  ein  katxe      20  mä  einander 


HANDSCHRIFTKN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG.  33 

über  velt,  frÖw  katxe  21  was  kunnent,  dükatxe  die  sprach  22  fuchs,  was  künste 
ist  das  uf  die  leimst  achte  ich  wenig  23  kunnent,  Entruwen  24  grox,,  sah  vol 
künste  25  enlcan,  glichen  26  endran,  hon  27  sa&,  es  28  fron- katxe  ich  achtete 
üwerrt  kunst  nit  29  ellä .  Was  30  ich  nu  hie,  xä  31  Was  kunnent,  oder  was 
ist  ihnr  gewerb      32    kunnen   ünsers      33    der  künste    achte   ich   wenig,    das   leg 

34  spreehent  och  die  guten  lüte  \  ä  dien  weltwisen  Was  kunnent  ir  35  Entruwen 
spreehent  sü  wir  kunnen  alle  die  liste  36  sak  vollen  künste  37  uns,  glichen,  Und 
so  sä,  tod  38  sü,  dar  nider,  si  (für  n/Vi.  eZ/u  39  die  Laust,  sä,  sä  müssen 
40  and  enwissen  denne  nüt  /cur  sü  endrinnen  sahnt,  endrünnent 

294. 
1  bbn,  ünsers,  alles     2  sü,  spacieren,  minne,  süssikeit     3  sü,  abe    4  mit 
vorhie  des  todes  und  der  pine,   so  spreehent  sü  Ach  enbindent  den  sak,   es   ist  xit 

6  achteten  7  denn  ellü  da  kaust.  Da:  wir  nu  hie  also  geklimmen  8  böu .  ünsers,  and 
fehlt    9  weit     10  ans    Ende  der  X.  predigt. 

Anfang  der  XI.  predigt.  12  hütte  in  den/  ampte,  sacramente  ünsers 
herren  lichamen  und  ich  spriehe  13  irar  muh.  unser  uns  14  verwandelte,  eins 
öphels  15  oder,  anderen,  das,  ein  wandlunge,  sekin,  Das  16  darüb,  unser  glöbe, 
unser  17  und  unser  IS  inhitxig  19  es  20  selber,  kumet,  unser  2]  mensch, 
uns  22  und  da%  er  sich  selber  uns  da  geben  wil,  selb  23  da  (für  das  erste  do), 
eweklich,  da  24  starb,  sont  wissen  25  kelch,  hoslie,  selb  20  mensch  27  so///  /V 
28  linsers  29  s£w&,  ieklichen  stuk,  mensch  30  £ötfe  31  /"//'/  fehlt,  Enphienge 
32  menseh,  du  stak,  hette.  nüwan  33  enpkangen,  Enphahet,  nüwan,  hat  31  ew- 
pkangen  35  wc&,  glichnisse,  Als  fehlt  36  seAe  s*cä  efer  mensch  wol  in  eime 
ieklichen  stuk  sunderlich.     Möchte  man  aber 

295. 

1  were  es,  «?7  /r«//,  es  2  //a^,  enphangen,  einer  3  tuseng  stucke,  stuckin 
4  einem,    als    in    der  ganzen    hostie,    uns      5   wölte     6    enphahen,    hat,    %/imlieh 

7  mugen  8  iius>r.  nid're  9  vergessen,  uns,  sahn,  ünsern  10  enphahen,  sülen 
wir,  adelars  11  were,  esse,  stürbe  12  wurde,  fluge  13  enphahen,  als  unser 
herre  sprach  xü  sant  Augustino  16  solfin.  klä/m,  mSht  17  a&e  gevallen  hau.  Ich  wil 
üeh  leren  (für  Und  seite  oueli).  was,  mensch,  so  er  18  enphienge,  Er  sol  gedenken 
also  19  was,  wSltist  han,  wSlt,  Was  20  *e  tiinm  .  es  got  von  im  getan  wölt  haben 
•_M  künlieh,  -ii  22  were,  enphienge,  denn  23  Hesse,  wan  ir  sunt  wissen,  ünsers, 
wirdeklich  24  enphahent,  nah  muglicheit,  koment  äch  25  teglich  26  schulde, 
hat,  totsünde,  enweis  27  orfe/-  s«,  v  erkennen  geben  28  &e  widerstdnne  29  //W 
mW  rfer  mensche  niemer  ane  alle  sünd  wan  so  er  ünsers  30  fronlichamen  enphahet 
wan  von  der  gegenwürtikeite  ünsers  herren,  so  ist  er  der  xit  ane  alle  sünde  31  &$ 
«ra  fügend     32  som<  m"  ewkliche     33  äusers     34  «-«r  (für  m«7),  M>,  eivklieh,  iungsten 

35  a/><  /V.  herbergent  in  üwerre  sele  36  eivklieh  37  wil  si  mit  im  also  vereinen, 
ir  sont  wissen     38  liusers  enphahent,  enphahent     39  enphahen     40  was 

296. 

1  *m  m ine >n  libe,  in  min  sele  2  Ü7n  bispel  sage  ich  üeh,  Wan,  \n  deme 
füre,  das  3  Nein,  Die  kraft  des  füres  du  gat  4  re&£,  glüiende,  ünsers  5  /row- 
lichame,  Die  gotlteit  gässet  ir  kraß  6  eföe  menscheit  7  inrlicher,  ünsern  8  fe«r- 
bergent,  sont  ir  ewklich,  inrlicher  9  ff«ft  '/"  glichnisse  10  hette,  tode,  hetti'2 
11  sinem,  küngriche  Nu  füget  es  sich      12  kumet.   land,  arm  /nun.  es     13  armen 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  3 


34  NEBRRT 

man  geseit,  deute  töde  hat  14  wan  sprichet  er  ist,  einer,  innre  15  mit.  Was. 
//iure  16  n/H .  es .  er  kam .  sinem  17  kantet  18  nüt  laxen,  sprichz.  laxe  19  Nein 
frünt  sprichz  er  es,  hein  20  küngrich,  solt  du.  Were  21  es,  butte  22  mSht 
23    wie  gedanketi,   muglicheit .   das   er  im   hat      24   /ins   töde  hat      25  unser,    uns 

26  dis,  eii/e/u.  hat.  uns  27  hat,  mugen  28  sien,  /'ms  29  sprichz,  teilet,  liet/de 
30  mugen,  mit  31  Hechte  üi/ser  32  als  vil  wir  dien  volgen,  alsevil,  /ins  33  Was 
sülen  wir  tun,  Wir  son,  und  sülen  35  da%  ist  dax  wir  s/ilet/  ünsern  lip  und  die 
liplichen  sinne  töten  au  alten  Iren  werken  36  sü,  als  vil  alse  37  dis  hie  nie  be- 
schult au  tins   38  in  imserm  bekentnisse,  sülen  ivir  39  lasse   AQantlüt,  sprichtz,  /nacht 

297. 

1  sehen,  hein  2  küngrich,  solt  du  3  als  wir  im  hie  ere  bieten  in  diser 
xit,  inte  4  imserre  muglicheit,  sülen  wir  ewklich  5  Dax  wir  in  hie  also  geeren 
dax  wir  ewklich  von  im  geeret  werden  des  helfe  /ins  got  Amen.    Ende  der  XI.  predigt, 

Anfang  der  XII.  predigt.  Davor  steht,  rot  geschrieben:  An  dem  oster- 
abende  6  h/it,  lectxien,  das,  da  mit  an  7  das,  kreature,  nichte  machte  8  sechs, 
machete  9  machte,  das  erstgerüste  11  kleine,  merer,  alles,  enkeine  12  bi  dem 
andern    so    nahe    stände,    verre   ron  dem  andern       13   ieklicher  tuset/g  milen   dik 

14  machte,  schied  15  wasser,  ertrich,  es,  wurde ,  rihte  16  wasser,  das.  Und  fehlt, 
n/achte  18  machte,  Es  19  luchte  20  us,  wurde,  gemachet  21  das  wasser,  rogeln 
22  machte,  die  Her  23  xe  iungste  24  rntvet,  Weder  ist  nu  dax  mere  25  ellü  ding 
von  nihte  machte  oder,  sü     26  machete,  Sü,  beid/i ,  gedieh,  ell/i.  ron  uihtc  machete 

27  es,  gewalte,  sti  28  machete,  sü,  xögte  29  alles  30  warumb  31  dem  sun ,  deute 
heiligen  32  Das  sag  ich  üch,  Wan.  alt  tüte  33  mechtig  sien.  dar  ttmb  34  man, 
/(iimeehtiger,  Wan  35  getrüivet.  alt  l/ite,  hinter  alt  litte  steht:  trau  sti  vil  gesehen 
und  gehöret  hant,  davon 

298. 

1  gibt,  dem  sun.  wäne  2  der  vatter,  Wan,  etlich  3  als  biestig  oder  hessig, 
spz,  der  geist  4  oder,  man  nu  nit,  dax  der  heilig  geist  minre  gut  5  denn,  oder 
6  si  sint,  glich  7  hat,  ieklicher,  gewurket,  machte  8  von  nihte,  hat  9  machete, 
palmtage,  xe     10  da  mit  dax  man   in  smahte  und  ere  bot.     11  machte  er,   machte 

12  brachte,  hatte    13  schied,  wasser.  ron  deme    14  t/s,  treib,  geislen  die  da  kSften 

15  mines,  hus  dax  heisset  ein  iethus  16  xe  einem  köfl/tts  gemachet,  machete 
17  heilig  18  das1,  mensch  stürbe  denn  ellü  <lie  weit  19  verdürbe,  den  Infi  und 
das  wasser  20  Er  xierte  do  dax  wasser  do  er  sine//  iungern  die  fasse  wusch  in 
dem  toasser  21  und  do  xierte  er  den  luft  do  er  in  sinen  heiligen  fro/tlichamen 
gab     23  einem  vorsmake,   leben nes     24  machte     26  xe  iungste  machte     27   erstarb 

28  sines  31  iungsten,  mensch  nit  enist  32  sprechin,  mensch  nüt  nie  ist  33  sien, 
mit  me,  du  demente  34  du  da,  unser  Das,  alles  dax  35  dax  unlustig,  reht 
36  alles  daa  dax  unreines  .'!7  als  luter  als  ein  glas  "der  ein  kristalle  38  unser 
39  sine  leuchte  mit  dem  sun  dem  sune  xe  eren 

299. 

1  rüwet  3  heilig,  hat  6  xe  erkennen,  was  7  dax  fehlt,  helle,  geben  8  ma- 
cl/ete      in  von  got,  mit  Iceiner  sünde      11  schied,  wasser     12  wurde,   rihte.   wasser 

13  mensch,  ernst,  xesamen  alles  das.  das  zweite  dax  fehlt  14  in  sine  15  herx, 
mug,  götlieher     16  gedenken,  werken     17  wasser,  us  güsset  von  minnen  und  denne 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBTTRS  35 

von  sinte  herzen  usgüsset  vor  sin&m  biktere  alles  daz  den  er  ie  getet  und  im  denne 
der  bikter  19  appelaz  spriehz  20  lebennes  21  unmessiger  22  da  mit,  dih 
23  hau  24  titseng  stunt  tiesent  stunt  25  gedultklieh,  miner  26  ze  zellenne  27  hoh- 
gültikeit,  dins.  verddenens  28  umessigen,  besserunge  29  lassest,  kleiner  30  ver- 
dienens,  besserunge.  abe  xe  legenne  31  xe  rergeltenne .  alle  mine  schulde  und  mine 
s tinde ,  machte  32  mensch  33  nacht ,  gnade  34  lebennes.  meine  35  nacht ,  lebennes 
36  mensch  37  w??7  genner  dankberkeit  38  c?o  zierte,  vögeln,  wasser  39  mensch 
40  bekentnisse,  lebennes 

300. 

1  tinser it.  enphahet  2  «/so,  vereinet  ivirt  mit  im,  niht  enteeis  3  a^e  <w7, 
betreihfet.  götlichen  und  himelschliehen  4  wasser,  mensch,  gotlicher  5  alles,  un- 
lustig,  kumet     ß  alse  ejrox,  reht,  minne     7  trehnen,  süle     8  A«Z.  rorsmake.  lebennes 

9  machte  10  xe  iungste  11  götlich,  als  ril  12  gotlicher  13  hirxe ,  hat,  koment 
14  wasser  sülent,  einer,  nit  über  mag  15  einer,  höbt,  ruggen  16  a/so  ??6er,  a/se 
der  vorderest     17  A§pZ,   ruggen      18  «/so  «<&er,  rf*rre  mensch,   von  gotlicher  minne 

19  a/Ze»  menschen,  arbeit,  de  siechen  20  betrübten,  geveingen  gesihet  21  do  rüwet, 
mensch  22  perfid  AaZ,  rawZ  we.  fcZtf  23  gottes,  er  gesetxet  24  usseriieher.  machet 
25  kreaturen .  es,  einem  26  ögenblike,  Ja  er  tet  ex  irol  in  eim  ougenblicke  fehlt, 
«w  einem  nu  27  bedorfte  nit.  wir  Stilen,  gWben,  es  28  das  xitlich,  als  nu,  hüt 
29  ems  machte,  oder.  es.  geistlich,  wer  in  30  ze  wissenne  oder  xe  glöbennc.  es,  tag 
31  sont  ir  gWben  und  wissen,  Es  moht  32  /?«/  33  vernünfteklich,  in  ime ,  kreature 
34  m*Z  eime,  moht  es  unser  35  e«ws  36  JeA  ^/6  e///  glichnisse,  Alse  37  Aa/ie 
aw  ew  icant,  steif,  fehlt,  brechti  38  »«7  pferide,  macht  39  pherit,  unmaterilich 
teeren  daz  ini  bilde     40  sw,  clannen 

301. 

1  «//er  t/er  Jianele.  hüb  3  Spiegel  verininftklich  zu  im  selber  keren  4  selber, 
weler  hand,  wSlte  5  selber,  sihet,  selber  6  vernünfteklich,  welcher  hande,  kreatur, 
Nu  nemen  wir  8  nüivan,  anderen,  das  9  s«AeZ  er  vernünfteklich  10  kreature, 
in  einem,  eleis  morgen  11  da*  fehlt.  12  mohten,  deme  enget  13  sihet1  das  abent 
lieht  15  icA  spriclt  och  nu  Nicodemus,  ünsern  16  a/>e,  e«?i  ^ar  kostber  salbun 
17  ti/tsrrn.  dar  mitte,  ivisses  18  wwd  /f//r/>  1«  r/r/s  //rai,  gemachet  19  gemartert, 
hand  20  ce,  ZaZe,  vwischent,  und  so  mein  21  wenig,  eins  teil,  so  schlug  mein 
nebent  sich  in.  elet  22  der  garte  und  in  einen  vels  ein  kemerlin  gehöwen  23  kemer- 
lin.  viereggeht  grab  24  tinseru  25  Zwre,  aZs  arox  &os/e  26  nüivan  27  phellor 
oder,  üch,  Es  28  salbeti,  allein  er  29  bedorfte,  es  besser  30  so«/  ir  wis.<<i/. 
mensch  31  es,  verxarti.  ietze  fehlt,  markier  32  tefee  fehlt,  etwenne.  ein  pfenning 
33  s*ras,  a7?eea  s??«f/e  34  Das,  a/scv  Ze&ew,  d*s<  r  w7.  e//«  35  notdürfte,  nah,  keif 
uns.     Ende  der  XTT.  predigt. 

302. 

Anfang  der  XIII.  predigt.  2  //«/>.  ivörtlin.  us  dem  eivangelio  3  />/'/.  Zoa, 
da      4  ünsers      5  wwser      6  s".  streifet,  sti      7  r/ex .  leissent      8  sira      9  Müxte,   es 

10  es,  Das.  ?7eA  11  ftreAfe  12  a/s.  reaA  13  möchte,  küng,  mit  allem  sinem  küng- 
riche  14  feeZ/e,  m'ewa  15  rerkouffen.  ivein.  enist,  in  der  stat2  16  riebest  17  darüb 
xe   gebenne      18    «aA    s«we      19    w«d    dwrcA    r//e    wissagen,    mensch    walte,    wölte 

20  himelrich  nah  ufertrieb.  21  möchte,  nach  sine  werde,  oder,  machte  22  mensch. 
geboru  wurde,   er  fehlt     23  m>g7/     24   S?7   »?/   nirmeni   nach  wirdikeit  dis  Schatzes 

3* 


36  NKBERT 

wirdig  mag  werden  25  meiste,  te  gebenne,  demütkeit  26  nah  simc.  got  27  minne, 
grundloser  demütkeit  28  kreatur  wirdig  29  unser ,  demütigest  30  selber  sprichz, 
hat  31  demütkeit,  siner  32  sii/nn.  wirdigest,  mensch  33  wurde,  die  minne 
34  x.«  deme,  die  betwang  in  darxü  35  wa  d«e  /'/vWr  ewiger  selikeit  wellen  wir  denne 
komen  in  die  fröde  ewiger  selikeit  ane  liden  nit  37  TTaw  s/renne,  etwas,  ze  lidenne 
38  r*eA,  so  er  sm  schulde  heischet     39  klein,  groz 

303. 

1  k/innen  2  Dis,  werd  4  strafte  er  si'i  5  reife  w*Y  «wen,  se$  6  schrift, 
herxe  reht  enxünt  und  o/braut,  in  irem      7   inen,  gesehrift  und  mit  den  wissagen 

8  es,  mengen  tuseng  der  vor  9  hatten,  um  sie  10  sin  fröde,  untK,  were  ccpc  doch 
Wol  11  Sgenblilce  12  kamen  gegen,  unser  herre  furo  wSlte  gan  13  bi  inen,  als 
er  es  nit  tun  wSlte,  Sü  14  uns  15  sihe  die  sunne  17  sü  xwiveleten  18  erzöget, 
were,  in  inen  erlösche)/.  Sü  19  bi  inen  müxte,  Also  sollen  wir  tun  20  werden, 
die  göttlich,  /h/s,  so  sülen  21  ünsern  22  uns,  dik,  uns  23  /ins,  unser  ernst 
nach  im  24  üt,  xe  gut.  sont  25  n/it,  ivüt  du,  enbissen,  oder  sust  daz  almüsen 
nemen  26  Ir  sont,  enbissen,  es  27  als  ob  es,  gern,  sont  ir  es,  si  es  müssen 
28  sont,  als  gütliche  gegen  dem  armen,  es  29  ir  es,  fünf,  iunger  betwungen  ünsern 
30  sü  gesassen,  essen  31  segnete,  es  32  es  gebrach,  was  es  als  es  33  messer 
34  das  brot  brach,  vor  ir  ögen,  sü  35  es,  unser,  uns,  bekanden  36  unser  herxe 
begondc ,  uns  rette  do  ivir  giengen  uf  ilem  /rege  37  uns  dike,  unser  h'r,  uns,  in- 
wendig 38  oder  uswendig  39  fründe  (Im  kreaturen)  wenig,  nemen,  unser  herze 
40  brinnet,  uns,  kumet 

304. 
1  am,  mugen  2  uns,  unser  4  bekanden,  sahent,  nit  n/e  5  töde  6  eigen- 
schefte,  als  stiel  8  ögenblike,  als  9  durch  ein  stählin,  als  10  hettin  tuseng, 
mSchtin  11  n/it  ein  har  han  geritzet,  Dis  12  viere  eigenschefte ,  urstendi,  darnach 
oder  13  als  h/U  dis  tages,  bewiste,  sin  snelli  oder  behendikeit  14  berg  abe  wollen 
han  gestossen  15  trukte  16  ein,  die  17  bewiste  er  do  er  von  siner  müter  geborn 
wart  als  der  ein  kint  us  deine  vinger  %uge  19  unlidlicheit ,  erzögte,  iungeren  sas 
20  selber,  hand,  selber  21  ime,  moht  22  Klarheit  die  erzögte  er,  und  (vor  sunt) 
fehlt,  23  Jacobe,  Johansen ,  vor  dien  verwandlete,  unser  24  do  er  dennoch  uf  ert- 
rich  25  antlüte  schöner  denn  die  sunne,  ivis  26  swer,  ünserm  27  vier  ding  oder 
dis  viere  eigenschefte,  daz  der  lip  28  als,  nit  verdrösset  was  29  geheissen,  sül 
tun  dax  tut  er  alles  von  gütlicher  minne  30  als  31  als,  als,  geachtet  in  sinem 
herzen  32  enkein  ere,  in  menglich  33  Er  wirt  34  ze  lidenne  es  si  von  den 
kreaturen  oder  von  mangel  götliches  trostes  oder  was  es  ist  daz  dunket  in  alles  ze 
klein  und  lidet  es  gerne  von  gütlicher  minne  37  Er  wirt,  als,  daz  er  38  sinem, 
icilles  in  allen     39  Dis  vier  eigensehe ften,  enphahet     40  iungsten,  sele  dero  die 

305. 

1  wissent,  Hb  2  obersten  3  sele,  krügli  machet  an  einen  grossen  krug 
4  massen  oder,  schutti  5  in  den  grosse//  krug  daz  er  über  gusse  in  das  klein 
krügli    6  /ibergusse  wurde,  klein  krügli/n    7  deme  iungsten    8  n/it  gelich  wart,  wan 

9  gegossen  hat,  das  güsset,  us  10  daz  er  geklarif, leieret  wirt  mit  ir  und  gekleit 
mit  ewiger  ere  11  sü  enmugen  volkomen ,  Hb  12  koment,  Ich  sage  ü eh,  was,  einem 
13  lang,  leben,  zwiflete  14  unser,  eelle  15  was,  «s  17  wurde  18  hinter  lebende 
steht:    Do   sprach    er    Olhbest    du    du;  du   sunne  <la;    mag  gewürken    und  glöbest 


HANb.HHKIFTLN    DKS    NIKOLAUS    VON    STKASSBÜRG 


37 


nut  da*  der  der  der  sunnen  ir  kraft  git  19  dingen:  da*  der  die  toten  mug  erkicken, 
war  urnb  xwifelest  20  es,  gegenwürtkeit  21  xwiflete,  unser  22  unser,  Jesus 
Kristus  fehlt  23  celle  stände,  vermaehete  24  Fr  sprach  aber  Was  tust  du  Do 
sprach  er  25  Ich  vermachen,  mit  dem  glase  26  der  für,  es  27  die  minste.  an- 
seilen und  besitzen  die  ierret  28  gütlich,  es.  ihiser.  hinter  mag  steht:  Er  sprach 
and  glühest  du  da*  d</\  du  sunne  30  gantx,  and  glbbest  nüt  dax  der  der  elln  ding 
reraiag  31  u/aget  moht.  gut  us  33  gar  ruh.  \r  grifenne.  kumt,  grünet  34  Weitest 
du  nit  dax  der  der  dax  us  eime  35  bSme  gexthen  mag  36  mögt  37  uns  38  rehte 
kristame  glöben,  ewklieh  bi  got  40  de*  helf  uns  got  Amen.  Ende  der  XIII.  pre- 
digt. Am  rande  des  Schlusses  steht  in  roter  schritt,  mit  roten  linien  in  der  form 
eines  reehtecks  umrändert: 


hie  sint 
us  brüder 
Nielaus 

bredien 


II.    Handschrift  A. 

261. 

4  Do  6  %e jungest  7  her  9  hies  10  süne  11  linken  12  entarte,  emeissent 
13  mügent,  Si  14  Dast  16  linken,  üchs  17  dem  es  18  linken,  rehte  hant 
19  linke,  die  rehte  hant .  die  menscheit  20  linke,  meint  21.22  mensehlihernature 
und  sprach  do  da  minnent  si  in  23  eigin  24  sin  scliuler.  sint  25  liet.  sint 
26  in  der  kleinen  schule  gelert  und  rat  uns  27  wort,  lerte,  förhten  28  schul', 
grosser,  meint,  die  helle  29  strenglieh,  hertiklieh,  du  dritte  schule  ist  da*  ist  dax 
ewige  leben    31  dem,  si    32  Nu  fehlt,  minnet,  im 


262. 

1  sinre.  strasxe,  es  2  alxemal,  eiginen  forme  3  vor  ieme  alter  eiginen 
forme  4  niena .  prior  5  tormenter  6  im  capitel  Iius.  als  wit  als  dax  7  eiginen 
forme,  niena.  es  8  eiginer  9  alxemal  mit  gewalt  10  förhten  11  sin  fSrhten, 
und  sSnt  uns  schemmen  ximelieher  dinge  12  die  13  ettewenne,  usser  14  sehemmet, 
isset  15  sollen,  schemmen  16  unserme,  dinge,  die  17  weren,  unserme  18  lebende, 
ob  fehlt  19  soh^  20  werdent,  hertxen  23  niena  den  in  himelriehe  24  sacrament 
25  aföer,  #e«-er  26  (Zo  27  kratze  28  zerfiiessen  29  w-vm  30  efee,  ussen,  dis 
31  grosxer  32  ?mrf  fehlt,  grosser  33  klimmen,  ein  giplin  fehlt  34  6as  d?>  (vor 
heinlich)  fehlt,  mohte  bi  dir  sin  35  /.-///?/.  /</>•/><.  ungetürster  36  «e  kosende  mit 
im     38  es,  (feste  m'rs  ȣ  bieten     39  Aei 

263. 

1  grosxer  dangberkeit ,  grosxer  2  grosxer  3  unmesxigcr,  ximerman  at  der 
weite  5  fem  6  vergesse,  durch  7  also  verkleinest ,  wissen,  sitzet  8  dex  Obersten, 
simc .  hiderman  9  jüngsten  10  »»7  11  bekert.  xögte  12  jungern,  erstunt 
14  //>">-,  es     15  >/"/  W2  c/'/y^  himelriehe     16  eiginen     17  altaren     18  gewer,  gewer- 


38  NEBERT 

liehe  als  in  dem  himelriehe  19  als2  fehlt,  crütxe  20  mit  21  niena  22  müs 
23  gegenioHig ,  enpfahen  24  mit.  getürrent,  uf  steht  vor  getürrent  25  unserme, 
mit  26  getürrent,  an  riiffen  27  körnen,  hä  28  grosxer  29  gegenioHig ,  gewer 
31  er  fehlt     32  oeste  getürstig  xe  bildende     34  bräder  norden  ist,  bettest  du  umbe 

35  bettest  36  Äe^e,  Ae#c  37  &owe  »w  im  38  *'cä  manen  üch,  ein  fürste  und  ein 
herre  sint,  uwers     39  mirs,  kunt 

264. 

1  «cä  ermanen  üch,  uwers  2  mir*  er  verseit  mir  wol  von  rehter  ximelicheit 
mag  er  siner  swester  nüt  versagen  so  er  mir  wol  ximlich  verseit  4  *n  fehlt 
6  ximelicheit,  umb  7  oder,  betest,  sollen  8  umesxiger  9  lebens,  da  inne  10  ew?e&- 
7ic#,  schowende,  mit  den 

Es  folgt:  Z)ise  begirde  und  bekennen  wirdikeit  des  saeramentes  mag  von 
minnen  als  gröslich  enxündet  werden  so  der  mensche  gedenket  der  minnen  in  der 
er  sich  gegeben  hat  in  des  priesters  hant  under  den  schin  dex  brotes  und  den  nutx 
der  uns  da  von  kunt  So  mühte  der  mensch  wol  von  minnen  xerfliessen  und  ist 
nüt  müglich  dax  dax  da  üt  verxigen  m/ige  werden  Nu  sönt  ir  selten  wax  ir  grosxer 
minnen  schuldig  werent  gegen  dirre  minne  wati  wax  uns  hie  eines  rehten  keres  des 
willen  und  der  minnen  gebristet  dax  si  xe  klein  ist  dax  müs  erfüllet  werden  in 
dem  vegefüre  mit  unser  eiginen  koste  ivan  minne  du  müs  entweder  gewerden  ald 
aber  enticerden    Amen.     Ende  der  I.  predigt. 

Anfang  der  II.  predigt.  12  us  dem  ewangelio  genomen  genomen  13  Lasar o 
14  abrahämes  Helios     16  ivax     17  stox,  toasser    18  lasxe    19  es    21  hertxen    22  es 

23  und  mag  24  dir  mag,  es  25  und  och,  von  (ich  26  x/i  üch,  nuwen  31  lüstlicher, 
wan  er  hat  si  dicke  genomen  32  und  man  denne  33  gisset  34  es  umb  35  nuwent, 
sin  überflüsxikeit     36  spise  und  kleidern     37  sin  unerbarmehertxikeit 

265. 

5  pfennig  (über  dem  -strich  befindet  sich  ein  grosses  N),  er  (für  mer),  es 
6  wissen  7  erbarmehertxikeit,  uns,  unerbarmehertxikeit  9  eine  (für  nine)  10  üch 
es,  geistliche  11  die,  kreften,  iverk  12  und  den  oren  gehörde,  spricht;  13  dise 
kraft  17  enkeins,  het  die,  (igen  die  18  die  selben,  die  gelide  19  die  er  vor  hat 
20  dis  alles  22  die  in  der,  wax  23  es  24  üch,  ein  rede,  hette  27  wax  28  lies 
29  nüt      30  erbarmehertxikeit      31   tun,   ivils      33   erbarmehertxigen      35  schlaffe 

36  die  wax    37  ivax,  es     39  nüt    39  nüt    40  fürte  lies,  die  schönen 

266. 

2  weis  4  es  8  weis  es  9  üch,  teeistu  dax  wol,  er  sprach  ich  weis  es  wol 
11  dine  (igen  12  slaffent,  gehör ent  13  beschlossen  14  füsxe  15  nüt  17  schlöffet 
18  erbarmehertxikeit      19   dis      20  nüt      21  guldin  stat      22   Da  süsxeste     23  us 

24  die  büni  25  wax  alles,  tvax  27  las,  nüt  28  es,  paradgs  31  dr issig  32  di 
gnade,  erbarmehertxikeit  35  unerbarmehertxikeit,  abrahämes  36  schos,  hatte  37  eivik- 
lich,  untx    38  wax  die  »or  Ae/fe    39  crütxe,  nüt     40  hinter  c?er  erste  fehlt  ^<;as,  es  zoa* 

267. 

1  nüt,  wax  2  wax  3  es  4  wax  5  wax,  nüt,  sas,  es  wax  6  gesessen 
8  crwfoe  9  untx  10  es,  füren,  die  stat,  der  vorhelle  fehlt  11  sunde  12  gebessert 
13  ms,  «Ve  füren  fehlt     14  abrahämes  schos,  wax     15  die  gelübde     17  ei«  bornen 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBUR8  39 

18  des  fehlt  19  gebessert  20  abrahämes  schos  21  nüt  vollebessert,  ins  24  abra- 
hämes schos,  dise  stat  wax  25  nuwent  26  xitliche  pin,  die  28  es  xe  mal,  die 
helle  die  29  da1  fehlt,  da  dir  30  Die  hant  31  pin  nüt  32  Si  haut  enhein, 
wissent  33  nüt.  töffe,  nüt  34  AeWe  35  da  fehlt.  weis  36  nüt,  es.  nüt  37  es, 
weis     38  es,  es     39  müssent     40  wissent,  geborn  irarent  und  getoft  icarent 

268. 

1  es,  gröste  pin  2  bissen,  dise  kint  nüt  3  nüt  4  nüt,  si  hant  so  vi/ 
f rollen  und  uimnc  6  grosxem  7  wissent  8  »"/  9  ?e??/^,  ms,  ;>//?  12  vielent 
13  waw  d«*,  mähte,  schöneste  14  creatur  15  si?«  ao?e£  17  es,  dYe  18  creatur, 
verstosxen     20  »«/.  woltent,  müssent     23  iegeliehe,  enpfahen,  möhte      27  schotvet 

29  rehtcn     32  nuicen,  masxe     33  nuwen     34  es  was     36  m«£,  nierrrn     40  drissig 

269. 

3  m*i  4  hundert  fehlt  S  werke  9  werke,  nüt  10  geliehe,  hette  11  grossi 
13  werke  15  w7.  ertrieh  17  aZtes  18  drissig  19  m//  demutikeit .  wax,  alles 
20   unmessiger   het.    grosxen      21    «■//•  s<5»tf   /«■   griffen   und  sönt     22    es      24   es 

25  besserende     26  fegefiir.     Ende  der  IL  predigt. 

Anfang  der  III.  predigt.  31  hassen  33  ftos,  demütig  35  m*i  36  er 
sprach  ia  er  kumet 

270. 

1  grosse  2  ex.  treit  sü  du  5  marin  6  es,  »/'/  7  foes,  ///'/  8  mrir.  ver- 
gessen, i'ich  12  es.  dar  w/",  »«/  13  es,  ?m£,  es  14  mtreis  16  es  17  liertxen, 
nüt  19  getromet  20  es.  ff««<7  21  ««/  22  /«*.  6i's,  wirdest  fehlt.  Ende  der 
III.  predigt,  es  folgt  fortlaufend: 

Anfang  der  [V.  predigt  (nicht  durch  initiale  ausgezeichnet).  25  und  sprach 
ihr.  unserm  herren  xüvallender  Ion  lege  an  ere  27  sitssru  unmesxigen  30  cfo,  ?m- 
mesxigcr  31  süsxikeit  32  sünderliehe  34  griffe  35  ra*d  M7  siis-un .  heiigen, 
himelrieh 

271. 

1  a//es,  da*  äa*  is/  3  heiigen  5  tusent  tusent  stunt  nie  6  iruuurn.  hette, 
arme     7  ei«  borner    8  grösxer     11  f roden     13  ai/rts     15  heiigen    17  getdffet    18  es 

19  es  weis    20  drissig    22  ensint  nüt    23  sprich^    24  es,  »»7,  wir  sint    26  strowin 

30  starke  pfeff er ,  mengen    31  es    32  verlassene    33  hertxe.     Ende  der  IV.  predigt. 

Anfang  der  V.  predigt.     36  st'ine,  us     37  /W 

272. 

1  besserem  3  mzd  £i?i  n«7  wirdig,  heisse  4  ei«  6  e/aö  7  e«m  ringrrliu. 
schlug,  tristes  8  nunen  9  io*7,  ru/eeuf  10  Iuri\en  12  m&,  heisse  14  grösxi 
15  sprich?     16  unmesxiger,   :  imerman,  lewi     17  /ü'//W    20  «//es     23  re/s     2-1  pe*s 

26  gerihlet .  alles,  dise  weit  27  nuwent  29  das  /s/  30  «//es  31  die  «vr/,-  die 
32  24s  33  epystel  und  von  Jacob  34  «;a&  35  gsaac  36  di«  stimme  37  di»  Awtf 
38  ysaae,  es    39  d/e  ö#e«,  nuwent    40  griffent,  nuwent,  gehSrde  die 

273. 

1  die  ?<w/  die     3  ZcA  sprich  oueh  da%   kern  in  minen  köpf  mit  der  ie  einest 

unsem  herren  irirdekliclie      7   Ae//e      9  ewigf      10  kamen      12  sprich  bch      15  /m/ 


40  NEBEKT 

16  müs  17  hette  19  ruwen  21  gantxer,  mit  22  enweis,  es,  »ift  23  es  müs, 
wille  sin  fehlt  24  pinige  25  wisset!  26  <//e  27  cfo'e  werdent  28  ems,  /ofc,  er- 
tSttete  29  werp  d«e,  rt7e  werdent  31  //'•//  33  es,  m<tf  34  es  35  unmüszig  38  c/ie, 
aws     39  mitf     40  es,  ruwet  es 

274. 
2  es     3  //e/te     5  würket,  er  (hinter  würket)  fehlt    6  es     9  afeo  fehlt,  grösxer, 
dinge  fehlt,   >///7  aMete      10   kleine      11    </e6c7      12    eristenheit,  mit     13    es,    iewa 

15  griffen,  mit  17  ra«'e  18  eristenheit  19  o//e  swe  ww&,  «jwte  20  after2  fehlt, 
«7e  er  22  m*Y  /'/'  23  <7$fe  //v /■//  25  de«  26  rf«e  29  /rissen  30  /ie/j  /*e^  %\  hellen 
32  Äe#e     33  iegliehen     34  vegefür    35  es,  sc  m2     37  es     38  ruwet    40  Zw 

275. 

1  nuwent  2  rwet'e  3  wissent,  es  4  m&  enweis,  Er  wei%  wol  da*  er  ane 
tötsünde  da  nit  ist  fehlt  5  d*e  sünde,  enweis,  mit  (_>  weis,  ?«s  7  m<£,  rm/e/t 
8  ////Vs,  fti     9  ruicen     10  rmoe     11   «/s  gros,  &«2s«e     12  m«?e     13  grosxe    15  frowe 

16  getruwelieh  17  überßüsseklieh  18  gebesserot,  ivislich,  möht  19  wurde  21  m 
rfe«j   *?'#    22  des,  am  schluss  steht  Sermo  (rot).     Ende  der  V.  predigt. 

Anfang  der  VI.  predigt.  24  o«e  25  Hehjse9  27  ei^m  29  ms  30  giis. 
die  vas     31  Ä»ie  leint,  dise  wittewe     33  /rowe     35  frowe,  rüffet     36  himelrich 

276. 

1  e?<//>/  7  /7//V.V.  von  den  gevangen  12  wening  14  wa»,  lere  vas  15  heiigen 
18  foVtfe  rtVe  19  /rissen,  nütx  20  wissent,  es  21  grosxe  22  ruwen  23  rt7'  rrs/r. 
re«*i  24  müssent  26  es  27  es,  grosxer  29  geniessen  30  ivissen  32  m«£,  wwer, 
wwer     34  uwern,  uwern     35  </ms     36  rtVe  ras     37  ^os,  macent,  es    38  ras    40  wm£ 

277. 

1  aVe  cfc'e  götlich  2  pas,  rfes  3  <//>  gStteliche  4  nuwen  5  es,  es,  güsse, 
die  gnade  9  grosxe  14  rfts  15  «>*e  so?^  //•  /^»  17  rfws  18  ws,  minem  hosen 
hertxen  19  grosser  22  hertxen  23  es,  vergessen  24  entruwen  25  vergessen ,  nüt 
26  es  27  helfet,  es  28  es,  a?-».  getruwelieh,  es  30  es  ?m2s  a$es  32  vegefür  die,  ab 
34  ai/as  35  sprieh§,  es  36  getruwe  37  grosxen,  vegefür  38  <7/<  hundert  39  rär 
(fo'e,  »mw  die  mine,  hundert  die     40  gebessert 

278. 

1  ms,  »m*s  2  engelten,  die  hundert,  es  müs  3  M«fes  4  es  5  ai/as  6  ers, 
w^s  7  besseren,  die  hundert,  gebessert  8  ins  9  es  10  vegefür  12  tegeliche 
14  raitf,  s^yr//  i«cA  15  ein  mensche,  hette  16  deswillen  17  &«*s&e  18  es  20  ?m£, 
die  sehxig  21  besserot,  do  22  es  /res?s  aKes  23  gebesserot,  hat  fehlt,  ins  25  an 
de/»  fode  26  7<?v.  /ritten  27  fte&eri  28  ms  32  worden  worden  bist  33  <//de// 
36  ruwen    37  fo2s*e     38  de*     39  «s     40  M>e/-& 

279. 

2  entruwen,  schiel/ 1 .  eins  2  es  6  p*«  7  es,  ////7  9  es,  //u/ren,  nüt  10  ie 
me  12  ms  15  guten  bilde  16  es  20  grosserem  23  s*n  /om  25  ö'e/j  //ie  almüsen 
ins  26  #/de  begirde  28  wmpe  30  aWes,  himelsche,  frowe  32  ms.  33  gelassen 
34  getruwer    37  müsxeut,  nüt     38  arw,  ////wen 


HANDSCHRIFTEN    DKS    NIKOLAUS    VON    STRASSBUKO  41 

280. 

2  ns     3  besser.     Ende   der  VI.  predigt. 

Anfang  der  VII.  predigt.  7  ns  &  heinlieh  9  l offen f  11  besessen  12  vege- 
f/ir.  loffent  IS  xü  löffer  15  **7  fö^er  16  wa«  17  noch,  seien,  grosxer  18  grosxer, 
i/is.  wax  21  wax  22  wax  23**7  /ö/fe>-  2i  alles,  trat,  olles  25  wissen  26  dingen 
dit     27  es     28  »///.  fore,   bedurften  sin     31  ere,  oYs,  des-     32  woW     34  «?»,   «Wes 

36  drissig     37  unt\ .  crutxe 

281. 

1  «7/1  «//es,  unmessiger,  hochgultigkeit  2  wax  3  nuwent.  mit  4  es 
«//es  5  Aette  9  es  10  alles  11  himelsehe  12  wa*  13  verdienet  14  himelsehe 
16  Nuwent  17  m#,  bedurften  sin.  wissen  19  sehowende  20  schoivende  21  es, 
ers  /e«/  22  ««7.  es  23  es  nuwen,  schoivende  25  weis,  sehowende  27  sehowende 
28  «»/;  29  crütxe  30  «■«?  «/«.<.  drissig,  wa%  31  was  aWes,  ivissent  33  besserende 
35  es     36  gebesserot     37  besseren     38  »«7     39  besseron,  es     40  es,  besser 

282. 

1  besser,  es  2  «v/;.  tfü  3  was  4  was  5  überflüsseklich,  drissig  7  «//es. 
ws  giessen  9  grosxen  10  griffen,  und  sSnt  gelten,  griffen  12  .Es.  Ende  der 
VII.  predigt, 

Anfang  der  VIII.  predigt.  17  sunderinne  19  rfo  unser.  wax,  hinter  wax 
steht:  i«  (7/7 -v  fou  20  f&sxen,  fäsxe  24  rtYse.  sunderiu.  alle  ding  weis  25  entwrte, 
wening     26  wax     27  es.  soft     31  «ca*     34  frowen,  frowe     35  sMw/e  verlassen,  es 

37  du 

283. 

1  die  /ade/  3  m  //•  andaht  5  woltent  6  du  rügerin  7  seh/ichende  9  ae- 
/««  und  da  da%  und  da  :e  >il  11  rf/s  12  «77//  11  //«/.  wissent  15  du  schowerin 
16  £r%  17  /n«/  IS  «•«."  19  gerne rt .  gereisxei  20  ■'. "  hitxigore  sehowende, 
Dis  21  rügerin  die  22  ZV«  /vir  sin  alle  23  weA  26  gantx,  nüt  27  »«7  29  im- 
mesxiger     30  Jew*     31  des   willen     34  /«/.v,  e     35  6«ss.e     36  aawfo     37  aawfe  «//es 

38  fauxe     39  Messe,  grosxiu  ding 

284. 
1  nuwen,  er  teere,  gebessert  3  flusxet  5  unsrrrn  vasxen,  woltent  wasser, 
Entruwen  6  ms,  es,  w«V  eo/  7  es.  murin  S  uuts\rn.  es.  icirs  9  nuwent, 
lang  10  müsxen,  ex  12  6«sxe  13  griffen,  unmcsxigen  14  besserunge,  busxe 
16  unmesxiger  18  m innen  lieben,  büsxe  19  grosheit  20  grosheit,  hochgidtigen 
21  lasxest  22  busxe.  unmcsxigen .  besserunge  23  kreftig  werden,  ab  xe  24  es 
25  nuwen  27  nuwen  28  hertxe  30  müsxen,  vegefür  33  so/  wa«  fehlt,  «//'* 
37  hertxen     39  busxe,  ab  nimet 

285. 

6  drissig,  schleht,  dex  du  brinnen  7  vegefür,  grosxe  8  a//es,  ««7  9  des; 
minnesten.     Ende   der  VIII.  predigt. 

Anfang  der  IX.  predigt.  13  s«wew  14  a/s  d«  «m  gewalt  best  gegeben 
15  den  #eoe  18  <2ü  wera,  vollebraht  die  19  mw  //e/To/  21  du  werdent  22  hinter 
£r  fwwde  fehlt  w«d  werdent  mer  tnnde     23  Aus,  doeA  /o/ew     24  hiessen,   und  saut 


42  NEBERT 

peters  25  nuwen,  wrden  26  es  nuiven  27  nämen  29  dex  nämen  31  nämen 
32  /«'es     33  ^<s,  witteivon  sun     34  es  aWes     35  wis,  es  alles     36  wis 

286. 
4  «■?*£,  es  wax    6  claror,  wax,  de%  vatters    7  näiue,  geleiert,  wde,  es    8  frowe 
9   #ros      10    es      11    aWes      14   grosxer      15    es      16    es,  frowen      17    «d<  grosxer 

19  hinter  bekamt  fehlt:  dorne  er  rar  ie  deheiner  kreatüren  wurde,  frowe  21  «d>M 
23  aZ/es,  ereaturen  25  7>«s,  de  menschen  26  et«%e  leben1  29  ww£  31  w///oe  «'s 
#i*w  mttf  33  so  z^ere  rfa*  »70^  min  und  dax  wer  galt  besitzen  35  nuwent  36  geist- 
liche    37  g?«s     40  efo's 

287. 
1  hier     4  mcä     5  uns  machet  mit  unklar  denne  schulde  ab  geleit  So  wurden 
wir  klar     6  büsxe    8  anders ,  xe  vastende     9  anderstes     10  es ,  besserende    12  d*rs, 
anders      13   es      14   r/zVs,  anders      15  uwerm,  es      16  heissen,  uwer,  es      17  aWes 

20  ivrden,  nut  21  fo'es  24  gemessen  26  es  28  «d<  29  gebessert,  weis  es  30  es, 
wx  31  es,  *'s£  frisch  grüne  32  crütxe,  es.  beslossen  33  es  34  es  35  d*  were 
36  c?ms  wwtf,  nuwan  37  m?5s  38  unwissent,  das  vegefür  39  regefür,  Unwissen- 
heit, nut     40  da  er  wissent  wurde 

288. 

1  Äe^e,  grosxen     3  amd  /?'•/  ws  geheisxen  raffen     5  nnivent     6  geriehert,  es 

7  Ngclaus  10  ?*s,  mttf  12  jts,  geheissen  rüffen  13  we*s  14  «d£  15  nuwan 
16  es,  darf  man  es  nut,  howen,  griffet  nuiven  18  griffet  21  griffen  22  «atf 
23  de*  sinen  nut  24  a//es,  da*  da*  ?//m  24  dr  issig  25  «?a*,  m<£,  wissent 
27  besseren  28  /ar  tusent  tusent  weit  29  es,  gebesseret  33  büsxe,  minre  sünden 
grosheit  34  ivol  hochgültikeit  35  unmesxigen,  besserunge  36  lasxest ,  büsxe ,  krarft 
39  büsxe,  besserunge     40  überflüsseklieh,  gebessert,  konden 

289. 
cf.  288   ende:    da    konden   wir    wislich  griffen  in  disen  unmessigen  schatx 

I  besserunge  3  griffen  4  unmesxigcn  5  Z)a*  mV  vergelten  unser  schulde  amen 
6  gelasxen     9  ertrich.     Ende   der   IX.  predigt. 

Anfang  der  X.  predigt.      12  m  dem  passion     13  swerot,   nut     14  wax 
15  wa*      16  &as,  w»      17   dekeinen      18  aWes      20  d«*  w;a*    da*  sic/i  ew  se/e 

22  maeh%,  wax  23  wa«  27  ««sser  28  lasxen  29  sweis,  hette  es  30  eine  ful  hant 
32  schlan,  sprich^     33  ««de     35  es     37  schlahen 

290. 

2  schlahen      3  //rd  oe//      7   natürliche  wille      8   Ae^e,  «Wes      10  de«  arnuit 

II  gehebet  12  Ae^e  13  was  14  de*  vatters  15  «vr*  16  gewürgte  us  17  «s 
18  «ra*,  schlug     19  mftste  lasxen     20  wa*,  müsle.  lasxen     21   es     22  es,  de*  fodes 

23  "Yf*  24  sehlüg,  nüt  27  iV«#,  w«tf  31  wissen  31  /•/<  d»s  35  de*  redelichen 
36  ws     38  lasxen     39  de*  vatters,  dex 

291. 

1  vatters     2  «d£     3  m$s   lasxen   in  leben     5  ««£,  uwer.   hette     7  gewaltig 

8  alxemal,  sehleht     '.»  rawtf,  j*s,  es  ttcA  «/d     10  wer     11  //e//r.  rd/e/^  er     14  a-a* 


HANDSCHRIFTEN"    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBÜRG  43 

15  de  bi  ivax,  die  ander  16  na; .  unmesxiger  17  gelasxen  ivax  18  ica:, 
schowet  19  dex  wart  22  er /ixe,  ivax  23  mit.  er /ixe  24  ivax .  dis  25  grosxer 
26  oYs  27  nuwent  28  geflosxen  29  m*£:  heiigen  30  süsxikeit  31  f/ex  vergasxen, 
dex  si  ussewendig  33  e/e;s  ttsseren  34  t/ex-  enivart.  n/it.  s/veret.  hinter  swi  fehlt, 
/«/e«     35  »«#,  grSsxer     36  heiigen     38  cfo'e  persone 

292. 

1  sweret  es  xpc  liden  wirdikeit  siner  personen,  ivax  2  stieret,  lieh  3  rf/e 
Ae?7e  4  ertötet,  hetten  5  sesse  6  masxe.  heften  7  »&er£,  /e  wie  s/\  «vn  8  es,  me 
9  «m.  schowet  11  underlas,  grosser,  rieh$  12  fi/s.  e;vr.e  13  froden  15  ?-e/-- 
lasxen  17  gelasxen  18  selben  19  sr/s  20  iVes  22  getridich  24  ems  2S  sweis, 
durch  gantxe  hut  29  es  31  m«£  32  AeWe  34  drissig,  es  35  m<£,  gröslich 
36  heften  mit .  grosxe     37  nmven     38  es,  ^ce^s     40  wm 

293. 

3  n'e/s     5  foätf  m  r/er  rwj/Ae     8  es     9  ?ra.i .  enkette,  mit     12  «;«*     13  es  zras. 

14  crütxe  15  we/s  16  niena  17  niena,  den  an  dem  crutxe  19  wcA,  Es,  xe  einen 
male  21  können  ir  23  entn/ivcnt  24  grosxe  27  es  28  «wer  29  uwer,  die  wis- 
heit  31  fl/s  tt?a*  /s/  uwers  32  ■«•//•  knmient.  crutxe  35  enfruiven ,  wir  ktinnent 
38  «We  efo'e  fctftsft     39  gelernetent ,  müssent     40  wissent,  mit 

294. 

1  cruxes  2  süsxikeit  5  uivern.  es  6  «wer  7  gelernetent  8  criixes.  Ende 
der  X.  predigt. 

Anfang  der  XL  predigt..  14  w«2  17  gereisxet  18  grosser  19  es  23  e?7- 
r*eÄ  24  erm.e.  /rissen  26  er/ixe  28  wissent  29  in  eim  31  froiven  32  u/i/vent, 
Jtefte     34  ganixen     35  «c/z     37  gantx 

295. 

1  es,  nuwen  2  Aej"  3  «nrf  e?e/"  st /icke/ in  4  gantxen  5  crutxe  9  »er- 
messe« 11  esse  13  enpfahent  14  /<y?7  20  es  22  enpf/engen  23  liesxe.  wissent 
24  i/ircr.  kummet,  /ich  26  w?f7  enweis  30  enphahet  uan  von  der  gegenwertikeit 
unsers  Herren  so  ist  er  der  xit  32  uwers  34  utcern  35  z^re/-  37  m*f  ime,  xe 
>»<7/\   /rissen     39  utvern.  uwer 

296. 

2  ma»  ZeiY  eine  einen  stein,  xü  einen  füre  3  es,  dex  füres  4  c/a&  5  giisset 
6  rf«'e  menseheit     7  güsset    8  herbergent     10  Aefte,  Äefte    11  es    14  spricht;,  grosxen 

15  m*tf  16  m*£,  es  18  «v7,  sprich^,  las  19  es.  «»?".  ^»te  20  koment  23  rfe^ 
«/«res  26  cfo's  27  «»7  28  die  ivil  30  dex  sacran/entes,  nut  31  dex  glöben,  grosxiu 
32  volgent     35  s/e«f     37  d«s     38  unser,  grosxer 

297. 

1  nut^untx    BJbietent.    Ende  der  XL  predigt. 

Anfang  der  XII.  predigt.  8  cfei  ersten  10  mö*  11  o/7es,  z'»eA  fehlt 
14  tfe*  dritten  15  /vc/SKer.  es  16  ivasxer,  dex  vierden  18  es  20  ws,  c/e^  fünften 
21  xierte  er  nasser  22  die  Her  23  dex  sibenden  24  nhrer  26  alle  ding  29  n7/es 
a//es  (/«-.     32  itcA     33  »»f     34  ««<     35  »«< 


44  NEBERT,    HANDSCHRIFTEN    DES    NIKOLAUS    VON    STRASSBURG 

298. 

nüt  4  uskueken,  usblast,  man  nu  nüt  6  gute  7  alle  ding  8  dex  ersten 
10  dex  andern  11  wax  12  frowen  13  (lex  dritten,  wasser  14  wax,  do  er  die  us 
dem      15    heisss;      16    de*    vier  den      17    «;a*      19    d*e    ?*-eft,    de*    fünften,    wasser 

20  wasser.  wax .  fasse  21  j*s  de»?  wasser,  wax  23  de*  ewigen,  dex  sehsten 
24  «?a*     26  wax    27  crhtxc     33  dea   willen,  so  sint    36  fl/isset     39  ?mY  rfew  s«me 

299. 

1  de*  sibendcn  3  oe/<t  4  De*  ersten  5  grosxen  8  de*  andern  10  i'o«  <7of, 
de*  dritten  11  ivasxcr  12  wasxer  13  grosxen/  14  hertxen  15  hertxc  17  rmee, 
wasxer,  us  gt'tsset  18  se*7  fehlt  19  ablas,  dex  eivigcn  20  grosxer  21  unmesxiger, 
22  grosheit,  dich  dicke  26  busxen,  grosheit  28  unmesxigen,  besserunge  29  lasxesi, 
büsxe,  si  mir  kraft  30  besserunge  31  G?es  vierden  33  de*  ewigen  35  des  ervigen 
37  grosxer,  dex  fünften    38  wasser    40  de*  ewigen 

300. 

1  verwandelt  in  sich  2  aWe*,  enweis  3  a//e  trabtet  4  wasser  6  süsxikeit 
fliesxende  7  de*  er  8  De*  sehsten  9  d«V  fo'er,  hirtxe  13  /«77*  14  f«  ander 
wasser,  nüt  17  de*  hindern  19  deft  siechen  20  de*  sibendcn  22  zmd  «m<  23  gottes, 
es  24  usserlicher  25  es  «///  26  es  27  es  29  e««s,  es  30  de*  s«,  m££  31  wissen, 
es  32  vern/rnf/eklichc  33  mt£,  de?ze  34  wo/d  35  de*  engeis,  eins  36  mcä,  glieh- 
nüsse,  grosxen    39  ods  «/s  unmaterilich 

301. 

4  so  seAe  er  »n  «Vra  selben  leeren  so  sehe  er  weler  hande  ereature  er 
wolte  8  nincen  9  vernünftekliche  11  em  morgen  16  cr/lxe  17  Ws  18  wa* 
19  wa«  21  fem  22  ?ra*.  der  garte,  kemerlin  gehoioen  23  «;«*,  f/o  leiten 
24  grosxen,  dex  kcn/erlins  25  grosxen  26  nn/cent.  mit  27  pfellor,  /ich,  es  ivax 
28  «d£  29  wa%,  »«7,  es  besser  30  tvissen  31  es,  rcrxarte  33  wa*  34  de*  ?'s/, 
a//e  dwy     35  de*  ÄeZ/e,  am  schluss  steht  rot:    Sem/o.     Ende  der  XII.  predigt. 

302. 

Anfang  der  XIII.  predigt.  2  ms  3  giengent  6  straffete  7  de*  glöben, 
/risse///,  mit  8  mi%ste  9  »W/  10  es,  n/i/sfe^  üch  11  brecht  12  werde  fehlt 
13  a//ew  14  fee^e  15  verköffen  18  /<a^e  20  wo*,  himelrieh,  er/ rieh  26  crea/nr 
28  creatur  29  frowe,  wax-  32  ?ra*  33  müste  35  de*  37  rrt/^e/1  38  r*cÄ 
39  grosze,  le/i 

303. 

1  w^s  2  D/s  3  wa*  4  straffet  5  urstende  8  es  10  wd*  12  kon/cnl 
13  «d/     14   ///</.s7     16  die  sunne ,  dex  glöben ,  hat  geneiget     17  urstede,  kette     18  m«d 

21  grosxer  24  Zdfe  25  rat£,  enbissen  26  enbissen,  es  27  es,  «d/.  irs,  es  ///i/ssc/// 
28  es  29  *Vs  30  n/iisle,  gesassen,  essen  31  gesegnot,  es  32  «ra*  es  33  einen, 
messer  35  wa*,  mt£  36  hertxen  38  des  heiligen,  ussewendig  39  de*  wening, 
hertxen 

304. 

2  ^»a*,  hertxe  3  de*  w-di  4  -«;«*  6  wa*  7  wa*  8  er  cnbedorf/e  10  kettent, 
gehoioen      11    «d/      12    «/d  fd.s  /<d/e      13    d/.-;   tat/es     14   gestosxen      16    die  forme 


E.  A.  KOCK.    ZUR    CHRONOLOGIE    DER    GOT.  BRKCHTJNG  45 

17  (/ro.<\i.  bewiset  er,  wasser  18  us  19  sas  24  tri  rieh  25  die  sunne,  >ru\ 
27  dise  vier  28  tra^,  verdrüsset  29  geheissen  32  enkein  ere  32  m  mengelieh 
33  es     34  r/e*  dunket .  es     36  es     40  d«e  rfo 

305. 

1  irissent.  urstende  3  grosxe  4  masze  5  grosze,  güsse  6  «6e>-  gusse 
7  jungesten  tage  8  m<2  9  gegosxen.  güsset,  us  11  /m£  12  sprich  och  13  //■</•.. 
urstende  15  ms  16  gelassen,  die  sunne  18  GolÖbestu  dax  die  sunne  dwx  mag 
gevmrken.  vn  allen  dingen  dax  d'  me  muge  gewurken  tvar  umbe  xwivelst  du 
21  h//7  24  fajsi«  </o  26  es  27  c?/e  minneste  28  gStlieh  lieht,  es.  hertxe ,  «,«& 
29  gantx  30  w?^.  a//t>  tf?'»</  33  griffende,  grauet  34  «^.  «sse/-  35  durnu. 
Ende   der  X1IL.  predigt. 

NAUMBURG    (SAALE).  DR.    NEBERT. 


ZUK  CHRONOLOGIE  DER  GOTISCHEN  „BRECHUNG". 

Urgerm.  e  [*gebon-,  *reht-]  erscheint  im  gotischen  teils  als  i 
[giban]:  teils  —  vor  urgerm. -got.  h  und  r  —  als  ai  [raiht].  Praktisch 
ist  die  regel  sehr  einfach.  Theoretisch  lässt  sich  über  den  verlauf  des 
lautwandels  streiten. 

Vorausgesetzt,  dass  das  got.  i  (i)  überall  einen  i-laut  bezeichnete, 
sind  zunächst  die  beiden  alternativen  denkbar: 

1.  Alle  urgot.  e>i,  später  i  vor  h,  r>ai; 

2.  Vor  h  und  r  hat  kein  gotischer  Übergang  e>i  stattgefunden. 
Die  näheren  umstände  kann  man  sich  im  letzten  falle  in  dreierlei  weise 
denken:  a)  urgot.  e  ausser  vor  h,  r>i;  später  e  und  i  vor  h,  r>al; 
b)  urgot.  e  in  den  verschiedenen  Stellungen  geht  bei  derselben  generation 
in  i  resp.  ai  über;  gleichzeitig  urgot.  i  vor  h,  rxä;  c)  urgot.  i,  e 
vor  h,  r>ai;  später  übrige  e>i.  Bevor  man  ohne  vorbehält  einer 
von  diesen  alternativen  den  Vorrang  gibt,  muss  für  die  Chronologie  bezw. 
den  umfang  der  betreffenden  Übergänge  ein  beweis  vorliegen.  Ein 
solcher  beweis  existiert  aber,  soweit  ich  sehe,  noch  nicht. 

A.  Bezzenberger  (1874)  äussert  in  seiner  schrift  „Über  die 
A-reihe  der  gotischen  spräche"  s.  19  fussnote:  „dass  die  got.  brechungen 
ai  und  aü  aus  got.  i  und  u  entstanden  und  mit  dem  e  und  o  der  andern 
deutschen  dialekte  gar  nichts  zu  tun  haben,  wird  völlig  durch  den  um- 
stand erwiesen,  dass  sie  sich  an  stellen  finden,  wo  jene  nie  gestanden 
haben".  V\r.  Streitberg  (1896)  befindet  sich  in  seiner  Urgerm.  gram- 
matik  s.  57  auf  demselben  Standpunkt:  „da  im  gotischen  auch  idg.  i 
vor  h,  r  als  ai  erscheint..,  so  hat  man  daraus  zu  schliessen,  dass  auch 
das  unter  denselben  bedingungen  auftretende  ai  =  idg.  e  auf  älterm  got.  i 
beruhe,  also  das  ergebnis  einer  rückverwandlung,  nicht  die  unmittelbare 


46  E.  A.  KOCK 

fortsetzung  des  idg.  e  sei".  R.  Bethge  (1898)  bei  Dieter,  Laut-  und 
formenlehre  der  altgerm.  dialekte  s.  26,  W.  Braune  (1900)  in  seiner 
Got.  gramm.5  s.  11,  H.  Jantzen  (1900)  in  seinen  Got.  sprachdenkm.2 
s.  15  stellen  den  verlauf  der  Übergänge  in  ähnlicher  weise  —  ohne 
irgend  eine  alte  oder  neue  begründung,  also  als  eine  einfache  tatsache 
—  dar. 

Anders  stellt  sich  E.  v.  Borries  (1887)  in  seiner  abhandlung  „Das 
erste  Stadium  des  i-umlauts  im  germanischen"  s.  70.  Er  meint,  h  und 
r  haben  (sogar  seit  urgerm.  zeit)  wegen  ihres  „dunklen  timbres"  die 
kraft  gehabt,  den  wandel  von  e  zu  i  zu  hemmen.  Im  Gotischen  seien 
sie  von  dieser  negativen  Wirkung  zu  der  positiven  übergegangen,  „den 
wandel  von  i  zu  e  hervorzurufen,  während  doch  in  dieser  spräche  im 
übrigen  alle  e  zu  i  wurden".  Ähnlich  E.  Mackel  (1898)  im  Archiv 
f.  d.  stud.  d.  n.  spr.  101,402,  in  einer  anzeige  von  H.  Jantzens  oben 
erwähntem  buch.  Jantzen  sagt  s.  15:  vai  steht  .  .  vor  h  und  r,  wo  es 
idg.  e  oder  i  entspricht,  die  beide  in  allen  andern  fällen  im  got.  zu  i 
wurden,  hier  aber  wieder  zu  e  'gebrochen'  sind".  Obschon  der  aus- 
druck  'wieder'  für  den  fall  indoeur.- urgerm.  £>got.  e  nicht  wol  gewählt 
ist,  versteht  man  ja  leicht  wie  er  es  meint  (vgl.  oben).  Hierzu  bemerkt 
Mackel:  „Ich  glaube  nicht,  dass  ai  und  aü  (  =  e  und  6)  vor  h  und  r 
aus  i  and  u  'gebrochen'  sind;  ich  meine,  vor  diesen  konsonanten  seien 
e  und  o  überhaupt  nicht  zu  i  und  u  geworden".  Bethge  hat  den 
knappen  parenthetischen  zusatz  für  eine  angäbe  des  lautwerts  der  zeichen 
ai  und  aü  genommen  und  erklärt  daher  im  Jahresber.  f.  germ.  phil.  20,  27 
(für  1898)  die  ganze  bemerkung  für  „unverständlich".  Mackel  meint: 
„got.  ai  und  aü,  insofern  sie  urgerm.  e  und  Ö  entsprechen".  Er  be- 
trachtet, wie  Streitberg  u.a.,  den  a-umlaut  (i,  u>e,  6)  als  ur-(gemein-) 
germ.  und  meint,  im  gegensatze  zu  Streitberg  u.  a.,  dass  vor  h  und  r 
kein  got.  Übergang  e(o)>i(u)  stattgefunden  habe.  Bethges  zusatz: 
„aber  ai  und  aü  stehen  doch  auch,  wo  -  -  selbst  für  diejenigen,  die., 
den  a- umlaut  für  gemeingermanisch  halten  —  in  vorgotischer  zeit  nie 
etwas  anderes  als  i  und  u  gestanden  hat"  steht  folglich  mit  Mackels 
ansieht  nicht  in  Widerspruch. 

Mit  der  frage  nach  der  relativen  Chronologie  des  got.  Übergangs 
e>i  und  der  „brechung"  stehen  auch  die  divergierenden  ansichten 
über  den  ältesten  *'-umlaut  und  den  a-umlaut  in  Verbindung. 

Was  den  Übergang  * ßebiz?  >  * aiMz  u.  ä.  betrifft,  betrachtet  man 
ihn  wol  allgemein  als  (spät)urgermanisch.  v.  Borries'  ansieht,  dass  ein 
h  oder  r  auch  hier  schon  „umlauthindernd"  gewirkt  hätte  (also  zwar 
*ßebix,i->*ßiMz-,  aber  *beriz  ohne  umlaut)  hat  keinen  anschluss  gefunden; 


ZUR   CHRONOLOGIE    DER    GOT.    BRECHUNG  47 

hier  gelten  wol  0.  Bremers  worte  (Zeitschr.  22,  250  fussnote):  „die  all- 
gemeine Wahrscheinlichkeit  spricht  vielmehr  dafür,  dass  ai  erst  auf  goti- 
schem boden  für  germ.  i  (<idg.  e)  eingetreten  ist". 

Über  den  a-umlaut  äussert  Streitberg  a.  a.  o.  s.  58:  „Dass  der 
a-umlaut  gemeingernianisch  ist,  trotz  des  durchgehnden  u,  i  des  wul- 
filanischen  gotisch,  dass  also  auch  das  ältere  gotisch  ihn  gekannt  hat, 
lehrt  der  gotenname  selbst.  Tacitus  schreibt  Gotones  Gotkones..,  ebenso 
Flavius  Vopiscus. .,  Idatius  und  Apollinaris  Sidonius . . .  Man  sieht,  die 
Schreibung  des  Tacitus,  die  den  a-umlaut  des  u  aufweist,  ist  offenbar 
traditionell  geworden,  daher  o  zu  einer  zeit,  wo  got.  nur  noch  u  be- 
standen hat.  Auf  dieses  deuten  die  Gutones  des  Plinius,  Gutpinda  des 
got.  kalenders  und  Gutanio  des  goldrings  von  Pietroassa;  vgl.  auch 
roiTcoveg  (Strabon)". 

Bethge  bei  Dieter  a.  a.  o.  s.  12:  „die  annähme,  dass  der  a-um- 
laut gemeingermanisch,  im  got.  aber  infolge  eines  jüngeren  lautgesetzes, 
wonach  betontes  o  wieder  zu  u,  e  wieder  zu  i  geworden  sei,  nicht  mehr 
nachweisbar  sei,  ist  unbegründet.  Gotisches  o<a  soll  durch  lat.  Got(Ji)ones 
(seit  Tacitus  fast  allgemein . .)  gegenüber  Gutones  (Plin.,  roizcoreg  Strabo) 
bewiesen  werden,  indem  Gotones  die  ältere,  Gutones  die  jüngere 
gotische  form  sei.  Aber  gerade  die  form  mit  u  ist  ja  früher  bezeugt 
(Strabo!  Plinius!);  den  Gotennamen  haben  die  Römer  natürlich  nicht 
zuerst  aus  dem  munde  der  Goten  selbst,  sondern  von  Westgermanen 
gehört,  und  zwar  zu  einer  zeit,  wo  auch  im  westgerm.  u  rein  erhalten 
blieb;  die  seit  Tacitus  herrschende  form  mit  o  zeigt  durchgedrungenen 
umlaut". 

Bethge  hat  die  darstellung  des  fachgenossen  nicht  ganz  richtig 
gefasst.  Streitberg  glaubt  an  eine  entwickelung  u~>o>u>p.  Die 
formen  bei  Plinius,  bei  Tacitus  und  auf  dem  goldringe  spiegeln,  nach 
Streitberg,  die  entwickelung  urgerm.  u  >  späturgerm.-got.  o  (a-um- 
laut) >  u  (jüngeres  lautgesetz)  wieder.  Die  form  Gut  -  ist  nach  ihm 
sprachhistorisch  sowol  älter  wie  jünger  als  die  andere. 

Wenn  man  nun  den  Übergang  *berizi>*Mriz  als  vorgotisch  be- 
trachtet, aber  die  verschiedenen  ansichten  über  den  a-umlaut  und  die 
got.  „brechung"  in  rechnung  zieht,  kann  man  folgende  tabelle  auf- 
stellen (wo  ich  die  got.  „brechungs"- laute  mite,  p  bezeichne;  ich  denke 
mir  dieselben  offener  als  e,  o,  analog  mit  der  mutmasslichen  qualität 
der  ai,  au,  verglichen  mit  e,  ö;  wenn  man  sich  die  „brechungs "-laute 
als  mit  e,  o  gleichklingend  dächte,  so  müsste  natürlich  diese  tabelle  und 
schon  die  darstellung  s.  45  entsprechend  modifiziert  werden): 


48 


A 
(Streitberg,  Jantzen) 

B 

(Mackel) 

C 
(Bethge) 

D 

1.  Urgerm.  i  und   u   vor  ^,   ä,  ö>spät- 
urgerm.  e,  o  (a-umlaut). 

(Der  «-umlaut  gehört  nicht  zu  der  ur- 
germ.-got.  entwickelung). 

2.  Späturgerm.  e'  u. 
o2>got.  i.  u. 

3.  Got.  il  und  w1  vor 

2.  Übrige  späturg. 
i  und  u  samt  e1 
und  o5  vor/i,  r> 
got.  e,  o;  übrige 
got.  (i  u.  w  blei- 
ben und)   e  und 

1.  Urgerm.  c>  go- 
tisch i. 

2.  Got.    i1    und   ic* 
vor  7t,  r><?,  o. 

Urgerm.  »,  e  und  u 
vor  7j,  r>got.  e,  o; 
e  in  übrigen  Stellun- 
gen >  i. 

1)  altes  und  nach  vorhergehendem  motu,  entstanden.  -)  nach  vorbeigehendem 
mom.  entstanden.      3)  altes. 

Streitbergs  entwicklungsreihe  i~>  e>  i~>  e  und  u>  o  >  w>  q 
sieht  von  vornherein  verdächtig-  aus.  In  einem  verhältnismässig  kurzen 
Zeitraum  sollte  eine  Verwandlung,  eine  rückverwandlung  und  wiederum 
eine  rückverwandlung  stattgefunden  haben.  Wenn  historische  tatsachen 
es  unbedingt  verlangten,  so  müsste  man  ja  trotzdem  daran  glauben. 
Aber  die  theorie,  nach  welcher  der  a-umlaut  urgermanisch  wäre,  kann 
man  wol  mit  Bethge  u.  a.,  besonders  nach  den  ausführungen  A.  Kocks 
(Beitr.  23,  484)  ruhig  aufgeben. 

Bleibt  dann  übrig,  zwischen  den  alternativen  C  und  D  die  wähl 
zu  treffen.  Einen  beweis  für  die  entwicklung  *bero/i->*hi?-an>  bairan 
u.  ä.  habe  ich",  wie  gesagt,  nirgends  gefunden.  Bezzenbergers  und 
Streitbergs  oben  angeführte  Schlüsse  sind  unlogisch.  Die  tatsachen, 
dass  einerseits  urgerm.  i  vor  /),  r  als  cd  erscheint,  und  dass  andrerseits 
urgerm.  e  gewöhnlich  zu  got.  i  wird,  berechtigen  an  und  für  sich  mit 
bezug  auf  das  Verhältnis  des  urgerm.  e  zu  got.  ai  zu  keinem  andern  schluss, 
als  dass  got.  ai  überall  zunächst  auf  älterem  got.«'  beruhen  kann  (ai<i<e). 
Möglichkeit  und  Wirklichkeit  sind  aber  zwei  verschiedene  kategorien. 

Einen  beweis  für  die  direkte  entwicklung  *beron->  bairan  kann 
ich  auch  nicht  zuwege  bringen.  Nur  will  ich  einige  erwägungen  heran- 
ziehen, die  vielleicht  früher  mit  der  beurteilung  der  vorliegenden  frage 
nicht  in  direkten  Zusammenhang  gebracht  worden  sind. 

1.  F.  Wrede  Avill  in  seiner  schrift  „Über  die  spräche  der  Ostgoten 
in  Italien"  s.  162  in  gewissen  ostgotischen  namen  aus  dem  6.  jahrh. 
das  späturgerm.,  nicht  zu  i  umgelautete  e  bewahrt  sehen.  Er  weist  darauf 
hin,  dass  in  den  ostgot.  namen  ein  (indoeur.  oder  durch  urgerm.  i-um- 
laut  entstandenes)  urgerm.  i  „durch  konstantes/  reflektiert"  wird,  während 
dem  urgerm.  e  bald   die  Schreibung  e,   bald  die  Schreibung  i  entspricht. 


ZUR  CHRONOLOGIE  DER  GOT.  BRECHUNG  49 

Sollte  wirklich  in  jenen  ostgot.  namen  ein  alter  verbleichender  unter- 
schied noch  schwach  durchschimmern,  so  würde  man  wol,  wenn  man 
an  eine  dialektische  Verschiedenheit  des  Bibelgotischen  und  der  spräche 
jener  namen  glaubt,  geneigt  sein,  sich  das  zusammenfallen  der  beiden 
laute  auch  im  Bibelgotischen  als  ziemlich  spät  vorzustellen.  Hält  man 
dagegen  die  spräche  des  Codex  argenteus  usw.  für  ungefähr  identisch 
mit  der  spräche  der  Ostgoten,  so  müsste  man  sogar  annehmen,  dass 
das  i- zeichen  Vertreter  zweier  laute  wäre  (/  und  sehr  helles  e);  vgl. 
schon  W.  Scherer,  Zur  gesch.  d.  d.  spr.2  s.  51. 

2.  Im  ahd.,  altn.  usw.  findet  man  noch  in  gewissen  starken  verben 
den  sogenannten  grammatischen  Wechsel  ganz  regelrecht,  in  andern  be- 
gegnet er  fakultativ,  in  wieder  andern  ist  er  schon  in  den  ältesten 
quellen  beseitigt.  Hiernach  zu  urteilen,  muss  das  vollständige  fehlen 
des  doch  einst  vorhandenen  wechseis  in  den  gewöhnlichen  starken  verben 
des  gotischen  einen  sehr  frühen  beginn  der  ausgleichung  voraussetzen. 
Dass  die  'brechung'  jünger  sein  muss  als  die  aufhebung  der  Wirkungen 
des  Vernerschen  gesetzes  —  da  formen  wie  taihum,  tcültans  sonst  als 
■lihum,  *tihans  erscheinen  müssten  —  braucht  also  nicht  gegen  ein 
relativ  hohes  alter  der  brechung  zu  sprechen.  Ferner:  sollte  die  von 
K.  B  rüg  mann,  Bethge  u.  a.  vertretene  theorie  richtig  sein,  dass  die 
gestalt  des  vokals  in  der  reduplikationssilbe  (ai)  hauptsächlich  dem  h  in 
haitan,  lialdan  usw.  zuzuschreiben  wäre,  indem  alle  übrigen  reduplizie- 
renden verben  ihren  vokal  danach  umbildeten,  so  müsste  —  nach  jener 
erwägung,  dass  das  vollständige  durchführen  einer  analogischen  aus- 
gleichung innerhalb  eines  grammatischen  gebietes  doch  eine  geraume 
zeit  in  anspruch  nehmen  muss  —  in  haihait  usw.,  von  wo  der  analogische 
einfluss  zu  emanieren  hatte,  der  Übergang  ziemlich  alt  sein. 

3.  Durch  die  annähme  einer  entwicklung  /,  e  vor  h,  v>  e  erhalten 
wir  kein  alleinstehendes  entwicklungsschema.  Im  ags.  z.  b.  treten  i  und  e 
vor  />,  r  beide  als  io  oder  eo  auf.  Und  im  Gotischen  bildet  der  mut- 
massliche Übergang  w,  ö  vor  vokal  ><?  eine  parallele.  Sehr  einfach  ist 
ja  auch  jenes  Schema  und  erscheint  a  priori  verlockend,  wenn  man 
bedenkt,  dass  in  der  alten  got.  spräche,  die  noch  kein  buntes  Vokal- 
system aufzuweisen  hat,  die  andere  entwicklung  (urgerm. -got.  e>i>e) 
das  einzige  beispiel  für  eine  speziell  got.  vokalverwandlung 
mit  darauf  folgender  rückverwandlung  abgeben  würde. 

Kann  nun  auch  dies  alles  nicht  beweisen,  dass  die  brechung  der 
ältere  und  e>i  der  jüngere  Übergang  sei,  so  ist  es  doch  avoI  genügend, 
um  die  auf  der  ersten  seite  dieses  aufsatzes  gemachte  behauptung  zu 
rechtfertigen:  solange  keine  wirklichen  beweise  für  das  höhere  alter  des 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    FHILOLOGIE.       VST).  XXXIV.  4 


f>0  NEBERT 

Übergangs  e~>i  geliefert  sind,  ist  man  nicht  berechtigt,  in  den  dar- 
stellungen  des  got.  Vokalsystems  die  entwicklungsfolge  e~>i>e 
dogmatisch  und  ohne  vorbehält  aufzustellen. 

UND    IM    OKTOBER  1901.  ERNST    A.    KOCK. 


EINE  ALEMANNISCHE  FKONLEICHNAMSPKEDIGT. 

In  der  St.  Florianer  handschrift  XI  284  folgt  den  predigten  des 
Nikolaus  von  Strassburg  auf  12y2  pergamentblättern  eine  namenlose  und 
unvollständige  fronleichnamspredigt,  die  nach  der  ansieht  des  herrn 
Professors  dr.  Strauch,  der  die  gute  hatte  meine  abschrift  durchzusehen, 
sehr  wahrscheinlich  noch  nicht  veröffentlicht  worden  ist. 

Der  lautstand  der  predigt  ist  kurz  folgender: 

1.   Vokalismus. 

Der  umlaut  des  a  ist  nicht  bezeichnet  in  unxallichen  49b,  gevank- 
nisse  55a,  unxallich  57a. 

Für  e  findet  sich  ie  im  d.  pl.  dien  60a,  ü  für  i  in  gegenwärtig  57a 
und  6  für  e  in  fromde  57 a.  58 a,  gefrömdet  58 a. 

Bewahrung  der  ahd.  vokale  in  den  endungen:  güti  (n.  sg.)  49 b, 
(d.  sg.)  49a.  51b,  (a.  sg.)  49b.  55b  (zwei  mal).  56a.  57a,  liebi  (g.  sg.)  50a. 
50b,  (d.  sg.)  52a,  (a.  sg.)  50a.  51b  (zwei  mal),  lembli  (n.  sg.)  55a,  glich- 
scimi  (a.  sg.)  57 b  (drei  mal)  bei  Graff  nicht  belegt,  wusti,  wüstin  (d.  sg.) 
58a.  5Sb,  volli  (n.  sg.)  58b,  rilichi  (g.  sg.)  58b  bei  Graff  nicht  belegt,  bi 
nüti,  mit  nüü  52a.  54a.  60b,  obroste,  obrosten,  obrostü  51b  (zwei  mal). 
52 b  (zwei  mal),  hinnan  52 a,  dannan  59b,  dero  (g.  pl.  von  der)  49b.  58b 
und  folgende  opt.  praet. :  liexi  50 a,  manti  50 a,  vergessin  50 a,  dient  in 
56 b,  werin  59 a,  gemacheti  50 b,  phlegin  56 b. 

Der  umlaut  des  o  fehlt  in  gütlichen  51a. 

Im  d.  pl.  uns  und  im  possessivum  unser  ist  u  stets  zu  u  ge- 
worden. —  Der  umlaut  des  u  ist  nicht  bezeichnet  in  iungern  49 a.  55 b. 
57a  (zwei  mal),  iungsten  49b.  50a.  53b,  muglich  51b,  wüneklich  57b, 
wurde  52b.  59a.  59b.  60a,  wurden  57b. 

Der  umlaut  des  ä  ist  bezeichnet  durch  ä  in  gnädklich  55b, 
nähste  57 b,  gewäres  60b,  er  ist  nicht  bezeichnet  in  naher  5(5b  und  cer- 
raters  59b. 

ö  findet  sich  für  langes  o  in  tot  54a.  55a.  59a,  töd  54b,  töde  54b. 
55 b  (drei  mal).  56 a.  57 a  —  der  umlaut  des  ö  fehlt  in  groxlich  49 b.  56 b, 
schim bei t  53 a. 


EISE    ALEMANNISCHE    FRONLEICHNAMSPREDIQT  51 

Als  umlaut  des  ou  ist  6  geschrieben  in  erzogen  51b,  erzöget  49 b. 
50».  52a.  521'.  wgten  57a,  verlSggenen  54a,  verloggente  54b  /hftfe  52b. 
55a.  56b  (zwei  mal).  58a;   o/  in  erxöiget  51b;  z<%fe  54a. 

uo~>u  in  />•  fwwi  57a,  xe  famne  52a.  —  Der  umlaut  des  no  ist 
nicht  bezeichnet  in  füret  501'. 

2.   Consonantismus. 

Inlautendes  l  ist  assimiliert  in  son,  sont  (3.  pl.  ind.  praes.)  53a  (drei 
mal).  53b. 

m>n  in  heinlicher  58 a,  heinlichest  57* '. 

Im  inlaut  ist  6  geschwunden  in  #/7  49b.  51 a.  51b.  53a,  zu  jj  ist 
es  geworden  in  lepten  60 a  (zwei  mal)  {lebten  60 a),  im  auslaut  findet  sich 
in  der  regel  j;,  b  nur  in  #e#öß  56 a. 

Schwund  des  g  im  inlaut  ist  eingetreten  in  se£tf  49b.  50a,  leit  50b, 
leite  W\  54a.  54b,  foY  51»    55a. 

Schwund  des  /*:  dwr  49b.  50a  (zwei  mal).  51b  (zwei  mal).  52 b.  53a. 
54b.  55b.   veten  59a. 

t  ist  verdoppelt  in  hütte  59 b  u.  a.,  sekundär  an  die  endung  ge- 
treten in  cntxicisehcnt  57 b.  enxwisehent  58a. 

Altes  d  ist  erhalten  im  anlaut  von  dürstig  50a. 

d(==got.j&)  ist  anlautend  zu  /  geworden  in  tütschen  49 b,  betütet 
53 b.  60a,  auslautend  erhalten  in  £&ü  54b,  fesä  55 a.  55 h  (zwei  mal),  Syn- 
kope ist  eingetreten  in  rette  55 a. 

s>s  in  beschlossen  50b,  schlief  54a.  geschlehten  58b,  das  ver- 
allgemeinernde (aus  so  entstandene)  s  ist  überall  erhalten,  z.  b.  swas 
50b  (zwei  mal).  54b  (zwei  mal),  swene  51».  52b.  53b.  55b.  58b.  59b,  swie 
51 b.  56 ». 

3.   Flexion. 

Die  endung  -ent  in  der  2.  pl.  praes.  und  imp.  ist  regel,  z.  b.  ir 
sehefit  49b.  51b.  52a.  59b,  ?V  ac«efii  55b,  ?r  heissent  57a,  nement  (imp.) 
58b,  /^Zferc*  (imp.)  58b,  gehaltent  (imp.)  58b. 

In  der  1.  pl.  praes.  und  3.  pl.  praet.  findet  sich  -i!  in  wir  s**Zerc2 
58a  und  si  muget  51a.  60b. 

In  den  gen.  und  dat.  des  gerundiums  ist  noch  kein  sekundäres  d 
eingedrungen. 

In  der  1.  sg.  ind.  praes.  ist  altes  n  bewahrt  in  minnen  ich  56 b. 

Bemerkenswert  sind  die  formen  wir  verstanden  (ind.  praes.)  53 b, 
wir  bestanden  (ind.  praes.)  53b,  xergange  (3.  sg.  conj.  praes.)  51 a.  spriche 
(2.  sg.  imp.)  mit  unechtem  endvokal,  gehebt  (part.  perf.  von  haben)  51 b, 
wir  sien  {=  stgen)  (ind.  praes.)  53 b    57b.  58»  (drei  mal). 


52  NEBERT 

Aus  dien  (Weinhold,  AI.  gr.  §-119),  den  alten  ahd.  endungsvokalen, 

dem  umlaut  6  und  öl  (Weinbold  §§  45.  69),  den  formen  son,  sont 
(Weinhold  §  379),  m>n  (Weinhold  §  203),  -ent  in  der  2.  pl.  (Wein- 
hold §  342),  minnen  ich  (Weinhold  §  361),  wir  sien  (Weinhold  §  353) 
geht  hervor,  dass  die  predigt,  wie  sie  uns  in  der  handsehrift  überliefert 
ist,  nach  Alemannien  weist.  Dass  auch  das  original  in  Alemannien 
entstanden  ist,  darf  noch  nicht  aus  der  spräche  der  handschriftlichen 
Überlieferung  geschlossen  werden,  denn  der  Schreiber  der  handsehrift 
könnte  die  predigt  in  seinen  heimischen  dialekt  umgeschrieben  haben; 
das  ergibt  sich  erst  aus  der  beobachtung  des  Wortgebrauches,  welcher 
der  änderung  durch  die  abschreiber  in  der  regel  nicht  unterworfen  war. 
Einige  in  der  predigt  vorkommende  Wörter  sind  nach  den  angaben 
der  Wörterbücher  bisher  nur  in  solchen  Schriften  bezeugt,  die  dem 
schwäbisch -alemannischen  dialektgebiete  angehören.  Diese  tatsache  be- 
weg mich  dazu,  diesen  Wörtern  in  einigen  Sammlungen  von  Urkunden 
und  weistümern  aus  dem  genannten  gebiete  nachzuforschen: 

1.  unverwertsalet  51 a,  verwertsalet  59a. 

Im  ahd.  nicht  belegt,  ähnlich  wartisal,  wartsala,  wartsali,  un- 
wartasali,  wartasalic,  unwartesalig ,  unwartasaligi ,  vgl.  Graff  I  959  fg. 

Lexer  III  305  unter  verwerxeln  führt  für  unverwerxelöt  als  beleg 
an  Schmid,  Schwäbisches  Wörterbuch  s.  529.  Diese  stelle  bezieht  sich 
auf  eine  Ulmer  Urkunde  vom  jähre  1329,  wo  es  heisst:  und  dar  wmb 
(dle\  da\  statt  und  unverwerxelöt  zu  behalten.  In  den  nachtragen 
III  394  bringt  er  noch  das  Zeugnis  einer  Überlinger  Urkunde  vom 
jähre  1308  bei:  also  dm  die  müre  der  Jcilchun  unverwerxolot  alle- 
wege belibe,  vgl.  Alemannia  I  158.  —  verwerxeln  belegt  Lexer  mit 
folgenden  stellen:  J.  E.  Kopp,  Geschichte  der  eidgenössischen  bünde 
III  109,  wo  eine  im  jähre  1301  zu  St.  Gallen  ausgefertigte  Urkunde  des 
abtes  Heinrich  abgedruckt  ist.  Hier  steht:  aller  der  giwonhet  und 
aller  der  hilf  da  mit  dax  da  vor  gischribin  stat:  alt  ir  dl/eines,  moeht 
bikrenket  ald  virwerxalet  werdin  mit  dheinerslaht  sack.  —  Bei  Ernst 
Theodor  Gaupp,  Deutsche  stadtrechte  des  mittelalters  1 141  in  dem  rechte, 
welches  die  stadt  Winterthur  1297  der  stadt  Meilingen  mitteilte,  heisst 
es:  Und  das  disä  genade  und  disii  reht,  die  wir  gelihen  Itaben  der 
vorgenanden  stat  and  den  burgerren,  die  darinne  wonhaft  sint,  bi  uns 
und  (dien  unseren  nachkomen  stete  beliben  und  niit  veriverxalot 
snlint  noch  werden  mugint  hernach.  —  In  der  oben  angeführten  Über- 
linger Urkunde  vom  jähre  1308  (Alemannia  I  158):  also  da\  sin  dehain 
ivix  die  innre  brechen  ahlr  verwerxolerön. 


EINE    ALEMANNISCHE    FRONLEICHNAMSPREDIGT  53 

Ich  füge  hinzu  eine  stelle  aus  dem  Urkundenbuch  der  Stadt  und 
landsehaft  Zürich  (bearbeitet  von  Escher  uud  Schweizer)  bd.  Y  s.  332, 
wo  es  in  einer  am  26.  mai  1287  vom  rate  der  stadt  Zürich  ausgestellten 
Urkunde  heisst:  Allen,  die  disen  brief  sehent  aide  hörent  lesen,  künden 
wir  der  rät  von  Zuviel),  der  namen  hie  nach  geschriben  sint,  daz 
wir  der  burger  brief  von  Strasburg  sahen,  ganzen,  unvelschen  uud 
in  allen  weg  unverwertseileten  und  mit  ir  offen  ingesigcl  be- 
sigilten. 

2.   beneimt  51a,   beneimet  60  '■'. 

Nach  Grraff  II  1087  kommen  im  ahd.  neimjan  und  seine  derivata 
nur  in  alemannischen  denkmälern  vor,  die  nach  St.  Gallen  und  Ein- 
siedeln weisen. 

Lexer  I  179  führt  als  belege  an:  Martina  von  Hugo  von  Langen- 
stein 16 c,  73.  74  (ausg.  des  Lit.  ver.  s.  40),  wo  es  heisst:  Der  magtuome 
sweimet  Als  im  got  hat  beneimet.  Der  dichter  der  Martina,  der  wol 
aus  dem  in  der  nähe  des  Bodensees  im  Badischen  bezirksamt  Stockach 
gelegenen  Langenstein  stammte,  war  wahrscheinlich  deutschordenskomthur 
auf  der  insel  Mainau. 

Ich  füge  hinzu  aus  einer  alemannischen  predigt  (Wackernagel, 
Altdeutsche  predigten  und  gebete  l,84fgg.  s.  5):  In  divve  werlte  niuox 
man  die  latc  benamen  nemmin  oder  nieman  newei%  wen  mau  n  ei  mit. 
—  Urkundenbuch  der  Stadt  und  landsehaft  Zürich  bd.  Y  s.  125  in  einer 
zu  Zürich  ausgefertigten  Urkunde  vom  23.  october  1280:  dis  gutes  in 
der  A.  <ht\  hie  vor  geneimet  ist.  —  S.  138  in  einer  zu  Neu-Regens- 
berg  (nördlich  von  Zürich)  am  15.  juli  1281  ausgestellten  Urkunde:  Allen, 
die  disen  brief  sehent  aide  iiovent ,  künden  wir  Lütolt  kern  Lütoldes 
sun  und  Lütolt  hern  Ulriches  seligen  sun  von  Regensberg ,  das  Ulrich 
von  Sunnirikon  vvou  Mehthilte  siner  ivivtin  gelobt  hatte  unde  beneimet 
\e  machenne  xe  libgedinge.  —  S.  326  in  einer  zu  Luzern  am  8.  mai  1287 
ausgestellten  Urkunde:  Ich  Rudolf  von  Sehowense  künde  allen,  die  es 
vernement,  daz  ich  duv  min,  mines  vattevs,  miner  muter  und  aller 
miner  vorder  sele  min  gut  beneimet  habe  mit  miner  erben  willen 
und  ivusscndc  goteshüsevn  und  geislichen  Uten  nach  miner  Itevvon  rate. 

3.  gliehsami  53a. 
Lexer  I  815  weist  hin  auf  Wackernagel,  Altdeutsche  predigten 
53,  286  fg.  (s.  119):  also  gent  auch  die  meistir  ein  gliehsami.  Die 
predigt  ist  überliefert  in  einer  Züricher  pergamenthandschrift  des  M.Jahr- 
hunderts, die  früher  im  besitz  des  frauenklosters  zu  Adelhausen  bei 
Freiburg  i.  Br.  war  (Wackernagel  a.  a.  o.  s.  453). 


54  NEBERT 

Dazu  bemerke  ich,  dass  ahnliehe  bildungen  in  den  Sammlungen 
St.  Galler  Urkunden  (bearbeitet  von  Wartmann)  häufig  sind,  z.  b.  gemein- 
sami,  gewarsami,  gewaltsami,  genossami,  gloubsanti. 

4.   behügde  55 b. 

Ahd.  bihueiida  ist  belegt  in  der  interlinearversion  der  Benedictiner- 
regel,  vgl.  GrafflV  796. 

Lexerl  157  hat  zwei  belege:  Wackernagel,  Altdeutsehe  predigten  50 
(s.  108),  wo  die  Überschrift  lautet:  Von  dem  nutze  ünsers  Herren  be- 
flügele. Die  Sammelhandschrift,  in  der  diese  predigt  enthalten  ist,  ist 
von  dem  pfarrer  Albrecht  Kolbe  von  Sygävis  (Goefis)  für  die  ehefran 
des  stadtamtmanns  Johannes  Stöcklin  von  Feldkirch  (Vorarlberg)  ge- 
schrieben. Sie  gehört  also  dem  alemannischen  dialektgebiete  an.  - 
Monumenta  Zollerana,  Urkundenbueh  zur  geschichte  des  hauses  Hohen- 
zollern  bd.  I,  Urkunden  der  schwäbischen  Knie  s.  402,  aber  an  dieser 
stelle  findet  sich  bchügde  nicht,  sondern  s.  272  in  einer  vom  grafen 
Ostertag  von  Hohenzollern  zu  Hechingen  am  6.  juni  1386  ausgestellten 
Urkunde,  in  der  es  heisst:  mit  aller  behugd,  frort  und  werk. 

Benecke- Müller  I  726 b  führt  aus  der  aus  der  Schweiz  stammenden 
minnesingerhandschrift  C  an:  ein  guot  behagete  ist  bexxcr  elernne  si 
des  balsmen  trör. 

Ich  füge  noch  folgende  Zeugnisse  für  das  vorkommen  des  Wortes 
in  alemannischen  quellen  hinzu:  Bei  J.  E.  Kopp,  Geschichte  der  eid- 
genössischen bünde  IIa  (1847)  s.  738  steht  in  einer  im  jähre  1291  vom 
abt  Volker  und  dem  convent  des  gotteshauses  zu  Wettingen  (Aargau) 
ausgestellten  Urkunde:  Und  xeiner  behugede  dirre  dinge  so  ist  dirre 
brief  besigelt  mit  unserm  ingesigle.  —  Im  Urkundenbueh  der  stadt  und 
landschaft  Zürich  bd.  V  s.  348  heisst  es  in  einer  am  7.  october  1287 
zu  Kaiserstuhl  (Aargau)  ausgefertigten  Urkunde:  Und  zeiner  behugede 
und  xeiner  steti  dirre  dinge  so  gibe  ich  disen  brief.  —  Urkundenbueh 
der  abtei  Sanct  Gallen,  bearbeitet  von  Hermann  Wartmann  IV  s.  322 
in  einer  am  31.  märz  1386  vom  abt  Cuno  von  St.  Gallen  ausgestellten 
Urkunde:  Und  wen  dis  also  beschehen  ist  mit  aller  behngt,  Worten 
und  werken.  -  -  Urkundenbueh  der  abtei  Sanct  Gallen  IV  s.  491  in 
einer  Urkunde  des  abtes  Cuno  von  St.  Gallen  vom  26.  november  1395: 
Und  ist  dis  alles  beschuhen  und  vollefurt  mit  allen  den  Worten,  werken 
und  behügten. 

Im  anschluss  an  das  substantivum  behügde  bemerke  ich,  dass  das 
dazu  gehörige  verbum  behügen  bisher ^nur  in  alemannischen  denk- 
mälern  belegt  ist.     Benecke-Müller  I  725b  führt  an  betrüget  an  iuwer 


EINE    ALE.MANXISCHR    FRONLEICHXAMSPREDIGT  55 

vorder  leben  MinneSingerhandschrift  C  2,  174  und  behüget  sin  Lieder- 
saal her.  von  Lassberg  1,  120. 

Ich  füge  hinzu:  obe  uns  die  xivene  vettache  vor  edlen  dingin 
behugit  sint  in  einer  alemannischen  predigt  bei  Wackernagel  a.  a.  o. 
2,  52  (s.  8)  und  sg  ivax  och  ivol  behügt  Liedersaal  her.  von  Lassberg 
XXIV,  128  vgl.  Schmid,  Schwäbisches  Wörterbuch  s.  290. 

Auch  die  belegstellen,  die  Graft*  IV  791  fg.  unter  bihugjan  für  das 
ahd.  anführt,  weisen  mit  der  einen  ausnähme  Otfrid  II  8,  12  alle  nach 
St.  Gallen. 

5.   behiiglicken  55a. 

Dieses  wort  ist  für  das  mhd.  hier  zum  ersten  male  bezeugt.  Im 
ahd.  kommt  pihuctliltho  vor  in  der  interlinearversion  der  Eenedictiner- 
regel,  vgl.  Graff  IV  796. 

Nach  den  angeführten  belegen  sind  unverwertsalet ,  beneimt,  cjlich- 
setn/i,  behügde  und  beküglichen  bisher  nur  als  eigentum  des  Schwäbisch- 
Alemannischen  bekannt,  und  deshalb  muss  auch  das  original  unserer 
predigt  dem  schwäbisch -alemannischen  dialektgebiete  angehören. 

Der  Verfasser  der  predigt  ist  unbekannt.  Die  zeit  der  abfassimg 
ist  auf  der  einen  seite  begrenzt  durch  das  alter  der  von  einer  band 
geschriebenen  handschrift,  die  vor  1350  (Zeitschr.  34,  15)  und  nach 
1325  (abfassungszeit  der  in  derselben  handschrift  stehenden  predigten 
des  Nikolaus  von  Strassburg,  vgl.  Zeitschr.  33,  467)  entstanden  ist.  Auf 
der  anderen  seite  weist  das  fehlen  des  sekundären  d  im  gen.  und  dat. 
des  gerundiums  und  die  bewahrung  des  verallgemeinernden  s  (sej)  nach 
Weinhold,  AI.  gr.  §§  321.  351  darauf  hin,  dass  die  predigt  der  zeit 
vor  1300  angehört.  Doch  lässt  sich  darüber  nichts  sicheres  aus- 
machen. 

Überschrift  rot:  Dis  ist  ein  bredie  vö   'ns's  h're  fronlichaine. 

(Bl.  49a)  Memoriam  freit  mirabiliü  suorum  mis'icors  x  mis'ator 
ilns.     eseam  dedit  timentibus  se1. 

Dis/i  irort  sprichst  der  wissag  dauid  7  dem  saW  vn  hSrent  gar  eigelick  x/ä  dem 
lobliehe  Iiochgexit  de  got  vnser  herre  die  xpe  vö  siner  frien  güti  sich  dar  xü  irolt 
gor  iniigen  de  er  sin  selbs  Itcren  lickame  ins  gap  \c  einer  spise  vn  sin  heilig 
bliit  \e  eime  (ranke,  des  er  xem  ersten  do  begonde  do  er  mit  sine  lungern  xe  tische 
sas  an  d!  (49b)  längsten  wirtschafte  des  abendes  do  er  vö  ine  scheiden  wolle,  vn 
sprecltent  also  xe  tatschen.  Der  erbarmh'xig  herre  d*  hat  gemachet  ein  gehügde 
siner  wund'  vn  hat  gegebe  ein  essen  den  die  in  fürhtent.  An  disen  Worten  git  vns 
der  wissag  xe  v'stenne  xem  ersten  die  groxe  rädle  vnxallichen  erb'mde  ünsers  h'ren 
gottes  die  merken  wir  an  dem  worte  de  er  sprich^.  ds  erbarmh'xig  h're  d*  vö  sin' 
eigener  nature  erbarmh'xig  ist  d'hat  gegeben  ein  essen.     Reht  als  er  spreche-     sin 

1)  Rot  unterstrichen. 


56  NEBERT 

natürliche  erbermde  du  geneigte  in  dar  tu  de  er  so  gro?.  güti  denie  menschen  er- 
löget hat.  wä  niemä  möht  es  kan  v'dienet.  vn  davö  spz,  d'wissag  Seh  anderswo, 
vö  im  an  dem  salter.  Mis'aciones  ei9  super  oxa  opaci0'.  Sine  erbermde  sint 
vi/  ellü  sinü  werk,  vn  spek§  Seh.  Ml~a  dni  plena  e  t'ra1.  Alles  ertrich  ist  erfüllet 
vö  sin1  ertymde.  Als  dar  nach  dene  so  seil  er  rns  an  dem  and'n  worte  nie  d*  selb 
erbarmh'xig  got  ein  gehügde  gemachet  hat  sin'  wund*,  die  sin  erb%<mde  vn  sin  güti 
an  rns  vn  da  ruh  ins  getan  hat  de  wir  d'o  nit  v'gessen.  vn  rekt  ;c  glieher  wise 
als  ir  sehent  de  ein  misch  tut  d'  einen  reht  lielii7  frünt  hat  dem  er  lange  vn  vil 
gedienet  hat  vn  groxlich  dar  sin  nunc  sich  (50a)  gearbeit  hat  so  d'  dene  vö  im  sich 
scheide  teil  so  lat  er  im  g'ne  etwas  kleinodes  de  in  ermane  sin*  liebi  vn  sin-  trüwe. 
rn  im  ein  gehügde  si  d'  dinge  die  er  dur  in  getan  im  erlitten  hat.  Also  tet  vnser 
h're  do  er  rns  gedienet  uf  ertrich  dni  vn  drixig  iar  mit  alle  den  tr ihren  so  ie  kein 
frünt  dem  and ' m  gedienen  mohte  vn  ins  sin  ewige  götliche  nunc  als  völleklich  er- 
lögt liatte  de  er  loch  mit  versumet  hatte  d'  dinge  die  zu  vnser m  heile  horten,  do 
er  do  vö  rns  scheide  wolte  wä  er  do  wol  erkande  de  vnser  gehügde  gar  krank  ist 
vn  wir  schier  v'gessen  vüruarner  dinge  do  sah  er  wol  de  im  dürftig  aas  de  er 
etwas  hiuder  im  liexi  de  ins  an  in  manti  de  wir  sin*  mtne  vn  sins  dienstes  nit 
vergessin.  vn  wc  was  ab'  da%  de  er  %e  ein1  gehügde  laxe  wolte.  De  seit  ab'1  öns 
d'  wissage  an  dem  iügsten  worte  vn  speh$.  Er  hat  gegebe  ein  essen  den  die  in 
fürchtent.  vn  an  disem  essenne  süle  wir  merke  wie  gar  türlieh  od'  kostlich  icic 
eilet  vn  wie  vbertreffenlich  es  an  aller  wirdikeii  sin  mir,  für  alle  and*  spisc  de  da 
ist  vn  sol  sin  ein  gehügde  vn  ein  manüge  alse  maniges  groxen  und  wund'lichen 
dinges  de  got  vö  himelrich  dur  vnser  liebi  getan  hat.  (50b)  wanw'e  es' ein  gemeinü 
od'  ein  einueltigü  spise  die  möht  rns  nüt  eil  groxer  liebi  noch  wüdHich'  trüwe  an 
got  ermanen.  vi  darumb  so  wolt  er  allen  sinen  flis  und  sin  meisterschaft  dar  an 
Leren  wie  er  si  wirdeklich  vn  wol  gemacheti.  vn  davö  so  wolt  er  enkein  koste  da 
ror  sparen,  vn  swas  er  gutes  vnd  edels  vn  kostb'es  hatte  de  leite  er  alle-,  sinne ut 
dar  an.  /ras  mohte  er  bessers  hau  dene  er  selb.  Dar  rmb  sin  gotheit  die  des  aller 
besten  ist  vn  sin  sei  vn  sinen  lip  teil  er  an  dise  spise.  vn  da  vö  müste  si  wol  gut 
vn  edel  vn  nur  wünneklich  w'den.  vn  davö  mag  si  och  vö  billich  heissen  vh,  wesen 
i  in  gehügde  die  ins  ermanen  sol  aller  c/s  /rund1  die  got  vö  himelrich  ie  gewurkte 
umb  den  n//f\  vnsers  heiles.  Aber  wie  disü  spise  vnser  sele  spise/  m  geistlich  füret 
reht  als  Seh  die  liplich  spist  den  lip.  de  m'kent.  Drie  krefte  sint  in  d'  sele  an 
den  si  glich  ist  got  vö  himelriehe.  vn.  davö  man  spricht;  vn  spreche  mag  de  si  ge- 
bildet ist  nach  d$  heilige  driaa/tikeit.  Die  erste  kraft  ist  ein  hügendü  kraft  du  hat 
in  ir  beschlösse  bilde  aller  dinge  de  cV  mesch  gedenken  mag  s/ras  er  wil.  an  du 
ding  dir  er  nit  sihet  muh  höret  m  du  (51a)  vervarn  sint  od'  v're  von  im  sint. 
Die  and'  kraft  ist  ein  v'nünftigü  kraft,  die  erkenet  eh  vnd'scheidet  beidü  gut  rn 
übel.  AIS  die  dritte  kraft  heisset  'in  beg'ende  kraft  du  minnet  ab'  vn  begert  al- 
iregc  gute'.  An  disen  drin  kreften  Ut  die  edelkeit  des  gStlichen  bi/des  da  mit  got 
ms*  sele  nach  im  selb1  gebildet,  vnd  streue  die  wol  gege  gölte  geordent  sint  so  ist 
de  gollii-h  bilde  in  </'  sele  luter  vnd  vnuerwertsalet.  Wä  ab'  daz  vö  ir  selbs  kraft 
mit  mag  geschehe  nun  allr  kreature  geschafft  sint  also  de  s/i  vö  in  selber  nüt 
bestan  mugent  mich  sich  an  ir  selbes  kraft  enthalten  wä  dos  ieklichü  von  wislich' 
ordenüge  habe  mnx  de  ding  de  si  enthaltet  de  ir  kraft  iht  gebreste  rn  zergange. 
Du   vö  hat  vnser  h're  d*  sei  also  dis  edelen  spise  beneimt  vn  gegebe  de  si  si  sterke 

1)  Bot  unterstrichen. 


EINE    ALBMANNISCHE    FRONLEICHNAMSPREDIGT  57 

ni   die  edelkeit  des  gotliehen  bildes  an  ir  behalte,     vn  hat  si  also  wi-slich  geordent 

r 

vn  gegeben  den  drin  kreften    ieklieher  sunderlich   nah   ir  masse.     als  es   ir  aller 

beste  f&gt  vn  si  ordenet  gege  gote.  vn  da  mit  d'  sele  lebe  all*  beste  in  sin'  widikeite 
bestan  mag.  vn  wie  ab'  da:  si  de  m'kent.  Da  erste  kraft  die  da  git  de  ds  mesch 
mag  gedenken  swes  er  wil  d'  reht  ist  allereigenlichest  de  (51b)  si  vor  allen  dinge 
ir   vnmüsse  vn  ir  betrachtüge  an  got  wende,     vn  wan  si  vö  ir  selb'  nüt  volbringen 

mag  so  hat  ir  ms'  h're  dis  spise  gegeben  ;e  ein'  gehugde  die  si  an  in  ermanet  so 
si  sin  v'gessen  wil.  vn  du  gehugde  git  ins  -.c  gedenken  vn  :e  bc/rah/enc  au  vnserm 
h'ren  dr/i  dlg.  Das  erste  ist.  sin  gotliehen  mlne  die  er  von  sin'  giifi  ewklichen 
;n  vns  hat  gehebt  die  er  vns  an  dirre  selbe  sjiisc  uSlleklieh'  rnd  bas  beweret  hat 
dene  mit  keinem  dinge  de  er  ie  getet.  ivan  swie  da\  war  si  de  er  gar  eil  vn  groxii 
dlg  dar  vns  getan  habe  doch  da\  all'  gröste  de  er  ie  getet  od*  getan  mohtc  de  >rrr. 
de  er  sieh  selbe  vns  gap  xe  ein'  spise.  vn  Hgte  ins  da  mit  die  grSsten  rnd  die 
obrosten  minne  du  sin  mag.  wan  der.  sehent  ir  wol  so  ein  mensch  die  obrosten 
liebi  sime  fr/inde  mit  worte  künde  /eil  so  mag  er  nit  fürbas  gespreehe  da:  gütlicher 
müg  sin  dene  so  er  spehz,  Ich  hau  dich  als  liep  were  es  möglich  de  ich  dir  minen 
lip  gebe  n/oht  xe  ein'  sj/ise  de  iriilt  ich  gern  dur  diu  liebi  tun.  ni  also  vinde  nie 
de  vnser  h're  die  grasten  m/nc  erzSiget  hat  mit  den  werken  die  ein  fnint  dem 
and'n  erzogt  (52*)  /,""/  mit  den  u-orte.  rnd  hie  vö  spehz,  och  sant  joh'es  an  sime 
eicägelio.  ('um  dilexisset  s/ms  xcsi.  Do  vnser  h're  die  sinen  geminnet  hatte 
die  in  (V  icclte  /rare  do  minnet  er  sii  nn\  af  das  ende,  vn  de  ist  rehl  als  er  spreche. 
Du  er  sine  mn/e  an  dirre  weite  den  sinen  mit  manig'  /eise  m  maxe  erzögt  hafte 
do  er  i/o  n)  hinnan  scheiden  wolte  do  ögte  er  da  erst  die  obersten  minne  die  an  im 
was  nl/t  an  ir  ende,  /ran  das  meinet  er  mit  de  worte  de  er  speh$.  In  finem 
dilexit  cos1.  Fr  minnete  sü  vn:  an  de  ende.  De  ist.  er  minie  sii  als  ril  de 
er  sä  nit  me  gemimte  mohte.  wä  sin  mme  /ras  rehf  komen  an  ir  ende  vn  enn/oht 
nit  für  bas.  end  vö  dirre  mtne  redet  er  och  selbe  in  dem  wissagen  dauid  vn  spz, 
also.  \i  Ins  dorn9  tue  comedit  nie1.  Mensch  du  man  mlnc  d/ns  huses  die  hat 
mich  gessen.  vn  m'kent  nur  umb  er  spehet  du  man  mlne.  rehf  als  ir  sehen/  da 
ein  man  ein  reht  liep  husfrii/ren  hat  d'mag  bi  nüti  lide  de  si  ieman  and'n  liep 
liabe  wan  in  allein,  vn  vö  rehf  liebi  so  ist  er  all/'/  \it  in  sorgen  vn  in  pisse  wie 
er  ir  wol  gek&te  vor  all1  mengliche,  also  de  niemä  mit  ir  te  Idnne  habe  wä  er 
allein,  vn  da-,  keisset  ein  man  (52b)  mtne.  vn  also  xeglich'  wise  geistlich  ie 
v'stäne  so  hat  vnser  h're  die  selben  mlne  \l'i  vns.  /eil  sin  obroste  wille  an  vns  ist 
de  wir  vnser  herze  im  gebe  gan\  vn  vngeteilet  als  er  /vol  dicke  erzöget  hat  mit 
maniijcm  groze  vn  starken  dienste  den  er  vns  dar  umb  hat  getan  da\  er  vnser  mlne 
da  mit  gar  an  sich  geziehe  mähte,  was  meinet  er  aber  da  mit  de  er  spehet.  D/ns 
huses.  Nit  and's  wä  die  sele  dir  nemet  er  ein  hus  da  er  selb  sine  wonüge  vn  si// 
riiiec  inne  habe  /eil  vn  da  sin  obrostü  kurxwil  inne  ist.  als  er  selb  spekz}.  Delit  ie 
mec  ee  eü  filijs  hoiu/\  Min  fröde  vn  min  Kartnisse  ist  de  ich  irone  bi  dem 
mesche.  rn  hie  vö  spehz,  er.  Die  man  minne  dins  huses  du  hat  mich  gessen.  De 
ist  als  eil  gesproche.  Die  minne  die  ich  :il  di/ier  sele  han  du  hat  mich  gemachet 
\e  ein'  spise  mesch  de  da  mich  esse  mäht,  m  dis  ist  gewixlich  ein  ding  de  vnser 
l/".e  wol  '  n: anden  sol  %u  sin'  mine.  vn  ins'  begirde  sol  uf  wecke  mit  aller  andaht 
:ii  sime  lobe  vn  :ii  sime  dienste  swene  ivir  ansehen  dis  groze  wund'  de  gut  dur 
vnser n   wille  getan  ha/,     u-ä  de   w'e   wol  ein   h'te  h'ze  de  vö  d>  betrachtüge   dirre 

1)  Rot  unterstrichen. 


58  HEBERT 

gütete  nit  erlindet  lourde.  vn  hie  vö  stat  öeh  gesehribe  l  dem  (53 a)  wissagS  Osee. 
da  spchet  er.  Comitent*  sedentes  sb'  vmbra  ei9,  uiueni  t'tieo1.  Die  da 
sitzet  mds  sinem  schatten  die  sont  bekeret  iv'den  vn  son  blüiende  w'den  als  du  rebe. 
wä  sin  gehügde  ist  als  d'  win  vö  lybano.  An  disen  Worten  git  er  fns  xe  m'kene 
die  groxen  gnade  die  vns  wid'varni  vö  dem  fronlichame  vnsers  h'ren  den  er  nis 
hat  geyebe  :e  ein'  gehügde  siu'  minne.  xem  ersten  speh§  er.  Die  da  sitxent  vnd1 
sinem  schatten.  Dirre  schatte  de  ist  d>  fronlichame  vnsers  //'reu.  ni  dar  uvo 
sache  nemet  er  in  eine  schatten.  Ein  suche  ist  ivan  vns1  h'rc  got  sin  Schönheit  hat 
bedecket  vnd'  dem  schine  d'  ouclaten  de  man  da  mit  gesehen  mag  wä  die  glichnisse 
des  brotes.  daran  so  heisset  er  irol  ein  schatte.  Er  heisset  och  davon  ein  schatte 
wä  er  schirmet  vn  killet  den  menschen  vor  d'  hitxe  all1  anuehtunge  vn  bekoruge  des 
lieuels  d'  weite  vn  dex  fleisehes  rcht  als  d'  schatte  kniet  ds  sunne  hitxe.  Dar  nach 
so  spchz,  er.  si  sület  bekeret  ir'den  die  vnder  disem  schatten  sitxent.  xem  erste 
vö  sünden  vnd  vö  süntliehem  lebenne.  Darnach  son  sü  bekeret  w'den  in  got  de  ist  in  dir 
gliehsami gottes.  vn  de  gesehiht  mit  d'  nüne.  du  hat  die  kraft  de  si  den  minnende 
vhvandelt  in  dax  gemile.  Ab*  darnach  (53b)  so  spchz,  er.  Sa  sülent  leben  des 
weissen.  Bi  deine  weissen  betütet  man  den  fronlichame.  wä  du  ouelate  ist  gemachet 
vö  luterm  weissen,  vfi  dax  er  speh§.  sü  son  leben  des  weissen.  Da  bi  v'standen 
wir  de  wir  vö  im  gesterket  vn  bestetiget  w'den  an  d'  gnade  vnsers  hsre.  wä  wir 
n>  vns  si  Ihr  als  krank  sien  de  wir  bestan  noch  uolhHen  mugen  so  sterket  vns  d> 
fronlicham  de  wir  in  d'  gnade  vnsers  h'ren  bestanden.  Darnah  speh%  er  dene.  sü 
sülent  uf  ivachsen  vn  blüien  als  du  rebe.  vn  da  bi  merk'7  wir  vsnemunge  od*  zünemüge 
d*  tagende,  ira,  reht  xe  glich*  /eise  als  das  gewürme  alles  flühet  vö  d'  reben  so  si 
blüiet  also  fliehen!  alle  unlugede  vn  d'  ticnrl  swene  er  gewar  ivirt  des  edeln  smakes 
des  heilige  fronlichaiiieu  so  müx  er  fliehe  rh  mag  den  mensche  nitangeuehtenm.it 
untugende.  Dar  nach  spch§  er  denne  :<■»/  iungste  male,  sin  gehügde  ist  als  d* 
win  von  lybano.  vn  /ras  meinet  er  ab'  hie  mitte.  Nüt  and's  wan  die  starken  vn 
die  üb'kreftigen  mtne  gottes  du  in  als  harte  üb'want  vn  ime  als  vyre  angesigte  dax 
er  ioch  sin  selbs  vngeicaltig  wart,  ru  darxi'i  als  groxü  vn  als  ungewSnliehü  dig 
an  im  fürbrahte  du  nie  ine  gehört  ivurden  noch  (54a)  v'nome.  ru  davö  so  sprich^ 
er.  sin  gehügde  ist  als  der  win  vö  lybano.  Dax.  ist  du  gehügde  sin1  nüne  die  ist 
stark  als  d>  win  vö  lybano.  Ir  wisseni  wol  ds  win  von  lybano  d'  ist  als  stark  vnd 
als  kreftig  vö  natwr  surr  in  trinket  de  ds  trunken  wirt.  Also  xe  glich'  irise  tet 
bch  die  nüne  du  machetc  vnsern  h're  vö  himclrich  trunke.  vfi  darxü  alle  die  die 
bi  im  saxen  te  d'  wirtschafte  da  er  disen  win  schankte  die  wurde  alle  tranken  do 
sü  des  /eines  /-'suchte.  Nu  m'kent  /ras  t/h/t  trunken  tüte.  Et/ ich  mensche  so  es 
trunke  wirt  so  ist  es  sw'e  vn  slafct  gerne.  Also  geschah  Sant  Johnsen,  do  d'  an 
diser  wirtschafte  von  dem  tvine  gottes  nüne  tränke  teart  do  leit  er  sich  xehant  nid1 
in  vnsers  h'ren  sehoxe  vnd  schlief,  wä  er  enmohte  mit  nüti  gebeite  rntx  er  afge- 
stünde  vö  dem  tische,  vn  da  bi  »Sigte  er  wol  de  er  trunken  uns.  So  sint  and' 
lüte  so  die  trunke  w'dent  so  w'dent  sü  gar  küurs  und  freches  mntes.  also  geschach 
ab'  sant  pet'n  do  er  trunke  wart  an  d'  selbe  wirtschafte  do  wart  er  als  Min  vn  als 
freche  de  er  getürstekliehe  xu  vnserm  h're  sprach,  h're  ist  ioch  de  ich  i  den  tat 
mit  dir  sol  gan  so  wil  ich  diu  niem'  v'löggene.  vn  ab'  darnach  do  er  (54b)  wid> 
\it  im  selb'  kam  do  was  er  als  tages  luxen  de  er  dur  einer  dirne  rede  gottes  v'lög- 
gente.    So  iv'dent  etlieh  lüte  als  miltes  mutes  so  si  trunken  sint  de  sü  gar  lichtekliche 

1)  Rot  unterstrichen. 


EINE    ALEMANNISCHE    FHONLEICHNAMSPBEDIQT  59 

hin  gebent  swas  sü  haut.  Also  geschah  ab'  dem  wirte  selbe  vnserm  k're.  wä  er 
minne  trunke  was  do  was  er  als  miltes  mütes  de  er  hin  gap  swas  er  halle,  er  gap 
hin  sinen  lip  beidü  fründe  vn  vienden.  sinen  fründen  gap  er  in  .<■  ein'  spise.  aber 
sinen  viende  gap  er  in  xe  mart'enne  vn  xe  tote.  Sin  gewant  gap  er  och  hin  vn 
stünt  er  nakent  vn  blox  ein  deine  krüxe.  nl  de  Ist  vns  ivol  bezeichnet  in  d'  alten 
c  bi  h*n  Noe  do  di  eins  males  getrank  nuwe  win  do  wart  er  trüken  vn  leit  sieh 
nider  vn  slief.  vn  in  dem  slafe  do  warf  er  vor  vnsinne  ab  ime  edles  sin  gewant 
vn  lag  er  gar  blox  vn  naeket.  vn  also  te  glieh'  wise  tet  ims'  h're  vö  himelrieh  do 
er  utlnc  trunke  wart  do  ivarf  er  vö  im  sin  genant,  elc  ivc  do  er  an.  da\  krüxe 
ivolte  gan  vn  den  tbd  lide  für  vns.  icä  do  stünt  er  eil  nackent  vn  blox-.  vn  do  gap 
er  beh  hin  sin  liebes  lebe  mit  einem  bitt'en  tbde.  vn  sin  sele  (jap  er  te  seheidenne 
vö  sime  reinen  tugenthaften  libe.  vn  dis  alles  mochte  denoeh  siner  mvne  nit  (55a) 
begnügen,  vn  darumb  sin  edelen  gotheit  die  gap  er  vns  and'  da  ellü  selde  vn  ellü 
frSde  vfL  ere  lit  vn  alles  gut.  do  emohte  er  mit  fürbas  gebe,  vn  a/sus  habe  wir 
dene  ein  sache  wie  d'  heilig  fronlichame  vns  ein  gehügde  ist  d'  grossen  arme  mit 
d'  ins  got  von  himelrieh  ewklich  geminnet  hat.  Er  ist  och  xem  äd'n  male  ein  ge- 
hügde vns're  erlSsunge.  als  wir  bexeichnunge  rinden  in  d'  alteebi  dem  osterlambe 
da  mit  die  iude  begienge  den  behügliehen  tag  do  sü  got  loste  vö  egypten  laude,  vö 
dem  reite  vnser  h're  ut  moysen  vn  s'ßch  also  \i)  im.  Iicde  mit  dem  uolke  vn  spriche. 
An  d iseut  taye  sol  ein  ieklich  man  künde  sinem  kinde  vn  sol  sprechen,  Sih  dis 
ist  de  mir  got  gegebe  hat  xe  einer  gehügde  do  er  mich  us  fürte  vö  egypto.  de  sol 
beh  dir  sin  als  ein  xeichen  in  din'  Im  ml.  wä  er  hat  dich  erlöset  von  der  geuank- 
nisse  mit  d'  hand  des  starken,  vn  also  dem  reht  te  glich'  wise  alse  das  opher  des 
lambes  den  iude  do  ein  gehügde  uns  de  sü  got  hatte  erlöset  vö  egypto  also  ist  vns 
nu  dis  opher  heilig  d'  fronlichame  vnsers  hsre  d'  da  für  vns'  sünde  den  tot  leid  an 
dem  krüx.  vn  beh  wol  mag  heissen  ein  lembli  de  da  ist  aue  allen  /lecken,  vn  de 
mit  (55b)  sinem  unschuldige  tbde  hat  vertilget  aller  der  weit  sünde.  das  ist  vnd 
sol  billich  sin  ein  behügde  vns're  erlSsunge.  wie  ins  got  vö  himelrieh  erlöset  hui 
vö  dem  ewige  tbde  mit  d'  muri'  die  er  dar  vns  leid  an  dem  krüxe.  wä  dax  ico/t 
er  selbe  bew'en  sinen  iüg'n  do  er  ietxe  bi  in  sas  au  ds  uirfschefte  do  er  sü  gespiset 
hatte  mit  sime  heiligen  fronlichame.  Do  spch  er  also  :u  inen.  Dis  sol  vch  ieud 
u/c  ein  gehügde  sin.  also,  swene  ir  dax  brot  exxent  m  inen  lichamen  vn  min  bli'd 
trinken!  de  ir  dene  gedenket  min-  marV.  lieht  als  er  spreche.  De  ir  gedenken! 
tele  ich  ich  erlöset  hau  von  deine  ewige  tbde  mit  min*  bitten  niarP  che  ich  für 
üw'  sünde  leid  an  dem  krüxe.  vn  an  diser  gehügde  mag  ein  mesch  wol  lerne  er- 
kenne die  gl/ti  vn  die  erbermde  vnsers  h're  gottes  vn  die  wirdekeit  des  menschen. 
Die  güti  vii  die  erbende  gottes  m'ke  wir  dar  an  de  er  vns  so  reht  gütlich  vn  so  reht 
gnädklich  hat  erlöset  vö  so  gro\er  freise  der  wir  inne  teuren,  vnd  die  erb'mde  sah 
d'  wissage  wol  an  do  er  spch.  Mia  tuet  dö  magna  e  sup  nie  x  esl.  0  h'r  din 
erb'mde  ist  grox  üb'  mich  wä  du  hast  min  sele  erlediget  vö  ds  helle.  Aber  die 
wirdekeit  des  mesc-he  m'ken  wir  dar  an  dax  in  (56a)  got  mit  uichte  and's  losen 
icolte  ica  mit  sin  selbs  blute  vn  mit  sinem  bitt'u  töde.  eil  darö  spchz,  beh  sät 
auf/'.  Agnosce  o  ho  dig'tate  tuam1.  0  kristan'  nieselte  erkenne  dine  wirdekeit. 
du  bist  nit  erlöset  mit  silb'  noch  mit  golde  od'  mit  keinem  irdensehe  gute,  de  gelt 
da:  für  dich  gegebe  ist  de  ist  de  blüt  vnsers  h're.  vn,  spchet  öc/t.  Sit  ich  eines/ 
erlöset  bin  mit  so  kostb'em  schatxe  mit  gottes  blute  so  toil  ich  mich  selben  niem'  me 

1)  Rot  unterstrichen. 


60  NBBERJ 

verkbffen.  vn  ist  dis  dene  die  and'  gehügde  die  wir  süle  haben  an  dem  fronlichame~ 
vns's  h're.  Ab'  xü  dem  dritte  male  so  ist  er  vns  bch  ein  gehügde  die  6ns  leret  er- 
kennen wie  r  Hielt  wie  kostb'  vnd  wie  edel  disü  gäbe  ist  die  ms  got  vö  himel  gerückte 

gebe  an  dem  selbe  do  er  sie//  selbe  ins  gap  %e  ein'  spise.  wä  stvie  dax  war  si  de 
er  ins  gar  vil  gut'  vn  edel'  gäbe  gebe  habe  beide  an  im  selben  rn  an  den  kreaturen 
ic  doch  die  lobliehest  vn  da  rilichest  gäbe  die  er  gegab  an  kreaiure  od>  ein  im  selbe 
de  was  disü  vfi  moht  ins  mit  nute  and'm  als  uöllekliehen  hon  geoffenet  vn  beweret 
die  miltekeit  vn  die  güti  sins  miauende  h'xe  als  mit  diser  gäbe.  Och  ist  si  vns  die 
aller  nüxxest  gäbe  die  er  vns  gebe  muhte,  rn  ist  frölieh'  rn  lustlicher  dene  (56b) 
alle  die  attd'n  gäbe  die  er  vns  gegebe  hat.  rn  ivavö  ab'  das  si  de  m'kent.  Ir  wissent 
wol.  vö  nattir  so  mittne  ich  all'  meist  de  ding  de  mir  aller  glichest  ist.  vn  so  mir 
dax  ic  naher  bi  ist  vn  mir  ie  heimlieh'  vn  inrer  ist  so  min  fröde  ic  gröxer  ist. 
rn  so  ich  dene  des  selben  dinges  bch  ie  gewaltig'  rn  ic  sich'r  bin  de  er  mir  blibc 
so  ab'  min  frude  ie  uolkomn'  vn  ic  steter  ist.  vn  alsus  ist  es  umb  die  edelen  gäbe 
den  heilige  fronliehame.  Dax.  ist  wol  war.  Got  hat  vns  groxlieh  vn  in  manig  wise 
gemeinet  mit  sinen  gäbe.  Er  hat  vns  gegebe  xem  erste  vnbescheiden  oder  vnu'nünftig 
kreatxen  als  himel  rn  erde  vn  alles  dax-  de  dar  ine  ist  de  solte  vns  edles  vnd'tenig 
sin  gewesen  tv'en  wir  im  nit  vngehorsam  worde.  Als  d'  wissag  spchz,.  Omia 
sb'iecisti  sab  pedibx  ei9.  0  h're  du  hast  dem  'mensche  ellü  ding  geioorfe  vnd' 
sine  fasse.  Darnach  gajt  er  vns  sine  heilige  engele  de  sü  vnser  phlegin  vn  vns 
dientin.  rn  ab'  darnah  xem  dritte  male  do  gap  er  vns  sich  selbe,  in  manig'wise. 
Er  gap  vns  xem  erste  sich,  selbe  xe  einem  bruder.  dax  /ras  do  er  ins'  nature  an 
sieh  nam.  vn  darnach  \c  einem  geselle,  de  a-as  do  er  geborn  wart  an  dis  /reit  ein 
kint.  Ab'  darnah  (57 a)  do  gap  er  sich  rns  xa  einem  meist'  rn  xe  eime  lerer,  dax 
a-as  an  sin'  bredie  vn  an  sin'  lere.  Dato  spch  er  \ii  sitzen  iüg'n.  vos  uocatis 
tne  tnagr  x  c'1.  Ir  heissent  mich  meister  vn  h're  vn  spreehent  wol  wä  ich  bin 
es  bch.  Ab'  dar  nach  do  gajt  er  sieh  vns  \e  einem  leitet-,  de  /ras  a  dem  gute bilde 
de  er  rns  vor  trüg  an  sitae  tugetlichen  leben.  Da  vö  sßch  er  lieh  \ä  sine  iüg'n 
Exem/t/a  dedi  t/ob*  x  c'1.  Ich  hob  reit  ein  vorbilde  gegebe  de  ir  taut  als  bch 
ich  getan  hob.  rn  dam  spch$  bch  d'  wissage.  Dux  faisti  x  c'1.  h'r  da 
bist  ein  leit'  geivese  in  diu'  erb'mde  ditne  uolke  de  du  erlaset  hast.  Afr  hie 
nach  do  gap  er  sieh  :e  w'de  für  rns.  de  was  an  sin'  mart'  rn  an  sinte  tbde 
da  mit  er  rns  wider  hoffe  rn  erlöste  vö  des  tieuels  gewalte  vn,  vö  sine  hreftigen 
bände.  Dis  /rare  alles  gar  grox  vn  r Hielte  gäbe  die  vns  xbgtett  im  offeneten 
sin  millekeile  vn,  sin  güti  de  die  groxe  vn  rnxallich  sint.  Aber  doch  do  /rare 
si  vns  ndt  gar  mincklieh  noch  frölieh.  wä  si  rns  nit  glich,  /rare,  noch  /raren  vns 
n/'it  gar  lustlich  trat/  sü  rns  nit  gegetrntiig  wäre.  Sü  /rare  rns  och  nit  als  gar 
tt/i/xe  noch  als  beheglich  trä  sä  wäre  vns  frbtndc.  vn  /rare  ir  n/sich'.  Ab'  da  rns 
vnser  h're  sich  selbe  gap  xe  ein'  spise  vn  xe  eine  franke  (f>7b)  do  wart  dis  alles 
uolbraeht.  wä  er  wart  rtts  gar  mmekliek  vn  gar  gi flieh  vn  bch  gar  nütze,  vn 
tibllekliclte  frölieh.  vn  toüneklich.  Er  wart  vns  davö  gar  mlneklieh  vn  wünneklich 
wä  er  wolt  vns  da,  glich  w'de  vn  /rolle  rns  als  gar  v'wandlen  in  sin  glich sami  dax 
wir  r'eht  ein  ding  wurden  1  ime  rn  mit  im.  Das  bewarte  er  wol  mit  deme  getiefte 
de  er  sinen  vatt'  bat.  raff  ich  bitte  dich  als  ich  vn  da  ein  ding  sien  de  bch  s/i, 
tin  il/g  w'de  mit  rns.  vn  die  v'einunge  wirt  entxwisehent  vns  vn  gotte  vö  d'  edlen 
sjjise  so  wir  die  icirdeklich  messen  so  to'den  wir  in  got  verwandlet.  Als  vnser 
h'  spch  xü  sant  Augnstino.  Nee  tu  nie  x  c'1.  Du  ensolt  mich  nit  in  dich  r'tran- 
1)  Rot  unterstrichen. 


EINE    ALEMANNISCHE    FRONLEICHNAMSPREDIGT  61 

delen  als  die  spise  dines  libes.  mer  du  so/f  in  mich  verwandelt  w'den.  vn  reht 
xe  glich'  ivise  als  vnser  h're  vnser  glichsami  an  sieh  nain  do  er  nieselt  wart,  also 
neme  wir  sin  gliehsami  an  ins  so  wir  sinen  lichamen  enpkahe.  vn  lue  vö  so  ist 
vns  disü  gäbe  aller  minneldi  ehest  wä  si  vns  all'  glichest  ist.  Si  ist  ins  öch  aller 
girlichest  vnd  aller  frSliehest  wä  si  ist  vns  aller  heinliehest  vn  aller  ndhste  bi  ins. 
vn  ist  ins  ioch  als  gar  nahe  de  si  mit  vns  vn  wir  mit  ir  gar  v'eint  w'den.  vnd 
dax  si  ons're  sele  noch  heinlieh1,  vn  inrer  ist  dene  si  ir  selb'  si.  vn  hie  vö 
so  ist  si  vns  Seh  aller  nützest  wä  si  all'  eigelichest  vns*  ist.  vn  ire  aller  beste 
geniesse  tauge  vn  ist  vnser  fröde  daran  uolkomen  wä  wir  sicher  sien  de  si  niemä 
mag  vö  ins  geneme.  vn  alsus  ist  es  nit  wmb  kein  attd1  gäbe,  sü  sint  alle  vö  vns 
geuerref  vn  gefrSmdet.  vn  sint  vns  vnbekätlich  vn  sien  ire  vnsich'.  vn  da  vö  reht 
lieh  '.e  sprechetie  so  ist  enkein  gäbe  die  vns  got  ie  gap  als  eigenlieh  ins'  als 
tlist't.  Was  bestat  mich  m in  brüd'  vn  tnin  g< seile,  od'  trn\  bestai  mich  min 
meist'  rü  min  lerer,  vn  min  leit'  od'  min  erloser.  Es  ist  alles  hie  engege  nit  \e 
biet'  )>p.  wä  es  ist  olles  ein  frömde  dittg  vn  ist  gesund't  vn  geuerret  rü  mir.  ab' 
distl  gäbe  mit  dem  de  si  vns  gegebe  ist  so  sien  wir  mit  dein  gebenden  vn  mit  en- 
thaltene abgäbe  in  ein  einikeit  xe  samt7  v'einet  dax  enkein  sund'unge  enxwischent 
vns  ist.  rü  dis  ist  dene  die  edel  vn  die  rilich  gäbe  die  vns  got  gebe  hat  die 
wir  billieh  alle  %it  trage  sülent  in  vnser  gehügde  de  loir  ir  nieti/1  v'gessen. 
wan  de  ist  bexeichent  in  <V  alte  e  bi  dem  himelbrote  da  mit  vnser  h're  die 
itnh  u  spiste  in  d'  ivüsti.  de  Itiex  (58lj)  er  sü  gehalten  den  künftigen  gesehlehten 
die  nach  inen  honte  solten  rü  sßch  also.  Netnet  üw*  mes  de  da  heisset  Gomor 
vn  füllent  es  himelbrotes  vn  gehaltent  es  in  du  künftigen  geschieht  Bi  dem 
messe  Gomor  ist  bezeichet  vns1  h'r  ih's  xpc.  ab*  bi  d*  müsse  da  dar  in  gieng 
ist  bexeichent  der  glöbe  d'  heilige  drmaltikeit.  vn  du  uÖlli  Gomor  sol  behalte 
w'den  in  t'ti  künftige  geschieht.  dax  ist  de  <!'  glöbe  sol  behalte  wsden.  vm  an  da\ 
ende  <!'  trelt.  ab'  de  himelbrot  da  bi  ist  bexeichent  die  heilikeit  v'nsers  h're  fron- 
lichame  den  ins*  glöbe  da  erkenne  so/  de  er  ein  brot  ist  da  mitte  vns  got  spiset 
in  d'  wüstin  dix  eilende  lebens.  vn  also  han  wir  dene  gem'ket  wie  du  edel  spise 
goltes  lichame  ds  gelingende  kraft  vns're  sele  ist  ein  gehügde  gottes  mute  vn  vns're 
erlösüge  im  och  d'  rilich i  sin1  w'den  gäbe.  Ab'  xcni  and'n  male  so  ist  ins  tlist't 
spise  gegebe  xe  einem  iv,und'.  de  du  and'  kraft  vns'r  sele  du  da  heisset  v'nunft 
iem'me  gespiset  w'de  mit  tound'e.  trän  als  ril  ist  des  si  sich  rindet  an  ir  %e 
wund'enne  de  ire  ds  spise  niem'  gebristet  swene  si  si  an  ir  stielte  teil.  Ab* 
suud'lich  so  sint  xwei  trüd'  d'o  sich  vnser  v'nunft  iem'me  wund'en  mag.  De  erste 
ist.  warumb  sich  vns'  h're  (59a)  vö  himelrich  d'  gewaltige  got  vns  arme  menschen 
wolle  xe  ein'  spise  gebe.  Dax  ist  ein  ding  de  trol  \e  wund'enne  ist.  wä  es  wart 
nie  i/üt  gehöret  de  wund'lich'  macht  sin  den  de  got  selbe  ein  spise  icordc  ist.  Ab' 
war  umbe  er  fürbas  wolte  ein  spise  w'den  dene  iht  anders  do  er  sich  vns  wolle 
geben.  Dax  tet  er  davö  wä  sin  gStlichü  wisheit  trol  erkäde  de  er  ins  enkeinen  weg 
als  reht  nütxe  moht  gesiti  als  in  den  weg  de  er  vnser  spise  wurde.  Ab1  wa  vö  wir 
diser  spise  notdürftig  treriu  vn  in  treten  weg  si  ras  nütx'  den  iht  and's  de  tra\ 
durch  dri  suche.  Die  erste  suche  ist.  wä  mensehliehü  nature  des  ersten  wart 
rerirertsulet  vn  totlich  vö  ein'  spise.  davö  fügte  sich  dax  aller  beste  do  si  got 
te'ft  tauche  trotte  de  er  dax  tele  öeh  mit  einer  spise.  vn  nlse  die  erst  spise  du  ins 
da  den  tot  brachte  als  du  gewachsen  was  uf  dem  honte  d*  wisheit  du  da  erkätnisst 
gap  beidü  gutes  vn  vbels.  also  ist  och  disü  spise  die  vns  das  leben  hat  wid'  brüht  du 
ist  geuuehsen  uf  deme  bbme  d'  ivisheit  du  da  got  selb'  ist  d'  ewig  sau  in  d'  driualt- 


62  NEBKRT,    EINE    ALEMANNISCHE    FRONLEICHNAMSPREDIGT 

keit  d>  da  mesch  ist  worde  rn  sich  gegebe  hat  ins  %e  ein*  spise.  vn  also  hat  er  es 
geordnet  reht  als  der  alt  vient  anschlich  (59 b)  Jcünne  hatte  ertötet  mit  ds  spise  de 
er  ins  also  hat  wid'gegeben  dax  heil  des  ewige  lebens  och  mit  ein'  spise.  vn  davö 
so  singet  Seh  du  kristenheit  also.  Hoc  op9  nr'e  salutis  or.  depo.  x  cA.'  Die 
ordenüge  vns's  heiles  vord'te  dis  werk  vn  de  d'  list  des  kundigen  Kraters  wurd  mit 
disem  liste  betröge,  vn  de  er  dannan  dise  arxenie  brehte  da  och  d'  riet  hatte  ver- 
seret.  Di  and'-  saehe  davö  ivir  och  diser  spise  bedorften  de  was  d1  gebresie  vns're 
nature.  wä  ins'  natur  also  gescJtaffen  ist  de  si  ane  spise  nüt  were  mag  rn  nit 
allein  des  libes  nature  mer  bch  der  sele.  wä  reht  als  ir  scheut  de  des  libes  natur 
v'derbe  m/r,  sinne  ir  gebristet  tiplich'spise  also  möht  (ich  (V  sei  natur  niem'  bestem 
in  ir  kreftig1  tugent  hette  ir  got  dise  edelen  spise  niht  gegebe,  vn  du  sterlcet  si  vn  hilfet 
ir  de  si  in  ir  leraft  blibet.  vn  davö  bitte  wir  bch  got  alle  tag  diser  spise  so  wir 
sprechen.  Panem,  nostrü  eottid ianil  da  nob'  hodie.1  H'r  ins'  teglich  brot 
gib  ins  hatte,  vn  de  selb  ist  ins  bch  bexeichent  in  dem  ewangelio  da  inser  Irr 
spch  Mich  erbarmet  das  uolk  wä  es  ist  mir  iexe  drie  tage  naehgeuolget  rn  enhat 
nüt  de  es  esse,  laxe  ich  sü  alsus  vö  mir  (60a)  ane  spise  so  gebristet  inen  uf  dem 
wege.  Bi  disem  uollce  sint  betütet  die  lüte  die  hie  vor  wäre  vor  insers  h'ren  ge- 
barte, ab'  bi  dien  drin  tage  sint  bezeichet  dr  drd  gexit  die  da  liine  gegange  wäre 
e  rnser  h're  mesch  wurde.  Dax  erste  xit  de  ioas  ein  xit  %  dem  lepten  die  lüte 
nüwä  nach  d'  e  ir  nature.  Die  and1  xit  l  dem  lepten  die  Jute  nach  d1  geschrib'n 
e.  Ab'  de  dritte  xit  was  %  dem  die  lüte  lebten  nach  d*  wissage  lere,  rnd  in  diso/ 
drin  xite  do  hatte  sü  nit  xe  essene.  wan  got  hatte  denoch  dise  spise  dem  mensche 
nit  gegebe,  aber  nach  disen  drin  xite  do  wolt  er  den  mensche  nit  nie  laxe  ane 
spise  in  dem  xite  der  gnaden  de  im  ich/  gebreste  uf  dem  wege.  Die  dritte  sache 
davö  wir  bch  wol  bedorften  diser  spise  de  /ras  du.  wä  mensekliehü  geschephde  ist 
ein  bescheiden  Jcreature.  so  enfüget  ir  kein  spise  eigen//'/-//'  dene  de  gottes  wort  de 
füget  ir  natur  aller  best  xe  füre,  vn  dax  bew'et  rnser  h're  selbe  da  er  spch§.  No 
/  solo  pane  ui.  hö.  %  e'.  D'  mensch  lebt  nit  allein  des  brote9  suncV  bch  vö  eime 
iekliche  //orte  de  da  für  gat  vö  dem  munde  gottes.  rn  davö  wä  dene  dem  menschen 
enkein  spise  als  icol  noch  als  eigenlich  füget  als  gottes  wort  so  //at  ins  fnss  h're  de 
selb  (60 b)  wund'lich  geordnet  vnd  beneimet  xe  ein1  spise  vn  m'kent  wie.  Gut  d1 
hat  geschaffen  xiveierhand  bescheiden  Jcreature.  de  ist  d'  enget  vn  df  mesch.  den 
enget  hat  er  geschaffen  einen  lut'en  geist  ane  lij>.  ab1  den  mensche  hat  er  also  ge- 
schaffen de  du  sele  in  gelibet  vn  h/gefüget  ist  zfi  dem  libe  vn  mit  im  vereinet-  vn 
disen  xwein  kreature  hat  rnser  h're  beneimet  vn  geordent  de  si  beide  ir  spise 
rn  ir  füre  habe  an  dem  eivigen  gottes  wort  de  got  selbe  ist.  vn  doch  nit  glich 
wä  ietwed're  nach  ir  masse  als  es  ir  aller  beste  füget.  D'  enget  wä  d'  ane 
lip  ist  nüwä  ein  tut'  geist  davö  so  wirt  er  gespiset  mit  dem  worte  gottes 
als  es  ist  nach  ds  götliche  ewikeit  an  ime  selbe  ane  lip.  ab'  dem  mesche 
wä  d'  liplich  ist  dem  ist  de  selb  gottes  wort  ein  spise  nach  dem  als  es 
mesch  vn  fleisch  worde  ist.  vn  davö  spch  er  bch.  Caro  mea  u'e  %  cib9.1  Min 
fleisch  ist  ein  geiverü  spise  vn  min  blül  ist  ein  gewäres  trank,  vn  dis  ist  denne 
ein  wund'  warumbe  sich  got  wolte  gebe  xe  einer  spise.  Wir  vinde  bch  and'  suchen 
d'  wir  ins  bch  sere  wund'en  muge.  de  ist  de  er  sich  hat  gegebe  a/s  gar  v'dccket 
de  in  mesehlich  smne  mit  nüti  begrifen  muget  noch  r'stan.  wie  od'  was  es  si// 
mug  wä  nach  des  glbbe  sage,  vn  dax  ist  ins  wol  l/excic/i/'/it  bi 
1)  Rol  unterstrichen. 

NAUMBURG    (SAAI.K).  DR.    NEBERT. 


MENSING    CBER    WESSEL ,    MIID.    LESEBUCH  G3 

LITTEEATUE. 

1.  Mittelhochdeutsches  lesebuch  für  die  obersekunda  höherer  lehran- 

st alt en  von  P.  Wessel.     Gotha  1898  (Perthes).     3°.     92  s.     1  m. 

2.  Geschichte  der  deutschen  dichtung  für  die  oberen  klassen  höherer 

Lehranstalten.    Von  P.  Wessel.    Bis  zur  reforniation.    Für  obersekunda.    Gotha 
1898  (Perthes).     36  s.     0,60  in. 

3.  Heliand  nebst  einem  anhange  über  Otfrieds  evangelienbuch,  ausgewählt. 

übersetzt  und  erläutert  von  J.  Seiler  (Denkm.  d.  älteren  deutschen  litteratur, 
herausg.  v.  Bötticher  u.  Kinzel  II,  3).  Halle  1900.  VIII,  83  s.  0,80  m. 
In  welchem  mnfange  und  in  welcher  weise  den  schülern  unserer  höheren  lehr- 
anstalten  die  ältere  deutsche  spräche  und  ihre  denkmäler  zugänglich  zu  machen  seien, 
darüber  gehen  die  meinungen  in  den  beteiligten  kreisen  seit  langem  stark  auseinander. 
Die  preussischen  lehrpläne  von  1892 '  beschränken  die  belehrung  über  dieses  gebiet 
auf  die  obersekunda,  der  sie  ausserdem  noch  manche  andere  aufgaben,  wie  die 
lektüre  des  Wallenstein,  des  Egmont  oder  Götz,  zuweisen.  Sie  bestimmen  für  diese 
klasse  „einfuhrung  in  das  Nibelungenlied  unter  mitteilung  von  proben  aus  dem  urtext, 
die  vom  lehrer  zu  lesen  und  zu  erklären  sind",  und  schreiben  ausserdem  ..einzelne 
sprachgeschichtliche  belehrungen  durch  typische  beispiele"  vor.  Man  kann  den  wert- 
laut  dieser  bestimmung  nicht  wol  anders  verstehen,  als  dass  die  schüler  die  mhd. 
spräche  nur  aus  den  vom  lehrer  vorgetragenen  und  erläuterten  proben  ohne  eigene 
Versenkung  in  den  stoff  kennen  lernen  sollen,  jedenfalls  also  ohne  selbst  den  Original- 
text in  bänden  zu  haben.  Wenn  trotzdem  weiterhin  vortrage  der  schüler  „über  den 
inbalt  bedeutenderer  rnhd.  dichtungen"  gefordert  werden,  so  können  diese  bei  dem 
mangel  sprachlicher  kenntnisse  nur  nach  Übersetzungen,  oder  —  was  noch  schlimmer 
ist.  aber  auch  vorkommen  soll  —  nach  den  umfassenden  inhaltsangaben  in  den 
grösseren  litteraturgeschichten,  also  als  excerpte  von  excerpten  angefei"tigt  werden. 
Ein  bedenkliches  verfahren;  denn  jeder  weiss,  wie  wenig  gutes  wir  gerade  auf  dem 
gebiete  der  Übertragung  aus  dem  mhd.  besitzen,  und  wie  eng  gerade  '"'im  mhd.  de' 
form  mit  dem  inhalt  zusammenhängt.  Der  verzieht  auf  sie  bedeutet  zugleich  den 
verzieht  auf  ein  inneres  erfassen  des  Stoffes.  Im  laufe  des  letzten  Jahrzehnts  bat 
sich  denn  auch  immer  mehr  die  ansiebt  bahn  gebrochen,  dass  ohne  erlemung  der 
mhd.  spräche  das  ziel  nur  unvollkommen  erreicht  wird.  Dass  diese  erlernung  nicht 
wie  die  einer  fremden  spräche  vor  sich  gehen  soll,  dass  sie  nicht  auf  erwerbung 
grammatischer  kenntnisse  ausgehen,  sondern  das  Verständnis  der  sprachlichen  form 
und  dadurch  des  inhalts  unserer  grossen  mhd.  litteratur  erstreben  soll,  ist  selbst- 
verständlich und  bis  zum  überdruss  betont.  Man  soll  dabei  nur  nicht  übersehen, 
dass  auch  sprachliche  belehrungen  an  sich  wert  und  berechtigung  haben,  wenn  sie 
in  einer  den  schüler  anregenden  und  ihm  verständlichen  form  gegeben  werden. 
Nirgend  auf  der  schiüe  ist  es  sonst  mit  so  geringer  mühe  möglich,  verschiedene 
stufen  derselben  spräche  miteinander  zu  vergleichen  und  die  gesetzmässige  entwicklung 
sprachlicher  Vorgänge  zur  anschauung  zu  bringen.  Es  wäre  unrecht  und  undankbar, 
diese  gelegenheit  zu  versäumen.  Niemand  denkt  daran,  auf  der  schule  germanisten 
heranzubilden.  Aber  soviel  sollte  doch  jeder  von  seiner  muttersprache  erfahren,  dass 
er  über  die  hauptgesetze  ihrer  entwickelung  aufgeklärt  wird  und  einen  leichten  mhd. 

1)  Inzwischen   sind   zu  ostern  1901  neue   lehrpläne   erschienen,   in   denen   ein 
teil  der  oben  zum  au-dnvk  gebrachten  wünsche  erfüllt  i-t. 


64  MENSING 

text  ohne  chwierigkeh1  verstehen  und  gemessen  kann.     "Wie  die  sache  heilte 

steht,  gehen  noch  immer  viele  schaler  ins  leben,  ohne  je  das  wort  lautverschiehnng 
gehört  oder  eine  Vorstellung  von  dem  unterschiede  der  sprachstufen  und  dialekte 
auch  nur  in  den  gröhsten  zügen  gewonnen  zu  hahen.  Und  das  ist  um  so  eher  der  fall, 
als  selbst  in  der  einzigen  Masse,  in  der  eine  etwas  ausführlichere  hehandlung  sprach- 
licher probleme  möglieh  ist.  in  der  obersekunda,  der  deutsehe  Unterricht  oft  in  den 
Händen  germanistisch  nicht  oder  ungenügend  vorgebildeter  lehrer  liegt.  Es  wäre  an 
der  zeit,  hier  wände!  zu  schaffen.  Vor  allem  müssen  die  schüler  den  mhd.  text  in 
die  hände  bekommen;  bei  den  blossen  „proben"  und  beim  vorlesen  durch  den  lehrer 
kommt  nichts  heraus.  Wer  erfahren  hat,  mit  wie  lebhaftem  Interesse  die  schüler 
der  erklärung  mhd.  texte  folgen,  und  weiss,  dass  hier  mit  verhältnismässig  geringer 
mühe  in  kurzer  zeit  achtbares  erreicht  werden  kann,  wird  den  bedenken,  die  gerade 
aus  germanistischen  kreisen  gegen  diesen  unterrichtszweig  erhoben  worden  sind,  nicht 
zustimmen  können,  als  ob  es  sich  dabei  um  verwerfliches  halbwissen  oder  gar 
stümperei  handle.  Weiter  aber  wäre  es  sehr  wünschenswert,  dass  die  obersekunda 
ganz  für  die  beschäftigung  mit  der  älteren  deutschen  spräche  und  litteratur  freige- 
geben würde.  An  wertvollem  bildungsstoff  ist  doch  wahrlich  kein  mangel  und  eiu- 
seitigkeit  nicht  zu  befürchten,  zumal  wenn  man  wie  billig  beim  Nibelungenliede 
au  --er  der  nordischen  Überlieferung  auch  die  neueren  bearbeitungen  des  Stoffes  durch 
Geibel,  Hebbel  und  Jordan  zum  vergleich  heranzieht;  dadurch  wird  dann  auch  der 
von  manchen  Seiten  befürchteten  schmälerung  der  neueren  litteratur  begegnet.  Dass 
den  schillern  dabei  ein  klassisches  drama  weniger  interpretiert  wird,  halte  ich  für 
kein  so  grosses  Unglück;  die  masse  bringt  es  auch  hier  nicht,  und  der  Wallenstein 
seheint  mir  ohnedies  mehr  für  die  prima  geeignet.  "Will  man  sich  amtlich  zu  einer 
so  durchgreifenden  änderung  nicht  entschliessen,  so  steht  es  doch  in  der  band  jedes 
lehrers,  ohne  den  Wortlaut  der  Verfügungen  zu  verletzen,  die  lektüre  der  modernen 
dramen  so  zu  beschränken,  dass  dreiviertel  des  jahres  auf  die  ältere  zeit  verwendet 
werden;  dies  halte  ich  aber  auch  für  das  mindestmass. 

Seit  die  erkenntnis  von  dem  bildungswerte  der  mhd.  spräche  und  litteratur 
immer  weitere  kreise  ergriffen  hat,  ist  —  wie  das  bei  der  blühenden  schulbuch- 
industrie  unserer  tage  nicht  anders  zu  erwarten  war  —  eine  wahre  flut  von  hilfs- 
mitteln  für  die  band  der  schüler  und  lehrer  hereingebrochen.  Berufene  und  unbe- 
rufene haben  gewetteifert,  durch  herausgäbe  von  sprachproben,  Inhaltsangaben  und 
leitfäden  der  älteren  litteraturgeschichte  sich  auf  dem  neu  erschlossenen  arbeitsfelde 
zu  bethätigen,  und  neben  manchem  brauchbaren  ist  viel  minderwertiges  entstanden. 
Die  hier  kurz  zu  besprechenden  Schriften  gehören  zu  den  besseren  in  ihrer  gattung. 

W esseis  lesebuch  bietet  zunächst  eine  etwa  500  Strophen  umfassende  aus- 
wahl  aus  dem  Nibelungenliede.  Jede  auswahJ  hat  naturgemäss  ihr  missliches.  Sie 
beschränkt  den  lehrer  in  seiner  freiheit  und  bindet  ihn  in  oft  unliebsamer  weise  an 
den  geschmack  des  herausgebers.  Was  man  schön,  was  wichtig,  was  unerlässlich 
findet,  darüber  werden  stets  quot  capita  tot  sensus  sein.  So  kann  ich  es  von  meinem 
tandpunkte  aus  nicht  billigen,  dass  W.  die  erzählung  von  dergewinnimgdeshortesundvom 
drachenkampf  unterdrückt;  denn  dieser  abschnitt  erweist  sich  beim  vergleich  mit  den 
entsprechenden  stücken  der  Edda  als  besonders  fruchtbar  für  die  hehandlung  im 
Unterricht.  Viel  zu  gross  ist  mir  auch  die  lücke,  die  zwischen  str.  985  und  1596 
klafft  und  die  nur  durch  andeutende  prosaerzählung  ausgefüllt  wird.  Seilen  denn 
die  schüler  von  diesem  teile  des  liedes  wirklich  nichts  weiter  erfahren  oder  sollen 
sie  hier  etwa  doch  wieder  die  Übersetzung  zur  band  nehmen?    Dann  aber  hat  ja  auch 


ÜBEK    WESSEL,    MHD.    LESEBUCH  65 

die  dürftige  inhaltsangabe  keinen  zweck.  Die  fehlenden  abschnitte  bieten  zur  Charakte- 
ristik Kriemhildens  und  Hagens  so  wichtige  beitrage,  dass  sie  schwer  entbehrt  werden 
u:  manchem  besonders  lehrreichen  aufsatzthema  wird  dadurch  der  boden  ent- 
.  Ich  stehe  überhaupt  auf  dem  Standpunkte,  dass  es  besser  ist,  wenige  denk- 
mäler  gründlich  zu  lesen  als  viele  oberflächlich,  und  niuss  mich  oft  genug  wundern, 
wenn  ich  beim  durchblättern  der  Jahresberichte  sehe,  welche  fülle  von  stoff  an 
manchen  anstalten  im  laufe  eines  jahres  den  schillern  dargeboten  wird,  z.  b.  ausser 
Nibelungen,  Gudrun  und  Walther  noch  drei,  vier,  ja  fünf  klassische  dramen!  Eine 
wenig  beneidenswerte  Vielseitigkeit!  ich  will  damit  natürlich  nicht  sagen,  dass  man 
das  Nibelungenlied  in  seiner  ganzen  ausdehnung  strophe  für  Strophe  lesen  und  be- 
handeln müsse;  jeder  weiss  zur  genüge,  wie  viele  öde  und  trockene  partien  sich 
finden,  die  dem  schüler  erspart  bleiben  müssen.  Die  auswabJ  von  Wessel  aber  ge- 
nügt meinen  bedürfnissen  nicht.  So  vermisse  ich  noch  aufs  schmerzlichste  die 
prachtvolle  Schilderung  von  "Wolfharts  tod,  um  so  mehr  als  doch  der  beginn  des 
kampfes  der  Amelungen  ziemlich  ausführlich  gegeben  ist.  Die  letzten  abschnitte  des 
liedes  sind  übrigens  in  erfreulicher  Vollständigkeit  geboten. 

Die  Gudrun  kann  sich  für  die  unterrichtliche  behandlung  an  wert  mit  den 
Nibelungen  nicht  von  ferne  messen.  Sie  bietet  nicht  annähernd  jene  psychologischen 
Probleme  dar,  deren  aufdeckung  und  lösung  die  behandlung  des  Nibelungenliedes  so 
reizvoll  und  gewinnbringend  macht.  Auch  mahnt  die  zeit  zur  beschränkung.  So 
mag  die  knappe  auswahl,  die  W.  hier  getroffen  hat,  genügen.  Ton  der  lektüre  und 
behandlung  des  Armen  Heinrich,  aus  dem  W.  einige  600  verse  gibt,  würde  ich  ganz 
absehen.  Lernen  die  schüler  genug  mhd..  um  ihn  privatim  lesen  zu  können,  so  mag 
man  eine  stunde  der  zusammenfassenden  besprechung  widmen  oder  den  stoff  zu  den 
vorgeschriebenen  vortragen  ausbeuten;  sonst  drängt  die  zeit  zu  wichtigeren  aufgaben. 
Walther  von  der  Yogelweide  darf  von  ihr  ein  gutes  teil  beanspruchen.  Was  W.  aus 
ihm  ausgewählt  hat,  ist  recht  hübsch  geordnet  und  vollkommen  ausreichend,  tun  den 
Schülern  ein  bild  von  dieser  dichterpersönlichkeit  zugeben.  Nur  wären  als  einleitung 
ein  paar  lieder  aus  Minnesangs  frühling  willkommen  gewesen. 

Dass  "W.  sein  lesebuch  absichtlich  ohne  lexikon  gelassen  hat,  dünkt  mich  kein 
vorteil.  Ich  vermag  beim  besten  willen  nicht  einzusehen,  warum  den  Schülern  nicht 
hin  und  wieder  abschnitte  zur  häuslichen  Vorbereitung  aufgegeben  werden  sollen, 
natürlich  nachdem  die  erste  einfuhrung  erledigt  und  die  wichtigsten  formalen  Schwierig- 
keiten aus  dem  wege  geräumt  sind.  Fürchtet  man  etwa  den  schillern  dadurch  den 
genuss  zu  verderben?  Ich  glaube,  viele  werden  dieser  Vorbereitung  wesentlich  mehr 
geschmack  abgewinnen  als  der  allgemein  üblichen  präparation  der  antiken  schriftsteiler. 
Aber  auch  wenn  man  mit  W.  die  lektüre  ausschliesslich  in  die  stunde  verlegt,  wird 
ein  kurzes  glossar  —  etwa  in  der  art  wie  Bötticher  und  Kinzel  es  ihrer  ausgäbe  des 
Nibelungenliedes  beigegeben  haben  —  von  grossem  nutzen  sein,  da  doch  nicht  jeder 
schüler  die  bedeutung  aller  werter  sich  im  unterlichte  gleich  zu  eigen  machen  wird. 
Um  die  „aneignung  des  Inhalts  auf  grund  der  klassenlektüre"  wird  es  dann  nicht 
immer  gut  bestellt  sein. 

In  enger  beziehung  zu  dem  lesebuche  steht  die  Geschichte  der  deutschen 
dichtung.  die  W.  herausgegeben  hat.  Man  kann  ja  darüber  streiten,  ob  man  den 
scbülern  überhaupt  ein  solches  lehrbuch  in  die  band  geben  soll.  An  sehr  vielen 
anstalten  geschieht  es  nicht.  Wo  es  geschieht,  niuss  jedenfalls  mit  Sorgfalt  die 
klippe  vermieden  werden,  dass  die  behandlung  der  geschichte  der  litteratur  vor 
der  einführung  in  die  dichterwerke  selbst  in  den  Vordergrund  trete.    Die  betrachtung 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  5 


6G         MENSING  ÖBEE  WESSEL.  &ESCH.  D.  DEUTSCH. DICHTUNG  UND  ÜBEH  SEILER,  HELIAND  USW. 

der  einzeldichtung  als  kunstwerk,  ihre  logische  und  ästhetische  erläuterung  bleibt  für 
die  schule  immer  und  unter  allen  umständen  die  hauptsache.  —  Wessels  leitfaden 
i-t  ein  brauchbares  buch,  klar  und  übersichtlich  in  der  anordnimg,  kurz  und  knapp 
in  der  form.  Nur  weniges  habe  ich  mir  angemerkt.  So  halte  ich  es  nicht  für  ange- 
messen, als  muster  der  Nibelungenstrophe  gerade  eine  strophe  mit  cäsurrehn  anzu- 
führen; auch  verstehe  ich  nicht,  warum  die  kurze  bemerkung  über  die  Liederedda 
unter  dem  abschnitte  „Kudrun"  erscheint,  und  nicht  vielmehr,  wo  sie  allein  am 
platze  ist,  beim  Nibelungenliede.  Wenn  von  Eeineke  Yos  gesagt  wird,  der  stoff  sei 
in  die  form  einer  gerichtsverhandlung  gekleidet,  so  kann  das  missverständnisse 
hervorrufen. 

Aufs  entschiedenste  aber  muss  ich  gegen  die  behauptung  Ws.  (vorwort  s.  V) 
Verwahrung  einlegen,  dass  die  nordische  sage  beim  Nibelungenliede  besser  unberührt 
gelassen  werde,  da  das  deutsche  epos  ohne  sie  verständlich  sei,  ja  deren  heranziehung 
den  schüler  mehr  verwirre  als  kläre.  Ich  bin  genau  der  entgegengesetzten  meinung: 
ein  wirkliches  Verständnis  des  Nibelungenliedes  ist  nur  bei  heranziehung  der  nordischen 
Überlieferung  möglich.  "Was  soll  sich  denn  der  schüler  bei  dem  Verhältnis  Siegfrids 
zu  Brünhilde,  bei  ihrer  ersten  begegnung  denken?  Was  will  man  mit  stellen  wie 
Nib.  746  oder  106 fgg.  —  falls  man  sie  nicht  auslässt  —  anfangen?  Wie  soll  sich 
der  schüler  das  völlige  verschwinden  Biunliildens  aus  der  handlung  nach  Siegfrids 
tode  erklären?  Diese  und  andere  fragen  beantwortet  doch  nur  die  Edda.  Sodann 
aber  kenne  ich  kaum  ein  anregenderes  und  dankbareres  thema  aus  dem  ganzen  Unter- 
richt der  obersekunda  als  einen  eingehenden  vergleich  der  nordischen  sagengestalt 
mit  der  deutschen.  Schon  die  blosse  darbietung  der  nordischen  Überlieferung  un- 
mittelbar nach  der  quelle  ist  vom  höchsten  reize,  zumal  wenn  man  die  Geringsche 
Übersetzung  zu  gründe  legt  und  reichliche  proben  aus  ihr  mitteilt.  Der  vergleich  mit 
dem  Nibelungenhede  aber  ist  vorzüglich  geeignet,  die  schüler  zu  scharfem  denken 
zu  zwingen  und  ihnen  auf  einem  gebiete,  das  ihre  fassungskraft  nicht  übersteigt, 
eine  Vorstellung  von  der  behandlung  wissenschaftlicher  piobleme  zu  gehen.  Jeder, 
der  einmal  die  lüsung  der  mannigfachen  fragen,  die  sieh  hier  ungesucht  darbieten, 
in  der  schule  versucht  und  die  schüler  bei  der  arbeit  gesehen  hat,  wird  diesem 
stoffe  nicht  leicht  wieder  untreu  werden. 

Unter  den  hilfsmitteln  für  die  schulmässige  behandlung  der  älteren  litteratur- 
geschichte  nehmen  die  von  Bötticher  und  Xinzel  herausgegebenen  „Denkmäler", 
obwol  unter  sich  von  verschiedenem  weile,  eine  hervorragende  Stellung  ein.  Ais 
neusti  s  lieft  dieser  Sammlung  ist  die  auswahl  aus  dem  Heliand  in  hochdeutscher 
Übertragung  von  Seiler  erschienen.  Da^  der  Heliand  wertvollen  bildungsstoffe  ge- 
nug enthält,  um  der  schullektüre  zugänglich  gemacht  zu  werden,  soll  gewiss  nicht 
geleugnet  werden.  Aber  es  ist  mir  unerfindlich,  woher  man  bei  der  jetzigen  läge 
der  dinge  die  zeit  nehmen  will,  sich  in  der  von  Seiler  beabsichtigten  und  befür- 
worteten weise  mit  diesem  epos  zu  beschäftigen.  Ich  fürchte  doch,  dass  näher- 
liegende aufgaben  darunter  werden  leiden  müssen,  und  meine,  dass  man  sich  bei 
der  jetzt  zur  Verfügung  stehenden  zeit  auf  eine  kurze  besprechung  unter  hervor- 
hebung  der  besonders  charakteristischen  züge  der  dichtung  wird  beschränken  müssen. 
Dabei  kann  für  solche,  welche  dem  stoffe  ferner  stehen,  die  gut  unterrichtende 
einleitung  von  Seiler  nützliche  ebenste  thun.  Die  Übertragung,  in  der  die  allit- 
teration  streng  durchgeführt  ist  und  zwar  so,  dass  im  zweiten  halbvers  der  Stab- 
reim stets  auf  der  ersten  liebung  ruht,  liest  sich  ziemlich  leicht,  sehr  viel  leichter 
als    das    original,    da  der  Übersetzer  durch  kürzungen   des  textes    das    übermässige 


CLBMKN    ÜBER    ZWINGL1    F.D.   WALTHER    UND    COCHLAEUS    ED.   HOLSTEIN  67 

anschwellen  der  verse  vermieden  hat.  Dabei  bat  freilich  eine  eigentümlichkeit  des 
Heliand,  die  reiche  anwendung  von  nachgestellten  appositionen  und  die  häufung  von 
synonymen,  zum  teil  geopfert  werden  müssen.  Der  ton  ist  sonst  wol  im  allgemeinen 
getroffen.  Doch  scheint  mir  die  Übersetzung  von  Hei.  752  ni  biscribim  ioioikt  durch 
es  scheerten  sich  garnicht  die  männer  um  den  frevel  (s.  30.  172)  unangemessen;  sie 
ist  wol  auf  ..allitterationsnot"  zurückzuführen.  Auf  derselben  Seite  zeile  155  ist 
übrigens  später  statt  früher  zu  lesen.  Auch  kann  ich  es  nicht  billigen,  dass  Seiler 
die  epische  formel  dat  gifragn  ?'/.-.  deren  bedeutung  er  selbst  in  der  einleitung  her- 
vorhebt, bei  der  Übertragung,  soviel  ich  sehe,  überall  unterdrückt  hat  (z.  b.  III,  26. 
IV.  79). 

KIF.L   IM    DEZEMBER  1900.  OTTO   MENSTNG. 


Huldrich  Zwingli,  Von  freiheit  der  speisen.    Eine  reformationsschrift  von  —  1522. 

Herausgegeben  von  Otto  Walther. 
Johann  Vogel gesang  (Cochlaeus),  Ein  heimlich  gespräch  von  der  tragedia  Johannis 

Hassen  1538.     Herausgegeben  von  Hugo  Holstein. 

Neudrucke  deutscher  litteraturwerke  des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts  nr.  173 

bez.  174  =  Flugschriften  aus  der  reformationszeit  XVI  bez.  XVIT.     Halle  a.  S., 

Max  Niemeyer,  1900.     XII,  42  bez.  VIII,  36  s.     Je  60  pf. 

Bekanntlich  gibt  es  weder  eine  genügende  gesamtausgabe  von  Zwingiis  werken 
noch  eine  handliche  Sammlung  seiner  wichtigsten  Schriften.  So  ist  es  dankbar  zu 
begrüssen,  dass  die  redaktion  der  „Neudrucke"  die  erste  reformatorische  schritt 
Zwingiis  neu  hat  ausgehen  lassen.  Der  herausgeber  hat  sich  freilich  seine  aufgäbe 
recht  leicht  gemacht.  In  der  einleitung  berichtet  er  im  anschluss  an  Stähelins  grosse 
biographie  über  die  entstehung  der  Schrift,  zählt  dann  die  ausgaben  auf  und  rangiert 
sie.  Dabei  citiert  er  Finslers  Zwinglibibliographie,  die  übrigens  1897,  nicht  1877 
erschienen  ist,  hat  sich  aber  keineswegs  die  Sorgfalt  desselben  zum  inuster  genommen. 
Die  titelcopien  sind  so  ungenau,  dass  sie  einfach  unbrauchbar  sind.  Von  Finsler 
]  d  ex.  auch  auf  der  Zwickauer  ratsschulbibliothek.  Dem  text  sind  keinerlei  an- 
merkungen  beigegeben,  nicht  einmal  die  schriftstellen  sind  rectificiert.  Leide]- ist  auch 
der  abdruck  selbst  fehlerhaft. 

Kulturgeschichtlich  interessant  ist  das  „Heimliche  gespräch".  über  das  schon 
G.  Kawerau,  Job.  Agricola  (1881)  s.  122  fgg.  ausführlich  gehandelt  hat.  Ist  Cochlaeus 
wirklich  der  Verfasser,  dann  drängt  sich  die  frage  auf,  aus  welcher  quelle  ihm  die 
unmenge  "Wittenberger  stadt-  und  universitätsklatsch  zugieng.  Es  muss  in  Wittenberg 
eine  clique  gegeben  haben,  die  mit  giftigen  warfen  gegen  den  allbeherrschenden  ein- 
fluss  Luthers  und  seiner  paladine  ankämpfte  und  Verleumdungen  ausstreute.  Obgleich 
die  Unterhaltung  der  ehefrauen  der  reformatoren  im  4.  und  5.  act  „  von  gemeinheit 
und  unsauberkeit  strotzt."  (Kawerau  s.  125),  so  ist  die  gelungene  Charakteristik  doch 
bewundernswert:  Frau  Käte,  ein  üppiges  tier,  dämm  dass  sie  ein  wenig  adel  ist,  die 
ihrem  herrn  doctor  alles  abschmeicheln  kann,  Melanchthons  frau,  die  sich  immer 
zurückgesetzt  fühlt,  frau  pröbstin,  die  unter  der  eifersucht  ihres  Jonas  zu  leiden  hat 
und  schnell  nach  hause  muss,  damit  er  sie  nicht  verdächtigt,  endlich  die  gnädige  frau 
bischofin  von  Altenburg,  der  ihr  dürres,  zappelndes  männlein  Spalatin  alles  kauft,  was 
sie  haben  will  (s.  26  und  6),  um  sie  für  das,  was  sie  sonst  in  der  ehe  entbehren 
muss.  zu  entschädigen. 

5* 


68  WUNDERLICH 

Die  einleitung  enthält  das  zum  Verständnis  notwendige.  Bemerkt  .sei  noch,  dass 
von  Agricolas  „Tragedia  Johannis  Huss"  ein  nacbdruck  bei  "Wolfgang  Meyerpeck  in 
Zwickau  erschien  (vgl.  Archiv  für  geschichte  des  deutschen  buchhandels  XVI  s.  167 
nr.  533;  ex.  Zwickau  VIII.  IX.  2;  hier  auch  ein  ex.  der  2.  ausgäbe  des  Heimlichen 
gespiächs). 

Auch  Holstein  hat  den  text  nicht  commentiert.  Zu  s.  30:  „Habt  jr  nit  einen 
guten  starken  Kötsperger?"  sei  bemerkt,  dass  liier  wie  bei  Mathesius  (Loesche  in 
der  Zeitschr.  für  deutsche  Wortforschung  I  237)  damit  wein  aus  Kötzschenbroda  bei 
Dresden  gemeint  ist  (vgl.  Seidemann,  Beiträge  zur  reformationsgeschichte  1  11  anm. 
und  0.  Meltzer,  Die  kreuzschule  zu  Dresden  bis  zur  einführung  der  Information  1539, 
Dresden  1886,  s.  42  a.  67). 

ZWICKAU.  OTTO   CLEMEN. 


Deutsches  Wörterbuch  von    dr.   Ferdinand  Detter.      Sammlung  Göschen   1897. 

XXIII,  147  s.     geb.  2  m. 
Deutscher    Sprachschatz    für    lehrer    und    freunde    unserer    muttersprache    von 
A.  Braun.     Leipzig,  F.  Brandstetter.    VI,  212  s.     2,50  m. 

1.  In  Detters  Wörterbuch  stehen,  form  und  inhalt  in  seltsamem  missverhältnis. 
Die  etymologie  von  mehr  als  zwei  tausend  deutschen  worten  wird  auf  grund  einer 
sorgfältigen  nacliprüfung  fremder  forschung  und  auf  grund  zahlreicher  eigener  auf- 
stellungen  in  den  rahmen  eingepresst,  den  die  Sammlung  Göschen  ihren  ausgaben 
zieht.  Dadurch  ist  zunächst  eine  auswahl  innerhalb  des  Wortschatzes  bedingt,  die 
der  Verfasser  jedoch  nicht  mit  rücksicht  auf  seinen  etwaigen  leserkreis,  sondern  ganz 
aus  seinen  wissenschaftlichen  neigungen  heraus  trifft.  Es  fehlen  z.  b.  in  dem  abschnitt 
zwischen  gewähren  und  gleich  worte  wie  gewalt,  gewerbe,  genrJir,  gewissen,  gc- 
witter,  glaube;  nicht  einmal  unter  ivalten,  iverben,  wehren,  ivisscn,  weiter,  glauben 
ist  auf  diese  viel  verbreiteten  bildungen  aufmerksam  gemacht,  wählend  Gewicht 
wenigstens  unter  wägen  erwähnt  wird.  Ein  deutsches  Wörterbuch  aber,  in  dem  nicht 
einmal  glaube  und  gewissen  eine  statte  finden,  schliesst  die  funktionell  eines  nach- 
schlagebuches  von  vornherein  aus. 

Vielleicht  rechnet  aber  der  Verfasser  mit  einer  zusammenhängenden  lektiire 
bei  den  lesern,  vielleicht  will  er  einen  überblick  über  die  wichtigsten  erscheinungen 
innerhalb  des  deutschen  Wortschatzes,  einen  einblick  in  die  gesetze  geben,  die  das 
werden  und  vergehen  unserer  worte  beherrschen.  Dann  leidet  die  anläge  an  grund- 
fehlern.  Die  wortangaben  sind  so  knapp  gefasst,  dass  sie  meist  nur  dem  verständlich 
werden,  der  die  geschichte  der  einzelnen  Wörter  schon  kennt,  vgl.  z.  b.  zu  lenx  (s.  63), 
In ■■//  (s.  123)  u.a.,  von  einer  herausarbeitung  des  typischen  kann  natürlich  erst  recht  nicht 
die  rede  sein.  Vielfach  leidet  sogar  die  richtigkeit  der  aufstellung,  das  bild  verschiebt 
sich  in  der  enge  der  formel,  so  wenn  dem  collectiv  getregede  (s.  getreide)  die  grund- 
bedeutung  ertrag  untergeschoben  wird  oder  wenn  zu  alid.  teeren  (s.  gewähren)  nur 
garantir  in  parallele  tritt,  vgl.  auch  aberglaube  s.  1  u.  a. 

Noch  weniger  stimmt  der  allgemeine  teil,  der  den  einzelnen  wortangaben 
vorangeht,  zu  dem  plan,  den  wir  für  das  büchlein  annehmen  müssen.  Die  ergebnisse 
der  indogermanischen  Sprachwissenschaft  in  einer  „nuss"  zu  verabreichen,  das  ist 
dem  Verfasser  allerdings  in  erstaunlichem  grade  gelungen,  soweit  wir  die  leistung 
als  solche  ins  äuge  fassen.  Aber  als  einleitung  für  ein  Deutsches  Wörterbuch  scheint 
uns  dieser  teil  gänzlich  überflüssig.    Dagegen  vermissen  wir  an  denjenigen  ausführungen, 


ÜBER  DETTER,  DEUTSCHES  WÖRTERBUCH  U.  ÜBER  BRAUN.  DEUTSCHER  SPRACHSCHATZ  69 

die  in  die  Wortforschung  übergreifen,  die  Zusammenstellung  der  wesentlichen  züge.  So 
müsste  vor  allem  die  eine  tatsache  eindringlich  betont  werden,  die  jedem  anfänger 
und  laien  so  schwer  eingeht,  dass  die  erscheinungen  des  wandeis  und  der  Ver- 
kümmerung, die  uns  die  formenlehre  aufdeckt,  mit  ähnlicher  gesetzmässigkeit  auch 
in  der  bedeutungslehre  wirksam  sind.  Die  Jahrhunderte,  die  ein  wort  von  mund  zu 
mund  weiter  leben  lassen,  zehreu  an  bedeutungsgehalt  des  wortes  so  gut  wie  au 
dessen  form;  es  ist  bekannt,  dass  der  anfänger  beim  lesen  älterer  texte  nirgends  so 
leicht  in  die  irre  geht,  als  wenn  er  auf  worte  stösst,  die  er  sich  getraut,  aus  der 
heutigen  spräche  zu  deuten.  Es  ist  das  eine  beobachtung,  die  sich  selbst  der  Sprach- 
forscher nicht  oft  genug  in  das  gedächtnis  rufen  kann. 

Unter  solchem  gesichtspunkte  hätten  eiuleitung  und  text  für  die  leser  der 
Sammlung  Göschen  viel  eher  die  belehrung  geboten,  die  sie  von  einem  Deutschen 
Wörterbuch  doch  erwarten  durften.  Aus  Detters  Wörterbuch  dagegen  werden  sie  wol 
respect  gewinnen  vor  den  kenntuisseu  und  dem  kritischen  urteil  des  Verfassers,  im 
übrigen  aber  werden  sie  gefähr  laufen,  mit  kenntnissen  zu  prunken,  die  angelesen 
sind,  ohne  innerlich  erarbeitet  zu  sein,  die  die  neugier  mehr  befriedigen  als  das 
bildungsbedürfnis. 

2.  Den  entgegengesetzten  eindruck  macht  der  Deutsche  Sprachschatz  von 
Braun.  Dieser  Verfasser  schöpft  vorwiegend  aus  zweiter  band  und  er  ist  nicht  ein- 
mal immer  gut  beraten  in  der  wähl  der  gewährsmänner.  Aber  nach  anläge  und 
auslese  des  Stoffes  dient  seine  darstellung  gerade  den  zwecken,  die  er  verfolgt;  er 
versteht  es,  lehrern  und  freunden  der  muttersprache  solche  ausschnitte  aus  den  er- 
gebnissen  der  Wortforschung  vorzuführen,  die  belehren  und  zu  eigenem  nachdenken 
anregen. 

Auch  hier  wird  uns  iu  der  einleitung  ein  kurzer  abriss  über  die  tatsachen  der 
vergleichenden  Sprachforschung  vorgeführt,  aber  bei  Braun  erwächst  dieser  aus  dem 
boden  der  wortkunde,  er  hält  sich  durchweg  im  rahmen  einer  einführung  in  das  Ver- 
ständnis der  zusammenhänge,  die  einen  teil  unseres  Wortschatzes  mit  den  verwandten 
sprachen  verknüpfen  (vgl.  erbwort,  lehuwort,  fremdwort  s.  1  fgg.). 

Die  eigentliche  darstellung  zerfallt  in  sechs  abschnitte,  die  ihrerseits  keine 
innere  gliederung  anstreben,  die  vielmehr  iu  loser  folge  einzelne  gruppen  vorführen. 
In  der  ersten  gruppe  wird  abstammung  und  bedeutung  einiger  Wörter  zum  zweck  der 
„aufstellung  des  sinnlichen  Hintergrundes"  dargestellt.  Braun  hält  sich  hier  durchweg 
an  Kluge,  dessen  ausführungen  er  jedoch  im  abgekürzten  verfahren  einige  male  ver- 
schiebt, vgl.  zu  adel  s.  12  u.  a.  Mehrmals  hätte  er  sich  besser  an  Pauls  Deutsches 
Wörterbuch  angeschlossen,  so  bei  aberglaube,  blutjung,  blutsauer,  böhnhase  u.  a. 
Fraglich  ist  es  auch,  ob  die  namen  der  Wochentage,  feste  und  monate  (s.  33fgg.) 
gerade  in  diese  erste  gruppe  passen,  sie  hätten  in  der  sechsten  gruppe  (personen- 
namen,  familiennamen)  wol  einen  entsprechenderen  Zusammenhang  gewonnen.  Ausser- 
dem wären  neben  der  deutung  auch  einige  worte  über  die  rolle  am  platze  gewesen, 
die  die  einzelnen  namen  im  leben  und  iu  der  dichtung  spielten. 

Die  zweite  gruppe  behandelt  die  „verschiedenen  bedeutungen"  eines  wortes 
(gleichlautende  Wörter  verschiedener  abstammung),  zu  der  die  fünfte  gruppe  mit  den 
synonymen  das  gegenstück  bietet.  Hier  hat  sich  der  Verfasser  seine  aufgäbe  etwas 
leicht  gemacht.  Eben  jemand,  der  aus  der  schule  für  die  schule  schreibt,  hätte  liier 
den  versuch  wagen  dürfen,  die  grenzlinien  zwischen  dem  gebrauch  einzelner  Syno- 
nyma auf  grund  eigener  beobachtungen  abzustecken.  Die  dritte  gruppe  knüpft  an- 
sprechend  au   die  „beuennungen  der   körperteile"  au,   die  vierte  trägt   bildliche   aus- 


70  ßinz 

drücke,  redensarten  und  Sprichwörter  zusammen.  In  der  sechsten  gruppe  (den 
eigennamen)  ist  der  eiozelaufführung  ein  allgemeiner  teil  vorangeschickt,  der  die 
Hauptergebnisse  hübsch  vorwertet.  Erfreulich  ist  auch,  dass  nebeu  deu  rufnamen 
die  familiennamen  berücksichtigt  sind,  die  viel  mehr  als  die  ersteren  zum  nachdenken 
anregen,  weil  sie  in  ihrer  bildungsweise  meist  durchsichtiger  sind. 

HEIDELBERG,    APRIL    1901.  H.  WUNDERLICH. 


Friedrich  Seiler,  Die  entwicklung  der  deutschen  kultur  im  spiegel  des 
deutschen  lehn  wertes.  IL  Von  der  einführuug  des  Christentums  bis  zum 
beginn  der  neueren  zeit.  Halle  a.  S.,  buchhandlung  des  Waisenhauses  1900. 
X,  223  s.    8°.     2,50  m.1 

Infolge  einer  geschickt  geleiteten,  energischen  agitation  ist  heute  die  abueigung 
gegen  den  gebrauch  von  fremd  Wörtern  im  deutschen  weit  verbreitet;  wenn  auch  die 
puristischen  bestrebuugen,  wie  Seiler  in  seinem  sehr  beherzigenswerten,  von  be- 
sonnenem urteil  zeugenden  vorwort  richtig  betont,  vielfach  weit  über  das  ziel  hinaus- 
schiessen,  so  ist  doch  unzweifelhaft,  dass  unter  dem  einfluss  derselben  die  deutsche 
spräche  sich  ablehnender  gegen  die  aufnähme  fremden  gutes  verhält  als  früher.  Gerade 
gegen  die  auswüchse  der  fremdwörterjagd  und  der  Verdeutschungssucht  gibt  es  aber 
kein  besseres  mittel,  als  eine  unparteiische,  historische  betrachtung  desjenigen  teiles 
der  deutschen  Sprachgeschichte,  welcher  von  den  Schicksalen  des  aus  anderen  sprachen 
herübergenommenen  materiales  handelt;  sie  lehrt  uns  nicht  nur,  wie  völlig  die 
puristerei  der  ganzen  bisherigen  entwicklung  des  deutscheu,  wie  dem  Organismus  dei- 
chenden sprachen  überhaupt  zuwiderläuft ,  sondern  auch,  wie  törichtes  ist,  die  äugen 
absichtlich  gegen  die  nicht  unerheblichen  vorteile  zu  verschliessen,  welche  der  Sprache 
aus  der  aufnähme  von  fremd  Wörtern  erwachsen.  Darum  ist  bei  der  herrschenden 
zeitströmuug  ein  so  gut  unterrichtetes  und  so  augenehm  lesbares  büchlein,  wie  es 
uns  Seiler  in  seinem  zweiten  hefte  über  die  lehuwörter  im  deutschen  vorlegt,  nütz- 
lich und  willkommen. 

Hatte  das  erste  heft  die  in  vorchristlicher  zeit  aus  fremden  sprachen  in  das 
deutsche  eingedrungenen  Wörter  behandelt,  so  führt  nun  das  zweite  die  darstellung 
weiter  bis  zum  beginn  der  neuen  zeit  d.  h.  ungefähr  bis  in  die  zweite  hälfte  des 
15.  Jahrhunderts.  Dort  hatte  verf.  auf  die  Sammlung  des  materiales,  das  wenig  um- 
fänglich und  von  andern  schon  bequem  zusammengetragen  war,  nur  geringe  mühe  zu 
verwenden  und  konnte  ein  ziemlich  vollständiges  bild  von  den  kulturellen  beziehungen 
der  deutschen  zu  anderen  Völkern,  so  weit  sie  sich  aus  sprachlichen  kriterien  er- 
schliessen  lassen,  entwerfen.  Im  zweiten  heft  dagegen  ist  er  in  weniger  vorteilhafter 
läge.  Mit  der  einführung  des  Christentums  wird  der  einfluss  des  lateinischen,  später 
infolge  der  ausbreitung  des  ritterlichen  weseus  die  einwirkuug  des  französischen  und 
gegen  das  ende  des  mittelalters  durch  die  ungemein  lebhafte  entwicklung  des  handeis 
und  Verkehrs  mit  Italien  diejenige  des  italienischen  so  intensiv  und  ausgebreitet,  dass 
an  eine  vollständige  Vereinigung  und  Verwertung  aller  fremdwörter  nicht  mehr  zu 
denken  ist.  Seiler  lässt  uns  aber  diese  Schwierigkeit  kaum  zum  bewusstsein  kommen; 
wir  stolien  durchweg  unter  dem  eiudruck,  dass  er  seine  immerhin  nach  möglichster 
Vollständigkeit  strebende  auswahl  aus  dem  reichen  störte  mit  voller  Sachkenntnis  und 
seinem  zwecke  angemessen  getroffen  hat. 

L)  Vgl.  Zeitschr.  28,  377  fg. 


ÜBEE    SEILER,    LEHNWÖRTER  71 

Die  vier  kapitel,  iu  welche  seine  darstellung  sich  gliedert  I.  Kirchliche  und 
gelehrte  büdung;  II.  Rittertum  und  Orient;  III.  Das  ausgehende  Mittelalter;  IV.  Die 
halbcivilisierten  völker  des  ostens,  ergeben  sich  fast  von  selbst,  die  mit  diesen  ver- 
schiedenen kulturströmungen  hereingeflossenen  fremd- bezw.  lehnwörter  unterscheiden 
sich  meistens  sachlich  und  zeitlich  deutlich  von  einander.  Bei  der  ausfuhrung  im 
einzelnen  aber  macht  sich  doch  der  mangel  an  absolut  zuverlässigen  kriterien  für 
eine  genauere  zeitliche  Scheidung  der  lehnwörter  oft  fühlbar;  während  iu  dem  früheren 
abschnitt  mit  dem  eintritt  oder  nichteintritt  der  sog.  hochdeutschen  Lautverschiebung 
ein  einfaches  und  nie  versagendes  mittel  zur  chronologischen  sichtung  vorhanden  war. 
sind  wir  für  die  im  zweiten  hefte  behandelten  perioden  im  wesentlichen  auf  die 
datierungen  der  lexikalischen  hilfsmittel  angewiesen,  die  uns  ja  wol  einen  terminus 
ante  quem,  aber  keinen  terminus  post  quem  für  die  entlehuungen  liefern;  es  ist  zwar 
kaum  daran  zu  zweifeln,  dass  auch  hier  eine  genaue  vergleichung  der  lautlichen  Ver- 
hältnisse der  lehnwörter  mit  denjenigen  der  fremdsprachen  noch  manche  bestimmtere 
Unterabteilungen  durchzuführen  gestatten  wird,  aber  die  Untersuchung  darüber,  die 
nur  ein  mit  der  deutschen  und  der  romanischen  Sprachforschung  vertrauter  maun  be- 
friedigend auszuführen  im  stände  ist,  befindet  sich  meines  wissens  noch  in  den  an- 
fangsstadien.  Es  wäre  verdienstlich  gewesen,  wenn  Seiler  auch  im  zweiten  hefte  in 
kürze  die  wichtigsten  in  betracht  kommenden  momeute  zusammengestellt  hätte. 

Der  verf.  schränkt  ausdrücklich  seine  erörterungen  auf  die  noch  heute  leben- 
den fremdwörter  ein:  es  ist  mir  nicht  ganz  klar  geworden,  was  er  dazu  rechnet. 
Meint  er,  wie  es  scheint,  damit  die  in  der  hochdeutschen  Schriftsprache  noch  leben- 
digen fremdwörter  —  nur  ausnahmsweise  werden  wir  auf  die  mundarten  verwiesen  — 
so  hat  er  seinen  kreis  zu  eng  gezogen  aus  zwei  gründen:  einmal  geht  ihm  damit  eine 
ansehnliche  menge  des  lehrreichsten  materiales.  das  in  den  heutigen,  besonders  den 
süddeutschen  und  schweizerischen  dialekten,  manchmal  freilich  bis  zur  Unkenntlichkeit 
verstümmelt  und  entstellt,  noch  weiter  lebt,  verloren;  dann  aber  halte  ich  die  be- 
schränkung  auf  die  Schriftsprache,  die  doch  nur  bei  dem  kleinsten  teile  der  deutsch- 
redenden etwas  wirklich  lebendes  ist,  priucipiell  für  bedenklich;  nur  die  aufnähme 
eines  fremdwortes  in  die  mundart  garantiert  uns  die  Volkstümlichkeit  und  mündliche 
Verbreitung  desselben,  aus  der  allein  oder  doch  fast  allein  wir  Schlüsse  auf  grad,  art 
und  umfang  der  einwirkung  fremder  kultur  auf  unser  volk  ziehen  können.  Hätte 
verf.  mehr  auf  die  mundarten  geachtet,  so  hätte  er  auch  wrol  mehr  rücksicht  ge- 
nommen auf  die  socialen  unterschiede,  welche  im  gebrauch  der  fremdwörter  sich 
geltend  machen.  Freilich  hat  S.  diesen  gesichtspunkt,  wie  seine  bemerkungen  s.  2 
zeigen,  nicht  ganz  ausser  acht  gelassen,  er  ist  ihm  aber  im  weitereu  verlauf  seiner 
darstellung  nicht  so  fruchtbar  geworden,  als  dies  hätte  der  fall  sein  können. 

Noch  in  anderer  hinsieht  sind  Seilers  ausführungen  der  ergäuzung  fähig;  die 
entlehnuugeu  aus  der  Judensprache  sind  zu  sehr  als  quantite  negligeable  behandelt 
worden,  z.  t.  vielleicht  allerdings  nur  auf  spätere  abschnitte  verspart.  Ferner  ist  eine 
andere  grosse  gruppe  von  lehnwörtern  völlig  mit  stillschweigen  übergangen,  trotzdem 
gerade  an  ihr  der  wandel  der  kulturbeeinflussungen  und  des  von  diesen  abhängigen 
geschmackes  sich  deutlich  verfolgen  lässt:  die  undeutschen  eigenuamen.  Wie  die 
echten  altdeutschen  personennamen  von  den  biblisch -kirchlichen  verdrängt  werden, 
wie  allmählich  sich  neben  sie  namen  stellen,  welche  der  französischen  litteratur  ent- 
stammen usw.,  das  hätte  ebenso  gut  eine  darstellung  verdient  als  das  eindringen 
fremder  sachwörter. 


72  BIMZ   ÜBER    SKILER,    LEHNWÖRTER 

Es  möge  mir  gestattet  sein,  diesen  allgemeinen  bemerkuugen  einige  noten  an- 
znfügen,  die  ich  mir  bei  der  lektüre  des  büchleins  gemacht  habe. 

S.  34:  Die  volkstümliche  form  für  lilia  ist  im  oberdeutsch. -Schweiz,  ilge  oder 
jilge;  sie  ist  freilich  im  aussterben  begriffen  und  wird  immer  mehr  durch  das  schrift- 
sprachliche Wie  verdrängt. 

S.  37:  lat.  caepulla  lebt  direkt  mit  Zurückziehung  des  accentes  weiter  im  Schweiz. 
xlbdh).  —  Dial.  htbscka  für  ibschd  zeigt  im  vokal  noch  nachwirkung  alter  kürze  aus 
lat.  ibiscu/m  neben  sehriftspr.  eibisch. 

S.  42:  Butter  ist  im  schwäbischen  nicht  femininum,  sondern  masc,  offenbar  unter 
dem  eiufluss  des  von  dem  fremdwort  jetzt  verdrängten  einheimischen  anken.  Die 
Wanderung  des  wortes  buttcr  auch  in  solche  gegenden,  wo  die  alte  zubereitungsuviM' 
sich  erhalten  hat,  beweist  übrigens,  dass  ein  fremdwort  auch  eindringen  kann,  ohne 
dass  der  dadurch  bezeichnete  gegenständ  bezw.  die  mit  dem  neuen  wort  angedeutete 
Verbesserung  des  herstellungsverfahrens  auch  aus  der  fremde  geholt  ist.  Die  butter 
ist  im  schwäb.  die  gleiche  geblieben,  nur  der  name  dafür  hat  gewechselt  unter  dem 
immer  stärker  werdenden  einfluss  der  mitteldeutschen  mundarten. 

S.  43:  In  Schweiz,  mundarten  lebt  das  lat.  oblata  nicht  nur  in  der  gelehrten 
form  oblate  fort,  daneben  existiert  ein  volkstümliches  offleto  als  bezeichnung  für  eine 
art  von  gebäck. 

S.  44:  Der  altheimische  fischname  alant  is  im  Schweiz,  noch  als  alet  erhalten. 

S.  51 :  Die  fassdauben  werden  noch  heute  alem.  dücjd  genannt. 

S.  54:  Die  popularisierte  form  marmul  <  marmor  kennen  die  oberd.  Schweiz, 
mundarten  noch  als  marmel,  marbel,  märmeli  im  sinne  von  spielkügelchen  (baseld. 
glueker,  schwäb.  stainis). 

S.  55:  Echt  dialektisch  entspricht  dem  lat.  caminus  im  Schweiz,  kemmi. 

S.  56:  Lat.  sutor,  ahd.  sütdri  ist  heute  als  appellativ  ausgestorben,  aber  in  den 
familiennamen  Suter,  Sanier  noch  weit  verbreitet. 

S.  57:  Schwäb.  Schweiz,  pensei,  bänsel  führen  die  mhd.  form  weiter  gegenüber 
dem  schriftsprach  1.  pinsel. 

S.  73:  Gisterne  wird  im  Schweiz,  häufig  volks- etymologisch  zu  sicksteme  um- 
gebildet. 

S.  82:  Kostj  wird  im  Schweiz,  noch  als  masc.  singul.  gebraucht,  der  plural 
dazu  lautet  kösta. 

S.  85:  Klar  ist  noch  heute  den  oberdeutschen  mundarten  eigentlich  fremd; 
echt  volkstümlich  müsste  es  klor  lauten. 

S.  96:  Mhd.  hunbel  und  Schweiz,  lu/nimel  sind  zweifellos  nicht  nur  lautlich, 
sondern  auch  in  der  bedeutuug  identisch,  so  wird  man  auch  mhd.  Iumbel  —  filet, 
lendenbraten  ansetzen  dürfen. 

S.  101:  Zu  den  franz.  bezeichuungen  für  tanze,  tanzlieder  usw.  stellt  sich  auch 
noch  basl.  stämpeneid  macha  =  umstände,  ausfluchte  machen,  sich  störrisch  be- 
uehmen  <  mhd.  stempeme,  neben  stampeme  <  afr.  estampic. 

S.  131:  Die  nelke  hiess  nicht  nur,  sondern  heisst  noch  oberd.  nägelein. 

S.  138:  Die  alte  form  des  namens  des  kameles  ist,  freilich  heute  nicht  mehr 
lebendig,  bewahrt  im  zunfthaus  zum   Chämbel  in  Zürich. 

S.  141:  Dem  arab.  dschubba  für  einen  langen,  weiten  mäunerrock  entspricht, 
in  der  bedeutung  wenig  geändert,  Schweiz,  tsgpa. 

S.  L55:  Kür  die  puppe  sagt  man  noch  heute  schwäb.  nur  duck. 


SCHATZ    ÜBER    BASS,    DEUTSCHE    SPRACHINSELN  73 

S.  161:  Im  Schweiz,  ianzleistil  ist  rodel  noch  nicht  untergegangen,  mau  spricht 
von  sehulrodel,  gantrodel  usw. 

S.  180:  Die  hehauptuug.  dass  apfelsine  in  Deutschland  Siegerin  geblieben  sei 
über  pomeranx-e  und  orange,  gilt  nicht  für  den  süden  Deutschlands  und  die  Schweiz; 
dort  ist  apfelsine  ganz  unbekannt. 

S.  182:  Auch  die  aprikose  hat  im  Schweiz,  kaum  bürgerrecht  erlaugt;  echt 
mundartl.  wird  dafür  barelleli  angewandt. 

S.  187:  Die  mitteldeutsche  bezeichnung  uhr  ist  noch  nicht  in  alle  Schweiz, 
dialekte  eingedrungen,  viele  gebraucheu  dafür  noch  xit  oder  x/tli.  Im  basl.  ist  uhr 
als  bezeichnung  des  instrumentes  aufgenommen ,  nicht  aber  für  die  Stundenbezeichnung. 
Mau  fragt  weh  ut  isehs,  und  antwortet  s  isch  sechst:  am  sibeni  =  um  sieben  uhr. 

S.  189:  Die  schriftsprachl.  mütxe  ist  den  oberd.  dialekten  nicht  geläufig,  kappe 
ist  der  volkstümliche  ausdruck  dafür.  Im  Schweiz,  findet  sich  allerdings  das  wort  in 
unum geläuteter  form  mit  anderer  bedeutung  als  mutx  =  jacke  für  mänuer. 

S.  193:  Altane  ist  noch  jetzt  oberJ.  Schweiz,  feminiuum. 

S.  204:  Habersack  ist  bis  heute  im  Schweiz,  gebräuchlich  geblieben.  Die 
officielle  bezeichnung  für  den  tornister  des  Soldaten  ist  freilich  jetzt  einfach  sack; 
sie  fängt  an,  das  compositum  zu  verdrängen. 

Hoffentlich  lässt  uns  der  verf.  diesmal  nicht  so  lange  auf  die  fortsetzung  seiues 
trefflichen .  anregenden  und  unterhaltenden  büchleins  warten. 

BASEL,    AUGUST    1900.  BUSTAV   BINZ. 


Alfred  liass,  Deutsche  Sprachinseln  in  Südtirol  und  Oberitalien.  Eiue 
volkskundlich  -  sprachwissenschaftliche  Untersuchung.  Leipzig,  Selbstverlag  des 
Verfassers  1901.    8°.    104  s.    (Mit  abbildungen  und  eiuer  karte).     2,50  m. 

Bass  hat  den  deutschsprechendeu  Ortschaften  des  Ferseuthales,  Luserua  (oder 
wie  mit  J.  Bacher  zu  schreiben  ist:  Lusern),  den  sette  und  tredeci  communi  in  Nord- 
italien seine  teilnähme  zugewendet  und  stellt  in  dem  schriftchen  zusammen,  was  er 
bei  mehrmaligem  aufenthalte  in  diesen  gegenden  beobachtet  und  aus  der  litteratur 
darüber  gelernt  hat.  Freilich  hält  der  text  nicht,  was  der  titel  verspricht;  eine 
volkskundlich  -  sprachwissenschaftliche  Untersuchung  ist  es  nicht.  In  den  bereich  der 
Volkskunde  gehöriges  wird  vielfach  herangezogen  und  aufgezählt,  von  einer  Unter- 
suchung dieses  Sammelstoffes  ist  aber  keine  rede;  von  einer  sprachwissenschaftlichen 
Untersuchung  ist  überhaupt  nichts  zu  finden.  Der  mehrmalige  hinweis  darauf,  dass 
die  deutsche  spräche  dieser  gegenden  dem  bairischen  dialekte  angehöre  und  die  an- 
führung  deutscher  eigennamen  geben  noch  keine  Untersuchung  ab.  Mau  würde  doch 
nach  dem  titel  erwarten,  dass  B.  die  spräche  und  das  Volkstum  dieser  Ortschaften  in 
der  weise  geprüft  hätte,  dass  man  sehen  könnte,  welche  momente  diese  leute  mit 
den  Deutschen  im  geschlossenen  deutschen  Sprachgebiet  verbinden,  zu  welchem  sie 
in  engerer  Verwandtschaft  stehen,  oder  in  wieferne  das  sie  umgebende  italienische 
Volkstum  auf  sie  eingewirkt  hat.  Statt  dessen  findeu  sich  mehrfach  sehr  unnütze 
angaben,  wie  die  preise  des  flascheu-  und  fassbieres  in  Lusern  und  ähnliche  dinge, 
die  allenfalls  in  einem  reisehandbueh  platz  finden  können.  In  der  tat  scheint  B.  es 
darauf  abgeseheu  zu  haben,  durch  seine  Schrift  freunde  des  deutschen  Volkstums  zu 
einem  besuche  dieser  deutschen  gemeiuclen  zu  bewegen  und  damit  zu  einer  wirtschaft- 
lichen kräftigung  des  deutschen  elemeutes  inmitten  des  italienischen  Sprachgebietes 
beizutragen.    "Wert  hat  das  schriftcheu  etwa  durch  die  angäbe  von  persouen- und  orts- 


71  PANZER 

namen,  die  ich  freilich  nicht  nachprüfen  kann.  Als  wissenschaftliche  Untersuchung 
kann  aber  die  B.sche  arbeit  in  keiner  hinsieht  gelten  und  der  stolze  Wahlspruch:  Aus 
eigener  kraft,  der  an  der  spitze  steht,  ist  schlecht  gewählt;  denn  die  eigene  kraft  des 
Verfassers  scheint  für  eine  volkskundlich  -  sprachwissenschaftliche  Untersuchung  in 
keiner  weise  hinreichend  zu  sein. 

INNSBRUCK,    18.  JUNI    1901.  J.    SCHATZ. 


Die  Jakobsbrüder  von  Kunz  Kistener,  herausgegeben  von  Karl  Eulhig-.  Bres- 
lau, 1899.  VIII,  130  s.  8°.  =  Germanistische  abhandlungen  begründet  von 
Karl  AVeinhold,  herausgeg.  von  Friedrich  Vogt,  XVI.  heft.     5  m. 

Das  vorliegende  buch  verbreitet  willkommenes  licht  über  eine  dichtung,  die 
bisher  unter  einer  unverdienten  nichtaehtung  gelitten  hatte.  Über  ihren  Verfasser 
wusste  man  nichts,  die  bestimmung  ihrer  heiiuat  war  nicht  über  ein  haltloses  tasten 
hinausgekommen;  vom  texte  selbst  lag  nur  ein  wenig  zugänglicher  abdruck  der  AVolffen- 
büttler  hs.  und  Gengenbachs  bearbeitung  vor.  Durch  Euling  erhalten  wir  nun  eine 
kritische  ausgäbe  und  in  der  vorausgeschickten  einleitung  eine  sorgfältige  und  ergebnis- 
reiche Untersuchung  aller  beziehungen  des  kleinen  epos. 

Der  Verfasser  bestimmt  die  mundart  der  hss.  und  des  dichters  als  elsässisch; 
speziell  aber  führt  uns  die  AVolffenbüttler  hs.  durch  ihren  inhalt  wie  durch  einen 
eintrag  ihrer  früheren  besitzerin  nach  Sfrassburg.  in  diese  stadt  weist  nun  auch 
der  name  des  dichters.  Kistener  ist  in  Strassburg  die  ortsübliche  bezeichnung  für 
Schreiner,  begegnet  aber  auch  im  14.  Jahrhundert  mehrfach  als  personenname.  In 
Sonderheit  ist  ein  Cuntze  Kistener,  seines  Zeichens  toinrüffer,  für  die  jähre  1355 
und  1372  urkundlich  bezeugt,  den  man  vermutlich  mit  unserem  gewiss  bürgerliehen 
dichter  identifizieren  darf. 

Geschichtliche  momente  —  es  bestanden  in  Strassburg  zwei  Jakobskapellon  — 
bestätigen  diese  lokalisierung  ebenso  wie  die  litterarische  betrachtung  des  gedientes. 
Sein  stil  wandelt  in  den  bahnen  Konrads  von  Würzburg,  dessen  auch  stofflich  ver- 
wandter Engelhard  besonders  ausgeschlachtet  wird,  steht  aber  auch  der  gleichzeitigen 
epischen  litteratur  des  Elsass,  und  besonders  Strassburgs,  sehr  nahe.  Der  Verfasser 
hat  das  in  der  einleitung  wie  in  zahlreichen  anmerkungen  zum  text  überzeugend 
nachgewiesen  und  Leitzmann  hat  in  dieser  Zeitschrift  32 ,  422  f gg.  seine  nachweise 
noch  wesentlich  zu  vermehren  begonnen';  dass  diese  Verwandtschaft  mit  dem  Stauffen- 
berger,  dem  Rappoltsteiner  Parzifal  und  Hans  von  Bühel  nicht  ohne  weiteres  mit 
Euling  als  nachahmung  von  dieser  oder  jener  seite  gedeutet  werden  darf,  ist  dort 
und  sonst  mit  recht  betont.  Für  die  datierung  des  gedichtes  gibt  das  interdikt,  mit 
dem  1306  die  kirchen  des  erzbistums  von  Santiago  belegt  wurden,  wol  einen  sichreren 
terminus  ad  quem  als  die  englische  invasion  des  Elsass  im  jähre  1365. 

Der  dritte  abschnitt  der  einleitung  behandelt  den  stoff  des  gedichtes.  Der 
Verfasser  gibt  eine  übersieht  des  materials,  wie  es  besonders  R.  Köhler,  Germ.  10, 
I47fgg.  und  Sepp.  Althayr.  sagenschatz  s.  652fgg.  zusammengestellt  haben  und  ver- 
mehrt es  durch  den  hinweis  auf  die  lateinische  erzählung  einer  AVolffenbüttler  hs., 
die  als  zwischenform  interessant  ist.  Freilich  hätte  man  gerne  die  entwicklungsgeschichte 
des  stoffes  etwas  genauer  dargestellt  gesehen.  Unsere  erzählung  ist  ein  zusammen- 
gesetzter typus  und  es  hätte  sich  vielleicht  schärfer  zeigen  lassen,  in  welcher  reihen- 

1)   Inzwischen  ebd.  557  fgg.  fortgesetzt. 


t;BEK   KISTENEB,    JAKOBSBRÜDER   ED.    EULING  75 

folge  und  auf  grund  welcher  assoziationen  sie  aus  mehreren  ursprünglich  getrennten 
typen  zusammengeschossen  ist.  Hier  sei  eine  bemerkung  nur  in  rücksicht  auf  einen 
punkt  gestattet,  der  wol  manches  beleuchten  kann,  die  beziehung  des  heiligen 
Jakobus  zu  den  aussätzigen.  In  einem  nachtrag  zu  seinen  jüngst  erschienenen  Studien 
über  Heinrich  Kaufringer  merkt  Euling  s.  123 fg.  an,  dass  Wackernagel  gelegentlich 
des  Armen  Heinrich  von  beziehungen  des  heiligen  auf  den  aussatz  gesprochen  habe, 
leugnet  aber,  dass  solche  vorhanden  gewesen  seien.  Er  hätte  das  wol  kaum  getan, 
wenn  er  einmal  das  massenhafte  material  durchgegangen  hätte,  das  Virchow  zur 
geschiente  des  aussatzes  im  mittelalterlichen  Deutschland  zusammengetragen  hat;  aus 
ihm  geht  klar  hervor,  dass  S.  Jakob  (d.  ä.)  vielfach  patron  der  sondersiechen  gewesen 
ist.  Zumeist  allerdings  sind  ihre  häuser  (in  Norddeutschland  fast  ausschliesslich) 
S.  Georg  geweiht;  daneben  begegnen  auch  andere  heilige,  besonders  oft  S.  Leonhard, 
S.  Nikolaus,  S.  Erhard,  S.  Bartholomaeus,  Lazarus,  8.  Gertrud  u.  a.  Zweifellos  aber 
ist  auch  S.  Jakoli  früh  zu  dem  aussatz  in  beziehung  gebracht.  Die  leprosorien  zu 
S.  Jakob  in  Basel  und  Zürich  erwähnt  Euling  selbst,  Jakobsspitäler  bestanden  aber 
auch  in  Hagenau  (Virchows  Archiv  18,  283),  in  Rosheim  (ebd.  18,  284),  in  Görlitz 
(ebd.  18,  151.  320),  in  Danzig  (ebd.  20,  466),  in  Trier  (ebd.  20,  181)  und  in  Meyen 
(ebd.  20,  186)  und  für  Trierer  sieche  wurde  der  gottesdienst  in  der  Jakobskapelle  zu 
Biver  gehalten.  Wahrscheinlich  haben  wir  es  hier  nicht  bloss  mit  pilgerhospitälern, 
sondern  mindestens  teilweise  auch  mit  leprosorien  zu  tun.  A"on  dem  Jakobsspital 
in  Wismar  ist  ausdrücklich  bezeugt,  dass  es  wie  die  Jakobsspitäler  in  Basel  und  Zürich 
mit  leprosen  besetzt  war  (ebd.  19,  49.  55fg.,  20,  503).  Für  das  gutleuthaus  in 
hiesiger  stadt,  das  heim  der  siechen  uf  dem  rekle,  wie  sie  in  den  Urkunden  gewöhn- 
lich heissen,  ist  S.  Jakob  als  patron  schon  durch  einen  ablassbrief  von  1284  bezeugt 
(Schreiber,  TJrkundenb.  I,  100)  und  das  sigel  des  hauses,  wie  es  an  einer  Urkunde 
vom  29.  sept.  1315  (Veröffentlichgn.  aus  d.  arch.  der  stadt  Freiburg  III,  447)  schön 
erhalten  ist,  zeigt  den  heiligen  in  ganzer  figur  mit  den  pilgermuscheln  zur  seite  in 
der  Umschrift  S(igillum)  Leprosoritm  de  Friburg,  wie  er  ja  auch  an  dem  Zürcher 
leprosorium  an  der  Sihl  gemalt  war.  Es  ist  also  nicht  zu  bezweifeln,  dass  S.  Jakob 
mindestens  seit  mitte  des  13.  Jahrhunderts  nicht  bloss  patron  der  pilger,  sondern 
auch  der  aussätzigen  gewesen  ist,  vermutlich  weil  hospitäler,  die  ursprünglich  für 
Jakobspilger  bestimmt  waren,  späterhin  öfter  für  leprose  eingerichtet  wurden. 

Was  nun  aber  die  verschiedenen  formen  anlangt,  in  denen  die  geschieh te  der 
beiden  Jakobspilger  auftaucht,  so  scheint  es  eine  wirkliche  verSäumnis  des  Verfassers, 
dass  er  es  unterlassen  hat,  Kisteners  gedieht  mit  den  beiden  zunächst  verwandten 
fassungen,  dem  Dit  des  trois  pommes  und  dem  predigtmärlein ,  das  Pfeiffer  im  Alt- 
deutschen Übungsbuch  s.  197 fgg.  aus  einer  Strassburger  hs.  abgedruckt  hat,  zu  ver- 
gleichen. Denn  tatsächlich  führt  eine  solche  vergleichung  zu  sehr  merkwürdigen 
litterargeschichtlichen  konseuuenzen. 

Euling  weist  im  1.  kapitel  seiner  einleitung  die  anschauung  Goedekes  zurück, 
der  in  Kisteners  gedieht  die  Überarbeitung  eines  werkes  aus  dem  13.  (Jahrhundert 
sehen  wollte;  er  hatte  dabei  leichtes  spiel,  da  Goedekes  gründe  in  der  tat  haltlos  sind. 
Und  trotzdem  scheint  eine  Überlegung  anderer  art  zu  erweisen,  dass  Kisteners  ge- 
dieht keine  originale  Schöpfung,  sondern  nur  die  bearbeitung  einer  älteren  vorläge 
ist.  Schon  Leitzmann  hat  Zeitschr.  32,  429  (zu  v.  450)  auf  die  mehrfache  Überein- 
stimmung im  Wortlaut  zwischen  Pfeiffers  prosa  und  Kistener  aufmerksam  gemacht; 
die  Verwandtschaft  ist  aber  durchgängig  noch  eine  viel  engere,  wie  die  nachstehende 
Zusammenstellung  zeigen  wird. 


76 


Sie    beginnt   mit   der  bestimmten  erklärung  des  sohnes,   die  -wallfahrt  antreten 
zu  wollen: 

Prosa. 
197,  2-4  Nu  sprach  der  sun  xü  sinem  vatter 
vnd  mvter,  er  wolle  xü  saute  Ja- 
cobe vam,  do  hatte  er  s  ich  h  i  n- 
gelobct.  Es  wax  in  stirere  vnd 
leit. 


Kistener. 
Der  vater  spricht  zum  sühn: 
294  ,wir  hant  . .  gelobet  eine  Jacop- 
vart  .  . 
darumbe  sol  ich  schicken  dich 
alleine  af  die  verte  hin. 
dax  besivert  vast  mitten  sin.' 


26  Sit  sprochent  vü  jme,  obe  er  sin 
nit  abe  muhte  sin.  Er  sprach  nein, 
er  müste  do  hin. 

28   Vnd  do  es  n  i t  a  n  d e rs  möhte 

sin, 
der  ratter  gap  jtne  sin  xergelt. 
29fgg.    Lehre  der  mutter  (den  apfel 

teilen). 

38  Dirre  jv'ngeling  der  sprach: 
,dax  wil  ich,  frn1  vnd  neun   vrlop 
x£i  sinem  vatter  vnd  xü  sitter  mvter 

vnd  für  eti  /reg 

40fgg.  Ausführung  der  lehre. 


309  vater  und  muoter  baten  in: 

,sun,  la  dir  mit  xe  gach  sin..' 
er  sprach:  ,lant  üwer  bitten  sin: 
ich  blibe  nüt,  ich  teil  dahin1". 

367  (heim  abschied)  dix  ensol  nüt  an- 
ders sin. 

320  geltes  gaben t  sä  im  gnuog. 

341  fgg.  Lehre  des  vaters  (ungeheissen 
warten). 

358  der  söhn  antwortet: 

,Geme,  herre,  da\  tuon  ich' 
do  wart  ir  scheiden  t/ii/re  .  .  . 
.  .  ich  rar  dahin 
Fehlt. 


Ein  treuer  gefährte  findet  sich. 


198,  13  Do  gedohte  er,  dax  jme  der  ge- 
selle tenl  fr g et <■  vnd  geseihte  sich, 
do  xü  dem  gesellen  vnd  gelobetent 
die  \u-cne  gesellen  ein  ander 
Ir/tire  vnd  worheit  \/i  leistende 
vnd  nit  annander  abe  xe  gottde,  vntxe 
sti  irr  vart  geleistent  vntxe  sante 
Jacobe. 

17  Vnd  do  sii  etswie  lange  mit- 
te minder  giengent,  do  wart  der 
eine  geselle  sich  .  .  vnd  starp. 
I)u  kette  der  ander  geselle  groß 
leit  rmh  in.  wanne sü grosse truwe 
xesatnen  hattent  .  .  .  vnd  sprach  vü 
jme  selber:  ,nü  wil  ich  mynem  lieben 
gesellen  truwe  leisten  noch  sime 
tode  vnd  wil  niemer  erwinden,  ich 
bringe  in  danne  mit  mir  xü 
saute  Jacobe,  da%  er  ouch  siner 
verte  ledig  sy. 


SSO  ttf  der  steit  kam  sin  gevuog 
ein  man  getraue  linde  guot. 

35  vnd  trätre  warheit  gl  ob  et  im, 
er  welle  vam  mit  in  dahin  . . 
409  die  xwene  trage nt  überein, 
ir  bruodersehaft  wart  geniein. 


111    Sü  giengent  unde  ritten  gemein- 
liehe .  . 
do  wart  des  herren  suone  we  . . 
-,  eha  it  t  er  starp. 
434  er  sprach:  ,din  we  ist  mir  sicer, 
sist  mir  in  ganxen  trüwt  n  leit .  .' 
Der  sterbende  malmt  den  gefährten: 
449  ,stirbe  ich,   euer  mich  tot  dahin, 
da  ich  der  verte  lidig  bin.' 
,Ja,  ich  gib  dir  die  trüwe  min, 
ich     teil    dich     r ii e r n     mit    mir 
dahin. 


ÜBER    KISTEXER.    .JAKOBSBRÜDER    ED.    ETJLING 


Er  legt  den  toten  auf  ein  traggestell. 
25  vnd  trüg  sinen  geselle//  mit 
jme  entreg  vnd  wanne  er  xü  Her- 
bergen harn,  do  er  essen  wolle, 
so  nam  er  sinen  gesellen  vnd 
baut  in  vs  dem  refe  vnd  saste  in 
gegen  jme  xe  tische  vnd  hies  edle  xit 
s/nie  doten  geselle»  also  wol  vä 
essende  /i/aehen  als  j/nc  selber,  r/nl 
/res  er  ass.  des  saste  er  oh  eh 
sime  doten  gesellen  sin  teil 
dar  vnd  gaj>  danne  sins  gesel- 
len teil  durch  got.  Vnd  wenne  er 
sloffen  gie,  so  nam  er  aber  sinen 
gesellen  vnd  leite  in  nebent 
sine  site  a n  sin  bette,  als  sü 
do  vor  alle  xit  byenander  gelegen 
heitent,  die  teile  er  lebete  .  .  . 
IVan/te  er  des  t/torgens  rf  stunt,  so 
nam  er  sinen  gesellen  vnd  baut  in 
uf  sein  ref  vnd  trüg  in  aber  fwrbas. 
Dis  det  er  alle  tage  vnd  alle 
naht,  vntxc  dax  er  xü  sai/te 
Jakobe  kam. 

38  Do  er  nv  xü  sante  Jacobe 
kam  mit  sime  doten  gesellen,  do 
ging  er  des  morgens  in  sante  Jaeobes 
t/iinster  .  .  vnd  holete  sinen  ablas. 

Unterdess  wird  der  tote ,  den  er  in 
der  herberge  zurückgelassen,  lebendig 
mit  dem  ausrufe:  ,tvie  ha//  ich  so 
vnsanfte  gcsloffen.'1    44 

45  Dirrc  geselle  . .  .  nam  sinen  wurt 
mit  jme,  vnd  gingent  in  sante  Ja- 
eobes mvnster  vnd  seitei/t  do,  nie 
ex  ergangen  tra-,  vndtoax  ie an- 
ders do  gescheiten  ivcrc. 

48  Do  lutc  man  eil le  die  glocken 
du  do  u'orent  vnd  gingent  do  alle 
pfaffen  vnd  alles  volck  noch 
dem  man,  der  do  lebende  irax  worden 
vnd  holtent  in  mit  grossemc  lobe 
vnd  mit  grossen  eren  vnd  fürtent 
in  in  sante  Jaeobes  mvnster  vnd 
sasten  in  vf  den  altar. 


Er  steckt  den  toten  in  einen  sack. 
459  er  vnorte  unde  truog  in.,  h  in., 
und  stva  er  in  die  herber g  kam, 
den  toten  ie  er  mit  im  nam: 
nein  er  die  rehten  mal  a  s  -. . 
des  toten  er  nid  vergasx, 
er  satte  im  die  spise  der 
in  trüiren,  als  er  lebende  wer, 
und  gap  sü  durch  die  sele  s  i n . 
dax  im  got  hülfe  uxer  pin. 
und  des  naht  es  an  der  rast, 
so  //am  er  den  toten  gast 
und  leitn  xuo  im  an  das  bette, 
reht  als  er  gelebet  I/ette. 
er  truog  in  spat  unde  vruo 
von  dem  pferde  und  darxuo 
gnedeelieh  den  tuten  man, 
un%     dax    er   gen    Oumpostelle 
k  a  m . 


481  und  do  er  v ü r  d ie  kirehen  k a m . 

er    baut    a//    dein    pfert   den    toten 

mau  .  .  . 
,saut  Jacob  .  .  . 
teile  uns  mit  den  abelosx'. 
Der  tote,  den  er  in  der  kirebe  neben 
sich    liegen  bat,    wird   lebendig  mit 
dem  ausrufe:   ,wie   unsanfte  ich 
geslaffcn  habe!   510 

523  ein  Dütseher  irürt  drang  xuo  in  der, 
der  ein  seit   i/u  die  rehte  nter  .  . 

518  w ax  reichen  da  geschehen  wer. 


514  die  glocken  giengent  selber  an 
und  latent  da  selber  sielt, 
do  kam  geloufen  mengelich  .  . 

535  balde  die  pfaffen  und  die  heren 
diexwen  brüedcr  huobe/tt  teren 
hin  uf  den  altar  xc  lobe 
got  unde  sauf  Jacobe. 


78  PANZER 

Den  weiteren  vollauf  berichtet  die  prosa  ganz  kurz.  Des  „meisters"  aussage 
;iImt,  dass  der  aussätzige  nur  dann  geheilt  werden  könne,  wenn  ein  vafter  sin  selbes 
kinde  die  kele  abe  snitte  vnd  man  ihr,  btat  neme  vnd  vch  do  mitte  wüsche  berührt 
sich  nochmals  genau  mit  dem  entsprechenden  rate  des  einsiedlers  hei  Kistener  v.  772 : 
,swer  im  snit  die  kele  abe  mute  dir  des  bluotes  git,  swa  man  dich  bestrichet  mit, 
tltt  icürstu  allenthalben  rein'. 

Dass  diese  ebenso  häufige  als  genaue  berührung  zwischen  der  prosa  und  dem 
gediente  nicht  auf  zufall  beruhen  kann,  ist  vollkommen  klar.  Sie  zu  erklären,  bieten 
sieh  verschiedene  möglichkeiten.  Ausschliessen  können  wir  dabei  sofort  die  annähme, 
dass  das  gedieht  aus  der  prosa  geschöpft  habe;  denn  diese  verbietet  ebensowol  seine 
grössere  Vollständigkeit  (die  mit  dem  französischen  gedichte  zusammentrifft),  als  die 
tatsache,  dass  in  der  prosa  noch  allenthalben  reime  durchschimmern.  Bleiben  also 
zwei  möglichkeiten:  entweder  hat  die  prosa  das  gedieht  oder  beide  haben  eine  ge- 
meinsame quelle  benutzt.  Die  erstere  annähme  ist  gewiss  die  zunächst  liegende  und 
so  hat  schon  Leitzmann  aus  den  von  ihm  bemerkten  Übereinstimmungen  geschlossen, 
dass  unser  predigtmärlein  aus  Kistener  geschöpft  habe.  Und  doch  muss  diese  an- 
nähme bei  genauer  Überlegung  ihre  Wahrscheinlichkeit  verlieren.  Die  prosa  zeigt 
abweichungen ,  die  keineswegs  willkürlich  sein  können.  Es  kommt  da  in  erster  linie 
die  apfelprobe  in  betracht.  Kisteners  erzählung  ist  hier  unzweifelhaft  schlechter  als 
die  prosa.  Er  hat  gleichfalls  noch  die  dem  ausziehenden  erteilte  lehre,  aber  das 
motiv  ist  bei  ihm  blind  geworden;  es  findet  keine  auflösung.  Dass  die  prosa  aber 
ihre  vorläge  hier  nicht  selbständig  verbessert  hat,  beweist  ihre  genaue  Übereinstimmung 
mit  der  französischen  fassung  unserer  geschichto  im  Dit  des  trois  pommes l,  welche 
die  apfelprobe  wie  sie  berichtet.  So  vergleicht  sich  auch  der  eingang  der  erzählung 
in  der  prosa  genauer  mit  dem  Dit  als  mit  Kistener;  ferner  führt  der  getreue  den 
toten  gefährten  in  der  prosa  auf  einem  ref  mit  sich  wie  im  Dit  auf  einer  bahre,  bei 
Kistener  dagegen  in  einem  ledersack.  Auch  versteht  man  Kisteners  andeutung  von 
der  speise,  die  der  Heigerloher  dem  toten  vorsetzen  lässt  (v.  469:  er  gap  sil  durch 
die  sele  sin),  richtig  erst  aus  der  prosa  (er  schenkte  sie  weg  an  arme  zum  heil  der 
seele  des  verstorbenen),  die  darin  wieder  mit  dem  Dit  zusammentrifft.2  Wer  also 
behaupten  wollte,  die  prosa  habe  aus  Kistener  geschöpft,  der  wäre  doch  zugleich  zu 
der  annähme  gezwungen,  dass  ihr  Verfasser  daneben  noch  eine  zweite,  dem  Dit  ver- 
wandte fassung  der  gesehichte  gekannt  und  verarbeitet  hätte.  Und  zwar  hätte  er  sie 
recht  geschickt  verarbeitet,  indem  er  bei  sonst  genauestem  anschluss  an  Kistener 
doch  dessen  bericht,  wo  er  lückenhaft  oder  dunkel  schien,  wirkungsvoll  aus  dieser 
zweiten  quelle  ergänzt  hätte.  Sollte  man  aber  wirklich  geneigt  sein,  dem  Verfasser 
dieses  anspruchslosen  märleins  ein  so  kompliziertes  kritisches  verfahren  zuzutrauen? 
Ich  denke  doch  nicht,  vielmehr  ist  die  allein  wahrscheinliche  annähme  die,  dass  er 
seine  erzählung,  wie  sie  ist,  aus  einer  quelle  genommen  habe.  Diese  aber  kann, 
wie  die  durchschimmernden  reime  zeigen,  nur  ein  deutsches  gedieht  gewesen  sein 
und  dies  deutsche  gedieht  muss  also  auch  Kistener  gekannt  und  vielfach  wörtlich 
benutzt  haben.  Seine  abweichungen  aber,  die  zumeist  Verschlechterungen  sind, 
möchten  sich  daraus  erklären,  dass  er  seine  vorläge  nicht  geschrieben,  sondern  nur  im 
gedächtnis  vor  sich  hatte,  als  er  mit  dem  saueren  fleisse  durchwachter  nachte  (v.  11) 

1)  Da  mir  Trebutiens  ausgäbe  nicht  zugänglich  ist,  bin  ich  auf  den  auszug 
R.  Köhlers,  Genn.  10,  448 fg.  (=K1.  sehr.  II,  105 fgg.)  augewiesen. 

2)  Von  der  Wiederbelebung  des  toten  an  stimmt  dagegen  die  erzählung  des 
Dit  genauer  zu   Kistener  als  zur  prosa. 


ÜBEE    KKTENER,    JAKOBSBRÜDER    F.D.    EUUNG  79 

sei»'-  verse  schmiedete.  Seine  angäbe  (v.  1194),  er  habe  den  stoff  xs  tütsehe  gebraht 
ist  also  eine  traditionelle  phrase,  die  unserem  Verfasser  zusammen  mit  allen  übrigen 
gedanken  seines  prologs  und  epilogs  wol  ans  Konrads  Engelhard  (v.  155  und  211  fg.) 
zugeflossen  ist. 

Einen  gereinigten  text  von  dem  gedichte  herzustellen  bot  besondere  Schwierig- 
keiten. Da  die  Frankfurter  bruchstücke  nur  93  verse  bieten,  ist  man  im  ganzen  auf 
die  Wblffenbüttler  hs.  (A)  und  Gengenbachs  bearbeitung  (C)  angewiesen.  Nun  steht 
A  ohne  zweifei  dem  original  zumeist  näher  als  C  mit  seinen  zahlreichen  willkürlichen 
änderungen;  sehr  oft  ist  aber  auch  der  text  von  A  verderbt.  Hie  und  da  lässt  er 
sich  aus  C  korrigieren,  in  vielen  fällen  aber  bleiben  zweifei  und  der  herausgeber  ist 
durchgehends  mehr  auf  allgemeine  erwägungen  gewiesen,  als  dass  er  durch  ein  i 
Verhältnis  der  hss.  geleitet  würde.  Man  muss  Euling  das  lob  zuerkennen,  dass  er 
in  diesen  schwierigen  Verhältnissen  sehr  sorgfältig,  mit  guter  kenntniss  und  sicherem 
takt  verfahren  ist:  die  wenigen  stellen,  wo  man  gegen  seine  herstellung  bedenken 
erheben  muss,  sind  zumeist  schon  in  den  seither  erschienenen  besprechungen  von 
Leitzmann  a.  a.  o.,  Helm  Beitr.  20,  157 fgg.  und  Ehrismann  Afda.  27,  39fgg.  erörtert 
worden,  so  dass  hier  nur  eine  unbedeutende  nachlese  bleibt. 

v.  29  fgg.  hat  Leitzmann  a.  a.  o.  s.  423  fg.  richtig  hergestellt.  Nur  möchte  ich 
nicht  mit  ihm  nach  v.  30  punkt  setzen,  da  die  sich  doch  wol  auf  wort  beziehen 
muss;  der  satz  ist  als  parenthese  zu  fassen:  .wenn  einer  gottes  Worten  folgt  —  die 
sind  rein  und  gut  — ,  wisset,  das-  einem  solchen  Jüngling  gott  alles  gewährt,  was 
er  gutes  erbittet'. 

v.  101  der.  wir  si)i  bede  bitten'  situ  dürfte  statt  sin  wol  mit  C  in  zu  lesen 
sein,  da  hier  aller  nachdruck  auf  der  person  des  angerufenen  liegt, 'nicht  auf  der 
Sache,  die  wol  auch  schon  früher  gegenständ  ihrer  gebete  gewesen  sein  wird. 

v.  205  führt  die  eizählung  von  202  unmittelbar  weiter;  203  204.  die  in  A  fehlen, 
möchten  also  wol  dem  original  nicht  angehören. 

v.  296  ist  die  einsetzung  der  hslichen  lesart  da*  din  diu  munter  swanger  wart, 
die  Leitzmann  und  Helm  empfohlen  haben,  bei  Euling-;  interpunktion ,  die  ich  nicht 
mit  Leitzmann  ändern  möchte,  unbedingt  notwendig;  denn  nur  für  den  fall,  dass 
ein  knabe  geboren  würde,  war  die  fahrt  gelobt,  v.  122fgg. 

v.  307  sit  ich  wol  riten  nid  gon  mag  hat  Leitzmann  a.  a.  o.  s.  427  richtig 
hergestellt.  Er  hat  auch  richtig  empfunden,  dass  der  ausdruck  hier  einen  allge- 
meineren sinn  hat,  aber  seine  Übersetzung  ,da  ich  im  gesunden  besitz  meiner  glieder 
bin',  trifft  noch  nicht  ganz  das  rechte,  da  sinngemäss  vielmehr  zu  übersetzen  wäre: 
,da  ich  im  besitze  der  zur  rechtsfähigkeit  notwendigen  manneskraft  bin-.  Denn  das 
bedeutet  diese  der  rechtssprache  sehr  geläufige  formel,  s.  Grimm,  RA2.  95 fgg. ;  hier 
handelt  es  sich  um  ihre  passive  seite:  erfüllung  einer  eingegangenen  rechtsver- 
bindlichkeit. 

v.  467  hat  wieder  Leitzmann  s.  430  richtig  interpungiert ,  aber  also  lebete  er 
ist  eine  für  den  vergleichungssatz  unmögliche  Wortstellung.  Man  muss  wol  lesen  als 
er  lebende  teer,  wie  die  vorläge  von  C  (lebte  nemendt  war)  offenbar  gehabt  hat. 
Zum  reim  vgl.  war:  er  691,  :her  643,  721,  727,  mar  .der  523.  531,  :er  243,  737, 
827,  :ker  577,  605.  1115;  sweer:der  433,  615,  :er  1023;  statte : gebete  111:  Bastener 
reimt  auf  -cer  und  (1195)  -er. 

v.  473  liest  C  vnd  leit  yn  %ü  jm  an  das  bet.  Dass  dies  das  ursprüngliche  ist, 
wird  durch  die  Übereinstimmung  mit  dem  französischen  gedieht  und  Pfeiffers  prosa- 
erzählunü  erwiesen. 


80  PANZER   ÜBER    KISTENEB,    JAKOBSBRÜDER   ED.    EULING 

v.  075  670  hat  Euling  ohne  not  gegen  die  hss.  umgestellt.  Nach  074  war  punkt 
zu  setzen  und  fortzufahren:  du  solt  des  gelouben  mir,  da%  du  her  wider  Immest 
schier;  wir  mugent  din  hie  kume  entbern.  gelouben'h&t  hier  die  bekannte  hedeutung 
(Zfda.  30,  365 fg.;  Beitr.  12,  397fg.)  von  .nachgeben,  willfahren'. 

v.  726  ist  das  die  man  von  AC  kaum  mit  recht  geändert.  Es  war  wol  von 
dir  ans  C  aufzunehmen. 

v.  837  den  huot  er  abe  xoch  ',e  stunt  hat  Enling  sichtlich  wie  AC  (und  schon 
deren  vorläge)  verstanden,  die  den  vers  überladend  schreiben:  den  huot  er  gegen 
ime  abe  xoch.  Das  ist  aber  ein  offenbares  missverständnis.  Der  dichter  konnte  diese 
leidenschaftlich  stürmische  begrüssung  doch  nicht  durch  ein  ceremonielles  hutabziehn 
einleiten  lassen;  ausserdem  hatte  der  junge  graf,  der,  wie  er  gieng  und  stand,  aus 
der  bürg  herabgerannt  war  (v.  831  fgg.)  wol  überhaupt  keinen  hut  auf.  Aus  AC 
war  eben  nur  das  gegen  zu  tilgen  und  zu  lesen:  den  huot  erni  abe  xoch  xe  stunt, 
nämlich  den  hut,  den  der  freund  als  aussätziger  trug  (vgl.  744)  und  dessen  breiter 
rand  die  erkennung  hinderte.  Es  ist  bekannt,  dass  den  aussätzigen  die  kleidung  viel- 
fach vorgeschrieben  war:  ihr  hut  zeigte  nach  Häser,  Gesch.  der  medizin  II2.  88  ein 
breites,  weisses  band,  doch  werden  auch  andere  abzeichen,  in  Nürnberg  z.  b.  ein  Christus- 
bild auf  dem  breiten  aufgekrämpelten  rande  erwähnt.  Ihr  Meid  war  gewöhnlich 
schwarz,  öfter  mit  verschiedenen  abzeichen  versehen;  wenn  in  unserem  gedichte  ein 
grouwe%  Ideit  genannt  wird  (v.  752),  so  stimmt  das  zu  der  Münchener  leprosenordnung 
von  1570,  in  der  den  aussätzigen  ein  schwarzer  oder  grauer  mantel  mit  gleichem  unter- 
futter  vorgeschrieben  wird  (Oberbayr.  arch.  13,  75).  Für  die  v.  744  erwähnte  sog. 
Lazarusklapper  hat  Goedeke  Gengenbach  s.  634  a.  8  bereits  weitere  nachweise  gegeben, 
die  sich  sehr  vermehren  Hessen.1  —  Hält  sich  der  dichter  in  diesen  einzelheiten  nach- 
weisbar an  die  Wirklichkeit,  so  möchte  man  wol  wissen,  wie  es  nach  dieser  seite 
mit  dem  befremdenden  zuge  unserer  erzählung  steht,  dass  der  aussätzig  gewordene 
freund  vom  grafen  gleiclrwol  wieder  in  sein  amt  eingesetzt  wurde,  v.  859 fgg.  Man 
sollte  glauben,  class  ein  solches  verfahren  ebenso  durch  die  natur  der  sac'he  als  durch 
die  landläufige  anschauung  der  zeit,  die  sich  gegen  die  erkrankten  wenig  tolerant 
erwies,  unmöglich  gemacht  sei.  Zwar  scheint  man  in  Deutschland  nicht  mit  so 
radikaler  härte  verfahren  zu  sein  wie  in  Frankreich,  wo  der  vom  aussatz  befallene 
symbolisch  begraben  und  sogar  ein  requiem  für  ihn  gelesen  wurde.  Die  rechtsbe- 
stimmungen  (Schröder  s.  200)  schliessen  ihn  nur  von  der  erbfolge  aus,  lassen  ihm 
aber  die  Verfügung  über  seinen  bis  zur  erkrankung  erworbenen  besitz.  Dass  er  aber 
ein  öffentliches  amt  hätte  bekleiden  können,  wie  unser  gedieht  annimmt,  scheint  un- 
denkbar. Der  Sachsenspiegel  sieht  (III.  54,  §  3)  ausdrücklich  vor,  dass  der  mesclseke 
nicht  zum  könig  gewählt  werden  könne.  Der  vom  aussatz  befalleue  freiherr  des 
Almen  Heinrich  zieht  sich  ebenso  wie  der  herzog  von  Brabant  in  Konrads  Engelhard 
sogleich  in  die  einsamkeit  zurück,  um  dort  als  richtiger  „sonder- und  feldsieche"  zu 
leben;  von  diesem  wird  ausdrücklich  versichert  (v.  5216),  dass  im  wart  entxücket  sin 
gewalt  an  Hüten  unde  an  lande  und  oft  denkt  er  traurig  an  irip  und  guot,  Hut 
unde  laut,  dax  man  im  Jurte  ü\  siner  hant  genomen  allex  bi  der  xit.  Ein  abt 
von  Schwarzach  in  Oberfranken  wurde  1430  durch  lepra  genötigt  sein  amt  niederzu- 

1)  Ein  anderes  requisit  des  aussätzigen,  das  aus  dem  Sebastiansaltar  des  älteren 
Holbein  wolbekanni  ist,  führt  Ulrich  von  Lichtenstein  bei  seinem  widerwärtigen  aben- 
teuer  (Frauend.  329fgg.):  den  napfzux  aufnähme  der  erbettelten  speise.  Seine  kleidung 
bezeichnet  er  nur  ganz  allgemein  als  swachiu  Ideit  (und  ein  rock  und  ouch  ein 
mäntelin,  diu  künden  beeser  niht  gesin). 


WITKOWSKI    ÜBKR    ZÖLLNER,    FRUCHTBRINGENDE    GESELLSCHAFT  81 

legen  (Virchows  Archiv  18,  160).  Es  finden  sich  aber  doch  auch  entgegengesetzte 
fälle.  Herzog  Ottokar  TT.  von  Steiermark  siechte  seit  1182  am  aussatz  dahin  und 
traf  bei  zeiten  alle  anstalten  für  seinen  in  häkle  zu  erwartenden  tod,  der  den  29 jähr. 
1192  erlöste;  er  übte  aber  doch  auch  in  diesen  jähren  die  herzogliche  gewalt  (Muchar, 
Gesch.  der  Steiermark  4,  517  fgg.').  Und  Balduin  IV.  wurde  1174  ,,auf  einstimmigen 
wünsch  der  grossen  des  reiches-'  zum  könig  von  Jerusalem  gekrönt,  obwol  er  als 
knabe  schon  am  aussatz  litt  und  er  trug  sein  unaufhaltsam  fortschreitendes  Siechtum 
standhaft  bis  an  seinen  tod  (1185),  sogar  in  die  schlachten  Hess  er  sich  auf  einem 
bette  von  zwei  pferden  tragen  (Röhricht,  Geschichte  des  königreichs  Jerusalem 
s.  361  fgg.).  [Vgl.  hierzu  die  Sammlungen  Wackernagels  A.  Heinr.  s.  172  fgg.,  die  mir 
nicht  zugänglich  waren  als  ich  dies  schrieb.     Correcturnote]. 

v.  947  ist  cor  im  durch  die  Übereinstimmung  von  BC  gesichert. 

v.  971  972,  die  in  A  fehlen,  sind  wol  erst  von  C  eingefügt,  um  die  ausdrück- 
liche einführung  der  rede  zu  gewinnen,  die  C  auch  sonst  überall  einsehaltet,  vgl. 
104,  170,  185,  289,  291,  327  u.  o. 

v.  1066 fgg.  weichen  in  den  hss.  sehr  stark  ab.  Euling  hat  sich  C  angeschlossen, 
dessen  lesung  aber  sehr  dem  verdachte  sekundärer  änderung  unterliegt.  A  gibt  einen 
befriedigenden  sinn,  wenn  man  nur  die  geringe  ändenmg  sint>  gesint  annimmt: 
als  sä  in  der  rede  sitxen,  so  bringt  die  amme  her  der.  leint,  er  sack  wite  umbe 
da\  gesint:  von  grv/nde  erschrack  sin  Jier.e  guot.  Der  junge  graf  fürchtet,  als  er 
sich  rings  von  seinem  gesinde  umgeben  sieht,  sie  würden  ihn  töten  (vgl.  986),  wenn 
jetzt  durch  die  amme  sein  verbrechen  an  den  tag  komme. 

v.  1083  su-a\  sii  rettent,  dax  er  sneig  ist  für  da%  wol  darxuo  zu  lesen  uud 
nach  v.  1082  stärker  zu  interpungieren. 

v.  1195  dax  tot  Kuon.e  Kistener  verlangt  der  sinn  dax  was  und  darauf  führt 
auch  die  lesung  von  A:  dx  urissent. 

v.  1205  ist  ich  unpassend  gegen  die  überlief erung  eingesetzt;  1207  ist  mit 
A  bat  zu  lesen. 

Eulings  buch   hat  F.  Vogt  als  herausgeber  der  Germanistischen  abhandlungen 
noch   zwei  exkurse  angehängt,   deren  erster  die  ausdeutung  des   Wallo>re  bei  Rudolf 
von  Ems  auf  das  Eckenlied  oder  Hartmanns  Erek  überzeugend  abweist,  während  der 
zweite  für  den   bekannten   Tristanvers   12220  durch  eine  parallele  aus   dem  Frank 
furter  passionsspiel  Septimunt  als  die  richtige  lesart  festlegt. 

FREIBURG    I.  B.  FRIEDRICH    PANZER. 


F.Zöllner,   Einrichtung    und  Verfassung    der   Fruchtbringenden  gesell- 
schaft,  vornehmlich  unter  dem  fürsten  Ludwig  zu  Anhalt -Cöthen.    Berlin,  Ver- 
lag des  Allg.  deutschen  Sprachvereins  (F.  Berggold)  1899.    IV,  124  s.    1,80  m. 
Aus  einem  vortrage  im  Leipziger  zweigverein  des  Allgemeinen  deutschen  Sprach- 
vereins ist  die  schrift  Zöllners  entstanden.    Als  eine  rettung  stellt  sie  sich  dar.  Bisher 
war  man  gewohnt,  der  Fruchtbringenden  gesellschaft  bei  aller  anerkennung  der  tüch- 
tigen  gesinnung   der   führer   und  ihres    strebens   nach   erhaltung  und  förderung  des 
vaterländischen  sinnes  im  leben  und  im  Schrifttum   doch  das  leere   spiel  in   der  form 
und  den  mangel  an  wirksamen  mittein  zum  durchsetzen  ihrer  absiebten  vorzuwerfen. 
Nun  sucht  der  Verfasser  nachzuweisen,  dass  die  gesetze  der  gesellschaft  und  das  ver- 
fahren ihres  leiters  wol  geeignet  gewesen  seien,  das  deutschtum  zu  pflegen  und  aus- 
zubreiten,  zunächst   die   erste  aufgäbe,   die  reinigung  der  spräche,    zu   erfüllen.     In- 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  6 


82  WITKOWSKI 

dessen  nmss  doch  einige  gewalt  angewendet  werden,  um  in  dem  formonwesen,  dem 
pruukeu  mit  Sinnbildern,  gesellschaftsnamen  und  devisen  etwas  förderliches  zu  ent- 
decken. Auch  bei  der  aufnähme  ist  auf  deutsche  gesinnung  gewiss  nicht  so  hoher 
wert  gelegt  worden,  wie  Zöllner  annimmt;  denn  wie  wären  sonst  so  viele  ausländer 
in  die  gesellschaft  hineingekommen?  Scheiut  es  doch  auch  den  tüchtigsten  und 
eifrigsten  unter  den  Fruchtbringenden  an  der  nötigen  tat  kraft  gemangelt  zu  haben, 
diese  gesinnung  nach  aussen  hin  zu  beweisen;  denn  wir  sehen  sie  in  ihren  briefen 
mit  ausnähme  der  an  die  genossen  gerichteten  ohne  jedes  bedenken  das  verwilderte 
deutsch  der  zeit  gebrauchen.  Die  ausrede  können  wir  Zöllner  nicht  gelten  lassen, 
dass  die  muttersprache  zur  behandlung  manches  Stoffes  noch  nicht  genügend  erzogen 
war;  er  vergleiche  doch  die  politischen  briefe  des  sechszehnten  Jahrhunderts.  Dass 
die  mitglieder  unter  einander  sich  eines  reinen  deutsch  beflissen,  will  wenig  bedeuten. 
So  lange  nicht  gezeigt  werden  kann,  dass  von  dieser  Übung  ein  nachweisbarer,  wesent- 
licher einfluss  auf  die  deutsche  prosa  im  allgemeinen  ausgegangen  ist,  etwa  so  wie 
Opitz  die  verse  mit  einem  schlage  von  der  hauptmasse  der  fremden  Wörter  befreite, 
so  lange  wird  man  in  dem  treiben  der  Fruchtbringenden  nur  mit  Herder  ein  zeuguis 
dafür  sehen,  wie  diese  alten  kinder  sich  freuten,  dass  sie  auch  eine  spräche  hätten, 
in  der  sie  schreiben  und  reimen  könnten. 

Darauf  kommt  es  bei  der  beurteilung  der  alten  Sprachvereine  an;  die  fest- 
stellung  ihrer  gebrauche  und  ihrer  ehrenwerten  absiebten  erscheint  daneben  minder 
wichtig.  Zöllner,  der  offenbar  den  stoff  vollkommen  beherrscht,  möge  in  der  grösseren 
arbeit  über  die  Fruchtbringende  gesellschaft,  die  er  plant,  nach  dieser  seite  sein  Haupt- 
augenmerk richten.  So  erschiene  dann  die  vorliegende  schrift  als  geeigneter  unterbau 
einer  bedeutsamen  Untersuchung. 

Im  titel  der  beiden  s.  1  anm.  2  angeführten  Schriften  sollte  es  palmbaum  statt 
palmeubaum  heissen.  Aus  der  form  der  anmerkung  3  auf  s.  12  muss  der  unkundige 
schliessen,  dass  ich  die  falsche  behauptung  aufgestellt  hätte,  Hüebner  sei  der  erste 
bürgerliche  in  der  Fruchtbringenden  gesellschaft  gewesen,  während  ich  gerade  diese 
frühere  annähme  widerlegt  habe. 

LEIPZIG,   DEN   9.  FEBRUAR   1900.  GEORG   WITKOWSKI. 


K.  H.  von  Stockmayer,  Das  deutsche  soldatenstück  des  XVIII.  Jahrhunderts 
seit  Lessings  Minna  von  Barnhelm.  [Litterarhistorische  forschungen  herausgegeben 
von  J.  Schick  und  M.  frh.  von  Waldberg.  X.  lieft.]  Weimar,  verlag  von  Emil 
Felber  1898.     XI,  125  s.     3  m. 

Mit  grossem  fleisse  hat  der  Verfasser  die  deutschen  dramen  durchmustert,  die 
in  der  zeit  nach  der  Minna  von  Barnhelm  Stoffe  aus  dem  soldateuleben  behandelten. 
Sein  Verzeichnis  zählt  260  solche  stücke  auf,  aber  kein  einziges  von  ihnen  besitzt 
höheren  wert.  Die  Brandes,  Stephanie  d.  J.,  Engel,  'Grossmann,  Möller  nutzen  die 
durch  den  siebenjährigen  krieg  neu  erweckte  teilnähme  an  kriegerischen  taten  und 
gesinnungen  in  ihrer  handwerksmässigen  art  aus  und  finden  unter  dramatikern  des 
gleichen  Schlages  und  dilettanten  zahlreiche  nachfolger.  Ein  innerer  Zusammenhang 
mit  der  Minna  ist  so  wenig  zu  bemerken,  dass  mau  wol  die  frage  auf  werfen  darf, 
ob  es  methodisch  richtig  war,  die  Untersuchung  von  ihr  ausgehen  zu  lassen. 

Weit  fruchtbarer  hätte  sich  die  sorgsame  arbeit  gestaltet,  wenn  der  Verfasser 
das  soldatenstück  der  früheren  zeit,  das  er  gänzlich  ignoriert,    mit  herangezogen  und 


ÜBER    VON    STOCKMAYER.    SOLDATENSTÜCK    DES    18.  JHS.  83 

dadurch  klarer  gezeigt  hätte,  wie  sich   eine   neue   auffassung  des  Soldatenberufes  im 
deutschen  drama  bahn  bricht. 

Es  fehlt  uns  nicht  an  Zeugnissen  aus  dem  unmittelbar  vorhergehenden  Zeitraum, 
die  da  heranzuziehen  wären.  Nur  auf  eines,  ebenfalls  eine  ausgeburt  des  sieben- 
jährigen krieges,  will  ich  hier  hinweisen.  Der  titel  lautet:  „Dersoldat  in  den  Winter- 
quartieren. Eine  operette  von  einem  aufzuge.  Der  dachs  im  loche  beisst  den  hund, 
Soldaten  macht  der  degen  kund.  Honall.  (?)  Quirlequitsch  1759."  Das  interessante 
stück  scheint  völlig  unbekannt  zu  sein,  wenigstens  erwähnen  es  die  litteraturgeschichten 
und  bibliographien  nirgends.  Der  Schauplatz  ist  in  L**,  das  heisst  Leipzig.  In  bunten 
bildern  wird  das  treiben  der  Preussen  in  der  eroberten  Stadt  geschildert.  Zuerst  spielt 
die  scene  vor  dem  tore.  Zwei  Überläufer,  ein  Hesse  und  ein  Schwabe,  die  ebenso 
wie  später  ein  sächsischer  bauer,  ein  Österreicher  und  ein  Niederdeutscher  im  dialekt 
sprechen,  werden  angenommen,  die  mannszucht  der  Preussen  wird  gegenüber  den 
Kroaten  und  Franzosen  gelobt,  der  soldat  liebelt  mit  einer  dienstmagd,  die  seinem 
leutuant  die  einladung  zum  Stelldichein  mit  ihrer  herrin  bringt.  Lebendige  lager- 
scenen  folgen,  der  leutnant  entdeckt  bei  seinem  Soldaten  eine  Leporelloliste  und  singt 
ein  gar  bedenkliches  französisches  lied. 

Eine  Verwandlung  zeigt  die  dame,  die  des  leutnauts  harrt  und  sich  von  ihrer 
magd,  die  zu  den  geliebten  des  Soldaten  zählt,  schmücken  lässt.  Bei  champagnerund 
coufekt  singt  dann  die  dame  dem  leutnant  vor,  ihre  Zärtlichkeiten  werden  sehr  deut- 
lich; aber  der  soldat  unterbricht  sie,  um  den  leutnant  abzurufen,  weil  zwei  anver- 
wandte  von  ihm  aus  Berlin  zu  besuch  gekommen  seien.  Die  dame  bleibt  allein,  bis 
der  bauer  eintritt,  der  sich  nach  seiner  tochter  erkundigen  will,  die  bei  ihr  im  dienste 
steht.     Der  leutnant  kehrt  zurück  und  geht  mit  der  dame  ins  seitenzimmer. 

Die  letzten  sceneu  spielen  auf  der  Strasse.  Kathrinchen  und  Lottchen  sehen 
den  Soldaten  arm  in  arm  mit  dem  betrunkenen  bauern,  Kathrinchens  vater,  daher- 
kommen. Ein  korporal  prügelt  den  bauer,  indem  er  scheinbar  den  Soldaten  meint, 
der  leutnant  und  die  dame  sehen  der  scene  zu  und  trennen  sich,  da  sie  wegen  des 
bankerotts  ihres  mannes  mit  ihm  nicht  auf  die  assemblee  gehen  will,  der  soldat  ver- 
rät den  beiden  mädchen  wider  willen  seine  Flatterhaftigkeit,  weiss  sie  aber  durch  list 
zu  beruhigen,  und  alle  drei  werden  wieder  äusserlich  freunde. 

Das  stück  ist  in  sehr  gewandten  freien  versen  geschrieben.  Es  enthält  eine 
reihe  von  hübschen  gesangsnummern :  liecler,  arien,  duette  und  terzette.  Über  den 
Verfasser  weiss  ich  nichts  zu  sagen,  nicht  einmal,  wem  man  im  jähre  1759  eine 
solche  reihe  treffender  dramatischer  bilder  aus  dem  leben  der  gegenwart  zutrauen 
könnte,  noch  dazu  in  der  damals  seltenen  form  des  Singspiels.     Etwa  Standfuss? 

Die  soldatentypen,  die  hier  vorgeführt  werden,  unterscheiden  sich  beträchtlich 
von  den  entsprechenden  gestalten  der  Minna  und  ihrer  nachfolger,  auf  die  Stockmayer 
sein  augenmerk  richtet.  Der  söldner  reist  wie  ein  fleischerknecht  und  betätigt  das 
gefühl  der  Standesehre,  indem  er  die  friedlichen  mitmenschen  und  die  untergebenen 
prügelt,  frauen  und  töchter  verführt.  Noch  Just  leidet  ja  au  solchen  anwandlungen 
(und  in  Wirklichkeit  haben  erst  die  Napoleonischen  kriege  ein  humaneres  verfahren 
und  höhere  Sittlichkeit  in  den  preussischen  soldatenstand  gebracht);  aber  die  bühne 
liebt  es  nach  dem  siebenjährigen  kriege,  auch  im  Soldaten  die  humanität  des  jahi-hunderts 
darzustellen,  ihm  eine  edle  gesinnung,  milde  sitten  zu  verleihen.  Gerade  daraus  ent- 
springen am  häufigsten  die  conflikte  in  den  von  Stockmayer  behandelten  dramen: 
menschlichkeit  und  pflicht  bringen  den  offizier  in  einen  Zwiespalt,  dem  er  zum  opfer 
fällt.     Die  durch  Lessiug  grossgezogene   niedere  art  der  tragik,   die  in  der  erregung 

6* 


84  H.   FISCHER 

mitleidiger  triihneu  ihr  ziel  sieht,  herrscht  hier  durchaus  vor.  Wenn  das  Bedürfnis 
nach  rühruug  ausgiebig  befriedigt  ist,  darf  dann  die  rettung  durch  fürstliche  gnade 
oder  den  friedensschluss  alles  wieder  ins  reine  bringen. 

Diese  hauptergebnisse  sind  bereits  knapp,  aber  völlig  genügend  in  Hauffens 
kurzer  Übersicht  derselben  dramengruppe  bei  Kürschner  (Das  drama  der  klassischen 
poriode  I,  XXXI  fgg)  vorweggenommen,  die  dem  Verfasser  unbekannt  zu  sein  scheiut. 

Es  ist  sonderbar,  dass  Stockmayer  die  Soldatenstücke  des  Sturmes  und  drauges 
vollkommen  unbeachtet  gelassen  hat;  nur  ein  paarmal  (s.  28.  50.  73)  erwähnt  er  Lenz 
flüchtig.  Auch  auf  die  reichsarmee  des  „Götz",  die  Soldaten  in  den  „ Räubern",  den 
major  Walther  in  „ Kabale  und  liebe"  konnte  hingedeutet  werden,  um  den  blick  aus 
der  uiederung  auch  ein  wenig  zu  den  höhen  der  dichtung  zu  lenken.  So  erhalten 
wir  nur  ein  recht  einförmiges  bild.  Die  spräche  der  arbeit  sollte  sauberer  sein.  „Die 
pointillöse  strenge  der  militärischen  gesetze "  (s.  35)  und  ähnliches  empfindet  man, 
auch  ohne  purist  zu  sein,  als  hässlich  und  störend. 

LEIPZIG,    DEN   23.  FEBRUAR   1900.  GEORG   WITKOWSKI. 


Regesten  zu  Friedrich  Schillers  leben  und  werken.  Mit  einem  kurzen 
überblick  über  die  gleichzeitige  litteratur.  In  tabellarischer  anorduuug  bearbeitet 
von  Ernst  Müller.  Leipzig,  R.  Voigtländer  1900.  8°.  VII,  178  s.  4  m. 
Der  Verfasser  dieses  Werkes  hat  sich  schon  durch  frühere  arbeiten  in  sehr 
anerkennenswerter  weise  um  die  kenntnis  Schillers  verdient  gemacht,  am  meisten 
durch  die  reichhaltigen  und  gründlichen  zusätze  zu  der  neuen  ausgäbe  von  Schillers 
kalender  (1893).  Regesten  zu  Schillers  leben  und  werken  können  nur  willkommen 
geheissen  werden,  denn  seit  Saupes  buch  von  1855  sind  keine  mehr  erschienen;  die 
sehr  genaue  Zusammenstellung  bei  Goedeke  V.  beschränkt  sich  auf  die  werke.  Müller 
hat  sein  buch  in  tabolleuform  mit  drei  kolumnen  augeordnet.  Die  erste  enthält  das 
datum,  die  zweite  die  biographischen  angaben,  die  dritte  die  angaben  über  die  werke 
nebst  briefen.  Eine  zuerst  geplante  vierte  kolumne  „  Gleichzeitige  litterarische  er- 
scheinungen  und  ereignisse "  ist  des  raumes  wegen  an  den  fuss  der  Seiten  verwiesen 
worden  und  zwar  in  der  art,  dass  am  beginn  jedes  Jahres  die  dahin  gehörigen  notizen 
gegeben  sind.  Der  zweck,  ein  möglichst  vollständiges  chronologisch  geordnetes  bild 
von  Schillers  existeuz  zu  geben,  wird  auf  diese  weise  erreicht  worden  sein.  Es  muss 
aber  doch  gefragt  werden,  ob  die  publikation  sich  nicht  in  gewissen  punkten  ihr  ziel 
hätte  genauer  setzen  sollen.  Ich  rede  nicht  von  der  richtigkeit  der  einzelnen  angaben. 
Bei  einem  so  genauen  arbeiter  wie  Müller  kann  ich  sie  wol  voraussetzen,  und 
andererseits:  dass  ein  aus  lauter  einzelangaben  zusammengesetztes  buch  nicht  da  und 
dort  der  kritik  verfallen  sein  sollte,  ist  schon  deswegen  nicht  möglich,  weil  über  die 
aufnähme  oder  weglassung  vieler  einzelheiten,  über  das  mass  des  wichtigen  und  un- 
wichtigen jeder  einzelne  benutzer  wieder  anderer  meinung  sein  wird.  Hierher  kann 
man  es  rechnen,  wenn  schlechtweg  der  10.  november  als  Schillers  geburtstag  genannt, 
die  möglichkeit  des  11.  gar  nicht  erwähnt  wird;  worauf  es  beruht,  dass  zwar  der 
geburtstag  der  mutter  Schillers,  nicht  aber  der  seines  vaters  angegeben  ist,  kann 
man  sich  nicht  wol  denken.  Es  wäre  zu  wünschen  gewesen,  dass  Müller  absolute 
Vollständigkeit  in  allen  solchen  angaben  angestrebt  hätte,  welche  ganz  bestimmt 
zahlenmässig  zu  belegen  sind;  denn  mit  subjektivem  ermessen  kommt  man  da  nicht 
durch.     Ebenso  wäre  es  richtig  gewesen,  nicht  mehrere  daten,  die  sachlich  zusammen 


ÜBER    MÜLLER.    SCHILLERREGESTEN'  85 

gehören,  der  kürze  und  Übersichtlichkeit  wegen  unter  ein  einziges  zusammen  zu 
bringen.  Es  ist  das  danu  und  wann  geschehen.  Wenn  die  betreffenden  daten  nicht 
durch  ein  weiteres  getrennt  sind,  kann  man  sich  damit  einverstanden  erklären;  es 
schadet  wenigstens  nichts,  wenn  es  s.  96  heisst:  „11.  und  17.  [aug.  1795]  über 
Goethes  Wilhelm  Meister",  denn  zwischen  dem  11.  und  17.  ist  nichts  verzeichnet. 
Aber  auf  derselben  seite  steht:  „8.  11.  18.  21.  25.  [sept.]  an  Körner  , Würde  der 
frauen',  , Elegie'  und  andere  gedichte  zur  kritik".  Hier  ist  zunächst  Unklarheit  und 
uuvollständigkeit  zu  tadeln:  dass  die  „ Elegie"  dasselbe  gedieht  ist,  das  später 
„Spaziergang"  heisst,  durfte  ein  derartiges  werk  nicht  als  bekannt  voraussetzen, 
ausserdem  ist  in  den  genannten  briefen  an  Körner  zwar  einmal  allgemein  von  „einer 
handvoll  poesien"  die  rede,  aber  ausdrücklich  genannt  sind  auch:  „  Natur  und  schule  ", 
„Ideale",  „Macht  des  gesanges  ",  „Pegasus  im  joche",  „Tanz",  „Reich  der  schatten", 
„Stanzen  an  den  leser";  warum  führt  Müller  nur  die  zwei  an,  die  gar  nicht  einmal 
besonders  ausführlich  besprochen  sind?  Ausserdem  aber  gieng  es  doch  nicht  an,  diese 
daten  alle  zusammen  zu  fassen,  da  unterm  8.,  9-,  13.,  14.,  18.  sept.  sich  regesteu 
aus  andern  briefen  finden.  Es  scheint  mir  überhaupt  nicht  aDgängig,  die  briefe  so 
zu  behandeln,  dass,  wie  geschehen  ist,  unter  jedem  monat  in  der  dritten  kolumne 
alle  briefe  des  monats  in  einer  notiz  zusammen  gefasst  sind;  z.  b.  eben  sept.  1795: 
.,18  briefe  nr.  901  —  918.  An  Cotta  (5),  Humboldt,  Körner  (5),  Goethe  (3),  Voigt, 
F.  L.  W.  Meyer,  Erhard,  W.  Schlegel".  Das  führt  mich  auf  ein  weiteres  desiderium. 
Es  sind  gelegentlich,  besonders  zu  anfang,  die  quellen  für  die  einzelnen  angaben  mit- 
geteilt; meistens  aber  ist  das  gar  nicht  geschehen,  und  das  ist  ein  grosser  mangel. 
In  einem  regestenwerk  sollte  es  selbstverständlich  sein,  dass  zu  jeder  angäbe  die 
quelle  angegeben  würde;  ich  wüsste  nicht,  dass  das  in  historischen  regesteu  je  anders 
gehalten  worden  wäre.  Es  ist  auch  ganz  natürlich.  Jemand  kann  eine  tatsache  und 
ihr  datum  kennen,  möchte  aber  finden,  wo  darüber  berichtet  ist.  Ich  kann  genau 
wissen,  dass  Schiller  am  26.  mai  1789  seine  erste  Vorlesung  gehalten  hat,  und  mich 
auch  seines  oft  citierten  berichts  darüber  gut  erinnern;  aber  hat  er  diesen  au  Körner 
oder  au  Charlotte  erstattet?  Das  finde  ich  ja  rasch  bei  Jonas,  aber  noch  rascher 
sollte  ich  es  bei  Müller  finden  können.  Dass  über  die  Graubündner  affaire  Ferd.  Vetters 
aufsatz  nachzulesen  ist,  weiss  mancher;  aber  wo  steht  der  aufsatz?  Wo  ist  der 
einzeldruck  des  gedichts  auf  Rieger  publiciert?  Manche  werden  wissen,  dass  beides 
in  Schnorrs  Archiv  für  litteraturgeschichte  steht,  aber  band  und  seite  weiss  ich  nicht 
auswendig,  obwol  ich  selbst  es  gewesen  bin,  der  das  gedieht  auf  Rieger  dort  publi- 
ciert hat.  Alle  solche  fragen  und  noch  ferner  liegende  rasch  zu  beantworten,  das 
ist  eben  die  aufgäbe  von  solchen  regestenwerken.  Am  besten  wäre  den  quellen- 
angaben  eine  eigene  kolumue  gewidmet  worden;  diese  hätte  dann  auch  die  angabeu 
über  datum  und  adressaten  der  briefe  aufnehmen  können,  die  werke  hätten  eine  eigene 
kolumne  bilden  oder  kurzweg  in  die  biographische  kolumne  aufgenommen  werden 
mögen,  denn  sie  sind  von  dem  biographischen  doch  nicht  zu  trennen  und  es  ist  in 
Müllers  zweiter  kolumne  von  ihnen  alle  augenblicke  die  rede.  Mau  hätte  dann  auch 
nur  drei  kolumnen  bekommen:  zeit,  gegenständ,  bibliographische  angäbe.  Möglich 
oder  wahrscheinlich,  dass  das  buch  dadurch  dicker  geworden  wäre.  Aber  das  wäre 
zu  ertragen  gewesen;  denn  sein  umfang  ist  doch  massig  genug.  Es  hätte  aber  auf 
anderem  wege  räum  gespart  werden  können.  Die  gleichzeitigen  litterarischen  er- 
scheinungen  sind  ganz  angenehm  und  lehrreich,  aber  sie  konnten  mit  weniger  schaden 
geopfert  werden.  Auch  am  text  der  regesteu  selbst  konnte  gespart  werden,  wenn 
der  Verfasser  den  zweck  eines  solchen  buches  fest  im  äuge  behielt.    Tatsachen,  daten, 


86  WITKOWSKI    ÜBER    GAEDE,    SCHILLERS    NAIVE    U.  SENTIM.  DICHTUNG 

quellen  sollen  und  zwar  so  vollständig  und  präcis  als  möglich  mitgeteilt  werden^ 
zum  lesen  ist  so  ein  buch  nicht  da.  Ästhetische  urteile,  moralische  verdicte  sucht 
man  nicht  darin;  ebenso  nicht  ausgeführte  sätze,  sondern  kurze  und  klare  Stich- 
wörter. Was  will  ein  eitat  wie  s.  6  „wider  seines  herzeus  drang",  wo  die  auführungs- 
zeichen  noch  dazu  die  Vorstellung  erwecken  müssen,  als  ob  das  worte  Schillers  und 
nicht  vielmehr  Uhlands  wären?  Oder  s.  14  „doch  geht  er  aus  diesem  kämpf  der 
sinne  siegreich  hervor";  s.  157:  „herrliche  trostbriefe  "  ?  Auch  ein  gedankenstrich 
wie  s.  33:  ..  Dalberg  lässt  Seh.  auffordern,  zur  —  medicin  zurückzukehren"  ist  ebenso 
überflüssig  wie  der  zusatz:  „Er  hätte  den  dichter  gerne  losgehabt".  Solche  urteile 
gehören  nicht  her.  Vielmehr  möchte  man  möglichst  alles  tatsächliche  und,  da  „alles" 
in  solchen  fällen  ein  relativer  begriff  ist,  das  gegebene  möglichst  bündig  und  klar 
finden.  Dass  der  „alte  Herodes"  (s.  83)  der  herzog  Karl  von  Württemberg  ist,  weiss 
nur  der  kenner.  Ein  ausdruck  wie  s.  42:  „Besuch  Arnim's  in  Tharandt"  ist  un- 
deutlich. Ebenso  wäre  s.  171  statt  „Festspiel"  besser  „Huldigung  der  künste"  ge- 
setzt worden.  —  Nach  Schillers  tod  ist  begreiflicherweise  nur  eine  auswalil  von  daten 
gegeben;  es  ist  natürlich  subjeetive  anschauuug,  ob  einer  hier  mehr,  der  andere 
weniger  wünscht.  Aber  Vollständigkeit  innerhalb  der  einzelnen  angaben  und  gleiche 
behaudluug  des  gleichen  musste  auch  hier  gefordert  werden.  Wenn  z.  b.  das  jähr 
der  enthüllung  des  Stuttgarter,  Weimarer.  Berliner  und  Marbacher  denkmals  an- 
gegeben wurde,  so  konnte  und  musste  jedesmal  auch  der  tag  angegeben  werden;  es 
musste  bei  dem  Marbacher  deukmai  der  künstler  genannt  werden,  wenn  er  bei  den 
andern  genannt  wurde.  —  Ich  habe  mehrere  desiderien,  zum  teil  principieller  art, 
geäussert;  ich  füge  den  wünsch  bei,  es  möge  der  fleiss  des  Verfassers  durch  eine 
zweite  aufläge  belohnt,  bei  dieser  aber  die  bedenken  beseitigt  werden,  die  sich  gegen 
anläge  und  ausführung  der  ersten  noch  haben  erheben  lassen. 

TÜBINGEN,    DEN    26.    JANUAR    1901.  HERMANN    FISCHER. 


Dr.  U.  Oaede,  Schillers  abhandlung  „Über  naive  und  senti  mentalis  che 
dichtung".  Studien  zur  entstehungsgeschichte.  Berlin,  verlag  von  Alexander 
Duncker  1899.     72  s.     2  m. 

Schillers  abhandlung,  das  fundament  unserer  gesamten  litterarischen  kritik, 
sieht  der  leser  der  Schrift  Gaedes  aus  dem  innern  des  philosophierenden  dichters 
hervorwachsen.  Mit  vorsichtigem  schritte  wird  der  entstehungsprocess  verfolgt  und 
so  zugleich  die  beste  erläuterung  der  grundbegriffe  gegeben.  Die  gründliche,  ungemein 
klare  darstellung  wird  so  zu  einem  vortrefflichen  kommentar,  der  sich  zwar  in  vielen 
teilen  auf  die  Vorgänger  (namentlich  Tomaschek  und  Kühnemann)  stützt;  aber  doch 
allenthalben  selbständig  das  frühere  zu  verwerten  und  systematisch  zu  gruppieren  ver- 
steht. Der  beweis,  dass  das  wichtigste,  die  eintoilung  des  gesamtbereichs  der  dichtung 
in  die  beiden  grossen  gebiete  des  naiven  und  des  sentimentalischeu,  erst  dem  jähre 
1795  angehört,  ist  Gaede  überzeugend  gelungen.  Ansprechend  ist  auch  der  hinweis 
auf  Wielands  einfluss  auf  Schiller,  der  dazu  beitrug,  das  abstrakte  Rousseausche 
ideal  durch  das  konkrete  des  Griechentums  zu  ersetzen. 

Das  Verhältnis  zu  Goethe  wird  von  Gaede  als  einzige  Ursache  der  ästhetischen 
Studien  Schillers  bezeichnet.  Das  ist  eine  einseitige  auffassung.  Ebenso  wäre  bei  der 
datierung  des  entscheidenden  gesprächs  der  beiden  männer  auf  den  juli  1794,  freilich 
den  wahrscheinlichsten    Zeitpunkt,    ein    hinweis   auf  die    mangelnde    dokumentarische 


W1TK0WSKI    OBEH   LE1TZMANK,    HUMBOLDT 


Sicherheit  augebracht  gewesen.     S.  55  /..  12  ist  der  störende   druckfehler   objekt  statt 
Subjekt  stehen  geblieben. 

LEIPZIG.    DEN    16.  FEBRUAR    1900.  GEORG    WITKOWSKI. 


Briefwechsel  zwischen  Karoline  von  Humboldt.  Eahel  und  Varnhagen 
herausgegeben  von  Albert  Leitzmanu.  Weimar,  Hermann  Böhlaus  nachfolger 
1896.  IX.  221  s.  4,50  m. 
Wilhelm  von  Humboldt,  sechs  ungedruckte  aufsätze  über  das  klassische  altertum. 
Herausgegeben  von  Albert  Leitzmanu.  Leipzig.  G.  J.  Göschensche  Verlags- 
buchhandlung 1896.  (Deutsche  litteraturdenkmale  des  18.  und  19.  Jahrhunderts, 
herausgegeben  von  A.  Sauer  nr.  58  —  62).     LIV.  214  s.     3  m. 

Erst  vor  kurzem  habe  ich  von  der  redaktion  die  beiden  im  titel  genannten 
Schriften  zugesandt  erhalten,  so  dass  also  nicht  mich  die  schuld  der  sehr  verspäteten 
besprechung  trifft.  Der  inhalt  beider  entstammt  zum  grössteu  teil  den  handschrift- 
lichen schätzen  Tegels.  In  der  ersten  führt  zumeist  Rahel  in  ihrer  bekannten,  jede 
Stimmung  unverhüllt  aussprechenden  art  das  wort.  Sie  drängt  sich  an  die  vornehmere 
Karoline  seit  1795  heran,  beide  tauschen  ihre  herzenserlehuisse  aus  und  bleiben  bis 
1S01  in  einem  freilich  nicht  sehr  lebhaften  schriftlichen  verkehr.  Dieser  ruht  dann 
völlig,  während  die  Humboldts  in  Rom  weilen,  und  wird  erst  1813  wieder  aufgenommen. 
Die  briete  aus  diesem  und  dem  folgenden  bedeutungsvollen  jähre  bilden  den  haupt- 
teil der  Sammlung.  Rahel,  die  in  Prag  sich  mit  allen  kräften  der  fürsorge  für  die 
verwundeten  widmet,  veranlasst  die  Wiener  freundin  dazu,  in  ihren  kreisen  geld  und 
kleidung  zu  sammeln,  daneben  verfolgt  sie  aber  andauernd  die  weniger  selbstlose  ab- 
sicht,  Varnhagen  die  gunst  Wilhelms  von  Humboldt  durch  Vermittlung  der  gattiu  zu 
verschaffen.  Varnhagen  selbst  unterstützt  dieses  bestreben  durch  seine  briefe  vom 
kriegsschauplatz,  die  in  ihrer  süsslicheu  geschwätzigkeit  nirgends  den  kräftigenden 
hauch  der  grossen  zeit  atmen  und  den  Schreiber  nur  bemüht  zeigen,  sich  auf  jede 
weise,  selbst  mit  hilfe  der  abscheulichsten  indiskretion  (s.  135),  bei  der  nach,  seiner 
ansieht  vielvermögenden  frau  einzuschmeicheln.  Als  er  im  hafen  der  sicheren  lebens- 
stellung  gelandet  ist,  verstummen  seine  früher  so  beredten  huldigungen  und  auch 
seine  gattin  Rahel  hat  der  „vielgeliebten  verstehenden  freundin'1  nichts  mehr  zu  sagen. 
Nur  noch  ein  letzter,  durch  drei  jähre  von  seinen  Vorgängern  getrennter  brief  Karo- 
linens  bezeugt  durch  das  Sie,  das  an  die  stelle  der  frühereu  vertrauten  anrede  ge- 
treten ist,  die  entfremdung. 

Es  wird  wenige  briefwechsel,  zumal  von  weiblichen  bänden,  geben,  die  so  un- 
sympathisch berühren  und  so  wenig  tatsächliches  enthalten.  Nirgends  ergibt  sich  eine 
irgendwie  wesentliche  Vermehrung  unseres  bisherigen  wissens  von  den  äusseren  Schick- 
salen der  drei  beteiligten,  auch  in  ihrem  charakterbilde  werden  nur  die  bisher  be- 
kannten züge  hier  und  da  vertieft.  Höchstens  Hesse  sich  in  dem  besten  litterarischen 
porträt  Raheis,  Walzels  skizze  in  der  Allgemeinen  deutschen  biographie,  auf  gruud 
der  Prager  briefe  der  satz  einschränken,  dass  Raheis  herz  nach  1804  für  alle  Zeiten 
stumpf  und  müde  geworden  sei.  Denn  sie  zeigt  noch  mit  43  jähren  eine  wahrhaft 
erstaunliche  entzündbarkeit  und  liebesbedürftigkeit. 

Aber  auch  das  ist  uns  doch  schon  so  vielfach  durch  die  unermüdliche  Ludmilla 
bezeugt,  dass  nicht  einzusehen  ist.  weshalb  die  paarhalme,  die  sie  absichtlich  liegen 
liess  oder  nicht  in  ihre  scheuern  einfahren  konnte,   noch  zu   einer   magern    garbe  ge- 


SS  MEYER  ÜBER  WAAG  .  BEDEUTUNGSKNTWICKLUNG   UNSERES  WORTSCHATZES 

bunden  werden  müssen.  Solches  leere  stroh  wie  nr.  18  oder  nr.  39  oder  gar  das 
fragmentarische  sätzchen  am  Schlüsse  von  nr.  58  braucht  wahrlich  nicht  gedroschen 
zu  werden.  Hätte  Leitzmanu  die  paar  stellen,  die  von  iuteresse  sind  (wie  etwa  die 
entrüstete  äusserung  Varnhagens  über  die  verse  Goethes  an  Marie  Luise  s.  61)  au 
geeignetem  orte  veröffentlicht,  so  wäre  in  bezug  auf  diese  briefe  das  nötige  und 
nützliche  geschehen. 

Einen  weit  höheren  wert  besitzt  die  zweite  im  titel  genannte  publikation,  deren 
stoff  Leitzmanu  ebenfalls  dem  handschriftenhort  Tegels  verdankt.  Wilhelm  von  Hum- 
boldt ist  der  reifste  sohu  der  zeit  Schillers  und  Goethes.  Jedes  wort,  das  er  hinter- 
lassen hat,  durchdringt  die  frühzeitig  abgeklärte  ruhe,  der  angeborene  und  erworbene 
Charakter  des  edlen  mannes.  Das  ideal  der  ästhetischen  erziehung  sucht  er  durch 
intensive  beschäftigung  mit  dem  klassischen  altertum  zu  verwirklichen,  dessen  wert 
für  die  gegen  wart  der  erste  der  sechs  aufsätze,  „Über  das  Studium  des  altertums  und 
des  griechischen  insbesondere"  1793  in  knapper  philosophischer  deduktion  zu  be- 
weisen sucht.  Friedrich  August  Wolf,  Schiller  und  dem  coadjutor  von  Dalberg  wurde 
die  skizze  vorgelegt.  Die  beiden  letzteren  versahen  sie  mit  interessanten  rand- 
bemerkungen,  die  der  abdruck  wiedergibt;  AVolf  benutzte  sie  für  seine  „Darstellung 
der  altertumswissenschaft "  im  jähre  1807.  Der  zweite,  unvollständig  erhaltene  auf- 
satz  (aus  dem  dezember  1 795)  enthält  eine  Charakteristik  Pindars,  als  ersten  versuch 
einer  Charakteristik  des  griechischen  dichtergeistes ,  der  dritte  höchst  merkwürdige 
„Betrachtungen  über  die  Weltgeschichte",  die  sich  nicht  bestimmt  datieren  lassen. 
Er  gehört  streng  genommen  nicht  in  den  durch  den  titel  der  Sammlung  begrenzten 
rahmen;  doch  ist  er  als  frühes  Zeugnis  für  die  grosse  geschichtsauffassung  Humboldts 
wichtig,  die  mit  der  geltenden  ideenlehre  positive  naturwissenschaftliche  grundsätze 
verbindet.  Der  spanischen  reise  vom  winter  1799  auf  1800  verdankt  der  umfaug- 
reiche,  an  Goethe  gerichtete  beiicht  über  das  antike  theater  zu  Sagunt  seine  ent- 
stehung,  ausgezeichnet  durch  die  schärfe  der  beobachtung  und  die  anmut  der  Schil- 
derung. In  Rom  endlich  entstanden  die  beiden  letzten,  grössten  arbeiten  des  bandes. 
Die  erste,  „Latium  und  Hellas  oder  betrachtungen  über  das  klassische  altertum", 
schliesst  mit  einer  fragmentarischen  betrachtung  über  das  Sprachstudium  als  ausgangs- 
punkt  für  die  eikeuntnis  der  nationalen  eigenart,  die  zweite  ist  der  ausatz  zu  einer 
geschichte  des  Verfalls  und  Untergangs  der  griechischen  freistaaten,  um  von  diesem 
punkte  aus  den  allgemeinen  gaug  der  Weltgeschichte  zu  beleuchten  und  speciell  die 
entwicklung  Deutschlands  bis  zur  gegenwart  und  darüber  hinaus  abzuspiegeln.  In 
ihrer  gesamtheit  geben  diese  unvollendeten  arbeiten  ein  klares  bild  der  grossen 
interessen  Humboldts  und  stellen  zugleich  den  geist  der  grossen  zeit  ihrer  eutstehung 
in  seinem  Übergang  von  reinen  ästhetischen  bestrebuugen  zur  teilnähme  an  den 
politischen  und  sozialen  fragen  der  gegenwart  dar. 

LEIPZIG,   UEN   3.  AUGUST    1900.  GEORG   WITKOWSKI. 


Albert  Waag,  Bedeutungsentwicklung  unseres  Wortschatzes.  Auf  grund 
von  II.  Pauls  „Deutschem  Wörterbuch"  in  den  haupterscheinuugen  dargestellt. 
Lahr  i.  B.,  M.  Schaueuburg  1901.     XVI,  200  s.     3  m. 

Unter  „bedeutungslehre"  oder  „Semasiologie"  verstehen  wir  in  unserer  an- 
spruchslosigkeit  die  Zusammenstellung  einiger  empirischer  kategorieu  des  bedeutungs- 
wandels  unter  beigäbe  einiger  beispiele.    Es  muss  also  als  ein  wesentlicher  fortschritt 


ILA  IT  FEX    ÜBER    PETSCH,    VOLKSRÄTSEL  ÖV 

angeseheu  werden,  wenn  mau  bei  principiellem  verzieht  auf  systematische  durch- 
arbeitung  jener  kategorien  mindestens  durch  erschöpfende  aufzahlung  der  jeder  ein- 
zelnen zugehörigen  fälle  über  den  zufallscharakter  der  meisten  semasiologischen  Studien 
fortzukommen  sucht.  Hierin  liegt  der  wert  von  Waags  buch:  es  ist  überhaupt  der 
erste  versuch,  die  bedeutungsentwicklung  eines  bestimmten  Zeitraums  —  ungefähr 
von  der  ahd.  zur  nhd.  Sprachperiode  —  vollständig  darzustellen.  "Wenn  das  buch 
deshalb  auch  als  rein  wissenschaftliche  leistung  nicht  so  hoch  gestellt  werden  kann 
wie  Liebichs  interessantes  (hier  ebenfalls  von  mir  gewürdigtes)  experiment,  so  ist, 
dafür  seine  praktische  bedeutuug  um  so  grösser.  Denn  Kluge  in  seiner  höchst  an- 
erkennenden recension  (in  der  Deutschen  literaturzeitung  1901,  sp.  665)  rühmt  ihm 
mit  recht  klarheit,  durchsichtigkeit  und  sichere  beherrschung  eines  umfangreichen 
materials  nach. 

Wir  erhalten  so  im  gegensatz  zu  Liebichs  mit  der  analogie  der  botanik  spielen- 
dem werk  eine  art  von  geologie  der  gegenwärtigen  Wortbedeutungen:  sie  werden  jedes- 
mal bis  ungefähr  an  die  letzte  unter  der  Oberfläche  liegende  bedeutungsschicht  ver- 
folgt und  wir  erhalten  also  gleichzeitig,  allerdings  nur  nebenbei,  eine  chronologische 
Übersicht  der  deutschen  wortinhalte.  Die  zahl  der  kategorien  ist  nicht  eigentlich  ver- 
mehrt, aber  um  wertvolle  Unterabteilungen  bereichert.  Neu,  nicht  an  sich,  aber  in 
diesem  Zusammenhang  ist  die  mit  vielem  glück  durchgeführte  beobachtung  gewisser 
so  zu  sagen  rein  gesprächsmässiger  Umwandlungen  der  bedeutuug:  durch  Übertreibung 
(s.  113),  litotes  und  euphemismus  (s.  125  fg.),  ironie  (s.  132;  die  s.  133  angeführten 
beispiele  würde  ich  aber  eher  als  metaphorisch  auffassen).  Wirklich  neu  scheinen 
mir  die  sehr  beachtenswerten  ausführungen  über  den  bedeutungswandel  von  wort- 
gruppen  (s.  166 fg.).  Die  schwächsten  teile  sind  wol  die  kapitel  über  metonymie  (s.  85  fg.; 
doch  hübsch  der  abschnitt  über  symbolische  handlungeu  und  dgl.  s.  91  fg.)  und  über 
anpassung  an  die  kulturverhältuisse  (s.  177  fg.),  wo  fruchtbare  gesichtspunkte  etwas 
dürftig  durchgeführt  sind  und  gelegentlich  sich  sogar  ein  etwas  oberflächliches  Schön- 
geistern einstellt. 

Im  ganzen  wird  das  buch  gute  dienste  tun  und  nicht  bloss  —  was  Kluge  be- 
sonders wünscht  —  der  schule,  sondern  auch  der  forschung  erfreuliche  anregungen 
geben.  Die  Vollständigkeit  der  beispiele  —  die  natürlich  keine  absolute,  aber  eine 
völlig  ausreichende  ist  —  reizt  schon  den  leser  zum  weiterarbeiten  und  wird  wol 
auch  den  verf.  selbst  reizen,  durch  vergleichende  Übersicht  über  alter,  häufigkeit, 
kraft  der  verschiedenen  kategorien  des  bedeutungswaudels  die  bald  zu  erhoffende 
zweite  aufläge  seines  werkchens  zu  ergänzen. 

BERLIN,    8.  APRIL    1901.  RICHARD    M.  MEYKR. 


Neue  beitrage  zur  kenntnis  des  volksrätsels.    Von  Robert  Petsoh.    (Palaestra. 

Untersuchungen  und  texte  aus  der  deutschen  und  englischen  philologie.    Heraus- 
gegeben von  Alois  Brandl  und  Erich  Schmidt  IV.)    Berlin,  Mayer  *.V  Müller, 
1899.     Vlir,  152  s.     3,60  m. 
Nach  einer  kurzen  einleitung  über  die  bisherige  wissenschaftliche  beschäftigung 
mit  dem  volksrätsel   und  über  die  älteren  deutschen  rätselbücher  tritt  P.  an  seine 
eigentliche   aufgäbe,    die   stilistische   beschreibung  der  deutschen  volksrätsel,    heran. 
Er  hat  hierfür  den  ganzen  heimischen  bestand,  so  weit  er  litterarisch  fixiert  ist,  ge- 
prüft, die  beispiele  für  Norddeutschland  zumeist  der  grossartigen,  über  2000  stück 


90  •  IIATJFFEB 

enthaltenden  Sammlung  mecklenburgischer  rätsel  von  Wossidlo1,  für  Süddeutschland 
der  Zusammenstellung  Tiroler  rätsel  von  Renk-  entnommen,  doch  auch  rätsel  aus 
anderen  deutsehen  landschaften,  ferner  aus  englischen,  schottischen,  nordgermanischen, 
romanischen  u.  a.  Sammlungen  zur  eiiäuterung  seiner  theoretischen  ausführungen 
herangezogen.  P.  kommt  es  hierbei  nur  auf  die  volksrätsel  an,  im  gegensatz  zu 
den  kunsträtseln,  die  von  meist  bekannten  dichtem  in  reimen  abgefasst  wurden. 
Auch  solche  kunsterzeugnisse  der  jüngeren  zeit  können  aus  der  deutschen  oder 
fremden  litteratur  in  das  volk  eindringen  und  zu  „volkstümlichen  rätseln"  werden. 
wie  deren  mehrere  auch  "Wossidlo  (s.  138  fgg.)  abgedruckt  hat.  Die  Verhältnisse  liegen 
hier  ähnlich  wie  beim  Volkslied,  kunstlied  und  volkstümlichen  lied.  Als  volksrätsel 
kann  man  demnach  m.  e.  nur  solche  rätsel  bezeichnen,  die  (gleichviel  ob  im  volke 
seihst  entstanden  oder  von  einem  dichter  oder  aus  der  fremde  entlehnt)  seit  alters 
in  den  breiten  schichten  des  volkes  gedächtnismässig  überliefert,  der  eigenart  des 
volkes  entsprechend  umgestaltet,  in  seine  anschauungs-  und  ausdrucksweise  über- 
tragen wurden  und  daher  auch  (nicht  immer,  aber  häufig)  in  der  mundart  erzählt 
werden.  Die  kennzeichen  des  echt  volksmässigen  gegenüber  dem  kunsterzeugnis  wird 
man  beim  rätsel,  wie  beim  liede,  am  sichtbarsten  im  stile  erkennen.  Darum  legt  P. 
mit  recht  Schwergewicht  auf  die  Stiluntersuchung. 

Aber  auch  innerhalb  der  volksrätsel  ist  noch  eine  weitere  sichtung  notwendig. 
Man  hat  schon  früh  zwei  gruppen  unterschieden,  die  Scherzfragen,  bei  denen  der 
scherz  an  sich,  und  die  wirklichen  rätsel,  bei  denen  die  lösung  die  hauptsache  ist. 
Wossidlo  in  seiner  vielberufenen  Sammlung  unterscheidet  die  eigentlichen  oder  sachen- 
rätsel,  wo  es  sieh  immer  um  das  erraten  der  (wenn  auch  in  unbestimmten  oder 
dunklen  andeutungen)  positiv  charakterisierten  sache  handelt,  und  die  scherzrätsel 
(fragen,  komische  aufgaben,  Wortspiele),  halslösungsrätsel  und  rätselmärchen ,  die  alle 
gar  nicht  gelöst  werden  können  (vgl.  auch  E.  H.  Meyer,  Deutsche  Volkskunde  s.  333). 
Hier  hat  P.  weiter  gearbeitet  und  die  sonderungen,  begriffsbestimmungen  und  be- 
schreibungen  auch  für  die  Unterabteilungen  besorgt.  Da  mir  seine  ergebnisse  richtig 
und  von  entschiedenem  werte  für  kommende  forschungen  und  Sammlungen  auf  dem 
gebiete  des  rätseis  zu  sein  scheinen,  gebe  ich  sie  in  knapper  übersieht  wieder. 

P.  stellt  zwei  gruppen  auf.  I.  Die  unwirklichen  volksrätsel.  Das  sind 
fragen,  die  meist  gar  nicht  gelöst  werden  können,  weil  der  gefragte  in  die  kenntnis 
der  hierbei  waltenden  zufälligen  umstände,  der  willkürlich  angenommenen  bedeutung 
der  worte  usw.  nicht  eingeweiht  ist.  Sie  suchen  den  hörer  zum  besten  zu  halten. 
abzulenken.  Sind  also  keine  wirklichen  rätsel.  Der  fragesteller  gibt  die  lösung  selbst 
und  erheitert  oder  überrascht  damit  den  hörer.  Drei  Unterabteilungen  sind  in  dieser 
gruppe  zu  unterscheiden.  1.  Weisheitsproben,  die  eigentlich  gar  keine  rätsel  sind, 
denn  sie  wenden  sich  zunächst  nicht  an  den  kombinierenden  verstand,  sondern  an 
das  erlernte  wissen ,  sie  verlangen  nicht  vom  hörer,  dass  er  raten,  sondern  dass  er 
auf  grund  seiner  kenntnisse  antworten  soll.  Vieh'  von  diesen  proben  aber  spielen 
durch  die  art  ihrer  fragestellung  in  das  gebiet  des  rätseis  über.  2.  Halslösungs- 
rätsel, die  meist  Verbrechern  unter  dem  galgen  in  den  mund  gelegt  werden  und 
unter  normalen  umständen  überhaupt  nicht  zu  lösen  sind,  weil  sie  dunkle  beziehungen 
zu  einem  ganz  außergewöhnlichen  Vorkommnis  oder  zu  der  zufälligen  Situation  des 
fragestellers   enthalten.     Dadurch,   dass  zu  ihrer  erläuterung  das  betreffende  ereignis 

1)  Mecklenburgische  Volksüberlieferungen.    1.    Rätsel.    Wismar  1897. 

2)  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde,  V  s.  147— 160. 


i'ni'.i;    PETSCH,    VOLKSRATSEl  91 

erzählt  werden  muss,  nahem  sie  sich  der  besonderen  klasse  der  rätselmärchen,  die 
aber  je  nach  der  ausführung  wirkliche  rätsei  enthalten  können.  3.  Scherzfragen. 
Diese  können  auf  Verwechslungen  grammatischer  oder  logischer  art  beruhen.  Die 
namenrätsel,  rechenaufgaben  und  Zweideutigkeiten  gehören  auch  hierher. 

Nach  der  ausscheidung  dieser  gattungen  schafft  sich  P.  freien  räum  für  die 
wichtigere  grappe  II,  die  wirklichen  volksrätsel.  Es  ist  nicht  leicht,  die  uner- 
schöpfliche fülle  von  formen,  die  sich  hier  darbieten,  nach  festen  grundsätzen  sicher 
zu  beurteilen  und  zu  scheiden,  "^"ossidlo  hatte  bereits  versucht  die  wirklichen  rätsel 
nach  dem  auf  bau,  nach  der  art  der  anschauung  und  beschreibung  des  zu  erratenden 
gegenständes  in  Unterabteilungen  anzuordnen.  Er  unterscheidet  dreizehn  klassen. 
1.  Gesprächsrätsel.  Die  zwei  zu  erratenden  dinge  halten  miteinander  ein  ihr  wesen 
bezeichnendes    gespräch.      2.    Rätsel,    in    denen   von    mehreren  tieren   die    rede   ist. 

3.  Mit  erdichteten  oder  wirklichen  orts-  und  ländernamen.  (Für  2  und  3  scheint 
der  einteilungsgrund  äusserlich  gewählt,  doch  besteht  auch  hier  innere  Verwandtschaft.) 

4.  Mit  dem  eingang:  ..da  oder  dort  steht... ".  5.  Ichrätsel,  worin  das  zu  erratende 
ding  über  sich  selbst  auskunft  erteilt.  0.  Verschiedenartige  dinge  werden  als  vogel 
oder  hund  vorgestellt.  7.  und  8.  beginnen  mit  onomatopoetischen  benennungen. 
!).  Die  verwandtschaftliehen  Verhältnisse  und  10.  Das  äussere  der  betreffenden  diu-.' 
wird  im  einzelnen  beschrieben.     11.  Aus  wenigen  Worten  bestehende  rätsel. 

P.  hingegen  gewinnt  Unterabteilungen,  indem  er  vom  einfachen  zum  verwickel- 
ten aufsteigend,  unterscheidet,  ob  ein  einzelner  gegenständ,  oder  die  einzelnen  teile 
eines  gegenständes,  oder  mehrere  ein  ganzes  ausmachende  einzelgegenstände  oder 
mehrere  dinge  neben-  oder  gegeneinander  im  rätsel  beschrieben  werden  und  auf- 
treten. Es  kommt  nun  aber  zunächst  darauf  an.  wie  der  betreffende  gegenständ  ge- 
schildert wird.  Diese  darstellung  ist  der  kern  des  rätseis.  Die  formein  am  anfang 
und  schluss  des  rätseis  aber,  die  nur  unser  interesse  für  den  zu  erratenden  gegenständ 
erregen  sollen ,  sind  der  rahmen.  P.  unterscheidet  danach  rahmen- und  kernelemente. 
So  dass  ein  normalrätsel  etwa  folgende  anordnung  zeigen  müsste:  a)  einführendes 
rahmenelement;  b)  benennendes  kernelement;  c)  beschreibendes  kernelernent;  d)  hem- 
mendes element;  e)  abschliessendes  rahmenelement.  Diese  elemente.  die  sich  freilich 
nur  bei  wenigen  rätseln  vollzählig  einfinden,  -werden  nun  im  einzelnen  besprochen.  Die 
einführenden  rahmenelemente  enthalten  etwa  die  aufforderung  zum  raten,  bezeichnen 
die  örtlichkeit,  schildern  die  Situation,  erhöhen  die  Spannung.  Auch  die  abschliessen- 
den rahmenelemente  fordern  zum  raten  auf.  verweisen  auf  die  Schwierigkeit  der  lösung 
und  versprechen  hohen  lohn,  wenn  sie  'gelingen  sollte.  Also  diese  rahmenelemente 
gehören  nur  zur  ausschmückung.  Sie  wollen  die  aufmerksamkeit  des  ratenden  erregen, 
berühren  aber  nicht  den  kern  des  rätseis.     Sie  könnten  ohne  schaden  wegfallen. 

Die  beachtung  der  art  und  weise,  wie  die  kernelemente  durchgeführt  werden, 
ermöglicht  es  aber  auch,  bei  den  wirklichen  volksrätseln  eine  reihe  von  Unter- 
abteilungen anzusetzen,  die  sich  theoretisch  fein  säuberlich  voneinander  sondern  lassen, 
in  dem  bunten  'gewirr  der  tatsächlich  vorkommenden  formen  freilich  vielfach  inein- 
ander überfliessen.  Zunächst  unterscheiden  wir  in  der  art  der  bestimmung  des  zu 
erratenden  gegenständes  A.  benennung,  B.  beschreibung.  Es  gibt  aber  auch 
rätsel,  die  diese  beiden  arten  verbinden  (C).  Die  rätsel  mit  benennenden  kernele- 
menten  allein  (A)  zeigen  diese  entweder  in  isolierter  Stellung  oder  in  gegen- 
sätzlicher form  (so  z.  b.  bei  den  gesprächsrätseln  in  "Wossidlos  erster  giuppe) 
während  in  der  gruppe  C  die  art  der  benennung  entweder  bedeutungslos  sein 
kann   (klangworte,  Umschreibungen  mit  ding,   stück,   etwas  u.  a.)   oder  bedeutsam 


92  IIAIHKN 

(bild,  appellationen  u.  a.).  Die  reichste  mannigfaltigkeit  zeigen  die  beschreibenden 
kernelemente.  Nach  der  art  der  beschreibung  muss  man  in  der  gruppe  B  und  C 
folgende  fälle  unterscheiden:  1.  Ein  zu  erratender  gegenständ  (vorgang  u.  a.)  wird 
als  ganzes  durch  einen  beschreibenden  zug  bestimmt;  2.  Durch  mehrere  beschreibende 
züge;  3.  Ein  gegenständ  wird  in  seinen  teilen,  seinen  entwicklungsstufen,  seinem 
verhalten  unter  verschiedenen  umständen  usw.  beschrieben  und  zwar  entweder  a)  das 
ganze  ist  benannt,  die  einzel teile  sind  von  dieser  benennung  beeinflusst  oder  b)  das 
ganze  und  die  einzelteile  sind  benannt,  aber  nicht  mit  zügen  desselben  bildes  oder 
c)  nur  die  einzelteile  sind  benannt  oder  d)  das  ganze  sowol  als  die  einzelteile  bleiben 
unbenannt.  Ferner  4.  Mehrere  gleichartige  gegenstände  werden  gemeinsam  benannt 
und  beschrieben.  5.  Mehrere  gegenstände  sind  zu  erraten.  —  Die  hemmenden  ele- 
mente  behandelt.  P.  nicht  besonders,  sondern  gleichzeitig  mit  der  beschreibung,  aus 
der  sie  gewöhnlich  gezogen  sind.  —  Der  anhang  bringt  einen  abdruck  des  alten 
Rockenbüchleins,  sowie  vorschlage  für  künftige  ausgaben  von  volksrätseln ,  wobei  P. 
die  anordnung  nach  dem  gegenstände  empfiehlt. 

P.  bedauert  im  verlaufe  seiner  Untersuchungen  wiederholt,  dass  ihm  aus  Mittel- 
und  Oberdeutschland  nicht  so  reiche  beispielsammlungen  zur  Verfügung  standen,  wie 
aus  Niederdeutschland.    "Wir  können  es  auch  aus  dem  litte raturverzeiehnis  Wossidlos 
s.  261  fgg.  leicht  ersehen,  dass  in  niederdeutschen  landschaften  weit  mehr  rätsei  auf- 
gezeichnet worden  sind,  als  in  hochdeutschen.    Wahrscheinlich  ist  das  (eine  nüchterne 
scharfe  verstandesthätigkeit  voraussetzende)   rätsei   der  norddeutschen   geistesart  ge- 
mässer   und    darum  in  Mittel-  und  Oberdeutschland  überhaupt  nicht  in  so  reicher 
mannigfaltigkeit  im   volke  vorhanden.     Mir  sind   z.  b.   bei   meiner  aufsammlung   der 
deutsch -böhmischen    Volksüberlieferungen    gegenüber    der    erdrückenden    fülle    von 
kinderliedern,   Vierzeilern,  Sprüchen,  volksreimen  u.  a.  verhältnismässig  wenig  rätsel- 
typen untergekommen  und  die  meisten  von  ihnen  sind  Varianten  zu  den  Tiroler  rätseln 
Renks.    Ich  möchte  hier  aus  meinen  handschriftlichen  aufzeichnungen  deutsch  -böhmi- 
scher   rätsei    nur    einige   bemerkenswertere  parallelen   zu   den   von  P.  besprochenen 
beispielen   anführen,   wobei  ich    die  mundartlichen  stücke,   als   die   bodenständigeren 
fassungen,  bevorzuge.   Zunächst  unwirkliche  rätsei.    Zu  dem  von  P.  s.  18  fg.  behandelten 
halslösungsrätsel  nenne  ich  die  fassung  nr.  1  aus  Neuern  im  nördlichen  Böhmerwalde: 
Einmal  ist  einer  zum  tod  verurteilt  worden.    Die  richter  sagten  ihm  er  sei  frei,  wenn 
er  ihnen   ein   rätsei   aufgebe,   das   sie   nicht  lösen  können.     Er  gieng  hinaus  auf  den 
friedhof,   weil  er  vom  fenster  aus  daselbst  alte  Spatzen  ab  und  zufliegen  sah,  nahm 
sechs  junge  spatzen  aus  einem  totenkopf  und  kam  wieder.    Dann  sprach  er  sein  rätsei : 
„Bin  aussegongan,  bin  einakoman 
Hob  die  sechs  aus'n  tode  gnoman, 
Und  die  sechs  mochent  den  si(b)entn  frei, 
Verstehts  es  wol,  wos  dieses  sei?" 
(Hier:  „Meine  hearn  rot's,  wos  dieses  sei!1' 

Die  richter  konnten  es  nicht  lösen.  Er  zeigte  ihnen  die  Spatzen  und  den 
schade]  und  wurde  frei.     ("Wörtlich  gleich  aus  dem  Adlergebirge  überliefert.) 

Ein  beispiel  ferner  zu  den  von  P.  s.  19fgg.  behandelten  rätselmiirchen  und 
aufgaben.  Kaiser  Josef  spielt  hier  eine  ähnliche  rolle,  wie  der  alte  Fritz  in  den 
niederdeutschen  Volksüberlieferungen. 

nr.  2.  Aus  schloss  Bösig  im  mittleren  Nordböhmen.  Ein  invalid  aus  dem  sieben? 
jährigen  kriege  erblindet  und  wird  von  seiner  frau  zum  kaiser  Josü  geführt,  um 
eine  aul'besserung  seines  invalidengeldes   zu   erbitten.     Kaiser  Josef  erwidert:    wenn 


VBET?    PETSCH.    VOLKSRÄTSEL  93 

ihr  das  rätsei  auflöset,  das  ich  euch  gebe,  soll  eurem  ansuchen -willfahrt  werden,  und 
er  sagte  zum  mann:  „Ihr  kommt  nicht  bei  tag  und  nacht,  nicht  nackend  und  nicht 
bekleidet,  nicht  zu  fuss  und  nicht  zu  pferd!"  Der  mann  wurde  nun  von  der  frau 
nackend  in  einen  sack  gesteckt,  sie  nahm  ihn  auf  den  rücken  und  trug  ihn  an  einem 
mittwoch  zu  kaiser  Josef,  welcher  auf  diese  lösung  des  rätseis  hin  ihre  bitten  er- 
hörte. (Vgl.  Grimm,  EHM.  nr.  94  und  die  parallelen  dazu  Wossidlo  s.  328  nr.  988). 
Zu  den  Scherzfragen  bei  P.  s.  24 f gg.  einige  beispiele: 

nr.  3.     "Welcher  heilige  ist  in  der  kirche  der  gescheiteste?    Der  heilige  Paulus, 
denn  er  hat  das  buch  zu,  weil  er  schon  alles  auswendig  weiss. 

nr.  4.  "Welcher  versteht  in  der  kirche  das  meiste?  Der  die  grössten  stiefel  anhat, 
nr.  5.     Wos  is's  best  am  backuafuV     Da(ss)  'r  's  brout  net  selwa  frisst. 
nr.  G.     Wöfhas  is  da  graisst  haliga?     Da  wischbam  (wiesbaum),   der  auf  dem 
haa  (heu)  liegt. 

nr.  7.     Zwe  väta  und  zwe  söhne 

Die  schossn  drei  hasen  schene 
A  jeda  trug  en  ganzn 
Im  ranzn. 
(Es  waren  nur  drei:  grossvater,  vater  und  sobn.) 
nr.  8.     Wos  is's  grisste  wunder?     Der  heibge  Elias  is  auf  em  feuricha  wagen 
ei  a  himmel  gefohrn,  on  bot  sich  ne  n  orsch  verbrannt  (P.  s.  35). 

nr.  9.     Wie  viel  paar  stiefel  brauchen  neun  heilige  und  der  küster?     Nur  ein 
paar,  weil  die  heiligen  keine  stiefel  tragen. 

Nim  die  wirklichen  rätsei.     Zu  P.  s.  G9  „flohrätsel". 
nr.  10.     Es  gingn  fünfe  jo(g)n 

Zweje  brachten  'n  getro(g)n 
Dou  schlopptn  s'n  noch  Wälgerwitz 
Denn  bruchtn  s'n  noch  Knickerwitz  (oder:  Xaglwitz) 
Dart  hon  s'n  erseht  derschlo(g)n  (oder:  hingericht). 
nr.  11.     Zu  P.  s.  70  „Taschenmesser".     IM it  zweideutigen  anspielungen. 
Es  ist  so  klein  und  schlank, 

Es  macht  sich  nochmal  so  lang,     (AYenu  mans  aufmacht.) 
Fleisch  und  bein  dazwischen 
Is  gut  wischen. 
Es  hat  den  bauch  gefüllt, 

Und  den  appetit  gestillt.     (Man  benutzt  es  beim  essen.) 
's  legt  sich  wieder 

In  das  enge  gassl  nieder,     (Beim  zuschnappen.) 
Bis  sichs  gar  verkroch 

Ei  (in)  das  enge  housnlouch.     (In  die  hosentasche.) 
nr.  12.     Zu  P.  s.  79  die  kuh. 

Yia(r)  gengant,  via(r)  hängant,  zwej  stenant,  zwej  lusnt  (hören), 
zwej  schauent,  oann(r)  traigt  no. 
(Füsse,  zitzen,  hörner,  ohren,  äugen,  schweif). 
nr.  13.     Zu  P.  s.  97  die  uhr. 

Geht  immer  und  ammer 
Auf  meiner  schlafkammer 
Mit  wippen  und  wappen 
Und  eisernen  zappen. 


04  HAUFFEN   IBER   PETSCH,    VOLKSRATSEL 

nr.  14.     Zu  P.  s.  98  der  bahn. 

's  geht  ums  haus, 
Hot  a  sichl  im  oarsch. 
nr.  15.     Zu  P.  s.  99  z.  lfg.  mehrere  Varianten: 
's  hängt  aj  der  wand 

Und  hout  a  rruarkschnitte  aj  der  band.  Kalk. 

nr.  16.  's  hängt  an  der  wand 

Und  singt  Marienlieder.  Geige, 

nr.  17.  Wos  hängt  on  der  wand 

Und  haut  zwa  gackala  (eier)  in  da  händ? 

Schnitzmesser. 
nr.  18.  's  hängt  an  der  mauer 

Und  hot  77  zahne.  Säge, 

nr.  19.     Zu  P.  s.  104  die  glocke. 

I  hin  tauft  und  bin  ka  Christ, 
I  geh  speise,   die  niemand  isst, 
I  hob  niemals  auf  a  sünd  g'denkt 
Und  bin  doch  g'hängt. 
Zu  dem  bekannten  altüberlieferten  rätsei  vom  seh  nee. 
fluigt  und  hot  koi(n)  flügl,    es  sitzt  und  hot  koan  oarsch, 

beisst  und  hot  koi(n)  zahn. 
>.  90  und  115  das  ei.     Mehrere  fassungen. 

's  bot  a  fassla  und  zweierlei  wein  drin. 
I  bou  a  fassla  zerschlej'n  on  kej  bin  der  kons  onrichta. 
Ei  glatz,  dort  hots  en  turne 
Dort  hots  en  gale  blume 
War  will  die  gale  blume  sahn 
Muss  a  weissa  barg  uffha(u)n. 
nr.  24.     Zu  P.  s.  94fg.     Knoblauch  oder  zwiebel. 
's  steckt  im  acker 
's  hält  sich  grün  und  wacker 
's  hat  neun  häute, 
On  beisst  alle  leute l. 
In   den  bemerkungen  Petschs  hierzu  s.  96  z.  15  v.  u.  muss  es  statt  G.  Sachse 
natürlich  Hans  Sachs    heissen.     Gemeint  ist  dessen   schwank:    Die  neunerley  hewt 
eines  poesen  weibs  (Hans  Sachs,  Schwanke  ed.  Goetze  1  nr.  54).     Vgl.   auch  meine 
ausführungen  Zeitschr.  27,  340  fg. 

1)  Von  den  mitgeteilten  rätseln  wurden  aufgezeichnet  nr.  1,  3,  4,  12,  20  von 
lehrer  J.  Blau  in  Silberberg  (Westböhraen).  nr.  1  (Variante),  15,  21  fg.  lehrer  E.  Botha 
in  Zöllnei  (Ostböhmen),  nr.  2  Oberlehrer  Eduard  Stamm,  nr.  5,  6,  17  oberlehrer 
Hans  Uhl  in  Absroth  bei  Eger.  nr.  7,  9  Heinrich  Ankert  in  Leitmeritz.  nr.  8,  23 
Oberlehrer  J.  Pausewang  in  Wiehstadtl  (Ostböhmen),  nr.  lOfg.  Oberlehrer  Karl 
Lichtenfeld  in  Sobenitz  (mittleres  Nordböhmen),  nr.  13  lehrer  J.  Stolle  in  Maischen 
(mittleres  Nordböhmen),  nr.  14,  18  Oberlehrer  J.  Micko  in  Haselberg  (Westböhmen), 
nr.  16  oberlehrer  O.  Schubert  in  Schüttarschen  (Westböhmen),  nr.  19,  20  (Variante) 
Oberlehrer  J.  Schramek,  Böhmerwald.  nr.  24  oberlehrer  .1.  Schöberle  in  Nieder - 
Ullersdorf  (Ostböhmen). 

l'RA<i.  AÜOLF   HAUFFEN. 


nr. 

20. 

Es 

Zu 

P. 

nr. 

21. 

nr. 

22. 

nr. 

23. 

•WUNDERLICH    ÜBER    LEHMANN,    DER    DEUTSCHE    UNTERRICHT  95 

Der  deutsche  Unterricht,  eine  methodik  für  höhere  lehraustalten,  von  Rudolf 
Lehmann.  Zweite  durchgesehene  und  erweiterte  aufläge.  Berlin,  Weidmann  1897. 
XIX,  460  s.     geb.  9  m. 

Die  neue  aufläge  von  Lehmanns  „Deutschem  Unterricht"  kann  ich  natürlich 
nicht  vom  Standpunkt  der  pädagogischen  litteratur  aus  beurteilen;  ich  muss  mich  viel- 
mehr auf  die  frage  beschränken:  wie  wirken  die  neuen  ergebnisse  unserer  Wissenschaft 
auf  den  erfahrenen  schulmanu  zurück,  welchen  bildungswert  misst  er  den  fort- 
schritten  der  Sprachforschung  und  litteraturbetrachtung  in  bezug  auf  unsere  heran- 
wachsende Jugend  zu?  Und  auf  diese  frage  gibt  uns  das  buch  von  Lehmann  so  an- 
regenden und  anschaulichen  bescheid,  wie  er  an  anderer  stelle  nicht  leicht  geboten 
wird.  Der  Verfasser  kennt,  wie  wenige,  die  anschauungsweit,  die  fassungskraft 
und  die  neigungen  der  einzelnen  altersstufen ,  er  trifft  die  entscheidenden  züge  mit 
denen  die  reife  des  Jünglings  gegenüber  dem  knabenalter  einsetzt,  so  feinfühlig  bis 
in  das  einzelne,  dass  wir  uns  getrost  diesem  führer  anvertrauen  und  unter  seiner 
leitung  einen  reizvollen  weg  durchmessen.  Mancher  wird  vielleicht  hinter  das  reiz- 
voll ein  fragezeichen  setzen,  mancher  wird  es  als  eine  Zumutung  empfinden,  dass 
der  gesichtswinkel,  unter  dem  eiue  primitivere  stufe  der  erkenutnis  die  ergebnisse 
der  forschung  aufnimmt  und  erfasst,  für  den  forscher  selbst  wieder  interesse  bieten 
sollte.  Dem  gegenüber  möchte  ich  hervorheben,  dass  die  verschiedenartigkeit  der 
jugendlichen  auffassungsgabe,  wie  sie  der  erfahrene  Schulmann  hier  enthüllt,  vor 
allem  für  denjenigen  belehrend  ist,  der  bei  literarischen  oder  sprachlichen  problemeu 
mit  dem  auffassungsvermögen  früherer  epochen,'  tiefer  stehender  schichten  der  gesell- 
schaft,  weniger  entwickelter  individuen  zu  rechnen  hat.  Und  dann  gilt  doch  auch 
für  die  Wissenschaft  gerade  wie  für  das  leben  als  grundgesetz,  dass  gedeihen  und 
eutwickluug  nur  für  diejenigen  keime  andauern,  die  in  nahrhaftem  boden  wurzel 
schlagen.  Die  alexandrinische  Verkümmerung  droht  diesem  und  jenem  zweig  des 
wissens  auch  heute  immer  wieder  aufs  neue. 

Deshalb  täte  es  gerade  dem  gelehrten  not,  auch  vom  schulmann  zu  lernen, 
und  ich  halte  die  eben  bezeichnete  aufgäbe  mit  büchern  wie  diesem  lange  nicht  er- 
schöpft, das  beste  muss  immer  der  persönliche  verkehr  geben. 

Dass  der  schulmann  des  gelehrten  nicht  entbehren  kann,  um  auf  der  höhe 
seiner  aufgäbe  zu  stehen,  um  den  bewegungen  innerhalb  der  forschung  nahe  zu 
bleiben,  scheint  eine  wenig  bestrittene  tatsache,  die  freilich  in  neuerer  zeit  an  wirk- 
licher geltung  einbüsst.  Um  so  mehr  ist  das  vorliegende  buch  von  diesem  be- 
streben erfüllt.  Ja  man  glaubt  hier  sogar  durchzufühlen,  wie  der  Verfasser  da  und 
dort  ursprünglich  auf  anderer  grundlage  gestanden  habe,  wie  ihm  erst  allmählich  durch 
anregungen  von  aussen  die  richtung  unmerklich  gewandelt  worden  sei.  Und  diese 
Wandlung  scheint  in  einer  befreiung  aus  dem  bann  antiker  anschauungen  zu  bestehen, 
die  sich  unter  dem  einfluss  germanistischer  forschung  vollzog  —  gewiss  ein  zeugnis 
für  die  werbende  kraft  der  deutschen  philologie. 

Am  wenigsten  berührt  von  dieser  Wandlung  ist  die  anschauung  über  den  haupt- 
gewinn,  den  die  deutsche  jugend  aus  der  lectüre  unserer  nationalen  dichtwerke  ziehen 
soll.  Lehmann  setzt  diesen  in  zwei  grunderfahrungen,  die  vielleicht  mit  dem  geist 
unserer  klassischen  periode,  niemals  aber  mit  dem  ertrag  aus  unserer  mittelalter- 
lichen blütezeit  in  Übereinstimmung  stehen:  erstens  „die  nationale  kraft  eines  kultur- 
volkes  zeigt  sich  nicht  in  der  neigung,  fremde  einflüsse  abzuwehren,  sondern  in  der 
fähigkeit,  sich  dieselben  zu  assimilieren"  (vorwort  s.  VI);  zweitens  „das  glück,  soweit 
es  für  den  einzelnen  oder  für  ein  volk  erreichbar,  ist  nicht  in  äusseren  Verhältnissen, 


96  FIN'XUR    J0NSS0N    FßER    MORTKNSEN,    DANSK    VERSBTGNINÖ 

sondern  im  geistigen  lebeu  zu  suchen  und  zu  finden".  Das  sind  leitsätze,  die  an 
unseren  meisterwerken  eine  seite  hervorkehren,  in  der  sich  die  dichtung  von  dem 
Zusammenhang  mit  der  gesamtentwicklung  deutschen  lehens  und  deutschen  Schaffens 
abwendet.  Das  sind  leitsätze,  die  an  und  für  sich  bedingte  geltung  haben,  die  aber 
der  heranwachsenden  Jugend  höchstens  als  gegengewicht  gegen  andere  stärkere  ein- 
tlüsse  heilsam  sein  können. 

Der  einfluss  der  klassischen  sprachen  ist  in  fragen  der  deutschen  grammatik 
noch  durchzufühlen.  In  beziehung  auf  den  mittelhochdeutschen  Unterricht  allerdings 
bricht  Lehmann  ganz  mit  der  altsprachlichen  methode,  er  gibt  hier  winke,  die  bis 
ins  einzelne  beherzigenswert  sind  und  die  auch  für  den  lehrbetrieb  auf  der  hochschule 
beachtuug  fordern.  Aber  in  der  auffassung  der  erscheinungen  der  neuen  deutschen 
spräche  überschätzt  er  die  formenlehre,  die  er  allein  in  den  Vordergrund  stellt. 
Dem  gegenüber  scheint  er  weder  die  mundartlichen  färbungen  der  ausspräche  noch 
die  mannigfachen  gegensätze  in  syntax  und  Wortschatz  nach  ihrer  hedeutung  für  den 
deutschen  Sprachunterricht  in  anschlag  zu  bringen.  Ja  für  die  deutsche  syntax  glaubt 
er,  dass  sie  durchweg  mit  der  lateinischen  und  (!?)  griechischen  übereinstimme  und  nur 
im  gebrauch  der  tempora  und  modi  beachtenswerte  abweichungen  zeige.  Eine  solche 
auffassung  erinnert  aber  bedenklich  an  die  alte  gewohnheit,  die  deutsche  syntax  ebenso 
wie  die  griechische  durch  die  brille  der  lateinischen  grammatik  anzusehen;  eine  ge- 
wohnheit, von  der  sich  auch  die  Betrachtungen  über  die  deutsche  Satzlehre  von 
F.  Kern   (vgl.  s.  120  fgg.)  nicht  ganz  frei  machen. 

Lehmanns  stärke  liegt  mehr  auf  dem  literarhistorischen  gebiete  des  deutschen 
Unterrichts.  In  dem  überblick  über  die  denkmäler,  die  für  die  schule  bedeutung 
haben,  gibt  er  eine  treffende  und  warm  empfundene  Würdigung  der  einzelnen  werke 
und  der  gesamten  epoche,  der  sie  entstammen.  Es  ist  ein  selbständiger,  mit  den 
quellen  wie  mit  der  fachlitteratur  längst  vertrauter  beobachter,  der  uns  hier  ent- 
gegentritt, und  der  mit  recht  auch  einzelne  richtungen  in  der  forschung  bekämpft, 
wenn  diese  von  der  hochschule  aus  in  den  Schulunterricht  überdringen  (vgl.  s.  25). 
Nur  in  einem  punkt  möchte  ich  widersprach  erheben,  wenn  nämlich  die  lieder  der 
älteren  Edda  als  eine  art  Vorgeschichte  für  das  Nibelungenlied  gelesen  werden  sollen. 
Die  heutige  generation  ist  durch  "Wagners  Nibelungeudrama  und  durch  den  Ibsenkultus 
schon  zur  genüge  darauf  vorbereitet,  die  nordische  anschauungsweit  für  den  reineren 
Spiegel  unserer  eigenen  anzusehen.  Wenn  also  die  Eddalieder  im  Zusammenhang  mit 
dem  Nibelungenlied  gelesen  werden  sollen,  so  ist  es  notwendig,  dass  der  lehrer  die 
neueren  forschungen  über  das  Verhältnis  zwischen  beiden  dichtungen  zu  rate  zieht 
und  dass  er  sich  immer  vergegenwärtigt,  wie  weit  das  trennende  gegen  das  gemein- 
same in  der  auffassung  der  Völker  vorwiegt.  Hier  wäre  namentlich  Unlands  ent- 
wurf  zu  einem  Nibelungendrama  heranzuziehen. 

HEIDELBERG,    MAI    1901.  H.  WUNDERLICH. 


K.  Mortensen,  Studier  over  seldre   dansk  versbygning.  I.     Kobenhavn  1901. 
207  s.     3,50  kr.  =  3,95  m. 

Der  inhalt  des  vorliegenden  buches  gliedert  sich  in  drei  abschnitte:  Die  stab- 
reimende dichtung,  der  epische  reimvers  im  mittelalter  und  der  epische  reimvers 
zwischen  der  reformation  und  Arrebo  (der  dänische  dichter  1587  — 1637).  Jeder  dieser 
abschnitte  zerfällt  wieder  in  verschiedene  kapitel;  der  inhalt  ist  überhaupt  sehr  ge- 
schickt und  übersichtlich  disponiert.    Der  verf.  behandelt  den  stoff  historisch,  indem 


PANZER    ÜBER    GEUTHER,    STUDIEN    ZUM    LIEDERBUCHE    DER    KLARA    HÄTZERLIN  97 

er  nach  einigen  kurzen  bemerkungen  über  die  alliteration  bei  den  alten  Lateinern  usw. 
die  nordischen  quellen  und  zwar  zuerst  die  ältesten  ruueninschriften  durchmustert. 
Er  betont  hier  mit  z.  t.  schlagenden  gründen  die  contiuuität  zwischen  der  spräche  der 
älteren  innen  und  der  in  den  jüngeren  dänischen  inschriften ;  namentlich  widmet  er 
der  Wortstellung  eine  eingehende  behandlung.  Für  die  metrik  sind  die  älteren  in- 
schriften bekanntlich  von  geringem  belang,  da  sie  z.  t.  sehr  kurz,  z.  t.  schwer  ver- 
ständlich sind.  Anders  und  besser  verhält  es  sich  mit  den  jüngeren  inschriften.  Hier 
finden  sich  oft  unverkennbare  verse  und  das  princip  ihres  baues  liegt  klar  zu  tage. 
Sie  fügen  sich  meist  ungezwungen  den  regeln,  die  für  die  ältesten  handschriftlich 
erhaltenen  nord.  lieder  (die  Eddalieder)  ermittelt  sind.  Natürlich  darf  man  nicht 
voraussetzen,  dass  diese  kleinen  verse  sämtlich  von  wirklichen  dichtem,  also  auch 
nach  den  strengsten  regeln,  verfasst  sind;  man  darf  also  nicht  in  den  forderungen 
an  sie  zu  streng  sein.  Im  grossen  und  ganzen  urteilt  der  verf.  richtig,  aber  einige 
male  drückt  er  sich  etwas  reserviert,  z.  t.  allzu  vorsichtig  aus.  Auf  der  andern  seite 
nimmt  er  verse  an,  wo  kein  grund  dazu  vorliegt  z.  b.  auf  dem  Tryggevrelde- steine 
(s.  45).  —  Darauf  untersucht  er  Saxos  latein.  verse,  wobei  natürlich  nichts  heraus- 
kommt. Und  nicht  besser  geht  es  mit  der  Untersuchung  des  Stabreimes  in  den  alten 
gesetzen.  Der  verf.  konstatiert  zwar  hier  den  Stabreim  —  in  vielen  fallen  gewiss 
unrichtig,  wenn  die  „  Stäbe  ^  allzu  weit  von  einander  stehen,  oder  wenn  sie  in  minder 
stark  betonten  Wörtern  stehen  — ,  aber  keinen  einzigen  wirklichen  vers.  Trotzdem 
meint  er,  dass  die  alten  germ.  gesetze  ursprünglich  metrisch  gewesen  sind,  eine 
ansieht,  die  mir  gänzlich  verfehlt  erscheint.  Metrisch  ist  kein  germ.  gesetz  jemals 
gewesen;  wol  aber  sind  die  einzelnen  sätze  öfters  rhythmisch  gegliedert  und  mit 
allitterierenden  form  ein  reichlich  gespickt;  verse  aber  sind  es  nicht,  und  jeder  ver- 
such, solche  herauszuschälen,  ist  verlorene  mühe.  —  In  den  übrigen  teilen  steht  der 
verf.  auf  festerem  bodeu,  und  hier  ist  es  ihm  geglückt,  die  historische  entwicklung 
richtig  nachzuweisen.  Die  Untersuchungen  zeichnen  sich  durch  Sorgfalt,  erschöpfende 
benutzung  des  vorhandenen  materials  und  rationelle  methode  aus.  Wir  sehen  daher 
der  föitsetzung  mit  den  besten  hoffnungen  entgegen. 

KOPENHAGEN    IM    APRIL    1901.  FINSUR    JONSSON". 


Studien  zum  liederbuch  der  Klara  Hätzlerin  von  Karl  Geuther.  Halle  a.  S.. 
Max  Niemeyer,  1899.     166  s.     8°.     3,60  m. 

Als  Haltaus  1840  das  sogenannte  liederbuch  der  Hätzlerin  herausgab,  musste 
seine  einleitung  es  beklagen,  dass  die  vaterländischen  gelehrten  das  14.  und  besonders 
das  15.  Jahrhundert  im  vergleich  zu  den  früheren  so  stiefmütterlich  behandelten.  Das 
Verhältnis  hat  sich  in  den  sechs  decennien,  die  seither  vergangen  sind,  nicht  wesent- 
lich geändert  und  so  heissen  wir  auch  heute  jede  bemühuug  doppelt  willkommen,  die 
einer  mit  unrecht  vernachlässigten  periode  zu  hilfe  kommen  will.  Sind  ihr  denn  frei- 
lich keine  glänzenden  und  ewigen  kunstwerke  gelungen,  so  hat  doch  auch  sie  ihre 
eigentümlichen  bluten  getrieben  und  mindestens  für  den  historiker  liegt  immer  eine 
fülle  des  anziehenden  in  einer  zeit,  die  eine  grosse  tradition  noch  in  vollen  aecorden 
ausklingen  lässt,  während  daneben  schon  in  form  und  inhalt  ein  fruchtbares  neue 
sich  mit  allerlei  zeichen  kräftig  vorausverkündigt. 

So  ist  es  denn  sehr  zu  begrüssen,  dass  in  der  vorliegenden  arbeit  zum  ersten 
mal  der  versuch  gemacht  wird,  geschichtliches  licht  über  jene  von  Haltaus  veröffent- 

ZEITSCHRIFl    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.   XXXIV.  7 


98  PANZER 

liebte  handschrift  zu  verbreiten,  die,  laut  eintrag  1471  von  Clara  Hätzlerin  in  Augs- 
burg geschrieben,  eine  grosse  reihe  namenloser  lieder  und  spruchgedichte  überliefert. 

Der  Verfasser  spricht  in  einem  ersten  teil,  s.  1  —  29,  eingehend  über  „kompo- 
sition  und  entstehung  des  liederbuch.es".  Er  handelt  zunächst  von  der  persönlichkeit 
der  schreiberin  und  ihrem  anteil  an  der  Sammlung,  die  eigentlich  mit  unrecht  unter 
ihrem  namen  segelt.  Dass  die  Klara  Hätzlerin  nicht  nonne  gewesen  ist,  wie  Haltaus 
als  zweifellos  hinstellte,  sondern  eine  Augsburger  bürgerstochter,  die  das  abschreiben 
von  handschriften  gewerbsmässig  betrieb,  ist  aus  den  nach  Weisungen  bei  Barack,  Die 
handschriften  der  Fürstenberg,  hofbibl.  zu  üonaueschingen  s.  563  fg.  bekannt.  Geuther 
stellt  die  ihr  zuzuweisenden  handschriften  nochmals  zusammen  (vergessen  ist  ein 
Schwabenspiegel:  LCbl.  1900  sp.  989);  zeigt  sie  sich  dort  überall  als  blosse  kopistin, 
so  ist  von  vornherein  zu  vermuten,  dass  sie  auch  bei  dieser  Sammlung  keine  andere 
rolle  gespielt  habe,  also  auswahl  und  Zusammenstellung  der  gedichte  nicht  etwa  von 
ihr  herrühren.  Dass  dem  wirklich  so  ist,  wird  durch  eine  Untersuchung  der  parallel- 
überlieferung  vollkommen  bestätigt. 

Es  handelt  sich  einmal  um  die  schon  von  Haltaus  herbeigezogene  Becbstein- 
sche  handschrift  (B)  vom  jähre  1512,  die  jetzt  leider  verschollen  scheint,  wenigstens 
vom  verf.  trotz  mannigfacher  bemühung  nicht  aufgetrieben  weiden  konnte;  dazu  kommt 
die  sog.  Ebenreutersche  handschrift  (E)  vom  jähre  1530,  jetzt  als  Ms.  germ.  fol.  48S 
in  Berlin  bewahrt.  Beide  handschriften  bringen  dieselben  stücke  wie  die  Augsburger 
Sammlung  (H)  in  derselben  reihenfolge,  z.  t.  mit  gemeinsamen  fehlem  gegenüber  H, 
die  auf  nähere  Verwandtschaft  deuten.  Da  nun  E  nicht  aus  dem  älteren  B  ab- 
geschrieben sein  kann ,  weil  sie  öfter  in  echten  plusversen  und  echten  lesarten  mit  H 
gegen  B  zusammentrifft,  so  ist  also  eine  gemeinsame  vorläge  für  BE  anzunehmen, 
die  Geuther  b  nennt.  Indem  nun  sowol  b  als  H  für  sich  nachweislich  echtes  haben, 
das  der  andern  handschrift  fehlt,  können  sie  nicht  auseinander  abgeleitet  werden, 
sondern  entstammen  offenbar  einer  gemeinsamen  vorläge  (x),  die  selbst  schon  einige 
fehler  aufwies,  also  nicht  das  origiual  war.     Man  gewinnt  demnach  das  Schema: 

0 

I 
x 

H~~  "™ b 

A 

B     E 
Daraus  geht  nun  schon  mit  voller  evidenz  hervor,  dass  die  Hätzlerin  ihre  Sammlung 
nicht  erst  zusammengestellt,  sondern  lediglich  eine  ältere  vorläge  copiert  hat. 

Geuther  selbst  führt  s.  17  fgg.  aus,  dass  obiges  schema  noch  nicht  den  genauen 
historischen  ablauf  der  einzelnen  abschriften  widergibt.  H  hat  gegenüber  BE  eine 
reihe  von  zutaten,  aus  denen  besonders  zwei  gruppen  am  Schlüsse  der  lyrischen,  wie 
der  epischen  abteilung  der  Sammlung,  I.  61  —  85  und  IL  120  — 133,  sich  durch  sich 
selbst  schon  deutlich  als  jüngere  zutaten  charakterisieren;  denn  man  vermisst  in 
ihnen  die  sonst  festgehaltene  anordnung  nach  dem  inhalt,  auch  sind  hier  alle  stücke 
leicht  auf  bekannte  Verfasser  zurückzuführen.  Die  Hätzlerin  als  blosse  abschreiberin 
wird  diese  zutaten  nicht  gemacht  haben,  es  ist  also  zwischen  H  und  x  noch  ein 
Zwischenglied  y  einzuschieben.  Geuther  möchte  dies  y  genauer  identificieren.  Neben 
der  Unterschrift  der  Hätzlerin  mit  der  Jahreszahl  1471  findet  sich  auf  dem  letzten 
blatte  der  handschrift  bekanntlich  (Haltaus  s.  IX)  ein  eintrag,  der  „das  buch"  als 
eigentum  eines  nicht  näher  nachzuweisenden  Jörg  Roggenburg  bezeichnet,  daneben  und 


ÜBER    GEUTHER,    STUDIEN    ZUM    LIEDERBUCHE    DER    KLARA    HÄTZERLIN.  99 

darüber  die  Jahreszahl  1470.  G.  hält  diesen  Roggenburg  für  den  auftraggeber  der 
Hätzleriu  und  besitzer  der  handschrift  y,  der  vorläge  der  Hätzlerin;  er  habe  die  zu- 
taten zu  x  gemacht.  Das  ist  schon  möglich,  nur  nicht  zu  erweisen.  Und  jedenfalls 
bietet  H  auch  in  der  mitte  einige  grössere  zutaten,  die  nach  anderen  grundsätzen  ein- 
und  angeordnet  scheinen  (Geuther  s.  19  fg.)  als  die  am  Schlüsse  beider  abteilungen 
der  handschrift,  also  wol  auf  einer  anderen  stufe  der  entwicklung  der  handschrift 
vorgenommen  sind,  so  dass  wir  zwischen  x  und  H  nicht  eines,  sondern  mehr  Zwischen- 
glieder ansetzen  müssten,  was  übrigens  auch  durch  das  Verhältnis  von  H  zu  anderen 
Handschriften  als  BE,  die  z.  t.  dieselben  stücke  bieten,  nahe  gelegt  wird.  Ebenso 
hätte  das  Schema  wol  auch  auf  der  anderen  seite  einer  erweiterung  bedurft.  Ab- 
gesehen davon,  dass  es  möglich  war,  auch  andere  handschriften  hier  anzugliedern 
(wie  Cgm.  713,  Geuther  s.  60 fg.),  verlangt  das  Verhältnis  von  B  und  E  doch  eine 
etwas  andere  definition  als  im  obigen  schema.  Aus  den  bemerkungen  des  Verfassers 
zu  nr.  lü  der  1.  abteilung  von  H  (s.  108)  geht  hervor,  dass  die  fassung  dieses  ge- 
dichtes  im  2.  teile  der  Regensburg- Münchener  handschrift  Cgm.  5919  (von  Geuther 
RH  genannt),  in  einem  auffälligen  fehler,  der  in  H,  und  ex  silentio  des  Verfassers 
zu  schliessen,  auch  in  E  nicht  begegnet,  mit  B  zusammentrifft.  Sonach  muss  zwischen 
b  und  B  noch  ein  Zwischenglied  gestanden  haben,  denn  direkt  aus  B  kann  RH  schon 
darum  nicht  geflossen  sein,  weil  der  Cgm.  5919  bereits  1510  entstanden  ist.  "Wir 
bekämen  also  den  erweiterten  Stammbaum 

0 


y  & 

H  *     ^ 

A 

B  RH 

Genauere  erforschung  der  gesamten  Überlieferung  würde  vermutlich  auch  dies  Schema 
noch  modifizieren  und  erweitern,  besonders  statt  des  einen  y  mehrere  glieder  einführen. 
Der  zweite  teil  von  Geuthers  buch  untersucht  nun  eingehend  die  von  Haltaus 
versehentlich  an  zweiter  stelle  gedruckte,  in  der  handschrift  an  erster  geschriebene 
Sammlung  von  spruchgedichteu.  Vorausgeschickt  wird  eine  sorgfältige,  sehr  dankens- 
werte Übersicht  über  die  gesamte  Überlieferung  der  einzelnen  stücke,  zuerst  nach  den 
nummern  in  H  geordnet,  dann  nochmals  (s.  47  fgg.)  nach  den  einzelnen  handschriften. 
Zum  Schlüsse  aber  wird  in  ausführlicher  einzeluntersuchung  nummer  für  nummer  der 
Sammlung  durchgegangen,  die  Überlieferung  charakterisiert  und  das  Verhältnis  der 
jeweiligen  handschriften  geprüft,  endlich  der  Verfasser  festzustellen  gesucht.  Hier  ist 
Geuther  vielfach  zu  schönen  und  wertvollen  ergebnissen  gelangt.  Eine  grosse  reihe 
dieser  spruchgedichte  bleiben  immer  noch  anonym ,  bei  vielen  aber  konnte  der  Schleier 
gelüftet  werden.  Neben  den  früher  schon  bekannten  autoren,  Konrad  v.  Würzburg, 
"Walther  v.  Grieven,  dem  mönch  v.  Salzburg,  Rosenblüt  usw.  treten  einige  neue  heraus, 
indem  hier  zuerst  bisher  Undefinierte  stücke  auf  Suchen wirt,  Teichner  und  besonders 
Hermann  v.  Sachsenheim  zurückgeführt  werden,  dem  eine  grosse  zahl  von  dichtungen 
sich  zuweisen  Hess.  Wo  die  anonymität  blieb,  konnte  doch  sonst  manches  förderliche 
vorgebracht  werden.  Teilweise  war  es  möglich  gruppen  zusammenzufassen,  die  ver- 
mutlich  einem  Verfasser  gehören;   zu  einzelnen  nummern  wie  52  (Vom  üblen  weib), 

07   (Betzen    hochzeit)    werden    genauere    nachweisungen    und    erörterungen    gegeben, 

-* 


100  PANZER 

Kaltenpach,  der  sich  als  Verfasser  von  ur.  73  nennt,  wird  als  dichter  der  Hunds- 
mücken  im  Cod.  Pal.  313,  bl.  406  (s.  41)  nachgewiesen  u.  a.  m. 

Die  schwäche  von  Genthers  beweisführung  liegt  darin,  dass  er  bei  der  Identi- 
fizierung der  einzelnen  stücke  sich,  fast  durchweg  nur  auf  stilistische  beobachtungen 
stützt.  Wo  es  sich  nun  um  ausgesprochen  individuelle  züge  handelt,  mag  dies  rao- 
meut  ausreichen;  bei  den  Hermann  v.  Sachsenheim  zugeschriebenen  stücken  ist  das 
mehrfach  der  fall.  Und  hie  und  da  gibt  auch  die  Überlieferung  in  anderen  hand- 
schriften  ein  moment  ab,  das  als  zeugnis  für  die  angenommene  Verfasserschaft  wenig- 
stens mit  zu  verwerten  ist.  Öfters  aber  beschränken  die  stilistischen  parallelen  sich 
auf  gemeinplätze  und  können  darum  wenig  oder  nichts  beweisen.  Infolgedessen  haben 
auch  die  nachweisungen  des  Verfassers  sich  meist  nicht  über  ein  gewisses,  manchmal 
recht  geringes  mass  von  Wahrscheinlichkeit  zu  erheben  vermocht.  Er  hat  von  ver- 
schwindenden anlaufen  abgesehen,  nirgends  den  versuch  gemacht,  jenes  beweismittel 
herbei  zu  ziehen,  das  für  Untersuchungen  dieser  art  vor  allem  Verwendung  finden 
mufs:  die  spräche,  wie  sie  iu  den  reimen  der  einzelnen  stücke  festgelegt  ist.  Freilich 
war  dies  gerade  hier  nicht  leicht.  Der  text  von  H  ist  an  vielen  stellen  so  verderbt, 
dass  eine  subtilere  Untersuchung  sich  auf  ihn  allein  gar  nicht  bauen  lässt.  Es  hätte 
also  vorher  eine  kritische  herstellung  oder  mindestens  eine  kritische  revisiou  der  texte 
stattfinden  müssen,  die  von  G.  nirgends  durchgeführt  ist,  obwol  er  für  manche  stücke 
das  gesamte  Überlieferungsmaterial  in  der  band  hatte.  Eine  entschuldigung  mag  der 
verf.  auch  darin  finden ,  dass  von  manchen  autoren ,  denen  stücke  zuzuweisen  waren, 
keine  kritischen  ausgaben  vorliegen,  ihr  Sprachgebrauch  also  auch  nicht  im  einzelnen 
bekannt  ist.  Aber  gerade  für  den  hauptsächlich  iu  betracht  kommenden  mann,  Her- 
mann v.  Sachsenheim,  galt  diese  Schwierigkeit  nicht  und  hier  wenigstens  hätte  das 
problem  unbedingt  auch  von  der  sprachlichen  Seite  gepackt  werden  müssen. 

Geuthers  arbeit  bedeutet  also  zunächst  nur  einen  anlauf,  Ordnung  und  licht  in 
das  dunkel  unseres  Liederbuches  zu  bringen.  Vielfach  förderlich  ist  sie  trotzdem  ge- 
worden und  wir  wünschten  wol,  dass  der  verf.  seine  tüchtige  erstlingsarbeit,  deren 
anregung  wir  übrigens  Phil.  Strauch  zu  danken  haben,  weiter  ausbauen  und  vertiefen, 
endlich  auch  über  den  lyrischen  teil  der  Sammlung  ausdehnen  möge. 

FREIBURG    I.  B.  FRIEDRICH    PANZER. 


Deutsches  volks-  und  studentenlied  in  vorklassischer  zeit.  Im  anschluss 
an  die  bisher  angedruckte  von  Crailsheimsche  liederhaiidschrift  der  königl.  biblio- 
thek  zu  Berlin  quellenmässig  dargestellt  von  Arthur  Kopp.  Berlin,  vorlag  von 
Wilhelm  Hertz  (Bessersche  buchhandlung).     1899.     286  s.     gr.  8°.     6  m. 

Das  deutsche  lied.  Acht  vortrage  von  Wilhelm  Uhl.  Leipzig,  Eduard  Avenarius. 
1900.     VI II,  314  s.     8°.     3  m. 

Das  deutsche  Volkslied.     Über  werden  und  wesen  des  deutschen  volksgesanges. 

Von   J.  W.  Brumier.     Leipzig,   druck   und   verlag  von  B.  G.  Teubner.      1899. 

=  Aus  natur  und  geistesweit.     Sammlung  wissenschaftlich -gemeinverständlicher 

darstellungen  aus  allen  gebieten  des  wissens.    7.  bändchen.    155  s.     8°.    1,15  m. 

Die  Berliner  hs.    Ms.  germ.  -1°.  722,   im  18.  jh.  geschrieben,   aus  Meusebachs 

nachlass  an   die  königl.  bibliothek  gekommen,   überliefert  auf  589  Seiten   321  lieder. 

Die  hs.  ist  den  freunden  des  deutschen  Heiles  nicht  unbekannt,  da  1888  bereits  Bolte 

die  älteste  Eassung  des  Gaudeamus  aus  ihr  mitgeteiLI  und  einige  nachrichten  über  sie 


ÜBER   KOPP,    DEUTSCHES   VOLKS-    USD    STUDENTENLIED    IX    VORKLASSISCHER   ZEIT  101 

gegeben  (Viertelj.  f.  litg.  1.  248f..  528f.),  später  auch  ,,Die  Altenburger  baurenlrirms" 
aus  ihr  abgedruckt  hatte  (Acta  germ.  1.  262  f.).  Jetzt  hat  ihr  Kopp  in  dem  vor- 
liegenden buche  eine  gründliche  bearbeitung  angedeihen  lassen,  die  sie  wol  verdiente. 

Schon  die  geschiehte  der  hs.  hat  ihr  besonderes  interesse.  Auf  der  innenseite 
des  deckels  nennt  sich  als  besitzerin  „fräulein  Christiane  Wilhelmina  Carolina  Louisa 
barone  de  Crailsheim  zu  Rügland"  (bei  Ansbach)  mit  der  bemerkung,  dass  ihr  das 
buch  von  ihrem  „Bapa  zu  einen  breseud  gemacht"  worden  sei.  Als  „Bapa"  dieses 
fräuleins  lässt  sich  feststellen  der  freiherr  Albert  Ernst  Friedrich  von  Crailsheim,  geb. 
1728  zu  Jochsberg  im  fürstentum  Ansbach,  k.  k.  kämmerer,  ritterrat  und  truhen- 
meister  des  kantons  Altmühl.  r  1795.  In  ihm  darf  man  vermutlich  nicht  bloss  den 
ersten  besitzer,  sondern  auch  den  Schreiber  der  handschrift  erkennen;  denn  der  frei- 
herr besass  litterarische  Interessen  und  ist  selbst  litterarisch  hervorgetreten  als  Ver- 
fasser eines  —  kochbuchs  und  der  nach  und  nach  erschienenen  „Zehnmal  hundert  und 
eine  kunst",  in  der  er  eine  „Sammlung  allerhand  nützlich-  auch  lustiger  und  scherz- 
hafter curiositäten"  aus  den  edlen  künsten  des  trinkens,  essens  und  rauchens  zu- 
sammengetragen hat. 

Die  hs.  ist  nicht  datiert.  Kopp  meint  (s.  26 f.),  sie  sei  mit  Sicherheit  in  die 
jähre  1747 — 49  zu  setzen.  Ersteres  jähr  ist  damit  gegeben,  dass  die  hs.  gleich  zu 
anfang,  auf  s.  24,  als  „Aria  von  gespenstern"  Lessings  lied  „0  Jüngling  sey  so  ruch- 
loss  nicht"  enthält,  das  zuerst  1747  im  natmiorscher  erschienen  ist.  Die  Sammlung 
könnte  also  frühestens  1747  begonnen  sein.  Nach  Kopp  wäre  sie  spätestens  zwei 
jähre  nachher  abgeschlossen,  weil  sie  gerade  in  ihrem  letzten  teile  eine  reihe  stu- 
dentenlieder  enthält,  also  wol  während  der  burschenzeit  des  freiherrn  aufgezeichnet 
sein  muss,  die  vermutlich  nicht  über  1749  sich  erstreckt  hat.  Allein  darüber  wissen 
wir  nichts  und  der  ansatz  wird  dadurch  bedenklich,  das-  die  hs.  als  nr.  60  eine  aria 
enthält,  die  nach  Kopps  nachweis  (s.  77)  von  Aminth  herrührt  und  erst  1755  gedruckt 
i-t:  seine  datierung  zu  retten  muss  der  herausgeber  annehmen,  dass  dem  freiherrn  das 
lied  vorher  schon  vom  dichter  persönlich  mitgeteilt  sei.  wozu  eine  reihe  von  unsicheren 
hilfskonstruktionen  notwendig  wird.  Auch  darauf  wäre  hinzuweisen,  dass  die  hs. 
schon  ungefähr  in  ihrer  mitte  Fzens  lied  „Die  eigenschaften  einer  geliebten"  enthält, 
da-  erst  1749  in  den  Lyrischen  gedichten  erschienen  ist.  Es  ist  nun  allerlings  früher 
entstanden  (Uz  sendet  es  im  jan.  1747  an  Gleim:  Sauer,  Sämtl.  werke  von  J.  P.  Uz 
s.  62  anm.)  und  Kopp  könnte  vielleicht  auch  hier  für  frühere  mitteilung  des  dichters 
an  seinen  fränkischen  Iandsmann  plaidieren,  sicherer  aber  wird  man  doch  gehen,  wenn 
man  die  entstehung  der  hs.  in  die  jähre  1755  — 1777  einschliesst.  Letzteres  jähr  ist 
damit  gegeben,  dass  die  spätre  besitzerin  die  Sammlung  noch  als  mädchen  geschenkt 
erhielt;  1777  aber  ward  sie.  sechzehnjährig,  an  einen  herrn  v.  Streit  vermählt. 

Die  tatsache  dieser  Schenkung  ist  merkwürdig  genug  und  kulturgeschichtlich 
bedeutsam.  Uns  möchte  es  heute  wol  unglaublich  scheinen,  dass  ein  vater  seiner 
noch  nicht  sechzehnjährigen  tochter  eine  Sammlung  von  liedern  schenken  konnte,  in 
der  nach  Kopps  Versicherung  (der  die  stücke  in  semer  ausgäbe  unterdrückt  hat)  viele 
sich  befinden,  die  „von  beispielloser  lüsternheit,  pöbelhafter  gemeinheit  und  geradezu 
viehisrher  wollust  zeugnis  ablegen. u  Dass  das  mädchen  diesem  inhalte  gleichwol  nicht 
ohne  Verständnis  gegenüber  stand,  beweisen  mehrere  randschriften  ihrer  band,  in 
denen  sich  eine  mitunter  recht  derbe  Sehnsucht  nach  liebesgenuss  und  ehefreuden 
verrät.  Und  zwar  hat  das  fräulein  seine  gedanken  bereits  auf  einen  bestimmten 
mann  gerichtet,  der  in  diesen  randkritzeleien  mehrfach  als  „erwehlter  zukünftiger" 
genannt  wird;  dieser  mann  aber  ist  kein  geringerer  als  Heinrich  Friedrich  Karl  von 


102  I'ANZKR 

St. 'in.  nachher  Preussens  grosser  minister.     Seine  hand   ist  dieser  frühen   Verehrerin 
Ereilich  versagt  geblieben. 

Der  inhalt  der  hs.  ist  ziemlich  einförmig.  "Weitaus  im  Vordergründe  stehen 
erotische  lieder  verschiedenster  art  und  färbung,  daneben  machen  noch  studenten- 
heder  eine  grössere  gruppe.  Die  texte  sind  vielfach  sehr  stark,  oft  bis  zu  völliger 
Sinnlosigkeit  entstellt.  Dass  neben  gediuckten  auch  geschriebene  quellen  benutzt  sind, 
beweisen  einzelne  fehler,  die  sich  nur  als  mangelhafte  widergabe  einer  schwer  les- 
baren vorläge  verstehen  lassen ;  auch  aus  mündlicher  tradition  scheint  einiges  geschöpft. 

Diebedeutung  der  hs.  liegt  einmal  darin,  dass  sie  mit  ihrer  masse  von  liedern. 
die  hier  zum  privaten  gebrauche  aufgezeichnet  sind,  einen  guten  einblick  in  den 
Liederschatz  gibt,  der  damals  volkstümlich  gewesen  ist.  Da  zeigt  sich  denn,  dass  er 
weit  überwiegend  aus  sehr  moderner  wäre  zusammengesetzt  ist.  Ins  16.  jh.  geht  fast 
nichts  zurück,  aus  dem  17.  stammt  ziemlich  wenig,  weitaus  die  hauptmasse  hat  das 
Jahrhundert  des  Schreibers  geliefert.  Am  öftesten  sind  mit  liedern  vertreten  Günther, 
Hoffmannswaldau  und  Sperontes;  dann  kommen  der  zahl  nach  Menantes,  Stoppe, 
Zigler,  Picander  und  Neukirch,  vereinzelt  begegnen  Greflinger,  Voigtländer,  Weise, 
Bostel  und  einige  andere;  als  jüngste  Geliert,  Uz  und  Lessing.  Daneben  stehen  eine 
reihe  namenloser  lieder  und  die  hs.  erhält  dadurch  besonderen  wert,  dass  sie  mehrere 
derselben  allein  oder  doch  zuerst  oder  mit  interessanten  Varianten  verzeichnet. 

Kopp  geht  nun  die  hs.  stück  für  stück  durch,  verzeichnet  die  liedanfänge, 
Strophen-  und  verszahl,  druckt  auch  viele  ganz  ab  und  weist,  so  weit  es  gehen 
konnte,  für  jede  nr.  den  Verfasser,  sowie  die  übrigen  drucke  nach.  Am  Schlüsse  ist 
noch  ein  alphabetisches  register  sämtlicher  liedanfänge  gegeben. 

Der  Verfasser  verdient  für  seine  Untersuchungen  alles  lob.  Die  Identifizierung 
dieser  masse  von  liedern  war  keine  leichte  aufgäbe;  er  ist  aber  mit  grosser  sorgfall 
und  gründlichkeit  verfahren  und  beherrscht  ein  weitverzweigtes  material  mit  ausge- 
breiteter gelehrsamkeit.  Ausser  den  landläufigen  alten  und  neuen  Sammlungen  sind 
eine  grosse  reihe  alter  drucke  aus  den  schätzen  der  kgl.  bibliothek  in  Berlin  allent- 
halben herangezogen  und  so  gelang  es,  die  geschichte  der  meisten  stücke  der  hs.  in 
helles  licht  zu  stellen.1  Mehrfach  finden  sich  auch  lehrreiche  exkurse  eingeschoben, 
s.  74 fg.  über  die  morgenrotstrophe,  s.  197  fg.  zur  geschichte  des  gaudeamus,  s.  229  fg. 
zur  geschichte  des  landesvaters  und  auch  sonst  fällt  manches  für  die  litteraturgeschichte 
ab.  Namentlich  konnten  für  die  dichtungen  von  Sperontes  mehrfach  über  Spittas 
nachweise  hinaus  Vorbilder  aufgezeigt  werden.  S.  245  wird  Günthers  andenken  von 
einem  flecken  befreit;  der  verf.  weist  nach,  dass  das  unanständige  lied  „Lass  mich 
schlafen  liebste  seele",  das  in  die  erste  aufläge  von  Günthers  Gedichten  sich  einge- 
drängt hat,  in  Wahrheit  von  Corvinus  verfasst  ist.  Auch  über  das  leben  des  volks- 
und  volkstümlichon  liedes  geben  die  ausführungen  des  Verfassers  manche  prinzipiell 
ressante  aufklärung;  es  ist  lehrreich  zu  verfolgen,  wie  aus  bruchstücken  ver- 
schiedener Heiler  ein  neues  zusammengeschweisst  wird  (vgl.  s.  93fgg. ,  llöfgg.)  oder 
Varianten  desselben  typus  sich  durcheinanderschieben  (s.  94),  auch  wol  bei  münd- 
licher fortpflanzung  die  grundstimmung  des  Originals  völlig  umschlägt,  die  geschlechter 
verschoben  werden  (s.  139,  157)  u.  a.  m.  Die  mitgeteilten  dialektgedichte  wie  der 
Wortschatz  einzelner  studentenlieder  liefern  auch  der  Sprachforschung  material. 

1)  Inzwischen  hat  der  verf.  noch  reiche  nachtrage  veröffentlicht.  Euphorion 
8,  353  fgg. 


t'ßEK    DHL-,    DAS    DEUTSCHE   LIED  103' 

Als  „anhang"   hat  der  Verfasser  noch  zwei  alte  Sammlungen    behandelt:  das 

liederbuch  eines  gewissen  Friedrich  Keyher,  der  1743  —  48  erst  Kieler,  dann  Jenischer 
Pursche  gewesen  ist  und  131  lieder  sich  aufgezeichnet  hat,  sodann  die  auf  beige- 
hefteten blättern  des  Berliner  exemplars  der  „Singenden  lnuse"  von  einem  unbekannten 
zwischen  1740  und  1760  aufgezeichneter  48  lieder.  Für  beide  hss.  werden  die  lieder- 
anfänge  verzeichnet  und  sorgfältige  nachweisungen  über  Verfasser  mid  drucke  ge- 
geben.  Ausführlicher  ist  über  die  letztere  Sammlung  inzwischen  von  Kopp  gehandelt 
in  den  monatshheften  f.  musikgesch.  bd.  31,  über  das  Reyhersche  liederbuch  von 
Fabricius  in  den  Akad.  monatsheften  1899  Nr.  181  fgg. 

Nicht  ganz  klar  ist  mir  geworden,  nach  welchen  grundsätzen  der  Verfasser 
beim  abdruck  der  texte  aus  seiner  haupthandschrift  verfahren  ist.  Dass  nicht  wider- 
gegeben ist,  was  in  gelehrten  Sammlungen  der  neueren  zeit  oder  den  bekannten 
originalwerken  allgemein  zugänglich  ist,  versteht  sich.  Auch  dass  die  zahlreichen 
zotenlieder  der  hs.  unterdrückt  sind,  wird  kaum  einen  Verlust  für  die  Wissenschaft 
bedeuten  Aber  bei  anderen  stücken,  die  sonst  entweder  nur  in  seltenen  und  schwer 
zugänglichen  drucken  oder  überhaupt  nicht  oder  wenigstens  nicht  so  vorhanden 
sind,  wäre  konsequente  mitteilung  am  platze  gewesen,  da  sie  bei  weiterer  durch- 
forschung  dieser  litteratur.  die  sehr  zu  wünschen  ist,  doch  nicht  entbehrt  werden 
kann.  Der  verf.  hat  hier  aber  bald  abgedruckt,  bald  nicht,  ohne  erkennbare  gründe. 
Weiter  hätte  die  eiuleitung  wol  etwas  besser  geordnet  werden  sollen,  besonders  die 
geschichte  der  hs.  und  ihre]-  besitzer  ist  störend  in  widerholt  unterbrochenen  anlaufen 
behandelt.  Und  auch  die  nachweisungen  des  ganzen  buches  hätten  an  Übersichtlich- 
keit gewonnen,  wenn  der  verf.  die  zahlreichen  von  ihm  beigezogenen  alten  drucke 
von  oft  nur  wenigen  liedern,  all  die  „neu  entsprossenen  liebesrosen"  und  „lustrosen", 
„schönen  lieder"  und  „guten  gesänge"  in  der  eiuleitung  zusammengestellt  und  biblio- 
graphisch und  inhaltlich  beschrieben  hätte;  es  konnte  dann  späterhin  einfacher  mit 
Ziffern  oder  Schlagwörtern  auf  sie  verwiesen  werden,  während  jetzt  die  beschreibungen 
den  text  immer  wider  störend  unterbrechen.  Vielleicht  hätte  sich  im  anschluss  an 
eine  solche  Zusammenstellung  auch  ein  versuch  machen  lassen,  Zusammenhang  und 
etwaiges  abhängigkeitsverhältnis  der  einzelnen  Sammlungen  ins  licht  zu  steilen.  Doch 
wollen  diese  ausstellungen  wenig  bedeuten  gegenüber  der  trefflichen  arbeit  im  ganzen, 
für  die  wir  dem  Verfasser  aufrichtigen  dank  schulden. 

Wo  Kopps  arbeit  zeitlich  aufhört,  setzt  die  darstellung  in  Uhls  buch  ein.  Er 
hat  sich  die  schöne  aufgäbe  gestellt,  die  geschichte  des  deutschen  liedes  seit  der 
mitte  des  18.  Jahrhunderts  ungefähr  vorzuführen  unter  vorzüglicher  betonung  dessen, 
was  davon  bis  heute  volkstümlich  geblieben  ist,  noch  in  unseren  tagen  gekannt,  und 
gesungen  wird.  Der  gegenständ  ist  frisch  und  verständlich  behandelt;  mit  der  aus- 
führung  im  einzelnen  wird  man  sich  freilich  nicht  durchweg  befreunden  können. 

Schon  die  anordnung  des  Stoffes  lässt  zu  wünschen  übrig.  Er  ist  in  acht 
kapitel  eingeteilt,  die  acht  vortrügen  entsprechen.  Dabei  ist  im  allgemeinen  geschicht- 
liche anordnung  beabsichtigt  und  naturgemäss  gegeben;  die  einzelnen  richtungen 
sollen  sich  auseinander  entwickeln.  Wunderlich  wird  aber  im  ersten  kapitel,  das 
„Der  Strassburger  kreis"  überschrieben  ist,  au  eine  kurze  Charakteristik  der  litteratur 
des  17.  und  beginnenden  18.  Jahrhunderts  die  Schilderung  der  bemühungen  Herders 
und  Goethes  um  die  widererweckung  des  deutschen  Volksliedes  angeschlossen,  im 
nächsten  kapitel  aber  erst  die  anakreontik  behandelt.  Die  geschichte  der  ballade  und 
romanze  muss  zwischen  zwei  kapiteln  geteilt  werden,   im   dritten  schiebt  sich  dann 


104  PA'N'ZF.R 

I  eine  Charakteristik  der  dichtung  Klopstocks  dazwischen  usw.  Es  mag 
sein,  dass  diese  übelstände  bei  den  vortragen  weniger  hervorgetreten  sind  als  jetzt, 
wo  mau  im  gedruckten  buche  vor-  und  zurückblätternd  vergleicht  und  ein  folgerechtes 
und  einheitliches  ganze  verlangt. 

Auch  in  seinem  positiven  inhalte  abei  gib!  das  buch  zu  mancherlei  ausstellungen 
anlass.  Der  kern  der  jeweilig  die  dichtung  beherrschenden  ideen  und  die  geschicht- 
liche entwicklung  als  solche  treten  nicht  klar  genug  In  Taus,  da  die  darstellung  un- 
ruhig zwischen  allerlei  äusserlichkeiten  hin-  und  herfährt  und  viel«,  gelehrte  ootizen 
einschiebt,  die  mit  dem  gegenständ  in  keinem  inneren  zusammenhange  stehen.  Ver- 
wirrend tritt  dazu,  dass  in  jedem  kajritel  die  Charakteristik  der  jeweiligen  kunst- 
dichtung,  sodann  die  erzählung  von  den  bemühungen  um  die  alten  Volkslieder  nebsi 
der  oft  rein  bibliographischen  beschreibung  hieraus  entstandener  Sammlungen  und 
endlich  die  Charakteristik  des  Volksliedes  selbst  nach  verschiedenen  seiten  oder 
gattungen,  wie  sie  gerade  hervortreten,  bunt  durcheinandergehen. 

Avi<-h  in  den  einzelheiten  ist  nicht  überall  mit  der  nötigen  Sorgfalt  verfahren, 
so  dass  eine  ganze  reihe  zum  teil  erstaunliehe)-  flüchtigkeiten  unterlaufen  sind.  Am 
schlechtesten  ist  wol  das  eiste  kapitel  weggekommen,  wo  man  auf  wenigen  seiten 
die  seltsamsten  behauptungen  aufgetischt  bekommt.  S.  25  heisst  es,  Goethe  habe 
noch  kein  englisch  verstanden  als  er  nach  Strassburg  kam,  so  dass  für  unseren  verf. 
dichtung  und  wahrheil  ebenso  srergeblich  geschrieben  wie  die  briefe  aus  Leipzig  ver- 
öffentlicht zu  sein  scheinen.  Nach  dem  s.  32  gesagten  muss  der  leser  annehmen. 
dass  Herder  an  Goethes  Strassburger  mittagstiseh  teilgenommen  habe.  Auf  derselben 
seite  wird  kühnlich  behauptet,  dass  Joh.  Heinr.  Jung  ..nach  dem  vorbilde  von  dichtung 
und  wahrheit  sein  leben  beschrieben  hat";  Jungs  Selbstbiographie  hat  aber  einige 
30  jähre  vor  der  Goethes  zu  erscheinen  begonnen.  S.  34  heisst  es,  Herder  hatte  als 
er  nach  Strassburg  kam,  eben  den  preis  der  Berliner  akademie  für  seine  abhandlung 
über  den  Ursprung  der  spräche  davon  getragen;  bekanntlich  aber  wurde  diese  ab- 
handlung erst  in  Strassburg  ausgearbeitet  und  den  preis  dafür  erhielt  Herder  erst  im 
juni  des  nächsten  jahres  zuerkannt.  Auf  der  nächsten  seite  ist  wider  ein  irrtum, 
dass  Herder  vom  „Strassburger  kreise"  der  dechant  genannt  wurden  wäre;  vgl.  dar- 
über Dichtung  und  Wahrheit  Hempel  3.  67  und  v.  Loepers  anmerkung  s.  309  nr.  444. 
Auf  derselben  seite  heisst  der  Strassburger  stud.  jur.  Goethe  „der  junge  licentiai  der 
Jurisprudenz  aus  Frankfurt".  Die  Übersetzungen  aus  Ossian  s.  36,  nach  Fhl  „wo! 
nach  dem  italienischen  des  Melchior  Cesarotti",  sind  nicht  erst  für  den  Werther  ent- 
standen. Goethe,  heisst  es  ebenda  „reitet  mit  jungen  medizinern  in  die  umgegend; 
oft  fünf  meilen  weit,  bis  ins  pfarrhaus  zu  Sesenheim".  Tn  Sesenheim  ist  Goethe 
dem  theologen  Weyland  eingeführt  worden;  auf  der  lothringischen  reise  aber 
waren  dieser  und  der  Jurist  Engelbach  seine  begleiter.  „Von  einem  alten  miitterchen, 
von  landleuten  überhaupt,  erlauschen  sie  die  alten  elsässischen  Volksweisen"  steht 
zwei  /.eilen  weiter:  ..aus  denen  kehlen  der  ältesten  mütterchens"  habe  er  die  lieder 
aufgehascht,  schreib!  Goethe  an  Herder  im  herbst  1771. 

So  viel  falsches,  wie  auf  diesen  ersten  seiten  findet  sich  im  folgenden  nicht, 
aber  des  missverständüchen  und  schiefen  ist  leider  allenthalben  recht  viel.  Auch 
sind  ton  und  urteil  durchgehends  allzu  salopp  und  der  würde  des  gegenständes  nicht 
immer  angemessen.  Über  Klopstock  wird  beispielsweise  s.  89fgg.  in  einer  art  ge- 
sprochen, die  bei  einem  autor,  der  als  bistoriker  auftritt  und  wissenscha||jich  genommen 
will,   scharfe  missbilligung  verdient.     Der  eeschmack  unserer  zeit  hat  sich  von 


ÜBER  BRUINTER  DAS  DEUTSCHE  VOLKSLIED  105 

öopstocks  muse  so  gründlich  abgewandt,  dass  gefade  der  historiker  es  bei  aller  kritik 
als  seine  besondere  aufgäbe  betrachten  müsste,  unserem  voike  'Ins  hewusstsein 
lebendig  zu  erhalten,  wie  unendliches  es  für  seine  dichtung  wie  für  sein  geistesleben 
überhaupt  diesem  einen  manne  verdankt. 

Gelten  die  arbeiten  von  Kopp  und  Uhl  der  geschichte  des  sogenannten  volks- 
tümlichen liedes,  so  hat  Bruinier  sich  vorgesetzt,  das  deutsche  Volkslied  im  weit 
sinne  zu  beschreiben  und  in  seiner  geschichtlichen  entwicklung  darzustellen   und  er 
hat  seine  aufgäbe  so  angefasst.  dass  niemand  sein  büchlein  ohne  teilnähme  und  ver- 
gnügen wird  lesen  können. 

Das  erste  kapitel  schildert  „des  deutschen  Volksliedes  pflege  in  der  gegenwart" 
mit  manchem  schönen  und  treffenden  wort.  Der  Verfasser  findet  den  grund  für  den 
gegenwärtigen  niedergang  des  volksgesanges  in  den  sehr  gut  charakterisierten  sozialen 
Verhältnissen  unserer  zeit.  Tn  der  stadt  ist  er  zunächst  erloschen,  weil  „das  volk 
der  städte  infolge  der  wirtschaftlichen  entwicklung  und  ihre]'  seelischen  begleit- 
erscheinungen  den  abendfrieden  mit  seinem  Stimmungszauber  nicht  mehr  voll  auf 
sich  wirken  lassen  kann:  der  triebe  es  von  seihst  zum  liede,  mit  dem  es  sich  des 
tages  staub  vom  halse  sänge.  Mehr  und  mein-  zerfällt  die  persönlichkeit  auch  des 
handwerkers,  kaufmanns  und  beamteten  wie  schon  längst  die  des  fabriklers  in  eine 
nur  noch  arbeitende  und  eine  nur  noch  lebenwollende  hälfte.  wodurch  sowol  das 
werk,  wie  die  erholung  ihr  persönliches  und  damit  auch  volkstümliches  wesen  ver- 
lieren." „Wie  das  werk  den  volkstümlichen  hauch  abgestreift  hat.  weil  keine  in  sich 
geschlossenen  persönlichkeiten,  nur  arbeitsmaschinen  es  anfertigen,  so  verrät  auch 
die  erholung  nicht  mehr,  dass  sich  der  ganze  mensch  ihr  hingibt,  wie  abstammung, 
leben,  beruf  ihn  heranbildeten  .  .  .  Darum  kann  das  volk  der  städte  nicht  mehr 
fröhlich  singen,  darum  muss  es  die  Vergnügungsstätten  aufsuchen,  wo  wol  Hunz  und 
Kunz  aus  "Welschland  oder  Pulen,  aus  dem  nahen  osten  und  dem  fernen  westen  ihre 
triebe  weiden,  der  Deutschen  schönstes  erbteil  aber,  ihr  gemüt,  verdorrt"  Von  der 
stadt  aber  verbreitet  sich  dieser  missstand  aufs  Iand.  „"Wo  der  bauer  zum  Hand- 
arbeiter wird  in  werk  und  haus;  wo  er  im  akkord  auch  säet  und  erntet,  ohne  dass 
seine  gedanken  dabei  hoffnung  und  dank  begleiten;  wo  er  tagaus  tagein  nur  immer 
wider  denselben  span  zu  einem  nie  in  der  Vollendung  geschauten  unverstandenen 
ganzen  schnitzt,  ein  ,erzeuger  von  werten'  wie  der  erste  beste  chinesische  kuli  auch, 
nicht  mehr  ein  deutscher  bauer,  der  sein  werk  mit  sinnigen  und  klugen  gedanken 
durchdringt"  usw.  (s.  23),  da  erstickt  das  Volkstum  und  mit  ihm  das  Volkslied. 

Für  die  geschichtliche  betrachtung  der  nächsten  kapitel  schafft  der  Verfasser 
durch  eine  erörterung  über  wesen  und  Ursprung  des  deutschen  volksgesanges  die 
grundlage.  Er  leugnet  mit  recht  einen  prinzipiellen  unterschied  zwischen  volkstüm- 
lichem und  Volkslied  und  weiterhin,  wenigstens  für  den  jetzigen  stand  unserer  ein- 
sieht, die  mögliehkeit.  das  Volkslied  aus  inneren  merkmalen  zu  definieren.  Verfasser 
und  entstebungsart  können  keine  brauchbaren  kriterien  abgeben,  da  manches  von 
einem  manne  aus  dem  volke  verfasst  und  für  das  volk  bestimmt  ist,  was  sich  nicht 
als  Volkslied  qualifiziert  und  umgekehrt.  „Volkston"  aber  ist  ein  schwer  fassbarer 
und  jedenfalls  kein  konstanter  begriff,  da  der  volkston  sich  mit  dem  volksgeschmack 
durch  die  Jahrhunderte  ändert.  Venu  der  verf.  daher  als  Volkslied  dasjenige  be- 
zeichnen möchte,  „was  in  einem  von  der  sitte  zusammengeführten  chore  als  lied 
erklang  und  erklingt",  so  mag  diese  rein  äusserliche  definition  wol  als  die  richtigste 
bisher  aufgebrachte  gelten.     Dass  ein  Volkslied   auch   von  einem  einzelnen   gesungen 


106  PANZEB    ÜBER    BRUIN1ER,    DAS    DEUTSCHE    VOLKSLIED 

werden  kann,  lässi  sich  doch  wo!  nicht  (mit Prahl,  unsere  volkstüml.  lieder  s.  V)  als 
erschütternder  einwand  dagegen  erhehen,  da  solcher  ein zel Vortrag  doch  immer  aus 
dem  chorgesange  entnommen  ist  und  nur  sozusagen  einen  notfall  darstellt,  dem  das 
bewusstsein  Weiht,  dass  das  lied  eigentlich  für  den  chor  bestimmt  ist  und  nur  dort 
seine  innere  art  und  wahres  leben  entfalten  kann.  So  singt  der  einzelne  ja  wol  auch 
einen  choral,  dessen  ausdrückliche  bestimmung  doch  bleibt,  von  der  versammelten 
gemeinde  gesungen  zu  werden. 

In  der  anschliessenden  geschichtlichen  Schilderung  stellt  der  verf.  mit  guter 
kenntnis  die  Zeugnisse  für  den  deutschen  volksgesang  zusammen  und  sucht  daraus 
mit  umsieht  und  energie  seine  entwicklung  zu  rekonstruieren.  Man  folgt  seinen  dar- 
legungen  überall  mit  interesse,  an  mehr  als  einem  punkte  hätte  ich  allerdings  leb- 
hafte einwendungen  zu  erheben.  Allzu  einseitig  wird  gleich  alle  poesie  aus  dem 
kultus  abgeleitet.  Dass  der  germanische  seo/t,  aus  dem  priestersänger  hervorgegangen, 
sieh  zuerst  bei  den  Goten  gebildet  habe  und  erst  von  diesen  zu  den  übrigen  germa- 
nischen stammen  gewandert  sei,  ist  nicht  überzeugend  und  den  tatsachen  gegenüber 
kaum  durchführbar.  Nach  Bruinier  wäre  selbst  die  Burgundensage  von  diu  gotischen 
Sängern  ausgebildet  und  von  ihnen  erst  den  deutsehen  stammen  zugetragen  worden; 
nach  dem  Untergang  des  Goten volkes  hätten  dann  die  hier  inzwischen  nach  gotischem 
muster  entstandenen  scope  die  Stoffe  weitergepflegt.  Der  einheimische  priestersänger 
sei  dagegen  bei  den  Franken  infolge  der  äusserlich  starren  bekehrung  dieses  Stammes 
und  der  frühen  ausbildung  des  lehenswesens  rasch  zum  volkssänger  herabgesunken 
und  so  mit  dem  mimus  auf  eine  stufe  geraten.  Von  diesem  halte  er  den  reim  über- 
nommen, der  also  auf  solche  art  in  unsere  poesie  geraten  wäre.  Als  dann  bei  den 
Franken  jenes  entlehnte  institut  des  skops  um  800  untergieng,  hätte  der  volkssänger 
seine  lieder  übernommen ,  zunächst  die  alliterierende  form  mit  reimen  durchsetzt  und 
nur  langsam  ganz  in  den  reim  übergeführt,  eine  annähme,  die  man  trotz  der  berufung 
auf  das  Muspilli  schwer  glaubhaft  finden  wird,  wie  denn  diese  ganze  construetion 
luftig  und  bedenklich  erscheinen  muss. 

Recht  gut  wird  dagegen  der  scopgesang  charakterisiert,  auch  über  entstelmng 
und  ausbildung  der  heldensage  manch  treffendes  gesagt,  sein  Untergang  und  das  auf- 
kommen neuer  richtungen  anschaulieh  dargestellt.  Sehr  hübsch  sind  grossenteils  die 
ausführungen  über  das  Volkslied,  wie  es  sich  zunächst  neben  und  dann  nach  dem 
alten  skopgesang  herausgebildet  und  mit  manchen  Wandlungen  bis  auf  unsere  tage 
erhalten  hat  in  geschichtlichen  liedern  und  mären  (balladen)  und  jenen  zahlreichen 
gattungen,  in  denen,  nach  der  Überschrift  des  letzten  kapitels,  „leben  und  liebe"  ihre 
poetische  Verklärung  finden.  Nur  das  Verhältnis  der  ritterliehen  zur  einheimischen 
Volksdichtung  scheint  s.  126  f.  einseitig  und  anfechtbar  ausgeführt. 

Indessen  möchte  gerade  dies  buch  verlangen  dürfen,  weniger  auf  seine  einzel- 
heiten  angeredet,  als  vielmehr  als  ganzes  gewürdigt  und  genossen  zu  werden.  Eine 
gewisse  einseitigkeit  mag  man  sich  von  ihm  umso  eher  gefallen  lassen ,  als  allenthalben 
eine  starke  persönlichkeit  hervortritt,  die  das  ganze  problem  von  grossen  gesichts- 
punkten  aus  als  einen  teil  des  gesamten  geistes-  und  gemütslebens  unseres  volkes 
behandelt  mit  einer  tief  innerlichen  begeisterung  für  die  nationale  art,  die  woltuend 
berührt,  wenn  sie  vielleicht  schon  hie  und  da  in  eine  Übertreibung  verfällt.  Jeden- 
falls macht  in  der  darstellung  des  Verfassers  kein  leeres  phrasentum  sich  breit;  er 
kennt  seinen  gegenständ  und  kennt  sein  volk  in  süd  und  nord  und  ost  und  west  und 
hat  es  verstanden,  in  seiner  seele  zu  lesen.  Er  beschreibt  ihm  wissenschaftlich,  doch 
mit  wärme  und  in  schöner  form,  in  einer  kräftigen,  an  angeschauten  hildern  reichen 


OLDENBERG    ÜBER    V.   D.  GABELENTZ,    SPRACHWISSENSCHAFT  107 

spräche  einen  der  intimsten  und  liebenswürdigsten  ausschnitte  aus  seiner  geschiente 
und  so  bleibt  nur  der  wünsch,  dass  das  büchlein  recht  viele  leser  finden  und  für 
seine  gute  Sache  erwärmen  möge. 

FREIBURG   I.  B.  FRIEDRICH    PANZER. 


Die  Sprachwissenschaft,  ihre  aufgaben,  methoden  und  bisherigen  ergeb- 

nisse  von  Cr.  v.  d.  Gabelentz.     Zweite,  vermehrte  und  verbesserte  aufläge,  hrsg. 

von  di-.  Albr.  Graf  v.  d.  Schulenburg.      Leipzig,   Tauchnitz,   1901.     XXI  und 

520  s.     gr.  8.     15  m. 

Xach  des  Verfassers  hiugang,  der  einen  so  schmerzlichen  Verlust  für  die  Sprach- 
wissenschaft bedeutete,  hat  seiu  in  verwandten  bahnen  der  forschung  tatiger  neffe  die 
zweite  aufläge  dieses  Werkes,  zehn  jähre  nach  dem  erscheinen  der  ersten,  heraus- 
gegeben. Man  wird  es  ihm  dank  wissen,  dass  er  nicht  vor  den  im  gründe  unüber- 
windbaren  Schwierigkeiten  der  aufgäbe  zurückgeschreckt  ist,  das  buch  in  einer  gestali 
an  die  öffentlichkeit  treten  zu  lassen ,  welche  nicht  die  des  herausgebers  seiu  soll  und 
auch  nicht  überall  die  des  hingegangenen  Verfassers  sein  kann  und  darf.  Die  Ver- 
hältnisse, unter  denen  eine  solche  neuauflage  entsteht,  legen  dem  berichterstatter  die 
äusserst«  Zurückhaltung  darin  auf,  aus  irgend  einem  mangel  der  arbeit  oder  dem,  was 
ihm  als  solcher  erscheint,  einen  Vorwurf  herzuleiten.  Aber  jene  umstände  entheben 
ihn  doch  nicht  der  pflicht ,  so  gut  er  kann,  das  Verhältnis  des  buchs,  welches  uns 
jetzt  vorliegt,  zu  seiner  früheren  gestalt  objektiv  zu  beschreiben. 

Im  wesentlichen  nun  ist  das  werk  durchaus  geblieben  was  es  war,  und  als 
was  ich  es  einst  in  dieser  Zeitschrift  (XXV,  113  fgg.)  zu  charakterisieren  versucht 
habe.1  Den  Standpunkt,  die  anordnung,  die  ganze  so  persönliche  weise  des  verfs. 
sich  den  grossen  wie  den  kleinen  ihm  begegnenden  problemen  gegenüberzustellen, 
findet  der  leser  unverändert  wider.  Im  einzelnen  hat  der  text  eine  reihe  von  berich- 
tigungen  und  namentlich  von  Zusätzen  erhalten,  welche  doch  das  aussehen  des  ganzen 
kaum  modifizieren.  Zum  nicht  geringen  teil  bewegen  sich  diese  zusätze  ausserhalb 
des  gebietes  der  indoeuropäischen  Sprachwissenschaft:  ich  muss  mich  hier,  wie  früher 
bei  der  besprechung  der  ersten  aufläge,  inkompetent  erklären  und  mich  auch  jetzt 
wider  darauf  beschränken,  allein  die  behandlung  des  indoeuropäischen  gebiets  und  der 
Prinzipien  fragen,  auf  welche  man  von  hier  aus  geführt  wird,  mit  einigen  kurzen  be- 
merkungen  zu  charakterisieren. 

Niemand  wird  finden,  dass  die  zeit  zwischen  dem  erscheinen  der  ersten  und 
der  zweiten  aufläge  des  werkes  für  unsern  zweig  der  linguistik  arm  an  wichtigen  er- 
folgen gewesen  sei.  Man  denke  —  um  nur  einiges  hervorzuheben  —  an  die  von 
Rousselot  angebahnten  fortschritte  der  phonetik  und  der  dialektforschung,  an  die  Ver- 
feinerung der  erforschung  des  accents  der  indoeuropäischen  sprachen  mit  allem,  was 
sich  von  konsequenzen  daran  knüpft,  au  Delbrücks  darstellung  der  vergleichenden 
syutax,  welche  den  Brugmaunscheu  grundriss  von  jenem  Vorwurf  entlastet,  den 
Gabelentz  (s.  137)  gegen  die  grammatiken  „von  vorwiegend  linguistischer  tendenz"  er- 
hebt: dass  sie  da  aufhören,  wo  die  syntax  anfangen  sollte.  Es  lässt  sich  kaum  be- 
haupten, dass  sich  die  neue  aufläge  den  anregungen,  welche  von  diesen  —  und  selbst- 

1)  Es  sei  bemerkt,  dass  sich  mit  dieser  kritik  v.  d.  Gabelentz,  insonderheit 
s.  170  fg. ,  in  seiner  ebenso  vornehmen  wie  liebenswürdigen  weise  auseinander  zu 
setzen  sucht. 


108  STEIG 

verständlich  nicht  nur  von  diesen  —  seiteu  ihr  hätten  zufliessen  können,  geöffnet 
habe.  Die  durchgreifenden  neuerungen,  welche  so  herbeigeführt  worden  wären,  sind 
uu vollzogen  geblieben.  Und  wo  dem  alten  inhalt  eine  Überarbeitung  zu  teil  geworden 
ist,  hat  diese  in  den  prinzipiellen  fragen  das  alte  schwanken ,  in  nicht  wenigen  einzel- 
heiten  denselben  mangel  an  schärfe  der  auffassung  und  an  ausreichender  Informiert- 
heit übrig  gelassen.  "Wer  sich  etwa  über  v.  d.  G.s  Stellung  zur  frage  nach  der  aus- 
nahmslosigkeit  der  lautgesetze  unterrichten  will,  wird  sich  in  den  abschnitten  s.  185  fgg. 
ähnlich  hin  und  her  geworfen  fühlen,  wie  es  dem  lescr  der  ersten  aufläge  widerfuhr: 
er  wird  ebenso  wie  jener  eine  schritt  für  schritt  sicher  vorwärts  sich  bewegende  dar- 
legung  vermissen.  Steigt  er  dann  zu  einzelheiten  herab,  werden  sich  ihm  auch  jetzt 
fortwährend  ähnliehe,  zum  teil  dieselben  bedenken  aufdrängen  wie  damals.  Kann 
nach  dein,  was  wir  über  die  Schicksale  der  indoeuropäischen  Zischlaute  im  altindischon 
wissen,  wirklieh  der  gedanke  in  frage  kommen,  dass  aind.  edhi  „sei"  auf  eine  „in 
indogermanische]-  urzeit"  vorhandene  neigung  zurückgehe,  s  in  i  übergehen  zu  lassen 
nach  art  des  italienischen  noi,  voi  (s.  191,  fand  sich  schon  in  der  1.  auf!.)*?  Ist  wirk- 
lich fliehen  neben  got.  ßliukan  eine  so  rätselhafte  Singularität  wie  man  nach  s.  195 
annehmen  sollte?  Oder  lat.  quintus  neben  junctiis  punctum  (s.  190)?  Ist  wirklich 
uhd.  xicerch  nach  langen  Jahrhunderten  nachträglich  von  der  althochdeutschen  laut- 
verschiebung  erfasst  und  beweist  es  so,  dass  lautversehiebungen  „nicht  nur  in  ört- 
licher, sondern  auch  in  sachlicher  hinsieht"  nur  allmählich  um  sich  greifen  (s.  190)? 
Wenn  episcopus  franz.  als  eveque  erscheint,  steht  dies  wirklich  auf  einer  linie  damit, 
dass  man  für  „zwei  krüge  bairisch  hier1'  wol  sagt,  „zwei  bairisch"  (s.  206)? 

Missgriffe  dieser  art  werden  denen,  deren  Studien  sich  auf  dem  gebiet  indo- 
europäischer sprachen  bewegen,  kaum  viel  schaden  bringen:  diese  wissen,  woran  sie 
sich  zu  halten  haben.  Aber  ein  buch  wie  das  vorliegende  sollte,  meine  ich,  eine 
seiner  vornehmsten  aufgaben  darin  finden ,  denjenigen ,  die  es  mit  den  ferner  liegenden 
zweigen  der  Sprachforschung  zu  tun  haben,  die  anregungen  zu  vermitteln,  welche 
ihnen  aus  der  innerhalb  des  indoeuropäischen  forsch ungskreises  erreichbaren  und 
erreichten  Vervollkommnung  der  methodeu  erwachsen  können.  Es  muss  befürchtet 
werden,  dass  einem  solchen  ziel  die  zweite  aufläge  nicht  wesentlich  nähergekommen 
ist  als  ihre  Vorgängerin. 

KIEL.  H.    OLDENBERG. 


Ludwig  Tiecks   Genoveva.     Als  romantische  dichtung  betrachtet  von  dr.  Johann 
Kauft  I.      [Grazer  Studien   zur   deutschen   philologie.      Herausgegeben   von   Anton 
E.  Schönbach  und  Bernhard  Seuffert.     VI.  lieft.]     Graz,   k.  k.  universitäts -buch- 
druckerei und  verlags -buchhandlung  „Styria",  1899.     XII  u.  258  s.    8.    5  mark. 
Die  denkmäler  der  romantischen  dichtung,  aber  nicht  diese  allein,  stehen  gegen- 
wärtig zum  teil  unter  dem  zeichen  der  literarhistorischen  monographie.     Von  den  ver- 
schiedensten Seiten  her  treten  derartige  arbeiten  jetzt  hervor.     Meist  jüngere  gelehrte, 
von  ihren   lehrern  angeregt,   beginnen   mit  ihnen   ihre  wissenschaftliche   bahn.     Was 
sich   sowol   für  wie  gegen  diese  arbeitsform  sagen  lässt,   scheint  überall  gleichmässig 
empfunden  zu  werden.     Bei  Ranftl  ist  der  erste  absatz  des  Vorwortes  der  behandlung 
dieser  frage  gewidmet.     Fällt  aber  eine  arbeit  im  ganzen  so  zufriedenstellend  aus  wie 
die  Ranftls  über  Tiecks  Genoveva,  so  ist  damit  für  sie  die  berechtiguugsfrage  praktisch 
und  glücklich  entschieden, 


ÜBER  RANFTL.  GENOVEVA  109 

Rauftl  verfolgt  mit  sicherer  methode  die  richtung  weiter,  die  Seuffert  zuerst  in 
dem  buche  über  deu  maier  Müller  angegeben  hat,  bringt  das  später  über  die  Genoveva 
gesagte  hinzu  uud  arbeitet  all  dies  mit  geschick  zusammen.  Er  leitet  die  Untersuchung 
mit  den  ausser  und  in  Tieck  gegebenen  Vorbedingungen  für  die  entstehung  der  roman- 
tischen Genoveva -dichtung  ein,  vergleicht  damit  das  volksbuch  und  erörtert  das  Ver- 
hältnis zwischen  maier  Müller  und  Tieck.  So  eng  sich  Tieck  an  das  volksbuch  hält, 
so  weit  und  eigenartig  entfernt  er  sich  von  seinem  Vorgänger  maier  Müller,  dessen 
dichtung  eingestandener  und  erweislicher  massen  nicht  ohne  einfluss  auf  ihn  geblieben 
ist.  Die  für  Tieck  günstige  entscheidung  fliesst  aus  dem  ganz  verschiedenen  geiste 
beider  dichtungen,  den  Eanftl  gegen  den  schluss  seiner  arbeit  recht  gut,  und  zwar 
voller  als  an  einigen  früheren  stellen,  charakterisiert.  Auch  ich  stelle  maier  Müllers 
Genoveva,  als  dramatische  leistung.  viel  höher  als  die  Tiecks,  freue  mich  aber,  dass 
die  letztere  durch  Ranftls  aufdeckung  des  in  ihr  waltenden  contrastiereuden  priucips 
innerlich  gewonnen  hat.  Weiter  erörtert  Ranftl  den  einüuss  Shakespeares,  Calderons, 
Jakob  Böhmes  und  geht  dann  zur  Umgrenzung  der  inneren  eigenschaften  der  Tieck- 
schen  Genoveva  über.  Der  epische  aufhau  des  romantischen  dramas,  die  religiöse 
durchdriugung,  das  nicht  streng  historische  costüm  der  menschen  und  dinge,  das 
schwelgen  in  dämmerhaften  naturgef üblen,  die  unbestimmt  zerfliessende  charakter- 
zeichnung,  der  stil,  die  prosa,  die  metrik  werden  nach  einander  besprochen,  und  in 
welchem  umfange  es  dem  Verfasser  nötig  scheint,  mit  beispielen  belegt.  Die  urteile 
der  Zeitgenossen  über  Tiecks  Genoveva  erscheinen  im  letzten  capitel.  das  mit  einem 
ausblick  auf  die  weitere  künstlerische  und  litterarische  behandlung  des  Stoffes  schliesst. 

Wie  man  sieht,  ist  das  vorstehende  nicht  eigentlich  eine  recension,  sondern 
eine  anzeige  des  buches  geworden.  Das  beruht,  wie  ich  es  auffasse,  auf  einem  Vor- 
züge des  buches.  Denn  es  gibt  uns  positive  aufschlüsse,  vermehrt,  begründet  oder 
sichert  unsere  kenntnis.  Es  ist  durchweg  sorgfältig  und  umsichtig  gearbeitet.  Das 
gymnasium  jedoch,  das  "Wackenroder  und  Tieck  in  Berlin  besuchten,  nennt  mau  nicht 
gut  das  ,,  Gedickesche  gymnasium",  sondern  richtig  das  Friedrichs -Werdersche  gym- 
nasium, an  dem  noch  eine  "Wackenroder  -  Stiftung  besteht.  Die  von  Friedrich  Schlegel 
in  die  Europa  aufgenommenen  gespräche  über  Tiecks  Genoveva  rühren  (s.  244)  von 
Helmine  von  Hastfer  her.  derselben,  die  (s.  246),  seit  ihrer  zweiten  ehe,  Helmine 
von  Chezy  hiess.  Dies  wenige  will  gegenüber  der  allgemeinen  sorgsamkeit  des 
Verfassers  nichts  besagen;  ich  habe  noch  keine  schrift,  kaum  sogar  eine  recension 
gelesen,  die  ganz  ohne  fehler  oder  anstoss  gewesen  wäre. 

Man  kann  in  dieser  monographie  mit  vergnügen  das  ineinauderspielen  zweier  an 
sich  verschiedener  entwicklungsreihen  beobachten.  Ranftl  nimmt  zug  um  zug  das 
einzelne  durch,  um  allgemeine  resultate  zu  gewinnen.  Die  so  erarbeiteten  resultate 
decken  sich  nun  aber  mit  auschauungen  und  urteilen,  die  seiner  zeit  teils  von  Tieck 
selbst,  teils  von  seinen  Zeitgenossen  ausgesprochen  wurden,  und  die  jetzt  durch  Ranftl 
gleichsam  wider  die  bewährung  im  einzelnen  erfahren.  Beides  dient  sich  gegenseitig 
zur  eontrolle  und  wertverstärkung,  und  trägt  sehr  wesentlich  zu  dem  wissenschaft- 
lichen vertrauen  bei.  das  Rauftls  arbeit  im  ganzen  wie  im  einzelnen  dem  leser  einllösst. 

BERLIN  -FRIEDENAU.  REINHOLÜ    8TEIG. 


110  JOHN  MEIER 

Gertrud  Züricher,  Kinderlied  und  kinderspiel  im  kanton  Bern.     Nach  müudl. 
Überlieferung  gesammelt  (=  Schriften  der  Schweiz,  ges.  für  Volkskunde  2).    Zürich 
1902.     2,50  fr. 
Die   vorliegende   arbeit  verdankt  ihre  entstehung  der  anregung,   die   die  Ver- 
fasserin in  den  volkskundlichen  Übungen  professor  Singers  empfangen  hatte  und  stellt 
sich  somit  darin  der  arbeit  Zahlers  über  Die  krankheit  im  Volksglauben  des  Simmen- 
thals (Bern  1898),  wie  kleineren  Studien  anderer  an  die  seite.     Es  ist  erfreulich,  wie 
liier  die  von  kundiger  band  gepüanzten,   verschiedenartigen  keime  aufgehen  und  sich 
kräftig  entwickeln.     Und  wir  hoffen,   dass  Singer  darin  die  Veranlassung  sehen  wird 
auch  weiter  auf  diese  gebiete  seine  lehrtätigkeit  zu  erstrecken. 

Gertrud  Züricher  hat  mit  grossem  fleiss  und  geschick,  wie  schönem  erfolg 
ein  reichhaltiges  material  zusammengebracht  und  durchaus  verständig  geordnet.  Es 
ist  sicher  der  Verfasserin  nicht  entgangen,  dass  der  abschnitt  „Versehen  und  lieder 
der  erwachsnen  im  kindermund"  nicht  sämtliche  derartigen  poesien  ihrer  Sammlung 
umfasst  und  sie  wird  selbst  nicht  meinen,  dass  in  den  sonstigen  partieen  ihres  werkes 
keine  solchen  enthalten  seien  (es  gehören  hierher  noch  z.  b.  nr.  77,  79,  84,  85,  91, 
229,  226,  243  —  248,  624,  625,  651  u.a.).  Vielleicht  aber  wäre  dies  besser  noch 
besonders  betont  worden. 

Die  verf.  hat  offenbar  ihren  hauptzweck  mit  der  materialsammlung  erfüllt  ge- 
sehen und  es  lässt  sich  gegen  diese  beschränkung  auch  nichts  einwenden.  Nur  wäre 
die  benutzung  und  Verarbeitung  des  gesammelten  Stoffes  wesentlich  durch  ein  register 
erleichtert  worden,  das  in  allen  derartigen  Sammlungen  keinesfalls  fehlen  dürfte. 
Darin ,  dass  die  verf.  die  verweise  meist  auf  sonstige  schweizer  Sammlungen  beschränkt 
hat,  wird  man  ihr  nur  beipflichten  können:  entweder  umfassende  systematisch  an- 
gelegte Sammlungen  oder  beschränkung  auf  das  nächstliegende.1  Büer  allerdings  sollte 
sie  dann  auch  Vollständigkeit  anstreben  und  es  dürften  wenigstens  nicht  so  naheliegende 
verweise,  wie  auf  die  sonst  auch  citierten  von  M.  E.  Marriage  und  mir  herausgegebenen 
Berner  Volkslieder  mitunter  fehlen:  nr.  397  f.  vergl.  Schweiz,  archiv  f.  volksk.  5,  46; 
nr.  797  vergl.  Archiv  5,43  nr.  65. 

Mitunter  sind  doch  wol  bei  aller  lobenswerten  knappheit  in  der  Vorführung  des 
materials  für  die  nichtgelehrten,  wie  für  die  Nichtberner  und  NichtSchweizer  kurze 
erkläruugen  nötig,  um  den  sinn  der  verse  oder  einzelner  Worte  verstehen  zu  können: 
so  z.  b.  nr.  462  f.  das  Do,  re,  mi,  fa,  sol,  la,  si,  540  die  bedeutung  des  chindli- 
früssers  und  711  die  des  gryt&imoos.  Es  dürfte  weiter  kaum  allen  lesern  bekaunt 
sein,  dass  nr.  204  Sclmijpp  schnapp  schnorwn  rex  basilorum  eine  redensart  in 
einem  kartenspiel  und  dann  das  kartenspiel  selbst  ist  (vergl.  noch  D.  Wb.  9,  1169). 

Ein  paar  kleinigkeiten  zu  einzelnen  nummern  möchte  ich  nachtragen,  nr.  79 
lautet:  I  bi-n-e  bueb 

u  tue  nid  guet 

u  ha's  o  nid  un  sinn; 

nie  geseht'  mer's  a  de  fädera-n-a, 

was  vogels,  das  i  bin. 

1)  Einige  male  wird  citiert  in  einer  art  und  weise,  die  das  eitleren  illusorisch 
macht.  "Was  heisst  z.  b.  zu  nr.  639  „Schauenburgs  commersbuch  628"?  Welche  auf- 
läge? Ist  seite  oder  numnier  gemeint?  Man  kann  nicht  nachkommen  und  sieht  des- 
halb nicht,  ob  die  verf.  mit  dem  eitat  den  nachweis  gegeben  hat,  dass  der  Vierzeiler 
dem  studentenlied  .Studio  auf  einer  reisu   nachgebildet  ist. 


ÜBER    G.  ZÜRICHBR ,    KINDERLIED  111 

Diese  zeileu  sind  altes  gut  uud  gehören  noch  heute  zu  den  verbreitetsteu  versen. 
Die  „Sieben  lächerliche  geschuältz"  von  1610  (diese  Zs.  15,  55  nr.  14;  ebenso  der 
Newe  grillenschwarm  Weim.  jahrb.  3,  132  nr.  61),  die  nach  Kopp  Euphorion  8,  128  f. 
in  dem  hier  in  betracht  kommenden  fünften  teil  aus  Melchior  Francis  zweiter 
Sammlung  von  Quodlibeten  1605  geschöpft  haben,  kenneu  sie  in  der  fassung: 

Ich  hab  meine  tag  kein  gut  gethau 

habs  auch  noch  nicht  im  sinn; 

und  wo  ich  einmal  gewesen  bin, 

da  darff  ich  nimmer  hin, 

nimmer  hin,  ey  ja  hin, 

[schlotfeger ,  hoderlumpen,  hoderlumpen.] 
Der  Fase,  quodl.  des  Melchior  Franck  vom  jähre  1611  (nr.  6;  bei  Erk-BöliniL- 
Ldh.  2.  359  nr.  532  gibt  ihn: 

Hab'  ich  mein  tag  kein  gut  gethan, 

das  weiss  mein  freundschaft  wohl: 

drum  habn  sie  mich  ins  elend  geschickt, 

dass  ichs  erfahren  soll. 
Endlich  hat  Jakob  Vogel  in  seineu  "Wandersregeln  vou  1017  i  F.  Eichler,  Cen- 
tralis, f.  d.  bibliothekswesen  13  [1896],  394): 

Ich  hab  mein  tag  kein  gut  gethau, 

habs  auch  noch  nicht  im  sinn, 

man  sieht  mirs  an  meinn  federn  an, 

was  für  ein  vogl  ich  bin. 
Heute  ist  der  Spruch,  soweit  mir  bekannt  ist,  aus  Bayern,  Österreich,  Kärnten, 
Hessen,  Lothringen,  Schlesien,  Böhmen  und  dem  Vogtland  aufgezeichnet  worden. 

Nr.  84  stellt  neben  häufigem  Jüngern  vorkommen  als  Vierzeiler  schon  iu  einer 
Trierer  liederhandschrift  aus  dem  18.  jahrh.  s.  96  und  wie  Birlinger  und  Crecelius  in 
ihrer  ausgäbe  des  Wunderhorn   2.  344  augeben    auch   in   eiuem    Fl.  bl.  „um   1780". 
Der  text  der  handschr.  ist  dem  von  Birlinger  uud  Crecelius  mitgeteilten  ähnlich. 
Nr.  624  lautet:  (Der)  waldbrueder  im  hüttli 

het  ds  stübeli  gwüscht, 

het  ds  bäseli  la  falle 

u  ds  jümpferli  küsst. 
Das  Schweiz,  idiotikon  4,  1834  gibt  als  Wortlaut  aus  dem  Bartlispiel  1767: 

Der  waldbrueder  in  der  hütte" 

hed  d's  bätti  üfg'henkt, 

hed  d'  kutten  la"  g'hie" 

uud  d's  wibe"  erdenkt   (andre  fassungen   aus  dem  Aargau 

und  Zug  ibid.) 
und  bezieht  den  Vierzeiler  als  spottvers  darauf,  dass  der  waldbruder  Job.  Ivümer  von 
Arth  die  kutte  am   7.  februar  1767   abgelegt  uud  sich  verheiratet  hatte.     Es  ist  dies 
somit  der  Zweitälteste  überliefert  Vierzeiler  in  der  Schweiz,   da  der  älteste  von  Lau- 
renz Zellweger  aus  Trogen  1754  an  Bodmer  mitgeteilt  wurde. 

Das  spiel  nr.  958  ist  vermutlich  das  französische  kinderspiel  vom  Grand  cltäteau, 
von  dem  allerdings  die  refrainartige  widerholuug  uatte  watte  loylewo  das  einzige 
französisch  im  wortmaterial  ist;  ursprünglich  va-t'-en  vis-ä-vis,  vergl.  die  refrains 
Kassel  watta  watta  wiawi,  Hannover  wattawattawirawo  (Lewalter,  Volksl.  aus 
Niederhesseo  2,  5  f.   nr.  3;  s.  72).     Die  beschreibung,  die  Du  Mersan,    Chansons  et 


112  R.  M.  MEYER 

rondes  enfantines  (nach  Mannhardt,  Germ,  mythen  s.  512  [Lewalter  1.  c.])  davon  gibt, 
stimmt  zu  dem  von  <;.  Züricher  beschriebenen  spiel. 

Die  vorliegende  arbeit  hat  als  zweite  nummer  eine  reihe  von  neuen  zwanglos 
erscheinenden  publicationen  grösserer  selbständiger  arbeiten  zur  schweizerischen  Volks- 
kunde eröffnet,  welche  die  rührige  Schweizerische  gesellschaf't  für  Volkskunde  von 
nun  an  erscheinen  lassen  wird  und  dio  eine  sehr  wünschenswerte  ergänzung  zu  dem 
vereinsorgan,  dem  Schweiz,  archiv  für  Volkskunde,  bietet.  Wir  wünschen  dem  verein, 
dass  er  immer  so  fleissige  und  brauchbare  mitarbeitet-  findet,  wie  es  die  Verfasserin 
des  vorliegenden  werkes  ist. 

BASBL    (SCHWEIZ)    AM    23.  DEZEMBER    1901.  JOHN    MEIER. 


Ewald  A.  Boucke ,  "Wort  und  bedeutung  in  Goethes  spräche.  (Litterarhistor. 
forschungen,  hrg.  von  J.  Schick  und  M.  frhr.  v.  Waldberg  XX).  Berlin, 
Felber  1901.     IX,  338  s.     5  m. 

Diese  vortreffliche  arbeit  hat  mir  in  dreifachem  sinn  grosse  freude  gemacht: 
zunächst  an  sich,  als  eine  wirklich  fördernde  und  lehrreiche  Untersuchung;  dann 
symptomatisch,  als  ein  weiterer  beweis  dafür,  wie  die  Goetheforschung  immer  ent- 
schiedener von  Spekulation  und  Spitzfindigkeit  zu  sachlicher,  exakter  forschung  (die 
freilich  nie  ganz  gefehlt  hat)  übergeht;  und  endlich  noch  persönlich,  weil  der  verf. 
gerade  auch  Untersuchungen  des  ref.  erfolgreich  benutzt  und  weitergeführt  hat.  Doch 
lässt  B.  in  seinem  Vorwort  viel  zuwenig  hervortreten,  worin  seine  arbeit  über  meine 
., Studien  zu  Goethes  wortgebrauch'1  und  verwandte  Schriften  herausgeht.  Wir  hatten 
wesentlich  doch  nur  die  eigentliche  interpretation  im  äuge,  während  B.  mit  glück  aus 
zusammenhängenden  wortkreisen  und  wortketten  beitrage  zur  kenntnis  der  individuellen 
Psychologie  des  dichters  zu  gewinnen  sucht. 

Damit  ist  die  eigentliche  aufgäbe  des  Werkes  charakterisiert.  B.  meint  selbst, 
er  hätte  es  auch  „  Goethes  denkweise  im  Spiegel  seines  typischen  Wortschatzes " 
taufen  können. 

Das  buch  zerfällt  in  zwei  teile:  „der  individuelle  Wortschatz"  (s.  8  fg.)  und 
„theoretisches"  (s.  190 fg.).  Der  erste  legt  in  fesselnder  weise  bezeichnende  aus- 
drücke Goethes  zur  beleuchtung  seiner  weit-  und  kunstanschauung  zusammen.  Seine 
lehren  von  der  „beschränkung"  (s.  20 fg.),  von  der  perfektibilität  (s.  37),  von  der 
Überwindung  des  reinstofflichen  (s.  62)  und  moralisch  falscher  tendenzen  (s.  81  fg.)  und 
vieles  was  sonst  noch  hieher  gehört,  wird  am  faden  des  Wortgebrauches  klug  und  klar 
vorgelegt.  Dabei  weiss  der  verf.  überall  die  psychologische  und  die  philologische 
beobachtuug  zu  vereinigen.  Er  achtet  ebensowol  auf  die  ausdehnung  der  prägnauz 
von  einem  ausdruck  auf  seine  ableitungen  (s.  98;  ein  sehr  wichtiger  punkt),  auf  das 
alter  der  idiotismen  (s.  163)  oder  die  grenzen  von  G.s  altersstil  (s.  238  anm.),  wie  auf 
typische  vorstellungskreise  (s.  95)  oder  auf  das  sprachpsychologische  „gesetz  der 
intensiven  nutzuug"  (s.  209).  Freilich  führt  auch  beides  bei  dem  Studium  G.s  zu 
demselben  ziel:  zu  der  auerkennung  der  mit  immer  neuem  staunen  erfüllenden  gesetz- 
mässigkeit  Goethes  (s.  39). 

Doch  auch  allgemeine  ergebnisse  fehlen  nicht.  Dahin  rechnen  wir  den  guten 
hin  weis  auf  „latente  prägungen "  (s.  293)  oder  die  treffenden  bemerkungen  über  indivi- 
duellen und  generellen  wortgebrauch  (s.  34  i.  Vor  allem  aber  enthält  die  beobachtungs- 
reihe  au  sich  und  in  sich  allgemeine  bedeutung,  weil  eben  Goethe  ein  so  unschätzbar 


ÜBER   BOUCKE,    WORT    UND    BEDEUTUNG    IN'    GOETHES    SPRAOBE  113 

lehrreiches  „  Objekt "  ist.  Seine  typische  anschauungsweise  (s.  234)  bildet  sich  in  einer 
grossen  einheit  des  wortgebrauchs  (s.  217)  ab;  sein  streben  zum  mass  in  der  haltung 
seiner  ausdrücke  (s.  45),  seiner  anreden  (s.  51),  seiner  rügeworte  (s.  122  fg.).  Stetiger 
als  ein  anderer  lässt  G.  begriff  an  begriff  anschiessen  (s.  25  anm.);  sorgfältiger  schafft 
er  jeder  anschauung  eine  dienende  wortschaar:  dem  „streben'1  und  „steigern"  (s.  35), 
der  „reinheit"  (s.  81),  der  „ beschränkung "  (s.  20fg.),  dem  „erhalten"  (s.  137)  und 
„fördern"  (s.  147).  Eben  deshalb  macht  es  nicht  viel  aus,  dass  B.  auf  ältere  belege 
nicht  ausgeht  und  z.  b.  Stracks  „Liederbuch"  oder  Pomeznys  „Grazien"  nicht 
benutzt  hat.  Nur  ausnahmsweise  schädigt  das  ein  wenig,  wenn  z.  b.  der  begriff  der 
„ perfektibilität "  (s.  37.  304)  jenen  speciellen  beigeschmack  verliert,  den  er  durch 
seine  anwendung  in  der  populärphilosophie  (z.  B.  bei  Lichtenberg)  besitzt.  Übrigens 
zeigt  sich  B.  auch  hier  durchaus  unterrichtet  und  lässt  etwa  über  das  Verhältnis  des 
dichtere  zu  Kant  (s.  82)  und  Spinoza  (s.  99),  sowie  besonders  zu  Winckelmann  (s.  13. 
20.  23.  40)  treffendes  eiufliessen. 

Eine  ganze  fülle  von  ausdrücken  erhält  durch  diese  methodisch  sichere  Unter- 
suchung neues  licht:  parallelstellen,  antithesen,  Interpretation  helfen  einander  und 
arbeiten  sich  in  die  hände,  um  ..gemäss"  (s.  22),  „beschränkt"  (s.  32),  „falsch" 
(s.  62),  „gelten  lassen"  (s.  113),  „erschrecken"  (s.  132)  mit  neuer  prägnanz  aus- 
zustatten. 

Der  verf.  geht  dann  (s.  190  fg.)  dazu  über,  aus  diesen  tatsachen  theoretische 
folgerungen  zu  ziehen.  Der  individuelle  bedeutungswandel  (s.  192  fg.  vgl.  s.  110)  ist 
noch  so  wenig  studiert,  dass  wir  diese  erorterungen  über  „usuelle  prägnanz"  (s.  195  fg. 
321),  Ursachen  des  wandeis  (s.  201),  euphemismus  (s.  203),  intensiven  und  extensiven 
betrieb  (s.  208),  über  Sprachschöpfung  (s.  209),  Scheinprägnanz  (s.  219)  und  konkre- 
tisierung  (s.  223)  mit  höchstem  dank  entgegennehmen,  obwol  sie  naturgemäss  meist 
nicht  viel  mehr  sein  können  als  interessante  belege  zu  schon  anerkannten  Sätzen. 
Aber  diese  belege  selbst  sind  eben  immer  lehrreich.  Wir  achten  bei  den  minnesingern 
längst  auf  das.  was  hier  (s.  245)  „gleichniscyklus"  heisst;  aber  wie  viel  neues  sagen 
uns  doch  diese  konkreten  beispiele!  Wie  hübsch  sind  die  Zusammenstellungen 
über  „  litterarische  masken "  (s.  252  fg.)  und  über  typen  aus  G.s  eigenen  dichtungen 
(s.  254 fg.)! 

Den  eigentlichen  abschluss  des  werkes  bilden  vollständige  Zusammenstellungen 
von  G.s  eigenen  sprachtheoretischen  äusserungen  (s.  266),  Worterklärungen  und  wort- 
kritiken  (s.  280);  angehäugt  sind  (s.  328  fg.)  solche  lieblingsworte ,  die  eine  eigene 
psychologische  oder  sprachgeschichtliche  bedeutung  nicht  besitzen  (vgl.  die  formein 
s.  239  fg.). 

Nur  als  einen  anhang  fasse  ich  auch  das  kapitel  über  „  nachwirkung "  (s.  291  fg.) 
auf.  Gewiss  enthält  es  wertvolle  bemerkungen  zu  „Stetigkeit"  (s.  298)  und  „dumpf" 
(s.  296),  „Wahlverwandtschaft"  (s.  302)  und  „innere  form"  (s.  310.  322).  Auch  was 
über  eine  im  wortgebrauch  sich  abspiegelnde  Verwandtschaft  mit  den  Stürmern  und 
drängern  (s.  294),  mit  Herder  (s.  298),  Immermann  (s.  308),  Hebbel  (s.  312),  G.  Keller 
(s.  333),  oder  über  den  einfluss  G.s  auf  die  Sprechweise  von  H.  Meyer  (s.  301).  Vischer, 
Laube,  Scherer  (s.  303)  u.  a.  bemerkt  wirkt,  ist  fein  und  beachtenswert.  Im  ganzen  ist 
doch  die  auswahl  sowol  der  autoren  als  der  belege  zu  unvollständig,  als  dass  man 
von  hier  aus  über  den  individuellen  wortgebrauch  der  Zeitgenossen  und  epigonen  G.s 
viel  schliessen  dürfte.  Es  sei  denn  dies,  dass  jene  wunderbare  einheit  von  wort 
und  Vorstellung,  die  bei  G.  herrscht  (s.  315.  319),  bei  jenen  fehlt,  nur  etwa  Novalis 
(s.  303)  ausgenommen.     (Vgl.  auch   zu  Novalis  in  „Goethes  gesprächen"  von  Bieder- 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCBE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  8 


114  MICHELS 

mann  s.  324).     Anregend  wird  immerhin    gewiss  auch  dieser  teil,   den  B.  seihst  nur 
als  ersten  anhieb  gibt,  wirken. 

Ein  genaues  register  macht  den  beschluss  und  ermöglicht  es  uns,  dies  ebenso 
gründliche  als  anregende,  ebenso  klar  geschriebene  wie  umsichtig  geordnete  buch  von 
aufang  bis  zu  ende  zu  loben. 

BERLIN,    29.  JANUAR    1902.  RICHARD    M.  MEYER. 


Die  germanischen  auslautgesetze.  Eine  sprachwissenschaftliehe  Untersuchung 
mit  vornehmlicher  berücksichtigung  der  Zeitfolge  der  auslautveränderungen  von 
Alois  Walde.     Halle  a.  S.,  M.  Niemeyer,  1900,  V,  198  s.     5,40  m. 

Die  mit  Scharfsinn  und  umsieht  verfasste  schritt  liefert  den  erfreulichen  be- 
weis, dass  sich  seit  der  durch  Hirt  und  Streitberg  angebahnten  beachtung  der 
accentqualitäten  bei  der  beurteilung  der  germanischen  auslautgesetze  die  ansichten 
allmählich  zu  klären  beginnen.  Die  meisten  der  in  den  letzten  jähren  entstandenen 
Probleme  wird  man  hier  in  sehr  verständiger  weise  erörtert  und  in  der  regel  er- 
heblich gefördert  finden. 

Die  darstellung  ist  sehr  geschickt  und  in  elf  kapiteln  scheinbar  zwanglos 
aufgebaut. 

Ich  nehme  auf  ihren  gang  weiter  keine  rücksicht,  sondern  suche  die  ergeb- 
nisse  Waldes  mehr  systematisch  und  chronologisch  zu  ordnen:  das  wird  die  nach- 
prüfung  erleichtern. 

Als  den  ältesten  prozess  auf  dem  von  ihm  behandelten  gebiete  betrachtet 
W.  den  ab  fall  ungedeckter  kürzen  a,  e,  i  im  urgermanischen  auslaut,  den  er, 
die  alte  Sieverssche  theorie  erneuernd  (s.  110  fgg.),  wiederum  zu  ansehen  zubringen 
sucht.  Er  widerlegt  zunächst  mit  glück  (s.  111  fgg.)  die  auch  von  Streitberg  ver- 
worfene ansieht  van  Hertens,  dass  die  aofries.  präterita  1.  und  3.  klasse  skref,  bigrep, 
wet;  wan,  baut,  sang,  fand,  Lau  ihren  vokal  dem  umlaut  durch  abgefallenes  i  <C 
urgemi.  e  zu  danken  hätten,  e  ist  als  lautgesetzliche  entwicklung  des  urgerm.  ai  in 
geschlossener  silbe  zu  betrachten,  ebenso  ist  an,  wie  schon  Günther,  Die  verben 
im  aofries,  Leipziger  dissertation ,  1880,  s.  16  erkannte,  in  geschlossener  silbe  erhalten. 
Gerade  die  fries.  wie  die  ags.  formen  der  3.  sg.  prät.  sprechen  mit  ihrem  mangelnden 
umlaut  gegen  den  erst  einzeldialeküschen  abfall  eines  zu  i  gewandelten  germanischen 
e,  während  anord.  butt,  wie  schon  Sievers  sah,  mit  dem  wandel  von  ausl.  nd>tt 
vornordischen  abfall  fordern,  den  auch  die  runischen  unnam  (Beistad),  tvas  (Tannin) 
belegen.  Ebenso  zeugen  ahd.  noh,  ags.  peak  mit  ihrem  vokalismus,  anord.  imp.  bitt, 
anord.  fimm  gegenüber  fifl<i*ßmfl  (vgl.  s.  117  gegen  Noreen  Arkiv  III,  39  fgg.)  mit 
dem  konsonantismus  für  urgermanischen  Schwund  des,  wie  der  ags.  imp.  nem  und 
die  pronominalformen  ags.  mec,  anord.  mek  u.  a.  dartun,  wahrscheinlich  nie  zu  *  ver- 
wandelten e.  nem,  halte  ich  nun  freilich  nicht  für  beweisend;  es  kann  gerade  sogut 
analogieform  sein,  wie  es  nach  Walde  ahd.  bir,  nim  sein  müssen.  Die  Chancen 
stehen    ja  gleich;  aber  mek  wird  man  allerdings  kaum  anders  erklären  können. 

Auch  die  2.  pl.  ind.  präs.  auf  ahd.  -et,  aonfr.  -et,  -it  betrachtet  Walde  mit 
van  Herten  und  Jellinek  gegen  Bernecker  bei  Brugmann,  Grundriss  P,  s.  287  fussnote, 
als  lautgesetzlich  (s.  119),  indem  er  leugnet,  dass  imbetontes  e  in  letzter  silbe 
durchweg  zu  *  geworden  sei.  Der  Übergang  sei  nur  vor  x  (in  n.  pl.  *uahtiz  usw.) 
und   vor  k  (in   mik  usw.;   lautgesetzlich,  vielleicht   wegen    des  palatalen  Charakters 


ÜBER    WALDE,    DIE    GERMANISCHEN    AUSLAUTGESETZE  115 

dieser  laute;  nicht  nur  vor  r  und  s  (g.  sg.  *da^es[o])  sondern,  wie  ahd.-frk.  hauen 
zeige  auch  vor  n,  sei  e  erhalten.  Auffällig  ist  freilich,  dass,  wie  auch  Walde  in 
ganz  anderem  zusammenhange  (s.  185  fgg.)  zugehen  muss,  die  2.  plur.  auch  im  alt- 
nordischen (binde]},  bindijj)  wider  erwarten  den  vokal  bewahrt  hat:  Walde  meint, 
unter  dem  einfluss  eines  enklitischen  Jjit,  ßer,  was  doch  nur  ein  notbehelf  ist. 

In  niittelsilben,  d.  h.  solchen  silben,  die  nach  Wirkung  des  in  rede  stehenden 
gesetzes  noch  eine  auslautsilbe  hinter  sich  hatten,  nimmt  Walde  dagegen  den  wandel 
e  >  i,  wenn  ich  eine  dahin  gehende  bemerkung  auf  s.  120  richtig  verstanden  habe, 
in  grösserem  umfang  an:  eine  genaue  abgrenzung  nimmt  er  nicht  vor. 

Der  abfall  des  ausl.  vokals  e  (a)  ist  also  wie  ahd.  2.  pl.  beret  (ahd.  g.  sg. 
tages)  zeigt,  älter  als  dieser  prozess;  andererseits  glaubt  W.  aus  ahd.  3.  sg.  birit 
<;  *  bhereti  folgern  zu  dürfen ,  dass  er  jünger  ist  als  die  Wandlung  von  unbetontem  e 
zu  i  durch  ein  i  der  folgenden  silbe.  Walde  nimmt  also,  um  das  ausdrücklich  her- 
vorzuheben, zwei  verschiedene  Übergänge  von  imbetontem  e  zu  l  an:  1.  durch  i  der 
folgenden  silbe  bedingt:  vor  dem  abfall  ungedeckter  kürzen,  z.  b.  *  bhereti  >  *biri])i, 
2.  vor  z,  k  in  letzter  silbe ,  sowie  in  mittelsilben,  z.  b.  im  n.  pl.  *  kalbexö  >  * kalbixö, 
nacb  abfall  der  kürze.  Noch  jünger  oder,  vorsichtiger  gesagt,  noch  länger  wirksam 
muss  dann  das  gesetz  gewesen  sein,  nach  dem  sich  betontes  e  bei  folgendem  i  zu  i 
wandelte,  da,  wie  *mikila%,  * irminax  und  andere  beispiele  zeigen,  auch  ein  aus  e 
entwickeltes  mittleres  i  diesen  wandel  hervorrufen  konnte.  Gegen  diese  ausfükrungen 
muss  aber  doch  bemerkt  werden,  dass  es  sehr  wohl  möglich  ist,  dass  ein  auslauten- 
des i  etwas  länger  bewahrt  wurde  als  a  und  e,  die  3.  sg.  also  noch  *bereßi  lautete, 
als  man  in  der  2  pl.  schon  *berep  sprach  und  *bereßi  und  *  mekelaz  gleichzeitig  zu 
ihrem  mittleren  (und  schliesslich  auch  ersten)  i  gelangten. 

Freilich  gerade  für  den  abfall  des  i  glaubt  Walde  eine  art  chronologischer 
fixierung  gefunden  zu  haben.  Kluge  hat  in  Pauls  grundriss  I2,  454  darauf  hin- 
gewiesen, dass  das  suffix  -*  im  loc.  sg.  zweisilbiger  konsonantischer  stamme  und 
ebenso  das  suffix  -mi  des  alten  inst.  sg.  in  ags.  milcum,  meolcum,  afries.  melocon, 
ags.  cet  hedfdum,  ahd.  %i  houbitun,  anord.  at  ho f 8 um  keinen  umlaut  hervorgerufen 
hat.  Umlaut  steht  aber  in  den  lokativen  anord.  menn,  feör,  brdßr,  ags.  breder, 
anord.  mö8r,  dötr,  ags.  nieder,  dehter.  .  Hier,  wo  demnach  i  noch  in  den  einzel- 
dialekten  vorhanden  gewesen  sein  muss,  liegt  sicher  idg.  betontes,  dort  wahrscheinlich 
idg.  unbetontes  i  zugrunde.  Demgemäss  nimmt  Walde  an:  ungedecktes  i  sei  im 
urgermanischen  nur  dann  geschwunden,  wenn  es  im  indogermanischen  unbetont  war. 
Mit  anderen  worten  die  apokope  von  i  (also  jedenfalls  auch  die  von  e,  a,  für  die 
sich  eine  beschränkung  freilich  nicht  nachweisen  lässt),  sei  älter  als  der  germanische 
accent  (s.  123).  Die  annähme  hat  zwar  von  vornherein  etwas  befremdliches,  da  man 
gewöhnt  ist,  die  vokalischen  auslautsverkürzungen  als  eine  folge  der  germanischen 
stammsilbenbetommg  zu  betrachten;  doch  ist  a  priori  die  möglichkeit,  dass  die 
apokope  ungedeckter  kürzen  von  den  übrigen  auslautserscheinungen  zu  trennen  sei, 
nicht  zu  verwerfen.  Bedenklich  macht  jedoch,  dass  u,  worauf  Walde  s.  123  selbst 
hinweist,  ganz  anders  behandelt,  nämlich  nicht  synkopiert  ist,  und  auch  für  ahd. 
vicri,  as.  meri,  ags.  mere  wird  man  nicht  gern  ein  idg.  *mori  ansetzen,  noch  weniger 
mit  Walde  a.a.O.  die  analogie  der  maskulinen  i- stamme  anrufen.  Der  gegensatz 
zwischen  der  umgelauteten  und  nichtumgelauteten  formen  auf  idg.  *  aber  lässt  sich 
doch  ganz  gut  als  gegensatz  von  zweisilbigen  und  mehrsilbigen  auffassen  und  die 
lautregel  so  formulieren:  auslautendes  i  blieb  in  zweiter  silbe  urgermanisch  erhalten, 
gieng  in  dritter  (vierter  usw.)  verloren  (nachdem  es  zuvor  ein  e  der  vorhergehenden 

8* 


116  MtCBßLS 

silbe  in  *  verwandelt  hatte).1  "Walde  hat  allerdings  zwei  urgermanisch  zweisilbige 
formen  bei  der  band,  die  nach  ihm  „von  höchster  Wichtigkeit"  wären,  weil  sie  sich 
nicht  auf  dem  wege  der  analogiebildung  erklären  Hessen,  nämlich  ags.  1  sg.  ind.  präs. 
dorn  und  gäm,  die  bei  erst  einzel dialektischem  Schwund  des  *  unbedingt  umlaut 
zeigen  müssten  (2.  3.  Sg.  dest,  deÖ  lassen  sich  mit  Sievers,  beitr.  5,  109  a.  als 
thematisch  flektiert  fassen).  Ich  glaube  aber  nicht,  dass  dies  fundament  das  gehäude 
eines  schon  vorgermanischen  vokalabfalls  trägt,  und  hege  meinerseits  kein  bedenken 
anzunehmen,  dass  vielleicht  urwestgerm.  oder  auch  früher  lautgesetzliches  *döitti  nach 
analogie  der  verba  wie  *ßolöm[iJ,  *spornöm[i],  *ginöm[i],  *kabem[i]  mit  regel- 
recht abgefallenem  *  Umgestaltet  wurde.  Dass  gerade  im  ags.  diese  musterformen 
durch  bildungen  der  thematischen  konjugation  ersetzt  wurden,  spricht  doch  nicht 
dagegen,  dass  sie  in  älterer  zeit  für  zwei  isolierte  bildungen  vorbildlich  wirken 
konnten.  Vielleicht  ist  auch  urwestgerm.  *im(m)  für  *immi  *ixmi  anzusetzen.  Bei- 
läufig will  ich  bemerken,  dass  ich  got.  haba  für  so  wenig  lautgesetzlich  halte  als 
got.  salbö.  Beide  stehen  zunächst  für  *habam,  '  salbom  (letzteres  vielleicht  aus 
mlbam  umgestaltet):  an  „konjunkte  endung"  (Hirt,  IF.  I,  204)  vermag  ich  nicht 
zu  glauben. 

Hat  so  der  urgermanische  /-abfall,  den  auch  ich  annehme,  mit  der  idg.  be- 
tonung  nichts  zu  tun,  sondern  ist  er  auf  dritte  (vierte  usw.)  silben  beschränkt,  so 
fragt  sich,  ob  nicht  auch  der  abfall  des  e  in  *bereße,  des  a  in  '  da^esa  älter  ist  als 
der  immerhin  noch  urgermanische  in  *waita,  *waite.  Doch  sehe  ich  kein  mittel, 
die  frage  zu  entscheiden.  Für  ungedecktes  u  in  dritter  silbe  mangeln  die  beispiele: 
denn  der  lokativ  auf  -sti  ist  im  germanischen  nicht  nachgewiesen.  Die  behandlung 
des  durch  n  gedeckten  u  lässt  aber  annehmen,  dass  n  wie  /  geschwunden  wäre. 

Dass  ein  aus  *werpezi,  *werßedi  entstandenes  *wirpi%,  wirpip  im  gotischen 
nicht  zu  *wairps,  wairpß  wurde,  erklärt  "Walde  mit  Hirt.  IF.  6.  72  und  Streitberg, 
"ürg.  gramm. ,  s.  170  aus  einer  durch  den  vokalabfall  hervorgerufenen  ersatzdehnung, 
die  zunächst  den  konsonanten  betroffen  und  dann  auf  den  vorausgehenden  vokal 
influiert  habe.  Die  präpositionen  ahd.  nun,  upari,  upiri,  untari  erklären  sich 
als  inlautformen. 

Lediglich  in  dritter  (vierter  usw.)  silbe  sind  nach  Walde  durch  s  oder  n 
gedeckte  kürzen  geschwunden.  Sehwund  vor  *  in  dritter  silbe  vertrat  schon 
Sievers,  Beitr.  5,  156  fgg.  W.  meint,  wenn  sich  keine  hindemisse  ergäben,  hätten 
wir  wol  ein  recht,  „ihre  ausstossung  für  gleichzeitig  mit  der  abwerfung  ungedeckter 
auslautender  kürzen,  also  für  urgermanisch  zu  halten"  (s.  126).  Jedenfalls  fällt  sie 
aber  nicht  vor  die  germanische  accentregelung :  denn  dass  die  dritte  silbe  anders 
behandelt  wurde  als  die  zweite,  beruht  doch  offenbar  auf  der  grösseren  zeitlichen 
entfernung  von  der  nach  germanischer  art  accentuierten  ersten  silbe.  Die  eigentlich 
beweisenden  fälle  sind  der  dativ - pluralis  auf  -mix  (vgl.  deabus  Vatvims  u.  a.  gegen 
ags.  tivcem  <.  :tn'( i )>//; )  und  der  genitiv-sg.  auf  es  bei  den  »-stammen  (runisch 
Igivon,  ßrawwan,  ags.  hanan  ebne  /-umlaut):  die  anderen  formen  sind  weniger 
durchsichtig.  Mit  got.  dagam  für  dayams  findet  sich  AValde,  s.  127,  a.  1  etwas 
leichtherzig  ab.  Bei  den  umgelauteten  pluralen  zweisilbiger  «^-stamme  wie  an. 
fricmdr  (s.  127)  möchte  er  bewahrung  des  ausl.  -ex  >  -ix  wegen  des  starken  neben- 
tons    auf    der    zweiten    annehmen.      Mag    das   nun-  richtig   sein   oder   analogiebildung 

1)  Ob  das  i  der  3.  silbe  dabei  direkte  oder  indirekte  Ursache  für  den  wände] 
des  e  in  zweiter  war,  lasse  ich  nach  dem  obenbemerkten  dahingestellt. 


ÜBER    WALDE,    DIE    GERMANISCHEN    AUSLAUTGESETZE  117 

anzunehmen  sein,  jedenfalls  halte  ich  urgerm.  vokalschwund  vor  auslautendem  -s 
mit  Walde  für  recht  wo!  annehmbar,  und  folge  auch  "Walde  gern,  wenn  er  diese 
annähme  nun  weiter  zu  fruktifizieren  sucht.  Sie  erleichtert  ihm  afr.  dagar,  ags.  dagas 
mit  Möller,  Hirt  und  van  Helfen  auf  idg.  -öses  (=  ved.  -äsas)  zurückzuführen,  indem 
er  ein  urgermanisches  -öxix  (richtiger  -öxex?)>  öx\  ansetzt  (s.  129).  Wichtiger  ist, 
dass  er  auf  diese  weise  den  nominativen  singularis  der  ^- stamme,  got.  hairdeis, 
(s.  133  fgg.)  heizukommen  sucht.  Durch  die  bemerkimgeu  von  Thomsen,  Beroringer 
mellem  de  finske  og  de  haltiske  sprog  und  Sievers  Beitr.  16,  567  fg.  ist  dem  ansatz 
eines  idg.  -ls  als  nominativausgang  einigermassen  der  hoden  entzogen.  Das  -ys  von 
ungurys  muss  als  litauische  kontraktion  aus  -ias  aufgefasst  werden.  Walde  stellt 
denn  auch  die  thesen  auf:  1.  „Es  hat  im  idg.  niemals  einen  sg.  n.  auf  7s  gegeben" 
(s.  135).  2.  „Eine  von  der  quantität  der  Stammsilbe  unabhängige  tiefstufe  -is  ist 
nur  für  eine  ganz  beschränkte  bedeutungskategorie ,  nämlich  die  gruppe  der  verbalen 
adjektive  wie  brüks,  hrains  zu  erweisen'1  (s.  147).  3.  hairdeis  usw.  sind  auf  idg. 
-/;</."•>- />>/-,  zurückzuführen,  das  durch  vokalsynkope  regelrecht  zu  üx,>%%  ent- 
wickelt wurde.  Diese  entwicklung  erklärt  die  zweizeitige,  nicht  dreizeitige  länge,  die  in 
hairdeis  anzusetzen  ist,  das  sich  mit  ahd.  hirti  vollkommen  deckt,  ebenso  wie  gasteis 
(aus  *gastiiix,  <  *gasteiex)  mit  ahd.  gesti.  Diese  auffassung  ist  gewiss  der  durch  Hirt, 
Beitr.  18,  529  fg.  vertretenen  vorzuziehen.  Über  anord.  Oymer,  Ymer,  Hymer  usw. 
urteilt  Walde  (s.  141)  ähnlich  wie  Sievers,  Berichte  der  sächs.  gesellsch.  d.  wiss.  1894, 
129  fgg.  Für  die  endung  des  vok.  häirdi  bleibt  wenigstens  die  möglichkeit  sie  auf 
idg.  -  iie  >  urg.  ii,  T,  das  got.  regelrecht  verkürzt  wurde ,  zuiückzuführen.  sökei 
muss  dann  freilich  als  neubildung  nach  sökeis.  sokeiß  betrachtet  werden  wie  salbö 
nach  salbös  usw..  Itabai  nach  habais  usw.  Dass  urg.  *söM <  *sökii[ej  zweizeitiges 
i,  nicht  dreizeitiges  hatte,  schliesst  Walde  (s.  147  fgg.),  meines  erachtens  mit  recht, 
aus  ags.  dem,  aofr.  rek,  mere,  anord.  sttfr  und  einigen  ähnlichen  bildungen.  Wol 
oder  übel  muss  man  dann  freiheh  weiterhin  die  erhaltung  der  länge  in  nasei  (für 
zu  erwartendes  *nasi  oder  *nasji)  dem  einfluss  von  sökei  zuschreiben,  den  nasjis, 
nasjip  nicht  wett  machten.  Dass  hier  ein  schwacher  punkt  ist,  lässt  sich  nicht  über- 
sehen; doch  scheint  mir  die  beseitigung  der  grossen  Schwierigkeiten,  die  Streitbergs 
vortreffliche  erstlingsarbeit  und  Hirts  ausführungen  noch  in  der  io -  deklination  zurück- 
gelassen hatten,  so  glücklich,  dass  ich  die  vorhandene  Unebenheit  in  der  konjugation 
einstweilen  gern  mit  in  kauf  nehme. 

In  neue  bahnen  lenkt  Walde  »-in  durch  die  annähme  eines  vokalausfalls  in 
dritter  silbe  auch  vor  urgermanisch  -n.  -ia.  Zwar  hat  auch  Streitberg,  Urg.  gr., 
s.  254  im  anschluss  an  Sievers  hervorgehoben,  dass  sich  der  sehwund  des  n  im  anord. 
infinitiv  bera  <  idg.  :  bheronom  nur  unter  der  Voraussetzung  erkläre,  „dass  kurze 
vokale  in  dritter  silbe  schon  vor  der  zeit,  aus  der  die  ältesten  runeninschriften 
stammen,  geschwunden  sind,  mögen  sie  in  absolutem  auslaut  vor  ■.  oder  //  stehen". 
und  dass  mit  bera  auch  der  akk.  hana  =  got.  haiam  aus  urgerm.  yu)ionum  (am  <  aj) 
in  parallele  zu  setzen  -ei.  Aber  man  hat  doch  bei  Streitberg  den  eindruck,  als  sei 
er  bei  abfassung  seines  Werkes  zwar  ganz  auf  dem  rechten  wege  gewesen,  indes 
über  die  hier  waltenden  lautlichen  prozesse  noch  nicht  in  gleicher  weise  zur  klarheit 
gelangt  wie  jetzt  Walde.  Denn  s.  177  nimmt  er  gotischen  Schwund  des  u  im  akk. 
der  mehrsilbigen  konsonantischen  stamme  an  in  *brößar  „aus  *brößaru  =  gv.  q.oüTOQu, 
nasjand  aus  * nasjandu  vgl.  gr.  cpägovra  u.  a.  in."  An  einer  vorhergehenden  stelle 
aber,  wo  über  diese  Synkopen  zu  sprechen  war  (s.  170),  gedenkt  er  nur  der  im  ab- 
soluten  auslaut  stehenden   vokale  und  ausser!  sich  überdies  sehr  viel  skeptischer  als 


118  MICHELS 

an  den  späteren.  In  seinem  buch  Zur  germanischen  Sprachgeschichte ,  s.  75  wagte 
er  auch  den  got.  inf.  Itahan  noch  nicht  direkt  auf  *%äbenon  zurückzuführen,  sondern 
behalf  sich  mit  der  annähme  wenig  wahrscheinlicher  analogiebildungen.  Für  Walde 
bildet  gerade  die  deklination  der  io- stamme  den  ausgangspunkt.  Der  acc.  sg.  got. 
hairdi  kann,  ahd.  hirti  muss  (wenn  anders  echter  accusativ  vorliegt)  nach  unseren 
jetzigen  kenntnissen  von  den  germanischen  auslautgesetzen  auf  urgerm.  *MrSf  mit 
zweizeitiger  länge  zurückgeführt  werden  (s.  163).  "Walde  tut  nun ,-  mich  überzeugend, 
dar,  dass  nur  die  entwicklung  von  *hirdiiam,  *hirdtian  über  *hirdiin,  *hirdm  zu 
*hirSf,  nicht  aber  über  *hirtfiia  zu  *hir&f  phonetische  Wahrscheinlichkeit  hat.  Damit 
sind  die  Synkopen  in  dritter  silbe  in  eine  sehr  frühe  zeit  des  urgermanischen  ver- 
legt, nämlich  vor  den  eintritt  der  nasalierung  an  stelle  auslautender  nasale.  Auch 
*beranan  ist  zunächst  zu  * berann,  *hanonun  (s.  u.),  zu  *hanonn,  *menößun  > 
*menößn  geworden;  die  weitere  entwicklung  der  letztgenannten  form  zu  got.  menöß 
ist  vieldeutig.  Ich  füge  hinzu,  dass  sich  nun  auch  got.  haban  gerade  so  glatt  auf 
urgerm.  *häbenn  zurückführen  lässt  wie  habands  auf  *  habend s,  und  dass  man,  da 
auch  habam  ein  urgermanisches  *htibem[i]%  vertreten  wird,  für  das  so  charakte- 
ristische a  der  got.  ai-konjugation  nirgends  mehr  nötig  hat,  die  analogie  der  starken 
verba  zu  bemühen. 

Urgermanische  Synkope  des  unbetonten  vokals  in  mittlerer  silbe  nimmt  "Walde 
für  einen  besonderen  fall  an.  Er  stellt  (s.  9  u.  fgg.)  mit  rücksicht  auf  die  aecusative 
got.  ainnohun,  anord.  einn,  minn,  kann  und  die  auf  -n  (statt  -nan)  bei  den  anord.  ad- 
jektiven  auf  -enn  das  lautgesetz  auf:  bei  aufeinanderfolge  zweier  unbetonter  mit  n 
anlautender  silben  wurde  der  vokal  der  ersten  getilgt,  also  *ainanö  oder  *aminöi 
>  *amnö.  Dieses  lautgesetz,  das  wohl  unter  den  begriff  der  ,haplologie'  zu  bringen 
wäre,  will  "W.  auch  auf  die  flexion  des  wortes  man  angewandt  wissen  (s.  93). 

"Was  sodann  die  qualitativen  Veränderungen  der  vokale  in  unbetonter  silbe 
anlangt,  so  sahen  wir  schon,  dass  "Walde  den  Übergang  von  r  zu  i  einschränkt.  Er 
kann  also  ahd.  f rank,  hanen  als  lautgesetzlichen  genitiv  (<  *  hanen[e]%)  erklären ;  obd. 
henin  ist  jedenfalls  dativ  (<  *  hanin  [i]),  möglicherweise  aber  auch  zugleich  genitiv. 
infolge  eines  speziell  obd.  Übergangs  von  e  >  i.  In  ähnlicher  weise  beschränkt 
er  den  Übergang  von  o>  a,  indem  er  zur  erklärung  der  eigenartigen  formen  der  mas- 
kulinen «-deklination  im  westgermanischen,  besonders  im  ahd.,  an  die  w-umlauts- 
theorie  van  Heltens  anknüpft,  die  er  so  umgestaltet,  dass  er  den  urgermanischen 
wandel  von  o>  a  ausser  vor  m  auch  vor  einem  u  der  folgenden  silbe  unterbleiben 
lässt.  Mir  scheint  das  ein  sehr  glücklicher  gedanke.  Danach  hätte  es  einmal  ge- 
heissen:  acc.  sg.  *%umonum,  acc.  pl.  *^umonuns,  dat.  pl.  * ^umonmi%  [?]  >  * gumo- 
mix[?J.  Durch  den  systemzwang  dieser  formen  sei  dann  auch  im  n.  pl.  *^umones 
(statt  *£umanes)  bewahrt  worden.  Das  gotische  wandelte  o  zu  a  (wie  auch  vor  m 
im  d.  pl.  dagam),  ebenso  das  altnordische  ausser  vor  m  (vgl.  d.  pl.  ormom).  Im 
westgermanischen  wurde  o  zu  geschlossenem  q,  welches  im  anglof riesischen  den  Über- 
gang aller  endungs-o  zu  a  mitmachte,  im  nördlichen  teil  des  deutschen  Sprachgebiets 
als  o  erscheint,  im  obd.  aber  zu  u  wurde  (wie  eventuell  e  vor  n  zu  i). 

Ist  die  Verkürzung  der  langdiphthonge  urgermanisch  ?  fragt  Walde  s.  58  fgg. 
Er  antwortet  (mit  Streitberg  gegen  Hirt):  in  unbetonter  silbe,   nein.     Für  das  ur- 

1)  Eine  bemerkung  Axel  Kocks,  Beitr.  23,  497  modifizierend,  lässt  Walde  nach 
einem  anderen  urgermanischen  lautgesetz  ein  unbetontes  a  nach  einer  *'- haltigen 
Wurzelsilbe,  also  durch  eine  art  progressiven  i-umlaut  zu  *  werden;  darauf  beruhe 
*haitina%  =  runisch  haitinaB,  *bitina%  (vgl.  ahd.  gibixxan)  neben  *nemana%  usw. 


fRER    WALDE,    DIE   GERMANISCHEN   ADSLAUTGESETZE  119 

nordische  glaubt  er  noch  länge  annehmen  zu  dürfen,  swestar  (Opedal)  lasse  sich 
nicht  mit  Streitberg  als  Verkürzung  aus  *sices(t)ör  fassen,  sondern  sei  als  *swestär  zu 
lesen,  da  es  als  anord.  syster  erscheint,  während  nm.  *vmlfaR  i'dfr  ergab,  ein  gegen- 
satz,  den  schon  Heinzel  (Üb.  d.  endsilben  der  anord.  spräche,  s.  29)  hervorhob.  Die 
ausf  hiebt  freilich,  die  ich  nicht  gerade  vertreten  möchte,  dass  das  a  in  wulfaR  (wie 
das  im  ^astiR)  als  halbkürze  zu  fassen  sei,  ist  nicht  völlig  abgeschnitten.  W.  hebt 
aber  ganz  richtig  hervor,  dass  ör  bei  verwandtsehaftswörtem  im  germanischen  nirgends 
erweislich  ist.  Zur  erklärang  von  ags.  bröcfor,  moSor,  dohior,  sweostor  knüpft  er 
an  den  gen.  idg.  pstfs  =  ai.  pitür  usw.  (vgl.  Kluge  in  Pauls  Grundriss  I2  460)  und 
eventuell  den  accusativ  sg.  (vgl.  Xoreen,  Grundriss  I2  610)  an. 

Nicht  ganz  klar  sind  mir  inbezug  auf  die  frage  nach  der  kürzung  der  lang- 
diphthonge  Waldes  ansichten  über  die  feminine  « -  deklination  (s.  166 fgg.)  geworden, 
die  ich  aus  ihrem  Zusammenhang  herausreisse  und  hier  anfüge.  Walde  schliesst 
sich,  unter  berechtigter  ablehnung  der  von  anderen  geäusserten  theorien,  an  Kluge 
in  Pauls  Grandriss  I2,  423  an,  indem  er  das  ii  des  acc.  gen.  dat.  sg.  n.  acc.  pl. 
Kungün  als  das  produkt  einer  lautgesetzlichen  verdumpfung  aus  o  vor  tantosyllabischem 
n  ansieht,  diese  verdumpfung  aber  im  gegensatz  zu  Kluge  als  westgermanische  sonder- 
entwickrang  fasst  —  anord.  tungu  ist  wegen  runisch  Iginon  beiseite  zu  lassen  —  und 
sie  in  parallele  mit  der  von  o  zu  g  (woraus  obd.  u)  in  der  masc.  w-deklination  setzt. 
Das  ags.  an,  das  lautlich  nur  entwicklungsprodukt  eines  nicht  verdiunpften  ön  sein 
könne  (etwa  durch  Übertragung  aus  dem  gen.  dat.  pl.?),  erkläre  sich  am  besten  als 
entstanden  durch  Verdrängung  des  urwestgermanischen  -im  durch  das  masc.  (gn>) 
an.  Hat  nun  aber  Streitberg  mit.  seinen  ausführungen  (Zur  germ.  Sprachgeschichte 
s.  103  fgg.)  recht,  dass  das  an,  am  von  formen  wie  got.  inf.  walcnan,  1.  pl.  präs. 
waknam,  3.  pl.  walcnand,  part.  waknands  die  lautgerechte  entwickhmg  des  urgerma- 
oiscben  tautosyllabischen  ön.  öm  in  unbetonter  silbe  repräsentiere,  so  hätte  man 
im  gotischen  auch  acc.  dat.  sg.  *tuggan,  gen.  sg.  nom.  acc.  pl.  tuggans,  d.  pl. 
tuggam  zu  erwarten.  Freilich  ist  die  annähme  nicht  allzu  kühn,  dass  diese  formen 
"der  ihre  unmittelbaren  Vorgänger  tuggon,  tuggons,  tuggom  das  lange  ö  nach  n.  sg. 
tuggö,  g.  pl.  tuggöno  restituierten.  Hat  -ün  im  westgermanischen  überhaupt  keine 
kürzung  erfahren,  wie  man  doch  auf  grund  von  ahd.  jung  (<  urg.  *iimgax  < 
iuuungax)  auf  der  einen  und  ahd.  friunt  auf  der  andern  seite  annehmen  möchte? 
Und  ist  auch  ahd.  xungöm.  gebom  rein  lautgesetzlich  zu  erklären?  —  Diese  fragen 
bedürfen  wol  noch  weiterer  diskussion. 

Yen  den  Wandlungen  der  konsonanten  im  auslaut  ist  die  wichtigste  die  von 
sin*,  die  Vorstufe  des  abfalls  im  westgermanischen.  "Walde  glaubt  (s.  130)  folgendes 
„gesetz"  vertreten  zu  können:  „der  s-laut  fällt  [im  westgermanischen]  unabhängig 
vom  Vernerschen  gesetze,  auf  dem  wege  über  %  ab  nach  kurzem  oder  geschleiftem 
langen  vokale  ursprünglich  letzter  Silben,  sowie  nach  konsonant  (n)\  er  bleibt  nach 
gestossener  länge  und  nach  einem  kurzen  vokale,  der  erst  durch  schwund  eines 
auf  den  s-laut  folgenden  vokals  in  letzte  silbe  geriet."  Die  letzte  annähme  ist  gewiss 
richtig  und  vielleicht  auch  die  erklärung,  dass  dabei  die  durch  den  vokalschwund 
heiworgerufene  auslautsdehnung  wirksam  war.  Im  übrigen  fragt  man  sich  zunächst 
vergeblich  nach  einer  phonetischen  begründung.  Denn  dass  der  ton  von  silben  mit 
gestossener  länge  schärfer  geschnitten  gewesen  sein  soll,  als  der  mit  kürze  (s.  131), 
ist  mir  doch  sehr  zweifelhaft.  Ausserdem  spricht  für  die  bewahrung  nach  gestossener 
länge  nur  ahd.  2.  sg.  incl.  prät.  neritos,  ahd.  2.  sg.  opt.  prät.  nämts;  dagegen  aber 
die  als  isolierte  form  wichtige  ahd.  2.  sg.  "///'.  die  nach   Walde  (s.  133)  nicht  gleich 


120  MICHELS 

got.  wileis  gesetzt   werden  darf,   sundern  eine   neubildung  nach   der  2.  sg.   präteriti 
starker  verba  wie  bi%$i  usw.  sein  soll:   eine   ganz   unglaubliche   annähme,   da  weder 
eine  formale   beziehung  vorhanden   war,   noch  der  begriff  „du  willst"   irgend  etwas 
präteritales  an  sich  hat!     Etwas  ganz  anderes  ist  natürlich  die  Umformung  von  „ich 
will"  usw.  nach  den  präteritopräsentien  wie  „ich  kann",  „ich  muss",  „ich  soll":   die 
aber  versagen  gerade  für  die  2.  sg.  auf  i.     Ahd.  hirti,  gcsti  kann  man  freilich  aus- 
schalten, wenn  man  mit  "Walde  annimmt,    dass  es  schon  *hirdiia%,  *gasteie%  hi«'ss, 
der  wandel  von  s>%  also  älter  ist  als  die  synkopierung  der  vokale  in  dritter  silbe. 
Anderseits  protestiert  gegen  die  beschränkung   des  %  -  abfalles   auf   die  Stellung  nach 
schleifender  länge  ahd.  opt.  präs.  nenies.    Freilich  heisst  es  ags.  binde;  aber  es  heisst 
auch  im  prät.  ags.  bunde  (statt  * biux/es).     Walde   nimmt  an,    dass  im  ahd.    der  opt. 
präs.  nach  dem  prät.  umgestaltet  sei.     Methodischer  scheint  mir  einzugestehen,  dass 
sich  auf  die  Optative  eine  theorie  überhaupt  nicht  gründen  lasse.    Bleibt  also  neritos, 
ags.  neredes,   dem  aber  wieder  anord.  safnaSer  gegenübersteht.     "Walde  glaubt  des- 
halb, für  das  anord.  „das  gesetz  so  fassen  zu  müssen,  dass  auch  die  ins  westgerma- 
nische in  tonloser  gestalt  hereingekommenen  -s  zu-*,  -r  wurden"  (s.  133).    Dem  aber 
widerspricht  dann  wieder  g.  sg.  arms,  das  nach  analogie  von  ßes(s)  behandelt  sein 
soll.     Nach  alledem   kann  ich  nicht  finden,   dass   die  frage   durch  "Walde  gelöst  ist. 
Wie  sie  zu  lösen,  ist  freilich  schwieriger  zu  sagen.     Ich  für  meine  person  bin  (im 
anschluss  an  Hirt,  Beitr.  18,527)  der  meinung  zugeneigt,  dass  jedes  ursprünglich 
auslautende  -s  im  nordischen  lautgesetzlich  zu  r  geworden ,  im  westgermanischen  aber 
abgefallen  ist.     Dann   wäre  s   lautgesetzlich  in  arnis,  r  lautgesetzlich   z.  b.   in  2.  sg. 
safnader,  2.  sg.  opt.  präs.  safner,  skiöter  u.  a.    Durch  analogie  müsste  nur  die  2.  sg; 
präs.  ind.  safnar  (nach   opt.   safner,   prät.  safnader),   skyto   (nach   opt.  skiöter)   ihre 
endung  erhalten  haben,  wahrscheinlich  zu  einer  zeit,   als  sich  noch  s  und  %,  gegen- 
überstanden und   das  Sprachgefühl   sich   einer  so   zwecklosen  differenzierung  wider- 
setzte.    Diese   annähme    scheint  mir    ohne   Schwierigkeiten.     Andrerseits    nötigt    im 
westgermanischen  der  gegensatz  von  ahd.  bindes,  as.  bindes,  ahd.  bundis,  as.  bundis 
und  ags.  binde,  bunde  von  vornherein,  mit  analogiehildungen    zu  operieren,  und  da 
scheint  es  mir  am  natürlichsten,  die  auf  den  ersten  blick  wegen  der  Übereinstimmung 
mit  der  1.  3.  sing,  so  unzweckmässigen  ags.  formen  als  ererbt  anzusprechen,  für  die 
as. -ahd.  aber  anzunehmen,  dass  sie  ihre  endung  nach  bindis  aufgefrischt  haben,  zu- 
nächst wol   der  opt.  präsentis   (bindes),   dann  nach  dessen  muster  der   opt.  präteriti 
{bundis).     Wie  beim  altnordischen  könnte  man  auch  hier  geneigt  sein,  anzunehmen, 
dass  die  neuerung  stattfand  zur  zeit,  wo  %  noch  nicht  abgefallen  war,    * bindez  und 
dann  auch  *bundi%  also  nach  bindis   ein  s   erhielten.     Aber  warum  entstand  dann 
nicht  auch  in  der  2.  sg.  ind.  prät.  "•'bundis   aus   *bimdi%,?     Da  man   auf    die   frage 
die  antwort  schuldig  bleiben  muss,  so  halte  ich  es  für  richtiger,   anzunehmen,   dass 
die  unmittelbar  nach  dem  r.  -abfalle  (s.u.)  vorhandenen  *binde,  *buncU  als  von  den 
dritten  personen  binde,  *bund/t   zu  wenig  unterschieden   empfunden  wurden  und  so 
wenigstens  auf  sächs.-hd.  Sprachgebiet  dem  Untergang  preisgegeben  waren,  während 
die  indicativform  des   Präteritums   schon   durch   ihr  i  hinlänglich   charakterisiert  war. 
Vielmehr:   es  wird  Brugmann  gegen  "Walde   recht  behalten  mit  der  annähme,   dass 
ahd.  biiinli,    nanu,   fiiiiri,   riati  usw.  eben  alte   optativformen  sind,   die   durch  den 
zusammenklang  mit  den  aoristformen  bixxi,  %ugi  usw.  in   den  indicativ  gelangten, 
während    im    optativ    an    ihre    stelle    neubildungen    traten.      Die    ungleich    grössere 
Schwierigkeit,  die  endlich  ahd.  neritos  und  ags.  neredes  bieten,  lässt  sich  vielleicht 
auch  überwinden,   wenn  man   sich   vorstellt,   dass  hier  die   analogiebildung  bei   den 


ÜBER   WALDK.    DIE    GERMANISCHEN    AUSLAUTGESETZE  1-1 

schwachen  verben  2.  und  3.  klasse  einsetzte.  Ich  setze  voraus,  dass  für  die  2.  sg. 
die  formen  auf  -de%x)  und  -dö(z),  für  die  3.  sg.  -dB  und  -dö  eine  zeit  lang  neben- 
einander bestanden  haben,  mögen  sie  nun  ererbt  oder  je  die  eine  nach  der  1.  sg. 
umgestaltet  sein.  Für  die  2.  sg.  ist  diese  annähme  ohnedies  unumgänglich,  für  die 
3.  sg.  wenigstens  sehr  wahrscheinlich.  Nach  der  2.  sg.  präs.  *salbös  wurde  nun,  wie 
ich  vermute,  die  neben  der  3.  sg.  ungeeignete  2.  sg.  *salbödö  zu  salbödös  umgestaltet, 
gleichzeitig  nach  "habcs  die  neben  der  3.  sg.  *ktibede  zu  *hab&des\  analogieformen 
zweiten  grades  wären  * salbödes  neben  *  salböde,  *habedös  neben  *habedö,  ferner 
*sökides,  *söhidös  neben  *sökide,  *sökidü.  In  das  ags.  as.  sind  dann  die  e-  formen, 
ins  ahd.  (abgesehen  von  chiminnerodes)  die  ö- formen  übergegangen.  Dass  in  dieser 
form  auch  das  ags.  die  analogiebildung  durchsetzte,  im  opt.  aber  nicht,  erklärt  sich 
daraus,  dass  im  indikativ  das  bedürfnis  nach  Scheidung  der  personen  etwas  lebhafter 
sein  dürfte  als  im  optativ. 

Zur  Chronologie  der  urgermanischen  auslautgesetze  sei  endlich  im  anschluss 
an  "Walde  noch  folgendes  bemerkt.  Den  eintritt  der  nasalierung  in  urgermanisch  aus- 
lautender silbe  hält  man  bekanntlich  für  älter  als  den  dentalabf all ,  da  ja  die  endung 
-hh  aus  -unß  (=  ig.  -nt)  den  ererbten  nasal  bewahrte.  Nun  ist  ferner  nach  der 
herrschenden  meinung  der  abfall  des  dentals  älter  als  der  des  i  in  der  jn'iniären 
endung  -nti,  -npi,  sodass  man  demnach  synkope  eines  durch  m  (n)  gedeckten  a  (in 
dritter  silbe)  vor,  synkope  des  ungedeckten  i  in  dritter  silbe  nach  dem  dentalabf  all 
anzunehmen  hätte.  Diese  annähme  schiene  mir  übrigens  nicht  gerade  ungeheuerlich. 
Doch  gestattet  Waldes  ersatzdehnungstheorie  einen  bequemen  ausweg.  W.  schlägt 
(S.  163)  vor  anzunehmen,  dass  unmittelbar  auslautendes  -np  schon  zurzeit  der  vokal- 
synkope  zu  nS  geworden  war,  -npi  aber  als  -np  bezw.  -np  (mit  verstärktem  J>)  dem 
dentalabfall  trotz  bot.  Übrigens  ist  auch  die  annähme,  dass  die  nasalierung  dem 
dentalabfall  zeitlich  vorausgehe,  nicht  unbedingt  nötig,  da  ja  -xnp  über  -un  (mit 
verschärftem  n)  zu  -un  geworden  sein  und  die  reduktion  des  nasals  in  die  zeit  von 
-un  fallen  kann.  — 

Von  den  einzeldialektischen  auslautprozessen  erforderten  die  des  gotischen 
keine  besondere  behandlung.  Ebenso  besteht  für  das  nordische  und  westgerma- 
nische gebiet  betreffs  der  behandlung  der  urgermanischen  kürzen  im  wesentlichen 
einigkeit.  Ganz  mit  Walde  einverstanden  bin  ich,  wenn  er  erhaltung  altnordischer 
vokale  unter  dem  einfluss  eines  angeblichen  nebentons  sehr  energisch  ablehnt  (s.  be- 
sonders s.  185 fgg.).  Dagegen  kann  ich  nicht  finden,  dass  die  frage,  ob  im  nordischen 
ein  i,  u  in  einer  durch  vokalschwund  vokallos  gewordenen  silbe  vokalisierung  erfuhr, 
durch  ihn  gelöst  sei.  Walde  glaubt  (s.  182 fgg.),  sie  verneinen  zu  dürfen  wegen 
anord.  jör  =  urgerm.  *ehuax  gegenüber  fe  =  *fehu:  analogiebildung  nach  dem  einzigen 
dativ  plur.  jöm  (>  *eot>i>  *ehuom.  vgl.  Xoreen,  Btr.  7,439)  sei  unwahrscheinlich; 
man  habe  nur  lautliche  entwicklung  von  *ekuaR  >  *ehvR  (mit  spirantischem  v)  > 
*e~VR>  *euR>  jör  anzunehmen.  Ebenso  zeige  nipR  auf  dem  Eöksteine  (aus  ur- 
germ. *nij)iax)  neben  sitiR  mit  altem  vokalischen  i  (urg.  *sitis),  dass  i  bei  vokal- 
schwund nicht  vokalisiert  wurde,  sondern  schwand.  Aber  die  inschrift  des  Eök- 
steines  wird  meines  wissens  allgemein  ins  10.  jh.  verlegt,  und  für  diese  zeit  ist  sitiR 
als  lebendige  form  nicht  mehr  möglich.  Mit  recht  betrachtet  es  Xoreen  (Aisl.  Gr.2 
§  131,  1)  als  archaisch.  Da  schon  die  Björketorp- inschrift  barutR  (=  anord.  brytr)  hat, 
kann  es  gar  nichts  beweisen.  Auch  die  entstehung  von  jör  erscheint  mir  bei  Walde 
zu  gekünstelt.     Ein  *ehvR  wäre  gewiss  zu     c/ir,  eR  geworden. 


122  MK'HELS 

Den  schwund  der  kürzen  (so  weit  er  überhaupf  stattgefunden  hat)  hält  auch 
Walde  sowol  im  nordischen  als  im  westgermanischen  für  den  jüngsten  der  reduktions- 
prozesse,  welche  die  aüslautsilben  erfuhren.  Vorausgehen  die  quantitätsminderungen 
der  längen,  die  zum  teil  mit  qualitätsveränderungen  verbunden  waren. 

Für  das  nordische  formuliert  "Walde  die  sie  betreffenden  von  Hirt  und 
Streitberg  gewonnenen  regeln  folgendermassen  (s.  lOOfg.):  1.  „Unnasalierte  länge  im 
äüslaut  schwand  hei  stosston,  blieb  (als  kürze)  bei  schleifton".  2.  „Dagegen  ist  nasa- 
lierte länge,  ob  gestossen  oder  schleifend,  durchaus  (als  kürze)  erhalten  geblieben. 
Dasselbe  gilt  von  durch  r  oder  r  gedeckter  länge."  3.  „Alle  diphthonge,  kurz  oder 
lang,  gestossen  oder  schleifend,  blieben  als  monophthonge  und  verkürzt  erhalten" 
(s.  109). 

Die  regel,  dass  ehemals  gestossene  ungedeckte  und  unnasalierte  länge  schwand, 
ist  ausnahmslos ;  auch  ein  angeblicher  nebenton  konnte  den  vokal  nicht  retten  (s.  185 fgg.)1. 
Infolgedessen  können  (s.  s.  72fgg.)  die  altnordischen  „dative"  auf  -u  bei  den  femininen 
ö-stammen  Kerlingu,  Ingibiqrgu  usw.  und  den  adjektiven  wie  blindu,  die  sich  von 
den  westgermanischen  formen  wie  ahd.  blintu,  tagu,  wortu,  demu,  bUntemit  usw. 
nicht  trennen  lassen,  nicht  nach  der  herrschenden  theorie  als  instrumentale  auf  idg. 
und  ürgerm.  ö  erklärt  werden  (so  z.  b.  Streitberg,  Urg.  gr.  s.  187).  Auch  im  west- 
germanischen würden  sich  bei  dieser  auffassung  nur  die  wortformen  mit  kurzer 
Stammsilbe  als  regelrecht  entwickelt  betrachten  lassen,  die  leider  in  der  minderheit 
sind.  "Walde  sieht  keinen  andern  ausweg  als  ahd.  tagu  mit  den  bisher  unerklärten 
slavischen  dativen  wie  abulg.  rabu  zu  vergleichen,  deren  u  Brugmann,  Grundriss 
II,  599  auf  ig.  ou  zurückführte.  Walde  möchte  aber  lieber  ig.  öü  ansetzen;  er  findet 
den  schleif  ton  bezeugt  durch  serbisch  tomü,  als  einziger  form  mit  erhaltener  länge, 
die  freilich  von  den  suffixbetonten  formen  übertragen  sein  muss.  Sie  setzt  er  (gegen 
Hirt  IF.  6,  53)  dem  ahd.  demu  unmittelbar  gleich  (während  demo  nach  Jelliuek  und 
Hirt  mit  dem  abl.  ai.  tasmat  identifiziert  werden  darf).  Gestossenes  -öu  freilich 
(ebenso  wie  ou)  ist  im  nordischen  zu  -a  und  im  westgermanischen  zu  -o  entwickelt 
worden,  wie  an.  dtta,  ahd.  as.  ahto,  ags.  eahta  (=  got.  aktau,  idg.  olctöu)  zeigt. 
Aber  W.  macht  es  in  der  tat  wahrscheinlich,  dass  sich  der  geschleifte  langdiphthong 
anders,  zu  ü">u,  entwickeln  konnte.  Denn  auch  für  gestossenes  öu  in  nichtletzter 
silbe  ist  Übergang  in  ü  anzunehmen,  in  betonte]'  silbe,  wenigstens  wenn  sie  g 
schlössen  war2:  ig.  g  aus  ergibt  urgerm.  *fe&,  woraus  ags.  cd.  anord.  kf/r  (vgl.  auch 
Brugmann  IF.  6,  90),  während  as.  £o,  ahd.  kuo  von  Streitberg  richtig  auf  den  acc. 
ig.  *g  öm  zurückgeführt  wird.  Auch  für  mittlere  silben  bezeugt  got.  ahtuda  diesen 
Übergang.  Zur  erklärung  der  ig.  form  auf  öü  hat  freilich  W.  nur  die  etwas  vage 
bemerkung:  „Ich  glaube,  dass  unser  instrumentalis  als  soziativus  mit  den  ou- formen 
des  dualis  näher  zusammen  gehört,  denen  ja  auch  soziative  Grundbedeutung  inne- 
wohnt. Über  die  entstehung  des  schleiftons  .  .  .  enthalte  ich  mich  vorderhand  lieber 
des  Urteils "  (s.  87).  So  wird  man  denn  von  seinem  versuch  schliesslich  nicht  völlig 
befriedigt  sein:   dass   er  ernste  beachtung  verdient  und  vielleicht  von  den  irrwegen, 

1)  Die  erhaltung  des  -e  (ig.  -et)  in  der  3.  sg.  anord.  safna&e  ist  mit  Streitberg 
dem  streben  zuzuscb reiben,  „in  allen  personen  des  paradigmas  die  gleiche  silbenzahl 
zu  haben  u*(vgl.',s.  15). 

2)  Walde  mach!  diese  beschränkung  nicht  ausdrücklich.  Für  offene  haupt- 
tonsilben  wird  man  wegen  *slaut  <  *(se)slöutt  (s.  Streitberg,  Z.  german.  Sprach- 
geschichte s.  93fg.)  doch  wol  Übergang  in  au  annehmen  müssen.  Die  differenzierung 
muss  dann   ver  dem  abfall  auslautender  ungedeckter  kürzen  eingetreten  sein. 


ÜBER    WALDE,    PIE    GERMANISCHEN    ATJSLATJTGESETZK  123 

die  wir  bisher  gewandelt  sind,  ab-  and  auf  den  richtigen  weg  hinführt,  lässt  sich 
nicht  bestreiten. 

Bei  den  nordischen  femininen  müssen  die  formen  dann  mit  Walde  als  nach- 
bildungen  des  masknlinnms  betrachtet  werden.  Wie  nach  dem  muster  *da^,oi:  getoi 
zum  instr.  *f/agö  ein  gebö  (an.  giqf)  gebildet  wurde  (s.  Hirt  IF.  6,  77  A.),  so  sei 
weiter  nach  *f/agö  :*gebö  auch  zum  instr.  *da^ü  ein  *gebü  entstanden  (s.  88). 

Auf  der  anderen  Seite  ist  geschleifte  länge  im  nordischen  unter  allen  umständen 
(als  kürze)  erhalten.  Darum  können  die  endungslosen  „dative",  die,  wie  Walde 
gegen  die  herrschende  theorie  in  einer  seiner  gelungensten  ausführungen  feststellt, 
im  altnordischen  gerade  bei  kurz  silbigen  stammen  am  häufigsten  belegt  sind  und 
von  ahd.  hüs,  dorf,  holx,  ags.  hdm,  tl<<-  nicht  getrennt  werden  dürfen,  nicht  mit 
den  dativen  auf  -e  (wie  arme)  identifiziert  werden.  W.  sieht  darin  (s.  lfgg.)  alte 
lokative  auf  -e,  die  er  mit  den  —  leider  doch  noch  sehr  umstrittenen!  —  lit.  loka- 
tiven  wie  ivilke  gleichstellt:  ich  weiss  wenigstens  keine  befriedigendere  erklärung  und 
nehme  meine  früheren  bemerkungen  (IF.  Anz.  I,  31)  gern  zurück. 

Die  sprachhistorische  entwicklung  nun  stellt  sich  Walde  folgendermassen 
vor.  Er  nimmt  an,  dass  bis  zur  zeit  der  inschrift  von  Etelhem  (nach  Xoreen  6.  jh.) 
sämtliche  längen  erhalten  blieben  (s.  107).  wrta  (Etelhem),  3.  sg.  mit  idg.  -et,  will 
er  als  wurtm  lesen:  ebenso  swestar  (Opedal)  als  swestar  (s.  u.).  Monophthongierung 
der  ai- diphthonge  zu  e.  das  W.  als  >r  fasst,  belegen  schon  die  ältesten  inschriften: 
niwane  (=  in  wave,  anord.  i  Vange),  Thorsbjserg,  und  das  unklare,  aber  als  n.  pl. 
des  Superlativs  sichere  sijostcR  oder  si»osteR,  Time.  Entsprechend  wäre  auch 
Übergang  der  </?/- diphthonge  in  5  anzunehmen,  iu  (aus  eu,  bekanntlich  schon  in 
Jcunimu[n]efiu,  Tjurkö)  ist  später  zu  /  geworden,  worüber  Walde  eine  besondere  mir 
nicht  a'anz  einleuchtende  theorie  entwickelt  (s.  109),  die  mit  seinen  anschauungen 
über  isoliertes  *  in  vokallos  gewordenen  auslautsilben  zusammenhängt. 

Als  erste  auslautkürz uny  wird  dann,  um  die  wende  des  6.  jhs. ,  die  Verwandlung 

gesl ner  unnasalierter  längen  im  absoluten  ausbaut  in  kürzen  angesetzt,   vgl.  umrte 

runoR  (Tjurkö).  „Ob  gleichzeitig  damit  unnasalierte  dreizeitige  länge  zu  zweizeitiger 
wurde  [vgl.  das  westgermanische],  lässt  sich  nicht  bestimmen-  (s.  107). 

Um  die  wende  des  7.  jhs.  erfolgte  dann  der  hauptstoss  der  auslautkürzungen, 
dem  sämtliche  noch  erhaltenen  unnasalierten  längen  zum  opfer  fielen.  Ehemals 
schleifende  gedeckte  länge  ist  im  acc.  pl.  runan  (Istaby,  nach  Xoreen  etwas  nach 
700)  verkürzt.  So  muss  jetzt  auch  anord.  glika  aus  urgerm.  galllcö  (got.  galeilcö)  ent- 
standen sein,  ferner  *  swestar  aus  *srvestär  (mit  gestosseuer  länge),  „was  also  nicht 
unter  den  begriff  der  langdiphthongenkürzung,  sondern  unter  den  des  gewöhnlichen 
auslautgesetzes  fällt"  (s.  108).  Die  neu  entstandenen  kürzen  sind  aber  entweder  als 
halblängen  zu  betrachten,  oder  es  ist  mit  rücksicht  auf  die  getrennte  entwicklung 
anzunehmen,  dass  die  zur  zeit  des  zweiten  kürzungsaktes  schon  vorhandenen  kürzen 
eine  reduktion  erfuhren  (zu  halbkürzen  wurden ,  vgl.  s.  108  fg.).  „Gleichzeitig  ist  auch 
die  ausstossung  von  a  und  i  nach  langer  Wurzelsilbe  vor  -E  belegt,  sowie  der  Über- 
gang von-«  im  absoluten  ausbaut  zum  irrationalen  vokal "  (s.  108).  Was  die  kürzung 
nasalierter  längen  angeht,  so  ist  jedenfalls  die  Verkürzung  der  ehemals  schleifenden 
noch  etwas  später  anzusetzen  wegen  g.  pl.  ntno  und  h(a)ideRrunono  auf  den  in- 
schriften von  Biörketorp  und  Stentofta  gegenüber  späterem  runa.  Man  möchte  für 
die  ehemals  gestossenen  dasselbe  annehmen,  aber  das  -edes  schwachen  maskulinums 
dauäe  auf  dem  stein  von  Biörketorp  (um  700)  gegenüber  älterem  wiwila  u.  dgl.  scheint 


1  2  1  MICHELS 

schon    kürze  zu  sein.     Keine   genauere  Vorstellung  lässt  sich  nach  Walde  über 
die  art  and  weise  gewinnen,  wie  die  nasalierung  der  längen  schwand. 

Im  Zusammenhang  mit  diesen  vokalwandlungen  erfordern  noch  die  Schicksale 
der  nasale  eine  Betrachtung,  die  ihnen  Walde  in  einem  besonderen  kapitel  gewidmet 
hat  (s.  88).     Ich  begnüge  mich  seine  resultate  kurz  zusammenzustellen. 

1.  Die  annähme  runisch  horna  oder  staina  sei  noch  mit  nasaliertem  a  gesprochen 
worden  (Noreen:  Pauls  Grundriss  I2  563),  ist  mit  Kluge  (ebenda  I2  419)  abzu- 
lehnen: denn  der  gegensatz  indaf'R :  tvulqfq  erklärt  sich  gleich  dem  von  sunR :  sunii 
daraus,  dass  —  wie  Noreen  selbst  hervorhob  —  vor  konsonaut  Synkope  im  alt- 
nordischen früher  eintrat  als  im  absoluten  auslaut  (s.  99).  —  2.  In  das  urnordische 
übernommenes  ausl.  -n  blieb  urnordisch  nach  kurzem  vokal  erhalten  (3.  pl.  dalidun 
mit  urgerm.  -im  <  idg.  nt);  dass  es  nach  langem  vokal  in  die  nasalieruug  übergieng 
folgert  AValde  aus  acc.  pl.  runo  (Einang,  Fyrunga,  Torvik),  das  nach  ihm  aus  *runönx 
zu  erklären  ist,  mit  frühzeitigem  Schwund  des  x,  während  Iginöä  (Stenstad)  aus 
H  Tginönx,  *Iginö~nes  (vgl.  auch  finnisch  sunnuntai)  das  durch  den  vokalausfall  ge- 
dehnte n  bewahrte.  (Andere  falle  wie  der  dat.  sg.  witadahalaiban  sind  verschiedener 
beurteilung  ausgesetzt).  —  3.  In  der  nachurnordischen  zeit  ist  ein  in  urnord.  zeit 
im  auslaut  stehendes  n  geschwunden,  sowol  nach  langem  als  nach  kurzem  (unbe- 
tontem) vokal  (s.  96).  —  4.  Ein  durch  abfall  gestossener  länge  auslautend  gewordenes 
-n  blieb  nach  betontem  langem  vokal  (min,  ßin,  sin  =  got.  meinet  usw.)  und  nach 
unbetontem  kurzen  vokal  (spahan :  got.  blindana,  /itan  =  got.  ütana)  bestehen;  nach 
unbetontem  langem  vokal  aber,  wie  A.  Kock,  Beitr.  15,  244  zeigte  nur  im  aschwed. 
(aisl.  nom.  pl.  m.  augu  =  aschw.  öghon  =  got.  augöna;  aisl.  3.  pl.  konj.  aisl.  biopi, 
fori  =  aschw.  biupin,  forin  =  got.  biudaina,  foreina)1.  Für  die  Stellung  nach  be- 
tontem kurzem  vokal  mangeln  die  beispiele  (s.  89  fgg.).  Auf  dieselbe  weise  auslautend 
gewordenes  -nn  blieb  nach  haupttoniger  silbe  (acc.  einn  usw.)  und  nach  kurzer  un- 
betonter silbe  (acc.  bundenn  usw.)  erhalten.  Für  die  Stellung  nach  langer  unbetonter 
silbe  fehlen  beispiele  (s.  92  fgg.). 

Für  das  westgermanisch e  setzt  Walde  in  ausführlicher  darstellung  (s.  1  fgg.) 
zwei  kürzungsakte  an. 

Bei  dem  ersten  blieben  (ebenso  wie  im  gotischen  nach  Streitbergs  überzeugenden 
ausführungen  IF  6,  142  fgg.)  urgerm.  durch  x  gedeckte  längen,  sowol  die  schleifend 
betonten  (z.  b.  urgerm.  -öx  im  gen.  sing,  der  femininen  ä- stamme,  -aus  im  gen.  sing, 
der  M-stämme)  als  die  stossend  betonten  (7s  im  n.  sg.  der  ip-  und  n.  pl.  der  i- 
stämme)  völlig  intakt.  Betroffen  wurden  aber  neben  den  völlig  ungedeckten  auch  die 
nasalierten  längen.  Wenn  sich  aus  den  gestossenen  nasalierten  längen  weiterhin  kurze 
vokale  entwickeln,  die  erhalten  bleiben,  so  muss  ihre  erhaltung  auf  einer  dehnuug 
beruhen,  die  die  nasalierung  hervorrief  (s.  18).  Es  fragt  sich,  wann  sie  eintrat, 
Walde  führt  nun  aus,  dass  der  Übergang  von  urgerm.  -ö-  zu  -a  z.  b.  im  acc.  sg.  ahd. 
ijeba  sich  am  natürlichsten  ais  eine  fortwirkung  der  schon  urgermanisch  vorhandenen 
oeigung  fassen  lasse,  unbetontes  (offenes)  o  in  a  zu  verwandeln.  Er  setzt  demgemäss 
als  Vorstufe  von  a  ein  q  an,  das  sich  zunächst  aus  o  entwickelt  hat.  Ist  das  richtig, 
so  muss  wegen   des  gegensatzes  von   ahd.  geba  und  tago   altes  (>  uoch  als  länge  be- 

1)  Anders  freilich,  aber  mich  nicht  überzeugend,  noch  immer  Noreen:  Pauls 
grundriss  I2  613  u.  639  fg.,  vgl.  *497  u.  517. 

2)  Ich  bezeichne  durch  den  untergesetzten  haken  hier  wie  überall  die  nasa- 
lierung. 


ÜBER    WAI.DE,    1)IE    GERMANISCHEN   A  rRT.AUTGESRTZK  125 

standen  haben,  als  altes  ö  verkürzt  wurde  (s.  21),   sodass  sich  für  eine  erste  periode 
folgende  entwicklung  ergibt: 

Aus:    e    ö    (bezw.  ö  oder  ü)     7>     ö    o    öx    %% 
wurdou  durch  die  erste  westgermanische  kürzung: 

e     0    (bezw.   u)  q     ö     T>     öx     %% 

daraus    e     g    (bezw.  u)  et     ö     q     öx     vx,. 

Erst  nach  diesem  wandel  kann  q  dehnung  und  eventuell  zugleich  nasalverlust 
erfahren  haben,  der  dann  auch  q~  betroffen  haben  wird. 

Zwischen  die  erste  und  zweite  kürzung  muss  ferner  der  »-Verlust  fallen,   der 
die  urgermanischen  öx,   aüx,   tx  nun   ebenfalls  der  Verkürzung  um   eine  more  preis 
gab.     In    ziemlich    umständlicher    darlegung,    die    ich    hier    nicht    wiederholen    kann 
(s.  24fgg.),  vermutet  Walde  als  ergebnis  dieser  zweiten  kürzung 
'■'    ü         a  (oder  q)     o     o  (oder  q)     ö     i. 

Mit  anderen  worten:  die  alten  ungedeckten  gestossenen  längen  wurden  zu  über- 
kürzen, die  dem  abfall  in  derselben  weise  preisgegeben  waren  wie  die  urgermanischen 
kürzen,  oder,  wie  Walde  seinerseits  den  verhalt  ausdrückt,  die  alten  ungedeckten 
geschleiften  längen  wie  die  durch  %  gedeckten  oder  nasalierten  gestossenen  längen 
wurden  zu  halblängen.  Es  folgte  dann  der  Übergang  von  ö  zu  et  (s.  28).  Alle  diese 
prozesse  sind  wahrscheinlich  urwestgermanisch. 

Als  ein  urwestgermanischer  Vorgang  ist  nach  "Walde  (s.  54  fgg.)  ferner  die 
monophthongierung  der  unbetonten  diphthonge  zu  betrachten.  Sie  muss  sich  bereits 
vor  dem  «-abfall  vollzogen  haben,  da  ungedeckte  diphthonge,  gleichgiltig  von 
welcher  betonungsart  im  ahd.  durch  kürzen  vertreten  sind,  urgerm.  -aüx  aber  in  ahd. 
frieloo  durch  länge.  Es  muss  einmal  neben  einander  bestanden  haben  *fridöx  (mit 
geschlossenem  p,  das  nicht  wie  das  offene  ö  von  *geböx  zu  ä  wurde)  und  aktö,  was 
bei  der  zweiten  westgermanischen  kürzung  ahd.  akto  ergab.  Da  zweizeitige  länge 
nach  der  ersten  westgermanischen  kürzung  wegen  der  späteren  kürze  sowol  für  ehe- 
mals gestossene  als  ehemals  schleifende  ungedeckte  diphthonge  angesetzt  werden  muss, 
so  ist  wahrscheinlich,  dass  für  beide  als  Vorstufe  dreizeitige  länge  gelten  darf,  es  also 
vor  der  ersten  westgermanischen  kürzung  *ahtg  hiess.  Gen.  sg.  ahd.  ensti,  ags.  bene 
vermag  Walde  nicht  als  lautgesetzlich  zu  erklären:  ein  zu  erwartendes  *anste  muss 
hier  durch  deD  dat-iv  verdrängt  sein. 

Schwund  des  nasals  und  eine  im  übrigen  der  von  ahd.  gebet  gemeldete  ent- 
wicklung nimmt  W.  s.  29  fgg.  in  ahd.  acc.  (=  nom.)  pl.  taget,  an.  Idg.  -ons  habe  sich 
über  qx  zur  zeit  des  *-abfalls  zu  q  und  weiter  westgermanisch  a  entwickelt.  Der 
Schwierigkeit,  die  in  der  annähme  besteht,  dass  *da^anx  zu  *da^qx  wurde  —  ein 
fall,  der  allerdings  der  genauen  parallele  entbehrt,  aber  an  sich  unbedenklich  ist  — 
n.  pl.  hanonx  (aus  *hanonex)  dagegen  den  nasal  bewahrte,  geht  W.  wiederum  mit 
der  annähme  aus  dem  wege,  dass  die  durch  den  vokalausfall  bewirkte  dehnung  des« 
(also  genauer  * hanonx)  noch  zur  zeit  des  nasalschwundes  nachwirkte  (s.  30  fg.). 

Eine  besondere  Untersuchung  ist  endlich  dem  nominativ- acc.  pl.  der  (7-feminina 
gewidmet.  Die  formen  auf  -ä  (ahd.  gebet)  sind,  wie  wir  schon  sahen,  auch  für  W. 
lautgesetzlich  aus  urgerm.  -äs  (idg.  -eis)  entwickelt,  indem  das  durch  «-abfall  und 
die  zweite  westgenn.  auslautkürzung  entstandene  zweimorige  5  noch  urwestgermanisch 
zu  ä  wurde.  Was  aber  sind  die  formen  auf  o:  blinto,  kebo?  Als  analogiebildungen 
sind  sie  nicht  zu  erklären.  Walde  tut  (s.  32  fgg.)  die  Hirtsche  ansieht,  dass  sie  einer 
Übertragung  des  o  von  pronomen  eleo,  tlio  ihr  dasein  verdankten,  sehr  gründlich  ab; 
ich  kann  mich  nur  einverstanden  erklären:  wir  hätten  blintio  zu  erwarten.    Die  form 


L26  MICHELS    ÜBER    WALDE,    DIE    BERMANISCHEN    ATJSLAUTGESETZE 

deo  selbst  aber  erklärt  er,  indem  er  ein  urgermaniscb.es  *fiiöz  (entweder  für  Jdpx 
aus  idg.  /««s  nach  Kögels  lautgesetz  Afda  19,243  oder  für  ße-öx,  wie  s.  37  fgg.  aus- 
geführt wird)  zu  jßioz,  mit  diphthongischem  io  werden  lässt:  eine  nicht  ganz  strenge 
parallele  würde  ahd.  J "rinnt  =  got.  frijönds  bieten.  Im  acc.  sg.  urgerm.  fiiq  =  ahd. 
dea  dia  sei  wegen  des  nasalierten  ö  zweisilbigkeit  zunächst  bestehen  geblieben  und 
7)  regelrecht  entwickelt  worden.  "Weiter  zeigt  er  dann,  dass  auch  für  ags.  göSa  sich 
nur  auf  den  ersten  blick  der  analogiebildung  nach  Öu  darbiete:  bei  näherer  betrachtung 
ergeben  sich  auch  hier  unüberwindliche  Schwierigkeiten  (s.  48  —  50).  So  stellt  er 
denn  schliesslich  um  die  doppelheit  von  ahd.  gebä  und  gebo  zu  erklären,  die  alte 
Mahlowsche  erklärung  auf  den  köpf:  „westgerm.  ä  ist  die  ursprüngliche  nominativform, 
6z,,  o  die  accusativform "  (s.  51),  die  auf  idg.  -ans  zurückzuführen  wäre,  falls  es 
nicht  richtiger  wäre,  darin  eine  germanische  neuerung  zu  sehen.  Aus  westgerma- 
nischem qx  wurde  durch  den  x.-abfall  v,  das  ebenso  wie  das  durch  die  erste  west- 
germanische kürzung  entwickelte  zu  o  verkürzt  wurde.  Demgemäss  erneuert  Walde 
eben  auch  für  run.  rv/no  auf  dem  stein  von  Einang  (=  aschw.  rund)  die  alte  Brati- 
sche erklärung  aus  *runox. 

Man  wird  natürlich  den  hypothetischen  Charakter  aller  dieser  ausführungen 
nicht  verkennen  können;  doch  lassen  sich,  soviel  ich  sehe,  keine  begründete  ein- 
wenduugen  dagegen  erheben. 

Von  den  exkursen  ist  der  über  iii  und  die  germanische  Silbentrennung  am 
wichtigsten.  AValde  führt  s.  149  fg.,  indem  er  an  eine  bemerkung  Brugmanns  anknüpft, 
scharfsinnig  aus,  dass  der  gegensatz  von  got.  mateis  (<  vorgerm.  * matiiex,  oder 
*matiiix)  und  nasjis  (aus  *  naxiiixi)  —  denn  auf  diese  beiden  formen  allein  kommt 
es  an  —  sich  phonetisch  nur  so  verstehen  lassen,  dass  auslautendes  -iiez-  oder  iii% 
~>  iho~>t%,  wurde,  mittleres  iii  aber  erhalten  blieb  und  später,  je  nach  kürze  oder 
länge1  der  Stammsilbe  zu  ji  oder  *'»>*  wurde.  Diese  verschiedenartige  behandlung 
könne,  wie  van  Helten  ganz  richtig  sah,  nur  auf  der  Verschiedenheit  der  Silben- 
trennung nach  urgermanisch  kurzem  oder  langem  haupttonvokal  beruhen.  Es  stand, 
wie  "Walde  für  das  indogermanisch -germanische  das  Silbentrennungsgesetz  formuliert, 
i  im  silbenanlaut,  ii  im  silbeninlaut.  Da  auf  gesetzen  der  Silbentrennung  auch  der 
bekannte  gegensatz  von  u  und  w  im  gotischen  beruht:  tautosyl labisches  u  nach  be- 
tontem kurzen  vokal,  heterosyllabisches  w  nach  betontem  langem  (oder  unbetontem) 
vokal,  so  stellt  Walde  (s.  15  fg.)  das  silbentrennuugsgesetz  auf:  „Einfacher  konsonant 
nach  kurzem  haupttonigen  vokal  gehört  stets  (also  auch  bei  folgendem  vokale)  zur 
ersten  silbe,  nach  langem  vokale  stets  zur  zweiten.  Bei  zwei  konsonanten  liegt  die 
silbengrenze  iu  der  mitte."  Diese  formulierung  scheint  auch  mir  zu  den  tatsachen 
besser  zu  stimmen  als  die  von  Sievers,  Streitberg  u.  a.  Die  ausführungen  über  die 
germanischen  kausativa,  auf  die  einzugehen  ich  mir  versagen  muss,  sind  mir  aber 
allzu  küustlich.     Die  behandlung  des  got.  w  erfordert  eine  neue  Untersuchung. 

1)  Wie  die  betonte  länge  wirkt  bekanntlich  auch  jede  unbetonte  silbe,  was  ich 
im  folgenden  ignoriere. 

JENA,    DECKMBER    1901.  VICTOR    MICHELS. 


WADSTKIN,    ZUM    CLERMONTER    RTJNENKÄSTCBTSN  127 

MISCELLEN. 

Zum  Clermonter  rmieiikästehen. 

In  seiner  besprechung  der  jüngst  erschienenen  abhandlungen  über  dieses  denk- 
mal  stellt  berr  dr.  Tb.  v.  Grienberger  die  sacbe  in  der  weise  dar,  als  ob  icb  es  nicht 
erwähnt  hätte,  dass  die  bedeutung  der  neuen  vokalrunen  von  drei  englischen  gelehrten 
gefunden  und  mir  von  dieser  seite  mitgeteilt  worden  ist.  Um  diese  verletzende  dar- 
stellung  zurückzuweisen,  brauche  icb  bloss  an  s.  32  meiner  abbandlung  „The  Clermont 
Runic  Casket"  zu  erinnern,  wo  icb  selbst  den  betreffenden  aufscbluss  aus- 
führlich gegeben  habe. 

Auch  an  anderen  stellen  bat  der  recensent  gezeigt,  dass  er  die  Publikationen, 
die  er  zu  besprechen  unternommen,  nicht  hinlänglich  studiert  bat.  Ich  will  hier 
nur  auf  das  aufmerksam  machen,  was  das  aussehen  der  runen  oder  der  bilder  be- 
trifft. Erstens  ist  zu  erwähnen,  dass  die  form  drigijj,  die  der  reo.  teilweise  für 
eine  konjektur  hält  und  sehr  ausführlich  bespricht,  eine  ganz  sichere  lesung 
wie  mau  mit  bilfe  der  unteren,  von  dem  rec.  offenbar  übersehenen,  reste  der  runen, 
die  auf  dem  Florenzer  brucbstücke  zu  sehen  sind,  konstatieren  kaum 

"Was  die  runeninschrift  dieser  seite  ferner  betrifft,  ist  zu  bemerken,  dass  G.s 
lesung  sefo  statt  des  von  mir-  und  Xapier  gelesenen  sefa  durchaus  falsch  ist.  G.  ist 
hier  durch  einen  schattenstrich  verleitet  worden,  der  rechts  neben  dem  unteren  seiten- 
strich  von  ^  auf  tafel  VI  bei  Xapier  zu  sehen  ist.  Dass  hier  ff.  nicht  |tf  steht,  zeigt 
übrigens  in  der  deutlichsten  weibe  ein  in  meinem  besitze  befindlicher  gipsabdruck 
von  dem  originale  (den  berr  prof.  Pin  Rajna  in  Florenz  die  gute  gehabt  bat,  für  mich 
zu  besorgen). 

Zuletzt  will  ich  nur  noch  eine  beriebtigung  zu  G.s  angaben  mitteilen, 
welche  für  die  beurteilung  der  bilder  von  Wichtigkeit  ist.  Die  mittlere  von  den 
rechts  stehenden  figuren  hält  nicht,  wie  G.  sagt,  einen  bogen  in  der  linken  band. 
Was  <i.  für  eine  band  gehalten  bat,  ist  nur  der  obere  teil  des  bogens  (vgl.  dass  am 
unteren  ende  des  bogens  ein  ähnlicher  runder  knöpf  zu  sehen  ist),  was  ebenfalls  der 
gipsabdruck  ausser  jedem  zweifei  stellt.  "Wenn  dieser  bogen  zu  irgend  eiuer  der 
figuren  gehört,  so  gehört  derselbe  vielmehr  zu  der  rechten.  Der  bogen  braucht  aber 
hier  überhaupt  keine  notwendige  rolle  zu  spielen.  Der  künstler  hat  ihn  vielleicht 
nur  deshalb  angebracht  um  den  sonst  leeren  räum  auszufüllen;  bat  er  ja  auch  an 
anderen  stellen  —  z.  b.  hinter  dem  köpfe  dieser  rechten  figur  und  zwischen  den 
beinen  des  pferdes  —  aus  diesem  gründe  kleine  Schnitzereien  gemacht. 

GOTENBURG,    DEN    4.    FKBR.    1902.  ELIS    WADSTEIN. 


Xeue  predigthaudsehrifteu. 

I.    Zum  Rusticanus  de  Dominicis. 

G.  Jacobs  abbandlung  über  die  lateinischen  reden  Bertholds  (Regensburg  1880) 
konnte  zum  Rusticanus  de  Dominicis  nur  eine  vollständige  hs.  verzeichnen,  nämlich 
den  Baumgartenberger  cod.,  der  sich  jetzt  in  der  öffentlichen  bibbothek  in  Linz  be- 
findet (cod.  Tp4,  membr.  IV.  174  fll.  saec.  XIII). 

P.  Ig.  Jeder  0.  S.  Fr.  machte  in  seiner  besprechung  des  buches  von  Jacob 
(Lit.  rundschau  1881  n.  3)  auf  zwei  neue  codd.  aufmerksam.  Der  eine  befindet  sich 
in  der  bibliothek  der  Benedictinerabtei  8t.  Peter  in  Salzburg  (Cod.  a.  IV.  16,  membr.  4°. 


128  s(  HIFFMAXN 

59fll.  saec.  XIV.  in.),  der  andere  in  der  Stadtbibliothek  m  Zwickau  (Cod.  I.  XIV.  37, 
membr.  8°.  289  fll.  saec.  XIV).  In  beiden  codd.  geht  dem  Rusticanus  de  Dorninicis  ein 
prologus  voran,  der  von  Berthold  selbst  herrührt  und  bis  dahin  unbekannt  war. 
Jeder  und  nach  ihm  Unkel  (Berthold  von  Regensburg,  s.  20)  druckten  den  prologus, 
ersterer  mit  der  bemerkung,  dass  er  sich  in  den  bibliotheken  Deutschlands  und 
Österreichs  sonst  nirgends  finde.  Diese  notiz  Hess  darauf  schliessen,  dass  Jeder 
noch  von  anderen  liss.  des  Rusticanus  de  Dominicis  wusste.  Er  begnügte  sich  aber 
damit,  in  der  erwähnten  besprechung  auf  notizen  aufmerksam  zu  machen,  die  sein 
freund,  P.  Fidelis  a  Fauna,  über  Berthold- hss.  gesammelt  habe.  Schönbach,  der  in 
seinen  , Studien  zur  geschichte  der  altd.  predigt'  (Sitzungsberichte  der  Wiener  aka- 
demie  der  Wissenschaften  142.  bd.  1900)  auch  aus  dem  Rusticanus  de  Dominicis 
, Zeugnisse  Bertholds  von  Regensburg  zur  Volkskunde'  schöpft,  benutzte  nur  den 
Linzer  cod.,  macht  aber  (s.  4)  auf  eine  bisher  unbekannte  hs.  im  Stadt-  und  bürger- 
archiv  zu  Sitten,  canton  "Wallis  (382 fll.  saec.  XIV)  aufmerksam,  von  der  ihm  prof .  dr. 
Hilarin  Felder  o.  cap.  zu  Freiburg  in  der  Schweiz  eine  beschreibung  gab. 

Denifle  machte  (Zs.  f.  deutsches  altertum  27,  303  fg.)  mitteilung  von  einem 
Rusticanus  antiquus  in  der  Biblioteca  Colombina  zu  Sevilla.  Dieser  und  der  Sittener 
cod.  enthalten  ebenfalls  den  prologus.  Unklar  ist  mir,  ob  auch  der  von  Schönbach 
nach  Keuffer  (Beschreibendes  Verzeichnis  der  Handschriften  der  Trierer  stadtbibliothek, 
3.  lieft,  s.  35,  nr.  243)  erwähnte  Trierer  Rusticanus  die  Sammlung  de  Dominicis  mit 
dem  prologus  in  sich  begreift. 

Nach  dieser  revue  über  die  bisher  bekannten  hss.  des  Rusticanus  de  Dominicis 
muss  ich  von  einem  neuen  cod.  berichten,  der  in  der  bibliothek  der  Cistercienser- 
abtei  Wilhering  in  Oberösterreich  verwahrt  wird. 

Ich  verdanke  die  kenntnis  davon  dem  herrn  dr.  Otto  Grillnberger,  capitularen 
dieses  Stiftes,  der  die  Sammlung  seinerzeit  in  dem  von  ihm  verfassten  handschriften- 
kataloge  (Die  handschriften  der  Stiftsbibliothek  zu  Wilhering,  Sonderabdruck  aus  den 
Xenia  Bernardina  2.  abt,  2.  bd.)  als  nr.  143  verzeichnete,  aber  erst  später  sie  als 
Bertholds  eigentum  erkannte. 

Der  cod.  (membr.  8°.  197  fll.  saec.  XIII)  enthält  auf  f.  1  —  140  den  Rust.  de 
Dom.,  von  f.  141  — 197  den  Rust.  de  sanctis. 

Auch  in  dieser  hs.  steht  voran  der  prologus  und  zwar  in  einer  teilweise 
besseren  fassung  als  die  von  Jeder  gebotene. 

Schönbach  sagt,  dass  die  hs.  in  Sitten  und  der  Linzer  cod.  genau  miteinander 
übereinstimmen,  und  dass  sogar  eine  gewisse  Verwirrung  ungefähr  in  der  mitte  der 
Sammlung  auf  eine  gemeinsame  vorläge  beider  Überlieferungen  zurückzuweisen  scheint. 
Zwischen  diesen  hss.  aber  und  dem  cod.  in  Sevilla  bestehen,  sagt  Schönbach  weiter, 
unterschiede,  wie  sich  aus  dem  vergleiche  mit  Denifles  mitteilungen  a.a.O.  s. 304  ergebe. 

In  der  reihenfolge  der  einzelnen  sermones  des  Rust.  de  Dom.  weicht  der 
Wilberinger  cod.  (W )  etwas  vom  Linzer  ab.  Bis  nr.  32  stimmen  sie  überein.  Die 
nr.  33  (W)  ist  aber  bei  Strobl  nr.  36  und  Strobls  nr.  33  folgt  in  AV  als  nr.  34. 

nr.  40  (W)  fehlt  bei  Strobl,  der  an  ihrer  stelle  W  nr.  41  bringt.  Strobls  nr.  42 
und  44  fehlt  in  W  und  seine  nr.  45  =  W44.  Von  nr.  45  ab  bleibt  in  W  die  Zählung 
um  eine  nuninier  zurück.  Merkwürdig  ist,  dass  auch  die  reihenfolge  der  sonntage 
von  da  ali  vorschoben  ist.  Bei  Strobl  ist  nr.  45  für  die  Dom.  X.  post  pent.,  in  W 
für  die  Dom.  XI.  post  pent.  bestimmt  und  so  geht  es  dann  analog  fort.  Im  Wil- 
heringer  cod.  tragen  alle  sermones  rübricierte  Überschriften,  was  im  Linzer  cod.  nichtj 


NEUE    PREniGTHANDSCHRIFTEX  129 

der  fall   ist.     Aber  auch  sonst  zeigt  der  Wilheringer  cod.  mehrfache  abwei  drangen 
im  texte. 

Xur  nebenbei  bemerke  ich  noch  zum  Schlüsse,  dass  die  öffentliche  bibliothek 
in  Linz  auch  einen  Rust.  de  sanctis  (cod.  Cc  I  12)  verwahrt,  und  dass  der  von  Jacob 
(s.  24)  erwähnte  Kjremsmünsterer  cod.  nur  die  rede  Bertholds  über  das  Ave  Maria 
enthalt,  welche  Joh.  Schmidt  in  seinem  programm  1870/71,  s.  15  —  26  veröffentlicht  hat. 

II.    Ein  predigtf ragment  des  12.  Jahrhunderts. 

Herr  pfarrer  Haherl  in  Biedau  (Oö.)  überliess  mir  freundlichst  ein  predigt- 
f ragment,  das  er  vom  decket  einer  Martialausgabe  (Tiguri,  Froschauer  1544)  abgelöst 
hat,  die  sich  im  archiv  des  Schlosses  Aurolzmünster  (Oö.)  befindet. 

Das  bruchstück  ist  auf  pergauient  (17,2x11,7  cm)  geschrieben  und  stammt 
der  schrift  nach  aus  dem  12.  Jahrhundert.  Die  palaeographischen  indicien  werden 
durch  die  sprachformen  des  denkmals  gestützt,  die  alemannische  herkunft  desselben, 
die  sich  aus  der  nmndart  ergibt,  durch  den  druckort  des  buches,  von  dem  es  ab- 
gelöst wurde. 

Das  denkmal  mnfasst  den  sehluss  einer  predigt  auf  das  fest  Mariae  lichtmess 
und  einen  teil  einer  anderen  auf  eben  dieses  fest  nach  dem  texte  Luk.  2,  21  fg. 

Leider  wurde  das  blatt  vom  buchbinder  arg  verstümmelt  und  litt  auch  sonst 
stellenweise  durch  die  Verwendung  als  deckblatt.  Ich  drucke  es  wortgetreu  ab,  löse 
aber  die  abkürzungen  auf.     Von  mir  herrührende   ergänzungen  stellen  in  klammern. 

1.   seite. 

e  .  .  .  .  ie  

//  hex  .  .  .  .  n  teile  ge 

lie  .  .  .  .  sinem1  g  .  .  .  . 

nsern   s(un)den 

e  an  vns  also  ersehine  dax  wir  von  dem  ewigen  lihte  lern 

(liujhtet  werdet!.     Per  dominum  nostrum. 

i  sunt  dies  purgationis  Mari'    seeundum  legem  moysi  tulerunt  illum 

(MJine  <il  lieben  livt,  (wir  lesen)  kivt  au  dem  heil  ige  ewangelio 

es  eren  do  die  (ta)g(e)  (vol  wojrden  daz   vnser  vrvve  ir  svxen 

nah  der  i  kern  moisis  als  ein  iegelih  vrwe  solt  tiine  dir  ei 

(diu  namen  -<i  Jesum  daz  heilige  leint  sine  vrivnde  vnd  mir 

a  gut  daxe  temple  enphvlhen  vnd  opfert2  cur  in  a 

.  oder  xvei  turteltubel  ican  ex,  an  der  e  also  ivas  gesprochen) 

en  lernt  getrrge  dax  si  an  dem  rierxigesten  tage  xe  dem 

(ii  riu  die  solt  opfern  ein  lafmp)  oder  ein  schafe  die  armen 

(xv)ei  turtelt rbel.     Nv  sidt  ir  mine  (lieben  livt)  (n)iht  ivenen  daz 

von   ii ihf  ril  riehen   Inten   tcolt  b(ek)omen.     Er  komen  darvm 

alle  riche  machet3  der  eiligen  gnaden  vnd  dax  wir  die  armit  dirre  vnst 

.  v?nbe  den  dem n  ein  armer  men 

vnd  darvmbe  dax  ivir  in  disevi 

1)  Darüber  'hat  gemachet'. 

2)  Hierauf  ein  buchstabe  radiert. 

3)  Übergeschrieben. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE   PHILOLOGIE.       BD.   XXXIV.  9 


130  SCHIFFMANN 

.  sinen  gnaden  stellen.     Von  der  edel 
was  des  edeln  geselehfes  dbrah 
.  vil  reine  gesteht  brakt  v 

2.  seite. 

xe  der  vinstcr  der  he  

erloset  nid  ander  s 

sinen  ivngern  dar  nah  s 

propkete  uoluerunt  uidere  7.     Er  sprak dir  ■■gen  dir  sehen 

um  nie  Icvnic gerne  gesehen  nid  g 

nid  seilet  AI sn  Icome  der  selige  simeon  von  des  heiligen  geistes 

%e  ierusalem  et  cvm  inducerent  puferum) n  du  da:   heilige 

brahten   in  dax   tempel  du  natu  er  ex,  an  sine  arme  vnt  s 

tuum  domine  secundum  verbum  tu  um.    Er  sprak  xe  dem  vil  gvaltigen  \e  dem  dax  e 

in   sine  haut    \e  dem  sr:em  hindelin.     Nr  le(-.)estn  herre  vater1   mih 

wort  nah  dinem  geheixe  wol  mit  vride  (r)aren  /ran  min 

ken  den  heilant  dinen  svn  den  dv  hast  gemachet  rnd  gese(xt) 

aller  livt  xe  einem  liht  rnd  \e  einer  erschinvnge  der  diete 

Volkes  israel  d t  vns  dax  ewangelium  disem  tac 

versten  disiv  wort  (div  sijmeon  hat  gesprochen.     Er  s  . 
er  vns  die  heiligen  drinvsse  ofenbar  xe  dem  gelvben  gesex 

sprah  er  disiv  wort  xe  dem  e  .  .  g filio  suo  unige 

.  .  .  shi2 dv  mih  dinen  kneht  mit  vride  r 

in  dem  eivangelio  cjnod  responsam  acc 

herin  sgmeon  geheixen  da 

sprah  er  

III.    Ein  predigtf ragment  des  13.  Jahrhunderts. 

Das  im  folgenden  wortgetreu  angedrückte  predigtfragnient  steht  auf  einem  blatte, 
welches  ich  der  gute  des  herrn  grafen  Montjoi  auf  schloss  Krummnussbaum  (Nö.) 
verdanke.  Seine  grossen  sind  20xl572  cm.  Es  stammt,  wie  mir  graf  Montjoi 
sagte,  aus  dem  archiv  eines  Schlosses  in  der  ßhön.  Der  dialekt  des  denkmals  be- 
stätigt das.     Die  Schrift  gehört  dem  13.  Jahrhundert  an  und  ist  sehr  schön. 

Am  unteren  rande  des  ersten  blattes  steht  die  cust.  B.  Die  Zeilen  sind  liniert, 
den  rand  grenzt  ebenfalls  eine  linie  ab. 

Ausser  einem  rubrizierten  buchstaben  weist  das   blatt  keinerlei  schmuck  auf. 

Auch  bei  diesem  texte  löste  ich  die  wenigen  und  leichten  abkürzungen  auf. 

denne  vnser  gesellen  sy.  So  ist  der  sibende  phennig  Dax  wir  alles  des  teil- 
haff  werden  dax  die  heiigen  noch,  ie  getoden  So  ist  der  achte  phennig.  Die  gesel- 
schaf  vnser  framven  von  himelriche  die  nemen  wir  an  die  hont  vnde  gen  vber 
tusent  niile  vnde  vns  nach  alles  himelische  her.  S<>?'  ist  der3  nunde  phennig  Dax 
vns  got  von  himilrich.  sin  riehe  gibit.  Dax  wir  an  allen  dingen  vber  rieh  sint 
also-'  gewaltig  alx  er  selber  So  ist  der  xehende  phennig  Dax  er  sich  selber  der 
sele  xu  lone  gibit  vnde  sprich-.    \n    ir   l>i;    wilkum    min    aller   libeste  [runde    min. 

1)  Übergeschrieben. 

2)  Zweifelhafte  lesung. 

3)  Hierauf  rasur. 


SCHIFFMANN,    NEUE    l'REDIliTHANDSCHRIFTK.N  131 

Wan  du  dielt  vf  ertriehe  mir  gemäkelt  hast  Nu  teil  ich  mich  dir  selber  :u  lone 
geben  vnde  /eil  mich  dir  mahelen  Da;  da  von  mir  nummer  sali  gesekeiden1  werden2. 
Egredimini  filie  syoyi  et  videte  regem  salomonem  in  diademate  quo  etc. 
Qeit  vx  ir  tochter  von  syon  vnde  sehet  dm  kunig  salomon  mit3  der  cronen  Do 
mite  in  sin  muter  geeronet  lud  vnde  an  dem  tage  do  ime1  sin  brat  geutahel  wart 
ende  an  dem  tage  do  ime  da  ;  grusle  liep  geschah  vf  ertriehe.  Syon  bedut  alz 
vil  ah  ein  wort  vnde  bexeichent  geistlich  lute  die  sullen  alle  xit  sprechen  herre 
wanne  suln  /vir  dich  vmmer  selten,  ende  wan  suln  wir  dich4  vmmer1  erschiue 
vor  diäte  antlixxe  vnde  wan  suln  wir  vmmer  gesatet  werden  diner  tmmexsich  schone 
vnde  wan  teilt  du  vns  losen  nm  dem  vinstern  kerker  also  stein  geistlich  lute  alle 
\it  au  der  wart  sin.  Syon  betutet  auch  samen  vnde  bexeichent  geistlich  lute.  Die 
sint  vnsers  herre  samen  vnde  er  hat  si  dar  vmme  au  sinen  aclcer  gesät  Dax  si  vil 
fruchi  brengen  der  da;  körn  in  da:  ertriehe  wirfit  Da:  brenget  nicht  allein  dri.ig  fall 
frttcltt  Ex  brenget  wol  tusent  faltig  frucht  also  suln  geistliche  lute  die  ensuln  alleine 
nicht  drixig  faltig  frucht  breiigen  dun  wol  tusent  fall  Dax  sint  di  tugent  vnde  di  guten 
werg  E;  sprichet  sanetus  Augustinus  Da:  nicht  so  heiliges  lebens  sg  noch7'  so  gutes  vf 
ertriehe  also  cloister  lute  die  alle  tage  vfc  stigen  an  irme  gebet  vnde  leben  vnde 
da:  nicht  so  bo;e,-s  lebens  sie  also  cloister  lute  die  alle  tage  nider  stigen  an  irme 
lebene.  Salomon  betutet  vnsern  herren  Jcsum  Christum  vnde  hat  virc  betutvnge. 
Zu  dem  ersten  mol  betutet  Salomon  ein6  rrideman.  Dax  ist  vns  wol  erxeiget  an 
vnsem  herren  Jesr  Christo  e:  tra;  me  dan  fünf  tusent  ior  vnfride  xuschen  god 
vnde  dem  menschen  vnde  den  engel  Do  quam  solomon1  vnser  herre  Jesus  Christus 
vnde  virsunt  god  vnde  den  mensche  mit  ein  ander.  Zu  dem  andern  mol  betudet 
sulamo8  ah  herre  sinen  frundeu  mildem  eivcgcti  lone  wol  Ion  kan.  Zu  dem  tritten 
mol  betudet  salomon  also  eil  ab.  ein  herre  der  betrubete  lute  wol  trösten  kan  Wan 
sprachen  dit  die  in  der  für9  helle  woren  sie  sprachen  o  shixxcl  Davidis  rüde  ein 
ceptrum  dex  israhelis  huses  Du  bist  allein  der  da  vf  sluxxet  vnde  an  dich  mag 
niatait  beslixxen  kum  vnde  lose  die  gebunden  von  dem  huse  dex  kerkers  vnde  die 
da  sitxen  in  dem  vinsternisse  vnde  i/t  deine  schatewen  dex  todex  der  der  sloxxel 
der  wart  in  dax  merc  geworfen.  Man  liset  von  kvnig  salomone  da\  er  ein  tempel 
hix  eintüten  n  von  marmelstein  der  ivax  so  harte  dax  man  in  nicht  gewinnen  moeht 
do  hatte  er  ein  vogel  der  liic;  ein  strux  Der  hatte  ein  ivnges.  Do  hix  kvnig 
sedomon  Dax  hinge  vir  wirken  in  ein  glescn  Interne  Do  hat  der  strux  gern  sin 
kint  bg  ime  gehabet  rüde  ginc  ;a  dir  laterne  vnde  sluc  mit  deme  snabel  an  dax 
<jhi;  du  eu  a/oc/it  er  ex  nicht  :a  brechen  do  floc  der  vogel  in  ein  walt  vnde  brockt10 
ein  wormelin  dax  hie%  da  mir  ende  :a  Uvi;  dax  mit  dem  snabel  vnd  strich  dax11 
sin  Mut  au  dax  glax  vnde  gewan  dax  lange  dar  /■-.  Do  dax  der  kvnig  gesach  do 
na  ta  er  alle  die  wurmelin  Die  dem  glich  waren  vnde  den  mermel  stein  den  man 
da  mit  keyate  ysen  mocht  gewinnen  den  gewan  man  da  mit  dex  tiariuclin  blute. 
Bg  dem  wurmelin  ist  vns  .  .  . 

1)  Hierauf  rasur.  2)  Hierauf  eine  Verzierung.  3)  Hs.:  mir. 

1)   übergeschrieben.  5)  Mit  'noch'  beginnt  die  andere  seite  des  blattes. 

6)  Hierauf  rasur. 

7)  Über  dem  ersten  o  steht  ein  kleines  a  von  gleicher  band. 

8)  Am  rande.  9)  Übergeschrieben. 
10)  Übergeschrieben.  11)  Radiert. 

UEFAHR.  K.    SCHIFFMANN. 

9* 


132  BLEYER,    ZU    FISCHARTS    FLÖHHAZ 

Zu  Fischarts  Flöhhaz  v.  1341  —  1350. 

(Haufens  ausg.,  I.  bd.,  s.  42.) 

Die  beiden  letzten  zeilen  folgender  verse  sind  dunkel: 
Ain  andre  dort  zu  mittag  as, 
Vnd  als  der  Fiizfloh  jr  hart  mas, 

Fuhr  sie  hinein  mit  schmutzig  bänden. 
Tapt  so  lang  an  den  schmutzigen  -wänden, 
Bisz  sie  ertappet  jren  queler; 
Da  richtet  sie  in  auf  dem  teller 

Bey  wein  vnd  brot,  die  man  solt  ehren 
Vnd  nicht  mit  plutvergusz  vnehren. 
Da  dacht  ich  an  den   Tracula»/, 
Der  sein  mal  vntern  toden  nam. 
Ad.  Haufen  schreibt  in  der  aumerkung:  „Traculam,  mir  unbekannt".    Nun  dieser 
„Traculam*  (nom.  Tracula)  ist  niemand  anderer  als  AVlad  IV.,  woiwode  der  Walachei, 
zubenannt  drakul  (d.  i.  teufel)1,  oder  tzepesch  (d.  i.  henker).    Er  wurde  1456  von  sultan 
Mohammed  IL  zum  woiwoden   der  Walachei  ernannt    und  herrschte  als  solcher  mit 
unerhörter  roheit  bis  1462,   als  er  von  Mathias  Corvin,   dem  könig  von  Ungarn,   ge- 
fangen genommen  und  in  Ofen  festgehalten  wurde.    1476  wurde  er  jedoch  neuerdings 
zum  woiwoden  eingesetzt,  regierte  aber  nurmehr  ganz  kurze  zeit,  einer  seiner  knechte 
soll    ihn    trotz    seiner    milderen    und    christlicheren    gesinnung    ermordet    haben   (vgl. 
J.  Chr.  v.  Engel,  Gesch.  der  Walachey,  s.  172  —  181). 

Den  ausführlichsten  bericht  über  leben  und  taten  Drakuls  finden  wir  in  einem 
noch   ungedruckten,   historisch  wertvollen   gedichte   Michael   Beheims,   des   bekannten 
meistersängers  (Cod.  germ.  pal.  334,  94 b  — 104 b),  welches   auf  den  mitteilungen  eines 
barfüsser  mönchs,   namens  Jacob,   beruht,   der  vor  der  grausamkeit  Drakuls  aus  der 
Walachei  nach  Steiermark  floh  und   dort  mit  dem   dichter  bekannt  wurde.     Der  titel 
des  gedichtes  lautet:  Von  ainem  wutrieh,  der  hiess  trakle  ivaida  non  der  ivalachci. 
Hier  wird  nun  unter  anderem  erzählt,  Drakul  sei  einst  in  Siebenbürgen  eingebrochen 
und  habe  dort  schonungslos  alles  verwüstet.    Besonders  Kronstadt  hatte  viel  zu  leiden 
Zu  kroustat  in  der  uorstat  ob 
der  kapein,  haisset  sant  iacob, 
liess  trakel  waida  morden 
und  gansz  auss  prennen  dy  uorstat 
und  was  er  menschen  funden  hat, 
dy  im  zu  tail  sein  worden, 
man  und  weib  mit  den  kinden, 
paide  iung  und  alt,  gross  und  klain, 
nam  er  zusamen  all  mit  ain, 
wo  er  sy  nur  mocht  uinden. 

Vor  tags  an  ainem  morgen  fru 
eilt  er  mit  diesen  menschen  zu 

1)  M.  Wertner  (s.  die  ung.  zeitschr.  „Szäzadok"  XXXV.  jahrg. ,  s.  686)  führt 
den  namen  „Drakul"  auf  den  „ Drackenorden "  zurück,  den  Wlad  IL  von  kaiser 
Sigismund  zu  Nürnberg  bekommen  hatte. 


GERING,    ZU    HQVAMC1L    STR.   100  133 

dem  perg  ober  der  kirche 

und  Hess  sy  spisseu  ümb  und  ümb 

allentbalben  des  perges  krümb 

nacb  der  läng  und  acb  zwirche. 

bort  von  dem  scbalk  uil  scbnöden, 

da  miten  under  in  er  sass, 

ob  seinem  tiscb  das  mal  er  ass 

zu  seinen  grossen  fremden. 
Es  was  saiu  lust  und  gab  im  mut 

wann  er  sach  swenden  menseben  plut  usw.  (v.  150  — 172). 
Dieses  gediebt  Bebeims  mag  seiner  zeit  sebon  infolge  der  darin  geschilderten 
Grausamkeiten  sehr  beliebt  und  verbreitet  gewesen  sein,  obgleich  dasselbe,  wie  es 
icheint,  uns  nur  in  der  oben  angeführten  Heidelberger  handschrift  erhalten  ist.  Wir 
jesitzen  aber  mehrere  prosa- berichte,  gedruckt  und  ungedruckt,  welche  —  wie  ich 
in  einem  andern  orte  nachweise  —  unzweifelhaft  aus  dem  gedichte  Beheims  geschöpft 
iahen  (vgl.  auch  Kertbeny,  Ungarn  betreffende  deutsche  erstlings- drucke  1454  — 1600, 
3udapest  1880,  s.  9 — 10).  Eines  dieser  flugblätter  in  niederdeutscher  spräche  —  es 
»efindet  sich  in  dem  Ung.  nat.  museum  in  Budapest  (I.  ineunabula,  nr.  705)  —  wurde 
ron  Engel  (a.  a.  o.  s.  75  —  80),  von  Kertbeny  (a.  a.  o.  s.  329  —  332)  und  am  besten  im 
irch.  des  Vereins  für  siebenb.  landeskunde  (jbrg.  1896,  s.  331 — 343)  herausgegeben, 
in  letzterwähntem  orte  wurde  ausserdem  noch  ein  anderer  prosa-bericht  desselben 
uhalts  aus  einer  handschrift  des  Benediktiner  klosters  zu  Lambach  in  Ober -Österreich 
nitgeteilt.  Fischart  hat  seine  kenntnisse  über  die  sebreckensvegierung  Drakuls  keines- 
alls  unmittelbar  aus  Beheims  gedieht  geschöpft,  sondern  wahrscheinlich  aus  einem 
lieser  flugblätter,  die  alle  lediglich  einen  mehr  oder  weniger  vollständigen  auszug  aus 
lern  Beheimschen  gedichte  enthalten.  Aus  Beheims  gedichte,  oder  aber  unmittelbar 
ms  den  mitteilungen  des  genannten  mönches  scheint  auch  Thomas  Ebendorfer  ge- 
ichöpft  zu  haben  (s.  Pribram,  Thomas  Ebendorfers  Chronica  regum  Romauorum,  mit- 
eil, des  inst.  f.  öst.  geschf.,  III.  erg.-bd.  1890,  s.  202  —  203).  Vgl.  auch  J.  Gobellinus, 
Dii  Secundi  Pontificis  Max.  Commentarii  Eerum  memorabilium,  Frankfurt  1614, 
i.  296  —  297. 

SOPKON    (UNGARN).  BR.  JACOB    BLEYER. 


Zu  Hövainöl  str.  100. 

Auk  neer  morni,        es  vask  enn  of  kominn, 

Jxi  ras  saldrött  of  so/in: 
grey  eitt  fannk  J>ä        ennar  göfiu  körnt 
bundit  bepjum  d. 
Ob  diese  Strophe  von  irgend  jemand  völlig  richtig  verstanden   ist,  vermag   ich 
licht  zu  sagen;  jedesfalls  ist  sie  von   verschiedenen  falsch  aufgefasst  worden,   z.  b. 
mch  von  dem  neuesten  dänischen  Übersetzer  der  Edda,  herrn  Karl  Gjellerup,  dessen 
«ich  Lorenz  Frolich  mit  greisenhaft  manierierten  bildern  'geschmückt'  hat.    Gjellerup 
jibt  die  verse  folgendermassen  wider: 

Og  ud  päa  morgen,         da  alter  jeg  kom, 

sov  huskarle  i  hallen; 
en  hnnd  jeg  fandt,        som  den  hulde  pige 
liavde  red  lejet  leenket, 


134  NKUE    ERSCHEINUNGEN 

und  auf  dem  zugehörigen  bilde  sieht  man  'Billings  mey'  im  bette  liegend,  während 
ein  am  bettfusse  angebundener  huud  (ein  hund  männlichen  geschlechts!)  dem  ein- 
tretenden Odin  zähnefletschend  entgegenspringt,  demselben  gotte,  vor  dem  sonst  — 
offenbar  den  flammenden  blick  seines  auges  fürchtend  (vgl.  Fms.  II,  174)  —  wie  uns 
die  Grimnismql  belehren,  selbst  die  wildesten  hunde  scheu  zurückwichen!  —  "Wäre 
dies  wirklich  die  von  dem  dichter  angenommene  Situation  gewesen,  so  hätte  Odin 
zweifellos,  wie  in  ähnlicher  läge  Ragnarr  loöbrok  (Saxo  ed.  Holder  p.  301),  die 
bestie  beseitigt  und  wäre  zu  seinem  ziele  gelangt.  Aber  bepjum  ä  bedeutet  nicht 
(ved  lejet',  sondern  'auf  dem  bette';  dort,  an  des  mädchens  stelle,  die  sich  selbst  in 
Sicherheit  gebracht  hatte,  lag  —  nicht  ein  hund,  sondern  —  eine  hündin  (yrey)  fest- 
gebunden, und  der  grimmige  höhn,  die  hqfiung,  die  die  Jungfrau  dem  zudringlichen 
werber  antat,  war  natürlich  die  nicht  misszuverstehende  Zumutung,  dass  er  an  dem 
tiere  seine  braust  büssen  möge.  Dass  ich  mit  dieser  erklärung  etwas  fremdes  und 
ungehöriges  in  die  eddische  dichtung  einführe,  wird  niemand  finden,  der  es  weiss, 
wie  oft  die  nordischen  recken  in  ihren  scheltreden  auf  perverse  gelüste  anspielen 
(Helg.  Hund.  I,  41;  Fas.  III,  130  fg.;  Olkofra  pättr  21 9  u.  a.). 

KIEL.  H.    GERING. 


NEUE  ERSCHEINUNGEN. 


Bülbriiit;-,   Karl   I>. ,    Alteuglisches    elemeutarbucb.     I.  teil:   Lautlehre.     (Sammlung 

germau.  elementarbücher,   hrg.  von  W.  Streitberg.     I,  4.]     Heidelberg,  AVinter 

1902.     XV1I1,  260  s.     4,80  m. 
Burkart  von  Hohenfcls.  —  Sydow,  Max,  Burkart  von  Hohenfels  und  seine  lieder. 

Eine  litterarhistor.   Untersuchung.     Berlin,    Mayer  u.   Müller   1901.      (II),   70  s. 

2,40  m. 
Fragmenta  Burana,   hrg.   von    Wilhelm   Meyer  aus   Speyer.     Berlin,    Weidmann 

1901.     [Sonderabdruck  aus   der  Festschrift  zur   feier  des  150  jähr,  bestehens   der 

Göttinger  gesellsch.  der  wissensch.]     190  s.    4°  und  15  taff.     14  m. 
Goethe.  —   Gneisse,  Karl,   Der  begriff  des  kunstwerks  in  Goethes  aufsatz:   Von 

deutscher  baukunst  und  in  Schillers  ästhetik.     Strassburg,  Heitz  1901.     30  s. 
—  Riemann,    Robert,    Goethes    romantechnik.      Leipzig,    Herrn.   Seemann    nach- 

folger  1902.    VIII,  416  s. 

-  Goethe-briefe  hrg.  von  Phil.  Stein.     1.  bd.:  Der  junge  Goethe  1764—1775.    Mit 

Goethes  Jugendbildnis  und  der  handschr.  seines  ersten  erhalteneu  briefes.     Berlin, 

O.  Eisner  1902.     XVI,  304  s.     3  m. 
Hofiinaim-Krayer,  E.,  Die  Volkskunde  als  Wissenschaft.    Zürich,  Fr.  Amberger  1901. 

34  s.     1  m. 
Immermann.  —  Immennanns  'Kaiser  Friedrich  II.',  ein  beitrag  zur  geschichte  der 

Hohenstaufendramen   von  Werner  Deetjen.     \ Litter.  bist,  forschungen.   XXL] 

Berlin,  Felber  1901.     IX,  216  s.     4  m. 

-  Zielinski,  Thaddäus,  Die  tragödie  des  glaubens.     Betrachtungen   zu   Immer- 

manns Merlin.     Leipzig,  Teubner  1901.     50  s.     1,20  m. 
Karsien,   T.  E.,   Beiträge    zur  germanischeu  wTortkunde.      [Memoires  de  la  Societe 
neo-philologique  ä  Helsingfors.    III.J     Helsingfors  1901.     46  s. 

Inhalt:   nhd.  drohen,  sich  sehnen;   einige   gormanische  ausdrücke  für  quelle; 
mhd.  stum .  süir,.;  got.  wis;  ags.  dwcescan. 


NEUE    RRSCHRINUNÖBN  135 

Kock,  Ernst  A.,  Die  deutschen  relativprononien.  Lund  1901.  VIII,  88  s.  4.  [Alis: 
Luuds  universitets  arskrift,  bd.  37,  af'deln.  1,  nr.  2.]     3  kr. 

Kudrun  herausg.  und  erklärt  von  Ernst  Martin.  2.  verbesserte  aufl.  [Germanist, 
handbibliotbek  IL]     Halle,  Waisenhaus  1902. 

Lessing.  —  Consentius,  Ernst,  Lessing  und  die  Vossische  zeitung.  Leipzig, 
Ed.  Avenarius  1902.    VIII,  110  s.     3  m. 

Mauthner,  Fritz,  Beiträge  zu  einer  kritik  der  spräche.  Zweiter  band.  Die  Sprach- 
wissenschaft.    Stuttgart  und  Berlin,  Cotta  1901.     X,  735  s.     14  m. 

Meyer,  Richard  M.,  Grundriss  der  neuern  deutschen  litteraturgeschichte.  Berlin, 
G.  Bondi  1902.     XV,  258  s.     6  m. 

Müller  von  Itzehoe.  —  M.  v.  L,  Sein  leben  und  seine  werke.  Ein  beitrag  zur  ge- 
schieht^ des  deutschen  romans  im  18.  jahrh.  von  Alb.  Brand.  [Litter.  bist, 
forschungen  XVII.]     Berlin,  Felber  1901.    VIII,  100  s.     2,40  m. 

Nietzsche.  —  Zeitler,  Julius,  Nietzsches  ästhetik.  Leipzig,  Herrn.  Seemann  nach- 
folger  1900.     (IV),  308  s.     3  m. 

Nordby,  Cour.  Hjalmar,  The  influence  of  old  norse  literature  upon  english  litera- 
ture.  New  York,  The  Macmillan  Company  1901.  [Columbia  university  Germanic 
studies  I,  3.]     XI,  78  s. 

Norske  gaarduavne.  Oplysninger  samlede  til  brug  ved  matrikelens  revision  efter 
offentlig  foranstaltning  udg.  med  tilfoiede  forklaringer  af  0.  Rygh.  14.  bind. 
Sondre  Trondhjems  amt.  Bearb.  af  K.  Rygh.  Kristiania,  Cammermeyer  1901. 
XIII,  449  s.     2,80  kr. 

Vir  begrüssen  mit  lebhafter  freude  die  fortsetzung  dieses  vortrefflichen  Werkes 
über  die  norwegischen  Ortsnamen.  Es  verzeichnet  die  urkundlich  bezeugten 
Schreibungen  der  namen  sowie  ihre  heutige  ausspräche  und  gibt  eine  wissen- 
schaftliche etymologische  erklärung  derselben,  sodass  es  auch  für  den  Sprach- 
forscher von  dem  grössten  werte  ist. 

Ordbok  öfver  svenska  spräket  ntgifven  af  Svenska  akademien.  Haftet  19.  20.  arfta- 
garinna  —  arrende;  befindande  —  begafva.  Lund.  Gleerup  (Leipzig,  IL  Spirgatis) 
1901.     sp.  2193  — 2352;  641  —  800.     ä  1,50  kr. 

Ossian  in  Germany.  Bibliography,  General  survey,  Influence  upon  Klopstock  and  the 
bards  by  Rud.  Tombo.  New  York,  The  Macmillan  Company  1901.  [Columbia 
university  Germanic  studies  I,  2.]    VI,  157  s. 

Osthoff,  Herin.,  Etymologische  parerga.  1.  teil.  Leipzig,  Hirzel  1901.  VIII,  378  s. 
9  m. 

Remy,  Arthur,  The  influence  of  India  and  Persia  on  the  poetry  of  Germany.  New  York, 
The  Macmillan  Company  1901.  [Columbia  university  germanic  studies  1,4.]  XII, 
81  s. 

Roedder,  E.  C,  Wortlehre  des  adjeetivs  im  altsächsischen.  [Bulletin  of  the  univer- 
sity of  Wisconsin  nr.  50.]     Madison  1901.     80  s. 

Säculardichtungen ,  die  deutschen,  an  der  wende  des  18.  und  19.  Jahrhunderts,  hrg. 
und  eingeleitet  von  August  Sauer.    Berlin,  B.  Behr  1901.  CLXXII,  654  s.  8,40m. 

Sftul,  S.,  Ein  beitrag  zum  hessischen  idiotikon.    Marburg,  Elwert.    17  s.    0,50  m. 

Saxo  Granunaticiis.  —  Herrin  an  n,  Paul,  Erläuterungen  zu  den  ersten  9  büchern 
der  Dänischen  geschichte  des  S.  Gr.  1.  teil:  Übersetzung.  Mit  einer  karte.  Leipzig, 
Engelmann  1901.     IX,  508  s.     7  m. 


136  NEUE    ERSCHEINUNGEN 

Schnabel,  Joh.  Gottfr.  —  Die  insel  Felsenburg  von  J.  G.  S.    1.  teil.    (1731)  hrg.  von 

Herrn.  Ullrich.     [Deutsche  litt,  denkinale  des  18.  u.  19.  jhs.,  hrg.  von  A.  Sauer 

nr.  108  —  120.]     Berlin,  B.  Behr  1902.     LV,  467  s.     7,80  m. 
Schönbach,   Anton  E.,   Studien   zur  erzählungslitteratur  des   mittelalters.     III.    Die 

legende  vom  erzbischof  Udo  von  Magdeburg.     [Sitzungsbericht  der  kais.  akad.  der 

wisseosch,  in  Wien  CXLIV.]     Wien,  Gerold  1901.     (II),  77  s. 
Sievers,   Eduard,    Über    sprachmelodisches    in    der    deutschen    dichtung.      Leipzig, 

A.  Edelmann  1901.     25  s.    4.     [Rectoratsrede.] 
—  Grundzüge  der  phonetik  zur  einführung  in  das  Studium  der  lautlehre  der  indogerm. 

sprachen.     5.  verb.  aufl.     Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel  1901.     XVI,  328  s.     5  in. 
Stern,  Emil,  Tropus  und  bedeutungswandel.    Wien,  Selbstverlag  1901.     14  s. 
Tacitus  Germania,  erläutert  von  H.  Schweizer-Sidler.     6.  aufl.,  vollst,  neu  bearb. 

von  Ed.  Schwyzer.     Halle,  Waisenhaus  1902.     XII,  104  s.     2  m. 
Taiue.  —   Zeitler,    Julius,    Die    kunstphilosophie  von   Hippolyte    Adolphe    Taine. 

Leipzig,  Herrn.  Seemann  naclifolger  1901.     VIII,  206  s.     6  m. 
Tapnolet,   E.,   Über  den  stand  der  mundarteu  in  der  deutschen   und  französischen 

Schweiz.     Zürich,  Zürcher  &  Furrer  1901.    40  s.     [Mitteilungen  der  Gesellschaft 

für  deutsche  spräche  in  Zürich,  heft  6.] 
Tatian.  —  Hillscher,  A lfr.,  Die  verfasserfrage  im  ahd.  Tatian.   Posen  1901.   4.   43  s. 

(Progr.  des  kgl.  Marien -gymnasiums.) 
Thurneysen,   Rud.,   Sagen    aus    dem    alten  Irland,    übersetzt.     Berlin,  Wiegandt  & 

Grieben  1901.     XII,  152  s.     6  m. 

Venantius  Fortnnatus.  —  Meyer,  Wilh.  (aus  Speier),  Der  gelegenheitsdichter  V.  F. 

Berlin,  AVeidmann  1901.    [Abhandl.  der  kgl.  gesellsch.  der  wissensch.  zu  Göttiugen. 

Philol.  bist,  klasse.    Neue  folge  IV,  5.J     140  s.    4Ü.    9  ra. 
Weise,  Ö.,  Deutsche  sprach-  und  stillehre.    Eine  anleitung  zum  richtigen  Verständnis 

und  gebrauch  unserer  muttersprache.     Leipzig  und  Berlin,  Teubner  1901.     XIV, 

192  s.     2  m. 

Wimmer,  LudYig  F.  A.,   Sönderjyllands   runemindesmajrker.     Sa3i'tryk  af  'Haaudbog 

i  det  nordslesvigske  spörgsmaals  historie'.     Kobenh.  1901.     52  s. 
Wunderlich,  Herrn.,  Der  deutsche  satzbau.    2.  vollst,  umgearbeitete  aufläge.    Zweiter 

band.     Stuttgart,  Cotta  1901.     X,  441  s.     9  m. 
Wuudt,  Willi.,  Sprachgeschichte  und  Sprachpsychologie  mit  rücksioht  au?  B.  Delbrücks 

'Grundfragen  der  Sprachforschung'.     Leipzig,  Engelmann  1901.     110  s.     2  m. 
Zunitza,  Julius,  Einführung  in  das  Studium  des   mittelhochdeutschen.     6.  aufl.  [hrg. 

von  E.  Zupitza].     Berlin,  W.Gronau  1901.    VI,  122  s.     2,50  m. 


Huehdruckeroi  des  Waisenhauses  in  Halle  a.  S. 


KAEL  WEINHOLÜ. 

Mit  Karl  Weinhold  ist  einer  der  letzten  aus  dem  leben  geschieden, 
die  noch  aus  Jakob  Grimms  und  Lachmanns  munde  die  wegweisung  für 
ihre  germanistischen  Studien  empfingen,  der  letzte  der  noch  in  Grimms 
geist  und  art  das  gesamtgebiet  der  germanischen  philologie  beherrschte 
und  bebaute.  Weinholds  forschungen  reichen  vom  gotischen  und  alt- 
nordischen bis  zur  deutschen  litteratur  des  19.  Jahrhunderts,  und  er  hat 
sich  in  diesem  weiten  bereich  als  grammatiker  wie  als  realphilologe, 
als  kritischer  herausgeber  wie  als  litterarhistoriker  vielfach  betätigt.  Er 
war  kein  mann  der  philologischen  klein-  und  feinarbeit.  Die  bis  zum 
haarspalten  scharfe  textkritische  und  metrische  beobachtung  eines  Lach- 
mann, die  bis  zum  klügeln  tiefgründige  altertums-  und  sagenforschung 
eines  Müllenhoff,  der  bis  in  die  dunkelsten  ecken  jedes  litterarhistorischen 
Problems  dringende  Spürsinn  eines  Zarncke  waren  ihm  fremd.  Es  war 
ihm  nicht  bedürfnis,  den  ergriffenen  gegenständ  jedesmal  völlig  aus- 
zuschöpfen und  den  fragen,  die  an  ihm  hängen,  auf  den  letzten  grund 
zu  gehen. 

Aber  eine  gewaltige  arbeitskraft  und  ein  klarer  ordnender  verstand 
ermöglichten  es  ihm,  grosse  stoffmassen  schnell  zu  bewältigen,  sie  klar 
und  sicher  zu  disponieren.  Dabei  war  seine  forschung  durchaus  solid 
und  bei  aller  Vielseitigkeit  fehlte  ihr  doch  nicht  die  innere  einheit. 
Weinholds  wissenschaftliches  denken  und  streben  galt  der  erfassung  und 
darstellung  selbwachsener  germanischer  volksart  in  ihren  mannigfaltigen 

1)  Als  quellen  für  rneiue  darstellung  dienten  mir  in  erster  linie  Weinholds 
Schriften,  von  denen  namentlich  die  nekrologe  auf  Jacobi,  Zacher  und  Lexer,  die  ein- 
leitung  zu  Strachwitzens  gedichten  und  die  vorreden  viel  persönliches  enthalten.  Ein 
vollständiges  Verzeichnis  der  schritten  hat  mittlerweile  Eödiger  seiner  gedächtnisrede  auf 
"Weinhold,  Zeitschr.  d.  ver.  f.  Volkskunde  XI,  364  fg.  angehängt.  Handschriftlich  lag 
mir  u.  a.  ein  chronologisch -biographisches  Schema  vor,  welches  Erich  Schmidt  aus 
Weinholds  auf  Zeichnungen  ausgezogen  hatte.  Was  ich  sonst  benutzen  konnte,  ist  an 
den  betreffenden  stellen  vermerkt.  Meine  persönlichen  berührungen  mit  Weinhold 
reichen  nicht  über  seine  Berliner  zeit  zurück;  doch  konnte  ich  als  sein  amtsnachfolger 
in  Kiel  und  in  Breslau  manches  über  seine  Wirksamkeit  an  diesen  beiden  Universitäten 
beobachten  und  durch  seine  ehemaligen  schüler  und  kollegen  in  erfahrung  bringen. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  10 


138  voot 

lebensäusserungen.  "Wo  seine  forschung  über  das  deutsche  gebiet  hinaus- 
griff,  wandte  sie  sich  fast  ausschliesslich  dem  altnordischen  zu,  weil  er 
hier  altgermanische  eigenart  am  wenigsten  von  fremder  kultur  beeinflusst 
fand;  wo  sie  der  neueren  litteratur  sich  zuwandte,  war  es  die  stürm-  und 
drangperiode  mit  ihrem  streben  zum  natürlichen  und  volkstümlichen,  die 
ihn  vor  allem  anzog;  den  eigentlichen  mittelpunkt  seiner  Studien  aber 
bildeten  die  alten  von  geschlecht  zu  geschlecht  mündlich  fortgepflanzten 
Überlieferungen  des  deutschen  volkes,  aus  denen  seine  art  und  seine 
Stammeseigenheiten  am  unmittelbarsten  uns  ansprechen,  seine  mundarten, 
sein  dichten  und  sagen,  sein  glaube  und  brauch,  mit  einem  worte  die 
deutsche  Volkskunde.  Aber  nicht  nur  der  reiz  wissenschaftlicher  pro- 
bleme  zog  ihn  gerade  auf  dieses  feld.  Ein  tiefes  nationalgefühl  war  für 
die  richtung  seines  forschens  bestimmend  und  gab  ihm  leben  und  wärme; 
dazu  gesellte  sich  eine  treue  anhänglichkeit  an  die  engere  heimat,  und 
innerhalb  des  grossen  kreises  seiner  sprachlichen,  litterarhistorischen  und 
kulturgeschichtlichen  forschungen  hat  er  den  Überlieferungen  seines 
Schlesierlandes  von  anfang  bis  zu  ende  seiner  wissenschaftlichen  tätig- 
keit  mit  besonderem  eifer  und  besonderer  liebe  nachgespürt. 

Die  Umgebung,  in  der  Weinhold  aufwuchs,  war  für  seine  neigung 
zum  heimischen  Volkstum  sicherlich  von  bestimmendem  einfluss.  Er 
war  am  26.  Oktober  1823  in  Reichenbach  als  predigersohn  geboren.  Yon 
jugend  auf  wurde  ihm  dort  in  dem  freundlichen  bergstädtchen  und  in 
dem  nahen  Eulengebirge,  das  er  gern  durchstreifte,  mundart  und  dich- 
tung,  sitte  und  sage  des  schlesischen  volkes  vertraut.  August  Knötel 
hat  uns  in  seinem  buch  „Aus  der  Franzosenzeit"  ein  hübsches  bild 
von  den  altertümlichen  zuständen  entworfen,  die  in  der  ersten  hälfte 
des  19.  Jahrhunderts  unter  den  bewohnern  des  Eulengebirges  noch 
herrschten.  „Ihre  sitten  und  gebrauche,  ihre  spräche,  ihre  Vorstellungen 
und  ansichten  gehörten  verflossenen  Jahrhunderten  an."  Was  man  dort 
von  unterhaltungslitteratur  kannte,  beschränkte  sich  auf  die  altfränkischen 
Jahrmarktsdrucke  der  Volksbücher  vom  gehörnten  Siegfried,  von  Till 
Eulenspiegel,  den  Schildbürgern,  Kaiser  Oktavian,  der  schönen  Mage- 
lone  u.  a.  Daneben  hatte  man  einen  schätz  von  märchen  und  sagen, 
die  in  den  familien  mündlich  fortgepflanzt  wurden  und  durch  immer 
wiederholtes  erzählen  wörtlich  im  gedächtnis  hafteten.  Garnmänner, 
fleischer  und  andere  leute,  die  ihr  gewerbe  weit  herumführte,  sorgten 
durch  das  erzählen  von  „neuen  Zeitungen"  und  „getichten"  für  die 
Vermehrung  des  bestandes"  an  sagen  und  Spukgeschichten.  Allerlei  ört- 
lichkeiten auch  in  der  Umgebung  Reichenbachs  waren  von  solchen  tra- 
ditionell umwoben.    Hier  blickte  der  knabe  zum  Herrlaberg  hinüber,  wo 


KARL    WEINHOLD  139 

einst  die  herrlein,  die  zwerge  hausten,  dort  zum  Zobten,  wohin  sie  aus- 
wanderten, als  ihnen  die  nähe  der  menschlichen  Wohnungen  lästig  ge- 
worden war  und  wo  mancherlei  anderes  geistervolk  sein  wesen  trieb. 
Und  wenn  der  sonnwendabend  kam,  sah  er  rings  auf  allen  hügeln  und 
bergen  bis  hinauf  zur  Hohen  Eule  die  johannisfeuer  lodern  und  be- 
neidete die  jungen,  die  dort  die  pechgetränkten  besen  schwingen  und 
schleudern  durften.  Zur  Weihnachtszeit  aber  zog  das  weissgekleidete 
Christkind  mit  dem  engel  Gabriel,  auch  wol  mit  Petrus  und  dem  Ruprecht 
von  haus  zu  haus,  und  am  dreikönigstage  kamen  dann  in  weissen 
hemden,  mit  bunten  bändern  und  goldenen  krönen  die  wunderlichen 
gestalten  der  frommen  könige  und  des  bösen  Herodes  und  sangen  und 
spielten  jähr  für  jähr  ihr  altüberliefertes  stück.  Wie  tief  diese  eindrücke 
seiner  kinderseele  sich  einprägten,  zeigt  Weinholds  Schilderung  der 
heimischen  johannisfeuer  in  den  „Deutschen  frauen"  und  vor  allem  die 
poesievolle  darstellung  seiner  weihnachtlichen  kindheitserinnerungen  in 
der  einleitung  zu  seinen  „Weihnachtspielen",  wo  der  einfluss  solcher 
Jugenderinnerungen  auf  seine  wissenschaftliche  richtung  am  deutlichsten 
zu  tage  tritt. 

Zunächst  auf  der  schule  der  heimatstadt  vorbereitet,  kam  Wein- 
hold im  herbst  1838  auf  das  Schweidnitzer  gymnasium.  Dort  wurde 
ihm  in  der  prima  durch  den  rektor  Held  der  sinn  für  das  klassische 
altertum  wie  für  die  deutsche  litteratur  erschlossen,  und  seine  ästhe- 
tischen neigungen,  die  sich  schon  früh  in  dichterischen  versuchen  be- 
tätigt hatten,  gewannen  durch  eine  reihe  musikalisch- deklamatorischer 
abendunterhaltungen,  die  Held  einrichtete,  besonders  aber  durch  ein 
poetisches  kränzchen  nahrung,  zu  dem  sich  einige  primaner  um  den 
jungen  grafen  Moritz  von  Strachwitz,  den  besten  deklamator  und 
poeten  des  gymnasiums  vereinigten.  In  seiner  ausgäbe  von  Strach- 
witzens  gedienten  hat  Weinhold  später  ein  lebendiges  bild  von  dem 
treiben   dieses  frischstrebenden  kreises  seiner  jugendgenossen   gegeben. 

Ostern  1841  bezog  Strachwitz  die  Universität  Breslau,  ein  jähr 
später  folgte  ihm  Weinhold.  Die  poetischen  bestrebungen  wurden  auch 
in  der  neuen  Umgebung  fortgesetzt,  und  die  beiden  freunde  gehörten 
zu  den  22  Breslauer  Studenten,  die  im  jähre  1842  den  privatdocenten 
Gustav  Freytag  mit  der  bitte  angiengen,  die  erzeugnisse  ihrer  dich- 
terischen begeisterung  als  „Musenalmanach  der  Universität  Breslau  auf 
das  jähr  1843"  herauszugeben.  Mehr  als  40  jähre  später  berichtete 
Freytag  in  seinen  „Erinnerungen"  (s.  150),  er  habe  „mit  trüben  ahnungen1' 
eingewilligt;  mit  vieler  unnützer  mühe  habe  er  nichts  weiter  erreicht, 
als  dass  seine  stolzen  knaben   die  freude  hatten  ihre  verse  gedruckt  zu 

10* 


140  voai 

kaufen,  und  gegen  alle  lyrischen  Zusendungen,  denen  die  bitte  um  ein 
urteil  beigefügt  war,  sei  ihm  seither  ein  tiefer  groll  geblieben.  Damals 
aber  hat  er  die  Sammlung  mit  einem  frischen  poetischen  Vorwort  an  und 
über  die  Studenten  eingeleitet  und  als  erwählter  liederpräses  die  dichter- 
knaben  zu  fröhlichem  liederhospiz  eingeladen.  Freilich  ist  es  gar  wenig 
reifes  und  bedeutendes  was  das  kleine  büchlein  der  22  bietet;  Strach- 
witzens  feuriges,  tatendurstiges  lied  „Keine  smecure"  ragt  stolz  über 
den  grossen  häufen  überflüssiger  gedanken  der  grünenden  Jugend  empor; 
aber  ein  schöner  idealismus,  lebhaftes  poetisches  empfinden  und  mancher 
hübsche  einfall  spricht  uns  doch  hie  und  da  an.  Besonders  in  Wein- 
holds  beitragen  findet  sich  ernster  idealer  sinn,  und  wenn  er  mit  seiner 
ehrlichen  klage  über  die  Zerrissenheit  des  Vaterlandes,  mit  dem  fürchter- 
lichen schwur  tätlicher  feindschaft  gegen  die  philister  und  mit  den 
nebelhaften  überschwenglichkeiten  jugendlicher  liebe  sich  ganz  in  dem 
empfindungskreis  seiner  genossen  bewegt,  so  tritt  in  seinem  warmen 
mitgefühl  mit  dem  notbedrückten  volk  schon  seine  besondere  richtung 
bestimmter  hervor: 

„Des  volkes  not"  steht  auf  der  waffenbinde, 

mit  der  die  liebe  mich  geschmückt, 
„Den  armen  trost"  blinkt  auf  dem  flammenkinde, 
das  ich  zu  kräft'gem  streich  gezückt": 

So  zieht  der  arme  predigersohn  in  dem  gedieht  „Mein  ritterturn" 
stolz  als  ritter  des  geistes  zum  kämpfe.  Und  ein  andermal  lässt  er  vor 
den  palast,  wo  die  grossen  der  weit  im  überfluss  schwelgen,  ein  vom 
elend  verzehrtes  weib  mit  den  hungernden  kindern  treten  und  ein  „fluch 
der  zeit,  der  grambeschwerten,  fluch  des  goldes  Tyrannei"  zum  himmel 
emporschreien.  Harte  erfahrungen  in  der  von  mancherlei  sorgen  heim- 
gesuchten, kinderreichen  familie  des  Eeichenbacher  pfarrhauses,  vor 
allem  aber  die  liebe  zum  volk  haben  dem  jungen  Studenten  solche 
lieder  eingegeben. 

Der  theologie  ist  Weinhold  nicht  lange  treu  geblieben.  Schon  im 
jähre  1843  zog  es  ihn  zu  den  altdeutschen  Studien  hinüber,  die  gerade  in 
Breslau  schon  seit  der  begründung  der  Universität  gepflegt  waren.  Zu 
der  zeit  als  Weinhold  die  hochschule  bezog,  wurde  freilich  Hoffmann  von 
Fallersleben  der  ordentlichen  professur  für  deutsche  philologie  enthoben 
und  fürs  erste  blieb  das  fach  nur  durch  die  privatdocenten  Gustav  Freytag 
und  Theodor  Jacobi  vertreten.  Verständigerweise  trat  Weinhold  an  die 
germanistischen  Studien  von  der  sprachwissenschaftlichen  seite  heran. 
Auf  eigene  band  arbeitete  er  sich  zunächst  durch  Jakob  Grimms  deutsche 
grammatik  und  durch  Bopps  sanskritgrammatik  hindurch,  um  dann  im 


KAHL    WK1NH0LÜ  14] 

winter  1843/44  bei  Jacobi,  dessen  Beiträge  zur  deutschen  grammatik 
gerade  damals  erschienen  waren,  die  erste  germanistische  Vorlesung, 
eine  praktische  einführung  ins  altnordische  zu  hören.  Weinhold  hat 
dann  nocli  bei  ihm  einige  Eddalieder  gelesen  und  an  seinen  collegien 
über  litteraturgeschichte  und  vergleichende  grammatik  teilgenommen. 
Noch  mehr  als  in  seinen  durch  kränklichkeit  oft  unterbrochenen  Vor- 
lesungen hat  Jacobi  im  persönlichen  verkehr  auf  Weinhold  gewirkt.  In 
einem  kleinen  kreise,  den  Jacobi  allwöchentlich  um  sich  versammelte, 
hat  Weinhold  mannigfache  anregungen  von  ihm  erfahren.  Besonders 
zeigte  Jacobi,  gleichfalls  Schlesier  von  geburt,  ein  lebhaftes  interesse 
für  die  beschäftigung  seines  Schülers  mit  der  schlesischen  mundart. 
Historiker  und  Sprachforscher  zugleich,  hat  er  avoI  seinen  anteil  daran, 
dass  Weinhold  über  seinen  linguistischen  Studien  die  fühlung  mit  der 
geschichtswissenschaft  nie  verlor.  Dankbar  hat  Weinhold  in  ihm  seinen 
lehrer  verehrt;  seiner  ablautstheorie  hat  er  Verbreitung  zu  schaffen  ge- 
sucht und  von  seiner  persönlichkeit  als  mensch  und  gelehrter  hat  er 
später  (Zeitschr.  5,  85)  ein  ansprechendes  bild  gezeichnet.  Er  nennt  ihn 
eine  reflektierende  natur,  die  nicht  der  tatsächliche  bestand,  sondern  der 
grund  und  das  werden  der  erscheinungen  reizte.  Ohne  es  auszusprechen 
hat  er  damit  doch  eine  wesentliche  Verschiedenheit  zwischen  der  wissen- 
schaftlichen richtung  seines  lehreis  und  der  eigenen  festgestellt. 

Wie  Jacobi  einst  in  Berlin  Lachmann  mit  Verehrung  gehört  hatte, 
so  beschloss  auch  Weinhold  dort  seinen  Studien  den  abschluss  zu  geben. 
Das  sommersemester  1845  hindurch  besuchte  er  Grimms  und  Lach- 
manns Vorlesungen.  Als  er  45  jähre  später  in  die  akademie  der  Wissen- 
schaften eintrat,  hat  er  mit  warmen,  verehrungs vollen  worten  der  beiden 
männer  als  seiner  lehrer  gedacht  und  jeden  in  seiner  eigenart  kurz 
charakterisiert.  Lachmanns  strenge  wissenschaftliche  methode  ist  auch 
ihm  zum  segen  geworden  und  in  seinen  „  Mitteilungen  über  Karl  Lach- 
mann" hat  Weinhold  erkennen  lassen,  wie  er  in  ihm  nicht  nur  den 
grossen  gelehrten,  sondern  auch  den  menschen  schätzte,  der  unter  harter 
schale  „  ein  tiefes  gefühl  der  liebe  in  der  innersten  kammer  seines  herzens 
hatte".  Aber  die  worte,  die  er  im  jähre  1863  in  der  aula  der  Kieler 
Universität  Jakob  Grimms  gedächtnis  widmete,  lassen  doch  erkennen, 
wie  er  in  diesem  seinen  eigentlichen  meister  ehrte,  den  fürsten,  der 
„mit  der  siegreichen  arbeit  seines  gottgerüsteten  geistes  sich  alle  zu 
leib  und  eigen  gewonnen  hat,  deren  herz  am  vaterlande  hängt,  deren 
geist  begreift,  was  deutsch  ist".  Zu  ihm  vor  allem  musste  den  lern- 
begierigen die  neigung  zum  volkstümlichen  ziehen,  die  er  schon  aus 
der  heimat  nach  Berlin  mitbrachte  und  durch  die  lehren  und  Schriften 


142  VOGT 

des  meisters  wurde  sie  jetzt  zu  zielbewusstem  wissenschaftlichem  streben 
abgeklärt.  Auch  an  anregungen  von  anderer  seite  fehlte  es  nicht.  Vor 
allem  war  es  Julius  Zacher,  ein  älterer  schüler  Jacobis,  von  dem  er 
in  regem  verkehr  mancherlei  belehrung  dankbar  empfieng.  Der  weitere 
verfolg  ihrer  laufbahn  hat  die  beiden  später  mehrfach  zu  konkurrenten 
gemacht.  Ihr  gutes  einvernehmen  ist  dadurch  niemals  gestört  worden. 
„In  erinnerung  vergangener  zeiten  und  als  denkmal  bleibender  freund- 
schaft"  hat  Weinhold  später  seine  Mittelhochdeutsche  grammatik  Zacher 
gewidmet.  „Zachers  Zeitschrift"  fand  von  ihrem  ersten  bände  an  in  ihm 
einen  treuen  mitarbeiter  und  der  zwanzigste  band  brachte  von  seiner 
band  das  verständnisvoll  gezeichnete  lebensbild  ihres  begründers. 

Weinholds  aufenthalt  in  Berlin  war  sehr  kurz  bemessen.  Schon 
am  14.  januar  1846  wurde  er  in  Halle  auf  grund  seines  Spicüegium 
formularum  zum  doctor  promoviert,  Was  Weinhold  zu  dieser  Samm- 
lung altgermanischer,  vor  allem  alt-  und  angelsächsischer  poetischer 
formein  angeregt  hatte,  war  nicht  das  interesse  für  die  formalen  be- 
sonderheiten  germanisch-epischen  stils.  Die  eindringendere  beobachtung 
der  poetischen  form  als  solcher  lag  ihm  überhaupt  fern;  sie  ist  auch 
in  dieser  dissertation  zu  vermissen.  Die  formein  waren  ihm  von  wert 
als  Zeugnisse  von  der  macht  der  allgemeinheit  im  leben  der  alten 
Germanen,  die  er  wie  in  ihrem  politischen  und  wirtschaftlichen  leben, 
so  auch  in  dem  typischen,  traditionellen  Charakter  ihrer  dichtung  erblickte; 
sie  waren  ihm  zugleich  durch  ihren  inhalt  Zeugnisse  für  die  gemein- 
samen anschauungen  und  lebensgewohnheiten  des  germanischen  alter- 
tums  und  von  diesem  gesichtspunkt  hat  er  sie  gruppiert.  So  zog  ihn 
auch  die  Vojuspä  als  eine  skizze  altgermanischer  Weltanschauung  an, 
und  mit  einer  abhandlung  über  sie  bewirkte  er  im  nächsten  jähre 
(15.  IY.  1847)  in  Halle  seine  habilitation,  bei  der  freund  Zacher  als 
Opponent  auftrat.  Die  kleinen  Beiträge  zur  kritik  und  erklärung  der 
VQluspä,  die  Weinhold  später  Zfda.  6,  311  fgg.  drucken  Hess,  entstammen 
wol  dieser  sonst  nicht  veröffentlichten  arbeit.  In  der  Zwischenzeit  weilte 
der  junge  doctor  im  eiternhause  in  Reichenbach;  hier  waren  es  die 
alten  schlesischen  Volksüberlieferungen,  denen  er  seine  tätigkeit 
vor  allem  zuwandte.  Schlesische  sagen,  gebrauche  und  mundartliche 
eigenheiten  wurden  eifrig  gesammelt,  Jacobi  nahm  von  Breslau  aus 
lebhaften  anteil  und  bei  einem  besuch  in  Reichenbach  entwarf  er  mit 
dem  schüler  und  freunde  zusammen  den  plan,  ganz  Schlesien  zu  diesen 
Sammlungen  aufzurufen.  Weinhold  setzte  eine  schriftliche  anleitung  für 
die  sammler  auf,  Jacobi  wusste  in  dem  kürzlich  gegründeten  verein  für 
geschichte  und  altertum  Schlesiens,  wie  Weinhold  sich  später  äusserte, 


KAHL    WEINHOLD  143 

„eine  augenblickliche  teilnähme"  zu  erregen,  und  die  vom  28.  februar 
1847  datierte  aufforderung  zum  stoffsammeln  für  eine  bearbeitung  der 
deutsch-schlesischen  mundart  wurde  gedruckt.  Aber  kaum  hatte  Jacobi 
mit  der  Verteilung  begonnen,  als  den  vielfach  von  krankheit  geplagten 
und  gehemmten  am  28.  februar  1848  der  tod  hinraffte;  die  politischen 
stürme  des  Jahres  Hessen  keine  teilnähme  an  dem  friedlichen  werke 
aufkommen. 

Auch  der  sagensammlung  war  kein  günstiges  Schicksal  beschieden. 
Den  Überlieferungen,  die  Weinhold  selbst  in  Reichenbach  zusammen- 
gebracht hatte,  strömte  zwar  vor  allem  aus  Oberschlesien  reichliche  Ver- 
mehrung zu  durch  den  lehrer  Lompa,  der  dort  ergiebige  quellen  mit 
umsieht  ausnutzte.  Briefe,  die  Lompa  vom  26.  juli  1846  bis  12.  Januar 
1847  an  Weinhold  gerichtet  hat,  lassen  erkennen,  wie  er  ihm  einen 
reichen  schätz  besonders  an  sagen  und  märchen  in  einzelnen  heften 
allmählich  zugehen  Hess.  Baldige  Veröffentlichung  war  in  aussieht  ge- 
nommen, aber  sie  Hess  sich  damals  nicht  verwirklichen.  Lompas  Samm- 
lungen haben  schliesslich  in  den  Originalaufzeichnungen  auf  der  Bres- 
lauer stadtbibliothek  ein  unterkommen  gefunden,  wo  Nehring  sie  für 
seinen  bericht  über  aberglauben,  gebrauche,  sagen  und  märchen  in 
Oberschlesien  in  den  Mitteilungen  der  schlesischen  gesellschaft  für  Volks- 
kunde, lieft  3,3fgg.,  gründlich  ausnutzen  konnte,  nachdem  Karl  Bartsch 
in  den  Schles.  provinzialblättern  1864  und  1865  schon  einiges  aus  den 
abschritten  mitgeteilt  hatte,  die  er  im  frühjahr  1850  noch  in  Weinholds 
besitz  gefunden  hatte.  Wenige  monate  später  sollte  Weinholds  ganze 
Sammlung  zu  gründe  gehen. 

Den  plan  eine  umfassende  Sammlung  der  volkstümlichen  Über- 
lieferungen in  Schlesien  zu  organisieren  hat  Weinhold  seitdem  auf- 
gegeben. Aber  die  erhebungen  und  forschungen  der  Reichenbacher  zeit 
sind  die  grundlage  seiner  wissenschaftlichen  Studien  zur  schlesischen 
Volkskunde  geworden,  an  denen  er  festgehalten  hat  sein  leben  lang. 

Jacobis  tod  war  auch  für  die  akademische  laufbahn  seines  schülers 
ein  bedeutsames  ereignis.  Nach  dem  amnestieerlass  vom  20.  märz  1848 
hatte  Hoffmann  von  Fallersieben  beim  ministerium  die  Wiedereinsetzung 
in  seine  professur  beantragt.  So  ergieng  unterm  5.  juni  1848  vom 
minister  grafen  v.  Schwerin  die  aufforderung  an  die  Breslauer  philo- 
sophische fakultät1,  sich  vor  allem  über  diesen  punkt  gutachtlich  zu 
äussern,  eventuell  aber  einen  andern  tüchtigen  gelehrten  für  die  er- 
ledigte professur  in  Vorschlag  zu  bringen.     Die  Breslauer  hatten  schon 

1)  Auf  ihren  akten  beruht  die  folgende  darstellung. 


144  VOGT 

vor  empfang  dieses  briefes  an  Weinhold  und  Zacher  gedacht  und  von 
Jakob  Grimm  ein  gutachten  über  sie  erbeten.  Grimms  antwort  lautete 
folgendermassen : 

Ew.  Spectabilität 
gefällige  Zuschrift  vom  31.  Mai  ist  mir  erst  heute  hier,  wohin  ich 
zur  Nationalversammlung  abgeordnet  worden  bin,  zu  Händen  ge- 
kommen. Beide,  Zacher  und  Weinhold,  sind  mir  als  fleissige  mit 
gründlichen  Kenntnissen  in  der  Literaturgeschichte  und  deutschen 
Philologie  ausgestattete  Männer  persönlich  bekannt  und  ich  traue 
jedem  von  ihnen  zu  an  Jacobis  Stelle,  dessen  früher  Tod  mich  sehr 
geschmerzt  hat,  treten  zu  können,  sollte  ihn  auch  keiner  völlig  er- 
setzen. Begreiflich  aber  möchte  ich  nicht  gern  für  einen  oder  den 
andern  den  Ausschlag  geben;  jeder  wird  eigentümliche  Gaben  und 
Vorzüge  besitzen.  Von  ihrem  Lehrertalent  weiss  ich  ohnehin  nicht 
zu  urteilen. 

Mit  ausgezeichneter  Hochachtung 

ergebenst 
Frankfurt,  7.  Juni  1848.  Jacob  Grimm. 

Die  fakultät  berichtete  darauf  am  23.  juni  1848  an  den  unterrichts- 
minister, sie  könne,  wenn  sie  das  interesse  der  Breslauer  hochschule 
ins  äuge  fasse,  ihrerseits  in  der  früheren  lehrtätigkeit  und  in  den  seit- 
herigen wissenschaftlichen  leistungen  des  professors  Hoffmann  keinen 
grund  finden  die  zurückberuf ung  desselben  zu  wünschen,  wobei  sie 
indes  die  frage,  in  wiefern  die  art  seiner  absetzung  ihm  einen  ansprach 
auf  Wiederanstellung  gebe,  unberührt  lasse.  Sie  sehe  sich  demnach  ver- 
anlasst, andere  ihrer  ansieht  nach  geeignete  vorschlage  zu  machen  und 
empfiehlt  für  die  erledigte  professur  Weinhold  an  erster,  Zacher  an 
zweiter  stelle.  Statt  einer  antwort  wurde  der  fakultät  unterm  10.  august 
vom  minister  die  überraschende  mitteilung,  dass  der  bisherige  Berliner 
privatdocent  Theodor  Mundt  zum  ausserordentlichen  professor  für  die 
fächer  der  neueren  litteratur  und  litteraturgeschichte  in  der  Breslauer 
philosophischen  fakultät  ernannt  worden  sei.  Der  erlass,  der  die  ent- 
fernung  einer  politisch  unbequemen  persönlichkeit  aus  Berlin  bezweckte, 
erregte  in  Breslau  lebhafte  unruhe. 

Unterm  19.  august  erhob  die  fakultät  die  Vorstellung,  dass  schon 
zwei  ausserordentliche  professoren  für  neuere  litteraturgeschichte  in 
Breslau  vorhanden  seien,  nämlich  Guhrauer  uud  Kahlert,  dass  dagegen 
der  lehrstuhl  für  deutsche  philologie  in  weitestem  umfange  seit  Jacobis 
tod  unbesetzt  sei;  sie  bat,  auf  diesen  einen  tüchtigen  fachgelehrten  zu 
berufen  und  bezeichnete  es  zugleich  im  namen  der  gesamtheit  der  ordent- 


KARL    WEINHOLD 


145 


liehen  professoren  der  Universität  als  höchst  wünschenswert,  dass  vor 
jeder  berufung  eines  ordentlichen  oder  ausserordentlichen  professors  der 
betreffenden  fakultät  gelegenheit  gegeben  werde,  ihre  gutachtliche  mei- 
nung  über  den  zu  berufenden  gelehrten  auszusprechen. 

Die  eingäbe  hatte  erfolg.  Zwar  konnte  die  auf  Immediateingabe 
Sclnverins  erfolgte  ernennung  Mundts  nicht  rückgängig  gemacht  werden, 
aber  er  wurde  nach  und  nach  bis  zum  sommer  1850  beurlaubt,  wo  er 
ein  extraordinariat  in  Berlin  erhielt;  und  am  5.  märz  1849  teilte  der 
minister  v.  Ladenberg  der  fakultät  in  wolwollendster  form  mit,  dass  er 
ihrem  Vorschlag  gemäss  auf  den  erledigten  lehrstuhl  für  deutsche  philo- 
logie  Weinhold  berufen  habe. 

Nur  zwei  Semester  sollte  Weinhold  des  glücklich  errungenen  amtes 
walten.  Schon  anfang  Januar  1850  wurde  ihm  die  ordentliche  professur 
der  deutschen  spräche  und  litteratur  in  Krakau  angeboten,  und  da  die 
erfüllung  der  bedingungen,  die  er  an  sein  verbleiben  in  Breslau  knüpfte, 
schliesslich  scheiterte,  so  siedelte  er  im  april  1850  an  die  polnische 
Universität  über. 

Weinhold  hat  es  stets  verstanden,  aus  der  jeweiligen  Umgebung,  in 
der  er  wirkte,  neue  anregungen  für  seine  Studien  zu  schöpfen.  So  suchte 
er  auch  die  nähere  Vertrautheit  mit  der  polnischen  spräche,  die  ihm  die 
neue  Stellung  eintrug,  für  seine  forschungen  zur  schlesischen  mundart 
zu  verwerten.  Er  fasste  ihre  berührungen  mit  dem  polnischen  jetzt 
näher  ins  äuge,  wie  er  sich  schon  zuvor  durch  Lompa  und  Fiedler  über 
die  schlesisch-polnische  Sprachgrenze  hatte  aufklären  lassen.  Aber  der 
wissenschaftliche  gewinn  der  Krakauer  zeit  war  geringer  als  der  Ver- 
lust. Bei  dem  grossen  brande  vom  18.  juli  ging  der  grösste  teil  seiner 
manuskripte  zu  gründe,  darunter  die  ganze  sagensammlung.  Vergeblich 
hat  er  nach  langen  jähren  in  der  heimat  versucht  den  verlust  zu  er- 
setzen; die  alten  quellen  waren  versiegt.  Aber  seine  damals  grösste 
wissenschaftliche  arbeit  wurde  glücklicherweise  den  flammen  entrissen: 
das  manuskript  zu  den  „Deutschen  frauen  im  mittelalter". 

Keines  unter  Weinholds  werken  ist  so  mit  seinem  herzensieben 
verwachsen  gewesen  wie  dieses.  Als  junger  bräutigam  hatte  er  in  Halle 
im  Spätherbst  1847  den  plan  dazu  gefasst;  als  er  am  12.  august  1850 
Anna  Eigner  heimführte,  war  das  werk  rüstig  fortgeschritten;  mit  dem 
datum  seines  hochzeitstages  unterzeichnete  er  im  nächsten  jähr  in  Graz  die 
vorrede.  Er  bezeugt  schon  in  der  ersten  ausgäbe,  dass  er  aus  Verehrung 
gegen  deutsche  frauen  dies  buch  in  seinen  gedanken  beschlossen  habe; 
die  zweite  bearbeitung  hat  er  im  jähre  1882  der  mutter  und  der  gattin 
zugeeignet,  und  in  der  dritten  aufläge  von  1897  drängt  sich  dem  greise 


1 46  VOGT 

noch  einmal  die  dankbare  empfindung  für  das  Avas  niutter,  gattin  und 
freundinnen  ihm  waren  und  sind  auf  die  lippen.  Wie  einen  abglanz 
seiner  entsteh ungszeit  breitet  das  buch  einen  idealisierenden  poetischen 
Schimmer  über  die  deutschen  trauen  der  vorzeit;  den  dichterischen 
quellen  ist  ein  einfluss  auf  die  darstellung  eingeräumt,  bei  dem  nicht 
selten  das  frauenideal  jenes  Zeitalters  mehr  hervortritt  als  die  realen 
Verhältnisse.  Und  doch  ist  das  buch  unter  ausgiebiger  Verwertung  auch 
geschichtlicher  und  rechtlicher  quellen  auf  breiter  und  fester  wissen- 
schaftlicher grundlage  aufgebaut,  und  vielseitige  gelehrsamkeit  eint  sich 
in  ihm  mit  edler  populärer  form  zu  einem  schönen  ganzen.  Der  ein- 
fluss Jakob  Grimms  ist  unverkennbar.  Seine  Mythologie,  seine  Rechts- 
altertümer, die  kulturgeschichtlichen  kapitel  seiner  Geschichte  der  deut- 
schen spräche  haben  stoff  und  behandlungsweise  beeinflusst.  Wie  der 
meister  so  berücksichtigt  auch  der  schüler  neben  den  schriftlichen  quellen 
überall  den  volksbrauch  der  gegen  wart.  Aber  er  bewährt  sich  auch  als 
selbständiger  forscher  und  schriftsteiler  in  der  quellenbenutzung  wie  in 
dem  streben  nach  ästhetisch  befriedigender  gestaltung  des  Stoffes. 

Wenn  auch  der  aufenthalt  in  Polen  nicht  ohne  frucht  für  Wein- 
holds  schlesische  Studien  blieb,  heimisch  konnte  er  bei  seinem  starken 
nationalen  empfinden  in  der  fremden  Umgebung  nicht  werden.  Sein 
wünsch  an  eine  deutsch -österreichische  Universität  überzugehen  wurde 
bald  durch  die  berufung  nach  Graz  erfüllt.  Ostern  1851  trat  er  das 
neue  lehramt  an.  Die  zehn  jähre,  die  Weinhold  in  Graz  gewirkt  hat, 
bilden  vielleicht  die  glücklichste,  jedenfalls  die  wissenschaftlich  frucht- 
barste zeit  seines  lebens.  Eine  herrliche  Umgebung,  ein  land,  welches 
volkskundlicher  forschung  reichstes  material  bot,  ein  fröhlich  geselliger 
kreis  von  freunden  und  kollegen,  strebsame  zuhörer,  alles  das  vereinigte 
sich,  um  die  Schaffensfreudigkeit  und  Schaffenskraft  des  jungen  gelehrten 
anzuregen  und  zu  steigern.  So  sind  fast  alle  die  werke,  die  seinem 
namen  einen  dauernden  platz  in  der  geschichte  der  deutschen  philologie 
sichern,  mit  der  Grazer  zeit  verknüpft. 

Zunächst  wurden  die  schlesischen  faden  noch  weiter  gesponnen. 
Weinhold  glaubte  nicht,  dass  er  noch  jemals  wieder  in  die  alte  heimat 
zu  dauerndem  aufenthalte  zurückkehren  würde.  Es  drängte  ihn,  unter 
verzieht  auf  die  volle  ausführung  der  alten  plane  das,  was  ihm  von 
seinen  schlesischen  Sammlungen  verblieben  war,  wissenschaftlich  zu  ver- 
werten. Einem  kleineren  aufsatze  über  Deutsches  und  Slavisches  aus 
der  mundart  Schlesiens,  in  dem  er  die  polnischen  einflüsse  noch  stark 
überschätzte1,    folgte    im    jähre   1853  „Über  deutsche   dialektforschung. 

1)  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachforschung  1 ,  245  fg. 


KARL    WEINHOLD  147 

Die  laut-  und  Wortbildung  und  die  formen  der  schlesischen  mundart". 
Dankbar  gedenkt  Weinhold  in  dem  vorwort  des  kürzlich  verstorbenen 
Schmeller,  der  mit  seiner  grammatischen  darstellung  der  mundarten 
Bayerns  und  mit  seinem  Bayerischen  Wörterbuch  die  gruudlage  für  die 
wissenschaftliche  behandlung  der  deutschen  dialekte  gelegt  hatte.  Aber 
auch  Weinholds  kleine  schrift  hat  über  die  grenzen  ihres  nächsten  gegen- 
ständes hinaus  fördernd  und  anregend  gewirkt.  Die  anweisung  zum  stoff- 
sammeln, welche  hier  aus  dem  druck  von  1847  wiederholt  wurde, 
gab  allgemeine  gesichtspunkte  für  die  deutsche  mundartenforschung,  und 
die  übersichtlich  gegliederte  darstellung  der  schlesischen  dialektformen 
lässt  bei  aller  knappheit  die  beziehung  zu  verwandten  erscheinungen  in 
anderen  mundarten  nicht  ausser  äugen.  Weinhold  zeigt  hier  zum  ersten 
male  sein  grosses  geschick  in  der  raschen  und  sicheren  Ordnung  eines 
vielgestaltigen  sprachlichen  materials;  wenn  er  auch  die  zahlreichen 
einzelprobleme,  die  es  dem  forscher  aufdrängt,  nur  mit  flüchtigem  blicke 
streift,  so  hat  er  doch  dafür  gleich  eine  klare  Orientierung  über  das 
grosse  und  mannigfaltige  gesamtgebiet  der  schlesischen  dialekte  geboten. 
Und  als  solche  ist  das  werkchen  bis  heute  noch  unentbehrlich,  so  vieles 
sich  natürlich  auch  jetzt  bei  einer  erneuten  behandlung  des  gegenständes 
anders  gestalten  müsste.  Das  lexikalische  seitenstück  zu  dieser  gram- 
matischen darstellung  bieten  die  „Beiträge  zu  einem  schlesischen  Wörter- 
buch", die  Weinhold  1855  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  akademie 
erscheinen  Hess.  Auch  hier  zeigt  sich  Weinholds  weiter  blick  in  der 
quellenbenutzung  wie  in  der  anläge  des  ganzen.  Ausser  der  mündlichen 
Überlieferung  ist  auch  die  litteratur  alter  und  neuer  zeit,  die  historische 
wie  die  poetische,  gewissenhaft  verwertet;  die  geschichte  und  Verbreitung 
jedes  einzelnen  Wortes  wird  kurz  und  sicher  bestimmt  und  sein  Zu- 
sammenhang mit  dem  leben  des  volkes  durch  reiche  belege  aus  volks- 
tümlichen brauchen  und  redensarten,  Sprüchen  und  liedern  veranschau- 
licht. In  allen  diesen  beziehungen  stellen  sich  Weinholds  Beiträge 
würdig  neben  Schmellers  grundlegendes  Wörterbuch,  und  Weinhold  hat 
sein  leben  lang  daran  gearbeitet,  sie  auch  allmählich  zu  einem  ebenso 
umfassenden  werk  auszugestalten.  Zum  abschluss  hat  er  es  nicht  ge- 
bracht; das  stattliche  manuskript,  welches  er  der  Breslauer  stadtbibliothek 
hinterlassen  hat,  bedarf  noch  mancher  ergänzung  aus  den  lebenden  mund- 
arten und  der  ordnenden  bearbeitung,  aber  auch  so  verdient  dieses 
schlesische  Wörterbuch  einen  ehrenplatz  unter  Weinholds  werken  wie 
in  der  wissenschaftlichen  dialektlitteratur. 

Zu  den  alten  schlesischen  Sammlungen  aber  gesellte  sich  nun  was 
ihm  an  volkstümlichen  Überlieferungen  der  Steiermark  bei  seinen  streif- 


I  18  VOGl 

zügen  durch   das  land,  durch  seine  Verbindung  mit  dem  historischen 
verein  und  durch  die  bemühungen  seiner  Studenten  zufloss.     Er  hielt 
eine  Vorlesung  über  Volkskunde,   und  die  anregungen  zum   erforschen 
der  volkstraditionen,  die  er  bei  seinen  zuhörern  ausstreute  wo  sich  die 
gelegenheit  bot,   fielen    auf  fruchtbaren  boden.     Unter  ihnen  war  ein 
junger  Kärntner,  der,  mitten   unter  dem   alpenvolk   aufgewachsen,   mit 
harter    arbeit    sich    die    mittel    zum    studium    der  deutschen    philologie 
erkämpfte.    Mit  lebhaftem  anteil  hörte  er  jetzt  von  der  wissenschaftlichen 
bedeutung  der  Volksüberlieferungen,  die  ihm  in  mundart,  dichtung  und 
brauch  aus  Kärnten  von  jugend  auf  vertraut  waren,  zeichnete  auf  was 
er   kannte    und    sammelte    dazu    was    sich    ihm    neues    bot.      Es    war 
Matthias    Lexer,    dessen   Kärntisches  Wörterbuch    mit   seinem    volks- 
kundlichen anhang  eine  unmittelbare  frucht  der  anregungen  ist,  die  er 
damals  von  Weinhold  empfieng.    Als  Lexer  im  jähre  1892  als  professor 
der  deutschen  philologie  in  München  starb,  gedachte  Weinhold  in  einem 
warmen  nachruf  des  innigen  Verhältnisses,  das  über  40  jähre  zwischen 
ihm  und  Lexer  rein  und  schön  gedauert  habe,  zuerst  als  das  des  lehrers 
zum  schüler,  bald  als  das  des  freundes  zum  freunde1.     Damals  in  Graz 
hat  der  junge  Student  zu  einem  werke  beigesteuert,   in  dem  Weinhold 
zum   ersten  male  volkstümliche    traditionen   der  alten   schlesischen  mit 
solchen  der  neuen  steirischen  heimat  und  der  kärntischen  nachbarschaft 
zusammen  behandelte,   zu  den  „Weihnachtspielen  und  liedern  aus  Süd- 
deutschland und  Schlesien",  die  1853  in  Graz  erschienen.     Dass  Wein- 
hold diesem  ihm  von  Jugend   auf  vertrauten  zweig  der  volkspoesie  bei 
seinen  Sammlungen  in  Schlesien  gebührende  aufmerksamkeit  geschenkt 
hatte,  war  schon  aus  seiner  Veröffentlichung  eines  „Glätzischen  christ- 
kindelspiels"   im  Jahrgang   1848   der  Zeitschrift  für  deutsches  altertum 
zu  erkennen.     Dasselbe  stück  kehrte  jetzt  in   den   „Weihnachtspielen" 
in   kritisch   verbesserter   gestalt  wieder,    aber   in   Verbindung    mit  ver- 
schiedenen texten  des  advent-  und  dreikönigspiels,  wie  er  sie  teils  in 
Reichenbach,    teils    aus    anderen    gegenden    Schlesiens    kennen    gelernt 
hatte,  und   dazu  gesellten  sich   nun   stücke   alter  und  neuerer  zeit  aus 
den   österreichischen    alpenländern.      Weinhold    hat    das    alles    in    eine 
darstellung   eingefügt,   welche,    einerseits  von    altheidnischen   umzügen, 
andererseits  von  den  alten  kirchlichen  epiphaniasfeiern  ausgehend,  unter 
ausblicken  auf  die  verwandten  romanischen  und  englischen  erzeugnisse 
die   entwicklung   und    allmähliche    ausgestaltung    der   gattung  vorführt. 
Freilich  waren  seine  schlesischen  und  österreichischen  stücke  nur  geringe 

1)  Zeitschr.  25,  253  fg.;  Allgem.  zeitg.  28.  IV.  1892,  beil.  nr.  99. 


KARL    WEINHOLD  149 

bruchteile  des  vorhandenen  reichtums   und  es  fehlte  die  eindringendere 
philologische  Untersuchung    über    das    gegenseitige  Verhältnis    der  ver- 
schiedenen texte,  über  ihre  örtliche  Verbreitung  und  über  die   charak- 
teristischen Wandlungen  und  mischungen,   die  sie  in  ihrer  bald  münd- 
lichen bald  schriftlichen  Überlieferung  zu  erfahren  hatten;  auch  hat  die 
erweiterte  kenntnis  des  mittelalterlichen  dramas  seither  neue  wichtige 
glieder  in  die  historische  kette  dieser  traditionen  eingeschaltet  und  unsere 
anschauungen    über    ihre    beziehungen    zu    heidnischen    brauchen    und 
mythen  haben  sich  im  einzelnen  geändert.    Aber  bei  alledem  hat  Wein- 
hold  doch  in  den  wesentlichsten  zügen   das  richtige  bild  getroffen  und 
auch  hier  fehlen  nicht  jene  warmen  farbentöne,  die  ihm  bei  der  dar- 
stellung    der   „Deutschen    frauen    im   mittelalter"    das   lebendige   nach- 
empfinden   deutscher  volksart   lieh.     Das  weite    und  fruchtbare  gebiet 
des  deutschen  volksschauspiels  hat  Weinholds   buch  zuerst  der  wissen- 
schaftlichen forsch ung  erschlossen  und  auch  für  die  geschichte  des  mittel- 
alterlichen dramas  hat  es  auf  längere  zeit  grundlegende  bedeutung  ge- 
wonnen.    Schon  in   den    „Weihnachtspielen"   hatte   auch   das  Volkslied 
berücksichtigung  gefunden.     Weinhold  wandte    ihm   bei  seinen   Samm- 
lungen steirischer  traditionen   besondere  aufmerksamkeit  zu.     Im  april 
1858  hielt  er  in   der  generalversammlung  des  historischen  Vereins  für 
Steiermark  einen  Vortrag  über  den  wert  der  Volksüberlieferungen  und 
legte  einen  plan  zu  einer  systematischen  Sammlung  der  steirischen  Volks- 
lieder  vor.    Wieder  wurde    sein    aufruf   durch    den  historischen  verein 
gedruckt,  und  der  Vorsitzende  des  Vereins,  erzherzog  Johann,  der  selbst 
mit  einem  auch  die  Volkskunde  umfassenden  werk  über  Steiermark  be- 
schäftigt war,  förderte  ihn  durch  tätige  teilnähme.    Über  den  erfolg  der 
Sammlungen  und    über  das  was  noch  zu    tun  sei   berichtete    ein   jähr 
später  Weinholds  aufsatz  über  „Das  Volkslied  in  Steiermark"  im  9.  bände 
der  Mitteilungen  des  Vereins.    Mit  seinem  weggang  von  Graz  geriet  dann 
das  unternehmen  ins  stocken;  erst  nach  vielen  jähren  wurde  das  sammeln 
der  steirischen  Volkslieder  von  andern  wieder  aufgenommen1. 

Durch  seinen  anteil  am  historischen  verein  wurde  Weinholds 
forschung  auch  auf  die  geschichte  und  die  altertümer  der  Steiermark 
gelenkt.  Xicht  nur  sein  Vortrag  über  den  anteil  Steiermarks  an  der 
deutschen  dichtkunst  des  13.  Jahrhunderts,  den  er,  zum  wirklichen  mit- 
glied  der  Wiener  akademie  ernannt,  in  deren  feierlicher  sitzung  am 
21.  mai  1860  hielt,  sondern  auch  seine  aufsätze  über  den  minnesänger 
von  Stadeck  und  über  Hugo  von  Montfort  gehen  von  der  steirischen  ge- 

1)  Vgl.  Weinhold  im  Literaturbl.  f.  gern),  u.  roman.  philologie  1881,  429  fg. 


150  VOGT 

schichte  aus,  und  auch  über  gräberfunde  berichtete  er  in  den  Mit- 
teilungen des  Vereins.  Diesem  archäologischen  Interesse,  das  er  auch 
später  in  Kiel  noch  betätigte,  erwuchs  im  jähr  1859  die  auf  ausgebreiteter 
kenntnis  der  denkmäler  ruhende  reichhaltige  schritt  über  die  heidnische 
totenbestattung  in  Deutschland,  die  in  den  Wiener  Sitzungsberichten 
gedruckt  wurde. 

Von  den  archäologischen  denkmälern,  den  Volksüberlieferungen  der 
gegenwart  und  den  litterarischen  quellen  aus  nahm  "Weinhold  die  ger- 
manische altertumskunde  in  angriff.  Schon  für  die  Deutschen  trauen 
hatte  er  die  altnordische  litteratur,  besonders  die  rechtsdenkmäler  heran- 
gezogen und  in  der  vorrede  die  Überzeugung  ausgesprochen,  „dasswir 
in  dem  nordgermanischen  altertum  stets  die  führende  leuchte  für  unsere 
deutschen  zustände  anzünden  müssen." 

So  machte  er  sich  nach  Vollendung  der  Weihnachtspiele  im  winter 
1853  an  eine  zusammenfassende  darstellung  der  äusseren  und  inneren 
zustände  bei  den  Nordgermanen,  und  schon  Weihnachten  1855  konnte 
er  den  stattlichen  band  des  „Altnordischen  lebens"  mit  der  vorrede 
beschliessen.  Es  ist  im  wesentlichen  eine  anschauliche  Schilderung  der 
skandinavischen  privataltertümer  aus  den  litterarischen  quellen,  den 
gesetzen,  sagen  und  liedern.  Das  öffentliche  leben,  auch  der  kultus,  wird 
nur  gelegentlich  gestreift.  Und  doch  haben  Weinhold  die  religiösen  zu- 
stände und  Vorstellungen  der  Skandinavier  lebhaft  beschäftigt.  Der 
habilitationsschrift  über  die  Yeluspä  waren  schon  1848  und  49  in  der 
Zeitschrift  für  deutsches  altertum  kleinere  mythologische  bemerkungen 
und  eine  eindringende  Untersuchung  über  die  sagen  von  Loki  gefolgt; 
1858,  zwei  jähre  nach  dem  erscheinen  des  Altnordischen  lebens,  brachten 
die  Sitzungsberichte  der  Wiener  akademie  (bd.  26)  in  einer  umfänglichen 
abhandlung  über  die  „Riesen  des  germanischen  mythus"  eine  darstellung 
der  nordischen  traditionell  dieses  kreises.  Es  verdient  beachtet  zu  werden, 
dass  Weinhold,  der  ja  im  allgemeinen  die  mythenwelt  und  ihre  etwaigen 
spuren  in  der  gegenwart  noch  nicht  mit  dem  realistischen  blick  unserer 
tage  betrachtete,  hier  doch  schon  mit  scharfem  spott  und  tadel  die- 
jenigen geisselt,  die  in  teufein,  hexen  und  gespenstern  nur  gestürzte 
gottheiten  und  heidnische  unholde,  in  beliebigen  christlichen  heiligen 
nur  einen  verkappten  Wuotan,  Donar  oder  Ziu  und  in  volksbräuchen 
nur  mythische  Vorstellungen  sehen. 

Bei  seinen  altnordischen  Studien  empfand  Weinhold  einen  gegensatz 
zwischen  ihnen  und  „dem  boden  auf  dem  er  lebte,  auf  dem  Roms 
denkmale  beginnen."  Es  zeigt  sich  immer  wieder,  wie  es  ihm  doch 
eigentlich  bedürfnis  war,  aus  dem  boden,  auf  dem  er  zur  zeit  sein  heim 


KARL    WEINHOLD  151 

aufgeschlagen  hatte,  aus  den  Verhältnissen,  in  denen  er  jeweilig  lebte, 
stoff  und  anregung  für  seine  arbeiten  zu  ziehen  und  wiederum  durch 
seine  arbeit  die  besonderen  aufgaben  zu  fördern,  die  ihm  die  jeweilige 
heimat  stellte.  So  wandte  er  auch  den  österreichischen  unterrichts- 
angelegenheiten  seine  aufmerksamkeit  zu  und  suchte  dem  betrieb  des 
Deutschen  im  kaiserstaate  nützlich  zu  werden.  Schon  in  Krakau  hatte 
er  sein  „Mittelhochdeutsches  lesebuch",  welches  dann  bis  zum  jähr  1891 
vier  auflagen  erlebte,  für  die  deutschen  gymnasien  in  Österreich  ver- 
fasst;  der  Zeitschrift  für  die  österreichischen  gymnasien  hat  er  als  fleissiger 
mitarbeiter  gedient,  und  in  den  recensionen,  die  er  für  sie  schrieb,  hat 
er  auch  die  deutsche  schulgrammatik  besonders  berücksichtigt;  in  seiner 
abhandlung  über  deutsche  rechtschreibung,  die  im  Jahrgang  1852  jener 
Zeitschrift  erschien,  hat  er  behörden  und  lehrer  gegen  den  Sprachverderb 
aufgerufen  und  eine  einheitliche,  gründlich  verbesserte  rechtschreibung 
zunächst  für  die  österreichischen  schulen  zu  schaffen  gesucht.  Sein  ent- 
schiedenes eintreten  für  eine  reform  der  Schreibweise  in  historischer 
richtung  verrät  den  schüler  Jakob  Grimms  und  zeigt  weniger  praktischen 
blick  als  die  neigung,  die  errun genschaften  der  historischen  Sprach- 
forschung zu  lebendiger  geltung  zu  bringen;  doch  hat  die  gehaltvolle 
kleine  schritt  wenigstens  die  kenntnis  von  der  geschichtlichen  ent- 
wickelung  der  deutschen  Orthographie  gefördert. 

Den  stärksten  anziehungspunkt  für  seine  sprachlichen  Studien 
bildeten  aber  doch  auch  in  Steiermark  die  deutschen  mundarten. 
Wie  einst  in  Schlesien,  so  fasste  er  auch  hier  bei  dem  sammeln 
und  erforschen  der  volkstümlichen  Überlieferungen  die  eigenheiten  der 
Landessprache  scharf  ins  äuge.  Aber  ein  viel  umfassenderer  und  küh- 
nerer plan  stieg  jetzt  in  ihm  auf.  „Ich  will  die  dialekte  der  deutschen 
stamme,  der  Alemannen,  Bayern,  Franken,  Thüringer,  Sachsen  und 
Friesen  in  einer  reihe  von  bänden  grammatisch  bearbeiten,  wenn  mir 
leben,  kraft  und  mut  bleibt".  So  schrieb  Weinhold  in  Kiel  pfingsten 
1863  im  vorwort  zum  ersten  bände  seiner  „  Grammatik  deutscher  mund- 
arten", der  „Alemannischen  grammatik".  Es  scheint,  dass  dieser  plan 
bis  1855  zurückreicht,  das  jähr,  wo  Weinhold  seinen  schlesischen  dialekt- 
studien  mit  dem  erscheinen  der  „Beiträge"  einen  vorläufigen  abschluss 
gegeben  hatte.  Mit  kühnem  blick  hatte  er  von  dem  ersten  gipfel  des 
deutschen  dialektgebirges,  den  er  erklommen,  gleich  die  höhen  des 
ganzen  Umkreises  überschaut  und  sie  alle  zu  nehmen  beschlossen.  Aber 
was  auf  den  ersten  blick  so  greifbar  nahe  scheint,  zieht  sich  bei  der 
mühseligen  Wanderung  bergab  und  bergan  in  endlose  weiten,  und  er 
musste  erkennen,  dass  das  unternehmen  über  die  kraft  eines  einzelnen 


152  voot 

gieng.  Nur  die  beiden  ersten  bände,  die  alemannische  und  die  bairische 
grammatik,  sind  erschienen,  beide  in  Kiel  abgeschlossen  und  1863  und 
1867  herausgegeben;  aber  die  alemannische  war  „nach  dem  gesammelten 
stoffe  und  auch  meist  nach  der  darstellung  eine  f nicht  der  letzten  Grazer 
jähre",  und  für  die  bairische  boten  wenigstens  die  Sammlungen  jener 
zeit,  in  die  seines  Wissens  „alles  übergieng  was  damals  über  das  steirische 
aufgezeichnet  war1',  eine  wesentliche  unterläge.  Aus  dem  plan  der 
fränkischen  und  thüringischen  grammatik  sind  später  die  wichtigen 
kapitel  über  die  mitteldeutschen  sprachformen  in  seiner  „Mittelhoch- 
deutschen grammatik"  erwachsen,  die  in  erster  und  zweiter  aufläge 
(1877  und  83)  in  Breslau  ausgearbeitet  wurde.  Gedruckt  ist  in  der 
Grazer  zeit  von  diesen  Studien  nur  die  kleine  abhandlung  über  den 
beilaut,  ein  ergebnis  der  arbeit  an  der  alemannischen  grammatik.  Der 
ausdruck  beilaut,  den  Weinhold  hier  für  gewisse  dem  i-umlaut  ent- 
sprechende aber  nicht  durch  ihn  zu  erklärende  erscheinungen  schuf,  hat 
sich  nicht  eingebürgert,  und  die  kombination  der  beobachteten  tatsachen 
unter  einem  gemeinsamen  gesichtspunkt  muss  zum  teil  als  verfehlt  gelten. 
Es  zeigt  sich  schon  hier,  was  auch  als  die  schwache  seite  seiner  grossen 
grammatischen  arbeiten  bezeichnet  werden  muss:  statt  die  gemeinsamen 
Wesensbedingungen  einzelner  sprachlicher  erscheinungen  festzustellen  und 
diese  danach  zu  gruppieren,  werden  die  tatsachen  allzu  oft  nur  unter 
einem  symbolischen  ausdruck  zusammengefasst,  der  keine  wirkliche  er- 
klärung  enthält  und  darum  auch  nicht  immer  die  richtige  gruppen- 
abgrenzung  bietet.  Als  die  saat,  welche  später  Scherers  buch  Zur  ge- 
schieht^ der  deutschen  spräche  ausgestreut  hatte,  aufgieng  und  als  die 
„Junggrammatiker"  die  zusammenhänge  sprachlicher  tatsachen  schärfer 
bestimmten,  ihre  physiologischen  und  psychologischen  bedingungen  exakt 
festzustellen  suchten,  hat  Weinhold  der  grossen  sprachwissenschaftlichen 
bewegung  mit  äusserster  Zurückhaltung  gegenüber  gestanden  und  nur 
zögernd  und  in  spärlichem  umfange  hat  er  allmählich  ihren  ergebnissen 
in  seine  Mittelhochdeutsche  grammatik  eintritt  gestattet.  Er  hat  aus 
seinem  Widerwillen  gegen  diese  „linguistische"  richtung  kein  hehl  ge- 
macht. Freilich  hat  der  schüler  Jacobis  und  Grimms  die  selbständige 
bedeutnng  der  Sprachwissenschaft  gerade  in  der  schritt  über  den  beilaut 
mit  aller  entschiedenheit  und  wärme  betont.  Aber  ebenso  entschieden 
hat  er  auch  bekannt,  dass  er  nicht  auf  der  linguistischen,  sondern  auf 
der  philologischen  seite  stehe.  Er  gehörte  eben  doch  nicht  zu  denen, 
für  die,  wie  für  seinen  lehrer  Jacobi,  in  der  Sprachwissenschaft  grund 
und  werden  der  erscheinungen  weit  mehr  reiz  hatte  als  der  tatsächliche 
bestand.     In  der  umsichtigen  Sammlung  und  übersichtlichen  gramma- 


KARL    WEINHOLD  153 

tischen  anordnung  eines  ausserordentlich  reichhaltigen  sprach materials 
bewähren  auch  die  drei  grossen  grammatiken  wieder  Weinholds  be- 
sondere begabung,  und  hierin  liegt  ihr  bedeutender  wert.  In  dieser 
richtung  haben  sie  Grimms  werk  weiter  geführt,  haben  den  dialekt- 
studien  reiche  hülfe  und  anregung  geboten  und  sind  jedem  germanisten 
unentbehrlich  geworden.  Auch  für  die  ältere  litteraturgeschichte,  be- 
sonders für  die  zeit-  und  heimatsbestimmung  mittelhochdeutscher  denk- 
mäler,  haben  sie  bis  auf  den  heutigen  tag  gute  dienste  getan,  und  die 
Mittelhochdeutsche  grammatik  mit  den  ergänzungen,  die  man  in  der 
alemannischen  und  bairischen  findet,  reiht  sich  den  grossen  Wörter- 
büchern der  Benecke- Müller- Zarncke  und  Lexer  als  nicht  weniger  be- 
nutztes hülfsmittel  an. 

Doch  die  ausführung  dieser  arbeiten  liegt  schon  weit  über  die 
Grazer  zeit  hinaus.  Scheinen  die  letzten  Grazer  jähre  Weinholds  Studien 
ganz  von  der  alten  schlesischen  heimat  abgelenkt  zu  haben,  so  wurden 
doch  die  beziehungen  zu  schlesischem  leben  und  wesen  auch  in  dieser 
periode  ununterbrochen  fortgesetzt.  Unter  den  Grazer  freunden  ist  dem 
Weinholdschen  ehepaar  keiner  so  nahe  getreten  wie  ein  Schlesier,  der 
die  heimische  volksart  in  seinen  Schriften  wie  in  seinem  wesen  am 
lebendigsten  verkörpert  hat:  Karl  von  Holt  ei. 

Als  Weinhold  nach  Graz  kam,  war  der  alte  fahrende  poet  dort, 
am  wohnort  seiner  verheirateten  tochter,  schon  seit  ein  paar  jähren  sess- 
haft  geworden.  Die  gemeinsame  liebe  zur  schlesischen  heimat,  gemein- 
same schlesische  erinnerungen ,  das  gleiche  interesse  für  die  schlesische 
mundart  führte  ihn  mit  Weinholds  zusammen,  und  ein  enges  freund- 
schaftsband  knüpfte  sich,  das  bis  zum  tode  festhielt.  Der  verkehr  mit 
dem  humorvollen  dichter  regte  auch  Weinholds  humoristische  ader  an. 
Holteis  geburtsfag  gab  ihm  gelegenheit  zu  einem  dramatischen  scherz 
und  zu  einem  bänkelsängerlied,  das  als  ein  „Schön  new  lied  von  einem 
Juncker  aus  der  Schlesien  "  in  entsprechender  ausstattung  gedruckt  wurde. 
Zu  ernsterer  geselligkeit  vereinigten  gemeinsame  klassiker  -  leseabende 
die  freunde,  und  an  der  ausgäbe  von  Holteis  schlesischen  gedienten 
nahm  Weinhold  als  sachkundiger  berater  für  die  Schreibung  der  mund- 
art wie  als  Verfasser  des  seit  1857  angehängten  giossars  tätigen  anteil. 
Mit  wie  rührender  treue  seinerseits  der  weichherzige  dichter  an  Wein- 
holds  gehangen  hat,  wie  tief  es  ihn  erschütterte,  als  er  auf  einer  reise 
durch  Schlesien  plötzlich  die  Zeitungsnachricht  von  der  berufung  des 
freundes  nach  Kiel  las,  das  konnte  man  schon  längst  aus  Holteis  auf- 
zeichnungen  über  seine  schlesische  reise  vom  jähre  1860/61  entnehmen, 
die  er  als  anhang  zu  seinen  „40  jähren"  hat  erscheinen  lassen  (s.  88 fg.  u.ö.). 

ZEITSCHRIGT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  11 


154  VOGT 

Ein  ungleich  lebendigeres  bild  aber  von  diesem  Verhältnis  gewinnt  man 
aus  den  briefen  von  Holtei  an  AVeinhold,  die  ans  dessen  nachlass  jetzt 
an  die  Breslauer  stadtbibliothek  übergegangen  sind.  Es  ist  der  ganze 
Holtei,  der  uns  da  entgegentritt,  in  seinem  lebhaften  empfinden,  seinem 
unterhaltenden  geplauder,  seinen  ergötzlichen  Schilderungen,  seiner 
derben  1  Listigkeit  und  seiner  todessehnsüchtigen  Sentimentalität;  der 
stramme  deutsch -preussische  patriot  und  der  treue,  warmfühlende  freund. 
Die  briefe  beginnen  mit  jener  reise  Holteis  nach  Schlesien,  sie  ziehen 
sich  durch  Weinholds  Kieler  zeit,  und  auch  als  des  dichters  sehnen  und 
streben  erfüllt  ist,  den  freund  nach  Breslau  zurückberLifen  zu  sehen, 
tauscht  er,  vielfach  und  zuletzt  dauernd  ans  ziminer  gefesselt,  briefe 
mit  ihm.  Der  letzte  ist  am  26.  Oktober  1876  geschrieben,  ein  abschied 
fürs  leben  an  "Weinholds  geburtstag  und  eine  rührende  danksagung  „für 
alle  liebe,  lehre,  nachsieht  und  treue",  die  er  von  ihm  erfahren  hat. 
Noch  am  24.  Januar  1878  konnte  Weinhold  bei  der  feier  von  Holteis 
80.  geburtstag,  welche  die  Breslauer  bürgerschaft  beging,  während  der 
Jubilar  in  sein  stübchen  im  spital  der  barmherzigen  brüder  gebannt  war, 
die  festrede  auf  ihn  halten.  Erst  zwei  jähre  später  ist  Holtei  gestorben. 
In  Westermanns  monatsheften  widmete  ihm  der  freund  einen  nachruf. 

Als  Holtei  sich  im  anfang  november  1860  zur  abreise  von  Graz 
nach  Schlesien  anschickte,  veranstalteten  ihm  die  freunde  ein  abschieds- 
fest. Weinhold  sprach  ein  stimmungsvolles,  von  inniger  heimatliebe 
durchwehtes  gedieht  auf  ihn,  welches  Holtei  in  seinem  „Noch  ein  jähr 
in  Schlesien"  hat  drucken  lassen  (s.  4  fg.).  Es  klang  in  gedanken  an 
Holteis  rückkehr  im  nächsten  frühling  aus.  Aber  der  frühling  brachte 
Weinhold  die  berufung  nach  Kiel,  und  am  18.  September  1861,  ehe 
Holtei  heimkehrte,  hat  Weinhold  Graz  für  immer  verlassen. 

Ein  paar  tage  brachte  er  mit  Holtei  und  einigen  befreundeten 
Professoren  in  Breslau  zu1,  dann  siedelte  er  nach  Kiel  über.  Er  hat 
dort  fast  fünfzehn  jähre  gewirkt,  bis  zum  frühjahr  1876,  wo  sein  alter 
wünsch  in  erfüllung  gieng,  wieder  auf  den  lehrstuhl  der  heimatlichen 
Universität  berufen  zu  werden,  obwol  man  in  Breslau  nur  Zupitza  und 
Friedrich  Pfeiffer  vorgeschlagen  hatte.  Für  seine  wissenschaftliche  tätig- 
keit  kann  man  die  Kieler  jähre  mit  dieser  zweiten  Breslauer  zeit  zu 
einer  periode  zusammenfassen.  Neben  der  ausarbeitung  der  drei  grossen 
grammatischen  werke  widmet  sich  Weinhold  mehr  als  bisher  der  be- 
arbeitung  alt-  und  mittelhochdeutscher  denkmäler.  So  gibt  er  1872  in 
den  Wiener  Sitzungsberichten  bd.  71  einen  kritischen  text  der  „Bruch- 

1)  Boltei,  Noch  ein  jähr  iu  Schlesien,  s.  209  fgg. 


Karl  weinhold  155 

stücke  eines  fränkischen  gesprächbüchleins"  mit  grammatischer  Unter- 
suchung; 1874  folgt  die  ausgäbe  der  Isidor- Übersetzung  mit  abhandlung 
und  glossar,  1876  die  Wackernagels  Altdeutschen  predigten  und  gebeten 
beigegebene  Untersuchung  über  deren  spräche,  1877  die  kritische  aus- 
gäbe und  erläuterung  des  Pilatusfragmentes  (Zeitschr.  8,  253  fgg.),  1880 
die  ausgäbe  des  Lamprecht  von  Regensburg.  Zugleich  aber  wendet 
sich  in  dieser  periode  Weinholds  forschung  auch  der  neueren  litteratur- 
geschichte  zu. 

Schon  gegen  ende  seines  ersten  Kieler  Semesters  entwarf  er,  noch 
im  dienste  der  alten  heimatlichen  beziehungen,  die  lebenskizze  und 
Charakteristik  Martin  Opitzens.  Er  trug  sie  zunächst  in  der  Kieler 
Harmonie  vor,  dann  Hess  er  sie  mit  litterarhistorischen  anmerkungen  in 
druck  gehen.  Beides  sollte  einem  von  Holtei  mit  eifer  betriebenen  unter- 
nehmen, der  errichtung  eines  Opitzdenkmals  in  Bunzlau  zu  gute  kommen; 
so  ist  das  schriftchen  auch  dem  alten  freunde  zugeeignet.  Aber  auch 
für  die  Studien  zur  litteratur  des  18.  Jahrhunderts,  die  bald  eine  weit 
stärkere  anziehungskraft  auf  Weinhold  ausübten,  war  sein  Verhältnis  zu 
Holtei  nicht  ohne  bedeutung.  Holtei  war  ein  leidenschaftlicher  auto- 
graphensammler l.  Weinhold  hatte  in  Graz  seine  schätze  kennen  gelernt 
und  die  briefe,  die  der  freund  an  ihn  nach  Kiel  gerichtet  hat,  zeugen 
davon,  wie  Weinhold  sein  interesse  teilte,  wie  originalstücke  ausgetauscht, 
abschriften  von  brieten  zur  litteraturgeschichte  des  ausgehenden  18.  Jahr- 
hunderts zugesandt  wurden.  Die  Kieler  zeit  bot  Weinhold  reiche  ausbeute. 
Dort  lebten  Heinr.  Christ.  Boies  nachkommen,  die  ihm  dessen  brieflichen 
nachlass  zur  benutzung  anvertrauten.  Die  weitverzweigten  beziehungen 
des  begründers  des  Göttinger  musenalmanachs  und  des  Deutschen 
museums  machten  seinen  briefwechsel  zu  einer  reichhaltigen  litterar- 
historischen  quelle,  an  der  Weinhold  sich  nach  der  anstrengenden  arbeit 
der  alemannischen  und  bairischen  grammatik  gern  erfrischte.  In  seinem 
buche  „Heinrich  Christian  Boie.  Beitrag  zur  geschichte  der  deutschen 
litteratur  im  18.  Jahrhundert"  (Halle  1868)  hat  er  sie  nach  allen  Seiten 
ausgenutzt,  unmittelbar  aus  ihr  heraus  ein  ausführliches  lebensbild  Boies 
geschaffen  und  die  mannigfachen  fäden,  die  ihn  mit  den  litterarischen 
bewegungen  und  den  litterarhistorischen  persönlichkeiten  des  Zeitalters 
Klopstocks  und  des  sturmes  und  dranges  verbanden,  sorgfältig  bloss  gelegt. 

Im  weiteren  verfolg  dieser  quellenforschungen  Hess  er  1870  in 
der  Zeitschrift  des  Schleswig  -  Holsteinischen  geschichtsvereins  Gottlob 
Friedrich   Ernst  Schönborns    aufzeichnungen    über    erlebtes    mit    ein- 

1)  Vgl.  bes.  Holtei,  40  jähre  6,  383  fgg: 

11* 


156  voüt 

leitung  und  beigaben,  1872  in  Müllers  Zeitschrift  für  deutsche  kultur- 
geschichte  die  studie  über  Matthias  Sprickmann  drucken,  und  dieser 
lebensvollen  Charakteristik  eines  echten  Vertreters  der  Wertherzeit  folgte 
die  grosszügige  Zeichnung  der  ganzen  stürm-  und  drangbewegung  in 
der  akademischen  kaisergeburtstagsrede  von  1873.  Unter  den  original- 
genies,  deren  skizzen  er  hier  mit  wenigen  kräftigen  strichen  hinwarf, 
war  ihm  Maler  Müller  schon  vertrauter  geworden.  Sein  Verhältnis 
zu  Goethe  hatte  er  1872  in  den  Preussischen  Jahrbüchern  (30,  51  fg.) 
behandelt,  1874  spendete  er  in  Schnorrs  Archiv  für  litteraturgeschichte 
(3,  495  fg.)  aus  seiner  und  Holteis  autographensammlung  sowie  aus  den 
an  die  Berliner  bibliothek  übergegangenen  manuskripten  aus  Tiecks 
nachlass  wichtige  beitrage  zum  leben  und  dichten  des  Malers.  Yor 
allem  aber  fesselte  ihn  Reinhold  Lenzens  tragische  gestalt,  die  ihm 
aus  der  litterarischen  hinterlassenschaft  des  reichbegabten  unglücklichen 
mit  wachsender  deutlichkeit  entgegentrat.  Die  herausgäbe  und  litterar- 
historische  erörterung  von  Lenz'  dramatischem  nachlass  (Frankfurt  1884), 
deren  ergänzung  durch  die  „Sizilianische  vesper"  (Breslau  1887)  und 
die  „Gedichte  von  J*  M.  R.  Lenz"  (Berlin  1891)  waren  neben  kleineren 
Untersuchungen  und  ausgaben  die  fruchte  dieses  liebevollen  Studiums. 
Fand  sich  auch  schon  hier  gelegenheit  den  Charakter  und  lebensgang 
des  dichters  in  aller  knappheit  zu  zeichnen,  so  sollte  doch  erst  eine  aus- 
führliche darstellung  seines  lebens  und  wesens  diese  Lenzforschungen 
abschliessen.  Der  plan  ist  nicht  zur  ausführung  gekommen;  Erich  Schmidt 
hat  versprochen  ihn  unter  benutzung  von  Weinholds  Sammlungen  zu  ver- 
Avirklichen  (Berliner  Sitzungsber.  1901,  979  fg.).  Nehmen  wir  zu  diesen 
arbeiten  das  lebensbild  seines  freundes  Strachwitz,  mit  dem  Weinhold  1877 
dessen  gedichte  begleitete,  die  herstellung  des  Tasso-textes  für  die  Wei- 
marer Goethe- ausgäbe  (1889)  und  eine  reihe  kleinerer  Veröffentlichungen 
verwandter  art,  so  zeigt  sich  uns  in  dieser  periode  die  neuere  litteratur- 
geschichte mit  im  Vordergründe  von  Weinholds  wissenschaftlicher  tätigkeit. 
Natürlich  musste  unter  solchen  umständen  die  altertumsforschung 
und  die  Volkskunde  in  der  Kiel -Breslauer  zeit  etwas  zurücktreten;  dass 
sie  ihm  nicht  ganz  aus  dem  gesichtskreis  schwand,  bezeugen  in  den 
ersten  Kieler  jähren  die  kleinen  Universitätsschriften  über  Deutsche  jahr- 
teilung  (1862)  und  über  Die  deutschen  Med-  und  freistätten  (1864),  so- 
wie die  reichhaltige  abhandlung  über  Die  deutschen  monatsnamen  (1869), 
eine  Begrüssungsschrift  für  die  germanistische  abteilung  der  Kieler 
philologenversammlung,  in  welcher  er  den  gegenständ  des  sechsten 
kapitels  von  Grimms  geschichte  der  deutschen  spräche  unter  bereicherung 
des  materials  besonders  aus  neueren  quellen  und  in  verbesserter  grup- 


KARL    WETNHOLD  157 

pierung  behandelte.  Der  rezeption  fremder  kulturelemente  bei  den  Ger- 
manen galt  auch  die  „seinem  ehrwürdigen  vater"  zum  50.  amtsjubiläum 
gewidmete  schrift  über  Die  gotische  spräche  im  dienste  des  Christen- 
tums (Halle  1870),  in  der  er  die  gotische  wiedergäbe  christlicher  begriffe 
in  Wulfilas  bibel  systematisch  zusammenstellt  und  erörtert,  wrährend 
wunderliche  mischungen  antiker  und  germanischer  ethnologisch -geo- 
graphischer Vorstellungen  und  historischer  traditionen  in  der  Wiener 
akademieschrift  „Über  die  polargegenden  Europas  nach  den  Vorstellungen 
des  deutschen  Mittelalters"  (1870)  behandelt  werden.  Mit  der  provinzial- 
geschichte  und  den  vereinen,  die  sie  pflegten,  hat  Weinhold  auch  in 
Kiel  fühlung  genommen,  und  wie  für  seine  literarhistorischen  quellen- 
studien  so  auch  für  die  altertumskunde  material  und  anregung  dadurch 
gewonnen;  seine  abhandlung  über  die  personennamen  des  Kieler  stadt- 
buchs  von  126-4  — 1288  im  neunten  bände  der  Jahrbücher  für  die  landes- 
kunde  der  herzogtümer  Schleswig- Holstein  und  Lauenburg  ist  das  be- 
merkenswerteste ergebnis. 

Natürlich  knüpfte  vollends  in  Breslau  das  interesse  für  die  heimat- 
provinz  ein  enges  band  zwischen  ihm  und  dem  verein  für  schlesische 
geschichte  und  altertumskunde.  Er  hat  ihm  als  tätiges  und  hoch- 
geachtetes mitglied,  später  als  ehrenmitglied,  angehört.  Sein  aufsatz 
„Zur  entwicklungsgeschichte  der  Ortsnamen  im  deutschen  Schlesien", 
den  er  1887  im  21.  bände  der  Vereinszeitschrift  erscheinen  Hess,  ist  von 
gleicher  bedeutung  für  die  schlesische  landeskunde  wie  für  die  sprach- 
wissenschaftliche seite  der  ortsnamenforschung.  Solcher  fruchtbaren  Ver- 
einigung eines  soliden  historischen  und  sprachwissenschaftlichen  quellen- 
studiums  entsprang  in  demselben  jähre  auch  die  vortreffliche  schrift  über 
die  „Herkunft  und  Verbreitung  der  Deutschen  in  Schlesien".  Mit  um- 
fassender kenntnis  der  landesgeschichte  und  ihrer  quellen,  der  rechts- 
verhältnisse,  der  bevölkerungsstatistik,  der  mundarten  und  ihrer  histo- 
rischen entwickelung  eint  sich  hier  wieder  jene  besondere  gäbe  Weinholds 
zu  knapper  und  klarer  herausarbeitung  der  wichtigsten  Seiten  eines  weit- 
schichtigen und  verwickelten  Stoffes.  Den  alten  plan  einer  systema- 
tischen Sammlung  der  schlesischen  Volksüberlieferungen  hat  er  in  Breslau 
nicht  wieder  aufgenommen,  nachdem  er  schon  im  jähre  1862  von  Kiel 
aus  durch  zwei  kleine  aufsätze  in  den  neuerstandenen  Schlesischen 
provinzialblättern  die  landsleute  noch  einmal  ohne  erfolg  ermahnt  hatte 
sich  dieser  traditionen  anzunehmen1.  Doch  vereinigte  er  gelegentlich 
einen  kleinen  kreis  seiner  schlesischen  zuhörer  zu  einem  privatissimum 

1)  Scliles.  provinzialbl.  u.  f.  (Rübezahl)  1,  193  fg.   2,  521  fg. 


158  VOGT 

über  die  heimischen  mundarten,  dem  „pauemkolleg",  wie  es  unter  den 
Studenten  genannt  wurde,  und  die  Übungen  und  besprechungen  ergaben 
manchen  beitrag  zu  seinen  mundartlichen  Sammlungen,  besonders  zum 
schlesischen  Wörterbuch. 

Im  gegensatze  zur  Kiel -Breslauer  periode  trat  die  volks-  und 
altertumskunde  recht  eigentlich  in  den  mittelpunkt  von  Weinholds  ge- 
samter wissenschaftlicher  tätigkeit,  seit  er  ostern  1889  dem  ruf  auf 
Lachmauns  und  Müllenhoffs  lehrstuhl  nach  Berlin  gefolgt  war.  Noch 
an  seinem  lebensabend  hat  hier  der  unermüdliche  eine  führende  rolle 
übernommen  in  der  frisch  aufstrebenden  volkskundlichen  bewegung. 
Schon  im  frühjahr  1890  trat  er  dem  plan  nahe,  ein  centrum  für  die 
wissenschaftlichen  Studien  zur  Volkskunde  durch  begründung  eines  Ver- 
eins und  einer  Zeitschrift  zu  schaffen;  im  november  desselben  Jahres 
wurde  der  plan  verwirklicht  und  am  23.  Januar  1891  konnte  die  erste 
sitzung  des  Vereins  für  Volkskunde  stattfinden.  Lazarus  und  Steinthals 
Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  wurde  zur  „Zeitschrift  des  Vereins  für 
Volkskunde"  umgewandelt,  und  damit  vollzog  sich  auch  in  ihr  der 
Übergang  von  der  philosophischen  betrachtung  zur  empirischen  forschung. 
Mit  weitem  blick  stellte  Weinhold  im  Vorwort  begriff  und  umfang  der 
Wissenschaft  fest,  der  sein  verein  und  dessen  organ  dienen  sollte  und 
entwarf  das  arbeitsprogramm,  auf  das  er  deutsche  und  ausserdeutsche 
forscher  zu  vereinigen  suchte.  Wol  haben  sich  nicht  alle  hoffnungen 
erfüllt,  die  man  an  Weinholds  unternehmen  knüpfen  konnte.  Die  philo- 
logen  von  fach  haben  sich  mehr  als  billig  zurückgehalten,  und  aka- 
demische prüderie  steht  der  Volkskunde  immer  noch  vielfach  im  wege. 
Aber  eine  ansehnliche  reihe  wertvoller  Untersuchungen  und  stoff- 
lieferungen  hat  Weinhold  gleichwol  in  den  elf  bänden  seiner  Zeitschrift 
vereinigt  und  auch  der  lebhafte  aufschwung  landschaftlich  begrenzten 
sammelns  und  forschens  zur  deutschen  Volkskunde  seit  den  neunziger 
jahren  steht  nicht  ausser  Zusammenhang  mit  der  neubelebung  des 
interesses  für  diese  Wissenschaft  durch  den  geachteten  gelehrten  und 
seine  gründung.  Mit  welcher  aufopfernden  hingäbe  Weinhold  selbst 
seinem  verein  und  seiner  Zeitschrift  diente,  hat  dem  verstorbenen  sein 
nachfolger  in  der  Vereinsleitung,  Max  Roediger,  mit  warmen  Worten 
bezeugt. 

Neben  zahlreichen  litteraturberichten  ist  eine  stattliche  anzahl  von 
aufsätzen  und  mitteilungen  der  Zeitschrift  aus  Weinholds  feder  geflossen 
und  gleichzeitig  hat  er  als  mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften  an 
der  stelle  wo  einst  sein  meister  Jakob  Grimm  stand  die  ergebnisse  weit 
ausgreifender  forschungen  zur  deutschen  volks-  und  altertumskunde  vor- 


KARL    WEINHOLD  159 

getragen.  Grösstenteils  strebten  sie  einem  gemeinsamen  ziele  zu,  einer 
geschiente  des  heidnischen  kuites  der  Germanen.  Von  diesem  gesichts- 
punkte  behandelte  er  im  jähre  1890  den  „Mythus  vom  Wanenkriege" 
(Sitzungsber.  d.  akad.  XXIX),  kehrte  er  1891  in  den  „Beiträgen  zu  den 
deutschen  kriegsaltertümern"  (ebenda)  deren  religiöse  beziehungen,  1895 
in  der  abhandlung  über  Die  altdeutschen  Verwünschungsformeln  (ebenda 
XXXI)  den  glauben  an  die  zauberisch  wirkende  kraft  des  wortes  hervor. 
So  verfolgte  er  1896  die  symbolische  bedeutung  der  nacktheit  durch 
die  deutschen  volksbräuche  wie  durch  die  traditionell  der  verschiedensten 
Völker  und  zeiten  als  beitrag  „Zur  geschiente  des  heidnischen  ritus" 
(abhandlungen  der  akad.  1896)  und  erörterte  mit  nicht  minder  reichen 
nachweisen  aus  deutschen  Volksüberlieferungen  und  fremden  quellen 
„Die  mystische  neunzahl  bei  den  Deutschen"  (abhandl.  1897)  sowie  die 
„Verehrung  der  quellen  in  Deutschland1'  (ebenda  1898).  Auch  die  ab- 
handlung über  Den  wettlauf  im  deutschen  Volksleben  (Zeitschr.  d.  ver.  f. 
Volkskunde  1893)  spürte  beziehungen  zum  heidnischen  kultus  auf,  und 
sein  letzter  grösserer  beitrag  zur  Zeitschrift  seines  Vereins  (1901)  han- 
delte „Über  die  bedeutung  des  haselstrauchs  im  altgermanischen  kultus 
und  zauberwesen".  Ein  weit  verbreitetes  motiv  der  dichtung  und  der 
bildenden  kunst  verfolgte  er  vergleichend  in  der  akademischen  abhand- 
lung „Glücksrad  und  lebensrad"  (1892).  Das  gebiet  der  vergleichenden 
sagen-  und  märchenforschung  betrat  er  in  der  akademieschrift  „Über 
das  märchen  vom  eselmenschen"  (sitzungsber.  XXIX)  sowie  in  den  bei- 
tragen zu  seiner  Zeitschrift  „Über  Goethes  parialegende"  (1892)  und  über 
das  märchen  vom  wolf  mit  dem  wockenbriefe  (1893). 

Führten  ihn  diese  Untersuchungen  in  die  weiten  fernen  internatio- 
naler kulturbeziehungen,  so  kehrte  er  dazwischen  immer  wieder  gerne 
zu  den  Volksüberlieferungen  seiner  schlesischen  heimat  zurück.  Einzelne 
schlesische  sagen,  brauche  und  lieder  steuerte  er  zu  seiner  Zeitschrift 
bei,  der  schlesischen  mundart  galten  seine  letzten  arbeiten.  Er  liess 
sich  bereit  finden,  die  ausarbeitung  seines  grossen  Schlesischen  Wörter- 
buches in  angriff  zu  nehmen  und  einige  probeartikel  im  Jahrgang  1900 
der  Mitteilungen  der  schlesischen  gesellschaft  für  Volkskunde  zu  ver- 
öffentlichen, um  zu  zeigen,  wie  er  sich  die  ausführung  denke  und  „die- 
jenigen, welche  an  der  grossen  vaterländischen  aufgäbe  mitarbeiten 
wollen",  zu  nachtragen  und  berichtigungen  anzuregen.  Aus  dem  plan 
einer  umfassenderen  behandlung  der  syntax  der  schlesischen  mundart 
erwuchs  seine  letzte  akademieschrift  „Die  zeitpartikeln  des  schlesischen 
dialektes"  (Sitzungsber.  XXXIX  1900),  und  noch  am  11.  märz  1901 
setzte  er  die  feder  an  zu  einer  abhandlung  „Über  die  Wiederholung  in 


160  vom 

der  schlesischen  mundart",  die  unvollendet  wie  das  Wörterbuch  mit 
seinem  handschriftlichen  nachlass  an  die  Breslauer  stadtbibliothek  über- 
gegangen ist.  Er  zeigte,  wie  die  Wiederholung  als  einfaches  mittel  natür- 
licher rhetorik  durch  die  Jahrhunderte  fortlebe  und  darum  auch  in  der 
rede  des  unlitterarischen  volkes  bestehe.  Auch  an  ihrer  betrachtung 
werde  man  erkennen,  dass  die  erzählungs-  und  darstellungsart  des  in 
seinem  ererbten  dialekt  redenden  sogenannten  volkes  gleich  seinem  Wort- 
schatz gegenständ  wissenschaftlicher  philologischer  forsch ung  sei.  Be- 
stimmte arten  der  wortwiederholung,  die  für  die  schlesische  mundart 
charakteristisch  sind,  sollten  dann  auf  grund  reichlichen  materials  be- 
handelt werden.  —  Die  wissenschaftliche  erforschung  der  mundart  seines 
geliebten  heimatlandes  war  das  ziel  gewesen,  dem  die  ersten  selbständigen 
Studien  des  Breslauer  Studenten  zustrebten;  hier  mündete  auch  das  letzte 
schaffen  des  meisters  wieder  ein.  So  schloss  sich  allmählich  der  ring 
seines  lebens. 

Schon  seit  dem  beginn  des  Jahres  1901  hatte  Weinhold  gekränkelt 
und  die  Vorlesungen  einstellen  müssen.  Aber  an  ein  ausruhen  zu  denken 
war  dem  siebenundsiebzigjährigen  unmöglich.  Wie  seine  feder  nicht 
rastete,  so  hoffte  er  immer  wieder  auch  seine  lehrtätigkeit  von  neuem 
aufnehmen  zu  können.  Noch  am  30.  juli  schrieb  er  aus  bad  Nauheim 
nach  anfänglichem  misserfolg  der  kur  mit  guter  Zuversicht;  aber  ernster 
als  sonst  schloss  ein  „gott  befohlen"  den  brief.  Es  sind  die  letzten 
worte  die  ich  von  seiner  band  erhalten  habe.  Am  15.  august  ist  er 
gestorben. 

Es  war  ein  reiches  leben,  welches  da  seinen  abschluss  fand;  reich 
an  taten  wie  an  ehren.  Die  achtung  und  anerkennung  seiner  univer- 
sitätskollegen  ist  dem  ernsten,  klaren  und  festen  manne  stets  in  hohem 
masse  zu  teil  geworden.  In  Kiel,  in  Breslau,  in  Berlin  hat  er  das 
rektorat  bekleidet;  die  Kieler  kollegen  entsandten  ihn  auch  zu  dem 
grossen  nationalen  festtage  der  eröffnung  der  Strassburger  Universität  und 
sie  betrauten  ihn  mit  ihrer  Vertretung  im  herrenhause,  wo  er  die  erste 
periode  des  kulturkampfes  mit  durchlebte.  Weiteste  kreise  aber  nahmen 
lebhaften  anteil  an  den  ehrentagen,  die  sein  lebensabend  ihm  eintrug. 
Vor  allem  an  seinem  50jährigen  doctorjubiläum  beglückte  ihn,  wie  er 
selbst  es  aufgezeichnet  hat,  „eine  grosse,  rührende  und  erhebende  teil- 
nähme". Drei  festschriften  wurden  ihm  dargebracht,  in  denen  eine 
stattliche  anzahl  von  gelehrten  zu  beitragen  vor  allem  aus  Weinholds 
stu diengebieten  sich  vereinigte 1.    Die  Zeugnisse  einer  so  weit  verbeiteten 

1)  Beiträge  zur  Volkskunde,  dargebracht  im  namen  der  Schles.  gesellsch.  für 
volksk.  (Germ.  abh.  XII).    Breslau  1896.  —  Festgabe  an  Karl  "Weinhold,  dargebracht  von 


KARL    WEINHOLD  161 

Verehrung  sind  umso  bemerkenswerter,  als  Weinhold  weder  selbst  eigent- 
lich schule  gebildet  noch  einer  wissenschaftlichen  fraktion  angehört  hat. 
Er  ist  die  wege  seiner  forschung  einsam  gewandert,  den  blick  auf  die 
hohen  ziele  gerichtet,  die  durch  Jakob  Grimm  seiner  Wissenschaft  ge- 
steckt waren,  ohne  des  kampfes  der  parteien  rechts  und  links  zu  achten. 
Er  hatte  etwas  herbes  in  seinem  wesen,  was  nicht  wenige  unter  seinen 
zuhörern  abgeschreckt  hat.  Aber  wo  er  ernstes  wissenschaftliches  streben 
wahrnahm,  da  schloss  sich  sein  herz  auf  zu  persönlicher  mitteilung, 
ermunterung,  belehrung,  und  er  wahrte  den  schülern,  die  ihm  so  ein- 
mal näher  getreten  waren,  ein  treues  interesse  fürs  leben.  Neben  seinen 
Vorlesungen,  die  das  gesamtgebiet  der  deutschen  grammatik  und  litteratur- 
geschichte,  mythologie  und  altertumskunde  umfassten,  hat  er  durch  streng 
geleitete  Übungen,  besonders  seit  er  in  Kiel  und  Breslau  das  germa- 
nistische seminar  begründet  hatte,  für  eine  gründliche  Schulung  seiner 
zuhörer  gesorgt.  Von  der  Grazer  zeit  abgesehen  ist  seine  einwirkung  auf 
die  studierenden  in  Breslau  zweifellos  am  nachhaltigsten  gewesen.  Das 
gemeinsame  interesse  für  das  schlesische  Volkstum  bildete  hier  ein  be- 
sonderes bindeglied  zwischen  ihm  und  einer  anzahl  auserwählter  schüler; 
aber  auch  weitere  ziele  hat  er  ihnen  gesteckt,  und  tüchtige  arbeiten, 
die  seiner  anregung  entsprangen,  veranlassten  ihn  zur  begründung  der 
„Germanistischen  abhandlangen".  Banausentum  und  Oberflächlichkeit 
waren  ihm  unter  den  studierenden  und  im  wissenschaftlichen  leben  ebenso 
verhasst  wie  streberei  und  Cliquenwirtschaft.  Denn  ihm  war  die  Wissen- 
schaft die  hohe  heilige  göttin,  welche  die  volle  hingäbe  eines  reinen 
herzens  verlangt.  So  hat  er  ihr  selbst  gedient.  Es  klingt  aus  seinen 
Schriften  nicht  selten  ein  feierlicher,  ich  möchte  fast  sagen:  ein  priester- 
lich weihevoller  ton,  der  für  unsere  realistische  zeit  etwas  altmodisches 
hat;  aber  er  ist  doch  nur  der  wahre  ausdruck  einer  von  der  hohen 
idealen  aufgäbe  ihres  forschens  und  lehrens  erfüllten  sittlichen  persön- 
lichkeit. Er  bekennt  selbst  einmal,  dass  ihm  „das  bloss  gelehrte  heraus- 
arbeiten aus  dem  stoffe'1  nicht  der  einzige  zweck  sei.  Stets  umfasst  er 
auch  die  ethischen  und  die  gemütswerte  der  gegenstände  seiner  forschung 
mit  ganzer  seele.  Für  die  aufgäbe  des  Universitätslehrers  erachtete  er 
es,  nicht  nur  das  wissen  zu  überliefern,  sondern  auch  Charaktere  zu 
wecken;  und  er  hoffte,  dass  an  dem  starken  und  mannhaften  wesen  ger- 
manischen altertums  sich  eine  charakterlose  gegenwart  aufrichten  könne. 
Fand  er  einmal  gelegenheit,  vor  weiteren  kreisen  über  einen  gegenständ 
aus  seiner  Wissenschaft   zu    sprechen,    der  unser   sittliches   und    unser 

der  Gesellschaft  für  deutsche  philologie  in  Berlin.  Leipzig  189ö.  —  Festschrift  zur 
50  jährigen  doctorjubelfeier  Karl  Weinholds.     Strassburg  1896. 


1 62  GERING 

nationales  empfinden  berührt,  so  geschah  es  mit  jener  inneren  ergriffen- 
heit,  die  auch  die  herzen  der  hörer  zwingt.  Die  rede  über  Luther  und 
das  deutsche  hans,  die  er  bei  dem  400jährigen  Jubiläum  des  reformators 
in  Breslau  hielt,  hat  auch  auf  katholiken  einen  tiefen,  noch  heute 
lebendigen  eindruck  gemacht;  und  als  er  das  denkmal  einzuweihen  hatte, 
das  die  Tiroler  herrn  Walther  von  der  Vogelweide  in  Bozen  wie  eine 
nationale  schutzwehr  errichtet  hatten,  steigerten  sich  seine  kurzen  worte 
zu  hohem,  aus  voller  seele  quellendem  pathos.  Bei  alledem  aber  war 
ihm  stets  das  oberste  und  unverbrüchlichste  gesetz  aller  darstellung 
strengste  Wahrhaftigkeit.  Ihr  musste  sich  alles  empfinden,  auch  das 
gefühl  persönlicher  freundschaft  unweigerlich  beugen.  So  hat  er  sich 
bei  dem  lebensbilde  seines  Jugendfreundes  Strachwitz  auch  nicht  die 
leiseste  Schönfärberei  zu  schulden  kommen  lassen,  und  selbst  als  er  vor 
die  von  froher  festesstimmung  bewegte  Versammlung  trat,  die  seines 
treuen  Holtei  80.  geburtstag  feierte,  da  bemerkte  er  von  vornherein: 
„Ich  will  über  Holtei  sprechen  nicht  in  der  weise  eines  panegyrikers, 
der  nichts  grösseres  und  edleres  kennt  als  den  namen,  über  den  er  im 
augenblicke  handelt,  sondern  wie  es  einem  Vertreter  geschichtlicher 
Wissenschaft  gebührt,  also  wie  ich  es  für  wahr  halte.  Ob  ich  wirklich 
wahr  urteile,  steht  dahin;  ich  habe  es  nach  meinen  kräften  gewollt".  — 
So  habe  ich  auch  das  bild  Karl  Weinholds  und  seiner  lebensarbwt 
hier  zu  zeichnen  gesucht. 

BRESLAU.  FRIEDRICH  VOGT. 


DIE  RHYTHMIK  DES  LJODAHATTR. 

Vorbemerkungen. 
Da  es  an  einer  erschöpfenden  behandlung  der  im  IjöÖahätir  ver- 
wendeten verstypen  gebrach,  musste  ich  selber  zum  werke  schreiten, 
um  mir  für  die  mir  übertragene  bearbeitung  der  Hildebrandschen  Edda 
eine  sichere  unterläge  zu  schaffen.  Natürlich  konnte  es  sich  hierbei 
nur  darum  handeln,  das  von  Sievers  in  seinen  metrischen  Schriften 
gegebene  material  zu  vervollständigen  und  in  einzelheiten  zu  berich- 
tigen —  denn  dass  seine  resultate  in  allem  wesentlichen  unverrückbar 
sind,  gilt  mir  als  zweifellos,  da  sie  ihre  probe  auch  dadurch  bestanden 
haben,  dass  sie  in  zahllosen  fällen  Verderbnisse  der  Überlieferung  er- 
kennen Hessen  und  die  heilung  ermöglichten.  In  der  anordnung  des 
Stoffes  folge  ich  ebenfalls  Sievcrs,  meistens  auch  in  der  terminologie; 
doch  habe  ich   mir  in  der  bezeichnung  der  untertypen  —  zu  gunsten 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  163 

einer  consequenteren  beobachtung  des  einteilungsprincips  —  einzelne  ab- 
weich un  gen  gestattet. 

In  der  Verstellung  bin  ich  von  den  neuesten  herausgebern,  die 
meist  auf  Hildebrands  ergebnissen  fassen,  zuweilen  abgewichen:  denn 
diese  ergebnisse,  die  in  den  hauptpunkten  allerdings  richtig  sind,  finden 
im  einzelnen  ihr  correctiv  durch  die  von  H.  noch  nicht  gekannten  ge- 
setze  des  versbaus1. 

Zur  bezeichnung  der  alliteration  verwende  ich  in  der  langzeile 
die  griechischen  buchstaben  a  —  d:  a  nenne  ich  einen  halbvers,  der  nur 
auf  der  ersten  hebung  den  Stabreim  trägt,  ß  einen  halbvers  mit  doppel- 
alliteration  (zwei  gleiche  reimstäbe  auf  beiden  hebungen),  y  einen 
halbvers  mit  nebenalliteration  (zwei  verschiedene  reimstäbe  alliterieren 
mit  zwei  entsprechenden  reimstäben  der  anderen  halbzeile)  und  d  einen 
halbvers,  der  nur  auf  der  zweiten  hebung  alliteriert.  Bei  y  unterscheide 
ich  y1  (reimstellung  ab/ab)  und  y2  (reimstellung  ab/ba);  die  letztere  ist 
weitaus  seltener.  —  In  der  vollzeile  sind  verse  mit  alliteration  auf 
auf  der  1.  und  2.  hebung  mit  1.  2,  verse  mit  alliteration  auf  der  2. 
und  3.  hebung  mit  2.  3  und  verse  mit  alliteration  auf  allen  drei  hebungen 
mit  1.  2.  3  bezeichnet. 

Den  nachprüfenden  und  weiter  forschenden  glaube  ich  dadurch 
einen  dienst  zu  erweisen,  dass  ich  das  gesamte,  nicht  allzu  umfang- 
reiche material  übersichtlich  geordnet  vorlege.  Denn  es  wird  noch 
mancher  detailuntersuchungen  bedürfen,  ehe  alle  probleme,  die  das 
schwierige  versmass  stellt,  ihre  lösung  gefunden  haben. 

Die  eddischen  lieder  sind  mit  denselben  abkürzungen  bezeichnet, 
die  in  meinem  Wörterbuche  angewendet  sind;  die  übrigen  quellen,  die 
ich  citiere,  sind  die  folgenden: 

Eir:  EiriksmQl  (Wisen,  Carmina  norroena  s.  15), 
Gautr:  die  ljöSahättr- Strophen  der  Gautreks  saga  (hrg.  von  W.  Ranisch, 
Berlin  1900), 

Herv:  die  Getspeki  Heiöreks  konungs  in  der  Hervarar  saga  (hrg.  von 
S.  Bugge,  Norrone  oldskrifter  s.  235 fgg.), 

Hgsv:  Hugsvinnsmql  (hrg.   von  H.  Schcving,  Vifieyjar  Klaustri  1831), 

Hkm:  Häkonarm^l  (Wisen,  Carm.  norr.  s.  16), 

Hkv:  HaraldskvaeÖi  (Wisen,  Carm.  norr.  s.  11), 

1)  So  ist  z.  b.  Ls.  43 3  die  versteilung  der  früheren  ausgaben  widerherzustellen, 
da  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht,  dass  die  beiden  ersten  mit  m  an- 
lautenden Wörter  zu  der  ersten  halbzeile  gehören;  nach  Hildebrands  versteilung  würde 
molpalc  an  der  alliteration  gar  nicht  teilnehmen,  was  schwer  glaublich  ist. 


164 


Hl:  die  IjoÖahättr- Strophen  im  Hättalykill  Rqgnvalcls  jarls  (Sn.  Edda 

ed.  Svbj.  Egilsson.  s.  239), 
Ket:  die  IjoÖahättr- Strophen  in  derKetils  saga  hsengs  (FAS  II,  109 fgg), 
Rfn:  die  IjoÖahättr -Strophe  in  der  Rafns  saga  Sveinbjarnarsonar  (Bisk. 

sogar  I,  662), 
Sl:  SdlarljoÖ  (hrg.  von  S.  Bugge,  Norr.  fornkvaröi  s.  357 fgg. 


Erster  teil. 

Die  langzeile  (L). 

A.   Der  erste  halbvers  (La). 

Cap.  1.     Typus  A. 

§  1.    Bei  den  A- verseil  unterscheide  ich  die  folgenden  untertypen: 

1.  den  gewöhnlichen,  in  der  reget  viersilbigen  vers   ohne   neben- 
heb ungen   (AI); 

2.  denselben  vers  mit  nebenhebung  im  ersten  fusse  (A  2) ,  und 
z/ivar: 

a)  mit  der  ziveiten  hebung  auf  laiiger  silbe   (A2h2l), 

b)  mit  der  zweiten  hebung  auf  kurzer  silbe   (A2h2k), 

c)  mit  der  ersten  hebung  auf  kurzer  silbe  (A2hlk); 

3.  denselben  vers  mit  nebenhebung  im  ziveiten  fusse   (A3); 

4.  den  erweiterten  A-vers  mit  3  silben  im  ersten  fusse,  von  denen 
die  2.  oder  3.  eine  nebenhebung  trägt  (A*); 

5.  den  A-vers  mit  auftakt  (aA). 

Anm.     Der  unter  2c  verzeichnete  untertypus   ist  eine  seltene  spielart,   die 
jedoch  nicht  übersehen  werden  darf. 

I.  Der  gewöhnliche  viersilbige  A-vers  ohne  nebenhebungen 

(AI:  jlx\jlx). 

1.   Verse  ohne  silbenverschleifung. 

§  2.  (a)  afli  deila  Hgsv  61,  afl  ok  heilsu  Hgsv  773,  allan  dugnap 
Hgsv  301,  allra  räpa  Hgsv  161,  allt  es  betra  Hgv  1633,  angr  ok  J)rsetur 
Hgsv  1273,  armar  lystu  Skm  63,  är  skal  risa  Hgv  581  591,  astar  firna 
Hgv  921,  ats  ok  drykkju  Hgsv  771;  auk  nser  morni  Hgv  1001,  aura 
njota  Hgsv  1073;  aura  pina  Hgsv  521  583,  aul)i  betra  Hgv  103,  aub  ne 
heilsu  Sl  81,  eiga  viljak  [vilja  R]  Alv  73,  eigur  plnar  Hgsv  393,  eina 
döttur  Vm  471,  einskis  bipja  Hgsv  451,  cinskis  prseta  Hgsv  571,  einu 
dogri  Skm  131,  cinu  nafni  Grm  483,  einu  sinni  FM  624;  cyrum  hlybir 
Hgv  73;  illa  lata  Hgsv  1231,  illra  kvenna  Hgsv  ll3,  innan  garpa  Fj  43, 
ian  skal  ganga  Ls  31;  jarla  bägi  Hkm  163;  opt  at  haldi  Hgsv  693,  orpa 


DIE    RHYTHMIK    DKS    LJODHAHATTR  165 

peira  H$v  653,  orpum  skipta  Hqv  12 14,  Opni  blöta  Ket  341;  ulfa  dömi* 
Em  291,  ulfum  glikir  Sl  311,  Ullar  hylli  Grm  421,  unnins  vitis  Hgsv 
1461,  upp  at  hefja  Hgsv  931,  ürgar  brautir  Fj  23,  ütan  garpa  Fj  l3; 
orna  mselir  Hgv  291,  0pri  drykkju  Skm  363,  epri  syslu  Hgsv  1433;  ql 
vas  drukkit  Hgv  363,  qllu  golli  i<m  343,  qllum  lengri  Sl  471,  qln  ne 
penning  Ls  403,  qlvi  bergja  Ls  93,  qrr  at  kenna  Hgsv  821,  qprura  heita 
Hgsv  281; 

barn  at  aldri  Hl  2\  Barri  heitir  Skm  401  421,  baug  ek  pikkak 
Skm  22\  baztr  sä  pykkir  Hgsv  1123,  blipum  orpum  Hgsv  851,  blut  ne 
sönir  Hgsv  1141,  blöpgar  rünar  ££  613,  blöpug  hjortu  Sl  583,  blöp  peir 
vqkpu  Ä/  803,  brjöst  i  gognum  &Z  643,  bröpur  kvepja  Em  121,  bökr  ok 
rünar  i/r/s?;  II1; 

draumuni  slnura  üft/sv  801,  dreyrga  steina  Sl  581,  drykks  of  purfi 
Sl  31,  dyggva  fylgju  ifcw  203; 

fagrt  skal  msela  JTpy  911,  feigum  munni  Vm  553,  fjqll  oll  skjalfa 
.Ls  551,  fjojp  of  viprir  Hgv  736,  fjor  sitt  lata  Fm  223,  fjqrvi  ypru  ifo»  73, 
fröl)i  pessi  J7#sy  1033,  fyrpa  engi  5/  833,  futr  hefr  ätta  Herv  443,  fq 
mun  systir  Em  103; 

gättir  allar  17pfl  l1,  glapr  at  mqrgu  Sl  351,  golli  keypta  Ls  421, 
göpra  doma  Hgsv  921,  göps  of  öpis  i?£y  43,  göpu  dögri  Hkm  19l,  göpum 
mqnnuni  Hgsv  1013,  gumnar  margir  üZfiy  321,  gorpar  värar  Hkm  171; 

hadda  bleika**  Herv  518,  lieilla  aupit  Em  223,  heima  letja  Vm  21, 
lieimsku  mala***  jEYr  31,  heiptarorpa  ZJi/sfl  1451,  heipt  at  meiri  Fm  19\ 
heipnar  stjqrnur  Sl  603,  heigar  meyjar  Sl  731,  helgir  englar  $Z  71,  Heljar 
meyjar  Sl  383,  her  vit  skiljumk  Sl  821,  heyri  jqtnar  Skm  341,  hjalm  ok 
brynju  Hkm  173,  hjarpir  sola  Hgsv  1341,  hörn  hefr  ätta  Herv  553,  horrium 
fullum  Sl  563,  Hrafn  ok  Sleipnir  FM  103,  hreinir  kyndlar  57  693,  hrseva- 
kulpi  6fy  123,  hugr  es  betri  Fm  281,  hundar  fagna  Fj  443,  hundrap 
rasta  Vm  183,  hvilur  peira  Sl  723,  hselins  orpi  jBjjfs«;  293,  hqfpi  slnu 
Hm>  383,  hqfpi  skemra  Fm  341  38\  hqfpi  vepja  Vm  193,  hqvar  reipir  Sl  741; 

klsepi  peira  Sl  663,  kvsepi  petta  *SZ  811; 

land  es  heilakt  Grm  41,  laug  skal  gorva  Sd  341,  lipnar  heiptir 
Hgsv  671,  lips  skal  bipja  Hgsv  951,  Ijösir  aurar  Sl  343,  ljöpa  pessa  Hgv 
1623,  Lyr  hanu  heitir  Fj  321,  lyj>i  sinaf  Herv  613,  lqstu  sina  [slna  om. 
Schev.]  Hgsv  613; 

*)  In  R  als  2.  halbvers  überliefert ,  doch  ist  die  von  Orundtvig  vorgenommene 
Umstellung  zweifellos  richtig. 

**)  Die  versteilung  bei  Bugge  ist  natürlich  falsch. 
***)  Die  versteilung  bei  Wisen  ist  falsch. 
f)  Die  versteilung  bei  Bugge  ist  falsch. 


166  GERING 

manna  peira  Fm  233  Sl  73 :i,  manna  bengill  Grm  163,  mat  pü 
villat  Hgv  1 13%  menn  beim  styra  >S7  743.  ineyjar  orJ)um  ifyv  831,  meyjar 
Qstum  Alv  81,  mey  fm  teygjat  £d  32 3,  mildir  fröknir  Hgv  48 x,  mildr 
af  Jmrftum  Hgsv  1093,  niorgind(jggvar  Vm  453,  myrkt  es  üti  Skm  lO1^ 
mseki  liggja  Gtora  523,  molum  hlypir  Hgsv  1191,  inorgum  orfum 
Hgv  1033; 

HQtt  bü  risat  i/^ü  lll4; 

ranna  beira  Grm  243,  raubu  golli  Rm  91,  reipra  gumna  if^.sv  147  *, 
rokb  ok  elska  i7#si>  49 3; 

sarma  elsku  Hgsv  503,  sättir  letusk  Sl  213,  sättir  binar  Ji?>  71, 
seglum  hennar  Sl  773,  sinna  verka  5/ 491  i7#.s?;  1463,  sinni  optar  ift/s^ 
401,  sinu  läni  flgrsu  1293,  sinum  monnuni  Sl  57 3,  sibr  bü  hefnir  ÄZ223, 
sunr  es  betri  Hgv  72 x,   sveinn  enn  hviti  Ls  203,  svifmir  fuglar  Sl  533; 

skarpar  älar  Ls  62 3,  skyndi  jotnar  Alv  143; 

stuttir  sniglar  Gautr  31; 

tälardisir  Rm  243,  tqlum  miklum  ^4fe  353; 

yal  J)eir  kjösa  Fw  413,  Tapir  rainar  Hgv  49  *,  Teit-a  gqrla  Hgv  313, 
Ter[)i  betra  Hgsv  553,  Tigrar  rjöba  Hkv  213,  Tind  ek  kyrri  Hgv  1543, 
Titka  liki  Ls  243,  Topnum  sinum  Hgv  381; 

Jmrra  skiba  i7^v  60 *,  Jmrsa  liki  Alv  23,  pokk  mim  grata  i^Af  512; 

(ß)  afl  ok  eljan  Hgsv  1121,  allar  ögnir  Sl  68  *,  annars  ilsku  Hgsv 
263,  auk  nser  aptni  Hgv  97  *,  einum  ekka  i}'  183,  eldi  JQtnar  Alv  283, 
engi  öttask  Sl  303,  illra  orba*  Sfcm  21,  jarblikt  epli  Hgsv  1373,  joll  ok 
üfu  Ls  33,  opt  beir  eggja  Hgsv  147 3?  Öpinn  asa  6rrm  443,  Urbar  orbi 
J}'  47 3,  a*ti  JQtnar  Alv  323,  ©pi  jqtnar  Alv  203,  ollum  osutn   Grm  453; 

bekki  breiba  Alv  l1,  bjqrg  6r  beinum  Grm  403,  blindr  es  betri 
Hgv  713,  brandr  af  brandi  Hgv  57  *,  bü  es  betra  Hgv  361  371,  byrbi 
betri  Hgv  101  ll1; 

drukkna  deila  Sd  20 3,  dQpruni  dauba  .R/w  l3; 

fötr  vib  föti  Vm  33 *; 

gjalti  g'likir  J3j5#  1285,  GHabr  ok  Gyllir  örw  301,  grät  at  gamni 
Skm  303,  Grrimr  ok  Grimnir  Grm  474,  grottan  gola  Sl  263,  gubs  hann 
gabi  £Z43; 

haufaj)**  hqggva  Skm  233,  Heljar  hrafnar  Sl  67 3,  liitt  ek  hug{)a 
Hgv  98 3,  hlätr  vib  hlätri  Hgv  42 3,  hold  ok  hjarta  Hgv  95 3,  liorskir 
hrafnar  /<}'  45  \    hrakldu   hjarta   67  33,    hugr  mik   hvatti  Fm  61,    hugr 

*)  Die  langxeile  hat  vier  gleiche  rcimstäbe ;  s.  unten  §  114,  muri.  8. 
**)  Die  handsehrifl  hat  hofujr,   solltr  diese  lesart  die  richtige  sein,   so  würde 
der  vers  dem  typus  F  angehören. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTK  167 

peim  kverfi  Gg  93,  hvergis  liylli  Hgsv  1023,  hverr  pik  livatti  Fiu  51, 
hve  pü  heitir  HHv  141  161; 

kalda  kjapta  Fm  53 3; 

lengi  liggja  Fm  271,  leyndir  lestir  i?#s#  HO3,  liki  leyfa  Hjv  913, 
litlu  läni  Hgsv  59  *,  lypum  ly'sir  Herv  45 3,  lQstum  leyna  Hgsv  841; 

mar  ok  inseki  Ls  121,  inser  vip  ineyju  üZe/-*;  48 3,  liiörgum  manni* 
Ä'e*  19 l  Herv  52 3; 

rifja  retti  HHv  22 3,  rsesis  rekka  HHv  18 3; 

sinni  s^slu  i7</sy  1443,  sitr  ok  snöpir  Hyv333,  sjaldan  sitjaiJ/sy  91, 
sötar  syndir  Sl  68 3; 

skyldr  at  skemta  Hl  l1; 

Ter  pvi  VQldum  .#&/«  123,  Yists  ok  väpna  Sd  363; 

Jmelum  pinum  Hgsv  511; 

(y1)  einn  ek  yissa  (hversu  alla  Tega)  Sl  38  *; 

bqlvi  kverju**  (peir  "belt  hafa)  5/  801; 

för  pä  0|)inn  (at  freista  orpspeki)  Vm  51,  frip  at  kaapa  (at  pu 
per  Frey  kvepir)  Skm  193,   füll  skal  signa  (ok  vip  färi  sea)  Sd  75; 

heilir  afesir  (heilar  äsynjur)  Ls  ll1  Sd  31,  hvers  pu  leitar  (epa 
hvers  pu  ä  leitum  est)  Fj  21; 

rlk  pau  v()ru  (ßäpny  ok  Vebopi)  SZ  161; 

sumr  af  frsendum  (sumr  af  fe  omu)  H&v  693; 

Tegr  vas  undir  (ok  vegr  yfir)  Herv  32 3; 

(d)  pat  es  aunat  Rm  213,  sipr  pü  osum  Ls  123,  hvat  verpr  Opni 
Vm  52 3; 

alt  es  betra  Hyv  1233,  hvärt  pser  bjargä  Fj  393,  ek  mim  bregba 
Alv  41,  margar  brüpir***  HHv  173; 

pä  skal  freista  Vm  93,  peim  es  fyrpa  H<jv  543; 

peir  pat  gerva  Hgsv  683; 

pü  vast  häla  HHv  181,  opt  sä  hefnisk  Hgsv  63 3,  opt  peir  hefnask 
Hgsv  883; 

pä  pat  kyndisk  Htm  18  *; 

opt  mer  mQUUpr  Äfcm  483; 

pat  pä  reynisk  Hgsv  913,  sü  skal  ripa  Vm^l3,  her  'ru  rünar  /S/791; 

heyri  seggir  Ä/sv  l1,  nü  päu  sitja  <S7  163,  hitt  es  synna  i^/s?;  1383; 

*)  In  der  Hertarar  saga  liest  die  eine  hs.  anders. 

**)  Ixjlvi,  das  in  den  hss.  fehlt,  ist  von  Bugge  zweifellos  richtig  ergänzt 
worden.  Natürlich  muss  aber  Lxjlvi  kverju  gelesen  werden,  nicht,  wie  Bugge  schreibt, 
hverju  bqlvi. 

***)  Es  ist  aber  sicher  umzustellen :  forubir  margar  (bann  let  fra  bui  teknar). 


168  GERING 

opt  pik  tselir  Hgsv  28 3; 

enn  es  verra  Rm  81,  annars  viti*  Hgsv  92 3,  ein  pü  vserir  Ls  541; 
sü  mun  Jmfask  Hgsv  533. 

Anm.  Ohne  alliteration  überliefert  ist  der  halbvers  jaraa  dreyri  <$/  763.  Bugge 
vermutet,  dass  der  fehler  der  Überlieferung  in  dar  xweiten  vershälfte  %u  suchen  ist. 

§  3.  Öfter  sind  verse,  die  mehr  als  vier  silben  enthalten,  durch 
einführung  des  bragarmäl  oder  durch  Streichung  überflüssiger  Wörter 
auf  das  gewöhnliche  mass  zurückzuführen ,  wie  in  den  nachstehenden 
fällen,  ivo  die  Wahrscheinlichkeit  vorliegt,  dass  die  überschüssigen  silben 
durch  die  abschreibe?'  in  den  text  geraten  sind.  Die  handschriftliche 
lesart  ist  in  eckigen  klammern  beigefügt. 

(a)  ärla  [ärliga]  verpar  Hgv  33 \  Atli  heitik  [ek  heiti]  HHv  151, 
eggjar  cleyfik  [ek  deyfi]  Hgv  1483,  eitri  fnostak  [ek  fnösta]  Fm  181,  ulf 
sek  [se  ek]  liggja  Ls  411,  uugr  vask  [var  ek]  forJ)um  Hgv  47 \  üt  ne 
[pü  ne]  kvsemir  Ls  27 x,  oll  mimt  [muntu]  lemjask  HHv  213; 

l)ert  nü  mselik  [b.  ek  nü  mseli]  Hgv  90 \  Möpukt's  [bl.  er]  bjarta 
i7^y  373,  Byggvir  heitik  [ek  heiti]  Ls  451; 

far  [far  hü]  nü  seva  Gg  15 *,  fj^lh  per  [ek  per]  saghak  (?m  52 x, 
fl<$'s  [flo  er]  per  tunga  Ls  311,  fraknla  [freknliga]  lätip  HHv  12s; 

ganga's  [ganga  er]  betra  Sd  26 3,  grey  eitt  fannk  pä  [ek  pä  fann] 
Hgv  100 3,  Grinmir  hetumk  [Grinmi  mik  hetn]   Grm  49 :; 

heill  skalt  [skaltu]  Agnarr   Grm  31; 

mäl's  [mal  er]  at  pylja  Hgv  HO1,  mey  ne  [bann  ne]  griötir  Ls  37 2, 
miklu'st  [m.  pü  ert]  hnugginn  Grm  315; 

nokpir  [n.  peir]  urpn  Sl  93; 

reipr's  [r.  er]  per  betri  Hgsv  1083; 

säk  [sä  ek]  ok  pagpak  Hgv  HO3,  seg  [segpu]  mer  hverjum  .F)'  61, 
slita  vildak  [ek  vilda]  Sl  37 3; 

stundir  räpat  [ei  räpa]  Hgsv  793; 

[>angat  [p.  ek]  aetlumk  Sl  293; 

(ß)   emkak  [emkat  ek]  alfa  Skm  18 x; 

Iberjask's  [b.  er]  betra  Sd  313; 

gest  ne  [pü  ne]  geyja  Hgv  1344; 

handar  [h.  ennar]  högri  Ls  383,  hendi  [h.  enni]  högri  Ls  613,  hritt 
[hrittu]  ä  hurpir  Fj  431,  kverr's  [hv.  er  sä]  enn  hvelli  Herr  341,  hverr's 
|hv.  er  sä]  enn  liQvi  Ket  29 *; 

räp's  [r.  er]  per  räpit  .Fra  211; 

snaupr  munk  [mun  ek]  snöpa  Gautr33,  svä'ru  [eru]  seggir  Hgsv  1283; 

*)  Es  ist  aber  wol  unizustellen:  Titi  anuars  (läti  ser  at  varnapi). 


DIE    RHYTHMIK    DES    L.TODHAHATTR  169 

Tel  skalt  [skaltu]  yinna  Hgsv  1441; 

ßat's  [p.  er]  et  J>ripja  Em  221; 

(71)  kvapk  [kvap  ek]  fyr  osum  (kvapk  fyr  äsa  sunum)  Ls  641; 

reipr's  [r.  er]  per  Opinn  (reipr's  per  äsa  bragr)  £&ra  331; 

(/2)  seg  [segpu]  [tat  hirpir  (es  ä  haugi  sitr)  Skm  ll1; 

(d)  fysat  [fysattu]  annan  Hgsv  15 3,  seg  [segpu]  pat  annat  Fm  221, 
pat  kaunk  [kann  ek]  annat  Hgv  1471,  seg  [segpu]  pat  Eldir  Ls  l1,  veizt 
[veiztu]  pat  Eldir  Ls  51,  mant  [mantu]  pat  Opinn  Ls  91,  im  [nü  ek]  vip 
Öpin  Vm  55 3; 

munkak  [munka  ek]  floja  *Stö  211,  |>ä  namk  [nam  ek]  frsvask 
Hgv  1411; 

munkak  [munka  ek]  ganga  HHv  23 \  par  skalt  [skaltu]  ganga  Skm 
263,  nü's  [nü  er]  peim  goldit  Sl  183,  pat  skalt  [skaltu]  gorva  Lfr/s??  109 1; 

vaskak  [vaska  ek]  lieima  Alv  43,  pvi  'mk  [fvi  emk]  her  hröpugr 
Ls  453; 

nü  skalt  [skaltu]  kjosa  Sei  20 l; 

betra's  [b.  er]  lifpum  Hgv  701; 

pat  pä  reyndak  [pat  ek  pä  reynda]  L^  95 \  pä  pat  reyndak  [pä 
ek  pat  reynda]  L7^  10 13; 

svä  hefk  [lief  ek]  studdan  Fj  123; 

ris  [rlstu]  pä  Vlparr  Ls  IQ1; 

ves  [ves  pü]  sein  pistill  Skm  314. 

Ein  fehler  der  Überlieferung ,  ohne  class  die  gewöhnliche  silben- 
utkl  überschritten  wäre,  liegt  auch  vor:  pik  bipk  [bipr,  bipur]  skilja 
Sl  753. 

An/m.  Ohne  alliteration  sind  folgende  drei  kalbverse  überliefert:  upp  skalt 
[skaltu]  risa  Ket  311  (vgl.  §  114  (nun.  7).  ris  [rlstu]  nü  Skirnir  Skm  l1  (vgl.  §  74  anm.  1), 
reyndr  est  föstri  Ket  33 x  (vgl.  §  116). 

2.  Verse  mit  silbenverschleifung. 
§  4.  Zwei  auf  einander  folgende  silben  können  mit  einander 
verschleift  werden,  wenn  die  erste  kurzen  rocal  hat  und  zwischen  beiden 
nur  ein  einfacher  consonant  steht.  Ebenso  können  zwei  unmittelbar 
auf  einander  folgende  vocale  verschleift  werden,  und  zwar  innerhalb 
eines  Wortes  ohne  ausnähme;  dagegen  wird  vocalischer  auslaut  mit 
vocalischem  anlaut  nur  dann  verschleift ,  wenn  der  letztere  in  der 
Senkung  steht  (Sievers,  Altgerm,  metrik  §  39,  2).  Elision  des  an- 
lautenden vocals  (bragarmäl)  statt  der  verschleifung  hat  ivol  nur  bei 
den  echten  encliticis:  ek,  es  fconj.)  es  (verbum) ,  erum,  erup,  eru,  -at 
stattgefunden. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.        BD.   XXXIV.  ]  2 


170  GERING 

Im  typus  A  sind  die  Verschiffungen  fast  gan\  auf  den  ersten 
fnss  beschränkt,  tro  sowol  aufWsung  der  hebung  (v^x  x)  als  auflösung 
der  Senkung  {+^x)  stattfinden  kann.  Im  zweiten  fasse  findet  sieh 
nur  ein  paarmal  auflösung  der  hebung  (s.  unten  anm.  3);  die  schluss- 
senkung  kann  nach  einer  bereits  von  Sievers  (Altgerm,  metrik  §  43,  7) 
auf  gestellten  regcl  niemals  davon  betroffen   werden. 

a)  Auflösung  der  ersten   hebung: 

(a)  ofarla  bita  Hgv  1171;  Braga  ek  kyrri  Ls  181,  buinn  vi]) 
nieinum  Hgsv  741;  fopur  ek  äkka  Fm  23,  fojmr  ok  möpur  Hgsv  33 
1021  108\  fqpur  ne  möpur  Herr  593;  glQpiun  es  betra  Fm  293;  liratat 
of  rasegi  Air  l3,  hvQtum  es  betra  Fm  291;  Loka  ek  kvepka*  Ls  181; 
matar  ok  väpa  Hgv  33,  mikilsti  snimraa  Hgv  661;  niu  kvamk  heima 
Vm  434;  sakar  ok  heiptir  Sei  361;  skua  ok  bröka  Hgv  6l3;  {>egi  pii 
Byggvir  Ls  46  x; 

(ß)  Uni  ok  Iri  Fj  341,  yfir  ok  undir  H(>v  1043;  fei  ok  f jqivi 
Fm  30 3  Sl  l1;  himinn  ör  hausi  Fm  213,  hofum  ok  horgum  Vm  384, 
hugi  ek  hverfi  Hgv  1613,  hverir  'u  liojpar  i^ift?  121;  leti  ok  losta** 
Hgsv  173;  sakir  at  sokja  Hgsv  67 3,  Svipurr  ok  Sviprir  Grm  50  *;  tiu 
hefr  timgur  Herr  42 3; 

(y1)  pegi  pü  Ipunn  (pik  kvepk  allra  kvenna)  Lsl.71,  pegi  pü  ÖI)inn 
({)ü  kunnir  aldri)  Ls  22 \  J>egi  pü  Beyla  ([ni'st  Byggvis  kveen)  Xs  56 x, 
pegi  pü  Freyja  (pik  kannk  fullgqrva;  pü'st  fordsepa)  Ls  301  32 i,  f>egi 
pü  Gefjon  (J>ess  munk  nü  geta)  L.s  201; 

(ö)  munat  bann  falla  Hgv  1583,  vaki  pü  Helgi  //i7r  241. 

Anm.  1.  Streichung  einer  überflüssigen  silbe  muss  ein  paarmal  vorgenommen 
werden:  (gjafir  skalt  [skaltu]  launa  Hgsv  491,  hafa  bat  vildak  [ek  bat  vilda]  Here  Sl1, 
sota  ne  [ek  ne]  mäkat***  FM216;  (S)  hverir'u  J>egnar  [beir  b.j  Herv  Ol1. 

b)  Auflösung  der  ersten  Senkung: 

(a)  ctki  peir  hugpu  £Z  91,  Ofnir  ok  Svafnir  GVm  34 5  545,  Öpni 
at  segja  Hkm  133,  üfar'u  disir  Grm  533,  uppi  ok  nipri  £7  523,  osu  at 
bipja  LsQ3-  Döri  ok  Öri  i^  343,  dylja  peir  vildu  67  233;  fregna  ok 
segja  iJ^  631;  gözku  ok  mildi  ify.sy  1043;  kemba  ok  perra  Sd  343, 
kostir'u   betri  Skm  131;      visi  pat  heyrpi  //£>«  ll1,   vsengi  peir  sköku 

*)  Sijmons  streicht  ek,  setxt  kvebak  in  den  zweiten  halbvers  und  nimmt  vor 
Loka  eine  Hielte  an.  Dass  nichts  ausgefallen  ist,  wird  m.  c.  durch  103  und  163  be- 
iciesen.  wo  ebenfalls  (gegen  Hildebrand)  vor  lastastofum  die  cäsur  anzusehen  ist. 

)  losta  kann  nicht  richtig  sein,  da  man  ein  synonym  %u  leti  erwartet.    Ich 
vermute   leti  ok  lQsku:    das  fem.  loska  ist  einmal   im   cod.   Ups.  der  Snorra   Edda 
(Sn.  K.  ff,  346)  belegt.     Vgl.  Svbj.  Egilsson  und  QuSbr.  Vigfüsson  s.  v.  löskr. 
;**)  So  Bugge;  mätta,  mättak,  'maki'  codd. 


DIE    RHYTHMIK   DES    LJODHAHATTR  171 

Sl  543;  dazu  der  von  Sijmons  durch  conjectur  zweifellos  richtig  her- 
gestellte vers:  yerpir'u  qflgir  [varpir  ellifu]  Fj  203; 

iß)  äsa  ok  alfa  Hgv  1593  Slan  73  Ls  23  133  303,  aura  pü  afla 
Hgsv  391,  oddi  ok  cggju  -ffc/si'  101,  orp  mer  af  orpi  Hgv  1413,  Öski 
ok  Omi  Grm  49 r',  ütan  ok  innan  ££  52 x;  hatri  pü  hafna  Hgsv  81, 
heimska  ör  horskum  Hgv  933,  Helgi  hann  heitir  HHv  131;  Möpi  ok 
Magni  Vm  513;    svartar  ok  sämar  Herv633;    vopnnm  ok  vqpum  Hgv^l1-, 

(y1)  hröpi  ok  rögi  (ef  eyss  ä  holl  regin)  Ls  43;  töpi  ok  öpi 
(tjqsull  ok  öpoli)  Skm  291;     pser'u  mep  ösum  (Jser'u  mep  qlfiim)  5c?  184; 

(d)  hversu  er  fagnip  Hlw  20 2;  hirpat  at  senna  Hgsv  25  *;  nEer 
pu  at  pingi  <S/c?ra  393;  hierher  vielleicht  auch:  dugnap  pann  veit  pü* 
i^sv  26 x. 

J.///H.  2.  Überschüssige  silben  sind  vermutlich  in  folgenden  versen  zu  be- 
seitigen: hyggila  [hyggiliga]  letu  Hkm  ll3,  seg  [segpu]  f»at  et  pripja  (ätta)  Vm  241 
341;  (ß)  hverr's  [hv.  er]  sa  enn  hvelli  Herr  341,  seg  [segpu]  pat  et  setta  (sjaunda) 
Vm  30 l  32 »,  tryggla  [tryggligaj  hann  trupi  5/  20 3;  (cf)  heitir  [h.  pü]  hana  eina 
Ls  53 :!,  hverr's  [hv.  er]  sa  enn  eini  Hervö9\  seg  [segpu]  pat  et  eina  (fjörpa,  finita, 
tolfta)  Vm  20  *  26 l  28 »  42 l,  hverjar'u  brubir  [pfer  br.]  Herv  53 l,  hverjar'u  drosir 
[pser  dr.]  Herv  49 ',  seg  [segpu]  pat  et  hinzta  Herv  66 \  hverjar'u  leikur  [pfer  1.] 
fien>  50 ',  hvat's  [hv.er]  pat  et  litla  Ls  441,  hverjar'u  meyjar  [pser  m.]  Vm  48 l  Herv  52 x, 
hverr's  [hv.  er]  sa  enn  mikli  Herv  35 '  36 x,  hverjar'u  uornir  [pfer  n.]  Fm  12 s,  hverjar'u 
rygjar  [pfer  r.]  Herv  48 ',  hverjar'u  snötir  [pfer  sn.]  i7e>7>  51\  betra's  [b.  er]  at  I>egja 
Hgsv  21 1.  —  Ergänzung  einer  silbe  scheint  notwendig  in  dem  verse:  (S)  pfer  enar 
JQrpu  [pser  om.  eodd.J  Herv  49 3. 

Anm,  3.  Mehrfache  verschleifung  innerhalb  des  einen  halbverses  ist  selten. 
Auflösung  der  ersten  hebung  und  der  ersten  Senkung  (v^_X  ^J<)  findet  sich 
nur  einmal:  {$)  hinir'u  ok  aprir  Hkv  241 ;  auflösung  der  ersten  Senkung  und  der 
zweiten  hebung  ist  ztveimal  belegt  (in  beiden  fällen  muss  wegen  Überfüllung  der 
Senkung  Streichung  eines  entbehrlichen  Wortes  vorgenommen  werden) :  («)  seg  [segpu] 
pat  et  niunda  Vm  36 x;     (<f)  seg  [segpu]  pat  et  tiunda  Vm  38 '. 

3.   Verse  mit   zweisilbiger  nicht  verschleifbarer  binnensenkung. 

§  5.  Eine  Senkung  von  xtvei  nicht  verschleifbaren  silben  ist  als 
gestattet  anz  usehen,  wenn  dieselben  aus  leichten  flexions-  oder  ableitungs- 
endungen,  hilfsxeitivörtern,  pronomina,  praepositionen  oder  conjunc- 
tionen  bestehen.     Die  fälle  sind  jedoch  nicht  besonders  zahlreich: 

(«)  aptarla  hjarta  HHv  203;  ongum  sa  hugnar  Hgsv  783;  daprar 
peim  urpu  81  131;  grip  hann  beim  seldi  Sl  211,  gozku  skal  safna  Hgsv 
1401,  (xondul  pat  mselti  Hkm  101;     kvärskis  peir  gopu  Sl  121;    kostum 

*)  Ein  sehr  schlechter  vers,  da  das  nomen  an  der  allit.  nicht  teilnimmt.  — 
Die  verschleifung  auf  der  Senkung  ist  hier  des/regen  möglieh,  weil  von  den  beiden 
zu  ver schleifenden  silben  die  erste  mit  p  aus-  und  die  zweite  mit  p  anlaufet: 
sicherlich  ist  bei  der  recitation  nur  ein  [t  gehört  worden. 

1  '2': 


172  GERING 

ja'i  safna  Hgsv  12 3;  lik  hans  beir  drögu  81  23 *;  margan  J)at  sokir 
Sl  83,  meingar  Jak  urbu  £Z  10 :i;  nakj)ir  peir  urpu  £7  93;  rekkar  bat 
böttusk  fljJw  493,  rsesir  bat  ms§lti  Ilkm  151;  sattir  beir  vqiii  /SV  1 11, 
sverbum  beir  meiddu  67  22 3;  (ß)  Obinn  mep  osum  Hqv  1433,  üt  af 
hans  aldni  .F)'  163;  flokkum  J)eir  föru  >S7  633;  Tel  mä  bat  verpa 
//<7.sr  223,  Vlparr  ok  Väli  Vm  513;  (d)  fyrr  an  beir  oddusk  Sl  ll3; 
trü  til  bess  halt  pu*  üfr/sv  843,  en  ör  hans  heila  Grm  413. 

.äwm.  2.  Beseitigung  überschüssiger  silben  wird  in  folgenden  versen  vor- 
■.  it  in  Innen  sein:  öJh'u  skalt  [skaltu]  msela  JKetf  5 ;i;  fogru  skalt  [skaltu]  heita  Hqv  129 6; 
ruuar  munt  [muntu]  finna  Hqv  142  *;  seg  [s.  pu]  mer  pat  Skirnir  <S7m  42  *,  sifjum's 
[s.  er]  pä  Mandat  Hqv  1231;  (/?)  snjallr  est  [ertu]  i  sessi  Ls  151;  (y1)  Opino  nü 
heitik  [ek  nu  heiti]  (Tggr  apau  hetk)  Gnu  54';  (d1)  pö  hafpak  [hafpa  ek  pat]  retlat 
Skm  38 3;  seg  [seg  pu]  mer  pat  Fäfnir  Fm  12 x  141,  hins  vilk  [vil  ek]  pik  fregna 
Eirlz\  eigi  skalt  [skaltu]  hlseja**  Hgsv  881  1171;  eigi  skalt  [skaltu]  I>egja** 
Jlgse  di1.  —  O/^/e  allitcration  überliefert  ist  der  vers :  upp  munk  [mun  ek]  nü  risa 
Ket  32  J;    *v/Z.  §114,  anm.  7. 

An  in.  2.  Eine  binnensenkung  ran  drei  silben,  von  denen  jedoch  xicei  ver- 
sehleifbar  sind,  findet  sieh  in  folgenden  versen:  (ß)  niorgum  hafa  manni  Herv  52 s; 
J»jarka  epa  prseta  Hgsv  50 x;     (<f)  vreipir'u  per  :6sir  Z>s  31 ;i. 

Anw.  3.  Zweisilbige  binnensenkung  und  verschleifung  der  zweiten  hebung 
ist  durch  ein  beispiel  belegt:  («)  Grlitnir's  [Gl.  er]  enn  tiuudi  Grm  33 l. 

IL  Der  gewöhnliche  A-vers  mit  nebenhebungen. 
1.  Die  nebenhebung  steht  im  ersten  fusse  (A2). 
§  6.  (A2h2l)  («)  andlit  beira  >S7  593,  aupugr  verpa  Ls  53,  aupugr 
föttumk  Hqv  473,  ofröbr  bykkisk  i7#sv  53,  orpstir  haera  Hgsv  703,  oreign 
blna  i7#sy  361,  erprifräpa  üft/sy  1223;  blipmseltr  skaltu  //c/.si'  71;  (lag- 
räbs  leita  .fft/sy  791,  Dellingr  heitir  Vm  25 *;  fläräps  orpum  Hgsv  411, 
flärob  tunga  H$v  117 3,  fröpr  sä  pykkisk  üpi;  28 x;  hrapmselt  tunga 
Hqv  293;  liijqk  fast  kysrir  Herv  343;  sorg  etr  hjarta  Hqv  120G; 
skapker  fylla  Grm  253;  Valgrind  heitir  6V/«  221,  yebr  rsepr  akri 
H$v  873,  Vindsvalr  heitir  T7?«  27 x;  pakklatr  skaltu  ii^.si'  31;  (ß)  alheim 
jQtnar  Jfc  243,  eyglö  jqtnar  Alv  163,  fgrön  jqtnar  Alv  103,  ofhlf  jotnar 
Alv  223,  oljos  JQtnar  Alv  303,  uppheim  jotnar  vl^>  12 3,  rirvcjn  JQtnar 
Alv  183;  BilrQst  brotnar  i^m  153,  blindr  reip  blindum  Herv  543;  haltr 
rlpr  hrossi***  7/^y  711,  Hrsssvelgr  heitir  Fw  37  \  hugfullt  hjarta  Ket  303, 

*)  7'.V//  .vr///-  schlichter  vers,  da  das  einzige  nouieu  nickt  an  der  allitcration 
teilnimmt. 

i  Vis  läge  nahe  diese  beiden  verse  durch  die  änderung:  skaltat  hkvja  (pegja) 
xu  einfachen  A  %u  machen^  aber  ich  scheue  mich  diese  correctur  vorzunehmen, 
da  der   dichter   vielleicht   durch  das    vorausgestellte  eigi    das   verbot  eindringlicher 

iimchcu    in, Ute. 

')    hie  lang-.cili    hat   vier  gleiche  rciu/s/iihe;   s.  unten  §  102,   anm.  8. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJÜDHAHATTR  173 

Hobruk  hauka  Grm  445;  likams  lestir  Hgsv  111";  yegnest  Terra  Hgv 
ll3;      (ö)  baugeip  Opinn  Hgv  1091;    opt  fser  hlögis  Hgv  203. 

4«m.  i.  Überschüssige  silben  werden  mehrfach  durch  ei» fährung  des  brag- 
armal  xn  beseitigen  sein:  («)  Alviss  heitik  [ek  heitij  Alv  31;  Fjqlsvipr  heitik  [ek 
heiti]  Fj-i1-,  Gagnräpr  heitik  [ek  heiti]  Vm&x\  mapr's  [m.  er]  her  liti  Sinn ■  151;  Sig- 
vor|>r  heitik  [ek  heiti]  Fm  43,  Svipdagr  heitik  [ek  heiti]  F/471;  Vingporr  heitik  [ek 
heiti]  Alvö1;  (ß)  Hrimgerbr  heitik  [ek  heiti]  HHv  17  1;  (;-1)  Viüdkaldr  heitik  [ek 
heitij  (Yarkaldr  het  minn  fabir)  Fj  63.  —  Eine  stärkere  änderung  ist  in  dem  fehler- 
haften verse:  («)  pess  vold  kenn  bü  ei  ä/s^  38 :!  nötig ,  ico  vermutlieh  zu  lesen  ist: 
hess  vqld  kennat. 

J.»w.  2.  Einmal  ist  auflösung  der  hcbung  bexcugt:  (y1)  g'Qfukt  dyr  heitik 
[ek  heiti]  (en  ek  gengit  lief k)  Fm  2 l. 

§  7.  (Ä2h2k)  (a)  afhvarf  mikit  Hgv  34\  änaup  pola  Sfcm  241; 
hjortr  bitr  ofan  Grm  35 3,  hundviss  jotuim  HHv  25 3;  margsnotr  gimii 
ifysr  96 3;  Tel  keypts  litar  Hgv  106 ';  (ß)  Bürgst  brua  Grm  444; 
GrunnlQp  gofumk  i?pz?  105 :;  kaldrqp  kona  Hgsv  993;  mälskap  mikit 
Hgsv  25 3;     Suttimg  svikinn  Hgv  109 3. 

jlw»i.  Z>er  untertypus  A2hlk  (s.  §  1)  ist  durch,  \u-ci  beispiele  vu  belegen: 
(«)  Faraldr  heitik  [ek  heiti]  Rfn  l1,  gefendr  heilir  Höv  2l.  Über  die  beton «ng 
vgl.  §  11. 

2.    Die  nebenhebung  steht  im  zweiten  fusse  (A3). 

§  8.  Ich  stelle  die  nachfolgenden  verse  hierher,  obicol  auch  eine 
andere  auffassung  möglich  ist:  man  könnte  sie  nämlich  auch  als 
schwellverse  (katalektische  AC)  ansehen,  vgl.  Sievers,  Altgerm,  metrik 
§  57.  anm.  2. 

(a)  Opinn  pvi  veldr  Sd4?;  geiri  undapr  Hgv  1383;  hvitir  fljrigendr 
Herr  40 3;  Vakr  ok  Skilfiugr  Grm  543;  iß)  undr  ok  argskap  Herr  67 *; 
mal  ok  manvit  Sd  33,  mäls  ok  manvits  Gg  143,  mJQpr  rie  mungät 
Herr  333;  (ö)  mjok  es  aupkent  Grm  91  101,  mapr  es  aupugr  Hgv  743; 
vas  sii  ein  vsetr  HHv  27 3;  morg  es  göp  mser  Hgv  1011;  heyrpu 
Menglop  Fj  441;     ljöp  ek  J>au  kann*  Hgv  146 \ 

Anm.  1.  Auflösungen  kommen  in  dem  ersten  fasse  mehrfach  cur:  a)  auf 
der  hcbung:  (a)  J>egi  bü  Heimdallr  Ls  48 \  hegi  bü  rcjg  vietr  Ls  57  *  59 '  61 l  63 l; 
(,i)  esa  mer  ervsenfc  HHr  23 ';  (tf)  esa  mer  g'olls  vant  Sinn  22 3  ^/.  jedoch  §  79, 
anm.  G). 

b)  auf  der  Senkung:  («)  heill  bu  nü  Eirikr  Eir  71;  (ß)  alt  eru  öskqp 
Höv  97 3,  eigi  es  aubgsett  Hgsv  83 3;  minni  ok  manvit  fljjrs»  73;  (tf)  hvi  bu  bä 
Gragnrabr  F/h  91,  heill  bu  nü  Sigvqrbr  Fm  23 l. 

Anm.  2.  Überschüssige  silben  sind  vermutlich  in  folgenden  versen  xu  be- 
seitigen: («)  olr  est  [ertu]  Geirropr  Grm  511;    skQptum's  [sk.  er]  raun  rept  Grm  93; 

*)  In  diese,//  verse  ist  vielleicht  nebenalliteration  beabsichtigt:  (y2)  ljop 
ek  hau  kann  |  es  kannat  hjopans  kona. 


174  GERING 

(ß)  undr's  [u.  er]  at  öss  ragr  Ls  33 3;  heyr  [heyrnu]  nü  Hrimgerbr  HHv  27';  sit  [sit 
bü]  m'i  SigvQrbr  Fm  311;  veiztu  ef  [ef  bü]  vin  ätt  Hqv  441  118*  (verschleifung  der 
Senkung);  (y1)  dagf's  [d.  er]  nü  Hrimgerbr  (en  bik  dvalba  liefr)  HHv  301;  ($)  veiztu 
ef  [ef  bü]  inn  gengr  Ls  4l  (verschleifung  der  Senkung),  betra's  [b.  er]  oscnt*  Hqv 
145 3;    seg  [seg  bü]  mer  Gagnrabr  Vm  ll1,  seg  [seg  büj  bat  Gagnräbr  Vm  IS1  15 1  171. 

J.mw.  5.  Zweisilbige  nicht  verschleif  bare  Senkung  findet  sich  in  folgenden 
versen:  («)  annarr  of  nsetr  sefr  i</  22 3,  huggask  bü  Sigrun  HH II 2ll;  (S)  verbat**  svä 
rik  skop  Fm  39 l.  —  Überschüssige  silben  sind  in  folgenden  versen  zu  beseitigen: 
(«)  glabr  est  [estu]  nü  SigvQrbr  Fut  20 l,  raebk  [rseb  ek]  ber  nü  Sigvqrbr  Fm  20 1-, 
(d)  seg  [segbuj  mer  bat  Älviss  Älv  91  ll1  131  15 '  171  191  211  231  25 '  27  *  29 '  311 
33  \  seg  [segbu]  mer  bat  Fjolsvibr  Fj  7'  91  ll1  131  15'  17 1  19  *  211  23 '  25  *  27 • 
291  311  331  351  371  39'  411. 

Anm.  4.  In  dem  halbverse:  SvqI  ok  Gunubro  (?>•>«  27 1  fehlt  die  alliteration ; 
die  xeile  ist  also  fehlerhaft  überliefert. 

Anm.  ö.  Als  ein  A3h2k  ist  vielleicht  aufzufassen  der  vers:  (ß)  lieitr  est 
[estu]  hripupr  Orm  l1. 

Anm.  6.  Verse  die  in  beiden  füssen  nebenhebung  haben  (A2.3)  sind  sehr 
selten:  nur  in  den  Qrimnismql  sind  drei  beispiele  überliefert:  («)  Alfqpr  Valfopi"*** 
Grm4S2;      (ß)  Bileygr  Bäleygr  Orm  47  \  Siphottr  Sfpskeggr  Orm  48 l. 

III.    Der  gesteigerte  A-vers  (A*  Sie  vers). 

§  9.  In  den  gesteigerten  A  -  versen  ist  der  erste  fuss  um  eine 
silbe  vermehrt,  indem  der  liebung  zwei  nicht  verschleif  bare  silben  folgen. 
Von  diesen  beiden  trägt  entweder  die  erste  (A*l)  oder  die  zweite  (A*2) 
eine  nebenhebung.  Neben  dem  regelmässigen  A*l  (_£  a.  x  \jlx)  gibt  es 
noch  zwei  Varianten:  A*lhk  (viixkx),  in  der  die  hebung,  und 
A*lnk  fi^x  i-ix)  in  der  die  nebenhebung  auf  kurzer  silbe  ruht. 

§  10.  A*l.  Mit  Sicherheit  sind  zu  diesem  typus  diejenigen  verse 
zu  rechnen,  in  denen  der  erste  fuss  durch  ein  dreisilbiges  nomen  (meist 
ein  compositum)  gebildet  wird  oder  die  mit  einem  zweisilbigen  compo- 
situm beginnen.  Verse,  die  mit  einem  einsilbigen  worte  anfingen,  sind, 
ivenn  die  folgende  silbe  träger  einer  markanten  bedeutung  ist  (also  nicht 
einem  hilfsverbum  angehört)  besser  als  schivellrerse  {DA)  zu  betrachten. 

(a)  ipröttir  niargar  Hgsv  1201,  i]>röttum  safna  Hgsv  1181,  ödyggra 
manna  Hgsv  611,  ofdrykkju  for])ask  Hgsv  Hl1,  ot'raetnap  drygja  Sl  151, 
ofsvefhi  tsela  Hgsv  171,  ögsefu  sinni  Hgsv  106 3,  ökynjan  meira  Ls  56 3, 
ökynnismanna  Hgsv  1381,  ulfhebMiar  heita  Hiev  211,  upptekna  syslu  Hgsv 
1131,  oröfi  vetra  Vm  291  351;    büsifjar  okkrar  Ket  143;    däsamligt  früpi 

)  Wahrscheinlich  ist  hier  nebenalliteration  (y1)  beabsichtigt :  betra's  6-sent  | 
an  se  of-soit. 

**)  Besserung  von  Rask;  verba  E. 

'**)  So  ist  mit  den  Handschriften  xu  lesen;  Alfapir  Valfapif,  wie  Sijmons 
schreibt,  verstösst  gegen  die  im  §  3  aufgestellte  rcgel. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJMDHAHATTR  175 

Sl  831;  fädömi  verpa  Sl  141,  fegirni  rangri  Hgsv  701,  ferligr  sä  bykkir 
Hgsv  943,  firam  himdruj)  golfa  Grm  241,  fornjösnar  augu  Sd  271,  forvitni 
mikla  Vm  l3;  hyggindi  {»Ina  Hgsv  1431;  meinlseti  drygi  ifysi-  1351, 
MengloJ)  of  heitir  Fj  81;  Skinfaxi  heitir  Vm  121;  prymgJQll  hon  heitir 
2"}'  101;  (/?)  oreibum  aiigura  Sd  23,  ösaf>ra  orfm  2?m  43;  Hrirafaxi 
heitir  Fra  141,  hopungar  hverrar  i7^r  1015;  (yl)  Gfastropnir  heitir  (en 
ek  hann  gorvan  hefk)  Fj  121;  litilla  sanda  (litilla  sseva)  Hgv  53  *; 
(<J)  Käpveig  en  elzta  Sl  793. 

Aiun.  1.  Zuweilen  kömmt  es  vor,  dass  a/tch  der  xweite  fuss  eine  nebenkebung 
hat:  (ß)  Ärvakr  ok  Alsvibr  OrmSl1;  Lyngheibr  ok  Lofnheibr  Rm  101;  Raudgrip 
ok  Räbgnb  Grm  36 5.  Hierher  wol  auch:  minnugr  ok  mölugr  Eqv  102 3.  —  Der 
rers:  Bjugvor  ok  ListvQV  Sl  7Gl  hat  keine  alliteration,  doch  stecht  der  fehler  ver- 
mutlich  in  der  xweiten  halbxeile. 

Anm.  2.  Überschüssige  silben  sind  vermutlich  in  folgenden  rersen  xu  be- 
seitigen: («)  Ösköpnir  [6.  hann]  heitir  Fm  15 l;  Hbligia's  [1.  er]  hqnum  Hgsv  1303; 
Yibofnir  [V.  hann]  heitir  Fj  181. 

i«m.  3.  V er  Schleifungen  sind  in  A*l  selten.  Auflösung  der  ersten 
hebung  findet  sich  in  den  rersen:  (ß)  Mimameibr  hann  heitir*  Fj  14';  Himinhrjötr 
ok  Apli  FM  ll5  (die  xweite  halbxeile  ist  verloren).  —  Auflösung  der  ersten  hebung 
und  der  binnen  Senkung:  («)  Himinnjorg  'ru  [eru]  en  qttu  Grm  13';  aufläsung 
der  x /reiten  hebung:  («)  Folkvangr's  [F.  er]  enn  niundi   Grm  14*. 

§  11.  A*lhk  Dieser  untertypus  ist  nicht  häufig,  aber  für  die 
folgenden  verse  mit  Sicherheit  anzusetzen:  (a)  ofnnd  ok  hrsetur  Hgsv 
651;  hamingjur  einar  Vnt  493;  munugpar  riki  Sl  101.  lunnugj)  I>an 
dryglm  Sl  181;       (y2)  logondum  hüfnm  (liafask  und  linda)  Hkv  24  ;. 

Anm.  1.  Zttr  betonung  vergleiche  die  fornyrbislag-^erse:  vib  konungi  Sg  541, 
sjau  konnnga  ö/*r  7  23 5,  kumbl  konunga  GhrT-,  af  konungum  GßrII?Al\  ags.  oyninge 
(Sievers,  Altgerm,  metrik  §  85,  5).  Altschwedische  gedickte  beweisen  die  betonung 
konunger,  peningar  (A.  Kode,  Die  alt-  und  neuschwedische  accentuierung ,  Strass- 
burg  1901,  s.225):  der  starke  nebenictus  der  xweiten  silbe  ist  also  zum  hauptictus 
geworden  wie  im  neudän.  gudinde,  veninde,  nhd.  lebendig,  forelle.  (Vgl.  §  7,  anm., 
§  8,  anm.  4). 

Anm.  2.  Zweisilbige  verschleifbare  binnensenkung  ist  einmal  überliefert: 
(«)  sofanda  bat  bykkir  Hgsv  80 3.  —  Überschüssige  silben  sind  vermutlieh  \u  ent- 
fernen in  dem  verse:  («)  dulibr  est  [erhi  nü]  Atli  HHv  19 \ 

§  12.  A*lnk.  Hierher  gehören  folgende  verse:  (a)  aldrlagi  sinn 
Hgsv  343  37 \  austrfQram  bin  um  Ls  601,  erfibi**  drygja  Hgsv  1203, 
eyvitar  firna  Hgv  931,    eyvitu   leyna  Hgv  2<s3,    övinum  bin  um  Sl  191, 

:::)  Dieser  halbvers  hat,  /ras  selten  vorkommt,  xwei  reimstäbe  in  einem  fusse 
(auf  der  hebung  und  der  nebenkebung). 

**)  Zur  betonung  vgl.  die  irötttiv&tt-xeilen:  brestr  erfibi  Austra  Sn.  E.  I,  316, 
rit  erfibi  Iitit  Ekr  III,  102 6;  sowie  die  C-  verse  Grm  35 '  prkQ1  10 1  EEv  51. 


176  GERING 

Ydalir.  heita  Grm  51;  forlaga  sinna  Hgsv  641;  tuttugu  augu  Herv  42 a; 
(ß)  athuga  oilgan  Hgsv  63,  orlQgurn  ykkrum  Ls  25 \ 

Anm.  1.  Eine  überschüssige  silbe  ist  xu  beseitigen  in  dem  verse:  (y1)  Andvari 
heitik  [ek  heiti]  (Oinn  het  minn  fajiir)  Bm  21. 

Anm.  2.  Zweisilbige  r  er  schleif  bare  binnensenkung  findet  sich  in  denversen: 
(a)  lettari  i  medium  Ls  521;      (ß)  SinmQru  at  selja  Fj  SO3. 

§  13.  A*2.  Nur  drei  beisjnele  sind  belegt:  (a)  kreina  lQg  JQtnar 
Alv  343;    Sökkvabekkr  heitir  Grm  71;    Välaskjalf  heitir  Grm  63. 

Anm.  1.  Dax/u  kommen  jedoch,  noch  einige  rerse,  in  denen  überschüssige 
silben  xu  entfernen  sein  werden:  («)  Lyfjaberg  [L.  bat]  heitir  Fj  36',  Lsevateinu 
heitir  [h.  kann]  Fj  261. 

Anm.  2.  Ver Schleifung  der  nebenhebung  kommt  zweimal  vor:  («)  eigin- 
konu  binni  Hgsv  9:i,  Mundilferi  heitir  Vm231. 

Anm.  3.  Nebenhebung  in  beiden  füssen  findet  sieh  in  dem  verse: 
(yl)  lit  [littu]  nü  austr  Hrimgerbr  (en  bik  lostna  hefr)  HHr  29 '. 

IV.    A- verse  mit  auftakt  (aA  Sievers). 

§  14.  Der  auftakt  in  La  besteht  gewöhnlich  nur  aus  einer  silbe 
(oder  aus  zivei  verschleifbaren  silben);  jedoch  ist  zweisilbiger  auftakt 
immerhin  so  häufig  belegt,  dass  es  nicht  geraten  erscheint  ihn  überall 
durch  conjeetur  zu  beseitigen.  Mehrsilbiger  auftakt  kommt  so  gut  wie 
gar  nicht  vor  (s.  unten  §  16,  anm.  1). 

I.  Gewöhnliche  A- verse. 
§  15.  a)  Verse  mit  einsilbigem  auftakt:  (a)  af  afli  binu  Hgsv 
141,  af  annars  clausa  Hgsv  341,  at  augabragpi  Hgv  53  30 \  ä  aura  veizlu 
Hgsv  1001,  ä  einni  stundu  Hgsv  1253,  i  einu  brjösti  Alv  351,  ör  Eliv(>- 
gum  Vm  311,  J)6t  [bö]  orf>a  ]Mnna  Hgsv  243,  af  orbum  kennask  Hgsv 
1193,  at  astt  ok  nafni  Fj  46 3,  fyr  obrnm  vsegja  Hgsv  48  *,  frä  jotna 
rünum  Vm  42 1  43 1:  {)vit  [bvi]  fleira  lytir  Hgsv  86 3;  es  greppa  ferpir 
Hkv  182,  ä  gub  skal  heita  Sl  271,  en  Gylfar  straumar  Sl  423;  es  Häkon 
bobu  Hkm  183,  ä  kolm  beir  gengu  Sl  143,  at  liyggnum  monnum  Hgsr 
1221;  i  litlum  polli  Hgsv  593,  i  Ijöbum  pessum  Hgsv  1041;  ä  norna 
stöli  Sl  151;  vib  seggja  engan  Hgsv  193,  vi])  systur  binni  Ls  363; 
ä  skalda  reifu  Hkv  181;  of  y(ipn  sin  djarna  Ls  21;  (ß)  bar  örar  afettir 
Fm  313,  hverr  Yngva  settar  Hkm  l3;  meb  lireinu  hjarta  .fl^s«  16:!, 
meb  liglfum  hleifi  .Hj5fl  523;  (y1)  i  hreinu  lifi  (Iiqu  skal  lifa)  Sl  73; 
vip  meinum  varna  (ä  inarga  vegu)  Hgsv  331;  (y2)  opt  fä  ä  horskan 
(es  ;'i  heimskan  ne  fä)  H/v  923;      ($)  ok  bess  at  fregna  *S'A-m  l3  23. 

Anm.  1.  Hierher  gehören  auch  drei  verse,  deren  Wortstellung,  weil  sir  gegen 
die  reimgesetxe  verstösst,  geändert  werden  musste:  («)  ä  a,ldri  lettum  ja  1.  a.]  Ket  33 8, 
fyr  eggjum  bessum  [f.  [>.  e.J  Skm  25 8  fv^/.  £  <S'- ,  emm.  JV.    af  gazku  beiri  [af  b.  g.] 


DIE   RHYTHMIK   DES    LJuDHAHATTK  17. 

Hgsv 48  3.  —  Durch  Herstellung  des  bragarmäl  ist  eine  überschüssige  silbe  zu  ent- 
fernen in  den  versen:  («)  eu  orb  baus  [bau  er]  mseltir  Herei57s;  (ß)  frä  bvi's 
[bvi  er]  at  segja  5/  33 *  53 l. 

Anm.  2.  Mehrfach  ist,  tro  zweisilbiger  auftakt  überliefert  ist,  derselbe  durch 
Herstellung  des  bragarmäl  oder  durch  einführung  einsilbiger  parallel  formen  km  be- 
seitigen: («)  bvit  [bviat]  einu  siuni  Fm  10 3,  bvit  [bviat]  opnir  beimar  Grm  42 ';  und 
[undir]  hendi  vaxa  Vm  33 1;  bvit  [bviat]  morgu  landi  Eir  53;  (js)  munk  [mun  ek] 
aldri  eiga  Gautr  53. 

Anm.  3.  Zweisilbiger  versehleifbarer  auftakt  ist  selten  bezeugt:  («)  ef  at 
holba  lifi  Hgsr  201;     (tf)  nema  beim  einni  H<jv  163ä;    en  und  beira  bögum  (jrm'Sl3. 

Anm.  4.  Xcbenhebung  im  ersten  fusse  (aA2l)  kommt  ein  paarmal  cor: 
(«)  at  ösott  minni  Air  G'J;  en  fegjavn  sftir  Hgsr  105 3;  bvit  [bviat]  snotrs  manus 
hjarta  Hör  loa3;  eba  tvau  her  hengi*  S?»  (37  ;!  (versehleifung  des  auftakts).  Ver- 
kürzung der  zweiten  Hebung  (aA2H2k)  kommt  zweimal  cor:  («)  en  es  3Iüspells 
synir  Ls  42 3  (versehleifung  des  auftakts):  i  ssegjarns  keri  (?)  Fj2ü'i.  Nebenhebung  im 
zweiten  fnssc  ist  einmal  belegt:  (8)  bvit  [bviat]  aldar  orlqg  Ls  21 3. 

Anm.  5.  Versehleifungen  innerhalb  des  verses  sind  innig  beliebt:  nur  ein 
paarmal  findet  sich  versehleifung  der  binnensenkung :  (a)  vib  hleiü  niik  sseldu  Hör 
1391;  i  vatni  bü  drukknax  Fm  11 :!;  i;«)  fyr  orbum  ok  eibuni  Hgsv  10 3;  ä  fjalli  eba 
firbi  (lies:  ä  fjallj  eba  firbi)  fl?£  1154;  at  häf>i  nt  hlätri  Hör  1314.  —  Zter  pers: 
((f)  ä  landi  ok  ä  vatni  HHv  293  £s£  sicher  corrumpiert ;  s  Sijmons  \.  st. 

Anm.  G.  Zweisilbige  nicht  verschleifbare  binnensenkung  kommt  in  einigen 
versen  der  Sigrdr.  vor,  in  denen  mit  Sijmons  eine  silbe  zu  streichen  sein  wird : 
(«)  a  horni  (lofum,  stafni,  berkij  skal  [sk.  bser]  rista  »SV/73  8:i  93  10 3. 

§  16.  b)  mit  zweisilbigem  auftakt:  (a)  siztu  arma  J)ina  Ls  173; 
sjaldan  bautasteinar  Hgv  72:!;  hvat  [»eir  garmar  heita  Fj  193;  hversu 
mäni  heitir  AJv  133,  hvärt  se  manna  nekkvat  Fj  2l3  413,  hvat  f>ser 
meyjar  heita  Fj  37 3,  hvärt  se  m?eta  nekkvat  iy  29 :';  [)eira  Raubs  ok 
Hiefis  FM  IV;  hvärt  se  väpna  nekkvat  Fj  253. 

J.ram.  7.  Dreisilbiger  auftakt  ist  durch  änderung  einer  überlieferten  zwei- 
silbigen form  in  die  einsilbige  zu  beseitigen  in  dem  verse:  («)  bvit  [bviat]  af  illum 
manni  Hqv  1166  1221.  Der  einzige  dann  noch  übrig  bleibende  rers  mit  dreisilbigem 
auftakt:  (u)  es  bü  bä  mobur  kallar  Gg22  ist  zweifellos  ebenfalls  fehlerhaft  über- 
liefert (lies:  es  bü  mobur  kallar  |  bäs  til  moldar  es  komen). 

Anm.  2.  Versehleifung  innerhalb  des  verses  ist  nur  einmal  auf  der  ersten 
Hebung  belegt:  (ß)  es  bä  Vea  ok  Tilja  Ls  26 3.  —  Zweisilbige  nicht  verschleifbare 
binnensenkung  kommt  ebenfalls  nur  einmal  cor:  («)  bar  bau  Öbinn  ok  Saga  GrmlK 

2.    Gesteigerte  Ä-verse  (aA*). 
§  17.     Nur  wenige  beispiele  sind   überliefert,    vier  A*l:    (a)  mej) 
Imnnondum  ljösum  Hqv  993;    at  hyggjandi  sinni  Hgv  61,  af  hyggjandi 
sinni  Hgsv  69  *;      (ß)   f>vit**  Qmat]  ä  hverfanda  kveli  üTpy  83 3  f^w- 

*)  Sijmons  setzt  mit  Hildebrand  die  cäsur  nach  Iah*,  was  ich  für  unrichtig 
halte,  da  die  zweite  halbzeile  dadurch   x,u  einem  überaus  ungeschickten  verse  wird. 
**)  bvit  fehlt  in  den  hss.  der  Föstbr.  saga. 


178  BERING 

silbige  nicht  verschleifbare  eingangssenkung) ,  ein  A*lhk:  (a)  pvit  [pvi] 
ofundsamt  hjarta  Hgsv  653;  und  ein  A*lnk:  (a)  at  leikurum  ok  trü[>um 
Hkv  22 J  (verschleifung  der  binnensenkung). 

Cap.  2.     Typus  B  (xjl\xj.). 

§  18.  Die  eingangssenkung  der  B-verse  in  La  bestellt  in  der 
mehrzahl  der  fülle  aus  einer  silbe  oder  ans  xwei  verschleif  baren  silben; 
doch  sind  auch  zweisilbige  eingangssenkungen  nicht  ganz  selten.  Drci- 
und  viersilbige  eingangssenkung  ist  nur  je  einmal  überliefert. 

Die  binnensenkung  kann  durch  eine  nebenhebung  ersetzt  werden 
/s.  unten  §  19  anm.  2;  §  20  anm.  2;  §  21  anm.  2). 

Von  den  verschleifungen  auf  den  drei  letzten  silben  des  verses 
ist  die  der  zweiten  hebung  häufig ,  wahrend  auflösung  der  binnen- 
senkung und  der  ersten  hebung  nur  je  einmal  sich  findet. 

Was  den  Stabreim  anbetrifft,  so  ist  einfache  alliteration  auf  der 
ersten  hebung  (a)  am  häufigsten,  doch  ist  auch  doppelalliteration  (ß) 
uemlieh  beliebt.  Nebenalliteration  (y)  und  einfache  allitcration  auf 
der  x  weiten  hebung  (6)  sind  äusserst  selten. 

I.    Verse  mit  einsilbiger  eingangssenkung. 

1.   Yerse  ohne  silbenverschleifung. 

§  19.  (a)  i  aldar  rok  Vm  393,  pvit  [pvi]  allir  raenn  Hgv  533,  hon 
ein  pvi  veldr  HHv  26ß,  en  elli  gefr  Hgv  163,  at  eyrum  Freys  Ls  443, 
at  ongum  hlut  Hgsv  1291;  a  bjargi  stop  Sl  141;  enn  fräni  ormr  Fm 
191;  siz  Hakon  för  Htm  213,  en  Heljar  grind  Sl  393,  ens  liindra  dags 
Hgv  108\  til  holts  ek  gekk  8km  32\  at  horum  pul  Hgv  1334;  ör 
kattar  dyn  FM  86;  (ß)  hverr  JQtna  elztr  Vm  283;  et  gjalla  goll  Fm 
93  20 3;  (y1)  sva  pumlr  of  reist  (fyr  pjöpa  rok)  Hgv  1455;  (6)  vip 
pat  bann  fei  1  r  Fj  143. 

Anm.  1.  Hierher  gehört  icol  auch  Hgsv  713,  ivo  in  Sehevings  text  gedruckt 
ist:  bvi  mqlugs  reynask  I  margar  SQgur.  Offenbar  ist  xu  emendieren:  (ß)  bvit  mölugs 
manns  |  reynask  margar  SQgur. 

Anm.  2.  Nebenhebung  an  stelle  der  binnensenkung  ist  zweimal  belegt:  («)  en 
ösvibr  rnabr  Hqv  21a,  en  ösnjallr  niabr  Hqv  48 :!. 

§  20.  Beseitigung  überschüssiger  silben  wird  in  folgenden  versen 
vorzunehmen  sein:  («)  pö  [pö  ek]  einn  of  kvamk  Skm  18',  h vi  [hvi  pti] 
einn  of  kvami  Skm  173,  pvit  [pviat]  elska  gups  [gups  elska  Scheving 
gegen  die  reimgesetze]  Hgsv  1423,  pat's  [pat  es]  enn  of  pann  Hgv  46 *; 
ok  [ok  ekj  drykk  of  gatk  [gat]  Hgv  140 3;    hvat  [hv.  pü]  fyrst  of  mant 


DIE   RHYTHMIK    DES    LJUDHAHATTK  179 

Vm  342,  J)vit  [pviat]  fsera  veit*  Hpv  123;  J»vit  [bvi  atj  hrisi  vex  Hgv 
1186;  und  [undir]  randir  gelk  [ek  gel]  Hgv  1563;  (ß)  ef  [ef  pü]  eyri 
ätt  Hgsv  211;  J>a's  [bä  er]  GjQlp  ok  Grreip  jPi/62G;  (j/1)  bvit  [bvi  at] 
hjarta  mitt  (vas  lieldr  mJQk)  57  43 3. 

.A«?«.  i.  Hierher  iräre  nach  Sijmons'  text  auch  Vm  A33  %u  stellen:  (ß)  bvit 
[bviat]  hverjan  lieft  [hefi  ek]  |  heim  of  komit.  Ich  glaube  jedoch,  dass  der  vers  als 
rolheile  (BB)  ztt  fassen  ist:-  bvit  hveru  hefk  heim  of  komit.  hveni  (nicht  hveijau) 
■ist  die  lesung  der  handschrift. 

Anm.  2.  Nebenhebung  an  stelle  der  binnensenkung  kommt  einmal  vor;  («)  bvit 
[bviat  J  ösvibr  mabr  Sd  24 3. 

Anm.  3.  Verkürzung  der  ersten  hebung  und  nebenhebung  an  stelle  der  binnen- 
senkung findet  sich  in  dem  versc:  («)  alls  konungs  ferr  Hkm  143  (s.  §11). 

2.   Verse  mit  silbenverschleifung. 

§  21.  a)  V er  Schleifung  auf  der  eingangssenkung :  (a)  hvat  it 
aesir  tveir  Ls  25 3,  hvi  it  sesir  tveir  Ls  191,  hvapan  JqvJ)  of  kvam  Vm 
203;  hvapaü  dagr  of  kvara  Vm  243;  pat  ek  fyrst  of  man  Vm  353;  hvi 
of  segjak  per  Sk?n  41;  es  enn  skira  dregr  Vm  121;  hvapan  vetr  of 
kvam  Vm  263,  hvapan  vindr  of  komr  Vm  36 3;  (y1)  hvat  at  mo{)i  verpr 
(bess  ens  liipera  vipar)  Fj  153;       (ö)  esat  mapr  svä  göpr  i?^  1323. 

A«m.  1.  Ohne  alliteration  überliefert  ist  der  vers:  hvaban  Njcnbr  of  kvam 
Vm  38 3.  Der  fehler  steckt  wahrscheinlich  in  der  zweiten  vershälfte  (vgl.  §  79, 
anm.  8). 

Anm.  2.  Nebenhebung  an  stelle  der  binnensenkung  ist  auch  liier  einmal  be- 
zeugt: («)  nema  Svipdagr  einn  Fj  42 3. 

Anm.  3.  Beseitigung  überschüssiger  silben  ist  vermutlich  in  den  folgenden 
beiden  versen  vorzunehmen:  («)  es  [er  bu]  ä  Fäfni  rautt  Fm  l3,  ef  [ef  bii]  ör  heimi 
kant**  AlvSs. 

§  22.  b)  Ver Schleifung  auf  der  xiveiten  hebung:  (a)  enn  mqtki 
fapir  Sl  75 J;  hvat  Jjrymr  bar  Bragi  Eir  21;  (d)  en  annarr  Hati 
Grm  393. 

Anm.  1.  Beseitigung  überschüssiger  silben  wird  in  folgenden  versen  vor- 
zunehmen sein:  («)  bvit  [bviat]  nugir  samau  S/cm  53,  bvit  [bvi  at]  {fesir  vitu  Ls8a; 
bäs  [bä  er]  horskr  ok  bogull  Hqv  6;!;  ef  [ef  büj  sverbs  oe  nytir  Fm  27 3;  (ß)  bvit 
[bviat]  eugi  JQtun  Vm  23;  (j/1)  fyr  [fyrir]  unnar  sakar  (skaltu  aldri  saka)  Hgsv  1311; 
(d1)  bat  eitt's  [eitt  er]  sva  matar  i-}'  243. 

§  23.  c)  Verschiffung  auf  der  binnensenkung  findet  sich  nur 
einmal  in  einem  ohne  alliteration  überlieferten  verse:  at  hoHu  bann 
kvam  Vm  53. 

*)  Sijmons  behält  die  hsl.  Schreibung  bei,  weil  er  mit  Bugge  (wie  ich  glaube 
mit  unrecht)  at  im  sinne  von  l desto'  fasst. 

**)  Sijmons  schreibt  (mit  Hildebrand)  die  langxeile:  ef  [bii]  ör  heimi  |  kant 
hverjum  at  segja.  Aber  dass  ef  die  hebung  getragen  haben  sollte,  ist  nicht  wahr- 
scheinlich. 


ISO  GERING 

§  24.  d)  Verschleifung  auf  der  ersten  Hebung.  Ebenfalls  nur 
ein  beispiel:  («)  hvi  Jegip  er  svä  Ls  71. 

Anm.  Zweifache  verschleifung  innerhalb  desselben  halbverses  kommt  nur 
einmal  vor  in  einem  verse,  in  dem  beide  Senkungen  aus  xivci  silben  bestehen: 
(c.)  hvapan  Mani  of  kvam  Yui  22 3. 

IL   Verse  mit  zwei-  und  mehrsilbiger  eingangssenkimg. 

§  25.  a)  Verse  mit  zweisilbiger  eingangssenhung :  (a)  par  hann 
upp  of  reis  Hov  1456;  hve  sä  bQra  of  gat  Vm  323;  nii  'ru  HQva  itiqI 
Hgv  1371;  ef  per  litla  gjof  Hgsv  351;  ef  pik  rikir  menn  Hgsv  661; 
opt  ör  sknrpum  belg  Hgv  136°;  (ß)  ef  per  göpan  grip  HgsvA1;  fannkak 
mildan  mann  Hpv  40  *.  —  Der  vers  (a)  Iqsu  heigar  bökr  Sl  70 'ä  ist  von 
Bugge  durch  conjeetur  hergestellt. 

Anm.  1.  Eine  überschüssige  silbe  ist  %u  entfernen  in  dem  verse:  (ß)  J>vit 
[pviat]  beir  bäpir  l)ro[jr  Em  39 3.  Ebenso  in  dem  verse:  («)  J>vit  [{ivi  at]  bik  ä  hjorvi 
sluüu  Ls493,  <to  ro«  de«  rfre«  silben  der  eingangssenhung  die  beiden  letzten  ver- 
schleift werden  müssen. 

Anm.  2.  Nebenhebung  an  stelle  der  binnensenkung  ist  einmal  bezeugt:  («)  hvi's 
her  Eiriks  vnu*  UVV  5l. 

§  26.  Z>)  Dreisilbige  eingangssenhung  (nebst  verschleifung  der 
%  weiten  liebung)  findet  sich,  nach  entfernung  einer  überschüssigen  silbe, 
nur  einmal:  (y2)  ef  [ef  pü]  vilt  per  göpa  konu  (kvepja  at  gamanrünum 
Uno  1294.  —  Viersilbige  eingangssenhung  ist  ebenfalls  nur  einmal 
überliefert:  (ß)  ser  pü  penna  mseki  mser  Skm  23 i  251;  dieser  vers  ist 
auch  dadurch  auffallend,  dass  den  beiden  m  zwei  gleiche  anlaute  in 
der  2.  halbzeile  folgen,  so  dass  die  langzeile  vier  gleiche  reimstäbe  ent- 
hält, ivas  sehr  selten  vorkommt  und  als  ein  Verstoss  gegen  die  gesetze 
der  alliteration  betrachtet  werden  inuss. 

Cap.  3.     Typus  C  (x^isfex). 

§  27.  Die  C- verse  zerfallen  in  xwei  untertypen,  je  nachdem  die 
ztveite  hebung  auf  langer  (Ol)  oder  auf  kurzer  silbe  steht  (C  2). 
Silbenverschleifung  ist  soivol  auf  der  eingangssenkimg  als  auf  der  ersten 
hebung  gestattet;  dagegen  dürfen  die  beiden  letzten  silben  nicht  auf- 
gelöst werden.  Zwei-  und  mehrsilbige  eingangssenhung  ist  so  oft  be- 
zeugt, dass  mau  sie  nicht  durchweg  durch  conjeetur  beseitigen  darf; 
durchführung  des  bragarmäl  auch  gegen  die  handschriften  ist  natürlich 

i  Wisen  stellt  gegen  die  reimgesetxe  um:  hvi's  J>er  vqn  Eiriks.  Diese  Stellung 
wäre  nur  möglich,  wenn  der  dichter  noch  v  mit  vocal  gereimt  hätte;  die  halbxeile 
wäre  dann  ein  G-vers  mit  doppeledlitcratiou  (und  Vernachlässigung  des  nebentones). 


DIE   RHVTHMIE   DES   LJODHAHATTR  181 

unbedenklich.  —  Die  alliteration  ist  auffallend  häufig  auf  den  zweiten 
fuss  beschränkt  (d). 

Anm.  Sievers  bexeichnet  den  von  mir  C2  genannten  untertypus  mit  GS, 
während  er  die  bexeichnung  C2  für  diejenigen  verse  verwendet ,  die  die  erste  hebung 
verschleifen.     Diese  verse  betrachte  ich  nur  als  eine  Varietät  von  Gl. 

I.  Verse  mit  einsilbiger  eingangssenkung. 

1.    Die  zweite  hebung  steht  auf  langer  silbe   (C 1). 

§28.  (a)  muri  öbundinn  Hhn  20 l;  ör  bergs  rötum  FM  8S;  ör 
fisks  anda  FM  87,  at  fesseln  Hgsv  1153;  sem  grey  norna  Hm293; 
a  Höfvarpne  FM  413;  (ß)  pess  fogls  fjoprum  Hgv  133;  a  J>vi  pingi 
Sd  ll5;  (d)  ne  svä  aupugr  Hgsv  1243,  en  pa  eptir  5/  221,  hvat  her 
inni  Ls  l3;  en  pü  Fafnir  Fm  213,  ef  pat  forir  /<)'  28 3;  hverr  pat 
gorpi  _F)'  333;  ä  pvi  landi  Orm  123,  ne  J>at  lasta  i?j/sz;  1233;  a  peim 
meipi  Hgv  1385;  en  pik  sipa  Ls  241,  en  pä  sloknar  iZjpi;  513;  af  hans 
ygengjum  Vm  373. 

Anm.  Eine  auffallende  Singularität  enthält  die  langxeile  Skm  31:!,  in  der 
die  beiden  vershälften  nur  in  sich  selbst,  nicht  mit  einander  alliterieren:  bik  geb 
gripi  |  bik  niom  morni. 

§  29.  Überschüssige  silben  sind  vermutlich  in  folgenden  versen 
xu  beseitigen:  (a)  pvlt  [pvi  at]  ofdrykkja  Ls  47 3,  pvit  [pvi  at]  ösynt 
es  Rm  253,  namk  [nam  ek]  upp  rünar  Hgv  1393,  hverr's  [hverr  er] 
Orgati  Ilkv  222-  pat's  [pat  er]  vo  litil  Ls  331;  (ß)  ef  [ef  pü]  att  annan 
Hgv  451;  (d)  hvat's  [hv.  er]  pat  alfa  Skm  17  \  hvat's  [hv.  er]  pat  undra 
Herv  381  391  401  411  421  431  441  451  46\  hvat's  [hv.  er]  pat  bysna 
Ret  141,  hvat's  [hv.  er]  pat  drykkja  Herv  331,  hvat's  [hv.  er]  pat  dyra 
Herv  551,  hvat's  [hv.  er]  pat  fiska  Rm  l1,  hvat's  [hv.  er]  pat  flagpa 
Ket  17 1  Fj  l1  31,  hvat's  [hv.  er]  pat  lilymja  [hlym  hlymja  RA]  Skm  U\ 
pvlt  [pviat]  peir  liverfa  Sl  153,  hvat's  [hv.  er]  pat  manna  Vm  71  Ket  51, 
vaetr's  [v.  er]  pat  manna  Fj  42 *,  hvat's  [hv.  er]  pat  rekka  Ah  51. 

Anm.  Wahrscheinlich  gehört  hierher  auch  der  vers  Hqv  l4:  (y1)  bvit  [pvi  at] 
ö-vist  es  (vgl.  oben  den  vers  Em  25  3J.  Bei  Sijmons  lautet  die  xiveite  hälfte  der 
strophe:  bvit  ovist  es  at  vita       hvar  ovinir  sitja 

a  fleti  fyrir. 
Aber  die  worte  at  vita,  die  in  W  fehlen,  sind  sicher  interpoliert;  ausserdem  wird 
sitja  an  den  au  fang  der  vollxeile  %u  stellen  sein,   die  dann  ihre  regelrechten  drei 
Hebungen  erhält  (so  schon  Sievers,   Altgerm,  metrik  §  57,  6  fg.).     Es  ist  also  xu 
lesen:  bvit  ö-vist  es        hvar  6-viuir 

sitja  a  fleti  fyrir. 

§  30.  Ver schleif ung en.  a)  auf  der  eingangssenkung: 
(a)  hvapan  Aurgelmir  Vm  303;  en  i  prüpheimi  Orm  43;      (ß)  nema  einn 


182  GERING 

Agnarr  Grm  23;     en   or  hans*  lieila   Grm  4P,    en  af  hans*  hornum 
Grm  26 3;     (8)  en  af  beim  harmi  Sl  133; 

b)  auf  der  ersten  hebung:  («)  ör  Ymis  holdi  Vm  213  Grm  401; 
en  sojmdolgar  Sl  243;  i  Vanaheimi  Vm  39 x,  frä  venm  rainnm  Ls  513; 
(ß)  1  Grymis  gQrpum  Sftm  61;  (y2)  hvat  lifir  manna  (päs  enn  msera 
Ilpr)  Fm  443;      (d)  ok  hinn  qpru  Sl  333. 

2.    Die   zweite   hebung  steht   auf  kurzer   silbe  (C2). 

§  31.  Belege  sind  nicht  häufig:  (a)  es  ek  hefik  Ket  173;  hver 
bqzt  eru  Ttm  193;  par  YQrJ)r  goj)a  Grm  133;  (d)  hon  svä  gerir  Hgv 
1131;     en  pä  Kjalarr  Grm  493;  af  peim  legi  Sd  133. 

Anm.  Felilerhaft  überliefert  ist  die  reimlose  -Keile  Sl  l3:  of  (yfir  äss.)  bä 
gqtu  |  es  bann  vaibabi.  Bugge  ändert:  yfir  bann  reg  |  es  hann  yarhahi;  aber  die 
Verderbnis  steckt  ivol  eher  in  der  zweiten  vershälfte  (lies:  (<f)  of  ba  grttu  |  es  bann 
gaetti?).  —  Auch  der  vers  Ket  17 3:  («)  es  ek  hefik  |  eugva  eina  ist  kaum  richtig, 
da  er  gegen  die  reimgesetx,e  rerstösst;  da  die  lesart  der  hs.  B  (lief  ek  enga  fyrr) 
darauf  schliesscn  lässt,  dass  in  dem.  reeipierten  texte  ein  fyrr  ausgefallen  ist,  wäre 
folgende  emendation  möglich:  es  eugva  befk  [  eina  fyrr. 

§  32.  Bragarmäl  ist  in  folgenden  versen  herzustellen:  (a)  pvit 
[pvfat]  alfroj)ull  Skm  43,  pvit  [pvi  at]  Oprorir  fi^;  1063;  bat's  [pat  er] 
fär  niikit  ßm  241;     {d)  hvat's  [hv.  er]  pat  fira  ^  21. 

§  33.  Ver Schleifung  der  eingangssenkung  ist  nur  dreimal 
belegt:  (ß)  en  ept  nsetr  niii  Skm  403  423;  (d)  po  ek  hitt  oumk  Skm 
163;     en  ör  bans**  forQum   Grm  411. 

^ämw.  Hierher  gehört  tvol  auch  Hqv  40 3:  («)  eha  sins  fear-.  Fo?z  der  zweiten 
vershälfte  ist  nur  das  erste  wert  svägi  erhalten,  doch  ist  die  von  den  Herausgebern 
vorgenommene  ergänxung  (svägi  gj^flan)  wahrscheinlich  richtig. 

IL  Verse  mit  zwei-  und  mehrsilbiger  eingangssenknng. 
1.  Die  zweite  hebung  steht  auf  langer  silbe  (C  1). 
§  34.  a)  Ziv  ei  silbige  eingangssenknng  ist  verhältnismässig 
häufig:  («)  hve  sä  eldr  heitir  Alv  25 3,  ef  per  erfingja  Hgsv  42  *,  hve  sü 
q  heitir  Vm  153,  hve  bat  ql  heitir  Alv  333,  hve  sä  jör  heitir  Vm  133, 
hve  sü  jgrb  heitir  Alv  93;  hvat  pat  barr  heitir  Fj  133,  hvat  pat  bjarg 
heitir  Fj  353;  opt  sä  fagrt  mselir  Hgsv  853,  pä  ver  fegrst  mseliim  H(>v 
90 3,  margr  bä  fröbr  bjkkisk  Hpv  30 3;  hvat  sä  garpr  heitir  Fj  ll3, 
hvat  sü  grind  heitir  Fj  93;  hve  pat  logn  heitir  ^4Vz>  213;  hve  sä  inarr 
heitir  Alv  232;  hve  sü  nQtt  heitir  Alv  293;  hvat  sä  salr  heitir  Fj  313, 
hve  bat  säp  heitir  Alv  313,  hve  sü  söl  heitir  Alv  153,  eng  es  sott  verri 

*)  Dieses  wort,  das  Sijmons  streicht,  halte  ich  für  unentbehrlich. 
**)  hans  streicht  Sijmons,  dadurch  entsteht  aber  ein  unmögWeher  vers. 


DIE    RHYTHMIK    DE9    LJODHAHATTR  183 

Hgv  943;  hve  pau  sky  heita  Alv  173;  live  sä  vindr  heitir  Alv  193, 
hve  s.i  vipr  heitir  Alv  27 :!,  hve  sä  voUr  heitir  Fw  17 3;  (ß)  hve  sä 
hestr  heitir  Vm  ll3,  hve  sä  holmr  heitir  Fm  143;  (d)  en  fyr  per  eiuum 
Ls  643,  hvi  pü  sva  gunni  Hkm  121. 

J.w?ra.  Bragarmäl  ?'s£  herzustellen  in  dem  verse:  («)  bäs  [ba  er]  ek  3Iibvituis 
Gnu  50 3. 

§  35.     Ver Schleifungen.     Auflosung  einer  senkungssilbe  ist 

nur  einmal  in  einem  verse  zu  belegen,  wo  die  2.  sähe  der  eingangs- 
senkung  tu  verschleifen  ist:  (a)  hvarts  eru  söttdaupir  Sd  333.  Auf- 
lösung der  ersten  hebung  ist  öfter  bezeugt:  (a)  hvärt  se  matar  nekkv- 
at*  Fj  233;  en  nü  Skapi  byggvir  Qrm  ll3;  (ß)  hvat  sä  hani  heitir 
Fj  173,  live  sä  himinn  heitir  Alv  ll3;     ok  vip  J>at  et  Jn'ipja  Hqv  1306. 

An»/.  1.  Versehleifung  der  ersten  beiden  silben  einer  dreisilbigen  eingangs- 
senkung  nebst  versehleifung  der  ersten  hebung  findet  sich  in  dem  verse:  (ß)  erumk 
i  hebln  hverjan  [er  mer  i  h.  hvern  R]  Hqv  73 2;  vgl.  unten  §  122. 

Anm.  2.  Als  vers  mit  versehleifung  der  ersten  hebung  ist  ohne  uoeifel  auch 
Ls  16 3  zu  bezeichnen.     Bei  Hildebrand  und  Sijmons  lautet  die  langxeile: 

at  bu  Loka       kvebira  lastastofum, 
während  m.  e.  die  eäsur  vor  lastastofum  anzusetzen  ist  (vgl.  §  4,  fussnote  *).     Der 
so  hergestellte   vers   irürde  jedoch  gegen   die  reget  Verstössen,   dass   im  typus  C  die 
\iveite  hebung  nicht  aufgelöst  werden  darf  (§  27).     Es  ist  daher  noch  eine  weitere 
ander ung  notwendig;  man  lese: 

at  bu  Loka  kvebjat       lastastofum 
{vgl.  Vkv  35 4). 

§  36.  b)  Dreisilbige  eingangssenkung  ist  selten  und  lässt  sich 
überall  leicht  beseitigen:  (a)  hve  ek  at  andspilli  Skm  ll3  (Sijmons 
streicht  ek),  at  {)ü  of  oxl  skjötir  Gg  63  (Sijmons  streicht  \m);  siz  pik 
at  bröpr  pinuni  Ls  32 3  (Sijmons  streicht  siz);  hveims  [hveim  er  R] 
paer  knä  öviltar  Sd  194  (streiche  prer).  Der  letzte  vers  hat  neben  der 
alliteration  auch  endreim:  hveims  knä  öviltar  |  ok  öspiltar. 

2.    Die   zweite  hebung  steht  auf  kurzer  silbe   (C2). 

§  37.  a)  Zweisilbige  eingangssenkung  kommt  mehrmals  vor 
und  ist  kaum  xu  beanstanden:  (et)  hvat  pü.  arnapir  Skm  413;  en  bar 
Forseti  Grm  153;  en  til  göps  vinar  Hqv  343,  ey  sva  hott  forap  Fj  403: 
par  per  vilmegir  Skm  36 :;  (y1)  opt  hon  pann  hatar  (es  per  es  hollr) 
Hgsv  233;      (ö)  at  pvi  firr  megi**   Gg  133. 

Anm.  1.  Versehleifung  der  ersten  beiden  silben  einer  dreisilbigen  eingangs- 
senkung ist  zweimal  belegt:  («)  esat  mabr  alls  vesall  Hqv  69 1;  (8)  esa  sva  brattr 
breki  Sd9\ 

*)  nekkvat  wird  von  Sijmons  wol  mit  unrecht  gestrichen. 
**)  Die  versteilung  bei  Sijmons  halte  ich  für  unrichtig. 


184  GERING 

Anm.  2.  Verschleifung  der  ersten  hebung  findet  sieh  in  dem  verse  Ls  10 3, 
der  stehet-  hierher  xu  stellen  ist:  («)  si|>r  oss  Loki  kvef>i  |  lastastofum.  Sijmons 
setzt  die  eäsur  mit  Ilildebr.  unrichtig  hinter  Loki  (s.  §  35,  anm.  2). 

Anm.  3.  Höchst  auffallend  ist  der  vers:  (cf)  hversu  eininana  (margir  fara) 
<S7  483,  da  in  ihm  nur  das  zieeite  glied  des  compositum^  alliteriert.  Offenbar  liegt 
Verderbnis  vor. 

Anm.  4.  Die  atrophe  Hqv  162 3  —  6  ist  offenbar  verderbt  überliefert  und  viel- 
leicht folgendermassen  herzustellen: 

Ljojja  pessa        mundu,  Loddfäfnir! 

lengi  vanr  vesa, 
pot  per  gu[)  sei,        ef  geta  msettir, 
nyt  ef  {ni  nemr, 
I>Qrf  ef  pu  piggr. 
Der  erste  halbvers  von  xeile  3  würde  dann  hierher  gehören:  («)  pot  {»er  göp  sei. 

§  38.  b)  Dreisilbige  eingangssenkung ,  die  nur  zweimal  sich 
findet,  wird  zu  beseitigen  sein:  («)  ves  \m  vij)  ol  varastr  Hqv  ISO0 
(Sijmons  streicht  J)ü),  ok  pik  i  flets  strai  Ls  46 3  (Sijmons  streicht  ok). 

Cap.  4.     Typus  D. 
I.    Der  regelmässige  viersilbige  D-vers  (_l|_lxx). 

§  39.  Der  regelmässige  viersilbige  D-vers,  der  im  ganzen  selten 
vorkommt,  zerfällt  in  zwei  untertypen,  je  nachdem  die  nebenhebung 
im  zweiten  fusse  auf  die  hebung  unmittelbar  folgt  (Dl)  oder  auf  der 
endsilbe  ruht  (D2  =  Sievers  D4).  Im  typus  Dl  darf  die  nebenhebung 
verkürzt  iverden  (Dlnk  =  Sievers  D2).  Verkürzung  der  zweiten  hebung 
(Sievers  D3)  kommt  nicht  vor,  dagegen  ist  auflösung  der  ersten  hebung 
ein  paarmal  bezeugt. 

§  40.  Dl:  (a)  ill  tlpindi  Hgsv  601,  oll  tipindi  Hgsv  271.  Eine 
überschüssige  silbe  ist  zu  beseitigen  in  dem  verse:  (ß)  ill's  [ill  er]  of- 
drykkja  Hgsv  1271. 

Dlnk:  (a)  einn  rammari  Fm  163;  (ß)  askr  Yggdrasils  Grm  35 1 
441.  Dazu  ein  beispiel  mit  verschleifung  der  ersten  hebung:  («)  ligfukt 
erfi])i  Hgsv  87  \ 

§  41.  D2:  (ß)  alls  on  se  verpr  Sl  283.  —  Dazu  ein  paar  verse, 
in  denen  eine  überschüssige  silbe  durch  her  Stellung  des  bra  garmal  zu 
beseitigen  ist:  (a)  mar  gef  [gefpu]  mer  pä  Skm  81;  (ß)  göp's  [g.  er]  gäta 
bin  iZerv  31°;  (y1)  lifa  tetlak  [setla  ek]  mer  (Iangän  aldr)  Ls  62 1  (ver- 
schleifung der  ersten  hebung). 

Anm.  1.  Ein  D 2 -vers  alliteriert  nur  in  sich  selber,  nicht  mit  der  zweiten 
halbzeile:  |)rör  piugum  at  Grm  49 4. 

Anm.  2.  Verse,  in  denen  der  sinn  eine  starke  betonung  des  schliessenden  ein- 
silbigen Wortes  verlangt,  sind  nicht  hierher,  sondern  als  sehwellverse  zu  typus  DB 
zu  stellen. 


DIE   RHYTHMIK   DES   L.IODHAHATTR  185 

IL    Der  erweiterte  D-vers  (D*:  z  x  u  x  x). 

§  42.  Zn  dem  typus  D*,  der  aus  einem  zweisilbigen  und  einem 
dreisilbigen  fusse  besteht,  rechne  ich  nur  diejenigen  verse,  die  mit  einem 
dreisilbigen  warte  schliessen;  die  /ihrigen  von  gleichartigem  bau  sind 
entweder  unter  AG  oder  AB  gestellt:  diese  unterscheiden  sieh  von  den 
D-versen  dadurch,  dass  an  stelle  der  nebenhebung  eine  rolle  kebung 
tritt.  Belegt  sind  nur  T)*l:  der  vers  mit  der  nebenhebung  auf  der 
2.  silbe  des  dreisilbigen  fusses  (zxkix),  iind  D*lnk:  derselbe  vers 
mit  verk/'iv.ung  der  nebenhehnng  (zxUix).  Auflösungen  sind  nie 
bei  J)  gestattet. 

§43.  D*i:  (a)  Grisl  ok  Falhöfhir  Grm  303  FM  1013;  särar  at- 
gorjrir  Hgsv  1353;  tveir'u  einherjar  Hgv  731;  iß)  akri  ärsQnum  Hgv 
87 \  allir  einherjar  Vm  41\  eik  vip  abbindi  Hgv  136°,  engi  oftreysti 
Hgsv  1331,  lila  äleitni  Hgsv  831,  jös  ok  arrabauga  Ls  131,  jofra  öborna 
Rm  83;    drüpjm  dolgärar  Hlnn  23;    Ijötu  leikborpi   Gg  31. 

Anm.  1.  Auflösung  der  ersten  Senkung  kommt  ein  paarmal  vor:  (ß)  opt  vitu 
©gorla  Hör  1321;  beiti  vip  bitsottum  Hqv  136s;  (y1)  bat  eru  bokrunar  (bat  eru 
bjargrunar)  .SV/191.    Vgl.  anm.  2. 

Anm.  2.  Überschüssigt  silben  sind  in  folgenden  versen  -,u  entfernen:  (a)  beill 
pü  [pü  nü]  Vafprüpnir  Vm  61;  seg  [segpu]  pat  et  ellifta  Tw40'  (versehleifung  der 
1.  senkimg);  (ß)  ätta  'ru  [eru]  jafnhQfgir  Skm  213  (versehleifung  der  1.  Senkung) , 
eld  säk  [sä  ek]  upp  brinna  Hqv  70 3;  (y1)  sumar'u  [eru]  äskungar  (sumar  alfkuugar) 
Fm  13 :5  (versehleifung  der  1.  hebung). 

Anm.  3.  Nebenhebung  an  stelle  der  ersten  Senkung  findet  sich  in  dun 
verse:  («)  bvimleip  bümonnum  Ket  18 3. 

§44.  D*lnk:  («)  eldi  heitari*  Hgv  511;  köpir  afglapi  Hgv  IV; 
Valr  ok  Lettfeti  FM  101;  (0)  epli  cllifu  8km  191  201;  Lif  ok  Lifprasir 
Vm  451.  —  Z)a%«  \n:ei  verse  mit  anflösung  der  ersten  kebung: 
iß)  braka  q11  hekkbili  Eir  23;  (71)  sumar  ä  vettrinium  (sumar  ä  ral- 
bQstum)  Sd  63. 

.4«?».  J.  überschüssige  silben  sind  in  den  folgenden  beiden  versen  %u  be- 
seitigen: («)  mier's  [m.  er]  mer  tipari*  Skm  71;     (J)  seg  [s.  pü]  bat  Andvari  BntZ1. 

Anm.  2.  Z/reisilbigc  nicht  verschleif  bare  binnensenkung  findet  sieh  in  dem 
verse:  («)  niatr  se  per  leipari*  Skm  27 3. 

§  45.  Der  typus  D*2  (zxuxi)  ist  nicht  vertreten,  da  verse, 
die  mit  einem  dreisilbigen  compositum  von  der  forin  ±  x  a.  schliessen, 
zufällig  nicht  begegnen. 

*)  Zur  betonung  vergleiche  %.  b.  den  C-vers  Yngl.  saget,  20 ''  (Heimskr.  ed. 
Finnur  Jönsson  I,4115):  enu  mjovara. 

ZEITSCHRrFT   F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  13 


186  GERING 

Cap.  5.     Typus  E  (zxxu). 

§  46.  Der  E-vers  zerfällt  ebenfalls  in  zwei  untertypen,  je  nach- 
dem die  neberikebung  im  ersten  fusse  auf  die  hebung  unmittelbar  folgt 
(El)  oder  durch  eine  Senkung  von  ihr  getrennt  ist  (E2).  Im  typus 
El  darf  die  nebenhebung  verkürzt  iverden  (Elnk).  Als  eine  sehr 
seltene  Spielart  ist  sodann  noch  der  vers  mit  Verkürzung  der  ersten 
liehung  (^:lx|  jl)  anzusetzen,  den  ich  mit  Elhk  bezeichne.  —  Auf- 
lösungen  der  beiden  hebungen  kommen  mehrfach  vor,  dagegen  ist  die 
auflösung  der  Senkung  selten  und  zweifelhaft. 

§  47.  El:  («)  almanna  lof  Hgsv  1161,  alpypu  röm  Hgsv  781, 
änaupgan  mann  Hgsv 903,  andspillis  vanr  Skml2s,  ästsamlig  r<£p  Hgsv2i 
1031,  eggmöpan  val  Grm  53\  einherja  grip  Ilkm  IG1,  eyrindi  min  Sk?n 
391,  ipgnöga  lieill  Gg  IG3,  öaupugr  mapr  Vm  10 \  ofclrukkiim  mapr 
Hgsv  721,  okunna  menn  Hgsv  131  461,  okynnis  pess  Hgv  193,  okyrrir 
tveir  Herv  39 3,  omulngr  skal  Hgsv  181,  gfetterni  mitt  A41,  jarnborgir'ii 
HHv  133;  fagnandi  mapr  Hgsv  873,  fämQlugr  ser  Hgsv  151  981,  for- 
kunnar  syn  i^'483,  frostharpan  mann  Ket  293;  gälauss  pü  verpr  Hgsv  23; 
härsipan  mann  Hgsv  1411,  heilyndi  sitt  Hgv  68:!,  heiptyrpi  ein  Em  91, 
hugr  einn  pat  veit  Hgv  941;  rettd^mr  I>d  ser  Hgsv  121,  reykelsis  ihn 
Hgsv  1343;  SQgvisum  hal  .B^s«;  711;  vinsamlig  rQp  $Z  321,  vsengbräpir 
tvser  .?}'  241;  (/?)  illüpigr  oss  Hkm  153;  marggollin  maer  HHv  261; 
välapr  sä  verpr  Hgsv  52 3. 

J.«7W.  /.  Zweifellos  gehör/  hierher  nach  der  vers  Hqv82:  (k)  odsella's  [6.  er] 
vit.  Das  bat,  welches  in  den  ausgaben  folgt,  ist  an  den  anfang  der  xiveitcu  halb- 
xeüe  zu  stellen  oder  zu  streichen. 

Anne  2.  Der  auffallende  vers  Hqv  58 3:  sjaldan  liggjandi  ulfr  |  Iser  of  getr 
ist  vermutlich  dadurch  %u  bessern,  dass  sjaldaii  an  den,  anfang  der  ztveiten  hedb- 
zeile  gestellt  wird:  («)  liggjandi  ulfr  |  sjaldan  lser  of  getr.  Die  erste  halbxeile  wird» 
dadurch  \u  einem  regelrechten  El.  —  Ohne  alliteration  (also  verderbt)  überliefert 
ist  die  langxeile  Frn  131:  sundrbornar  mjok  |  hykk  [hygg  ek]  at  norner  se  (so  RUr; 
W  liest  segi  ek  statt  hygg  ek,  was  mit  Sijmons  als  misslungene  eonjeetur  :.a  be- 
trachten ist). 

§  48.  Auflösungen  in  El:  Für  die  vcrschleifung  der  ersten 
hebung  finden  sieh  fohlende  belege:  («)  gamansamlig  orp  Hgsv  97 \ 
getit  verpr  oss  sliks  Ls  523;  (ß)  ara  ptifu  sl  Skm  27 l,  Ifing  heitir  6 
Vm  161.  —  Häufiger  ist  die  auflösung  der  zweiten  hebung: 
(a)  Ivalda  synir  Gnu  431,  ofrmaelgi  mikil  Vm  10 3,  fimm  hundrup  dura 
Grm  23 ';  Hermöpr  ok  Bragi  Hkm  141;  skösmipr  pii  vesir  Hgv  1254; 
(ß)  Oulltoppr  ok  (jroti  EM  105;  missvefni  mikit  Ej  221;  dazu  noch 
zwei  verse,  in  denen  überschüssige  Silben  zu  sireichen  sind:  [S)  pä 
mundi   [m.  hann]  fear   Em  383;     bar  bap  [b.  hon]  mik  koma   Gg  33.  — 


DIE    RHYTHMIK:    DES    LJODHAHATTR  187 

Auflösung  beider  hebungen  kommt  einmal  in  einem  verse  vor,  in 
dem  bragarmäl  herzustellen  ist:  (ß)  varan  bipk  [bip  ek]  Jtik  vesa  fl^a 
1304  (pik  /.s7  von  Rask  ergänzt). 

Am//.  Auflösung  der  Senkung  findet  sieh  in  dem  verse:  («)  ey  manni  pat 
veitVmöö1;  ein  anderer,  zweifellos  fehlerhaft  überlieferter  vers  würde,  nach  her- 
stellung  des  bragarmäl  ebenso  gebaut  sein:  (a)  tamsvendi  [>ik  drepk  [ek  pik  drep] 
Skm261. — Auflösung  der  Senkung  und  der  x/weiten  hebung -würde,  wenn  die  Über- 
lieferung richtig  ist,  in  dem  verse  HqvlQ3  x,u  eonstatieren  sein:  («)  metnapr  honum 
broask;  jedoch  ist  wol  mit  Sijmons  hqnum  zu  streichen,  wodurch  die  halbxeile  %u 
einen/  A-verse  (A2k  Sievers)  umgewandelt  würde. 

§49.    Elnk:  (et)  likama  sinn Egsv  107 1;  trünaparmanns  Hgsv  Hb1. 

Elhk:  (a)  ofarla  [ofarliga]  flygr  Herr  433;  (ß)  horundar  hungr 
Sl  501.  Dazu  ein  vers  mit  auflösung  der  Senkung:  (a)  konungar'u 
[eru]  fimm   Kir  81. 

§  50.  E2:  (er)  oldum  hann  bergr  Herr  363;  liianvits  vant  verpr 
Hgsv 983 (nichtberücksichtigung  des  nebentons);  mottug  hon  leizk  ££103: 
(ß)  brinnrat  svä  breitt  Hgv  1523.  Da; u  einige  verse,  die  durch  her- 
stellung  des  bragarmäl  oder  durch  Streichung  überflüssiger  Wörter  auf 
das  normale  mass  gebracht  werden  müssen:  («)  bang  per  pä  gefk  [baug 
ek  per  pä  gef]  Skm  211,  gull's  [g.  er]  per  nü  reitt  i&rc  61;  mar  per 
pann  gefk  [ek  per  pann  gefj  Äftra  91;  (d)  räp  [r.  pü]  mer  nü  Frigg 
Fm  l1;    flygra  [f.  hann]  svä  stint  Hgv  150 3. 

§  51.  Auflösungen  in  E2.  Auflösung  der  ersten  hebung  ist 
nicht  bezeugt,  öfter  dagegen  die  der  ziveiten:  (er)  bäper  vit  komumk 
Skm  104;  fimbulljöp  niu  Hgv  110\  flestir  pat  vitu  Hgsv  1213,  fylkir 
per  truir  IIHv  ll3;  hjarpir  pat  vitu  Hgv  211;  vel  pü  nü  kominn 
Fj  -18 l;  pinum  kenn  sunum  i/r/st-  12 :;.  —  Streichung  überflüssiger 
Wörter  ist  in  vier  versen  vorzunehmen:  («)  lieill  ves  [v.  pü]  nü  Loki* 
Ls  531;  (;j)  yaxat  [v.  pü]  nü  Vinmr  FM  <i::  (d)  seg  [segpu]  mer  pat 
Hnikarr  Em  191,  eigi  skalt  [skaltu]  latask]  Hgsv  86  \ 

Cap.  6.  Typus  F. 
§  52.  Der  dreisilbige  F-vers,  der  nächst  A  in  La  am  beliebtesten 
ist,  zerfällt  nach  der  anordnung  der  hebungen  in  drei  untertypen:  im 
ersten  (Fl)  ruhen  die  hebungen  auf  der  ersten  und  ziveiten  silbe  (nx), 
im  ziveiten  (F2)  auf  der  ersten  und  dritten  (j.x±),  und  im  dritten 
(F3)  auf  der  ziveiten  und  dritten  silbe  {xj.-l).  Auflösungen  aller 
silben   sind  gestattet,   doch   kommt    in  Fl  nur   die  verschleifung  der 

*)  Sievers  (Proben  78)  streicht  auch  ves  und  will  den  vers  entweder  als  F 
oder  eils  A2k  bezeichnen. 

13* 


188  GERING 

ersten  hebung  vor,  und  in  ¥3  wird  die  auflösung  der  zweiten  hebung 
gemieden.  In  Fl  und  W2  tritt  an  stelle  der  Senkung  zuweilen  eine 
nebenhebung. 

§  53.  Einfache  Fl  (ohne  auflösung  und  nebenhebung):  («)  jihyggjur 
Hgsv  561,  Andhrimnir  Grm  181,  eins  drykkjar  Grm  33,  ökurmum  Hgsv 
55 \  ökvipinn  Hgsv  1361,  ulfr  gleypa  Vm  531,  umb  litask  Hgsv  76 :,  upp 
Uta  H(,v  1284;  fornkvsepi*  Hl  l3,  fröpr  pykkisk  Hgv  311;  glQggpekkinn 
Hgsv  Tii::.  göps  vsenta  Hgsv  753;  liendr  peira  S165S;  mälsefnis  Ket  313; 
yargr  hangir  Gry«,  103,  vindr  pagpi  81  57  \  vin  sinnm  i7?v  421  431,  vin 
pinura  ffp«?  1204;  |>rär  hafpar  ZS}'  501,  prüpgelmir  Vm  293;  (ß)  jarls 
ynpi  IIov  963;  mapr  manni  i7p?;  573;  (ö)  hans  aldar  7//,»?  19:!;  pä 
merkir  <S7  47 3. 

Anm.  1.  Hierher  gehört  wol  auch  der  vers:  («)  dag  hverjan  Grm  29 3  305 
fso  Hildebrand  und  Sijmons  an  beiden  stellen,  während  die  liss.  an  der  ersten 
zwischen  dag  hvern,  hverjan  dag  und  kvern  dag  schwanken,  an  der  zweiten  hveru 
dag  bieten). 

Anm.  2.  Durch  herstellung  des  bragarmäl  ist  einmal  ein  regelmässiges  Fl 
zu  gewinnen:  («)  frurs  ristk  [rist  ekj  per  Skm  37 1. 

Anm.  3.  Nebenhebung  an  stelle  der  Senkung  (jlj.  ±_)  ist  zweimal  zu  con- 
statieren:  («)  hroprs  0rverj>r  Hat  100 5;  (ß)  ill  ipgjold  Hqv  105 ::.  Dazu  ein  vers, 
dessen  zweite  hebung  auf  kurzer  silbe  ruht:  («)  viprgefendr**  Hqv413  (die  worte  ok 
endrgefendr  sind  mit  Sijmons  als  mterpolation  zu  streichen). 

§  54.  Auflösungen  in  Fl.  Verschleifung  der  ersten  hebung 
kommt  öfter  vor:  (a)  opin  rinna  Vm  163;  fei  räpa  Fm  10 *,  freka  JQtnar 
Älv  263;  Hymis  raeyjar  Ls  343;  konu  pinnar  Hgsv  23 x  991;  lapar 
purfi  Vm  83,  lopi  svipnar  Grm  l3;  marir  hristusk  HHv  283,  muni  pina 
<Sft?ra  51;  niu  rQstum  HHv  16:!;  Svalinn  heitir  Grm  381,  syni  pinuni 
Rm  63;  viku  eptir  <S7  253,  yinir  pinir  Hgsv  38 \  vinum  [»inuin  Hgsv 
303,  yinum  sirium  Hgsv  893;  (/?)  himin  hverfa  Vm  233;  priar  ßjöpar 
Fw  491. 

Anm.  1.  In  zwei  fallen  ist  durch  herstellung  des  bragarmäl  em  regelmässiger 
vers  -xu  gewinnen:  («)  forap  heitik  [ek  heiti]  Ket  18';  (y1)  Kotill  heitik  [ek  heitij 
(kominn  6r  Hrafnistu)  Ket  301. 

Anm.  2.  Sehr  auffallend  ist  der  vers:  (J)  tramar  gneypa  /SftmSO1,  efo  es 
V//;/  die  reimgesetze  verstösst ,  dass  das  dem  nomen  nachfolgende  verbum  allein 
alliteriert.     Sollte  nicht  das  im.  ley.  tramar  in  gramir   \u  ändern  sein? 

§  55.  Einfache  F2  (ohne  auflösung  und  nebenhebung):  (a)  aldar 
mg  Hov  32 3,  annars  dags  Sd  25 6,  aptr  ek  hvarf  Hyv  98 *,  ätta  nsetr 
Grm  21,    ätta  votr  Ls  233,    aumlig  norn  Rm  23,    aura  tjön  Hgsv  132 \ 

*)  Die  versteilung  bei  Srbj.  Egilsson  ist  falsch. 

**)  Die  betcniung  zu  erscheint  mir  wahrscheinlicher  als  dir  natürlich  eben- 
falls mögliche  j.^y.  (<■'). 


DIE    RHYTHMIK    DKS    LJOÜHAHATTR  189 

au]»i  frä  Sl  493,  eina  n^tt  HHv  24 3,  eldr  es  baztr  Hgv  681,  elds  es 
porf  Hgv  31,  engan  hlut  Sl  123,  englar  gups  /SZ  713,  illan  mann  7L^ 
116',  inn  Tni  bju|)  SV  43,  optlig  mein  Hgsv  961,  6|)ins  kvon  £/ 771, 
ulfa  [>ytr  FM  2m,  upp  hinn  stop  £7  51,  tirgan  stafn  Äffy  153,  ymisgjarn 
i7</sT  191,  JSgishjalm  ^  161,  JEgishjalmr  Fm  171,  öpra  krapt  Hgsv  183, 
olr  ek  varp  Hgv  141,  orr  af  per  7/j/sy  53  *,  Jarpar  burr  Ls  58  *; 

bang  pü  gef  Hgv  135 3,  Billings  ruey  L^v  96  *,  blipr  pü  verp  Hgsv 
22  *,  bragna  hvern  I/iysy  51,  bröpir  minn*  Ket  32 3,  bröpur  minn  F;«  25 3; 

dröttinn  minn  Sl  823; 

fätt  pü  msel  Lft/sfl  1251,  fleska  bazt  ft'm  183,  fljöta  raun  Hgsv 
HO1,  fullar  grindr  7/oy  75',  fyrstr  ok  ofstr  Ls  503; 

ganga  skal  JLpy  35 \  Grjoll  ok  Leiptr  Grm  28°,  glapr  ok  reifr  Hgv 
lö:i,  glyslig  orp  flijsfl  413,  göpan  mann  Hgv  1194,  gup  veit  bazt  .fit/sy 
643,  gygjar  söl  >S7  513; 

hafnarmark  HHv  30 3,  halfan  val  örm  143,  harpan  be{)**  Um?  53 3, 
haufup  f>itt  Ls  143  iüw  l3,  heimskr  es  sä  Hgsv  1143,  keljar  reip  Sl  37 x, 
herpaklett  Ls  573,  kesta  baztr  Fw  123,  Hildr  ok  I?rüpr  Grm  36 :!,  himna 
gup  67  61,  Hörn  ok  Rupr  %  8:!  (vgl  jedoch  §  82  a.  9),  horsklig  rop 
Hgsv  l3,  hrisi  vex  Grm  17  *,  Hrist  ok  Mist  Grm  361,  kvitan  skjold 
Herv  503,  kygginn  mapr  Hgsv  733,  hyggins  manns  flg'sv  1393; 

kviks  ne  daups  FM  514,  KQrmt  ok  Qrmt  Grm  291; 

lauga  vatn  *S7  50 3,  leysigaldr  ##  103,  litla  stund  JL<ysy  66 3,  ljötlig 
vomm  Hgsv  441,  lütr  ek  sat  Sl  361,  long  es  n()tt  #ä»m  43 *; 

mait  of  dvelr  Hgv  593,  uiat  ok  drykk  Sl  41,  metna[)  pinn  Hgsv 
29  *,  uiinnzk  pü  pess  iir/sy  36 3,  uiiskunsamr  Hgsv  137 \  möpur  orp 
<fy  161; 

norna  dum  Fm  ll1; 

riki  sitt  Zfyy  641,  rongu  versk  Sjijsv  953; 

sezktu  nipr  Skm  29 :;,  Sip  ok  Vip  Grm  27 x,  sjalfr  [»vi  veldr  7^/sy 
723,  Slip  ok  Hrip  Grm  284,  solar  hjort  SZ551,  Sölarljöp  ,S7  813,  svartan 
gqlt**  Lfery  413,  söl  bans  bap  Sl  241; 

skugga  sinn  fl^st;  133 3; 

tryggvan  vin  JSjjrs«;  1133,    tunga  min  Sl  443,  tvä  pü  litr  Um  213; 

vatns  es  porf  Hgv  41,  veita  mapr  Hgv  27 5  741,  Vigg  ok  Stüfr 
FM  107,  vil  ok  dul  Sl  341,  yits  es  porf  Hgv  51; 

pä  pät  fipr  iZ^y  253,  pyn  ok  Vin  Grm  27 6,  pessi  ljöp  /L/sy  811, 
pyrstr  ek  kom  Ls  61; 

*)  Zh'e  versteilung  in  den  Fornaldar  sögur  ist  falsch. 

**)  ZHe  verstcilwKj  bei  Bugge  ist  falsch. 


190  GEKIM. 

(ß)  annars  eign  Hgsv  143  43 3,  arnar  orp  Grm  32 3,  einn  hann  ät 
S12\  opt  es  ulfr  Sd  35 r';  bJQrg  ok  brim  Grm  383,  Bjort  ok  Bleik 
F)'383;  fjolp  ek  für  Fw  31  441  461  481  501  521  541;  gloggva  grein 
Hat  100  *;  heil  verpr  hver  Fj  363,  her  ok  hvar  Zfpv  67 \  hjartar  hörn 
Sl  783;  litil  lyf  Gautr  23,  Ijüfr  verpr  leipr  üpt;  353,  lopt  ok  l(?gr 
Gg  ll3;  margan  mann  Sl  591,  marga  menn  £/  CO1,  möpir  min  Äffi; 
193;  ny  ok  nip  Vm  253,  Nyt  ok  Not  Grm  283;  sä  es  stell  Hgv  91, 
sifja  silfr  #d  283,  sjalfan  sik  Hgsv  681,  sjolfum  ser  Hgsv  513,  söl  ek  sä 
Sl  391  401  411  42 1  43 l  441  45 \  sveinn  ok  sveinn  Fm  1\  synd  hans 
svall  Sl  5H;  sterklig  strij)  üfc/s?;  743;  Tagna  vers  Alv  33,  Tip  ok  V(>n 
GVm  285,  vreipiverk  Sl  261; 

(y1)  hetuiuk  Grimr  (hetnmk  Grangleri)  Grm  46  *,  hvat  par  flygr 
(hvat  par  ferr)  M48;  lgng  es  f<jr  (langir'u  farvegar)  Gg  41;  pser  of 
rep  (prer  of  reist)  Sd  131,  pser  of  vindr  Qner  of  vefr)  #d  ll3;  (y2)  hon 
her  rsepr  (ok  riki  hefr)  i<)'  83,  hverr  her  raepr  (ok  riki  hefr)  Fj  73; 

(ö)  svä  es  aupr  Hgv  753;  Freyr  es  haztr  Ls  37 J,  mJQk  es  bräpr 
lh,c  23;  pat  pü  fipr  ifr/st'  203,  pä  bat  fipr  Ä  173,  ne  ek  flygi^¥4u, 
stattu  fram  FM"  l3;  opt  hii  gaft  Ls  223,  svä  ek  gel  Hgv  1493;  fär  es 
hvatr  Fm  63;  svä  es  mapr  Hgv  50 3  62 3,  äpr  an  möpr  /S7  23,  pä  es 
möpr  I^y  233;  pü  pvi  rett  Fm  30 \  svä  ek  rist  _£Z^  157 3,  ek  pvi  raVp 
Ls  28 3;  alt  es  senn  Hgv  173,  hinn  es  ssell  Hgv  81;  hat  vas  spell 
Gautr  41;  allt  es  vant  Sd  251,  nii  pat  varp  Fj  493,  einn  ek  veit  Ls  543, 
sä  mik  vekr  FM  218,  hrornar  J>q11  £T^  50  j. 

Anm.  1.  Hierher  gehört  auch  ein  vers,  der  ohne  allitcration  überliefert, 
aber  leicht  zu  heilen  ist:  (d1)  hverr  es  karl  |  enn  kopurmäli  Ket  19 3  (die  hss.  haben 
sjä  statt  karl);  ferner  der  vers:  (et)  leysigaldr  |  Iretk  per  fyr  legg  of  kvebinn  Gg  10 3, 
ico  die  bisherigen  ausgaben  unrichtig  die  cäsur  hinter  ber  ansetzten:  die  beiden 
einen  begriff  bildenden  Wörter  ltetk  kvebinn  (=  kvepk)  können  natürlich  nicht  in 
verseil  irdenen  cershälften  steh/n.  —  Auffallend  ist  der  vers:  (ß)  ek  veit  einn  Hqv  77 3; 
natürlicher  /rare:  («)  einn  ek  veit  (rgl.  Ls  543).  —  Nach  restituierung  einer  älteren 
wortform  wären  dann  endlich  noch  hierher  xu  stellen  dieverse:  («)  hverjan  [IivernJ 
dag  Hgsv  47  \  mjok  fyrverpr  [fyrir  verpr]  Sl  27 3. 

Anm.  2.  Öfter  sind  verse  durch  herstellung  des  bragarmäl  auf  das  normale 
mass  zu  bringen:  («)  upp  ber  verpk  [u.  ek  ber  verp]  Ls  59 3;  foru's  [f.  er]  sü  grind 
Grm  22 3;  heiman  förk  [ek  för]  Herv32\  henni  lautk  [ek  laut]  5/ 4P;  lengi  satk  [ek 
sat]  i^'491;  menn  säk  [sä  ek]  pä  Sl  611  G31  641  651  661  G7 l  691  701  711  721, 
menn  säk  [sä  ek]  bar  &Z621,  meyjar  säk  [ek  sä]  Herr  63  *;  ramt's  [r.  erj  bat  tre 
Hqv  135 '  (oder:  ramt  es  tre?);  sibla  kvamk  [ek  kvam]  S/291;  (yl)  heill  sa's  [sä 
er]  kvaj)  (heill  sä's  kann)  Ilöv  137 3,  live  fyr-by[)k  [ek  fyrbyb]  (hve  fyr-banuak) 
Slwi  344;  lengi  svafk  [ok  svaf]  (lengi  sofnub  vask)  SdA1;  (<?)  hvat's  [hv.  er]  nu  ant 
Gg  21;  |>at's  []).  erj  Jjä  reynt  Hqv  78 l;  nü's  [nu  er]  bat  satt  Fj  503.  —  Eine  ganze 
anzahl  von  versen  Hessen  sich  durch  dasselbe  verfahren  xu  G -versen  machen,  doch 
ist  es  xweifelhaft ,   ob  dadurch,  der  ursprüngliche  text  hergestellt  würde.     Jedesfalls 


DIK    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  191 

wird  mau  überall  von  dem  bragarmäl  absehen  müssen,   wo  schwer  spreehbare  laut- 
eomplexe  oder  unverständlichkeiten  dadurch  entständen. 

Anm.3.  Mehrfach  sind  auch  Streichungen  überflüssiger  Wörter  vorzunehmen: 
(«)  tit  [üt  bii]  ne  komr  Vm7i;  frobr  est  [estu  nüj  gestr  Vm  19 ';  gef  [gef  bu]  hann 
burt  Hgsv  213;  hsett  [hsettu]  nü  Njorbr  Ls  36 \  hott  [h.  at]  hon  flo  -S7  463;  biggja 
[]>.  bu]  skalt  Hgsv  35 3;  (ß)  opt  es  [es  sä]  aumr  Hgsv  33 3;  I>vi  munt  [muntu]  ntest 
Ls  41  *;  (tf)  margr  es  [es  sä]  illr  Hgsv  iß;  bvärt  est  [estu]  feigr  £&»?  121,  pa  [bä 
hauu]  bat  fibr  ffic  G4::,  nü  est  [estu]  haptr  Fml'\  margr  es  [er  sä]  hvatr  Fm  243. 
Dazu  noch  ein  vers,  in  dem  zugleich  bragarmäl  hergestellt  werden  muss:  («)  veitk 
[veit  ek]  at  [at  ekj  hekk  Hqv  138  K 

§  56.  Nebenhebung  in  F2  (-l±-l)  Jcommt  mehrfach  vor: 
(a)  aldrapr  raapr  Hgsv  891,  Alfheim  Frey  Crnrc  53,  algegn  mapr  7i//.sr 
911,  algQrs  verks  iT/^s*'  933,  alsnotr  mapr  //^r  541,  ästr^p  pin  Äd  213, 
aupranns  pess  i*)'  32 3;  ödyggt  lif  Hgsv  823,  ösnjallr  niapr  .Hj?«  161, 
osnoti  mapr  Hqv  241  251  261  27 l  79\  ösvipr  mafr%  231  Hgsv  453, 
orlog  Frigg  Ls  293,  orlog  sin  Hgv  56 3  Hgsv  1211;  fäviss  mapr  Lfc/s*; 
1301;  gälauss  mapr  ify.st'  106  *,  gr(»pugr  halr  fl^z?  201;  hugsjükr  mapr 
Hgsv  1363;    simals  orp  Hgsv  40 3. 

§  57.  Auflösungen  in  F2.  —  1)  auf  der  ersten  hebung: 
(«)  Loka  pat  veit  Ls  193;  yega  J)ü  gakk  Ls  153;  pegi  X>ii  NjQr|)r  Ls 
341,  J»egi  pü  Tyr  Ls  38 x  40';  (0)  dugira  dagr  Hgsv  37 n\  gjafar  pti 
galt  Tarn  71;  Reginn  mik  rep  -Fra  22 x;  (y1)  hvapan  pü  fort  (hvapan 
fQr  gorpir)  Ly  461;  J>egi  J)ü  Frigg  (pü'st  FJQrgyns  mser)  Ls  26  *; 
(;'-')  hvapan  komr  söl  (a  enn  sletta  himin)  Vm  463;  ]>vegiim  ok  mettr 
(ri|)i  ma]>r  Jnngi  at)  Hgv  Gl1;     (6)  vasa  sä  herr  i/Äv//  93; 

Ann/.  1.  Eine  überschüssige  silbe  ist  \u  beseitigen  indem  rersc:  (ß)  ifi'ruink 
[es  mer]  ä  Hqv  107 *. 

2j  aw/  der  zweiten  liebung:  (a)  annars  konu  Hgv  1144,  aptr 
muri  koma  Fj  281,  Arfi  fa|)ir  Sl  781,  augna  gamans  /<)'  51,  augimi  fyrir 
[fyrir  augumj  Hgsv  1261,  aurgu  baki  Ls  48 3,  illu  feginn  iT^v  127 \ 
Ur[>ar  lokur  %  73,  yta*  lemill  Herv  313,  sfesta  dagir  Sl  281,  öpri  speki 
flgrsv  1403;  bokr  bann  lesi  Hgsv  54?;  glygg  bann  oask  flen;353,  grimmar 
limar  £d  233;  lieill  pü  farir  Fm  41,  holla  speki  Hgsv  1263,  Hrungnis 
bani  Ls  633;  kempr  ok  pveginn  Ein  251;  nott  verpr  feginn  Hgv  733; 
|hi't  per  (Inga  Hgsv  1183;  (/?)  fengins  fear  Hgsv  581;  garpar  gloa 
Fj  53,  gjold  af  gupi  Hgsv  1313;  hitt  bann  hugi  Hgsv  1323;  ljösan  lea 
/',)' 301;  Sapr  ok  Svipall  Gm  471;  pekkr  ok  pripi  Grm  4.G3;  (d)  svä 
raun  gefask  >SY  313,  bverju  gepi  L7^;  183; 

J.wm.  2.  Durch  Herstellung  des  bragarmäl,  Streichung  überflüssiger  Wörter 
oder  sonstige  geringfügige   änderung    sind    in  folgenden  füllen    die   rerse  auf  das 

*)  So  Bugge,  um  die  allit.  herzustellen;  lyba  eodd. 


192  GERING 

normale  mass  xu  bringen:  («)  örr  est  [ertu]  Loki  Ls  211  29 ',  olr  est  [ertu]  Loki 
Ls  47 *;  bör's  [b.  er  saj  eua  \n\\)i  Orm  GL;  mjok  ver}>r  fyrir  [fyrir  verbrj  >S7  27  3; 
(/»)  bibk  j.ik  [bip  ek]  Bragi  Ls  16»;    lett's  [Jett  er]  ber  Loki  L.s  491. 

«5^  auf  der  Senkung:  (a)  axi  vas  skätt  Gautr  43,  engi  pat  veit 
Hj?«  27 3;  fjarri  pri  gekkt  FVrc  261;  göpu  pü  fylg  JTi/sv  43,  göpu  pü  heit 
£Z  193,  goria  pau  raun  £/ 323;  leip  erumk  fjoll  FM211;  sennur  ok  q1 
Ärf  301,  SQgn  epa  pQgn  Sd  203;  (/?)  eiga  pin  oll  Ls  653;  (j/1)  svä 
hQnum  gafsk  (Sorla  göpräpa)  Sl  20 x;  (tf)  hitki  bann  fipr  Ü£w  24:!,  segpu 
pat  Freyr  Äfcw  31;  morg  eru  göp  12m  20 x;  sü  erumk  likn  Ls  35  \ 
hitki  hann  Yeit  Hgv  22 3  26 3; 

Anm.  3.  Durch  Herstellung  des  bragarmäl  oder  Streichung  überflüssiger  Wörter 
ist  in  folgenden  fällen  ein  normaler  vers  \n  gewinnen:  (ß)  galdra  mer  [bu  mer]  gal 
Og  51;  veiztu  ef  [veizt  ef  bu]  vex  FM69;  (y1)  handar  emk  [ein  ek]  vanr  (en  bu 
Hröb-vitnis)  LS391;  (<f)  veizt  [veiztu*]  ef  ek  gaf  Ls  231;  eigi  emk  [ein  ek]  haptr 
Fra  83. 

4)  aw/"  beiden  hebungen:  (a)  Gera  ok  Freka  örm  191,  Goinn 
ok  Moinn  Orm  343;  Huginn  ok  Muninn  Orm  20 *;  suapir  ok  gnapir 
Hpv  62 x;  pagalt  ok  hugalt  Hgv  151;  (£)  Gipul  ok  Ggpul  GVra  27 4; 
(y1)  simiura  at  bana  (sumum  at  bQlstofum)  Sd  303;  vaki  pü  Groa  (vaki 
pü  göp  kona)  Og  l1; 

Anm.  4.  Einmal  ist  ein  überflüssiges  toort  zu  streichen:  («)  oumk  [o.  ek]  of 
Hugin  ör*re  30 *.  —  Auffallend  ist  der  vers:  (ß)  Dahin  ok  Dvalinn  |  Duneyrr  ok 
Dyrabror  Orm  33 3,  da  in  der  langxeile  vier  gleiche  reimstäbe  stehen. 

5)  auf  der  Senkung  und  der  %iveiten  hebung:  («)  <Vbi  per 
dugi  Vm  43;  Gondul  ok  SkQgul  Hkm  l1;  sessa  ok  stapi  Ls  73  81; 
(y1)  ripa  vit  skulum  (kvap  en  rikja  SkQgul)  Hkm  131. 

Anm.  5.  Die  Streichung  eines  überflüssigen  Wortes  ist  einmal  vorzunehmen: 
(ß)  virbi  [v.  bat]  ok  viti  SU81. 

§  58.  Einfache  F3  (ohne  aufWsungen) :  (a)  hvärt  aptr  komr 
Fj  27 3,  en  orpstirr  Hgv  76 3,  äpr  jafngöpr  Hkm  20 3;  en  göpr  mapr 
Hgv  1223;  hvars  katr  vex  Hgv  1533;  en  sä  gat  Sl  63;  en  pö  leizk 
Sl  17 3;  (ß)  hann  rsepr  rö  Ls  55 3;  (d)  ne  vit  Freyr  Skm  20 3;  en  sä 
lialr  Hgsv  813,  ok  pann  lial  Hgv  1513,  en  par  Hroptr  Orm  83;  en  par 
liiQgr  Orm  173;  en  sä  rep  Sl  363;  ok  pat  sverp  Skm  83  93;  sä  einn 
yeit  Hgv  181,  ef  pat  yerpr  ö^  43,  ek  svä  Yinnk  Hgv  1553. 

Anm.  1.  Herstellung  des  bragarmäl  oder  Streichung  überflüssiger  Wörter  ist 
in  folgenden  fällen  vorzunehmen:  («)  pvit  [bviat]  äsbru.  Orm 29 5,  bvit  [bviat]  ill  r(jb 
H<iv  9d,  mJQk's  [m.  es]  ösripr  JW371,  hvars  [hvars  jn'ij  ol  drekkr  Höv  1364,  bvi's  [pvi 
er]  <{lbr  bazt  Hqv  14:l;  hvars  [hv.  ]>uj  bol  kaut  i/r^-1264;  ef  [efbü]  viu  ätt  HgsvIV; 
(y)  svä  af  ristk  [svä  ek  {tat  af  rist]   (sem  J>ät  a  reistk)  Skm  37  :l,   hvi  [hvi  bu]  einn 

*)  veiztu  streicht  Sijmons,  aber  ef  ek  gaf  ist  ein  unmöglicher  vers. 


DIE    RHYTHMIK    DBS    LJODHAHATTR  193 

sitr  (endlanga  sali)  SkmS3\     (tf)  bo  hins   g-etk   [bo  ek   hins  get]  Skm24-3;    ef  [ef  bu] 
bat  lygr  i5'453;    ef  [ef  bu]  bat  inant  ß#  l3. 

An m.  2.  Unmöglich  ist  der  vers:  ]>vit  reipr  |  fyllisk  rangs  hugar  Hgsv  §7* 
(Scheving  setzt  die  cäsur  unrichtig  nach  fyllisk);  man  lese:  («)  [lvit  reibr  maj>r.  — 
Ohne  alliteratioii  überliefert  ist  der  vers:  svä  es  sä  mabr  |  sem  hefir  aub  fear  Hgsv 
14P;   vermutlieh  ist  \u  lesen:  (ß)  svä's  sä  mapr  |  es  he  fr  morb  fear. 

§  59.  Auflösungen  in  F  3.  —  ij  m//  der  ersten  hebung: 
(a)  enn  yari  gestr  H$v  71,  a  yegum  allr  Gg  53; 

J.mm.  2.  Durch  herstellung  des  bragarmal  oelcr  Streichung  überflüssiger  silben 
sind  in  folgenden  fällen  die  rerse  auf  das  normale  mass  \u  bringen:  (a)  bvit 
[bviat]  hvatan  mann  Fm  28 3,  bars  [bar  er]  Regina  liggr  Fw  37 ;!,  j>6  [en  bo]  vita 
far  jfy433. 

2J  aw/"  der  Senkung:  (a)  pa  ek  mqg  gat  Ls  353;  (d)  esa  svä 
gott  Hgv  12 x;    esa  I>at  lirtft  Km  123. 

Ann/.  2.  Eine  überschüssige  silbe  ist  zu  entfernen  in  den  rersen:  (8)  nema 
einn  [sä  einn]  oss  Ls  ll3;     (d1)  vesat  [ver  [)ü  ei]  svä  aumr  Hgsv  1241. 

J.m».  5.  Zweisilbige  unversehleifbare  Senkung  ist  einmal  bezeugt:  («)  eu 
vib  vio  eitt   Grm  19 3. 

Cap.  6.     Typus  G  (^4 

§  60.  Zu  dem  nur  aus  zwei  gehobenen  silben  bestehenden  G- 
verse  ist  nur  xu  bemerken,  dass  auch  hier  aufWsung  der  ersten  wie 
der  zweiten  hebung  gestattet  ist. 

§  61.  Einfache  G-vcrse  (ohne  auflösung):  («)  ärstraumr  Grm 
213,  aumr  mapr  Hgsv  105 \  eiskold  Fm  313,  ills  manns  Gaulr  l8,  ungr 
sveinn  Gautr  51;  fripsamr  Hgsv  631,  fötr  hans  £7  553;  gott  rap  Hgsv 
901;  höt  pin  27w  93,  Hugsvinns  Hgsv  1391;  mal  hvert  Hgsv  731; 
(/J)  langt  lif  £H  37 3,  pytr  pund  Grm  211;  fr1)  deyr  fe  (deyja  fnendr) 
H(w  761  771  Hkm  211;  heill  dagr  (heilir  dags  synir)  Sd  21;  (y2)  vitr 
mapr  (es  fyr  nieinum  verpr)  .Hi/sü  751;  (d)  hver  gJQld  Em  33,  ofr- 
gjgld  Rm  41. 

J.«/«.  2.  2^'e  beiden  S-verse  sind  auffallend ,  besonders  der  letzte,  in  welchem 
die  alliteration  auf  dem  zweiten  gliede  des  compositums  ruht.  Ist  etwa  in  der 
zweiten  halbzeile  zu  ändern:  hojba  synir,  alda  synir? 

§  62.  Auflösungen  in  G.  —  1)  auf  der  ersten  hebung: 
(a)  bana  sinn  Hgsv  10 11;  dvalarheim  Sl  35 3;  fear  sins  Hgv  39 *;  Glasir 
stendr  FMV;  mepalsnotr  Hgv  541  551  561,  mikit  eitt  Hgv  521,  mikit 
vatn  i27/sv  1281;  rata  munn  IZj?t>  1041;  skipa  bazt  Grm  433,  skua  tvä 
Gautr  l1;    yesall  mapr  Hjfo  22 ';    priar  rytr  Grm  Sl1;     {ß)  fjoturr  fastr* 

*)  Z)*e  versteilung  der  ausgaben  ist  falsch. 


194  GERING 

Fj  103,  Framarr  fyrr*  Ket  343.  —  Dazu  ein  vers,  in  dem   bragarmäl 
herzustellen  ist:  («)  fara  säk  [ek  sä]  Herv  541. 

Anm.  Verderbt  ist  der  vers:  sumar  hvar  |  es  meim  blöta  f)?er;  vgl.  §  81, 
anm.  4. 

2)  auf  der  zweiten  Hebung:  («)  einn  vita  Hejv  633,  JQrp  bifask 
Skm  143;  heimsliga  Qautr  21;  meldropa  Vm  14:!;  (d)  pess  vipar 
fl^to  60 3. 

Cap.  8.     SchAvellverse. 

§  63.  Der  dreihebige  schwellvers,  der  mit  der  zweiten  hebung  in 
einen  zweiten  beliebigen  typus  übergleitet,  also  gewisser  massen  aus 
zwei  gleichen  oder  verschiedenartigen  typen  zusammengesetzt  ist,  darf 
bekanntlich  als  der  normale  vers  der  vollxeile  gelten.  Er  kommt  jedoch 
auch,  wenn  auch  nicht  allzu  häufig,  in  den  beiden  Hälften  der  lang- 
weile vor.  Die  Überlieferung  ist  noch  schlechter  eds  in  den  ungeschw eilten 
typen  A — O,  daher  müssen,  um  glatte  verse  zu  gewinnen,  kürzungen 
(durch  Herstellung  des  bragarmal  und  Streichung  von  überflüssigen 
Wörtern)  und  Umstellungen  häufig  vorgenommen  iverden. 

Die  alliteration  ist  in  La  meist  einfach  und  ruht  in  diesem  falle 
gewohnlich  auf  der  ersten  Hebung  (al),  zuweilen  auf  der  zweiten  (a  2) 
und  sehr  selten  auf  der  dritten  (S).  Doppelalliteration  (ß)  und  neben- 
a/litcrafiou  (y)  sind  jedoch  auch  mehrfach  belegt;  die  reimstäbe  fallen 
dann  entweder  auf  die  erste  und  zweite  hebung  (ßl.2;  y  1.  2)  oder  auf 
die  erste  und  dritte  (ß  1.  3;  y  1.  3)  oder  auf  die  zweite  und  dritte  (ß  2.  3; 

r  2.  3). 

Die  beispiele  sind  nach  dem  vorgange  von  Sievers  nach  dem  mit 
der  zweiten  hebung  einsetzenden  schlusslgpus  des  verses  geordnet.  Um 
den  bau  der  verse  anschaulicher  \u  machen,  ist  der  schluss  des  ersten 
fusses  durch  einen  über  der  zeile  stehenden,  der  an  fang  des  letzten 
fusses  durch  einen  unter  der  zeile  stehenden  senkrechten  strich  be- 
zeichnet worden. 

§  64.  A-verse.  —  1)  AA  (jj.xl_ix._ix):  (al)  ormar  fleiri  liggja 
llrm  341;  gneggja  mvndir  [m.  {>ü]  Atli  IIIIc  201;  lifna  mundak  [munda 
ek  im]  kjösa  III [II 2 l3;  reini  munk  per  [man  per  ek]  pykkja  HHv2\i\ 
(ßl.  2)  Fimbul-fambi  heitir  Höv  102r>;  yeitk  [veit  ek]  ef  [ef  pü]  vaxa 
nsepir  Fm  71;  (/?1.3)  afli  minu  attak  [atta  ek]  Fm  263,  mergi  stiuera 
melpak  [malpa  ek]**  Ls  433;  02  2.3)  veizt  [voiztu]  ef  [ef  ek]  epli  afettak 
Ls  43  *,  veizt  [veiztu]  ef  [ef  ek]  inui  sfettak  Ls  27 x; 

*)  Die  Verstellung  Fas.  II,  13~>  ist  ganz   unmöglich. 
**)  Die  Verstellung  l/ei  Ilildcbrand  und  Sijmons  halte  ich  für  unrichtig. 


DIE   RHYTHMIK    DES    L.70DHAHATTR  195 

Anni.  1.  Ver Schleifung  der  x/weiten  hebung  ist  zweimal  bezeugt:  («1)  J>rinn- 
ar  niundir  meyja  HIIv  28 ';  («2)  veizt  [veiztu]  ef  fQpur  ne  attat  Fm  31.  —  Neben- 
hebung im  7.  fusse  kommt  zweimal  vor  bei  gleichzeitiger  auflösung  der  2.  Senkung : 
(a  1)  Grlabsheinir  heitir  eim  firnti   Qrm  81;    prymheimr  heitir  enn  setti  Grm  11'. 

Anm.  2.  Zweimal 'findet  sich  zweisilbige  nicht  verschleifbare  Senkung  im 
1.  bez.  2.  fusse:  («2)  veitk  [veit  ek]  ef  fyr  ütan  vaerak  Ls  141;  ((5  1.3)  mäni  heitir 
mej)  inqnnum  Air  141. 

2)  A*A  {.L  x  x  I  .L  x  '  x).  Zter  fa/pws  A*1A  (nebenhebung  auf  der 
zweiten  silbe)  kommt  zweimal  cor:  (a  1)  öminnis  hegri  heitir  i7pü  131; 
das  zweite  beispiel  hat  verschleifung  der  ersten  hebung  find  der  ersten 
Senkung:  («  1)  Lopirin  heitir  es  pik  skal  eiga  HHv  251.  -  A*2A 
(nebenhebung  auf  der  dritten  silbe)  ist  zweimal  bezeugt:  («  1)  Breipa- 
blik'rü  [eru]  en  sjaimdu  Qrm  121;  Sokkvabekkr  heitir  enn  fjörpi  Grm  V 
(verschleifung  der  zweiten  Senkung). 

3)  BA  (x  j.  I  x  j.  x  '  x).  Nur  ein  beispiet:  (et  1)  of  rünar  heyrpak 
[heyrpa  ek]  doma  Hgv  HO5. 

4)  CA  (x-l  I  ±x  'x):  («1)  at  undrsjönum  verpir  [pu  verpir]  SÄ»w 
281;  at  Bolverki  spurpu  fl»eir  sp.]  Hgv  1084;  ((01.3)  pvit  [pviat]  jorp 
tekr  vip  oldri  üfyy  1365;  til  hrimpursa  hallar  Skm  353;  (y  1.3)  a  jarp- 
fQstnm  steini  (stöpk  innan  dura)  Gg  153; 

Anm.  3.  Verschleifung  der  './reitet/  hebung  kommt  einmal  vor:  (<f)  en  [>ä 
j>< .iir  [m  etki  Ls  58 3. 

oj  DA  (-ü  \jlx.j-x):  (a  1)  inn  bip  [bip  bii]  bann  ganga  Skm  161; 
(«2)  brimr  orpurn  senna  7/ör  12-A4:  (/?1.  3)  all  göl  hann  osum  Hgv 
1603,  ol  gorpir  [g.  pu]  JSgir  L.v  65  \  pat  kann  ek  pripja  Hgv  148 \  bat 
raepk  per  pripja  &/  241;  (/  1.  3)  Gifr  lieitir  annarr  (en  Greri  annarr) 
Fj  201,  Hei  byr  und  etnni  (annarri  Hrimpursar)  Grm  313,  pann  gelk 
[gel  ek]  per  fyrstan  (pann  kvepa  fjolnytan)  Gg  61,  pat  kanuk  [kann  ek] 
et  setta  (ef  mik  sserir  pegn)  Hgv  1511;  (ö)  pann  gelk  [gel  ek]  per  annan 
Gg  71,  pat  raepk  [rsep  ek]  per  annat  Sd  23 *,  pat  kannk  [kann  ek]  et 
ätta  fl^j  153 l,  pö  hafpak  [hafpa  ek  pat]  S&tlat  Skm  383;  hvat  mselti 
Opinn  Vm  543  Herv  66 3;  pvi  bregpr  [b.  pü  nü]  mer  Fäfhir  Fm  81,  pat 
kannk  [kann  ek]  et  finita  Hgv  1501,  pat  kannk  [kann  ek]  et  fjörpa 
Hgv  1491,  raargr  reynisk  hygginn  Hgsv  62:!;  hvi  namt  [namtu]  hann 
sigri  Eir  61;  pat  kannk  [kann  ek]  et  tolfta  Hgv  1571.  —  In  dem  verse: 
pat  kannk  [kann  ek]  et  sjaunda  Hgv  1521  fehlt  die  alliteration ,  doch 
steckt  der  fehler  wol  in  der  zweiten  halbzeile. 

Ann/.  4.  Verschleifung  der  ersten  hebung  f///det  siel/  in  dem  verse: 
(S)  hverir  räba  jpsir  Vm  50 3.  —  Häufig  ist  auflösungder  binnensenkung:  («l)fe 
lata  |iik  tsela  Hgsv  431;  sky  heita  me{i  mQunum  Alv  18 ';  (ß  1.  3)  bann  gelk  [gel  ek] 
ber  enn  Jnibja  Gg  81;  (<f)  bann  gelk  [gel  ek]  ber  enn  ätta  Gg  13 ',  bat  rsebk  [rseb 
ek]  ber  et  ätta  &Z  32 *,  bann  gelk  [gel  ek]  ber  enn  finita  Gg  10 x,  bat  nebk  [rreb  ek] 


196  GERINO 

per  et  fimta  Sd  28 *•,  ftann  gelk  [gel  ek]  ber  enn  fjorjia  Gg  91,  bat  rsebk  [ra?b  ek]  |ier 
et  fjörba  Sd  26 ',  bat  rsebk  [rsep  ek]  Jjer  et  fyrsta  Sd  221,  pann  gelk  [gel  ek]  [jer  enn 
setta  Qg  ll1,  pat  rsepk  [rsep  ek]  [ter  et  setta  &/291,  ]>ann  gelk  [gel  ek]  [>er  enn 
sjaunda  6V/121,  [tat  raepk  [rsep  ek]  per  et  sjaunda  &"/  311.  —  Verschleifung  der 
zweiten  hebung  lässt  sich  auch  durch  einige  beispiele  belegen:  (S)  |>at  kanuk 
[kann  ek]  et  niunda  Hqv  1541,  jiat  kanuk  [kann  ck]  et  tiuuda  Hqv  155 '.  —  Ver- 
schleifung  der  binnensenkung  und  der  zweiten  hebung  kommt  ebenfalls  ein 
'paarmal  vor:  {$)  f>ann  gelk  [gel  ek]  per  enn  niunda  Gg  l±l,  ]<at  rgepk  [rsep  ek]  per 
et  niunda  Sd  33  \  pat  reepk  [rsep  ekj  [»er  et  tiunda  Sd  35  K 

Anm.  5.  Zweisilbige  nicht  versehleifbare  binnensenkung  ist  in 
folgenden  versen  tu  statuieren:  («  1)  eldr  heitir  meb  mQnnum  Alv  26 \  0,1  heitir  mej) 
monnum  AZ#  341,  jorb  heitir  meb  monnum  Ji/r  10 ';  bygg  heitir  meb  mQnnum  Alv 
32l;  fagrt  skalt  [skaltu]  vib  bann  msela  Hör  45 :i;  logn  heitir  mep  monnum  J.^321; 
nött  heitir  meb  mQnnum  A/^301;  sul  heitir  me|>  monnum  Ji^lö1,  sser  heitir  meb 
m<jnnum  Alv  24';  vindr  heitir  meb  mQnnum  J.fe  20 ',  vipr  heitir  nie])  mQnnum  Alv  28 x. 
iw  s/re/  hierher  gehörigen  versen  findet  zugleich  versehleifung  der  ersten  hebung 
statt:  ((( 1)  ge])i  skalt  [skaltu]  vip  pann  blanda  Hqv  443;  (ß  1.  2)  himinn  heitir  nie]) 
monnum  Alv  12  *. 

^1«>».  6.  Verkürzung  der  -./reiten  hebung  vor  einer  nebenhebung  ist  ivol  an- 
zunehmen in  dem  verse:  {ß\.2)  skor's  [sk.  er]  skapapr  illa  Hqv  125 6. 

Anm.  7.  Ein  DA'  mit  verkürzter  nebenhebung  scheint  vorzuliegen  in  dem 
verse:  (/S  1.  3)  vipkunnari  [v.  pu]  verjtir  Skm  284. 

§65.  B-verse.  —  1)  AB  U-  x  '  jl  .  x  j) :  (al)  annan  sömir  ßer 
Hgsv  443,  annars  purfi  verpr  fljjrsfl  1003,  Atle  gakk  [g.  pü]  a  land  HHv 
22 x,  engan  |>ü  fyrlit  Hgsv  62  \  ütar  hverfa  |>ess  7<J  163;  disir  bip  [>u 
|>er  £7  251;  hlaeja  skalt  [skaltu]  vih  beim  5j?v  46 3,  sott  ok  daubi  komr 
Hgsv  47 3;  (a  2)  veizt  [veiztu]  ef  fyrstr  ok  ofstr  Ls  511;  (/t?  1.  2)  fjarra- 
fleina  bik  Alv  53;  (/  1.  3)  s0m])aror|)a  lauss  (hefr  bü.  seggr  of  lifat) 
Fj  33;     (d)  vänarstjarna  flaug  Sl  461  (höchst  auffallende  alliteration!). 

Anm.  1.  Auflösung  der  dritten  hebung  ist  dreimal  bezeugt:  («  1)  haldit 
mapr  ä  keri  Hqv  19  \  pinum  kenn  bü  sunum  Hgsv  42 3;  (/iL  3)  Silfrintoppr  ok  Sinir 
FM 109;  einmal  in  einem  w  emendierenden  verse  auflösung  der  ersten  Senkung 
und  der  dritten  hebung :  («  2)  veizt  ef  a  hjmvi  skulumk  [veiztu  ef  mik  a  hj.  skulu] 
Ls  501.  —  Nebenhebung  im  ersten  fusse  kommt  mehrmals  vor:  (ß  1.  2)  Alsvipr 
jotnum  fyrir  Hqv  143  8 (auflösung  der  dritten  hebung),  Heiprun  heitir  geit  Qrm251\ 
(ß  1.  3)  Yigripr  heitir  vollr  Vm  18 1;  (y-)  VinQ  heitir  ein  (ounar  Vegsviun)  Grm  28 l.  — 
Zweisilbige  nicht  v  er  schleif  bare  binnensenkung  im  ersten  fusse  ist  drei- 
mal bezeugt:  (y  1.  2)  veiztu  live  bibja  skal  (veiztu  hve  blota  skal)  Hqv  1443,  veiztu  hve 
rista  skal  (veiztu  hve  rä[ia  skal)  Hqv  1441,  veiztu  hve  senda  skal  (veiztu  hve  soa  skal) 
Hqv  144*. 

Anm.  2.  Verderbt  (weil  ohne  alliteration)  überliefert  ist  der  vers  Ls  39 3: 
ulfgi  hefr  ok  vel  |  es  i  bondum  skal.  Ich  vermute,  dass  boudum  durch  JQrnum  vu 
ersetzen  ist;  vgl. Fms. XI, 288 :  [ieir  brcßbr  satu  bar  i  järnuin. 

2)  A*B  (zixU,x4  Nur  zwei  belege:  (ß  1.  2)  Hrimgrimnir 
heitir  pars  Skm  351;  (/J2.3)  Eikpyrnir  heitir  hjortr  Grm  26l  (höchst 
auffallende  alliteration !). 


DIE   RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  197 

Anm.3.  Ein  vers  A*B  mit  Verkürzung  der  ersten  liebung  vor  nachfolgen- 
der nebenhebung  ist  einmal  überliefert:  («  1)  gamalla  oxna  uofn  EM\\'\ 

3)  CB  (x^.l^,x^):  (al)  J>vit  [pviat]   ägaetlig  ljöp  Hgsv  91 3,   fyr 

Eiriki  glymr  Mr  33,  J>vit  Qiviat]  öbrigpra  vin  iJpy  65;  enn  fräneygi 
sveinn  Fw?  53;     (a  2)  of  sik  jptlar  sä  7/^sy  323; 

Anm.  4.  Verkürzung  der  zweiten  hebung  kommt  einmal  vor:  («)  en 
övinar  sins  Hör  43*.  Dazu  zwei  verse  mit  versehleifung  der  Schlusshebung:  («l)ok 
andligar  sogur  7//2;!;  (/9 1.  3)  es  Häkoiii  hafa*  HkmlO3.  Derselbe  ty)>tts  mit  ver- 
sehleifung der  eingangssenkung  und  sehlusshebung  ist  durch  leichte  emendierung 
eines  offenbar  fehlerhaft  überlieferten  verses  \n  gewinnen:  («1)  nema  Griinnlapar 
Dytak  [ef  ek  G.  ne  n.]  Hör  107 3. 

Ann/.  5.  Versehleifung  der  ersten  hebung  ist  einmal  bezeugt:  («1)  en 
firinilla  mser  Skm  33  :;  mehrere  male  versehleifung  der  sehlusshebung:  («1)  pat's 
f J.at  er]  övist  at  vita  Fm24\  pvit  [pviat]  ovist's  [6.  er]  at  vita  Hqv383  Eirß3;  opt 
b<jlvisar  konur  Sd273\  Jivit  [|>vi]  himneska  skipun  Hgsvbö3.  Ein  hierher  gehöriger 
vers  hat  ausserdem  (ine  zweisilbige  nicht  versehleifbare  eingangssenkung:  (ßl.3)kalla 
vindofni  vaiiir  Air  12 2. 

4)  DB  (j.\ jl  x j):  (al)  Skoll  heitir  ulfr  firm  39',  j>at  kaupir  sä 
S7  623;  (/S1.2)  hjglp  heitir  eitt  Hgv  1463,  vaskr  yerpa  skalt  Hgsv  83- 
(y2)  Hlif  heitir  ein  (onnur  Hlifprasa)  I7  381;  (<$)  enn  vill  J)ü  Frigg 
Ls  281,  svä  kvam  ek  naest  Hgv  991.  -  M/w/  ew?  /rr^  w//  versehlei- 
fung der  ersten  hebung:  (cd)  svipum  hefk  [hefi  ek]  nü  ypt  Gnu 
451;  umhin  vers  mit  versehleifung  der  sehlusshebung:  (;>2.3)  hitt 
viljak  yita  Vm  33  f<Y«s  storÄ  betonte  hitt  ww&s  unbedingt  eine  hebung 
tragen) . 

§  1)6.  C- verse.  —  ij  JC  (^xlz  zx).  Einfaches  AG  (ohne  ver- 
sehleifung und  Verkürzung)  ist  nur  durch  wenige  beispiele  vertreten: 
(ßl)  allir  f>ann  lasta  Hgsv  603;  ungr  skal  \)\i  venjask  Hgsv  311:  norJ)an 
säk  [sä  ek]  ripa  Sl  561;  vestan  säk  [sä  ek]  fljüga  £2  541;  (/?  2.  3)  [»vi 
emk  [em  ek]  hör  hiöfugr  Ls  453.  Daxu  ein  oft  widerholter  vers 
der  Hgvamgl  mit  zweisilbiger  nicht  verschleifbarer  binnensenkung : 
(al)  rubumk  ber  Loddfäfnir  Hgv  11 11  1121  1141  1151  1161  1181  1191 
1201  1211  1241  1251  1261   1271  1281  1291  1301  1311  1341  1361. 

Anm.  1.  Ohne  alliteration  (also  fehlerhaft)  überliefert)  ist  der  vers  Sl  30 ': 
syndir  pvi  valda  |  at  ver  hryggvir  fyrum.  Vielleicht  ist  zu  emendieren :  («  1)  syndir 
|)\]  valda  |  at  sorgfullir  forum  (sehwellvers  in  jeder  halbzeile). 

Anm.  2.  Auflösung  der  ersten  hebung  findet  sieh  in  einem  verse,  der 
dreifache  alliteration  zu  haben  seheint:  (ß  1.  2.  3)  hina  vilt  heldr  Helgi  HHc  20 l. — 
Auflösung  der  binnensenkung  kommt  ebenfalls  einmal  vor:  («  1)  hirtir'u  [eru] 
auk  fjorir  Grm  33  *.  —  Dreisilbige  binnensenkung  (mit  versehleifung  der 
letzten  beiden  silben)  hat  der  vers:  (ß  1.  2)  allar  vora  af  skafnar  Sd  18 x. 

*)  Zur  betonung  vgl.  den  drottkvaett-»ers  des  Qlümr  Geirason  (Hkr  I,  22413) : 
reyr  Häkonar  drevra. 


198  GERING 

Anm.  3.  Verkürzung  der  dritten  hebung  kommt  ein  'paarmal  vor: 
(«  1)  üt  af  beim  \qgam  Hgsv  L33;  (ß  2.  3)  heima  glabr  gxinii  Hqv  1021;  (j'  2.  3)  betra's 
|betra  er]  ö-be|>it  (an  se  of-hlotit)  Hqv  1451  (betra  nimmt  wol  nicht  an  der  alli- 
teration  teil).  Dazu  ein  vers  mit  xweisilbiger  binnensenkung :  («  2)  hitt  viljak 
fyrst  vita  Vm  6 3. 

Anm.  4.  Katalektische  AC  sind  wol  %u  statuieren  in  den  versen:  (/S  1.  2)  heill 
ves  [ves  bü  im]  heldr  sveinn  Skm  S81;  (yl.  2)  vei'ztu  hve  faa  skal  (veiztu  live  freista 
skal)  ifyv  1444  (xweisilb.  binnensenkung). 

2)  A*C  (zixlz.^x):  (al)  bjargrünar  skalt  [skaltu]  kunna  $d  81, 
Tbrimrünar  skalt  [skaltu]  kunna  Sd  91,  hugiünar  skalt  [skaltu]  kunna 
Sd  121,  limrtinar  skalt  [skaltu]  kunna  6VZ  101,  mälrünar  skalt  [skaltu] 
kunna  Sd  ll1,  sigrunar  skalt  [pii  skalt]  kunna  Sd  61;  Noatün 'ru  [eru] 
en  elliftu  GWra  16  *  (verschhifung  der  ersten  hebung  und  der  binnen- 
senkung); (ct2)  l>at  nepk  per  et  ellifta  Sd  37  *  (verschhifung  der  binnen- 
senkung): (ß  1.  2)  annarra  ögsefu  Hijrsv  116 !,  einmseli  annarra  Hgsv 
321,  Sigmuudr  ok  Sinfjgtli  Eir  41;  (/?  1.  3)  jlvitulaust  ella  i^sy  313; 
(y  1.  3)  olrünar  skalt  [skaltu]  kunna  (ef  pü  vill  annars  kvren)  Sdl1. 

3)  BC  (x j.\  x -l j.y)\  (al)  pvit  [pvi  at]  fjallavgtn  lukpusk  S/453, 
ä  gorpum  ser  peira  Hkv  191.  D«,v.zt  em  vers  mit  Verkürzung  der 
letzten  hebung  (BC2):  (ß  1.  2)  vi])  haulvi  k^rogi  J9(5t>  1367;  ein  vers 
mit  ziveisilbiger  unverschleif  barer  eingangssenkung:  (al)  siz 
i  kanzka  pumlungi  Ls  60:!;  und  ein  vers  mit  v  er  Schleifung  der 
zweiten  hebung:  (ßl.2)  enn  aldna  JQtun  suttak  [ek  sötta]  Hqv  1031. 

4)  ^'(xzlz^x):  (al)  put  tvser  geitr  eigi  Hqv  36 3;  (a  2)  ä  sik 
I>an  trüpu*  *S7  17  * 

5j  DO  (-i  I  j.  '  x).  i\rw  ein  beispiel  mit  auflösung  der  zweiten 
hebung:  (d)  opt  sparir  leipum  Hqv  39 3. 

§  67.  D-verse.  —  1)  AD*  (zxlix.ixx).  iVW  £«m  beispieh, 
die  beide  die  nebenhebung  auf  der  zweiten  silbe  des  dritten  fusses 
haben:  (al)  ßatatoskr  heitir  ikomi  Grm  32 1  (verschhifung  der  ersten 
hebung  und  nebenhebung  im  ersten  fusse) ;  (ß  1.  3)  iltta  kundrup  ein- 
herja  Grm  233. 

2)  BD.  Nur  ein  beispiel  für  BDlnk  (x  jl.  I  x  2.  '  ^  x):  (/?  1.  2)  mep 
jHirsi  prikQfpupum  Sforc  311. 

3)  DD*  (zUx  'ix):  (a)  J>at  kannk  [kann  ek]  et  fimtända 
Hqv  1601;  (0)  Jmt  kannk  [kann  ek]  et  prettanda  Hqv  1581;  (d)  pat 
kannk  [kann  ek]  et  ellifta  (fjogrtända,  sextända,  sjautanda,  ätjända) 
llnr  156 '  1591  1 G l1  1621  1631.  —  Dass  diese  verse  hierher  und  nicht 
zum   tgpus  C  zu  stellen  sind,    beweist    WO1,    wo  das  einleitende  pat 

*)  Bugge  halt  -X  für  das  reimwort! 


DIE    RHYTHMIK    BUS    L.ToDIIAHATTR 


199 


alliteriert  (anders  Sijmons  x.  st.);  ich  habe  daher  auch  1581  als  vers 
mit  alliteration  ß  angesetzt. 

§  68.  E-verse.  —  1)  AE.  Nur  zwei  beisjnele  für  AE2 
Uxl-tx  *..->):  («1)  Blöpughöfi  bot  hestr  FM 1011;  QJ1.2)  opt  pat 
ellibjügr  man  Hgsv  1173. 

2)  DE.  Nur  der  tgpus  BEI  (_^l_^>_x  ')  ist  einmal  vertreten: 
(a  1)  fjolkuunigri  konu  Hgv  1 1 2 4  (auflösung  der  schlusshebung). 

§  69.     Z«'e?    laugzeilen   sind   verstümmelt   überliefert  und  nicht 
mit  Sicherheit  \u  heilen:  hvar  ytar  tünum  i  .  .  .  F/«  40 :!,   sumur  hvar  | 
es  nieim   blöta  pser  Fj  401.     Der  visuhelmingr,  zu  dem  der  erste  von 
diesen  verseu  gehört,  lässt  sich  vielleicht  folgendermassen  herstellen: 
hvar  yta  synir         Qplings  timom  i 
hQggvask  hverjan  dag? 
Der  erste  halbvers  der  langxeile  iväre  ein  Ba  tnii  auflösung  ihr  zweiten 
hebung. 


B.     Der  zweite  halbvers  (Lb). 

§  70.  Die  charakteristische  eigeutümliehkeit  des  zweiten  halb- 
verses  ist  seine  Vorliebe  für  eingangssenkungen  und  auftakle:  es  scheint, 
als  ob  die  dichter  einen  tüchtigen  anlauf  für  nötig  ei'achtet  hätten,  um 
den  hauptstab,  der  in  der  regel  auf  der  ersten  hebung  ruht,  mit  dein 
gehörigen  uachdruck  herauszubringen.  Daher  sind  die  typen  Bund  C 
am  meisten  verwendet,  und  zwar  ist  in  beiden  die  xiveisilbige  ein- 
gangssenkung  bevorzugt,  die  nicht  beseitigt  werden  darf. 

Cap.  9.     Typus  A. 
I.  Der  gewöhnliche  A-vers  ohne  nebenhebungen. 

§  71.  Der  regelmässige  viersilbige  A-vers  ist  i?i  Lb  nicht  häufig: 
(a)  andalausir  Herv  393;  illt  bann  lmgpi  Sl  51;  foapmr  ör  häri  Grm 
408;  dröttins  mala  Sl  25 *;  Gestumblindi  Herv  316,  gott  es  annars  Sl 
193;  handar  vseni  Hgv  732  (vgl.  §  117),  hellu  Ijösta  Herv  403,  hinzta 
sinni  Sl  413,  hvergi  settisk  Sl  463;  minni  pötti  Skm  433,  moldu  glikar 
Herv  631;  seggr  enn  uDgi  Skm  41,  snimma  kallapr  Sl  29 J;  purrum 
tQruni  FM  512. 

Anm.  1.  Hierher  würde  cuieli  der  verstümmelt  überlieferte  vers  Hqv  40 3  ge- 
hören, falls  die  ergänxnng  der  Herausgeber  das  richtige  getroffen  iiat :  («)  svägi 
(gJQflan).  —  Der  ß-vers  ongva  eina  Ket  17 :;  kann  nicht  richtig  sein,  da  er  gegen 
die  reimgesetxe  verstösst;   s.  oben  §  31,  uhih. 


200  GERING 

Ami).  2.  Ein  paarmal  kann  durch  Herstellung  des  bragarmäl  oder  durch 
einführung  kürzerer  parallelformen  der  vers  auf  das  normale  mass  gebracht  werden: 

(«)  Siik   [sä   ek]   og  hugjiak  Hör  HO3;     (y1)  live  fyrbarmak   [ek  fyrbanna]   Skm  344; 
(<f)  risib  suarla  [snarliga]  Eir  41. 

§  72.  Ver Schleifungen.  1)  auflösung  der  ersten  hebung: 
(a)  mima  J)er  verpa  Air  81;    {y2)  hafask  und  Linda  Hiev  243. 

Anm.  1.  Der  ß-vers  Grm  49'  alliteriert  nur  in  sich  selbst,  nicht  mit  der 
ersten  halbzeile:  (J)r6r  bingum  at)  |  Vibuir  at  vigum.  —  Ausserdem  gehört  wol 
hierher  der  vers  Hgsv  102 2:  roki  halir  sva,  der  zweifellos  durch  Umstellung  \u 
he  Um  ist:  («)  halir  sva  roki. 

2)  auflösung  der  ersten  Senkung:  (a)  illa  at  lasta  Hgsv  443; 
finna  ne  mottu  Ls  463;  liverjum  at  segja*  Alv  8:!;  Siekin  ok  Mkm 
Grm  27  *;  (y)  J)ser'u  me\)  olfum  Sd  18 4;  (ö)  mimt  euum  J>roska 
Skm  39 3. 

Anm.  2.  Hierher  gehört  vermutlich  auch  der  vers  Sl  43:  («)  gobu  honurn 
beindi,  wo  gobu  *«  göbs  ssw  bessern  ist. 

II.    Der  gewöhnliche  A-vers  mit  nebenhebungen. 

§  73.  ij  Nebenhebung  im  ersten  fusse  (A2)  kommt  öfter  vor. 
Nur  einmal  steht  die  zweite  hebung  auf  langer  silbe  (A2h2l)  : 
(a)  Bolverkr  Fjolnir  Grm  47 3;  in  den  übrigen  fällen  ist  die  zweite 
hebung  verkürzt  (A2h2k) :  (a)  fyr  mer  saman  Sl  453  (auffallende 
alliteration!);  kann  lezk  trua  Sl  33;  hmd  qü  yfir  Herv  453;  menn  bazt 
Ufa  H(iv  48  *;    skir  brupr  go{>a   Grm  ll3. 

Anm.  1.  Ein  überflüssiges  ivort  ist  zu  streichen  in  dem  verse  Vm  41 :  («)  heill 
[h.  Jiü]  aptr  komir. 

Anm.  2.  Auflösung  der  ersten  hebung  ist  einmal  bezeugt:  («)  skilin  orb 
koma  Hqv  133 6;  ebenso  einmal  auflösung  der  nebenhebung:  («)  Sigfabir  Hnikubr 
Grm48\ 

2)  Nebenhebung  im  zweiten  fusse  (A3)  ist  ebenfalls  ein  paar 
mal  bezeugt:  (ß)  injövan  mälfän  Skm  23 l  25  *  (vier  gleiche  reimstäbe 
in  der  langzeile! !);  (y2)  onnur  Vegsvinn  Grm  28 *;  (d)  lättu  hlip 
rüm  Fj  43  \ 

Anm.  3.  Auflösung  der  ersten  hebung  findet  sich  einmal:  («)  lilfeat  i  maiin- 
mergb  Hgsv  81. 

3)  Nebenhebung  in  beiden  füssen  (A2.3)  ist  nur  einmal  be- 
zeugt: («)  Grlapsvihr  Fjqlsvipr  Grm  47 4. 

III.    Der  gesteigerte  A-vers  (A*). 
§  74.     1)   Ä:l.     Nur  ein  beispiel:  {yx)  litilla  sa:va  Hqv  532. 

*)  Bild,  und  Sijmons  ziehen  kant  aus  der  ersten  halbxeile  hierher,  wodurch 
ein  A-vers  mit  auftakt  entstände;  rgl.  jedoch  oben  die  fussnote  zu  §21,  anm.  3. 


DIE   RHYTHMIK   DES    LJODHAHATTR  201 

2)  A*lhk.  Zwei  belege:  (a)  ofund  of  gjaldir  Ls  123,  sofanda 
myrbi  Sl  53. 

Anm.     Über  A*-verse  mit  auftakt  s.  unten  §  76. 

IV.    A-verse  mit  auftakt  (aA). 

§  75.  Der  charakteristischen  eigenheit  roti  Lb  entsprechend  sind 
A-verse  mit  auftakt  sehr  beliebt.  Derselbe  ist  in  den  meisten  fällen 
einsilbig,  doch  kommen  auch  zwei-  und  mehrsilbige  auftakle  mehr- 
fach vor. 

1)  verse  mit  einsilbigem  auftakt:  (a)  ef  afli  ]>reystisk  HHr 
22  \  ok  alla  bley|>i  Herr  (37 \  at  aptr  of  heimtir  Hör  143,  es  einn  skal 
ra]>a  Grm  2'\  en  eldr  vi])  söttum  Hgv  1365,  verb  etki  hrosinn  Hgsv  141, 
i  eyra  Baldri  Herr  663,  naer  ulfr  enn  kosvi  JE1/;-  63,  ok  unua  ]>öttumk 
//or  98\  svat  [svä]  ollum  liki  Hgsr  833;  ])eims  dau[ta  kvi]>ir  Hgsr  373; 
veit  flest  at  vinna  Hgsr  87 3,  sem  fsera  nennir  Hgsr  863;  es  gö|)ir 
]>ykkjask  ifysr  68 :i.  me]>  gullnu  laufi  FM  76,  äj)r  gumnar  vakna  HHr 
231,  mimt  gorla  kunna  Hkr  182,  ef  gorva  kannar  H(>v  1011:  mim 
hverjum  ]>ykkja  Air  l3,  es  honum  fylgja  *S7  153:  sas  kappi  bykkir 
Hkm  143;  til  lands  at  halda  Hgsv  1303;  es  margan  hofbu  Sl  641,  es 
mujiur  hofbu  Sl  721;  en  Nervi  kenda  4fo  29:;:  es  salir  VQru  Sl  533, 
hveim  snotrum  manni  flj5fl  943;  es  skürum  blandask  Alv  173:  an  J>at 
at  segja  Hgsr  27 3. 

Anm.  1.  Ohne  alliteration  überliefert  ist  der  vers  Skm  l1:  ris  [ristu]  nü 
Skirnir  |  ok  gakk  at  beiba.  Die  emendation  von  Uildebromd,  der  rab  statt  gakk 
seh  reibt,  hat  ohne  Zweifel  das  richtige  getroffen. 

Anm.  2.  Durch  Herstellung  des  bragarmal  oder  Streichung  überflüssiger 
ivörter  sind  in  folgenden  fällen  rerse  auf  das  normale  mass  xu  bringen:  («)  kvebk 
[kveb  ek]  aldri  verba  Qautr  l8,  es  [er  ek]  eigi  mättak  Sd  4:!,  lezt  [leztu]  eigi  mundu 
Ls93,  es  [er  ek]  sfeva  kennik  Hqv  163 *;  sas  [sä  er]  fätt  kann  segja  Hqv  1026,  at 
fleiri  teljak  [at  ek  fl.  telja]  Ls  28  l;  ef  [ef  bü]  geldr  De  vaerii  HHr  201;  säk  [sä  ek] 
moldar  gengna  Sl  60 ' ;  es  [er  bü]  rlba  serat  Ls  28 3,  es  [er  ek]  riba  skyldak  F/h  30 ' ; 
svä  viba  bottimik  [jjotti  mer]  Sl  543;    ef  [ef  bü]  I>j6ta  beyrir  i?>»  22  K 

Anm.  3.  Zweisilbiger  verschleifbarer  auftakt  ist  zweimal  belegt:  («)  De  of 
röjram  {jogbu  Hqv  HO5;    megut  skatnar  flyja  IT</s^  133 3. 

Anm.  4.  Auflösung  der  ersten  hebung  kommt  einmal  vor :  («)  i  hugum 
es  ätti  Hkm 9 3.  Daxa  ztveiverse,  die  durch  geringfügige  änderung  xu  bessern  sind: 
(«)  beims  [beim  er  ek]  gefa  De  skyldak  [skylda]  Ls  23  *,  beims  gefa  De  skyldir  [beiiD 
er  bü  g.  skyldira]  Ls  223.  —  Auflösung  der  ersten  Senkung  findet  sieh  xweimal: 
(«)  at  galli  oe  fylgi  Hqv  132 3,  es  sjalfr  Diebao  vakbi  flys»  803. 

Anm.  5.  Nebenhebung  im  ersten  fusse  ist  mehrmals  bezeugt,  a)  Die 
xrveite  hebung  steht  auf  langer  silbe  (A2h2l):  («)  eo  darrabr  hristisk  Hkm  2  \ 
til  FegjarDS  borgar  <S7  633;  oeoia  haldeDdr  eigi  Hqv  29 3  (auflösung  des  auftakts); 
en  maDvit  aldri  [aldrigi]  Hör  79 ::.  b)  Die  zweite  hebung  steht  auf  kurxer  silbe 
(A2h2k):   («)  skalat  atfer])  Dema  Hgsv  61 '  (auflösung  des  auftakts),   ef  Eirikr  sei 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE   PHILOLOGIE.      BD.  XXXIV.  14 


202  GERING 

Eir  43,  f)6t  öknär  sei  fl^s»  62 *,  of  o|ilings  flota  HHr  133,  skalk  [skal  ek]  jartegn  vita 
Fj  463,  bot  harbefldr  seit  [ei  se]  Hgsv  623,  ok  J>akklatr  vesa  Hgsv  3b3;  iß)  fyr 
Niflhel  ne{>an  Fm  43  :;. 

2j  Zweisilbiger  nicht  verschleifbarer  auftakt  ist  ein  paarmal 
belegt:  («)  lät  I»6r  aldri  vaxa  flgrs«;  1261,  hraebisk  bragnar  eigi  flgrs« 
1011,  en  vif.)  bolvi  rünar  Hgv  136*,  binn  enn  IVana  mgeki  Fm  l3,  drekkr 
i  Tseru  ranni  Qrm  133;  at  bik  frjöfar  ne  leiki  jöj??;  1306  (zweisilbige 
binnensenkung) .  —  Hierher  gehört  auch,  falls  Svbj.  Egilssons  conjectur 
richtig  ist,  der  vers  Hl  23:  («)  bykkjunik  allar  kunna. 

Audi.  G.  Nebenhebung  im  ersten  fusse  kommt  mehrmals  vor.  a)  Die 
zweite  hebung  stellt  auf  langer  silbe  (A2h2l):  («)  at  ber  ervsent  ]iykki  Hgsr  1243; 
bj  die  zweite  hebung  siel/t  auf  kurzer  silbe  (A2h2k):  («)  es  lsezk  aldyggr  vesa 
Hgsv  46 3,  sas  [sä  er]  ä  yrkjendr  faa  Hqv59l;  borgit's  [b.  er]  qblings  flota  HHr  29 3; 
en  bar  Heimdali  kveba  örm  13 ' ;  riba  Myrkvib  yfir  7v.s  42 :!;  förtu  verf)j6J>  yfir  Ls  243. 
Ihi\u  ,iii  vers  mit  Verkürzung  der  ersten  hebung:  («)  bryngr  bann  orofsamau  Fj  18 3. 

3)  Dreisilbiger  auftakt  ist  ziveimal  durch  herstellung  des  bra- 
garmäl  zu  beseitigen:  (a)  es  f)ü'st  [f)ü  ert]  minu  gengi  Grm  513,  sä's 
[sä  er]  of  rerbi  glissir  Hgv  313.  — Versehlei  fang  der  letzten  beiden  auf- 
taktsilben  ist  dreimal  bezeugt:  (a)  vorn  ä  lieitum  steinum  Sl  653,  se 
ber  ä  murin  ok  hjarta   6ty  143;    verba  at  sorum.  bötura  Sl  68 3. 

Anm.  7.  Nebenhebung  (A2h2k)  ist  dar  eh  zwei  beispiele  belegt:  («)  at  uü 
mun  allvaldr  koma  Hknt  13 3,  ef  hann  vill  margfrobr  vesa  Hqv  102 :!. 

4)  Ein  auftakt  von  mehr  als  drei  silben  kommt  nur  einmal 
vor:  (a)  lätabu  fiinum  svefni  räba  Sd  283:  vermutlich  ist  hier  -bu  und 
bimini  zu  streichen. 

§  76.  Gesteigerte  A-verse  mit  auftakt  (aA*)  sind  sehr  selten. 
Regelmässiges  aA*l  kommt  nur  einmal  vor:  (d)  ok  KreppvQr  en  yngsta 
Sl  793.  Der  typus  aA*lhk  ist  zweimal  belegt:  (a)  ok  J)akinna  nsefra 
Hgv  60 \  verbr  vif»  faranda  hverjan  [hvern]  Fj  103  (zweisilbiger  auf- 
takt). Für  den  typus  aA*lnk  finden  sich  ebenfalls  zwei  beispiele: 
(«)  ok  hjalmabar  sotu  Ilkm  ll3,  bäs  [ba  er]  lQgskilum  räba  Hgsv  951. 

Cap.  10.     Typus  B  (xzlxz). 

§  77.  Dem  typus  B  gehören  etiva  die  hülfte  aller  verse  in  Lb  an. 
Die  eingangssenkung  bestellt  in  der  mehrzahl  der  fälle  aus  zwei  nicht 
verschleif  baren  silben,  und  da  überaus  häufig  die  reducierung  auf  eine 
silbe  nicht  möglich  ist,  wird  man  die  ziveisilbige  form  des  einganges 
als  die  normale  oder  besonders  beliebte  ansehen  und  sie  meist  auch  da 
beibehalten  müssen,  wo  durch  leichte  ändern ngeu  einsilbigkeit  herzu- 
stellen u-ärc.  Verschiffungen  kommen  in  diesem  zweisilbigen  eingange 
öfter  vor.     Statt  der  einsilbigen  eingangssenkung   finden  sich  ebenfalls 


DIE   RHYTHMIK   DES   LJODHAHATTR  203 

häufig  zwei  v  er  schleif  bare  silben.  Drei-  und  viersilbige  eingangs- 
senkung  ist  selten,  lässt  sich  aber  nicht  überall  ohne  gewalttätigkeit 
beseitigen.  —  Von  den  übrigen  auflösungen  ist  besonders  die  der  zweiten 
hebung  überaus  beliebt;  dagegen  kommt  die  der  ersten  hebung  so  gut 
wie  gar  nicht  vor.  Auch  die  verseilte  ifui  ig  der  binnensenkung  ist  ver- 
hältnismässig sehr  selten  bezeugt.  —  Was  die  alliteration  betrifft,  so 
ist  die  legung  des  hauptstabes  auf  die  erste  hebung  (a)  weitaus  das 
gewöhnlichste;  neberialliteration  (y)  ist  selten;  doppelalliteration  (ß),  die 
dein  reinigesetxe  zuwider  ist,  kommt  einige  male  vor,  lässt  aber  wol 
überall  auf  Verderbnis  der  Überlieferung  schliessen.  Alliteration  auf 
der  zweiten  hebung  (d)  ist  ganz  vereinzelt  und  erregt  bedenken. 

I.    B-verse  mit  einsilbiger  eingangssenkung. 

§  78.  1)  Verse  ohne  v er Schleifung:  (a)  veldr  alda  hvehn  Ls 
47 3,  skal  alda  hverr  Fm  10 3  Hgsv  65 \  at  aldri  deyr  Hgv  773,  deyr 
aldrigi  Hgv  76 3,  ne  amiarr  skal  Hgv  63 3,  sein  augabragb  Hgv  75 3,  meb 
aura  fJQlb  Hgsv  91',  es  austan  dregr  Vm  13\  ä  auba  troj)  Hkm  20 3, 
ef  eignask  getr  H$v  79 1,  es  einn  of  kann  Hgv  1633,  es  [sä  Schev.]  einskis 
spyrr  Hgsv  53,  bergr  einungi  Fm  17 l,  getr  engi  mabr  Hgsv  703,  rääbr 
engi  mabr  Sl  81  Hgsv  343,  vibr  engi  mabr  Fj  47 3,  es  innar  sitr  Ls  ll3, 
i  okkarn  sal  Skm  161,  |>as  [bä  Schev.]  unnit  es  Hgsv >  933,  skal  yta  hverr 
Hgsv  1361,  ä  yta  sJQt  Hkm  201,  kann  a'vagi  Hgv  213,  es  ollum  es  Hgv 
153\  es  ollum  vill  Hgsv  78 3; 

ef  berjask  skal  Em  193,  vif  foragna  lib  Hgsv  71,  es  foreibask  of 
Fj  13 3,  es  Ibsebi  mä  Hgsv  1123; 

en  dröttinn  sä  Sl  23 3; 

es  fengit  hefr  Hgv  39  *,  ä  f  ir|)i  staddr  Hgsv  130  \  es  fleira  drekkr 
Hgv  12 3,  es  fregna  kann  Hgv  28  *,  skal  fröbra  hverr  Hgv  63 \  hvat  fylgir 
ber  Eir  73,  skal  fyrba  hverr  Fm  10 1: 

äf>r  gange  fram  Hgv  l1,  ef  gleyma  vilt  Hgsv  2;!,  vif)  göban  1mg 
Hgsv  49 \  af  göbnm  hug  Sl  211,  skal  gumna  hverr  Hgsv  75 3; 

til  handa  ber  Gg  93,  ineb  heibin  gob  Hkm  213,  ok  himna  skript 
Sl  703,  skal  hirba  vel  57.7«  173,  es  hJQr  ne  rybr  .Fm  243,  kvab  Hröpta- 
Tyr  Hkm  141,  en  liunda  Garmr  Grm  445,  es  liverja  dregr  Vm  141,  kyss 
hverjan  dag'.  Grm  83,  es  hverjan  dregr  Vm  ll3,  hvi  hvetjask  lezt  Fm  51, 
ör  liQfbi  beim  Sl  67 3; 

hann  klyfja  mim  Fw  53 3,  es  kvsemtki  veit  Gg  33  (conjeetur),  skal 
könna  hverr  iüw  251; 

ef  lengi    sitr  Hgv  35 3,    es    liggja    skal   Alv  213,    ens   Ijösa   mans 

Hgv  913; 

14* 


204  GERING 

es  uiangi  veit  Hpv  1385,  an  nianiia  hveiin  Skm  27 3,  es  manni 
JjQrf  Hpv  33,  es  niQrgu  raVpr  Herv  36 *; 

es  rinna  skal  Orm  321,  es  ri|)a  skal  flj?«;  135 *; 

enn  sanni  gu|)  ÄZ  241,  n\'tr  seggja  hverr  *S2  49 x,  skal  seggja  hverr 
Hgsv  1293,  es  ser  of  getr  Hpv  81,  verbr  sjaldan  glatt  #<???  55 3,  es  sjalfr 
of  ä  iJpy  91,  es  shmginn  es  Fj  313,  skalt  sumbli  at  Hgsv  91,  live  ssell 
ek  vas  Sl  331; 

ne  skeptismiftr  J9pv  1254; 

es  s|)qit  of  vann   Gautr  41; 

es  yelti  ser  (xrwz  63,  fyr  vestan  dyrr  Orm  10 !,  enn  yirki  gnb 
Sl  48  \  es  vibast  ferr  4fc  19 3; 

es  pessa  heims  Sl  623,  es  pjazi  bjö   Orm  ll1. 

Annt.l.  In  folgenden  versen ,  wo  die  partikel  es  einein  pronomen  folgt,  wird 
unbedenklich  durch  das  bragarmäl  einsilbige  eingangssenku/ng  herxtistellen  sein: 
(a)  säs  [sä  er]  nunars  vill  Hqv  58 l,  säs  [sä  er]  enskis  bibr  *S7  28 3,  säs  [sä  er]  eptir 
ferr  Fj  27 3  28',  |>eims  [beim  er]  bij>ja  skal  Hqv  S73,  beims  [beim  er]  blota  [>ser 
i-)'  39 :!,  säs  [sä  er]  flotta  tekr  Hqr  311,  beims  [beim  er]  ganga  skal  *S7  31 3,  bäs  [bä  er] 
gobir'ü  [eru,  s.  anm.  2]  Ggb1,  bans  [bau  er]  heibinn  mabr  Hgsv  l3,  |>eims  [beim  er] 
libnir'u  [eru,  s.  anm.  2]  Sd  341,  säs  [sä  er]  mangi  ann  Hqr  50 3,  {>eims  [beim  er]  rögir 
her  Ls  55 3,  bverrs  [hverr  er]  segja  rsebr  Hqv  123 l. 

Anm.  2.  Statt  des  überlieferten  eru  in  der  Schlusshebung  nach  voraufgehen- 
dem r  ivird  überall  die  verkürzte  form  'rü  mit  verlängertem  rocal  (der  durch  wald- 
reiche accentuierungen  in  der  Stockholmer  Homiliu-bök  gesichert  ist)  herzustellen 
sein,  da  das  tvort  in  dieser  form  geeigneter  erscheint  eine  hebung  xu  tragen:  («)  es 
[sem  Scher.]  hlegnir'ru  Hgsv  88 3,  es  libnir'rü  HH II 21 3,  es  myrbir'rü  Sl  743,  bsers 
ssettar'ru  Hgsv  67 3,  bäs  [bä  er]  gobir'ru  Gg5\  beims  [beim  er]  libnir'rü  *S$  341. 

Anm.  3.  In  (lern  verse:  («)  es  firum  meb  Ups»  943  *stf  zweifellos  firum  durch 
fyrbum  &w  ersetzen. 

Anm.  4.  Ein  vers  mit  doppelalliteration  (ß)  ist  zweimal  in  den  Hqvamql 
überliefert:  hinns  [hiun  er]  vsetki  veit  Hqr  27 5  741.  Der  sehr  bedenkliche  vers  ist 
vielleicht   \u  ändern:  hinns  veit  etke  (C). 

Anm.  5.  Nebenalliteration  (y)  kommt  dreimal  vor:  (hverr  -  hon  -  her 
rsebr)  ok  riki  hefr  Fj  73  83,  (opt  hon  bann  hatar)  es  per  es  hollr  Hgsv  23 '\  (svä 
|)undr  of  reist)  fyr  bjoba  rok  Hqr  145 5. 

Anm.  6.  Ohne  alliteration  in  der  zweiten  vershälft e  ist  die  doppelt  über- 
lieferte langxeile :  (hü  es  betra)  bot  litit  se  Hqv  36 1  37 1.  Ob  Bugges  änderung 
(bükot  statt  litit)  das  richtige  getroffen  hat,  steht  dahin. 

§  79.  2)  Ver Schleifungen,  a)  auf  der  eingangs  Senkung: 
(a)  skylib  aldrigi  Ls  25 *,  es  ek  annan  fann  Hgv  47 3,  hvar  at  aptni 
komr  Em  25 *,  es  ä  arfi  läk  Fm  181,  es  ek  eigi  mäk  HHv  26  ,  liQiium 
engi  frij)  H$v  163,  dyli  engi  mabr  ä/sj?  146 \  skyli  engi  mabr  5J50  433 
921  Sl  151,  trui  engi  mabr  i/^  87  *,  J>u  ätt  inni  her  Hkm  163;  skulnb 
inni  her  Li-  191,  ok  i  orbum  stiltr  Hgsv  181,  es  ek  üti  sä  Herv  38  * 
391  401  411  421  431  441  451  46 l,   lutu   ollum  beim  Sl  71»;    geh  daubum 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  205 

rö  Sl  823,   enar  dimmu  nsetr  Sl  131,   es  ek  drakk  i  gser  "ffer»  331,  ok 

ör  fogla  mjnlk  i^l/87,  epa  fremst  of  veizt  Fra  343;  at  ek  ganga  mä 
Hqv  1493,  skyli  gumna  hverr  ZZ^h;  153;  es  ä  haugi  sitr  Äre£  291,  en  i 
helju  mjQ|)  4fo  343,  es  ek  heyri  til  Skm  141,  ok  af  hljö|>i  lät  Hgsv  843, 
fyr  et  liorska  vif  Sl  143,  lofa  hyggnir  menn  Hgsv  1263,  kvepin  IiqIIu  i 
.Hj?«  1371;  es  ek  kjalka  drö  Grm  493;  es  ek  liggja  se  Grm  41,  es  ek 
liggja  veit  Grm  123;  skyli  inanna  hverr  Hqv  541  551  56 \  es  af  mikluni 
hug  £7  701,  es  i  niinura  sal  Vm  71,  es  at  morni  kemr  Hqv  233;  at  en 
nyta  vas  Hqv  99  *;  ok  i  reipi  stiltr  üZt/sv  121,  en  ek  ripa  muri  Fm  211, 
ok  i  riinum  fäk  i7^-  157 3,  es  1  i\>pum  telsk  Ah  51;  es  enn  setti  komr 
Hqv  513;  e|>a  skapt  se  rangt  Hqv  1256,  es  enn  skira  dregr  Vm  121; 
at  ek  stQpvigak  i^?;  1503;  gaf  ek  velli  at  Hqv  491,  ef  i  yindi  ror 
Fm  ll3,  es  af  yipi  korar  FM  2]S;  es  at  pingi  kemr  Hqv  25 3,  skyli 
pjöpans  barn  Hqv  151. 

^lm«.  1.  Durch  einführung  des  bragarmal  könnten  mehrfach  verse  mit  ein- 
silbigem eingang  gewonnen  werden  (es  annan  fannk,  at  ganga  mak,  es  kjalka  drök, 
es  liggja  veitk  usw.).  Bei  der  Vorliebe  von  Lb,  der  ersten  hebung  zwei  minder  be- 
tonte silben  vorauszuschicken,  ist  es  jedoch  geratener  diese  änderungen  zu  unter- 
lassen. 

Anm.  2.  Dagegen  sind  vermutlich  in  den  folgenden  Versen,  um  sie  glatter 
xu  machen,  überschüssige  Wörter  zu  streichen,  wodurch  der  eingang  auf  zwei  ver- 
schleifbare  silben  redimiert  wird:  («)  at  ek  [ek  hqnum]  bjargigak  Hqv  152 3,  es  ä 
bjargi  sek  [es  ek  ä  bj.  se]  Ket  141;  vesa  [vesattu]  hefnisamr  Hgsv  145',  haf  [baffm] 
ä  hofi  bik  Ls  36 1 ;  es  [es  ek]  i  reyri  satk  [sat]  Hqv  95 ' ;  iimn  ek  [en  ek  mun]  segja 
per  Skm  29 3.  —  Umstellung  ist  in  folgendem  verse  vorzunehmen:  es  of  drottiu  sinn 
[sinn  dr.]  Herr  49 b 

Anm.  3.  Nebenalliteration  (y)  ist  nur  einmal  überliefert :  (gofukt  dyr  heitik) 
en  ek  gengit  hefk  Fm21;  alliteration  auf  (Irr  zweiten  hebung  (y)  kommt  nur  ein- 
mal vor:  (ftä  frvi's  at  segja)  hvat  ek  fyrst  of  s;i  Sl  53  l. 

Anm.  4.  Ohne  alliteration  überliefert  ist  der  vers:  (ulfgi  befr  ok  vel)  es  i 
bQndum  skal  Ls  39 :l.  Statt  bondum  ist  wahrscheinlich  JQinum  zu  schreiben  (vgl. 
§  65,  anm.  2). 

Anm.  5.  Einmal  ist  der  fall  bezeugt,  dass  ein  vers  mit  versehleifbarer 
zweisilbiger  eingangssenkung  eine  nicht  aufzulösende  zweisilbige  binnensenkung 
hat:  i;'-'i  (opt  fä  ä  horskan)  es  ä  heimskan  ne  fä  Hqv  923  {lies:  es  a  heimskan  faat?)  — 
Verschleifung  heider  Senkungen  findet  sich  in  dem  verse:  (a)  es  ek  hafpa  i  gser 
Herr  31b 

b)  Verschleifung  der  binnensenkung  ist  nur  einmal  bezeugt: 
{<()  drap  uxa  fyr  mer  Gautr  51; 

c)  Verschleifung  der  zweiten  hebung:  (a)  mun  AldafQpur 
Vm  53  *,  ä  alla  vegu  Hgsv  1181,  en  allir  fyrir  Skm  143,  ok  allra  gopa 
Vm  423  431,  ne  asa  suna  Skm  17 x  181,  fra  asa  sunum  Ls  273,  en 
augum   skopar  Hqv  73,    fyr   einni   konu  Sl  ll3,    ok  jlla   skapi  Hqv  22 \ 


206  GERING 

|)eims  inn  es  kominn  Hgv  31,  mep  ipjusemi  Hgsv  39  *,  sä  fpugliga  Hgsv 
1003,  nser  öru  komir  HHv  23 3,  ok  orpa  tetill  Herv  313,  i  ungum  syni 
&d  355,  hve  yta  synir  Sl  333,  hefr  ytum  komit  Hgsv  693,  mej)  yta 
sunum  i^v  681,  en  olfum  frama  Hgv  1603,  ä  qfrum  degi  5/  221,  vas 
JQrJ)  of  skqpup  Vm  211  ö/v«  40  *;  enn  baldni  jotunn  Vm  32 3,  en  barr 
mej)  go|mni  ^4£y  32  *,  ok  benjar  sugu  Sl  80 3,  ok  bornuni  vipi  Hgv  99 3, 
an  brinna  sei'  #d  313;  hefr  dröttinn  skapat  Sl  353,  ens  dyra  mjapar 
Hgv  1403;  of  flesta  Muti  Hgsv  1251,  mun  flestan  glapa  Fj iS3,  i  flestum 
stQpum  81  141,  ketk  [lset  ek]  fram  of  borin  Hl  l3,  es  fsestan  varir  Fj  143; 
ok  gagni  feginn  Fm  251,  es  gifrir  rata"  7/)'  193,  an  gista  sei  &#  263, 
til  göpra  hluta  Sl  271;  ok  heldr  til  mikill  6?nw  l1,  fyr  hildings  skipnm 
HHv  181,  mep  hildings  sunum  77pv  1 5 3 3,  ok  hittask  munum  Sl  821, 
verpr  holpa  sunum  Fm  193,  ok  Iiqvu  grasi  77r)y  1186  GVw  171;  ä  leyni- 
gQtu  Sl  231;  ne  manzkis  gaman  üZjpy  1133,  hefr  margan  tregat  Sl  101, 
ä  marga  vegu  67  181  403  i7</sv  331,  J»öt  [pö]  menn  pik  lofi  TZi/s«  291, 
es  minst  of  varir  Sl  83,  es  mQrgum  gefit  Hgsv  253,  es  myrgum  hlutum 
Sl  631;  en  njöl  mep  gopum  JLfo  30 *;  ok  räpna  stafi  7Jj5fl  142 J,  en  retti 
nair  Hgsv  953,  af  rettmn  sipum  Hgsv  1343,  es  ristit  hafa  Sl  791;  hefr 
seggjum  verit  Sd  30 *,  es  sjalft  mun  vegask  Skm  9:!,  es  synask  munu 
Sl  813,  vip  syndum  taka  Sl  63,  at  saMir  muni  Hgsv  1383;  ef  yilja  muni 
Fj  43H,  es  vinna  maat  Hgsv  523,  es  yinnask  megi  Hgv  603,  es  vipa 
ratar  Hgv  18  *,  ok  VQngum  skulu  Ls  513,  an  Yorfr  mep  gupum  /SA-/»  284; 
fyrst  J)inum  gupi  i/j/sv  31,  es  j>jö])ir  skulu  Sd  ll5,  sem  juisund  bifisk 
Ä  21: 

Anm.  6.  Ferner  sind  unbedenklich  folgende  verse  hierher  vu  stellen,  in 
denen  die  partikel  es  unmittelbar  auf  ein  pronomen  folgt,  ohne  dass  elie  enklise  in 
den  hss.  durchgeführt  ist  (vgl.  aber  oben  den  vers  Hqv  3 ',  wo  das  bragarmäl  hand- 
schriftlich überliefert  ist):  («)  peirs  [peir  erj  itinar  skyli  Fj  IG  ^  sas  [sä  er]  seva 
pegir  H<?»291;  paus  [bau  er]  gi'Qpug  eru  Um  29 3;  peirs  [peir  er]  lengi  felask  Hgsv 
HO3;  panns  [pann  er]  inaogi  fiar  Ls353;  sas  [sä  er]  nesti  truir  Hqv  73:l;  peims 
[penn  er]  vipa  ratar  Hqv  b1.  Eine  einsilbige  form  wird  ferner  herxustellen  sein  in 
dem  verse:  («)  pvit  [pviat]  sniglar  hafa  Gautr  33.  —  Eine  unentbehrliche  conjunetion 
fehlt  im  eingange  von  Hgsv  32*:  («)  (at)  aprir  tali. 

Anm.  7.  Zweimal  ist  doppelalliteration  (ß)  überliefert,  /ras  sicherlich  fehler- 
haft ist:  (esa  raer  gulls  vant)  i  g-orpum  Gymis  Skm  223;  (nü  bau  sitja)  ok  sqrum 
snua  Sl  16 :i.     In  dem  ersten  falle   ist  die  Verderbnis  einfach  durch  Umstellung  \>< 

*)  Diese  lesung  von  Sijmons  ist  jedoch  bedenklich,  da  gifr  nirgends  im  altn. 
als  adj.  bezeugt  ist.  ich  vermute,  dass  das  gifr  oder  gifur  der  hss.  aus  der  ersten 
xeile  der  folgenden  sfrophe  stammt  und  daher  zu  streichen  ist.  Vielleicht  sind 
19 3l4  folgendermasse.n  herxustellen: 

hvat  peir  gannar  heita         es  gorjium  fyrir 
lyndi  lymsku  rata. 


DIE   RHYTHMIK   DES   LJODHAHATTR  207 

heilen:  i  gorpum  Gymis  |  erumka  gulls  of  vant;  in  dem  -,/reifen  verse  wird  srnia 
durch  ein  anderes  verbum  xu  ersetzen  sein. 

Ann/.  8.  Ohne  al/iferation  überliefert  ist  der  rers:  bva|)au  Njoipr  of  kvam  | 
niej>  asa  sunum  VmSS3.  Vielleicht  ist  \a  ändern:  mep  iivtum  qsum  [vgl.  nyt  regin 
Vm  ;34  142  25 3). 

Anm.  9.  Zweimal  findet  sich  in  einem  verse  mit  rerschleifter  xiceitcn  liebung 
auch  eine  nicht  auflösbare  zweisilbige  binnensenkung :  («)  en  aunarr  of  daga  Fj  22  :. 
en  hlyrnir  mep  gopum  Air  121. 

d)  Ver  Schleifung  der  eingangssenkung  und  xireiten 
liebung:  («)  nema  einir  viti  Hgv  97 3,  viti  engi  fyrir  Hgv  563  Hgsv  1211, 
bera  yta  sunum  Hgsv  973,  megu  yta  synir  Hgv  283;  ok  ä  barri  vipar 
Sd  103,  ok  ör  bjarnar  sinum  FJ/S8,  ok  of  fjöruni  tegum  Grm  23*  241, 
hvaparr  fleira  viti  Vm  93,  gat  ens  fröpa  JQtuns  Vm  333:  lief  ek  gorla 
fregit  FM  ll3,  lief  ek  gort  til  bragar  flatf  100 x;  ok  ä  liandar  baki 
Sd  73,  mim  ek  hiimar  geta  _Ls  383,  gorir  liQlpa  sunu  Hgv  933,  skyli 
holjiar  taka  Hgv  423;  lief  ek  lengi  farit  Fm  83,  megu  lypir  nema  Hgsv 
1041;  skvli  mangi  trua  ZZjft;  831,  skala  manni  gefa  Hgv  521,  sä  ek 
meiddau  fara  Sl  591,  skulu  M/joUni  hafa  J'w  513,  es  ä  iiiQrguiii  degi 
Sl  733,  gerir  lnorgnni  skapa  flgrsv  1281;  ok  ä  stjörnarblapi  Sd  93;  at 
ens  tryggva  vinar  Hgv  67 3;  {■/-)  (hvapan  komr  söl)  ä  enn  sletta  himin 
Vm  46 3. 

Anm.  10.  Ferner  gehören  icol  folgende  rerse  hierher,  die  geringfügigen 
änderungen  \n  unterwerfen  sind:  («)  vQrumk  [mer  var]  aldr  of  skapa|>r  Sinn  13 3, 
im  emk  [em  ek]  aptr  of  kominu  Hör  103";  skulut  [skulu  ei]  drottir  trua  Hgsv  801; 
faa  [fä]  gumna  synir  Hm  3  ;  41;  megut  [mega  ei]  holpar  vita  Hgsv  56  3.  —  Auf- 
fallend —  wegen  der  schweren  ableitungssilbe  —  ist  der  rers:  kvap  enu  gopi 
konungr  II km  17  x. 

Anm.  11.  Nebenalliteration  (y1)  ist  einmal  überliefert:  (ripa  vit  skulum) 
kvap  en  rikja  Skogul  .H&w  13  \ 

e)  Ver Schleifung  beider  hebungen  ist  nur  ein  einziges  mal 
bezeugt:  (a)  en  liiylinn  mep  gopum  Alv  141. 

f)  Ver  Schleifung  der  binnensenkung  und  der  zweiten 
liebung  kommt  nur  dreimal  vor:  {a)  pöt  eigi  [pö  ei]  se  gamall  Hgsv 
1331;    en  leegi  niep  gopum  Alv  221;    en  sunna  mep  gopum  Alv  L61. 

§  80.  Nebenhebung  an  stelle  der  binnensenkung  ist  nur  drei- 
mal bezeugt:  (a)  ek  fjotrapr  vask  Hgv  133,  säs  [sä  er]  misgort  hefr 
Hgsv  1351,  panns  [pann  er]  saklanss  vas  >>'/  223. 

IL    B-verse  mit  zweisilbiger  eingangssenkung. 

§81.  1)  Verse  ohne  ver  schleif  ung:  (a)  es  mep  aldir  komr 
Hgv  271,  en  pii  aldri  munt  Ls  65 \  fä  pu  aldrigi  Skm  363,  pü  komr 
aldrigi  i<)'  43,  faer  mapr  aldrigi  Hgsv  183  1403,  mättu  aldrigi  Hgsv  313, 


208  GERING 

mimdu  aldrigi  Hgv  1221,  skaltu  aldrigi  Ls  60\  pü  skalt  aldrigi  Hgv 
1214  Grm  33  Hgsv  61,  bregb  bü  aldrigi  i^rsy  131,  fter  mabr  aldrigi 
Hgv  65,  fser  bu  aldrigi  iZ^v  1166,  girnsk  bu  aldrigi  i^st?  143,  hetumk 
aldrigi  Grm  48 3,  lättu  aldrigi  H$v  1164  77^si'  263,  rök  pü  aldrigi  ifysv 
32  *  83 *,  ek  säk  aldrigi  .4fo  35 \  trüpu  aldrigi  &/  191,  verbr  sä  aldrigi 
üft/sy  1223,  verb  bu  aldrigi  .fl^s«  191,  ves  pü  aldrigi  iZpv  1274,  ek  J)igg 
aldrigi  «S/cm  201,  vamtu  aldrigi  Hgsv  341,  bykkja  alür  peir  *S/  311,  ek 
kann  allra  skil  i7py  1593,  es  mabr  annan  skal  Hgv  93  *,  es  hann  aptr 
of  kvam  Hgv  1456,  es  mik  armi  verr  Hgv  1635,  ef  J>ü  ärna  skalt  6ty  71, 
es  fyr  aurum  rs&pr  i^sv  333  891,  es  til  alltags  komr  Vm  101;  es  mabr 
eiga  skal  Hgv  83,  ef  bü  eiga  vill  Bm  31,  ef  Jm  eigi  matt  Hgsv  1131, 
ef  bü  eignask  hefr  Hgsv  1121,  ef  bü  eignask  vilt  Hgsv  1161,  ek  sä 
einum  hal  Hgv  1171,  kvibi  engl  mabr  Hgsv  37  \  vär  fiik  engi  mabr 
fi^p  193,  bat  vill  engi  mabr  ÄÄrn  73,  bykkisk  engi  major  Hgsv  1073, 
at  hann  etki  kann  Hgv  27 3,  skaltu  etki  |>vi  Hgsv  281,  sömir  etki  per 
Hgsv  931;  es  her  inni  es  Ls  653;  ef  pü  undan  komsk  üTd  53,  skaltu 
unna  vel  Hgsv  93,  Jpaus  [bau]  bü  unnit  hefr  Sl  26 *,  ef  bik  üti  nemr 
6ty  131,  at  her  üti  se  /S/cm  163;  es  bü  ybra  telr  Ls  291;  es  mer  &tlup 
vas  Sl  493;  hygg  bü  qlluni  vel  Hgsv  103,  en  meb  qsum  björr  Alv  341, 
en  meb  qsurn  fold  ^1^  101,  skaltu  qbrum  gott  Hgsv  82  *; 

ek  fann  bebjum  ä  Hgv  961,  ef  pü  bjarga  vill  Sei  81,  skyldi  bragna 
hverr  Hgsv  741,  sitja  brautu  nser  Sei  273,  standa  brautu  nser  Hgv  723, 
nü  skal  brübr  meb  mer  Alv  l1,  rendu  brQgnum  beim  Sl  643; 

lezk  enn  d?esti  mapr  6Y  31,  es  hann  döma  ferr  Gnu  293; 

pess  es  Fäfnir  rep  .Fm  383,  en  pü  fätt  of  mant  Grm  52  *,  es 
bü  fengit  hefr  $&m  333,  es  me|>  fleirum  komr  Fm  173,  byggvir 
flestan  dag  Grm  153,  es  rinn  flöbi  i  Bm  l1,  stöpu  foldu  ä  Sl  553, 
skaltu  forpa  ber  Hgsv  701,  en  |>ar  Freyja  rsepr  Crm  141,  hveim  enn 
fröpi  se  »Sftm  l3  23,  es  meb  froknnm  komr  Hgv  643,  Lättu  fylgja  ])er 
Hgsv  1033,  skyldi  fyrba  hverr  Hgsv  631,  raenti  fyrba  kind  Sl  l1,  hvarrs 
meb  fvrbnm  komr  Hgsv  151,  ef  bü  foti  drepr  jßm  241; 

sendi  Grautatyl*  Htm  l1,  es  ber  gegnir  vel  Hgsv  109  \  ok  vib  gesti 
reifr  Hgv  102 \  hann  es  gulli  studdr  Grm  151,  leiti  gumna  hverr  //r/.sr 
92 x,  skyldi  gumna  hverr  Hgsv  763,  styrir  gumna  hverr  Hgv  183; 

es  beim  liafna  vill  Hgsv  813,  es  hann  lialda  mä  Hgsv  1323,  alls 
bik  heilan  bipr  r//v«  31,  es  mik  lieipta  kvebr  Hgv  1513,  visar  heljar  til 
Herv  383,  leystu  helju  6r  Bm  l3,  ek  veik  hendi  til  Gautr  2\  bap  hann 
hjalpa  scr  Sl  61,  es  byr  hjarta  nser  ifpy  941,  veit  ek  hlifa  mer  Ket  303, 
nö   vif»   homigi    //;"■  1391,    nein   J)ü    horsklig    r$p  -ff^st"  1221,    es   meb 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJuDHAHATTR  209 

horskum  komr  Hgv  203,  en  jati  hvergi  matt  HHv  131,  fljüga  hverjan 
dag  Grm  20 *,  hon  kyss  hverjan  dag  GV>ra  143,  pü  skalt  hverjan  dag 
Sibrc  35 3,  fyr  {)ä  hvitu  mey  Sl  121,  teelir  holpa  opt  S/501; 

ef  pü  lasta  vilt  Hgsv  441,  at  hann  leikinn  es  Ls  193,  es  mer  leipast 
vas  Sl  50 3,  en  hann  lengi  man  Fj  32  *,  haldask  lengi  skip  Hgsv  593, 
gefr  af  lettnm  hng  Lfyst-  35  \  taela  lypa  hvern  Hgsv  lll3,  fagni  lypa 
hverr  Hgsv  59  *; 

verpr  af  inäli  kupr  Bj?«  573,  en  hat  mangi  veit  i^"  141,  es  fyr 
ineinum  verpr  Hgsv  96 3,  at  pik  möhir  bar  Hgsv  36 3,  ok  hefr  mnnna 
tvä  Herv  343,  es  mep  morgum  komr  Hgv  623,  ef  nie])  liiQrgum  komr 
Hgsv  1191,  höt  [pö]  enn  motki  gup  Sl  103; 

ef  mik  naupr  of  stendr  Hpv  1541: 

es  hann  räpinn  hefr  Fm  'Sl3,  ef  pü  reyna  knätt  HHv  211,  letomk 
rums  of  fä  Hgv  1041; 

es  per  sigli  gaf*  Ls  203,  parf  enn  sjüki  mapr  Hj/s«  L353,  gaztu 
slikan  mog  Ls  363,  tynir  slökinn  mafr  ////st  144 :,  pykkja  snotrum  hal 
Lfysr  40:!,  laetr  sein  solginn  so  Hgv  333,  hann  let  sumbli  frä  Hgv  1093, 
ef  hann  sylg  of  getr  Hov  17 3,  es  til  ssevar  komr  Hgv  621,  ef  J>ik  sokja 
komr   %  121: 

at  hann  standa  mnn  Fj  12 3; 

alls  pü  tiva  rnk  Fw  381,  hvi  hü  ti'va  r<»k  Vm  42 ',  ek  kvep  ta±ldan 
|.ik  Alv  353; 

es  stendr  yelli  ä  Grm  T2\  es  pü  velli  heizt  iLfow  123,  es  til  verpar 
komr  Hgv  71,   mim  her  yilja  pins  Sl  25 :;,   pykkir  vitrum  hal  ifyst"  553; 

ef  pü  J)ekkjask  vilt  Hgsv  Sl1,  at  pü  ])ingi  ä   >V/  2  1': 

Anm.  1.  Ferner  gehören  unzweifelhaft  auch  folgende  verse  hierher ,  /»  /  denen 
geringfügige  änderungen  vorxunehmen  sind:  («)  neyt  pu  aldri  [aldrigi]  svä  Hgsv  77 *, 
garpak  g0rpa  ek]  aldrigi  Ket  341,  14t  p4k  aldrigi  [a.  ]>.  lättu]  Hgsv  17  \  skaltu  aldrigi 
[a.  skalt  I •  i \  •  fl^s»  1381,  teyg  [teygjm]  f»er  aldrigi  ffir  1144,  viljak  [ek  vilja]  aldrigi 
Skm  24',  hverrs  [hverr  er]  ä  aiman  lygr  Rm  43,  telk  [tel  ek]  bat  einua  bazt  Hgsr  Iß1, 
svät  [sväat]  faü  einugi  Ls  l1,  verpr  säs  [sä  erj  etki  kann  Hqv  53;  f>öt  [{>6t  hann]  se 
iila  heill  Hqv  691,  sein  [svä  sem]  fyr  innan  emk  Ls  ll1,  es  her  inni  'rü  [eru]**  Ls23 
133  303  //■///.  >s'  78,  anm.  2);  bvit  bviat]  ek  brüf>ar  ä  .!//•  4l,  säs  [sä  er]  ä  brQndum 
skal  Hör  -■'•,  |ivit  !|>viat]  ek  bsep4  veit  Hi?»  901,  hvars  fhvar  er]  meh  fyrfmm  [firum] 
komr  iTjrsr  98 ';  mättu  g0rva  [g0ra]  £>er  flgrs»  483;  drepk  [drep  ek]  per  halsi  af  Ls 
munk  [mun  ek,  ek  liiunj  her  halsi  af  Skm  23 3,  bats  [pat  er]  ör  haugi  bar  Sl  78 3, 
f)sers  [hger  er]  i  heimi  'ru  [eru]  F/«49:i,  [)äs  [ha  er]  her  heitit  vas  Alv  4'',  hann's 
[hann  er]  ä   hverjan  reg  Vm  183;    verpr   [>eims     f>eim  er)  lengi  sofr  Hgsv  17 3;    annk 

i  D«e  ^o«  »?//•  .s'7/>.v7  vorgeschlagene  Streichung  des  es  j'stf  doch  wol  lieher  tii 
unterlassen;  es  j'stf  /'•''"  anaphorisck  wie  Grm  ÖQ1  v.o.  (Wörterb.  2203sfg.). 

■'i  Die  änderung  des  eru  m  'ni  /s/  /»  diesen  versen  schon  deshalb  notwendig, 
um  die  doppelalliieration  tu  beseitigen, 


2  1  0  GERING 

[arm  ek|  })er  margau  dag  Ket  313,  panns  [pann  erj  of  morgun  sef'r  Hqv  593,  ef  härm 
[ef  hann  ow.  Schev.f]  reyna  skal  fl^s»  91 :;;  säs  [sä  erj  jiik  rökja  vill  Ä/sr  108 :!,  heita 
[heit  nu  eij  seggjum  gjof  Ä/sy  40  *;  peims  [heim  er]  til  veipar  komr  Hqv  41;  süs 
[sü  er]  stendr  porpi  ä  J/»f  50'.  Endlich  auch:  es  stendr  hollu  ä  Grn/,251  26 \  wo 
rfas  de«  pers  überlastende  Herjafofmr  #cm  Sijmons  mit  recht  gestrichen  ist. 

Anm.  2.  Doppelalliteration  (ß)  ist  einmal  überliefert:  (kopir  afglapi)  es  til 
kynnis  komr  Hqv  171.  koma  til  kyunis  ist  ein  stellender  ausdruek  (Hqv  30*  332), 
sodass  's  wol  möglich  ist.  dass  dem  dichter  die  geläufige  redensart  entschlüpft  ist, 
ahne  dass  ihm  der  rerstoss  gegen  das  reimgesetx  zum  bcicusstsein  kam ;  aber  ebenso 
gut  kann  ein  Schreiber  die  bekannte  Wendung  an  stelle  einer  ihm  minder  vertrauten 
eingesetzt  haben.  Eine  besserung  Hesse  sich  leicht  bewerkstelligen,  \.  b.:  es  at 
kynni  sitr,  vgl.  Egils  saga  c.  78,  59  (ASB  3,  205). 

Anm.  ■')'.  Nebenalliteration  kommt  ein  paarmal  rar:  (j/1)  (dagr's  nü  Hrim- 
gerpr)  en  pik  dval|>a  hofr  HHv  30 l,  (lit  nü  austr,  Hrimgeipr)  en  pik  lostna  hefr 
HHr  291;  ;■")  (hvat  lifir  manna)  päs  |pä  er]  erm  meera  lipr  Vm  44:!,  (pat  kannk  et 
setta)  ef  mik  sserir  pegn  Hqv  151 ';    (vitr  mapr)  es  fyr  meinum  verpi  Hgso  75 l. 

Anm.  4.  Ohne  all  Iteration  sind  die  verse:  sundrbornar  mjok  |  liykk  [hygg  ek] 
at  nornir  se  Fm  13 i  (vgl.  §47,  anm.  2);  sumur  hvar  |  es  meun  blota  Jhit  Fj  A01 
(Bngge  conjieiert:  bjarga  svimiar  |  hvars  nienn  hlota   pger). 

§82.  2)  Ver  schleif  ung  en.  a)  In  der  eingangs  Senkung 
können,  wenn  dieselbe  drei  silben  lählt,  oft  die  erste  und  zweite  oder 
die  zweite  und  drille  verschleift  werden:  (1.2)  (a)  vakir  of  allar  naetr 
Hgv  231,  komumk  ens  unga  maus  Skm  ll3;  epa  okkr  bäpa  tekr  Skm 
104,  epa  [tat  bipja  man  Hgv  1353,  es  ek  se  brüpi  ä  Fj  353,  kvepu  |)at 
boM  at  Hgv  1264;  es  ek  pik  fregna  mun  fy'  71  91  ll1  131  151  171 
191  211  231  251  271  291  311  331  351  371  391  411;  munattu  lengi  svä 
Ls  491,  es  ek  pat  loggra  sek  Ls  441;  gefip  okkr  mserum  tveim  Sd  33; 
velip  mer  sumbli  at  Ls  73;  en  ek  pik  temja  mim  Skm  26x;  skala  mapr 
velli  ä  #pw  381;  (2.3)  («)  fagna|>u  aldrigi  Hgsv  1163,  lastapu  aldrigi 
Hgsv  781,  vas  su  en  cina  n^tt  67  471,  gaf  hmium  Opinn  sigr  Ket  333, 
kuimi  liaim  onga  pqkk  fl^sv  243;  vqru  ä  brjösti  peim  $/  613;  es  pik 
ifqgrum  lsetr  HHv  W,  alls  pü  a  golfi  vill  Fm  ll1  131  151  171;  skal 
nema  gumna  hverr  Hgsv  901,  pik  skulu  gorstan  dag  £7cm  301;  es  pu  ä 
haugi  sitr  -SA-;//  ll1,  pari  skulu  hverjan  dag  V»i  233,  vit  skulum  liqllu  1 
Fm  193,  es  per  at  hqndum  komr  Hgsv  871;  heldr  an  at  klokkva  se 
Skm  13 1;  vaska  par  lengi  a  FM211;  nein  pu  ä  margan  hätt  Hgsvl3, 
es  mer  i  möti  ferr  Ket  51,  es  pik  of  myrkvan  berr  Skm  91,  es  pu  at 
rünum  spyrr  Hgv  78 x;  liafpu  per  sjalfr  i  hug  *SW  203;  velja  per  sumbli 
at  Ls  81;  vegra  hann  velli  at  flow  ll3,  at  pu  pinn  vilja  bipr  Gg  43, 
leztu  per  Vipris  kvsen  Ls  263; 

Anm.  /.  Ferner  sind,  nach  vornähme  geringfügiger  änderimgen,  hierher  %u 
stellen:  (1.2)  («)  mepan  ä  [ek  ä]  Fäfni  raupk  Fm2til;  vqrumk  [vas  mei|  en  horska 
in.' t  Eqv  95 3;     (2.  3)  («)  vestu  [ves  i>u]  vi])  yta  lrf  -H^rs«?  53  l,  skaltu  of  [skalt  {m  yfir] 


DIE    RHYTHMIK   DKS    LJuDHAHATTR  211 

gngTim  blut  Hgsv  1231;  berra  [berrat]  mabr  brautu  at  HovlO1  ll1;  toerak  [baera  ek] 
i  hendi  mer  Ls  14:1,  barfa  [barf  ei]  til  hylli  gubs  Hysc  13-41,  stöbu  of  [yfir]  hofbi  beim 
S/603,  vqru  of  [yfirj  h<}fbi  beim  S169". 

Anm.  2.  Doppelalliteration  (ß)  /'st  einmal  überliefert:  («)  (fyr  eggjum  bessum) 
hnigr  sa  enn  aldni  jotunn  Skm  25 3  (vgl.  §  15  a.  1).  Es  ist  höchst  wahrscheinlich 
burs  statt  jotunn  xu  sehreiben. 

Anm.  3.  Nebenalliteration  (■/)  kommt  zweimal  vor:  (1.2)  (Gastropnir  heitir) 
en  ek  bann  goivau  hefk  Fj  12  *;  (2.  3)  (qlrunar  skalt  kuuna)  ef  bu  vill  annars 
kvasi  Sd  7  l. 

b)  Ver Schleifung  der  binnensenkung  ist  nur  einmal  bezeugt : 
(a)  otu  steina  fyr  mer   Gautr  31. 

c)  Ver  Schleifung  der  zweiten  hebung:  (a)  liveini  peir  akla 
skulu  Ls  S3,  purfa  akla  synir  Hgsv  1203  hh'fa  alla  daga  Her«;  493, 
hyggr  ser  alla  vesa  Hgv  241  251,  kvQmu  allar  saman  Vm  313,  hefr  ok 
allra  go|>a  6-Vw  421,  Jȟ  skalt  allra  hafa  Wem  161,  es  [sem]  per  annarr 
gorir  Hgsv  301,  ok  vib  annars  konu  //;ic  130\  at  hann  aptr  ne 
komi  Grm  203;  at  bü  eigi  gair  Ilgsr  ]2i\  fser  bü  eigi  vitat  67  681, 
minum  einga  syni  (7#  21,  ef  vit  einir  skulum  Ls  51,  at  [>ü  eip  ne 
sverir  6c?  231,  rnättu  etki  hafa  Hgsv  143:!,  panns  [»er  etki  stopar  Hgsv 
211;  es  pii  illa  truir  Hgv  -16'.  panns  pu  illa  truir  Hgv  451,  girnisk  illr 
at  hafa  Bf/st?  433,  brinnr  rae|)  illum  vinum  ifyr  öl1,  es  her  inn  of 
kominn  Ls  333,  bipr  pess  ipugliga  Hgsv  45';  skaltu  0[iinn  konia  Hgv 
971,  Jiykkir  Opinn  vesa  ///.•>/>  153;  sä  hann  upp  of  konia  F)  L3;  mundu 
ytar  hafa  Hgsv  823;  bregzk  es  a'tlat  hafa  Hgsv  1253;  hirp  pu  ongu 
framar  Hgsv  46 \  ef  pitt  öpi  dugir  F»?  201  221;  en  fyr  olfum  Dai'nn 
Hgv  1431,  firr  pik  ollu  lagi  Hgsv  ll3,  en  nie}»  osuin  funi  .l/V  261,  es 
barg  Qblings  skipum  HHv  273,  es  mapr  qbrum  segir  Hp«  653;  ror  ä 
jarpar  skipi  67  77 \  kvam  mep  JQtna  sunum  Fwz  303,  stöpumk  JQtna 
vegir  Hgv  1043; 

hygg  ek  batna  munu  Ze2  143,  es  vit  bäpir  vitum  Skm  42 \  bot 
[pö]  bik  bragnar  kvepi  iTj^  851,  en  mik  bräpan  kvepa  Ls  451,  es  vit 
b»pi  vitum  67>-;>?  40 l; 

ek  nmn  drengi  vega  Rfm  l3,  es  peir  döma  fara  Grm  305; 

pöttu  fagrar  seir  Sd  2S1.  veit  ek  falla  manu  Ket  343,  bot  mik 
feigjan  vitir  Sd  211.  at  til  fjarri  seak  Fm  81,  alls  pik  fröpan  kveba 
Fm261281  Fm  12'  141.  vas  svä  fröpr  of  skapapr  67  83 3,  ef  mer  fyrpar 
bera  Hgv  149 '; 

es  bau  ganga  skulu  6£  183,  hygg  ek  garpa  taka  Hgsv  1313,  ennar 
göpu  konu  #^  100 3  1073,  verbr  sä  gramr  of  borinn  Hkm  191,  es  pik 
gumna  synir  Skm  2 Gl  verpa  gumna  synir  Hgv  1285,  mun  pik  gorva 
raega  Hgv  1223,  ef  vor  gorva  skulum  Ls  52 3; 


212  BERING 

es  rep  hafnir  skopa  HHv  26 \  es  gengr  harpar  gQtur  Herr  341, 
ef  vill  heilsu  geta  Hgsv  733,  ef  pu  heilsu  nair  Hgsv  471,  at  pii  hJQrvi 
skylir  Em  123,  pykkir  kloglikt  vesa  HHv  303,  es  iiht  hrolla  bupu  5/  383, 
ok  rnep  hollu  keri  i7^/r  523,  kornr  at  kojpa  sunum  i*}'  403; 

äpr  i  kistu  fari  Sd  343; 

en  pau  leynask  miinu  Fm  451,  pats  hefr  ljüfam  hugat  üZj?ü  393, 
roki  lypa  synir  JEZgrst;  1071; 

hann  es  Mäna  faj)ir  Fm  231,  reynask  margar  sqgur  iTi/sv  713,  pser 
at  meinu  komit  ZZerfl  52 3,  at  J)eim  menn  of  gefi  .F)  243,  la  fyr  mildings 
skipura  HHv  193,  vas  peim  mJQk  of  lagit  i<}  221,  bann  hefr  mseki  ropit 
Eir  53,  vask  ens  insera  burar  Grm  50 3; 

par  mnn  Njarpar  syni  Skm  40 3; 

helzk  mep  rekka  lij)i  i/^sv  49 3,   vas  frä  römu  kominn  Hkm  15  *; 

pöt  mep  seggjum  fari  Sd  29 *,  pöt  se  sip  of  alinn  i7^y  72 \  skaltu 
sjaldan  trua  Hgsv  711,  es  vit  slita  skulum  2*}'  503,  hann  stendr  sola  fyrir 
Grm  381,  leit  ek  sunnan  fara  £7  551,  hyggjat  svefngar  vesa  Sd  36  *, 
estu  sveinn  of  borinn  i*}'  61,  alls  pik  svinnan  kvepa  Vm  241  30 *  32 x 
341  36 x  40 J,  verpra  ssela  skqpup  ifora  63: 

hann  es  Vetrar  fapir  Vm  271,  paer  ä  Tetrilin  bera  JBerw  50 3,  at  pser 
Tillar  fara  fij$v  1553,  tselir  Tirpa  sunu  5/  341,  ek  hef  vipa  ratat  Alv  61; 

pat  varp  Jjinni  konu  Ls  40  *; 

Anm.  4.  Ferner  sind,  nach  vornähme  geringfügiger  änderungen  folgende 
verse  hierher  %u  stellen:  («)  hvars  skalt  [pü  skalt]  Aldafapir  Vm  43,  bark  [bar  ek] 
of  alda  sunum  Jm  16  \  lät  per  aldri  [aldrigi]  gora  Hgsv  36 l,  pöttunik  [p.  ek]  alla  fara 
5/521,  fßfrik  [fori  ek]  äsa  sunum  Ls33,  pottu  [pott  pü]  eignask  hafir  Hgsv  120 l, 
böttumk  [potti  mer|  etki  vesa  Hqv  96 3,  hykk  [hygg  ek]  at  illa  geti  Iw  10 :l,  nü  knätt 
[knättu]  Opin  sea  Grm  53  \  peims  [beim  er]  til  Opins  koma  Grm  91  101,  hykk  [hygg 
ek]  at  unnit  hafi  Hqv  109  \  ef  pü'st  [pü  ert]  üt  of  kominn  Rm  21',  hykk  at  [hygg  ek 
at  hon]  oll  of  viti  Ls  2l3,  hugbumk  [h.  ek]  olhun  vesa  Fml6\  säs  [sä  er]  of  qlbrum 
prumir  Hqv  13  *;  veitk  [ek  veit]  at  brinna  skulu  GVm  38:!,  bykkjumk  [pykkir  ek] 
brognum  vesa  Hl  21;  hykk  [hygg  ek]  ens  dokkva  vesa  7/w20:!;  hykk  [hygg  ek]  at 
Fäfnir  myni  Fm'22'.  hykk  [hygg  ek]  pik  feiknum  vesa  Ket  29 :i,  säk  [sa  ek]  fyr 
Fitjungs  sunum  H<ir  751;  pottak  [potta  ek]  gummim  vesa  S1351:  nü  'mk  [nü  emk] 
af  gongu  kominn  Vm  81;  ek  sä  [se]  harpla  [harliga]  vega-FW283,  mundak  [ek  munda] 
Herjafopur  Vm2\  säk  [sä  ek]  mep  liimuum  fara  Sl  74l,  hefk  [hef  ek]  nü  hljöb  of 
kvepit  Hgsv  139 ',  drepk  [drep  ek]  pik  Hrungnis  bana  Ls  613,  säk  [sä  ek]  i  holpä  lipi 
Hgsv  141';  alls  per's  [per  er]  kostr  of  bopinn  Sd  20l;  kvamk  [kom  ek]  i  inarga  stapi 
Hqv  66 \  skyldut  [ei  skyldu]  margir  vita  Hgsv  73',  hefk  [hefik]  til  moldar  snuit  Ket 
191;  hykk  [hygg  ek]  mik  räpa  muuu  Rmd1;  säk  [ek  sä]  i  sauri  vapa  Herv 413,  hykk 
[hygg  ek]  at  sipla  muni  Sl  243;  hykk  [hygg  ek]  at  [fehlt  Schev.]  standask  megi 
Hgsv  743,  hefk  [hefik,  hefl  ek]  minn  vilja  bepit  Fj  481. 

Anm.  5.  Nebenalliteration  (y)  ist  mehrmals  überliefert:  (fyr  unnar  sakir) 
skaltu  aldri  [aldrigi]   saka  Hgsv  131',    (einii  ek  vissa)  hversu  alla  vega  Sl  38  *,    (füll 


DIE   RHYTHMIK   DES   LJODHAHATTR  213 

skal  signa)  ok  vip  färi  sea  ä/75,  (hvat  af  mobi  verpr)  pess  ens  ma?ra  vipar  Fjl53, 
(somparorpa  lauss)  liefr  pu  seggr  of  lifat  Fj  33. 

Anm.  6.  Oltne  all  Iteration  ist  der  rers :  syndir  pvi  valda  |  at  ver  hryggvir 
forum  SISO1  (vgl  §  66,  anm.  1). 

d)  Verschleifung  der  eingangs  Senkung  und  der  zweiten 
Hebung.  Es  sind  hier  tvider  wie  unter  a)  zwei  fälle  zu  unterscheiden: 
verschleifung  der  ersten  und  zweiten  (1.2)  oder  der  zweiten  und  dritten 
(2.  3)  silbe  einer  dreisilbigen  eingangssenkung :  (a)  (1.  2)  skala  mapr 
arm  an  hafa  Hgv  30  \  kvama  mep  äsa  simum  Ls  56 3,  es  ek  vas  enn  of 
kominn  Hpv  1001;  en  ek  ä  fröpan  sefa  Fj  41,  ef  ek  skal  fyrpa  li])i 
IJnr  1591,  skala  mapr  heitinn  vesa  Hat  1003,  vom  peim  hjortu  skopup 
H<jc  833,  skyJit  rnapr  hrösinn  vesa  la^v  61  Hgsv  691  [skyldit  ScA^p.]; 
megut  I>eir  lengi  fela  fiijw  613,  skalattu  lengi  muna  Hgsv  67 *;  skalattu 
rögi  trua  Hgsv  141 1;  es  ek  vi]  snimraa  hafa  ifo  71;  (2.3)  drekka  of 
alla  daga  GVw  73,  Ifsir  of  alla  daga  8km  43,  m^ttu  |>eir  annan  muna 

51  123,  verpa  of  äsa  sunum  Grm  42 3,  ganga  ör  ein  um  durum  Grm  233, 
lättu  per  elsku  vesa  Hgsv  1291,  at  pu  vip  illu  seir  ÄZ  37  *,  skyldi  mep 
Opni  fara  Hkm  l3,  leitapak  öpra  vegar  Sl  52 3,  haldi  per  ollum  megum 
Gg  73,  lättu  bans  ondu  farit  Sd  25°;  ef  pu  vill  borgit  hafa  Sd  91;  vas 
per  i  draumi  kvepit  Sl  831,  pser  enar  dokku  konur  Sl  581;  skyldup  er 
firpir  vesa  iura  73,  es  sa  enn  fröpi  jotunn  Vm  35 3;  skaltu  mep  göpum 
hlutum  Sl  2G3,  skaltu  af  greppum  nema  Hgsv  971;  lättu  at  haldi  koma 
Hgsr  143 \    mundi   mer  heim   of  bopit  H$v  67 \    kvomu   6r  himni  ofan 

52  71,  ef  pu  vill  hverjum  vesa  &H21;  ef  pu  vill  lseknir  vesa  Sd  101, 
verpa  at  longum  trega  Sl  343;  verp  pu  1  morgum  hlutum  ify*/-  1093; 
hun  skal  ens  skira  mjapar  Grm  253,  pöttu  per  Skrymis  vesa  Ls  623; 
hykk  at  ek  verpa  muna   Gg  53; 

Anm.  7.  Ferner  werden  nach  vornähme  unbedeutender  änderungin  folgende 
verse  hierher  zu  stellen  sein:  («)  (2.3)  letk  [let  ek]  hana  eptir  hafa  Hqv  105 3,  skala 
majjr  [skal  m.  ei]  illa  bera  Hgsv  9G1  132  \  kjöstu  [kjos  Jju]  per  j aiparm egin  Hqv 
1364;  skalta  [skalattu]  i  fapmi  sota  Hqv  1124,  kvepk  [kvep  ek]  mer  i  fornum  stofum 
Vm  l3;  panns  [bann  er]  mik  of  myrkvan  beri  Shn  81;  muntu  [pu  mimt]  fyr  nesjum 
hafa  F/u  ll1.  —  In  der  halbzeile  Fm  241:  päs  komum  allir  saman  ist  die  den  rers 
überlastende  glosse  sigtiva  synir  von  den  herausgehern  mit  recht  gestrichen. 

Anm.  8.  Dreimal  sind  verse  mit  viersilbigem  auftakt  überliefert ,  in  denen 
doppelte  verschleifung  (der  1.  und  2.  sowie  der  3.  und  4.  silbe)  vorgenommen  werden 
kann:  («)  es  ek  sä  ä  fornu  nesi  Ä'e^lT1,  skalattu  enn  horski  Bragi*  Eir  31,  skalattu 
vip  pina  lipa  Hgsv  50 l.  Wahrscheinlich  aber  ist  in  diesen  versen  eine  Verkürzung 
vorzunehmen:  es  säk  ä,  skaltat  enn,  skalta  vip. 

Anm.  9.  Doppelalliteration  findet  sicli  einmal:  (Hörn  ok  Rupr)  snuisk  til 
heljar  hepan  Gg  8y.  Sicherlich  ist  dieser  vers  durch  Umstellung  zu  bessern:  til 
heljar  hepan  |  snuisk  Hörn  ok  Rupr. 

*)  Die  rersteilung  bei   Wisen  ist  falsch. 


214  GERING 

Amii.  10.  Ohne  alliteration  sind  die  folgenden  beiden  langxeilen:  |>at  kannk 
et  sjaunda  |  ef  ek  se  hQvari  loga  Hqv  1521,  Bjugvor  ok  Listvor  |  sitja  i  Herpis  dyrum 
S17P)'.     Eine  Heilung  der  verderbten  verse  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen. 

e)  Verschleifung  beider  Senkungen  lässt  sich  nur  zweimal 
belegen:  (a)  (2.3)  en  hana  möpir  of  gat  Fj  81,  f>öt  [|>ö]  komi  strij)  epa 
hei  Rgsv  793. 

/)  Verschleifung  der  binnensenkung  und  der  zweiten 
hebung  kommt  viermal  vor:  (a)  an  s6  brigpmn  at  vesa  H(>v  1233,  es 
til  moldar  es  komin  6ty  23,  ef  |)ü  segja  ne  nair  H$v  120'';  parfat  []>arf 
eij  hverju  at  trua  i?(/sv  293. 

III.   B- verse  mit  dreisilbiger  eingangssenkung. 

§  83.  Dreisilbige  eingangssenkung  ist  im  ganzen  wenig  beliebt, 
und  es  ist  daher  unbedenklich,  an  den  überlieferten  versen  Verkürzungen 
vorzunehmen,  wenn  dies  ohne  gewaltsamkeit  geschehen  kann.  Dem- 
gemäss  sind  oben  (§  82,  anm.  1.  4.  7)  mehrfach  dreisilbige  Senkungen 
in  zweisilbige  umgewandelt  worden.  Die  nachstehend  aufgeführten 
verse  wird  man  jedoch  in  der  überlieferten  form  belassen  müssen. 

1)  Verse  ohne  verschleifung:  (a)  at  myndak  aldrigi  SkmSS3,  sömir 
per  annan  pess  Hgsv  45  \  ver  |)ina  ÖpalsJQrf)  Hgsv  101;  es  sofr  i  qsku 
grjä  Herv  591;  pot  sseti  forautu  nser*  Ket  323;  hverjum  hann  giptu  ann 
Hgsv  643,  pser  falla  gumnum  mer  Orm  286;  en  pat  per  hjalpa  raun 
Hqv  1463;  letir  pu  lyngvi  i  JFVra  271,  fellir  hann  niorgun  hvern  Vm  143; 
es  finnask  Yigi  at  Vm  173  181,  ok  ripa  vigi  frä  Vm  413;  es  ri|)a  Jjingi 
at  iJerv  611. 

^4«w.  Ferner  gehören  wahrscheinlich  noch  folgende  verse  hierher,  bei  denen 
geringfügige  änderungen  vorgenommen  sind:  («)  satk  [sat  ek]  milii  elda  her  Qrm2\ 
es  hykk  [ek  hygg]  at  orpnir  se  Orm  545;  ef  [ef  bii]  vilt  [villi  at  mangi  pur  Sd  ll1; 
ef  vilk  [ek  vilj  ens  svinna  maus  Hqv  1611,  äbr  [ä.  fm]  verpir  sobli  af  mar  SÄ-w  411  - 
ef  ätt  [bu  titt]  i  verkum  hlut  i£/s^  1441. 

§  84.  2)  Ver  Schleifungen,  a)  In  der  eingangssenkung  sind 
öfter  vier  silben  vorhanden ,  von  denen  jedoch  zwei  ver  schleif  bar  sind: 
(a)  (2.  3)  läti  hann  enn  hära  pul**  Fm  341,  drukku  peir  enn  hreina 
mJQp  Sl  563;  (3.4)  hafpir  pu  pess  aldrigi  Ls  403,  repi  sa  enn  frani 
ormr  Fm  303,  drekki  po  at  höfi  mjqp  Hqv  191.  Doppelte  verschleifung 
in  einer  fünfsilbigen  eingangssenkung  (auflbsung  der  2.  und  3.  und 
der  4.  und  5.  silbe)  ist  einmal  nachzuweisen:  (a)  leitapi  mer  et  liorska 
man  H$v  101°. 

*)  Die  versteilung  in  den  Fornaldar  sögur  ist  falsch. 
**)  hann,  das  Sijmons  streicht,  ist  kaum  entbehrlich. 


DIB    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  215 

b)  Verschleifung  der  \  /reiten  hebuug:  (a)  es  liggr  fyr  alda 
sunum  Air  93,  parf  mapr  a  alla  vegu  Hgsv  761,  lätir  mep  äsa  sunum 
Ls  533,  sömir  per  ipugliga  Hgsv  48 ',  sömir  per  opt  at  duga  i/^rsy  551, 
es  purfa  yta  synir  flj5«  147  \  kna  hon  hjä  jofri  sofa  HHv  243,  äpr  vreri 
JQrp  of  skQpup  Fm  29  *  351;  pcßrs  g0rpu  foragnar  spakir  Hgsv  543,  en 
pat  hefr  lengi  verit  Fj  361,  fagna  pvi  lypa  synir  flgrsw  663;  es  ganga 
margar  [margar  ganga  Bugge]  saman  Herr  521;  en  peir  mep  riki  fara 
Hgv  1563;    es  kannat  pjöpans  kona  Hgv  1461; 

Anm.  1.  Hierher  sind  firner  icol  auch  f (Agende  rerse,  nach  vornähme  un- 
bedeutender  änderungen  zu  stellen:  («)  hykk  [hygg  ek]  at  bitt  Atli  sei  HHr  20  ;.  at 
[atpü]  skalt  vib  illu  sea  Sd  32 \  peirs  [beir  er]  sitja  inni  fyrir  üor  132';  ef  sek  [ek  se] 
af  färi  skotiun  Hqv  150  \  bvi  'stu  [hvi  ertu]  sva  folr  umb  nasar  Air  21,  bykkjumk 
[mer  pykkja]  of  gullna  sali  F/  5 :l,  löetk  [lset  ek]  her  fyr  legg  of  kvebinn*  Og  10 s, 
pykkjumka  [{.ykkjumsk  ek]  lofpungs  vita  »SV/373,  hykkak  [hykka  ek]  sva  mikla  vesa 
Skm  5 l. 

c)  Verschleifung  der  eingangs  Senkung  und  der  zweiten 
Hebung:  (a)  (1.2)  raegit  pinu  holdi  fara  Og  123;  vitip  minu  lifi  farit 
Rm  101;  kvepa  hofp  til  lypa  sona  Oautr  21;  (2.  3)  hengu  peim  fyr 
brjösti  utan  81  583. 

Anm.  2.  Auch  die  folgenden  beiden  rerse  sind  /rol  nach  vornähme  gering- 
fügiger änderungen  hierher  tu  stellen:  («)  (3.  4)  ef  [ef  hann]  vseri  mep  bondum 
kominn  Hör  108 4,  namk  [uam  ek]  af  enom  fraegja  syni  Hqv  140 '. 

IV.    B-verse  mit  viersilbiger  eingangssenkung. 

§  85.  Viersilbige  eingangssenkung  ist  noch  weit  seltener  als  drei- 
silbige und  muss  überall,  wo  es  ohne gewaltsamkeit geschehen  kann,  be- 
seitigt werden  (s.  oben  §  84  a.  1.  2).  Einige  wenige  fälle  bleiben  übrig, 
in  denen  öfter  auch  noch  verkürxungen  vorzunehmen  sind.  1)  Verse 
ohne  verschleifung:  (a)  es  setlar  til  hjälpar  ser  Hgsv  1143;  kennik 
[kenni  ek]  per  minn  einka  sun  Hgsv  21  1031. 

2)  Verse  mit  verschleifung.  a)  auf  der  eingangssenkung: 
(a)  (1.  2)  skalattu  (lies:  skalta?)  per  vip  Terra  mann  Hgv  1244;  (3.  4)  skaltu 
bera  fyr  ongum  hlut  Hgsv  561;  (4.5)  es  sitr  1  enum  liQva  vipi  i^'173; 
b)  auf  der  zweiten  hebuug:  es  deilir  mep  JQtna  sunum  Vm  153  161, 
mseltak  [mselta  ek]  mina  forna  stafi  Vm  55 3. 

Cap.  11.     Typus  C. 
§  86.    Wie  zu  erwarten,  sind  auch  die  C-verse  in  Lb  zahlreich 
vertreten,  und  zwar  ist  widern  m  zweisilbige  eingangssenkung  besonders 
beliebt.     Drei-  und  viersilbige  eingangssenkung  ist  seltener,   lässt  sich 

*)  Sijmons  stellt  lsetk  her  noch  in  die  erste  halhxeile,  aber  die  Verbindung 
leetk  kvebinn  darf  doch  wol  nicht  aust  inander  gerissen  werden. 


216  GERING 

aber  nicht  überall  ohne  gewalttätigkeit  beseitige)).  Die  verse  mit  ver- 
kürzter zweiter  hebung  (C2)  sind  zahlreicher  als  solche,  die  diese 
hebung  auf  einer  langen  silbe  tragen.  Verschlei fangen  der  eingangs- 
senkung  und  der  ersten  hebung  kommen  häufig  vor.  Die  alliteration 
ruht  in  der  weitaus  überwiegenden  mehrxahl  der  fälle  auf  der  ersten 
hebung. 

I.    C- verse  mit  einsilbiger  eingangssenk img. 

A)    Die    zweite    hebung    steht    auf    hinger    silbe   (Gl). 

§  87.  1)  Verse  ohne  verschlei fung:  («)  es  af  drjüpa  8km  213, 
ok  äsynjur  Ls  313,  ok  ospiltar  Sd  194;  ok  fe  bjö])a  Hör  911,  en  flätt 
hyggja  Hgv  453;  enn  koprmäli  Ket  19";  es  mart  hofpu  Sl  671  691,  pä 
meinkr(»ku  Ls  433,  es  minzt  vildu  Sl  651,  es  mJQk  liof{»u  Sl  711; 
i  solvipri  Herv  633;    en   skin   dvergar  Alv  143;    live  Vafprupnis  Vm  33. 

Anm.  1.  Naclt.  Herstellung  des  bragarmäl  ist  ferner  hierherzustellen  der  vers : 
(«)  beims  [beim  er]  Hamskerpir  FM413. 

.4«?«.  2.  Doppelalliteration  (ß)  ist  einmal  überliefert :  (olr  ek  varp)  varp 
ofrolvi^Ä^  141,  f/oc/<  istf  //?e>-  der  Verstoss  gegen  die  reimgesetxe  sicherlich  von  dem 
dichter  selbst  begangen.  —  In  dem  langverse  Skm  313:  pik  g-ep  gripi  |  pik  morn 
morni  alliterieren  die  beiden  halbxeilen  nur  in  sich  selbst. 

Anm.  3.  Nebenalliteration  (y)  ist  vielleicht  in  dem  verse  Skm  314  anzu- 
setzen: (ves  sem  pistill)  s;is  vas  prungiun.  Dass  der  hauptstab  auf  dem  hilfsverbum 
ruht,  ist  jedoch  sehr  auffallend,  daher  man  icol  eine  Umstellung  vornehmen  darf: 
sas  prunginn  vas  (typus  B). 

Anm.  4.  In  drei  versen  ruht  der  hauptstab  auf  der  zweiten  hebung:  (cf)  ek 
sä  ganga  Skm  6  \  bats  [bat  er]  guj>  maelti  Sl  47  :!,  en  peir  varpa  Fj  20 3.  Besonders 
der  zweite  vers  ist  bedenklich,  da  der  reget  nach  das  voraufgehende  nomen  die 
alliteration  tragen  rnüsste;  man  muss  also  tool  umstellen:  bats  niiOlti  gup  (B). 

Anm.  5.     Unmöglich  ist  der  vers  HgsvSi1:   (lostum  leyna)  skaltu  sein  lengst 
matt.     Ich  vermute,  dass  der  visuhelmingr  auf  folgende  weise  herzustellen  ist: 
lostum  leyna,  sem  lengst  mättu, 

skaltu  beim  es  veizt  mep  vinum. 

§88.  Verschlei fu?i gen.  a)  auf  der  eingangssenkung: 
(a)  mun  ek  üt  ganga  Ls  643;  erusk  gagnhollir  Hgv  321,  ok  ä  gullbaugum 
Hkv  191,  ne  ä  grind  hrokkvir  Hov  1344;  ok  of  hug  rasela  Hör  463; 
gerir  äampykki  Hgsv  50 3;    unir  pjöpvitnis  Grm  211; 

b)  auf  der  ersten  hebung  (Sievers  C2):  (a)  en  joa  Sleipnir 
Grm  443,  i  JQtunheima  Skm  413;  es  bera  kv<$pu  FM  10 u,  en  Bragi 
skalda  Grm  444,  mep  Brirais  eggjar  Sd  141;  sein  fair  eigu  Fj  283,  en 
fJQgnr  augu  Herv  443,  pars  [par]  forap  pykkir  Gg  151,  pöt  fqpur  missi 
Rm  103;  ok  gefinn  Öpni  Hgv  1383,  ok  gJQium  skipta  Hgv  443,  ok  glata 
aldri  Sl  323,  en  guma  eigi  Herv  35 3,  ef  gnmar  vissi  Rm  20 *;  i  Hatafirpi 
HHv  12 \  en  liQiup  etki  Herv  55 3;  es  lekit  hafpi  Sd  13 3;  ne  niatar  etki 
Herv  333;     a    reginfjalli    Herv  481;     ä    tai    standa    Rm  213;     pat    vita 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  217 

pykkjuink  Em  81,  ok  yiti  bundin  Sl  321,  ä  vipar  röturn  Skm  36  \  — 
J.?/cä  der  vers  Hgv  1625:  (a)  ef  geta  rnaettir  würde  hierher  gehören,  falls 
meine  emendation  das  richtige  getroffen  hat  (s.  oben  §37,  anm.  4). 

Anm.  1.  Bragarmäl  ist  herzustellen  in  dem  verse:  («)  bäs  [bä  er]  regin  deyja 
Vm  47 3. 

Anm.  2.  Nebenalliteration  (y)  kommt  einmal  vor:  (Gifr  heitir  annarr)  en  Geri 
annarr  Fj  20 '. 

c)  auf  der  eingangs  Senkung  und  der  ersten  hebung:  (a)  e])a 
Tmis  nipja  Vm  28 3;  munu  fair  kunna  Ale  53;  ef  it  (xymir  finnisk 
Skm  242;  at  ek  hafa  mynda  Hgv  98 3,  en  ä  klibu  fünar  Grm  35 3;  ok 
or  konu  sfceggi  FM  86;  ok  of  lipu  spenna  Sd  83;  es  af  niikilketi  Sl  661; 
mepan  saman  drukku  Sl  213;    skulu  vinir  glebjask  Hgv  411. 

B)    Die  zweite  hebung  steht  auf  kurzer  silbe  (C2). 

§89.  1)  Verse  ohne  v er Schleifung:  (a)  en  af  baban  Skm  63, 
at  aldrlagi  Vm  52 3,  berr  alfrqpull  Vm  47  \  es  einn  gorisk  Hgsv  60 3,  lsetr 
opt  kvepin  Sd  243,  vip  orms  megin  Fm  26 3,  paus  upp  korna  Hgsv  27  \ 
ok  orviti  Ls  211,  brinn  oll  loga  Grm  295,  ok  qlmusur  Hgsv  13  *;  peir 
l)elt  hafa  5/  80  *,  es  blip  regin  örw  61,  an  brendr  sei'  Ä^v  713;  ä  fimm 
dQgum  Hgv  73",  ok  fröpr  vesa  Hgv  14 11;  at  Oeirropar  Grm  49  *,  sem 
gott  kvepa  Hgv  12\  sepr  gunntamipr  GWra  191;  rann  lieipt  saman  Sl  133, 
meb  her  inikinn  iZÄVM  103,  ok  hernuminn  i<7«  78;  ne  manns  konu 
Ls  37 3  Sd  323,  peims  [peim]  niart  talar  Hgsv  983,  enn  meinsvani  Grm 
163,  es  iiienn  roa  Alv  233,  es  inJQk  ala  Sl  611,  es  niold  tropa  Fm  233; 
ok  Sanngetall  Grm  47 *,  verpr  sip  hlapit  ££  77::,  es  sjalft  vegisk  Skm  83; 
ok  yegr  yfir  Herv  32 3,  en  vit  syni  Hgv  87 3;  es  parfr  gorisk  Hgsv  533, 
vas  J)ess  fabir  Vm  29 3,  skal  pörr  vesa   Grm  43. 

Anm.  1.  In  folgenden  versen,  wo  die  partikel  es  unmittelbar  auf  ein  pro- 
nomen  folgt,  wird  unbedenklich  bragarmäl  herxustellen  sein:  (a)  beims  [f>eim  er] 
grand  varask  Hgsv  101 :l,  bats  [bat  er]  menn  hau  FJ29';  säs  [sa  er]  menn  sea  J./#  13 3. 

J.?wra.  5.  Nebenalliteration  (y)  ist  einmal  überliefert:  (bvit  övist  es)  hvar 
övinir  lL>r  l4  fn//.  %u  diesem  ferse  oben  §29,  anm.). 

§  90.  2)  Ver Schleifungen,  a)  auf  der  eing  ang  s  Senkung : 
(a)  ok  ä  austrvega  Ls  593,  skal  ä  eld  bera  i<}'  161,  es  of  eld  skulu 
Hkv  241,  nema  illt  geri  Sl  3.03,  epa  uppbiminn  Vm  203,  vil  ek  (ek  vil 
v.l.)  oll  bafa  Sd2V\  vil  ek  oll  vita  Skm  391;  skulu  foräpliga  Fm  393; 
skala  gestr  vesa  flj?«;  351,  nema  geps  viti  i^v  201,  vqi-u  kynliga  S7  663; 
es  et  räpspaka  Hgv  1013,  es  ek  rept  vita  Grm  243;  epa  yarmr  sumarr 
Vm  263,  bef  ek  vel  notit  Hgv  106  \  kvepa  vind  koma  Vm  37  *,  es  ek 
ysett  hefi  Fj  49 3; 

Anm.  Nebenalliteration  (y)  ist  einmal  überliefert:  (I>vi  muut  lifest)  nema 
[n.  {)ü.]  uü   I>egir  Ls  4P.     Alliteration   auf  der  zweiten  hebung   (tf)   kommt  einmal 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  15 


218  GERING 

vor:  erusk  lengst  vinir  Hqv  41 3.  Der  vers  ist  jedoch  bedenklich,  da  der  regel  nach 
das  erste  nomen  den  Stabreim  tragen  müsste;  es  ist  also  wahrscheinlich  Umstellung 
vorzunehmen:  erusk  vinir  lengst  (F3). 

b)  auf  der  ersten  hebung;  (a)  sein  fira  synir  Fm  23  31,  at 
Beginn  skyli  Fm  391,  ok  J)ria  stufi  Skm  37 x; 

c)  auf  der  eingangs  Senkung  und  der  ersten  hebung.  Nur 
ein  beispiel:  (a)  sat  ek  niu  daga  Sl  511. 

IL  C-verse  mit  zweisilbiger  eingangsseukung. 
A)  Die  zweite  hebung  steht  auf  langer  silbe  (Cl). 
§  91.  1)  Verse  ohne  v er Schleifung :  (a)  heldr  an  annarra 
Eir  51,  skaltu  är  sitja  8km  271,  lsetr  i  Eldhrimni  Grm  181,  lagpir 
itrpvegna  Ls  173,  ef  vill  ipröttir  Hgsv  541,  hefr  pü  ofdrukkit  Grm  511, 
peirs  i  orrustum  Hkv  211;  bot  kann  fagrt  mseli  Hgsv  411,  pot  [pö]  per 
fagrt  synisk  Hgsv^S1,  es  ver  fläst  hyggjum  Hgv  90 3,  es  pü  fyrr  reynir 
Hgsv  203;  studdisk  geirskapti  Hkm  101,  an  se  glüpnanda  .Fm  293,  pot 
per  göpr  pykki  Hgsv  213,  pars  en  gullbjarta  Grm  81;  ef  pü  Heiprekr 
est  Herv  66  *,  gengu  lirimpursar  Hgv  108  *,  kvQpu  hrimpursi  Vm  331, 
kann  rsepr  liimdmQrgum  Vm  38 4,  drypr  i  Hvergelmi  Grm  26 3,  kvipir 
hvivetna  üfyw  1363;  mundu  Loddfäfnir  Hgv  1623;  per  til  liieins  gerva 
Gg  133;  es  peir  ript  kofpu  Hgv  493;  en  pau  seig  vqru  S1313,  pess 
es  sjalfr  gorpak  F>«  273. 

Anm.  1.  Ferner  sind,  nach  vornähme  geringfügiger  änderungen,  folgende 
cerse  hierher  zu  stellen:  (cc)  her  hefk  [lieh  ek]  algullin  Skm  19  *,  hugpak  [ek  hugpa] 
jafnramman  Vm  23,  at  [at  pü]  vip  frsendr  pina  »SV/221,  at  [at  pü]  pinn  mog  btepir 
Cfy  l3,  ef  skalk  [ef  ek  skal]  pegn  ungan  Hqv  158 l.  Sicher  gehört  auch  hierher  Fjö1: 
fysir  aptr  flestau  (die  hss.  lesen  unsinnig  fän  steü  üestan);  endlieh  Hqv  58 3:  sjaldau 
lser  of  getr  fs.  o^e«  ^^r,  anm.  2). 

Anm.  2.  Nebenalliteration  (y)  ist  zweimal  überliefert:  (betra's  ö - bepit)  au 
se  of-blutit  Hqv  145 ';  (haudar  emk  vanr)  en  pü  Hropyitnis  Ls  39  *.  —  Alliteration 
auf  der  zweiten  hebung  (ä)  kommt  einmal  rar:  ef  pü  svä  vserir  IjS  541.  -Es  ts£ 
jedoch  wahrscheinlich,  dass  Umstellung  vorzunehmen  ist:  ef  pü  yserir  sva  (B). 

Anm.  3.  Auffallend  ist  der  (durch  conjeetur  hergestellte)  vers  mit  alliteration 
auf  der  zweiten  hebung  (ß):  (betra's  lifpum)  an  se  olifpum  ['ok  s^l  liföom'  B]  Hqv 
70 *,  da  doch  dem  sinne  nach  auf  dem  6-  der  hauptton  liegen  müsste.  Es  darf 
jedoch  nicht  geändert  werden,  da  dieselbe  seltsame  alliteration  auch  sonst  sich  findet 
{FmZV). 

§  92.  2)  Ver  Schleifungen,  a)  Bei  dreisilbiger  eingangs  - 
Senkung  kommt  es  ein  paar  mal  vor,  dass  die  1.  und  2.  oder  die 
2.  und  3.  silbe  verschleift  werden  können:  (a)  (1.  2)  hafa  at  olmqlum 
Ls  l3;     (2.3)  en  hana  prir  gorpu  Fj  101. 

Anm.  1.  Ferner  gehören  wol  drei  verse  hierher,  bei  denen  unbedeutende 
änderungen  vorgenommen  sind:  («)  (2.3)  paers  [p;er  er]  vom  ä  ristuar  Sd  18 l,  ef 
ser  ä  [ä  ser]  atvinuu  Hgsv  105 *,  ef  [ef  pü]  vip  enu  naddgofga  Gg  141; 


DIE    RHYTHMIK   DE8    LJODHAHATTR  219 

Ann/.  2.  Mehrmals  ist  auch  viersilbige  eingangssenkung  überliefert,  in  der 
die  1.  und  2.  sowie  die  3.  und  4.  silbe  zu  verschleifen  sind:  («)  skalattu  i  orrustu 
Hqv  1284,  vcjru  bau  en  harbmobgu  Orm  41 3,  skalu  per  ä  hqm  galga  Fj  45  \  epa  eru 
ssedaubir  Sd  33 3. —  Dazu  ein  vers,  in  dem  ein  entbehrliches  wort  zu  streichen  sein 
wird:  (a)  hafa  enar  [paer  euar]  livitfoldnu  Herr  513  533. 

b)  V er  Schleifung  der  ersten  hebung  (Sievers  C2):  (er)  ek  vil 
etin  lata  Fm  313;  ne  svä  blaar  unnir  Sd  95;  alls  rnik  fara  tipir  Vm  l1, 
ef  fjik  fara  tipir  iJpy  1154,  ef  pik  fiandr  stauda  Gg  91;  at  pü  gair  eigi 
iJ^>  1131,  ef  ser  geta  msetti  Hqv  43,  leztu  Grymis  döttur  Ls  42 x;  bve 
sä  konungr  bafpi  Hkm  181;  stop  af  monura  peira  i7iÄ'  283;  at  pü 
llQiim  bjargir  Sd  33 x;  ef  {)ü  sakar  deilir  $6?  311,  pot  peir  sakar  gervi 
Sd  22 3;    es  bann  vita  pyrfti  #0«;  22 3. 

Anm.  3.  Nach  vornähme  geringfügiger  Änderungen  sind  ferner  die  folgen- 
den verse  hierher  ku  stellen:  («)  pvis  [fjvi  er]  bei  atalt  bykkir  Gg  6::,  ättir  [J»ü  a.] 
fojair  bitran  .Fw  5:i,  at  Jju  trnir  aldri  aldri  [aldrigi]  Sd  35 \  svät  [svä  at]  ek  vita 
bykkjumk  Ls  54:;. 

cj  F rer "Schleifung  der  eingangssenk u n g  und  der  erste n 
hebung:  (a)  (1.2)  vorn  ä  himingeislum  Sl  723;  epa  svä  matargöpan 
Hqv  40 x;    en  ek  mim  sofa  ganga  i^ra  311. 

Anm.  4.  Nach  Streichung  einer  überflüssigen  silbe  sind  auch  wol  folgende 
verse  hierher  zu  stellen:  («)  (2.  3)  äat  enu  [sä  eun]  feargjarui  Herr  59  3,  teyg  [teygbuj 
per  at  gamanrüuum  Hqv  1194. 

B)    Die   zweite  hebung  steht  auf  kurzer   silbe   (C2). 

§  93.  1)  Verse  ohne  ver Schleifung :  (a)  neyttak  alls  megius 
FM  624,  pykkisk  allt  vita  Hqv  261,  peira  Andapar  Hkv  222,  rninna 
andskota  Hqv  14S3,  bann  mim  aptr  koma  Vm  393;  at  mer  einn  gefi 
Ls  63,  für  ek  einn  saman  Hqv  47  x,  veldr  bann  einn  saman  Hgsv  1063, 
|)öt  pü  einn  vitir  Hgsv  60  \  stnkku  eitrdropar  Vm  311,  ef  bann  enn 
sparir  Fm  37  \  en  dryg  erfipi  Hgsv  lll1,  drygir  erfipi  Grm  35 *;  es 
tii  ills  vinar  ZZpv  341,  put  bann  illt  geri  Hgsv  721,  pat  skal  irm  koma 
(rrw  45 3;  pykkir  ofmikill  Qrm  213,  möpa  ofti'egar  Hgsv  653,  litip  okkr 
pinig  Sd  23,  snmt  vas  ölagat  Hqv  66:!,  ek  lief  opt  bnit  HHv  153,  hygg 
ek  opt  vesa  Hgsv  903,  befr  mapr  opt  pegit  Hqv  93;  ok  lät  ulfs  fojmr 
Ls  101,  es  nü  upp  kominn  Hqv  1063;  nii  mun  Yggr  hafa  Grm  531; 
skaltu  £  bafa  Hgsv  1001,  pat  mim  ae  vesa  Hqv  32 3,  mundu  (muntu)  Sb 
vesa  Ls  131  443,  pü  mimt  sb  vesa  Ls  483,  pü  skalt  &  vesa  Skm  123; 
bann  es  öztr  vipa  Grm  441;  en  par  oll  skulu  Fm  15 \  beldr  an  on 
vesa  Alv  73;   urput  jafnspakir  Hqv  533,  en  vip  jorp  sakask  Herv  363. 

allra  baldripa  Ls  37 x,  befr  pii  benjapau  i^w  25 3,  kenn  pii  blipliga 
Hgsv  ll1,  skaltu  blipliga  J2wi  12  *,  fqlu  blip  regin  Grm  37 3,  gerpu  blip 
regln   Grm  411,  stöpu  blip  regin  Ls  32 3; 

15* 


220  GERING 

hann  es  Dags  fapir  Vm  25  *; 

ligg  i  fJQrbrotum  Fm  213,  es  hefr  flätt  hugat  Hgsv  85 3,  J)eims  i 
foli  vapa  Hkv  20 2,  ef  byr  fordsepa  Sd  26  *,  unn  pü  fröphugapr  ifysv 
33  102  \  verp  I)ü  fröphugapr  .H^s«;  1081,  ef  pü  fröpr  seir  Vm  63,  kjösat 
[kjös  ei]  fulltrua  Hgsv  1153; 

liggja  gagnvegir  Hgv  343,  skiptir  GreirskQgul  T/Äv«  121,  es  skein 
grinnnliga  Sl  513,  lät  1  gegn  koma  Hgsv  413; 

kv^mu  harpliga  67  371,  nser  pser  heim  skulu  -Hj5y  211,  an  se  hJQrs 
megin  .Fm  28 \  ok  til  hräs  vipar  <S7m  32 *,  hQf J>u  kreinliga  &/  73 J; 

hefk  pik  litt  fregit  Hkv  221; 

her  es  uiapr  korainn  i5)'  44  *,  ek  se  mins  vinar  Grm  52 3,  es  ferr 
inold  yfir  Herv  35  *,  ber  pü  liiQgr  hepan   ö^r  161; 

sköpu  nyt  regin  Vm  253; 

döma  rangliga  Hgsv  66 \  fyllisk  rangs  hugar  Hgsv  57 3,  en  pü 
räp  nemir  Fm  201,  en  pü  rop  nemir  Hyv  \\Y  1121  1141  1151  1161 
1181  1191  1201  1211  1241  1251  1261  1271  1281  1291  1301  1311  1331 
1341  1361; 

verpr  sä  samhuga  Hgsv  193,  pöt  [pö]  pü  satt  vitir  Hgsv  251,  skyldi 
snotr  gumi  Hgsv  68 x,  aflar  sfns  skapa  i7</sv  513,  ä|>r  hon  sqdi  telisk 
Jjjf  303; 

bip  pü  tenapar  Hgsv  IIB3,  vas  til  tres  metin  Sl  443; 

byggva  ve  gopa  Vm  511,  sä  skal  Tel  duga  iTf/.st'  893,  puttu  vel 
dugir  Hgsv  303,  panns  pü  yel  truir  Hör  441  1184,  put  per  verr  dugi 
i?(/sv  38 a,  es  til  vigs  koma  Hkv  213,  panns  [pann]  per  vildr  sei  üft/sv 
241,  ef  pü  yip  pegir  Sd  251,  ef  pü  yreipr  seir  Ls  153; 

ef  per  J)jöpaar  Gg  81,  es  gel  pjöprerir  H{>v  160  \  falla  porp  yfir 
Vm  49 1; 

Anm.  1.  Audi  folgende  verse  sind,  nach  vornähme  unbedeutender  änderungen, 
vermutlich  hierher  xu  stellen:  (a)  ef  mer's  [mer  er]  alhugat  HHv  21 3,  inunk  [mim 
ek]  i  andsvorum  Ls  53,  hykk  [hygg  ek]  pä  enn  vesa  Em  8:!,  pottnmk  [mer  putti]  illr 
vesa  FM  2 1:!,  hykk  [hygg  ek]  at  a>  skyli  Grm  345,  svät  pü'st  [svä  at  pü  er]  orviti 
Ls  47  ',  pottumk  [pottu  mer]  oll  vesa  Sl  59 3,  hykk  [hygg  ek]  at  oll  viti  Ls  29 ;!,  hykk 
[hygg  ek]  at  jafot  hafi  Hgsv  137 3,  byk  [by  ek]  fyr  jqrp  nepan  Ah  31;  säs  [sä  er] 
ferr  drott  yfir  Vm  24 :';  vask  [var  ek]  at  fjorlagi  Ls  50 3,  vast  [vastu]  ä  fjorlagi  Ls  51 l, 
bot  [|>.  hann]  i  folk  komi  Hqv  1583,  hykk  [hygg  ek]  ä  fyr  vesa  Ls  55 ];  vel  skalt  [skaltu] 
her  kominn  Eir  7 ',  ef  vilt  [pü  v.]  horskr  vesa  Hgsv  88 x  117  %  nü  'mk  [nu  em  ek]  i  holl 
kominn  TO//  G1;  nautkak  [nautka  ek]  karls  sonar  FM51*,  es  per  kent  hefik  [es  ek  per 
k.  hefi]  Sl  811;  es  vask  [ek  v.]  langt  hepan  Ls  35  \  ef  vilt  [pü  v.J  lif  hafa  ß/sw  86  *, 
bot  [p.  ek]  ä  lopt  herak  Grm  l8;  pats  [pat  er]  peim  menn  geh  Fj  23 3,  säs  [sä  er]  ferr 
menn  yfir  Vm  22 3,  gefk  [gef  ek]  per  mins  fear  Ls  12 1;  es  [es  pü]  muut  rekkr  faa 
HHv  22 3;  ef  vilt  [pü  v.]  sigr  hafa  Sd  G1,  nü  'fr  [nü  hefr]  pü  sigr  vegit  Fm  23  *,  bäs 
(j)ä]  pik  [om.  Schev.]   sizt  varir  Hgsv  47 3,    skalta  [skaltatu]   svä  gora  Ls  15 l;    ef  sek 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJuDHAHATTR  221 

[ek  se]  tunribur  Hqv  1551;  säs  [sä  er]  ferr  vag  yfir  F?«363,  emk  [ek  em]  ä  vit 
kominn  Alv  33. 

Anm.  2.  Ferner  gehören  wol  zwei  vcrse  hierher,  in  denen  die  herausgeber 
mit  recht  grössere  änderungen  vorgenommen  haben:  («)  ulfa  dümi  |  hykkak  okkr 
vesa  Hm  29 1  [ekki  hygg  ek  ykkr  vera  |  ulfa  dömi  R]\  bat's  fq  litil  |  {>6t  ser  vers 
fai  Ls  33 1  [bat  er  välitit  |  f>ött  ser  varbir  vers  fai  R], 

Anm.  3.  Doppelalliteration  (ß)  liegt  vielleicht  vor  in  dem  verse:  (vin  sinum) 
skal  mabr  vinr  vesa  Hqv  42 '  43 ';  doch  ist  es  icol  wahrscheinlicher,  dass  der  dichter 
vesa  nicht  als  reimstab  betrachtet  hat. 

Anm.  4.  Nebmalliteration  (y)  ist  einmal  überliefert :  (betra's  ö-sent)  an  se 
of-soit  Hqv  145 3. 

Anm.  5.  Alliteration  auf  der  xiveiten  hebung  (6)  kommt  einmal  vor  und  ist 
schwerlich  xu  beanstanden  (vgl.  oben  §  91,  anm.  3):  (hvotum  es  betra)  an  se  6- 
hvotum  Fm  29  l.     Dem  sinne  nach  ist  allerdings  6  -  die  am  stärksten  betonte  silbe. 

Anm.  6.  Ohne  alliteration  sind  die  folgenden  beiden  langverse  überliefert : 
of  bä  gQtu  |  es  hann  varbabi  Sl  l3;  svä's  sä  mabr  |  sem  hefir  auf»  fear  Hgsv  1413. 
Zu  lesen  ist  wahrscheinlich  in  dem  ersten  falle:  of  bä  gqtu  |  es  hann  gtetti  (s.  §  31, 
anm.);   im  xiveiten:  svä's  sä  mabr  |  es  hefr  morb  fear  (§  58,  anm.  2). 

§  94.  2)  Ver Schleifungen,  a)  In  dreisilbiger  eingangs- 
Senkung  sind  öfter  die  1.  und  2.  oder  die  2.  und  3.  silbe  zu  ver- 
schleif en:  (et)  (1.2)  munu  of  aldr  hafa  Fj  32 3,  skyli  mapr  opt  faa  Hgv 
331;  skalat  mapr  frett  reka  Hgsv  641;  stiginn  af  inars  baki  Skm  151; 
nema  ä  njösn  seir  Hgv  lll4;  (2.3)  hun  skal  of  aldrdaga  Vm  163,  skaltu 
of  aldr  hafa  Gg  163,  skaltu  vip  allt  hafa  Hgsv  63,  parftu  vip  allt  hafa 
Hgsv  773,  ärnapu  aptr  hepan  Fj  23,  hvat  J>u  i  ärdaga  Vm  55 \  es  vit  i 
ärdaga  Ls  91,  gengu  i  ärdaga  Grm  43 1,  gqfu  f  ärdaga  Grm  53,  VQrum 
i  ärdaga  Skm  53,  drygpup  i  ärdaga  Ls  253,  hyggsk  munu  ey  lifa  Hgv 
16 \  peir  skulu  upp  hepan  Grm  37  \  vastu  fyr  jorp  nepan  Ls  23 3;  sem 
muni  Baldr  koma  Eir23,  parfa  til  batnapar  Hgsv  1141;  parfa  til  dugnapar 
Hgsv  791;  skaltu  vip  flest  hafa  i7#sv  HO1;  skaltu  i  gogn  hafa  Skm 
303;  skaltu  ä  liann  trua  Hgsv  163,  mim  per  i  liel  koma  Ls  633,  verpr 
per  af  lijalmstofum  i?w  22 3;  skaltu  1  lüpr  bera  Fj  301;  pau  ser  at 
mat  hafa  Vm  453,  skaltu  vip  inenn  vesa  iTj/sv  137 \  leitapu  trüliga 
fl</sy  1151;    sköpu  hann  vis  regin  Fw  39 x. 

Anm.  1.  Einmal  sind  in  viersilbiger  eingangssenkung  soivol  die  1.  und  2. 
wie  die  3.  und  4.  silbe  xu  verschleif  en :  (a)  skalattu  vip  dolgvipu  Sd  293. 

Anm.  2.  Nebenalliteration  (y)  ist  einmal  überliefert:  (2.  3)  (frib  at  kaupa) 
at  bu  ber  Frey  kvebir  Skm  19 3. 

b)  Verschiffung  der  ersten  hebung:  (a)  hann  skal  ofan  bera 
Grm  323;  en  pat  fair  vitu  Grm  183  223,  purfu  fira  synir  Sd  271,  neyt 
pü  framarliga  Hgsv  58 x,  es  hann  freginn  esat  Hgv  30 3;  es  rnep  gopum 
SQut  Fj  93  ll3;  ef  mapr  hafa  nair  Hgv  68 3;  es  pü  lofat  hefir  iJ^sz; 
1233;    en  par  svalar  knegu  Grm  71;    säs  [sä]  pü  truat  hefir  Hgsv  283. 


222  GERING 

Anm.  3.  Bragarmäl  ist  herzustellen  in  dem  rersc:  («)  lystak  [lysta  ekj 
hugarspeki  Hgsv  139 3. 

c)  Ver Schleifung  der  eingangssenkung  und  der  ersten  hebung. 
Nur  ein  beispiel:  («)  (2.  3)  standa  ä  pria  vega   Grm  311. 

III.    C-verse  mit  dreisilbiger  eingangssenkung. 

A)    Die    zweite    hebung    steht   auf    langer    silbe  (Gl). 

§  95.     1)  Verse   ohne   ver  Schleifung:    (a)  pä    knä   kann  einn 

räpa  Fm  343;    es  stendr  fyr  forgarpi  (forgQrpinn)  Fj  31  l1,    pü  gorpir 

frses  mikla  Fm  191;    ok  tak  vij)   hrimkalki   8km  38 *  Ls  531;    at  mik 

mun  seint  firrask  Hqv  162 \  es  ganga  syrgjandi  Herv  511. 

Anm.  1.  Bragarmäl  ist  dreimal  durchzuführen:  («)  ef  skalk  [ek  skal]  til 
orrustu  Hqv  156  \  es  hetk  [ek  het]  at  Sokkmimis  Grm  50 *,  ef  sek  [ek  se]  ä  tre  uppi 
Hqv  157  \ 

§  96.  2)  Ver  schleif  ung  en.  a)  Bei  viersilbiger  eingangs- 
senkung kommt  zuweilen  verschleifung  von  zwei  silben  vor:  (a)  (1.  2) 
epa  estu  framgenginn  Skm  121;  (2.  3)  telr  pu  per  i  hvivetna  Fm  91. 
Dazu  ein  vers  in  dem  Umstellung  vorzunehmen  ist:  (3.  4)  es  ganga  i 
briinserkjum  [brimserkjum  i]  Herv  53 l. 

b)  Verschleifung  der  ersten  hebung:  (a)  hann  let  frä  bui  teknar 
HHv  173;  es  sitr  ä  kimins  enda  Vm  37  *;  aus  mik  pik  yapa  tipir  FM  67, 
nser  verpr  ä  vegum  üti  Hqv  38 3,  fyr  pinna  yina  brjösti  Fm  71. 

B)    Die   zweite  hebung  steht  auf  kurzer  silbe   (C2). 

§  97.  1)  Verse  ohne  verschleifung:  (a)  skopumk  i  ärdaga 
Rm  23,  ferrat  hon  ein  saman  Hgsv  127  \  es  her  mun  inn  koma  Eir  33, 
es  her  nü  inn  kominn  Ls  58 1\  en  stundum  bräpskapapr  Hgsv  22  *,  es 
peir  ä  brü  fara  Fm  153;  ok  lata  fast  vesa  Hqv  1296,  at  manni  flserpvQrum 
Hgsv  1213;  es  blanda  hjgrlegi  Fm  143,  at  drekka  Hröpts  megir  Ls  453; 
at  her  se  langt  kominn  Fj  45 3;  es  lipa  lQnd  yfir  Herv  50  \  senda  peir 
lqnd  yfir*  Herv  613;  es  lipa  mar  yfir  Vm  48 3,  of  lsezk  af  inars  baki 
Grm  173;  liggr  hann  hja  Sinmoru  -F)'263,  päs  pötti  snjallr  vesa  Eir  61; 
pü  pykkisk  skil  vita  Hkv  18 1;  en  hann  stendr  veprglasi  i')'  18  *,  at 
skipti  vitr  gepi  Hgsv  223,  hvat  hann  skal  yip  kvepa  Hqv  26 3;  per  skal 
minn  Jmiphamarr  Ls  57 *  59  *  611  63 1,  ef  mer  verpr  J)Qrf  mikil  Höv  148  *. 

Anm.  1.  Nach  vornähme  geringfügiger  Linderungen  sind  ferner  vermutlich 
noch  die  folgenden  verse  hierher  zu  stellen:  («)  at  vtvrak  [ek  vsera]  enn  kominn 
Hqv  107  1,  es  skalt  [du  sk.|  vip  ulf  vega  Ls  58 {1;  hykk  [hygg  ek]  at  per  fremr  myni 
Ls  311;  säs  villat  [sä  ei  villj  gott  nema  Hgsv  106 ';  pot  vserak  [ek  vaera]  hernumi 
Fm83,  vilk  [vil  ekj   at  mer  hörn  beri  GrmSG1;   hlypattu  [hlyp  pü  ei]  kveinstofum 

*)  Die  Verstellung  bei  Bugge  ist  falsch. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  223 

Hgsv  23 »  99'.  es  vildir  [bü  v.]  Ron  gefa  HHc  18 3;  bykkjumk  fbykki  mer]  ä  &er 
vesa  vifo23,  reizkattu  [reiztu  ei]  Jmugliga  Hgsv  511. 

Aw//.  2.  Nebenalliteration  (y)  kommt  einmal  cor:  (liropi  ok  rogi)  ef  eyss 
[bu  e.]  ä  koll  regin  Ls  43. 

Anm.  3.  Alliteration  auf  der  xweiten  hebung  (cf)  ist  ebenfalls  nur  einmal 
überliefert:  (varau  bibk  |)ik  vesa)  ok  eigi  of-varan  Hqv  1304.  Der  sinn  erforderte 
allerdings  die  betonung  des  präfixes;  vgl.  jedoch  die  gleichartigen  verse  Hqv  701 
Fm  29 l. 

Anm.  4.  Ohne  Stabreim  ist  der  vers:  (at  bollu  hann  kvam)  es  ätti  Ims  fabir 
Ym  ö3.     Die  Verderbnis  steckt  ohne  zweifei  in  dem  eigennamen. 

§98.  2)  Ver schleif *ung en.  a)  In  viersilbiger  eingangs- 
senkung sind  öfter  zwei  silben  zu  ver  schleifen:  (a)  (1.  2)  inepan  okkart 
fjor  lifir  8km  20 3,  es  ek  lief  til  J)ins  gamans  Fj  50 1;  (2.3)  gangi  per 
i  ltipr  suman  Gg  ll3,  p>t  (es)  knegi  ä  Menglapar  Fj  413  42  \  standa 
per  ä  tvser  hlifar  i2«?  24:;.  läti  ser  at  varnapi  Hgsv  92 3;  (3.  4)  var|> 
honum  at  fjorlagi  Hqv  1173,  liQfpu  pik  at  klandtrogi  is  343,  es  vilja 
at  sip  Ufa  Hgsv  l1. 

IV.    C- verse  mit  viersilbiger  eingangssenkung. 

§  99.  Viersilbige  ei?igangssenkung  kommt  sehr  selten  vor  und  ist 
vielleicht  überall  durch  Scheidung  überflüssiger  silben  zu  beseitigen: 
(a)  deildak  mina  or[>speki  Vm  55 5  (mina  streicht  Sijmons),  pöt  peir  of 
hann  far  \esi  Hqv  243(peir  streicht  Sijmons),  pykkir  hann  niep  Hreipgoturn 
Fra  12 3  (hann  streicht  Sijmons),  en  hann  gorpi  Loptr  rünum  Fj  26  * 
(hann  streicht  Sijmons,  doch  dürfte  es  sich  dann  empfehlen,  en  in  es 
\n  andern),  es  pu  skyldir  neparr  vesa  iJ/ir  16 3  (pu  streicht  Sijmons). 
—  Einmal  kommt  fünf  silbige  eingangssenkung  vor,  in  der  die  4.  und 
5.  silbe  verschleifbar  sind:  honum  vas  su  en  sölbjarta  Fj  423  (su  streicht 
Sijmons). 

Cap.  12.     Typus  D. 

§  100.  Über  die  einteilung  der  D -verse  s.  oben  §  39.  42.  —  Der 
einfache  viersilbige  D-vers  kommt  selten  vor,  etwas  häufiger  der  er- 
weiterte (D*) .  Bragarmäl  ist  überall  durchgeführt,  doch  die  lesart  der 
hss.  in  eckigen  klammern  angegeben.  Auffallend  häufig  ist  die  neben- 
alliteration  (y). 

I.    Der  regelmässige  viersilbige  D-vers. 

§  101.  1)  Dl:  (a)  peer  ipröttir  Hgsv  42 3;  (yl)  (pegi  pu  Freyja) 
J)ü  'st  [pu  ert]  fordsepa  Ls  32 \  Einmal  kommt  auflösung  der  ersten 
hebung  vor:     (y1)  (sumar'u  ilskungar)  sumar  alfkungar  Fm  133. 

2)  Dlnk:  (a)  jafngöpligan  Oautr  53,  or|>s  leitapi  Hqv  1413;  gestr's 
[g.  erj  inn  kominn  Hqv  21;     YQtn  stQpvapi  Sl  57  \ 


224  GERINCi 

3)  D2:  (a)  svä  fjotti  mer  Sl  411;  {yl)  fl>egi  fm  Beyla)  \ri\  'st 
[J)ii  ert]  Byggvis  kvsen  Ls  56  *,  (pegi  |)ü  Frigg)  J>tt  'st  [Tni.  ert]  Fjqrgyns 
niser  Ls  26 x. 

IL    Der  erweiterte  D-vers  (D*). 

§  102.  ij  D*i:  (a)  ax  vif)  fJQlkyngi  Hgv  136°,  uggir  hotvetna 
Hgv  48 3,  liäla  nägrQfmg  f?i7v  16  *,  halr  enn  äm<>tki  ifflv  141,  liendr 
rner  fulltyTni  i^m  61,  hestar  ägsetir  FM 103;  marga  öfegna  *S7  621,  sanna 
dagstJQrnu  Sl  39  *;  (y1)  (lieilir  gfesir)  heilar  äsynj ur  Ls  ll1  Sd  31,  (pegi 
f)ü  Freyja)  pik  kannk  [kann  ek]  fullgQrva  Ls  30 *. 

J.wm.  1.  Hierher  zu  stellen  ist  wol  auch  der  vers:  (y1)  (svä  liqnuru  gafsk) 
Sqi'la  enum  gopräpa  67  201,  in  /reichem  das  entbehrliehe  enum  zu  streichen  sein  ivird. 

Anm.  2.  Doppelalliteration  (ß)  ist  zweimal  überliefert:  (ma|>r  es  aufjugr) 
annarr  ö-aubugr  Eqv  743,  (keyri  jotnar)  heyri  brimbursar  Skm  341.  Durch  Um- 
stellung der  beiden  halbzeilen  könnte  in  dem  zweiten  beispiel  der  Verstoss  gegen 
die  reimgesetze  beseitigt  werden,  doch  ist  dies  deswegen  nicht  unbedenklich,  weil 
gewöhnlich  in  der  langze'ile  der  kürzere  vers  dem  längeren  vorausgeht.  In  dem 
ersten  beispiele  wäre  es  möglich,  dass  annarr  an  der  alliteration  nicht  teilnimmt 
(C  mit  zweisilb.  eingangssenkung?). 

Anm.  3.  Statt  der  Senkung  im  ersten  fusse  ist  einmal  nebenhebung  bezeugt: 
(to)  Jafnhqr  Biflindi  Qrm  49 6. 

Anm.  4.  Verkürzung  der  zweiten  hebung  (D*lhk)  ist  einmal  überliefert: 
(«)  alfar  groandi  Alv  10 3. 

Anm.  5.  Auflösung  der  ersten  hebung  kommt  zweimal  vor:  (y1)  (Ketill  heitik) 
kominn  6r  Hrafnistu  Ket  30  *;  (surnar  ;i  vetrimum)  sumar  ä  valbostum  Sd  63;  drei- 
mal auflösung  der  binnensenkung :  (a)  slögir  ok  langboglir  Hgsv  128s;  (y1)  |>at 
eru  bokrünar)  kat  erakjargrunar  Sd  19  *,  (kann  gelk  ber  fyrstan)  kann  kveba  fjoluytan 
GgQ1;  und  einmal  auflösung  der  binnensenkung  und  der  zweiten  hebung:  (y2)  (ef 
vilt  ber  gopa  konu)  kvebja  at  gamanrunum  Hqv  1294. 

2)  D*lnk:  (a)  alfar  dagsefa  Alv  22 3,  alfar  dynfara  Alv  20a,  alfar 
fagrlima  Alv  28 3,  alfar  svefhgaman  Alv  30 3,  alfar  ve£rmegin  Alv  183; 
cinkum  vandliga  Sl  281;  foldar  moldbua  Herv  541;  gaftat  [gaftattu] 
ästgjafar  Rm  71,  Grler  ok  Skeipbrimir  Qrm  301  FM  1013;  hyggr  fii 
vandliga  Hgsv  20 *;  lei]?  est  [estu]  manukyni  iTLfo  25  *,  lengi  [1.  ek] 
liQllufmrnk  Sl  36 J;  setta  dreyrstQfum  /SZ401,  sjaldan  hryggvari  Sl  441, 
svä  hon  geislajpi  5/ 421;  yas  nie])  Sksevafü  .PilflO7,  yas  fpar  Tjaldari 
FM  104;  (/?)  fJQlp  ek  freistajbak  Fm  31  441  461  481  501  521  541; 
{yl)  (heill  dagr)  lieilir  dags  synir  &Z  21,  (hetumk  Grlmr)  lietumk  Cfangleri 
Qrm  46 1;     (y2)  (Hlif  heitir  ein)  onnur  Hlifprasa  Fj  38 \ 

-4tm».  6.  Doppelalliteration  (ß)  kommt  einmal  vor:  (Hildr  ok  Prubr)  Hlokk 
ok  Herfj^tur  Qrm  36 3  (vgl.  anm.  2). 

Anm.  7.  Auflösungen:  a)  der  ersten  hebung:  (ß)  G<jmul  ok  Geirvimul  Qrm 
27 4  (vier  gleiche  reimstäbe  in  der  langzeile!);  (y1)  topi  ok  öpi)  tjqsull  ok  6poli 
Skm  291,  (sumum  at  kana)  sumum  at  ktjlst^funi  Sd  30 3;  c)  der  binnensenkung: 
(«)  ganga  at  trygbrofi  5rf233,    (y1)  (l(?ng  es  f(jr)  langir'u  farvegar  Qg  41. 


DIE   RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  225 

3)  D*2:  («)  alfar  lägastaf*  Alv  243  32 3,  liafpu  aldrigi  Hgv  1314, 
hlaepu  aldrigi  Hgv  1334,    sipan  aldrigi   52  451.   —   Da*«   em  halbvers, 

der  nur  in  sich  selbst  alliteriert:  (ß)  FJQrrn  ok  Finibulpul   Grm  271. 

Anm.  8.  Nebenhebung  an  stelle  der  Senkung  des  ersten  fusses  ist  zweimal 
xu  belegen:  («)  Atripr  Farmatyr  (?/v»  48'-;  (ß)  hJQi'P  rekr  handarvanr  S?»  71  *  (Wer 
gleiche  reimstäbe  in  der  langxeile!). 

Cap.  13.     Typus  E. 

§  103.  Der  typus  E  ist  in  Lb  wenig  beliebt;  über  die  einteilung 
s.  oben  §  46. 

1)  El:  (a)  öpaudi  namk  [nam]  Hgv  1393,  brimreipar  til  Herr  543, 
Hröpvitnis  sunr  Grm  39 3;  (y1)  (Öpinn  nü  heitik)  Yggr  äpan  ketk 
6r?7rc  541.  —  Auflösung  der  ersten  hebung  kommt  einmal  vor:  (a)  pular 
stöli  ä  Äpv  HO1;  mehrmals  ist  auflösung  der  zweiten  hebung  bezeugt: 
(a)  ärösi  fyrir  Ls  411,  folkvaldi  gopa  Skm  31,  kvitamiri  konu  iZjft»  1613, 
svipvisar  konur  Sl  57 3;  (y1)  (hvi  einn  sitr)  endlanga  sali  Skm  33. 
Hierher  wol  auch  der  vers  Fj  47  *:  (a)  Sölbjartr  ket  fapir  [minn  fapir] ; 
fZ«s  niinn  fea/  bereits  Sijmons  mit  recht  gestrichen. 

2)  Elnk.  Nur  ein  beispiel:  (a)  hraunbua  verstr  HHv  25 3.  Dazu 
ein  vers,  in  dem  Umstellung  vorzunehmen  ist:  (a)  Geirropar  dptr  FM 
626  (dötr  Greirropar  die  hss.  gegen  die  reimgesetze). 

3)  E2.  Nur  verse  mit  vcrschleifung  der  zweiten  hebung  sind 
überliefert:  («)  fätt  hykk  [hygg  ek]  ypr  seask  HHv  12 3,  Hildr  hefr 
[hefr  pti]  oss  verit  HH II  211,  mal  kvepk  okkr  fara  Skm  10  *;  (y1)  (pegi 
pü  Crefjon)  pess  munk  [rrmu  ek]  nu  geta  Ls  201.  —  Einmal  kommt 
auch  doppelalliteration  (ß)  vor:  eikenn  für  yfir  Skm  173  183. 

Cap.  14.     Typus  F. 

§  104.  Über  die  einteilung  der  F- verse  s.  oben  §  52.  —  Der 
untertgpus  Fl  kommt  in  Lb  selten  vor;  häufiger  sind  F2  und  F3. 
Verschleifungcu  sind  auf  allen  drei  silben  gestattet;  statt  der  Senkung 
ist  in  F2  auch  einmal  nebenhebung  bezeugt. 

§105.  1)  Fl:  (a)  opt  harpla  Sl  2\  björreifan  Ls  183.  --  Auf- 
lösung der  ersten  hebung  kommt  einmal  vor:  (a)  yiuura  pinum  Hgsv  261. 

§  106.  2)  F2:  (o)  aupit  verpr  Hgsv  421,  einn  pü  veizt  Herr  67 3, 
Blip    ok  Frip  Fj  383,    gumna  hverr  Hgsv  1401,    manna  hverr   Sl  273, 

*)  Das  wort  ist  doch  wol  (gegen  Qrundtvig)  mit  langem  stammvoeal  an- 
zusetzen; andernfalls  wäre  der  vers  ein  A  mit  auflösung  der  zweiten  hebung  und 
nebenhebung  im  zweiten  fusse. 


226  GERING 

niQg  of  getr  Herv  483,  Nquii  ok  HrQnn  Grm  283,  Sylgr  ok  Ylgr  Grm 
284,  skirum  Frey  Grm  433,  vägi  ä  Hgv  1543,  Vcjnd  ok  StrQnd  Gm  285, 
peira  hagr  Sl  173,  prungin  gop  Ls  71,  pupr  ok  Uf>r  Grm  46 3,  poll  ok 
HqII  Grm  276;  (y1)  (deyr  fe)  cleyja  frsendr  Hjv  761  771  Hkm  211, 
(lieill  säs  kvap)  lieill  säs  [sä  er]  kann  H&v  1373,  (hvat  par  flygr)  livat 
par  ferr  i^Y48,  (lifa  sfetiak  mer)  langan  aldr  Ls  621,  (pser  of  rep)  pser 
of  reist  >SV/  131,  (pser  of  vindr)  pser  of  vefr  £d  ll3;  (($)  pö  ek  fer 
M4". 

J.OTH?.  Nebenhebung  an  stelle  der  Senkung  findet  sieh  in  dem  verse:  («)  arnhljob 
gellr  Herv  43 3. 

§107.  Auflösungen  in  F2.  a)  auf  der  ersten  liebung: 
(a)  Beginn  ok  Kyr  FM  IV]      (d)  mepan  pü  fregn  FM  l3; 

ij  auf  der  zweiten  hebung:  (a)  eignnm  gopa  Vm  503,  illra  hluta 
Ä/s-y  153,  &  mun  vesa  //&/«  193,  fegrst  at  lifa  Hgv  543,  heilan  koma 
Hkm  183,  lastastofam  Ls  103  163  181  (vgl.  oben  §  4,  fussnote*,  §  35, 
anm.  2  und  §37,  anm.  2),  margir  fara  Sl  48 3,  Nipja  sonu  Sl  56 1,  Vänar 
dreka  Sl  541,  yta  hugir  Hgsv  1193,  pinum  gnpi  Hgsv  383;  (y1)  (i  hreinu 
lifi)  kön  skal  lifa  Sl  73. 

Anm.  1.  Hierher  gehörte  nach  dem  texte  von  Sijmons  auch  der  vers:  («)  heim 
of  komit  Vm  43 3,  vgl.  jedoch  oben  §  20,  anm.  1. 

c)  Auflösung  der  Senkung:  (a)  langar'o  tvser  Skm  431. 

d)  Auflösung  beider  Hebungen:  (a)  Jari  ok  Bari  Fj  341  (so 
ist  natürlich  umzustellen;  die  hss.  haben  —  den  reimgesetzen  zu- 
ivider  —  Bari  ok  Jari). 

§  108.  3)  F3:  (a)  pars  [par  er]  Ullr  hefr  Grm  51,  pöt  brendr 
se  Skm  22 \  panns  [pann  er]  krendr  vas  Skm  211,  päs  föddr  vask  [pd 
vas  ek  f.]  Sl  46  \  es  rikr  vas  Sl  36 3,  mun  seggr  hverr  Hgsv  146 3; 
(y1)  (pvit  kjarta  mitt)  vas  heldr  mJQk  57  43 3. 

§  109.  Auflösungen  in  F3.  a)  auf  der  eingangs  Senkung: 
(a)  es  ä  braut  fipr  Hgsv  51,  ef  [ef  pü]  ä  sjö  komr  Gg  ll1;  b)  auf  der 
ersten  hebung:  (a)  es  liropask  tekr  Fm  63,  ok  Reginleif  Grm  365,  es 
skapat  hefr  Sl  753. 

§  110.  Mehrmals  ist  in  F3  zweisilbige,  nicht  versclüeifbare  ein- 
gangssenkung  überliefert:  (a)  es  pii  üt  komr  Skm  281,  en  par  Baldr 
hefr  Grm  121,  es  [es  ek]  fyr  gar[)  säk  Fj  334,  en  pü  gjold  hefr  Rm  61, 
en  par  Njorpr  hefr  Crnra  161,  ef  hann  svä  drekkr  Hgsv  723;  (y1)  (svä 
af  ristk)  sein  pat  [ek  ]>at]  ;1  reistk  Skm  37 3. 

Anm.  1.  Ohne  alliteration  überliefert  ist  der  vers:  vaskr  yerba  skalt)  ves  bü 
nser  staddr  Hgsv  8 2.     -Ek  is<  offenbar  zu  lesen :  vesla  vip  staddr. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR 


227 


Anm.  2.  Zweimal  ist  in  verseil  mit  zweisilbiger  eingangssenkung  auflösung 
der  ersten  hebung  überliefert:  («)  ef  ber  fJQturr  verbr  Og  10 S  es  pik  hafa  skal 
Sbm&b1. 

Cap.  15.     Typus  G. 
§  111.    Es  sind  m  L&  nur  zwei  G-verse  überliefert,  davon  einer 
mit  verschleifung  der  zweiten  hebung:  (a)  mseztr  sunr  5/  751;  väpngQfugr 
GVm  193. 

Cap.  16.     Schwellverse. 

§  112.  Über  die  einteilung  der  schiuellverse  s.  oben  §  63.  —  Die 
der  halbzeile  Lb  sonst  eigentümliche  Vorliebe  für  eingangssenkungen 
(§  70)  erstreckt  sich  auf  die  schiuellverse  nicht;  vielmehr  sind  die 
fallenden  typen  (AA,  DA,  AB,  DB,  AC,  DC)  ebenso  zahlreich  ver- 
treten wie  die  steigenden  (CA,  BB,  CB,  BC,  CG,  BE). 

§113.  A-verse.  —  1)  AA  (zxlix^x):  (al)  livatkis  [hvatki 
er]  illt  skal  vinna*  Ket  183;  (yl.2)  fl>egi  pti,  Ipunn)  ]>ik  kvepk  [kvep 
ek]  allra  kvenna  Ls  171.  —  Dazu  ein  vers  mit  nebenhebung  im  ersten 
und  zweiten  fasse  und  mit  verkürzter  dritter  hebung  (A2nlA2nk): 
(y  1.  2)  (Vindkaldr  heitik)  Värkaldr  het  minn  fapir  Fj  63;  und  ein  vers  mit 
zweisilbiger  nicht  verschleif  barer  Senkung  im  ersten  fusse:  (a  1)  lieiptum 
skal  mäna  kvepja  Hgv  1367. 

2)  GA  (xjl\j.x  ix):  (al)  en  forbrenni  dvergar  Alv  26 3  (die 
betonung  des  präfixes  ist  auffallend!),  hvat  yalkyrjur  mseltu  Hkm  ll1. 
Dazu  ein  vers  mit  verschleifung  der  eingangssenkung:  (al)  ok  of 
vigrisni  sina  Ls  21; 

3)  Di(Jzxzx):  (a  1)  pü  kunnir  aldri  Ls  381  461;  (y  1.2)  (I>egi 
pti  Öpinn)  pti  kunnir  aldri  [aldrigi]  Ls  22  *.  —  Zto*  em  vers  mit 
verschleifung  der  ersten  hebung:  (al)  getit  heyrpak  Sota  FM  105. 

§114.  B-verse.  —  1)  AB  (ixlz,x  z):  (al)  alfar  fagra  hvel 
Ä  163,  alfar  fagra  raefr  Ä  123,  einn  per  räpit  hefk  [hefi]  ÄZ'781, 
örum  hQllum  frä  Fra  73,  Öpins  tünum  i  Fm41x;  ferk  [fer  ek]  of  aldar  kyn 
Rfn  l1;  gollnum  stöli  ä  Hgv  105  *;  hrsepumk  etki  lyf  Rm  93;  Lyfjabergi 
ä  Fj  49  *;  ssevar  bepjum  ä  FM  21G;  skammisk  engi  mapr  Hgv  613; 
Yindga  meipi  ä  Hgv  138 x;  pessar  hallar  til  Ls  61,  pvi  mer  heitit 
vas  Sl  293. 

-d/wre.  i.  Doppelalliteration  (ß)  kommt  ein  paar  mal  vor:  (ß  1.  2)  (brandr  af 
brandi)  brinu  uuz  brunninn  es  Hqv  57 *;  (/Sl.  3)  (inn  skal  gaDga)  iEgis  hallir  l  LsS\ 
(veiztu  ef  inn  gengr)  iEgis  hallir  i  Ls  4\  (veizt  ef  inni  afettak)  iEgis  hqllum  i  Ls  27  \ 

*)  Die  anordnung  der  xeilen  in  Fas  ist  falsch:  xeile  5  und  6  müssen  ihre 
stelle  tauschen. 


228  GERING 

Anm.  2.  Nebenalliteration  (y)  ist  zweimal  belegt:  (yl.  2)  (lengi  svafk)  lengi 
sofnub  vask  [ek  sofnub  var]  Sd  41,  (reipr's  f>er  Öpinn)  reipr's  [reipr  er]  per  äsa  bragr 
Skm  33 *. 

Ah?)/.  3.  In  dem  verse  Hqv  1204:  vin  pinum  |  vestu  aldrigi  reimen  kaum 
die  beiden  v,  sondern  vin  :  aldrigi  (Beitr.  13,  204).  Wir  haben  dann  in  der  zweiten 
halbzcile  einfaches  B  mit  zweisilbiger  eingangssenkung. 

Anm.  4.  Nebenhebung  im  ersten  fasse  ist  einmal  überliefert:  (u  1)  Dellingr 
at  vas  bar  Fj  34 3. 

Anm.  5.  Auflösungen  in  AB:  a)  auf  der  ersten  Senkung:  («  1)  heyrpak 
[beyrba  ek]  ä  annan  veg  <S7  393;  b)  auf  der  dritten  hebung:  («  1)  auhgum  nianni 
fyrir  Hqv  70 3,  barna  sifjar  duga  Ls  16 1,  fMd  vask  [var  ek]  norbarliga  [norbarla] 
Ket  181;  (yl.  2)  (kvapk  fyr  qsuni)  kvapk  [kvab  ek]  fyr  äsa  sunum  Ls  64  \  (Sigvorbr 
lieitik)  Sigmundr  het  minn  fabir  Fm  43  (zugleich  nebenhebung  im  ersten  fasse); 
c)  auf  der  ersten  Senkung  und  der  dritten  hebung:  («2)  hverjum  est  festu] 
sveinn  of  boriun  Fm  l1. 

Unmöglich  erscheint  mir  der  vers  HHv  26 3:  (marggollin  mrer)  mer  potti  afli 
bera.  Es  ist  gewiss  mit  Ettmüllcr  afli  durch  magni  zu  ersetzen  und  zu  schreiben: 
bottumk  magni  bera.  Die  zweite  halbzcile  wäre  dann  einfaches  B  mit  ziveisilbiger 
eingangssenkung  und  verschleifung  der  zweiten  hebung. 

Anm.  6.  Zweisilbige  nicht  ver schleif  bare  Senkung  im  ersten  fasse  findet  sich 
mehrmals:  («  1)  kynn  [>ik  vib  goba  menn  Hgsv  12 3;  («  2)  msslisk  af  golfi  fyrir  F/ttO1 
(auflösung  der  dritten  hebung);  (y  1.  2)  (veiztu  hve  bibja  skal)  veiztu  hve  blota  skal 
Hqv  1443,  (veiztu  hve  faa  skal)  veiztu  hve  freista  skal  Hqv  144-,  (veiztu  hve  rista 
skal)  veiztu  hve  räpa  skal  Hqv  1441. 

2)  A*B.  Nur  drei  beispiele  sind  belegt,  zwei  A*1B  (nxlz.xz): 
(et  1)  V<jfiil>r  ok  Hröptatyr  Grm  541;  svä  heyrfmk  [heyrjm  ek]  Fäks  of 
getit  FM  10'J  (verschleifung  der  dritten  hebung);  und  ein  A*lnkB 
(.nix  I  ±  x  jl):  (cd)  grenjupu  ä  annan  veg  Sl  42 3  (auflösung  der  ersten 
Senkung). 

3)  BB  (xzlxz.xi):  (a  1)  korar  heimisgarpa  til  Hgv  63;  (a  2)  en 
hinn  at  t^lum  varp  Sl  203. 

Anm.  7.  Ohne  alliteration  sind  zwei  langverse  in  der  Ketils  saga  über- 
liefert, in  denen  die  zweiten  halbxeilen  identisch  sind:  upp  skalt  risa  |  ok  ganga 
haugi  af  Ket  311,  upp  munk  uü  risa  |  ok  ganga  haugi  af  Kct  32 1.  Da  der  hügel  in 
der  prosa  widerholt  ärhaugr  genannt  ivird,  so  liegt  es  auf  der  band,  dass  dieses 
wort  auch  in  die  verse  eingesetzt  werden  muss;  ivir  erhalten  dadurch  beide  male 
einen  vers  nach  typus  CB  (mit  dreisilbiger  eingangssenkung). 

Anm.  8.  Auflösungen  in  BB:  a)  auf  der  eingangssenkung:  («2)  ef 
ek  boti  harma  per  HHv21x\  (y  1.  2)  (hvers  hü  leitar)  eba  hvers  [hv.  du]  ä  leitum 
est  Fj  21;  b)  auf  der  dritten  hebung:  (u  1)  ok  östilt  lostasemi  Hgsv  127 3  (neben- 
hebung an  stelle  der  ersten  Senkung*),  en  vallar  fax  meb  gopum  Alv  28 \  es  vex  fyr 
alda  sunum  Alv  27  ■i;  (u2)  es  brinn  fyr  alda  sunum  Alv  25*,  es  drekka  alda  synir 
Alv  33 J;  c)  auf  der  eingangssenkung  und  der  dritten  hebung:  (ß  1.  2)  erumk 
on  at  ykrum  syni  Skm  21  (lies:  at  pinum  syni?). 

*)  Der  vers  Hesse  sich  auch  auffassen  als  ein  aA2B. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  229 

4)  CB  (x  jl  I  j-  .x  j).  a)  Verse  mit  einsilbiger  eingangssenkung: 
(al)  es  ungr  veita  til  Hgsv  117 3,  en  gakk  illu  frä  Hgsv  43,  ok  Kerlangar 
tvser  Grm  291,  es  nanpgQnglar'ü  Fm  123,  ok  taugreptan  sal  Hqv  363; 
(a2)  hann  pik  räpa  nmn*  Fm  221.  —  Hierher  würde  auch  der  vers 
Skm  71  gehören:  (ß  1.  2)  an  man  manni  hveim.  Das  vow  Sijmons  ein- 
gesetzte man  scheint  der  sinn  %u  fordern,  doch  ist  es  immerhin  be- 
denklich, einen  vers  mit  doppelalliteration  durch  conjectur  herzustellen. 

Anm.  9.  Der  typus  C2B  ist  xiveimal  überliefert :  («  1)  sem  Ingunar-Freyr  . 
es  halloka  verpr  Hgsv  63 3. 

Anm.  10.  Auflösungen,  a)  auf  der  eingangssenkung :  («  1)  ok  et 
globraupa  fe  Fm  93  20 3,  skyli  räbsnotra  hverr  Hqv  641;  b)  auf  der  ersten  hebung : 
(«  1)  ok  meginlitill  gestr  S123;  c)  auf  der  zweiten  hebung:  («  1)  ok  aldyggir 
sipir  Hgsv  142 :i,  til  ö|>arira  hluta  Hgsv  147  :!,  put  fuüsselu  hafi  Hgsv  105 3,  ens  hrim- 
kalda  jqtuns  Vm  213,  ens  hrimkalda  niagar  Ls  49 3  50  \  en  skürvoa  mej)  gopum 
Alv  18 1,  en  VQfubr  nief)  gof>um  Alv  20  *;  (/J 1.  3)  es  sä  alda  synir  Alv  313,  fyr  sig- 
tiva  sunum  Grm  45 1;  d)  auf  der  binnensenkung  und  der  dritten  hebung: 
(«  1)  en  siliegja  mef)  gopum  Alv  241;  e)  auf  der  ersten  und  der  dritten  hebung: 
(ß\ — 3)  es  sea  alda  synir  Alv  15 3. 

b)  Verse  mit  zweisilbiger  eingangssenkung:  (a  1)  alls  pü 
livQrtveggja  veizt  Rm  191,  peirs  af  liöfingar***  ä  Grm  33 x,  kvopn 
Sämseyju  i  Ls  241,  es  mer  Skamortungr  gaf  Gautr  l1  (nsbenhebung  im 
zweiten  fusse);     (/1.2)  (pveginn  ok  mettr)  ripi  mapr  J>ingi  at  Hgv  611. 

Anm.  11.  Auflösungen,  a)  auf  der  eingangssenkung  (2.3):  («  1)  vastu 
vip  Laufeyjar  sun  Ls521-,  b)  auf  der  dritten  hebung:  («1)  es  [>arf  aldrabr  at 
hafa  Hgsv  31  *,  kvepk  [kvep  ek]  Jjör  ökunnigt  vesa  Fm  41,  skaltu  öräbins  blutar  Hgsv 
57 *,  peir'u  Grafvitnis  synir  Grm  343,  hykk  [hygg  ek]  at  klokkvandi  bibi  Hgsv993; 
es  fyr  Menglapar  kneurn  Fj  37 3  (C2B);  c)  auf  der  eingangssenkung  und  do- 
li ritten  hebung:  («1)  (2.3)  f)ats  knegi  Yibofnir  fyrir  Fj  25 3,  liggja  i  Vifjofnis  lipum 
-F)'241;  (1.2;  3.4)  skalattu  til  önytis  hafa  Hgsv  39*  52  \  skalattu  til  önytis  spara 
Hgsv  58 3. 

c)  Verse  mit  mehrsilbiger  eingangssenkung.  Viersilbige 
eingangssenkung ,  von  der  jedoch  die  letzten  beiden  silben  verschleif  bar 
sind,  kommt  zweimal  vor:  («1)  pykkir  pat  i  ökimnum  stap  Hqv  103; 
skaut  fyr  mik  en  ljevisa  kona  GgS1. —  Fünf  silbige  eingangssenkung 
(von  der  jedoch  einmal  die  2.  und  3.  und  einmal  die  4.  und  5.  silbe 
verschleifbar  sind),  ist  ebenfalls  zweimal  überliefert  (beide  male  mit 
verschleif uug  der  ziveiten  hebung):  («1)  lati  hann  pann  enn  hrimkalda 
JQtun  Fm  38 1,  es  fylgir  enu  skirleita  gopi  Grm  39 \ 

*)  Der  sinn  erfordert,  dass  pik  stark  betont  wird:  'er  wird  auch  dich  ver- 
raten'. 

**)  Zur  betonung  vgl.  %.  b.  Vell.  10 ':  Yik  Häkonar  riki;  ähnl.  Sn.E.I,  340'-, 
Sigurpardrupa  32  (CN26),   Vikingarvisur  15 4  (GN4L0),  Islend.  dräpa  16b(CN80)  u.ö. 

'**)  So  ist  wol  mit  Bugge  (Sttcd.  473  a.2)  statt  hefingar  %u  lesen. 


230  GERING 

5)  DB  (.L  I  j.  x  j_).  Nur  verse  mit  verschleifungen  sind  belegt: 
a)  auf  der  dritten  hebung:  (yl.  2)  (ä  JQrpfQstum  steiui)  stöpk  [stop 
ek]  innan  dura  Gg  15:!;  b)  auf  der  ernten  und  dritten  hebung: 
(al)  atall  skalk  [skal  ek]  per  vesa  HHv  151,  gefa  hollir  vinir  Hgsv  41; 
(ßl.  2)  (Hrimgerpr  lieitik)  Hati  liet  minn  fapir  Ifflfl  17  *  (wer  gleiche 
reimstäbe  in  der  Imigxeile!) ;  (y  1.  2)  (Andvari  lieitik)  Oinn  het  minn 
fapir  Rm  21;  cj  «^/"  der  Senkung  und  der  dritten  hebung: 
(of  1)  vant's  [vant  er]  jofri  at  faa  Sd  36 3. 

§115.  G-verse.  —  1)  AG  {jlx\jl  ±x):  (y  1.  2)  (lieiman  förk) 
lieiman  [h.  ek]  for  gorpak  .Hery  32  *;  (sumr  af  frsendum)  sumr  af  fe 
ornu  Hjv  693. 

Anm.  1.  Einmal  ist  auflösung  der  ersten  hebung  bezeugt:  (y  1.  2)  (kvapan 
pu  fort)  hvapan  pü  fqv  gorpir  Fj  46 '.  Zweisilbige  nicht  ver  schleif  bare  Senkung  im 
ersten  fusse  findet  sich  ebenfalls  einmal:  («  1)  kennik  per  nafn  allra  Eir  81. 

Anm.  2.  Verkürzung  der  dritten  liebung  ist  häufig:  («  1)  äpr  ä  bäl  stigi 
Fm543,  ör  vas  körn  numit  Gautr  43,  oll  of  rok  fira  Alv  91  ll1  13  *  151  17 1  19 x 
211  23  *  25 J  27  J  29  *  311  33  \  draums  kvepk  [kvep  ek]  per  vesa  HHi?  191,  kus  hefr 
upp  lokizk  Fj  44:!,  skjoldum's  [er]  sah-  pakipr  Grm93,  po  reip  ein  fyrir  HHv  28 11 
pottu  tynt  hafir  IZ^sr  118 3,  pu  skalt  as  nara  SA;»»  31  *,  pii.  vast  austr  bepan  Ls  341. — 
Dazu  noch  mehrere  verse  mit  verschleifungen:  a)  auf  der  ersten  hebung: 
(yl.  2)  (vaki  pü  Groa)  vaki  pü  gop  kona  Gg  l1;  Z>J  a«/"  der  binnen  Senkung: 
(«  1)  farpu  ä  bekk  JQtuns  Vm  19  *,  per  vas  i  ardaga  Ls  48 1;  (/S  1.  2)  (mqrgum  oipnm) 
(mseltak  i  minn  frama*  Hqo  103 3;  c^  ö«//  de>*  zweiten  hebung:  tunga's  [er] 
bofiips  bani  Hqv  73  K  Zweisilbige  nicht  verschleif  bare  binnensenkung  hat  der  vers : 
(«  1)  knukpir  pü  einberi  Ls  60 3. 

Anm.  3.  Ohne  alliteration  überliefert  ist  die  langzeile  Sl  76 s:  jarna  dreyri  | 
fellr  6r  nosum  peim.  Falls  die  erste  silbe  den  hauptstab  getragen  hat,  ivürde  der 
zweite  halbvers  als  katalektiscltes  AG  (mit  auflösung  der  ersten  liebung)  hierher 
gehören. 

2)  A*C.  Unter  den  beispielen  finden  sich  zweiA*lCl:  (yl.2)  (Hei 
b^r  und  einni)  annarri  hrimpursar  Grm  313,  Unnarr  ok  Ssevaldi  Sl  91; 
und  drei  A*1C2:  (a  1)  üolltoppr  ok  Lettfeti  Grm  30 3,  SvQfupr  ok 
Skarthepinn  Sl  ll1;  (yl.2)  (rik  pau  TQru)  Räpny"  ok  Vebopi  Sl  161.  — 
Dazu  kommen  zwei  katalehtische  verse.  mit  auflösung  der  zweiten 
hebung:  (ß  1.  2)  (Dainn  ok  Dvalinn)  Duneyrr  ok  Dyraprör  Grm  33 3 
(A*1C);  (yl.2)  (veiztu  hve  senda  skal)  veiztu  live  soa  skal  Hqv  1444 
(A*2C). 

3)  BC  (xjl\xjl.£x).  1)  BC1:  (al)  ok  nsempir  hvivetna  Sl  93, 
ä  sjönum    skjalfandi    Sl  43 x;      («2)    ok    bot    vip    Hriragerpi  HHv  24}; 

*)  .Es  «s<  jedoch  wol  wahrscheinlicher,  dass  mgeltak  a«  der  alliteration 
nicht  teilnimmt,  sodass  ein  einfaches  G2  mit  zweisilbiger  eingangs  Senkung  zu 
statuieren  wäre. 


DIE   RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  231 

2)  BC2:  (öl)  ok  pöttusk  ein  vesa  SllV;  (/?  1. 2)  (ormar  fleiri  liggja) 
&md  aski  Yggdrasils  Grm  341;  (yl.2)  (för  |)ä  Ofinn)  at  freista  orpspeki 
Vm  51. 

An?}/.  4.  Zweisilbige  eingangssenlcung  in  einem  BC2-verse  kommt  einmal 
vor:  (a  1)  at  bä  vex  mer  äsmegia  FM(59;  ebenfalls  einmal  viersilbige  eingangs- 
senkung  (mit  verschleifung  der  3.  und  4.  silbe):  («  1)  skaltu  bat  et  unga  man  bafa 
Alv  6 3. 

Anm.  5.  Ein  kataleläischcr  BC-rers  ist  einmal  bezeugt:  (a  1)  en  gl&pa 
vijirsjü  Hgsv  1043. 

4)  CC  (x  j.  I  jl  .  ^  x).  aj  Der  regelmässige  typus  CGI  (dritte  hebung 
auf  langer  silbe)  kommt  nur  einmal  vor:  (a  1)  es  drepr  fe  manna 
fiert;  55  \  Ausserdem  ist  der  typus  nur  noch  durch  einen  katedek- 
tischen  vers  mit  auflösung  der  ersten  hebung  vertreten:  (ecl)  |)öt  hafi 
ärs  sott  Fj  36 3.  b)  Der  typus  CC2  (dritte  hebung  auf  kurzer  silbe) 
ist  ebenfalls  nur  durch  ein  beispiel  belegt,  in  dem  auflösung  der  ersten 
hebung  stattfindet:  (cd)  J>ats  [[tat  er]  megi  inn  koma  Fj  213. 

5)  DC  (j.  I  -l  .£  x).  Nur  ein  beispiel  mit  auflösung  der  zweiten 
und  Verkürzung  der  dritten  hebung:  (a  1)  J>öt  [J)ött  \m]  beginn  seir 
//r/.sr  941  (auffallende  aUiteration). 

ij  116.  E-verse.  Als  BE  ist  vielleicht  zu  fassen  die  zweite 
halbzeile  eines  ohne  aUiteration  überlieferten  verses:  reyndr  est  föstri  | 
at  ganga  hervigis  til  Ket  33  *  —  falls  man  ganga  durch  rä|)a  ersetzen 
dürfte.  Die  Verderbnis  kann  aber  natürlich  auch  in  der  ersten  halb- 
zeile stecken. 


§  117.  Hoffnungslos  verderbt  ist  die  halbzeile:  erakendi  Alv  ll3. — 
Ein  unmöglicher  vers  ist  endlich  Sl  41:  mat  ok  drykk  |  veitti  hanii 
beim  es  möf>r  vas.  Ohne  starke  änderungen  ist  der  vers  nicht  zu 
heilen:  dann  aber  gibt  es  der  möglichkeiten  viele,  z.b.:  bann  mö[jum 
veitti   (aA). 


232 


Anhang. 
Statistische  übersieht  über  die  typen  der  langzeile.* 

I.    Die  häufigkeit  der  typen  in  den  beiden  halbzeilen. 


AI 

A2 

A3 

A2.3 

A*l 

A*2 

aA 

B 

Gl 

C2 

Dl 

D2 

D*l 


La 

500 

58 

42 

3 

65 

7 

87 

81 

104 

29 

7 

5 

33 


Lb 

31 

10 

4 

1 

3 

87 

845 

157 

300 

7 

3 

51 


1021     1499 


La 

Übertrag  1021 

D*2 

El 

E2 

Fl 

F2 

F3 

G 

AA 

BA 

CA 

DA 

AB 

BB 


61 

19 

52 

326 

44 

40 

20 

1 

6 

57 


Lb 

1499 

7 

13 
6 
3 
43 
22 
2 
4 

5 

4 

36 

10 


1672     1654 


La 
Übertrag  1672 


CB 
DB 
AG 
BC 
CG 
DC 
AD 
BD 
DD 
AE 
BE 
DE 


15 
10 
29 
5 
2 
1 
2 
1 
7 
2 


Lb 

1654 

46 

6 

26 

10 

3 

1 


1747     1747 


IL    Die  combinationen  der  einzelnen  typen 
in   der  langzeile. 


A1  + 
A3  + 
A*l  + 
B  + 
C1  + 
C2  + 
D2  + 
E1  + 
F2  + 
AB  + 
AC  + 


AI 
AI 
AI 
AI 
AI 
AI 
AI 
AI 
AI 
AI 
AI 


31 


A1  +  A2 

3 

A2.3  +  A2 

2 

B  +  A2 

2 

C1  +  A2 

1 

F2  +  A2 

1 

BC  +  A2 

1           10 

41 


Übertrag    41 
A1  +  A3        2 
B  +  A3         1 
AB  +  A3         1  4 


A1  +  A2.3     1 


A 1  -f  A*  1        1 

A*l-j-A*l       1 

F2  +  A*l       1 


AI  +aA 
A2  +  aA 
A3  4-  aA 
A*l  +aA 
aA  -f-  aA 
B  +  aA 

Cl  +  aA 

C2-faA 

D*l+aA 


20 
1 
5 
6 
5 
3 
6 
1 
2 


1 


49 


Übertrag    98 


El  +aA 

Fl  +  aA 

F2  +  aA 

F3  +  aA 

G  +  aA 

AA  +  aA 

BA-faA 

CA  +  aA 

DA  +  aA 

AB  +  aA 

CB  +  aA 

DB-j-aA 


3 
1 
17 
1 
4 
2 
1 
1 
2 
2 
2 
1 


DD 

+  aA 

1 

38 

AI 

+  B 

253 

A2 

+  B 

24 

A3 

+  B 

14 

291 

427 


*)  Nicbt  mitgezählt  sind  verse,   die  in  auf  einander  folgenden  Strophen  unver- 
ändert sich  widerholen,  ebensowenig  verstümmelte  verse. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR 


233 


Übertrag     427 

A*]  -f  B  40 
A*2  +  B  0 

aA  +  B  50 

B  +  B  29 

Cl+B  51 

C2  +  B  13 

Dl  +  B  2 

D2  +  B  2 

D*l  +  B  12 

El+B  3G 

E2  +  B  8 

Fl+B  27 

F2  +  B  149 

F3  +  B  25 

G  +  B  24 

AA  +  B  6 

CA  +  B  2 

DA  +  B  29 

AB  +  B  9 

CB  +  B  9 

DB  +  B  4 

AC  +  B  14 

BC  +  B  1 

DC+B  1 

AD  +  B  2 

DD  +  B  2 

DE  +  B  1         554 


Al  +  Cl  44 

A2  +  C1  4 

A3  +  C1  4 

A*l  +  Cl  2 

A*2  +  Cl  1 

aA  +  Cl  4 

B  +  Cl  10 

Cl  +  Cl  14 

C2  +  C1  8 

D*l  +  Cl  2 

El+Cl  4 

E2+C1  3 

Fl  +  Cl  3 

F2  +  C1  22 

F3  +  C1  2 

G  +  Cl  3 

AA  +  Cl  3 

DA  +  Cl  11         144 


Übertrag     1125 

AB  +  Cl  2 

CB  +  Cl  2 

DB  +  Cl  1 

AC+Cl  3 

BC-fCl  1 

DD  +  Cl  3 

AE  +  Cl  1  13 


A1  +  C2 

84 

A2  +  C2 

10 

A3  +  C2 

9 

A*l  +  C2 

10 

aA  +  C2 

13 

B  +  C2 

16 

C1  +  C2 

20 

C2  +  C2 

3 

D1  +  C2 

5 

D*l  +  C2 

4 

E1  +  C2 

12 

E2  +  C2 

5 

F1  +  C2 

16 

F2  +  C2 

61 

F3  +  C2 

11 

G  +  C2 

2 

AA  +  C2 

3 

CA  +  C2 

1 

DA  +  C2 

5 

AB  +  C2 

2 

CB  +  C2 

2 

AC  +  C2 

5 

DD  +  C2 

1         300 

Al+Dl 

2 

A2  +  D1 

1 

aA  +  Dl 

1 

D*l  +  Dl 

1 

Fl  +  Dl 

1 

AB -f-  Dl 

1             7 

A1  +  D2 
F2  +  D2 


Al  +  D*l  14 

A2  +  D*l  4 

A3  +  D*l  1 

A2.3 +  D*1  1 

aA  +  D*l  1 

B  -f  B  *  1  2 


23 


1125 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV. 


Übertrag     1471 
B*l+D*l       5 
Fl  +  D*l       1 

F2  +  D*l  17 
G4-D*l  2 
AA  +  D*1  1 
BA  +  .Ü*1  1 
DB  +  D*1       1  28 


Al  +  D*2 

1 

A2  +  D*2 

2 

A3  +  D*2 

1 

aA  +  D*2 

1 

B  +  D*2 

1 

F2  +  D*2 

1             7 

AI  +  E1 

5 

A2  +  E1 

3 

B  +  El 

2 

C 1  +  E 1 

1 

F2  +  E1 

1 

F3  +  E1 

1           13 

A1  +  E2 

3 

A3  +  E2 

1 

B  +  E2 

2            6 

Al+Fl 
F2  +  F1 


A1+F2 

A2  +  F2 

aA-j-F2 

B  +  F2 

C1+F2 
C2  +  F2 
D2  +  F2 

E1  +  F2 


Fl  +  F2 

1 

F2  +  F2 

14 

F3  +  F2 

1 

G  +  F2 

o 

DA  +  F2 

1 

AC  +  F2 

2 

43 

A1  +  F3 

3 

A*l+F3 

2 

B  +  F3 

1 

C1  +  F3 

1 

E2  +  F3 

2 

9 

1580 

16 


234 


GERING,    DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR 


F2  + 

F3  + 

AA  + 
CA  + 
DA  + 
AB  + 
DB  + 
AC  + 


Übertrag 
F3         3 


1580 


F3 
F3 
F3 
F3 
F3 
F3 
F3 


B  + 

F3  + 


A1  + 

A2  + 

D*l  + 

BC  + 


A1  + 
aA  + 
F1  + 
F2  + 
AA  + 


CA 
CA 
CA 
CA 
CA 


A1  + 

E1  + 
F2  + 


AA  1 

AA  1 

AA  1 

AA  1 


DA  2 
DA  1 
DA         1 


Al  +  AB 

9 

A2  + AB 

5 

A3  + AB 

3 

aA  +  AB 

1 

B  +  AB 

2 

D*1  +  AB 

<■> 

13 


1630 


Übertrag 

1630 

Fl+AB 

1 

F2  +  AB 

8 

G  +  AB 

1 

AA  +  AB 

1 

AB  +  AB 

2 

AC  + AB 

1 

14 

Al  +  BB 

4 

A3  +  BB 

1 

B  +  BB 

1 

Cl+BB 

3 

DA  +  BB 

1 

10 

Al  +  CB 

12 

A2  +  CB 

1 

A*1  +  CB 

1 

aA  +  CB 

3 

B  +  CB 

3 

Cl  +  CB 

3 

D*1  +  CB 

2 

El  +  CB 

2 

E2  +  CB 

1 

F2  +  CB 

7 

G  +  CB 

1 

AA  +  CB 

1 

DA  +  CB 

3 

D  B  +  CB 

2 

AC  +  CB 

2 

CC  +  CB 

1 

AE+CB 

1 

46 

1700 

Übertrag 

1700 

Al  +  DB 

2 

A2  +  DB 

1 

A*1  +  DB 

1 

B  +  DB 

1 

CA  +  DB 

1 

6 

Al+AC 

8 

A3  +  AC 

2 

A*1  +  AC 

1 

D*1  +  AC 

2 

El  +  AC 

1 

F2  +  AC 

7 

DA  +  AC 

2 

AB  +  AC 

1 

BC  +  AC 

1 

BD  +  AC 

1 

26 

Al  +  BC 

4 

aA  +  BC 

1 

F2  +  BC 

2 

AA  +  BC 

1 

AB  +  BC 

1 

CC  +  BC 

1 

10 

aA  +  CC 

1 

Cl+CC 

1 

F2  +  CC 

1 

3 

Al+DC 

1 

1 

Al+BE 

1 

1 

1747 

(Schluss  folgt. 


KIEL. 


H.  GEKINti. 


STRAUCH,  ZUR  GOTTESFREUND  -  FRAGE  235 

ZITK  GOTTESFREUND-FKAGE. 
I.   Das  Neunfelsenbuch. 

Dass  in  der  Gottesfreundfrage  noch  nicht  das  letzte  wort  gesprochen 
ist,  wird  auch  derjenige  zugeben  müssen,  den  im  wesentlichen  Denifles 
scharfsinnige  lrypothese,  die  den  grossen  Gottesfreund  aus  dem  oberland 
ins  reich  der  dichtung  verweist,  überzeugt  hat.  Es  gilt  zunächst  die 
persönlichkeit,  die  uns  allein  die  bekanntschaft  mit  jenem  mysteriösen 
gottesfreunde  vermittelt,  den  Strassburger  bürger  und  späteren  ersten 
pfleger  seiner  Stiftung  auf  dem  Grünen  wörth  Kulm  an  Merswin  scharf  ins 
äuge  zu  fassen,  insbesondere  die  frage  zu  erwägen,  ob  ihm  die  immer- 
hin gross  gedachte,  wenn  auch  im  letzten  grade  nicht  consequent 
durchgeführte  fiction  auf  grund  dessen,  was  wir  sonst  von  ihm  kennen 
und  wissen,  wirklich  zugetraut  werden  darf.  Erst  dann  ist  einer  er- 
spriesslichen  Gottesfreund- forschung  der  boden  bereitet.  Der  weg  ist 
also  genau  vorgezeichnet.  Wir  müssen  uns  in  erster  linie  mit  jenen 
Schriften  beschäftigen,  als  deren  Verfasser  Merswin  sich  selbst  bekennt. 
Nun  wissen  wir  freilich  längst,  dass  auch  in  ihnen  es  mit  der  arbeits- 
weise,  der  Originalität  Merswins  eine  besondere  bewandnis  hat.  Es 
heisst  im  Memorial  des  Strassburger  johanniterhauses:  Aber  was  er 
(Merswin)  schreip  oder  schriben  muoste,  das  het  er  also  gar  verborgen 
ander  andere  materiell  und  hei  etteliche  geschrift  andern  gottes  fründen 
und  lerem  xuo  geleit  und  i)i  ire  buechere  vermischet  von  grosser 
grundeloser  deiuuetikeit  wegen,  das  er  wolte  von  allen  menschen  un- 
bekant  sin  und  von  niemane  erhaben  (Jundt,  Histoire  s.  211  anm.). 
Sehen  wir  zunächst  von  Merswins  bericht  über  seine  bekehrung,  von 
.den  Vier  jähren  seines  anfangenden  lebens  ab,  so  handelt  es  sich  bei 
ihm  stets  um  erweiterungen  fremder  vorlagen,  vermischt  mit  sinen 
inbrünstigen  hitzigen  xuogeleiten  minneworten  (a.  a.  o.  ebenda).  Die 
quelle  des  Buchs  von  den  drei  durchbrüchen  (Jundt  s.  215  —  220.  227fg.), 
dem  der  tractat  von  einem  wol  gelerten  reichen  pfaffen  (Jundt  s.  220 
bis  227,  vgl.  Anz.  für  deutsches  altertum  6,213;  Zeitschr.  für  deutsches 
altertum  24,514)  sowie  s.  228  —  230  stücke  aus  Seuse  (Zeitschr.  für 
deutsches  altertum  21,  118 fg.),  bischof  Albrecht,  Tauler  (QF  36,12  anm.) 
ein-  und  angefügt  sind,  ist  von  Denifle  (QF  36, 137  fgg.)  nachgewiesen1 
und  mitgeteilt  worden.  Der  auszug  aus  dem  ersten  und  zweiten  buche 
von  Ruisbrocks  Geistlicher  hochzeit  lässt  Merswins  diction  und  zutaten 

1)  Zu  den  a.  a.  o.  s  39  genannten  Handschriften  gesellen  sich  noch  Ms.  Berol 
germ.  4°  171  f.  294"  vgl.  Iitteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  1880,  363;  Cod.  Pal. 
germ.  28  f.  102 d. 

16* 


236  STRAUCH 

leicht  erkennen,  vgl.  Schmidt,  Tauler  s.  189  anm.,  Nie.  von  Basel  s.  73  n; 
Ullmann,  Vier  Schriften  von  Joh.  Kusbrock  in  nd.  spräche  s.  XIX;  Jundt, 
Amis  s.  22fgg.;  Zeitschr.  für  deutsches  altertum  24,509  anm.  2.  Ful- 
das Bannerbüchlein  (Jundt,  Amis  s.  393  fgg.)  und  die  noch  nicht  ver- 
öffentlichten Sieben  werke  des  erbarmens  (aus  eines  Juristen  buch,  vgl. 
Jundt,  Amis  s.  25  fg.)  sind  die  directen  quellen  noch  aufzudecken;  auch 
in  ihnen  liegen  sicherlich  nur  Überarbeitungen  fremder  texte  vor,  ver- 
brämt mit  Merswinschen  phrasen  und  Zusätzen.  Vgl.  noch  Zeitschr.  für 
deutsches  altertum  24, 523  fg. 

Und  nicht  anders  steht  es  mit  der  schrift,  die  neben  den  Vier 
jahren  bisher  stets  als  die  bedeutendste  und  verhältnismässig  selbstän- 
digste unter  denen  gegolten  hat,  die  Merswin  sich  selbst  zuschreibt: 
mit  den  Neun  felsen.  Ich  gehe  zunächst  nicht  darauf  ein,  dass  schon 
die  ältere  häretische  litteratur  ein  buch  von  den  Neun  felsen  kennt, 
an  das  zweifellos  Merswins  gleichnamiges  werk  dem  titel  nach  anlehnt, 
wenn  wir  auch  im  einzelnen  über  das  ältere  werk  völlig  im  unklaren 
bleiben,  denn  was  wir  aus  einigen  excerpten  wissen1,  bietet  keinen 
anhaltspunkt  für  Merswins  buch.  Man  hat  nun  wol  an  seinen  Neun 
felsen  die  zerfliessende  breite  und  redseligkeit  mit  recht  gerügt,  im 
wesentlichen  aber  doch  seine  auslassungen  als  originale  gelten  lassen. 
Dem  ist  aber  nicht  so.  Der  knapperen  fassung  des  textes  in  den  Seuse- 
drucken  von  1482  und  1512,  auf  denen  Diepenbrocks  erneuerung  be- 
ruht, schenkte  man  so  gut  wie  keine  beachtung;  sie  schien  als  kürzung 
des  Merswinschen  textes  für  die  kritik  wertlos,  während  sich  doch  un- 
schwer der  beweis  ihrer  ursprünglichkeit,  dagegen  der  abhängigkeit 
Merswins  von  ihr  erbringen  lässt. 

1.    Die  Überlieferung  der  kürzeren   textgestalt. 

Die  kürzere  textgestalt  (D2)  ist  uns  ausser  in  den  beiden  Seuse- 
drucken  in  sechs  hochdeutschen,  zwei  niederdeutschen  und  drei  nieder- 
ländischen handschriften  sowie  in  einer  handschriftlichen  lat.  fassung 
erhalten. 

M  Cgm.  759  vom  jähre  1446  (?).  Auf  das  Buch  der  ewigen  Weis- 
heit Seuses  folgt  bl.  102 b — 152c  der  kürzere  text  der  Neun  felsen:  I)x 

1)  S.  unten  den  siebeuten  abschnitt. 

2)  Ich  citicre  nach  Diepenbrock ,  Heimich  Suso's,  gen.  Amandus,  leben  und 
Schriften.  3.  aufl.  Augsburg  1854.  —  Für  die  bereitwill igkeit,  mit  der  die  herren 
bibliothek-  und  archivvorstände  zu  St.  Gallen,  Heidelberg,  Königsberg,  Magdeburg, 
München,  Strassburg,  Stuttgart  und  Wolfenbüttel  mir  das  im  folgenden  verwertete 
handschriftliche  material  zugänglich  gemacht  haben,  möchte  ich  auch  an  dieser  stelle 
öffentlich  meinen  dank  sagen. 


ZUR   GOTTESFREUND -FRAGE  237 

ist  dz  bilch  von  den  nun  reisen.  Ein  eingeklebtes  bücherzeichen  be- 
sagt, dass  der  codex,  ehe  er  nach  München  kam,  den  benedictinern  zu 
S.  Ulrich  und  Affra  in  Augsburg  gehörte.  Die  spräche  ist  alemannisch, 
schwäbisch  (au  für  ä;  zahlreiche  superlativformen  auf  o,  auch  lernoten, 
gehailigot  usw.;  phendiclieh  =  behendieUch;  gearwait;  einmal  derwegen- 
hait  neben  verwegenhait) .  Bemerkenswert  ist,  dass  M  am  schluss  (s. 
Diepenbrock3  390,  22 fg.)  sagt,  das  werk  sei  1446  begonnen  und  'aus- 
geschrieben'. Wenn  der  Münchner  hss.-catalog  darnach  die  hs.  ins 
jähr  1446  setzt,  so  liegt  ja  dazu  eine  gewisse  berechtigung  vor,  mög- 
lich freilich  auch,  dass  1446  für  1346  verschrieben  wurde,  wie  schon 
eine  bleistiftnotiz  am  rande  vermutet. 

m  Cgm.  838  vom  jähre  1471,  der  wie  M  von  S.  Ulrich  und  Affra 
in  Augsburg  nach  München  kam,  enthält  bl.  60a — 138b  die  kürzere 
textgestalt:  Hie  vahet  an  das  buchlin  von  den  neun  velsen.  Anfang: 
Alle  menschen  nemend  diser  warnenden  ler  war  usw. 

P  Die  handschrift  der  Heidelberger  Universitätsbibliothek  Pal. 
germ.  474  (Bartsch  nr  254)  enthält  nach  Seuses  Buch  von  der  ewigen 
Weisheit  bl.  78* — 118d  den  kürzeren  text  der  Neun  felsen:  (rot)  daz 
ist  daz  buch  von  den  nun  velsen,  geschrieben  1435  an  sunt  ■petters 
und  sunt  puls  tag  d'hayligen  XII  bottcn  (118d).  Die  spräche  ist  ale- 
mannisch, schwäbisch.  Beachtenswert  sind  Schreibungen  wie  ver- 
nciuchtet  (=  vermutet,  vernihtet);  ireiw,  baideiw;  eiijnthaltet,  e(ijn- 
ziech;  e (i)  ugewiset  (negation). 

S  Die  handschrift  der  königl.  öffentlichen  bibliothek  zu  Stuttgart 
Ms.  theol.  et  phil.  4°  nr  503,  aus  dem  15.  Jahrhundert,  früher  dem 
Monasterium  Wiblingen  (im  jetzigen  württemb.  oberamt  Laupheim)  ge- 
hörig. Der  codex,  dessen  seiten  nicht  gezählt  sind,  enthält  1.  das 
Xeunfelsenbuch,  2.  Dis  is  das  buch  der  Inbildung  des  ewigen  lebens 
und  ist  gemacht  nauch  red  und  widderred  der  Vernunft  und  der  sele, 
z.  t.  eine  auslegung  des  buches  Hiob.  S  verdient  deshalb  beachtung, 
weil  es  uns  einen  mischtext  der  Neun  felsen  bietet.  Den  ersten  teil, 
das  Rügenbuch,  gibt  S  in  der  kurzen  textgestalt  (Diepenbrock  s.  330 
bis  354,34),  geht  dann  aber  mit  der  eigentlichen  Neunfelsen-vision  in 
Merswins  fassung  über:  es  folgt  auf  D.  354,34  die  rote  Überschrift  Von 
dem  ersten  felsen  und  siner  Innhaltung ,  hierauf:  Das  wir  hie  wolleut 
roden,  daz  ist  ivie  ain  mensch  ward  gelassen  sechen  einen  grulichen 
grosen  leiten  berg  (Merswin  64,  22fgg.).  65,6  lautet  Die  antwurt  des 
furers  diß  menschen  sprach  zu  im  usw.  Merswins  text  bleibt  bis 
122,32;  nachdem  jedoch  die  einzelnen  neun  felsen  behandelt  sind, 
nimmt  S   wider  die   kürzere  gestalt  auf  und  zwar  Diepenbrock  382, 1 


238  STRAUCH 

bis  390,27:  zitt,  dann  330,2  wer  das  buch  welle  lesen,  der  hob  es  —  4 
erst,  und  bessert  er  nicht  sein  leben,  sicher  so  wirf  gott  ainen  ewigen 
fol  lassen  uf  in  fallen,  vor  dem  behut  unß  die  oivig  tvarheit.  Amen. 
Die  spräche  ist  alemannisch,  genauer  schwäbisch ;  ich  notiere  Schrei- 
bungen wie  selichen  (=  solhen);  mör  (mare),  horten  (=  herten),  ver- 
zort,  roden,  ödler;  solen,  oiviklich;  strauß,  maul,  gaut,  jau;  gegen- 
ivirtig;  niem;  gefiert,  gemiete;  blouß,  nout;  undertunen  (=  under- 
tänen  dat.  pl.);  volle  vocale  in  ableitungs-  und  flexionssilben:  obenan; 
sy  tetant;  du  habist,  ivelchi;  obrost,  bitrosten,  schemlichosten ,  wysosten, 
hailigosten ,  undrosten ,  hindroste,  schädlichosten ;  gestatot  (3  sg.  praes.), 
verachtot,  verirroten  (flect.  part.);  wundrun  (inf.),  si  warund;  —  un- 
künschlich,  unkünschhait ,  die  umdeutungen  denmietikait ,  denniietig; 
frowe  (froh). 

W  Die  handschrift  der  herzoglichen  bibliothek  zu  Wolfenbüttel 
nr  2886  (85.  3.  Aug.  fol.)  aus  dem  15.  jh.,  vgl.  von  Heinemann, 
Augusteische  hss.  IV"  (1900),  90.  Der  kürzere  text  der  Neun  felsen 
füllt  bl.  1  —  44a  und  beginnt:  Alle  menschen  nement  dir'  warnent  lere 
wäre  mit  einem  zu  kerenten  g°ssen  ernst.  Der  codex  ist  mit  schönen 
grossen  buchstaben  sorgfältig  geschrieben,  die  capitelüberschriften  sind 
rot.  Die  worte  aber,  hievor,  minne,  schemlich,  solch  sind  fast  aus- 
nahmslos durch  mer,  vor  Zeiten,  liebe,  schentlich,  senileich  ersetzt. 

w  Die  handschrift  der  herzoglichen  bibliothek  zu  Wolfenbüttel 
nr  2772  (78.  5.  Aug.  fol.)  vom  jähre  1473,  vgl.  von  Heinemann, 
Augusteische  hss.  IV  (1900),  7.  Nach  Seuses  exemplar  folgt  bl.  267 b 
bis  322  der  kürzere  text:  Hie  vachett  an  das  püctilin  von  den  newn 
velssen.  Da  die  hs.  nicht  versendbar  ist,  stellte  mir  mit  gütiger  er- 
laubnis  des  herrn  geheimrat  von  Heinemann  herr  dr.  Milchsack  einige 
Stichproben  freundlichst  zur  Verfügung. 

Der  kürzeren  textgestalt  gehört  auch  das  soeben  von  Schönbach, 
Miscellen  aus  Grazer  hss.  4.  reihe  s.  lOOfgg.  veröffentlichte  fragment  an: 
es  findet  seine  entsprechungen  bei  Diepenbrock  s.  338,  18  —  25.  31  —  37. 
339,  5-14.  20-30. 

Ein  kurzer  auszug  aus  dem  älteren  Neun  felsen -tractat  steht  auch 
cgm.  843  bl.  131b  —  133a:  Von  den  neun  felsen  und  iv(a)z  ubung  dar 
auf  sey,  unmittelbar  nach  einigen  excerpten  aus  Seuse.    S.  abschnitt  3. 

Wahrscheinlich  bot  die  kürzere  textgestalt  auch  jene  hs.,  auf  die 
cgm.  627  bl.  268 c  mit  den  worten  Disz  stet  am  grünen  puchlein  vor  den 
newn  velsen  bezug  nimmt:  gemeint  ist  dort  der  von  Merswin  in  seinen 
Drei  durchbrächen  benutzte  tractat  (QF  36,137  vgl.  39).  Und  ebenso 
war  es  wol  die  kürzere  fassung,  die  man   später  im  15.  jh.  im  Nürn- 


ZUR    GOTTESFREUND- FRAGE  239 

berger  Katharinenkloster  als  tischlectüre  für  den  allerselentag  neben 
anderen  tractaten  verwendete.  Vgl.  Jostes,  M.  Eckhart  und  seine  jünger 
s.  XXII.  Dagegen  lässt  sich  'ein  geschriben  buch  von  den  neun  felsen', 
welches  ein  bruder  Mcolaus  von  Uri  besass,  nicht  näher  bestimmen. 
Er  lieh  es  dem  in  Luzern  wohnenden  Werner  Rat  von  Zürich  und  als 
es  1519  verloren  ging,  vermissten  es  mit  diesem  auch  die  von  Uri  nur 
ungern.  Vgl.  Lütolf  im  Jahrb.  f.  schweizerische  gesch.  1,  44;  Anz.  f. 
schweizerische  gesch.  n.  f.  1874, 57. 

Ausserdem  sind  zu  nennen: 

Zwei  niederdeutsche  papierhandschriften  in  der  Sammlung  des 
freiherrn  A.  v.  Arnswaldt  (jetzt  in  Berlin):  nr  3130.  3148  aus  dem  15.  jh.; 
sie  enthalten  beide  die  kürzere  textgestalt;  nr  3130  ist  unvollständig  und 
bricht  mit  D.  385,  36  ab.  Vgl.  Jb.  des  Vereins  für  nd.  Sprachforschung 
9, 133.  139;  Vier  schritten  von  Joh.  Eusbrock  in  nd.  spräche  s.  XXXVI. 

Drei  niederländische  handschriften :  1.  der  Friesch  genootschap 
van  geschied-,    oudheid    en    taalkunde  (C,  papierhs.   aus   dem   16.  jh.), 

2.  der  königl.  bibliothek  zu  s'Gravenhage  (B,  pergamenths.,  unvoll- 
ständig, aus  dem  15.  jh.;  die  hs.  war  im  15.  jh.  im  besitz  des  Barbara- 
klosters in  Delft,  das  noch  eine  zweite  hs.  besass,  vgl.  Germania  31,341 
nr  77;  van  Borssum  Waalkes  s.  9  anm.  2),  3.  der  Universitätsbibliothek 
zu  Amsterdam  (A,  papierhs.  aus  dem  15./16.  jh.).  ABC  bieten  gleich- 
falls die  kürzere  textgestalt,  die  A  noch  weiter  zusammengezogen  hat. 
Vgl.  die  ausgäbe  unter  Zugrundelegung  von  C  mit  Variantenangabe  durch 
Gr.  H.  van  Borssum  Waalkes,  Dat  boeck  van  den  oorspronck,  een  hand- 
schrift,  met  inleiding  en  aanteekeningen  namens  het  Friesch  genootschap 
van  geschied-,  oudheid  en  taalkunde.  Leeuwarden  1882.  Ebendort 
sind,  wie  hier  beiläufig  bemerkt  sein  mag,  auch  proben  aus  der  aber- 
maligen Verkürzung  des  urtextes  in  der  Kölner  Taulerausgabe  von  1543 
gegeben,  s.  s.  6.  7  anm.  3.  97  anm.  1. 

/.i  Die  handschrift  der  bibliothek  des  domgymnasiums  zu  Magde- 
burg cod.  174,  ein  sammelband,  dessen  inhalt  dr.  Dittmar  in  seinem 
Verzeichnis  der  hss.  und  alten  drucke  der  bibliothek  des  domgymnasiums. 

3.  teil.  Magdeburg  1880  (programm  nr  199)  s.  42fgg.,  bes.  s.  44  ein- 
gehend beschrieben  hat.  Als  14.  stück  steht  auf  bl.  62 a  —  76 b  eine  lat. 
Übersetzung  des  kürzeren  Neunfelsentextes  und  zwar  handelt  es  sich 
nur  um  die  zweite  hälfte  desselben,  die  eigentliche  neunfelsenvision 
(Diepenbrock3  s.  355  fgg.  cap.  XXIII fgg.):  bl.  62a  Überschrift  in  roter 
schritt  Incipit  über  de  novem  Rupibtts.  et  primo  de  primo  rupe  tunc 
deinceps;  anfang:  R  (rot)  Espondit:  dieo  tibi:  si  ultra  debuisses  vidisse 
et  audivisse  alios  defectus  quam  plures  non  potuisses  sustulisse  usw. 


240  STRAUCH 

Aus  diesem  unvermittelten  eingang  erhellt  zur  genüge,  dass  die  Über- 
lieferung fragmentarisch  sein  muss.  Der  erste  teil  fehlt  nur  durch  Zu- 
fall, die  blätter,  die  ihn  enthielten,  sind  verloren  gegangen.  Das,  was 
vorliegt,  ist  von  einer  hand  des  15.  jhs.,  die  in  der  sammelhs.  hier 
zuerst  erscheint,  sorgfältig  geschrieben,  auch  das  papier  ist  ein  anderes 
als  in  den  vorhergehenden  partien.  Die  gleiche  hand  ist  bis  bl.  106b 
zu  verfolgen,  bl.  107a  setzt  eine  neue  ein.  Ich  konnte  durch  die  gute 
des  herrn  prof.  dr.  Eberhard,  derzeitigen  Vorstandes  der  bibliothek,  in 
müsse  von  der  hs.  abschrift  nehmen.  Sie  hatte  zunächst  mein  beson- 
deres interesse  erweckt,  da  sie  bl.  76 b  als  abfassungszeit  des  Neunfelsen- 
textes das  jähr  1302  angiebt,  während  die  übrigen  fassungen  das  jähr 
1352  nennen.  Es  stellte  sich  aber  bald  heraus,  dass  diese  abweichende 
lesart  nur  ein  Schreibfehler  sein  kann. 

Der  Seuse- druck  von  1482  (a)  enthält  das  Neunfelsenbuch  auf 
bl.  CXb  —  CXLVP;  dieses  wird  im  Inhaltsverzeichnis  vorne  nicht  er- 
wähnt, am  schluss  heisst  es  bl.  146"  gedruckt  vnd  vollendet  ist  dicx 
buch  (des  geleich,  noch  bessers  de  laien  nit  kund  ist  sein  leben  xe- 
bessern,  genant  der  Seüsse)  von  Anfhonio  sorg,  in  der  keyserlichen 
stat  Augspurg,  an  dem  nächsten  freitag  vor  sant  Jörgen  tag  do  man 
xalt  nach  Cristi  gepurt,  tausentuierhundertxwaiundachxig  iar.  Im 
Seuse -druck  Augsburg  1512  (b)  wird,  nachdem  bl.  217 b  im  'beschluss 
dieses  buchs'  nochmals  kurz  der  inhalt  des  ganzen  zusammengefasst 
ist  (bl.  218b  —  219b  von  Neunerlag  ständen  der  menschen  in  geleicJinu/i 
Neun  hoher  reisen,  darauff  die  menschen  vnderschaidenlich  wonen  die 
da  auff  das  aller  höchst  geburg  ewiger  säligkeit  kommen  sollen  vnd 
tödlicher  in  der  ainem  stände  Endtlich  nit  erfunden  icirt  der  verbleibt 
vnnd  verfeit  ab  in  ewige  verdamnuß),  bl.  220 a  gesagt,  dass  diese  aus- 
gäbe besser  sei  als  die  von  1482,  wann  das  Exemplar  des  Ersten 
drucks  fast  gebrechenlich  vnd  vnbegreiffenlich  des  smns  halb  gewesen, 
aber  yetx  verstendtlicher  vnd  clärer  nach  vermüglichait  gesetxt  ist, 
dardurch  vrsach  gegeben  ivirt  derster  begirUcher  vnd  mit  grösserem 
last  on  verdrossenhait  diß  materi  xü  lesen.  Was  unsern  text  betrifft 
—  mit  der  Seuse -Überlieferung  habe  ich  mich  hier  nicht  zu  befassen  — , 
trifft  diese  behauptung  wenigstens  teilweise  das  richtige.  Mehrmals 
sind  laknnen,  die  den  druck  von  1482  verunstalten,  in  dem  von  1512 
ausgefüllt,  viele  fehlerhafte  lesarten  auf  grund  einer  besseren  vorläge 
berichtigt  worden;  aber  andererseits  bleiben  doch  beiden  drucken  ge- 
legentliche wort-,  ja  Satzauslassungen  und  manche  falsche  lesart  ge- 
meinsam, so  D  33G,  4  nilexend  statt  müssen,  354,16  die  pfeile  statt 
den  pfui,   365,32  ausgeschrieben  statt  ausgeschrieen,   um  nur  ein  paar 


ZUR    GOTTFSFREUND-  FRAGE  241 

solcher  fälle  anzuführen,  die  den  beiden  drucken  allein  eigen  sind; 
grösser  noch  ist  die  zahl,  wo  sich  der  gleiche  fehler  auch  in  einigen 
der  uns  zur  Verfügung  stehenden  hss.  findet. 

Von  diesen  aber  zeigen  M  P  W  eine  engere  Zusammengehörigkeit 
untereinander,  M  P  —  in  beiden  geht  dem  ISTeunfelsentractat  Seuses 
Buch  der  ewigen  Weisheit  voraus  —  sogar  die  engste,  insofern  sie 
nicht  selten  die  gleiche,  oft  auch  eine  falsche  lesart  gemeinsam  haben 
oder  dieselben  lücken  aufweisen.  In  der  mehrzahl  der  fälle  beruhen 
letztere  auf  homöoteleuton.  Übrigens  kann  weder  M  aus  P,  noch  P 
aus  M  hervorgegangen  sein,  beide  handschriften  gehen  vielmehr  auf 
eine  vorläge  zurück.  "W  wandelt  bei  mannigfachen  berührungen  mit 
M  P,  insbesondere  mit  M,  mehr  eigene  wege,  die,  wenn  sie  auch  oft 
in  die  irre  führen,  uns  gelegentlich  doch  der  directen  vorläge  Merswins 
näher  bringen  (s.  im  zweiten  abschnitt  die  lesa.  zu  360, 4.  362, 12. 
364,  36  fg.  365,  20  fg.  367,7.  372,4  fg.).  Ganz  ähnlich  wie  bei  W  verhält 
es  sich  mit  S.  Auch  hier  finden  sich  neben  zahlreichen  misverständ- 
nissen,  flüchtigkeiten,  zufälligen  auslassungen  und  beabsichtigten  kür- 
zungen  für  die  bestimmung  der  Merswiuschen  vorläge  wertvolle  lesungen 
(s.  die  lesa.  zu  335,10.  339, 30  fg.  342,  20  fg.  343, 4  fg.  348,6.  352,28. 
359,5.  383,24).  Den  excerpten  nach  zu  urteilen,  gesellt  sich  w  zu  W, 
im  weiteren  zu  M  W,  steht  aber  dem  text  bei  Diepenbrock  näher  als 
W.  Am  häufigsten  mit  dem  Augsburger  druck  von  1482  berührt  sich 
die  früher  in  Augsburg  befindliche,  1471   geschriebene  handschrift  m. 

Während  diese  nur  allgemein  orientierenden  bemerkungen  über 
die  handschriftliche  Überlieferung  des  tractates  in  seiner  kürzeren  ge- 
stalt,  der  uns  weniger  um  seiner  selbst  willen  als  Merswins  wegen 
interessiert,  genügen  dürften,  müssen  wir  bei  /<  etwas  länger  verweilen, 
da  es  gilt  für  die  Jahresangabe  1302  (gegenüber  sonstigem  1352)  den 
beweis  der  unursprünglichkeit  zu  erbringen,  damit  aber  zugleich  auch, 
dass  /.i  nur  Übersetzung  des  deutschen  textes  sein  kann.  362, 35  und 
beginnent  denn  ser  schlaffen  'erschlaffen'  giebt  /.i  durch  et  sie  tepeseunt 
et  ineipiunt  clor  mir e  wider;  selbst  wenn  tepeseunt  Übersetzung  von 
schlaffen  sein  sollte,  weist  ineipiunt  dormire  daneben  doch  auf  eine 
Vermischung  von  slaffcn  und  släfen.  376,28  ir  leiblich  leben:  in  (« 
amabilis  vital  378, 33  fg.  ivysse  das  dyses  hinderst  tetjl  das  hyr  ge- 
schriben  ist  von  dysem  neunden  reisen:  in  f.i  scias  qnod  centesi  ma 
pars  huius  noni  rupis  utilior  est  ecclesie  quam  omnia  quae  in  isto 
libro  scripta  sunt;  die  vorläge  von  f.i  bot  wol,  wie  auch  Merswin 
meist,  wenn  auch  nicht  gerade  an  dieser  stelle  (116,6,  in  K  jedoch 
himdertost)  schreibt,    hiinderst,    Minderst.     383,6    er  gedacht   er    ivolt 


242  STRAUCH 

gern  davon  schreibe)):  u  schreibt,  für  scriben:  sterben  lesend,  et  co- 
gitavit  quod  libenter  inde  vellet  mori  sicud  sibi  praedictum  fuit,  fährt 
dann  aber  richtig,  scribere  voraussetzend,  fort  (s.  im  zweiten  abschnitt, 
lesa.  zu  383,  7).  386, 29  fg.  und  wie  klein  dise  vorcht  ist,  so  last  sg  doch 
got  kein  zueil  ('einige  zeit',  Merswin  133,29  keinne  lenge  kann  auch  nur 
meinen  'eine  unbestimmte  zeit  lang,  ein  weilchen'  —  ebenso  339,14 
=  Merswin  18,24;  auch  74,14  — ,  denn  es  heisst  im  folgenden:  diese 
—  forthe,  die  musent  si  habben  zu  etthelichen  cithen  unce  in  iren 
dot)  dar  inne:  {.i  mis verstehend  et  licet  pauci  sint,  tarnen  deus  non 
permittit  eos  dudum  ibi.  Somit  werden  wir  auch  am  schluss  in  der 
jahresangabe  1302  nur  einen  schreib-  oder  lesefehler  für  tusent  vierte- 
halp  hundert  und  xivei  jar  (390,23)  zu  constatieren  haben,  der  sich 
gerade  aus  der  art  der  Überlieferung  =  viertehalp  hundert  und  zwei 
leicht  erklärt.  Trotzdem  ist  auch  f.i  ein  willkommnes  hiifsmittel  zur 
reconstruction  der  von  Merswin  benutzten  textgestalt.  Neben  gelegent- 
lichen irrtümern  —  den  ausfall  von  357, 32  fg.  teilt  f.i  allein  mit  dem 
druck  von  1482  —  bietet  //  manche  lesarten,  die  seine  deutsche  vor- 
läge der  Merswins  besonders  nahe  rücken,  s.  im  zweiten  abschnitt  die 
lesa.  zu  357, lfg.  358,28.  359,5.26.29.34.  360,5.8.11.  363,(26fg.) 
2 7 fg.  365,  16 fg.  367,  30fg.  368,25.  372,  4 fg.  löfgg.  374,  7 fg.  14 fg. 
376,1.23.  377,5.  378,16.  381,7.  382,  llfgg.  383,  7.  24.25 fgg.  384, 5 fg. 
9.  13fgg.  385,  7 fg.  386,2.  12fg.  387,  2fg.  24.  388,14.  390,20. 

Ähnlich  wie  /.i  gewähren  auch  die  niederländischen  bearbeitungen 
hie  und  da  für  Merswins  vorläge  charakteristische  lesarten;  nicht  selten 
berühren  sie  sich  näher  mit  /.i  und  stehen  denen  der  anderen  hand- 
schriften  gegenüber.  Vgl.  im  folgenden  abschnitt  die  lesa.  zu  341, 10. 
344,33.  351, 16.  18 fgg.  352,28.30.  353,24.37.  359,5.26.34.  360,11. 
363,27fg.  367,  30 fg.  368,25.  372,  4 fg.  löfgg.  374,  2 fg.  14 fg.  377,5. 
378,16.  383,7.24.  384,28.  385,24fg.  386,2.  4 fg.  388,14. 

2.  Collation  des  tractats  von  den  Neun  felsen 
in  der  kürzeren  gestalt. 
Ich  gebe  hier  eine  auswal  von  lesarten  aus  der  gesammten  Über- 
lieferung der  kürzeren  fassung,  soweit  sie  für  die  beurteilung  der 
Merswinschen  bearbeitung  bedeutsam  erscheinen;  gelegentlich  hat  auch 
eine  Variante  um  ihrer  selbst  willen  aufnähme  gefunden  und  selbstver- 
ständlich dann,  wenn  Diepenbrocks  erneuerung  directe  fehler  oder  mis- 
verständnisse  zeigt.  Von  einer  kritischen  reconstruction  des  urtextes 
Konnte  abgesehen  werden,  da  die  fassung  uns  eben  zunächst  doch  nur 
um  Merswins  willen  interessiert. 


ZUR    GOTTESFKEUND  -  FRAGE  243 

Die  Vormerkung  bei  Diepe?tbrock3  s.  330  ist  nach  den  beiden 
drucken  von  1482  und  1512  gegeben;  die  hs.liche  Überlieferung  iveist 
mit  ausnähme  von  m,  dem  330,2  —  6  ganz  abgehen,  den  absatz  ans 
ende  des  tractates.  330, 14  klebet,  dagegen  falsch  Merswin  1, 15  lebent! 
16 fy.  lesen  mit  fleiss  MP.  26  Weihnachten]  dem  ewemveich  tag  MP; 
dem  cristag  W;  circumcisio  m  Sic.  331, 6  beger  noch  main  noch  en- 
wil.  34  die  hie  (her  PSW  ab)  nach  geschriben  sint  (stönd  S).  332,36 
snödekeit.  333,2  und  wis  sein  gezenge.  12  sorcklich.  334,9  liebe. 
34  hören  das  es  on  alle  masz  was.  335,  7  dis  gross  sewechtig  gebirg. 
10  strichend  S,  während  MPW  ab  fehlerhaft  streitent  lesen,  vgl.  Mer- 
swin 11,22.  nach  13:  die  antwürt  sprach:  sich!  14/y/.  mit  dem  fl. 
w.]  und  denn  durch  die  fl.  w.  336,1  oft  und  als  vil  W.  8fgg.  komen 
und  si  wagten  das  auch  gar  dick  und  vil,  das  si  alles  über  sich  Aussen 
und  Sprüngen  über  sich  (das  letztere  über  sich  fehlt  m).  14  auf  das 
sewichtig  gebirg.  16  enmochten.  29  nur  b,  dem  Diepenbrock  folgt, 
lässt  hier  ein  neues  capitel  beginnen.  337, 16  jaren  M.  338, 8  und 
an]  lies  unden  an,  vgl.  beneden  van  Borssum  Waallces  s.  28,  undenan 
an  Merswin  16,6,  vgl.  65,18.  Slfg.  ist  in  diser  zeit  u.  w.  w.  m.  in 
diser  gegenwirtigen  zeit.  35  vor  der  lüte  kranckhait.  339, 14  kein 
lenge  lassen  sten.  SO  fg.  dann  si  nun  tunt.  Hierauf  Diß  sint  alle 
prelaten  gaistlich  und  weltlich  S;  in  roter  schrift  als  Überschrift  von 
allen  prelaten  gaistlich  und  weltlich  MPW;  vgl.  van  Borssum  Waalkes 
5.31,  Merswin  19,16  — 18.  35  freunt  noch  mage,  gut  nocli  ere. 
340,9  meinent.  18  leiplichen  freunten  W.  29  als  auch  hievor  ge- 
schah fehlt  S.  341, 1  erfüllt]  erfolget  MSW.  3  ein  als  rein  kewsch 
demütig  MW.  5  von]  vor  mW.  7  leiplich  freunt  W.  10  vgl.  van 
Borssum  Waalkes  s.  34  anm.  5,  Merswin  23,11.  342,7  Wenn]  wo 
MW.  10 fg.  anders  me  (nu  M)  befinden  MPa,  vgl.  ander  mare  van 
Borssum  Waalkes  s.  37  anm.  3;  Mcrsicin  25,14.  15  die  natur.  15 
und  16  heisset.  18  din  natur  S.  20  fg.  die  weder  sich  selber  noch 
iren  nuez  nitt  suchen  noch  mainent  S.  22  vor  (vor  hin  S)  fallent  in 
die  grub  MSW.  und  inen  die  lüte  nach  fallent  S.  23  glosierten  Wb, 
geglosierten  S.  25  ist  und  kunste  kan.  30  dem  stül  MmW.  34  dein 
red  MPW.  36  in  der  ersten  person  redet  mir  der  ndl.  text  bei  van 
Borssum  Waalkes  s.  38,  sonst:  sein  zeit,  ich]  er.  343, 1  ich]  er.  4 fg. 
darum  das  wort  fliehen  b]  um  schlachen  S,  ommeslaen  van  Borssum 
Waalkes  s.  39, 1,  dar  um  sy  slahen  MPW,  dar  um  schlaffen  m,  dar  um 
schlauffen  a,  vgl.  Merswin  27,25  umbe  schlahende.  5  und  verlüren 
ains  (ain  MP,  einen  W)  mit  dem  andern  MPSW.  7  künlich.  8  der 
prest  W,    der   gebrest  MS.     15    türren.     25    hie  vor  waß   in  den    fr. 


2 1 1  STRAUCH 

clostern  ein  S.  26  geistliches]  heilig(es).  26 fg.  der  wart  in  sich  selber 
(fehlt  MP)  geschlagen  von  in.  29  und  ir  (ir'  W)  gebärd  und  ireu 
(ir'  W)  wort  und  von  irs  (von  irs  fehlt  W)  böses  wandeis  willen  MPW: 
möglicherweise  trägt  diese  fehlerhafte  Variante  zur  erklärung  des  etwas 
abweichenden  textes  bei  Merswin  (28,  21  f gg.)  bei.  30  nicht  (!)  gebessert 
MmPWa.  344,  1  menschen  spottet  man  und  vernichtet  (verachtet  8). 
7  ihn]  si.  9  tätten.  10  vielen.  13  unk iu seh  MP.  14/V/.  minne  und 
(fehlt  m)  begirde  (fehlt  m;  hierauf  der  klaider  ausgestrichen  P;  genüge 
de(r)  claider  S;  genüeg  W;  mit  unrainen  gedencken  b)  und  (fehlt  S) 
mit  dem  (fehlt  S)  willen.  15  in  die  creaturen  SW.  minnent  die  er. 
fir  gott  S.  16  reden  und  mit  üppigkait  b]  begirde  MP;  hoffart  m; 
genügte  S;  genüeg  W.  18  mit  verporgen  haimlichen  sunden  [die  v.  s.] 
M.  19  getarr  geschriben.  treiben]  sint.  24  eytelkeit.  27  die  nu  gr. 
heiligen  vor  g.  sint.  29  vor  allen  menschen.  33  beide  in  vrouwe  en 
manne  cloosters  —  sy  syn  besloten  of  open  van  Borssum  Waalkes  s.  42, 
vgl.  Merswin  30,  \fg.  345,7  schentlich  W.  vertünt  und  verzerent. 
11  cristenheit  gut,  dar  nmb  got  sein  bluot  hat  vergossen  wie  das  (w. 
d.  fehlt  b)  under.  13  müssent  brinnen,  wie  das  vertan  wirt  von  geyst- 
lichen  und  von  weltlichen.  Ylfgg.  u.  darzu  ist  in  ze  allem  inwendigen 
empfinden  als  wenig  als  es  si  n.  angange  (angenge  m;  angehör  W)  und 
gedenkent  wenig  darnach,  wann  si  gedenkent  mer  nach  grosser  k.  20 
kunst  gewinnen  und  der  vil  das.  23  denn  das  sy  dar  auff  gangen  das. 
28  wenn]  wo  MW.  29  verschüttet.  35  kernen.  346,5  in  W  steht 
cap.  13  nach  cap.  14.  8  das  sie  —  9  haben  fehlt  PS.  12  klaider 
haben  MPb.  Ufg.  aber  (fehlt  W)  aller  (als  MP;  fehlt  S;  alles  a) 
inwendig  (inwendiger  W)  zu  fugen ter  (gefügent  Pab;  gefugt  8)  ernst 
und  inwendig  (zu  gefügent  ernst  u.  inwendig  sind  in  M  durch  homöo- 
teleuton  ausgefallen;  innerlichen  S;  innichlich  W)  ledig  (fehlt  SW) 
got  ergeben.  18  fg.  sy  wirekent  das  maiste  tail  under  in  alle  usser  (so 
auch  mPa)  aigenschaft  8.  28  und  —  haben]  die  haben  des  usiv. 
347, 4  under  geworfen  8;  unterwerffen  W.  7  darab  W.  8  nain  nicht 
du  solt  noch  so.  18  minniglich]  inneclich(en)  MPW;  innerlichen  S. 
23  minnent  und  mainent  MP(S).  24  man.  27  verzogen]  vergessen. 
33  heiligen |  götlichen  MP8;  ersamen  götliohen  e.  und  heiligen  W; 
göttlichen  e.  h.  ernst  ab.  348,6  mainende  und  minnende  8.  7  ercl. 
und  erzeugen  MW.  17  schentlich  W.  19  gottesfurcht  und  mit  allen 
iren  weisen  als  ob  si  seien  on  bescheidenheit.  25  beschirmen  MW. 
32  Von  burgern  und  koflütten  S.  349, 6  fg.  concienci,  darüber  ge- 
wissne  8;  g.  und  consciencie  ab.  8  geriwwiges  M;  gereiwiges  P;  ge- 
rainen  S;  als  ruiges  W;  gerüwiges  ab.     14  geriw°wig  M;  geriwig  PS; 


ZUR    GOTTESFREUND -FRAGK  245 

rewiges  W;  gerüwiges  ab.  350,8  göttlich]  gütleich  W.  17  verklaint 
21 P;  verclaffet  den  andern  und  ire  werck  S.  351,1  und]  durch  MW. 
9  man.  12  fg.  und  den  (der  S)  wollen  gevallen.  15  den  creaturen 
MW;  sin]  gunst.  Hierauf,  aber  nicht  in  b,  und  si  rnügent  si  (sich  a) 
verr  mer  frewen  (erfröwen  S;  gefrewen  W)  und  betrüben  denn  got. 
16  dieplicher  (diepleichen);  duyvelsche  van  Borssum  Waalkes  s.  57,  vgl. 
Merswin  44,4.  17  und  baitet  fehlt  W.  IS  fgg.  vgl.  van  Borssum 
Waalkes  hl,  10  fgg. )  insbes.  14 fg.  en  ontfangen  alsoo  dat  lichaem  godes 
mit  Merstoin  44,22  die  gottes  lichomen  alle  ior  enpfohent.  19  vor 
fehlt.  28  schniez  21;  snitz  P;  sytte  S;  snit  W.  37  die  begierde]  daz 
dick  (offt  ab)  geschiht.  352,  3  den  wereken.  5  weise  als  hie  gerürt 
(berieret  8;  gesprochen  a;  gesaget  b)  ist.  7  neigung.  8  ist.  9  die 
sund  fallet.  10 fg.  wann  sie  sich  also  habent  auß  geben.  12  für  habent 
21  PS;  fur  halten  W.  15 fg.  u.  hebt  ihnen  ihre  s.  t.  vor  b]  und  hat 
(legt  S;  habt  W)  ir  (in  S)  sollich  (selchen  S;  semleicher  a)  sorg  (forcht 
und  sorgen  8)  als  (als  vil  Wo)  für  ir  (ir'  W)  süntliche  (süntlich  21; 
süntlichen  Wa)  torhait  (leben  21).  17  oft  und  vil  W.  18  Verlassenheit. 
23  nicht]  nimmer.  24  für  koment.  28  wisse  es  ist  dar  zu  kumen  dz 
man  dem  haiigen  fronlichnam  gottes  gar  ciain  er  erbüt  und  in  menig 
menschen  gar  soreklich  enpfachent.  wiss  der  dich  usw.  S,  vgl.  van 
Borssum  Waalkes  s.  60;  Merstoin  48,21  fgg.  Auf  30  folgt  van  Borssum 
Waalkes  s.  61,5 — 7,  vgl.  Merswin  48,31.  49,1  —  4.  353,2///.  wider 
all  (fehlt  21)  die  gesaezte  ordenung  21 W;  so  auch  %.  10  in  Überein- 
stimmung mit  8:  w.  die  geseezte  o.  15  und  vermailigt  fehlt  S.  19 
vorspils.  21  in  gar  kurzen  z.  24  liet  wort  met  nun  erger  en  erger 
ciin  Borssum  Waalkes  s.  63,5///.  und  anm.  5,  vgl.  Mersivin  53,7//?. 
26  wirt  ermorden  und  gar  gross  angst  und  not  (iamer  21P)  wirt  auf 
stan  under  in,  wann  (wie  S)  21  PSW;  van  Borssum  Waalkes  s.  63; 
vgl.  Merswin  53,  14///.  30  wurden  die  leut  n.  so  b.  als  si  nun  sind,  wenn 
die  lüt  sterbent  die  sich  nit  geübet  hant  au  (in  SW)  gütlicher  minne  wie 
süllen  die  lernen  minnen  (got  liep  haben  W)  so  der  t.  k.  21PSW; 
van  Borssum  Waalkes  s.  63;  vgl.  21ersivin  57, 8  fgg.  33  sein  üppig  traez- 
leben  W.  37  süllent  daz  sy  (daz  sy  fehlt  b)  unz  an  den  j.  t.  in  der 
hell  pein  sint  (sin  sollent  S)  daz  usw.  21PSWab,  vgl.  van  Borssiou 
Waalkes  s.  64,7  fgg.,  Mersivin  58,8/////.  Die  lesart  im  ndl.  text  so- 
wie bei  Merswin  ist  zweifellos  ursprünglich ,  während  in  der  übrigen 
Überlieferung  (auch  in  den  drucken)  daz  sy  —  in  der  hell  pein  sint 
eine  später  in  den  text  gekommene  Variante  zu  daz  si  nimmer  mer 
empfinden  ob  si  in  der  hell  oder  im  fegfeur  sind  xu  sein  scheint. 
Diepenbrock,   dem   doch   nur  die  drucke  vorlagen  (s.  V),   dürfte  dieser 


246  STRAUCH 

ansieht  gewesen  sein:  sein  text  bietet  das  richtige.  354,13  slahen  W. 
16  den  (die  M)  pfui  MmPS.  17  (und  S)  die  selbe  (fehlt  SWab) 
sünde  got.  27  feinde]  friunt.  355, 1  gelassen  sehen.  2  ie  einer  ob 
dem  andern  MW.  9  beidemal  must.  11  beweiset  MP.  12  velsechten 
MP;  velsoten  m;  velsaten  W;  velßohten  ab.  11  fg.  der  gesiget  hie 
(fehlt  Pab)  in  diser  zeit.  13  ob]  an  MPW.  19  hierauf  du  solt  nun 
sehen  das  du  gern  sihest  und  hörest.  26  Die  a.  sprach:  sich!  er  (sy  M) 
sah  das  die  sele  (seien  M)  her  ab  vielen  in  d.  tal  und  von  den  gieng 
ein  als  (als  ein  W)  lauter  clarer  M  W.  356,7  das  er  sein  kein  ent  m. 
gesehen  W.  25  lesen  MPW  auffallendericeise,  aber  doch  wol  sicher 
irrig,  nur  (newer  W)  für  nun.  26  genug  fehlt.  357,1/"«/.  et  omnes 
nomen  christianitatis  habuerunt  et  nmlto  plures  fuerunt  quam  estimare 
potuit  (.i,  vgl.  Mersiuin  68, 18  fg.  du  solt  och  wissen  das  es  e  me  denne 
minre  ist.  9  laue]  ableg  MP  s.  Lexer  1, 16,  Fischer,  Schwab,  wörterb. 
1,  38.  10  fgg.  und  genügt  sie  (sy  genüget  M)  domit  unez  (biez  M)  an  iren 
tot  in  semleicher  (so  getaner  M)  einveltikeit  und  dunkt  MW.  18 fg. 
(swer  leich'  W)  umb  si  denn  sie  selb  (selbs  W)  wenen.  sie  wenen  sie  mügen 
MW.  25  ausgebessert]  gebüst.  denn  —  26  seyn]  wsere  daz  aller  minst 
daz  in  der  zeit  ie  missetan  wart  MPWa.  31  den  strick  MW.  358, 10  fg. 
gar  vil  iunger  lewtseliger  plüender  m.(lewt  W)MW;  iuvenes  nimis  amabiles, 
sanguinolenti  iuvenes  usw.  f-i  l'Sfgg.  diser  iunger  lewtseliger  (und  1.  un- 
seliger W)  leut  was  als  vil  bl.  und  fr.  die  luffen  all  mit  einander  unter  d.  st. 
23  menschen  in  aller  der  christenhait  (weit  MP).  26  valschen  bösen 
weit  daz  der  f.  27  fg.  wie  (wie  sie  W)  dise  m.  in  den  stricken  sich 
selben  (s.  s.  fehlt  W)  entgan  'verloren  gehen'  (vmb  gen  W)  MPW. 
28  zeit  der  als  unmässig  vil  ist  in  diser  Avelt  MPWa;  übrigens  er- 
giebt  sich  aus  Merswin  71,  2 6  fgg.,  dass  bis  auf  (.i  sowol  die  hss.  wie 
die  drucke  hier  eine  verderbte  Überlieferung  zeigen  (vgl.  auch  ran  Bors- 
suni  Waalkes  s.  74J.  Merswins  text  setxt  eine  gleiche  vorläge  wie  /.t 
voraus:  (bl.  63a^  et  dyaboli  faciunt  omnia  quae  possunt  ut  saltem  ho- 
minem  sub  laqueis  huius  mundi  retineant  et  sub  isto  gravissimo  rethe 
ipsum  includant.  modo  vide  quis  potest  evadere  istis  temporibus  istos 
laqueos,  quorum  multitudo  in  isto  mundo  inestimabilis  est?  Und  auf 
diese  frage  folgt  dann  358,29  als  antwort,  im  tat.  text  u:  Homo:  bene 
video,  quod  nullus  potest  evadere  nisi  quis  se  ab  ipsis  totaliter  avertitur 
cum  audaci  et  constanti  animo  et  humilitate  debita.  33.  35  ferrer, 
und  so  auch  im  folgenden.  35  es  wirt  umb  sie  sten.  37  kommen, 
wann  ye  lenger  und  verrer  sy  lauffent,  je  mer  und  je  mer  sy  in  dye 
falschen  strick  diser  (der  W)  bösen  weit  vallent,  mit  der  sy  swerlich 
(swarlich  P;  fräuelich  ab)  gevangen  werdent,  daz  sy  nit  auß  dem  garn 


ZUR    GOTTESFREUND- FRAGE  247 

kommen  mügent  und  sy  thünt  als  dye  vicb.  359,  2  d.  m.  s.  a.  do  was 
er  auf  dem  e.  vels  und  sah  wie  ein  jungew  t.  von  14  (24  M)  jaren 
fürt  MW.  4  erbern  (erbergen  W)  g.  m.  (m.  g.  M)  MW.  bei  ihm]  an 
dem.  5  und  eine  ehrbare  frau  fehlt  MmPWab,  jedoch  heisst  es  in  [i 
et  una  secularis  mulier,  auch  bei  van  Borssum  Waalkes  s  75  met  syn 
huysvrouwe,  und  dies  ist,  wie  aus  dem  weiteren  erhellt,  das  richtige. 
Mersivin  72,22  fgg.  setzt  denselben  aus  fall  wie  in  MmPWab  voraus, 
sucht  aber  dadurch  einklang  herzustellen,  dass  er  die  eine  der  beiden 
begleitenden  frauen  zur  mutier  des  14jährigen  mädchens  macht.  In 
8  lautet  72,27  gieng  ain  erbere  frowe  (dann  am  rande  nachgetragen, 
wol  von  gleicher  hand  vnd  ain  erber)  man.  6  frawennamen  W.  12  fg. 
der  f.  weit  und  falschen  freude.  20  gestund.  Nach  26  folgt  in  u: 
bl.  63 b  hec  est  causa,  quod  illa  iuveneula  —  traxit  cum  fune  subtus 
rethe  —  etiam  istas  duas  iuveneulas,  quae  eius  exemplo  in  eandem 
superbiam  corruerunt  et  eam  secute  sunt  subtus  rethe,  quia  delecta- 
bantnr  in  istis  vanitatibus  huius  falsi  seculi  sequentes  verba  et  con- 
silium  huius  iuvencule.  et  confessor  ille  primo  consensit  et  admisit 
fieri  et  ideo  prius  sequens  eam  ligatus  et  adtractus  corruit  et  secum 
traxit  parentes  eius  cum  istis  duabus  mulieribus  et  sie  simul  perierunt, 
vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  77,2  —  5;  Merswin  73,33  —  74,29.  29  et 
prospexit  ultra  se  et  flevit  amare  et  misere  [.i.  32  mich  nit  dunkt, 
vgl.  Mersivin  75,12  mir  mit  unist.  33  du  helfest  (helfft  Tfr)  mir  denn, 
ich  MW;  soo  ghy  my  niet  en  helpt  soo  moet  ick  vergaen  van  Borssum 
W<ialkes  s.  77;  si  non  iuvabis  me  ultra  peribo,  non  enim  sufferre  pos- 
sum  u.  34  vidi  enim  horribilem  et  terribilem  ymaginem,  quod  est  ita 
terribilis  et  inestimabilis  et  magna  sicut  magnus  mons  et  altus  u,  vgl. 
van  Borssum  Wacdkes  s.  77  fg.,  Mersivin  75, 24 fg.  35  große]  grewlich. 
360,4  enthielt  dich  (sich  MPa;  es  W)  denn  (dann  ab)  MmPWab; 
te  conservaret  (i,  vgl.  Mersivin  76,9  die  craft  gottes  bette  es  denne 
ufenthalthen.  5  Homo:  inexeogitabile  est  mihi,  qualiter  posset  esse 
horribilior  et  terribilior  u,  vgl.  Mersivin  76, 11  fg.  Nach  8  et  tarnen 
nimis  pauci  sunt  istis  temporibus  f.i,  vgl.  Mersivin  76, 20  fgg.  10  fg. 
lebent  die  die  cristenh.  auf  habent  W.  Nach  11  o  utinam  eos  videre 
deberem,  ubi  habitarent  in  quibus  tota  ecclesia  consistit  u,  vgl.  van 
Borssum  Waalkes  s.  78;  Mersivin  76,25  fgg.  15  nidresten  M;  nidrosten 
P.  18  groß  Zuversicht  W.  38  auf]  auß  W.  361,5  nit  zu  (gen  M) 
himelreich.  7  unsprechleich  W.  8  genomen.  362, 10  angesigen  MW 
und  velt  (vallent  MP)  in  sie  MPW.  Nach  12  (vels)  da  man  mer  lebt 
nach  der  natur  Zartheit  denn  auf  dem  andern  vels  W  (in  den  andern 
deutschen  hss.  durch  hoiuöoteleuton  ausgefallen);  ubi  magis  vivitur  na- 


248  STRAUCH 

ture  et  delectationibus  quam  in  rupe  secundo  u,  vgl.  van  Borssum 
Waalkes  s.  84  anm.  4,  Merswin  81,26///.  25  wellent  und  meinent. 
26  geh.  sein  an  gocz  stat.  30  behefte  MW.  33  Respondit:  hec  ist 
quando  incipiunt  et  proponunt  aliquod  bonum  facere  et  rnagnis  labori- 
bus  disponunt  se  ad  altiora  convertere,  tunc  ingerit  eis,  quid  velint 
facere  ipsi  sint  debiles  et  delicate  nature,  quod  tale  opus  non  valeant 
perficere,  et  sie  tepeseunt  et  incipiunt  dormire(!),  non  cognoscentes 
fallacem  astutiam  dyaboli  qua  suggerit  talia:  deberent  enim  habere  con- 
fidentiam  ad  deum  ita  quia  derelinquerunt  mundum  et  possent  eo  bene 
uti  licite  multis  annis  cum  delectatione  et  illud  totum  dimisissent  propter 
deum  u.  28  denn  sere  sl äffen  (schlaffen  MP).  363, 1  begangen]  er- 
geezt  W;  ergeezen  M.  15  jene]  die  ersten.  22  qui  per  gradus  sistunt 
in  hoc  alto  monte  u,  vgl.  Merswin  85,2  die  an  diesen  hohen  berg  uf 
liggent  (die  d.  h.  b.  u.  stigent  S).  2Gfg.  (quod  si  aliquis  homo  — ) 
stabil!  animo  et  audaci  abrenuntiaret  sue  proprie  voluntati  omnimode 
et  omnibus  creaturis  u  (ist  vielleicht  die  ursprüngliche  lesart).  27  fg. 
und  dich  allein  \i,  im  ndl.  und  bei  Merswin,  dagegen  irrig  in  MmPWab 
und  alle  die  die  dich  ze  einem  herzlieb  nemen  wölten;  woher  hat 
Diepenbrock  die  richtige  lesart?  wol  durch  conjeetur.  364,13  gar  dick 
und  vil  M.  27  die  h'  (fehlt  W)  under  (unten  W)  sind;  das  ist  die 
sach  (d.  i.  d.  s.]  dar  umb  MP)  wann  si  an  sich  genomen  haut  vil 
strenger  (ain  st.  M;  ain  streng  P)  leben  und  Übung  durch  got  denn 
alle  die  h'  (hie  W)  under  (unten  W)  sind  MPW  (der  satx  ist  in  m, 
den  ndl.  hss.  und  den  drucken  durch  homöoteleuton  ausgefallen), 
vgl.  Merswin  86, 31  fgg.  36 fg.  darynn  vinden  sie  sich  mynnent  und 
maynent  und  dise  weis  und  all  ir  streng  Übung  W;  et  se  ipsos  sunt 
aliquo  modo  amantes  et  istum  modum  et  conversationem  et  laboriosum 
suum  exercitium  habent  ex  propria  sua  voluntate  absque  dimissione  et 
commissione  sui  ipsius  et  hec  possident  in  bene  placito  sue  proprie 
voluntatis  n,  vgl.  Merswin  87, 20 fg.  365,2  und  irret  fehlt  MW.  16/#. 
wie  ein  teil  menschen  komen  (kom  MW)  fliessent  (fliessen  Wa;  fliehen 
h),  und  so  zeigen  auch  die  folgenden  seilen  ev.  das  verbwtn  im  plural, 
übrigens  ist  die  lesart  unursprünglich:  Merswins  richtige  lesung  88, 14/#. 
do  siht  er  das  ein  mensche  usserme  garne  kümet  schlieffende  stimmt 
zu  (x:  et  ecce  quidam  homo  inclusus  subtus  rethe  venit  reptando  de- 
subtus  extra  rethe,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  91  daer  was  een  mensch 
die  seer  snel  quam  gevliegen  (var.  slupen).  89,2  freilich,  tvo  Merswin 
denselben  gedanken  widerholt,  heisst  es  auch  bei  ihm  untrinnen  usser 
demme  garne.  20 fg.  vels  eins  vallens  gevallen  sein  unter  das  garn  W. 
24   sie  sich   den   veint   überwinden   und    (fehlt  M)   ir  natur  MW.     32 


ZUR    GOTTESFREUNT)  -  FRAGE  249 

ausgeschrieben  ab]  aus  geschriren  MW;  auß  geschrien  m;  auss  ge- 
schrwe  P;  cum  lacrimis  effundisset  (i;  van  Borssum  Waalkes  s.  92  had 
hy  syn  h.  bl.  können  uytstorten,  vgl.  Merswin  89, 10/#.  rnehthe  imme 
sin  herceblüt  zu  den  ögen  us  sin  gangen  (auß  seinen  äugen  haben 
gössen  mm).  34  der  m.  als  (ge)schwinde  ein  st.  g.  366,12/}/.  die 
noctuque  in  virtutibus  cum  devotione  se  ipso  exercent  in  quam  pos- 
sunt  et  fragilitas  humana  admittit  u.  20  kommen  zu  irem  Ursprung. 
27  ja  wöltent  si  sich  lassen  MPW.  31  für  würffet.  32  in  sie.  33 
iren  aigen  w.  35  bekennt  [es].  367, 1  zöge  sie  zehandt.  7  kunnen 
und  mugen  W.  8  und  das  ist.  9  gelassenheit  MW.  11  gar  einen 
andern  weg  MPW.  20 fg.  si  ita  in  morte  inveniuntur  fi.  22  denn  der 
untern  MW.  22 fg.  denn  die  undern  auf  den  (dem  Ma)  andern  (lin- 
dern a)  velsen(!).  24  bevinden  W.  25  h.  verporgen  sunderlichen  (sun- 
derlicher  M)  gn.  icht  (fehlt  M)  MW.  29  erzeigt  s.  sunderlichen  heim- 
lichen fr.  MPW;  s.  geistl.  s.  heimlichen  fr.  ah.  30/#.  si  auderem 
supplicare  tibi,  tunc  libentissime  peterem  te,  licet  miserabilis  et  inutilis 
creatura  tua  sim  et  indignus  (i,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  96,  Mer- 
swin 93,  9.  33  fgg.  sed  oportet  multo  altius  ascendere  de  uno  rupe 
ad  alium,  donec  pervenias  ad  illos  veros  secretos  amicos  dei  contern- 
plandos  u.  Nach  36:  der  mensch  erschrack  von  hertzen.  herczliep 
(liep  PW)  ich  bitt  dich  anders  nit  denn  daz  ich  gesechen  müg  dein 
häimlich  frainde,  so  (und  MP)  sprichst  du  (doch  il/P),  du  wollest  mich 
lassen  sechen  in  den  Ursprung  MPW(f.i),  vgl.  van  Borssum  Waalkes 
s.  96,  ivo  sich  jedoch  nur  der  erste  satz  de  m.  verschrickte  van  gront 
synes  herten  findet,  Merswin  93,  IQ  fgg.  Bi  m  und  den  drucken  ab 
erklärt  sich  der  aus  fall  durch  homöoteleuton.  368,  10  fg.  so  viel  das 
maistail  W(b).  14  hohen]  fünften  MW.  16  steigen  W.  17  dem  w.  es 
säur  (ze  s.  M)  und  swer  ze  tünde  MW.  18  und  darauf  bleibt  stand 
(stent  W)  MW(f).  Nach  25  et  idem  rupis  fuit  multo  altior,  maior  et 
pulcrior  quam  alii  inferiores  (.t ,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  98,  Mer- 
s/rin  95,  10 fgg.  (der  ausfall  in  den  andern  hss.  und  in  den  drucken 
erklärt  sich  durch  homöoteleuton) .  30  wider  gegeben  Wab.  370, 11  fg. 
das  als  wenig  menschen  (in.  nur  W)  auf  dysem  velsen  beliben  das  u. 
h.  k.  eines  blibe.  16  sach  über  sich.  26  waz  m.  sind  d.  m.  Wab. 
33  steigen  W.  371,  20  abgelegt  W.  372,  4:  fg.  wie  sie  ir  natur  ge- 
drücken  als  verr  sie  mügen  und  sie  ir  beschaidenhait  weist  W;  qualiter 
naturam  suam  possunt  sibi  subiugare  et  penitus  deprimere  in  quantum 
possunt  et  eorum  discretio  admittit  /.i,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  105 
unm.  1,  Mersivin  101,34/^.  5  got  gern  g.  W;  libenter  deo  satisface- 
rent  f.i.      15 fgg.   Homo:    quare   est  hoc?     Respondit:   horum   hominum 

ZEITSCHRIFT   F.    DEUTSCHE   PHILOLOGIE.      BD.  XXXIV.  17 


250  STRAUCH 

nimis  pauci  sunt  istis  teinporibus,  quorum  habitatio  sit  supra  prope 
originem  sicud  personaliter  videbis,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  105, 
Mersivin  102, 18  fgg.  31  und  bekennent  es  nit  noch  nement  es  (sein  W) 
nicht  war  als  sy  schuldig  wären  noch  künnent  es  wol  mercken.  33 
auch  (fehlt  ab)  nicht  (nicht  fehlt  m).  35  empfingen  W.  36  durch  dicz 
ding  alle.  373,16  hatte.  Hierauf  einzig  und  allein  in  \i:  et  ille  rupis 
pulcrior  fuit  et  latior  und  splendidior  quam  omnes  alii  subtus  positi. 
19 fg.  m.  und  seind  menschen  die  dise  leute  alle.  27  wellen  verziehen 
M;  sich  von  got  genczlich  wollen  ge trösten  W;  in  f.i  lautet  der  ganze 
passus:  vidis  enim  bene,  quod  paucissirai  sunt  qui  velint  renunciare 
istis  temporalibus  et  naturalibus  propter  deum  pure  et  largiter  et  ex 
toto  et  propter  veritatem  velint  derelinquere  mundum  et  ea  quae  in 
ipso  sunt  in  laudem  et  honorem  dei.  374,  2  sive  oportet  eum  ea  habere 
tamquam  non  habeat  id  est  quod  habeat  absque  sua  proprietate  eo 
modo  quod  ipsa  sint  sibi  magis  causa  tristitie  et  desolationis  quam  quod 
ipsum  impediant  ad  deum  perveniendo  f.i.  2 fg.  unachtsam]  sonder 
aennemen  van  Borssum  Waalkes  s.  108  anm.  7,  vgl.  Mersivin  105,32. 
4  wol  behaben  W.  5  fg.  si  ea  non  diligunt  sed  solum  deum  neque  etiam 
se  ipsos  sed  voluntatem  dei  f.i.  7  ane  eigenschaft  MmPW;  absque  pro- 
prietate f.i,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  5.109  anm.  1,  Mersivin  106,3 
und  hant  si  keine  eiginschaft  dran  {irrig  ab  ein  (ain)  eigenschaft).  7  fg. 
alles  (als  M;  al(s)o  P)  gar]  et  residuum  amicis  dei  et  pauperibus  an- 
nuatim  ministrare  et  impertire  in  dei  nomine,  cuius  tarnen  est  fi,  vgl. 
Mersivin  106,  4/#.  alle  ior  (fehlt  mm);  übrigens  dürfte  die  lesari  in  /< 
und  bei  Mersivin  unursprünglich  sein.  9  ich  getraw  W.  11  nein  nicht 
mer!  si  sein.  13  enpfangen  von  gott.  14/#.  et  deus  permisit  eos  videre 
magna  et  inestimabilia  mira,  sed  tarnen  semper  in  ymaginibus  et  formis 
excepto  uno  solo  quod  est  super  omnem  ymaginem  et  omnem  formam 
u,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  109,  Mersivin  106, 19  fgg.  20  mit  w. 
auß  sprechen  W.  34fg.  quod  personaliter  nesciunt  neque  intelligunt: 
ita  secrete  latet  in  ipsis  et  ita  funditus  mortuum  in  ipsis  non  est  fi. 
375,3  und  getarr  (tarr  Wab)  in  nicht  (fehlt  MP)  getrawen  {Mersivin 
107,33  und  got  gedar  diesen  menschen  nüt  getrüwen):  hier  liegt  wol 
ein  Verderbnis  vor  und  es  ist  zu  lesen  und  getar  im  nicht  getrawen, 
vgl.  et  non  audet  eis  abstrahiere  illam  habundantiam  spiritualem  neque 
abscondere  \i;  s.  auch  van  Borssum  Waalkes  s.  110  und  anm.  9.  4 
enziech  und  verberg  (überge  M).  5 fg.  quia  ipse  bene  cognoscit  ipsos 
funditus  in  absconditis  et  oecultis  ipsorum  et  quiequid  latet  secretius 
in  natura  eorum,  tarnen  sibi  ipsis  incognitum  est  \i.  9  wie  müssen  — 
10  entrinnen  b,  vgl.  auch  van  Borssum  Waalkes  s.  111  mit  der  anm,  3] 


ZUR    GOTTESFKFUND  -  FRACE  251 

fehlt  MPWa;  und  die  folgende  rede  der  'antwort'  ist  dem  'menschen' 
in  den  mund  gelegt,  vgl.  Mersivin  108,  6/##.;  ähnlich  mich  \i:  Homo: 
karissime,  sicud  audio,  quicunque  debet  pervenire  ad  suuni  originem 
oportet  eos  penitus  esse  inortuos  et  totaliter  dimissos  et  naturam  suam 
funditus  mortificare  et  viam  nature  fundamentaliter  cognoscere  cum 
illuminata  diseretione  antequam  possint  apropinquare  suo  origini.  Homo: 
compatior  istis  hominibus  quod  etiam  debent  intrare  purgatorium.  Mer- 
sivin setzt  den  in  Verwirrung  geratenen  dialog  voraus  und  schiebt 
108,11  — 14  eine  neue  rede  der  entwrte  ein.  13  ee  das  sie  ymraer  W. 
27  und  sam  er  stund  an  dem  obersten  b.  W.  30  ber  ab  und  also 
wägeten  sy  sieb  gar  dicke  und  vielen  als  oft  wider  ab.  Nach  33  et  quo- 
tienseunque  temptabant,  totiens  contingit  eis  quod  velut  mortui  fuerunt  \i. 
34  wagen;  temptare  \i.  36  steigen  W.  376,  lfgg-  hinc  est  quod  pauci  sunt 
qui  velint  temptare  et  se  periculo  mortis  dare  funditus  in  istis  tempori- 
bus  et  ideo  pauci  perveniunt  super  istum  nonum  rupem  et  cum  ibi 
perveniunt  et  perspiciunt  ipsum  et  homines  in  eo  babitantes  et  eorum 
vitam,  statim  timore  percussi  revertuntur  et  velociter  cadunt  f.i,  vgl. 
Mersivin  110,  3  fgg.  5.  6  sind  in  JIJ'Wu  ausgefallen;  Mersivin  setzt 
gleichfalls  die  Micke  voraus,  ersetzt  sie  aber  durch  110,10  — 17.  18  ad 
originem  et  ad  primum  prineipium  omnium  creaturarum  fx.  23  qua- 
liter  posset  esse,  quod  debiles  et  infirmi  non  apparerent?  scias,  ante- 
quam isti  homines  usiv.  fi;  darnach  wird  Mersivin  111,17 fgg.  ivol 
besser  so  xu  interpungieren  sein:  solthent  d.  m.  n.  kr.  sin  worden? 
ebbe  (pis  mm;  ee  8)  si  —  ueberstiggen  bant,  du  solt  wissen  usiv. 
29  ille  propter  cuius  caritatem  ita  consumpsernnt  sanguinem  suum  et 
medullam:  ille  reddet  eis  pro  illo  natural!  et  luxurioso  sanguine  et  me- 
dulla  alium  purum  et  nmndum  sanguinem  et  medullam  (i.  32  verdorret 
und  erstorben.  38  deus  infudit  in  eos  divitias  inestimabiles  gratie  sue  fi. 
377,4  si  ipsi  non  essent  in  vita  u.  5  quod  faceret  magnum  tractum 
cum  illo  rethe  et  sie  attraberet  sibi  penitus  Universum  mundum  u, 
vgl.  van  Borssnm  Waalkes  s.  115  anni.  1,  Merswin  112,31.  20  für 
blickent.  23  schenket]  sendet.  24  d.  b.  Ch.  einveltiklich(en);  quam 
sequi  ymaginem  Ihesu  Christi  et  carere  in  simplicitate  vere  fidei  \i. 
27  quod  nihil  desiderant  nee  cupiunt  scire  vel  cognoscere  \i.  36  in 
allen  dingen.  378,4  extra  modum  humiles  (.t.  5  schäczent  MP.  7  et 
quaeeunque  deus  diligit,  hec  diligunt  et  ipsi  u,  vgl.  van  Borssum 
Waalkes  s.  117  anm.  4,  Mersivin  115,1:  St  liest  got  minnent.  8  tod 
und  ist  auch  sy  in  ze  grund  tod  MP;  et  ipse  inundus  est  ipsis  totaliter 
mortuus  /.i,  vgl.  Merswin  115,2 fg.  10  besessen  heten.  10///.  et  hü 
sunt   quos   diligit  deus   et  ipsi  diligunt  eum   in   omnibus    actibus  suis 

17* 


252  STRAUCH 

(11  und  lassen  fehlt  MW)  u.  Hfgg>  non  enim  diligunt  se  ipsos  nee 
etiam  volunt  aliquid  in  isto  tempore  neque  in  futuro  /n.  16  et  tarnen 
adhuc  non  inspexerunt  in  originem  nee  etiam  desiderant,  quia  con- 
fitentur  se  esse  indignos  u,  ein  ansatz  zu  dieser  lesart,  wenn  mich 
lückenhaft,  in  MP:  aber  si  hant  noch  nit  wan  si  dunckent  sicli  unw., 
vgl.  auch  van  Borssum  Waalkes  s.  117  fg.,  Mersicin  115, IS  fgg.  20  quodsi 
deus  vellet  eis  mittere  omnes  temptationes  quas  um  quam  sustinuerunt 
cum  omnibus  passionibus  et  tribulationibus  quam  umquam  passi  sunt: 
hec  omnia  Tellent  cum  gaudio  resumere  i-i.  35  disem  MP.  36  wäger 
fehlt  W.  S8fgg.  non  enim  est  mirandum  quod  multa  hie  scripta  sunt 
in  ymaginibus,  alias  enim  non  possent  sciri  Tel  cognosci  quid  essen t 
nee  etiam  possent  alias  intelligi  u.  379,8  der  e.  g.  war  MPWa.  17 
nicht]  nu  TT,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  120  und  anm.  6.  22  menig 
MP,  woraus  sich  wenig  in  a  erklärt.  30  mit  iren  weisen  (irer  weis  W) 
und  n.  i.  w.  MW;  suo  more  et  sine  labore  et  seeundum  suam  Tolun- 
tatem  u.  der  werk  MW.  380,8  gratiam  illuminatam  it.  12  quia  zi- 
zania  ineipit  crescere  istis  temporibus  super  triticum,  quia  Titia  Tirtuti- 
bus  praeesse  istis  temporibus  videntur  (i  (vielleicht  in  der  sonstiger/ 
Überlieferung  aar  durch  homöoteleuton  (temporibus)  ausgefallen).  14 
im  zu  und  an  M.  16  u.  Tersuchte  fehlt  W.  19  wert  und  lieb  W. 
25 fg.  quäle  excellentissimum  gaudium  est  nobis  de  te,  cum  te  sine 
medio  (mittel  mm)  videmus  f.i.  Nach  381, 3  et  tunc  ulciscetur  se  per 
Tindictam  nimis  Tehementer  //.  7  numerus  electus  non  est  completus 
sed  scias  \i,  vgl.  Mersicin  120,23.  13  ertötet  und  verderret  h.  durch 
dich.  13.  15  eh]  antequam  /ti,  vgl.  Mersivin  121,11.  13  obe.  15  aliqui 
eorum  introspiciunt,  antequam  in  istum  rupem  pervenerunt  f.i.  lSfgg. 
deus  enim  facit  aliquos  eorum  expeetare  tres  annos  Tel  duos,  aliquos 
quinque  annos,  aliquos  decem  annos.  permittit  etiam  aliquos  ibi  iacere 
omnes  dies  Tite  sue  et  ita  in  expeetatione  areseunt  usque  in  mortem 
et  tunc  permittit  eos  primo  intus  Tidere  quando  iacent  in  fine  vite. 
aliquibus  etiam  tegitur  et  ita  areseunt  usque  ad  separationein  anime  et 
corporis  \i.  27  gelaßner  gehorsamer  (geh.  gel.  M)  m.  MW.  382,8  ori- 
ginem et  prineipium  omniuni  creaturarum  u,  vgl.  zu  376,18.  11  im- 
gefüget  MPS;  vngefüg  W.  11  fgg.  quapropter  peto  te  propter  temet 
ipsum  et  omne  quod  possum,  quatenus  tu  Telis  nie  subportare,  si  um- 
quam potest  esse,  quia  huius  magni  et  mirabilis  honoris  totus  indignus 
sum  {.i,  vgl.  Merswin  123, 16 fgg.  15  ungemäss  MPS.  26  sed  graTiter 
lues  in  posteris  ante  tempus  mortis  tue  cum  maximis  penis  et  tribula- 
tionibus f.i.  27  fg.  deinen  armen  knecht  W.  36  nichts  wusste]  ingewisset 
M;   eingewiset  P.     wider  zu   im   selber  kam  S.     383,2   an.     4   über- 


ZUR    GOTTESFRErXD  -  FRAGE  253 

flüssig.  7  sie  non  potuit  nee  seivit  cum  omni  sua  humana  intelligentia 
minimum  illius  visionis  nee  scribere  nee  etiarn  verbis  explicare  de 
omnibus  quae  vidit  tu,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  128  anm.  1,  Mer- 
sivin 125,  2  fg.  9  bekennen.  10  zu  bringen.  11  dar  nach  b.  (ge- 
denken). 12  fg.  tunc  transcendebat  omnem  intellectum  et  omnes  sensus 
fi.  19  zu  worten  möcht  pringen  TT';  verbis  explicari  u.  22  ge(se)hen 
und  gehört  W(fi).  wan  das  ich  zu  mal  fol  frölicher  fröden  bin  S;  nisi 
hoc  solum  quod  repletus  sum  et  plenus  incomparabili  gaudio  [i.  23  fg. 
müg  enthalten  (gehalten  W)  und  übergan,  das  sie  nicht  ungest.  ausbr. 
MPWa.  Nach  24  Die  antw.  sprach:  daz  mag  wol  geschechen.  Der 
m.  sprach:  ach  bekannten  alle  menschen  die  wunne  und  diß  fröde  die 
in  dir  ist  und  werent  alle  ding  licht  durch  dich  zu  lassend  S;  Respon- 
dit:  istud  bene  convenit  tibi  ut  facias.  Homo:  utinam  cognoscerent 
omnes  homines  quäle  gaudium  et  qualis  ioeunditas  est  in  te!  facilius 
esset  eis  omnia  derelinquere  propter  te  fi,  vgl.  van  Borssum  Waalkes 
s.  129,  Mersivin  125,  34/%.  2ofgg.  verum  est.  minimum  gaudium 
quod  in  deo  est  non  habet  simile.  omne  enim  gaudium  totius  mundi, 
si  una  hora  unitum  esset  et  compactum  in  unum  gaudium,  tarn  quam 
nichil  esset  in  comparatione  illius  minimi  quod  in  deo  est  (i,  vgl. 
Mersivin  126,7 — 14.  26  je]  joch  MPa;  doch  S;  auch  W.  32  reden] 
gedencken  MPSW(u);  spreken  noch  schiyven  noch  gedencken  van 
Borssum  Waalkes  s.  129.  34/>/.  zu  (mit  S)  worten  mugest  versten  noch 
begr.  macht  SW.  384,4  doctor  (i.  5  fg.  tunc  vidit  quod  ista  alta  scola 
fuit  plena  litteris  et  illuminata  vero  lumine  et  diversis  discretationibus  u; 
eine  ähnliehe  lesart  muss  Mcrsivins  höchst  unklare  ausdrucksweise  be- 
ciuflusst  haben,  denn  er  sagt  127, 19fgg.  do  sach  si  das  die  schule  vol 
briefelin  lach  die  alle  föl  gewores  liethes  underscheides  annestünt(?). 
6  die]  und  MPWa.  8  ingriffig  MW.  9  circumdedit  se  et  volvit  se 
inter  istas  litteras  fi,  vgl.  Mersivin  127, 23  fg.  10  fg.  scias,  quando 
anima  tua  ita  venit  usw.  f.i.  11  dignissimus  magister  scole  u.  lSfgg. 
statim  cum  introspexi  intra  originem,  tunc  inveni  in  anima  mea  nimiam 
caritatem  et  indicibilem  et  quodammodo  novum  gaudium  et  sensi  tan- 
tam  caritatem  in  anima  mea  u,  vgl.  M^erswin  128, 2  fgg.  15  die  alle 
die.  18  licet  esset  contra  omnem  naturam  /.i.  28  —  30  fehlen  bei 
Mersivin,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  132  anm.  4.  36  bekannten. 
385,7/^/.  ego  iniror  quod  ita  magnum  et  indieibile  gaudium  et  inestima- 
ilem  caritatem  (mynn  TT')  et  mir  um  invenio  in  me  (i,  vgl.  Mersivin 
129,11  fg.  23  fehlt  MPWf.1,  auch  bei  Mersivin,  der  dafür  130,9  —  12 
bietet.  24 fg.  über  (super  f.t)  das  garn]  nu  siet  eens  neerwarts  onder 
alle  de  steenbergen  en  onder  dat  net,  dat  over  de  gantsche  werelt  ge- 


254  STRAUCH 

togen  ist  van  Borssum  Waalkes  s.  134,  vgl.  Merswin  130, 14.  26  d.  m. 
s.  under  das  garn,  wie.  37  user  d.  w.  S.  38  von  im  selben  W;  ex  se  ipo 
[x.  386,2  quam  omnes  maligni  spiritus,  qui  esse  possunt  f-i,  vgl.  van 
Borssum  Waalkes  s.  135,  Merswin  131,  24fg.  4fg.  in  de  gantsche 
Christenheit  en  syn  geen  schadelicker  menschen  als  dese  van  Borssum 
Waalkes  s.  135;  vgl.  Merswin  131,  32  fgg.  Für  6  fg.  bietet  Merswin 
den  passus  131,34  — 132,9.  10  fg.  leuchtend  getSW(u),  vgl.  Merswin 
132,19.  12 fgg.  iste  homo  etiam  interfuit  huic  societati,  quae  hie  com- 
moratnr  et  introspexit  in  originem  /.i ,  vgl.  Merswin  132,20  fgg.  14  er- 
bermde  seines  nächsten.  30  so  (noch  MPa)  1.  sy  doch  (fehlt  Pa)  got 
kein  (klein  a)  w.  dar  inne,  sy  (en)fiirchtent;  non  —  dudum  fj.,  vgl.  van 
Borssum  Waalkes  s.  137.  35.  36  MmPab  lesen  beidemal  unsinnig 
leben  statt  leiden;  36  liden  nach  ausgestrichenem  leben  S.  387, 2/#. 
et  sunt  illuminati  splendore  divinitatis  ita  magnifice  \i,  vgl.  Merswin 
134,  ll/#.  3  von]  an  S.  7  groß]  ein  MPWa.  12  fgg.  quo  vellet  deus 
alias  cum  suis  (den  seinen  W)?  deberet  deus  id  quod  suum  est  di- 
mittere  inimicis?  [das  gez.  ihm  nicht]  u,  vgl.  Merswin  134,  26fgg.  21 
keinen  MPSW(u).  24  pro  stulto,  tarn  seculares  quam  spirituales  u, 
vgl.  Merswin  137, 4/#.  25  cristenheit  mit  einander  W,  vgl.  Merswin 
137, 11.  32  hohes  sewoht  (sewochtig  31;  seig  m;  seeuote  S;  schweigocht 
a)  gebirg  MPSa,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  139  anm.  8.  38  fgg. 
unz  (biß)  do  (das  MmPab)  das  vallent  wasser  entsprang  und  w.  s.  her 
ab  v.  und  als  dicke  diz  vische  obnen  an  ditz  gebirg  komen,  so  (do 
MP)  vielen  si  her  wider  ab  und  viel  ir  ain  tail  ze  tod  MPW;  ubi  ista 
aqua  torrens  cum  impetu  descendebat  cum  eis.  et  quotiens  ascendentes 
pervenerunt  ad  cacumen,  totiens  retrorsum  cadebant  et  quidam  eorum 
ita  cadendo  mortui  sunt  (.i,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  140  anm.  5, 
Merswin  14:0,27  fgg.  388,7  Signum  et  figura  unius  mysterii  //.  9  gern 
mit  deiner  hilfe  MPW,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  140.  10  inneclich 
MPW.  11  MU MPW.  14  der  edeln  (eilenden (!)  MmPa,  fehlt  b)  gottes 
vorcht(!)  MmPSWab]  nobiles  et  fideles  amicos  dei  pro  nichilo  reputant 
\i,  vgl.  van  Borssum  Waalkes  s.  140,  Merswin  141,  IS  fgg.  15  fg.  werden 
enpfinden  (bevinden  W)  MW.  20  vermag — je  fehlt  W.  34  lutern  w. 
SW(/.i).  389,3  und  Messest  in  din  gnad  und  (u.  in  MP)  diu  haini- 
likait  (deiner  gnaden  u.  deiner  h.  W)  befinden  (empfinden  MPW) 
MPSW;  et  faceres  eum  invenire  gratiam  tuam  et  de  absconditis  et 
secretis  tuis  eum  consolares  f.i,  vgl.  Merswin  144, 3.  4  fg.  got  ist  alß 
berait  alß  er  ie  wart  und  alß  milt  groß  gnad  und  groß  (fehlt  8)  gut 
ze  geben,  fund  er  MPSW(u).  7  enpfintlich  gab  W.  17  vertregt  MPW. 
20  unterstund  W.     BQfg.  so  ist  din  pet  u.  a.  m.  pet  (gepet  S)  uß  und 


ZUR    GOTTESFREUND  -  FRAGE  255 

muß  denn  (denn  so  muß  S)  die  b.  SWfo),  vgl,  van  Borssum  Waalkes 
s.  1-45.  Merswin  145, 12  fg.  390,7  eine  fehlt  W.  Sfgg.  ego  dico  tibi 
quod  habent  ita  magnum  gaudium  quod  indicibile  est  et  incomprehen- 
sibile.  tarnen  non  est  simile  neque  equipollet  illo  pleno  gaudio,  quod 
essentialiter  et  eternaliter  est  in  eternitate  (i}  9  unsprechlich  u.  (u.  ouchÄ) 
unbegreiflich  SW.  volle  fr.  PSW.  ewigen]  wesenlichen  MPSW;  weltlich 
a:  tydelicke  van  Borssum  Wadüces  s.  145.  10  als  ungelich  (unsäglich  a) 
als  zit  und  ewikeit  MPSWa.  12  und  das  sol  ouch  diu  lötzi  sin  S; 
und  das  es  auch  dein  lecze  sei  MmPWa.  20  lebet  noch  und  fehlt  fi 
und  Merswin  146,32;  u.  d.  m.  lebet  noch  (in  nach  mit  anderer  tinte 
geändert)  MCCCln),  wan  er  sol  sy  h.  biß  in  s.  t.  S.  22 fg.  fehlen  m. 
22  der  vasten  —  23  jare]  dem  iar  do  man  zalt  von  xpus  gepurt  MCCCC 
und  xlvi)  iar  (am  runde  mit  bleistift:  '1.  1346 'j  vnt  wart  ausgeschriben 
in  der  vasten  31;  22  fg.  zalt  MCCCln)  jär  S;  in  jeiunio  quadragesimali 
sub  anno  dominice  nativitatis  M°CCC°ii°  (so!)  anno  [i.  24fgg.  non  est 
necesse  ut  aliquis  interroget  propter  quem  iste  über  scriptus  sit  vel  per 
quem,  quia  ille  homo  usiv.  (.i.  25 fg.  pey  s.  1.  W.  27  Amen  (fehlt  S). 
Dann  rot  hie  haut  ain  ende  das  püch  von  den  neun  velsen  MP; 
AMEN,  dann  rot  a.  b.  m.  Hierauf  folgt  in  MPSW(w)  (in  IIP  mit 
roter  schrift)  der  erste  absatx  bei  Diepenbrock  s.  330:  wer  dicz  püch 
lesen  wil  (welle  lesen  S),  der  h.  es  vorn  an  und  les  es  b.  a.  d.  ende, 
so  v.  er  es  erst  (erst  recht  MP).  u.  b.  er  dann  (fehlt  S)  nicht  sein 
leiten,  sicher  (sicherlich  JHP)  so  wirt  got  einen  (den  MP)  ewigen  val 
über  in  tun  (ü.  i.  t.  fehlt  SW)  und  auf  in  lassen  (1.  uf  in  S)  vallen. 
vor  dem  (d.  val  W)  behüt  uns  die  ewig  warheit  (da  vor  uns  got  alle 
gemainlich  behutte  M;  in  P  fehlt  dieser  letxte  satz).  Amen  (fehlt  P); 
quieunque  proponit  istum  librum  legere,  ille  a  principio  incipiat  et 
usque  in  finem  peiiegat:  tunc  primo  intelligit  propter  quid  scriptus  est. 
et  si  nun  emendaverit  vitam  suam,  tunc  absque  dubio  deus  gravem 
casum  emittet  super  eum,  quo  perpetue  cruciatur  et  premitur.  a  quo 
casu  deus  nos  custodiat  qui  est  vera  sapientia  patris.  quod  nobis  prae- 
stare  dignetur  pater  et  filius  et  spiritus  sanctus.  Amen  /.i,  vgl.  auch 
van  Borssum  Wdalkes  s.  147;  in  b  stellt  390,27  vor  dem  Amen:  wrie 
wol  er  das  dem  willen  gottes  auff  geopfferet  hatt  zu  geschechen  oder 
nit  zu  geschehen. 


256 


3.    Cgm.  843  (s.  oben  s.  238). 
Dy  IX  felsz. 
(131 b)     Von  den  neun  felsen  und  w(a)z  ubung  dar  auf  sey. 
Item.     Dy  auf  dem  ersten  velsen  wonen,  sein  alle  dy  on  todsund 
sein,  aber  ir  angl  ist  der  sy  hindert  am  furgang,  daz  sy  sind  loe,  treg 
5   und   kalt  zu    gotes   dinst;    wy   daz   sy  nit   grosz   sund   wollen  tun,    so 
suchen  sy  doch  leibes  lust. 

Item.     Dy  auf  dem  andern  felsen  dy  zwingen  ir  natur  und  keren 

sich  mit  verwegen   gemut  von  der  weit,  aber  ir  angl  ist,  daz  sy  sich 

zu  kranck  duncken    und   werden  slafen   und  ableszig    und    haben  ge- 

io  dingen  in  ire  gute  werck  und  werden  hofertig  und  wellen  niemants  rat 

volgen  und  pleiben  sten  auf  irem  gutcluncken,  daz  veriret  sy. 

Item.     Dy  auf  dem  triten  felssen  sein  dy  sich  verwegenlich  zu  der 

warheit  keren  und  ir  natur  kunlich  Urlaub   geben  und  allen  creaturen, 

aber  ir  angel  ist,  sy  haben  noch  mer  aufsehens  auf  dy  weit,  dar  inen 

15  sy  sich  selbs  meinen,   und  all  ir  streng  (132")  ubung  haben  sy  mit  ir 

selber  eigenschaft  und  wolgefallen  besessen. 

Item.  Die  virten  haben  ir  natur  strengklich  und  kunlich  angriffen 
und  üben  sich  tag  und  nacht  als  ferre  sy  es  erleiden  mugen,  aber  der 
angel  ist,  daz  sy  ir  ubung  und  werck  mit  ongenumenheit  und  eigner 
20  weiß  besessen  haben  und  geprist  in  wäre  gelassenheit,  und  wist,  daz 
kein  eigenwilliger  mensch  nymer  zu  dem  Ursprung  kumpt.  aber  doch 
werden  diß  leut  oft  und  dick  versucht  und  vermant  zu  gelassenheit, 
aber  es  hilft  nit  an  in  und  sy  werden  pald  bewegt  zu  zorn  und  zu 
andern  untugent,  daz  macht  daz  sy  noch  ungeübt  und  unerstorben  und 
25  ungelassen  sein. 

Item.  Die  auf  dem  fünften  felsen  haben  iren  eigen  willen  auf 
geben  und  got  wider  geben  und  haben  ganczen  willen,  daz  sy  nichtz 
thun  oder  lassen  wollen  auß  eigen  willen  und  furnemen,  und  wollen 
sich  eim  freunt  gotz  lassen  an  gotes  stat  in  aller  gehorsam,  aber  ir 
so  angel  ist  unstetigkeit,  daz  sy  ir  eigen  weiß  wider  an  sich  nemen  und 
irem  eigen  willen  nit  zu  grünt  tod  sein,  und  laufen  oft  vom  fünften 
velssen  auf  den  virten. 

Item.     Dy  sechsten  sein  menschen  dy  sich  got  und  sein  trennten 

haben  gelassen    an   seiner  stat    und  iren  eigen  willen    auf  geben  und 

35  daron  stet  wollen   bleiben  pis  in  tod.     aber  yr  angel  ist,   daz  sy  gern 

etwaz  trosts  und  bekenen   von  got  heten.    daz  ist  nit  ir  nechstes   und 

20  vor  wist:  dz  ausgestrichen.      27  und  got  xweimaL      31  ire. 


ZUR    GOTTESFREUND  -  FRAGE  257 

disse  begird  hat  ein  heimlichen  geprechen  (132 b),  daz  sich  der  mensch 
jemant  getar  geleichen,  sy  solten  got  lassen  wircken  waz  er  wil  und 
wa  und  mit  wem  er  wil.     daz  bekenen  sy  wol  und  volgen  jm  nit. 

Item.  Dy  sibenten  sein  dy  sich  got  zu  grünt  gelassen  hau  und 
daron  stet  wollen  sein  und  allen  im  fleisz  antun,  wy  sy  ir  natur  trucken  5 
nach  irem  vermugen  und  sy  wem  auch  gern  alle  dem  genung,  daz  got 
von  in  wil  haben,  es  sey  äußere  liebewerck  oder  einker  in  sich  selber, 
und  da  warten  sy  seins  liebsten  willen,  aber  ir  hack  ist,  sy  haben  vil 
liebreicher  genad  von  got  entpfangen,  dy  prauchen  sy  heymlich  in  ir 
natur  mit  lust  und  nemen  es  nit  zu  grund  war  und  gen  zum  h.  sacra-  10 
ment  um  daz  sy  trost  davon  entpfangen. 

Item.  Dy  auf  dem  achten  felssen  haben  sich  got  zu  grünt  ge- 
lassen und  aufgeben  waz  er  mit  in  tun  wil  in  zeit  und  in  ewigkeit, 
aber  sy  haben  zwen  hacken,  der  erst:  sy  haben  ein  wenig  einplicks 
des  Ursprungs  entpfunden  und  beten  sein  gern  mer,  daz  ist  nit  ir  15 
nechsts.  Der  ander  hack  ist:  got  hat  sy  fremd  weg  gefurt  und  grosse 
fremde  wunder  lassen  sehen  in  pildreicher  form.  Daz  haben  sy  heym- 
lich verporgenlich  mit  eigeschaft  besessen  und  got  tar  in  nit  trauen 
daz  er  in  dy  genad  entzieh  und  verperg,  er  muß  ir  schonen,  wan  er 
bekennt  irn  heimlichen  grünt.  20 

Item.  Dy  höchsten  auf  dem  neunten  felsen  haben  als  ir  plut  und 
marck  verswent,  sy  furchten  weder  hei  noch  fegfeur  noch  (133a)  veint 
noch  tod  noch  leben,  sy  sein  als  demutig  daz  sy  sich  seczen  und  all 
ire  werck  unter  got  und  all  creatur  und  turen  sich  niemaut  gleichen 
und  lieben  alle  menschen  in  got  und  sein  der  weit  zu  grünt  tod  und  25 
meinen  und  lieben  got  in  allem  iren  tun  und  laßen,  sy  meinen  noch 
lieben  sich  selber  nit  und  suchen  daz  ir  nyndert  noch  sich  selb  in  zeit 
und  in  ewikeit.  sy  haben  sich  selber  verlorn  zu  grünt  und  all  creatur 
mit  in.  sy  leben  in  einem  un wissen  und  begern  nichts  zu  wissen,  wan 
sy  duncken  sich  sein  unwirdig.  und  der  veint  ist  durch  sy  gefarn  mit  so 
allen  bekorungen,  dy  nimant  erdencken  mag  und  sein  einteil  über 
menschlich  syn  und  sein  nit  anders  dann  weit  sy  got  wider  an  sy 
senden,  sy  wolten  daz  mit  freuden  entpfahen.  all  creatur  sein  in  ein 
kreucz  gewest  und  sy  haben  sy  durchliten  und  sy  begern  nichts  denn 
leiden  und  dem  kreuczigten  Christum  nach  zu  volgen  pis  in  tod.  und  35 
daz  sein  dy  waren  anpetter  dy  got  anpeten  im  geist  und  in  der  war- 
heit.     Darzu  helf  uns  got  auch.     amen. 

3  wolgen.       6   genüg.       9   liebreicher   (so  auch  ab,   liebricht   m)   statt  lieht- 
reicher.       11  viii.       13  tu.       21  höchste.       30  sei.      31  alle  bekoruag.       37  am. 


258 


4.    Die   handschriften   der  Neun  felsen   Merswins. 

St  Die  handschrift  der  laudesbibliothek  zu  Strassburg  L  german. 
665.  CimeL,  dorthin  aus  C.  Schmidts  nachlass  gekommen,  das  sog.  auto- 
graph  Merswins,  das  C.  Schmidt  1859  zum  abdruck  brachte.  Schmidt 
hatte  die  hs.  1858  aus  C.  M.  Engelhards  bibliotliek  gekauft  und  trug  im 
jähre  1865  vorne  auf  grund  einer  note  von  Schweighaeuser  im  exemplar 
des  Grossen  johannitermemorials  in  folio  den  vermerk  ein,  dass  das  ori- 
ginal dieses  Buchs  von  den  neun  felsen,  von  R.  Merswins  eigener  hand 
geschrieben,  anno  1708  in  der  commende  zu  Schlettstadt  gefunden  und 
den  23.  juli  wider  nach  Strassburg  gebracht  worden  sei,  freilich  mit 
verlust  'bis  10  bläter',  die  aus  dem  gegenwärtigen  exemplare  ergänzt 
wären.  Es  sind  vielmehr  11  blätter,  die  verloren  gingen  und  die  in 
der  jetzigen  59  blätter  umfassenden  papierhs.  (doch  beginnt  der  eigent- 
liche text  erst  auf  bl.  2)  der  bibliothekar  der  Johanniter  im  anfang  des 
18.  jhs.  aus  einer  der  älteren  copien  ersetzt  hat.  Die  fehlenden  original- 
blätter,  in  Schmidts  ausgäbe  durch  eckige  klammern  im  texte  kenntlich 
gemacht,  sind  bl.  2  (1,1  —  3,17).  13.  14  (29,25  —  35,20;  in  der  er- 
gänzung  geht  das  cap.  von  den  begarden  dem  von  den  beginen  voraus, 
so  auch  in  hs.  W).  38  (98,30  —  101,6).  40  (103,27-106,11).  42 
(108,23—111,6).  45  (115,32  —  118,6).  47  (120,16  —  122,25).  49 
(124,33  —  127,15).  57.  58  (143,22  —  147,12).  Vor  bl.  1  ist  eine  an- 
sieht des  johanniterhauses  auf  dem  Grünen  wörth:  A°  1633  destrueta 
eingeklebt,  auf  bl.  la  steht  vom  bibliothekar  der  Johanniter  aus  dem 
anfang  des  18.  jhs.  eine  lat.  vorrede  an  den  leser,  in  der  gesagt  ist, 
dass  dies  buch  von  R.  Merswin  manu  sua  propria  geschrieben  sei.  Dies 
könne  nicht  bezweifelt  werden,  da  die  schriftzüge  sich  deckten  mit 
acht  blättern  des  briefbüchleins  (darin  die  Urschrift  des  Buchs  von  den 
vier  jähren),  s.  Schmidt  Gottesfreunde  s.  54.  Bl.  lb  folgt  dann  ein  ex- 
cerpt  aus  dem  'grossen  Teutschen  auf  pergament  geschribenem  Memo- 
rialbuch', das  in  allem  wesentlichen  mit  dem  abdruck  bei  Schmidt  a.  a.  o. 
s.  56  übereinstimmt.  —  Bl.  59 b  ist  mehrfach  bekritzelt,  zeigt  u.  a.,  von 
einer  hand  des  15.  jhs.,  folgende  fortlaufend  geschriebene  reimzeilen: 
Ich  weix  tvol  dax  ich  für  (?)  und  mag  doch  nid  abe  Ion  Die  minec- 
liche  xarte,  von  der  ich  so  grossen  Immer  han,  und  doch  so  ivil  ich 
warten,  ir  angesiht  mir  müt  und  fröde  git,  die  ich  so  selten  schbtven 
sol  etc,  ausserdem  noch  Wer  dis  buch  vindet  der  sol  es  wider  /  geben 
durch  got  er  sg  ritter  oder  kneht  /',  das  folgende  z.  t.  unleserlich  und 
unverständlich.  -  Für  das  sog.  Merswinsche  autograph  ist  folgendes 
charakteristisch:   der  schreiber  hat  so  gut  wie  ganz   auf  interpunetion 


ZUK    GOITESf  REÜMU  -  TRAUE  259 

verzichtet,  desgleichen  verfährt  er  mit  absätzen  äusserst  sparsam.  Wenn 
er  nicht  selten  den  selben  satz  oder  eine  reihe  von  worten  doppelt 
schreibt,  um  dann  den  irrtum  zu  tilgen,  so  dürfen  wir  daraus  wol  auf 
abschrift,  auf  reinschrift  nach  einem  concept  schliessen.  Gelegentlich 
ist  ausgelassenes  nachträglich  eingefügt.  Auch  Schreibfehler  begegnen. 
Auffallen  muss  die  oft  sonderbare  Zerlegung  componierter  werter  mitten 
in  der  zeile:  zahlreich  sind  Schreibungen  wie  erschrecken  liehe,  liep 
liches,  herce  liep,  herce  kliches,  minnen  klichensten ,  gewille  kliche,  ge- 
lich  nisse,  müt  willen,  geggen  wertigen,  vnge  horsammekeit ,  unan  ge- 
nommen,  umbe  hüt,  umbe  kaut,  ebben  mensche,  ogen  blick,  minne 
kosen,  for  redde,  usser  nie  (=  deme),  in  der  ivillen  =  underivilen 
usw.  usw.,  insbesondere  auch  bei  praefixen,  z.  b.  xür  brach,  zur  sterer, 
vir  xogen,  vir  borgener,  vir  cleinnest,  fvr  lom.  Schmidts  abdruck  hat 
hier  die  gewöhnliche  Schreibung  hergestellt,  mit  unrecht  aber  auch  da, 
wo  hie  noch,  wo  fan,  do  fan,  denne  fern,  der  zu,  hie  zu,  her  zu, 
der  umbe,  zu  mole,  an  nemmoi,  anne  sehen,  us  flüssent,  in  werfen, 
in  rünen  überliefert  ist,  sich  zusammenziehungen  gestattet.  Schmidt 
setzt  ausnahmslos  ewig,  eiviklich,  eivikeit,  die  hs.  aber  schreibt  aus- 
nahmslos eeicig ,  eeiviklich,  eewikeit,  auch  seeiceht,  leeive  (68,30);  es 
ist  zuzugeben,  dass  das  zweite  e  eher  einem  c  ähnlich  sieht;  darin 
etwa  einen  schnörkelhaften  ansatz  des  folgenden  w  zu  vermuten,  ver- 
bietet aber  der  umstand,  dass  niemals  sonst  dieser  Schnörkel  bei  iv  be- 
gegnet. Vgl.  auch  Jundt,  R.  Merswin  s.  86:  Te  redouble  a  Tapparence 
du  c  und  ebenda  im  faesimile  nr  3.  —  Das  zeichen  e  begegnet,  von 
einigen  vereinzelten  früheren  stellen  (6,18.  20.  63,4)  abgesehen,  erst 
von  s.  64  ab  (im  Schmidtschen  druck).  Im  allgemeinen  sei  schon 
hier  ein  merkwürdiges  schwanken  in  der  anwendung  oder  nichtanwen- 
dung  diakritischer  zeichen  hervorgehoben,  die  selbst  wider  mehrfach 
variieren. 

Das  ergebnis  einer  abermaligen  vergleichung  von  St  mit  Schmidts 
abdruck  ist  im  folgenden  abschnitt  unter  gelegentlicher  berücksichtigung 
auch  anderer  handschriften  mitgeteilt  worden;  ausgeschlossen  blieben 
nur  die  ergänzten  blätter. 

Die  frühere  Strassburger  bibliothek  besass  drei  abschriften  von  St; 
aus  der  ältesten,  auf  pergament  aus  der  zweiten  hälfte  des  14.  jhs.,  hat 
Schmidt  in  seiner  ausgäbe  die  lücken  im  original  ergänzt.  Vgl.  s.  IV fg. 
und  schon  Tauler  s.  180  anm.  3. 

Gr  Die  handschrift  der  Stiftsbibliothek  zu  S.  Gallen  cod.  967,  die 
laut  einem  eintrag  auf  s.  3  früher  den  Closeneren  ze  Sant  Jürgen  in 
der  oberen  Closen  Sant  Benedicten  ordert  (S.  Georgen  im  Schwarz wald) 


260  STRAUCH 

gehörte  und  von  da  an  das  gotzhusz  ze  sant  Gallen  kam ,  ist  ein  sammel- 
band  mit  zahlreichen  mystisch -ascetischen  stücken,  die  eingangs  von 
einer  hand  des  15.  jhs.  registriert  sind,  hier  aber  nicht  ausführlicher 
besprochen  werden  können.  Vgl.  Scherrer,  Verzeichnis  s.  362.  Mer- 
swins  Neun  felsen  stehen  s.  149  —  260.  Während  der  eigentliche  text 
erst  s.  150  beginnt,  steht  bereits  s.  149:  Merk  wol  (rot,  das  folgende 
schwarz)  we  man  lebet  in  dissen  sorglichen  gegenwärtigen  ziten  uff 
ertrich  und  sunderUch  wie  gar  sorglichen  ez  stat  umb  die  Cristenhait, 
daz  vindet  man  in  dissem  nach  geschreben  reisen  buch  und  och  wie 
gar  zergangen  sint  alle  ordenung  in  der  cristenhait  baidu  gaistlich 
und  iveltlich.  Der  rest  der  seite  ist  frei  und  eine  andre  hand  beginnt 
s.  150  mit  roter  schrift  Ditz  ist  das  velsen  buch  merk  ez  eben  wol, 
hierauf  Dv  erst  matterie  dis  büches  ist  tvie  ain  mensch  betivngen  wart 
von  gotle  =  Schmidt  1,22.  S.  196  (Schmidt  64,  22fgg.)  Hie  vahet  an 
daz  ander  tau  diz  buchs  und  ist  daz  ivie  dissen  menschen  wart  ge- 
lassen sechen  usw.  Schluss:  Amen  (Schmidt  147,20),  dann  rot:  hie 
hat  dz  velsen  buch  ain  ende,  got  wille  vns  sine  liebi  muter  zu  un- 
scrm  ende  senden.  Die  abschritt  hat  grössere  (50,8  —  51,  7.  56,  3 — 63, 25. 
64,28  —  65,5.  145,21  — 146, 17)  und  kleinere  auslassungen;  das  princip 
des  kürzens  ist  deutlich  erkennbar.  Correcturen  und  nachtrage  wol  von 
anderer  hand.  An  Merswins  Schreibung  erinnert  nichts;  der  text  ist 
in  Alemannien  geschrieben. 

K  Die  handschrift  der  königl.  und  Universitätsbibliothek  zu  Königs- 
berg nr  1785,  perg.,  144  bl. ,  klein  4°.  Vgl.  Zeitschr.  für  deutsches 
altertum  13,529.  Die  sorgfältig  geschriebene  hs.  zeigt  mancherlei  alter- 
tümliche abkürzungen  (de,  wc,  auch  i)  und  dürfte  wol  noch  dem 
14.  jh.  angehören.  Bei  den  grösseren  abschnitten  sind  hübsche  initialen 
in  blau  und  rot  angebracht,  für  den  anfang  bis  Schmidt  s.  2, 3  ist 
rubrum  angewandt.  Die  spräche  weist  nach  Alemannien:  old  so  immer 
=  oder,  tuseng  =  tüsent ,  dien  dat.  plur.;  dafür  sprechen  auch  die  zahl- 
reichen o  und  i  in  ableitungs-  und  endungssilben:  ungernor,  loblichost 
obrosten,  volendon  redon  beiton,  lidigot  ivandlot  gebesrot  spotot,  soltost 
redtost,  solton  lebton  hatton,  vaston  icorton  phaffon  beginon  begharton 
creaturon  ewigon,  velsclion  mensclion,  die  edlon  margariton ,  rol  brief- 
linon,  von  dirr  nütxon  warnendon  kr,  was  meron  ist  dis;  wüstist, 
giengi,  mSchtin,  lengi,  armi  snödi  creature,  dirr  frowon  eini,  elli 
buch.  Ausnahmslos  heisst  es  herzliep  mis  für  mins.  Sonst  aber  findet 
sich  von  Merswins  Schreibweise  keine  spur. 

mm  Cgm.  452  aus  dem  15.  jh.,  der  aus  Rebdorf  stammt  und 
den   dortigen  Regen  brüdern  (carmelitern)  gehörte,   enthält  bl.  1  —  41* 


ZUR    GOTTESFREUNT)  -  FRAGE  261 

nur  den  zweiten  teil  der  Neun  felsen,  die  eigentliche  neunfelsenvision 
in  Merswins,  jedoch  stark  verkürzter  textgestalt.  Überschrift  (rot):  Von 
gelegenhait  der  gancen  vue'lt  vie  du  geoffen  ward  ward  ainem  diner 
gottes  in  sieht ildicher  vnd  irildlich  weis  vnd  form  als  her  noch  volgen 
ist;  der  anfang  lautet:  V(b\axi)nser  herre  Hess  einen  menschen  sehen  in 
pild 'lecher  weiß  ein  holten  perg  und  ander  dem  perg  ain  garn,  das 
uoss  über  alleic  dysew  weit  gexogen  dan  allain  über  disen  perg  nit. 
der  perg  was  wuuderleich  hoch  piß  cm  den  hymel,  des  in  daucht.  an 
dem  perg  woren  neyn  velss  gar  weit  und  hoch  ye  ainer  ob  dem  an- 
dern, als  in  daucht,  das  der  neynt  raichet  bis  an  den  hymel.  mit 
disem  gesicht  det  got  dem  menschen  (lb)  künt  dy  gelegenhait  der  kristen- 
hait,  wann  alle  die,  die  ander  dem  garn  worden,  die  het  der  pöß  geist 
gerangen  mit  totsätulen.  aber  edle  die  an  dem  perg  wanten,  an  den 
het  der  pöss  geist  kain  tau  noch  gbalt,  wann  es  wanten  an  ff  den  felsen 
leivt  piß  oben  an  den  perg,  und  got  halff  dysem  menschen  au  ff  alle 
dise  felß  und  ließ  in  sehen  und  gab  ym  der  menschen  wandet  xu  er- 
kenen.  nun  ye  höher  die  menschen  an  dem  perg  wanten,  ye  pesser 
sy  worden  und  got  lieber.  Dann  rot:  Der  erst  vels.  Vgl.  Schmidt 
s.  64fgg.  Die  dialogform,  im  allgemeinen  festgehalten,  ist  des  öfteren 
in  folge  der  tendenz  zur  kürzung  aufgegeben  und  in  erzählungsform 
umgewandelt  worden.  Dass  es  sich  wirklich  um  kürzung  der  Mer- 
swinschen  textgestalt  handelt,  erhellt  daraus,  dass  cgm.  452  an  andern 
stellen  nur  mit  dieser,  nicht  mit  der  kürzeren  bei  Diepenbrock  über- 
einstimmt. Vereinzelte  berührungen  mit  der  fassung  bei  Diepenbrock 
erklären  sich  aus  der  von  mm  angestrebten,  um  vieles  knapperen  text- 
form. Merswins  erweiterungen  und  widerholungen  der  vorläge  hat  mm 
gelegentlich  wider  so  zusammengezogen,  dass  diese  neugewonnene  kurze 
textgestalt  dem  ursprünglichen  texte  bei  Diepenbrock  sich  abermals 
nähert.  Das  hat  nichts  auffällendes,  denn  die  redseligen  ergüsse  und 
widerholungen  Merswins  treten  so  aufdringlich  zu  tage,  dass  ein  re- 
dactor,  der  kürzen  wollte,  ohne  besonderes  geschick  hie  und  da  der 
urform  nahe  kommen  musste.  Im  einzelnen  ist  zu  bemerken,  dass  eine 
Umstellung  in  mm  —  auf  Schmidt  69, 13  (D  357, 20)  folgt  inhaltlich 
zunächst  76,33  —  80,20  (D  360,16  —  363,35)  und  dann  69,26  —  77,8 
(D  357,30  —  360,19)  —  wol  sicher  auf  die  directe  vorläge  zurückzu- 
führen ist,  dass  gegen  schluss  (insbes.  von  Schmidt  s.  121  an)  die 
kürzungen  stark  zunehmen:  es  sind  in  mm  fortgefallen  die  partien  bei 
Schmidt  115,31 -116,34.  120,2  —  121,8.  129,8  —  130,14.  Ein  nicht 
ganz  wertloser,  mm  allein  eigentümlicher  zusatz  hat  bei  den  lesarten 
zum  traetat  Von  dreierlei  geistlichem  sterben  (s.  unten  abschnitt  7)  er- 


262  STRAUCH 

wähnung  gefunden.  —  Die  hs.  weist  Schreibungen  wie  pesorgt,  pebeist, 
inbendig;  fechfewr,  feichfewr  neben  fegfewr  auf. 

Über  S  siehe  oben  s.  237  fg. 

Die  handschrift  2184  des  bezirks-archivs  des  Unter -Elsass  in 
Strassburg,  einst  der  dortigen  johanniterbibliothek  zugehörig,  enthält 
eine  lateinische  bearbeitung  von  Merswins  Neun  felsen.  Vgl.  Zs.  für 
die  bist,  theologie  9,  heft  2,  s.  6 5 fg.;  Schmidt,  Tauler  s.  180  anm.  3. 
Auf  der  rückseite  des  mit  rosa  leder  überzogenen  deckeis  findet  sich 
unter  marienglas,  in  messing  eingefasst,  folgende  inschrift  von  einer 
band  des  14.  oder  15.  jhs.:  D(rot)er  ziveyger  überblibener  latine  bucher 
eins  von  den  nun  feilsen  das  die  drie  weltlichen  pflegere  us  lihen 
mogent.  alse  indeivendig  zu  aller  hinderst  in  Mische  geschriben  stot. 
Die  handschrift  besteht  aus  50  pergamentblättern  in  folio:  bl.  2  —  49 
bilden  vier  sexternen,  denen  je  ein  blatt  vorausgeht  (bl.  1)  und  nach- 
folgt (bl.  50).  Blatt  1  ist  das  zweite  blatt  eines  doppelblattes,  dessen 
erste  hälfte  der  innenseite  des  vorderen  holzdeckels  aufgeklebt  ist, 
ebenso  wie  auch  bl.  50  die  erste  hälfte  eines  doppelblattes  ausmacht, 
während  die  zweite  die  innenseite  des  hinteren  holzdeckels  schützt  und 
mit  dem  farbig  ausgeführten  wappen  Wernhers  von  Hüneburg,  das  das 
ganze  blatt  füllt,  bemalt  ist.  Der  codex  dürfte  in  folgender  weise  ent- 
standen sein.  Bl.  2  —  49  sind  schön  und  sorgfältig  von  einer  und  der- 
selben hand  geschrieben  und  enthalten  zunächst  auf  bl.  2  —  46 b  eine 
freie  und  kürzende,  gelegentlich  aber  auch  dogmatisches  weiter  aus- 
spinnende und  mit  stellen  der  heiligen  schritt  belegende  lat.  Übersetzung 
der  Merswinschen  Neun  felsen,  wie  uns  dies  das  auf  bl.  lb  wol  nach- 
träglich in  roter  schritt  hinzugefügte  und  mit  äusserst  kunstvoller  ini- 
tiale (i7,  darinn  auf  einem  gelben,  rot  eingefassten  Wappenschild  ein 
schwein  —  meerschwein?  — )  geschmückte  vorwort  besagt;  ihr  Ver- 
fasser ist  der  augustinerbruder  Johannes  von  Schaftolzheim.  Es  heisst 
auf  bl.  lb:  Hii  quatuor  sexterni  de  novem  rupibus  cum  alijs  sequen- 
tibus  materiis  et  capitulis  fuerunt  una  particularum  pertinentium  in 
latinum  memorialem  librum,  in  quo  coadunate  sunt  omnes  materie 
tractantes  seu  testimonium  perhibentes  qualiter  scilicet  domus  hec  vi- 
ridis insule  a  principio  sui  hucusque  est  deducta  et  renovata.  Et 
quia  liber  harum  novem  rupium  in  verbis  non  ex  toto  cum  vulgari 
theutonico  Concor dat,  prout  eadem  verba  a  sui  principio  a  spiritu 
sancto  processerunt ,  idcirco  eedem  materie  sie  manserunt  remanentes 
et  extra  stantes  et  iterato  de  novo  directe  seeundum  vulgare  theutoni- 
cum  in  prenominatum  primum  scilicet  memorialem  librum,  sunt  in- 
notate.     Capitida    tarnen  omnia    libri  eiusdem   de  novem    rupibus  in 


ZUR    GOTTESFREUXD  -  FRAGE  263 

utraque  parte  concordant  in  materia  et  in  significatione ,  hoc  dempto 
qnod  aliqualiter  discordant  in  rerbis,  idcirco  qnia  exemplar  presentis 
libri  cum  aliquibus  incidentibus  applicitum  est  ad  sacram  scripturam, 
prout  honcsius  et  devotus  lector  bene  memorie  frater  Johannes  de 
Schaftoltxheirß  ordinis  fratrum  heremitarum  sancti  angustini  fieri 
procuravit  et  in  librariam  eiusdem  ordinis  in  argentina  poni  fecit. 

Bl.  2  beginnt  (rot):  Incipit  prologns  in  librum  qni  intitulatur  de 
novem  rupibus.  Hierauf  0  vos  omnes  christiani  ascultate  sollerter  et 
attendite  cum  quodam  grandi  integralique  amativo  \elo  praemonenti 
pi*op)heticae  doctrine  et  scitote  usw.  Der  text  zeigt  bei  den  einzelnen 
grösseren  abschnitten  einfache  initialen  in  rot;  auch  die  Überschriften 
der  capitel  sowie  die  dialogfolge  —  Homo  dixit,  Responsio  divina  — 
sind  durch  rote  schrift  hervorgehoben.  Das  eigentliche  Rügenbuch 
umfasst  18  capitel  und  schliesst  bl.  26,J:  (rot)  Explicit  über  de  queri- 
moniis.  Incipit  prologus  in  librum  de  novon  rupibus.  Im  cap.  über 
die  ehe  (cap.  18  bl.  17afgg.)  hat  sich  Johann  von  Schaftolzheim  eingehend 
über  dogmatisches,  das  hier  aber  nicht  näher  besprochen  zu  werden 
braucht,  ausgelassen;  er  citiert  u.  a.  bl.  23 a  die  ordensstifter  Benedict 
Augustin  und  Franciscus.  Bl.  26 h  Hoc  quod  nunc  per  gratiam  dei 
incipere  intendimus ,  illud  est  qualiter  homiui  ostensus  erat  mons  altus 
magnus  et  terribilis  usw.,  vgl.  Schmidt,  Neun  felsen  s.  64.  Die  capitel 
dieses  engeren  Neunfelsenbuches  sind  wider  besonders  gezählt;  es  sind 
zehn.  Bl.  46 b  (rot)  Explicit  über  de  novem  rupibus.  Unmittelbar  vor- 
her heisst  es:  Item  quicunque  liunc  librum  integre  vult  intelligere, 
studeat  illum  a  principio  usque  ad  fvnem  attente  perlegere  et  sie  potent 
in  eo  expeditias  perficere  (Schmidt  s.  147).  Dann  folgen  von  gleicher 
hand  verschiedene  das  johanniterhaus  betreffende  eintrage,  aus  dem 
lat.  Memoriale  her  übergenommen.     Ich  gebe  nur  die  Überschriften. 

Bl.  46 b  (rot)  Item  octogesimum  sextum  capitulum  est  deeima  huius 
libri  materia  et  est  sensus  sub  brevibus  comprehensus  ex  libro  theuto- 
nico  qui  traetat  de  duobus  iurenibus  quindeeim  annorum  pueris,  in 
quo  scriptum  continetur  quomodo  dilectus  dei  amicus  in  superioribus 
partibus  Rfdemanni  merswin  nostri  fundatoris  familiaris  collega  et 
socius  iuventutem  suam  vivendo  deduxit,  quomodo  pater  ipsius  eum 
secum  duxit  ad  remotas  et  alienas  patrias  docens  eum  mereimonia 
exercere  et  quomodo  post  multa  animo  beneplacita  et  voluptates  unum 
grande  miraeuhon  sibi  evenit.  Quedam  enim  crux  lignea  inclinavit 
se  inferius  versus  eum  dum  orando  coram  eo  genu  flecteret.  propter 
eandem  etiam  causam  abrenuntiavit  licentiative  secido  et  onmibus 
creaturis  et  omnibus  voluptatibus  nature  sicut  Über  traetat  cuius  sensus 


264  STRAUCH 

et  materia  hie  ineipit  dieens.  Es  folgt  ein  excerpt  aus  dem  Tractat 
von  den  zwei  fünfzehnjährigen  k nahen.  Vgl.  Schmidt,  Nie.  v.  Basel  s.  VIII. 

Bl.  48*  Octogesimum  septimum  capitulum  tractat  de  ultimis  litteris 
missivis  quas  predilectus  dei  amicus  (in  den  jähren  1379.  1380)  in 
superioribus  partibus  huc  inferius  transmisit  Rulmanno  merswin  et 
fratribus  viridis  insule.  hoc  etiam  idem  ultimum  capitulum  admonet 
et  avisat  omnes  viridis  insule  fratres  et  personas,  quod  sibi  ipsis  illam 
magnam  gratiam  concessam  non  amittant  cum  ingratitudine  unde  pla- 
gari  et  vindicari  temporaliter  et  eternaliter  possent. 

Bl.  48 b  Octogesimum  oetavum  capitulum  tractat  de  vita  seu  modis 
vivendi  [Udalrici]  unius  nigri  monachi  de  ordine  saneti  benedicti  qui  in 
primis  antiquis  temporibus  habitavit  in  loco  viridis  insule  postquam  idem 
locus  regimini  monachorum  de  altdorf  fuit  commendatus  sicut  unus 
praescriptorum  duorum  antiquorum  sacerdotum  de  altdorf  eiusdem  or- 
dinis  saneti  benedicti  uni  Johannitarum  commoranti  in  viridi  insida 
dedit  in  scriptis  in  oetava  beati  Stephani  anno  a  nativitate  domini 
Millesimo  trecentesimo  octuagesimo  quinto  ad  maiorem  notitiam  et 
testificationetn  quod  locus  viridis  insule  in  magna  sanetitate  ab  antiquo 
usque  ad  tempora  ista  deduetus  est  et  inhabitatus  prout  etiam  idem 
duo  antiqui  octogenarii  sacerdotes  de  altdorf  per  antea  dieunt  et  testi- 
ficantur  nono  capitulo  huius  presenlis  libri  et  sie  describitur.  Anfang: 
Frater  Burghardus  humilimus  et  omnium  infimus  fratri  Nicholao 
salutem. 

Dann  folgt  nach  einem  Zwischenraum  von  drei  Zeilen  bl.  49 a 
bis  50 b  von  anderer,  aber  gleichzeitiger  band  in  deutscher  spräche  das 
25.  capitel  des  Memorials,  das  sich  auch  in  hs.  2185  bl.  42 b — 44a 
findet,  hier  mit  der  Überschrift  Bis  ist  daz  XXV  cappittele  und  daz 
hinderste,  alse  es  in  der  drier  weltlicher  pflegere  memorialebüch  ge- 
schriben  stet  und  nüt  in  des  meisters  buch  noch  in  keime  andern 
buche  ivenne  in  den  ziveien  überblibenen  Idtinen  buchern,  von  den  es 
ouch  seit,  in  weler  wise  sü  die  pflegere  mügent  uz  lihen  und  in  weller 
minnen  und  früntliclieit  sich  ouch  die  pflegere  halten  süllent  gegen 
dem  ordene  und  gegen  den  brudern  zu  dem  Grünen  werde,  durch  daz 
sü  in  göttelicher  minnesamer  einmutikeit  ewieliche  deste  bat.  blibent. 
Es  heisst  in  unserer  hs.  2184  bl.  49a,  eben  diese  hs.  (2184)  und  noch 
ein  buch  mit  acht  sexteruen  in  gleichem  (folio)format  enthielten  die 
ernuiverunge  und  der  Stifter  leben  und  die  andern  materien,  die  von 
erst  usser  dem  tütsche  zu  latine  geschriben  wurdent  und  über  blibent 
an  den  drien  Urkunde  buchern  des  huses  zu  dem  Grunentverde  von 
sache  wegen   alse   die  robricke  seit,   die  zu  vSrderst  in  ir  iegelicheme 


ZtTR    GOTTESFREUND  -  FRAGE  265 

geschriben  stot  mit  eime  florierten  h~  (s.  oben  s.  262;  die  initiale  H  ist 
also  nachträglich  in  die  officiellen  exemplare  eingezeichnet  worden). 
Bl.  49 b  Dar  umb  wanne  sü  vil  lihte  nüt  alle  latine  verstont,  so  ist 
durch  iren  willen  dise  ordenunge  xü  lutsch  hie  geschriben  und  ouch 
in  das  ander  latine  buch,  do  bi  sie  dise  bucher  beide  bekennen  mögent 
und  gerordern  künnent  so  sü  wellent,  und  sü  ouch  mit  cleste  grössere 
n/inne  bewarent  und  behutent  xü  eime  gebesserlichen  exemplar  edler 
gutwilliger  gelerter  tüte.  Eine  genauere  mitteilung  des  ganzen  ist  ent- 
behrlich, doch  sei  erwähnt,  dass  die  diction  der  anweisung  sich  an  die 
ausdrucksweise  der  Merswin- Gottesfreund-schriften  anlehnt. 

Dieselbe  band,  die  bl.  49 a — 50 b  schrieb,  leitet  auch  den  ganzen 
codex  ein:  er  beginnt  (bl.  la)  Alse  nü  dise  nehste  nochgonde  (bl.  lb) 
rubrihe  seit,  wie  dis  latine  buch  von  den  nun  reihen  ettewas  misse- 
hillet  dem  tütselten  an  abe  gebrochenen  Worten  und  xü  geleiten  glosen 
us  der  geschrift,  dar  umb  ist  es  ouch  über  bliben  und  anderwerbe  in 
das  grosse  latine  memoriale  buch  des  huses  xü  dem  Grunenwerde  ge- 
schriben von  worte  xü  worte  glich  dem  tut  sehen,  alse  es  us  dem 
heiligen  geiste  kummen  ist  und  sü  Rülman  merswin  der  Stifter  des 
selben  huses  schriben  müste,  wanne  er  von  gott  dar  xü  betivungen 
wart,  alse  ein  iegelich  menselie  sunder  allen  xwifel  ivol  glouben  und 
wissen  mag  teer  sü  liset  und  vor  gelesen  het  die  vier  ior  sins  ane- 
fanges,  wanne  sü  wol  mitteinander  concordierent  und  gliche  hellent  an 
demutigen  Worten,  au  inbrünstiger  minne  und  an  ilb  er  natürlichen 
grossen  wunderlichen  wereken  und  goben  gottes,  und  ouch  beide  ge- 
schriben wurdent  in  den  xiten  do  Rülman  merswin  des  Jiuses  Stifter 
von  gotte  betivungen  wart  bucher  xü  schribende  alse  die  daten  sagent, 
die  beide  glich  spreclient  in  disen  xw eggen  buchern,  den  nun  veilsen 
und  den  vier  ioren  Rülman  merswines  anefang,  ivanne  in  ir  iegelicheme 
sünderliche  geschriben  stot,  das  es  rollebrol/t  würde  des  iores  do  man 
zalte  von  gottes  gebürte  drilzehen  hundert  ior  fünftxig  und  xireg  ior. 
Und  dis  gegen  wertige  überblibene  latine  buch  von  den  nun  veilsen 
and  noch  ein  exemplar  mit  ahte  sexternen  von  der  ernuwerunge  und 
der  Stifter  leben  und  den  andern  materiell,  die  des  Jiuses  würdikeit 
bewereut,  ist  den  drien  weltliehen  pflegeru  benumel  und  gemeinet,  das 
sü  die  us  Wien  mögent  erbern  gnthertxigen  gelerteu  lüteu  in  der  forme 
die  xü  aller  hineierst  in  disem  buche  and  ouch  in  dem  andern  xü 
tütsch  geschriben  stot  durch  der  leygen  willen  ehe  nüt  latine  künnent. 
Ygl.  dazu  Schmidt,  Gottesfr.  s.  56. 

Den  noch   übrigen  freien  räum   auf  bl.  la   hat  eine  neue  (dritte) 
band  mit  folgendem  vermerk  ausgefüllt:  Des  ersten  Stifters  hern  Mar- 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  18 


266  STRAUCH 

schalk  Wernhers  von  hüneburg  des  edeln  wolgebornen  herren  woffen 
sint  zu  ende  elis  büches  an  d\  hinderste  bret  gemolei  zu  einte  ewigen 
memoriale  und  gedehtnisse  aller  unserre  nochkomen,  umbe  dz  er  der 
erste  anehab  gewesen  ist  des  fundamentes  und  des  alten  gebuwes  uf 
die  öde  ruhe  wilde  ho  festat  foid  hegehter  hürsten  und  wiltbome.  Dar- 
umb  es  in  den  selben  eilten  ziten  wart  genennet  und  noch  heisset  der 
Orunewert.  Des  selben  ersten  Stifters  von  hüneburg  begrebede  stot 
och  xü  aller  nehst  vor  den  woffen  xu  ende  dis  büches  und  in  den  ur- 
kündebüchern  geschriben,  zu  welen  ziten  und  an  weler  stat  und  in 
welen  ercu  er  begraben  wart  und  noch  begretben  lit  in  dem  alten  ge- 
buwe  xü  dem  Grunenwerde,  durch  daz  sin  niemer  vergessen  werde  von 
allen  husbrudern  und  hofesehssen  des  Grtinetuverdes.  —  Vgl.  hierzu 
Stöber -Mündel,  Die  sagen  des  Elsasses  2  (1896),  196.  345. 

Bl.  50 b,  gleichfalls  den  übrig  gelassenen  räum  füllend,  folgt  dann 
von  gleicher  (dritter)  band  die  beschreibung  des  auf  dem  gegenüber- 
stehenden innendeckel  gemalten  wappens  des  Wernher  von  Hüneburg 
—  ein  Schwanenhals  in  schwarz  -goldenem  Schilde  —  sowie  seines 
grabes  in  der  kirche  zum  Grünen  wörth  uf  eler  selben  stal  do  nu  die 
frowen  stule  stont  und  dar  gemäht  wurdent  bi  Rüleman  Merswiues 
ziten  dex  andern  nochgonden  Stifters.  Der  och  den  selben  alten  gebu 
aneving  vti  ernuwende  und  zu  verändernde  Sub  anno  dm  MCCClxvi, 
also  die  Urkunde  bucher  sagen  f,  sunderliche  daz  aller  erste  vorgonde 
blat  in  dem  Tütschen  Urkunde  buche.  An  daz  selbe  erste  blat  och 
änderst te  gemolei  ist  elise  gegen  teert  igen  woffen  des  obgenanten  ersten 
Stifters  von  hüneburg  xü  eime  ewigen  memoriale,  nmbe  dz  siner  ge- 
dehtnisse niemer  vergessen  werde,  trenne  est  ist  xu  glöbendc  bi  der 
selben  gnodenrichen  ersten  Stiftungen  und  bi  sime  andehtigem  ernst- 
hafte// kere  in  dem  ersten  eappitele  der  ernuwerunge  geschriben,  dz  er 
eiit  grosser  gottes  frünt  gewesen  sige,  In  dez  gemeinsame  wir  billiche 
gerne  sin  süllent.  Gott  losse  uns  sin  und  aller  siner  uzerwelten  lieben 
frnnde  ewecliche  gemessen.     Amen. 

Endlich  ist  noch  einer  nachtraglich  mit  anderer  tinte  vom  Schreiber 
der  lat.  Neun  felsen  (bl.  2a — 49 a)  gemachten  notiz  auf  dem  frei  ge- 
lassenen räume  von  bl.  lb  zu  gedenken;  sie  deckt  sich  im  wesentlichen 
dem  inhalte  nach  mit  dem  einleitenden  vermerk  auf  bl.  1 tt,  den  sie  ins 
lat.  überträgt.  Auch  hier  findet  sich  eine  kunstvolle  initiale  A,  die 
von  gleicher  band  herrührt  wie  die  initialen  D  (bl.  la.  50''),  H  (bl.  lb) 
sowie  /  (hs.  2185  bl.  76°). 


ZUR    GOTTESFRErND-FR.UiE  267 

5.    C  o  1 1  a  t i  o  n    des    Merswin-autographs 
von  den  Neun  felsen. 

Schmidt  1, 15  lebent  nach  cod.  E  und  so  auch  GK,  dagegen  im  Strassburger 
Memoriale  und  in  der  ergänxung  des  autographs  durch  eine  hand  des  lS.jhs.  in  Über- 
einstimmung mit  dem  kürzeren  tractate,  Merswins  vorläge,  clebent,  was  sicher  ur- 
sprünglich ist  3, 17  sere]  vbel  G  18  fremmenden  19  abber  23  sellent  34  eewikeit 
so  ausnahmslos  auch  im  folgenden!  4,1  nv  12  nach  wnderliche:  grose  frellicbe 
ausgestrichen  15  stot!  25  kristenheit  5,5  bessert!  15  süre  20 fg.  spriebet! 
6,  2  sebriggenden  fehlt  G;  schriende  mit  weinenden  ogen  K  11.  17  also  mer] 
asmer  G  18  nether  23  gezowe  G  7, 8  gewvrket  auch  K  25  dunked  29  dir 
fehlt!  30  küre  8,15  langer  9,6  eewikliche  so  immer  7  weite  8  eewiger 
so  immer  8 fg.  ewigü  ruwe  G\  ewig  vnrvw  K  12  wil  ban  31  diesen!  10,3 
warnede  4  tag]  dag  6  diesen!  22  fremmenden  24  diesen!  29  seewehthen 
11,  lfgg.  über  daz  gebirg  ab  vielen  ze  tal  daz  sieb  daz  waszer  also  ser  z.  und  als 
gar  grülich  tet  e  es  von  G  1  das  zweite  mal  lieber  4  grüewellicbe  18  seewebte 
21  irre  28  imme]  in  nie  =  in  deme  32  bettbent  12,8  sagagen!  23  strette 
fehlt  G  24  vonme  dal  13,  13  fielent  16  seewebtbe  18  in  iren  u.  22  sint 
körnen  14,23  minnes  34  wennet  15,6  schnldich  kristenstenlicbe!  17  wrde 
18  an  erster  stelle  rebte  16,  10  wittensten  15  sehennensten  minnenkliebensten 
blickenden  19  also  19/#.  zwarzer  22  abbe  31  nattflren  17,  26  gesibtbe 
33  gründe  18,8  gründe  19  baudelde  20  münde  hercekliche!  19,1  mit  der 
anm.:  dir  Überschriften  auch  in  GK;  im  original  geht  es  ohne  jede  Unterbrechung 
fort,  nur  d  in  die  entwrte  ist  durch  rubrum  hervorgehoben  6  dir]  dieb  14  ge- 
helgeutbent  16  bebbeusten  26  cristenheitbe  20,4  durch  13  gelebet  20  irren 
21  zu  liplicher  21,8  gelebbent  11  hoffart  23  iegellicber  26  dire  31  lob- 
licbest  ö;  loblicbost  K  22,2  findent  23,10  das  xweite  mal  drömbe  20 fg. 
twngent  23  berceliep  mins  24,5  clesten!  25,26  als]  also  29  beisset  32  tod 
G\  tot  K  26,9  beidemal  duuked  2öfg.  for  fallent,  nicht  forfallent!  28  soltbest 
27,9  getberent  11  minnes  13  underwillen]  in  der  willen,  vgl.  Fünf  mannenbuch 
104,  32  fg.  lesa.  18dnrcb  28,  7  rehtbe  24  ernestafttes  34,  25  ostüre]  ledige 
G\  otes  old  wüstes  K  35,34  mensebe  36,5.  19  lebbentent  9  rehtbes  16  bere 
37,  1  boffart  2  gettelicbes  10  gettelicbber  28 fg.  nattüren  30  manneigfaltigen ! 
38,29  gewnnen  30/fy.  coflüte  39,7  koüütbe  11  grüdelosen !  14  das  es  in  in 
21  bekennet!  40,3  köflüthen  S  bürger  9.  10  imme  11  furtbilu  14  sinne 
29  vrbarmeberzig  41,2  zit  10  swinde  16  lies  lue  der  weite  noeb?  18  bvirger 
42,  1  fol  7  rebtbe  12  tbet  24  wnderlicbbe  31  sinne  43, 7  drus  9  gebüren 
44,14  berceliebes  15  gi"üdelosen!  45,26  schüldich  27  brotbe  46,17  vnpfobet 
liebome  25  fg.  wibes  nammen  47,17  erneneseblicbe!  25  cristenbeite  26  oestern 
31  frefeln  48, 1  fere  7.  8  am  rande  daz  scbilet  8  einen  9  bitter  für  bibtber 
12  einnen  19  fere  si  21  einuen  24  fertbe  were  49,5  menseben  9  grüde- 
losen!  12  schuldicb  50,  5  mit  der  anm.  die  correctur  vollzog  dieselbe  hand ,  die 
bl.  19a  (%u  48,  7  fg.)  an  den  rand  schrieb  daz  scbilet;  schlag  G;  seblac  K  28  abbe 
51,11.  13  beilege  19  unfüre  52,4  mensscblicbe  9  fg.  wird  mit  fil  oder  und  föl 
gelesen  werden  müssen  21  zites  (so!)  23  kosppern  53,  3  kürcen  9  diese 
15/J/.  cristenbeite  19  zu  54,10  iütscb  G;  ivdescbe  K  20  cristonnammen  55,5 
cristonner      24  ungedöfeten       25   das   beschult]   dis  beschult       28   cristenbeite       30 

18* 


268  STRAUCH 

güden  34  geggewertig  56,  4  gnden  21  geuebet  seheint  von  anderer  hanü  ge- 
bessert in  geubet      29  cristonlicher  oder  cristenlicher     58,7  sündengen!     10  gungensten 

29  dünt       59,  20    meinnent       27    denne       60,  3    mähte       6    einne       12.   14    beren 

14  gestünde      61,7  tbettbe      9  körcen      62,  8  underworfenner      25  wor      63,  4  beser 

15  smachkeut  28  cristenheite  33  fürlesschen  64,20  follebrot  22  —  65,5  rot 
27  hebbe"t  65,1  (bl.  25 a)  den  hehensten,  den  unsicher,  da  im  Seitenbeginn  ab- 
geblichen 4  figgvnden  8  wille  geherret  9.  32  nattfire  10  nun  11  beren 
herende  19  du  [do]  mittbe  meinnest  25  lietber  66, 1  fürnümft  3.  4.  7  mögest 
5  du  [do]  for  14  obenan  23  withen  28  worthen  67,  5  dründer  13  nüt  fehlt 
GS  15  cristenheithe  19  dinue  m.  nattfire  68,  8  die  menschen  zweimal  20 
wolle!  21  nit  noch  gar  G;  noch  fehlt  K;  mit  fehlt  S  28  wonnede  30  leewe 
69,  12  nattfiren  15  gar!  16  feggefür  19  stiinde  70,  3  alsvs  9  meinnet 
21  ruwen  28  Wiegender  lutselger  G;  lütseliger  K  71 ,  15  swinde  24  nattfire 
31  serclichhen  citben  72,  24  irre  25.  27  gebunden  28  gebunden  29  gunge 
73,5  einne  21  samment  24  entäte  GS;  tete  K  28  gestosen  74,17  das  22 
gesihte  23  irre  75,1  were  6  sehe!  22  grfiwelich  26  gebunden  27  ge- 
bunden      anzfisehhende       76, 2  grfiweliche       5  megest      8  bettbe       10  ufvnthaltben 

16  bese  17  lüccefer  gebunden  21  zümöle  23  gedanked  24  ufvnthalthent 
31.  34  vber  77, 6  gar  wol  hekennede  18.  27  nattfire  78,  7  nattfire  19/~y. 
natturen  32  hfiffe  79,10  kfint  12.  16.  17.  25.  32  natturen  usw.  13  einigestest! 
31  bist  32  gebrfihent  80, 15  uebberwindeu  81, 1  köment  16  felse  82,  23 fg. 
erschricket      83,  3  angel      9  irre      25  hetthent      84,  2  beser      10  an  dir  »5     24  zfi 

30  dire  31  fegefür  87,27  grüwellich  28  strenge  88,15  fliend  K;  schloff  mm] 
schlichen  S  16  löffet  23  erbeithe  24  firden  89,  7.  30  firden  25  guttlicher 
26  dirthe!  90,1  foliebringen  2  gedanked  10  du  [do]  for  18  grüben  31  du 
91,  17  genumenen  23  gehebet  92,13  Ursprünge  18  mid  23  wisse  33  anne- 
genhmmennen  34  gelossenbeithe  do  solt  du  w.  93, 3  wrked  5  wolthest  10 
diene  14.  19  heimmellichen  16  firsprunc  24  ungeuebethe  27  geloshenheit 
29.  30  hethe  94, 6  gelossenheit  8  gelossenbeithe  9  firde  14  dirre  m.  19 
fünfthen  95,  14  wonde  23  feststen !  26  einen  29  habbe  96, 18  sint]  blibeut 
19  miunes  25  unstettekeit  32  bliccende]  snell  und  gering  K  97, 27  minnes 
98, 19  dir6  101, 16  vber  20  hetthe  23///.  lihtfar  25  die  ich  for  er  for,  ich 
for  ausgestrichen  2?)  fg.  subbende!  102,5  fan  in  hau  wulthe  7  liehtfar  9  habbe 
12  urlüthet  mid  20  klimmen  103,  1  uebbele  2  furlirre  5  hebbet  7  lihtriche 
23  du  mfist  noch  106,  21  unce  107,  1  muesent  8  Strosse  10  uutrüuuent  16 
ingebligked  17  driif  27  megent  108,  2  bekennende  13  rehtschüldige  14 
sehhen  16  ürluthentent !  111,  14  Hethe  26  vrstorben  32  glöben  112,  1  ur- 
storben  5  unbekenne  6  durc  12  vrlobet  20  liethe  31  züg  32  gelobet 
113.3  kurcen  6  ürlobbe  11  solte!  20  lüthende  22  gründe  gelossen  23 
suses  26  glöben  114,10  urschreckent  26  abber  30  wol  gewarthent  115,2 
minnent  4  werg  15  dunked  19  gebben  zwischen  sv  si  nochmals  das  über- 
geschrieben 26  umbe  kaut  29  wonnede  116,6  bund'tost  K  24  wist  nitt  S 
118,  17/2/.  uf  stunt  30  es  fehlt  119,5  ebbe  er  üt  an  10  haugeut  12  hohen 
nunden  16  beschöhe  28  hundernis  32  sieneu  aus  ursprünglichem  sinnen  ge- 
bessert,  doch  ist  e  nicht  ganz  sicher  und  vielleicht  nur  tilgung  beabsichtigt ,  so 
dass  sinen  ;u  lesen  wäre.  120,3  cristenheithe  12/r/.  grüdelosen!  122,32  nach 
sehhen  ist  mit  gleicher  tinte,  mit  der  das  ganze  gesehrieben,  ein  verweisendes 
hreux  (x)  gesetzt,  xum   \eiclien,   dass  hier  etwas  ausgefallen  ist;  ein  nachtrag  ist 


ZUR    OOTTESFRErXD- FRAGE  269 

in  der  jetzigen  gestalt  des  sog.  autographs  nicht  vorhanden,  doch  mag  bemerkt 
/eerden,  dass  das  diesem  (48.)  blatte  vorausgehende  (47.)  wie  folgende  (49.)  Matt 
fehlt  und  nur  von  junger  hand  des  18.  jhs.  ergänzt  vorliegt.  Das,  was  Schmidt  in 
der  an/m.  s.  122  als  zusato  bezeichnet,  steht  in  sämmtliehen  hss.  und  drucken  des 
kürxeren  traetates,  Merswins  vorläge,  auch  in  GKmm  (123,  29  disi  hindrost  K); 
es  handelt  sielt  im  sog.  autograph  also  nur  um  einen  zufälligen  aus  fall,  herbeigeführt 
durch  homöotclcutou ,  der  nachträglich  ausgemerzt  werden  sollte.  Dass  dies  ge- 
schehen, lässt  sich  jetzt  nicht  mehr  feststellen.  123,8  ünhabbe  12  etthelicben 
13  unkrüthes  usgetthe  14/fy.  ürsprunc  19  urlost  124,9  lidden  17  werthe 
20.  24  liethes  26  freden  27  vrschrach  127,  20  lach  liethes  24  liethes 
128,  5  mine  meinunge.  miene  meinunge  7  urbarmende  22  liddendende!  25 
ueberswenkede  129,  32  gemeinnest  130,  7  für  wegenheith  16  uebbex  diese  22 
lietber  131,  21  vllerscheddelicbesten!  132, 16  gebesser!  19.  22  liether  33  wie 
gar  swerl.  133,  1  ürbermende  uebber  8  an]  in  15  gründe  20  mianes  25 
keinne  20  küre  cristüs  28  kinlicbe!  32  keinne  134,8  groste  27  kemme 
30  schritthet  31  marria  135,4  getrosten  5.  11  minnedes  15  iiach  dingen: 
wolte  übergeschrieben  136, 5  besserthe  15  gettbelicben  16  cristenbeite  20 
demmütikeit  22  lebbelichest  oder  lobbelicbest,  die  t inte  ist  ausgelaufen ,  vgl.  21,31 
und  lesa.  29  höbenthen!  137,10  gesehhet!  26  worensten!  138,14  geschriben 
29  schulde  139,26  minnedes  140,20  seewehthe,  wol,  weil  nicht  recht  verständ- 
lich, ausgewischt  141,7  nü  26  gar  unbek.  29  fregen  wol  eher  als  frogen;  fr. 
wolthe  über  ausgestrichenem  freggen  baut  142,  21  kürcen  22  ürzeget  sterbotthen 
143,3  fremme!  6  wrkede  10  wrked  14  einne  147,18  besserde  20  ammen 
21  diese. 


6.    Die  kürzere  textgestalt  und  Merswins  bearbeitung. 

Sorgfältige  vergleichung  beider  texte  vermag  einen  jeden  leicht 
davon  zu  überzeugen,  dass,  abgesehen  von  einigen  grösseren  excursen, 
inhaltlich  der  um  so  vieles  umfangreichere  text  Merswins  nicht  mehr 
bietet  als  die  kürzere  fassung.  Dass  diese  aber  nicht,  wie  gemeiniglich 
angenommen,  ein  excerpt  aus  Merswin  sein  kann,  erhellt  vor  allem 
auch  aus  dem  gründe,  weil  der  kürzere  text  dann  mit  besonderem  ge- 
schick  gerade  all  das  ausgemerzt  haben  müsste,  was  sich  bei  näherer 
Untersuchung  als  speeifisch  merswinisch  erweist.  Ich  verstehe  darunter 
die  Stileigentümlichkeiten  Merswins,  seine  phrasen-  und  formelhatten 
Wendungen,  wie  sie  neben  den  Neun  felsen  auch  die  Vier  jähre  sowie 
die  von  ihm  herrührenden  zusätze  zu  den  Schriften  anderer  aufweisen, 
der  sog.  Gottesfreund- Schriften  einstweilen  ganz  zu  geschweigen.  Gründe 
für  ein  solches  verfahren  lassen  sich  nicht  auffinden,  der  umgekehrte 
weg  allein  ist  verständlich.  Merswin  hat  den  kürzeren  traetat  für  seine 
zwecke  erweitert  und  mit  Zusätzen  versehen.  Die  folgenden  gegenüber- 
stellungen  werden  die  richtigkeit  meiner  behauptung,  so  hoffe  ich,  über 
jeden  zweifei  erheben  und  K.  Schmidts  (Das  buch  von  den  neun  felsen 


270 


s.  Vfg.)  und  anderer  auffassung  des  gegenseitigen  Verhältnisses  als  irrig 
erweisen. 


Diepenbrock. 

332,  22   darum  lasz  dich   ('hör  auf) 

und  schreib  an. 


333,  31  ich  bin  ein  armer  wurm, 
und  bin  nicht  würdig  deine  creatur  zu 
heissen. 

nach  339,  31  (s.  oben  s.  241):  Diß 
sint  alle  prelaten  gaistlich  und  weltlich  *S'; 
in  MPW  als  Überschrift  von  allen  pre- 
laten gaistlich  und  weltlich. 


352,  18  und  die  beichtiger,  die  mit 
diesen  (weltlichen,  sündhaften)  frauen  lieb- 
kosen und  ihnen  das  gestatten,  die  fahren 
denselben  sorglichen  weg. 

353,  7  wer  die  heilige  ehe  hielte  als 
sie  von  gott  aufgesetzt  ward,  dem  wäre 
es  eine  Stärkung  der  seele  und  des  leibes, 
denn  gott  ist  nicht  ein  Zerstörer  der  natur, 
sonderu  er  vollbringt  sie. 


353,  15  und  ist  es  nicht  mit  den 
werken,  so  doch  mit  andern  weisen,  es 
sei  Wandlung  oder  Übung  inwendig  oder 
auswendig. 

353,  29  und  in  vil  hundert  jaren 
wurden  die  leut  niht  so  böse  als  si  nun 
sind,  wenn  die  Kit  sterbent,  die  sich  nit 
geübet  hant  an  gütlicher  minne,  wie  süllen 
die  lernen  (got)  minnen  so  der  tod  kompt: 
so  int  der  teufel  alle  seine  kraft  darzu 
Über  alle  weil!,  wie  er  den  menschen 
verderb,  und  er  liebt  im  alles  sein  to- 
rechtes leben  als  greulich  für,  daz  der 
menschen  wunderlich  vil  verzweifeint  und 
die  menseben  werdent  verlorn  an  den 
man  groli  ding  getrawet. 


Merswin. 

5,  30/'<jg.  dofan  lo  dich  diese  dinc 
nüt  wnder  hau,  und  foch  an  zfi  schri- 
bende  und  lo  das  mit  umbe  keiner  bände 
Sachen  willen. 

8,  21  fg.  ich  —  bekenne  das  wol,  das 
ich  nüt  wrdig  bin  das  ich  diu  armes 
wrmelin  heisen  sol. 

19,  IG  dis  sage  ich  dir  nüt  alleine 
von  den  bebbesten,  ich  sage  dir  und  meine 
öch  alle  die  grosen  höbet  die  in  der 
cristenheit  ie  wrdent,  si  werent  geislich 
odder  weltliche.  Es  ist  undenkbar,  dass 
Merswins  text  Verkürzung  erfahren  haben 
sollte. 

46, 29  dirre  falschen  liebekosenden 
bihther  ist  manniger  gefallen  in  den  ewigen 
dot  und  die  bihtho  dochther  das  fürlosene 
wip  uffe  den  bihther. 

51,  30  wer  der  mensche  were  der  die 
heilige  e  stette  hüte-  noch  der  ordenunge 
also  si  ufgesat  ist,  wer  der  mensche  were, 
er  solte  fere  sterker  sin  denne  der 
mensche  der  noch  allen  sinnen  mütwülen 
lebbet;  du  solt  wissen  das  got  nüt  ein 
zursterer  der  natturen  ist,  got  ist  ein 
l'ollefüror  liebes  und  seilen  den  men- 
schen die  noch  sinnen  willen  lobbent. 

52, 13  fgg.  sint  si  nüt  mit  der  gethot 
beflecket,  so  sint  si  abber  mit  dem  willen 
beflecket. 

In  dem  umfangreichen,  auf  353,  29 
folgenden  selbständigen  wsato  54,1  bis 
58,8  ist  dieser  passus  von  Merswin  in 
einer  weise  ausgesponnen  /forden,  die 
jede  möglichkeit,  dir  kürzere  traetat  sei 
mir  /in  exeerpt  aus  Merswins  text,  aus- 
sehliesst;  vgl.  54,  14— IG.  57,8  —  11.  30. 
58,1. 


ZUR    GOTTESFRErXD  -  FRAGE 


271 


Genau  so  ist  das  Verhältnis  zwischen  388,11 — 21.  27 — 29  und 
Merswin  141,6 — 143,13.  Die  sätze  des  kürzeren  tractates  sind  mosaik- 
artig einem  grösseren,  von  Merswin  herrührenden  passus  einverleibt 
worden,  vgl.  141,  17—  20.  22 fg.  28  — 142,  1.  142,  18  —  22.  29 fg.  31  fg. 
143,5 — 7.10  — 13;  unmöglich  konnte  aus  Merswins  text  der  text  bei 
Diepenbrock  als  excerpt  hervorgehen. 


Diepenbrock. 

354,  lQfyg.  nun  sich,  wie  schwerlich 
die  leute  verfallen  sind  in  den  pfuhl  der 
unkeuschheit,  der  hoffart  und  der  geitzig- 
keit,  Sünden,  die  got  sonderlich  hasset, 
denn  sie  sind  eine  Ursache  neides  und 
hasses  und  gemeinlich  aller  andern  Sünden. 


355,5  lautet  die  Überschrift  i/um 
zweiten  teil  Hier  hebt  sich  an  zu  reden 
von  den  neun  felsen.  Es  mag  niemand 
zu  gott  kommen,  er  habe  denn  wohnung 
auf  diesen  felsen. 

371,17  Der  mensch:  ach,  was  meint 
das,  dass  diese  lieben  menschen  nicht 
vorwärts  gehen? 


Die  antwort:  das  ist,  dass  sie  der  natur 
heimlich  gesuch  und  ihre  niedrige  be- 
gierde  nicht  zu  grund  abgelegt  haben; 


denn   dies   wäre   ihnen  gross   not   zu   er- 
kennen und  auch  abzulegen. 


373, 25  Wie  sollten  der  menschen 
viele  sein?  du  siehst  doch,  dass  derer 
gar  wenige  sind,  die  dieser  zeitlichen 
natürlichen  dinge  sich  durch  gott  gänzlich 
entschlagen  (verzihen)  und  sich  darin 
lassen  (?)  und  sich  lauterlich  iu  der  wahr- 


Merswin. 

61, 13  sich  wie  gar  sere  und  wio  gar 
fil  imd  wie  gar  diefe  die  cristenheit  ge- 
fallen ist  in  den  pffil  der  unkiischekeit 
und  in  den  pffil  der  gritikeit  und  in  den  pffil 
der  hoffart  und  in  den  pffil  des  nides  und 
des  hasses.  du  solt  wissen  das  diese  sünden 
got  sünderlinge  hasset,  und  ist  das  sache 
das  usser  diesen  sünden  küment  das  meiste 
deil  aller  sünden. 

64,  27  Nu  hebbet  hie  an  von  dem 
eisten  felse  zu  reddende;  es  mag  och 
nieman  zu  gotte  knmen  er  habbe  denne 
eine  wonunge  uffe  dieseme  ersten  felse. 
Merswins  gedanhen  eilen  hier  voraus, 
vgl.  D  356,16  =  Merswin  66,28  fgg. 

100,21  Der  mensche  sprach:  sage 
mir,  herzeliep  mins,  wie  kumet  es  oder 
was  ist  der  gebresten,  daz  dise  guten 
menschen  iu  daz  fegefür  müsent?  (in 
Übereinstimmung  mit  84,  25  fg.  87,24/*/. 
92,  Ufg.  97,21.) 

Die  entwurte  sprach:  daz  wil  ich  dir 
sagen,  die  Sache  ist  daz  dise  menschen 
der  naturen  heimelichen  gesuch  noch  nüt 
zfi  gründe  hant  geleret  bekennen  noch 
och  nüt  zu  gründe  hant  abegeleit. 
Der  mensche  sprach:  ach  herzeliep  mins, 
wie  wer  daz  eine  so  grose  notdurft  daz 
ich  und  alle  menschen  der  naturen  heime- 
lichen gesuch  lertent  bekennen  und  es 
och  denne  ürvolgetent  mit  demme  lebende. 
105,  13  sage  mir,  wie  sulte  dirre 
menschen  vil  gesin?  du  sist  doch  selber 
wol  daz  men  gar  lüzel  menschen  findet 
die  sich  dirre  zittelichen  natürlichen  dinge 
ein  ganzes  stettes  fürlöken  wellent  haben 
irrne  gotte  alleine  zu  eren;  sage  mir,  die 


272 


heit  verleugnen  wollen,  ihrem  gott  zu 
ehren,  und  wie  sollten  denn  die  men- 
schen immer  dazu  kommen,  dass  sie  sich 
geben  könnten  in  ein  ganzes  wahres  ver- 
leugnen dessen,  das  da  ewig  ist  und  un- 
ermesslich  und  unaussprechlich? 

378,  38  man  soll  deshalb  nicht  wun- 
der nehmen  viel  dinges,  das  hier  steht 
mit  bilden,  denn  man  wüsste  anders  nicht, 
was  es  wäre;  man  könnte  es  auch  nicht 
verstehen,  gott  ist  ein  so  grosses  gut, 
dass  kein  menschlicher  sinn  ihn  begreifen 
mag. 

381, 23  das  sind  die  verborgenen 
heimlichen  werke  gottes,  die  niemand  zu- 
gehören zu  wissen,  warum  er  aber  so 
ungleich  diesen  edlen,  lieben  menschen 
tut?  das  ist  darum,  weil  er  wol  weiss, 
was  einem  jeglichen  zugehört  und  ihm 
gut  und  nütz  ist. 


351, 10  ich  meine  nicht  gute  ehrbare 
trauen,  deren  man  noch  viele  findet  in 
zucht  und  in  ehren,  sondern  ich  meine 
die  weiber,  die  sich  der  weit  annehmen, 
sie  heissen  geistlich  oder  weltlich,  und 
der  gefallen  wollen  in  worten  und  in 
werken,  in  kleidern  und  in  gebärden,  und 
darauf  mehr  ihren  fleis  setzen  denn  an 
gott,  und  geben  ihre  zeit,  ihr  herz  und 
ihre  gunst  den  creaturen,  die  sie  weit 
mehr  zu  erfreuen  und  zu  betrüben  ver- 
mögen als  gott.  die  weiber  sind  rocht 
worden  zu  einer  teuflischen  höllischen 
mördergrube  und  die  gute  gottes  erträgt 
sie  und  verhält  sich  gegen  sie  zuwartend 
und  langmütig,   und  es  hilft  alles  nichts. 


menschen,  die  denue  in  deme  zitlichen 
ein  ganzes  fürlocken  nüt  niögent  haben, 
wie  soltent  aber  die  menschen  ie  mer 
derzü  komen  daz  si  des  ewigen  lidig 
stündent? 

116,21  ich  weis  wol  daz  ez  vil  un- 
verstandenne  menschen  wurt  wunder  ha- 
bende, aber  wo  fürstandenne  götteliche 
menschen  sint,  die  merkent  wol  das  men 
die  ding  mit  bilden  müs  zubringen,  an- 
ders der  mensche  wüste  waz  ez  were, 
wenue  got  ist  zu  gros,  kein  menschlich 
sin  mag  sin  nüt  begriffen. 

121,  27  waz  ist  dirre  meinuugen  daz 
du  dise  menschen  —  also  gar  ungeliche 
in  den  Ursprung  sehen  lost?  Die  ent- 
würfe sprach:  do  solt  du  mit  noch  frogen, 
ez  gehurt  dir  och  nüt  an  zu  wissende, 
wenne  es  ist  ein  heimeliche  fürborgen 
götteliche  werc,  und  du  solt  es  der  or- 
denunge  gottes  billich  bevelhen,  wenne 
got  der  weis  wol  und  bekennet  wol  waz 
eime  iegelichen  menschen  zugehört  und 
och  waz  ime  nüzze  und  gut  ist. 

43,  28  das  wil  ich  nüt  widder  redden, 
men  finde  noch  gute  wibesnamme,  abber 
wie  fil  der  ist  das  weis  got  wol  der  alle 
dinc  weis,  ich  wil  dir  sagen ,  so  ich  zu 
dir  redde  von  wibesnamme  so  meinne  ich 
nüt  alle  wibesnammen,  ich  meinne  die 
wibesnammen  die  sich  der  weite  annem- 


ment  und  me  besorget  (s.  44)  sint  wie  si 
der  weite  gediennent  denne  gotte  und  me 
cit  und  stunden  der  weite  gent  denne  gotte. 

ich  wil  dir  sagen,  wibesnamme  ist  in 
diesen  serclichen  geggenwertigen  citen 
worden  zu  einer  düfelschen  hellenschen 
mortgrnben.  Hierauf  bittet  der  mensche 
für  sie  um  erbarmen.  Die  entwrte: 
weshalb?  du  sist  doch  selber  wol  das  er 
in  alles  das  fürhenget  und  fürtreit  das  si 
in  diesen  citen  fürbringent  und  dünt. 
Hierauf  abermalige  bitte   am   erbarmen 


ZUB   G  i  ITTESFBEUND  -  FRAGE 


273 


tinter  berufung  auf  so  manche  offne 
Sünderin.  Die  entwrte:  das  ist  wol  war, 
abber  die  offene  sünderin  sündete  in  groser 
fortke  und  kam  och  zu  rfiwe  und  zu 
bihthe;  aber  ich  wil  dir  sagen,  dise  f reffein 
wip  die  wellent  biddenve  wibesnammen 
beisen,  abber  du  solt  wissen  das  ir  fi.1  in 
diesen  citen  uf  ertliche  ist  die  gottes 
lichomen  alle  ior  enpfohent  (vgl.  oben 
s.  245  zu  351,  IS  fgg.) ,  die  gotte  fil  un- 
genemmer  sint  denne  etteliche  offene 
siiuderin ; 

und  du  solt  wissen  das  die  selben  freffeln 
wibesnammen  demme  tbüfele  ferre  weger 
und  lieber  sint  denne  etteliche  offene  Sün- 
derin, und  ist  das  die  sacho  das  si  inime  me 
rotes  und  nucces  schaffent  denne  etteliche 
offene  Sünderin.  Hierauf  abermals  bitte 
um  erbarmen  und  antivort  darauf 
(44,27—30),  dann: 

Inge  umbe  dich  und  nim  war  wie  gar 
scbentlicbe  und  wie  gar  schem meliche 
und  wie  gar  unküschekliche  wibesnamme 
in  diesen  citen  gont  mit  irme  gewande 
und  mit  allen  iren  geberden. 

45,1  —  30. 

45,  31  —  46, 15  h  handt  In  neben  phra- 
senhaften widerholungen  diu  lehrbegriff 
der  todsünde. 

46,15  —  47,15. 

47.  15  —  48,  18  über  unaufrichtige 
beichte,  fahrlässige  beichtväter  und  sünd- 
haften empfang  des  sacratuentes. 

48,18  —  30. 

48,  30  —  51,  7  knüpft  an  an  die  kurze 
bemerkung  des  ndl.  textes:  hoe  sorglick 
is  het  dyn  lychaem  't  ontfangen.  —  het 
en  is  niet  sorghlick  voor  die,  die  hun  te 
gronde  gelaten  hebben  und  handelt  aus- 
führlich über  würdigen  und  unwürdigen 
empfang  des  abendmahls. 

Und  so  lassen  sich  noch  manche  andere  abweichungen  bei  Mer- 
swin  ungezwungen  nur  erklären,  wenn  wir  seinen  text  als  bearbeitung 
des  kürzeren  traetates  anerkennen.  Ich  verweise  dafür  noch  auf  die 
lesa.  zu  359,5.  375,9.  384, 5fg.  oben  im  zweiten  abschnitt. 


sie  wollen  ehrsame  weiber  heissen, 


und  sint  oft  gott  unwerther  dann  gemeine 
offne  sünderinneu,   denn  die  sündigen  in 

furcht  und  ängsten  und  nicht  mit  frevel, 
wie  diese  tun.  sie  sind  dem  teufel  viel 
lieber  denn  die  gemeinen  weiber,  denn 
sie  sind  ihm  viel  nützer. 


sich  an,  wie  recht  unkeuschlich  und 
schämlich  sie  nun  gehen  vor  allen  mannen, 
was  dann  351,24  —  31  des  breiteren  aus- 
geführt wird,  u.  a.  muh  betreffs  der 
Meidung  und  sonstigen  gebahrens. 
351,31  —  352,12. 


352,12  —  26. 


352,  26  —  30,  vgl.  oben  s.  24.".  ;u  352, 
28.  30. 


274 


Für  ein  solches  abhängigkeitsverhältnis  spricht  auch  die  unklare, 
ja  unverständliche  ausdrucksweise,  zu  der  Merswin  gelegentlich  durch 
seine  Zerfahrenheit  und  redseligkeit  verführt  wird,  während  die  kürzere 
fassung,  der  fälschlich  sog.  'auszug'  einen  einwandsfreien  text  bietet. 


Diepenbrock. 

334, 30  fg.  dass  die  grossen  wasser 
ausflössen  in  das  hocligebirge,  und  da  sie 
oben  ankamen,  da  fielen  sie  über  die 
hohen  felsen  nieder  zu  tal. 

301,32/)/.    und    welche    da    blieben, 


Merswin. 

10,  BSfgg.  das  die  grosen  wasser  do 
us  flüssent  und  das  hohe  gebirge  uebber 
abbe  flos  (!)  und  fiel  (!)  ueber  die  grosen 
hohen  felse  ueber  (!)  abbe  zu  dal.  Vgl. 
oben  s.  267  lesa.  zu  11,  Ifgg. 

81, 1  und  welle  menschen  obbenan 
die  waren  so  klar  (splendidi  /<),  dass  er  uffe  den  andern  fels  koment  und  duffe 
sie  nicht  ansehen  mochte.  blibbent,    die   mehthe    dirre  mensche  an 

stette  nümme  gesehen,  abbe  dirre  ge- 
siebte nam  dirre  mensche  gros  wnder. 
Ich  zweifle  nicht,  dass  nur  Merswins  flüchtigkeit  die'  worte  die 
waren  so  Mar  übersehen  hat;  auch  mit  der  ausdrucksweise,  sich  über 
ein  gesiebt  wundern,  das  wenigstens  z.  t.  darin  besteht,  dass  man  etwas 
nicht  sieht,  wird  man  sich  abzufinden  haben.  Nach  dem  kürzeren 
traetat  nimmt  der  glänz,  der  die  bewohner  des  zweiten  felsen  umstrahlt, 
dem  begnadeten  die  Sehkraft. 

Diepenbrock.  Merswin. 

384,  ifgg.  und  da  deine  seole  in  die  127,19,%/.    do    diene    seile    in    die 

hohe  schule  kam,    da  sah   sie,    dass  die  schule  kam  do  sach  si  das  die  schule  vol 

hohe  schule  alle  voll  briefe  war,   und  es  briefeliu  lach,  die  alle  fol  gewoije  liethes 

waren  diese  voll  wahren  lichtes  und  unter-  underscheides    atmestönt    (!?    vgl.    x.    22 

schieds,    vgl.   übrigens    die    lesarten    im  annegesach). 
zweiten  abschnitt  oben  s.  253. 

Dem  gegenüber  sucht  Merswin  durch  kürzung  über  stellen  seiner 
vorläge  hinwegzukommen,  mit  denen  er  sich  nicht  recht  abzufinden 
weiss,  wol  weil  ihre  Überlieferung  nicht  fehlerfrei  war;  auf  text- 
schwierigkeit  weist  manches,  indem  der  Wortlaut  der  uns  erhaltenen 
handschriften  oft  stark  divergiert;  der  druck  von  1482  lässt  geradezu 
lücken  im  satz.  Selbst  wenn  der  grund  anderswo  gesucht  werden 
müsste:  dass  der  sonst  kürzere  text  nicht  aus  dem  Merswins  hervor- 
gegangen sein  kann,  darüber  lassen  folgende  stellen  keinen  zweifei. 

Diepenbrock.  Merswin. 

344,  12 fgg.  wie  das  sy  es  nicht  tiint  29,  14    wie  das    si   es    mit    mit    den 

mit  den  werken  auswendig,  so  volbriugent       werken    follebringeut,    so    diint    si    abber 
3    sy  doch  grosse  unkeusche  in  manigor  band       grose  unku.se  sunde 


3  doch  fehlt  W;  grosse  fehlt  S;  unkeuscheit  mSWab 


ZUR    GOTTESFREUND  -  FRAGE 


275 


weyse  in  den  sinnen  mit  frönibder  minne 
und  begirde  und  mit  dem  willen  und  ge- 
beut sich  in  die  creaturen  und  minnent 
dye  creatur  für  got  und   verunkeusckent 

5  sieb,  vor  got  und  auch  mit  hoffart  der 
kl  eider  und  in  hoffertigem  weltlichem 
gelässe  in  worteu  und  in  freuntschaft 
der  leute,  und  auch  mit  verporgen  haim- 
lichen  sünden,    von  den    man  nicht  wol 

LO  getarr  gesch reiben;  die  es  sind,  die  wys- 
send  wol  was  ich  maiue. 

344, 22  wisse  auch ,  das  die  recht 
s trau II  eines  inwendigen  götlichen  ernstes 
und  lauterlieh  ploß  gott  meinen  und  min- 

.5  nen  gar  zu  einer  eytelkeit  ist  worden 
uuder  in.  göttlicher  heimlicheit  als  etwan 
was,  der  ist  under  in  gar  vergessen  und 
ze  mal  nider  gevallen. 

345,  10    und    sihe   wie    der   heyligen 

X)  cristenheit  gut,  dar  umb  got  sein  bluot 
vergossen  hat,  wie  das  under  in  verzert 
wirt.  das  für  der  lewte  sei  stat,  und  sy 
in  dem  fegfewer  müssendt  brinneu,  wie 
das    verstau    wirt    von    geystlichen    und 

!ö    weltlichen. 


und  sich   von   in  allen,    wie    vil   sy   irer 
wirdigkeyt  und  irer  eren  achtent  und  sich 


mit  dem  willen. 


so  sündet  ir  ein  deil  mit  hoffertigen  un- 
küschen  cleider  und  mit  hoffertigen  un- 
küschen  geberden, 

so  sündent  ir  ein  deil  mit  heimmellichen 
fürborgen  sünden,  von  den  sünden  men 
nüt  wol  gethar  geschoben,  die  es  do  sint 
die  wissent  wol  was  ich  meinne. 

29,  23  du  solt  wissen  das  die  rehthen 
stroseu  eins  indewendigen  gettelichen 
lebbendes 


sint  gar  sere  faste  zurfallen  und  fürgessen 
in  den  frowenclostern. 

30,  23  lüge  umbe  dich  und  sich  au 
daz  also  rehte  lüzel  und  also  rehte  wennig 
gottes  goben  wurt  gebruht  und  fürton 
noch  rehter  gottelicher  ordenungen  also 
ez  uf  ist  gesät,  lüge  umbe  dich  und  sich 
an  daz  also  lüzel  und  wennig  gottes  goben 
lidig  werdont,  do  werdent  alles  criege 
und  unselde  us;  lüge  umbe  dich  und  sich 
an  wie  gar  alle  ordenunge  sint  fürgangen 
und  umbe  sint  gekeret;  lüge  umbe  dich 
und  sich  an  was  eren  die  priester  selber 
priesterlicher  wurdekeite  bietent,  und  Inge 


1  liebe  Wb  2  und  fehlt  m;  vnd  am  xeilenschluss ,  dann  im  beginn  der  neuen 
xeile  räum  für  drei  /forte  gelassen,  hierauf  Vnd  mit  d.  w.  a  begirde  fehlt  m; 
nach  begirde:  der  klaider  aasgestrichen  P;  genüge  de(r)  claider  S;  genüeg  TT';  mit 
unrainen  gedencken  b  und  fehlt  S  dem  fehlt  S  3  in  die  creaturen  bis  5  sich 
durch  homöoteleuton  ausgefallen  MP  in  die]  den  mab  nement  mWab  4  für 
got  fehlt  mWab  5  auch  fehlt  S  nach  mit  am  teilenschluss  and  xeilenheginn 
räum  für  vier  worte  gelassen  a  hoffart]  begirde  MP;  genüegte  S;  genüeg  W; 
reden  uud  mit  üppigkait  b  7  gelisten  mit  w.  S  8fg.  mit  h.  sünden  die  verborgen 
seind  mPSWab  10  tarr  W  schrillen  MS  12  w.  daz  auch  .1/  14  luterkait(!)  S 
minnent  MP;  minnende  S;  meine  a  l±fg-  mainent  MP;  mainde  S;  lieben  Wb 
15  ist  gar  —  worden  MPW;  gar  zu  e.  e.  ausgefallen,  was  aber  durch  ein  kreuz  au- 
gedeutet ist  S  faulkeit  ab  worden]  komen  ///  IG  under]  vn  W  in  fehlt  S 
in  g.  heiml.  ab  als  fehlt  S  etwan  vor  Zeiten  TT"  17  geschach  und  was  S  gar 
fehlt  in  17  fg.  zu  maul  under  inen  verg.  gar  und  zu  m.  n.  g.  S  20  gut  umb  das 
ab  21  hat  verg.  MP  wie  das  fehlt  b  22  wurt  M  da  W  23  br.  und  braten 
MP      24  und  von  Wob       26  in  fehlt  M;  in  a.J  a    pfaffen  S       27  irer  fehlt  S 


276 


15 


20 


30 


35 


darnach  haltendt  und  wie  got  geminnet 
und  gemainet  wirt  so  wenig  ze  grund  in 
allen  iren  wercken ,  in  thftn  und  in  laussen, 


wann  aller  gütlicher  ernst  ist  zemal  in  in 
vergangen  und  vergessen  und  darzft  ist 
in  ze  allem  inwendigen  empfinden  als 
10  wenig,  als  es  sy  nicht  angange  und  ge- 
denkent  wenig  darnach, 


(346,1  Der  mensch.     Einiges  her- 
25    zenslieh,  das  lasz  dich  erbarmen!  möchte 
ich  darum  meines  herzens  blut  aus  meinen 
äugen  giessen,  das  tat  ich  gern.) 


345, 19  wann  sy  gedenkent  mer  nach 

grosser    kirchengült  wie    sy    der  vil    ge- 

40    winnen  und  wie   sy  groß  kunst  gewinnen 


umhe  dich  und  sich  an  wie  vil  der  priester 
mag  sin  in  disen  ziten  die  sich  selber 
nüt  findent  (s.  31)  minnende  noch  mei- 
nende und  die  ere  gottes  siichent  und 
och  meinende  sint  mit  allen  irme  tnnde 
und  mit  allem  irme  losende, 
du  solt  wissen  daz  rehtes  indewendiges 
gotteliches  ernesthaftes  lebendes  ist  gar 
sere  fürgessen  in  den  priestern.  Der 
mensche  sprach:  ach  herzeliep  mins, 
ich  getruwe  meu  finde  noch  gewore  er- 
lühte  priester  die  rehten  indewendigen 
eruest  hant.  Die  entwrte  sprach:  daz 
ist  wol  war,  ir  ist  aber  also  rehte  lüzel 
und  wennig  daz  es  onne  mose  ist;  und 
du  solt  wissen  daz  dirre  indewendigen 
wege  und  dirre  indewendigen  wisen  in 
den  priestern  also  gar  fürgangen  sint  und 
also  gar  fürgessen  sint.  daz  ist  och  die 
sache  daz  men  also  luzel  priester  findet 
in  disen  ziten  die  geheiliget  sint,  also 
hievor  vil  beschach,  die  grose  heiligen 
sint  vor  gotte  (vgl.  s.  20.  22.  29.  35). 
Der  mensche  sprach:  ach  herzekliches 
liepliches  liep  mins,  wonne  mohte  min 
herze  blöt  zu  den  ögen  usgiessen,  daz 
wolte  ich  gerne  tun  in  der  meinungen, 
daz  dise  indewendigen  wege  und  dise 
göttelichen  indewendigen  wisen  widerumbe 
wurdent  bekant  also  si  hievor  worent  be- 
kant.  Die  entwrte  sprach:  daz  solt  du 
wissen ,  daz  wer  wol  behalten  und  soltest 
du  den  bittern  strengen  schemmelichen 
tot  darumbe  lideu;  wenue  du  solt  wissen 
daz  dise  indewendigen  wege  und  wisen 
der  phafheit,  bede  geischliche  und  welt- 
liche, gar  fürborgen  sint  und  ist  die 
schulde  ir,  und  ist  daz  die  meinunge  das 
si  nie  noch  kunst  stellent,  domitte  si  ere 
erwerbent,  denne  si  stellent  noch  der  in- 


1  fgg.  wie  wenig  got  in  iren  herczen  zu  gr.  liebend  und  mainent  noch  in  iren 
wercken  S  so  w.  geliebet  und  gem.  wirt  W  geminnet]  geliebet  b  7  zemal 
fehlt  S  8  so  ist  S  9  in  —  inwendigen]  alles  gotliches  inwendiges  W  empfinden] 
Hiß  zu  gott  S  10  w.  gä'ch  S;  wenic  in  yn  W  alß  ob  Sb;  sam  ob  W  es  fehlt  W 
sy]  sollych  lewte  a  sie  semlichs  nichcz  W  angenge  m;  angehör  TT  38  mer 
fehlt  S  39  grossen  kirchen  und  güllen  S  der  fehlt  S  39  fg.  gewunnen  in  40 
und  —  gewinnen  ausgefallen  durch  homöoteleuton  m      gewunneu  P 


ZUR    GOTTESFREtTND  -  FRAGE 


277 


und  der  vil,  das  sy  grossen  schein  und 
ere  und  gut  davon  gewuunen  under  geyst- 
lichen  uud  weltlichen,  darauf  gat  ir  mey- 
nung  verr  nier  wie  sy  den  lewten  ge- 
vallen  denn  das  sy  darauf  gangen,  das 
sy  gewar  werden  und  schmecken  gottes 
und  seyner  inwendigen  geuade. 
darumb  nimmet  er  in  die  seihen  genade 
die  sy  hahent  und  gipt  sy  eynem  anderen. 


dewendigen  kunst,  domitte  si  den  heiligen 
geist  mohtent  erwerben,  ich  wil  dir  sagen, 
dovon  beschult  es,  so  die  phafheit  sich 
weret  dez  gottelichen  iufluses  der  inde- 
wendigen  gottelichen  gnoden,  was  tut 
denne  got?  ich  wil  dir  sagen,  got  der 
ist  also  mute  sine  gnode  zu  geude  und 
get  der:  die  selbe  gnode  die  si  hant  die 
nimet  er  in,    und   git    si   den   menschen 


die  vor  vil  gnode  hant. 
Wenn  Merswin  einigemal,  wie  es  den  anschein  hat,  richtiger  liest 
als  der  kürzere  tractat,  so  beweist  das  für  solche  fälle  eine  bessere 
vorläge  als  alle  uns  erhaltenen  fassungen  und  ohne  dass  sich  hier  mit 
Sicherheit  behauptungen  aufstellen  Hessen,  möchte  ich  doch  wenigstens 
der  Vermutung  räum  geben,  dass  z.  b.  Merswin  3,28  —  31  inhaltlich  in 
unserer  Überlieferung  des  kürzeren  textes  (nach  331, 22)  vielleicht  nur 
ausgefallen  sind,  dass  für  Merswin  4, 13fgg.  eine  von  unserer  schwer- 
lich ursprünglichen  Überlieferung  (331,34  s.  die  lesa.)  abweichende  les- 
art  als  vorläge  vorauszusetzen  sein  wird.     Vgl. 


Diepenbrock. 

331,21  Der  mensch,  ach  lieb  meines, 
soll  ich  noch  mehr  wunder  sehn,  so  fürchte 
ich,  ich  muss  meiner  grossen  krankheit 
entgelten. 


du  weisst  doch  wol,  dass  ich  allen  crea- 
turen  habe  Urlaub  gegeben ,  dir  (zu  dienen) 
in  rechtem  gehorsam  bis  in  den  tod  (nach 
MmSW). 

331, 33  Die  antwort.  du  sollst  her- 
nach empfinden  aller  dieser  dinge  (das 
soltu  befinden  hernach  von  wunder  a.  d.  d. 
S),  die  hernach  geschrieben  sind  (stond  S). 
Da  ward  der  mensch  zumal  krank  an 
seiner  natur  usw. 


Merswin. 

3,25  Der  mensche  sprach:  ach  herce- 
liep  mins,  müs  ich  denne  noch  nie  groser 
wnder  sehhen,  das  ist  ein  zeihen  das  ich 
ferthe  das  ich  minner  krancheit  engelte. 
Die  entwrte  sprach:  dun  uf  diene  inren 
ogen,  und  sist  gotte  gehorsam.  Der 
mensche  sprach:  ach  herceliep  mins,  des 
wil  ich  gerne  dun  also  fere  ich  mach, 
und  du  weist  doch  wol,  herceliep  mins, 
das  ich  allen  creaturen  habbe  urlop  gebben 
und  dir  alleine  wil  gehorsam  sin  unce  in 
minnen  dot. 

4,12  Die  entwrte  sprach:  das  solt  du 
schirre  befinden  was  got  mitte  meinet. 
Do  dirre  mensche  alle  diese  gesihthe  ge- 
sach  die  hienoch  geschriben  stont,  do 
wart  dirre  mensche  gar  zümole  kraue  an 
sinner  natturen  usw. 


1   und  der  vil  fehlt  muh       lfy.  groß  schinen   an  eren  und  an   gut  etc  S  2 

gewynnen  W       3  und  unter  w.  W       4  verr  fehlt  S;   vil  b       Afg.  gefielen  S  5 

giengen   S;   gen    W       6  wrden   S       und  versuchen  und   MP       und  schm.   g.]  des 

gütlichen   smacks   W      schmackten  S      Qfg.  g.  u.  seyner  L]   ir  inwendig   S      7  ge- 
naden  W      8  er]  gott  <S      selbigen  Ml'ab       9  gend  P. 


278  STRAUCH 

Gelegentlich  übergeht  Merswin  einzelheiten.  Wenn  sätze  im  kür- 
zeren text  (343,2.  344, 6 fg.  349,10.  387,28fg.  389,25  —  27)  bei  Mer- 
swin fehlen,  so  beweist  das  nicht  zusütze  in  der  kürzeren  fassung: 
vielmehr  hat  Merswin  sie  ausgelassen,  oder  der  verlast  mag  auf  rech- 
nung  der  directen,  in  diesem  falle  unvollständigen  vorläge  kommen. 
Auffallen  kann  höchstens,  dass  der  sonst  so  gern  rügende  Merswin 
32,  15  die  Schilderung  des  jetzigen  weltlichen  treibens  der  beginen 
(D  346,9  —  14)  oder  42,19  des  übervorteilen s  der  handwerker  (D  350, 
14  — 16),  ebenso  44,33  den  passus  über  das  unsittige  benehmen  welt- 
licher frauen  (D  351,24  —  31)  übergangen  hat. 

Auch  Umstellungen,  wie  Merswin  sie  hie  und  da  zeigt,  beweisen 
nichts  für  ursprünglichkeit  seines  textes  gegenüber  dem  knapper  ge- 
haltenen anonymen  tractat:  über  D  346,1  s.  oben  s.  276;  D  350,16.  17 
sind  bereits  42,2  —  4  vorweggenommen;  D  366,  32  —  36  =  Merswin 
91,3  —  6.  90,33  —  91,3;  D  368,36.  37  stehen  (95,  18 fg.)  schon  vor 
368,29;  380,13  —  16  sind  umgestellt  bei  Merswin  119,8—10.  1  —  3 
mit  Zusätzen,  die  zweifellos  als  erweiterung  aufzufassen  sind;  D  387,28fg. 
vor  24  —  28,  vgl.  Merswin  137,9—15.  5  —  9;  D  388,  9 fg.  stehen  inner- 
halb eines  grösseren  Zusatzes  schon  139,29 — -32,  obwol  man  sie  bei 
Merswin  erst  an  späterer  stelle  erwarten  sollte. 

Merswins  zusätze,  die  aber  selbst  wider  ihrem  inhalte  nach  oft  fremde 
gedanken  und  anschauungen  verwerten, lassen  folgende  kategorien  erkennen. 

1.  Im  ersten  teil,  dem  Rügenbuch,  hat  Merswin  in  den  capiteln, 
die  den  einzelnen  ständen  gewidmet  sind,  die  dialogform  häufiger  und 
strenger  durchgeführt  als  dies  in  seiner  vorläge  der  fall  war.  Das  ver- 
fahren, das  er  einschlägt,  ist  sehr  einfach.  Er  greift  meist  aus  den  äusse- 
rungen  der  'antwort'  die  eine  oder  andere  heraus  und  setzt  sie  in 
frageform  um,  damit  ist  dann  der  dialog  hergestellt,  aber  wir  müssen 
zugleich  auch  Wortschwall  und  lästige  widerholungen  mit  in  den  kauf 
nehmen,  so  dass  der  häufige,  wenn  auch  in  anderem  sinne  gemeinte 
ausruf  'wie  einfältig  ist  deine  frage!'  (s.  94.  99.  103)  hier  in  der  tat 
am  platze  wäre.  Auch  im  zweiten  teile  wird  auf  diese  art  frage  und 
antwort  noch  vervielfältigt.  Vgl.  23,  12fgg.  25, 17fgg.  26, 3fgg.  (z.  5 
folgt  abermals  eine  rede  des  'menschen'  ohne  dass  die  der  'antwort' 
vorhergegangen  wäre).  32,  17fgg.  33, 5fgg.  36, 27fgg.  39, 9fgg.  16fgg. 
43,  26fgg.  44,  4fgg.  lOfgg.  27fgg.  45,  6fgg.  52,  4fgg. -71,  15  — 18. 
74,34  —  75,5.  93,6—8.  97,6  —  9.  102,5—9.  106,14  —  16.  107,17—19. 
118,11  —  13. 

2.  Sehr  häufig  werden  die  durch  die  vorläge  gebotenen  gedanken 
weiter  ausgesponnen,  z.  b.  8, 18  — 26.  9,1—9.  10,  lfgg.  17, 11— 26  (die 


ZUR    GOTTESFREUOT)  -  FRAGE  279 

erwägung,  17,11 — 17  könnten  in  der  vorläge  Merswins  vielleicht  nur 
durch  homöoteleuton  —  stünde (n),  wie  gar  sercliche  es  stot  umbe  die 
cristenheit  11  fg.  17 fg.  —  ausgefallen  sein,  wird  man  mit  rücksicht 
darauf,  dass  der  ganze  abschnitt  stark  erweitert  ist,  besser  bei  seite 
lassen).  20,  21fgg.  Selbstverständliches  wird  weiter  ausgeführt  (61,21 — 23 
vgl.  D  354,  20  fg.).  Widerholungen  bis  zum  überdruss  sind  mannigfach 
zu  belegen:  13,11—13.  16,33  —  17,4.  30,12—15.  33,26  —  34;  beson- 
ders lehrreich  die  capitel  von  den  kaisern  und  königen,  von  den  her- 
zögen s.  34fg.  (vgl.  D  347).  36 fg.  (vgl.  D  347fg.);  44,4fgg.  27fgg. 
66,4  —  8.  68,34  —  69,2.  73,2  —  4.  79,20  —  26.  101,10  —  15.  106,30 
bis  107,2;  s.  109.  110  zu  beginn  des  neunten  felsens;  121,7 — 11. 
128,  2  —  24.  Ausserdem  zahlreiche,  nicht  gerade  nichtssagende,  im 
gründe  aber  doch  inhaltlich  unwesentliche  Zusätze  und  erweiterungen: 
26,3  —  12.  37,29  —  33  (vgl.  D  348,20  —  22).  67,26  —  34.  68,5  —  13. 
73,24fg.  78,13—25.  78,28  —  79,3  (vgl.  D  361,6  —  8).  82,32  —  83,6. 
84,4—17.  100,5  —  11  (D  371,10fg.).'  103,17—22.  111,6  —  8.  112,1 
bis  13.  114, 18 fg.  21fg.  (vgl.  133, 23fgg.).  114,23  —  28.  117,15  —  21. 
120,27—33.  122,1—5.  11—15.  123,2  — 9  (vgl.  122,  27  — 29.  29  —  31). 
126,1—3.  6fg.  127,1—13.  127,30—128,2.  129,12  —  20.  130,26  bis 
131,6.  6  —  8. 

3.  Ausser  einigen  kurzen,  selbständigeren  zutaten  (z.  b.  123,  11 
bis  13  --  nach  D  382,9)  oder  abweichungen  (23,1—5  vgl.  D  341,6 
bis  9;  27,18  —  23  statt  D  343,2)  kommt  nun  aber  eine  reihe  kleinerer 
und  grösserer  zusätze  und  excurse1  in  betracht,  die  in  ihrer  tenden- 
ziösen art  allein  der  Merswinschen  bearbeitung  ein  originelles  gepräge 
zu  geben  vermögen.  "Wir  müssen  bei  ihnen  deshalb  etwas  länger  ver- 
weilen. Zunächst  ist  zu  bemerken,  dass  Merswin  bestrebt  ist,  durch 
häufige  anspielimgen  seine  Vertrautheit  mit  der  biblischen  Überlieferung 
zu  bekunden.  Er  citiert  genauer  als  seine  vorläge  (25,  31  vgl.  D  342, 17: 
Joh.  5,14),  leitet  ein  biblisches  citat  besonders  mit  den  worten  ein: 
es  stot  doch  geschriben  in  deine  heiligen  eivangelium  31,33fg.  (vgl.  D 
345,28),  men  findet  in  der  helgen  sclirift  geschriben  55,12,  daz  evan- 
gelium  do  daz  wort  inne  stot  116,1  (vgl.  D  378, 31fgg.),  verstärkt 
durch  einen  zusatz  wie  in  der  alten  e  und  in  der  nüiven  e   51,  19fg., 

1)  Es  kommen  namentlich  die  folgenden  an  umfang  grösseren  zusätze  in  be- 
tracht: 6,  32— 7,  7.  26,24  —  33.  34,1  —  12.  37,25  —  28.  39,22  —  40,20.  41,3  —  27. 
45,33  —  46,15.  47,15  —  48,18.  51,22  —  28.  52,21-53,1.  54,1  —  58,8  (nach  D 
353,29).  58,19  —  60,30  (nach  D  354,5).  01,31  —  64,5  (nach  D  354,23).  91,6  —  17. 
93,26  —  94,8.  132,1  —  9.  13  —  15.  135,4  —  136,8.  136,16  —  33.  137,15—140,16 
(nach  D  387,29).  141,6  —  143,  13. 


280  STRAUCH 

oder  verwertet  für  eigene  gedanken  bibelsprüche  in  freierer  form 
(20,28  —  31  vgl.  Matth.  22,37.  39;  138, 19 fg.  vgl.  Matth.  16,20).  Er 
zieht  zu  ausgeführterern  vergleiche  biblische  personen  heran  wie  den 
propheten  Jonas  (62, 4fgg.),  Kaiphas  (10,12),  Maria  Magdalena  (134,  31  fgg. 
136,20  vgl.  Luc.  10,42),  Petrus  und  Paulus  (146,11.  14,  vgl.  Matth. 
17,4.  2.  Cor.  12, 2  fgg.;  s.  übrigens  117,3  =  D  379,14)  und  erinnert 
39, 34.  41, 3  mit  nachdruck  an  das  Schicksal  des  reichen  mannes  im 
evangelium.  Den  wert  der  heiligen  schrift  kennzeichnet  er  6,32 — 7,7 
mit  den  Worten:  wer  gegen  sie  rede,  der  rede  wider  den  heiligen  geist, 
aus  dem  sie  doch  geflossen  sei;  das  wäre  unser  christlicher  glaube 
(vgl.  dazu  auch  Meisterbuch  14, 14fgg.  25,  37fg.). 

Yon  dogmatischen  fragen  beschäftigen  ihn  vor  allem  beichte  und 
abendmahl.  Er  selbst  möchte,  wäre  es  seines  amtes,  keinem  die  beichte 
abnehmen,  um  nicht  den  leuten  die  Wahrheit  sagen  zu  müssen,  was 
ihm  natürlich  von  der  'antwort'  verwiesen  wird  (26,24  —  33).  Des 
längern  eifert  er  (47, 15  —  48, 18)  gegen  die  unaufrichtigkeit,  die  nament- 
lich die  frauen  jetzt  bei  der  beichte  an  den  tag  legen,  gegen  fahrlässige 
beichtväter,  die  dies  begünstigen,  überhaupt  ihren  beichtkindern  zum 
munde  reden  (74,4 — 13)  und  zumal  in  ehesachen  einer  laxen  auf- 
fassung,  einer  'falschen  glosse  und  lehre'  huldigen  (51,22  —  28),  gegen 
sündhaften  empfang  des  abendmahls,  dessen  bedeutung  und  wert  (48, 30 
bis  51,7)  eingehend  characterisiert  wird;  auch  hier  wider  mit  beson- 
derer bezugnahme  auf  die  frauen.  'Ihre  seelen  werden  nach  dem  tode 
schwer  dafür  in  der  hölle  zu  leiden  haben,  dass  sie  alle  jähr  des 
herren  leib  nahmen,  alljährlich  besserung  gelobten  und  doch  wider  in 
sünde  fielen.  Die  seele  wird  sich  selbst  das  urteil  sprechen  gemäss 
den  werken,  die  der  körper  vollführt  hat.  Der  reuigen  frau  möge 
gottes  leib  immerhin  gespendet  werden:  ihr  wird  er  zum  segen 
(ein  ewiger  ufanihalt)  werden,  wie  er  der  sündigen  zum  'ewigen 
schlage'  wird;  die  reuige  seele  wird  auch  aus  der  hölle  genommen 
und  ins  fegfeuer,  das  nicht  ewig  währt,  gesetzt  werden.'  Und  als  sich 
der  'mensch'  darüber  wundert,  dass  die  frauen  so  wenig  die  ewige 
hölle  fürchten,  erhält  er  zur  antwort,  Lucifer  wisse  sie  mit  aller  macht 
an  sich  zu  fesseln.  56,12  —  58,8  heisst  es:  'heut  fahren  viele  zur 
hölle.  Gottes  urteil  fällt  anders  aus,  als  die  meisten  es  wähnen.  Die 
seele  spricht  sich  selber  das  urteil.  Wie  viele  giebt  es,  die  heut  oft 
jahrelang  nicht  zum  abendmahl  gehen.  Sind  das  Christen?  Sie  heissen 
wol  so,  aber  sie  sind  es  nicht.  Selbst  am  lebensende  schieben  sie  es 
noch  auf,  weil  sie  meinen,  wider  gesund  zu  werden.  Sie  haben  eben 
niemals  liebe  zu  gott  gehabt  und  so  auch  jetzt  nicht.    Werke  aber,  die 


ZUR    GOTTESFREUXD  -  FRAGE  281 

ohne  liebe  geschehen,  gelten  wenig  vor  gott.     Erst  zu   allerletzt  ver- 
langt   der    sterbende    nach     gottes    leib     und     dann     meinen    freunde 
und  beichtiger,  nun  werde  er  wol  fahren.     Sie  irren  aber:  ein  solcher 
hätte  es  besser  unterlassen.     Nicht  reue,  sondern  angst  und  furcht,  die 
sorge,  freunde  und  gut  zu  verlieren,  haben  ihn  schliesslich  zum  sacra- 
ment  geführt,  und  allerlei  sonst,   was  ihm  der  teufel  vorhält,   damit  er 
ihn  bedränge,  so   dass  er   ohne   alle  göttliche   liebe  stirbt.     Da  er  im 
leben  wenig  liebe  zu  gott  hatte,  so  weiss  er  beim  tode  weder  was  gött- 
liche liebe  ist    noch    ist  er    sich    der   bosheit  und  Verschlagenheit  des 
teufeis  bewusst  geworden.     So   ist  mancher  in  Verzweiflung  dahin  ge- 
gangen.  —    45,33 — -46,15    widerlegt  Merswin   den    aussprach    einiger 
1 ehrer,   die   da   sagen,    totsünde   begehe  nur  der,    der  wissentlich,    mit 
absieht  sündige;  sonst  gelte  der  satz:  was  ich  nicht  weiss,  das  schadet 
mir    auch    nicht  (ebenfalls   54, 2 fg.),    indem   er    die   frage   entgegenhält, 
weshalb  hätte  gott  uns  dann  Vernunft  und  Urteilskraft  gegeben?    Heute 
aber  —  auch  diese  stelle  findet  sich  in   dem  weit  ausgesponnenen  ca- 
pitel  über  die  frauen  —  leben   diese  nur  nach   eignem  willen,  wie  es 
ihnen    passt,    ohne    Überlegung.     Dieser    eigenwille   ist    es,    gegen    den 
Merswin   auch   sonst    zu  fehle  zieht,    er  ist   unser  grösster  feind,    wir 
wollen  nicht  gottes  sein  (34,1  — 12).     Wol  ist   es  Christenglaube,   dass 
Christus  seinem  himmlischen  vater  gegenüber  den  eigenwillen   aufgab 
bis  in   den  tod,    der  teufel   aber  sucht  in   uns  diesen  glauben  zu  er- 
schüttern  und    bestärkt   uns    in  unserm    eigenwillen   (91,6—17).      Die 
aufgäbe  alles  eigenwillens  und  wahre  gottergebenheit  sind  es  auch  ge- 
wesen,  die  gottes  mutter  über  alle   engel  und  heiligen  erhoben  haben 
(93,26  —  94,8).  —  Der  beständige  kämpf  zwischen  leib  und  seele  wird 
von  Merswin    in    folgender    weise    (62,19  —  64,5)    veranschaulicht:    die 
Christenheit  riecht    heut  zum    grössten    teil    nach   dem   fass,    d.  h.   gott 
giesst  die  nach  ihm  gebildete  seele  in  das  stinkende  gefäss  des  körpers 
und    macht  diesen,    indem    er  ihm    leben  giebt,    zu  einem    menschen. 
Von  der  seele  erhält  der  körper  erkennen   dessen,   was  gut  und  böse 
ist,   ohne  sie  ist  der  körper  eben   ein  stinkendes  gefäss.     Nun  liegt  es 
im  adel  der  seele,  dem  körper  zu  raten,  dass  er  ihr  folge;  das  geringere 
sollte   dem   höheren   folgen,   das  bessere   das  schlechtere  unterdrücken. 
Das   geschieht  aber    gar  selten,    vielmehr  muss    die  seele  dem  körper 
folgen    und    dadurch   riecht    sie   nach    dem    fasse,    wird    stinkend    und 
muss  dafür  mit  dem   körper  ewiglich   büssen.     Nur  wenige  heutzutage 
binden  und  zwingen  das  körpergefäss  und  halten  es  sauber  und  blank, 
so  dass  es  nach   der  seele  duftet.     Und  dann  stünde   es  gut  um  den 
menschen.     Yon  rechtswegen    sollte  der  leib   der  seele  gehorsam  sein 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  19 


282  STRAUCH 

bis  in  den  tod,  wenn  der  mensch  selber  aus  freiem  willen  es  nur 
wollte.  Das  geschieht  heut  aber  nur  selten.  Alle  göttliche  liebe  ist  heut 
erloschen;  die  menschen  meinen,  sie  sollten  auf  erden  ewig  wohnen 
und  bleiben.  —  Ein  abschnitt,  von  dem  Schmidt  (Das  buch  von  den 
neun  f eisen  s.  Y,  s.  auch  L.  Keller,  Die  reformation  und  die  älteren 
reformparteien  s.  132fg.)  meinte,  er  sei  in  dem  kürzeren  texte  aus 
dogmatischen  rücksichten  übergangen,  ist  vielmehr  ein  zusatz  Merswins, 
in  dem  dieser  für  Juden  und  neiden  eintritt  (54,8 — 56,12).  Auf  die 
bitte,  gott  möge  sich  der  Christenheit  erbarmen,  denn  Juden  und  neiden 
seien  wider  gott  und  würden  einmal  'verloren'  sein,  erhält  er  zur 
antwort:  da  irrst  du.  Gott  hat  einige  Juden  und  heiden  jetzt  viel  lieber 
als  viele  Christen,  die  unchristlich  leben.  Ein  Jude  oder  heide,  der 
seinen  glauben  für  den  besten  hält,  aber  bereit  wäre,  ihn  für  einen 
bessern  aufzugeben,  warum  sollte  der  nicht  gott  lieber  sein  als  ein 
Christ,  der  die  taufe  empfangen  hat  und  doch  wider  gott  tut?  Das  tut 
der  gute  Jude,  der  gute  heide  nicht:  kennte  er  etwas  besseres,  er  gäbe 
sein  leben,  um  dazu  zu  gelangen.  —  Die  heilige  schrift  und  unser 
christliches  bekenntnis  lehren  aber  doch,  dass  man  nur  durch  die  hei- 
lige taufe  ins  himmelreich  komme.  —  Wol  wahr!  aber  gott  in  seiner 
liebe  lässt  auch  einen  gerechten  guten  heiden  oder  Juden  nicht  verloren 
gehen.  —  "Wie  werden  aber  diese  ungetauften  'behalten'?  —  Das  ist 
jetzt  zumeist  der  Christenheit  unbekannt.  Wenn  ein  solcher  guter  heide 
oder  Jude  stirbt,  so  erleuchtet  ihn  gott  mit  dem  Christenglauben,  so 
dass  er  der  taufe  begehrt  und  diese  taufe  vollzieht  gott  in  seinem  tode. 
Auf  diese  weise  sind  viele  beiden  und  Juden  in  das  ewige  leben  ge- 
kommen und  unverloren  wie  S.  Paulus. 

Der  grundton  aller  Merswinschen  zusätze  ist  die  klage  über  die 
verderbtheit,  in  der  sich  die  christliche  gemeinde  gegenwärtig  befindet. 
Sie  hat  Christi  tod  vergessen  in  ihrem  herzen,  führt  ihn  jedoch  im 
munde  mit  schwören,  schmähen  und  allerlei  bösen,  unsaubern  und  un- 
keuschen worten  (52, 21  —  53,1);  sie  ist  irregeleitet  von  falschen  lehrern 
(von  falscher  behender  lere,  von  scheddelicher  falscher  heimmelicher 
lere  132,1  —  9)  und  verschliesst  sich  dem  rat  wahrer  gottesfreunde ,  die 
allein  noch  sie  wider  auf  den  rechten  weg  führen  könnten.  Da  heisst 
es  58,19  —  60,30:  man  sagt  der  christlichen  gemeinde  nicht,  wie  es 
sich  in  Wirklichkeit  mit  ihr  verhält.  Und  Avarum  nicht?  weil  sie  es 
nicht  hören  und  glauben  will;  weil  die  lehrer  fürchten,  die  gemeinde 
würde,  wenn  sie  die  nackte  Wahrheit  erführe,  allen  halt  verlieren;  und 
endlich:  ein  heiliger  lehrer,  der  es  Avirklich  unternehmen  wollte,  zu 
warnen  und  die  Wahrheit  zu  sagen,  er  wagt  es  doch  nicht  der  andern 


ZUR   GOTTESFREUND  -  FRAGE  283 

lehrer   wegen,   die   es   verwerfen,   Aveil   sie  liebekeseler   sind,   d.  h.   dem 
weichherzigen  und  haltlosen  volk  zum  munde  reden,  denn  dieses  will, 
dass  die  lehrer  ihm  die  lehre  nach  seinem  willen  sagen.  —  Liesse  sich 
denn  die  Christenheit  nicht  bessern?  —  Freilich!   einige  wenige  lehrer 
giebt  es  noch,    die  nicht   nur  sich  selbst  lieb  haben.     Geistliche  und 
weltliche  Oberhäupter  sollten  nach  solchen  lebemeistern  suchen;   denen 
sollte  man  glauben  und  nicht  wider  sie  reden,  nicht  aber  jenen  glauben, 
die  nur  sich  selbst  lieb   haben  und  liebekeseler  sind.     Jede  Stadt  sollte 
ihrer  grosse  entsprechend  solche  lebemeister  suchen,  die  wider  auf  den 
rechten  weg  leiteten.  —  Gäbe  es  denn  aber  deren  genug  auf  erden?  — 
Die  Oberhäupter  und  auch  die  bürger  in  den  Städten  würden  solche  bei 
ernstlichem  suchen  schon    finden,    gott  würde  ihnen  genug  zuführen; 
hat  er  doch  auch  die  zwölf  jünger  an  zwölf  enden  der  weit  gesandt.  — 
Würdest  du   dich  dann  solcher  häupter,  herren  oder  städte  besonders 
erbarmen?   —  Ja,    wo   solch   ein  'gelebter  heiliger  lehrer'  lehrte  und 
warnte,  da  würden  land  und  leute  vor  allem  übel  leibes  und  der  seele 
sicher  sein,  ja  selbst  wenn  gott  eine  grosse  'plage'  senden  sollte.     Die 
grossen  städte  sollten  sich  nach   solchen  warnenden    lehrern  umsehen, 
auf  dass  sie,    wenn   gott  seinen  zorn  ausliesse,    dann  wahre    göttliche 
hülfe  hätten.     Aber  die  weltweisen  menschen  halten   das  für  ein  'ge- 
spött';  wollten  sie  gott  folgen,  er  machte  aus  ihnen  edle  gottesfreunde 
—  aber  der  teufel  macht  wider  alles  zu  schänden  und  sie  meinen  gott 
seine  weit  leiten  zu  können,  wo  er  sie  selber  nicht  zu  leiten  vermag. 
Vgl.   auch   61,31  —  62,15.     Namentlich  gegen  den  schluss  hin  häufen 
sich  die  klagen  über  die  Jetztzeit,  die  hinweise  auf  die  gottesfreunde, 
auf  die  menschen,  denen  der  rechte  weg  kund  ist  (79,  3  — 18.  90, 25fg. 
28  —  30.   126,14).    135, 16fgg.:    wie    soll    gott   gegenwärtig    mit    seinen 
gnaden  den  menschen  heimlich  werden?  du  siehst,  dass  alles  von  gott 
flieht.     Der  guten    sind  wenige,    mit  denen   gott  seine    geheimen  ver- 
borgenen werke  üben   kann.     Die  heutige  Christenheit  lebt  sinnlos  da- 
hin, wie  tolle  hunde.     136, 16fgg.:  früher  hielt  die  Christenheit  sich  an 
ihren  gott:    wenn  ein  geistliches  oder  weltliches    Oberhaupt   gestorben 
war,  dann  bat  man  gott  in  demut  um  einen  nachfolger,  der  ihm  selbst 
als  der  beste  erschienen  wäre,  und  er  gab  ihr  dann  einen  menschen 
zum  haupt,   der  in  den  Ursprung  geschaut  hatte,   einen  menschen,   der 
bei  allen  seinen  Handlungen  den  heiligen  geist  zum  helfer  und  ratgeber 
hatte.    Solche  menschen,  die  in  dieser  weise  von  gott  auserkoren  wurden, 
die  wurden  auch  grosse  heilige  und  sollen  vor  gott  grosse  ewige  ehre 
haben.    Wozu  aber  ist  es  jetzt  gekommen !  (der  kürzere  text  beschränkt 
sich  387,20  auf  blosses  nennen  der  gottesfreunde).     137, 3 2  fgg.  werden 

19* 


284  STRAUCH 

die  menschen,  die  in  den  Ursprung  geschaut  haben,  die  wahren  gottes- 
freunde also,  als  solche  charakterisiert,  die  ihren  namen  verloren  haben, 
namenlos,  d.  h.  wesenlos  geworden,  gott  geworden  sind;  ein  solcher 
wird  aus  gnaden  göttlich,  was  gott  selbst  von  natur  ist.  Diese  men- 
schen hat  gott  unbeschreiblich  lieb.  —  Sonderbar,  dass  nicht  ein  jeder 
ihnen  nachstrebt,  um  gleichfalls  aufnähme  zu  finden  in  dieser  grossen 
ehrwürdigen  gesellschaft!  —  Geladen  hat  gott  alle,  aber  wenige  sind 
berufen.  Dennoch  könnten  wir  es  alle  sein,  wenn  wir  nur  wollten  und 
die  eigenwillige  natur  ablegten.  Es  wollen  gegenwärtig  aber  nur  wenige 
den  rechten  weg  gehen,  sie  straucheln  fast  alle  bei  dieser  nachfolge 
Christi  oder  bleiben  auf  halbem  wege  (der  zum  Ursprung  führt)  stehn. 
Und  endlich  142,  lfgg. :  man  hört  jetzt  lieber  auf  die  pharisäer  und 
will  nicht  glauben,  dass  gott  mit  den  gottesfreunden  grosse  heimliche 
verborgene  werke  ausrichten  könne.  Wer  das  nicht  glaubt,  ist  kein 
christ.  Oder  man  sagt,  die  Christenheit  stünde  nun  auf  sich  selber  und 
bedürfe  nicht  mehr  der  zeichen  durch  die  gottesfreunde.  Was  sollen 
diese  auch  sagen,  liess  doch  gott  seine  eigene  mutter  nie  erfahren,  was 
er  zu  tun  beabsichtigte!  —  Das  ist  nur  zum  teil  richtig  mit  bezug  auf 
das,  was  dem  vater  allein  zu  wissen  taugte;  man  denke  aber  doch  nur 
an  die  jünger  und  heiligen!  —  Schon  im  ersten  teil,  im  Rügenbuch, 
wird  der  gottesfreunde  nachdrücklicher  gedacht  als  in  der  vorläge,  wenn 
Merswin  21, 27fgg.  die  cardinäle  bei  der  papstwahl  alle  gottesfreunde 
bitten  lässt,  sie  möchten  ihnen  bei  gott  bitten  helfen,  den  rechten  zu 
finden,  während  es  D  340,  24fg.  nur  heisst,  'sie  fielen  mit  allen  gottes- 
freunden gott  zu  füssen.'  Merswin  legt  auf  das  vermittleramt  der 
gottesfreunde  auch  sonst  besonderen  wert. 

Ausser  diesen  excursen  über  dogmatische  und  allgemein  religiöse 
fragen  flicht  Merswin  ein  paar  mal  auch  bemerkungen  ein,  die  uns 
wertvoll  sind,  weil  er  da  nicht  anschauungen  widerzugeben  hat,  die  er 
vermöge  seiner  laienbildung  nur  unvollkommen  zu  beurteilen  im  stände 
war,  sondern  selbständig  und  auf  grund  eigner  erfahrung  sich  äussern 
kann  über  irdisches  tun  und  treiben.  Bei  den  päpsten,  die  gegenwärtig 
ein  so  wenig  heiliges  dasein  führen,  schaltet  er  20, 13 fg.  ein,  es  solle 
niemand  besonders  genannt  werden.  Wie  die  herren  jetzt  leben,  ver- 
mag er  von  sich  aus  nicht  zu  sagen,  denn  ich  han  alle  mine  tage  nüt 
vil  democh  gefroget  (34, 19fg).  Bei  den  rittern  beklagt  er,  dass  ritter- 
liche zucht  ganz  und  gar  geschwunden,  aus  ritterlichem  scherzspiel 
jetzt  ernst  geworden  sei  (37,25  —  28).  Dass  Merswin  im  capitel  über 
die  bürger  und  kaufleute  persönliche  betrachtungen,  wie  er  sie  in  seinem 
früheren  berufe  anzustellen  mannigfach  gelegenheit  hatte,  einfügt,  dürfen 


ZUR    GOTTESFREUND -FRAGE  285 

wir  von  vornherein  erwarten.  Er  erweitert  denn  auch  seine  vorläge 
(D349)  wesentlich  und  schildert  (39,  22  — 40,20.  41,3  —  27)  des  breiteren 
den  hang  zur  habsucht,  den  ehrgeiz,  über  andere  emporzusteigen.  Auf 
den  einwarf,  es  sei  doch  wol  besser,  auf  rechtmässige  weise  gut  zu 
erwerben  als  müssig  zu  gehen,  erhält  er  die  antwort:  sie  sind  nie  um 
eine  ausrede  verlegen,  wenn  sie  nur  ihrer  geldgier  fröhnen  können;  es 
würde  ihnen  aber  nicht  anders  gehen  wie  dem  reichen  manne  im  evan- 
gelium,  der  schliesslich  doch  in  die  hölle  kam,  weil  er  gott  das  seine 
vorenthalten  hatte  (ebenso  Nie.  von  Basel  191;  Meisterbuch  51).  Davor 
hätten  sich  auch  jetzt  wider  die  reichen  kaufleute  besonders  zu  hüten:  wem 
gott  heute  zu  reichtum  verhülfe,  der  sollte  ihn  auch  mit  gott  teilen,  nicht 
aber  in  weltlichem  Übermut  ihn  vertun  (Merswin  konnte  glauben  dieser 
Vorschrift  durch  seine  Stiftung  genügend  nachgekommen  zu  sein).  Was 
der  mensch  nötig  hat,  mag  er  schon  erwerben,  heutzutage  aber  kann 
keiner  genug  bekommen  und  jeder  will  es  darin  dem  andern  zuvortun. 
Schliesslich  fragt  Merswin  noch,  ob  denn,  da  der  kaufmannsstand  hier 
so  sehr  getadelt  werde,  es  mit  ihm  schlimmer  stünde  als  mit  dem  adel: 
das  nicht,  erhält  er  zur  antwort,  aber  wie  es  mit  diesem,  wenn  er 
(nur)  der  weit  nachlebt,  schlecht  steht,  so  steht  es  mit  jenem,  wenn  er 
habgierig  und  hoffartig  ist,  nicht  besser.  —  Und  doch  glauben  sie  recht 
zu  handeln  und  —  empfangen  alle  jähr  gottes  leib!  womit  Merswin 
wider  die  sittenrichterliche  miene  des  busspredigers  annimmt. 

7.    Zur  Vorgeschichte  von  Merswins  Neun  felsen. 

Der  in  dem  circular  des  Strassburger  bischofs  Johann  von  Ochsen- 
stein vom  jähre  1317  beanstandete  beghardische  satz  quod  sunt  etiam 
immutabiles  in  nona  rupe  (vgl.  Mosheim,  De  beghardis  256;  Zeitschr. 
für  die  bist,  theologie  10,131.  136fg.:  Preger,  Gesch.  der  deutschen 
mystik  1,215;  Jundt,  Histoire  du  pantheisme  populaire  s.  53)  be- 
stätigt das  Vorhandensein  einer  älteren  häretischen  schritt  De  novem 
rupibus  spiritualibus.  Fraglich  aber  bleibt  es,  ob  die  von  Mosheim 
Instit.  (Helmstädt  1764)  s.  482  note  p)  ex  secretioribus  eorum  (der 
brüder  des  freien  geistes)  libris  mitgeteilten  deutschen  excerpte  gerade 
diesem  Neunfei sentraetat  entnommen  sind:  die  sätze  finden  sich  aus- 
nahmslos unter  den  in  der  bulle  Johanns  XXII.  com  27.  märz  1329 
als  häretisch  oder  verdächtig  bezeichneten,  Eckhart  zugeschriebenen 
wider  und  lassen  sich  zum  grössten  teil  auch  direct  aus  Eckharts 
Schriften,  wie  sie  uns  überkommen  sind,  belegen,  s.  schon  Schmidt, 
Theol.   Studien   1839   s.  675fgg.,  vgl.   auch  Preger  1,443.     Wenn  Mos- 


286  STRAUCH 

heim,  nachdem  er  Instit.  s.  481  note  n)  gesagt,  er  besitze  auszüge  aus 
einigen  beghardischen  Schriften,  insbes.  aus  dem  liber  De  novem  rupibus 
spiritualibus,  es  könnten  diese  Urkunden  hier  aber  nicht  beigebracht  wer- 
den, gleich  darauf  s.  483  note  s),  um  jeden  verdacht  der  täuschung  zu 
vermeiden ,  dennoch  einige  sätze  aus  der  beghardischen  geheimschrift  De 
novem  rupibus  anführt,  so  muss  dabei  auffallen,  dass  diese  letzteren  — 
es  sind  nr.  13.  14  (vgl.  Eckhart  426, 17  fgg.)  und  15  der  incriminierten 
Eckhartschen  lehrsätze  —  auf  das  engste  an  jene  in  der  note  p)  mit- 
geteilten anknüpfen:  satz  13  erstreckt  sich  über  beide  anmerkungen, 
der  anfang  steht  in  note  p),  die  fortsetzung  in  note  s);  alle  excerpte 
sind  also  vermutlich  einer  und  derselben  quelle  entnommen.  Dass  die 
1329  für  häretisch  erklärten  lehrsätze  Eckharts  nachträglich  in  den 
tractat  eingefügt  sein  sollten  (Schmidt,  Theol.  Studien  1839  s.  679  und 
Precis  de  l'histoire  de  l'eglise  d'Occident  1885  s.  308  n.)  ist  mir  nicht 
wahrscheinlich,  eher  möchte  ich  glauben,  dass  Mosheim  in  der  note  s) 
irrtümlich  den  liber  De  novem  rupibus  an  stelle  der  in  note  p)  nur 
allgemein  bezeichneten  secretiores  libri  gesetzt  hat.  Anders  Preger, 
Gesch.  der  deutschen  mystik  3,  348.  L.  Keller  (Die  reformation  s.  131  fgg.) 
streift  nur  die  frage,  ohne  die  eigentliche  Schwierigkeit  zu  erkennen. 
Jenes  Neunfelsenbuch  endlich,  über  das  Mosheim  sich  auf  grund  einer 
jetzt  leider  verlorenen  elsässischen  hs.  des  15.  jhs.  in  derselben  anm.  s) 
(s.  484)  kurz  auslässt,  ist  sicher  nicht  die  ältere  bereits  vor  1317  ent- 
standene beghardische  schrift,  sondern  meint  den  jüngeren  anonymen 
tractat  vom  jähre  1352  oder  Merswins  bearbeitung;  die  frage  wird  sich 
schwer  entscheiden  lassen,  doch  kann  m.  e.  wol  nur  der  anonymus  in 
frage  kommen.  Vgl.  noch  Schmidt,  Theol.  Studien  1839,  679  und 
Zeitschr.  für  die  bist,  theologie  1839  2,  66. 

Der  anonyme  tractat  vom  jähre  1352  und  darnach  auch  Merswins 
bearbeitung  zerfällt  in  vier  höchst  ungleiche  teile,  rede,  wie  Merswin 
sagt.  Diepenbrocks  erstes  capitel  leitet  im  allgemeinen  ein  (Merswin 
s.  1 — 10),  cap.  2  —  4  bereiten  symbolisch  das  Rügenbuch  durch  ausfüh- 
rung  des  fischgleichnisses  (cap.  2,  vgl.  auch  D  358,  18.  387,  30  fgg. ; 
Merswin  s.  10 — 15,  vgl.  71,9.  140, 18fgg.)  sowie  des  neunfelsenbildes 
vor,  welch  letzteres  zunächst  nur  skizziert  wird  (cap.  4,  Merswin  s.  16 
bis  18).  Dann  folgen  lose  aneinandergefügt  das  Rügenbuch  (cap.  5 
bis  22,  Merswin  s.  19  —  64)  und  die  eigentliche  Neunfelsenvision 
(cap.  23fgg.,  Merswin  s.  64fgg.),  die,  wenig  geschickt,  als  widerholtes 
gesiebt  gedacht  ist  (D  355,24.  356, 12  =  Merswin  65,18.  66,21).  Wir 
werden  kaum  in  der  annähme  fehl  gehen,  dass  hier  themata  mit  ein- 
ander verbunden  sind,   die  ursprünglich  gesondert  neben  einander  be- 


ZUR    CfOTTESFREUOsD  -  FRAGE  287 

standen.  Das  Rügenbuch,  eine  art  busspredigt  an  clerus  und  laien, 
reiht  sich  litterarisch  leicht  in  die  bekannte,  im  raittelalter  wie  im  Zeit- 
alter der  reform1  so  reich  gepflegte  gattung  der  satire  auf  alle  stände 
ein  und  macht  in  der  uns  vorliegenden  form  einen  in  sich  abgerundeten 
eindruck.  Iu  die  entwicklungsgeschichte  der  Neunfelsenvision 2  lässt 
sich  noch  tiefer  eindringen.  Es  scheinen  in  ihr  verschiedene,  auch 
sonst  in  der  visionären  litteratur  beliebte  bilder  und  vergleiche  einheit- 
lich verschmolzen  zu  sein.  Es  giebt  einen  handschriftlich  mehrfach 
belegten  tractat  Von  dreierlei  geistlichem  sterben,  der  u.  a.  von  neun 
gesellschaften  der  gottesfreunde  handelt,  die  sich  in  dem,  was  sie  unter 
einander  charakterisiert,  auf  das  engste,  ja  wörtlich  mit  den  bewohnern 
der  neun  felsen  berühren,  jedoch  ohne  dass  das  bild  eines  berges  mit 
neun  felsen  dabei  erwähnung  fände.  Da  es  nicht  recht  vorstellbar  ist, 
wie  der  Verfasser  dieses  tractates  aus  dem  anonymen  Neunfelsen  buch 
entlehnt  haben  sollte,  eine  abhängigkeit  des  letzteren  aber  vom  tractat 
Ton  dreierlei  geistlichem  sterben  ausgeschlossen  ist,  so  müssen  wir 
hinsichtlich  der  neun  gottesfreundkategorien  für  beide  eine  gemeinsame 
quelle  voraussetzen,  die  der  Verfasser  des  tractats  Yon  dreierlei  geist- 
lichem sterben  für  sein  thema  mit  heranzog  und  mit  verwertete,  wäh- 
rend der  Verfasser  des  kürzeren  Neunfelsentextes,  vielleicht  nach  dem 
Vorgang  der  beghardischen  Neun  felsen,  diese  neun  gesellschaften  auf 
eben  so  viel  felsen  eines  hohen  berges  verteilte,  sie  stufenweise  dem 
göttlichen  Ursprung  näher  brachte. 

Der  tractat  Von  dreierlei  geistlichem  sterben  liegt  in  sechs  Münch- 
ner handschriften  des  15.  Jahrhunderts  vor  und  ist  gewiss  auch  sonst 
noch  erhalten ,  wenn  ich  auch  trotz  einigem  suchen  bisher  keine  weitere 

1)  Vgl.  z.  b.  auch  die  vorrede  zu  S.  Francks  tractat  Vom  reiche  Christi,  s. 
A.  Hegler,  S.  Francks  lat.  paraphrase  der  Deutschen  theologie  1901  s.  82. 

2)  Für  die  der  Xeunfelsenvision  zu  gründe  liegende  anschauung  sei  hier  nur 
beiläufig  an  den  mons  requiei  (Ps.  14,  1.  vgl.  Schünbach  zu  den  Altd.  pred.  1,313,6), 
den  mons  Christi  (Ps.  67,  16),  den  mons  Syon  (Apoc.  14, 1  vgl.  Anz.  für  deutsches 
altertum  2,  222,  50fgg.)  erinnert,  sodann  auch  an  die  himmelsleiter,  vgl.  des  Gottes- 
freuodes  tractate  Geistliche  stiege  und  Geistliche  leiter  (s.  Zeitschr.  für  deutsches 
altertum  24,  518  fg.)-  Elisabeth  von  Schönau  hat  mehrfach  bergvisioneu  (Yisionum 
üb.  II  c.  17.  24);  ihr  Liber  viarum  dei  (ed.  Koth  s.  88fgg.)  setzt  die  gleiche  an- 
schauung voraus.  Auch  Mechthild  von  Hackeborn  sieht  im  Liber  specialis  gratiae 
1,13  einen  hohen  berg  mit  sieben,  1,30  eine  goldene  treppe  mit  neun  staffeln  (doch 
sind  die  daraus  von  Preger  Gesch.  d.  deutschen  mystik  3,  265 fg.  gefolgerten  Schlüsse 
abzuweisen).  Auf  die  den  Neun  felsen  näher  stehende  bergvision  der  Elsbeth  von 
Beggenhofen  in  Ötenbach  hat  schon  Bächtold  im  Zürcher  taschenbuch  12  (1889),  215. 
269  hingewiesen. 


288  STRAUCH 

handschrift  ausfindig  machen  konnte.    Es  kommen  folgende  band  Schriften 
der  k.  hof-  und  Staatsbibliothek  in  betracht: 

A  cgm.  830  f.  62 ft— 77a, 

B  cgm.  218  f.  172d— 183c.    Zur  hs.  vgl.  C.  Wolfsgruber  Vander 
navolginge  Cristi  ses  boeke  s.  Vfg., 

C  cgm.  458  f.  182a—  201b, 

D  cgm.  462  f.  13a-  29b, 

E  cgm.  281  f.  116a — 121% 

F  cgm.  841  f.  204a—  219 b. 
Der  tractat  steht  in  den  genannten  sammelhandschriften  zwischen 
verwandter  asketisch -mystischer  litteratur,  in  den  hss.  BC  u.  a.  neben 
schritten  Eckharts  und  Taulers.  —  303,  17.  24  ist  allen  sechs-  hss.  der 
gleiche  fehler  gemeinsam;  vgl.  auch  298,  9.  305, 17.  309,  7.  Die  hs.  A,  die 
meinem  texte  zu  gründe  liegt,  geht  gelegentlich  eigene  wege  (insbes. 
302,  2  fgg.)  und  steht  auch  im  einzelnen  oft  mit  ihren  lesarten  allein 
(291,  lfg.  2.  293,3.  296,17.  298,6.  300, 12fg.  25.  303,13.  304,25);  sie 
zeigt  eine  grössere  lücke  (305,25  —  308,21)  und  bricht  mit  310,4  vor 
dem  schluss  ab.  Durch  homöoteleuton  ist  295, 11  fg.  ausgefallen  und  auch 
wol  303,24fg.  —  290,20  liest  A  allein  richtig.  BCD  gehen  überwiegend 
zusammen,  auch  darin,  dass  sie  keine  Überschriften  zu  den  einzelnen 
abschnitten  haben,  die  übrigens  auch  in  F  fehlen.  Gemeinsam  sind  BCD 
zwei  lücken  durch  homöoteleuton  (289,  12 fg.  291,  19  fgg.).  Von  ihnen 
berührt  sich  B  hie  und  da  näher  mit  A  als  CD:  288,  3.  309,  7.  BCD 
stehen  EF  gegenüber,  die  öfter  übereinstimmen:  289,12. 17.  294,3.  302,8. 
25.  310,8.  In  F,  das  sonst  stark  kürzt,  liegt  303, 4fg.  12.  304,4fgg.  die 
ursprüngliche  lesart  vor,  vgl.  auch  303,6.  304,3.  —  308, 10  —  309,  lOfg. 
18fg.  310,  2fg.  weisen  AF  gegenüber  den  andern  hss.  die  gleiche  lesart  auf. 
Im  allgemeinen  bietet  die  lesart  am  meisten  gewähr  für  ihre  ursprünglich- 
keit, wo  die  gruppen  BCD  und  EF  ganz  oder  teilweise  zusammengehen. 

Von  dreierlei  geistlichem  sterben. 

J^f    i  Unser  herr  Jhesus  Cristus    spricht  in   dem   euwangelio   das  sant 

Johannes  schreibt:  es  sey  dann  das  das  körnlin  des  traydes  das  in  den 
acker  feit  sterb,  so  beleibt  es  allain,  ist  aber  das  es  stirbt,  so  pringt 
es  vil  frucht.     dar  umb   ist  ze  wissen,   das  under  allen  trübsalen   die 

(62 a)  rote  Überschrift  Gute  materij  vint  man  hernach  geschribii  die  wol  ist  ze 
lesen  vnd  boren  andächtige  menschon  A;  rote  Überschrift  Ein  schome  (sie)  lere  wie 
ain  mensch  sol  goystlich  sterben  in  dreyerlay  weisse  B;  Überschrift  "Wiu  der  mensch 
geistlich  sterbh  sol  in  dreyerlay  weisz  G;  rote  Überschrift  Ein  Buchlin  wie  der' 
mensch  geistlich  sterbii  sol  vh  dz  in  dreye'ley  weiß  D;  O  hailiger  gaist  bis  by  vns  F. 


ZUR    GOTTESFREUN'D- FRAGE  '289 

manckfaltig  sind  in  diser  zeit  nichtz  als  erschrockenlich  ist  als  der  pitter 
tod,  besunder  den  weltlichen  menschen  und  auch  ettlichen  gaystlichen 
menschen,  die  nit  die  ere  gotz  und  das  hayl  ir  sei  vor  allen  dingen 
suchen:  den  ist  die  gedächtnusz  des  todes  schwer  zuo  betrachten  und 
nichtz  schwerer  denn  volkomenlich  in  selbs  gaystlich  sterben  und  im-  5 
serm  lieben  herren  allain  leben,  wann  doch  nichtz  nüczers  ist  dem 
menschen  dann  das  er  dem  leb,  von  dem  er  leib  und  sei  und  alles 
guot  hatt  und  (62b)  des  ewigen  leben  warten  ist.  und  dar  umb  spricht 
sanctus  Augustinus:  o  mein  gott,  dar  umb  das  du  bist  mein  herr,  han 
ich  lang  zeit  gedacht,  wie  ich  dir  leben  solt  das  du  mir  würdest  alle  10 
ding,  und  han  gefanden,  das  kain  ander  weg  dar  zuo  müglich  ist  dann 
das  ich  von  allen  dingen  sterb  und  das  du  allain  in  mir  lebest  du  bist 
alle  ding,  und  dar  umb  will  ich  sterben  das  du  in  mir  lebest,  und 
will  rüwe  haben  das  du  in  mir  würckest,  und  will  schweigen  das  ich 
dich  in  mir  hör  reden,  dise  wort  sant  Augustein  sol  man  mit  fleysz  is 
mercken,  so  vint  man  die  waren  rechten  ursach,  war  umb  vil  men- 
schen, die  grosz  Übung  habent,  in  selbs  vil  abprechent  und  vil  gepet 
teglich  volbringent  und  doch  die  süssen  liebe  gottes  nit  begreiffent, 
wann  es  bedarff  grosser  genad,  weishait  und  tilgend,  das  man  die 
listikait  der  naturlichen  naignng  und  die  fürwiczkait  gar  erkenn   und  20 

1  (s.  288)  TJ  in  Unser  rot  ABBE,  desgleichen  in  den  folgenden  absät\en  rote 
majuskel  im  <  ingang  ABE,  dagegen  in  D  nur  dafür  freigelassener  räum  sprach  B 
iu  dem  —  schreibt]  also  F  euwangelij  A  2  (s.  288)  körnlin  sterb  des  korns  oder 
traydes  das  —  feit  [sterb]  A  des  fehlt  B  2 fg.  das  in  die  erde  fallen  ist  ersterbe  F 
3  (s.  288)  stirbt  es  nit  so  beleibt  AB  ist  eß  D;  ist  daz  F  4  (s.  288)  frucht  fehlt  B; 
friieht  F  es  zu  BGD  die  da  m.  A  1  ist  F  d.  weit  A;  disem  jamertal  F 
und  nichtz  in  disem  zeit  A  alzo  EF  erschrockenlichs  A;  erschreklich  EF 
pitter  fehlt  D  2  besunder  —  5  sterben]  Also  ist  nichß  schwerer  vnd  selczner  vnder 
gaistlichen  menschen  dan  volkumlichn  im  selbii  gaistlichn  widerstrebn  F  2  und  — 
3  menschen  fehlt  C  yedlichem  geystlichem  B  3  und  das  hayl  ir  sei  nach  4 
suchen  A  5  yn  im  D  5  fg.  unserm  lieben  h.]  got  dem  h.  F  6  wann]  vnd  F  billichers 
vnd  loblichers  vnd  nüczers  F  ßfg.  d.  menschen  fehlt  F  7  er]  der  mensch  F  leib  u.  sei  u. 
fehlt  F  8  des  e.  1.  w.  ist]  vö  dem  allain  habe  mag  die  ewige  säligehait  F  ainigen 
B  8  fg.  so  spr.  sannt  Augustin  F  9  vnse'  vatt'  aug'  D  das  fehlt  D  bist]  hast 
(heist?)  B  so  han  ABC  10  lang]  kain  B  zeit  fehlt  F  wie  —  solt]  und 
ich  lebte  F  11  und  ich  han  A  erfunden  F  ander  fehlt  D  12  zeitlichen 
dingen  A  und]  viii  daz  F  du  bist  —  13  lebest  fehlt  BCD  du  =  der  du  EF 
14  rfiwe]  mer  F  schweigen]  fugen  B  seh.  daräb  das  F  15  spricht  s.  A.  D 
saneti  Augustini  F  augustini  C;  Augustin  E  15  fg.  vnd  sol  m.  sy  D  16  rechten  waren 
BF;  wäre  rechte  D  rechten  fehlt  A  17  die  doch  F  ü.  (vnd  arbait  F)  vnd  ab- 
brechung  EF  in  s.  v.  abprechent  fehlt  BCDEF  11  fg.  u.  vil  g.  t.  v.  fehlt  F  täglicher 
pet  A  18  verpringen  E  siesse  F  gottes]  Jhesu  Christi  A  20  lüstikait  öfter 
F      der  fürw.  BCE;  die  fehlt  D;  der  sei  fürw.  F      gancz  A 


290  STKAUCH 

s.  93, 12  genczlich  tott  und  ausz  rewt.     dar  umb  spricht  Davit  (63a)  im  psalter: 
der  mensch  ist  sälig  den  got  lernet. 

Nun  das  wir  ordenlichen  und  nützlichen  ainen  gaystlichen  tod 
begreyffen  und  in  dem  Ursprung,  der   uns  geschaffen  und   erlöst  hatt, 

5  süsz  frücht  mügen  pringen  vor  dem  tod  und  nach  dem  tod,  so  sullen 
wir  mit  fleisz  mercken,  das  wir  müssen  in  ettlicher  mass  leyden  drey 
gaystlich  dugentreich  tod.  in  dem  ersten  müssen  wir  sterben  den 
sünden,  zu  dem  andern  mal  müssen  wir  sterben  unserm  nächsten,  zu 
dem  dritten  mal  mit   unserm   lieben  hern  an   dem   krücz.     es  ist  auch 

io  ze  merken,  das  alles  das  übel  das  da  loydent  die  bösen  veind  und  die 

verdampten  menschen  allain  dar  umb  leydent,  das  sy  nit  woltend  leben 

nach  gottes  willen,  besunder  nach  irern  aigen  willen   und  wolgevallen 

i.i2,25  und  also  Verliesen  si  sich  selbs,   wann  der  herr  spricht  in   dem  ewan- 

gelio:  wer  sein  sei  lieb  hatt,  das  ist  seinen  aygen  willen,  der  verlüst  sy. 

15  0  du  ewige  weyshayt,  o  du  ewiger  barmhercziger  gott,  wie  swar 

und  wie  grosz  sind  deine  urtail  über  die  weysen  menschen  diser  weit, 
die  auff  in  selbs  stan  wellend  und  doch  in  der  warhayt  nichtz  von  in 
selbs  habent  dann  des  sy  sich  schämen  soltend,  wann  sy  es  recht  ge- 
dächten!   aber  sy  habend  der  genad  von  gott  nicht,     o  lieber  mensch, 

20  wild  du  sein  ein  kluoger  weyser  deiner  armen  sei,  so  leb  dem  allain 
der  dir  das  leben  geben  hatt  und  sein  leben  durch  deinen  willen  an 
dem  krücz  gelassen  hat.    es  ist  auch  ze  merken,  das  die  guotten  cristen- 

1  ertött  A  aussrumtt  A;  red  B;  ausz  reit  C;  usreytt  alz  h'  D.  spricht  F 
D.  der  prophet  A  in  dem  D  im  ps.  fehlt  F  2  lernt  ist  A  3  rote  Überschrift 
Hie  merk  von  ainem  gaystlichen  tod  A;  rote  Überschrift  Merck  den  gaystlichen  tod 
E  ordenleich  CD;  o.  weislichn  F  nuczleich  eyn  CD  4  begriffen  B  beschaffen 
CD  5  vnd  sueß  D  und  nach  d.  t.]  und  dar  nach  A;  fehlt  B  6fg.  in  e.  mass 
müssen  dr.  g.  d.  t.  leyden  A  7  geistliche  C  7  fg.  von  den  s.  D  8  zu]  in  A  mal  fehlt 
AB  müssen  wir  fehlt  AD  sterben  fehlt  D  vnssers  hails  negsten  B;  von  u.  n. 
D  zu]  iu  AB  9  mal  fehlt  AD  müssen  wir  sterb  mit  F  mit  Christo  u.  1.  h.  A 
lieben  fehlt  F  9  fg.  Auch  ist  zu  m.  F  10  [das]  ü.  vnd  ungemach  F  1.  sind  A  die 
fehlt  F  11  verdampf  F  müssend  leyden  A  12  nach  dem  w.  gotz  und  nach 
seinem  wolgefallen  A  willen  vnd  haissen  F  sunder  F  sy  habend  nach  gefolgt 
i.  A;  sy  woltn  leben  nach  F  13  und  sich  selbs  dar  durch  (63 ,J)  also  verlorn  A 
v'lassen  B  sich  sy  C  selb  F  der  h.  Christus  .1]  die  ewig  warhait  F  in  d.  e. 
fehlt  F  dem  fehlt  AB  14  vorlest  B  15  rote  Überschrift  Merck  die  weyshait  der 
weit  A;  rote  Überschrift  Du  solt  mercken  daß  dy  weisn  dis'  weit  E  o  du  ewiger 
b.  g.  fehlt  F  wie]  wel  F  swar]  war  ABEF  16  groß  vnd  erschrocklich  F  d.  weit 
fehlt  BCD  18  des]  daß  D  seh.  s.]  schätnent  F  wann  —  19  nicht  fehlt  F  be- 
deuten BC;  betrachten  D  19  genadii  E  lieber  fehlt  F  20  wild  —  so  fehlt  F 
kl.  weyser  mensch  BCE;  weyser  kluoger  mensch  D  21  gegeben  D  deinet,  auch 
sonst  D       deinen  w.J  dich  F      21  fg.  am  kr.  D       22  hat  fehlt  A       hat  vnd  dir  das 


ZUK   GOTTESFREÜND  -  FRAGE  291 

menschen,  die  noch  nit  volkoinen  sind,  nichtz  änderst  irret  in  geist- 
lichem zunemen  dann  das  sy  sich  nit  gar  lassen  wellend,  und  dar 
umb  so  habend  sy  wenig  genad  und.  in  dem  (64a)  fegfewr  werdent  sy 
haben  grosse  pein  und  ain  klaine  krön  in  dem  ewigen  leben  und  hie 
ain  unruwige  gewissen,  wann  süntlich  gepresten  fiidernt  nit  den  men-  5 
sehen  zno  den  ewigen  fröden. 

Nun  von  dem  tod  da  man  stirpt  den  sünden  ist  ze  merken,  das 
die  göttlich  lieb,  wenn  sy  erkückt  wirt  in  der  sei,  so  tot  sy  all  tod- 
sünd,  wann  mit  nichten  kan  die  lieb  gotz  und  todsünd  in  ainer  sei 
auff  ain  zeyt  bey  ain  ander  beleiben  und  also  wenn  der  mensch  fürbas  10 
nit  mer  willen  noch  gunst  geben  will  den  sünden  und  tuot  beycht  und 
puosz  nach  cristenlicher  Ordnung,  so  stirbt  er  den  sünden.  eya,  du 
cristenliche  sei,  sich  an  mit  tleysz  den  stareken  rysen  Jhesum  Christum, 
der  an  dem  kruez  durch  deinen  willen  so  gar  ain  schweren  kampff 
gefochten  hatt,  und  nim  an  dich  ain  puossvertigs  leben  hie  in  diser  15 
zeitt  und  ain  manlichs  unverzagtz  ritterlichs  gemüt,  wann  es  gar  not 
ist  deiner  sei.  es  spricht  sanetus  Ambrosius,  (64b)  das  niemant  mit  im 
nimpt  sein  hausfrawen  so  er  in  den  streit  ziechen  will,  das  send  leip- 
lich  lüst  und  waichmütig  sinn,  die  da  mangen  menschen  irrent  an 
ainem  haylsamen  wesen  seiner  sei.  dar  umb  lasz  von  deinem  herezen  20 
das  du  doch  zuo  seinen  zeytten  lassen  muost,  das  ist  die  weit  mit  iren 
fröden  und  leiplich  lust.  gedenck  mit  fleysz  was  dir  künfftig  sey  und 
bis  berait  wen  dich  gott  vodern  wöll. 

Es  ist  ze  wissen,   das   der  mensch   der  sich   durch  got  last  und 

ewig  leben  berait  bat.  Nu  merek.  Aucb  ist  zu  111.  F  wissen  D  22  fg.  eisten  g.  men- 
seben  B.  1  irret]  wirt  B  \fg.  in  dem  herren  gaystbebeu  zuo  ze  n.  A  2  sieb  fehlt  B 
willen  G  w.  das  ist  aygen  willen  A  3  so  fehlt  CEF  lies  mit  F  lüczel? 
werden  nachträglich  übergescltrieben,  ursprünglich  f.  baben  sy  gr.  p.  B;  werdent 
sy  b.  fehlt  F  5  vnraraige  B;  vngeruwige  C;  vngeruigb  D;  vnruigs  F  sun- 
derlicb  D  preeben  BCDE;  breeben  vnd  (ausgestrichen,  dafür  oder)  laster  F  fu- 
deren  C;  fuerü  D;  fürent  F  nit  in  D  5  fg.  den  m.  fehlt  G  den  m.  zuo  d.  e.  fr. 
fehlt  F  6  dem  e.  lebii  ader  fr.  D  7  rote  Überschrift  Von  den  sterben  den  sünden 
(vnd  and'r  mater'  E)  AE  von  den  s.  BCDEF  9  niebte  C  10  bey  ain  a.  fehlt 
F  11  gunst  noeb  w.  F  den]  bey  B  12  von  den  s.  D  13  mit  fl.  fehlt  D 
vnsern  berrn  J.  Cb.  D  15  puossv.  —  16  und  ain  fehlt  F  bie  fehlt  C  16  unverz. 
bercz  und  A;  weises  besebaidelicbes  unverz.  F  gar  fehlt  F  17  deiner  s.  fehlt  F 
im  fehlt  G  IS  farn  F  das  —  20  sei  fehlt  F  19  waichm.  —  22  lust  fehlt 
BCD  20  auß  d.  b.  E;  mit  dem  F  21  das  ist  —  22  lust  fehlt  F  22  vnd 
ged.  EF  dir  fehlt  F  23  wen]  zuo  welcber  zeit  A  w.  dieb  g.  v.  w.  fehlt  F 
24  rote  Überschrift  Hie  merck  (dafür  Item  E)  was  nuez  die  frummen  menseben 
pringen  AE  Es  ist  ze  w.]  Wisß  F  von  grund  durch  gots  willen  lausset  F  und 
fehlt  A 


292  STRAUCH 

als  er  sich  gelassen  hatt  beleibt,  der  ist  gott  und  allem  hymlischen  her 
ain  wunsam  eugelwaid  und  sollich  menschen  haltend  auff  die  hayligen 
cristenhait  mit  irem  rainen  leben  und  andächtigen  gebet,  o  lieber 
mensch,  hab  ain  gancz  getrawen  zuo  gott  mit  ganczem  herczen,  wann 

5  er  vermag  mer  dann  alle  weit  und  aller  böser  veind  listikait,  und 
wissz,  das  ungehört  anfechtung  und  listikait  der  bösz  veind  suocht 
wider  (65*)  die  hayligen  frumen  menschen  durch  sich  und  ander  bösz 
menschen,  der  er  layder  vil  hatt  auff  erd.  wann  sy  send  in  allen 
guotten  dingen  widerwertig  und  send  erstörer  und  irrer  alles  guotz  mit 

io  ir  boshayt,  die  sy  suochent  wider  die  frummen  menschen  tag  und  nacht 
und  wider  die  ere  gotz. 

Wissz  das  das  loblich  sterben  den  sünden  hatt  gradus  oder  Staffel 
und  kan  nit  geschechen  in  kurczer  zeit  nach  gemainem  lauff  der  hay- 
ligen frummen  menschen  die  dise  Übung  habent  und  dar  umb  will  ich 

15  schreiben  ettlich  aigenschafft  aines  auffganges  in  gott  diser  hayligen 
menschen  und  will  auch  die  listikait  des  pösen  gaystes  auff  decken  als 
vil  mir  gott  genad  verleicht,  dar  umb  das  die  guotten  menschen  nit 
betrogen  werdend,  wann  kain  mensch  in  diser  zeit  kann  nit  ledig  stan, 
er  hab  anfechtung  von  dem  pösen  veind,  die  weil  leib  und  sei  bey  ain 

20  ander  ist,  es  sey  dann  das  er  seinen  willen  verbring  mit  sünden  und 
leiplichen  Kisten  (65b),  als  dann  layder  sollicher  menschen  hie  auff 
ertrich  vil  sind,  die  nit  ritterlich  widerstan  wollend  den  sünden,  die 
all  von  ir  sünd  wegen  müssend  faren  die  weitten  strasz  zuo  der  ewigen 

1  als  er  s.  g.  h.]  also  in  gelässehait  F  und  bei.  A  pleibt  er  so  ist  es  D 
her  vnd  allii  engelin  D  2  engelwaid  ABCE;  waid  D;  augelwaid  F  h.  auff]  tra- 
gent  F  hailige  F  3  mit  —  gebet  fehlt  F  lieber  fehlt  F  4  hab  —  getrawen] 
getrü  F  trawen  BG  von  g.  h.  F  5  wann  allu  ganezw  w.  E  bösen  CDEF 
gaist  F  G  anfechtiguug  so  auch  im  folgenden  E  possen  BGD  gaist  F  (wä 
sie  D)  suchen  BGD  7  dise  F  frumen  fehlt  F  durch  —  8  erd  fehlt  F  und 
durch  C  8  erden  CD;  ertreich  E  in  fehlt  D;  im  F  i)  guotten  fehlt  F  send 
fehlt  A  u.  sy  irren  D  und  —  10  boshayt]  sein'  F  10  er  sucht  vil  treibt  F 
die  hailigii  cristenhait  F  cristenmenschen  CD  11  und  auch  D  und  —  gotz 
fehlt  F  gottes  Amen  D  12  rote  Überschrift  Nun  merk  aber  fürbas  A;  Merck 
furbas  E  (w)ye  vil  das  sterben  von  D  ein  das  fehlt  C  diez  F  den  s.  fehlt 
F  den  s.  wider  stan  A  grad  F  vn  C  stapfein  F  13  es  kan  D  rat  lauff 
B  14  frummen  fehlt  DF  menschen  fehlt  F  16  die  fehlt  1)  lustikait  öfter  BD 
ausz  treyben  B  17  got  gibt  darüb  F  18  nach  werden:  Augustinus  persevera 
usnue  in  fiuem  qz  temptatio  perseverat  usque  in  finem  F  in  d.  z.  fehlt  F  19  er 
hab]  der  F  von  dem]  der  F  geist  G  in  diser  zeit  bey  F  20  send  F  es 
sey  —  293,1  ewangelio  fehlt  F  volbring  B  seinen  s.  AD  21  fg.  hie  auf  erden 
(erd  C)  solcher  m.  BG;  sollicher  h.  a.  erdenn  nach  vil  sind  D;  hie  auff  erd  nach 
vil  sein  E 


ZUR    GOTTESFREUND  -  FRAGE  293 

verdanipnus,  da  von  Christus  rett  in  dem  ewangelio.  es  ist  aucli  ze  Matth.  7,1; 
wissen,  das  die  genad  gotz,  so  sy  in  die  sei  kompt,  nit  ablast  bis  das 
sy  die  sele  pringt  in  iren  Ursprung,  doch  also  das  die  sei  mit  wurcken 
sey  als  es  fodert  die  gottlich  genad  und  ain  rechtvertige  gewissen,  wan 
göttliche  genad  und  der  frey  will  halten  sich  mit  ain  ander  als  ein  5 
ritter  und  ain  pferd  das  geritten  wirt  und  also  reitt  die  genad  und  der 
frey  will  wirt  geritten. 


Merck,  lieber  mensch,   als  vil   du  dich   lassest  durch   gotz  willen 


D  358 
NF  70 


20 


als  verr  nachestu  dem  Ursprung,  ausz  dem  all  creatur  geflossen  send 
und  sollichs  haylsamlichs  lassen  hept  sich  also  an:  wenn  der  mensch  10 
verstat  sein  sündigs  leben  (66a)  und  in  der  sei  enpfint  rüwe  und  layd 
dar  über  und  ainen  guoten  willen  die  sünd  ze  lassen  und  ze  büssen 
mit  der  peycht,  als  bald  kompt  er  auss  dem  gewalt  des  bösen  veinds 
und  die  genad  gotz  ist  in  im  die  dise  ding  wurcken  ist.  dar  nach 
kompt  der  bösz  veind  und  ficht  den  menschen  an  und  das  verhengt  i& 
gott  dar  unib,  das  der  guot  will  des  menschen,  den  im  gott  geben 
hatt,  bewärt  werd,  wann  als  das  gold  in  dem  fürr  bewärt  wirt,  also 
bewärt  gott  sein  lieb  fraind  und  ye  lieber  fraind  ye  schwerer  bewärung, 
wann  grosse  genad  sol  grosse  Übung  haben,  aber  der  bosz  veind  fleist 
sich,  das  er  die  genad  erlesch  oder  das  sy  nit  zuo  nem  und  tregt  dem 
menschen  also  ein,  als  ob  er  müntlich  mit  im  redet  und  spricht:  o 
mensch,  warumb  volgestu  nit  nach  deinem  willen  und  deinen  leyplichen 
lusten  als  vil  menschen  tuond?  waystu  nit,  das  gott  parmherczig  ist 
und  last  sich   bald  versünen   mit  den  sündern?     kere  dich  nit  an  die 

1  dem  fehlt  A  Auch  ist  ze  w.  F  2  bis  [das]  AD  3  sy  fehlt  D  in  fehlt  D 
doch  a.  das  sy  die  s.  BD  das  d.  s.  pringt  iren  Ursprung  also  arbait  und  wurcken  ist  das  sy 
daz  also  ervordret  von  den  genaden  gotz  und  hatt  an  im  die  göttlich  forcht  u.  a.  r. 
g.  A  mit]  nit  D  wirkent  F  4  vordert  F  5  gotes  genad  F  willen  C  ha- 
bent  F  sich]  sie  D  6  lies  mit  F  reitter?  doch  s.  292,  22  werd  C  genad  gottes 
AE  7  willen  BC  w.  g.]  widerwertiklich  A  8  rote  Überschrift  Item  wie  der 
mensch  sich  selbs  layten  sol  A  Auch  m.  F  1.  mensch  fehlt  F  9  verr]  vil  F 
10  s.  h.  1.]  dise  selige  gelassenhait  F      haylsamlichs  fehlt  B CD      wan  F      11  rewe 

—  12  willen]  ein  rueliche  bewegnuß  vmb  sein  sind  mit  laid  seines  h'czen  vnd  mit 
einem  willen  vnd  ganczem  fursatz  F  12  und  fehlt  D  willen  hat  BCD  13  gaists 
F  14  gotz  fehlt  D  die]  der  gotheid  der  D  ist  wah  alle  dingk  müssen  gewert 
werden  F  15  gaist  F  [und]  das  BCD  16  des  m.  fehlt  F  im  fehlt  F  18 
vor  schwerer:  lieb'  ausgestrichen  A  19  gaist  F  20 fg.  oder  nicht  las  (fehlt  E) 
zu  nemen  (ne  E)  BCDE  20  sy]  die  gnad  F  zuo]  auff  A  denn  m.  BC  21  als 
ob  —  spricht  fehlt  F      ob  fehlt  BCD      im]   dem  (den  B)   menschen  BCD;  dem  E 

22  volgestu  —  23  tuond]  lassest  du  dein  lust  F      22fg.  deinem  leiplichem  lust  B 

23  alz  barmh.  F      24  und]  er  DF      mit  d.  s.  fehlt  F      dem  sunder  B      kere  dich 

—  294,  3  sündent  fehlt  F      nit  fehlt  B 


10 


294  STRAUCH 

hertten  prediger  und  beychtiger,  du  macht  wol  zuo  (66b)  genaden 
komen  an  den  lesten  zeitten!  —  und  ander  vil  falscher  trost,  dar  auff 
layder  vil  menschen  sündent.  durch  sollich  einsprechen  wirt  manger 
mensch  umb  gestossen  und  betrogen,  das  im  ze  kurcz  geschieht  an 
seiner  sei.  aber  der  mensch,  der  ain  Vernunft  hat  und  willen  zuo  gott, 
der  sol  also  sprechen:  o  du  falscher  ratgeber,  ich  bekenn  das  gott 
parmherezig  ist,  wann  mit  seiner  parmherezikait  pin  ich  dir  entrannen, 
o  du  veind  meiner  sei,  ich  will  dir  nit  mer  volgen.  ich  han  layder 
bis  her  nachgevolgt  der  weit  und  meiner  leyplichen  begircl  und  deinem 
valschen  rat.  nun  will  ich  fürchten  und  ansechen  die  göttlichen  ge- 
rechtikait,  die  dich  umb  dein  undanckperkayt  und  grosse  hoffart  auss 
dem  hymel  in  die  ewigen  verdampnus  gestossen  hatt,  und  will  got  vor 
äugen  haben  und  suochen  hie  auff  erd  sein  er  und  das  hayl  meiner 
sei,  als  verr  ich  kan  und  mag. 

15  (67a)  Dar  nach   kumpt  aber  der  bösz   veind  und  will   die  genad 

irren  an  sollichen  menschen,  das  sy  nit  zuo  nement,  und  pringt  layder 
vil  menschen  mit  seinen  falschen  rätten,  durch  die  er  sy  erplendet,  auff 

77  ainen  sollichen  weg  das  sy  sprechen,  sy  wollend  gott,  der  weit, 
dem  leib  und  der  sei  ain  genügen  tuon  und  doch  nicht  verdampf 

20  werden,  das  ist  plosz  wider  die  hayligen  geschrifft,  wann  zwain 
herren  mag  niemant  wol  gedienen,  dar  zuo  messend  sy  es  nicht 
geleich  auss,  wann  sy  prechent  gott  und  der  sei  offt  ettwas  ab  und 
gebent  dem  leib  und  der  weit  ze  vil.  es  sprechent  auch  ettlich,  wir 
wülten  ungern  töttlich  Sünden  und  vallend  doch  täglich  in  grosse 

1  pr.  und  lerer  A  den  gen.  A  2  deyn  GE;  deyne  D  u.  also  vil  a.  f.  tr. 
D  3  einsprechung  BCD;  einsprüchh  E;  vnd  ander  einsprich  F  4  betr.  —  5  sei 
fehlt  F  5  armen  sei  E  der  m.  —  6  der  fehlt  F  0  soll  spr.  also  F  räter  F 
ich  wais  und  b.  BCD  8  du  fehlt  F  nit  mer  fehlt  D  mer  fehlt  F  ich  — 
10  rat  fehlt  F  8  dir  layder  B  9  meiner  fehlt  A  hegirden  A;  begir  E  10  n. 
w.  ich]  wann  ich  wil  F  fliecheu  B  ansechen  u.  forchtn  D  u.  ansechen  fehlt  F 
12  ewig  GF  geworfen  F  12  fg.  und  will —  14  mag  fehlt  F  14  kan  und]  fehlt 
BGD;  dann  E  vermag  B  15  rote  Überschrift  Hie  (fehlt  E)  mercle  (m.  da  E)  der 
menschen  plindikait  AE  aber  fehlt  ADF  veind  fehlt  B;  geist  GF;  gaist  wider  D 
IG  an  s.  m.  fehlt  F  nem  F  16 fg.  vil  m.  laider  F  17  mit  s.  f.  —  erplendet  fehlt  F 
sy  fehlt  BG  also  erpl.  A  erfult  B;  plendt  D  18  sin  oder  weg  F  mainet  F 
vnd  der  w.  F  19  ain  g.]  gnvig  F  und  doch  —  21  gedienen  fehlt  F  20fg.  vgl. 
cgm  452,  der  folgenden  xusatx,  xu  Diepenbrock3  s.  300,30  (NF  s.  77, 28;  bietet': 
gar  sorckleich  ist  und  wider  die  lere  des  ewangely  (Matth.  6, 24^  das  spricht  Nemo 
potest  duobus  dominis  servire  etc;  vgl.  auch  Buch  von  den  xwei  mannen  cd.  Lau- 
chert  56,  12.  64,  29  (Nie.  von  Basel  248.  255,/ .  21  dar  viii  D;  aber  si  m.  F  so  m. 
AB  22  ettwas  fehlt  F  23  Dise  menschen  sprechent  also  F  24  auch  ung.  E 
ung.  t.  s.]  nit  totsind  tun  F      doch  t.  fehlt  F 


ZUR   GOTTESFRETTND  -  FRAGE  295 

sünd,  der  sy  nit  erkennen,  wenn  sy  wellend  nit  wissen  noch  hören 
die  warhait  der  hayligen  geschrifft.  ettlich  sprechent  auch,  wir  seyen 
pluot  und  flaysch  und  seyen  bey  der  weit  und  dürften  der  weit,  dar 
umb  haben  wir  ainen  weg  gefunden,  dar  durch  wir  auch  behalten 
mügen  werden,  wir  wellen  allzeit,  als  pald  wir  (67b)  uns  in  Sünden  5 
erkennen,  fliechen  zuo  gott  und  zuo  seinem  leiden,  wann  gott  ist 
parmherczig.  solten  wir  verlorn  werden,  gott  wer  nit  gestorben  durch 
der  menschen  willen,  o  veind  ob  allen  veinden,  wie  lang  wilt  du  die 
menschen  betriegen?  du  hast  Adam  und  Eva  auff  gerett  und  betrogen 
in  dem  paradisz  und  mengen  kluogen  menschen  mit  deiner  falschen  10 
underweisung.  das  gott  alles  verhengt  über  die  menschen  von  der 
sünd  wegen  die  da  verpracht  werden  teglich  von  den  menschen  hie 
auff  erd  aun  all  forcht.  da  sol  ain  vernünfftig  mensch  sein  selbs  wol 
war  nemen,  das  er  nit  betrogen  werd  und  sol  ansechen  das  mennig 
menschen,  die  sich  des  alles  getrost  habent,  gestorben  send  in  iren  15 
jungen  tagen  und  villeicht  ir  sei  iecz  send  in  grosser  hellischer  pein, 
dar  umb  das  sy  nit  gelept  habent  nach  dem  willen  gocz  und  seine 
gebot  nit  gehalten  habent  und  sich  getrost  als  in  der  bosz  veind  für 
gelegt  hatt.  es  ist  war,  gott  ist  parmherczig  und  ist  gestorben  von  der 
sünder  wegen  (68 a),  aber  niemant  sol  dar  auff  sünden.  wer  dar  auff  20 
sündet  und  wol  wais,  daz  er  wider  gott  tuot  und  wider  sein  sei,  der 
sündet  in  den  hayligen  gaist,  und  wer  also  wissenlichen  sündet  wider 
sein  gewissen  und  vernunfft,  der  kompt  hart  zuo  genaden,  es  sey  dann 
das  er  sich  fast  üb  in  gnotten  wercken  und  in  andächtigem  gebet  oder 
ettwan  hab  ainen  fraind  gotz  der  im  gen  ad  erwerb.  es  war  aber  fast  2& 
hailsam  dem  menschen,  das  er  selb  guotte  werk  tat  mit  gesundem  leib, 
tuot  er  des  nit,  so  wirt  er  versaumpt  und  verlassen  von  allen  seinen 
frainden  und  kan  im  niemant  mer  helffen,  weder  fraind  noch  guot, 
wan  er  wolt  im  selbs  nit  helffen,  da  er  avoI  mocht. 

Die  selben  menschen  gevallen  in  selbs  auch  unterweilen  als  wol, 

1  groß  schwer  s.  dy  D  der  —  2  auch]  aher  F  3  bedürfen  E  4  rechtn 
syn  runden  F  dar  durch  —  29  mocht  fehlt  F  5  allzeit  fehlt  A  als  p.  als  D 
G  bekennen  E  7  von  D  8  die  fehlt  E  9  auff  gerett  und  fehlt  BCD  11  den 
m.  B  von  der  —  12  menschen  fehlt  A  12  dem  m.  B  13  all  fehlt  AB  ver- 
nufftiger  CDE  wol  fehlt  AD  14  werd  fehlt  A  14/#.  mauger  mensch  BCD  16 
ieczund  BCD  17  seiner  B  18  und  s.  getrost  fehlt  BCD  g.  haben  E  20  es  sol 
niemant  BCDE  aber  wer  E  21  der  selbig  mensch  B  22  vb'  D  23  gewissen 
und  fehlt  A  den  gen.  B  25  guotten  fraind  A  er  |  erwerb  A  fast  fehlt  B 
27  er  das  nit  BCD  28  frainden]  kantten  B  [mer]  gehelffen  A  30  Die  s.  m.  g.] 
vnd  also  g.  si  F,  vgl.  oben  lesa.  wu  %.  4  selbs  fehlt  BC  auch  unterweilen  fehlt 
AF      so  A 


30 


296  STRAUCH 

das  sv  nit  wollen  1er  noch  straff  auf  nemen  und  wollend  allain  nach 
volgen  irem  aigen  willen,  sollich  menschen  werdent  schwärlich 
von  dem  posem  gaist  geplendet,  also  (68b)  das  sy  vil  sünd  nit  für 
sünd  habent  oder  schetzent  die  sünd  klainer  dann  sy  vor  gott  send. 
5  die  selben  menschen  sind  in  ainem  besorglichem  wesen  ir  sei,  die 
umbgeben  ist  mit  stricken  diser  weit,  und  ir  aigen  synn  wol  gevelt: 
verfarend  sy  aun  todsünd,  so  habend  sy  gott  vil  ze  dancken.  aber 
um  die  läslichen  sünd,  der  sy  hart  ledig  stend,  müssend  sy  leiden 
grosse    hellische    pein    in    dem    fegfürr.      sollichen   menschen    ist   ze 

io  raten,  das  s}r  rat  nemen  von  gerechten  weysen  gottforchtigen  menschen, 

die  nit  änderst  suochent  den  die  ere  gotz  und  das  hayl  der  menschen 

und  kain   zeittlich  guot  nit  ansechent.     den  selben  sullend  sy   volgen 

und  nit  irem  aigen  willen    und   den    leiplichen  lüsten,    wann   es    rett 

8,13   sant  Pauls,   das  sollich  menschen,   die  also  leben  irem  leib  nach  lust, 

15  sterben  müssent  des  ewigen  todes  und  sant  Augustein  spricht,  das  die 
menschen  lebend  dem  leib,  die  da  essent,  trinckent,  schlaffen t,  padent, 
redent,  frolich  send,  wenn  sy  wellent  und  als  vil  sy  wellent.  das 
hayst  dem  leib  gelept  und  nit  der  sei,  das  gar  un weislich  ist  getan 
und  auch  in  dar  umb  berait  ist  die  ewig  pein  und  verdampnus.     Von 

20  den  redt  sant  Bernhart  und  spricht  also,  das  sollich  menschen  etwenn 
gedachtem!  die  ewikait  und  die  pitterkait  der  hellischen  pein,  die  in 
dar  umb  berait  ist:  aun  zweifei  vil  menschen  aun  zal  liessend  von  den 
sünden   und  volgeten   nit  also   nach  der  begird   und  wollust  irs  leibs, 

1  beidemal  wolten  B  und  sy  wollii  D  allain  —  2  willen]  also  bleibn  biz 
an  irn  tod  F  2  die  s.  leut  sint  die  F  4  sy  schaczen  BD  5  dise  leut  F  sor- 
gelichen  leben  F  irr  C  ir  sei  —  G  mit]  waii  si  wouent  nachent  by  den  F  6 
diser]  der  F  und  —  gevelt  fehlt  F  aigner  GDE  wol  gefeit  'wird  wol  ge- 
brochen' so  —  8  leiden]  daz  doch  schwärlich  zu  gat  so  werdent  si  behalten  vnd 
gewinnent  vnusprächenlich  F  7  vil]  wol  BCD  8  der]  dy  D  hart  fehlt  D  9 
hellische]  vnd  lang  F  vnd  dy  suud'r(V)  in  d.  f.  D  10  rechtü  D  11  die  —  297,  3 
leichnams]  vnd  den  selben  folgent  vnd  nit  in  selb  F  11  menschen]  sei  A,  vgl.  289,  3. 
294, 14  12  nit  fehlt  BGDE  den  s.  menschen  E  sollen  wir  D  13  de  aygnen  D 
aigem  A  spricht  D  14  vor  irem :  jn  eingeschaltet  B  15  dy  m.  st.  D  spricht  s.  A.  E 
augustin'  CD  17  redent  und  andrw  (69  a)  fröd  habend  A  sein  BGDE  wellent] 
lust  A  als  vil]  zuo  welcher  zeit  A  wellent.  aber  umb  die  lässlichen  sünd  da 
wirt  der  mensch  doch  nit  ewiklich  verlorn  wie  wol  sy  hertteklich  gestrafft  werdent 
vh  (lies  umb?)  die  vorgenannten  sünd  A  das  selb  A  18  vnmenschlich,  darüber 
vnnuzlich  B  get.  ist  A  19  wann  in  auch  A  darvmb  in  E  pein  und  fehlt 
BCD  verdampnüg  B  20  den]  sollichen  A;  dem  BCDE  sanct'  bernhard'  CD 
solleiche  C;  dy  selbn  D  mit  fleisz  A;  ettwen  B;  ewen  C;  eben  DE  21  ge- 
dencken  B;  gedachten  C  22  iren  A;  fehlt  D  23  noch  also  D  also  fehlt  E 
beeir  DE      dorn  w.  A 


ZUR    GOTTESFREHN~D  -  FRAGE  297 

die  sunst  laider  nit  achtent  der  gebot  gotz  noch  das  hau  ir  sei,  so 
doch  niemant  mag  körnen  zuo  den  ewigen  fröden  die  hie  nach  volgen 
irem  aigen  willen  und  wollust  und  begird  irs  leichnams. 

Die    menschen,    die   in   grosser  sicherhait    wollend    leben    hie  in  nf  82fg 
diser  (69b)  zeit,  die  habend  solliche  aygenschafft  und  Übung  in  5 
irem  leben,   das  sy  widerstand  starcklich  totlichen  und  läss- 
lichen  Sünden   und  fliechend   iren   aigen  willen  und  wellend 
nachvolgen  gott  und  seynen   frainden  und  ir  aigen  gewissen  als 
yerr  sy  mügent.     aber  der  pöz  veindt  betrügt  ir  vil  und  tregt  in 
also   ein  als   ob   er  Sprech:   o   lieber  mensch,   warumb   wiltu  tuon  das  10 
ander  menschen  nit  tuond.     du  wirst  zu  spott.   '  leb  nach  deinem  lust. 
es  werdent  nit  all  menschen  verdampt  die  der  weit  dienend,   als  die 
pfafien  predigend,     du  kumpst  noch  wol.     wenn  du  alt  wirst,  so  trag 
gott   ab   dein   sünd.     du  bist  auch  krancker  natur  und  magst  nit 
also  beharren  als  ander  menschen,     und  ist  das,  das  der  mensch  nit  1° 
volgen  will  dem  bösen  veind,  so  kompt  er  mit  ainem  andern  strick, 
mit   dem  er  vil  menschen  pint,   das  sy  nit  furbas  gend  zuo  gott,  und 
spricht   im    zuo    mit    sollichen    gedancken:    o    mensch,    du    hast    ain 
rechtes  hayligs  leben,     hab   ain  genügen  dar  an  und  beleih  also, 
ander  menschen  werden  dein  spotten,  soltestu  (70 a)  änderst  leben  denn  20 
sy  mit  fasten,  beten  und  predig  hören  und  zuo  hayligen  zeitten  beichten. 
aber  sollich  menschen  süllen  den   bösen  gaist  vertreiben  mit  sollichen 
worten   als   ob   sy   sprechent:    0   du  betrieger,  ich  waisz   wol  das  gott 
und  sein  lieb   hayligen  auch  verspott  sind  worden,     dar  uinb   ob  ich 
verspott  würd,    das  will  ich   gern  leiden  und  ist   billich  von    meiner  25 
sünd  wegen,     aber  das  waisz  ich  wol:   wer  gott  getraut,   der  vermag 

1  laider  nach  achten  E  des  b.  E  hail  fehlt  B  2  sind  v.  A  3  begir  E 
leibs  A  4  rote  Überschrift  Merck  aber  des  (der  E)  bösen  veindes  (feindt  E)  listikait 
AE  Aber  d.  m.  F  stee  ode'  1.  D  4fy.  hie  in  d.  z.  fehlt  F  6  das  fehlt  F 
krefftiklich  A  totlich  E  t.  nnd  1.]  den  F  lässl.]  teglichen  B  7  iren]  von  B 
und  fehlt  E  8  seyen  A  und  —  9  mügent  fehlt  F  8  irer  A;  irem  D  9  gaist  F 
10  als  ob  e.  spr.  fehlt  F  lieber  fehlt  F  11  leut  F  leb  —  14  sünd]  wafi  F  12 
all]  als  vil  BC  13  vnd  predigen  B  es  noch  D  14  auch  fehlt  F  und]  du  A 
15  verharren  F  als  a.  m.  fehlt  F  ein  das  fehlt  D  16  dem  b.  veind  fehlt  F 
and'  C  stuck  CD  17  zuo  g.  fehlt  F  18  er  spr.  D  in  BCF  s.  bösen  g.  A 
dencken  F  19  solchs  r.  B  h.  r.  leben  D  rechtes]  strengs  vnd  F  benügn 
[dar  au]  F  20  wan  a.  m.  D  ander  —  21  beichten  fehlt  F  20  wurden  D; 
wirden  E  würdest  du  E  21  beten  fehlt  D  peiebtigen  E  22  solte  BC  feindt  E 
23  worten  als  ob  sy]  maufi  vnd  F  ob]  sam  BCD  ich  zweimal  A  24  lieb 
fehlt  F  auch  fehlt  F  25  wird  AC;  wurd  BDE  das]  so  E  es  g.  E  leiden 
bis  26  das]  tragen  vnd  F  es  ist  D  von  —  26  aber  fehlt  D  26  ich]  auch  F  wer] 
der  B      wol  g.  (traut  D)  DE 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  20 


298  STRAUCH 

alle  ding,  ich  erkenn  auch  daz  mein  leben  der  frummen  menschen 
leben  laider  fast  ungeleich  ist,  dar  unib  fleuch  ich  alles  das  das  wider 
mein  arme  sei  ist  und  will  mit.  der  liilff  gotz  ainen  sichern  weg  suochen 
denn   ich  bis  her  getaun  hab. 

Dar  nach  kompt  der  mensch  in  die  tritten  gesellschaft't  der  fraind 
gottes.  die  habent  hie  auff  erd  strenge  ubung  umb  das  ewig 
leben,  dar  umb  das  sy  dester  klainer  .pein  habend  in  (70b)  dem 
fegfeurr.  aber  die  kint  der  weit  renitent  nit  auss  gruntlich  mit 
wainen   und  mit  clagen  und   nit  widerstant  dem    unkrautt  ir  gewissen. 

i«>  dar  umb  werdent  sy  hertt  und  plind  in  irem  leben,  ettlich  menschen 
die  also  habend  ain  strenges  leben,  die  betrugt  der  bösz  veind, 
das  sy  noch  haben  ain  aut'fsechen  auff  die  weit  und  gevallend 
in  selber  wol  und  habend  in  ettlicher  masz  lust  und  fräud  in  der 
weit  und   gunst  und   lob   begerend  sy    zuo   haben   von   den    menschen 

iß   und  also  mügent  sy  nit  furbas  kommen  in  ain  haylsams  wTesen  ir  sei. 

den    selben   menschen    solt  man    sagen,   das   unser  her  Jhesus  Christus 

floch  von  den  menschen  da  in  das  volk  wolt  machen  zuo  ainem  küng, 

Joh.  6, 15   als  geschriben   statt  Johannis  sexto:    aber  da   man  in  vachen  wolt,   da 

gieng  er   engegen  seinen  veinten.     also    sullen    wir    auch    lob    und    er 

20  fliechen  der  menschen  und  triebsal  durch  gottes  willen  geren  leiden. 
nf  89 fg.  Dar  nach  kumpt  der  jnensch  (71a)  in  die  vierden  gesellschaft  der 

fraind  gottes.  die  übend  sich  k ecklich  wider  die  sünd  und 
habend  tag  und  nacht  grosz   ubung  als  vil   sy  tragen  mügent. 

1  ich  e.  auch]  vnd  sich  aucli  wol  F  \fg.  lohen  laider  f.  u.  ist  der  fr.  m.  1., 
hierauf  nochmals,  aber  ausgestrichen  vii  laider  fast  ungeleich  ist  A  1  fr.  men- 
schen]  hailigen  F  2  noch  laider  F  gar  vast  D  ich  —  3  und]  wafi  ich  F  3 
mit  gotes  hilf  F  ainen  —  4  hab]  got  zu  lob  vnd  er  höher  steigen  F  sichern 
eomparatw  4  dan  CDE  laider  bis  A  5  rote  Überschrift  Aber  (Merck  aber  E) 
wie  der  bösz  veind  erplent  die  menschen  AE  Und  dar  F  zu  k.  C;  so  k.  D 
drit  < ',  fehlt  {)  6  gottes  der  ist  noch  agottwil  vil  A  hie  a.  e.  fehlt  F  ertreich 
E  7  [dester]  klain  F  dort  h.  A  8  aber  —  weit]  Dise  menschen  F  auss]  als 
B  gr.  auß  D  gruntlichen  F  9  und  fehlt  A  mit  fehlt  D  n.  w.]  mit  wider- 
stan  alle  jrem  B;  ir'  G;  ires  D;  irs  F  10  in  i.  1.]  vnd  bitter  F  gewissn  vn 
leim  D  ettlich  —  11  veind]  aber  der  böß  gaist  hebt  sy  also  vnd  betr.  etlich  F 
13  selb  C;  selbs  DE  sy  h.  1)  der]  diser  A  14  weit  fehlt  E  [und]  g.  BF 
begerend  —  menschen  fehlt  F  zuo  fehlt  E  15  kommen  —  sei]  steigen  F  ain 
fehlt  l:  leben  oder  w.  4  16  Disen  m.  sol  F  Christus  Jhesus  A  17  solt  E; 
machen  wolt  C  [zuo]  ainen  BD  18  wan  als  D  am  sexten  BD;  an  dem  sexten 
tail  sein'r  1er  F.  aber  fehlt  D  in]  den  herrn  D  1!)  er  in  A  seinen  v.  fehlt  .1 
20  der  in.  fehlt  F  tragen  F  '21  rote  Überschrift  Item  (fehlt  E)  man  sei  starck 
sein  wider  die  (fehlt  Et  sünd  AE  Vnd  also  k.  /*'  22  kecklichen  GF;  wider  d.  s, 
kecklichü    /'        die   fehlt    E       lasier    F       23   si   h.    /'        getragen   F 


ZUR    GOTTES FIJFA'XD  -  FRAGE 


299 


aber  der  bosz  gaist  vint  ainen  weg,   das  sy  vil  Übung  tuond 
nach   aigen   willen,     man   vint  vil   hoch   genantter  gaystlicber  men- 
schen die   ain  wolgefallen  haben   an   iren  verworffen  klaideren   und  an 
hohen    subtilen  worten    und   an    irem    züchtigem    uswendigem    wandel. 
aber  sy  habent  nit  ain  gancz  antfsechen   auff  ir  vernunfft  und  anff  ir  5 
gewissen,   besunder  mer  habend   sy   ain   anffsechen   anff  iren   nächsten 
denn  auff  sich  selbs,   das  gar  schädlich   ist  irer  sei  und  dar  nmb  wer- 
dent  sy    geirret  an    irem   anffgang   und   werdent   offt  bewegt  und  un- 
ruwig,   wann   sy   sind   in   selbs  nit  gar  getött.     sollich   menschen  ver- 
dienent  auch,  das  gott  über  sy  verhengt  sollichs  oder  grössers  übel  dar   10 
inn  sy  iren  nächsten  vermerkend  und  urtailend.    inen  ist  ze  sagen  die 
klag  sant  Augustein,   der  spricht  also:   o   herr  (71b),   die   weil  ich   nit 
erfült  bin  mit   deinen  genaden,   so   bin  ich   mir  schwär  — ,   als  ob   er 
Sprech:   o  herr,  was  ich   in  mir  maistern  oder  regieren  will  aun  dich, 
aun  zweiffei  das  irret  und  beschwärt  mich,    auch  spricht  der  selb  lerer:   is 
wer  sich  selbs  paut,   der  paut  ain  val.     wer  oren  hab,   der  merck  was  ^-'.^'J'!; 
das  wort  sey:  es  ist  schwär  und  betutt  vil. 

Dar  nach  kompt  der  mensch  zuo  der  fünfften  gesellschafft  der  g  ■?';, 
grossen  fraind  gotz  und  die  selben  habent  in  gancz  für  geseczt, 
das  sy  wellent  iren  aigen  willen  ganczlich  lassen  und  leben  20 
nach  gottes  willen  und  nach  dem  willen  ir  obern  und  die  sind 
die  ersten  die  auff  den  rechten  weg  komen  sind  zuo  dem  Ur- 
sprung, aber  der  bosz  gaist,  so  er  sieht  das  die  selben  men- 
schen komen  sind  auff  den  rechten  weg,  so  macht  er  in  ir  aigen 
ubung  als  süsz,   das  ir   ain  tail   offt  vallend   in  unstettikait  und    25 


*& 


1  dy  bösen  g.  D  veint  E  der  vint  Ä;  wirt  a.  w.  vinden  B;  vinden  D; 
v.  a.  w.]  krumt  si  auf  sich  selbs  alzo  F  irrung  B  2  aigem  EF  geweichter  B; 
genenter  CF;  genempter  D  geistlichen  G  3  v'worffnen  D  klaider  A  4  hoch  A 
sb'teilen  A  5  ganezes  F  auff  fehlt  an  erster  stelle  D  irr  C;  irer  I)  6  be- 
sunder —  7  sei  fehlt  F  7  und  fehlt  BCD  8  dick  F  Sfg.  verirrigt  B;  vnrurig  C; 
rewrig  D;  vnruig  F  9  wann]  vnd  B  nit  in  selbs  F  tod  A  sollichen  F  9  fg. 
verdien  [auch]  E  verd.  —  11  inen  fehlt  F  10  sy]  sich  C  vh  grosses  D  11 
inne  Bö  he  B  verurtaillend  A;  u.  sollich  vbel  B  inen]  sollichen  menschen  BCD 
12  augustini  CE;  st'  Äug"  D:  saneti  Augustini  F  der]  vnd  D  nit  gar  F  14 
reguiren  D  15  der  s.  1.]  aug'  D  16  selber  CD  im  ain  val  A;  yn  val  D 
der  B  17  das  w.  was  es  sey  B  wann  daz  w.  ist  schwanger  und  bedeyt  F  18 
rote  Überschrift  Aigen  willen  lassen  ist  haylsam  (h.  der  sei  E)  AE  in  die  B  19 
ganczlich  E;  gänczlichn  F  20  wellent  fehlt  BCD  gancz  A;  ze  grund  F  und 
auch  B  21  ir  0.]  seiner  lieben  hailigen  F  obersten  BC;  obristenn  D;  öbrär  E 
das  AD  22  den  weg  rechtiklieh  A  koment  und  zuo  A  23fy.  dise  friiud  gotes  F 
24  gerechten   .!       25  alzo  F      ir  fehlt  E      offt  —  und  fehlt  D 

20* 


300  STRAUCH 

vallent    wider    in    ir   aigen    Übung    und    also    werdent    die    selben 

lieben  menschen  behefft,   das  sy  nit  fürbas   mügent  kommen. 

sollich  (72 a)  menschen  stillend  gedencken   an   das  wort  unsers   herren, 

uh.  e,  ös   der  spricht  also  in   dem   ewangelio:    ich  bin   nit  kommen   das  ich   tue 

5  meinen  willen  sundern  das  ich  verbring  den  willen  meines  vatters. 

xV'j'i!^  Dar  nach   kompt  der  mensch  zuo   der  sechsten  gesellschaii't,  die 

gar   liebplich    ist  anzesechen,    wann  sy    sind  stät   und  habent   sich 

gott  gar    gelassen   und  wellend   stät  beleyben  bis    an  ir    end. 

aber    ettlich  under   in   werdent    gar   listiklich    geirret  von    dem   veind, 

io  wann  so  sy  hörend,  das  gott  seinen  frainden  haymliche  ding 
offenbar  macht  oder  ander  grosse  genad  tuot,  so  pringt  sy 
der  bösz  gayst  zuo  fürnämschkayt,  das  sy  auch  von  got  be- 
gerend  haimliche  offenwarung  oder  ander  grosz  genad,  die 
doch  nit  nott  sind   zuo   dem   ewigen  leben,   und   sollich  menschen 

io  koment  in  der  selben  bösen  und  sorglichen  anvechtung  darzuo,  das 
sy  sich  geleichent  ettlichen  hayligen,  und  das  geschieht  dar 
umb  das  sy  nit  zuo  grund  kommen  noch  ablegent fürwitzkay t 
natürlicher  naigung.  den  (72b)  selben  menschen  ist  ze  sagen, 
das  sy  gott  mit  seynen  gaben  lassend  würeken  wie  und  wem 

20  und  wenn   und   wie  vil  er  will,   oder  sy  werdent  geschlagen    und 

vertriben. 

rpioifgg.  Und   so  man   durch  dise  anfechtung   kompt,  so  wirt  der  mensch 

gezogen  und  geweyst  zuo  der  sybenden  hoclrwirdigen  gesellschafft  und 

die    selben    menschen    habent    sich   von    grund    gott    gelassen 

25   und   wellend   mit    gottes    hilff   der   natur   listikait    tötten,    als 


]  willen  oder  Übung  B  die  s.]  dise  F  2  lieben  fehlt  BGD;  lieb  F  mügent 
fehlt  E  3  Dise  in.  F  h.  Jhesu  Christi  A  4  da  er  spr.  A  sprach  F  also 
fehlt  A  in  dem  e.  fehlt  F  ewangeli  A  5  volpring  CDE  v.  amen  I)  6  rote 
Überschrift  Merck  den  auflgangk  mit  fleisz  AE  so  k.  BGD  seebsten  fehlt  F 
7  gar  fehlt  B  8  iren  tod  F  9  ettl.  under  inj  ir  aiu  tail  F  lüstielichen  F  10 
so  fehlt  D  11  o.  m.]  offenbart  F  sy  auch  A  sy  fehlt  E  12  zuoj  in  ain  F 
fürmassigkait  B;  furmessigkeit  CD;  fu'memsichtikayt  E;  fürnemsebbait  F  also  das  A 
auch  fehlt  A  Vi  fg.  beg.  von  gott  sein  baymlicbayt  oder  A  13  haimlicher  F  14 
doeb]  deucht  D;  da  E  ist  F  15  bösen  und  fehlt  BGD  soreklieber  E  an- 
fechtigüg  E  17  k.  noch  fehlt  D;  komet  ausgestrichen,  um  rande  kenet  F  ab- 
ienget nit  A  f.  vnd  schalckhafftighait  F  18  s.  menschen  fehlt  F  19  genaden  A 
und  wem  fehlt  A  \$fg.  wem  u.  wenn]  wenn  und  wan BGDE,  jedoch  ist  in  B  vnd  wan 
ausgestrichen  22  rote  Überschrift  Merk  alier  (fehlt  E)  ainen  höchern  auffgang  AE 
l'ndj  Nun  A  anl'echtigung  GE  23  gerayezt  B  sybent  G  24  s.  menschen  fehlt 
AE  gott  /'--////  C  25  sy  w.  mit  der  J>  der  n.  widerstan  und  ir  1.  .!  die  GD 
iiaturlirlien    />';    uatui icidi    <'l>       lustikait   /»'/>,'   lustikait  F 


ZUB    GOTTESFHETJND  -  FRAGE  301 

verr  ir  krafft  und  vernunfft  geraichen  mag,  und  wollend 
geren  gott  zuo  eren  sich  in  würckens  oder  schau wends  leben 
geben,  wenn  es  gott  wol  gefalt.  aber  der  bosz  veind  hept  ettlich 
menschen  mit  ainer  gar  haymlichen  Iistikait  also  das  sy  underweilen 
in  den  grossen  gauben  gotz  naturlich  lust  mit  lassent  lauffen  5 
und  nemant  des  nit  war  als  sy  schuldig  weren  und  dar  umb 
ist  fleissikleich  ze  mercken,  das  der  bosz  gayst  mag  machen  in  der  sei 
grosz  fröud  und  lust  als  verr  im  von  gott  verbeugt  wirt,  also  das 
layder  in  disen  zeytten  vil  menschen  kläglichen  betrogen  werdent. 
dar  umb  soll  man  mercken  auff  den  aussgang  der  fröud  oder  der  lüst,  10 
sy  seyent  grossz  (73a)  oder  klain.  ist  das,  das  sy  den  menschen  dar 
zuo  naigent,  das  er  sich  ettwas  dunkt  und  wirt  hoch  von  im  halten 
oder  des  geleichen,  so  sullent  sy  wissen  für  war,  das  sy  der  betrieger 
facht  oder  fachen  will,  aber  göttlicher  trost  und  sussikait  weysend  den 
menschen  in  ain  volkomen  erkanntnusz  seyner  aigen  missetat  und  15 
schnödikait  und  in  ain  vollkomen  diemütikait.  ist  aber  das  die  lüst 
gerecht  sein  und  von  gott  kumen  und  wil  der  mensch  die  selben 
suochen  mit  gebet  oder  mit  enpfachen  des  hayligen  sacramentz 
oder  mit  ander  Übung,  so  suocht  er  nit  lauter  gott.  sunder  er  suocht 
das  sein,     und  dar  umb  ist  disse  Übung  nit  der  nächst  weg.  20 

Dar  nach  wenn  der  mensch  kompt  weyslichen  auss  disen  besorg-  NFiosfgg 
liehen   stricken,    so    wirt   er  gerueft  und   genädiklich  gezogen   zuo   der 
achtenden    gesellschafft,    die    sind    gott    vast    gen  am    und    gar    ains 
loblichen  lebens.    mit  den  übet  der  bosz  gaist  alle  sein  Iistikait 
wie  er  sy  verirren  möcht,  das  sy  in  den   Ursprung  (73'')  nit  körnen   25 
und    bedeckt    [die]    mit    ainer    wunderlichen    weisz    und    gar    haymlich 

1  krafft  und  fehlt  F  raichen  BG;  rechnen  D  und  sy  D;  und  fehlt  E 
2  ze  er  F  in  schawens  (anschawens  B)  BGB  3  bosz  fehlt  F  der  h.  D  4 
underw.]  wollfi  D  5  1.  lassen  CDE  6  sy  n.  dz  D  niement  F  und  fehlt  D 
7  so  ist  D  fleyssig  BE  feindt  E  8  von  fehlt  G  wirt  fehlt  G  9  ciagleich  C; 
Ieyder  D  JOfreudüZ)  der  fehlt  B  lustü  D  11  ist  [das]  B  11  fg.  dar  zuo  fehlt  B 
12  in  A  gehalten  B  13  der  gleichen  F  so  wiss  für  war  F  sy]  in  B;  dich  F 
14  facht  oder  fehlt  D  suchet  0.  suchen  B  15.  IG  volkomne  F  missetat]  nichsi- 
kait  F  und  fehlt  F  IG  der  lust  A  17  ist  A;  seyen  F  kompt  A  der  m.  will 
A]  wilt  F  die  s.  sussikait  A  18  empfahüg  D  19  anderen  BCD  suech  B 
suchst  du  F  Iauterlich  F  du  suchst  F  suech  B  20  das  diu  F  disse  ü.]  es 
.1  21  rote  Überschrift  Die  acht  Iistikait  des  bösen  veinds  A;  rote  Überschrift  Merck 
ab'r  aine  hohe  aufganck  vnd  Iistikait  dez  pösen  feintzs  E  weyssigkleichen  G;  w. 
kumpt  DF;  weislich  E  21  fg.  disen  str.  die  fast  sorgklichen  sind  A  sorklichen  F 
22  stucken  B  beriefft  AD  und  fehlt  D  gnädiklichen  F  23  achten  BCDE 
gar  vast  I>  gemain  B  ains  gar  F  24  denen  ABB  lustikait  BF  25  verirre 
[möcht]  F      keine  D      26  verdeckt  A       die  fehlt  F      haimlichn  F 


302 


BCDEF 

solcher  menschen  beschaidenhait 
und  Vernunft  so  sy  in  grossem 
Just  mit  got   sindt,   das   sy    in 

5  solich  begir  vallend  daz  si  der 
selben  gnaden  geren  mer  ha- 
ben und  in  grosserem  einilns  und 
prauchent  dise  genad  in  ett- 
licher  aigenschaft,  wan  sy  sind 

10  nit  gar  danckper  unsserem  herren 
und  also  haimlich  ist  in  irem 
gemütt  verborgen  ain  aigens 
wolgevallen,  das  sy  es  nit  er- 
kennen   mugen,    und    die    selb 

i5  plinthait  lest  sy  tuncken,   sy   sein 

für  ander  menschen   und  haimlich 

ä.  1,27   haben  sy  die  genad  gottes,  als  sam 

es  in  pilleich  sey.    wer  aber  durch 


20 


wenn  sy  in  grossem  last  sind  und 
in  hocher  andacht  mit  gott  und 
begernt  von  gott  der  mer  und  vil 
ze  haben  und  in  dem  habent  sy 
ain  aygen  wolgefallen,  als  ob  sy 
es  von  ir  frümkait  wegen  haben, 
und  sind  undanckpär,  und  also 
haymlich  ist  in  irem  gemiit,  sy 
seyend  fmmm  und  besser  dann 
ander  menschen  und  die  selb  plint- 
hait die  beraupt  sy  denn  irs  Ions, 
dar  umb  wer  sollich  einväll  hab, 
der  ker  wider  und  schecz  sich  all- 
zeitt  für  ainen  unnüczen  diener 
gotz  und  tuo  als  sant  Johannes 
der  sprach:  ich  bin  nit  wirdig  das 
ich  berür  die  ringgen  an  seinen 
die   strick   ungeirret  wel   gen,   der      schuochen.     er  sol  richten  all  sein 

gedancken  und  tuen  nun  in  gottes 


lob  und  ere,  so  verpringt  er  den 
willen  gotz  und  enpfacht  den  ge- 
rechten Crossen  Ion. 


/  L12fgg. 


musz  an  zweyffel  grosse  gotzforcht 
haben  und  ain  fleyssig  gepett  in 
ainer  waren  demuttigkait  und  nit 
suechen  was  er  wel  und  im  lust- 
lich sey  besunder  allain  gottes  ere 
und  ain  gancz  volbringen  gottes 
willen. 

Nun  will  ich  schreiben  von  dem  nünden  stat  der  volkommen 
fraind  gocz,  die  mit  grosser  arbait  und  mitt  angst  und  nott  kommen 
sind  in  ain  sollich  (74a)  fräudenreiche  und  sälige  gesellschafft,  wann 
ir   sei   sind   klar   als   die   engel  in  dem  himel  und  sind  also  durch 


2  s.  menschen]  ir  F  3fy.  grossen  lusten  D  4  in  —  5  das  si  fehlt  BCD 
5  begird  F  si  wölten  F  i\fy.  hettfi  D  7  in]  ain  B;  mit  D  groszeren  B; 
grossen  D  influß  F  und  fehlt  D  pr.  sy  D  dy  D  grosz  genad  EF  mit  D 
vndackpär  A  11  und]  wan  D  11.  IG  haimlichen  F  12  willen  D  14  selbig 
B;  selbii  D  15  laut  F  16  leut  F  17  die  fehlt  D  als  —  IS  sey]  für  ain 
billichhait  F  18  ym  D;  in  p.]  uupillicb  B  seyn  D  ring  |  gen  A  19  dil!  F 
stuck  BD  wil  BCD  21  ileissigs  E  23  und  was  E  yn  D  23fy.  lustigldeich  C 
21  seyn  BD  sunder  F  25  gancze  volpringung  EF  27  rote  Überschrift  Hie 
(Da  E)  meick  die  rechten  fraind  gotz  mit  fleisz  (m.  fl.  fehlt  E)  AE  wollen  wir  F 
28  frewdn   E      mit]  Im   E 


zur  gottesfeeiwd  -  frage  303 

den  bösen  veind  durchübet  worden,  das  sollich  trübsal  niemant  verstau 

mag  dann  der  dem  sy  widerfaren  sind,  die  selben  menschen  sind 
also  lauter  and  plosz  gott  gelassen:  wenn  in  ettwas  lustlichs 
trostes  kompt  von  gott.  so  erschreckent  sy  dar  ab  mer  denn 
daz  sy  gut  des  liesz  darben,  wann  sy  begerent  nit  anders 
denn  in  dem  gelauben  Christo  Jhesu.  dem  Spiegel  aller  tugent. 
ainfaltiklich  nach  ze  volgen.  sy  suochent  kamen  trost,  sy 
begerent  nichtz  ze  wissen  dann  das  in  gott  ze  wissen  tuot.  si 
sind  auch  also  diemütig,  das  sy  sich  unwirdig  dunckent  aller 
göttlicher,  haimlicher,  trostlicher  gab.  sy  habend  kain  be-  10 
gerung  dann  das  die  er  gottes  volbracht  werd  und  was  gott  wol 
gevellt,  das  gevelt  in  von  grünt  wol.  geyt  in  got,  so  lassend 
sy  es  guot  sein,  nimpt  er  in,  so  lassend  sy  es  aber  guot  sein 
und  stand  also  in  allen  dingen  unangenomen,  das  ist  als  vil  sy 
seczend  iren  willen  gänczlich  in  gottes  willen  und  wellend  allain  sein  ia 
ain  (74")  lauter  werckzeug  des  göttlichen  willen,  sy  verschmachent 
mer  süsses  dan  bitters,  wann  sy  minnent  das  krucz.  ir  krücz 
ist  das  sy  dunckt,  das  sy  dem  ebenbild  und  dem  leben  Christi 
nit  nachvolgend  als  sy  geren  tatten  und  schuldig  sind,  si 
sind  also  diemüttig,  das  sy  sich  selber  und  alle  ire  werck  20 
gar  vernichtent  und  seczent  sich  under  all  creatur  und  dürrent 
sich  niemant  geleichen  weder  in  zeit  noch  in  ewikait  und 
habend  all  menschen  lieb  in  gott  und  der  gott  minnet,  den 
minnent  sy  auch  und    sind   der  weit   zuo   grund   tod,   als   auch 

1  den]  des  A  durch  geübt  A  2  die  s.]  Dise  F  3  1.  und  pl.  und  gott  A 
lustigkleichs  BCD  4  von  gott  vor  3  ettwas  A;  von  g.  komt  F  so  dar  schreckn  E 
sy  dar  ab  fehlt  F  mer  —  5  darben]  als  diemütige  berczeu  ABCDE:  ich  habe  die  les- 
art  cm  F  in  den  text  gesetzt  /regen  der  Übereinstimmung  mit  dem  Wortlaut  in 
den  Nenn  felsen  (Diepenbroek3  s.  377;  NF  s.  113J ;  vielleicht  begünstigte  drabe 
(=  dar  ab)  —  darbe  den  ausfall;  hicss  *■$  ursprünglich  etwa  so  erschr.  sy  als  die- 
mütige herzen  d(a)r  abe  mer  tisw.?  5  änderst  A  6  denn  in  fehlt  A  denn]  wau 
D  Christi  ABCDE  7  ze  fehlt  EF  8  was  BCD  in]  sy  F  ze  w.  t.]  will 
wissen  F  9  auch  fehlt  B  schaezen  BCDE  10  hymlischer  B  und  tr.  AF 
11  das  fehlt  B  verprocht  B  12  das  —  wol  fehlt  A  von  grünt  (=  Diepen- 
broek3 s.  377 1]  auch  BCDE  in  got]  er  in  F  13  sein  und  dauckent  im  A  aber 
fehlt  F  14  sein  B;  sten  C;  si  steen  D  unaug.  fehlt  A;  angeneme  B;  an 
angen.  C;  on  äugen.  EF  als  vil  fehlt  A  15  w.  und  begerent  und  w.  A  si 
wellen  D  17  vil  mer  A  süsz  AB  wann  A  dann  A  nemant  A;  nement 
BCDEF  wä  ir  kr.  D  IS  bild  F  von  BCDE  dem  fehlt  A  20  alz  F  vud 
sy  s.  D       21  sy  d.  D      getürrent  F      22   in  der  z.  B      23  sy  h.  D       der   in  den 

rt  C:  den  D  nimpt  alle  der  A:  dem  E  24  nimpt  A:  nemen  BCDE 
auch  sy  F      si  s.  D      ab  tod  ABCD;  abtöt  E      als  —  301, 1  ist  fehlt  A 


304  STRAUCH 

die  weit  in  in  zu  grund  tod  ist  und  alle  vernünfftige  werck 
und  menschlich  sinn,  die  sy  mit  aigenschafft  geübt  habend, 
sind  in  in  gcänczlich  gestorben,  wann  gott  und  nit  ir  natur  ist  ir 
maister.      sie    mainent    sich    selb    nit    noch    süchent    daz    ir    in 

5  kainen  weg.  si  band  sich  selb  verloren  ze  grund  und  alle 
creatur  mit  in  selber  und  alles  das  ye  geschaffen  ward,  es 
sey  in  zeit  oder  in  ewigkait.  sie  lebent  in  ainem  unwissen 
und  begerend  auch  nichtz  ze  wissen,  wenn  sy  dunckent  sich 
unwirdig,  denn  allain  was  in  got  genädiklich  mit  taylen  will,    solliche 

10  menschen  send  gangen  durch  grosz  trübsal  die  ain  tail  un- 
menschlich gewesen  sind,  und  wölt  sy  gott  wider  in  trübsal 
haben,  sy  tättent  das  mit  fräuden,  wenn  ir  herr  ist  in  mit 
dem  crücz  vor  (75a)  gangen  und  dar  umb  bis  an  iren  tod  habent 
sy   das   crutz   lieb,      die   selben   menschen   sint   der  weit  nit  be- 

15  kantt,    aber   die   weit  ist  in   wol   bekannt,     si   sind    die  recht- 
3h.  4, 23  schuldigen,   die  den  vatter   an  bitten  in  dem  gaist  und  in  der 
warhait  und  die  hatt  gott  unaussprechenlich  lieb  und  hatt  fräud  in  in, 
die  niemant  begreiffen  mag. 

Auch  die  selben  menschen  schreibent  alle  ding  gott  zuo   und  in 

20  selbs  nichtz  dann  ir  sünd.  si  wollend  nit  gelopt  noch  geert  werden 
und  ordnent  alle  ding  gott  zuo  eren.  si  wegent  nichtz  hoch  dann 
allain  gott  und  seine  gebott  und  seinen  willen  und  rat  und  seine  werk, 
si  haltend  sich  für  schwach  und  begerent  verschmecht  ze  werden  und 
undertänikait  und  send  allen  menschen  früntlich  und  haltend  sy  in  eren 

25   und   sind  in   dienstlich,   in  iren  sünden  beschuldigent  sy  sich   ploslich 


1  ein  in  fehlt  CE  2  menschleich,  dann  e  angefügt  G;  mensehligen  /) 
sinu  fehlt  CDE  gehept  AB  3  sind  nun  A  ein  in  fehlt  CD  gancz  BD  ab 
gest.  I)  und  nit]  mit  D  ir]  die  F  ist]  sy  D  3  ir  vor  4  maister  fehlt  ABCDE 
4  meistern  D  sie  mainent  —  7  unwissen  fehlt  ABCDE;  vgl.  aber  Diepenbroek3 
s.  378;  NF  s.  115  8  und]  si  ABCDE  schaczen  BCDE  9  gnedigclichen  F 
solliche]  Dise  F  12  so  t.  sy  D  I2fg.  mit  dem  er.  nach  gangen  (gegangen  BC) 
BGD  13  gegangen  A  in  i.  t.  so  D  14  lieb  d.  er.  AD  Dise  m.  F  15  si]  Dise 
menseben  F  ^5  fg.  reebtii  schuldigen  D  10  vatter]  herren  CD  petten  BCD; 
betet  F  17  in  deuan  A  18  die  da  A  19  rote  Überschrift  Merck  (M.  furwas  /•.') 
von  den  gerechten  (rechtn  E)  frainden  gotz  AE  die  s.J  dise  F  schiebent  A 
L'l  si  o.  D  hoher  D  22  got  alleyn  D  23  haben  BGD  si  b.  D  geschieht 
AB  ze  fehlt  BD;  nachgetragen  G  verschm.  ze  werden]  verschmachimg  E;  ver- 
sebmechung  F  \v.  und  verschmachuug  BC;  verschmachung  war  ursprünglich  wol 
nur  randglosse  vu  verschmecht  ze  werden  24  haben  B  25  entschuldiget^  A; 
In ■schulden  D;  schuldigent  F  ploslich]  nit  und  gebent  sieh  vil  schuldig  in  warhait 
A       allain  blösslichen  F 


ZUR    GOTTESFREUND -FRAGK  305 

und  ander  menschen  sünd  und  misstat  hörent  sy  nit  geren  melden  ais 
vil  es  zimlich  ist.  si  sechent  ungern  (75b)  der  menschen  sünttlich 
prechen,  si  merkent  auff  sy  nit  noch  nrtailend  nymant.  sv  sind  in 
allen  träbsalen  die  in  geschieht  von  gott  und  von  den  menschen  ge- 
dultig  und  frölich  aun  als  nachreden,  sy  bekennent  das  sy  nichtz  5 
guotz  habent  noch  haben  mügent  von  in  selbs  und  was  sy  guotz 
habent,  das  Übergent  sy  und  machent  es  klain  als  vil  sy  mügent  und 
sollent,  und  ander  menschen  guottat  erhöchent  sy  und  lobent  sy  als 
vil  sy  mügent. 

Aussz  allen  disen  wortten  sol  man  mereken  dise  schloszred  von  10 
disen  hayligen  menseben :  das  sy  an  sechen  in  dem  liecht  der  gottlichen 
warhait  ir  aigen  nichtikait,  dar  umb  stellend  sy  dar  zuo  das  sy  habent 
ain  gancz  gesammetz  hercz  von  aller  creatur  ledig  und  entziechent  in 
selbs  aller  imordenlich  lüst  und  bewegnusz  und  also  machen  sy  iren 
gaist  ainfaltig  und  unvermischet  und  lauter  und  gebent  wider  ir  sei  10 
dem  Ursprung  alles  guotz  mit  ainem  rainen  stillmutigen  freyen  durch- 
Lüchtigen  und  zuo  gott  genächtem  (76 a)  gemüt,  also  das  gott,  das  ewig 
guott,  durch  sy  würket  aun  all  widerspänikeit  und  irrung  was  er  will. 

Xuu  ist  zuo  mereken  das  die  selben  menschen  mit  nichten  wollen 
in  den  Ursprung  sechen  und  habent  ain  grosz  erschrecken  dar  ab,  ob  20 
sy  gott  vor  irem  tod  wölt  sechen  lassen  in  den  Ursprung,  wenn  sy 
sind  diemüttig  und  forebtsam  und  verstand  wol,  das  dise  gab  über 
aller  menschen  verstanttnusz  ist;  doch  was  gott  will  das  wellend 
sy  auch. 

Xu  ist  zu  mereken  das  dve  selben  hochen  und  wirdigen  menschen   25 
nit    alain    got   genäm    sind,    sy   sind    auch    allen    menschen   nücz    und 

1  und  misstat  —  melden]  machent  sy  leicht  F  nit  fehlt  D  2  es  yn  I)  süntt- 
lich fehlt  DF  3  si]  noch  F  merkent  —  noch  fehlt  D  nit  fehlt  F  noch]  vnd  C; 
fehlt  F  nymant]  sy  auch  nit  A;  sy  F  sy  fehlt  E  4  lies  mit  F  aller  tr&bsel? 
5  alles  D  6  haben]  gehaben  A  7  das  gebent  sy  auff  J.  übrigen  B  8  guottheit  A; 
gutter  B  erkennent  sy  wol  A  9  künnent  und  m.  A  10  rote  überseh  riß  Merk 
fürbas  von  den  frainden  gotz  (M.  da  dy  vbung  der  frewt  g.  E)  AE  11  gottlichen 
fehlt  A  12  nichßikait  F  und  dar  umb  A  dasj  waz  E  13  gesämletz  A;  gesamptz 
B;  gesamtz  CD;  gesamets  F  ledig  fehlt  AF  in]  sich  BCD  14  all  ABEF:  allen 
C;  von  allen  D  unordenlichen  lusten  (laste  B)  BCD  15  einfeltig  F  unvermüst 
A  1(3  freyen  r.  stilm  BCD  IQ  fg.  durchl.  fehlt  BCD;  du'chgenge  EF;  durch- 
lüclitigen  ist  schwerlich  die  ursprüngliche  lesart,  ober  /ras  o/eint  die  lesart  von  EF? 
17  gott  fehlt  ABCDEF  gemachtem  BCD;  genägte  E  18  und  aun  J  19  rote 
Überschrift  Merk  (Mer  .4:  M.  da  E)  ir  (ir  grosse  E)  diemutikait  AK  Nun]  Vnd 
GDF  wissen  D  die  s.]  dise  F  '22  sy  verst.  D  24  nach  auch  rot  Amen  A 
25  —  308,  21  fehlt  A  rote  Überschrift  Merk  den  grossen  nuez  der  freunt  gotz  F.: 
Von  dem  andern  tod  F      wissen  D       dise  hohe  u.  wirdige  F      20  gemaio  B 


306  STRAUCH 

trostlich  gen  got,  wan  man  mag  sy  gleychen  ainem  paum,  der  mit 
grossen  esten  und  mit  fruchten  und  mit  ausgepraittem  laub  schaden 
geytt  und  suesslich  speyset  alle  menschen,  die  dar  unter  fliechent. 
und  die  selben  edelien  menschen  sterbent  mit  vierlay  trubsal  durch  irs 

5  negsten  willen,  zu  dem  ersten  betrübt  sy  der  menschen  sttnd  und  ir 
grosse  torhait,  und  die  weit  ist  in  ain  creucz  dar  umb  das  dy  men- 
schen die  gepot  gotz  layder  nit  halten,  der  doch  uns  manigvaltig  gutat 
gethan  hat  von  dem  anfang  pis  auf  dise  zeit,  das  kaines  menschen 
zung  mag   aussprechen,     o  wer   kan   gesagen   Avie   we   es   irem   hertzen 

10  thuet,  das  got  also  manigveltklich  und  gröblich  hie  in  diser  zeit  von 
seyner  creatur  verschmecht  wirt  und  die  er  doch  hart  erlost  hat,  und 
das  die  menschen  sich  umb  ciain  und  zergencklich  trost  hye  in  diser 
zeit  also  cleglich  und  ewigklich  verdamnen  und  sich  schaiden  von  dem 
amplick    gottes!     zu    dem    anderem    mal  werden    die    selben    frummen 

15  menschen  ein  swer  kreucz  den  sunderen,  wan  als  vil  es  in  zw  gehört, 
so  synd  sy  wider  sy  mit  wortten  und  mit  wercken,  mit  straffen  und 
durchechten  und  in  ist  nymant  zu  lieb:  sie  reden  die  ere  gottes  als  vil 
sy  mugen  und  sechen  nit  an  fraint  noch  gesellen,  noch  vorschmechung 
noch  durchechtung,  noch  gut  noch  gunst,   weder  schelten  noch  loben 

20  und  haben  mit  kainem  menschen  geselschaft  der  gottes  forcht  nit  haben 
wil.  zu  dem  drytten  mal  werden  ettlich  frum  menschen  gecreuczigt 
mit  wainen  und  mit  clagen  und  mit  grossem  gepet  gen  got,  das  sich 
got  erparm  über  die  sunder  und  in  geb  ain  gottlich  liecht,  in  dem  sie 
mugen  erkennen   ir  besorglich   und  schedlich   leben  und   also  von  iren 

25   sunden  lassen,     zu  dem  viertten  mal  komen  solch  hochwirdig  menschen 

2  grossen]  gronen  F  das  erste  und  fehlt  ODE  außpreyttem  D  3  gibt  F 
suessl.]  der  D;  sussielichen  F  gibt  speiß  (dy  sp.  D)  all  (allen  D)  CD  4  die  s.]  dise  F 
5  uechstn  F  6  dy  —  7  gotz]  sy  gotes  gepot  F  7  uns]  diser  weit  so  F  manig- 
faltigs  D  gut  C;  guecz  D  S  von]  vnd  B  dem]  den  B;  fehlt  E  das  —  9  aus- 
sprechen fehlt  F  es  scheint,  dass  zuerst  kainz  stand,  z  dann  aber  getilgt  wurde 
B  mensch  BC  9  zungen  BD  auspreche  B  kan  es  BCD  we  fehlt  E  10 
so  BCD  böslich  [hie  in  d.  z.]  F  11  doch  hat  erl.  BD;  doch  erlöst  hat  G  12 
der  mensch  BCD  sich  fehlt  D  und  fehlt  1>  VI  fg.  hye  in  d.  z.  fehlt  F  13 
klagkleichen  G;  kleglichfi  E  ewigelichh  F  verdamen  BCF:  verdainen  muesz  D 
und  sich  -  -  14  gottes  fehlt  F  13  schaden  sol  D  14/i/.  dise  menschen  F  15 
[ein]  schwerer  D  bort  B  10  vnd  auch  mit  E  mit  fehlt  B  wercken]  sy 
vvureken  D  17  durchechten  sy  D  ist  in  F  ze  F  retten  DE;  rettent  F  gotes 
er  F  18  si  s.  D  weder  fr.  D  18  verschmech  F  19  weder]  noch  F  20  sy 
h.  D  kainen  BDEE  21  ettl.  leut  fr.  in.  B\  sie  täglich  F  früme  D  bekiücziget 
/•'  22  in.  wortten  u.  m.  kriegen  B  -'-fg.  sich  got]  er  sich  F  23  u.  dz  er  in  D 
liecht]  lieb  D  dem]  der  D  24  besorcklickeyth  D;  sörglichs  F  schädlichs  F 
25  s.  h.  ni.l  sie  E 


ZUR   GOTTESFREUND-FRAGH  307 

in  solchen  grossen  ernst  und  andacht,  das  sy  geren  wolten  sterben  für 
die  sunder,  darumb  das  sy  ausz  den  sunden  erlost  wurden  und  sprechen 
als  David  von  seinem  sun  Absolon  sprach:  o  wer  gibt  mir  das  ich  18,33 
sterb  für  meinen  lieben  sun,  das  ist  für  meines  ebencristen  sei!  das 
pruderlich  sterben  macht  die  sei  unserem  herren  also  genäm,  das  er  ir  5 
begert  zu  ainer  besunderen  gespons  und  vvil  sich  geren  mit  ir  ver- 
mechellen,  wan  es  ist  ain  opfer  über  alle  opfer,  der  die  sei  aus  dem 
gewalt  des  possen  gayst  pringt  und  sy  mit  got  wider  veraint.  es  ist 
ain  gab  über  alle  gab,  der  sein  leben  gibt  oder  wagt  umb  der  men- 
schen sei  hayl.  10 

Xu  ist  zu  mercken  von  dem  drytten  tode,  do  der  mensch  stirbt 
geystlich  mit  got  an  dem  creucz.  das  geschieht  ertlichen  menschen 
also  wan  nach  der  vorgeschriben  ubung  wirt  die  sei  irem  gesponsen 
gar  haymlich,  also  das  der  herre  anhebt  in  ertlicher  mas  sich  zu  er- 
zaigen  und  zu  erkennen  geben  seiner  gesponsen ,  und  also  in  der  selben  15 
bekantnusz  wechst  gottliche  lieb,  wan  als  vil  wir  got  erkennen  als  vil 
haben  wir  in  lieb  und  also  wechst  erkantnus  und  lieb  mit  ainander  in 
der  gesponsen  Cristi.  das  sy  ein  get  in  das  leyden  irs  gesponsen  mit 
ainem  ganczen  initleyden  des  herczen  und  wirt  durchgangen  die  sei  mit 
ainem  unaussprechlichem  smerczen  und  die  selb  pittrikait  rainigt  und  20 
ainigt  die  sei  irem  gesponsen  gar  kreftigklichen  und  also  wirt  sy  ge- 
leutert  als  das  gold  in  dem  teuer,  in  mitleiden  nympt  die  sei  von  irem 
gesponsen  das  edel  klayd  der  Unschuld  und  auch  in  disem  smerczen 
der  sei  wirt  sy   kreftigklich  gezogen  von  aller  creatur. 

Es  ist  auch  zu  wissen,  das  gut,  das  ewig  gut,  sein  gesponsen  nit  25 

1  in  ein  F  solchem  grossem  B  u.  andacht  fehlt  D  2  worden  BC; 
wurden  EF  u.  sy  spr.  also  als  D  3  für  seinen  GDE  4  für  —  ist  fehlt  F 
nebencristen  F  4  fg.  Dicz  minnenreich  br.  st.  jP  wie  die  B  aso  B  gerneyn  oder 
genam  D  6  gesponsen  F  6fy.  vermeheln  F  7  es]  er  F  8  der  p.  g.  B  gaists_F 
mit  fehlt  F  v'aynig  D  9  gab  der  —  10  hayl  fehlt  1>  geyt  BE  wigt  B: 
wägt  E  (Jfy.  der  m.  fehlt  F  11  rote  Überschrift  Merk  den  sterben  mit  Christo  an 
dem  creucz  E  11  fg.  geystl.  stirbt  D  12  mit  g.  fehlt  E  erheben  D  13  nach] 
von  D  vorgesebribnen  D  wirt]  wie  B  14  der  b.]  er  F  etlich  F  14/)/.  sich  zu 
e.  u.  fehlt  B  zaign  F  15  und  sich  CD  bekennen  F  gesponsz  so  auch  im 
folgenden  E  16  erchantnusz  E;  kantnuß  F  kennen  F  17  vechet  B  kantnuß 
F  die  1.  D  18  der]  die  B  Cristi  fehlt  F  geit  C  1.  Cristi  B  19  lies  mit 
F  mitleidenden  h.?  wurt  C  20  ainen  vn  ausprechlichem  B  vnussprechenlichen 
F  dy  reingt  D  21  ayiiüg  C;  aiuet  F  gesponsem  B  krefftenlichn  D;  kräff- 
ticlieh  F  22  für  vnd  auch  in  dem  fürin  mitl.  F  23  scherezen  B  24  kräfftic- 
lichen  F  25  rote  Überschrift  'Wasz  got  seiner  gesponsz  auff  tut  wann  si  sein  leiden 
betracht  E      Auch  ist  ze  merken  daz  F      got  erzaigt  E      gespouß   CD 


308  STRAUCH 

lett  in  disem  smerczen  den  sy  hat  von  seinen  wegen,  besunder  er  thut 
ir  auf  die  äugen  des  herczen  und  let  si  sechen  in  ertlicher  masz,  als 
vil  sy  es  getragen  mag,  den  Ursprung  und  das  grundlos  gut  ausz  dem 
sy  geflossen  ist  und  lat  si  auch  erkennen,  das  sich  das  ewig  glitt  wolt 

5  geben  für  den  sunder  in  ainen  solchen  smerczlichen  und  smechlichen 
tod,  und  in  dem  aufsechen  wirt  die  sei  übergössen  mit  ainer  unaus- 
sprechlichen lieb  und  sussikait  und  kumpt  in  ain  gros  wunderen  und 
in  dem  leiplichen  wunderen  wirt  sy  genedigklich  erhocht  in  got  und 
erschrickt  vor  wunder  der  übertreffenden  lieb  gots  zu  dem  menschlichem 

10  geschlecht  und  also  wirt  die  sei  vor  rechter  grosser  lieb  flüssig  und  in 
der  betrachtung  der  gottlichen  miltikait,  die  got  mit  seinem  leyden  so 
gar  offenlich  erzaigt  hat,  wirt  die  sei  gar  mit  got  veraint  als  vil  der 
sei  enpfengklich  ist,  wan  es  ist  nichtz  in  diser  zeit  das  die  sei  also  in 
gütlicher   warhait  erleucht  und   also  hoch    trag   in  ayn   schawen   hym- 

i>  lischer  ding  und  kain  weg  ist  als  kreftig  und  als  pald  fuderlich  zu 
versuechen  gottliche  suessikait  als  das  leyden  unsers  lieben  herren 
Jhesu  Cristi,  dar  in  man  begreyft  all  tugent,  und  alles  das  dem  men- 
schen dienen  sol  und  mag  hie  auf  erd  zu  ainem  volkumen  leben,  das 
vintt  man  uberflussigkleich   dar  in,   wer  das   suechen  kan    mit  hilf   un- 

20  sers  lieben  herren  Jhesu  Cristi:  der  geh  uns  kraft  und  macht,  sin  und 

beschaidenhait,   lieb  und   beharrung  in   seinem  willen  pis  an  »las  endt. 

Her    nach    stat  geschriben    ain    cristenliche    ermanung,    das    man 

fliech  zuo   dem  creuez   und  aller  maist  zuo   disen  zeitten,   seit  das  die 

1  last  so  aueh  im  folgenden  G;  laut  F  den]  wan  D  sy]  die  E  bes.  gnad 
Er  th.  auch  D;  bes.  er  th.j  vnd  tut  F  2  last  F  sij  sich  B  3  den]  dem  B 
4  geflossen  —  15  fuderlich  auf  einem  eingeklebten  blatte  von  gleicher  hand  nach- 
getragen B  4  si]  sich  BCE  5  lazzö  geben  E  schmächlichn  vnd  schmerczl.  E; 
schmerezenlichen  vnd  schämlichen  F  ü  ausz  sprechn  E;  ansehen  F  6  fg.  vn- 
ausprechlichen  B;  vnaußspreche(n  (gleicher  CF  7  ain  fehlt  EF  7  fg.  grosses 
wundern  in  dem  die  sei  die  vor  irem  gesponsen  verainet  ist  wirt  in  dem  lieblichen 
wundern  gnädielichen  F  8  leiplichen  tool  nur  verstärkend  wie  vorher  gros  wirt 
sy  fehlt  K  in)  von  E  9  derschrickt  D  von  E  aüstrepfente  oder  austreffente  D 
vbertreffang  der  lieb  B  9fg.  m.  g.]  menschen  F  10  reebter  fehlt  E  fleissig 
BGDE;  minneflussig  F  L2  mit  got  —  der]  vergött  (v  ausgestrichen)  alz  got  will 
vnd  die  F  veraynigt  CD  uil  vnd  E  13  weit  F  IS  fg.  in  der  götlichen  F 
14  erleicht  vnd  ist  auch  nichs  auf  erdrich  daz  den  menschen  also  F  tregt  D  ayn 
fehlt  B  anschawen  Bö;  beschauüg  D  15  als  vor  pald  fehlt  F  16  lieben  fehlt 
BF  17  dar  in  —  20  Cristi  fehlt  F  17.  19  jnne  (>  17  das  das  BG  18  vol- 
komelichn  E  20  sind  B;  fehlt  l>  21  b.,  1.]  beschaideliche  lieh  I>  verharrung 
DF  das)  vnscr  E  endt  amen  DEF  22  hier  setxt  A  wider  ein  rote  Über- 
schrift (76"  lli''  ist  mit  Qeysz  ze  mereken  A)  wie  gar  haylsam  ist  ze  betrachten  das 
Leyden  Jhesu  Christi  (xpi  ihn  E)  AE  (H)ye  ernach  E;  Hie  n.  F  manung  F 
2:;  aiechen  sol  BGB      seif  —  309,8  weltlich  fehlt  /•' 


ZUR    GOTTESFREUNT)  -  FRAGE  309 

weit  aiiff  das  aller  niderst  komen  ist  und  vol  aller  untrew  und  göttliche 
forcht  so  gar  erloschen  ist  in  der  menschen  herczen  und  die  haubt- 
sünd  so  gar  gewaltiklichen  regnierent  und  sich  der  nieniant  schämpt 
weder  gen  gott  noch  gen  den  menschen,  auch  ist  fast  notturftig  ze 
fliechen  under  das  kreucz  zuo  dem  herren,  seit  das  die  lieb  (76 b)  gotz  5 
als  gar  klain  ist  worden  in  der  menschen  herczen  und  also  unver- 
nünftiklich  leben  aun  alle  göttliche  erkantnusz  und  layder  unsträfflich 
sind  worden  die  menschen  in  allem  wesen  gaystlich  und  weltlich,  o 
lieber  mensch,  tuo  als  wol  und  sich  an  mit  fleisz,  das  durch  deinen 
willen  an  dem  kreucz  der  allmechtig  gott  nach  seiner  menschait  aun-  10 
mechtig  worden  ist  und  die  ewig  weiszhait  verspott  ist  worden  und 
der  engel  süssikait  so  jämerlich  verschmächt  ist  worden,  la  dirs  ze 
herzen  gan.  gedenck  an  das  kläglich  schreyen  das  gott  an  dem  kreucz 
getan  hatt,  bis  er  die  sünd  vergolten  hatt  mit  seinem  sterben,  gedenck 
an  sein  gros  pitters  leyden,  seinen  eilenden  durst,  sein  verwuntz  hercz,  ie 
sein  grosse  lieb,  gedenck  auch  und  gelaub  das  aun  allen  zweiffei,  das 
sein  mynnreiches  hercz  noch  täglich  streitt  und  spricht  also:  o  mensch, 
sich  an,  wie  säur  du  mir  worden  bist,  ich  han  deine  sele  erlöst  von 
der  ewigen  verdampnüs  und  han  unib  dich  mein  leben  geben,  wiltu 
bey  mir  beleiben,  so  entrinst  du  allem  übel  in  dem  du  bist  und  auch  2^ 
nach  deinem  tod  eugast  du  der  helle  pein  und  (77 a)  will  dir  geben 
das  ewig  leben  und  mit  mir  erben  lassen  das  reich  der  himel.  du  solt 
aber  von  dir  legen  die  sünd  und  anheben  ze  suochen  mein  ere  und 
das  hail  deiner  sei  mit  ernstlichem  fleysz  mer  dann  das  zeittlich  guot. 
furbas   spricht  er:   o  cristenliche  sei,  sich  an  mein  crucz,   mein  negel  25 

1  auff  dy  E  aller  fehlt  A  vol  ist  BCD  untrew]  vnd  rew  C  2  gar  fehlt  A 
3  regiren  BG  4  gege  D  noch]  ader  weder  D  dem  AB  fast]  gar  C  6  so 
GDE  als  A  7  gotleichen  C  forcht  und  erk.  AB  unsträfflich  'straflos',  viel- 
leicht aber  ist  dir  Überlieferung  verderbt  8  alle  m.  AB  allen  AG  9  lieber 
fehlt  F  so  tuo  A  tuo  als  wol  und  fehlt  F  mit]  meyno  D  das]  vii  D  10 
heiligh  kr.  gehangen  ist  F  10/i/.  vnmechtig  F;  aunm.  w.J  gestorben  BCD;  aunm. 
w.  ist  fehlt  E  11  worden  fehlt  GDE  vnd'  A  12  iämerlichen  F  la — 13  gan 
fehlt  F  dir  zu  C:  dir  es  E  14  piß  daz  F  die]  dein  F  die  s.]  stim  B  ver- 
loren B      sterben]  pittern  (fehlt  F)  grossen  leiden  AF      gedenck  —  16  lieb  fehlt  F 

15  an  fehlt  ABCDE      seines  pittern  grossen  leidens  seinen  ängstlichen  tod  s.  e.  d.  A 

16  aueb  fehlt  B  IQ  fg.  das  sein  fehlt  D  17  sein  fehlt  E  liebentreichs  B;  mynneck- 
lichs  D  täglichen  F  streitt  cxu  kämpfen,  tu  ringen  hat'  und  spricht  fehlt  BGD 
vu  o  mensch  am  rande  Anshelmus  F  o  lieb'  m.  D.  18  swer  B  derlost  E  ISfg. 
von  d.  e.  verdampnüs  fehlt  AF  20  entcumstu  B  auch  fehlt  BCD  21  dem  D 
höllischen  AF;  hellen  BC  will  d.  g.]  gewinst  BCD  22  und  dich  BCD  erwerben  D 
du  —  25  spricht  er  fehlt  F  23  da(?)  zu  B  24  mit  —  25  sei  fehlt  BCD  guot  fehlt  E 
25  erl  d'r  herr  E      über  o  cristenl.  s.:  Bernhardus  F      suech  an  dem  er.  B 


310  STRAUCH,    ZUR    GOTTESFRKUND  -FRAGE 

und  mein  verwnnttes  hercz  und  alles  das  ich  durch  dich  gelitten  han 
und  wisz  aygenlich,  das  mir  dein  undanckperkait  ain  grosz  misvallen 
ist  und  nächer  gatt  (wer  das  ich  noch  leiden  raöcht)  dann  alles  das  daz 
ich  durch  deinen  willen  ye  gelitten  han. 

5  0  abgrund  menschlicher  plinthait!     wie  tieff  ist   die  grub  deiner 

verdampnus,  dar  umb  das  dich  nit  überwinden  mag  das  minnreich  und 
wunderlich  werek  gots,  das  er  mit  seinem  leyden  und  pitterem  sterben 
so  genedigklichen  gewurcht  und  verpracht  hat  dein  erlosung.  we  dir 
weit,   das  du   in  disem   liecht  erplint  pist!     we   dir  cristenmenseh,   das 

io  du  solcher  genad  undanckper  pist!  we  dir  fürst  und  prelat  und  alle 
die  gewalt  haben  in  diser  weit,  das  dich  nit  erschreckt  und  geweist 
hat  recht  zu  thun  der  pitter  tod  Jhesu  Cristi,  des  gewalt  und  maiestat 
nun  und  ewigklich  bestett  ist!  wan  du  nit  alain  verantworten  must 
dein   aigenne   sei   sunder   alle   die   dir  zu   versprechen   Stent,    dar  über 

io  du  gewalt  enpfangen  hast  hye  auf  erden,  we  dir  das  du  ye  mensch 
pist  geporen,  sol  ain  sei  deinhalben  verloren  werden!  we  allen  sun- 
deren  und  sunderin,  die  hye  auf  erden  leben  nach  irem  aigen  willen 
und  leiplich  lust  suechen!  we  allen  den,  die  ir  bekerung  von  den 
sunden   sparen  pis   an  ir   entt!     we  allen   herten   menschen,   der  hercz 

2"  das  unschuldig  plutvergi essen  Cristi  nit  erwaichen  mag,  das  sy  lassen 
von  iren  sunden!  o  mynigkliche  sei  des  menschen,  du  spons  Jehsu 
Cristi,  las  dich  das  erparmen  an  deinem  ebencristen!  doch  spar  dich 
nit:  betracht  dein  wesen,  deinen  Ursprung,  da  von  du  kumen  pist, 
nach  dem  du  geschaffen  pist.    betracht  dein  erlossung,  die  ewigen  freud 

'->:'  die  dir  wartten  ist.  las  alle  creatur  nach  deinem  vermugen.  mach 
dich  ledig  von  allen  zeitlichen  Sachen,  wart  deiner  sei  mit  zuberaytten 
aller  tugent,  und  wen  der  herre  kumen  sey  zu  dir  mit  seinen  genaden, 

1  das  das  BCD  2  fg.  ain  gr.  m.  i.]  würser  (vvirsch  F)  tuot  AE  3  nach  verget 
(vorgetl?)  BCD;  nächne'  get  E  die  parenthese  fehlt  ODE,  sie  steht  nach  4  han  in  F 
dann  alles  fehlt  D  4  d.  willen]  dich  E  ye  fehlt  BCDF  5  —  %um  selthiss  fehlt  A 
rote   Überschrift  Mereken   das   di   liehhaber  diser  weit  E      0   du  a.  F      bofihait  F 

6  du  dich  B;  ich  D;  ich  dich  E      mocht  F      dy  D      liebenreich  B;  minnenrich   F 

7  gots]  gen  B  pittern  vor  leiden  D  p.  sterben]  tod  F  8  so  gar  FF  gnädigc- 
lich  F  volbracht  BF  dein  e.  fehlt  F  9  ciistenmenschen  BF  10  du  s.]  die 
sicher  B  und.]  v'dampt  I>  prelat  u.  fürst  F  f.  [und]  E  und  —  11  in  fehlt 
F  11  geweist]  gezogen  F  12  r.  zu  thun  fehlt  F  13  ewigclichen  on  end  stät. 
Amen  schhiss  von  F  an  ende  bestest  [ist]  E  pestat  G  14  ayuige  C;  aigii  E 
besunder  E  dir]  dye  C  stindtf?;  B;  sten  G  15  erd  C  du  fehlt  G  15///.  pist 
mensch  BG  16  deyneth.  />  17  u.  sunderin  fehlt  I>  erd  C  18  alle  B  den  fehlt 
E  LH)  lliu  xpi  /'  '22  in  BD  23  deinem  B  da  von]  von  dem  BG  24  be- 
schaffn  just  aach  dein.'  v'mügn  E  25  nach  d.  v.  fehlt  E  2G  ze  beraytten  BCDE 
27  seinen  fehlt   C 


KETTNER,    HANDS«  IIKIFTF.X    DES    NIBELUNGENLIEDES  311 

so  Avis  dich  zu  halten,  das  er  genedigkiich  pey  dir  wonung  hab.  und 
ob  er  nit  alczeit  begab  dein  begert,  so  erschrick  nit  dar  ab,  wan  das 
kumpt  nit  an  ursach,  besunder  halt  dich  in  tugentten  und  las  nichtz 
zeittlichs  in  dein  hercz  wider  in,  wan  er  hat  sein  trew  aufsecher  auf 
dich,  fleis  dich  im  allain  zu  leben  hie  auf  erd  und  das  du  gestorben  5 
seyst  der  weit,  dem  leib,  den  sunden.  als  das  korenlein  des  traides, 
«las  geworffen  wirt  in  den  acker:  wen  es  stirbt,  so  pringt  es  vill  frücht 
also  pringt  dein  hayligs  leiten  vil  frucht,  got  ain  gros  lob,  allem  hym- 
lischen  her  grosse  freud,  den  seien  in  dem  fegfuer  hilf  und  trost.  dir 
selber  das  ewig  leben,  das  verleich  uns  Jhesus  Cristus,  der  sun  Marie,  10 
der  uns  aus  ewiger  lieb  mit  seinem  eilenden  pitteren  sterben  im  selber 
erledigt  hat  von  der  verdampnus  des  ewigen  todes.     Amen. 

1  pey  dir  genedicklich  D  wonung  pey  dir  B  2  beger  E  4  w.  inj  w. 
eyn  I>:  w.  hin  ein  E  getrew  D  auf  Stecher  auff  das  B  5  im]  inn  B  hie  zw 
1.  D  G  dein  s.  B  getraytes  D  7  so  precht  es  B;  princk  D  8  vnd  got  D 
■<  \.  vnd  D  9  hier  B  ey  gr.  fr.  D  trost  fehlt  D  10  uns  fehlt  D  vns'r 
her'  J.  C.  E  11  im  selber]  vnd  C:  fehlt  J>;  im  selhs  E  12  erlöst  I>  vn  pittern 
t.  das  helft  mir  dy  heylige  triualtickeyth  an  endt  vnnd  vnser  lieb'  vatter  sant 
Augusting  Amen.  Bit  für  mich.  amen.  1)  Amen.  Der  begert  ain  Aue  maria 
durch  gottes  willn  der  Schreiber  vns'r  liebn  frawn  etc.  (rot)  Amen.  E. 

HALLE    Ä..S.   1" -'■  PHILIPP    STRAUCH. 


ZU  DEN  HANDSCHEIFTENVERHÄLTNISSEN 
DES  NIBELUNGENLIEDES. 

1.    Die   lesarten  ADb. 

In  seiner  schrift  über  die  handschriftenverhältnisse  des  Nibelungen- 
liedes stellt  Braune  den  unanfechtbaren  satz  auf:  die  ansieht  von  der 
ursprünglichkeit  des  textes  A  fällt,  sobald  sich  auch  nur  von  einem 
teile  der  fehlerhaften  lesarten  von  A  und  Db  nachweisen  lässt,  dass 
ihnen  in  B*  nicht  nur  die  correcten  lesarten  gegenüber  stehen,  sondern 
auch  die  ursprünglichen,  aus  denen  die  falschen  in  ADb  hervorgegangen 
sind.  Eine  nachprüfung  von  Braunes  Untersuchungen  muss  auf  eine 
von  vier  möglichkeiten  führen.  1.  Ist  sein  nachweis  vollständig  ge- 
lungtii.  so  hat  es  eine  dem  texte  B*  nebengeordnete  handschrift  gegeben, 
die  sich  in  der  gruppe  ADb*  darstellt,  aus  der  sowol  Db*  als  auch  die 
in  der  bs.  A  überlieferte  recension  a  geflossen  sind.    Die  besonderheiten 


3 1 -  KETTXER 

von  A  sind  teils  auf  nachlässigkeit  und  willkür  des  Schreibers  zurück- 
zuführen, teils  auf  änderungen  des  redactors  a,  zu  dessen  tätigkeit  auch 
die  beseitigimg  der  mehrstrophen  in  B*  gehören  würde.  2.  Ist  sein 
nachweis  nur  teilweise  gelungen,  lassen  also  mehrere  stellen  eine  ab- 
weichende, die  ursprünglichkeit  des  A-textes  nicht  antastende  erklärung 
zu,  und  lässt  sich  bei  einzelnen  die  lesart  ADb  als  die  ursprüngliche 
feststellen,  so  bleibt  zwar  die  B*  nebengeordnete  gruppe  ADb*  bestehen, 
es  kann  dann  aber  der  s.  192  aufgestellte  Stammbaum  nicht  richtig  sein. 
3.  Sollte  der  nachweis  bei  keiner  der  herangezogenen  stellen  als  zwin- 
gend angesehen  werden  müssen  und  bei  allen  räum  gelassen  sein  für 
eine  mit  der  ursprünglichkeit  des  A-textes  vereinbaren  erklärung,  so 
ist  man  schon  nicht  mehr  genötigt,  eine  gruppe  ADb  anzunehmen  und 
kann  den  A-text  immer  noch  als  die  unmittelbare  widergabe  des  Originals 
gelten  lassen.  Noch  mehr  berechtigt  dazu  ist  man  natürlich,  wenn  auch 
bei  einem  teile  der  stellen  sich  die  lesart  ADb  als  die  ursprüngliche 
erweist.  4.  Nur  wenn  ausserdem  noch  bei  stellen,  wo  Db*  =  B*  ist, 
die  ursprünglichkeit  der  lesart  A  sich  beweisen  lässt,  kann  es  eine 
gruppe  ADb  nicht  gegeben  haben  und  A  muss  als  der  Vertreter  der 
urhandschrift  angesehen  werden,  so  lange  nicht  der  beweis  der  ursprüng- 
lichkeit auch  für  stellen  von  Db*B*  gelingt.  In  diesem  falle  müsste 
man  annehmen,  dass  beider  anfertigung  der  band  Schriften  A*  oder  Db* 
oder  B*  mehrere  texte  benutzt  sind. 

Bevor  ich  auf  die  s.  31 — 46  behandelten  stellen  eingehe,  will  ich 
auf  eine  der  s.  26  —  29  besprochenen  hinweisen,  eine  von  denen,  die 
nur  die  engere  Zusammengehörigkeit  von  A  und  Db*  beweisen,  über 
die  priorität  des  textes  ADb  oder  BdJC  noch  nichts  aussagen  sollen. 
Bei  680,  4  ist  die  weit  grössere  Wahrscheinlichkeit  der  treuen  Über- 
lieferung bei  ADb.  Bedeutet  hier  mit  küneges  friunde  rate  die  boten 
huoben  sich,  dan  BDJ  „auf  den  rat,  mit  der  Zustimmung  der  verwandten 
des  königs  usw."  (Piper),  so  ist  dies  allerdings  nicht  besser  oder  schlechter 
als  mit  des  küneges  rate  ADb.  Aber  was  soll  diese  bemerkung?  Es 
bedeutet  hier  rate  ohne  zweifei  „Vorrat"  und  bezieht  sich  auf  die  reiche 
ausstattung  der  boten  durch  den  könig,  wie  sie  auch  bei  den  beiden 
anderen  botensenclungen  1092.  1348  fg.  1361,  2  hervorgehoben  wird. 
Vgl.  auch  870,  3.  4  bei  dem  aufbruch  zur  jagd:  und  ander  manegen 
rät,  den  ein  Inline  sä  riebe  hurte  billiehen  hat.  Wig.  2749  diu  fraaire 
/ras  mil  rät  gevaren  ran  ir  lande.  Trist.  8600.  Möglich,  dass  dem 
redactor  B*  friunde  rät  1136,  2  einfiel  und  dies  ihn  veranlasste  der 
stelle  einen  jener  Interpretation  entsprechenden  sinn  zu  geben.  Denn 
dass  er    unter   küneges  friunde  Uere   und   die   seinen  selbst  verstanden 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  313 

haben  sollte,  ist  minder  wahrscheinlich1.  —  Wir  wenden  uns  nun  den 
bezeichneten  stellen  zu. 

1725,  4  A.Db*  ir  soldet  ex  billichen  haben  län  hat  nach  Braune 
einen  takt  zu  viel  (weshalb  Lachmann  haben  streicht)  und  zeigt  jüngeren 
Sprachgebrauch  gegenüber  Bd  ir  soldet  ex  pilliche  län.  Aber,  gelesen 
ir  soldetx  billich  haben  län  (vgl.  z.  b.  2247,  4)  lässt  es  sich  gegen  Bd 
halten.  Denn  das  Nib.  bevorzugt  bei  solde  den  stellvertretenden  inf. 
perl;  von  den  sieben  gemeinsamen  fällen  (ohne  401,  4  B*),  wo  er  steht, 
kommen  fünf  auf  solde:  er  soldex  haben  län  120,  3,  mit  anderen  verben 
909,  3.  4.  1066,  2.  1242,  2.  Diesen  fünf  fällen  stehen  nur  zwei  fälle 
(724,  2.  1054,  2)  mit  solde  gegenüber  unter  den  25  fällen  (ohne  585a,  1. 
413,  2  B*),  die  im  gebrauche  des  inf.  praes.  Übereinstimmung  der  hand- 
schriften  zeigen.  —  Allerdings  könnte  man  hier  auch  annehmen,  dass 
A  und  Db*  selbständig  geändert  haben,  wie  auch  JCa  änderten,  und 
wie  es  bei  dieser  ausdrucksweise  die  jüngeren  handschriften  öfter  un- 
abhängig von  einander  getan  haben. 

1678  ist  eine  stark  abweichende  strophe  und  daher  von  besonderer 
Wichtigkeit.  Keinen  anstoss  bietet  in  3.  4  BdJCa  ich  waere  ivol  so  riche, 
hei  ich  mich  bax  verdäkt,  dax  ich  in  mine  gäbe  her  xe  lande  hete 
bräht.  Dagegen  scheint  A  und  die  vorläge  von  Db*  zunächst  in  3  um 
einen  takt  zu  lang:  ich  weste  inch  ivol  so  riche,  ob  (als)  ich  mich  bax 
hau  verstau.  Erst  Db*  hat  bax  gestrichen.  Aber  der  zweisilbige  auf- 
takt  in  ob  ich  mich  bax  hän  ist  zulässig,  da  das  vokalisch  auslautende 
cäsurwort  elision  gestattet.  Und  sogar  nach  konsonantisch  auslautendem 
cäsurwort  steht  derselbe  auftakt:  1923,  1  versuochen  \  ob  ich  in.  701,  1 
BDJ  rieten  \  ob  si  sohlen.  Wie  in  den  bearbeitungen  der  zweisilbige 
auftakt  der  zweiten  vershälfte  beseitigt  wurde,  kann  man  aus  Bartsch, 
Unters.  118  fg.  ersehen.  So  ist  denn  auch  in  4b  her  xe  lande  statthaft: 
vgl.  C*  2086  (2149)  2 b  her  xe  lande  rietet  varn.  Wenn  also  die  lesart 
A(Db)  metrisch  haltbar  ist,  so  fragt  sich  nur,  ob  bax  einen  sinn  gibt. 
Braune  verneint  es.  Nun  will  nach  A  Hagen  sagen:  Was  soll  das  heissen, 
dass  ihr  erwartetet,  degen  sollten  euch  gäbe  mitbringen?  (Haltet  ihr 
euch  für  so  arm?).  Ich  hielt  euch,  wenn  ich  besser  (als  ihr  selbst) 
über  euch   zu  urteilen  vermag,  für  so  reich,   dass  ich  euch  keine  gäbe 

1)  Auch  für  297,  4  findet  mau  vom  Standpunkte  A  eine  einfache  erklärung. 
Für  A  gut  laxe  in  nimmer  mere  xe  Tenemarke  in  dax  laut  gibt  Db*  einen  voll- 
ständigeren ausdruck  komen  in  Tenemarken  laut.  B*  nimmt  anstoss  an  Tenemarke 
zweimal  in  derselben  strophe  uud  ändert  deshalb,  beeinflusst  von  296,  1,  Tenemarken 
laut  um  in  miniu  küneges  lant.  Vgl.  394,  1.  4  A  frouwe - frouice ,  B*  frouwe-  mit 
triwen. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  21 


314  KETTNER 

mitgebracht  habe.  Die  lesart  B*  ist  glatter  und  klarer  als  die  lesart  A. 
Aber  die  ironie,  die  in  den  Worten  liegt:  Hätte  ich  es  gewusst  usw.  ist 
etwas  stumpf,  schärfer  die  in  den  werten  von  A,  die  mit  einer  tem- 
peramentvollen frage  einsetzen  und  der  reichen  königin  niedrige  Hab- 
sucht unterschieben.  Es  sind  diese  worte  auch  durchaus  im  stil  des 
Nib.  Zu  vergleichen  ist  vor  allem  1163,3.4,  daneben  2300,  3.  1709,  3. 
Siehe  zu  der  stelle  unter  abschnitt  4a.  Somit  würde  B*,  da  die  stelle 
metrische  härten  hat  und  nicht  gerade  leicht  verständlich  ist,  geändert 
haben  mit  anschluss  an   1681,  1.  2  (vgl.  anm.  s.  313). 

1152,  1  Do  sprach  aber  Hagene:  mir  mac  nieman  widersagen 
BJOd.Ca,  =  mir  mac  nieman  dax  gesagen  Db,  mir  mac  dax  nieman 
gesagen  A.  Gibt  man  zu,  dass  widersagen  das  ursprüngliche  ist,  so 
kann  man,  wie  dies  Braune  bei  2097,  2  A,  B,  J  und  bei  2035,4  B,  D 
tut,  selbständige  änderung  in  A  und  Db  annehmen,  zumal  die  beiden 
lesarten  nicht  einmal  völlig  übereinstimmen.  Nun  kommt  aber  au  ge- 
sicherten stellen  des  Nib.  widersagen  nur  in  dem  bekannten  feindlichen 
sinne  vor,  denn  auch  2035,  4  ANbJdCa  ist  es  mit  dem  objekt  vride 
verbunden.  Dadurch  wird  die  bedeutung  negare  für  das  Nib.  zweifel- 
haft. Und  dass  in  der  tat  widersagen  nicht  ursprünglich  1152,  1  stand, 
zeigt  eine  andere  mit  dieser  auffallend  übereinstimmende  stelle:  1020, 1.  2 
Do  sprach  der  künic  Sigemunt:  lät  iux  nieman  sagen,  vor  edlen  minen 
mögen  sult  ir  kröne  tragen.  Danach  ist  A  mir  mac  dax,  nieman  ge- 
sagen das  ursprüngliche. 

1146,  1  der  ausdruck  in  BJd(Ca)  ich  behüete  eil  wol  dax,  wie  in 
A.Db*  ich  kein  vil  wol  beivaren  dax  ist  im  stile  des  Nib.  (zu  B*  vgl. 
1051,  4);  hier  mag  ein  fehler  in  der  urhs.  gewesen  sein  (ursprünglich 
etwa  vil  wol  beirare  ir//  dax  vgl.  908,  4.  1308,  2.  1597,  2).  Lachmanns 
konjektur  ist  wegen  1144,  1  abzulehnen. 

1303,  4.  1304,  1  Hier  stehen  der  lesart  B  ich  waen  man  alle  \ite 
bi  dem  Kriemhilde  rant  Den  Herren  Dietrichen  und  amier  man  igen 
degen  als  richtig  gegenüber  entweder  A.Db*  bi  dem  Innige  Kriem- 
hilde rant.  Der  usw.  oder  dJIC  bi  vroun  Kr.  rant  Den  usw.  Die  lesart 
A.Db*  ist  gewiss  metrisch  „ungelenk",  aber  möglich,  vgl.  Bartsch,  Unters, 
s.  121  und  Parz.  348,  21  bime  künege  ritter  worden  sint.  Der  sinn  der 
beiden  Strophen  aber  lässt  sich  noch  etwas  anders  auffassen,  als  es  von 
Braune  geschieht.  Strophe  1303  handelt  vom  herbergen,  str.  1304  von 
der  kurxewile.  Die  gaste  zerfallen  in  drei  teile:  1.  das  gefolge  Etzels: 
dieses  wird  ausserhalb  der  Stadt  untergebracht;  2.  die  gaste  im  all- 
gemeinen: diese  werden  in  der  stadt  beherbergt;  3.  Kriemhilde:  diese 
ist  natürlich  (ich   waen)  immer  bei  Etzel  -    das  ist  der  inhalt  von  1303. 


HAXI>m:HRIFTEX    DES    MKEI.rXGEXLIF.PF>  315 

In  1304  wird  erzählt,  Dietrich  und  viele  anderen  ritter  sorgten  für  die 
erheiterung  der  gaste,  so  dass  auch  Küdeger  und  seine  mannen  gut 
unterhalten  wurden.  AYenn  beim  abschreiben  kundge  aus  dem  etwas 
schwer  beladenen  verse  herausfiel,  so  ist  das  nicht  wunderbar,  und  die 
Verwandlung  von  dem  in  vroun  ist  sehr  naheliegend.  Ich  verkenne 
nicht,  dass  auch  die  andere  lesart  und  Braunes  auffassung  etwas  für 
sich  hat,  aber  eine  evidente  beweisstelle  für  die  minderwertigkeit  von 
ADb  vermag  ich  hier  nicht  zu  erblicken. 

1433,  1 — 3  Dass  die  lesart  ADb  falsch  ist,  unterliegt  keinem 
zweifei,  zumal  da  auch  die  formel  als  ich  in  sagen  kan  vereinzelt  steht. 
Man  müsste  vom  Standpunkt  A  in  der  stelle  einen  fehler  der  urhs. 
sehen,  dessen  nächstliegende  berichtigung  wäre  von  man  uut  icibe 
vroeltch  \  als  ich  in  sagen  hin  (vgl.  C  und  2170,  3),  eine  berichtigung, 
zu  der  man  sich  aber  schwerlich  verstehen  wird.  Dass  BdJK  das  ur- 
sprüngliche bietet,  ist  durch  den  rührenden  reim  noch  nicht  entschieden. 
Denn  wenn  z.  b.  C  1349,  3.  4  sin  (ejus) :  sin  (ejus)  einführt,  so  könnte 
auch  hier  der  redactor  B*  unter  einfluss  von  1431,  3  diu  vrouice  enbut 
dö  dan  sein  vroeltche  si  dö  dan  hineingebracht  haben. 

1553,  1  A  Dö  begunde  er  ruofen  Danewarten  eil  vaste  an  ist 
fehlerhaft,  wird  aber  gestützt  durch  1490,  1  Er  begunde  ruofen  vaste 
über  die  fluot.  Es  braucht  also  nicht  ml  vaste  zugesetzt  zu  sein,  sondern 
nur  das  wie  so  oft,  zuweilen  auch  fehlerhaft  (Bartsch,  Unt.  s.  238)  von 
den  Schreibern  zugesetzte  und  weggelassene  vil,  das  schon  in  die  urhs. 
eingedrungen  und  von  A  und  Db*  beibehalten  sein  kann.  Auch  hier 
braucht  die  lesart  Bdl.Ca,  wenn  auch  an  sich  richtig  und  stilgemäss 
(vgl.  1912,  1.  1920,  1.  2230,  1)  nicht  notwendig  die  echte  zu  sein. 

1694,  2a  scheint  BdJ.Ca  ex  wurden  mine  gisel  das  richtige  zu  sein. 
Aber  sollte  wol  der  dichter,  der  liagens  vater  zu  einem  mann  Etzels 
macht,  zugleich  an  die  vergeiselung  Hagens  gedacht  haben?  Ob  nicht 
auch  hier  der  verstümmelte  halbvers  schon  der  urhs.  zukommt? 

1988,  3b  wird  man  als  das  ursprüngliche  eher  das  vereinzelt 
stehende  helmhuot  annehmen  als  den  rührenden  reim  heim  guot :  guot 
(wie  C  ihn  310,  3.  4  hat);  die  leichte  änderung  von  helmhuot  in  heim 
guot  können  dann  A  und  Db*  unabhängig  von  einander  gemacht  haben, 
zumal  da  1969,  3b  heim  guot  vorangeht. 

1994,  3.  4  Da  die  lesarten  hier  schwanken,  die  lesart  B  in  3b  als 
ein  unverxaget  man  von  Braune  selbst  verworfen  und  seine  entscheidung 
für  üf  Häivartes  man  Jd  nur  als  Vermutung  hingestellt  wird,  so  ist  es 
hier  mehr  als  anderswo  ausreichend,  zu  zeigen,  dass  die  lesart  ADb  zu- 
lässig ist.     1994,  3,J  wan  ich   lüxel  schaden  Juni   hat  einen  auftakt  wie 

21* 


316  KF.TTXEK 

1923,  lh  ob  ich  iu  gehelfen  kein,  ist  also  zwar  metrisch  schleppend,  doch 
nicht  metrisch  falsch.  Aber  auch  der  sinn  ist  in  ADb  nicht  schief; 
er  ist  vielmehr  der  allein  richtige.  1994  enthält  die  erläuterung  zu 
1993,  4  diu  luunde  frumet  iu  Ideine,  die  ich  von  im  enphangen  hän: 
meine  Verwundung  wird  euch  verderblich  werden  (v.  1.  2),  denn  die 
geringfügige  Verletzung  hat  mich  erst  recht  wütend  gemacht  und  ge- 
schadet hat  sie  mir  gar  nichts  (vil  Ideine  die  bekannte  ironische  form). 
Dagegen  ist  üf  Häwartes  man  nach  üf  maneges  mannes  tot  überflüssig 
und  matt.  Hier  hat  jedenfalls  ADb  das  richtige.  B*  =  Jd  hat,  indem 
es  üf  Häwartes  man  einsetzte,  wider  aus  der  nachbarschaft  (1989,  3) 
entlehnt,  vgl.  zu  1678  (auch  z.  b.  C*  1020,  4  nach  1018,  2). 

2201,  3  hiez  ADb  statt  heiz  kann  zufällig  übereinstimmendes 
versehen  sein.  Ebenso  303,  1  iu  dienen  statt  in  dienen,  zumal  dieses 
durch  303,  4  iu  ze  dienste  nahe  gelegt  ist.  So  auch  115,  4  AJ  (vgl. 
Braune  s.  G6).  Unabhängig  von  einander  können  ferner  A  und  Db* 
auch  477,  4  wixe  segele  statt  riche  segele  geschrieben  haben,  entweder 
weil  wizer  gleich  folgt  oder  weil  ivi%  das  gewöhnlichere  beiwort  von 
scgel  ist.  Umgekehrt  79,  3  A  riche,  BJ  ivixe  bräune,  wo  doch  wol, 
da  von  goldenem  gewant  (72,  2.  3)  die  rede  ist,  riche  für  das  richtige 
gehalten  werden  muss. 

1020,  4b  des  wacre  Kriemhilde  not  BdJ.  Verdankt  nach  Braune 
das  vor  Kriemhilde  stehende  mir  in  ADb  einer  in  den  handschriften 
und  bearbeitungen  mehrfach  wahrnehmbaren  tendenz  seinen  Ursprung, 
so  kann  diese  auf  A  und  Db*  ebensowol  gesondert  eingewirkt  haben, 
wie  sie  auf  C  (des  waer  mir  armen  wibe  not)  gesondert  eingewirkt 
hat.  Selbständig  hat  auch  D  348,  12  daz  waere  Kriemhilde  leit  in  daz 
waere  mir  mit  triuwen  leit  geändert. 

1111,  1  Do  sprach  der  maregräve  BdJ.Ca  ist  das  richtige,  das  in 
ADb  hinzugefügte  Küedeger  kann  entweder  ein  fehler  der  urhs.  sein 
oder  ein  zufällig  zusammentreffendes  versehen  im  gebrauch  der  namen, 
wie  es  auch  sonst  begegnet  (Braune  s.  59.  199);  maregräve  Küedeger 
mit  unrichtigem  zusatz  des  namens  hat  D  noch   1099,  1.  2141,  1. 

1148,  4  an  swiu  ir  wol  gelange,  daz  soll  ir  u ngevehet  lün 
BdJ.Ca.  Ungevehet  ist  allerdings  nur  für  diese  stelle  belegt,  aber  vehen 
ist,  nach  den  stellen  bei  Lexer  zu  urteilen,  ein  im  13.  jh.  nicht  gerade 
seltenes  wort,  und  die  meisten  partic.  praet.  mit  un-  sind  überhaupt  nur 
vereinzelt  oder  selten  belegt.  Nun  bedeutet  ungevehet  lau  „unangefochten 
lassen".  Dasselbe  bedeutet  aber  auch  zuweilen  beliben  län,  das  A 
statt  ungevehet   lau    hat;   es  wird   gebraucht,  wenn  jemand   den   kämpf 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  317 

mit  einem  anderen  aufgibt:  1978,  3.  1980,  1  (den  Hex  er  du  beliben, 
Günthern  er  lie  beliben),  passt  also  auch  hier  ganz  gut,  wo  Hagen  er- 
mahnt wird,  Kriemhilds  glück  nichts  in  den  weg  zu  legen.  Immerhin 
ist  in  dem  ausdruck  eine  gewisse  Zweideutigkeit,  die  den  umgekehrten 
sinn  nicht  ganz  ausschliesst.  Das  mag  der  grund  gewesen  sein,  wes- 
halb B*  den  bestimmten  ausdruck  setzte,  Db*  mit  möglichster  bei- 
behaltung  des  Wortlauts  ir  gelieben  schrieb,  dadurch  aber  den  sinn  ver- 
änderte. 

1342,  3.  4  hat  der  Schreiber  A,  wie  oft,  nachlässig  und  sinnlos 
geschrieben  des  muose  ich  viende  hän,  wand  ich  von  vriundes  minne 
nie  bexxer  vriunde  gewan,  wahrend  BMdJl.Ca  das  richtige  bieten:  des 
Di  Urse  ich  vreude  hän,  wand  ich  von  luibes  hünne  nie  bexxer  vriwende 
gewan.  Falsch  Jas  Db*  in  v.  4  vreude  geican  und  verbesserte  deshalb 
das  vorhergehende  vreude  v.  3  in  das  sehr  nahe  liegende  ere.  Eine 
andere  erklärung  scheint  mir  hier  nicht  möglich,  jedenfalls  ist  die  stelle 
für  den  vorliegenden  zweck  durchaus  ungeeignet. 

1382,  3b  die  mäge  und  ouch  ir  man.  Wenn  ADb  (nicht  X)  mögt 
statt  mäge  haben,  so  ist  dies  wol  ein  zufällig  gleicher  irrtum,  wie  auch 
444,  2  maget  und  mine  man  in  A  und  J  (Bartsch,  Unt.  s.  69). 

1401,  1  sprach  Hagene,  swes  si  halt  jeken  A.Db*.  halt  fehlt 
BdJKla.  Hier  kann  sprach  Hagene  als  ein  fehlerhafter  zusatz  der  urhs. 
gelten,  wie  ja  solche  Zusätze  mit  sprach  öfter  in  hss.  vorkommen,  auch 
838,  1  ist  Er  spracli  fehlerhafter  zusatz  der  urhs. 

1448,  1  ist  üf  Db*  zweifellos  an  die  stelle  von  über  (den  hof) 
getreten  und  hat  mit  dem  sinnlosen  u\cr  in  A  nichts  zu  tun. 

1497,  3  Db*  herre  hat  wol,  ebenso  wie  das  sonderbare  hiute  Bdl 
eine  lücke  füllen  sollen,  die  durch  Verschiebung  von  hin  entstand.  Das 
richtige  wird  demnach  Lachmanns  nu  nemt  vriuntliche  hin  minen  solt 
sein,  wobei  hin  eine  Stellung  erhält,  in  der  es  sehr  oft  vorkommt. 

698,  3a  Dass  ADb  Sivrit  min  sun  und  andere  verse  dieser  art 
unstatthaft  waren  in  dem  original,  dem  die  an  senkungslosen  versen 
ziemlich  reiche  ältere  und  gleichzeitige  kurzzeilige  epik  vorlag,  müsste 
doch  erst  bewiesen  Averden. 

1151,  3  würde  eine  ausreichende  erklärung  finden  durch  die  an- 
nähme, dass  die  urhs.  hatte  dax  wir  körnen  nimmer,  was  die  hs.  A  am 
nachlässigsten  durch  niht  kamen,  Db*  besser  durch  nimmer  kamen 
widergab.  Beispiele,  dass  in  prosaischer  Umstellung  handschriften  un- 
abhängig von  einander  zusammentreffen,  sind  772,  2  BD.  1375,  4  Dbd, 
vgl.  Braune  s.  97. 


318  KETTNEH 

1159,  3  Braune  gibt  der  lesart  B*  die  baten  minnecUche  troesten 
si  ir  muot  nur  deshalb  vor  der  lesart  ADb*  d.  b.  m.  und  trösten  ir 
den  muot  nur  deshalb  den  Vorzug,  weil  jene  die  schwierigere  kon- 
struktion  hat  und  ADb*  keinen  anlass  zur  änderung  bietet.  Aber  schief 
ist  der  sinn  in  B*:  sie  baten  sie  freundlich,  sich  zu  trösten.  Der  dichter 
hat  doch  offenbar  gemeint:  sie  baten  sie  freundlich,  Etzel  zu  heiraten, 
und  suchten  sie  mit  froher  Zuversicht  zu  erfüllen,  indem  sie  ihr  vor- 
stellten, wenn  sie  den  könig  nähme,  so  wäre  das  ihr  glück.  Vgl.  ausser- 
dem die  entsprechende  Zweiteilung  in  der  parallelstelle  1022,  3.  4.  Grund 
zu  der  änderung  kann  ein  in  der  den  anderen  handschriften  vorliegen- 
den fassung  ausgefallenes  und  gewesen  sein.  Jedenfalls  müssen  wir 
hier  das  ursprüngliche  im  text  ADb*  sehen. 

1309  Hier  passt  sowol  die  durch  ADb  wie  die  durch  Bdl.Ca  ver- 
tretene auffassung,  und  was  sich  für  und  wider  jede  der  beiden  Über- 
lieferungen sagen  lässt,  gleicht  sich  gegenseitig  aus.  Zu  gunsten  von 
B*  lässt  sich  geltend  machen:  1.  „Der  wirkungsvolle  gegensatz"  ir  nie 
deheiner  —  alle;  2.  Die  correcte  beziehung  auf  ein  subst.,  die  si  in 
den  worten  der  si  mohten  vil  hdn  31'  hat,  während  es  in  ADb  allge- 
mein =  „man"  gebraucht  ist.  Zu  gunsten  von  ADb :  1.  Der  engere  Zu- 
sammenhang. Es  handelt  a)  1305.  1306  von  Kriemhild;  b)  1307—1309 
von  Etzel,  und  zwar  a)  1307:  kein  könig  (dehein  künec)  hatte  eine 
grössere  und  prächtigere  hochzeit;  ß)  1308:  kein  könig,  auch  Siegfried 
nicht,  hatte  mit  seinem  gute  sich  so  viel  recken  erworben;  y)  1309: 
kein  könig  (dehein  künec)1  schenkte  xuo  sin  selbes  hdehgezit  so  reich- 
lich, c)  1310  handelt  von  den  mannen  und  gasten.  1311  schlnss. 
1312  — 1314  Spezialisierung.  2.  Bei  der  fassung  B*  fällt  das  schenken 
des  wirtes  aus.  3.  Die  bezugnahme  von  B*  auf  ein  fest,  das  ein  recke 
gibt,  ist  ungewöhnlich  und  auffallend.  Zu  rechtfertigen  bliebe  also  bei 
ADb  das  unbestimmte  si  in  dem  formelhaften  ausdruck  der  si  mohten 
vil  hdn  3b.  Dies  wird  aber  auch  455,  2.  831,  1.  1446,  1.  1524,  1. 
1698,  1  u.  ö.  gebraucht.  Hier  steht  es  an  stelle  von  er,  das,  grammatisch 
auf  künec  deheiner  bezüglich,  nicht  zulässig  wäre,  während  man  bei  si 
an  die  leute  des  königs  denken  kann,  die  auf  sein  geheiss  gaben  aus- 
teilen, vgl.  634.  Ferner  würde  selbes  v.  1,  wenn  man,  was  nicht  un- 
bedingt nötig,  es  betonen  will,  den  gegensatz  einschliessen  können  zu 
den  hochzeiten  oder  festen  anderer  fürsten,  bei  denen  könige  als  gaste 
schenken. 

Das  gewonnene  ergebnis  ist  nun  folgendes:  das  ursprüngliche  hat 
ADb:   1678.  1152,  1.   1994,  3.  4.  1148,  4.  1159,  3. 

1)  Zu  lesen  ist  wol  nie  künec  deheiner,  vgl.  1096,  3.  2061,  4.  2099,  4. 


HANDSCHRIFTEN    DES    MÜK.LV NUEXLIKDE«  319 

Als  fehler  der  urhs.  können  gelten:  1146,  1  (-{-kern  und  leichte 
Verstellung).  1433.2.  1553.1  (+ vil).  1094,2  (wortausfall).  1401,1 
(+  sprach  Hagene).    1497,  3  (hin   verstellt). 

Zufallig  übereinstimmende  änderungen  und  versehen  in  Aüb  können 
sein:  1725,  4  (-\-kaben).  1988,  3  (heim  guot-helmhuot).  2201,  3  (hiez- 
hei%).  303,  1  (iu-in).  477,  3  (ivize-riche).  1020, 4  (+mir).  1111,1 
(-\- Rüedeger).    1382,3  (maget-mäge).    1151,3  (prosastell ung). 

Zweifelhaft  bleibt:   1303,  4 fg.    698,3.    1309,4. 

Unerheblich  oder  nicht  beweisend  sind:   1342,  3.    1448,  1. 

Bedenken  erregen  könnte  die  annähme  von  sechs  fehlem  der  urhs. 
und  von  acht  zufällig  zusammentreffenden  versehen  oder  änderungen  in 
A  und  Db*.  Aber  eine  beschränkte  zahl  von  fehlem  muss  jeder  der 
urhs.  zugestehen,  und  wenn  irgendwo,  so  müssen  sie  sich  bei  solchen 
ab  weichungen,  wie  den  besprochenen,  herausstellen.  Ganz  ähnliche  er- 
scheinungen  wie  diese  zeigen  auch  die  stellen,  in  denen  Braune  (s.  197 fg.) 
fehler  des  archetypus  sieht.  Ebenso  hat  Braune  ein  zusammentreffen 
nicht  verwandter  hss.  bei  änderungen  und  versehen  in  nicht  geringer 
zahl  angenommen1. 

1)  So  zwischen  oder  gegenüber  A  und  B  (s.59fg  i:  1018,  1  immer  mit  ougen  statt 
mit  ougen  immer.  2089,2  ie  füezen  |  beide  statt  beide  u  füexen.  2163,3  stritmüede 
^tan  sturmmüede.  'US.  4  dem  künige  Günther  --tau  dem  künege.  2080,  1  tage 
maere  statt  xage  boese.  AB  1100,2  den  edelen  man  falsch  statt  den  Etxelen  man. 
1495,  2  dannen  falsc  lä  nennen.     Gegen  AB  haben   die  übrigen   falsch  Mine- 

ginne statt  künege  1087,  4.  Beispiele  zufälligen  Zusammentreffens  von  A  und  J  siehe 
s.  67  fg.,  so  16G3.  4  er  ist  nu  (Ut)  lange  begraben  statt  er  ist  vor  maniger  \it  be- 
graben u.  a.  J  und  Db  s.68fg.  z.  b.  953,  2  dtnes  libes  statt  dises  (mtnes)  Iridis  u.  a. 
Zahlreiche  beispiele  für  A  und  C  s.  204  fg.,  darunter  681,4  der  künie  mit  geleite 
hie\  die  boten  wol  betvarn  statt  der  Icünie  hiez  mit  geleite  die  boten  vlixeclieke  be- 
warn. Ein  bekanntes  beispiel.  wie  mehrere  handschriften  selbständig  geändert  haben, 
ist  1494.  1  müelich  gesit,  das  die  meisten  haben  statt  des  richtigen  niulich  gehtt 
B(d).  Von  fehlerhaften  Übereinstimmungen,  die  speziell  B  betreffen,  will  ich  hier 
noch  anführen:  1716.4  fehlt  n\  helfe  BKb.  772.  2a  tiicerr  wesen  BD  statt  toesen 
tiieerc.  934,  4''  BD  %e  rate  han  getan,  dreihebig.  statt  hän  u  rate  getan.  412,  lb 
BDb  da  da%  spil  sulde  gescheiten  statt  da  sold&t  sp.  g.  907,  lb  BdDb  da%  man  min 
Lax  naeme  wäre.  201 S,  3  \u  xuns  in  BdD  zugesetzt.  2062.  1  man  in  BD  sinnlos 
zugesetzt.  2066,  2  fehlt  BD  dienen.  21 3S,  1  BD  Ion  in  got  statt  Ion  ich  iu.  2033,  1 
BJ  frümeclichen  statt  friuntliehen  2069,  2  BJ  verdienen  statt  verenden.  Schon  die 
hier  zusammengestellten  fälle  werden  genügen,  um  die  bedenken  zu  entfernen,  die 
man  gegen  die  annähme  von  zufällig  gleichen  versehen  und  selbständig  vorgenommenen 
änderungen  gleicher  art  haben  könnte.  Wie  weit  man  gehen  kann  in  der  annähme 
von  fehlem  in  der  urhandschrift,  kann  mau  daraus  schliessen,  dass  iu  dem  abschnitt 
2018  —  2067  die  handschrift  B  folgende  fehler  hat:  2018.2  mme  gesellen  für  min 
geseUe.    2021,  2  der  fehlt.    2026,  1  Krienihi.lt  fehlt.    2028,  4  du  fehlt.    2033,  2  frümec- 


320  KETTNEB 

So  sind  denn  nun  unter  den  25  stellen  5,  bei  welchen  die  ge- 
meinsame lesart  ADb  sich  gegenüber  B*  als  die  ursprüngliche  erweisen 
lässt.  Von  den  übrigen  20  können  die  einen  das  ursprüngliche,  wenn 
auch  in  fehlerhafter  gestalt,  enthalten,  und  sind  die  anderen  nicht  be- 
weiskräftig. "Wer  sich  in  bezug  auf  diese  20  fälle  unserer  auffassung 
anschliesst,  tritt  damit  zunächst  der  unter  3.  stehenden  ansieht  bei  und 
erklärt  sich  vorläufig  für  die  ursprünglichkeit  des  A-textes.  Wer  aber 
bei  einzelnen  dieser  fälle  wie  z.  b.  bei  1433,  2,  die  hier  ausgesprochene 
auffassung  ablehnt,  gelangt  damit  zu  der  unter  2.  stehenden  ansieht, 
hält  also  an  dem  Vorhandensein  einer  B*  nebengeordneten  gruppe  ADb* 
fest.  Aber  dieser  muss  doch  bereits  das  Zugeständnis  machen,  dass  bei 
nicht  wenigen  und  auch  bei  besonders  wichtigen  Varianten  ADb*  das 
echte  bewahrt  hat. 

Wenn  dieses  das  ergebnis  bei  der  Untersuchung  der  für  ADb  be- 
lastendsten  stellen  ist,  wird  voraussichtlich  bei  den  minder  belastenden 
sich  das  Verhältnis  für  ADb  noch  günstiger  stellen.  Es  ist  deshalb  auch 
nicht  erforderlich,  alle  durchzugehen,  sondern  nur  die  herauszuheben, 
die  bedeutendere  abweichungen  zeigen  oder  zu  gunsten  von  ADb 
sprechen. 

312,2  Das  im  bairisch  -  österreichischen  dialekt  des  13.  Jahrhunderts 
noch  lebendige  wort  widerwinne  kann  von  B*  sowol  hier  wie  140,  2 
gerade  so  gut  für  geste  und  viende  eingesetzt  sein,  wie  es  von  C* 
149,  4.  315,  2  für  viende  tatsächlich  eingesetzt  ist. 

656,  3  perlen  BclJ  konnte  verlesen  werden  als  pfelle  Db,  wie 
berlen  als  borten  A,  dagegen  konnte  eine  Veränderung  von  pfelle  in 
borten  füglich  nur  mit  bewusstsein  geschehen.  Deshalb  schon  ist  die 
abwandlung  von  perlen  -  pfelle  -  borten  nicht  recht  wahrscheinlich.  Ausser- 
dem erwähnt  das  Nib.  perlen  sonst  nirgends.  Dagegen  gehören  borten 
und  edel  gesteine  zusammen:  vgl.  31,  4.  32,  1  vil  der  edeln  steine  die 
frouiven  leiten  in  dax  golt,  Die  si  mit  porten  (d.  h.  mit  goldfäden  in 
borten  venvieret)  wolden  ivurken  üf  ir  wät.  415,  1.  2  ein  edel  borte, 
dar  üf  lägen  steine.  793,  1.2  si  den  borten  truoc  mit  edelem  gesteine. 
Die  parallele  aus  dem  J.  Tit.,  die  Braune  anführt,  würde  doch  nur  be- 
weisen, dass  Albrecht  das  Mb.  in  der  recension  B*  kannte. 

1014,  4  In  Bd  durch  mines  sunes  liebe  :  des  sult  ir  äne  xwivel 
sin  macht  die  Schlussformel,  für  die  Ca  und  J  eine   andere   eingesetzt 

liehen  statt  friuntlichen.  2046,  2  si  hiev  statt  so  heiz  ich.  2047,  1  nähe  statt  noch. 
2056,  4  git  statt  tuot.  2062.1  man  zugesetzt.  2066,2  dienen  fehlt.  Das  sind  in 
einer  guten  Handschrift  10  fehler  auf  50  Strophen,  und  wir  nahen  bei  den  25  Strophen 
6  fehler  angenommen  in  der  urhandschrift,  die  nichts  vor  B  vorauszuhaben   braucht. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  321 

haben,  den  eindruck  einer  willkürlichen  änderung.  Vgl.  zu  der  stelle 
abschnitt  4b.  Die  strophe  könnte  hier  ursprünglich  gelautet  haben  ich 
teil  in  waege  sin  durch  mines  sunes  (iwers  mannes  A)  liebe  und  des 
edelen  kindes  sin.  Aber  für  A  3b  ich  tuon  iu  triiuen  schin  spricht 
der  gegensatz  zu  dem  Vordersätze  Sid  daz  uns  untriuice  äne  hat 
getan.  Die  änderung  von  iwers  mannes  in  mines  sunes  könnte  durch 
das  streben  nach  Variation  des  ausdrucks,  da  iiceren  man  in  v.  2  vor- 
hergeht, herbeigeführt  worden  sein. 

1160,  1  Einfach  daz  wip  B*  wird,  soviel  ich  sehe,  nirgends  für 
eine  der  hochgestellten  frauen  im  Nib.  gebraucht  und  erscheint  somit 
als  stilwidrig.     ADb  daz  edele  wip  ist  das  ursprüngliche. 

1393,  3b  durch  ir  tuyende  muot  BdJ  ist  nicht  als  das  ursprüng- 
liche anzusehen,  sondern  durch  ir  tug enthaften  muot  ADNb,  da  dieses 
eine  feste  forme!  ist:  vgl.  Er.  4442.  4739.  Grund  der  änderung  kann 
der  zweisilbige  auftakt  gewesen  sein. 

1641,  4  Die  bemerkung,  Dankwart  habe  die  geschenkten  kleider 
bei  den  Hunnen  vzl  rroelichen  getragen  —  so  nach  ADb,  vil  harte 
herliche  BJdC  —  ist  doch  nicht  so  ganz  gedankenlos,  denn  bei  der 
einzigen  gelegenheit,  wo  die  Burgunden  am  hof  Etzels  überhaupt  präch- 
tige kleider  tragen  mochten,  am  abend  nach  ihrer  ankunft,  gieng  es 
allerdings  ganz  fröhlich  zu.  Ob  sie  bei  dieser  gelegenheit  ihre  rüstungen 
mit  festkleidern  vertauschten,  darüber  spricht  sich  der  dichter  nicht  be- 
stimmt aus.  Doch  ist  das  sachliche  hier  ziemlich  gleichgiltig:  denn  die 
hindeutungen  auf  die  Zukunft  werden  auch  sonst  ohne  klare  Vorstellung 
des  Sachverhaltes  hingeschrieben,  wie  71.  362. 

1965,  4  ist  der  plural  bringet  mir  min  gewaefne  ADb  richtig, 
der  singular  brinc  unverständlich.  Das  Kürnbergerlied  9,  29  wird  wol 
niemand  damit  vergleichen  wollen. 

2229,  3b  er  was  der  driten  kere  nu  komen  durch  daz  ival  ADb. 
Das  wort  daz  wal,  wofür  BJ  den  sal  hat,  fehlt  allerdings  sonst  dem 
Nib.,  aber  eigentliche  Schlachtschilderungen,  in  denen  es  doch  allein 
vorkommen  kann,  sind  im  Nib.  sehr  beschränkt  vorhanden.  Indes  gerade 
in  solcher  Verbindung  wie  hier  ist  wal  beliebt:  Ku.  1530,  4  er  Jude  daz 
wal  des  tages  dicke  durchhouwen.  Kehr.  160,  16  (5220)  si  durchhiwen 
daz  wal.  "Willeh.  429,  3  eine  sträze  houwen  durch  daz  wal.  Rol.  233,  7 
er  durchrait  daz  wal.  AI.  Vor.  1518  Alexander  durch  daz  wale  brach. 
Wolfd.  B  295,  2  si  drungen  durch  daz   wal. 

1290,  2  ist  die  lesart  ADbg  truogeu  ric/ie  kleit  statt  truogen  ir 
diu  kleit  zweifellos  richtig.  Denn  die  ceremonie  des  schleppentragens 
steht  hier  ganz  vereinzelt.     Dagegen  wird   auch  1252  Kriemhild   durch 


322  KK'I    I  : 

zwei  forsten,  Piligrim  und  Eckewart,  zu  Gotelind  geführt,  und  diese 
führung  der  frauen  wird  überhaupt  fast  immer  bei  solchen  begegnungen 
erwähnt:  543.  547.  737.  1248,  vgl.  auch  607.  Die  formel  truogen 
richiu  kleit  steht  auch  278,  3b.  532,  3b  ADb  u.  ö\,  vgl.  zu  1290  ab- 
schnitt 4a.  Die  beseitigung  von  riche,  welche  durch  das  vorangehende 
fürsten  riche  nahe  gelegt  war,  hängt  wol  auch  mit  dem  noch  sonst  in 
B*  zu  beobachtenden  bestreben  zusammen,  häufung  gleicher  Wörter  zu 
meiden. 

1531,  4b  ist  wol  sicherliche  B*  das  richtige,  wenn  auch  zu  dem 
seltenen  scherliche  A.Db*  ==  scharliche  das  ebenfalls  seltene  scharhafte 
446,  2  sich  stellen  Hesse.  Das  i  dürfte  bereits  in  der  urhs.  gefehlt 
haben. 

1539,  4b  da%  was  vil  wislich  getan  BHd.Ca  hat  für  sich  nur  den 
vorzug  des  im  letzten  halbvers  beliebten  rhythmus,  während  bei  der 
lesart  ADbg  williclich  die  vorletzte  Senkung  gefüllt  ist.  Aber  die 
formel  in  B*  ist  dem  Nib.  fremd,  auch  die  verwandte  schlussform  und 
tet  vil  wisliche  daz  kommt  nur  noch  442,  4  BJC  (811  Db)  vor,  mehr- 
fach dagegen  die  schlussformel  in  ADbg.  Indes  zeigen  diese  schluss- 
formeln  ein  solches  durcheinander  in  der  wähl  des  adverbs,  dass  auch 
für  1539,  4  sich  die  originalform  nicht  mit  voller  Sicherheit  feststellen 
lässt.  Vgl.  811.  4  und  tet  vil  willecliche  dax  AdBC,  wislichen  Db, 
güetliche  Ja.  1042.  4  willecliche  AC,  güetliche  bBdJ.  1076,  4  willec- 
liche DbCa,  vlizecliche  B,  schedelichen  A.  442,  4  willeclichen  Db,  wis- 
liche BJC.  Man  sieht  daraus,  wie  unzureichend  jenes  metrische  argu- 
ment  ist. 

Unter  den  stellen,  die  s.  58  —  74  behandelt  werden,  um  die  zweifei 
an  der  einheit  der  gruppe  ADb*  zu  beseitigen,  sind  noch  einige,  die 
nicht  allein  dem  zwecke  dieses  abschnittes  dienen,  sondern  zugleich 
gegen  die  echtheit  der  lesarten  von  ADb  oder  von  A  allein  geltend 
gemacht  werden.     Besonders   beachtenswert  scheint  mir  folgende  stelle. 

593,  3b.  4b  D.BdJ.Ca  trüric  was  genuoc :  swie  er  des  tages  kröne 
truoc.  Statt  genuoc  hat  b  gemuot.  Da  genuoc  und  gemaot  in  ver- 
schiedenen handschriften  mehr  als  einmal  verwechselt  ist,  liegt  es  doch 
am  nächsten,  genuoc  zugleich  als  lesart  Db*  anzusehen  und  gemuot  auch 
hier  als  Verwechselung  zu  erklären.  Wir  haben  somit  hier  eine  stelle, 
wo  sich  A  und  Db*  scheiden  und  die  frage  zu  beantworten  ist,  ob 
B*Db*  oder  A  das  ursprüngliche  bietet.  Diese  frage  aber  muss  zu 
gunsten  von  A  beantwortet  werden.  Denn  einmal  sind  Strophenschlüsse 
wie  593,  3.  4  A  nicht  selten  und  begegnen  noch  1518.  324.  1524.  669. 
220.").    vgl.  dazu    1499,  lb;    die   lesart  A   ist  also   nicht   die   eigenartige, 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  323 

wie  Braune  meint.  Sodann  liegt  in  A  der  herre  des  landes,  ir  fröude 
düht  in  nikt  xe  guot  eine  anakoluthie  vor,  für  die  B*Db*  ein  glattes 
Satzgefüge  haben.    Vgl.  Erdmann- Mensing,  Synt.  II  §  59. 

Ist  aber  593,  3.  4  die  lesart  A  die  ursprüngliche,  so  ist  damit  die 
gruppe  ADb  aufgelöst.  Dann  hat  sich  entweder  die  entwicklung  voll- 
zogen von  A  zu  Db*  zu  B*.  Oder  es  haben  beziehungen  zwischen  den 
recensionen  obgewaltet,  die  noch  der  ermittelung  harren,  wofern  sie 
überhaupt  mit  dem  uns  zu  geböte  stehenden  material  ermittelt  werden 
können.    Vgl.  punkt  4. 

Nun  kann  natürlich  bei  einer  einzelnen  stelle  auch  der  znfall  den 
schein  der  ursprünglichkeit  erzeugt  haben.  Es  gilt  also  jetzt,  auch  die 
anderen  abweichungen  des  A-textes  von  Db*B*  zu  prüfen,  die  nach 
Braunes  ansieht  notwendig  änderungen  der  echten  Überlieferung  sein 
müssen.  Dies  sind  die  Strophendifferenzen  und  die  zahlreichen  oft  stark 
sich  unterscheidenden  lesarten,  in  denen  A  und  Db*B*  auseinander- 
gehen. 

2.    Die  Strophendifferenzen. 

A  hat  64  Strophen  weniger  als  Db*,  63  weniger  als  B:|:,  dem 
491.  4a  —  d  fehlt.  Dass  diese  64  Strophen  der  urhs.  nicht  angehört 
haben,  ist  mir,  namentlich  auch  nach  den  neuesten  Untersuchungen 
von  Zwierzina.  ZfdA.  44,  s.  67  fg.  zweifellos.  Ob  die  eine  oder  andere 
zum  original  gehören  und  von  A  übersprungen  sein  mag,  kommt  nicht 
in  betracht.  Braune  hat  die  echtheit  dieser  Strophen  (ausser  102  a  b, 
die  wahrscheinlich  aus  C*  stammen)  mit  neuen  gründen  verteidigt,  auf 
die  einzugehen  ich  genötigt  bin. 

Er  stellt  sie  den  jüngeren  Strophen,  den  ,,  interpolationen "  Lach- 
manns, gleich,  namentlich  auch,  weil  sie  wie  diese  reich  an  nach- 
ahmungen  anderer  Nibelungenstellen  sind.  Darin  sollen  sie  sich  unter- 
scheiden von  den  zusatzstrophen  des  bearbeiters  C*.  Und  allerdings 
zeigen  diese  viel  mehr  Selbständigkeit.  Doch  das  fällt  wenig  ins  gewicht. 
Denn  nach  der  art  und  weise,  wie  der  redactor  C*  sonst  mit  dem  texte 
umspringt,  ist  ein  freies  arbeiten  in  seinen  eigenen  Schöpfungen  ganz 
erklärlich  im  gegensatz  zu  dem  redactor  B*,  der  doch  seine  vorläge 
verhältnismässig  schonend  behandelt  hat,  wie  man  dies  auch  vom  Stand- 
punkt A  ansehen  muss.  Aber  nachahmungen  kommen  in  den  zusatz- 
strophen von  C*  auch  vor,  z.  b.  622(674),  13  Den  künec  müete  s$re 
beidenthalp  diu  not.  doch  rorchfer  michels  mere  den  Sifrides  tot  nach 
971  (1030),  1.  2  Stete  vtichel  ivaer  ir  jämer  und  sivie  störe  ir  not,  doch 
vorhte  si  //orte  der  Nibelunge  tot.  Viel  nachahmungen  weisen  dagegen 
die  dJ-zusätze  auf,   die  ich  deshalb  (ohne  damit  ein  endgültiges   urteil 


324  KETTNEB 

aussprechen  zu  wollen)  auch  nicht  dem  Verfasser  der  C*-zusätze  zu- 
schreiben kann.  Ich  führe  hier  die  dJ- Strophen  der  ersten  hälfte,  die 
für  den  gegenwärtigen  zweck  genügen,  der  reihe  nach  auf. 

d  329(330),  5  —  16. 
329,  11  dax  rät  ich  iu  mit  tritt  treu .    weit  ir  niht  ligen  tot,  sone. 
1411(1471),  3  ich  rät  iu  an  den  triuwen,  'weit  ir  iueh  bewarn,  so. 
329,  14  hin  xe  Prünhilde,  sivax  halt  mir  geschult. 

durch  ir  unmdxen  schoene  muox  ex,  gewäget  sin.1 
328  (329),  2  hin  xe  Prünhilde,  stvie  ex  mir  erge, 

ich  ivil  durch  ir  minne  wägen  minen  lip. 
50  (49),  2  durch  ir  unmäxen  schoene. 

329,  16a  wa%  ob  mir  got  gefüeget  =  16, 4  ob  dir  noch  got  gc flieget. 
16h  dax  si  mir  volget  an  den  Rin  —  443(474),  4  nu  salt  ir 
uns  hinnen  volgen  an  den  Rin. 

dJ  756(813),  5—12. 
756,  7  war  umbe  uns  so  lange  den  xins  versexxen  hat 

ir  man,  der  st  unser  eigen  :  der  vräge  hän  ich  keinen  rät. 
768  (825),  3  dax  er  dir  so  lange  den  xins  versexxen  hat. 

der  diner  übermüde  sohl  ich  von  rehte  haben  rät.2 
756,  9  Sus  warte  si  der  wtle,  als  ex  der  tiufel  riet. 

die  fröude  and  ouch  die  höchgexit  mit  jämer  si  dö  sehiet. 
1334(1394),  1  Ich  waen  der  übel  rälant  Kriemhilde  dax  geriet, 
dax  si  sieh  mit  friuntschefte  von   Qunthere  sehiet. 
756,  lla  dax  ir  lac  amme  herzen  =  1335,  la  Ex  lue  ir  an  dem  herzen. 
12    des  wart  in  rnangen  landen  von  ir  jämers  eil  vemomen. 
222  (223),  4  da  wart  von  edelen  froiven   michel  fragen  vemomen. 

dJ  848(905),  5  —  8. 

848,  7b  wie   ich   in   gewinnen    sol  =  858  (915),  3a    icie   er  ge- 
winnen sohle. 
Überhaupt  gleicht  sich  der  inhalt  der  beiden  Strophen.3 

1)  C*  hat  str.  329(330),  13  —  16,  die  auch  im  ganzen  nicht  viel  mehr  als  eine 
widerholung  von  328  (329)  ist,  gestrichen  und  den  ausdmck  it/irrh  ir  unmdxen  schoene 
auf  328  (329),  3  übertragen.  Sollte  vielleicht  auch  J,  da  329  (330)  b  dasselbe  sagt 
wie  329(330),  aus  dem  nämlichen  gründe  alle  drei  Strophen  weggelassen  haben  V 

2)  Auch  durch  diese  widerholung  ist  C*  zur  Streichung  von  708  (825)  a  b  ver- 
anlasst und  hat  die  beziehung  auf  den  zins  in  766  (823),  4.  767  (824),  4  verlegt. 

3)  Deshalb  hat  C*  858(915)  gestrichen.  Der  unterschied,  den  C*  übersehen 
hat,  ist:  848a  sagt  Hagen  zu  Günther,  er  wisse,  wie  er  Siegfried  überwältigen  könne, 
858  hat  er  ihm  auseinandergesetzt,  auf  welche  weise  er  ihn  überwältigen  werde.    Mit 


&ANDSCHBIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  325 

dJ  858(915),  5  —  8. 
858,  8b  idoch  erarnten   si%   sit  —  1451  (1511),  4b  iedoch  gerouw 

ez  in  stt. 

Zu  dJ  910(909).  5  —  8,  939  (1001),  5  —  8  habe  ich  keine  parallelen 
gefunden.  Zu  1052(1112),  10  vgl.  1202(1262),  3;  zu  11  vgl.  1184 
(1244),  1;    zu  12  vgl.  972(1031),  1.    1158(1218),  1. 

Nach  diesen  Zusammenstellungen  zu  urteilen,  hat  der  zudichter 
dJ*  sich  fast  noch  enger  an  seine  vorläge  angeschlossen  als  der  zu- 
dichter  B*.  Die  plusstrophen  dJ*  dürften  sich  demnach  zu  den  plus- 
strophen  B*  verhalten  wie  diese  zu  den  „Interpolationen". 

Wenden  wir  uns  nun  den  einzelnen  Strophen  zu,  welche  Braune 
behandelt  (s.  80  —  89). 

Die  von  Braune  hervorgehobene  Schönheit  der  str.  437a  liegt  wol 
nur  in  dem  ersten  verse,  der  gebildet  ist  mit  hilfe  eines  bekannten 
epischen  stilmittels,  das  im  Nib.  selten,  in  der  Kudrun  oft  angewendet 
wird.  Für  das  in  438,  1  folgende  si  ist  ein  vorangehendes  Prünhilt 
(437,  7)  hier  nicht  erforderlich,  vgl.  z.  b.  361,  1.  363,  1.  386,  1.  1276,  1. 

Die  ankündigung  540  Nu  hoert  ouch  disiu  meiere  von  der  künigtn, 
Voten  der  eil  riehen,  wie  si  diu  meidtn  gefrumte  von  der  bürge  klingt 
pathetischer,  als  sie  gemeint  ist,  und  verlangt  keine  detaillierte  aus- 
führung,  wie  sie  B*  540  ab  liefert.  Der  ton  braucht  durchaus  nicht 
auf  icie  zu  liegen,  es  kann  die  künigtn  betont  und  diese  damit  dem 
künic  mit  seinen  Jungfrauen  538  gegenübergestellt  werden.  Auch  90,2.  3 
wird  angekündigt  nu  hoeret  wunder  seigen,  wie  in  wolden  teilen  der 
Niblunge  man,  von  diesem  teilungsversuch  selbst  aber  nichts  angegeben, 
sondern  nur  gesagt,  dass  Siegfried  es  sah  und  sich  darüber  wunderte. 
Auch  hier  liegt  der  nachdruck  nicht  auf  wie  sondern  auf  teilen.  Ebenso 
ist  es  bei  der  nur  A  zugehörigen  str.  21  Ich  seige  iu  von  dem  degne, 
wie  sehoene  der  wart,  wo  dann  die  Schönheit  nicht  beschrieben,  son- 
dern mit  einer  phrase  abgetan  wird. 

338a  b  Von  einer  „ minderwertigkeit"  dieser  Strophen  habe  ich 
Zeitschr.  26,  435  nicht  gesprochen,  sondern  von  einem  Widerspruch. 
Siegfried   sagt   338  a:    sieie   eil    wir   volkes   füeren   (selbst  30000),    die 

848a  beabsichtigte  dJ*  der  bemerkung  854(911),  4  (Hagen  babe  die  jagd  angeraten) 
eine  bestimmte  beziebung  zu  geben,  indem  es  Hagen  den  rat  wirklieb  erteilen  lässt. 
Die  stelle  zeigt  übrigens,  wie  vorsichtig  man  mit  dem  urteil  über  notwendigkeit  und 
entbehrlicbkeit  der  Strophen  sein  muss.  Auch  hier  könnte  man  sagen,  B*  habe 
kopflos  gestrichen,  indem  es  durch  auslassung  von  848a  jener  bemerkung  ihre 
unterläge  entzog. 


326  KETTNEK 

müesen  doch  ersterben,  und  339:  wir  drei,  ich,  du,  Hagen:  wir  salen 
wol  genesen,  dazu  Dankwart:  tüsent  man  mit  strtte  geturrm  nimmer 
nns  bestän.  Das  reimt  sich  doch  nicht  zusammen  und  kann  nicht  so 
unmittelbar  hintereinander  von  demselben  dichter  gesagt  sein.  338  a 
und  b  gehören  übrigens  zu  einander,  wie  eine  ganz  eigentümliche  nach- 
ahmung,  ähnlich  der  in  der  d-strophe  329,  14.  15,  zeigt.  338,  5.  6  ist 
gebildet  nach  329,  1.  2,  und  338,  11.  12  nach  328,  1.  2. 

348,  5  —  20  stehen  inhaltlich  in  engster  beziehung  zu  341,  5  — 12. 
Und  diese  letzteren  verraten  durch  den  cäsurreim  guoter :  muoter  den- 
selben Verfasser,  der  B*  18,  1.  2  den  cäsurreim  muote : guote  einführte, 
an  einer  stelle,  wo  auch  Braune  in  A  die  ältere  lesart  sieht.  Das  zu 
gunsten  von  348,  5  —  20  beigebrachte  ist  unerheblich. 

383  ab  c  hält  Braune  für  unbedingt  notwendig,  weil  in  ihnen 
speciell  von  Günther  und  Siegfried  gesprochen  wird  und  384,  1  rehte 
in  einer  mäxe  den  helden  vil  gemeit  von  sneblanker  varwe  ir  ros  und 
oucli  ir  kleit  wären  vil  geliche  sich  sonst  auch  auf  die  schwarz  geklei- 
deten Dankwart  und  Hagen  beziehen  würde.  Der  grund  ist  jedoch 
nicht  zwingend.  Denn  377 — 381  reden  nur  Günther  und  Siegfried  mit 
einander,  auch  382.  383  werden  die  beiden  anderen  nicht  erwähnt. 
Wenn  der  dichter  dann  384  auch  nur  an  sie  dachte  und  von  ihnen 
zu  sprechen  fortfuhr  ohne  ihre  namen  zu  nennen,  so  wird  man  das  bei 
dieser  ganzen  losen  erzählungsweise  nicht  unbegreiflich  finden.  Wie 
wenig  genau  es  der  dichter  der  jüngeren  teile  dieses  abseimittes  nimmt, 
zeigt  auch  347.  348,  wo  „sie  beide ;t  zuerst  Günther  und  Siegfried,  dann 
ohne  Vermittlung  Kriemhild  und  Siegfried  sind.  Die  entscheidung  über 
die  echtheit  und  unechtheit  von  383  a  b  c  liegt  hauptsächlich  bei  den 
Varianten  399  —  401.  Betont  B*  383  a  b  c  die  dienstbarkeit  Siegfrieds 
aufs  stärkste,  so  hebt  es  dieselbe  auch  399  —  401  viel  nachdrücklicher 
hervor  als  A.  Statt  A  er  erldt  dieJi  sin  niht  sagt  B*  min  herre  erlitt 
dich  sin  niht;  statt  A  durch  dielt  mit  im  ich  her  gevarn  hän  sagt  B* 
ja  gebot  mir  her  er  varne  der  recke  wol  getan;  statt  A  waerer  niht 
min  herre,  ich  hetex  nimmer  getan  sagt  B  möht  ich  es  im  geweigert 
hfiti ,  ich  het  es  gerttc  Verlan.  Dass  B*  liier  änderte,  zeigt  namentlich 
die  auflösung  einer  im  Nib.  beliebten  form  der  erwiderung  401,  4  waerer 
niht  nun  Iterrc,  402,  1  ist  er  din  herre  (vgl.  Österr.  Nib. -dich tung  s.  265). 
Ausserdem  würde  400.  401  in  der  fassung  A  vom  Standpunkt  B*  aus 
als  eine  sachlich  völlig  zwecklose  stilistische  Verschlechterung  des  durch- 
aus unanstössigen  B*-textes  angesehen  werden  müssen:  vgl.  400,  1  und 
401,1.  400,2  und  401,3.  Dazu  kommt  drittens  der  Zusammenhang 
der  Strophen  383abc  mit  385a. 


HANDSCHRIFTEN   DES    NIBELUNGENLIEDES  327 

383a  bc  und  385a  gehören  nämlich  zusammen  wegen  der  383,  7. 
16.  385,  8  durchgeführten  widerholung  da%  sähen  durch  diu  venster 
diu  waetUchen  wip,  <ht\  sahen  durch  diu  venster  di  vrowen  schoen 
unde  her,  dm.  sack  allh  Prünhilt,  diu  eil  herMehe  meit.  Wenn  eine 
dieser  Strophen  zusatz  ist,  müssen  es  alle  vier  sein.  385a  ist  aber  als 
solcher  leicht  zu  erkennen,  weil  sie  den  parallelismus  zwischen  384. 
385  und  386.  387  aufhebt.  Wie  ich  bereits  Österr.  Mb.-dichtung  s.  134 
hervorhob,  entsprechen  sich  in  den  beiden  Strophenpaaren:  rosse  und 
kleider  von  schneeweisser  färbe  —  schöne,  leuchtende  Schilde  —  stein- 
besetzte sättel  —  si  Jcdfnen  xuo  dem  lande:  kleider  von  rabenschwarzer 
färbe  —  neue,  gute,  grosse  Schilde  —  indische  steine  —  sus  riten  xuo 
der  bürge.  13*  hebt  mit  385  a  die  zweistrophigkeit  der  ersten  Schilderung 
auf  und  hängt  eine  beschreibung  von  Speeren  und  Schwertern  an,  der 
bei  dem  zweiten  beiden-  und  strophenpaar  nichts  entspricht.  Auf  die 
schlussformel  als  ex  ir  eilen  in  gebot,  die  Braune  in  A  unmotiviert 
iindet,  kommt  wenig  an,  da  solche  formeln  so  oft  nichts  mehr  als  fliek- 
verse  sind,  und  hier  hat  sie  ihren  sinn:  ihre  heldenhaftigkeit  war  der 
grund,  dass  sie  nach  Island  kamen.  Gewiss  ist  diese  bemerkung  über- 
flüssig, so  überflüssig  wie  viele  Schlussbemerkungen  in  den  Strophen 
des  Nibelungenliedes. 

582a  Die  antithese,  die  Braune  in  582a,  4  und  583,  4  findet,  ist 
kaum  zu  erkennen,  auch  wenn  man,  was  man  unbedenklich  tun  kann, 
den  fehler  in  A  zierlicher  degen  zugibt,  mit  den  anderen  hss.  der  xier- 
Uche  degen  liest  und  dieses  und  v.  4  auf  Günther  bezieht.  Im  übrigen 
ist  in  A  alles  in  Ordnung.  Wenn  der  dichter  582,  4  sagt  Sifrides 
hurxirile  diu  wart  groexlichen  guot,  so  sagt  er  doch  genug.  Und  wenn 
er  fortfährt:  Ich  sage  in  nu  niht  mere  wie  er  der  vrowen  pflac,  so 
kann  man  ihm  darin  nur  recht  geben.  Bemerkungen  wie  582,  4  finden 
sich  auch  sonst  abschliessend  an  gleicher  stelle:  1260,  4  si  säxen  gen 
den  lüften  und  heten  kürxewile  gröx.  1304,  4  Rüedeger  und  sine 
vriunde  heten  kürxewile  guot. 

Gegen  589a  ist  einzuwenden,  dass  eine  solche  fast  wörtliche  rück- 
beziehung  wie  sie  600,  1.  2  folgt,  zwar  dem  stil  der  spielmannsmässigen 
epik  sehr  angemessen,  im  Nib.  aber  nicht  üblich  ist,  ausser  in  eben 
diesen  plusstrophen :  vgl.  338,6  und  329,2  u.a.  in  Zeitschr.  26,  441. 
Es  ist  dies  ein  besonderes  episches  stilmittel,  das  dem  redactor  B*  ge- 
läufig gewesen  sein  muss.  Wol  zu  unterscheiden  davon  ist  die  stilistische 
schwäche,  die  in  dem  kurz  aufeinander  folgenden  gebrauch  desselben 
vvortes  liegt,  die  B*  weniger  zeigt  als  A.  Die  Strophe  588a  füllt  aller- 
dings eine  lücke  aus,   diese  ist   aber  im   original  vorbereitet  durch  die 


328  KETTXER 

auflösung  der  erzählung  in  588,  3.  4,  wodurch,  wie  so  oft,  ein  einheit- 
licher Vorgang  (bezwingung  und  fesselung)  abgeschlossen  wird.  Mit 
Do  begunde  589  setzt  die  neue  handlung  ein,  ohne  bestimmte  zeitliche 
beziehung,  wie  auch  20.  48.  529.  1956. 

Bei  417a  gibt  Braune  selbst  zu,  dass  die  strophe  „sich  inhaltlich 
mit  ihrer  beschreib ang  des  waffenrocks  der  Brünhild  zwischen  der  be- 
schreibung  von  schild  und  speer  nicht  eben  sehr  empfiehlt".  Das  wort 
Azagouc  und  seine  beziehung  zum  Parzival  beweist  nichts,  solange  man 
in  der  rezension  C*  den  Wolfram  bekannten  Nibelungentext  sieht.  Der 
wäfenroc  kommt  nur  hier  im  Nib.  vor;  denn  das  wäfenlteh  gewant 
1633  soll,  wie  auch  das  blosse  gewant  1699,3.  2261,1  oder  wät  2187,2 
oder  ivicgeivant  2254,  3,  ohne  zweifei  einen  hämisch  bezeichnen,  und 
bei  der  äusseren  erscheinung  der  beiden  wird  immer  nur  der  unbe- 
deckten brünnen  und  halsberge  gedacht.  Auch  in  der  form  ist  die 
strophe  nicht  bloss  anstössig  sondern  verrät  auch  die  nachdichtimg:  aus 
354.  355  nno  hoeret  ich  tider  von  der  Hellten  waete  sagen  —  seide  — 
der  beten  si  genuoc  stammt  die  ungeschickte  einfügung  Verneint  noeb 
von  ir  waete,  der  bete  si  genuoc. 

Ich  schliesse  hieran  noch  eine  von  Braune  s.  107  behandelte  stelle, 
442,3.4,  die  zwar  nur  eine  Variante  ist,  mit  der  aber  drei  plusstrophen, 
442a bc  stehen  oder  fallen.  Hier  hat  der  redactor  B*  ersichtlich  am 
texte  geändert,  um  die  folgenden  strophen  anknüpfen  zu  können.  Denn 
indem  er  schrieb  er  sprach  %uo  dem  Minige  und  tet  vil  ivisliche  daz 
(eine  nur  hier  vorkommende  wendung,  s.  s.  322)  zerstörte  er  eine  sehr 
gut  hierher  passende  altepische  formel  da  .  .  .  saz  :  alles  leides  vergaz, 
vgl.  Roth.  1337.  2507  alse  die  berren  gesäzen,  ir  leides  ein  teil  virgäzen. 

Entsprungen  sind  diese  zusätzo  hauptsächlich  wol  dem  streben 
nach  einer  rein  äusserlichen,  sachlichen  Vollständigkeit,  woraus  sich 
auch  die  waffen-  und  kleiderschilderungen  erklären  lassen,  die  übrigens 
nur  einen  beschränkten  umfang  haben.  So  sind  384.  385  nur  die 
schilde  erwähnt:  also  müssen  auch  wenigstens  noch  Speere  und  Schwerter 
besprochen  werden  385a.  Darum  darf  auch  nach  der  Waffenschilderung 
413  —  417  der  waffenrock  417a  nicht  fehlen,  obwol  die  goldene  brünne 
und  das  prunkende  waffenhemde  dabei  zu  kurz  kommt,  519,  3  bittet 
Siegfried  Kriemhild  ihr  weinen  zu  lassen;  519a  sagt  uns,  dass  sie  auch 
damit  aufhörte  und  ihre  thränen  mit  sclmeeweissen  geren  abwischte. 
530.  531  geben  nur  eine  auf  die  pferde  der  frauen  bezügliche  Schil- 
derung, dazu  muss  531a  eine  entsprechende  ausführung  über  die  pferde 
der  Jungfrauen  kommen.  532  werden  86  frauen  erwähnt,  also  532a  auch 
54  Jungfrauen.     Die   kleiderbeschreibungen   der  plusstrophen   schliessen 


IIAXIKi  Hi;ll  -TEN    DES    OTBELUNGEKLIEDES  329 

sich  den  in  diesem  teil  des  Nib.  so  umfangreichen  kleiderschilderungen 
an,  sind  also  für  diese  znsätze  keineswegs  charakteristisch.  Diese  proben 
mögen  liier  für  die  allgemeine  Charakteristik  der  zusatzstrophen  genügen. 

3.    Die  lesarten  von  A. 

Bei  drei  stellen,  593,  3.4.  400.  401.  442,  3.4,  mussten  wir  bereits 
die  von  Db*B*  abweichende  lesart  A  für  das  original  in  ansprach 
nehmen.  Dagegen  hält  Braune  —  bis  auf  einige  wenige  ganz  be- 
stimmte ausnahmen  —  alle  abweiclmngen  in  A  für  änderungen  eines 
redactors  a,  der  jünger  war  als  der  redactor  C*.  Er  findet  die  haupt- 
eigentümlichkeiten  von  a  erstens  in  einer  metrischen  modernisier ung, 
zweitens  in  einer  sachlich -sprachlichen  modernisierung  durch  stärkere 
geltendmachung  des  höfischen  geschmacks. 

Braune  hat  besonderes  gewicht  auf  die  metrischen  erschein ungen 
gelegt,  Es  handelt  sich  dabei  um  folgendes:  1.  A  hat  weniger  häufig 
als  B*  (d.h.  auch  Db*)  im  letzten  halbverse  den  einsilbigen  zweiten  takt. 
2.  A  hat  zahlreiche  dreitaktige  letzte  halbverse.  3.  A  hat  häufiger  als 
B*  ein  auf  zwei  kürzen  ausgehendes  wort  vor  der  cäsur. 

Die  zweite  und  die  dritte  erscheinung  lässt  sich  meist  auf  ein  ver- 
sehen des  Schreibers  ohne  Schwierigkeit  zurückführen.  Dass  aber  auch 
das  original  unserer  Überlieferung  einzelne  fälle  von  dreitaktigem  schluss- 
vers  hatte,  hält  Braune  selbst  für  möglich  (s.  93).  Bei  den  drei  fällen. 
die  er  mit  Sicherheit  dem  texte  a  zuschreiben  zu  können  meint,  kann 
durch  den  einschub  eines  passenden  wörtchens  oder  durch  eine  leise 
formale  änderung  die  regelmässigkeit  hergestellt  werden:  390,4  jir 
den  Itovesite  sagen.  614,  4  ,hie(  von  minen  handelt  we  oder  von  ,den' 
minen  banden  we.     797,  4  niem*  als  niemere  zu  lesen. 

Der  zweisilbig  stumpfe  schluss  vor  der  cäsur  begegnet  in  allen 
handschriften  und  lässt  sich  meist  aus  Umstellungen,  auch  aus  wort- 
vertauschungen  und  auslassungen  erklären.  So  schreibt  denn  auch 
Braune  die  weit  überwiegende  mehrzahl  der  fälle  in  A  der  nachlässig- 
keit  der  letzten  Schreiber  zu  (s.  104  fg.).  Aber  auch  hier  scheint  mir 
die  frage  nicht  mit  Sicherheit  beantwortet  werden  zu  können,  ob  nicht 
diese  Unregelmässigkeit  auch  der  urhs.,  vielleicht  sogar  der  dichtung 
vereinzelt  zukommt,  zumal  sie  meines  wissens  in  allen  epen  von  dieser 
strophenform  sich  zahlreich  findet.  So  ist  es  kaum  glaublich,  dass 
614,  4  B*  sit  getet  diu  vrowe  dem  kiienen  Sifvide  we  statt  A  oder  in 
geschihet  von  minen  handen  we  die  ursprüngliche  lesart  gewesen  sein 
soll,  da  617,  3  wider  dar  nmbe  wart  int  wi  in  vorausdeutendem  sinne 
folgt,  eine  aufeinanderfolge,   die  doch  nur   damit  zu   erklären   ist,   dass 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  22 


330  KETTXKK 

der  redactor  B*  bei  seiner  änderung  an  diese  bemerkung  noch  nicht 
dachte.  Auch  1910,  2.  1911,  1  muss  ich  türen  oder  türe  vor  der  cäsur 
für  das  ursprüngliche  halten.  Bei  der  ersten  erwähnung  des  turms 
1774,  3  führen  inhalt  und  ausdruck  auf  das  wort  türe  statt  turn.  Denn 
1770,  3,  als  Volker  und  Hagen  das  erste  mal  aus  dem  saale  gehen, 
heisst  es  und  giengen  ü%  dem  Jn'ise  für  die  tür  stau;  1774,  3  aber, 
als  Volker  das  zweite  mal  hinausgeht,  steht  und  gie  üz  dem  gademe 
für  den  turn  stau.  Dass  von  zwei  so  nahe  bei  einander  stehenden 
fast  identischen  versen  der  zweite  unvermittelt  eine  solche  sachliche 
änderung  gebracht  haben  sollte,  ist  ganz  unwahrscheinlich,  und  es  ist 
die  iure  1774,  3  für  die  dichtung  anzunehmen  (wie  bJCa  es  getan  haben). 
Weder  inhaltlich  noch  handschriftlich  begründen  lässt  sich  das  1941,  3 
allein  in  B  stehende  xno  dem  turn.  Denn  siver  %uo  dem  turne  gut 
kann  nur  gesagt  sein  von  Hunnen,  die  von  aussen  eindringen.  Hier 
aber  spielt  die  scene  im  saal:  Volker  steht  innerthalben  (1915,  1),  im 
inneren  kämpfen  Günther  und  Hagen:  wenn  sie  1941  fg.  auf  ihn  hin- 
schauend (1943)  von  ihm  und  den  Hunnen  sprechen,  denen  er  den 
ausgang  wehrt,  können  sie  nur  sagen  siver  zuo  den  türen  oder  der 
türe  gät,  worauf  auch  die  lesarten  führen  den  duren  b,  den  turn  A, 
de  turn  D,  der  tür  JCa.  Ebenso  verhält  es  sich  nun  mit  1910,  2.  1911, 1. 
Die  scene  ist  dieselbe:  Dankwart  steht  an  der  tür  vor  den  äugen  der 
im  inneren  des  saales  kämpfenden  Hagen  und  Volker  (sehet  ir  dort, 
geselle,  mtnen  bruoder  stän).  Und  auch  hier  hat  wider  nur  B  an  den 
I ümen  und  an  dem  tarne,  alle  anderen  handschriften  zwingen  zur  an- 
erkennung  der  lesart  an  den  türen.  In  diesem  sinne  hat  bereits  Paul 
(Beitr.  3,  483)  die  stellen  beurteilt  und  sich  auch  2144,  3  für  die  lesart 
hi  den  türen  (so  A,  der  tür  J,  die  anderen  ausser  b  haben  turne)  ent- 
schieden. Was  die  noch  von  Braune  herangezogene  stelle  2016,  311  be- 
trifft,  so  ist  hier  sicher  du  stuont  noch  vor  dem  hüse  der  lähene  spil- 
man  AJCa  das  ursprüngliche,  nicht  vor  dem  turne  DbBd.  Das  beweist 
der  diese  scene  einleitende  vers  1956,  1  Do  stuonden  vor  dem  hüse 
manic  tüsent  mau  und  der  fast  identische  parallelvers  2057,  2  noch 
stuont  rar  dem  hüse  der  küeue  spüman.  Da  in  diesen  teilen  des  Nib. 
so  oft  palas  unde  turne  vor  der  cäsur  vorkommt,  konnten  auf  metrische 
correetheit  bedachte  bearbeiter  oder  Schreiber  leicht  darauf  verfallen, 
Iure  oder  turen  als  turne  oder  turnen  zu  lesen. 

Können  wir  hiernach  von  dieser  metrischen  Unregelmässigkeit  die 
dichtung  selbst  nicht  ganz  freisprechen,  so  dürfen  wir  überhaupt  nicht 
jene  metrische  Vollkommenheit  bei  ihr  voraussetzen,  die  Braune  für  sie 
annimmt.    Ich  glaube   nicht,   dass  die  Strophe   des  Nib.  mit  dem   mass- 


HAXDSC'HKirTF.X    DES    NiBELTJNGENLIEDES  331 

stabe  der  ausgebildeten  kunststrophen  der  dichter  wie  Kürnberger, 
Meinloh  u.  a.  zu  messen  ist.  Ich  bin  allerdings  der  ansieht,  dass  der 
dichter  sogar  selbst  lyriker  war,  aber  damit  lässt  sich  wol  vereinen,  dass 
er  in  der  erzählenden  dichtung  sich  freiheiten  gestattete,  die  er  in  der 
lyrischen  sich  nicht  erlaubt  haben  würde3.  Zweitens  halte  ich  es  nicht 
für  wahrscheinlich,  dass  diese  später  in  solchem  umfange  verbreitete 
epische  strophenform  als  solche  dem  einfall  eines  mannes  entsprungen 
ist,  sondern  zusammen  mit  der  alten  lyrischen  strophenform  einer  wurzel 
entsprossen,  aus  einer  lyrisch -epischen  volkstümlichen  strophenform  her- 
vorgegangen ist,  dass  also  die  freiheiten,  die  unser  dichter  sich  erlaubte, 
in  der  epischen  anwendung  schon  bestanden.  Drittens  hat,  wie  ich  in 
meinem  buche  s.  4  —  45  nachgewiesen  zu  haben  glaube,  der  dichter 
auch  stark  unter  dem  einfluss  der  kurzzeiligen  epik  gestanden,  kann 
daher  auch  von  deren  metrischen  eigenheiten  nicht  ganz  unberührt  ge- 
blieben sein. 

Demnach  muss  zu  den  eigenschaften  des  redactors  B*  namentlich 
das  streben  nach  metrischer  regelmässigkeit  gezählt  werden.  Dasselbe 
äussert  sich  vor  allem  in  der  ausfüllung  der  Senkungen  und  der  ein- 
führung  des  einsilbigen  auftaktes,  sodann  in  der  reichlicheren  anwendung 
des  einsilbigen  zweiten  taktes  im  achten  halbvers.  Dieses  doppelseitige 
verfahren  ist  in  sich  weniger  widerspruchsvoll  als  ein  verfahren  von  a, 
durch  ausfüllung  dieser  stelle  im  achten  halbvers  zu  modernisieren  und 
durch  Streichung  zahlloser  Senkungen  und  auf  takte  zu  archaisieren. 

Als  beispiel,  wie  B*  die  Senkungen  ausgefüllt  hat,  diene  368, 1.  2: 
A  Sifrit  dö  bälde  \  ein  schälten  gewän, 
von  städe  er  schieben  \  väste  begän. 
Der  gl  eich  massige   auffallende  rhythmus  dieses  verspaares  kann  nur 
ursprünglich  beabsichtigt  und  nicht  nachträglich  hergestellt  sein,  B*  von 
stdde  heij ilnde  schieben  \  der  kreftige  man  ist  sicher  das  jüngere. 

Beweise  für  das  bestreben  von  a,  jenen  rhythmus  im  letzten  halb- 
vers zu  beseitigen,  findet  Braune  besonders  in  dem  abschnitt  939 — 1004, 
der  durch  grössere  und  häufigere  abweichungen  sich  heraushebt.  Aber 
gerade  hier  verraten  einige  der  lesarten  von  B*  die  änderung. 

948,  4  A  lässt  auf  die  mitteilung  des  kämmerers,  vor  der  tür 
liege  ein  erschlagener  ritter,  folgen  ouwe,  sprach  vrou  Krim/hilf,  waz 
wil  da   solher   inaer e  sagen'-!     Dafür  hat  B*  du   begonde   Crieathilt   vil 

1)  Dass  nach  meiner  Überzeugung  der  den  lyrikern  mindestens  nahestehen«  le, 
wenn  nicht  angehörige  dichter  nicht  der  alleinige  Verfasser  des  vorliegenden  Nibelungen- 
liedes ist,  sondern  dass  wir  mit  einem  bearbeiter  noch  zu  rechnen  haben,  der  nicht 
lyriker  war,  will  ich  nur  nebenbei  bemerken. 

22* 


332  KETTNEB 

harte  unmaezliche  klagen.  Dass  hier  B*  im  vergleich  zu  A  schwäch- 
lich und  dürftig  ist,  sieht  man  leicht,  doch  darauf  will  ich  kein  gewicht 
legen;  wesentlicher  ist,  dass  B*  zum  folgenden  nicht  passt.  Kriemhild 
fällt,  von  der  richtigen  ahnung  durchdrungen,  sprachlos  zu  boden,  von 
einem  vorangehenden  masslosen  klagen  durfte  also  vernünftigerweise 
nicht  gesprochen  werden. 

9G5  Da  Kriemhild  meint,  sie  würde  dem  mörder  Siegfrieds  das 
denkbar  schlimmste  antun,  liegt  ein  schwerer  ton  auf  solhes  leides, 
und  ein  stark  superlativischer  ausdruck  muss  in  dem  folgenden  stehen. 
Diesen  hat  nur  A  dax  al  die  friunde  sin  von  minen  schulden  m Ursen 
immer  klagende  sin. 

966,  3.  4  B*  dax  von  dem  starken  wuofe  palas  nnde  seil  und 
mich  diu  stat  %e  Wormxe  von  ir  weinen  erschal.  Hier  ist  von  ir 
//■einen  nach  von  dem  starken  wuofe  schwächer  und  überflüssig,  während 
A  ze  beiden  siten  h'üe  erschal  wider  den  dem  vorangehenden  also  gröx 
entsprechenden  vollen  superlativischen  ausdruck  gibt,  der  auch  dem 
Sprachgebrauch  des  Mb.  durchaus  angemessen  ist:  751,3.  529,4.  1246, 1. 

Nun  scheinen  allerdings  A  969,  4  als  im  sin  triwe  dax  gebot. 
970,  4  d/n  was  ir  ander  herxeleit.  973,  4  dax  dö  ir  herxe  vol  durch- 
sneit  wegen  der  darin  enthaltenen  künstlichen  klimax  die  jüngeren  les- 
arten  zu  sein  gegenüber  B*  des  gie  im  waerlichen  not  —  dax  was  ir 
groexliche  leit  —  dax  ivas  ir  waerlichen  leit.  Aber  von  diesen  drei 
stellen  besteht  die  erste  auch  in  A  aus  einer  beliebten  formel,  und  für 
die  echtheit  von  wold  er  gerne  rechen,  als  im  sin  tri  iure  dax  gebot 
spricht  die  verwandte  stelle  2222,  4  dax  räch  der  cdte  Hildebrant,  als 
/m  sin  eilen  dax  gebot.  Die  zweite  stelle  soll  eine  höfische  wendung 
enthalten,  wofür  Braune  sich  auf  Lachmann  beruft.  Aber  die  belege 
aus  der  litteratur  des  13.  jhs.,  die  Lachmann  zu  dem  ausdruck  reichlich 
gegeben  haben  soll,  beschränken  sich  auf  zwei  nur  ähnliche  stellen  aus 
Parz.  (mit  klage  und  ungemach),  eine  ebenfalls  nur  ähnliche  aus  Ulrich 
von  Türheim  (mit  not)  und  eine  gleiche  aus  Ulrich  v.  Lichtenstein  dax 
ist  min  ander  herxeleit.  Dass  der  ausdruck  aber  schon  längst  zu  den 
gangbaren  Wendungen  gehörte,  beweist  Kschr.  16977(520,24)  dax-  was 
da:  ander  leit.  Auch  leitet  970,  4  vortrefflich  über  zu  str.  971,  die 
Kriemhilds  beide  leiden  einander  gegenüberstellt.  Gibt  man  aber  für 
969,  4  und  970,  4  die  lesart  A  als  die  ursprüngliche  zu,  so  wird  man 
sie  auch  für  973,  4,  trotzdem  der  ausdruck  etwas  gesuchtes  hat,  nicht 
wo!  ablehnen  können. 

Dass  die  tätigkeit  des  redactors  B*  ganz  besonders  in  diesem  ab- 
schnitt  darauf   gerichtet    war.    die   an    sich    schon    überwiegende   menge 


HANDSCHRIFTEN    DES   N]  i  LEDES  333 

der  Schlüsse  mit  einsilbigem  takte  noch  zu  vermehren,  ist  hiernach  wol 
als  sicher  anzusehen.  Übrigens  ist  die  zahl  dieser  Schlüsse  hier  in  B* 
auch  grösser  als  gewöhnlich.  Es  kommen  deren,  mit  einrechnung  der 
durch  verschleifung  und  elision  entstandenen,  auf  die  66  Strophen 
(939  — 1004)  in  B*  52,  in  A  40,  ohne  berüeksichtigung  der  verschleifung 
in  B*  45,  in  A  35.  Die  durchschnittszahl,  die  sich  mir  aus  einer  aller- 
dings nur  einige  teile  des  Nib.  (im  ganzen  etwa  500  Strophen)  umfassen- 
den durchsieht  ergab,  ist  bei  66  Strophen  in  B:;:  44  —  45  (40  —  41),  in 
A  43  —  44  (39  —  40).  Auch  die  zahl  dieser  fälle  in  den  62  zusatz- 
strophen  geht  über  das  durchschnittsverhältnis  hinaus  und  stimmt  ziem- 
lich mit  der  in  939 — 1004  überein.  Ich  zähle  in  ihnen  46  (44)  derartige 
Strophen,  das  macht,  zu  66  ins  Verhältnis  gesetzt,  49  (47). 

Musste  bei  seinem  starken  überwiegen  dieser  rhythmus  als  das 
gesetzmässige  erscheinen,  so  ist  es  begreiflich,  dass  der  nach  metrischer 
correetheit  strebende  redactor  B*  gelegentlich  darauf  verfiel,  ihn  öfter 
anzubringen,  und  dies  da  tat,  wo  es  sich  ohne  Schwierigkeit  macheu 
liess.  Das  einfachste  war  die  anwendung  von  solchen  ihn  enthaltenden 
formein,  die  jedem  Schreiber  im  gedächtnis  sein  mussten,  wie  des  gie 
im  waerliche  not  (969),  gie  .  .  .  vil  harte  groexliche  not  (1922),  dax 
was  vr  groexUche  leit  (970),  da\  was  ir  waerlichen  feit  (973).  Dass 
A  sich  vor  diesen  formein  nicht  scheut  und  ihre  häufung  nicht  weiter 
unangenehm  empfunden  hat.  zeigt  z.b.  ihr  vorkommen  2251.2''.  2252.  2 \ 
2255,  4b.   927,  4b.    929,  3b. 

Auf  alle  die  stellen,  an  die  Braune  den  nachweis  der  in  A  ein- 
gedrungenen modernisierung  knüpft,  hier  näher  einzugehen,  muss  ich 
mir  versagen,  zumal  da  Braune  selbst  die  bei  dieser  beurteilung  nahe- 

O  i  *-J 

liegende  mögiiehkeit  der  beeinflussung  durch  ein  subjektives  geschmacks- 
element  nicht  verkennt.  Auch  lassen  sich  den  angeführten  stellen,  in 
denen  A  moderner  und  höfischer  erscheint,  andere  entgegenstellen,  wo 
sich  dasselbe  von  B*  sagen  lässt.  Manche  von  diesen  stellen  sind  ausser- 
dem schon  behandelt  und  werden  im  folgenden  abschnitt  besprochen 
werden. 

Eine  besondere  bedeutung  legt  Braune  einer  stelle  bei,  bei  der  er 
die  lesart  in  B*  auch  durch  einen  sprachgeschichtlichen  grund  stützt. 
1594,  4  hat  A  si  waren  hübseh  unde  klär,  B*  dax  ist  an  den  triuwen 
war.  Wenn  Braune  im  anschluss  an  Bartsch  hervorhebt,  dass  dar  nur 
hier  im  Nib.  vorkomme,  so  ist  dem  entgegen  zu  halten,  dass  auch  die 
von  B*  gebrauchte  formel  dem  Nib.  fremd  ist,  ebenso  die  daraus  her- 
vorgegangenen Wendungen  der  anderen  handschriften.  Es  kennt  nur 
dax  ist  war :  jär  659,  1.    dax    ist  alwär :  jär  137,  1.    1046,  1.   1082,  1. 


334  KETTNER 

1327,  1,  stets  in  stereotypen  Zeitangaben,  sonst  noch  einmal  daz  ist 
alwär  1672,  1.  Und  eine  so  nachdrückliche  betenerung  bei  einer  so  un- 
auffälligen tatsache  dürfte  wol  ganz  vereinzelt  im  Nib.  stehen.  Dagegen 
ist  der  strophenschluss  in  A  durchaus  dem  stile  des  Nib.  gemäss.  Zu- 
sammenstellungen wie  hier  findet  man  1393,  4b  die  boten  hövesch  unde 
guot.  1282,  2b  hübsch  und  gemeit,  und  stilistisch  ähnliche  strophen- 
schlüsse  nicht  selten,  wie  1039,4  der  was  getriuwe  unde  guot.  1979,4 
den  was  schoene  (starc)  unde  guot.  1863,  4  daz  was  michel  unde 
lanc.  2287,  4  diu  was  tief  unde  lanc.  Nun  aber  das  wort  dar,  in 
dessen  gebrauch  Steinmeyer  und  Braune  einfluss  Wolframs  sehen.  Will 
man  diesen  darin  finden,  so  muss  man  ihn  in  der  ganzen  strophe 
erblicken,  wie  dies  auch  Martin  bei  seiner  Voraussetzung,  dass  das  Nib. 
vom  Parzival  beeinflusst  sei,  mit  vollem  recht  tat,  indem  er  zum  ver- 
gleich heranzieht  Parz.  776,  8  manc  ungevelschet  vrouwen  vel  man  da 
(bi  röten  münden)  sach  (ZfdA.  32,  385).  Vgl.  auch  232,  15  daz  wären 
junefrouwen  klär,  zwei  schapel  über  bloziu  här.  Die  spräche  der 
ganzen  strophe  ist  Wolframisch  und  höfisch.  Und  auch  inhaltlich  ge- 
hört clor  durchaus  zu  der  strophe.  hübsch  unde  clär  fasst  alles  vorher 
gesagte  noch  einmal  zusammen,  dieses  die  bemerkung  über  die  rein- 
heit  und  frische  der  natürlichen  färbe:  gecclscltct  vrouwen  varwe  vil 
lüzel  man  da  vant,  jenes  die  worte  si  truogen  üf  ir  houbte  von  golde 
liehtiu  baut,  da\  waren  schapel  riche,  daa  tu  ir  schoene  här  zerfuorten 
uilit  die  winde,  was  mehr  besagen  soll,  dass  sie  fein,  als  dass  sie  hübsch 
waren.  So  bezeichnet  clär  hier  das,  was  auch  durch  ir  rdsenrdtiu  varwe 
schein  (281),  ir  varwe  wol  getan  diu  lühte  ir  üz  dem  golde  (1291)  und 
ähnlich  ausgedrückt  wird.  Das  wort  clär  steht  also  hier  noch  mehr  im 
eigentlichen  sinn  als  bei  Wolfram.  Aus  den  vorwolframischen  belegen, 
die  Steinmeyer  gibt,  deckt  sich  mit  unserer  stelle  Wig.  896  Da%  ant- 
lütze  lüter  unde  Mär  von  rufe  und  von  wi\e,  als  si  got  mit  vlize  ge- 
rn /'sehet  het  begarwe.  Vgl.  auch  4632,  wo  lüter  und  klär  so  wol  von 
wät  als  von  lip  gesagt  ist.  Verglich  man  einmal  frauenschönheit  schon 
längst  gern  mit  morgenrot,  sonne,  tag  und  liess  man  von  ihr  auch  eine 
sinnlich  blendende  Wirkung  ausgehen  (z.  b.  Eilh.  6513  fg.),  so  war  damit 
auch  der  gebrauch  des  wortes  clär  gegeben,  zumal  da  bei  der  Schön- 
heit die  lichte  hautfarbe  immer  den  dichtem  das  wichtigste  zu  sein 
scheint.  Also  nicht  aus  Wolfram  braucht  das  wort  hier  entlehnt  zu 
sein,  ebensowenig  wie  die  übrige  ausdrucksweise  der  strophe,  sondern 
wir  werden  hierin  die  einwirkung  der  dem  dichter  wol  vertrauten  spräche 
der  Lyrik  sehen  müssen,  aus  der  auch  Wolfram  und  Veldeke,  bei  dem 
eine    ähnliche    stelle   vorkommt  (En.  5169 fg.),    geschöpft   haben.     Dem 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  335 

redactor  B*  mag-  diese  weniger  geläufig  gewesen  sein,  weshalb  er  die 
ganze  Wendung  durch  eine  von  ihm  selbst  erfundene  versfüllung  ersetzte. 
Auch  Kl.  355  ist  vil  maneges  triutinne  dar  (:  här)  vil  lüte  scriende 
gie  festzuhalten  und  nicht  dar  (B*C*)  zu  lesen,  denn  die  klaren  Jung- 
frauen kamen  nicht  schon  mit  blutbesudelten  geren  an,  sondern  giengen 
so  unter  den  erschlagenen  umher. 

Kann  hiernach  das  zu  Ungunsten  von  A  geltend  gemachte  zum 
teil  zurückgewiesen ,  zum  teil  in  frage  gestellt  werden ,  so  wollen  wir 
jetzt  mit  hilfe  eines  formalistischen  beweismittels  in  der  lesartenfrage 
eine  entscheidung  zu  gunsten  von  A  oder  von  B*  herbeizuführen  suchen. 

4.   Die  parallelstellen. 

Das  hier  in  anwendung  kommende  kriterium  ist  im  gründe  ge- 
nommen kein  anderes  als  die  beobachtungen  über  die  einheit  des  Sprach- 
gebrauchs, die  das  gewöhnlichste  mittel  sind,  werke  einem  Verfasser  ah- 
oi Irr  zuzusprechen,  sowie  innerhalb  eines  Werkes  echtes  und  unechtes 
zu  scheiden.  Mehr  als  auf  einzelne  Wörter,  die  leicht  zufälligem  wandel 
und  verderb  ausgesetzt  sind,  kommt  es  hier  an  auf  Wortverbindungen 
sowol  an  sich  als  auf  ihre  Stellung  in  der  Strophe. 

Die  mittelalterlichen  epiker  und  von  ihnen  am  meisten  die  dichter 
der  volksepen,  auch  die  der  volksepen  höheren  stils,  leiden  bekanntlich 
im  allgemeinen  an  einer  gewissen  sprachlichen  armut  und  stehen  unter 
dem  einfluss  traditioneller  stilmittel.  Beides  zusammen  bedingt  eine 
einförmigkeit  des  stils,  die  sich  in  zahlreichen  widerholungen  von  Wen- 
dungen, versteilen,  ja  auch  ganzen  versen  äussert.  Bei  den  strophischen 
gedienten  kommt  noch  dazu,  dass  gewisse  versstellen  leicht  in  über- 
einstimmendem ausdruck  sich  bilden.  Xun  haben  diese  dichtlingen  in 
den  handschriften  zahlreiche  änderungen  erfahren.  Jeder  ändernde 
Schreiber  oder  bearbeiter  bringt  seinen  individuellen  ausdruck  in  die 
widergabe  seiner  vorläge  hinein.  Deshalb  muss  diejenige  Überlieferung, 
die  die  grösste  einheit  im  stil,  d.  h.  die  meisten  und  stärksten  parallel- 
stellen und  innerhalb  der  gemeinsamen  parallelstellen  die  grössere  ähn- 
lichkeit  aufweist,  für  die  dem  original  am  nächsten  stehende  gehalten 
werden. 

Ich  habe  von  diesem  mittel  in  der  vorliegenden  abhandlung  schon 
hin  und  wider  gebrauch  gemacht.  Aber  doch  so,  dass  es  mit  anderen 
kriterien  zusammen  in  anwendung  kam.  Denn  äusserlich  und  vereinzelt 
angewendet,  ist  es  nicht  untrüglich.  In  einem  einzelnen  falle  kann  der 
ändernde  dadurch  parallelismus  erzeugt  haben,  dass  er  eine  andere  stelle 
im  gedächtnis   oder  vor  äugen  hatte  und  sie  für  seine  Umformung  be- 


336  KETTNER 

nutzte.  Das  gilt  besonders  von  den  einfachsten  und  gebräuchlichsten 
form  ein.  Wenn  Braune  den  satz  aufstellt:  typische  redensarten  und  all- 
gemeine formein  sind  das  ältere,  individualisierender  ausdruck  das 
jüngere  (s.  112),  so  ist  dies  theoretisch  richtig  und  trifft  in  den  meisten 
fällen  zu.  Aber  ebenso  ist  es  begreiflich,  dass  ein  bearbeiter  eine  ihm 
nicht  genehme  redeform  in  ermangelung  von  besserem  durch  eine  der 
in  seinem  gedächtnis  haftenden  redensarten  und  formein  ersetzte,  von 
denen  manche  fast  überall  hinpassen.  Einige  beispiele  in  C*  mögen 
zur  begründung  dienen.  143  (144),  4h  des  sult  ir  dne  xwifel  sin  statt 
B*  daz  ivixxet  üf  die  triuwe  min  (keine  Nibelungenformel).  512  (547),  4b 
des  sult  ir  gar  an  angest  sin  statt  des  ivil  ich  iiaver  bürge  sin.  Die- 
selbe änderung  1093  (1153),  4\  535(576),  4  daz  si  in  al  der  werkle 
bezxer  nimmer  künden  sin  statt  den  edelen  juncvrouivcn  was  vil  hoher 
vreuden  Li.  587(636),  V'  daz  was  der  frouwen  leit  statt  unt  xerfuorte 
ir  diu  Weit.  688  (745),  4b  daz  wart  durch  liebe  geiän  bei  stärkerer 
änderung.  Diese  beispiele,  die  sich  noch  vermehren  Hessen,  geben  auch 
einen  anhält  für  die  beurteilung  der  oben  besprochenen  stellen  in  dem 
abschnitt  939  —  1004. 

Handelt  es  sich  bei  diesen  formein  gewöhnlich  um  eine  momen- 
tane eingebung  des  gedächtnisses,  so  sind  stellen  von  grösserem  umfang 
oder  individuellerem  ausdruck  bei  ihrer  nachahmung  wol  meist  nach- 
gelesen worden.  So  würde  z.  b.  der  parallelismus  von  C*  1352  (1412),  3.  4 
und  AB*  1751  (1813),  3.  4  zu  erklären  sein.  Doch  ist  diese  art  der 
nachahmung  bei  änderung  des  textes  selten  und  sie  kommt  mehr  auf 
die  zusatzstrophen.  Ich  habe  Zeitschr.  20,  219 fg.  nachgewiesen,  wie  bei 
der  dichtung  der  zusatzstrophen  in  B*  der  Verfasser  Lachm.  XVI — XVIII 
stark  ausgenutzt  hat.  Das  hat  auch  auf  den  text  hinübergegriffen.  1691,  3 
hat  zur  bildung  von  394,  17.  18  gedient:  1691,  2  er  ist  geborn  von 
Tronije  zur  Umformung  von  400,  1  Er  ist  Jcünec  xe  Eine  in  Er  ist 
geborn  von  Rine  (vgl.  s.  326).  Ebenso  ist  auch  die  Variante  470,  4  zu 
beurteilen,  wo  B*  statt  so  ivil  ich  iu  leides  laxen  hie  niht  geschehen 
einsetzte  ivarumbe  er  des  gerte,  des  hört  in  nieman  verjehen,  veranlasst 
durch  1713,  4  ADb*  wen  si  damit  meinen,  des  enlioer  ich  niemen 
sagen,  obgleich  eine  derartige  bemerkung  470,  4  nicht  am  platze  war1. 

1)  Der  schluss  in  A  ist  Dicht  bloss  durchaus  stilgemäss  (vgl.  672,  3.  4.  1385. 
789)  sondern  auch  der  allein  richtige.  Nachdem  Alberich  gesagt  hat:  ich  tuon  swaz 
ir  gebietet,  dm  ir  mich  laxet  genesen,  muss  die  vollständige  antwort  lauten: 
bringt  mir  1000  Nibelunge,  so  ivil  ich  in  leides  laxen  hie  niht  geschehen.  - 
Nach  dem  blossen  Wortlaut  könnte  man  470,  4  auch  dem  original  zurechnen,  das  sich 
hier  in  seinen  jüngeren  teilen,  besonders  in  den  empfangsschilderungen,  mehrfach  an 
1675 fgg.  anlehnt,  wie  auch  an  andere  Schilderungen  dieser  art,  am  meisten  an  80fgg. 


HANIisi  HRIITKX    DES    NIBELUNGENLIEDES  337 

Bei  solchen  änderungen  kann  es  nun  dahin  gekommen  sein,  dass  jeder 
der  beiden  texte  seine  besondere  parallele  hat,  wie  an  dieser  stelle,  wo 
aber  der  parallelismus  in  A  der  stärkere  ist  (s.  anm.  und  zu  der  stelle 
Verzeichnis  a).  An  anderen  stellen  gleicht  sich  der  parallelismus  aus. 
So  845,  4h  A  des  hän  ich  sorge  unde  leit  =  931,  2b  sorge  unde  leit  A 
(unser  sorge  unt  unser  leit  B*);  BdDC  des  ist  mir  sorgen  eil  bereit  = 
1707,  4  da  ton  wart  sU  den  recken  [eil]  michel  sorge  bereit,  wider 
eine  parallele  mit  diesem  dem  redactor  B*  wolbekannten  abschnitt.  Vgl. 
auch  1004,  4,  wo  A  =  1193,  4  und  B*=  989,  4.  Derartige  stellen,  die 
sich  übrigens  nur  in  kleiner  zahl  fanden,  sind  in  der  folgenden  Samm- 
lung natürlich  weggelassen. 

Es  ist  also  nicht  jeder  parallelismus  unbedingt  beweisend  für  die 
echtheit  der  einzelnen  lesart,  wol  aber  ist  das  zahl-  und  wort  Verhältnis 
des  gesamten  parallelismus  beweisend  für  die  ursprünglichkeit  ganzer 
recensionen \  Ein  einzelner  parallelismus,  namentlich  bei  geringem 
umfange  und  formelhaftem  ausdruck,  kann  auch  sekundärer  art  sein. 
Auch  bei  einer  Zusammenstellung  der  parallelen  in  B*  und  C*  würde 
sich  in  C*  eine  anzahl  solcher  finden,  die  B*  nicht  oder  nicht  so  gut 
hat;  aber  schon  die  wenig  ausgedehnten  beobaehtungen,  die  ich  früher 
hierüber  angestellt  habe,  möchten  genügen,  um  C*  als  bearbeitung  er- 
kennen zu  lassen  (vgl.  auch  Laistner,  Der  archetypus  des  Nib.  s.  1). 

Aus  dem  angegebenen  gründe  sind  auch  in  den  Zusammenstellungen 
solche  stellen  weggeblieben,  wo  durch  zusatz  oder  weglassung  kleiner, 
bedeutungsloser  Wörter,  durch  leichte  Umstellung,  durch  vertauschung 
der  gewöhnlichsten  synonyma  u.  ähnl.  der  eine  text  genauer  überein- 
stimmt als  der  andere  (vgl.  Zeitschr.  20,  205.  206).  Wie  wenig  darauf 
ankommt,  ersieht  man  leicht  aus  der  häufigkeit,  mit  welcher  nicht- 
verwandte handschriften  im  gegensatz  zu  verwandten  handschriften  in 
solchen  kleinigkeiten  zusammentreffen. 

Ein  fehlen  der  handschriftenangabe  vor  der  strophe  bedeutet  über- 
einstimmende lesart  in  A  und  B%  wobei  ganz  unerhebliche  unterschiede 
nicht  bemerkt  sind;  die  bezeichnung  B*  umfasst  auch  Db*,  wo  dies 
nicht  zu  A  hinzugesetzt  ist. 

1)  Die  höhere  kritik  kann  man  hierbei  gänzlich  aus  dem  spiele  lassen.  Denn 
es  macht  hier  nichts  aus,  wieweit  man  das  Nibelungenlied  für  ein  einheitliches  dich- 
terisches erzeugnis  ansieht.  Auch  der  dichter,  der  das  original  überarbeitete ,  bemühte 
sich,  eng  an  dessen  darstellung  sich  anzuschliessen.  Stellen,  wo  die  jüngere  dichtung 
mit  der  älteren  übereinstimmt,  haben  also  hier  ganz  denselben  wert  wie  solche,  wo 
die  jüngere  dichtung  für  sich  oder  die  ältere  für  sich   übereinstimmt. 


338  KF.TTXF.R 

a)  Stärkerer  parallelisraus  in   A. 
13,1  AJ   F.;  troumde  Kriemhilde  in  tilgenden  der  si  pflac, 

wie  sie  einen  valJcen  wilden  xüge  manegen  täe. 
18,1  A(J)  In  ir  vil  höhen  fugenden,  der  si  schöne  pflac, 
lebt  diu  maget  edele  vil  manegen  lieben  tac. 
13,  1  BdCD  In  disen  hüben  eren   troumte  Kriemhilde, 

wi  si  xüge  einen   vallcen,  starc  scoen  und  ivilde. 
18,1   BdCD   Kriemhilt  in  ir  muote  sich  minne  gar  bewac. 
sit  lebete  diu   vil  guote  vil  manegen  lieben  tac. 
FürAJ:  1320,1  Swax  ie  guoter  fügende  an  vroun  Heichen  lac, 

der  vleix  sich  vrou  Kriemhilt  dar  nach  eil  manegen  tac. 
Auch  die  fassung  BdCD  hat  sicli  dem  Sprachgebrauch  des  Nib. 
angeschlossen,  wie  659,1.  1327,1.  39,2  zeigen,  doch  kommen  diese 
geringfügigen  Übereinstimmungen  nicht  in  betracht  gegenüber  dem  starken 
parallelismus,  der  A(J)  13,1.  18,  1.  1329,  1  mit  einander  verbindet  und 
die  echtheit  dieser  lesarten  erweist.  Wir  haben  hier  zugleich  eine  probe 
von  der  brauchbarkeit  unseres  beweismittels,  da  hier  die  echtheit  von 
A  auch  aus  anderen  gründen  gesichert  ist  (vgl.  Braune  s.  180  fg.). 

89,  2b  A  als  mir  ist  geseit.  B*  dax  ist  mir  tvol  geseit.  Letztere 
form  ist  dem  Nib.  fremd.  Dagegen  als  mir  ist  geseit  109,1''.  1952,  lb. 
als  ans  dax   ist  gesät  265,  2b.  1290,  lb.   1815,  2b.  2192,  3b. 

ir>0.  4b  A  ir  sult  ex  Sifride  sagen.  B*  /ran  mugt  ir%  S/rride 
sagen?  Für  A  die  auch  in  weiterem  umfang  übereinstimmende  stelle 
450,  3.  4  mit  4h  sult  ir  der  küneginne  {Prünhilde  B*)  sagen;  vgl.  auch 
1801,  4b. 

229,  4  A  er  ist  an  allen  dingen  ein  riter  Miene  unde  guot. 
B*  er  ist  an  allen  fugenden  usw.  Für  A :  1697,  4  ABDb  er  was  an 
allen   dingen   ein   riter  küenc  nnele  guot  (JdC  / ugcu den).     Vgl.  878,  1. 

246,  41'  A  man  hurte  groexlichen  schal :  sab  B  vroelichen, 
nur  hier  so.  Wie  A:  35,  4  die  heten  gr.  seh.  1909,  4  eh)  hurt  man  .  .  . 
gr.  seh.    Ygl.  305,  1  (B*).     1940,  2.  1974,  4. 

253,  1  A  Der  künec  pflac  siner  geste  eil  güetlichen  wol.  B*  vil 
groexliche  wol.  Wie  A  noch  1625,4  der  wirf  ir  güetliche  pflac. 
1886.  2  ja  suhlet  ir  der  geste  vil  güetlichen  pflegen.  Der  ausdruck  in 
B*  dagegen  nur  hier,  eingesetzt  vielleicht  wegen  des  in  v.  3  folgenden 
güetlichen  phlegen. 

271,  .'!  A  sine  swester  träte,  die  er  noch  nie  gesach.  B*  swier 
si  niene  gesach.  Für  A:  131,3  und  nach  in  ein  diu  frouwe  (truoc 
in  dem  sinne),  die  er  noch  nie  gesach.  605,2.  3  Biu  liebe  swester  diu 
ist  mir  cur  in  alten,  die  ich  noch  ie  gesach. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  339 

275,  2  A  der  guoten  tvaete,  so  oft.  B*  edclcn,  nur  hier.  Hat 
B*  geändert  wegen  guot  gewant  in  v.  1? 

286,  4  A  manie  ivaetlichex  wtp,  wofür  B*  herlichex  hat,  ist 
ein  formelhafter  strophenschluss,  der  sich  noch  findet  193.  199.  1460. 
2054.  diu  vil  waetlichen  wip  23.  396.  waetlichiu  wip  1407.  1891. 
daz  vil  ivaetliclic  wip  1340  A.  herlichiu  wip,  diu  herlichen  wtp  wird 
allgemein  gebraucht  nur  in  Verbindung  mit  schoene  meide  273,  2.  753,  2, 
sonst  in  bezug  auf  bestimmte  frauen. 

292.  293,  in  denen  A  starke  Abweichungen  von  B*  zeigt,  sind 
nach  Braune  „mit  ihren  im  Xib.  sonst  nicht  vorkommenden  Wendungen" 
besonders  beweisend  für  die  sekundäre  form  des  A-textes  (s.  107).  In 
292  halten  sich  jedoch  die  abweichungen  und  die  Übereinstimmungen 
die  wage,  genäde  bieten  V'  X.  kommt  sonst  nicht  vor,  aber  die  reim- 
formel  bi  der  hender  si  in  vie  :  er  bi  der  frouwen  gie  292,1.2  B*, 
die  in  ihrer  pluralischen  form  weit  verbreitet  ist  (vgl.  Berger,  zu  Grendel 
1920),  findet  sich  auch  nur  hier,  obgleich  zu  ihrer  Verwendung  reichlich 
veranlassung  geboten  war.  Ferner  292,  2  B*  wie  rehtc  minnec- 
liche  er  bi  der  frouwen  gie  enthält  eine  auch  sonst  im  Xib.  begegnende 
wendung.  Fast  gleich  ist  630,  1  A  wie  rehte  minnecUche  er  bi  der 
vrowen  lac  (B*  si  dö  bi  im  lac),  daran  schliesst  sich  526,  3  B*  wie 
rehte  minneeliehe  er  von  der  vrowen  sehiet,  ferner  1443,  2;  mit  anderen 
adverbien  662,  5.  2304,  2.  1802,  4.  1294,  1.  Dass  B*  diese  wendung 
gern  anbringt,  zeigt  ihr  vorkommen  an  den  drei  stellen,  wo  sie  A  nicht 
hat,  unter  denen  526,  3  der  Zusammenhang  anders  (A)  statt  wie  rehte 
(B*)  verlangt.  Anderseits  ist  auch  der  ausdruck  in  A  292,  3  mich 
twinget  eines  dinges  not  im  Xib.  ziemlich  häufig:  911,  1  twanc  des 
durstes  not.  927,  4  A  des  twanc  in  ehaftiu  not.  929.  3  <trs  twanc 
in  groxiu  not.  156G,  3.  1894,  3.  2028,  1.  2130,  3.  Ist  somit  bei  292 
die  entscheidung  schwer,  so  gibt  293  den  ausschlag  zu  gunsten  von  A. 
Hier  stehen  sich  gegenüber: 

A  293,  1  Wart  da  vriuntliche  getriutet  ir  vil  wixiu  hant. 

4  zwei  minnc  gerndiu  herxen  heten  anders  missetän. 
B*  293,  1  Wart  iht  da  friwentUche  getwungen  wixiu  haut. 
4  si  het  im  holden  willen  Jcunt  vil  sciere  getan. 

Zu  A  vgl.  609,  3  si  träte  sine  hende  mit  ir  vil  wixen  hant.  556,4 
mit  ougen  wart  getriutet  vil  maneger  schoenen  vrowen  t/p.  1265,4 
<lü  wart  eil  getriutet  der  schoenen  junevrouwen  lip.  Ferner  ere  gernde 
man  733,1.  2155,3.  Dagegen  kommt  B*  twingen  mit  hant  s^nst  nicht 
vor,  ebensowenig  willen  Joint  tuon,  beides  nur  noch  in  0*.  Und  dass 
293,  4  A  einen  logischen  schluss  zu  293,  3  doch  icil  ich  niht  gelouben, 


3  10  KI  CTNEE 

da%  e%  wurde  län  bildet,  ist  doch  leicht  zu  sehen.  Die  schon  mehrfach 
wahrnehmbare  abneigung  des  redactors  B*  gegen  ein  in  einer  strophe 
sich  widerholendes  auffälliges  wort  kann  auch  hier  bei  der  aufeinander- 
folge von  minneclichen,  minne,  minne,  minne  der  grimd  der  änderung 
gewesen  sein,  während  anderseits  die  lyrische  und  minnigliche  ausdrucks- 
weise in  A  ganz  dem  Charakter  dieses  abschnitts  gemäss  ist. 

303,  1  A  Ich  sol  in  immer  dienen,  sprach  Sifrit  der  degen. 
B*  also  sprach  der  degen.  Die  form  der  redeeinfügung  in  A  ist  sehr 
beliebt,  besonders  auch  mit  dem  namen  Sifrit,  während  die  form  in 
B*  vereinzelt  steht. 

307,  4b  A  si  heten  michel  (michele?)  kraft.  B*  groexlichiu. 
5,37,  3b  ein  vil  michel  kraft,  vgl.  129, 3b.  325,  3 b.  groexlichiu  kraft  nur 
B*  307,  4.  Zur  erklärung  der  wort ver tausch ung  vgl.  305,  lb  A  und 
michelen  schal,  B*  vil  groexUchen  schal.  453,  2b  A  mit  michelre  mäht, 
B*  groexlicher.     594,  4 b  A  michel  gedranc,  B  groezlich. 

312,  2  ADb  unser  geste  wellent  morgen  riten  (Db  rtten  morgen) 
fruo : nu  rate  wie  ich  tuo.  B*  die  unser  widerwinnen  die  wellent 
riten  fruo.  Für  ADb  besonders  1528  Dax  sagten  mir  ;icei  merwip 
Mute  morgen  fruo :  nu  rät  ich  ivax  man  tuo.  1761,  1.  2  tuo:  so  komet 
uns  morgen  vruo.  Vgl.  727,  1.  2.  Das  blosse  fruo  nur  hier  B*  sonst 
%e  vruo,  späte  unde  vruo,  besonders  oft  morgen  vruo.  wider Irinnen 
erscheint  hiernach  als  das  jüngere,  vgl.  s.  320. 

319,  2  A  er  wände  niht  erwerben.  B*  trüivete.  1413,  4  si 
wänden  niht  zerwerben. 

321,  lb  A  so  lät  diu  ros  stein.  B*  diu  ras  (diu)  läxet  stän. 
77,  3  lät  uns  sten  die  moere. 

324,  3  A  der  dähte  im  eine  werben  des  künic  Günthers  muot: 
da-   dühte  sine  recken  und  die  herren  alle  guot. 
B*  der  däJit  im  eine  erwerben   Günther  der  künec  guot: 
da  von  begunde  dem  recken   vil  sere  hüben  der  muot. 
1524,  3  der  reite  spaeheliche  allen  sineu  muot: 

swaz  ie  begie   Hagne,  dax  dühte  den  viedelaerc  guot. 
381,  3  nach  der  diu  herxe  ringet,  diu  sin   und  ouch  diu   muot. 

alle  ir  gebaerde  [diu]  dühte  Gunthere  guot.     -  Zu  B*: 
163,  3  dö  bot  in  rtche  gäbe   Günther  der  künec  guot. 

and  schuof  in  sin  geleite: des  stuont  in  höhe  der  muot. 

Vgl.  hierzu  noch  508,  1.  2  und  den  ausdruck  dö  /rar/  im  .  .  .  ivol 

gehoehet  sin   muot  u.  ä    291,  4.    282,  4.   1287,  4.     Die  Übereinstimmung 

zwischen   324,3.4  A  und  1524,3.4.  381,3.4  ist  stärker  als  die  zwischen 

324,3.4   B*    und    163,3.4    nebst  den   folgenden  stellen,  weil   das   die 


HAXDSCHRIFTEX   DES    NIBELUNGENLIEDES  341 

form  des  ganzen  verses  bestimmende   intransitive  höhen  nur  hier  vor- 
kommt. 

331,  1.  2  A  edel  Sifrit :  tuo  des  ich  dich  bit.  B*  tuostu  des 
ich  dich  bit  ( Vordersatz).  320,  1.  2  [vil  B*]  eflfeZ  67/W7  :  t/tot  des  ich 
iuch  bit.    Vgl.  158,  1.  2.  853,  1.  2. 

351,  1  A  Frouive,  merket  rehte  waz  ich  in  sage. 

B*  Ir  sult  vil  rehte  merken  waz  ich  iu,  frouive,  sage 
429,  2  Wide  merke  rehte  ivax   du  mich  hoerest  sagen. 

356,  3  A  dar  obe  pfelle  lagen,  sivarx  alsam  ein  hol.  B*  yfelle 
dar  obe  lägen,  415,  2  dar  üf  lägen  steine  grüene  alsam  ein  gras. 
Vgl.  1763,  4. 

369,  3a.  4a  A  ir  ros  stuonden  ebene,  ir  schif  gienc  ouch  ebene. 
B*  ir  ros  diu  stuonden  schöne,  ir  schif  daz  gie  vil  ebene.  72,  4  ir 
ros  in  gierigen  ebene.  887,  2  sin  ros  truoc  in  ebene.  Auch  hier  mied 
wider  B*  den  gebrauch  desselben  wortes  in  einer  strophe. 

386,4  A  ir  schilde  wären  niuive,  michel  guot  unde  breit.  B*  ir 
Schilde  wären  schoene.    73,1  Ir  schilde  wären  niuive,  lieht  unde  breit. 

393,  3  A  die  [ich]  dort  sihe  so  herlichen  stän.  B*  di  in  miner 
bürge  so  h.  stän.  393,  1 — 3  entspricht  durchaus  477,  2.  3,  im  be- 
sonderen 3  die  ich  dort  sihe  fliezen  so  rerre  üf  dem  se.  Der  metrische 
fehler  in  393,  3a  ist  der  urhs.  oder  dem  original  zuzuschreiben  wie  der 
in  614,  4  A  (vgl.  s.  320).  Die  in  B*  gebrauchte  wendung  di  in  miner 
bürge  so  herlichen  stän  passt  zu  der  Verschiebung  der  Situation,  die  in 
B*  vorgenommen  ist.  Nach  der  vorangehenden  erzählung  (377  fg.)  sieht 
Brunhild  die  kommenden  gaste,  wie  auch  477,  3  (die  ich  dort  sihe 
fliexen)  und  wie  Günther  in  der  hier  als  muster  dienenden  schilderuug 
87,  4  (der  dort  so  herlichen  gät).  Das  hat  der  redactor  B*  hier  ver- 
gessen, da  er  392  a  einschiebt,  die  von  einer  anmeldung  der  fremden 
berichtet,  in  diesem  sinne  ändert  er  393,  3  und  lässt  die  meldende 
einen  langen  bericht  über  das  aussehen  der  angekommenen  machen 
394a  — d. 

398,  4b  A  daz  het  ich  gerne  bekant.  B*  gerne  het  ich  daz 
bekant,    668,  4b  daz  hcte  si  gerne  bekant.    Vgl.  106,  2b.  799,  3". 

402,  2  A  ivil  er  min  geteiltiu  spil  also  bestän.  403,  2a  A  iirer 
spil  geteiltiu.  402,  2  B*  diu  spil  diu  ich  im  teile  und  getar  er 
diu  bestän,  403,  2a  B*  imver  spil  diu  starken.  Mehr  als  das  enjam- 
bement  gab  wol  auch  hier  wider  die  gleichförmigkeit  des  ausdrucks  den 
anstoss  zur  änderung.    Unverständlich  wäre  der  umgekehrte  Vorgang. 

432,  4  A  den  (ger)  schöz  dö  hin  widere.  B*  den  frumte  ir 
dö  hin   leidere,    frumen  wird  nie  von  dem  werfen  einer  waffe  gebraucht. 


342  KETTXEK 

Die  abschwächung  des  ausdrucks  erklärt  sich  daraus,  dass  erst  432,  7 
Siegfried  den  ger  schiesst,  in  der  plusstrophe,  mit  deren  Inhalt  433,  1 
unvereinbar  ist  (s.  Zeitschr.  26,  436). 

434,  2a  A  edel  riter  Günther.  B*  Günther,  ritter  edele. 
1475,  2a  edel  riter  Hugne  spricht  bei  der  eigenart  des  ausdrucks  mehr 
für  A  als  2273,  2a  Gnu  (her,  künic  edele  für  B*. 

434,  3         si  wunde,  daz  er%  hete  mit  siner  kraft  getan: 
4  A     nein,  si  hete  gevellet  ein  verre  kreftiger  man. 
B*  ir  was  darnach  gestielten  ein  verre  kreftiger  man. 
452,  3         si  wänden,  daz  ez  fuorte  ein  sunder  starker  ivint: 
nein,  ez  fuorte  Sifrit,  der  schoenen  Siglinde  kint. 
Der    starke    parallelismus    in    A   wird    noch   gestützt    durch    den 
parallelismus,  den  auch  451,  3.4  mit  430,  3.4  hat,  worin  sich  also  eine 
ganz  entsprechende    anlehn ung  an   die    unmittelbar  vorangehende  dar- 
stell ung  zeigt. 

463,  1  A     Albrieh   was  kiiene,  dar  zno  sture  genuoc. 

B*  Albrich  was  vil  grimme,  starc  was  er  genuoc. 
842,  1  Si  spracJi:  min  man  ist  kiiene,  dar  zuo  starc  genuoc. 
Vgl.  auch  437,  1.  Grund  der  ander  ung  scheint  gewesen  zu  sein  Albrich 
der  küene  462,  2a.  In  463,  lb  ist  B*  vertreten  durch  DbBdJ,  dagegen 
stimmt  C  überein  mit  A,  was  wol  auf  zufall  beruht.  Nicht  unbemerkt 
will  ich  lassen,  dass  die  darstellung  dieser  Alberichgeschichte  gerade 
mit  der  von  Siegfrieds  tod  sich  mehrfach  berührt  (vgl.  Österr.  Nibelungen- 
dichtung s.  300). 

469,  2b  A  diu  herlichen  werc  =  2147,  4b  [vil].  B*  diu  degen- 
Uchen  werc,  nur  hier. 

470,  3  (Bring  mir  1000  Nibelunge)  daz  mich  die  hie  gesellen, 
A    so  ivil  ich  iu  leides  läzen  hie  niht  geschehen. 
B*  war  umbe  er  dö  des  gerte,  des  hört  in  nieman  verjehen. 
672,  3  (Hilf  mir,   dass  Siegfried  usw.  kommen)  daz  wir  si  hie  gesehen, 
sone  künde  mir  xewdre  nimmer  lieber  geschehen. 
Vgl.  auch  1385.  789.      -  470,  4  B*  stimmt  überein  mit  1713,4, 
s.  darüber  s.  336. 

493,  lb  A  diu  frouwe  rumüe  ir  laut.  B*  si  rümte  ir  eigen  laut. 
Die  Verbindung  eigen  lani  nur  hier,  die  phrase  sonst  in  der  form:  ge- 
rümen  niht  min  laut  444,  3.  so  rüme  ich  miniu  lau/  705,  3.  diu 
n) tuten  ihr.  laut  (rümten  dö)  1076,1,  vgl.  681,2.  834,4.  Ausserdem 
in  Verbindung  mit  genetiven  wie  dm  Sigmundes  laut  (67,  2),  des  künic 
Guntheres  laut  (646,4).  Die  in  dem  worte  eigen  liegende  hervorhebung 
erscheint  auch  an  sich  als  das  jüngere. 


Handschriften  des  Nibelungenliedes  343 

494,  4  A     si  fuoren  von  dem  lande,  dax  beweinde  maneger 

m not  er  kint. 
B*  si  fuoren  von  dem  laude  mit  eil  grdxen  vreuden  sint. 
Die  lesart  A  mit  ihrem  zweisilbigen  auftakt  anzuerkennen  hinderte 
Lachmann  nur  seine  liedertheorie.  Beweisend  für  A  sind  19.  4  durch 
sin  eines  sterben  starp  eil  maneger  muoter  kint.  822,  4,J  maneger  m.  k. 
Ähnliche  betrachtungen  beim  abschied  1447,  4  die  si  dei  heime  Hexen, 
die  beweinten  ex  sit.  1460,4.  1648,  4  u.  ö.  s.  Zeitschr.  17,157.  Mit  der 
lesart  B:::  ist  nur  vergleichbar  1454,  4  si  hnoben  sich  von  hüse  vil  karte 
vroeltche  sit.  Aber  diese  stelle  zeigt  auch,  wie  schlecht  494;  4  zu  der 
Strophe  passt.  1454,  4  ist,  wie  es  nach  dem  ausdruck  nicht  anders  sein 
kann,  die  rede  von  solchen,  die  erst  abzureisen  gedenken  (am  nächsten 
tage),  494,  4  dagegen  bezieht  sich  auf  solche,  die  schon  abgefahren  sind. 
Ausserdem  wird  fast  dasselbe  gleich  495,  4  wider  gesagt. 

526,  1         Ex  enwart  nie  lote  enphangen  deheines  fürsten  ba%. 
2  A    getorste  si  in  hän  küsset,  dax  hete  si  eine  ha:. 
B*  getorste  si  in  küssen,  diu   erouive  taete  du:. 
295,  3        oder  Li  ze  ligenne.     dax  Hex  ich  äue  hax 

ex  gediente  noch  nie  recke  nach  einer  küneginne  hu:. 
Die  ursprüngliche  lesart  könnte  gewesen  sein  getorste  si  in  küssen, 
du:   taete  si  äne  hax. 

532,  3b  ADb  (vrouwen)  und  truogen  richiu  kleit.    B*  liehtiu  kleit 

4  dar  kom  ouch  ivol  gexieret  vil  manic  waetlichiu  meit. 

278,  3b  (vrouwen)  die  truogen  richiu  kleit. 

ouch  gie  da  nach  ir  tohter  [vil]  manic  waetlichiu  meit. 
truogen  richiu  kleit  als  feste  formel  noch  386,  3b.  1234,  lb.  1290,  2''  A. 
liehtiu  kleide r  nur  noch  535,  2  (in  anderer  Verbindung). 

533,  3  A  gewant,  dax  ir  schoenen  vurive  xe  rehte  ivol  ge>.um. 
B*  dax  ir  geuuoge  schoene.  Schöne  kleider  und  schöne  hautfarbe 
werden  einander  gegenübergestellt  auch  536,3  der  ir  liehtiu  varwe 
niht  lultte  gen  der  wät.    413,  3.  4. 

544,  3  A  mit  wixen  henden  dein.  B*  lichten  henden,  nur  hier. 
Zu  A  vgl.  609,  3.  952,  2  u.  a. 

577,  4  A  dar  umbe  gab  ich  im  ze  wibe  die  schoenen  meit  lobe- 
lich.  B*  xe  ini n neu.  333,  3  so  teil  ich,  dir  xe  icibe  miue  s/vester 
geben.     (1368,  1  wird  man  nicht  heranziehen  wollen). 

591,  4b  A  selten  rüeren  i/rer  kleit.  B*  nimmer.  Zu  A: 
592,  3b.  4  dax   er  ir  schoene  wät  dar  nach  selten  ruorte. 

593, 3  A        sivie  ivol  man  da  geburte,  truric  /ras  sin  muot. 

der  herre  des  landes,  ir  fröude  düh  t  in  niht  xe  guot. 


344  KETTXKK 

3B*      sivie  ivol  man  da  gebarte,  trürec  was  genuoc 

der  herre  von  dem  lande,  swie  er  des  tages  kröne  truoc 
1518,  3  ADb  ivan  der  starke  Hagne,  vil  xornic  was  sin  muot (gemuot^B*), 
er  stiex  in  xuo  dem  gründe,  dax  endühte  nieman  guot. 
1499,  lb  trüric  ist  min  muot.  435,  lb  xornic  was  ir  muot.  782,  1". 
1785,  lb.  Ähnliche  Strophenschlüsse  wie  593.  1518  haben  324  A.  1524. 
669.  2205.  Durch  die  einschaltung  des  formelhaften  trüric  was  sin 
muot,  xornic  was  sin  muot  ist  593  wie  1518  eine  anakoluthie  ent- 
standen, die  bei  den  bearbeiten!  anstoss  erregte  und  deshalb  593  von 
Db*B*,  1518  von  B*  beseitigt  wurde.    Vgl.  s.  322. 

595,4  A  do  sach  man  under  kröne  elliu  fieriu  schöne  stän. 

B  dö  sach  mans  alle  viere  under  kröne  vroelichen  stän. 
under  kröne  vor  der  cäsur  mit  gän   1616,  4.  1708,  4,   ebenso  mit  gie 
631,  3,   mit  giengen   755,  3,   mit  rüde   659,  2.     An   anderer  versstelle 
nur  1314,  4  da  diu  schoene  Criemhilt  bi  Exele  under  kröne  sax. 
605, 1  ADb  Dax  tuon  ich,  sprach  Sifrit,  üf  die  triuwe  min. 
B*      Dax  nim  ich,  [so]  sprach  Sifrit,  üf  die  triuwe  min. 
Die    phrase  in   B*  kommt   nur    hier  vor,    sonst  üf  min    triuwe  selb- 
ständig, in  Verbindung  mit  mir  ist  leit  1799,  4,  mir  ist  liep  2109,  4. 
Zu  dem  Strophenanfang  in  ADb  vgl.:  85  Dax  tuon  ich,  sprach  Hagne. 
848.  676  Dax  tuon  ich,  sprach  der  fürste. 

608,  1  A     Der  künic  beite  küme,  dax  man  von  tische  gie. 

B*  Er  erbeite  küme  als  fortsetzung  zu  607,  5  Der  künic  usw. 
300,  1  Vil  küme  [erjbeite  Sifrit,  dax  man  da  gesanc. 

607  sagt:  „man  gieng  zu  tische",  299:  „man  gieng  ins  münster", 
die  hauptperson  wird  beidemal  nicht  genannt  und  der  bisherigen  hand- 
lang ein  abschluss  gegeben.  608.  300  lassen  eine  neue,  wichtige  hand- 
lung  beginnen  und  fähren  dabei  die  hauptperson  neu  ein,  Diesen  paral- 
lelismus  hat  B*  durch  die  überleitende  plusstrophe  607a  durchbrochen 
und  fährt  daher  608  mit  dem  pronomen  fort. 

610,  3  AD  mich  hat  des  michel  wunder  :  war  ist  (si  D)  der 
künic  komcn?  BbJ  wä  der  künic  si  komen,  1507,  3  war  ist  der 
verge  komen?     562,  3  war  sint  die  eide  komen? 

642,  3  A     üz  drixec  hundert  recken  nim  dir  tüsent  man. 

B*  von  drixec  hundert  recken  wir  geben  dir  tüsent  mau. 
474,  1.  2   drixec  hundert  (A  tüsent)  recken  .  .  .  üx  den  wurden 
tüsent  der  besten  dö  genomcn. 

656,  3  A  truoc  borten  (pfelle  Db)  und  edel  gesteiuc.  B*  perlen 
kommt  im  Nib.  nicht  vor.  Vgl.  zu  A:  si  den  borten  truoc  mit  edelem 
gesteiue.     415,  1.  2.  31,  4  fg.     S.  s.  320. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  345 

658,  2  A  stt  was  er  ir  herre,  wie  an  der  sachlich  hiermit  zu- 
sammengehörenden stelle  43.  44.  B*  ir  aller  meister  (vgl.  589,  1. 
1064.  2)  wird  nie  im  politischen  sinne  gebraucht. 

668.  2  <la\    was  ir  harte  leil, 

3  A     der.   man  ir  so  selten  / diende  stniu  laut. 
B*  daz  mau  ir  so  selten  diende j von   Sifrides  laut 
1343,  2b  dar  umbe  ist  mir  so  leif, 

der.   mich  die  s5  selten  j ruochent  hie  gesehen. 
Hier  ist  sogar  Bartsch  (Unt.  s.  267)  geneigt,  in  der  lesart  A  das  echte 
zu  sehen. 

670,  4  A     dö  sprach  diu   vrouwe  in   ril  hoch  vertat  siten. 
B*  in  ril  listigen  siten,  diese  Verbindung  nur  hier. 
1828,  4         si  taten,  der  si  trolden ,  in   ril  höehverten  siten. 
1819,4         si  versuochten%   ein  die  Iliunen  mit  vil  höehverten  siten. 

681,  4  AC  der  künec  mit  geleite  hiex  die  boten  wol  bewarn. 
BDbdJ  der  künec  ltie\  mit  geleite  die  boten  vlixecUche  (herlich  J) 
bewarn.  vlixecUche  kommt  bei  bewarn  nur  hier  vor.  Dagegen  ist  wol 
bewarn  häufig  und  bildet  mit  heixen  öfter  die  zweite  vershälfte:  1030,  3 b 
ich  ltei\  iueh  irol  bewarn.  1626,  21'  ehr.  heix  ich  w.  b.  1646,  2b  hei- 
xen w.  b. 

732,4  A  iwer  hovereise  suln  wir  hohes  muotes  sin.  B*  hdch- 
gemuote.  Für  A:  502.2  da\  wir  an  diser  rerte  hohes  muotes  sin  A, 
in  hohem  muote  B.  835,4  des  wil  ich  hohes  muotes,  sprach  diu 
küneginne,  sin.  höchgemuot  kommt  mit  abhängigem  genetiv  nicht 
weiter  vor,  sonst  mit  einem  abhängigen  substantivum  nur  693,  2  in 
allen  tilgenden  so  rehte  höchgemuot,  im  übrigen  als  epitheton  und  allein- 
stehendes prädikat,  in  dieser  letzteren  weise  wird  auch  hohe  gemuot 
stets  gebraucht. 

736,  4  A  dö  sach  mau  ril  der  recken,  der  dienen  vrouiven 
da  niht  lie.  B*  bi  den  juncvroiven  stän.  Der  blosse  Wortlaut 
ist  hier  nicht  entscheidend.  Ausdrücke  des  vrouwen  dienen  wie  in  A 
sind  bei  verwandten  Schilderungen  nicht  selten,  aber  auch  schlussverse 
mit  man  sach  stau  wie  in  B*  kommen  oft  genug  vor.  Man  muss  auch 
das  sachliche  der  verwandten  Schilderungen  vergleichen.  Am  nächsten 
stehen  546  fgg.  und  besonders  1248fgg.  Da  zeigt  sich,  dass  736,4  A 
keine  widerholung  ist  von  735,  4,  wofür  es  ein  Schreiber  halten  konnte 
oder  ein  flüchtiger  leser  sehr  leicht  halten  kann.  Wie  aufeinander  folgt 
735,  4  die  vrouwen  gerne  dienden,  wa%  der  du  unmüexec  was  und 
736,4  Arfo  sach  man  ril  der  recke?/,  der  dienen  vrouwen  da  niht  lie, 
so  folgen  aufeinander  1.  die  vrouwen  dienen  konden,  die  heten  kleinen 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  23 


346  KETT.XEK 

gemcißk  1248,  4.  2.  den  vrouwen  wart  dd  dienest  mit  grdxem  flixe 
getan  1250,4.  3.  dd  waren  in  die  recken  mit  dienste  vil  bereit  1255,2. 
Bei  1.  führen  die  ritter  die  pferde  der  frauen  an  den  zäumen  (vgl.  538,  3. 
540 ab).  Bei  2.  heben  sie  die  frauen  von  den  pferden  (vgl.  541,3).  Bei 
3.  führen  sie  die  Jungfrauen  zur  begrüssung  heran  (vgl.  547,  2.  3).  So 
besteht  denn  735,  4  der  frauendienst  in  dem  abheben  von  den  pferden, 
wovon  in  v.  2.  3  ausdrücklich  gesprochen  wird;  736,  4  bedeutet  das 
diene//  vrouwen  die  führung  des  beiderseitigen  , herrlichen  gesindes'  zur 
begrüssung,  die  nach  der  begrüssung  der  königinnen  stattfindet  und 
737  erzählt  wird  (vgl.  547).  So  ist  in  A  sachlich  alles  in  Ordnung, 
klarer  ausgedrückt  als  in  B*  (bi  den  junefrouwen  stän)  und  die  dar- 
stellung  entspricht  durchaus  der  in  der  Schilderung  1248fgg.  Was  den 
redactor  B*  zu  seinen  änderungen  bestimmte,  ist  auch  hier  die  Ver- 
meidung der  widerholung.  Er  setzte  ein  736,  3  so  schöne  wart  getan 
statt  so  minneclich  ergie  wegen  736,  1  diu  minneclichen  wip,  ferner 
736,  4  bi  den  juncvrouwen  stän  statt  dienen  vrouwen  wegen  735,  4 
vrouwen  gerne  die/iden.  Bei  diesen  änderungen  haben  reminiscenzen 
eingewirkt,  weshalb  jede  der  beiden  lesarten  sich  durch  parallelen  stützen 
lässt.  Zu  736,  3  A  vgl.  546,2.  548,1";  zu  B*  vgl.  104,4.  Zu  736,4  A 
vgl.  1255,  2  u.  a.;   zu  B*  vgl.  547,  4. 

751,  2  A  von  trumben  und  von  vloiten  der  schal  wart  so  gröx. 
B*  icart  der  schal  so  gröx.  883,  2  von  luden  und  von  hunden  der 
schal  was  so  gröx. 

779,  3.  4  A  dax  drixec  küueges  ivip  ex  möhten  niht  erxiugen  dax 
eine  erxiugte  ir  lip.  B*  dax  tete  Kriemhilde  lip.  Mit  der  schär- 
feren betonung  des  Zahlverhältnisses  entspricht  die  lesart  A  besser  als 
die  lesart  B*  den  steilen,  die  denselben  gegensatz  enthalten:  521,  1 
ob  ich  nu  eine  hete  .  .  .  drixec  lernt.  975,  3  si  habent  /vieler  einen  ie 
wol  drixec  man.  Zweck  der  änderung  in  B*  kann  auch  hier  die  be- 
seitigung  der  widerholung  (erxiugen,  erxiugte)  gewesen  sein. 

788,  4  AD  ex  get  im  waerlich  an  den  lip.  B*  ex  gel  an 
Sifrides  lip.  Der  ausdruck  ex  get  (gienc)  an  den  lip  kommt  nur 
noch  vor  mit  im  395,  3.  1073,  3.   1823,  3  und  iu  allen  402,  4. 

792,  4  Ab  ja  wart  (ex  wurdh)  Sifrit  diu  man.  B*  min  Sifrit. 
Diese  Verbindung  des  possessivs  mit  einem  namen  kommt,  so  viel  ich 
sehe,  trotz  oft  sich  bietender  gelegenheit  sonst  nie  vor. 

798, 4  A     dd  wart  der  Jcüene  Sifrit  harte  balde  dar  besant. 

B*  den  Kriemhilde  rriedel  hie:  man  bringen  sä  xehant. 
.1  Sifrit  den  starken.  Die  antonomasie  für  Siegfried  in  B*  nur  hier. 
min   vriedel  hat  B*  auch  790,  3  statt  Sifrit  A  (J  her  Sifrit).    Zu  v.  4  A 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  347 

vgl.  799,  4.  647,  4;  zu  B*  vgl.  1347,  4.  Die  aufeinanderfolge  von  harte 
balde  dar  besco/t  und  ich  da  here  si  besaut  (799,  4)  gibt  eine  aus- 
reichende erklärung  für  die  änderung  in  B*. 

801,  3.  4  und  wil  dirz  gerillten  .  .  .,  dax  ich  ir\  >/H/t  gesaget 
hän.  B*  t///d  wil  dir  da\  enpfüeren.  enpfüeren  ist  ajta.%  uqr^iivov. 
Zu  A  vgl.  1050,  3  iu  teil  der  künic  rihten,  dax  er  s/n  //iltt  hat  er- 
slagen. 

838,  4b  ACa  bax  ichs  nie  man  eng  an  =  161,  4 b  (A  ich  des). 
BDbJd  wan  ich  es   (sin)   nieman  ba\    engan. 

867,4  ACa  dax  tnot  mir  innerclichen  wc.  SDbBd  an  (in) 
dem  herzen  we  [mi/tem  herxen  J).  Der  ausdruck  an  (in)  dem  herxen 
icc  findet  sich  im  Nib.  nicht,  zu  der  lesart  von  A  vgl.  1101,  4  dax  tet 
ir  innerclichen  we. 

924.2  A  im  ragete  von  den  herten  eine  gerstange  lanc.  B*  von 
dem  herxen.  845,  3  du  viel  im  zwischen  herte  ein  linden  blat  vit 
breit.  Das  die  gerspitze  gen  dem  herxen  sitzt  und  das  blut  von  dem 
herxen  springt,  ist  verständlich.  Ein  phantasieloser  Schreiber  konnte, 
nachdem  er  zweimal  von  herxen  gelesen,  auch  hier  wider  das  wort  an- 
bringen, ein  mit  poetischer  anschauung  schaffender  dichter  konnte  un- 
möglich einen  im  rücken  steckenden  ger  als  von  dem  herzen  empor- 
ragend bezeichnen. 

930,4  A  ir  habet  an  iwern  friunden  leider  übele  getan. 

938,  4  A  ex  enwart  nie  leider  an  liebem  vriunde  getan.  B*  hat 
930,  4  mägen  statt  friunden  und  938,  4  nach  nie  noch  vrowen 
(BDb  auch  manne  statt  vriunde).  Vgl.  noch  724,  4  im  enkunde  an 
liebe)/  friunden  leider  nimmer  gescheiten. 

939,  4  A  sam  muoste  ouch  ersterben  (hs.:  ersterben  oucii)  der 
recke  kilene  unde  gemeit.  B*  dö  mol/te  reden  niht  mere.  2010,  4a 
Häwart  muoste  ersterbe//.  2157,  4  da  von  m/ios  ersterben  dö  der  Gote- 
linde  man  (der  schoenen  G.  man  B*). 

943,  3  A  da\  weinden  edeliu  ivip.  B*  kint.  D  wip.  943, 4  A 
ja  muosten  sin  ei /ketten  vil  g/ioter  wigande  l/'p.  B*  ril  guote  wigande 
si // 1.    D  sit. 

252.3  daz  weinden  niht  diu   ivip :  n/aneges  guotc/i  ritters  lip. 
1648,  3  si  truteu  schoeniu   wip. 

da\   muoste  sit  beweinen  vil  maneger  junevrouwen  lip. 
kint  =  Jungfrau  kommt  in  den  zahlreichen  versen,  die  vom  weinen  der 
trauen  handeln,   nicht  vor  (494,  4  A  allgemein  v/uoter  Jcinf),  nur  wip, 
vrou/ve,  n/eit,  j/otevrouwe. 

23* 


348  kf.ttxf.t; 

948,  4  A     ,ouwe'  sprach  vrou  Kriemhüt,  ,wax  wil  du  solher 

maere  sagen'? 
B*  du  begonde  Kriemhüt  vil  harte  unmaexliche  klagen. 
unmaexliche  klagen  findet  sich  nur  hier.    V.  4  enthält  häufig  eine  kurze 
erwiderungsrede    und    ähnliche    Strophenschlüsse    wie    in    A    begegnen 
öfter : 

784,  4  entriwen,  sprach  dö  Prünhilt,  dax  wil  ich  Gunthcre  sagen. 
2191,  4  ,oa-e,  ir  guote  helde,  wax  het  in  Rüedeger  getan'? 
222G,  4  oive  wie  harte  Hagene  den  helt  dö  rechen  began! 
2268,  4  owe  wie  reht  unsanfte  mir  tot  der  Rüedegeres  tnot! 
Dass  948,4  B*  auch  den  Zusammenhang  durchbricht,  darüber  s.  s.  331. 

955, 1  A     Du  sprach  diu  jämerhafte:  ir  satt  hinegän  und  wecket  usw. 
B*  Dö  sprach  diu  jämerhafte:  ir  kameraer  c,  ir  sult  hin  gdn. 
470,  1         Du  sprach   der  herre  Sifrit:   ir  sult   eil  holde  gdn    and 
bringet  usw. 
966,  2  —  4  A     und  diu  stat  xe  Wormxe  xe  beiden  siten  lüte  erschal 
B*  und  ouch  diu  stat  xe  Wormxe  von   ir  weinen  erschal. 
751,2.3         dax  Wurmex  diu  vil  irite  dar  nach  lüte  erschal. 
Vgl.  s.  332. 

968,  3  A  er  ist  in  disem  hüse  der  ex  hat  getan.  B*  in  dirre 
bürge.     1841,  2  ja  sint  in  disem  hüse  die  viende  min. 

969,4  A     ivold  er  gerne  rechen,  als  im  sin  triwe  dax  gebot. 
B*  wold  er  gerne  rechen,  des  gie  im  waerlichen  not. 
2222,4         dax  räch  der  alte  Hildebrant,  als  im  sin  eilen  dax  gebot. 
Vgl.  s.  332. 

981,  4b  A  dax  waere  bexxer  verldn.  B*  xuo  dem  wuoffe 
gegän.  Derselbe  strophenschluss  wie  in  A  auch  933,  4.  841,  4.  Zu  B* 
vgl.  962,  3  si  liefen  xuo  den  wnofen  [dem  wuoffe  B*).  Der  parallelismus 
in  A  ist  starker  als  der  in  B*,  dessen  lesart  ausserdem  nicht  zu  dem 
glockenklang  und  pfaffensang  passt.    Vgl.  Rieger,  Z.  krit.  d.  N.  s.  82. 

989,  3  A  man  unde  luip:  die  weinden  Sifrides  lip.  Bd  wip, 
man  unde  leint  (Ca  man,  n-ip  unde  leint.  DbJQ,  wip  unde,  Teint): 
die  weinten  Sivriden  sint.  man  unde  wip  auch  556,3.  2193,4; 
wip,  man  unde  leint  nur  hier.  Zu  4  die  weinden  Sifrides  lip  vgl. 
982,  3  klagen  Sifrides  lip.  992,  3.  4  klagte  Sifrides  waetlichen  lip 
(B*  den  sinen   w.  I). 

1017,  4a  A  dö  sprach  diu  vröuden  arme.  B*  dö  sprach  diu 
vrowe  here.  Zu  A  vgl.  972;  1R  Ex  (dö)  sprach  diu  damers  riebe. 
1H20,  4a  dö   sprach   diu  gotes  arme,     vrowe   here    kommt    im    gemein- 


HANDSCHRIFTEN    HKS    NIBELUNGENLIEDES  349 

samen  text  nur  noch  einmal   in  der  anrede  vor  2301,  3.    Sonst  383,  16 
die  vrowen  schoen  /aide  her,  häufiger  in  0*. 

1038,2  A     er  bräkte  sorgen  äne,  die  noch,  bi  leide  sint, 
B*  er  bräkte  sorgende   ü%   dem  laude  sint. 
AB*  den  Jeünec  bi  (mit)  sinen  recken  heim  xe  Niderlant. 
1030, 1         Ir  sult  äne  sorge  got  bevolhen  varn. 
1034.  3  nu  riten    wunden   äne  heim   in   unser  lant. 

Das  adverb  sint  wendet  demnach  im  reim  B  abweichend  von  A 
an:  494,  4.  540,  8.  943,  4.  988,  4.  989,  4,  was  also  auf  eine  besondere 
Vorliebe  für  dieses  wort  schliessen   lässt. 

1103,4  AD  da  wart  ein  liebex  bieten  von  schoenen  vrouwen 
getan.  B*  feinden.  261,  4  du  wart  eil  michel  fitzen  von  seh.  fron- 
wen  getan  =  1593,  4  (wiben  A  .  frouwen  B*).  365,  4  da  wart  von 
schoenen  frouiuen  michel  /reinen  getan.  In  derartigen  schlussversen. 
deren  zahl  ziemlich  gross  ist,  steht  stets  frouwen  oder  wiben ,  nie  feinden. 
Tgl.  zu  943  (B*  leint). 

1108,  1  Aa  Dö  si  des   nahtes   bi   Rüedegere   hie.     B*  des   neüites 
nähen.     1340  Du  si  eines  nahtes  M  dem  künege  lac. 
1152,  1  ADb  Du  sprach  aber  Hagnc:    mir  mac  dax  nieman  gesagen 

(niem.  d.  ges.  Db). 
sol  diu  edel  Kriemhilt  Heichen  kröne  tragen. 
B*  Du  sprach   aber  Hagne:   mir   mar   niemen    widersagen. 
1026,1  Du  sprach    (der)   künic  Sigmunt:    lät   iux    nieman   sagen, 

vor  edlen  minen  mägen  sult  ir  kröne  tragen.    S.  auch  s.  314. 
LJ 59, 3  ADb  si  bäten  minnecUchen   und  trösten  ir  den  muot. 

ob  si  den  künec  genaeme,   dax   waer  ir   waerlichen  guot. 
B*  si  bäten  minnecUchen  troesten  si  ir  muot. 
1  •»l'2,  3  da\   bedenket,  liebia  swesier,  und  froestet  iiveren   muot. 

belibet  hl  den  rrianden:  ex   ivirt  in   waerlichen  guot. 
Vgl.  s.  318. 

1165,  1  A  Oriemhilt  diu  schoene,  oft;  B*  diu  here,  nur  hier 
so,  vgl.  zu  1017,  4. 

1167,  31'  AD  elic  echten  ritler  guot.  B:;:  recken.  C*  ändert. 
Es  steht  edel  im  verein  mit  guot  nur  bei  ritter,  nie  bei  hell,  denen. 
recke,  kneht  (ZfdA.  44,  79). 

1168.1  A     Si  säJien  vor  ir  sitxen   vil  manege  schoene  nie  it. 
B*   Si  säJien  vor  ir  sitxen   eil  manic  schoene  wip. 

1237.2  dö  si  ir  volgen  säihen  so  manege  schoene  meit. 
1168,  2b   diu    vrouwe    vil    gemeit   A,    wofür    B*    der   Kriemhilde    Zip 
hat,  ist  eine  Verbindung,    die   allerdings   nur  hier  vorkommt   (Bartsch, 


350  KETTM  K 

Wtb.  XVI),  doch  wird  das  beiwort  auch  frauen  gegeben:  vgl.  566,  1 
swester  vil  gemeit,  und  Kriemhilde  lip  begegnet  im  gemeinsamen  text 
nur  1061,  2.  Nahm  vielleicht  hier  einmal  B*  anstoss  an  dem  rührenden 
reim  meit :  gemeit ? 

1183,  2.  3  ADb  dax  allzu  diniu  leit  der  h'lnic  Etxel  ivende. 
BdJCa  swende.  Dass  nicht  dieses,  wie  Braune  (s.  49)  meint,  das 
richtige  ist,  sondern  ivende,  beweist  155,  2  ich  sol  iu  helfen  wenden 
elliu  iuriu  leit. 

1290, 2b  ADbg  truogen  riche  Meit.  B*  ir  diu.  (die,  unt)  truogen 
richiu  Meit  auch  278,  3".  386,  3b.  532,  3b  ADb.  1234,  lb.  Vgl.  s.  321 
und  zu  532,  3b.     Geändert  wurde  wegen  riche  v.  1. 

1307,  4  A  alle  die  da  wären  truogen  ir  niive  Meit.  B*  iteniive 
Ideit.  ir  A  bezieht  sich  auf  Kriemhild.  Ebenso  heisst  es  1264  von 
Gotelind:  alle  gaste  trugen  ir  gesteine  oder  ir  herlich  gewant.  Vgl. 
Rieger,  Z.  krit.  d.  N.  s.  79. 

1414,3  A     die  da  varen  sotten  von  Burgonden  laut. 

der  Jiilncc  mit  guotem  willen  dö  vil  manegen  (guoten) 

riter  vant. 
B*  3b  von  Burgonden  dan.     4b  der  vil  manegen  gewan. 
1339,3         dax  man  ir  vriunde  brachte  in  der  Hiunen  laut. 

des  (den)  argen  willen  niemen  an  der  hüneginne  vant. 
260,4  den  die  im  komen  sohlen  in  (xuo)  der  Burgonden  laut. 
491,4  c  die  mit  ir  varn  solden  xe  Burgonden  dan  ^  1414,  3  B. 
Diese  letzte  parallele  mit  der  in  B  ausgefallenen  zusatzstrophe  be- 
stätigt die  änderung  in  B*,  deren  grund  die  beseitigung  der  reimgleich- 
heit  gewesen  ist,  wobei  zugleich  in  4b  der  rhythmus  der  fehlenden 
Senkung  eingeführt  wurde. 

1445,4  AB  sit  wart  von  in  dem  künege  vil  michel  tu  einen  ver- 
nomen, B  benomen.  Als  ursprüngliche  lesart  in  B*  wird  hier  von 
Rieger,  Bartsch,  Hofmann  und  Braune  vil  michel  wünne  benomen 
Jda  angesehen.  Die  entsprechenden  verse  mit  benomen  beziehen  sich 
aber  sämtlich  auf  schmerzliche  empfmdungen  (müede  699,  2,  swaere 
1249,4,  trüren  1751,4),  nur  Jda  hat  1655(1717),  2.  3  der  mir  hat 
benomen  vil  der  minen  wünne.  Allgemeiner  wird  vernomen  ge- 
braucht, so  in  dem  1445,  4  A  sehr  nahestehenden  verse  222,  4  da  wart 
von  edelen  frouwen  michel  vrägen  vernomen.  A  ist  richtig,  wenn  auch 
infolge  der  Verbindung  zweier  eigentümlicherer  konstruktionen  nicht 
ganz  leicht  zu  verstehen,  von  in  bedeutet  „durch  sie"  wie  in  JdC* 
756(813),  12  des  wart  in  manegen  landen  von  ir  jämerä  vil  vernomen. 
dem  hünege   wart    vernomen  bedeutet   „der  könig  vernahm";    zu  mir 


HANDSCHRIFTEN   DES    NIBELUNGENLIEDES  351 

ist    vernomen    „ich    habe    vernommen"    belege    aus   Tristan,    Barlaam, 
Gerhard  im  Mhd.  wtb.  II,  1,  376  und  bei  Lexer. 

1463,2''  A  die  keime  heten  län  manege  schoene  vrouwen.  BdK 
\<  Itüs  si  heten  län.  723,1  Da  keime  si  dö  Hexen  Sifrides  kindelin. 
492,  4a  die  si  da  keime  Hexen  =  1447,  4a.  Der  Zusammenhang  ist  an 
allen  diesen  stellen  derselbe. 

1492,  2  ADb  von  des  heldes  sierke,  diu  was  mickel  unde  gröz. 
B*  ivan  des  h.  st.  uns.  452,  2  von  Sifrides  kreften,  die  wären 
also  gröx. 

1507,3  ADb*  saget  mir,  her  Hagene,  war  ist...?  B  wan 
sagt  ir  mir.  Hagene.  590,  1  Nu  saget  mir,  her  Günther,  ist  .  .  .? 
2247,  1  )iu  saget  mir,  meister  Hildebrant,  irie  .  .  .?  1725,  1  Si  sprach 
an  saget,  her  Hagene,  wer  hat  .  .  .?  Vgl.  zu  150,  4,  auch  zu  838,  4. 
1492,  2. 

1509,  4"  ADb*  des  muox  ich  trüric  gestän  =  135,  4\  B* 
1509,  4h  trürende  stän. 

1518,  3  ADb  wan  der  starke  Hagne — -vil  xornic  was  sin  muot  — 
B*  ican  der  starke  Hagne  vil  xornic  was  gemuot. 
Siehe  zu  593,  3.  4.    Vgl.  auch  oben  1492,  2. 

1537,  3  A Dbg  in  starken  urliugen,  ril  ungefüege  schar: 

der  körnen  Gclpfrdten  wol  siben  hundert   \e  helfe  dar. 
B*  in  starkem   urliuge,   vil  ungefüegiu  her  (ser): 

der  körnen   Gelpfräte  ivol  siben  hundert  oder  vier. 
1278,3  von  kristen  und  von  heiden  manege  wite  schare. 

da  si  die  frouiren  fanden,  si  körnen  herlichen  dare. 
1286,1  Mit   iwelf  hundert  mannen,   die  fuortens  in  ir  schar. 

dö  kom  der  herre  Bloedel  mit  drin  tüsent  dar. 
203,3  drangen  mich  ir  herren   in  die  hertot  schar: 

si  körnen  degenltche  mit  samt  Sifride  dar. 
Vgl.  auch  731,  3  mit  ungefüegen  schäm.  Dagegen  kommt  ungefüegiu 
ser  Hd.Ca  nur  noch  in  Ca  1134,  4.  2072,  3  vor.  ungefüegiu  her  B 
aber  ist  ein  ausdruck,  der  in  keinem  Verhältnis  zu  der  zahl  700 
steht.  So  kann  man  denn  nicht  umhin,  die  lesart  A  als  die  ursprüng- 
liche, wenigstens  als  die  des  archetypus  anzuerkennen;  und  man  kann 
in  den  beiden  anderen  lesarten  nur  emendationsversuche  sehen,  zu 
denen  der  überladene  vers  (hs.  A  n:ol  siben  hundert  dar  xe  helfe  dar) 
aufforderte. 

1596  A     Dö  si  der  maregräve  %uo  im  komen  sach, 

ze  sinen  liehen  gesten  vroeliche  er  dö  sprach. 
B*  Rüedeger  der  stielte  vil  vroelich  er  dö  sprach. 


352  KETTNEB 

1658         Do  si  von  Tronje  Hagene  verrist  riten  sack, 
%uo  den  sinen  herren  gezogenliche  er  sprach. 
Vgl.  auch  398  A.     Rüedeger  der  snelle  kommt  nur  hier  vor. 

1606.2  AJ  Giselher  den  jungen.  B*  G.  den  rechen.  Dieses 
beiwort  ist  bei  Giselher  ganz  ungewöhnlich:  das  einfache  Giselher  der 
reche  findet  sich  nie,  nur  1149,  2  der  recke  eil  gemeit.  Der  redactor 
B*  wird  geändert  haben  wegen  Diu  junge  maregravinne  v.  1. 

1674,  4  Ab  in  (dien  holden  willen  trnoc.  B:!:  guoten.  Die 
pbrase  findet  sich  noch:  355,  4  der.  si  in  holden  w.  t.  =  1001,  4  (im). 
1609,  4  dem  wirte  holden  w.  t. 

1678, 3  ADb  ich  wesse  iueh  wol  sä  riche,    ob  ich   mich  ha:,   kdn 

verstau, 
den  ich  in  ininer  gäbe  her  %e  binde  niht  gefüeret  hdn. 
BdJCa  ich  icaere  wol  st  riche,  het  ich  mich  ba\    verddht, 
da:   ieli  in  mine  gäbe  her   te  lande  hete  bräht. 
1163,3.4        er  weste  sich  so  /eise,  ob  e%   immer  künde  ergän, 
dax   si  sich  den  rechen   überreden  müese  län. 

1709.3  ich  weix  in  so  übermüden  {gemuoten  Lachm.),   dax  er 

mir  lougent  niht. 

2300.3  ich  weix  iueh,   küneginne,   so  zornic  gemuot,  dax  ir  .  .  . 
1120,1''  als  ich  mich  han  verstau.  —  Für  B*: 

1681,1.2  Do  sprach  diu  küneginne:    ich   In'ins   ouch   wol  gedäht. 
ir  habet  mirs  noch  eil  wenic  her  xe  lande  bräht. 
Der  den  Wortlaut   und  den   bau  beider  verse  umfassende   parallelismus 
in  A  wiegt  viel  schwerer   als  der  in  BdJCa,   der  nur   auf  gedäht   und 
habet  bräht  beruht.    Vgl.  zu  der  stelle  s.  313  fg. 

1681.4  A     des  hdn  iclt  xit  vil  s icaere  und  manegen  trürigen  tac. 
B*  des  hdn  ich  alle  xite  vil  manigen  trürigen  tac. 

998,4         si  heten  naht  vil  arge  und  vil  müelichen  tac. 

1684,  lb  A  filrsten  tohter  milt,  dieselbe  anrede  399, 2 \  B*  fürsten 
wine  milt.  Tgl.  auch  548,  3  die  künege  tohtre  rieh  als  bezeichnung 
Brunhilds  und  Kriemhilds.  Von  den  zwei  übrigen  stellen,  wo  nach 
Braune  (s.  112  anm.)  A  wine  entfernt  hat,  ist  640,  4  in  B*  zurecht- 
gemacht für  die  einfügung  von  640a;  bei  841  dagegen  ist  die  lesart  A 
schwerlich  die  ursprüngliche  und  wird   wine  im  urtext  gestanden  haben. 

1685,  4b  ACa  ich  riet  im  immer  sinen  tot,  b  ich  wolt  im 
raten  den  tot.  DBdJ  er  müese  kiesen  den  tot.  Die  ganze  Strophe 
stimmt  auffallend  überein  mit  953,  besonders  v.  4,  am  stärksten  in  der 
fassung  ACa.  Auf  die  altertümlichkeit  des  ausdrucks  den  töl  hiesen 
ist  wenig  gewicht  zu   legen,   und   nichts  nötigt  zu   der  annähme,    dass 


ham»'  hkh-tkx  des  kibelungekliedes  353 

aus  diesem  gründe  ihn  der  bearbeiter  C*  hier  und  an  zwei  anderen 
stellen  entfernt  habe.  Gebraucht  ihn  doch  auch  Wolfram  und  sogar 
noch  jüngere  dichter,  wie  der  Stricker  und  Rudolf  von  Ems:  siehe  Mhd. 
wb.  I,  824.  825  unter  kiuse  und  erkiuse. 

1776,4  A  als  ich  mich  versinne,  si  wellent  uns  besten.  B*  als 
ich  mich  versinne,  ich  waen,  si  wellent  uns  besten.  Wie  in  A  so 
auch  1712,  4  als  ich  mich  versinne,  si  sint  eil  wrnic  gemuot,  die 
einzige  stelle,  wo  die  wendung  als  ich  m.  v.  noch  begegnet.  Das  über- 
flüssige ich  waen  ist,  wie  leicht  ersichtlich,  zugesetzt,  um  den  drei- 
hebigen  schluss  des  archetypus  zu  berichtigen. 

1838,  2  A  die  rede  lat  beliben,  hüneginne  rieh.  B*  die  bete  lä 
beliben.  17,  1  Die  reih'  tot  beliben,  sprach,  si,  vrouwe  min.  611,  1 
Die  rede  si  lie  beliben.     bete  mit  beliben  hin  nur  hier  B*. 

1899,1.3  A  Er  sluoc  dem(e)  meixogen  einen  swinden  swertes  sine 
B*  Dar  nach  sluog  er  <hm  magexogen  einen  swinden  slac. 
1864,1.  2  Do  sluog  er  Bioedel  ine  einen  swinden  swertes  slac, 
beidemal  in  Verbindung  mit  da-,  im  da:  houbet  schiere  .  .  .  lac.  In  B* 
ist  die  bei  derartigen  kampfesph rasen  beliebte  alliteration  abgeschwächt. 
Ebenso  2147,  3  durch  die  vesten  ringe  rast  un\  üf  da%  roch,  wo  B* 
das  gewöhnliche  beiwort  lichten  einsetzt. 

1932)4  A     ouch  gie  mit  Dietriche  vil  manic  waetlicher  man. 

B*   auch  gie  mit  Dietriche  sehs  hundert  waetlicher  man. 
745,4         dö  gie  mit  im  xe  sedelc  vil  manic  waetlicher  man. 
Vgl.  auch  607,  4  u.  ö.    In  ähnlicher  Unbestimmtheit  werden  die  mannen 
Dietrichs  eingeführt  1657,  2  dö  reif  mit  Dietriche  vil  manic  degen  starc. 
Die  parallelen  zu  1932,  4  B*  sind  minder  genau:  218.  553.  1095.   1227. 
Entscheidend  ist  die  mit  dieser  stelle  zusammengehörige  Variante: 

1935,3.  4  A  dax  was  von  den  herren  durch  triuwe  getan. 
da  von  der  künic  Grunther  sit  gröxen  schaden  gewan.  B*  der  von 
Bechelären,  rriuni  und  siner  man,  von  den  usw.  Zu  v.  3  A 
vgl.  304,  4  der  dienest  wart  dem  recken  durch  gröze  liebe  getan.  544,4 
dax  wart  durch  liebe  (xuht  B*)  getan.  1125,4  da%  /ras  durch  groxe 
mht  getan.  Zu  v.  4  A  vgl.  1501,4  da  von  der  Elsen  verge  den  gröxen 
schaden  gewan. 

Die  beiden  stellen  zeigen  deutlich,  wie  der  redactor  B*  von  dem 
schon  bei  den  mehrstrophen  beobachteten  streben  nach  sachlicher  Voll- 
ständigkeit und  deutlichkeit  geleitet  wurde.  Dass  die  ritter,  welche 
Dietrich  und  Rüdeger  folgten,  auch  wirklich  ihre  mannen  waren,  machte 
er  an  beiden  stellen,  1932  sowol  wie  1935,  bemerklich:  er  setzte  1935 
ein  der  von  Bechelären  usw.  und   gab   die  Dietrich   folgenden  auf  600 


354  KETTNER 

an,  denn  so  viel  recken  hatte  Dietrich  nach  1811.  Zugleich  beseitigte 
er  das  in  seiner  beziehung  (auf  die  drei  könige)  nicht  recht  klare  von 
den  herren.  Dass  A  an  beiden  stellen,  also  planraässig,  den  Sachverhalt 
verdunkelt  haben  sollte,  ist  ganz  undenkbar. 

1936.3  dem  gap  der  videlaere  einen  sölhen  slac, 

4  A  da;   im  da:   houbet  schiere  vor  Ezeln  füezen  gelac. 
B  da:  im  vor  Eceln  füezen  daz  houbet  schiere  gelac. 
1864,1.2  dax  im  da;   houbet  schiere  rcjr  den  füezen   lac. 
1899,  1.  3  dax  im  dax  houbet  schiere  vor  tisehe  nider  lue. 

1997,  4b  A  Hagne  der  vil  küene  man.  B*  der  mortgrim- 
mige  man,  nur  hier.     Hagne  der  küene  man   1714,  lb. 

2016,3  A.J.Ca  dö  stuont  noch  vordem  Jtdse  der  käenc  spilman  — 
2057,  2  ()ioch  stuont).  DbBd  turne.  Vgl.  auch  1956,  1  Do  stuonden 
vor  dem  hüse  manic  tüsent  man.     Siehe  s.  330. 

2055. 4  A.    ich  waen  so  grozer  jämer  j  an  helden  immer  mer  erge. 
B*  ich   waen  der  jämer  immer /  mer  an  helden  erge. 

2122,4        ich  ivaen  so  riche  gäbe  J  ein  recke  nimmer  mer  getuot. 
Vgl  noch  617,  4.  922,  4.  34,  4.  1272,  4.    Zu  B*  vgl.  2067,  4  B*     Die 
ungewöhnliche  Wortstellung  in  B*  ist  durch  das  streben  nach  dem  be- 
kannten rhythnius  entstanden. 

2106.1A     Gewäffent  wart  dö  Küedeger  mit  fünfhundert  man: 
dar  über  x/welf  rechen,  sach   man    mit   im  gän. 
B*  dar  über  zwelf  rechen   ce  helfe   er  dö  gewan. 
1744,  1         Dö  sach  man   mit  den  künegen  hin    :e  hove  gän 
ir  edden  Ingesindes  tüsent  küener  man, 
dar  über  sehzic  rechen.     Vgl.  noch  283,  1.  581,  4  u.  a.  ze 
helfe  gewan,  eine  sonst  ganz  gebräuchliche  phrase,  ist  dem  Nib.  fremd. 
2136,  4  A  so  sol  dax  got  gebieten.     B*  got  sol  daz  gebiete)/. 
2033,  2  so  sol  in  got  gebieten.    Änderte  B*  wegen  2137,  1  So  ive  usw.? 
2149,  3 b  A  des  reis  ir  schiltsteine  nider  in  da\   bluot  =  2236,  3 b. 
B*  verhouwen   in   daz  pluot,   kommt  nur  hier  in  einer  solchen  Ver- 
bindung vor. 

2245,  2a  AD   niivan    die   zierne    aleine.      b   niwan  die   xuenc. 
B*  niwan  die  einen    twene.     1698,  2a  niivan  si   x,wene  aleine. 
2251, 2  A     den   muox    ich    immer  hingen   (weinen?) :  des  g§t 

mir  grö  \  in    not. 
B*  da  \   mno\    mir  sin   ein  jämer  vor  aller  miner  not. 
1638,4        den   mao:    ich  immer  weinen: des  gät  mir  armer  (armem 

wibe  B*)  not. 
574,4         dax  muoz  ich  immer  /reinen. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELUNGENLIEDES  355 

Der  versschluss  aller  miner  not  kommt  zwar  auch  sonst  vor,  aber  die 
ganze  wendung,  die  B*  hat,  steht  hier  im  Nib.  vereinzelt.  Grund  der 
änderung  war  vielleicht  die  nähe  des  der  lesart  A  ganz  ähnlichen  verses 
2252,  2. 

2309,  4  A  an  dem  mir  herzen  leide  vor  allem  leide  geschach. 
B*  von  iuwern  schulden  geschach.  958,2.  3  der  ist  ein  leit  getan, 
da%  ir  vor  allen  leiden  an  ir  herze  gut. 

b)   Stärkerer   parallelismus    in   B*. 
6,  3a  B*   mit    lobelichen    eren  =  43,  la.     A  mit   stolzlichen 
eren.    Doch  vgl.  zu  in  diende  vil  stolziu  riter schaf t  m.  st.  e.    1523,2.3 
deheinen  zagen,  der  aus  entrinnen  welle  durch  zegeliche  not. 

93,  2  B*  hundert  kanzwägene  ex  möhten  niht  getragen.  A  ex, 
heten  niht  getragen.  Wie  B*  die  anderen  formein  dieser  art:  1062,2 
swax  xicelf  kanxwegene  meist  mohten  tragen.  1211,  3  ex  enkunden 
hundert  moere  (B.  miule  A)  dannen  niht  getragen.     313,  2. 

104,  2  B*  dax  in  an  ir  vühten  vil  wenic  iht  gebrast  :  gast. 
A  vil  lüxel  ie  gebrast,  vil  lütxel  gebrast  J.  1257.4  dax  in  du  wenic 
iht  gebrast :  gast. 

115. 1  B*  Mit  grimmigem  muote  j da  stuonden  [die  b.TC]  friwende 
sin.  A  mit  grimm egem  muote  stuonden  /  da  die  friunde  sin.  Der 
halbvers  mit  grimmigem  (grimmen)  muote  auch  417,  2a.  1502,  la. 
1866,  4a. 

127. 2  B*  man  suohte  herberge  die  besten  die  man  rauf. 
A    die  besten  herberge  man  suohte  die  man   vant. 

708,  3  vrouiven  Kleider  suochen  diu  beste?/  diu  mau  vant.  728,  2 
suochen  guotiu  kleider  diu  besten  diu  man  vant.  Und  so  steht  die 
formel  noch  an  vielen  anderen  stellen,  nur  durch  das  zu  beste  gehörende 
Substantiv  werden  zuweilen  ihre  beiden  teile  getrennt. 

216,  4b  B*  des  küenen  Sifrides  hant.  A  diu  Sifrides  haut. 
Der  halbvers  A  ist  ziemlich  häufig,  als  strophenschluss  aber  findet  sieh 
sonst  nur  der  halbvers  B*:   93,  4.  226,  4.  238,  4;   vgl.  432,  4  (starken). 

227,  3.  4  B;::  dax  ist  (uns  ADb)  gar  ein  ivint  unx  eine  an 
Sivriden.  A  /van  aleine  Sifrit.  1312,  1.  2  dax  uns  gar  ein  ivint 
unx  an  Dietrichen. 

240,  3  B*  der  waetliche  recke,  Sifrit  der  junge  man.  A  Sifrit 
der  junge,  der  waetliche  man.  Sifrit  der  junge  kommt  sonst  nicht 
vor,  dagegen  S.  der  junge  man  auch  40,  1  \  65,  lb.  Aus  demselben 
gründe  erklärt  sich  auch  Braune  für  diese  lesart  B*  (s.  108).  Allerdings 
ist  der  waetliche.  recke  nie  apposition   zu  einem  namen  und  findet  sich 


356  KKTI  M  l: 

überhaupt  nur  noch  547,  3  von  waetlichen  recken.  Dagegen  wird  der 
waetliche  man  häufig  wie  hier  gebraucht,  so  43, 4  Sifrit,  der  vilwaet- 
liche  man.  410.  1  Sifrit,  der  waetliche  man.  513,  4  Giselher,  d.  v. 
w.  m.  usw. 

257, 4b  B*  so  waer  ex  nimmer  getan.    A  sdne  waer  e:  niht  getan. 
1499,  4  da:    wirdet  nimmer  getan.     2042,  4  ex   wirdet  nimmer  getan. 
302,  3  B*  w/7  rehten  triwen  —  1224, 2.    A  in  guoten  triuwen. 
Ebenso  .">24,  4  B*  mit  rchteu  triwen.     A   mit  guoten  triuwen. 

305,  1  B*  vil  groexltchen  schal,  wie  noch  öfter  (zu  246  ab- 
schnitt a).  A  iiiul  m  ich  eleu  schal,  vereinzelt.  Doch  könnte  auch  hier 
und  an  mehreren  anderen  stellen  groexltchen  zur  Vermeidung  der  be- 
tonung  michelen  eingesetzt  sein:  vgl.  zu  307,  4  absclm.  a. 

309,  41'  B*  des  hän  ich  willigen  muot.  A  vesten  muot.  Das 
erstere  auch  1366,  2b,  das  andere  nur  hier. 

313,  4a  dö  sprach  der  starke  Sifrit,  wie  321,  la  u.  ö.  A  dd 
sprach   Sifrit  nur  hier. 

330,  1.  3  B*  sprach  dö  Hagene:  ir  bitet  Sifride  mit  in  ,\e  treujene 
die  eil  starke)/  swaere.  A  reise.  2137,  1.  2  sprach,  aber  (so  sprach 
ah  A)  Hagene:  wir  heten  ander  swaere  so  vil  xc  tragene.  Völlig  ge- 
sichert ist  damit  freilich  die  lesart  B*  nicht,  denn  diejenige  stelle,  an 
die  sich  3.30,  2.  3  am  engsten  anschliesst,  verlangt  ein  objekt  bestimm- 
teren inhalts:  2279.  1.  2  got  weix,  her  Hagene,  der  iu  den  rride  Mutet 
mit   in    \e  tragene. 

330,  AB'"  sit  im  dax  ist  kündec,  wie%   umb  Prünhilde  stät. 

A    sit  ime  da:   ist  kündec,  wie  e\   umb  die  frouwen  stät. 
65,  I        ich   tri!  da:  gerne  sehen   (sehen  gerne),   wie%    umbe  Kriem- 

hilde  stät. 
333, 2 B*  und  kumet  diu  schoene  Prünhilt  //er  in  dif-.e  lant. 

A    und  Inimet  diu  schoene   Prünhilt  in  da  :   lant. 
562,2       swenne  da:   vrou  Prünhilt  koeme  in  dixe  lant. 
Der  vers   in  A  wird   zwar  leidlich   correct,   wenn    man   mit   Lachmann 
die  cäsur  hinter  schoene  annimmt,   dem  widerstreitet   aber  die  parallel- 
stelle und  auch   die  sonst  so   häufige  Setzung  der  namen  Prünhilt  und 
Kriemhilt  vor  die  cäsur. 

333, 4  B;:  su  mahtn   mit  der  schoenen   immer  vroeliche  leben. 

A    so   mahtn   mit  ir  immer  vroeliche  leben. 
075,4       ja  mac  si  mit  dem  recken  immer  vroelicite  leben. 
339,4  B*  uns  endurfen  ander  tüsint  mit  strite  nimmer  bestän. 

A    tüsent  man  mit  strite  geturren  nimmer  uns  bestän. 
117,4       jan  durften  mich  diu    \irelrc  mit  strite  nimmer  bestän. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELT7NGENLIEDES  357 

Dieser  für  B*  sprechende  parallelismus  wiegt  schwerer  als  die  für 
A  günstigen  stellen  1738,  4  so  entar  unsere  herren  mit  strite  nieman 
[uvl  B]  bestän.     815,  4  so  torst  in  nieman  bestan. 

[Von  zweifelhaftem  wert  und  nicht  mitzuzählen  ist  340, 4zhB*daz 
soltu  G initiiere  sagen.  A  Sifrit,  dax  solt  du  mir  sagen.  Hier 
lässt  sich  zwar  für  B*  anführen  1213,  4b  dax  sol  man  Kvicmhilde  sagen. 
aber  auch  für  A  225,  3b  dax  solt  du  mir  sagen.  Auch  in  den  Zusätzen 
von  B*  nennt  so  der  redende  sich  selbst  am  schluss  348,  12  dax  icaere 
Kricmltilde  leit ,  woraus  man  wol  auf  eine  verliebe  für  diese  ausdrucks- 
weise schliessen  könnte.  Bei  der  mehrzahl  der  abweichenden  lesarten 
dürfte  man  indes  mehr  geneigt  sein,  den  narnen  für  älter  als  das  pro- 
nomen  oder  appellativum   zu   halten.    Vgl.  Bartsch,  Unters.  295  —  301.] 

353,  2  B*  unt  von  Zaxamanc  der  guoten,  grüen  alsam  d<v 
kW.  A  und  von  Zaxamanc  der  grüenen  so  der  kle.  Vgl.  353,  lb  wtx 
also  der  sne.  356,  3b  sivarx  alsam  ein  hol.  388,  3b  gr/lene  alsam 
ein  gras. 

[368,  2  B*  von  stach  begunde  seliieben  der  kreftige  man. 

A  von  stade  er  schieben  raste  heg  an.  —  der  kreftige 
man  ist  ein  häufiger  versschluss  (121,  1.  214,  2.  431,  3  usw.),  der 
sich  bei  der  aus  metrischen  gründen  erfolgten  änderung  in  B*  (s.  331) 
leicht  einstellte.] 

376,  3b.  4  B*  da  von  in  wol  gescach,  dö  der  künic  Günther  die 
scoenen  Prünhilde  sach.  A  4  do  der  künic  Gxnthev  Prünhilde  sach. 
322,  3b.  4  da  von  dax  geschach,  dax  er  nu  tegeliche  die  schoenen  Kriem- 
hilde  sach. 

377,  4  B*  dax  er  ir  niJ/t  evkande,  dax  ivas  Gunthere  leit. 

A     dax  er  si  niht  erkande,  dax  was  im   iva erliehe  leit. 
81,  4         <la\   im  dax  sagte  nieman,  dax  was   Gunthere  leit. 

390,4  B*  dö  begunde  im  Sifrit  da  von  diu  rehten  maere 
sagen.  A  dö  begunde  Sifrit  den  hovesite  sagen,  hovesite  ist  nicht  nur 
lira'i  EiQmdvov  sondern  der  ausdruck  diu  rehten  maere  sagen  begegnet 
auch  515,  3.  1803,2.  2253,  1,  mit  dieser  stelle  zu  vergleichen  ist  be- 
sonders 2253,  1  Muget  ir  mir,  meister  Ilihh  bvant,  diu  rehten  maere 
sagen.  An  sich  würde  das  wort  hovesite  dem  Nib.  nicht  fremdartig 
sein,  da  doch  auch  hovegesinde,  hoveveise,  hovevart  und  namentlich 
hovemaere  vorkommen. 

410,  2  B"';:  e  ix  /'einen  erfände.  A  eitd  c\  ieman  ivesse.  819,3 
e  ieman  dax  evfuude. 

418,  2a  B:::  einen  ger  vil  scharpfen.  A  einen  vi/  scharpfen 
gev.     1997,  2  einen  gir  vil  starken. 


358  KETTNEK 

433, 4  B*  ex  enhaete  der  künic  Günther  triwen  nimmer  getan. 
A    e%  enhete  nimmer  der  künic  Günther  getan. 
2233,4        ex  enhet  an  einen  recken  zwäre  niemen  getan. 

450,  4  B*  der.  ir  mich  habet  gesendet,  dax  sult  ir  Prünhilde 
sagen.  A  sult  ir  der  küneginne  sagen.  1213,  4  in  wil  behalten 
Hagne,  daz  sol  man  Kriemhilde  sagen.  Vgl.  auch  1416,  4  dax  er  xen 
Hiunen  irolte,  dax  hiex  er  Gunthere  sagen. 

474,  1  B*  Wol  drixec  hundert  recken  die  wären  schiere  körnen: 
üz  den  wurden  tüsent  der  lösten  dd  genomen.  A  tüsent.  Am  nächsten 
steht  642,  3  A  ä  \  (B!;  von)  drizec  hundert  recken  nim  (B*  wir  geben) 
dir  tüsent  man.  Aber  auch  hier  hat  Db.J  tüsent,  offenbar  eine  zu- 
fällige Übereinstimmung  in  der  änderung  (Braune  s.  68),  zugleich  aber 
ein  beweis,  wie  leicht  ein  Schreiber  die  eine  zahl  für  die  andere  ein- 
setzen konnte,  zumal  da  das  Verhältnis  30  000:1000  degen  auch  159 
vorkommt.  Zur  lesart  A  vgl.  338,  4  drixec  tüsent  degne  die  waeren 
(B  werdent)  schiere  besaut,  eine  parallele,  die  jedoch  nicht  so  gewichtig 
ist  wie  642,  3. 

485,  4B*  ex  ums  ir  ivaerliche  leit.  A  ex  was  ir  swaere  unde 
leit.  Diese  Verbindung  findet  sich  nur  hier.  In  der  übertragenen  be- 
deutung  ist  das  substantivum  swaere  dem  gemeinsamen  text  eigen,  das 
adjektivum  oder  adverbium  nur  A:  1681,  4.  1701,  3.  Doch  ist  dies, 
wie  es  nach  Bartsch,  Unters,  s.  259  scheinen  könnte,  nicht  ein  jüngerer 
gebrauch,  vgl.  dax  ist  (wirt)  mir  swaer  Yeldeke,  MSF.  62, 14.  ßol.  64, 18. 
50,12.  sin  gemuote  ivas  im  swaere  Kschr.  337,  1(10996).  Rud.  24,20. 
501,2  B*  dax  er  heize  sidelen  xe  {cor  Dd)  Worrncx  an  den  Bin. 

A    dax  er  heize  rillten  sidel  an  den  Ein. 
260,  3        die  wile  hiex  er  sidelen  vor  Wormez  an  den  saut. 
Hier  ist  der  parallelismus  in  B*  stärker  als  der  in  A  mit  651,2  dö  hie: 
si  gesidele  rillten  sä  xehant.     Die   phrase  noch  718,  4.  559,  1  (526,  7. 
1445,  2  B*). 

[526,  3  B*  wie  rehte  minnecUchen  er  von  der  vrowen  schief. 
A  anders  minneclichen.  wie  rehte  m.  auch  630,  1.  1443,  2.  Doch 
siehe  zu  292  abschn.  a.  Der  sinn  ist  in  A:  er  wurde  zwar  nicht  ge- 
küsst,  aber  sonst  sehr  freundlich  verabschiedet.  Dieser  klare  Zusammen- 
hang zwischen  v.  2  und  3  ist  in  B*  aufgehoben.  Einen  ähnlichen  gegen- 
satz  haben  wir  in  520:  ich  möchte  euch  gern  beschenken,  doch  das 
passt  sich  nicht,  ich  will  euch  sunst  hold  sein.] 

591,  2  B*  durch  iwer  sc  liier  tagende.  A  durch  iicer  fugende. 
1469,  2  durch  iuiver  selbes  lugende.     2127,  2.  1427,  2. 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELTFNGENLIEDES  359 

598, 2B*  wol  wesse  wa%  im  waere  der  edel  ritter  guot.  A  wax 
im  ivürre  der  riter  edel  guot.  807,  1  Er  wägte  wax  ir  waere  (doch 
auch  363,  3  dax  im  iht  werre).  edel  ritter  guot  das  gewöhnliche,  ritter 
edel  guot  nur  hier  A. 

614,  4  B*  sit  gel  et  diu  vrowe  dem  küenen  Sifride  we. 
A  oder  iu  geschüttt  von  minen  handen  we.  624,  4  ir  tüteu  sine  krefte 
harte  groexlichen  we.  466,  4  xuht  des  jungen  heldes  (diu)  tet  Albricke 
we.     Doch  siehe  s.  329. 

633,  1  B*  Diu  hdchxit  diu  (du)  werte  un\  an  den  viercehenden 
tue.  A  fehlt  nn\  an.  Für  B*:  756,  4  uu\  an  den  einliften  tac,  und 
su  auch  41,  1  (sibenden).  1276,  1  (vierden).  Der  dreisilbige  oder  (mit 
elision  vor  der  cäsur)  zweisilbige  auftakt  in  der  zweiten  vershälfte  ist 
jedoch  in  B*  äusserst  selten:  vgl.  Bartsch,  Unt.  s.  124.  Die  in  der 
kleinen  ausgäbe  angegebene  betonung  un\  an  den  vierxehenden  ist  nicht 
wol  anzunehmen. 

797,  4  B*  dax  diene  ich  immer  umbe  dich  =  159,  4.     A  ich 
minne  niemer  dich. 
800,  3  B*  du  habes  dich  des  gerüemet,  dax    du  ir  schoeneu  lip 

airer  st  habes  geminnet,  dax  seit  (fron)  Kriemhilt  diu  tri]). 
Do  sprach  der  herre  (starke)  Sifrit:  und  hat  si  dax  gesell. 

A    du  hast  dielt  gerüemet,  du  ivaerst  ir  erster  man. 
so  seit  din  tvip  Kriemhilt:  hdstu,  degen,  dax  getan? 
Nein  ich,  sprach  cid  Sifrit.     und  hat  si  dax  gesell. 
In    B*  wird   800,  3.  4a  bezug  genommen   auf   783,  2b.  3a  [den]  (litten 
schoenen  lip  minnete  erste  Sifrit,  in  A  auf  792,  4  ja  wart  Sifrit  diu 
matt.     Die  einfügung   der  rede    801,  lb  B*  ist   die   gewöhnliche  form; 
eine  form,  wie  sie  A  hat,  findet  sich  ähnlich  816,  1  Nein  er,  sprach 
du  Hagne,  wo  C*  nein  ich  hat.    Der  parallelismus  in  B*  ist  hier  stärker 
als  der  in  A,  doch  fragt  es  sich,  ob  nicht  dessen  schroffere  ausdrucks- 
weise dennoch  die  ursprünglichere  ist. 

820,  4  B*  von  lüge  erwuohsen  frouwen  diu  aller  groezesten 
leit.  A  von  lüge  wuohs  den  frouwen  groxer  jämer  unde  leit. 
820,  4 b  B*  =  1762,  4b.  Zu  A:  funser]  sorge  unde  funser]  leit 
934,  2 b  A  (B). 

909,  1  B*  Do  sprach  der  herre  Sifrit.  A  Do  sprach  der  Nider- 
le n  de,  eine  einfügungsform,  die  sich  sonst  nicht  findet,  überhaupt  ist 
der  Niderlende  ana'%  uqr^dvov ,  wenn  auch  an  sich  diese  art  der  antono- 
masie  dem  Nib.  nicht  fremd  ist:  vgl.  der  Bernaere  (Dietrich)  1840,  1. 
2249,1,  der  Truttjaere  (Hagen)  1500,4.  1513,4,  der  TeneUnder  (Iring) 
1982,  4. 


360  KETTNER 

927,  4  B*  des  gie  im  waerliche  not,  die  gewöhnliche  formel 
statt  A  des  tivanc  in  ehaftiu  not,  das  nur  hier  im  Nib.  vorkommt; 
des  hvanc  in  gröxiu  not  929,  3. 

932,  4  B*  dax  het  wol  verdienet  der  ritter  küen  unt  gemeit. 
A  daz  hete  mich  wol  verdienet  umbe  alle  Hute  der  hell  gemeit. 
fielt  gemeit  findet  sich  öfter  (meist  im  plural,  zuweilen  auch  im  singular: 
1302,  2.  1952,  1),  aber  nicht  als  strophenschluss,  wozu  der  (ein)  ritter 
küen   und  gemeit  mehrfach  verwendet  wird. 

961,  2  B*  hoeren  klagen  oft.     A  verneinen  Idagen  nur  hier. 

969,  3  B*  Sigemund  der  herre  686,4  u.  ö.    A  der  riche  nur  hier. 

970,  4  B*  dax  was  ir  groexliche  leit.  A  ir  ander  herxeleit. 
Siehe  s.  332. 

973,  4  B*  dax  tvas  ir  waerlichen  leit.  A  dax  dö  ir  herze 
vol  durchsneit.     Ebenda. 

983,  4  B*  dax  wolde  got,  sprach  Kriemhilt.  A  ei  wolde 
got  der  wäre.  Letztere  formel  nur  hier,  dagegen  1110,  1  Dax  wolde 
got,  sprach   Gotelint  und  so  öfter. 

1014,  3b.  4  Bd. Ca  ich  wil  iu  waege  sin  durch  mines  sunes 
liebe  :  des  sult  ir  äne  xivivel  sin  {gar  an  angest  sin  Ca).  Db  4b 
und  durch  des  edelen  kincles  din.  A  ich  tuon  iu  triwen  sei/  in 
durch  iivers  mannes  liebe  und  durch  des  edelen  leindes  sin.  Zu  3b 
BdJCa  vgl.  523,  4  er  welle  im  immer  waege  sin.  2053,  4  ich  sol  im 
immer  ivaege  sin,  während  eine  der  lesart  A  entsprechende  wendung 
sich  nicht  findet,  nur  dax  tet  er  groexUclien  schin  (adj.),  dax  täten  si 
wol  schin  kommt  vor.  Die  formel  des  sult  ir  äne  xivivel  sin  begegnet 
noch  einmal  und  zwar  auch  als  schluss  2142,  4  (in  anderer  wendung 
und  an  anderer  stelle  noch  öfter).  Doch  ist  der  widerholte  gebrauch 
solcher  leicht  sich  einstellenden,  zur  versfüllung  besonders  geeigneter 
formein  kaum  als  ein  beweis  für  Originalität  zu  betrachten,  wie  denn 
auch  C*  des  sult  ir  äne  xivivel  sin  143,  4b  und  1392,  4b  einsetzt,  an 
ersterer  stelle  statt  dax  ivizxet  üf  die  triive  min  B*,  was  widerum  J 
1014,  4b  einsetzt.    Vgl.  zu  der  stelle  s.  320. 

1076,  4  B*  und  tet  vil  ivillecliche  dax.  A  schedeliche.  Die 
wendung  in  B*  ist  nicht  selten,  die  in  A  vereinzelt. 

1091,  4  B*  so  hästu  minen  willen  so  rehte  verre  getan. 

A     und  hast  ouch  minen  ivillen  so  rehte  verre  getan. 
566,  4         so  hästu  minen,  ivillen  mit  grdxen  triu/wen  getan. 

1211,  3  B*  ex  enkunden  hundert  moere  dannen  niht  getragen. 
A    miule.     313,2  sivax  fünfhundert  moere  goldes  mügen  I  ragen. 


Handschriften  des  Nibelungenliedes  361 

1403,  4  B*  und  lazet  die  getürren  xuo  miner  sivester  mit  uns 
varn.  A  die  getürstigen.  1404,  3  der  getürre  riten  mit  in  %e 
hove  baz. 

1433,  2b.  3a  BdJK  vroelich  (mit  freuden)  si  du  dan  fuoren  unx 
in  (in  xe)  Swäbe)t.  ADb  vroelich  (fehlt  Db)  als  ich  iu  gesagen  kan 
.si  fuoren  un\  in  Swäben.  Die  formel  in  ADb  ist  singulär,  zur  lesart 
BdJK  vgl.  1462,4  si  fuoren  rroeliehe  dan.  165,4.  634,4.  Siehe  auch 
s.  315. 

1441,  4 b  B*  VolMr  der  küene  spileman  wie  1829,  4b.  küene 
fehlt  A. 

1442,  4b  B*  des  stät  mir  holte  der  muot.  A  des  stät  höhe  mir 
der  muot.     163,  4  des  stuont  in  höhe  der  muot. 

1524,  3  bBdH  einen  helt  xe  sinen  handen.  ALg  zuo  sinen 
banden  einen  helt.     1728,  3  den  helt  xe  sinen  handen. 

1544,  4  B*  ich  hete  von  sinen  handen  vil  nach  geivunnen  den 
tot.  Anäch  den  grimmigen  tot.  588,  4  ja  het  er  von  ir  krefte  [vil] 
nach  geivuuuoi  den  tot.     Zu  A  vgl.  1494,  4.  460,  1.  2  ADb. 

1581,  4  B*  im  was  in  manegen  zitoi  niht  so  lieber  meiere 
liomen.  A  in  langen  titen.  519,  4  si  hete  in  manegen  ziten  so  lieber 
maere  niht  vemomen. 

1586,  4  B*  des  bin  ich  vrd  unt  gemeit.  A  des  bin  ich  vroelich 
gemeit.  1102,  2  da  was  der  künic  Etzel  vrd  und  ouch  gemeit.  Die 
lesart  A  ist  vielleicht  veranlasst  durch  hinblick  auf  1587,  4b  dö  wart 
er  vroelich  gemuot. 

1633,  4  B  da  von  der  guote  Rüedeger  sit  muose  vliesen  den 
lip.  DbJd  muost  Verliesen.  A  doch  verlos  Rüedeger  da  von  sider 
den  lip.  B  steht  327,  4  dar  umbe  muosen  helde  (eil)  sit  Verliesen  den 
lip  und  ähnlichen  versen  näher  als  A.  Doch  ist  in  B  der  im  sinne 
eines  concessiven  Vordersatzes  ausgesprochene  vorangehende  satz  der 
(labe  im  [vil]  wol  gunde  des  marcgrdveu   ivip  beziehungslos  geworden. 

1680,2  BbCa  deich  hört  der  Nibelunge  niene  gepflac.  A  deich 
der  Nibelunge  /  hortes  nie  gepflac,  dieselbe  Stellung  auch  JD.  hört 
der  Nibelunge  1679,2.  717,3.  Die  seltene  konstruktion  pflegen  c.  acc. 
hat  allerdings  der  gemeinsame  text  nirgends;  1960,  2  wo  sie  noch  einmal 
begegnet,  hat  A  wie  statt  die. 

1701,  3  B  waz  ir  so  schiere  betr Hebet  hete  den  muot.  Ca  er- 
truebet.  DbdJ  bestvaeret.  A  waz  ir  so  rehte  sivaere  verrihtet 
hete  den  muot.  Als  lesart  B*  ist  statt  betriiebet  wol  bestvaeret  anzu- 
nehmen,   zu  beiden  ausdrücken  vgl.  1019,  1   Die  dir  haut   bes/raeret 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    THILOLOG1E.       BD.   XXXIV.  24 


362  KETTNEB 

midc  betrüebet  den  muot  (A  und  betrüebet  dinen  muot).     verrikten  ist 

UTtai,    6lQ1]f.UV0V. 

1980,  3  B*  der  starke  Gcruöt.    A  der  künic  Gernot,  nur  hier. 

2068,  1  B*  Ein  michel  kraft  der  recken.  A  Ein  michel  teil 
der  recken.     537,  3  der  liöcJtgemuoten  recken  ein  vil  michel  kraft. 

2142,  la  B*  Dax,  wolde  cjot  von  himele  =  1638,  2a.  A  Dax 
wolde  got  der  riche,  nur  hier  so,  wenn  auch  got  der  r leite  an  sicli 
sonst  noch  vorkommt. 

2157,4  B*  der  schoenen  Gotelinde  man  =1129,  4.  A  dö  der 
Gotelinde  man  =  1218,  lb  der  G.  man. 

[2162,  4  B*  weinen  getan.  A  weinen  began.  iveinen  tuon 
öfter,  besonders  auch  so  am  schluss,  z.  b.  365.  1225.  began  nur  hier, 
ist  ganz  ungewöhnlich  und  offenbar  fehler  der  hs.] 

2233,  2  B*  dax,  im  von  der  wunde  nider  vlöx  dax  bluot.  A  nider 
schöx  dax  bluot.     2156,  3b  dax  nider  flöx  dax  bluot. 

2261,  1  B*  Dö  suocht  der  herre  Dietrich  selbe  s/n  gewant.  A  Dö 
nam.     831,  4  Sifrides  recken  suohten  stritlich  gewant.     275,  1. 

2277,  2  B*  dax  ich  mit  in  rite  /  heim  i?i  iwer  laut.  A  dax 
ich  mit  iu  wider  heim  /  rite  in  iwer  lant.  162,1  Und  lät  die  boten 
riten  j  heim  in  ir  herren  lant.  310,  2  e  wir  wider  riten  heim  in 
unser  lant.1 

c)  Ergebnis. 

Wir  sind  ausgegangen  von  dem  satz:  derjenige  text,  der  die  meisten 
und  stärksten  parallelstellen  hat  und  innerhalb  der  gemeinsamen  parallel- 
stellen die  grössere   ähnlichkeit  zeigt,  steht  dem  original  am   nächsten. 

1)  Die  stellen  mit  geringfügiger  und  für  den  vorliegenden  zweck  bedeutungs- 
loser Übereinstimmung,  die  nicht  mit  aufgeführt  wurden,  zu  bezeichnen  dürfte  sich 
vielleicht  bei  diesem  abschnitt  zur  prüfung  seiner  Zuverlässigkeit  empfehlen.  Hierbei 
werden  auch  die  erwähnt  werden,  bei  denen  der  parallelismus  in  A  durch  ein  offen- 
bares schreiberversehen  gelitten  hat.  Es  sind  ausser  den  bd.  20,  205  bereits  angegebenen 
folgende:  47,  4  noch  (135,  4).  80,  3  wixe  (187,  2  s.  316).  167,  4  rehte  (239,  4).  346,  3 
da  (417,4).  407,  3  gewinnen?  (2254,3.  395,1.  946,3).  417,4  :c  minnen  (346,  3)  in 
A  weggelassen.  418,  4  harte  (74,  4).  439,  4  dä%  (434,  3).  453,  4  %e  (5,  3).  506,  2 
von  (1267,3).    571,3  Umstellung  (572,3).    584,4  wol  (1620,4).    654,4  gröxe  (732,  3). 

659.2  um   (1327,  2).     661,  2  ket  (1176,  3).     745,  4  A  werlieher  fehler  (waetlicher). 

748.3  von  (86,  1.  4).     786,  4  des  (360,  4).     862,  4  hie  (173,  1.   1410,  4).     903,  4  dö 
(904,4).     1113,4  xuo  (490,4).     1115,1  komm  (1370,1,   vgl.  1151,3).     1302,1  was 

\).  1411,4  gewärliche  (1528,4).  1756,1  der  (1300,  1).  1876,  4  A  vroeüchm 
fehler  (herlichen).  1959,  1  wold  (618,  1.  1328,  1).  1979,  3  dax  (229,  3).  2032,  2 
michel?  (562,  4.  370,  4).  2101,  4  da  (2251,  4).  2204,  1  wol  f.  (1982,  1.  2279,  1). 
2297,3  scharpfen  (201,3  u.  ö.;  doch  vgl.  A  und  B*  1832,2.  1888,4.  423,4). 


HANDSCHRIFTEN    DES    NIBELHNGENLD  D]  -  3G3 

Das  ist  nach  dieser  Zusammenstellung  nun  zweifellos  der  text  A,  an 
ihn  würde  sich  als  älteste  form  von  B  ;:  der  urtext  Db*  schliessen,  dann 
folgt  der  text  B*. 

A  ist  vertreten  mit  114  parallelstellen,  B*  mit  67.  Zu  den  A- 
parallelen  gehören  auch  etwa  15  A.Bb*- parallelen;  einmal  steht  einer 
stärkeren  B*- parallele  eine  schwächere  A.Db*- parallele  gegenüber.  Diese 
stellen  sind  von  sehr  verschiedenem  umfang  und  wert.  Zu  ihrer  be- 
urteilung  müssen  wir  uns  wider  vergegenwärtigen,  dass  der  text  A  nur 
in  "einer  einzigen  handschrift  vorliegt,  dass  diese  schon  zu  den  jüngeren 
gehört  und  dass  sie  ziemlich  nachlässig  geschrieben  ist.  Notwendig 
müssen  wir  hier  eine  grosse  zahl  von  lesarten  annehmen,  die  der  laune 
und  der  Unachtsamkeit  verschiedener  Schreiber  anzurechnen  sind.  Nach 
den  Variantenverhältnissen  anderer  handschriften  zu  urteilen,  möchte  ich 
bei  42  stellen  in  A  die  möglichkeit  von  schreiberwillkürlichkeiten 
oder  schreiberversehen  zugeben.  Darunter  sind  besonders  leichter  art 
18  fälle  von  wortvertauschungen  (für  lobelich  gesetzt  stolxltch,  möhten  — 
heten,  werde  iht — lüxel  ie,  nimmer —niht,  rehten — guoten(2),  groez- 
lichen  —  miehelen,  erfunde  —  ivesse,  hoeren  —  verneinen,  herre — riche, 
willecliche  —  schedeliche,  manegen — langen,  vrö  unt  —  vroelich,  der 
starke  — der  künic,  kraft  —  teil,  von  himele  —  der  riche,  vlöz  —  schöz, 
suoht  —  nam),  ferner  9  fälle  von  unerheblichen  weglassungen  und  mehrere 
leichtere  Umstellungen.  Dieser  art  von  änderungen  muss  man  auch  einen 
grossen  teil  der  anal-  elgyiuva,  die  nur  A  hat,  zuweisen  (s.  darüber 
s.  364).  Es  bleiben  für  B*  25  stellen  von  grösserem  gewicht.  Diesen 
stehen  auf  seiten  von  A  68  stellen  von  mindestens  gleichem  gewicht 
gegenüber,  von  denen  etwa  20  schwerer,  darunter  wider  8  ganz  be- 
sonders schwer  wiegen.  Diesen  letzteren  könnte  man  in  B*  nur  eine 
vergleichen.  Das  ist  800,  3  fg.  Aber  hier  zeigt  A  ebenfalls  und  in 
ähnlicher  weise  Zusammenhang  mit  der  Umgebung  und  hält  sich  auch 
sonst  in  der  diktion  des  Nibelungenliedes.  Die  möglichkeit,  dass  hier 
B*  geändert  hat,  ist  also  nicht  ausgeschlossen.  Ferner  haben  mehrere 
von  diesen  25  stellen  die  eigentümlichkeit,  dass  die  lesart  A  in  engerer 
logischer  Verbindung  mit  der  ganzen  oder  der  folgenden  Strophe  steht. 
Es  sind  dies  614,  4.  797,  4.  970,  4.  1014,  3.  4.  1633,  4,  wo  B*  überall 
formelhafte  Wendungen  zeigt,  über  deren  zweifelhaften  wert  ich  mich 
oben  ausgesprochen  habe. 

So  glaube  ich  nun  schliessen  zu  können:  der  text  A  nimmt,  wie 
man  sich  auch  bei  den  noch  zu  zweifeln  anlass  gebenden  abweichungen 
entscheiden  mag,  in  jedem  falle  eine  bevorzugte  Stellung  ein.  Entweder 
ist  er  den   anderen  texten   übergeordnet;   oder  wenn  er  dem   texte  B* 

24* 


364  KETTNKR.    HANl'Si  HIITFTF.X    DES    NlBELtmGENLTEDES 

(+  Db*)  nur  nebengeordnet  ist,  so  befindet  er  sich  doch  mit  dem  weit 
überwiegenden  teil   seiner  abweichungen   in  Übereinstimmung  mit  dem 

original. 

Bartsch  hat  in  der  einleitung  zu  seinem  Wörterbuch  und  Unt.  s.  264  fg.  von 
den  Wörtern,  die  nur  A  hat,  ein  verzeichuis  gegeben,  dem  noch  hinzuzufügen  sind 
dar,  Xiili  rli  nile .  pkettin;  nur  noch  iu  Db*  finden  sich  tugenthaft,  vertnon,  ival. 
Diese  Wörter  sind  fast  sämtlich  unu'i  tiptj/iu'v«.  Bei  der  beurteilung  solcher  Wörter 
sind  von  je  her  zwei  möglichkeiten  ins  äuge  gefasst  und  kritisch  verwertet  worden.  Ent- 
weder hat  der  Schreiber  ein  seltenes  wort  mit  einem  gewöhnlichen  vertauscht  oder 
er  hat  ein  individuelleres,  ihm  gerade  zusagendes  wort  eingesetzt.  Da  das  eine  sich 
ebenso  leicht  vollzieht,  wie  das  andere,  so  sind  Schlüsse  aus  dem  gebrauch  der  änaS 
tioil/tiir'i'c.  sehr  unsicher.  Die  blosse  zahl  würde  hier  zu  gunsten  von  B*  sprechen, 
etwa  in  dem  umgekehrten  Verhältnis  wie  bei  den  parallelstellen.  Aber  auch  hier 
kommt  wider  die  besondere  beschaffenheit  der  handschrift  A  iu  betracht,  die  zu  dem 
schluss  zwingt,  dass  durch  diese  Überlieferung  eine  anzahl  jüngerer  und  eigenartiger 
Wörter  in  den  text  A  eingedrungen,  manche  wörter  auch  formal  verändert  sind.  Als 
jüngere  wörter  sieht  Bartsch  an :  hi\  (mr.J,  horesite  (rehten  meiere),  hriee  (strtt),  -leie 
(-Jtiuule),  mhde  (moere),  als  fehler  riehen  (rihten),  ritersptse  (rtcher  sptse).  Diese 
der  handschrift  allein  zuzuweisen  ist  man  durchaus  berechtigt.  Ebenso  die  nur  anders 
gebildeten:  beiten  (enbeiten?),  beschouwen  (schouwen),  enirfelhen  (berelhen),  g&müete 
(muote,  mit  ungewöhnlicher  dativkonstruktion),  die  getürmt  igen  (die  getiirren),  lebendec 
(lebende),  rtchtuom  (riehheit) ,  spenge  (gespenge) ,  sivaeren  (besivaeren) ,  ungewillie 
(unwillie),  unmaclich  adj.  (unmäzen).  Von  den  übrigen  konnten  tugenthaft,  toal, 
elär,  senen  dem  urtext  zugeschrieben  werden  (s.  321.  333  fg.  339  fg.),  zweifelhaft 
stand  es  mit  vertnon.  Es  bleiben  somit  Mint,  durchsntden,  ehaft,  ei,  gesae-.c, 
gigen,  hoehe,  lumiheit,  naz,  Kiderlende,  reine,  sidel,  rerrihten,  iciclieJien,  wunder- 
schoene,  xierliche  adv.  Diesen  stehen  in  B*  etwa  ebensoviel  gegenüber,  die  A  nicht 
hat:  degenlich  adj.,  cnjifiicren,  gestaten,  heinilich  adj.,  herzertent,  hohen,  Iiöhenlich, 
koehgexiten  verb.,  mortgrimmic,  perle,  rösevar,  ungevehet,  unwert,  weigern,  wider- 
ii  inno  (mit  weglassung  der  nur  formal  verschiedenen  wie  benamen,  erbom,  er- 
wahsen  usw.).  Von  diesen  15  sind  8  als  jüngere  nachgewiesen:  degenlich  enpfüeren 
(s.  347),  hohen  (s.  340),  mortgrimmic  (s.  354),  perle  (s.  320),  ungecehet  (s.  316), 
ireigem  (s.  326),  wider winne  (s.  340).  Und  wie  mau  bei  gewissen  singulären 
Wörtern  von  B*  ihre  eigenart  oder  altertümlichkeit  als  zeichen  der  echtheit  geltend 
gemacht  hat,  so  kann  man  dies  auch  bei  einigen  jener  wörter  in  A.  Es  ist  z.  b. 
schlechthin  nicht  einzusehen,  wie  ein  Schreiber  darauf  verfallen  sein  sollte,  ganz  ver- 
einzelt das  doch  immerhin  auffallende  der  Niderlende  909,  1  an  stelle  des  gewöhn- 
lichen der  herre  Sifrit  zu  setzen.  Dasselbe  gilt  von  des  twanc  in  ehaftiu  not  für 
des  gie  im  waerlichen  not;  ausserdem  gehört  der  ausdruck  ehaftiu  not  auch  der  der 
spräche  des  Nib.  nahestehenden  spräche  Hartmanns  an,  wie  auch  durch  ir  t/igent- 
haften  muot  uud  wie  auch  si  twanc  der  seneden  minne  not  sich  ähnlich  dort  wider- 
findet (s.  Österr.  Nib.-dichtung  s.  29.  51.  26.  58). 

MÜHLHAUSEN  IN  TIli'R.  EMIL    KETTNER. 


ALTHOF,    NAMEN    IM    WALTHARIUS  365 

ÜBER  EINIGE  NAMEN  IM  WALTHARIUS. 

Über  die  etyraologie  der  im  Waltharius  uns  begegnenden  personen- 
namen  sind  wir,  soweit  sich  überhaupt  in  dieser  beziehung  Sicherheit 
gewinnen  lässt,  im  klaren;  doch  bedarf  die  frage,  ob  einige  derselben, 
insbesondere  die  namen  der  elf  neben  Günther  und  Hagen  als  gegner 
Walthers  auftretenden  beiden  als  sagenecht  zu  betrachten  sind,  noch  der 
erörterung. 

Man  hat  die  letzteren  lange  zeit  auf  treu  und  glauben  hingenommen 
und  gemeint,  dass  Ekkehard  sie  in  seiner  vorläge  gefunden  habe.  J.  Grimm, 
Lat.  ged.  s.  115  fg.,  sagt,  dass  unter  den  zwölf  dienstmannen  des  Franken- 
königs, Hagen  ausgenommen,  fast  lauter  der  späteren  sage  unbekannte 
namen  vorkämen,  dürfe  nicht  auffallen,  da,  von  Hagen  abgesehen,  alle 
von  Walther  getötet  werden  und  demnach  in  späteren  kämpfen  nicht 
mehr  hätten  auftreten  können;  doch  vergisst  er  dabei,  dass  auch  die  im 
Waltharius  berichtete  Verstümmelung  Günthers  und  Walthers  sich  mit 
der  rolle,  die  sie  bei  späteren  ereignissen  in  der  heldensage  spielen, 
durchaus  nicht  vereinigen  lässt.  Grimm  glaubt  jedoch,  spuren  der 
gegner  Walthers  in  jüngeren  epen  gefunden  zu  haben,  und  weist  z.  b. 
darauf  hin,  dass  der  Randolf  des  Waltharius  sich  mit  den  beiden  helden 
Randott  von  Mailand  und  von  Ankona  (vgl.  W.  Grimm,  Heldensage, 
3.  aufl.  s.  159  und  214)  berühre  (trotz  der  verschiedenen  bedeutung  der 
grundwörter)  und  ein  Hehnnot  auch  unter  den  helden  Dietrichs  auf- 
träte. W.  Müller,  Mythologie  der  deutschen  heldensage,  s.  24 fg.,  sieht 
in  den  gegnern  Walthers  historisch -mythische  personen,  repräsentanten 
ihrer  stamme,  der  Franken,  Sachsen,  Ostgoten,  Römer  und  Hunnen, 
mit  denen  die  durch  Walther  vertretenen  Westgoten  kriege  geführt 
haben.  Kögel,  Litter. -gesch.  I,  2, 307,  glaubt,  in  der  form,  in  welcher 
die  Trierer  Waltharius -hs.  den  namen  des  dritten  gegners  von  Walther 
überliefert,  einen  beweis  für  das  alter  des  namens  gefunden  zu  haben; 
vgl.  auch  Pauls  Grundriss,  1.  aufl.,  2.  bd.  I,  184.  Endlich  betont  auch 
Linnig  in  der  3.  aufl.  seines  „Walther  von  Aquitanien"  s.  93,  dass  die 
namen  der  am  Wasgenstein  kämpfenden  helden  „echt  und  alt"  seien. 

Mir  ist  jedoch  von  anfang  an  der  umstand  sehr  verdächtig  ge- 
wesen, dass  die  übrigen  berichte  von  Walther  und  Hildegunde  die  bei 
Ekkehard  auftretenden  helden  nicht  nennen,  sich  auch  in  den  sonstigen 
Überlieferungen  der  heldensage  kein  einziger  mit  Sicherheit  nachweisen 
lässt,  und  ich  habe  schon  früher  (vgl.  meine  W.- ausgäbe  s.  13  und 
Programm  des  Weimarer  realgymnasiums  1899,  s.  9)  geäussert,  dass  ich 
diese  namen  für  eine  erfindung  des  dichters  hielte,  dabei  auch  auf  das 


366  ALT  HOF 

ähnliche  verfahren  Ovids  bei  seiner  Schilderung  der  kämpfe  an  Cepheus' 
hofe,  Metam.  5,  1  fg.,  hingewiesen.  Die  einzelkämpfe  im  Waltharius  sind 
ja  wahrscheinlich  sagenecht;  allerdings  kennt  sie  die  Thidhrekssaga  nicht, 
doch  lässt  die  Situation  in  den  ags.  fragmenten  auf  solche  schliessen. 
Ekkehard  hat  in  diese  einzelkämpfe  in  anlehnung  an  seine  römischen 
Vorbilder  eine  solche  abwechslung  zu  bringen  gewusst  und  die  Streiter 
derartig  zu  individualisieren  verstanden,  dass  diese  partien  seiner  dichtung 
andere  Schilderungen  von  Zweikämpfen  in  deutschen  epen  Aveit  hinter  sich 
lassen.  Wenn  aber  Ekkehard  derartig  scharf  gezeichnete  Charaktere  schuf, 
so  war  er  auch  genötigt,  ihnen  namen  zu  verleihen,  und  es  ist  anzu- 
nehmen, dass  er  solche  wählte,  die  ihm  in  St.  Gallen  und  Umgebung 
bekannt  waren.  Ich  habe  daher  schon  früher  vermutet,  dass  sich  in 
St.  Galler  Urkunden  namen,  wie  sie  Walthers  gegner  führen,  wider- 
finden könnten,  und  später  meine  erwartung  bestätigt  gefunden. 

Das  von  Wartmann,  Urkundenbuch  der  abtei  St.  Gallen  (1863 fg.) 
gebotene  material  ist  in  der  2.  aufläge  von  Förstemanns  altdeutschem 
namenbuche,  I,  1900,  sorgfältig  benutzt  und  geordnet,  mit  hinweis  auf 
die  nummern  des  gen.  urkundenwerkes,  so  dass  ich  im  folgenden  auf 
citate  verzichten  kann.  Ich  werde  ferner  öfters  gelegenheit  haben,  hin- 
zuweisen auf  Piper,  Libri  confraternitatum  St.  Galli  (=  I,  p.  1  — 144), 
Augiensis  (=  II,  p.  145  —  352),  Fabariensis  (=  III,  p.  353  —  398),  Mon. 
Germ.  1884;  dagegen  kommen  die  St.  Galler  necrologien,  herausg.  von 
Baumann,  Necrologia  Germaniae,  tom.  I.  M.  G.  1888,  p.  462  —  487,  sowie 
die  Casus  St.  Galli  nur  wenig  in  betracht 

Der  name  des  ersten  kämpfers  Camalo  v.  591  fg.  ist  die  abgekürzte 
form  eines  mit  dem  stamme  gamal,  camal  (vetus)  zusammengesetzten 
namens.  Von  den  sieben  bei  Forst.  I2,  592  unter  gamal  angeführten 
männlichen  namen  ist  einer  vermutlich  gar  nicht  deutsch,  andere  finden 
sich  besonders  im  Polyptychon  Irminon.,  sind  westfränkisch  und  nach 
Forst,  vielleicht  durch  das  keltische  beeinflusst;  Oamalbert  kommt  auch 
bei  Piper  II  fünfmal  vor.  Am  meisten  belegt  ist  Qamalheri,  der  sich 
als  Kamalhere  bei  Piper  I,  345,  17,  Camalheri  II,  214,  6,  Gamalheri 
II,  214,  20  und  Camalheri  in  einer  St.  Galler  Urkunde  a.  833  findet. 
Ich  glaube,  in  ihm  unsern  Camalo  widergefunden  zu  haben.  Wie  bei 
Camalo  ist  der  auslautende  stamm  -heri  abgefallen  bei  Ingexo  =  Ingeleri, 
Ludeke  =  Luder,  Renike  =  Reiuerus,  Wexo,  Wexil  =  Werinhari;  vgl. 
Stark,  Kosenamen  der  Germanen,  1868,  s.  96. 

Männliche  namen,  die  ahd.  scara  schar  oder  scarjo  Scharmeister 
als  bestimmungswort  haben,  nennt  Forst,  nur  sechs.  Ein  Saarius  a.  800 
stammt  aus  Italien,  ein  Scaricus  ist  im  8.  jh.  bischof  von  Chalons  s.  M., 


NAMEN   IM    WALTHARI1  S  367 

auf  einen  Scering  lässt  der  Ortsname  Sceringesfeld  (11.  jh.)  schliessen. 
Die  drei  übrigen  namen  weisen  nach  St.  G.  Einen  Scaramimd  kennt 
nur  der  Waltharius  v.  694 fg.,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
wir  in  Scerun  (acc.  masc.)  St.  G.  urk.  9.  jh.  und  Skerih  a.  855,  Scherilo 
a.  886  die  abkürzung  und  das  deminutiv  für  jenes  ana'%  Xey6f.iEvov  vor 
uns  haben;  vgl.  Raino  bei  Stark  s.  48  und  96. 

W.  v.  686  fg.  heisst  es: 

Et  dum  forte  nepos  conspexerat  hoc  Camalonis, 

Filius  ipsius  Kimo  cognomine  fratris, 

Quem  referunt  quida/m  Smramundum  nomine  dictum  etc. 

Vielleicht  soll  damit  gesagt  sein —  und  auch  die  analogie  Eleuthir- 
Helmnod  v.  1008  spricht  dafür  — ,  dass  der  zweite  kämpfer  zwei  namen 
führte.  Man  hat  bislang  angenommen  (vgl.  u.  a.  W.  Grimm,  Heldens., 
s.  32  und  Kögel  I,  2,  306),  dass  dies  auf  eine  verschiedene  Überlieferung 
der  vom  dichter  benutzten  sage  hinweise;  ich  halte  es  indessen  für  wahr- 
scheinlich, dass  Ekkehard  hier  unberechtigterweise  die  für  die  deutsche 
epik  typische  berufung  auf  die  märe  eingefügt  hat,  um  seiner  dar- 
stellung  grössere  glaubwürdigkeit  zu  verleihen. 

Es  kann  sich  hier  um  einen  der  doppelnamen  handeln,  wie  sie 
vom  5.  bis  13.  jh.  in  grosser  zahl  überliefert  und  teilweise  von  Stark 
s.  150  fg.  mitgeteilt  sind;  ja,  der  gen.  forscher  meint  sogar  s.  6,  es  scheine, 
als  ob  jeder  freie  Germane  als  Jüngling  oder  mann  einen  zunamen  er- 
halten habe.  Der  Wortlaut  bei  Ekkehard  lässt  aber  auch  die  deutung 
zu,  dass  Kimo  der  name  von  Scaramunds  vater,  Camalos  bruder,  war, 
wie  dies  Geyder,  Zeitschr.  f.  d.  a.  9,  161,  und  Kögel,  a.  a.  o.,  s.  306  im 
gegensatz  zu  J.  Grimm,  Lät.  ged.,  s.  116,  für  wahrscheinlich  halten. 

Kimo  =  Cimo  Piper  II,  57,4;  399,2;  III,  130, 12;  Gimo  I,  72,  19, 
Gfimmo1  II,  363,  4  gehört  nach  Grimm  zu  an.  girna  =  grosse  Öffnung, 
kann  jedoch  nach  Forst.  I2,  641  aus  sehr  verschiedenen  namen,  wie 
Gildmar,  Girmund,  verkürzt,  gim  aber  auch  in  den  namen  Ginibolt, 
Gimbert,  Gimfrid,  Gimmund  durch  assimilation  aus  gin  entstanden 
sein  und  vielleicht  zu  an.  ginna  allicere,  seducere  (nach  Forst.)  oder  zu 
ahd.  gin  rächen,  ginnan  beginnen  gehören2. 

Piper  verzeichnet  Gaemmunt  I,  379,2,  Gemmunt II, 44, 13;  54,23; 
321,21;  329,4;  411,18;  Kemunt  mon.de  Augia  Necr.  p.477;  in  St.  G.  U. 
erscheint  Kemmunt  a.  809,  Gemmunt  a.  827,  Gemmund  a.  878  u.  885. 
Nach   der  im   letztgenannten  jähre   ausgestellten   Urkunde  nr.  645   sind 

1)  Über  die  konsonantenverdoppelung  iu  verkürzten  namen  vgl.  Stark  s.  19  fg. 

2)  Nach  Stark  s.  25  ist  der  name  Gimo  altgallisch. 


368  ALTHOF 

Ratmund  und  Thingmund  brüder  Oemmunds,  und  in  einem  solchen 
falle  ist  die  bezeichnung  Gimo  statt  Gemmimd  recht  zweckmässig. 

Der  Pandaride  Werinhard  v.  725  scheint  mir  ein  biederer  St.  Galler 
Zeitgenosse  Ekkehards  gewesen  zu  sein;  er  fungiert  als  zeuge  in  einer 
Urkunde  v.  j.  929  als  Werinhart,  doch  kommt  der  name  auch  widerholt 
bei  Piper  I  und  II  vor. 

Kögel  bemerkt  Litter.- gesch.  I,  2,  307  zu  der  lesart  Vuarmardus 
—  „d.  i.  Uuarin(h)ardus"  —  der  Trierer  hs.,  dass  der  mangel  des  Um- 
lautes sehr  bemerkenswert  sei  und  die  form  —  und  der  urtext,  dem 
sie  angehöre  --  dadurch  in  das  8.  jh.  zurückgeführt  werde.  Aber  diese 
Schlussfolgerung  ist  nicht  stichhaltig,  denn  die  Trierer,  die  jüngste  von 
allen  W.-hss.,  stammt  aus  dem  15.  oder  16.  jh.  und  geht  mit  der  Brüsseler 
und  Pariser  auf  die  nämliche  mutterhs.  zurück.  In  letzterer  war  aber, 
wie  die  formen  uurimhardus  B  und  uuirmhardus  P  zeigen,  der  name 
bereits  verstümmelt;  der  erste  teil  der  Zusammensetzung  entbehrte  des 
Stammvokals.  Wir  haben  also  in  der  lesart  der  stark  interpolierten  hs.  T 
offenbar  den  misslungenen  versuch  vor  uns,  die  ursprüngliche  namenform 
widerherzustellen.  Namen  mit  einem  volksetymologisch  gebildeten,  west- 
fränkischen warm,  wie  Warmher,  Warmedrudis,  verzeichnet  Forst.  I2, 1546. 

Dass  Warmardus  T  eine  conjectur  ist,  macht  auch  der  umstand 
wahrscheinlich,  dass  der  Schreiber  dieser  hs.  noch  an  anderen  stellen 
die  ihm  auffallenden  namen  seiner  vorläge  verändert  hat:  v.  756,  770 
und  778  findet  sich  Erefrid  T  statt  Ekiurid  B  etc.;  vgl.  Errefrit  bei 
Forst.  I2,  456.  Auch  v.  982  und  1008  hat  T  Helmod  statt  des  dem 
Schreiber  unbekannten,  seltenen  Helmnod  BP  und  v.  965  Wcdandia 
fabrica  für  Wielandia  f.  BP,  Welandia  f.  «V.  Waland,  Valand  setzt 
Forst.  I2,  1516  zum  stamm  valha,  ahd.  wallt  peregrinus,  bezw.  zu  ahd. 
ival  strages,  aber  der  bedeutung  wegen  nicht  zu  valant  diabolus.  Sollte 
aber  der  geistliche  Schreiber  von  T  nicht  vielleicht  gerade  an  dieses 
Avort  und  an  eine  durch  teufelskünste  gefeite  rüstung,  ein  nothemd, 
gedacht  haben? 

Der  name  Ekivrid  v.  756 fg.  ist  bei  Piper  II,  263,  27  angeführt, 
aber  nicht  in  St.  G.  U. 

Hadaivart  v.  782  fg.  kommt  bei  Piper  als  Radauuardus  II,  235, 10, 
Hadauuart  I,  36,  19;  II,  2,  2  vor.  In  St.  G.  U.  begegnet  uns  nur  die 
kür/.ung  (vgl.  Make  =  Marqivard,  Stark  s.  97),  und  zwar  recht  häufig: 
Haato  a.  764,  Hato  a.  764,  769,  799,  805  etc.,  Hatho  a.  903,  909, 
912  etc.,  Haddodi.  807,  834,  853,  874  etc.  Hato,  Hatho,  Haddo  auch 
oft  bei  Piper  I— III;  Necr.:  Hatho  p.  477,  Haddo  484,  Hatto  487; 
Hatio  Cas.  cap.  142. 


NAMEN    IM    WALTHARIUS  369 

Patafrid  v.  846  fg.  erscheint  bei  Piper  in  der  form  Batufrid 
II,  152,  11,  Batafrid  II,  479,  35,  die  gekürzte  form  (vgl.  Gunda  = 
Gundfrid,  Immo  =  Irminfrid,  Winixo  =Winifrid  etc.  bei  Stark  s.  96) 
Bodo  II,  208,  39;  345,  12,  Bato  II,  472,  4,  Pato  öfters  I— III.  Necr.: 
Pato  p.  475  und  486.  St.  G.  U.  haben  nur  die  kürzung:  Bato  a.  779,  804, 
Pato  a.  806,  838,  846  etc. 

Genua  v.  914  fg.  ist  in  St.  G.  U.  nicht  zu  belegen,  doch  hat  Piper 
Keruuito  II,  456,  7.  Das  von  B  gebotene  Germanins  (dagegen  Keruuiti 
B  v.  935)  findet  sich  als  Geruuint  bei  Piper  II,  137,  9,  bei  Schannat, 
Necrol.  Fuld.  a.  793,  sowie  in  ähnlichen  formen  an  anderen  stellen  (vgl. 
Forst.  I2,  588)  und  macht  Kögels  annähme,  dass  wit  =  wid  und  eine 
nebenform  von  wind  weiss,  glänzend,  sei  (Litter.- gesch.  I,  2,314),  wahr- 
scheinlich. 

Randolf  v.  962  =  Rantolf  St.  G.  U.  a.  838,  843  und  851,  Randolf 
Piper  I,  17,  15;  II,  214,  18;  216,  18,  Rantholfl,  171,  3,  Rantolf  11 
fünfmal. 

Den  namen  Helmnod  v.  982  fg.  hat  Forst,  nicht,  aber  Helmot, 
was  auch  in  der  hs.  T  und  bei  Piper  II,  151,  3  überliefert  ist  und  wol 
nicht,  wie  Kögel  a.a.O.,  s.  317  annimmt,  eine  jüngere  form  von  HelmnÖd 
mit  progressiver  assimilation  der  nasale,  sondern  mit  ahd.  möt,  muot 
(vgl.  unser  Helmut)  gebildet  ist. 

Dieser  Helmnod  hiess  nach  v.  1008  auch  Eleuthir,  was  Kögel  mit 
recht  für  eine  langobardisch- romanische  Umgestaltung  von  Leutheri, 
Liuthere  hält:  vgl.  das  beispiel  a.  a.  o.  s.  317.  Der  name  findet  sich 
widerholt  in  St.  G.  U.  als  Liuthari  a.  787,  817,  818  etc.,  Liutheri  a.  787, 
796,  806  etc.,  Liuthere  a.  884,  Liuther  a.  789,  Luithere  a.  854  und 
häufig  bei  Piper  I  —  III;    Necr.:  Liutheri  p.  464,  Liutharii  483. 

Der  latinisierung  Trogus  v.  1009  fg.  entspricht  in  St.  G.  U.  Trogo 
a.  834,  Truago  a.  805,  812,  824,  843  etc.,  Truogo  a.  766,  856,  sec.  9., 
882  etc.,  Druago  a.  874  (der  name  auch  oft  bei  Piper  I  —  III;  Necr.: 
Truogo  p.  486)  und  dem  sonst  nirgend  vorkommenden  namen  Tanastus 
v.  1010  die  kürzung  Tanno  St.  G.  U.  a.  864,  welche  die  andern  ge- 
nannten quellen  nicht  haben. 

Dass  von  den  13  oben  besprochenen,  z.  t.  seltenen  namen  bei 
Ekkehard  sich  zehn  mit  mehr  oder  weniger  Sicherheit  in  den  auf  uns 
gekommenen  St. G. U.1  nachweisen  lassen2,  ist  mehr,  als  ich  vor  meiner 
Untersuchung  erwartet  hatte,  und  jedenfalls  beachtenswert. 

1)  Nach  Wartmann  I,  s.  V  ist  vielleicht  nicht  viel  mehr  als  die  hälfte  dessen, 
was  das  kloster  ursprünglich  an  alten  Urkunden  besessen  hat,  vorhanden. 

2)  Die  träger  der  namen  gehören,  heiläufig  bemerkt,  dem  laienstande  an. 


370  AXTHOF 

Den  namen  Henrich  kennt  die  heldensage  sonst  nicht.  Es  sind 
aber  zwei  könige  dos  namens  Chararicus  bekannt,  von  denen  der  eine, 
könig  der  Sueven  im  spanischen  Galicien,  im  6.  jh.  lebte  (Gregor  v.  Tours, 
de  virt.  St.  Mart.  1,11),  der  andere,  beherrscher  eines  fränkischen  ge- 
bietes,  ein  Zeitgenosse  Chlodwigs  war  (Greg.  bist.  Franc.  2,  41).  Köge] 
1,2,283  glaubt,  man  müsse  den  namen  Heriricus  Walth.  35  fg.  dem 
der  lateinischen  dichtnng  zu  gründe  liegenden  deutschen  gediente  zu- 
schreiben wegen  der  allitteration  mit  dem  namen  Hildegunde.  Allein 
der  gleiche  anlaut  will  doch  nicht  viel  besagen;  beachtenswerter  ist 
schon  eine  gleichheit  der  zur  namenbildung  verwandten  stammen  wie 
bei  Hagäno  und  Hagathie.  Müllenhoff,  Zeitschr.  f.  d.  a.  10,  163  fg.,  be- 
merkt: „Der  könig  Herrich  von  Bnrgund  zu  Chalon  sur  Saöne,  als  vater 
der  Hildegnnd  im  Waltharins,  ist  sicher  nur  eine  Aktion  etc.",  und 
scheint  damit  nicht  die  sagenechtheit  des  namens  überhaupt,  sondern 
nur  die  Vaterschaft  von  Hildegunde  zu  bezweifeln.  Es  ist  immerhin 
möglich,  dass  jener  fränkische  Chararicus  in  der  burgundischen  sage 
nach  der  einverleibnng  des  Burgundenlandes  in  das  Frankenreich  als 
ein  alter  Stammeskönig  eine  rolle  spielte,  wie  Learned,  The  saga  of 
Walther  of  Aquitaine,  Baltimore  1892,  s.  170,  meint.  Ich  halte  indes 
den  namen  für  eine  erfindung  Ekkehards:  Heririh  findet  sich  in  St.  G.  U. 
a.  806  und  824;  auch  im  Verbrüderungsbuche  von  St.  Peter  zu  Salzburg 
und  in  andern  süddeutschen  quellen  kommt  er  mehrmals  vor;  vgl. 
Forst,  I2,  778. 

Besonderes  interesse  erregt  der  umstand,  dassEkkehard  die  Hunnen- 
königin v.  123  und  369  Ospirin,  Ospirn  und  Hagens  vater  v.  629  Haga- 
thie nennt,  namen,  die  der  heldensage  sonst  fremd  sind. 

Mag  Ospirin  zu  ans  deus,  wozu  es  Forst.  I2,  1182  auch  jetzt 
noch  setzt,  oder  vielmehr,  wie  Müllenhoff,  a.a.O.,  10,  171  fg.,  will,  zu 
Ös  gehören:  jedenfalls  ist  der  name  stammverwandt  mit  Oserich  und 
Osantrix,  wie  Helches  (Ericas)  vater  im  Biterolf  v.  1962  und  in  der 
Thidhrekssaga  c.  38  etc.  heisst.  Müllenhoff  erklärt  sich  zwar  gegen  die 
annähme,  Helche  sei  erst  später  in  die  sage  gekommen  und  nur  an  die 
stelle  Ospirins  getreten,  hält  diese  aber  für  eine  mythische,  später  mit 
der  historischen  Helche  in  eins  verschmolzene  person. 

Mir  scheint  jedoch  die  Übereinstimmung  in  den  namen  Ospirin 
und  Oserich  (vgl.  Asrihc  St.  G.  IL  a.  758,  Osirih  Piper  I,  p.  134e,  18) 
eine  zufällige  zu  sein,  und  ich  halte  es  für  wahrscheinlich,  dass  dem 
dichter  des  Waltharius  ebensowenig  wie  die  namen  jener  elf  gegner 
Walthers  der  der  gattin  Attilas  aus  der  quelle  bekannt  war,  dass  er  sich 
aber  veranlasst  sah,    der  Hunnenkönigin  einen  bestimmten  namen   zu 


NAMEN   IM    WALTHARIUS  371 

geben,  weil  er  sie  in  seiner  dichtung  eine  rolle  spielen  liess1.  Der 
name  Aspirin,  Oaspirin,  Ospirin  begegnet  uns  oft  in  süddeutschen 
quellen  {Aspirin,  Aspiru,  Ospirin,  Ospir/i,  Ospri/i,  Osbirin,  Osbern 
Piper  I — II);  auch  in  einer  St.  G.  U.  a.  825  wird  Ospirin,  gattin  eines 
donators  Wicram,  genannt. 

Dagegen  ist  ein  Hagathie  in  St.  G.  U.  nicht  nachzuweisen  (Piper 
III,  155,  8:  Hechidin,  -diu?),  und  man  könnte  diesen  namen  schon 
eher  für  sagenecht  und  für  älter  als  den  Aldriän  der  jüngeren  quellen 
halten;  nicht  nur,  weil  beide  stammverwandten  namen  von  Ekkehard 
neben  einander  genannt  sind,  sondern  auch,  weil  Hagens  vater  im  epos 
nicht  persönlich  auftritt  und  nur  beiläufig  erwähnt  wird,  so  dass  der 
dichter  nicht  genötigt  war,  ihm  einen  besonderen  namen  beizulegen. 

Der  name  Attila  wird  seit  Grimm,  Gesch.  d.  d.  spr.  I,  475,  für  ein 
deminutiv  von  got.  atta  vater  gehalten.  Da  uns  die  namen  von  Attilas 
vater,  bruder,  oheimen,  gattinnen  und  söhnen  bei  Priscus,  Jordanis  u.  a. 
erhalten  sind,  wäre  es  sehr  auffallend,  wenn  uns  die  geschichte  von  dem 
berühmten  Hunnenherrscher  selbst  nur  eine  an  das  russische  „Väterchen 
Zar"  (vgl.  auch  pater  als  anrede  an  den  könig  Carol.  M.  et  Leo  papa 
149,  Ermold.  Nig.  I,  139,  Walth.  618,  Ecbasis  748)  erinnernde  deutsche 
bezeichnung  überliefert  haben  sollte.  Vielleicht  ist  Attila  aber  die  germa- 
nisierung eines  ähnlich  klingenden  hunnischen  namens,  der  aus  den 
türkischen  sprachen  zu  erklären  wäre,  denn  die  Hunnen  und  Avaren 
sind  nach  Ratzel,  Völkerkunde  3,  736,  „Türkenvölker  von  kaum  zweifel- 
hafter echtheitu;  die  Hunnen  sind  zu  den  osttürkischen  stammen  zu 
rechnen.  Osttürkisch  (tatarisch)  und  westtürkisch  (osmanisch)  sind  nahe 
verwandt,  und  —  was  für  das  folgende  von  interesse  ist  —  in  der  regel 
entspricht  westtürkische  media  osttürkischer  tenuis2.  Nach  R.  Youssouf, 
Dictionnaire  turc-franeais,  Constantinopel  1888,  I,  p.  49  heisst  osman. 
cd  cheval,  p.  52  eitle  (sprich  cdhj;  vgl.  an.  Atli)  nomine  ä  cheval  und 
nach  p.  205  dil  langue,  seglter  dili  langue  de  boeuf  (wörtlich:  ochse  — 
zunge  —  seine);  demnach  heisst  osman.  cd -dil  oder  at-dil-i,  tatar.  at- 
til  oder  at-til-i  pferdezunge.  Dieses  wort  erscheint  als  personenname 
weniger  befremdlich,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  es  bei  manchen 
asiatischen  nomadenstämmen  üblich  ist,  den  neugeborenen  mit  dem 
namen  desjenigen  lebenden  oder  leblosen  gegenständes  zu  benennen,  der 

1)  Hinterdrein  finde  ich,  dass  auch  Scheffel  den  namen  für  eine  erfindung 
Ekkehards  hält;  vgl.  die  im  „Ekkehard"  s.  389  fg.  geschilderte  scone,  in  welcher  der 
dichter  der  zutraulichen  bärin  sein  epos  vorliest. 

2)  Nach  freundlicher  mitteilung  des  herrn  dr.  H.  Wernekke  in  Weimar,  der 
mich  auch  auf  die  folgende  etymologie  hingewiesen  hat. 


372  ALTHOF 

nach  der  gebart  eines  kindes  die  aufmerksamkeit  des  namengebenden  zu- 
erst erregt.  Hierdurch  erklärt  z.  b.  der  arabische  reisende  Ibn  Batuta  (1302 
bis  1377)  den  namen  des  tatarischen  sultans  Kharbendeh  (persisch  = 
eselknecht)  und  den  von  dessen  bruder  Kazaghan  (tatarisch  =  kessel). 
Benj.  Bergmann  bestätigt  den  brauch  bei  den  Mongolen  und  Kalmüken, 
Seetzen  auch  bei  syrischen  und  arabischen  stammen.  Man  findet  hier- 
über näheres  bei  M.  Defremery,  Fragments  de  geographes  et  d'historiens 
arabes  et  persans  inedits,  Journal  Asiatique,  Paris  1850,  tome  XVI, 
p.  173  etc.;  vgl.  auch  ßatzel  a.  a.  o.  3,  374. 

Es  ist  mir  nicht  bekannt,  ob  sich  bereits  Orientalisten  mit  der 
etymologie  des  namens  Attila  beschäftigt  haben.  Natürlich  würde  die 
deutung  „reifer"  oder  „pferdezunge"  nur  dann  berücksichtigung  ver- 
dienen, wenn  auch  andere  hunnische  namen,  insbesondere  die  von  Attilas 
verwandten,  sich  aus  türkischen  sprachen  erklären  Hessen,  worüber  ich 
kein  urteil  habe.  Die  namen  von  Attilas  söhnen  Ellac,  Hernach  und 
Dcngizich ,  sowie  den  seines  oheims  Oebarsios  nennt  Müllenhoff  a.  a.  o., 
s.  160fg.  „entschieden  barbarisch x ";  doch  erklärt  er  Mundtuch  als  Mundvich, 
Mundovech  und  meint,  auch  Buas,  Octar  und  Bleda  könnten  deutsch, 
letzteres  aber  vielleicht  mehr  ein  beiname  sein.  Es  ist  möglich,  dass 
von  den  Hunnen  infolge  ihres  Verkehrs  mit  germanischen  stammen  fremde 
namen  übernommen  worden  sind  (vgl.  Mommsen,  Aetius,  im  „Hermes" 
36,  350  anm.  3),  ebensogut  aber  auch,  dass  die  Germanen  hunnische 
namen  mit  ähnlich  lautenden  einheimischen  vertauscht  haben.  In  bezug 
auf  den  namen  Helche  nimmt  dies  —  wenigstens  für  die  spätere  zeit  — 
auch  Müllenhoff  s.  171  an:  „Man  kann  Herkja,  Erca,  Herche,  Helche 
nicht  unmittelbar  mit  Kot/,a  (KIqao)  zusammenstellen,  sondern  muss  an- 
nehmen, dass  die  sage  einen  ihr  geläufigeren  ähnlich  klingenden  (namen) 
für  den  barbarischen  gesetzt  hat." 

Ich  wage  es,  hierbei  darauf  hinzuweisen,  dass  nach  Jülg,  Die 
märchen  des  Siddhi-kür,  1866,  Glossar  s.  186,  gergei,  gergen  im  kal- 
mükischen  frau,  gattin,  gemahlin  heisst.  Ist  gergei  =  Kqt/.a  {Kzqv.o), 
so  hätten  wir  es  nicht  mit  einem  eigennamen,  sondern  mit  einer  be- 
zeichnung  für  die  eigentliche  königin,  die  hauptgattin  des  vielbeweibten 
Hunnenkönigs  zu  tun  (Jordanis  c.  49:  innwnerabiles  uxores),  und  dem 
entspricht  auch  bei  Priscus  die  geehrte  Stellung  der  KgevM,  welcher 
byzantinische  gesandte  besuche  machen  und  geschenke  überreichen. 

1)  Nachträglich  bemerke  ich ,  dass  im  osmanischen  elck  sieb  und  händchen ,  elke 
reies  pferd,  den  ix,  meer,  dehixik  kleines  meer,  ev-  (osttürkisch  H-)  barys  haus- 
friede heisst. 


NAMEN"    IM    WALTHARIUS  373 

Ich  füge  noch  einige  bemerkungeu  über  den  namen  des  ortes 
hinzu,  an  dem  nach  dem  Nibelungenliede  die  kämpfe  Walthers  statt- 
fanden, und  der  dort  als  Wasgenstein  (hs.  A),  Waskenstein  (B),  Waschen- 
stein (C)  bezeichnet  wird.  Strecker  meint  Neue  Jahrbücher  1899,  s.  640, 
dass  ein  Zusammenhang  des  bei  Zeuss,Tradit.  Wizenburg.,  1842,  I,  nr.  197 
i.  j.  788  urkundlich  erwähnten  Wassenstezns1  mit  dem  heute  sog.  Wasen- 
stein  oder  Wasigenstein  (in  Urkunden  und  auf  siegeln  des  13.  und  14. 
Jahrhunderts  Wasichenstein ,  Wasicltestein ,  Waschenstein)  bei  Ober- Stein- 
bach im  nördlichsten  Elsass  an  der  Strasse  zwischen  Weissenburg  und 
Bitsch  nicht  nachzuweisen  und  bei  der  abweichenden  namenform  auch 
wol  ausgeschlossen  sei.  Fürst.  II2,  1561  fg.  sagt,  dass  der  Wassensft in 
„wahrscheinlich  im  östlichsten  teile  des  depart.  de  la  Meurthe"  gelegen 
sei;  da  aber  eine  andere  passende  lokalität  dieses  namens  nicht  nach- 
zuweisen ist,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  in  der  genannten  Urkunde 
der  Wasenstein,  Wasigenstein  gemeint  wird,  falls  die  betr.  namenformen 
als  identisch  zu  betrachten  sind. 

Bezüglich  der  „gar  zu  moderneu"  form  Wassenstein  der  Urkunde 
ist  zu  bemerken,  dass  nach  Zeuss  p.  II  die  älteste  hs.  der  Weissenburger 
traditionen  um  870  geschrieben  ist,  also  zu  derselben  zeit  wie  die 
AVeissenburger  Otfrid-hss.,  in  denen  sich  ebenfalls  die  geschwächte 
deklinationsendung  -en  findet;  vgl.  Otfrid  von  Kelle  II,  241.  Im  Rosen- 
garten (v.  Keller,  Heldenbuch,  1867)  heisst  Walther  s.  606  und  625  geboren 
von  Wassenstein,  dagegen  s.  595,  621,  662  und  664  g.  v.  U'achs(s)en- 
stein,  bei  Kaspar  v.  d.  Roen  (v.  d.  Hagen  und  Primisser,  Heldenbuch, 
II,  192,  56)  von  Wassenstein.  Bei  Hertzog,  Chronicon  Alsatiae,  Strass- 
burg  1592,  lautet  buch  III,  s.  58  und  VI,  s.  216  der  name  der  bei  Ober- 
Steinbach  gelegenen  bürg  nur  Wassenstein. 

Ich  halte  einen  inneren  Zusammenhang  mit  dem  gebirgsnamen 
Wasgan  nicht  für  wahrscheinlich,  glaube  vielmehr,  dass  der  name  der 
bürg  bezw.  des  felsens  oder  berges  von  einem  personennamen  Wassio 
oder  Waso,  Wasso  abgeleitet  ist  (vgl.  die  namen  bei  Forst.  I2,  1547  fg. 
und  II2,  1560 fg.),  der  zu  dem  „weit  durch  die  sprachen  verbreiteten" 
keltischen  vasso  =  knabe,  diener,  oder  dem  deutschen  stamme  was  {hwas, 
was  acer)  gehört. 

1)  B quicquid  inter  achilla  et  niittiiibrunnen   et  ludolfespedu   et 

uuassensteine  inter  ülos  terminos  etc."  Leider  gibt  Zeuss  keine  erläuterungen  zu 
den  Urkundentexten.  Ludolfespedu  ist  nach  Förstemann  und  Österley  unbekannt. 
Mittilibrunnen  ist  Mittelbronn,  kreis  Saarburg,  wesÜ.  von  Pfalzburg.  Achilla  ist 
die  Eichel,  nebenflüsschen  der  Saar,  welches  unterhalb  Herbitzheim  mündet.  Nach 
Forst.  II2,  101  führen  zwei  benachbarte,  zusammenfliessende  bäche  diesen  namen;  auf 
der  generalstabskarte  habe  ich  nichts  darüber  gefunden. 


374  ALTHOF,    NAMEN   IM    WALTHAJ;ir> 

Das  neben  der  ursprünglichen  form  Wassenstein  vorkommende 
Wasichenstein  halte  ich  für  eine  jüngere,  volksetymologische  bildung, 
die  verschieden  gedeutet  werden  kann.  Wir  können  es  mit  einem  ad- 
jektivum  ivasig,  von  ahd.  waso  feuchter  erdgrund,  rasen,  zu  tun  haben 
(vgl.  Schmeller,  Bayer,  wörterb.  4,  1018:  „WasenJcogl,  ein  mit  wasen  be- 
deckter berg;  überweisen,  verweisen  mit  gras  anwachsen,  verwachsen"), 
wobei  ich  bemerke,  dass  sowol  bei  Scheffel  und  Holder,  Waltharius, 
s.  163(„cisterne")  als  auch  bei  Becker,  "Westermanns  monatshefte  1885, 
s.  263  fg.  („wasiger  vorhof")  von  der  feuchten  beschaffenheit  des  bodens 
am  fusse  des  burgfelsens  auf  dem  Wasenstein  die  rede  ist. 

Wahrscheinlicher  ist  aber  die  annähme,  Wasichenstein  sei  nach 
Wasichemuald  gebildet;  Schoepflin,  Alsatia  illustrata,  tom.  II,  1761, 
p.  233:  „Wasenstein,  Wasichenstein  id  est  Vosagi  r^pes".  Die  germa- 
nisierte form  des  keltischen  Vosagus  findet  sich  schon  im  10.  jahrh.: 
in  nemore  Wasigen  in  pago  Spirigove  a.  997,  Acta  acad.  palat.  VI,  267; 
vgl.  auch  Wasichen  a.  1301,  Wassichin  a.  1525,  Schmeller  a.  a.  o. 
Strecker  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  benennung  (Wasichenstein) 
eines  in  keiner  weise  hervorragenden  f eisen vorsprunges  im  Wasichen- 
gebirge  etwas  sonderbar  ist;  ebendeswegen  ist  sie  nicht  für  alt  und  echt, 
sondern  für  eine  speätere,  ungeschickte  anpassung  an  den  namen  des 
gebirges  anzusehen. 

Zu  dem  von  mir  Zeitschr.  33,  453  gesagten  bemerke  ich  noch,  dass 
nach  der  neuen  aufläge  von  Forst,  die  namen  Wieland  (Velandu  in 
einer  vielleicht  aus  dem  5.  jahrh.  stammenden,  bei  Mainz  gefundenen 
lateinischen  inschrift),  Bathilde  (nicht  in  St.  G.  IL),  Nidhad  (St.  G.  II 
a.  779,  auch  Piper  II,  165,  1  und  199,  32),  Wittich  und  Heime  in 
verschiedenen  formen  sehr  häufig  in  St.  Gallischen  und  anderen  süd- 
deutschen Urkunden  erscheinen  und  auf  eine  frühe  und  grosse  Ver- 
breitung der  Wielandsage  in  Oberdeutschland  schliessen  lassen. 

Auch  benutze  ich  die  gelegenheit,  zu  s.  441,  anm.  1  a.  a.  o.  nach- 
zutragen, dass  sich  die  form  Hilgund  (ohne  t)  auch  bei  Piper  II,  677,  13 
findet,  und  darauf  hinzuweisen,  dass  meine  deutung  soliiis  =  badeicamic 
(a.a.O.,  s.  357  fg.  zu  Walth.  293),  über  die  mir  von  verschiedenen  sehen 
privatim  bedenken  mitgeteilt  wurden,  scherzhaft  gemeint  ist;  ich  halte 
natürlich  an  soliiim  fest. 

WEIMAR,    IM    MÄRZ    1902.  HERMANN    ALTHOF. 


EKGLEBT,    ENGERDS    ÜBERSETZUNG    VON    AfRPACH,    ODAE    AXACRF.ONT.  375 

J.  ENGERDS  ÜBERSETZUNG  VON  J.  AURPACHS 
„ODAE  ANACREONTICORUM". 

Im  jähre  1570  veröffentlichte  Johann  Aurpach,  fürsthischöflichei 
kanzler  zu  Regensburg1,  von  dem  bereits  1554  vier  bücher  und  1557 
zwei  weitere  bücher  lateinischer  poesien  erschienen  waren,  ein  neues  bänd- 
chen lateinischer  gedichte  unter  dem  titel:  „IOAXNIS  |  AVRPACHII, 
AL-  i  TANI,  IVRISCOXSVL-  |  TI,  AXACREOXTICO-  |  RVM  ODAE,  | 
Ad  |  Amplissimum  Principem,  |  Dominum  Yrbanum,  j  Episcopum  Pata- | 
uiensem.  |  MOXACI,  |  Excudebat  Adamus  Berg:  I  Anno,  MD.LXX.kC 

Dieses  bändchen  enthält  eine  lateinische  widmung  des  Verfassers 
an  bischof  Urban  von  Passau,  33  lateinische  öden  in  anakreontischen 
versen  nebst  einem  anhang  von  vier  weiteren  lateinischen  gedienten, 
das  erste  in  hexametern,  das  zweite  im  phaläkischen  versmass,  die 
beiden  letzten  in  distichen. 

Im  jähre  158-4  erschien  bei  Wolfg-.  Eder  in  Ingolstadt  eine  neue 
ausgäbe,  diesmal  mit  metrischen  Verdeutschungen  sämtlicher  gedichte 
von  Johann  Enger d2. 

Der  titel  dieser  zweiten  ausgäbe3  lautet:  „ODAE  AXACREOX-  | 
TICORYM  |  IOAXXIS  AVRPACHII  AL-  |  TAXI  BOII,  IVRISCON-  | 
SVLTI,  |  AD  1  AMPLISSIMVM  \  PRIXCIPEM,  DOMINVM  VR-  |  BA- 
NVM,  EPISCOPVM  PATAVIEX-  |  sein  scriptae  Anno  1570.  |  Jam  vero  | 
Tum  denuo  in  lucem  editae,  tum  etiam  Germanice  j  varijs  rhythmorum 
generibus  redditae  |  A  |  M.  10 ANNE  EXGERDO,  P.  L.  |  ET  POES.  IN 
ACADEMIA  IXGOL-  |  stad.  Professore  ordinario.  |  IXGOLSTADII  |  Ex 
officina  Typographica  Vyolfgangi  Ederi.  |  AXXO  clo.  Io.  XXCIV." 

1)  Vgl.  über  ihn  ADB  1,692. 

2)  Vgl.  über  ihn  E.  Höpfner,  Reformbestrebungen  s.  15  f. ,  Boriuski,  Die  poetik 
der  renaissance  s.  37  ff. ,  C.  Pranti,  Geschichte  der  Ludw.-Max.-TJnhr.  in  Ingolstadt, 
Landshut,  München  bd.  1  u.  2  (s.  register),  ADB  6, 144.  Zu  den  hier  gegebenen  bio- 
graphischen notizen  füge  ich  noch  hinzu,  dass  Engerd  am  1.  august  1546  geboren  ist. 
Seinen  geburtstag  teilt  er  selbst  in  der  schritt  „Nuptialia  Carmina  .  .  .  autoribus  M.  Joanne 
Engerdo  .  .  ."  Ingoist.  15S6  s.  1  mit  („Carmen  nuptiale  autore  M.  Joanne  Engerdo  .  .  . 
scriptum  in  die  suo  natali,  Calend.  Augusti").  Sein  geburtsjahr  ergibt  sich  aus  einem 
chronostich ,  das  in  einem  von  J.  Dom.  Hess  verfassten  gedichte  der  zu  ehren  der 
dichterkrönung  Engerds  1572  erschienenen  Sammlung  „Corona  poetica"   enthalten  ist 

(Bl.  Db): 

HaeC  Vrbs  te  genTIt,  sCeLerls  CT3I  Lerna  LVtherVs 
Infernas  IVIt  sVb  PhLegetontls  aqVas. 

3)  Von  dieser,  wie  es  scheint,  sehr  selten  gewordenen  ausgäbe  besitzen  die 
hiesige  Staatsbibliothek  und  Universitätsbibliothek  je  ein  exemplar. 


376  KM,LERT 

Die  rückseite  des  titelblattes  ist  leer.  Dann  folgt  auf  zwei  un- 
paginierten  blättern  die  lat.  widmung  und  auf  52  paginierten  Seiten 
sämtliche  gediente  der  ersten  ausgäbe,  an  die  sich  noch  auf  vier  wei- 
teren unbezifferten  seiten  lateinische  verse  von  Engere!  anreihen.  Hier- 
auf ein  leeres  blatt.  Darnach,  mit  einem  neuen  bogen  beginnend  und 
eigens  paginiert,  die  deutsche  Übertragung  von  Engerd,  und  zwar: 

S.  1  — 11  die  Übersetzung  der  prosavorrede  Aurpachs;  s.  12  ein 
lateinisches  lobgedicht  auf  Engerd  „Epigramma  Jacobi  Fischeri  Süesii 
Ad  Lectorem";  s.  13  der  folgende  titel:  „ODAE  AKACREONTI-  / 
CORVM:  j  Das  ist,  |  Künstlich  Poetische  Gesang  j  vnud  Lieder:  |  Durch 
Weilandt  den  |  Edlen  vnnd  Hochgelerten  |  Herrn,  Johann  Aurpach  von 
Ni-  ]  deralteich  in  Ba}Trn,  beyder  Rechten  Do-  |  ctor,  vnd  Fürstlichen 
Bischoff  liehen  Cantzler  |  zuRegenspurg,  P.  L.,  c.  mit  lustigen  |  Anacreon- 
tischen  Verssen  in  La-  |  tein  beschrieben,  |  Zu  |  Dem  Hochwirdigen 
Fürsten  vnnd  |  Herrn,  Herrn  Arrbano,  Bischof-  |  fen  zu  Passaw,  k.  \ 
Vnd  nachmals  |  Auf  mehr  als  zweyntzig  vnder-  |  schiedliche  Genera  vnd 
Alt  in  Teut-  |  sehe  Reym  verfasset." 

Auf  s.  11 — 137 1  folgen  die  metrischen  Übersetzungen  der  33 
anakreontischen  öden,  s.  138  — 152  die  der  vier  übrigen  gediehte  von 
Aurpach2,  s.  153  fg.  lateinische  verse  von  Engerd  mit  deutscher  Über- 
tragung3, s.  155  fg.  ein  lateinisches  gedieht  auf  Engerd  von  Emer. 
Kratzer,  s.  157  eine  abbildung  des  Engerdschen  Wappens  mit  einer  er- 
klärung  desselben  in  lateinischen  distichen  von  Joh.  Freiberger,  und  auf 
der  nächsten,  unbezifferten  seite  eine  Übersetzung  derselben  in  deutschen 
versen  von  dem  bereits  oben  genannten  „Jacob  Fischer  Schlesinger". 
Auf  der  Vorderseite  des  nächsten  blattes  sind  die  »Errata"  verzeichnet. 
Darunter:  „Getrucktzu  Ingolstatt,  durch  Wolffgang  Eder.  M.D.LXXXIII." 

Engerd  verweist  an  zwei  stellen  seiner  schritt,  in  den  metrischen 
erklärungen  zu  ode  3  und  ode  8  (s.  25  u.  44)  auf  seine  deutsche  pro- 
sodie  mit  den  worten  „darvon  oben  in  der  Teutschen  Prosodia 
weitter".  Allein  keinem  der  beiden  mir  vorliegenden  exemplare  der 
odenübersetzung  ist  die  bis  jetzt  noch   nicht   aufgefundene   abhandlung 

1)  Die  Seitenzahl  65  ist  übersprungen,  die  Seitenzahl  81  zweimal  gesetzt,  so 
dass  von  s.  66  —  81 a  falsch  paginiert  ist.  Der  einfachheit  halber  citiere  ich  diese 
seiten  nach  den  Ziffern,  die  sie  im  druck  haben.  Die  sonst  noch  bei  einzelnen  seiten 
vorkommenden  falschen  zahlen  ersetze  ich  durch  die  richtigen. 

2)  Im  nachfolgenden  mit  „nr.  1 — 4  anh."  bezeichnet. 

3)  „Wappens  Erklärung,  Dem  Edlen  .  .  .  Herrn  Sebald  Milner  von  Zweyen- 
Kaden  ...  zu  sondern  Ehren  gemacht."  Im  nachfolgenden  mit  „nr.  5  anh."  be- 
zeichnet. 


ENGERDS   ÜBERSETZUNG    VON    AÜBPACH,    ODAF.    ANACREONT.  377 

vorangestellt.  Es  lässt  sich  dies  durch  die  annähme  erklären,  dass  Engerd 
ursprünglich  beabsichtigt  hatte,  die  Übertragungen  der  Aurpachschen 
lieder  mit  der  prosodie  zusammen  herauszugeben,  nachträglich  aber 
sich  entschloss,  zuerst  diese1  einzeln  und  dann  die  öden  Übersetzung  zu- 
gleich mit  einem  neudruck  der  Originalgedichte  zu  veröffentlichen,  bei 
der  drucklegung  der  öden  jedoch  vergass,  die  erwähnten  hinweise  zu 
streichen.  Übrigens  ist  es  auch  möglich,  dass  ein  teil  der  aufläge  von 
Engerds  Übertragungen  der  prosodie,  der  andere  dem  neudruck  der  latei- 
nischen öden  beigebunden  wurde. 

Die  wenigstens  ursprünglich  geplante,  wenn  nicht  tatsächlich  er- 
folgte gleichzeitige  Veröffentlichung  der  beiden  Engerdschen  Schriften 
lässt  darauf  schliessen,  dass  die  deutschen  nachbildungen  der  Aurpach- 
schen öden  gewissermassen  als  muster  zur  veranschaulichung  der  in  der 
prosodie  aufgestellten  grundsätze  gedacht  waren.  Und  so  sind  diese  bis- 
her auffallenderweise  trotz  eines  gelegentlichen  hinweises  in  der  Allg.  d. 
biogr.  (unter  „Aurpach")  unberücksichtigt  gebliebenen  Übersetzungen  vor 
allem  in  metrischer  hinsieht  von  grossem  interesse,  da  wir  in  ermanglung 
der  noch  nicht  zum  Vorschein  gekommenen  „Prosodia"  Engerds  anschau- 
ungen  über  die  behandlung  des  deutschen  verses  daraus  ableiten  können. 

In  dem  der  odenübersetzung  vorangestellten  lateinischen  gedichte 
„Ad  Lectorem"  hebt  der  Verfasser,  vermutlich  ein  schüler  Engerds,  her- 
vor, dass  dieser  wie  kaum  ein  anderer  deutscher  dichter  es  sich  ange- 
legen sein  Hess,  „Musarum  invisere  fontes  Et  patriam,  ut  veteres,  varia 
decorare  Camoena",  d.  h.  die  deutsche  dichtkunst,  in  der  damals  der 
kurze  reimvers  fast  das  einzige  gebräuchliche  versmass  war,  mit  neuen 
metren  zu  bereichern.  Dass  Engerd  selbst  die  mannigfältigkeit  der  ver- 
wendeten versformen  und  Strophen  als  einen  besonderen  vorzug  seiner 
odenübersetzung  betrachtete,  zeigen  die  einschlägigen  bemerkungen  auf 
dem  haupttitelblatt  und  besonders  im  titel  zu  den  deutschen  öden. 

Die  gedichte  lassen  sich  nach  ihrer  metrischen  form  folgender- 
massen  einteilen: 

a)  In  strophisch  abgeteilten,  paarweise  gereimten  jambischen 
versen  von  gleicher  länge. 
1.    Elf  öden  in   anakreontischen   versen,   acht  derselben  (nr.  2,  6, 
16,  17,  21,  25,  31,  33)   in  vierzeilige,   zwei  (nr.  10  und  19)  in  sechs- 
zeilige,  eine  (nr.  1)  in  achtzeilige  Strophen  abgeteilt. 

1)  Die  odenübersetzung  ist  im  jähre  1583  gedruckt,  der  haupttitel  gibt  als  er- 
scheinungsjahr  des  buebes  das  jähr  1584  an.  Die  prosodie  erschien  1583.  Job.  Cless 
teilt  in  seinem  „Elenchus",  2.  teil,  Frankfurt  1602,  s.  180  den  titel  der  prosodie  aus- 

ZEITSCHMPT    F      DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       HO.   XXXIV.  25 


$78  EXGI.KrtT 

Beispiel:  ode  1,  str.  1  (s.  15): 

Bisehoff  Vrban  mit  Namen, 
Edel  vom  alten  Stammen, 
Hoehwirdigr  Fürst,  dessgleiehe 
Kaum  lebt  im  RSmisehn  Reiche 
Ein  Fürst  mit  Sprachen,   Tugendt 
Vnd  Kunst,  so  in  der  Jugendt 
Eur  Fürstlich  Gnad  geübet, 
Vnd  noch   im  Alter  liebet. 

2.  Eine  ode  (nr.  5)  in  kurzen  reimversen  mit  stumpfem  ausgang. 
—  Sechszeilige  str. 

Str.  1  (s.  33):         WI  lang  wirstu,  du  loser  Tropff, 
Auffwerffen  deinen  stoltxen  Kopff? 
Wie  lang  wiltu  %u  deinem  Wust, 
Du  Lotter,  haben  grossen  Lust, 
Mit  loelehem  du  so  lange  xeit 
Verkleinerst  fromm  vnd  ehrlieh  Lettt? 

Im  selben  versmass,  aber  in  vierzeiligen  Strophen,  sind  nr.  3  und 
•I  anh.  (bei  Aurpach  in  distichen)  und  nr.  5  anh.  (die  lat.  fassung  in 
hexametern)  verfasst1.  Sonst  bat  sich  Engerd  der  letzteren  strophen- 
form  noch  in  dem  von  E.  Höpfner,  Reformbestrebungen  s.  16  mitgeteilten 
gedichte2  und  in  den  deutschen  „Ausslegungen"  von  vier  in  lateinischen 
hexametern  verfassten  „Wappenbeschreibungen"  in  seinem  Panegyricus 
nuptialis3  bedient.  Die  mir  noch  ausserdem  bekannten  deutschen  ge- 
dichte von  Engerd  —  ein  akrostich  auf  Herzog  Albrecht  V.  von  Bayern4, 
zwei  gereimte  stücke  in  der  genannten  schrift  „Preseruatiu,  Cur  vnnd 
SeelenArtzney" 5  und   die  neubearbeitung  eines  alten  gedichtes  auf  die 

führlicb  mit  „Johannis  Engerdi  P.  L.  Teutsch  Prosodia,  das  ist,  notwendiger  Vnter- 
richt,  auff  welcherley  weiss  vnnd  alt  in  teutscher  Sprach  Verss  vnnd  Keimen  nach 
recht  Poetischer  Kunst  zumachen  vnd  zu  formiren  seyn.    Ingolstatt,  1583.    in  8." 

1)  Ebenso  die  deutsche  fassung  der  erklärung  des  Engerdschen  wappens  von 
J.  Fischer.  Dieses  gedieht  zeigt  dieselbe  Sorgfalt  in  der  versbebandlung  wie  die  Engerd- 
schen Übersetzungen. 

2)  Höpfner  entnahm  das  gedieht  den  „Epitheta  Engei-diana"  (1582)  von  Georg 
Eberhard.  Das  original  steht  in  der  schrift  „ Preseruatiu,  Cur  vnnd  SeelenArtzney 
.  .  .  Erstlich  Von  .  .  .  D.  Bonifacio  Britanno  Germano  in  Latein  augestellt:  Anjetzt  aber 
.  .  .  Ins  Teutsch  bracht  .  .  .  Durch  M.  Joannem  Engerdum  .  .  .''  Ingolst.  1581,  s.  142. 

3)  Panegyricus  nuptialis  .  .  .  illustrissimo  prineipi  .  .  .  domino  Georgio  Ludovico, 
landgravio  in  Leuchteuberg  .  .  .  autore  Joanno  Engerdo  .  .  ."  Ingoist.  1584,  s.  4,  8,  12,  10. 

4)  „Orationes  funelires,  in  exequiis  .  .  .  prineipi  .  .  .  Alberto  V. .  .  .  celebratis  .  . . 
ab  alma  Iugolstadiensi  Academia  solenniter  habitae..."  Ingolst.  15S0,  s.  178. 

5)  S.  119  u.  122. 


ENGERDS  ÜBERSETZUNG  VON  Al'KPACH.  ODAE  ANACREONT.  379 

Wallfahrtskirche  St.  Salvator  in  der  Oberpfalz1  —  sind  in  durchaus  oder 
fast  durchaus  stumpf  ausgehenden,  unstrophischen  kurzen  reimpaaren 
verfasst. 

3.  Zwei  öden  (nr.  4  u.  14)  in  kurzen  reimversen  mit  klingendem 
ausgang.  —  Nr.  4  in  sechszeiligen ,  nr.  14  in  vierteiligen  str. 

Beispiel:  ode  14,  str.  1  (s.  71): 

GEh  hin,  mein  Musa,  merck  mich  eben, 
Ein  Grus*  solstu  mit  Demut  geben 
Egolpho  dein  von  KnSring,  meinem 
Pätrono,  vnd  zugleich  auch  deinem. 

4.  Eine  ode  (nr.  18)  in  jambischen  fünffüsslern  mit  stumpfem  aus- 
gang. —  Vierzeilige  str. 

Str.  1  (s.  82):  WArumb  hat  rnser  Nachbaut-  so  behendt 

17/  äcker,  Wisen,  Gärten,  Hoff  verschwendt. 
Auch  farend  Hab  vnd  Irgend  Stück  verkaufft, 
Ja  alls  mit  Grund  cnd  Boden  noch  versaufft? 

5.  Eine  ode  (nr.  3)  in  jambischen  fünffüsslern  mit  klingendem 
ausgang.  —  Vierzeilige  str. 

Str.  1  (s.  26) :  IXmassi  n.  wann  mit  Russen  vnd  mit  Wagen 
Die  schwere  War  wirdt  hin  cnd  her  getragen, 
Alsdann  sich  /eil  der  Notturfft  nach  geziemen, 
Auff  dass  dem  Hindergurdt  he/ff  der  Brustriemen. 

6.  Eine  ode  (nr.  26)  in  stumpf  endigenden  jambischen  sechs- 
taktern  (trimetern).  —  Die  ungeraden  verszeilen  sind  wie  sonst  die 
ersten  zeilen  von  Strophen  eingerückt.  Demnach  mögen  die  einzelnen 
reimpaare  als  Strophen  gedacht  sein. 

1.  reimpaar  (s.  109 j: 

WEr  ist  der  Geissbart  vnnd  seitborstig  rauch  Trabant. 
Der  rus  in  fremden  Kleidern  ist  so  vnbekant? 

b)  In  strophisch  abgeteilten,  paarweise  gereimten  trochäischen 
versen  von  gleicher  länge. 

1.    Eine  ode  (nr.  12)  in  dreifüssigen  trochäen.  —  Vierzeilige  str. 

Str.  1   (s.  00):  KOmpt  jhr  lieben  Gsellen, 

Dmin  wir  frölich  wollen 

Segn  ohn  alle  Kluge 
Heut  am  fiiufftcn    Tage. 

1)  rSanct  Saluator  Zu  Bettbrunn  in  Bayrn  .  .  .  Durch  Joannem  Engerdum,"  Ingoist. 
1584,  s.  190. 

25* 


380  ENGLEBT 

2.  Eine  ode  (nr.  7)  in  vierfüssigen  trochäen.  —  Vierzeilige  str. 

Str.  1  (s.  41):       ACH  der  stoltxe  Todt  alleine 

Hat  mir  jetxt  mein  Kindlei u  kleine, 
Ach  mein  Töchterlein,  genommen, 
Dass  es  nicht  zun  Jaren  kommen. 

3.  Eine  ode  (nr.  30)  in  unvollständigen  trochäischen  fiinftaktern.  — 

Vierzeilige  str. 

Str.  1  (s.  123):      Lieber  Lai,  zceil  tvir  eben  seindt 
Lange  Zeit  bisshero  gute  Freundt, 
Billich  ich  auss  Liebe  dich  verman. 
Leg  die  vorig  Zeit  ril  besser  an. 

4.  Eine  ode  (nr.  9)  in  fünffiissigen  trochäen.  -  -  Vierzeilige  str. 

Str.  1  (s.  48):        0  jhr  Parce,  die  in  allen  Landen 

Wohnet,  seyt  hie  gnädig  auch  vorhanden 
Dem  Geburtstag  meines  Sönleins  Zarte, 
Dass  es  haben  mag  ein  gute  Warte. 

Dasselbe  versmass  hat  nr.  2  anh.  und  ein  in  der  vorrede  ent- 
haltenes gedieht,  ersteres  wie  ode  9  in  vierzeilige  Strophen  abgeteilt, 
letzteres  ohne  Stropheneinteilung.  Die  lateinische  vorläge  beider  ge- 
dichte  ist  in  phaläkischen  versen  verfasst. 

5.  Eine  ode  (nr.  32)  in  sechsfüssigen  trochäen  mit  verkürztem 
schlusstakt.  —  Vierzeilige  str. 

Str.  1  (s.  131):      Lieber  Herr  Gott,  wil  dann  noch  in  diesem  Jar 
Die  rebellisch,  rngexämte,  grimmig  Schar, 
So  meine  yd  ig,  vngehorsam,  toll  vnd  Blindt, 
Endtlich  nicht  erkennen  jhr e  greulich  Sündt? 

15.  Eine  ode  (nr.  24)  in  sechsfüssigen  trochäen.  —  Zeileneinteilung 
wie  oben  a6. 

1.  reimpaar  (s.  102): 

Wie  die  grossen  Fürsten,  Kayser  oder  König 
Haben  jhr  er  Diener  vnnd  Hoff  leid  nicht  wenig. 

c)    In    Strophen    aus    paarweise    gereimten   jambischen    versen 
von  ungleicher  länge. 
1.    Eine  ode  (nr.  20)  in  Strophen  von  vier  Zeilen,   von   denen  die 
drei  ersten  einen  jambischen  eintakter,  die  letzte  einen  jambischen  drei- 
takter,  sämtliche  mit  klingendem  ausgang,  darstellen. 

St.  1  (s.  90) :  Nun  höre, 

Seuere, 
Vnd  sage, 
Was  ich  dich  jetxo  frage. 


ENGERDS    ÜBERSETZUNG  TON    A.TTRPACH,    ODAE    ANACREONT.  381 

2.  Eine  ode  (nr.  27)  in  Strophen  von  vier  Zeilen,  wovon  die  drei 
ersten  aus  zweifüssigen,  die  vierte  aus  vierfüssigen  Jamben  mit  männ- 
lichem ausgang  besteht. 

Str.  1  (s.  113):  ICH  icolte  gern 

Dess  Weins  entbern, 

Vnd  mit  Begier 

Das  Wasser  trinchen  für  vnd  für. 

d)  In  Strophen   aus   paarweise  gereimten  trochäischen  versen 

von  ungleicher  länge. 

1.  Eine  ode  (nr.  11)  in  Strophen  aus  vier  Zeilen,  von  denen  die 
drei  ersten  aus  unvollständigen  trochäischen  zweitaktern,  die  vierte  aus 
ebensolchen  viertaktern  besteht. 

Str.  1  (s.  58) :  Liehen  Freundt 

Wolgrmrynt. 
Sehet  an 
Diesen  vngelehrten  Man. 

2.  Eine  ode  (nr.  8)  in  Strophen  aus  vier  zeilen,  von  welchen  die 
drei  ersten  aus  zwei,  die  vierte  aus  vier  trochäen  besteht. 

Str.  1  (s.  45) :  Lieber  höre, 

Mein  Seuere, 
Was  ich  sagen 
Vnd  gar  billich  dir  soll  klagen. 

e)  In  Strophen  aus  verschränkt  gereimten  jambischen  versen 

von  ungleicher  länge. 

1.  Eine  ode  (nr.  28)  in  Strophen  aus  vier  zeilen,  wovon  die  1. 
und  3.  aus  jambischen  ein  taktern  mit  stumpfem,  die  2.  und  4.  aus 
jambischen  zweitaktern  mit  klingendem  ausgang  bestehen. 

Str.  1  (s.  116):  WOlauff, 

Mein  Freund  Seuere, 

Merck  auff, 

Vnd  mich  anhöre. 

2.  Eine  ode  (nr.  22)  in  Strophen  aus  vier  jambischen  dreitaktern, 
wovon  die  1.  und  3.  männlich,  die  2.  und  4.  weiblich  reimen. 

Str.  1  (s.  97):  ERfahruug  gibt  es  fein, 

Vnd  pflegens  ril  xusagen, 
Dass  es  soll  heilsam  seyn, 
Das  Haupt  offt  sauber  xwagen. 

3.  Nr.  1  anh.  (im  original  hexameter)  in  Strophen  aus  vier  zeilen, 
von  denen  die  1.  und  3.  aus  stumpfreimenden  jambischen  viertaktern, 
die  2.  und  4.  aus  klingend  reimenden  jambischen  dreitaktern  bestehen. 


382  ENGLEBT 

Str.  1  (s.  139):  Die  Kayserlicke  Mayestät 

Von  Gott  %um  Reiek  erweklet, 
Dich  vnder  jhr  getrewe  Rdth 
Aiiffs  allergnädigst  Kehlet. 

4.  Eine  ode  (m\  15)  in  Strophen  aus  sechs  zeilen  mit  der  reim- 
stellung  aacbbc,  von  denen  die  1.,  2.,  4.  und  5.  aus  zweifüssigen 
jamben  mit  stumpfem  ausgang,  die  3.  und  6.  aus  dreifüssigen  jamben 
mit  klingendem  ausgang  bestehen. 

Str.  1  (s.  74) :  MEgilla  xart, 

Von  Edler  Art, 
Du  schone  weisse  Rosse: 
Weiss  ist  dein  Hals, 
Schneweiss  ist  als, 
Was  ich  an  dir  seh  blosse. 

f)  In  Strophen  aus  verschränkt  gereimten  trochäischen  versen 

von  ungleicher  länge. 

1.  Eine  ode  (nr.  13)  in  Strophen  aus  vier  zeilen,  von  denen  die 
1.  und  3.  abgebrochene,  die  2.  und  4.  vollständige  trochäische  drei- 
takter  darstellen. 

Str.  1  (s.  68):  0  Mi' in  Willen  war, 

Dass  mich  vnd  mein  Liebe 
Jr wandt  vns   ;a  Ehr 
Künstlich  ivol  beschriebe. 

2.  Eine  ode  (nr.  29)  in  Strophen  aus  fünf  zeilen,  von  welchen  die 
1.  und  3.  aus  einem  einfachen  trochäus,  die  2.  und  4.  aus  einem  un- 
vollständigen, die  letzte  aus  einem  vollständigen  trochäischen  dreitakter 
bestehen.  Je  zwei  Strophen  sind  durch  reimklang  der  letzten  zeile  ver- 
bunden. 

Str.  1  u.  2  (s.  120): 

NEulich  Mercket, 

Septimill  die  Hur  Sie  der  Aänocat 

Greulich,  Stercket 

Scheutxlich  nid    Vnpur,  Tu  der  Missethat, 

War  für  Recht  gefodert.  17/  von  Sachen  plodert. 

g)  In    Strophen    aus    verschränkt   gereimten    versen    mit    ab- 

wechselnd fallendem  und  steigendem  rhythmus. 
Eine  ode  (nr.  23)  in  Strophen  aus  vier  zeilen.  wovon  die  1.  u.  3. 
aus  abgebrochenen   trochäischen   viertaktern,   die  2.  u.  4.  aus   klingend 
endigenden  jambischen  fünffüsslern  bestehen. 


i  N'GERDS    ÜBERSETZUNG    VON    AURPACH,    OPAE  ANACREONT.  383 

Str.  1  (s.  100):     DIser  heutig  Hörnungs   Tag 

Hat  miclt.jr  Freundt,  auff  diese  Welt  geboren: 

Nichts  tmlustigs,  weder  Klag, 

Xoch  ein  vnxüehtig  Wort  komm  vns  für  Ohren. 

Jedem  der  einzelnen  gediente  schickt  Engerd  eine  kurze  erklärung 
des  metrums  voraus.  Die  verse  mit  fallendem  rhythmus  bezeichnet  er 
durch  angäbe  der  zahl  der  trochäen1  und  silben  und  unterscheidet  so 
verse  die  „vier  Trocheos"  oder  „acht  Sylben"  (z.b.  s.  41).  „vier  Trocheos 
sampt  einer  anhangenden  langen  Sylben"  oder  „neun  Sylben"  (s.  123)  usw. 
enthalten.  Die  verse  mit  steigendem  rhythmus  bezeichnet  er  zum  teil 
in  entsprechender  weise,  indem  er  einfach  ausser  der  silbenzahl  die 
anzahl  der  Jamben  angibt,  wie  z.  b.  „Darinn.ein  Reym  fünff  Jambos 
oder  zehen  Sylben  begreifft"  (s.  81b).  Meistens  aber  geht  er  bei  der 
bestimmung  des  metrums  jambischer  verse  von  antiken  versmassen, 
namentlich  dem  anakreontischen,  aus,  wobei  er  jedoch  auch  einigemale 
auf  den  kurzen  reimvers  („gemeiner  Teutscher  Reym"  s.  14,  „gemeiner 
Jambischer  Yerss"  s.  112)  hinweist.  So  bemerkt  er  vor  der  ersten  ode 
(s.  14):  „Darin  ein  Yerss  oder  Reym  sieben  Silben  begreifft,  eine  weniger, 
als  ein  Iambicus  Dimeter  oder  gemeiner  Teutscher  Reym  mit  acht 
Sylben."  Zu  der  in  stumpf  endigenden  kurzen  reimversen  abgefassten 
fünften  ode  gibt  er  die  erläuterung  (s.  32):  „Darinn  ein  gemeiner  Teut- 
scher Reym  eine  Sylb  mehr  begreifft  als  ein  Anacreontischer,  nemlich 
acht  Sylben  oder  vier  Jambos."  Den  kurzen  reimvers  mit  weiblichem 
ausgang  bezeichnet  er  (s.  27)  als  einen  reim,  der  „einen  Jambain  mehr 
begreifft,  als  ein  Anacreontischer,  nemlich  neun  Sylben",  den  klingend 
schliessenden  jambischen  fünftakter  (s.  25)  als  reim,  der  „zween  Jambos 
mehr  begreifft,  als  ein  Anacreontischer,  nemlich  eylff  Sylben."  Zum 
jambischen  zweitakter  bemerkt  er  (s.  115),  dass  derselbe  „auff  Anaereon- 
tische  Art  gericht  ist,  vnd  einen  Jambum  weniger  hat",  usw. 

Den  metrischen  erklärungen  sind  öfters  hinweise  auf  das  vor- 
kommen des  betreffenden  verses  in  den  lustspielen  des  Terenz,  den  öden 
des  Horaz,  den  tragödien  des  Seneca  oder  der  lateinischen  psalmen- 
übersetzung  des  Buchanan  beigefügt.  So  ist  z.  B.  bei  ode  4  (s.  o.  a3) 
auf  Horaz,  buch  1,  ode  9  (alkäische  Strophen,  also  mit  jambischen  neun- 
silblern  in  der  vorletzten  verszeile)  verwiesen,  bei  ode  26  (s.  o.  a6)  auf 
Horaz,  buch  5,  ode  1  (hier  wechseln  jambische  zwölfsilbler  mit  acht- 
silblern),  bei  ode  7  (s.  o.  b2)  auf  Buchanan,  ps.  66  (strophen  aus  zwei 
vollständigen  nebst  einem  unvollständigen  trochäischen  viertakter),  bei 
ode  23   (s.  o.  g)  auf  Horaz,  buch  2,  ode  18    (mit  ganz   entsprechender 

1)  "Vgl.  dazu  Borinski  a.a.O.  s.  41,  z.  16  ff. 


384  ENGLEHT 

strophenform)    und    Buchanan,    ps.  100    (mit   teilweise    entsprechendem 
strophenbau). 

Am  Schlüsse  jeder  Vorbemerkung  gibt  Engerd  in  länge-  und  kürze- 
zeichen  (-  und  -),  welche  die  hebungen  und  Senkungen  bedeuten,  das 
Schema  der  betreffenden  versart  oder  Strophe. 

Die  reinheit  des  rhythmus  und  versbaus  lässt  sich  Engerd 
sehr  angelegen  sein.  Die  silbenzahl  der  verse  ist  in  seinen  gedichten 
durchweg  streng  eingehalten,  und  der  widerstreit  zwischen  der  natür- 
lichen betonung  und  dem  versaccent  viel  sorgfältiger  vermieden,  als 
dies  bei  fast  sämtlichen  übrigen  dichtem  des  16.  Jahrhunderts  der 
fall  ist. 

Um  die  richtige  silbenzahl  der  verse  herzustellen,  bedient  sich 
Engerd  freilich  häufig  des  damals  beliebten  mittels  der  wortverlänge- 
rung  und  Wortverkürzung.  Abgesehen  von  kürzungen,  die  auch 
der  damaligen  prosasprache  nicht  fremd  sind,  und  für  welche  auch  die 
vorrede  und  die  einzelnen  Vorbemerkungen  zu  den  öden  belege  bieten, 
wie  z.  b.  dem  sehr  häufigen  wegfall  des  flexi ons-e  bei  Substantiven, 
adjektiven,  fürwörtern  und  verben1,  der  synkope  des  e  in  der  biegungs- 
endimg  es  sowie  in  den  endnngen  en  und  cm  nach  r  und  Z,  der  Ver- 
schmelzung von  einen,  einem ,  meinen,  meinem  etc.  zu  ein,  eim,  mein, 
meim  etc.,  der  Unterdrückung  der  flexionssilbe  es  beim  neutrum  von 
eigenschaftswörtern,  der  ausstossung  des  e  in  der  verbalendung  et  nach 
einem  dentallaut,  der  weglassung  der  vorsetzsilbe  ge  bei  einzelnen  par- 
tizipien2  hat  sich  Engerd  auch  manche  der  damals  ausschliesslich  oder 
fast  ausschliesslich  in  versen  gebräuchlichen  Wortverkürzungen  zu  eigen 
gemacht.     So  die   mundartliche   synkopierung  des  e  im  präfix  ge,   z.  b. 

1)  Infolge  dieser  häufigen  apokope  kommt  der  eigentliche  hiatus,  d.h.  das  zu- 
sammentreffen von  auslautendem  c  mit  vokalischem  anlaut,  ebenso  wie  bei  anderen 
damaligen  dichtem  verhältnismässig  selten  vor.  Absichtlich  gemieden  hat  Engerd 
den  hiatus  nicht.  Beispiele:  S.  49  spafoiere  offt,  lerne  alle;  s.  72  u.  95  alle  Ehr, 
136  grosse  Vhruh. 

2)  Beispiele:  a)  s.  7  gut  Stunden,  werde,  kern  B/lehcr,  16  Meiji  Musam,  18 
und,  20  solch  Krafft,  die  alt  Welt,  21  welch,  24  dein  Jar,  36  iröll.  b)  17  Ootts- 
gelerte,  20  solchs,  alls,  jhrs,  21  ein  alts  Weib,  schimlichs,  33  deins,  45  seltxams, 
46  eins,  76  grössers,  86  weits,  88  frSligs  Muts;  mit  Verschmelzung:  82  u.  100  Haus s 
(=  Hauses)  —  23  Elirn,  31  bewam,  63  Geselln,  64  wSlln,  82  läutern,  86  vrtheiln, 
124  sonderm,  136  jhm.  c)  1!»  ein,  dein,  21  sein  (Plur.),  24  dehn,  36  meim ,  69 
eim.  d)  37  Seim,  schwartx  vnd  gifftig  Maule,  94  ohn  grob  Lachen,  98  ein  sauber 
Becken.  Mehrmals  ist  auch  die  adjektivendung  en  apokopiert,  z.  b.  s.  27  mit  solcher 
dryfach  Krön,  35  von  Jcünfftig  Dingen,  vereinzelt  cm  s.  88  Mit  lieblich  Seitenspielen 
und  er  s.  17  dero  Fürstlich  Fleisse.  e)  21  man  spott,  64  angehefft&.  127  gedieht. 
f)  22  eingeben,  23  plindert,  40  kommen,  103  gössen,  124  bracht. 


ENGERDS  ÜBERSETZUNG  VON  ADRPACH,  ODAE  ANACREONT.  385 

s.  7  gringen,  15  ghabt,  16  G schafften,  18  gierten,  23  Messg wandt, 
28  Gsatz,  29  G muter,  30  Gbctt,  42  #/«^  82  gdingten.  Auch  einmal 
in  der  vorsilbe  6e:  35  Bkummer missen.  Ferner  die  zum  teil  mund- 
artlichen verschleifungen  von  präposition  und  artikel  wie  zun  (=  zu 
den),  ins  (=  in  des)  etc.,  z.  b.  s.  7  zun  Zeiten,  48  zun  freyen  Künsten, 
53  Ins  Phebi  lustig  Auen,  86  Vons  BSmischn  Kaysers  Sachen,  Jen- 
seits Bachs,  und  anlehnungen  des  fürwortes  „es"  an  verben,  fiirwörter 
und  konjunktionen  wie  s.  22  habs,  23  lasns,  33  Jcanstus,  35  sichs, 
42  dies,  46  obs,  55  ichs.  Vereinzelt  s.  82  jms  =  jrn  das  (dass  jms 
Ilauss  fall  ein).  Einmal  sind  auch  die  dialektischen  formen  naus  und 
uauff  gebraucht  (s.  66  u.  144). 

Neben  solchen  für  die  ausspräche  meist  keine  härte  bedingenden 
wuttkürzungen  verschmäht  Engerd  auch  nicht  die  von  manchen  kor- 
rekteren dichtem  seiner  zeit  vollständig  gemiedene  hässliche  synkope 
der  endung  er  sowie  die  der  endung  en  nach  anderen  konsonanten  als 
l  und  n  und  der  endung  el  nach  anderen  konsonanten  als  r,  gleichviel 
ob  das  folgende  wort  vokalisch  oder  konsonantisch  anlautet.  Beispiele: 
S.  15  Hochwirdigr  Fürst,  16  rechtn  Patron,  17  Odr  hab,  18  Poetn 
Gedichte  .  .  .  Gnadn  alleine,  20  Geisl  vnd  .  .  .  schindn  die,  21  Krdutr 
vnd,  22  lassn  sie,  23  Weltlichn  Sachen,  24  Leutn  die,  25  Häusr, 
Gurtn,  vnd  gantze  Wälder,  35  Bekiinuncrlichn  Vnfallen,  36  Fromn, 
sperrt,  51  jungn  rnd,  53  Vndr  seiner,  62  Wissn  je  langr,  je  minder, 
150  edl  vnd1.  Auch  Wörter  wie  „heiligen"  etc.  verkürzt  Engerd  durch 
Unterdrückung  des  endungsvokals  statt  durch  die  viel  weniger  harte 
synkopierung  der  bildungssilbe,  z.  b.  s.  15  RSmischn  Peiche,  2±  Konign, 
Fürsten,  31  heilig n  Dingen,  72  zuchtign  Art. 

Wortverlängerung  gestattet  sich  Engerd  nur  am  ende  der  verse2, 
wo  er  nicht  selten  zur  herstellung  eines  klingenden  ausgangs  dem  reim- 
worte  ein  unorganisches  oder  ein  altertümliches  e  anhängt;  z.  b.  s.  7 
faule  {Ady),  16  ungeheure (Adv.):  Feiire,  17  Fleisse,  20  Rechte:  schlechte 
(Adv.),  21  Kraffte,  28  Wercke,  30  Arte,  31  wahre,  35  Gspunsie:  Gunste, 
Glucke,  37  Grcisse,  Maule:  faule,  40  icare  (Verb),  55  Peiche:  zugleiche. 

In  bezug  auf  sprachliche  und  rhythmische  glätte  stehen  Engerds 
verse  ungefähr  auf  derselben  stufe  wie  diejenigen  Rebhuns,  die  in  metri- 
scher hinsieht  sicher  nicht  ohne  einfluss  auf  Engerd  waren.    Wenigstens 

1)  Synkope  und  Verschmelzung,  z.  b.  s.  7  vmh  hoher  Bücher  wegen,  103  mit 
rhinii   Silbern  Gäbelein. 

2)  Die  im  vers  vereinzelt  vorkommende  form  jhme  (=jhm.  s.  95)  gebraucht 
Engerd  in  der  vorrede  und  den  Vorbemerkungen  widerholt,  z.  b.  s.  9,  67.  Auch 
(larwnben  (z.  b.  s.  82)  findet  sich  im  vorwort  mehrmals  (s.  3,  8,  9). 


386  ENGLEBT 

ist  es  auffallend,  dass  sich  letzterer,  sowol  was  die  zerdehnung  und 
k Urning  von  wortformen  als  auch  besonders  die  anwendung  schwebender 
beton ung  betrifft,  im  ganzen  innerhalb  derselben  grenzen  bewegt  wie 
der  Verfasser  des  Susannadramas1. 

Härtere  Verstösse  gegen  den  prosaischen  accent  sind  bei  Engerd 
wie  bei  Rebhun  sehr  selten.  Tonlose  präfixe  erscheinen  niemals  in  der 
hebung.  Die  Verlegung  des  rhythmischen  accentes  auf  eine  biegungs- 
endung  oder  schwachlautige  nachsilbe  bei  vorangehender  starkbetonter 
silbe  kommt  nur  am  anfang  jambischer  verszeilen  vor,  und  zwar  nur 
zweimal  in  achtsilbigen  versen:  s.  151  u.  154  Tugendt;  zweimal  in  neun- 
silbigen  versen:  s.  28  Denen,  29  Sondern;  einmal  in  einem  viersilbler: 
s.  113  Fliehendt;  neunmal  in  anakreontischen  versen:  s.  15  Edel,  lb 
]}relch<:m,  17,  83,  128  Sondern,  23  Oder,  Pßuel,  53  Ällergeheimsten, 
89  Vnsern.  Von  den  in  anderen  schritten  verstreuten  deutschen  ge- 
dienten Engerds  enthält  keines  eine  derartige  accentverletzung  ausser 
dem  oben  erwähnten  akrostich,  in  welchem  die  worte  Ober)/  und  Nidern 
mit  schwebender  betonung  im  verseingang  vorkommen2. 

Nachsilben,  die  kein  schwachlautiges  e  enthalten,  und  denen  eine 
haupttonige  silbe  vorangeht,  kommen  nicht  bloss  am  anfang,  sondern 
auch  im  innern  des  verses  an  der  hebungssteile  vor,  freilich  sehr  selten. 
Beispiele:  1.  h.  s.  20  (leistlieh,  85  (zweimal)  Reickthümb,  141  Vbüng; 
2.  h.  s.  38  Bossheit,  87  Grechtigkeit ,  144  Frcundtsehäfft ;  3.  h.  s.  45 
(troch.  v.)  elendt. 

In  den  fällen ,  wo  einer  volleren  nachsilbe  eine  endung  mit  schwachem 
e  folgt,  ist  einige  male  die  erstere,  gewöhnlich  jedoch  die  letztere  in 
die  hebung  gerückt.  So  z.  b.  a)  2.  h.  s.  16  Fürstlichen ,  37  kunfftigen, 
54  neiclicher;  b)  2.  h.  s.  16  Fürstlichen,  zoniigem,  ernstlichem,  55 
heilsamen;  4.  h.  s.  48  (troch.  v.)  lieblichen. 

Im  versausgang  kommt  es  nur  einmal  vor,  dass  eine  nachsilbe  in 
die  hebung  tritt,  und  zwar  bei  einem  eigennamen:  s.  50  Herr  Robert 
ron  Stotxingen. 

Häufig  sind  die  fälle,  in  denen  die  zweite  silbe  eines  zusammen- 
gesetzten oder  durch  eine  vorsilbe  abgeleiteten  begriffswortes  der  form 

1)  Auch  ist  es  sicher  nicht  zufall,  dass  sämtliche  in  diesem  drama  vorkom- 
menden aiten  von  reim  paaren  in  Engerds  odenübersetzungen  vertreten  sind.  S.  oben 
al.  2.  3,  5  und  b2,  3,  4,  6. 

2)  Übrigens  ist  diese  betonung  in  beiden  fällen  durch  die  eigentümliche  form 
des  gedichtes  bedingt,  indem  die  worte  „Albrecht  Pfaltzgraf  bei  Rhein  Hertzog  in 
Obern  vnd  Nidern  Bairn  Hochloblicher  Gedechtnus"  auch  die  anfange  der  absätze 
bilden,  aus  deren  anfangsbuchstaben  sie  sich  ergeben. 


F.XGF.RDS    DBEBSETZTJSG   VnX    ATTRPACH,    ODAE    AXA'KF.OXT.  387 

xx  oder  xxx  den  versiktus  auf  sich  zieht.  Beispiele:  1.  h.  s.  23  Mess- 
gwändt,  29  Jungkfrdwen^  33  Auffwerffen;  2.  h.  s.  24  Schatzkammer, 
40  Vordeutung ,  42  (tr.  v.)  abemden,  54  Gottlöss;  4.  h.  s.  49  (tr.  v.) 
anfdng;  5.  h.  s.  102  (tr.  v.)  Hofflent,  133  (tr.  v.)  Andacht.  Auch  in 
der  reirasilbe  begegnet  diese  accentverletzung  häufig,  z.  b.  s.  7  anlegen 
(zweimal),  angeben,  16  viischüldig ,  26  Brustriemen,  29  langmütig,  35 
vorsingen,  38  Geissfussen,  42  (tr.  v.)  abschneiden,  76  Mundholtx. 

Bei  den  hier  in  betracht  kommenden  Wörtern  der  form  xxx  ist 
die  Verschiebung  des  verstons  auf  die  letzte  silbe  sehr  selten.  Die  fol- 
genden fälle  sind  die  einzigen:  2.  h.  s.  52  kunstreichsten,  75  holtseligst, 
SO  Abwesen;  3.  ll.  s.  29  Gottselig.  So  auch  s.  30  (2.  h.)  unschuldigen. 
Auch  eigen n amen  erleiden  gern  accentverschiebung.  So  z.  b.: 
1.  h.  s.  36  Pias.  107  Bacchüm;  2.  h.  s.  7  (tr.  v.)  Aurpdch,  15  Vrbän; 
3.  li.  s.  151  Tandörff. 

Verstösse  gegen  die  natürliche  Satzbetonung  begegnen  ebenso  wie 
bei  anderen  korrekteren  dichtem  des  16.  Jahrhunderts  sehr  häufig.  Neben 
den  auch  heutzutage  wenig  gemiedenen  leichteren  accentverletzungen 
kommt  auch,  zumal  in  kürzeren  versen,  eine  ziemliche  anzahl  von 
härteren  Verschiebungen  des  satztones  vor.  Nur  dem  gröbsten  von 
diesen  Verstössen,  der  betonung  des  artikels  vor  einem  einsilbigen  Sub- 
stantiv, ist  Eugerd  durchaus  aus  dem  wege  gegangen. 
Beispiele:     S.  17     Dass  sie  folgt  alten  Strassen. 

S.  22     Packt  euch  Münch,  Nunnen,  Pfaffen. 

S  24     Vnd  Herrn,  so  nach  Gelt  dürsten. 

S.  37     Da  schön  schwanekt  auff  die  Seiten. 

S.  37     Der  sein  Zung  kau  zwyspalten. 

S.  39     Das  böss  Jar  ist  vero-aniren. 

S.  61     Von  Gott  auffgenommen. 

S.  68     Dass  mich  vnd  mein  Liebe. 

S.  97     Der  sein  Füss,  Händt  vnd  Haupt. 

S.  106  Mir  ist  Rhu  widerfahren. 

S.  134  Derohalben  du  heil  vnd  trewloss  Gesind t. 

S.  147  Ist  Vnlust,  wo  ich  sitz  oder  stehe. 

S.  154  Fürt  ein  blaw  Rad  im  gelben  Feldt. 

S.  154  Solchs  Wappen  durch  das  bläw  Rad  lehrt. 
Hierher  gehören  auch  die  folgenden  groben  fälle  von  enjambement: 

S.  78     Bissher  in  einem  eilten 

Schloss,  meines  Fürsten  wegen. 

S.  115  Mir  solchs  gering 

Tranck  von  eim  frischen  Brunnen  bring. 


.''»SS  ENGLERT 

S.  116  Nicht  ferr 

Wohnt  vnd  sehr  prächtig. 
S.  128  Erbitten,  jhr  zuleisten 

Hulff,  vnd  zugeben  Rhate1. 
Bei  allem  streben  nach  rhythmischer  glätte  räumt  doch  Engerd 
nicht  gründlich  genug  mit  den  mancherlei  freiheiten  auf,  welche  sich 
die  dichter  des  16.  Jahrhunderts  in  bezug  auf  wortbetonung,  wortver- 
stümmelung  und  wortverzerrung  herausnahmen.  Seine  verse  lesen  sich 
weder  sprachlich  noch  rhythmisch  so  fliessend  wie  jene  in  Ringwalts 
„Christlicher  Warnung  des  Trewen  Eckarts"  oder  gar  diejenigen  des 
Opitz.  Jedenfalls  aber  war  Engerd  so  gut  wie  dieser  über  die  Ver- 
schiedenheit des  quantitierenden  und  accentuierenden  Systems  im  klaren. 
In  den  schon  erwähnten  lateinischen  versen  „Ad  Lectorem"  empfiehlt 
der  Verfasser  die  Engerdsche  odenübersetzung  mit  den  worten: 

.  .  .  quem  (librum),  si  tibi  carmina  curae, 
Lector  emas,  relegasque,  simul,  distinguere  versum 
A  rhythmo  ut  possis. 

Das  bedeutet  doch  zweifellos,  „damit  du  den  Unterschied  zwischen 
dem  antiken  silbenmessenden  Vers  und  dem  deutschen  rhythmischen 
Vers  kennen  lernst".     Und  wenn  es  dann  weiter  heisst: 

Nam  veram  hie  edocet  artem; 
Germanamque  tibi,  quae  priscis  floruit  annis, 
Ante  oculos  ponit,  decus  ad  commune,  Poe  sin  — 

so  wird  hier  von  Engerds  versen  gerühmt,  dass  sie  das  für  die  deutsche 
verskunst  einzig  richtige  betonungsgesetz,  welches  in  der  älteren  dich- 
tung  allein  giltigkeit  hatte,  durch  die  später  eingetretene  versverwilde- 
rung  jedoch  in  Vergessenheit  geriet,  wider  zur  geltung  bringen2. 

1)  Andere  weniger  schwere  fälle  von  enjambement  sind  z.  b.  s.  49  0  wie  Selig 
würd  es  seyn  von  Gaben  /  Qott.es,  vnd  sein  Freud  am  Vatter  haben;  s.  71  Egolpho 
dem  von  Knßring,  meinem  j  Patrono,  vnd  zugleich  auch  deinem;  s.  81a  Dein  hüpscher 
Nam  au  ff  deine  I  Natur  sich  reymet  feine;  s.  116  Zu  dieser  kalten  /  Jarsxeit  /  Sein 
Hochzeit  halten.  —  Einmal  kommt  brechung  des  reimworts  vor:  s.  46  Ein  gar  wun- 
der I  Schon s  Gesänge.  —  Auch  zwischen  zwei  Strophen  gestattet  sich  Engerd  zuweilen 
Überführung  des  sinnes,  z.  b.  s.  35  Mir  zuerlangen  Gunstc  /  Bey  meinem  Hoch  Patro- 
nen; s.  37  Da  schon  schwandet  auff  die  Seiten  j  Die  Welt,  vnd  teil  schir  fallen; 
s.  83  Dass  sein  Gewissen  er  auff  dieser  Welt  Mit  Wucher,  oder  mit  dem  Wechsel 
gelt  I  Nicht  darff  beschweren. 

2)  Mit  unrecht  schliesst  Borinski  (Poet.  d.  reu.  s.  39,  z.  8 ff.)  aus  einer  bemer- 
kung  Engerds  in  dessen  schrift  De  Virginis  Partu,  etc.,  Münch.  15S6,  dass  der- 
selbe den  unterschied  zwischen  dem  quantitierenden  und  dem  rhythmischen  System 
nicht  klar  erkannte.  Auf  s.  1  dieser  schrift,  die  eine  Zusammenstellung  von  lateinischen 
Übersetzungen  der  liedstrophe  „Ein  Kindelein  so  löbeleich     Ist  vns  geboren  heute"   iu 


ENGEKDS   ÜBERSETZUNG  VON   ACRPACH,    ODAE   ANACKEOKT.  389 

Es  erübrigt  noch,  einiges  über  den  reim  bei  Engerd  zu  bemerken. 

Von  den  drei  verschiedenen  arten,  in  welche  die  endreime  hin- 
sichtlich der  silbenzabl  zerfallen,  den  stumpfen,  klingenden  und  gleitenden 
reimen,  gebraucht  Engerd  nur  die  beiden  ersten.  Als  weibliche  reime 
verwendet  er  meistens  Wörter  mit  abgeschwächtem  e  in  der  senkungs- 
silbe,  z.  b.  s.  15  Tugendt:  Jugendt,  xulesen:  Wesen,  Hoffgesinde:  ge- 
schwinde; 18  betrachtet:  achtet;  23  her  linder :  Wunder;  26  andern: 
wandern;  48  ivehrest:  verehrest;  52  Handel:  Wandel.  Doch  kommen 
auch  Wörter  mit  vollerem  vokal  in  der  zweiten  reimsilbe  vor,  z.  b. 
s.  16  vngeduldig :  rnschuldig:  17  Beschreibung:  Kurt  \  weilt  reibung;  39 
Podagra:  Chiragra;  40  Maria:  Thalia;  45  neulich:  greulich;  48  Kind  - 
lein:  Mundlein;  52  Catullus:  Tibullus;  140  Piatonis:  Ciceronis.  Ein- 
mal findet  sich  ein  gespaltener  reim:  s.  92  megnstu:  Verueijnstu. 

Dass  Engerd  häufig  ein  stumpf  endigendes  wort  durch  anhängung 
eines  unechten  oder  eines  altertümlichen  e  zur  benützung  im  klingenden 
versausgang  verwendbar  macht,  wurde  bereits  oben  erwähnt.  Umge- 
kehrt stutzt  er  s.  76  deins  gleichen  durch  apokope  des  en  zu  einem 
männlichen  reimwort  zu.  Dagegen  kommen  die  härteren  fälle  der  im 
16.  Jahrhundert  vielfach  angewendeten  synkope  vom  en  und  anderen 
endsilben  in  den  öden  nicht  vor1. 

den  verschiedenartigsten  metren  enthält,  gibt  Engerd  als  erste  Variation  des  themas 
eine  sich  an  das  versmass  der  deutschen  strophe  anlehnende  Übertragung,  welche  be- 
ginnt „Hoc  inelytus  Puer  die  Est  natus  ex  pudica"  und  fügt  zur  erklärung  bei  „Pri- 
mus et  Tertius,  Quintus  et  Sextus  Versus,  in  hac  Ode  ad  metricam  Germanicorum 
Rhythmorum  imitationem  aecomodata.  est  Iambicus,  Archilochius  Dimeter,  Acalec- 
ticus,  Bhythmicus,  quatuor  constans  Iambis;  admixto  interim  locis  imparibus 
Spondeo.  Carminis  hoc  genere,  sed  non  rhythmico,  Princeps  Lyricorum  poetarum 
noster  in  oranibus  fere  Epodon  libri  utitur  Odis;  in  2.  sie:  Üt  piiscä  gens  mörtä- 
liüm*  usw.  Borinski  nimmt  an,  dass  diese  erklärung  sich  ebensogut  auf  die  deutsche 
wie  auf  die  lateinische  strophe  bezieht  und  folgert  aus  der  bemerkung  über  die  an 
ungeraden  versstellen  vorkommenden  spondäen ,  dass  Engerd  keinen  deutlichen  begriff 
von  der  Verschiedenheit  der  antiken  und  deutschen  versbehandlung  hatte.  Nun  be- 
steht aber  gar  kein  grund  vorauszusetzen,  dass  die  metrische  erläuterung  auch  auf 
die  deutschen  verse  bezug  hat.  Vielmehr  sprechen  zwei  gründe  dagegen:  erstens  der 
umstand ,  dass  die  deutsche  strophe  auf  der  dem  ersten  bezifferten  blatt  vorausgehenden 
seite  steht  und  somit  nicht  der  fraglichen  Übertragung  allein,  sondern  sämtlichen  latei- 
nischen fassungen  vorangestellt  ist,  und  zweitens,  dass  auch  die  der  metrischen  er- 
klärung folgende  schematische  darstellung  des  versmasses  nur  der  lateinischen  strophe 
angepasst  ist. 

1)  Sonst  nur  in  den  reimpaaren  s.  122  der  Schrift  „  Preseruatiu ,  Cur  vnnd 
SeelenArtznei"  (s.  oben  s.  378):  Potentatn:  rahtn.  In  den  durchaus  stumpf  ausgehenden 
versen  auf  die  kirche  St.  Salvator  (s.  oben  s.  378  fg.)  sind  die  vorkommenden  Synkopen 
dieser  art  wol  aus  der  ursprünglichen  fassung  herübergenommen. 


390  km;lert 

Rührende  reime  sind  selten:  s.  24  rüsten:  Algoristen;  62  ver- 
achtet :  geachtet;  95  Weisen  :  beweisen;  116  Wolauff;  Merck  auff; 
121  f.  verlieren:  Appellieren;  127  Vipiauus:  Papinianus.  "Wortwider- 
holung  behufs  emphatischer  gegenüberstellung  zeigt  die  letzte  Strophe 
der  9.  ode  (s.  49): 

0  wie  Selig  ward  es  seyn  ron  Gaben 
Oottes,  vnd  sein  Freud  am  Votier  haben! 
0  wie  selig  würd  ich  seyn  von  Gaben 
Gottes,  vnd  mein  Freud  am  Kindlein  haben!1 

Erweiterter  reim  kommt  in  den  öden  nicht  vor2. 

Auf  reinheit  des  reimes  ist  Engerd  nicht  viel  mehr  bedacht  als 
die  meisten  seiner  Zeitgenossen.  Halbreime  oder  blinde  reime  finden 
sich  in  seinen  gedienten  nicht.  Dagegen  sind  unreine  reime  auch  bei 
ihm  nicht  selten.  Beispiele  von  vokalisch  ungenauen  reimen:  s.  15 
geubet:  liebet,  Melodeyen:  vernewen;  17  Sachen:  Sprachen;  20  Zeiten: 
Leuten,  O seilen:  wollen;  33  zeit:  heut;  58  Freundt:  Wolgemeyut;  68 
war: Ehr;  74 gewiss :Fuss.  Konsonantisch,  zum  teil  noch  ausserdem  voka- 
lisch ungenau  sind  z.  b.  die  reime:  s.  19  erreichest :  erzeigest;  30  Kirchen: 
würgen;  35  erzeige:  erreiche;  59  Griechen:  verschwiegen,  Schnarchen: 
Argen;  124  Klug:  Buch;  125  Sag:  nach;  56  frSlieh:  gluckselig.  Diese 
reime  sind  jedoch,  soweit  nicht  auch  ungleiche  vokale  in  betracht 
kommen,  nur  für  das  äuge,  nicht  für  das  ohr  unrein,  da  Engerd  jeden- 
falls das  g  in  erzeigest  usw.  wie  „ch"  aussprach.  Ähnlich  verhält  es 
sich  mit  dem  reim  s.  113  Wassertranck:  lang  (vom  dichter  wol  „lank" 
ausgesprochen).  Auch  die  reimbindung  gills:  Filtz  s.  118  ist  nur  für 
das  äuge  ungenau. 

Von  der  Verwendung  unbetonter  oder  nebentoniger  bestandteile  von 
kompositis  im  reime  war  bereits  oben  die  rede.  Es  sei  noch  bemerkt,  dass 
in  ode  27  der  artikel  den  zweimal  im  reime  auf  Philosophen  vor- 
kommt: s.  113  Vnd  folgen  den  Philosophen,  s.  114  Auch  folge  den 
Philosophen. 

Zum  Schlüsse  teile  ich  zwei  öden  und  das  zweite  gedieht  aus  dem 
anhang  als  proben  von  Engerds  verskunst  und  übersetzungsweise  mit. 
Um  die  vergleichung  mit  der  vorläge  zu  erleichtern,  füge  ich  den  text 
der  lateinischen  Originalgedichte  bei. 

1)  Im  original:  .  .  .  satis  beatus  Erit  meus  puellus:  Ero  satis  beatus  Ego 
pater  puelli. 

2)  Ausserdem  nur  in  den  reiraversen  s.  119  fg.  der  sebrift  „Pr.,  Cur  vnnd  Seelen- 
Artzney":    Vhfldterin:    Vbiquiteterin. 


ENGERDS    ÜBERSETZUNG  VON    AURPACH,    ODAE    ANACKfiONÜ. 


391 


[S.  41.] x  Die  siebende  Ode,  |  Oder  |  Poetisch  Gesang:  |  Von  dem 
absterben  seines  lie-  |  ben  Tochterleins,  Anne  Ma-  |  rien  Aurpachin: 
[Folgt  die  metrische  erklärung.] 

ACH  der  stoltze  Todt  alleine 
Hat  mir  jetzt  mein  Kindlein  Meine, 
Ach  mein  Tochterlein,  genommen, 
Dass  es  nicht  %un  Jaren  kommen. 
[S.  42.]  Wann  es  lenger  hett  genesen, 

Ach  es  iver  allein  geivesen 
Meines  Alters  Trost  vnd  Wonne, 
Hett  geleuchtet,  toie  die  Sonne. 

Wo  die  Parce  nicht  mit  Klage 
Hettn  verkürtzt  sein  junge  Tage, 
Vnd  sein  zarte  schöne  Jugendt 
Jm  missgönnet  auss  Vntugendt: 

Welche  Göttin  einem  jeden, 
Ob  er  gleich  nicht  ivol  zufrieden, 
Sein  bcstimpten  Todt  vnd  Leben 
Täglich  ordnen  xu  vnd  geben: 

Dann  sie  solches  stets  bewegsen, 
Vnd  was  jhnen  gfält,  wegreysen, 
Alls  abernden  vnd  abschneiden, 
Dass  sie  niemandt  kan  vermeiden. 

Also  jhren  frechen  Willen 
Mit  der  Sichel  sie  erfüllen, 
Welche  Stumpff  vnd  Scharpff  sie  machen, 
Nach  Gelegenheit  der  Sachen. 

Ach  es  kondt  vil  Leid  schon  komen, 
'ladt  vnd  Mäm  sein  Eltern  nennen, 
Auch  mit  seinen  Schioestem  schertzen, 
Dies  offt  truckten  an  jhr  Hertzen. 
[S.  43. J  Ach  es  seiner  Mutter  brachte 

Tausendt  Freud t  zu  Tag  vnd  Nachte: 
Ach  es  kondt  mich  frölich  machen 
Mit  dem  wincken,  deuten,  lachen: 

Ach  das  xartlecht  Kindlein  kleine! 
Solches  hat  der  Todt  alleine 


1)  Lateinische  Fassung: 
Infautulam  superba 
Mihi  abstulit  puellam 
Mors,  quae  meae  fuisset 
Solatiuni  seneetae, 
Fatalium  sorores 
Nisi  improbae  colorum 
Uli  suam  invidisseut 


Aetatulam,  ut  rapaces 
Sunt  scilicet,  metuntque, 
Quicquid  übet,  protervae 
Trunca  asperaque  falce. 
Jam  noverat  parentes 
Suos,  suas  sorores: 
Jam  mille  gaudiorum 


392 


Vns  auff  einmal  weggenommen, 
Dass  es  nicht  mag  ividerkommen. 

Derohalben  0  Nachbauren, 
0  jhr  Freundt,  wollt  mir  %um  trauren 
Einen  schwartxen  Mantel  geben, 
Vhnd  ein  schtvartxen  Hut  darneben. 

Ich  beger  nicht,  ach  vnd  leid<r, 
Gulden  Stuck  nid  kostlich  Kleider: 
Es  soll  ferner  auch  mich  Alten 
Nichts  bewegen  noch  auffhalten: 

Weder  Zierde,  Lust  noch  Freude, 
Biss  mir  gar  vergeh  das  Leide, 
Vnd  Vergessenheit  den  Sehmertxen 
Ne/nmen  ivirdt  auss  meinem  Hertxen. 

[S.  73.] l  Die  Fünffzehendt  Ode,  |  Oder  |  Poetisch  Gesang:  |  Zu 
seiner  lieben  Jungfrawen  |  Megillen,  jhr  Zucht  vnd  Schon  |  mit  keuschen 
worten  preysende:     [Folgt  die  metrische  erklärung.] 


[S.  74j 


M 


Egilla  Kart, 
Von  Edler  Art, 
Du  schone  weisse  Bosse: 
Weiss  ist  dein  Hals, 
Schneweiss  ist  als, 
Was  ich  an  dir  seh  blosse. 

Dein  Hertx  ist  tveiss 
Mit  hoJiem  Pregss, 
Licchtfarb  ist  dein   Qem/de: 
Jhr  liebe  Gott 
Vor  aller  Nott 
Dein  weisses  Haupt  behüte. 

Liechtweiss  ist  gar 
Dein  schönes  Har: 
Lichtweiss  sindt  deine  Wangen: 


Matri  suae  ferebat, 
Ac  per  suos  tenella 
Nutus  mihi  iuuuebat, 
Cum  fata  acerba  nobis 
Haec  onmia  abstuleruut. 
Date  ergo  vos  amici 
Nigras  mihi  lacernas, 
Ac  verticem  caputfjue 

1)  Lateinische  Fassung: 
Formose  caudidarum 
Flos  virginum  Megilla, 
Tu  caadidaimiue  meutern, 


Dein  Br  fistle  in  weiss, 
Geschniert  mit  Fleyss, 
Darmit  du  pflegst  xuprangen. 

Weiss  sind  geteiss 
Dein  Hundt  vnd  Fäss, 
Dein  Arm,  vnd  gantxer  Leibe: 
Weiss  bistu  gantx, 
Du  Elirenkrantx, 
Danion  ich  nicht  mehr  schreibe. 

tb)        Tu  kurtxer  Summ, 
Du  bist  ein  Blum 
Der  weyssesten  Jungfrauen, 
Mein  Hertx  mir  lacht, 
Wann  ich  betracht 
Dein  holtseligst  Ansc/iatrcn. 

Pulla  implieäte  vitta: 
Segmenta  non  requiro, 
Nee  ulla  nie  voluptas, 
Nee  ulla  demoraiitur 
Vel  gaudia,  aut  lepores, 
Hunc  donec  auferat  mi 
Oblivio  dolorem. 


Tu  candiduuKjue  pectus, 
Collum,  manus,  papillas, 
Malas,  pedes,  lacertos, 


ENGERDS    ÜBERSETZUNG  VON    AURPACH ,    ODAE    ANACBEONT. 


393 


Was  sols  dann  seyn, 
Megilla  mein, 
Megilla  schone  Docke, 
Dass  du  geziert. 
Wie  solchs  gebürt. 
Mit  ei»/  schneweissen  Rocke? 

Dieweil  dti  nicht 
Dein  tceiss  Gesicht 
Mit  Anstrich  pflegst  xufärben, 
Darmit  offt  fein 
Jungfrä/celein 
Jhr  schön   Gestalt  verderben. 

Tr«s  dir  die  pur 
Vnd  rein  Natur 
Zu  eignon  Glantx  hat  geben  : 
Solch  herrlieh,  Gunst 
Acht  nicht  vmb  sunst, 
Es  xiert  dein  gantxes  heben. 


[S.  76]        Megilla  zart, 
Von  edler  Art, 
Du  allerweissest  Blume, 
Kein  ist  deins  gleich 
Im  gantxen  Reich, 
Du  hast  den  g rösten  Rhume. 

Die  Ross  ist  stoltx 
Mit  dem  Mundhol  tx, 
Her  für  wächst  sie  darunder: 
Dann  weiss  %u  weiss 
Gepflantxt  mit  Fleyss 
Macht  vns  ein  grössers  wunder, 

Diss  neu'  Gesang, 
Mit  schönem  Klang, 
Sey  dir,  feins  Lieb,  gesungen: 
Ich  wünsch  ltiemit, 
Gott  dich  be/i/ff. 


Vnd  wehr  den  falschen  Zungen. 

[S.  145.]1  Ein  anders  Carmen,  |  Oder  |  Poetisch  Gesang:  j  Welches 
von  ofi'twolgenan-  |  teni  Herrn  Cantzler,  Doctor  Johan  |  Aurpach,  eben 
auff  derselben  Reyss,  zu  dem  |  Edlen  vnd  Vesten,  Herrn  Christoph  Nus- 1 
ser,  auch  andern  guten  Freunden,  mit  |  Phalecischen  Verssen  in  Latein  | 


Tu  candidos  capillos 
Habes,  et  illa,  nobis 
Quae  non  queunt  referri 
Salvo  pudore,  membra. 
Quid  est  papaveratis 
Ut  vestibus  tegare, 


Cum  proprio  Megilla 
Sat  fulgeas  nitore? 
0  candidissimarum 
Flos  virginum  Megilla, 
Eideut  niagis  tenellae 
Mixtis  rosae  ligustris. 


Form  und  ton  der  Engerdscben  Übersetzung,  die  das  original  in  wesentlicb 
breiterer  darstellung  widergibt,  sind  im  ganzen  niebt  ungesebickt  an  die  volksdicbtung 
angelebnt.  Das  versmass  war  in  der  älteren  volkstümlichen  liebespoesie  sehr  beliebt. 
Vgl.  z.  b.  Goedeke- Tittmann,  Liederbuch  aus  d.  16.  jh.,  Lpz.  1867,  I,  nr.  29,  30  u.  a.  m. 
Der  von  dem  Übersetzer  hinzugefügte  scbluss  besteht  aus  zwei  im  älteren  volksliede 
sehr  häutig  vorkommenden  formelhaften  Wendungen.  Zu  der  bemerkung  über  die 
falschen  zungen  vgl.  Zs.  d.  ver.  f.  volksk.  bd.  12,  s.  50  ff.  Auch  anderes  erinnert  an 
die  spräche  des  Volksliedes,  so  besonders  die  bezeichnung  der  liebsten  als  „Ehren- 
krantz"  und  „Blume"  (vgl.  z.  b.  Mittler,  D.  Volkslieder  nr.  713)  oder  die  wendung 
„Keins  ist  deins  gleich  Im  gantzen  Reich"  fvgl.  z.  b.  Goedeke -Tittmann,  a.  a.  o.  I,  nr.  17, 
Schluss  der  letzten  strophe:  „Kaum  dein  gestalt  Im  ganzen  reich  wirt  funden  balt") 

1)  Lateinische  Fassung: 


Quae,  Nussere,  putas  tuum  sodalem 
Non  fastidia  ferre,  tristiumerue 
Devorare  molestiarum  acervum? 
Hasce  dum  vagus  exulo  per  oras 
Ab  aris  procul  et  focis,  dum  amore 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE. 


Carae  conjugis  atrpue  liberorum 
Tot  per  hebdomadas  carere  cogor, 
Iners  dum  viduas  cubile  noctes 
Producit  mihi  mense  longiores. 
Quaeris  quid  faciam?  inter  hie  agrestes 
BD.  xxxiv.  26 


w 


394  ENGLERT 

geschrieben  worden:  |  Itzo  aber  durch  obgemeldten  Dol-  |  metscher  Joan 
nem  Engerdum   in  Teutsche  |  Trochaische  Reym   bracht:  |  Auff  solche 
Art,  so  mit  den  Phalecischen  bey  nahe  vbereinstimpt.    [Folgt  das  vers- 

schema^ 

'As  vermeynestu,  0  Edl  vnd  Vester 
Juncker  Nasser,  du  mein  allerbester 
Freundt  vnd  Gönner,  dass  ich  muss  aussstehen 
Nur  für  Vnruh,  vnd  für  vnlust  sehen? 
[S.  146]        Weyl  ich  frembde  bin  in  diesen  Landen, 
Da  kein  Lust  noch  Kurtxweyl  ist  vorhanden, 
Vnd  xuferrn  von  meinem  Haassgesinde, 
Mangel  auch  der  Freuden  meiner  Kinde: 

Vnd  bevorab  meiner  lieben  Frawen, 
Die  ich  gerne  wider  möcht  anschawen: 
Hab  mich  so  vil  Wochen  her  begeben 
Müssen  in  den  WittwenStandt  vnd  Leben. 

Dass  ein  Nacht,  darinn  ich  schlaff  alleine, 
Länger  als  ein  Monat  sey,  ich  meyne. 
Fragstu,  tvas  ich  hie  nur  mach  mit  Trauren, 
Ich  faidentxe  bey  den  groben  Bauren: 

Coetus  agricolarum  et  inter  istas  Benigne»  Supern  m  favore  avitas 

Rusticas  mulierculas  ferorum,  Domi  vivitis  ad  lares,  nee  usquam 

Quorum  est  maxima  turba,  vinitorum  Aut  fastidia,  vel  molestiarum 

Horas  transigo  lentus  otiosas  Quicquam  gaudia  vestra  demoratur. 

A  libris  procul,  et  sacris  Camoenis.  Vobis  caesiolaeque  lusculiieque 

Desunt,  praeeipuum  quod  est,   sodales,  Facetaeque  venustulaeque  Nymphae 

Ae  praesens  hominum  venustiorum  Vestrae  conciliant  meros  amores, 

Conversatio,  collocutiones,  Meras  delicias,  meros  caohinnos, 

Jucundaeque  deambulationes.  Et  meros  lepidissimos  lepores. 

Nee  libet  timidas  fugare  damas,  Hie  mammosa  olus  in  rubiginosa 

Aut  involvere  retibus  volucres.  Apponit  mihi  Thestilis*)  patella: 

Nil  est  bic  lepidnm,  elegans,  venustum,  Hae  sunt  deliciae  meae,  haec  voluptas. 

Nil  est  caudidulum,  bonum,  facetum,         Felices  nimium  mei  sodales, 
Nil  est  quod  juvet,   aut  placere  possit,  0  solem  nivenm,  o  diem  beatnm, 

Sed  plena  omnia  sunt  molestiarum,  Quo  ad  vos  mcolumis  redibo,  et  ista 

Donec  prineipis  expetitus  istum  Perfruar  Superum  benignitate 

Adventus  mihi  leniet  dolorem,  Vobiscum:  interea  mei  sodales 

Cessabit,  reor,  illa  solitudo.  Valete,  et  memores  mei  benigno 

At  vos  quid  facitis  mei  sodales,  Vestra  gaudia  temperate  Baccbo. 

Felices  nimium  mei  sodales,  Cum  Pboebe  semel  aureum  revolvet 

Qui  cum  conjugibusque  liberisque  Currum,  vos  iterum,  ut  reor,  videbo.**) 

*)  Thestylis,  name  einer  magd  in  der  2.  idylle  des  Theokrit. 
**)  In  der  Überschrift  bemerkt  Aurpach,  dass  diese  verse  auf  „derselben"  reise 
verfasst  („in  eodem  itinere  scriptum")  worden  seien.  Doch  ist  in  keinem  der  vor- 
bergebenden  gedichte  von  einer  reise  die  rede.  Vermutlich  standen  die  obigen  verse 
ursprünglich  im  manuskript  des  dichters  hinter  der  wahrscheinlich  zur  selben  zeit  ver- 
fassten,  inhaltlich  ganz  ähnlichen  16.  ode,  in  welcher  der  Verfasser  über  die  Lange- 
weile seines  auienthaltes  auf  einem  alten  schlösse  seines  fürsten  klagt. 


ENGERDS    ÜBERSETZUNG  TON    AURPACH ,    ODAE    AXACREONT.  395 

Die  schir  allzeit  sindt  auff  jhren  ackern, 
Wohn  auch  bey  den  poldrisclien  Weinhdckern, 
Vnd  mit  jhren  schwartzen  bösen  Weihen 
Muss  ich  meine  lange  Weiß  vertreiben. 

Hab  kein  Bücher  auch  mit  mir  genommen: 
Gut  Gesellen  seynt  nicht  zubekommen, 
Dass  ich  könt  mit  jhnen  conuersieren, 
Freundtlich  schwätzen  vnd  auffs  Feld  spatzieren. 

Ick  hob  auch  kein  Lust  zum  Gembssenjagen, 
Thu  nach  Vogelfangen  gar  nichts  fragen. 
Nichts  ist  Lusts  noch  Liebs  allhie  zufinden, 
Bas  mir  mocht  ein  Füncklein  Freud  anzinden: 
[S.  147]        Nichts  ist,  das  mir  kirnt  nid  mocht  gefallen, 
Sondern  ich  in  meinen  Sachen  allen 
Spür  Verdr&ssligkeit,  ico  ich  nur  gehe, 
Ist  Vnlust,  wo  ich  sitz  oder  stehe: 

Biss  meins  Fürsten,  dess  ich  wart  von  Hertxen, 
Zukunfft  mir  ivirt  lindern  solchen  Schmertzen: 
Wolle  Gott,  dass  er  nur  kam  in  eyle, 
Vnd  sich  endet  diese  lange  Weiße. 

Was  thut  aber  jhr,  mein  liebe  Gsellen? 
Ihr  habt  Glück  genug  in  diesen  Fällen, 
Danckt  nur  Gott,  der  solches  euch  gegeben, 
Sitzt  daheym,  vnd  habt  ein  gutes  Leben. 

Wohnt  bey  euren  Weibern  rnnd  bey  Kindern, 
Bie  euch  alle  Sorgen  können  lindern, 
In  den  Häusern ,  so  jhr  habt  ererbet, 
Gar  kein  Vnlust  eure  Freud  verderbet. 

Eure  schone  Nymphe  oder  Bräute 
Mehren  euch  die  Lieb  zu  jeder  Zeite : 
Wineken  euch  mit  jhren  Augen  frölich, 
Röttlich,  weisslich,  bräunlich,  all  holdtselig. 

Dort  bey  euch  ist  lauf  er  schimpf}'  vnd  schertzen, 
Lauter  Huld  vnd  Lieb  der  trewen  Hertxen, 
Lauter  Wollust,  Kurtzweil,  Freud  vnd  Lachen, 
Welchs  euch  eure  freundlich  Bulen  machen. 
[S.  148]        Aber  hie  bringt  in  ein  finster  Stuben, 

In  den  Rusign  Schüsseln  Kraut  vnd  Rüben 
Mir  ein  grossdidtächtig  Bauren  Gr ad el: 
Das  ist  hie  mein  Lust  vnd  Speiss  so  edel. 

0  ivie  seyt  jhr  nur  in  diesen  Fällen 
So  glückselig,  meine  liebe  Gsellen? 
O  der  selig  Tag,   0  lichte  Sonne, 
Welche  mir  soll  bringen  Freud  vnd  Wonne! 

Wann  ich  uiderumb  auss  Gottes  Gnaden, 
Heym  zu  euch  werd  kommen  ohne  Schaden, 
Vnd  sampt  euch  dergleiclien  Freud  geniessen, 
Die  mir  zur  Gesundtheit  wirdt  erspriessen. 

26 ' 


390 


Last  hiexwischen  euch  gut  Wein  cinscltencken, 
Trinekt,  lebt  wol,  thut  mein  darbey  gedencken, 
Wie  ich  hoff,  xu  euch,  mein  lieben  Brüder. 
Wil  ich  nach  ein  Monat  kommen  wider. 

MÜNCHEN.  J.    ENGLERT. 


WILHELM  HERTZ.1 

Wilhelm  Hertz  wurde  am  24.  sept.  1835  in  Stuttgart  als  söhn  eines  landschafts- 
gärtners  geboren.  Seine  mutter  starb,  als  sie  ilrm  das  leben  gab,  den  vater  verlor 
derknabe,  als  er  eben  erst  sechs  jähre  alt  geworden  war.  Zwei  wundervolle  gedichte 
(vgl.  Ges.  dichtungen  s.  42  und  62)  widmete  Hertz  dem  andenken  der  eitern.  Der 
verwaiste  knabe  wurde  im  hause  seiner  grossmutter  väterlicher  seits  erzogen.  Er 
durchlief  die  ersten  sieben  klassen  der  realschule  zu  Stuttgart.  Mit  16  jähren  kam 
er  auf  den  Bergheimer  hof  bei  der  Solitude  um  die  Landwirtschaft  zu  lernen.  In  der 
lieblichen  naturumgebung  entstanden  die  ersten  dichterischen  versuche,  dramatische 
märchenspiele.  Für  die  Wirtschaft  selbst  zeigte  Hertz  wenig  neigung,  er  kam  daher 
bald  nach  Stuttgart  zurück,  besuchte  das  obergymnasium  und  gieng  1855  nach 
Tübingen,  um  philosophie  und  ästhetik  zu  studieren.  Bei  Köstlin,  Holland,  A.Keller 
hörte  er  Vorlesungen  und  trat  in  persönliche  beziehung  zu  Unland,  dessen  Vorbild 
seine  eigne  forschung  bestimmte.  Neben  dem  studium,  das  er  nach  drei  jähren  mit 
einer  ungedruckten  doktorschrift  „Über  die  epischen  dichtungen  der  Engländer  im 
mittelalter  "  abschloss,  entfaltete  er  eine  rege  dichterische  tätigkeit,  die  wir  aus  der 
Sammlung  von  gedichten  (1859),  wovon  die  gesammelten  dichtungen  1900  nur  eine 
auswahl  geben,  kennen  lernen.  Die  prächtigen  bailaden  und  romanzen  aus  deutscher 
und  nordischer  sage  zeigen  den  schüler  Uldands.  Auch  ein  ungedrucktes  drama  ent- 
stand damals,  Ezzelin,  veranlasst  durch  den  1856  von  könig  Max  in  München  aus- 
geschriebenen preis.  Der  Ezzelin  fand  nur  die  lobende  anerkennung  der  preisrichter. 
Von  mai  bis  august  1859  war  Hertz  während  der  kriegsbereitschaft  des  "Württem- 
bergischen heeres  leutnant  in  Stuttgart.  Im  herbst  1859  siedelte  er  nach  München  über 
und  trat  in  den  von  könig  Max  begründeten  dichterkreis  ein.  Obwol  ihn  mit  den 
München ern,  besonders  Heyse  und  Geibel,  innige  freundschaft  verband,  blieb  er  im 
dichten  und  denken  doch  ganz  eigenartig  und  selbständig.  Höchstens  äusserlichkeiten, 
die  grosse  auf  die  form  verwandte  Sorgfalt,  die  seine  dichtungen  auszeichnet,  mögen 
im  verkehr  mit  den  Münchenern  sich  vervollkommnet  haben.  Die  richtung  seines 
geistigen  Schaffens  war  aber  von  Uhland  in  feste  bahnen  gewiesen  worden.  Und 
auf  diesem  grund  erwuchs  der  dichter  und  forscher.  42  jähre  lebte  und  wirkte 
Hertz  in  München.  In  den  60  er  jähren  machte  er  Studienreisen  nach  England, 
Frankreich  und  Italien.  Immer  mehr  trat  die  gelehrte  forschung  in  den  Vordergrund : 
germanische  und  romanische  sagenkunde.  Konrad  Hofmanns  einfluss  war  neben  dem 
Unlands  für  die  Vereinigung  altdeutscher  und  altfranzösischer  Studien  maassgebend. 
1862  wurde  Hertz  privatdozent  für  deutsche  spräche  und  litteratur  an  der  Münchener 
hochschule.  1869  wurde  er  ausserordentlicher,  1878  ordentlicher  professor  an  der 
technischen    hochschule,    1885    ausserordentliches,    1890    ordentliches   mitglied    der 

1)  Vgl.  Allgemeine  zeitung  1902  beilage  nr.  20  und  48;  ferner  meinen  nach- 
ruf  in  Qbergs  Neuen  Jahrbüchern  1902,  I,  298  fgg.  und  E.  Weltrich,  AV.  Hertz. 
Stuttgart  1902. 


WILHELM    HERTZ  397 

akadeniie  der  Wissenschaften,  1892  ritter  des  Maximiliansordens,  1900  des  bayerischen 
Verdienstordens.  Hertz  lebte  28  jähre  in  glücklicher,  kinderloser  ehe.  Ein  heftiger 
auf  all  einer  tiefen,  organischen  magenkrankheit  setzte  nach  kurzem  schwerem  leiden 
am  abend  des  7.  januar  1902  seinem  leben  ein  ende. 

Hertz  vereinigte  in  glücklichster  weise  den  dichter  und  gelehrten  ganz  so  wie 
Unland.  Sein  schaffen  wird  durch  diese  doppelte  Veranlagung  nicht  zerstreut,  viel- 
mehr nach  einem  bestimmten  ziele  hin  gesammelt  und  nach  beiden  Seiten  hin  mächtig 
gefördert.  Höchstes  glück  ist  eine  solche  echt  künstlerische,  durchaus  einheitliche 
und  in  sich  abgeschlossene  und  vollkommene  persönlichkeit.  Der  dichter  lenkt  den 
forscher,  der  forscher  den  dichter.  "Was  minderbegabten  zum  unheil  wird,  erscheint 
in  seltenen  ausnahmefällen  als  besonders  glückliche  fügung.  Hertz  durfte  sich  seine 
lebensarbeit  ganz  nach  innerer  neigung  gestalten.  Daher  die  Sicherheit,  ruhe  und 
reife,  die  wir  in  allen  seinen  leistungen  bewundern.  Sein  arbeitsgebiet  ist  nicht  sehr 
umfangreich,  aber  er  beherrscht  es  innerhalb  der  gesteckten  grenzen  gründlich. 
Formwissenschaftliche  Studien,  grammatik  und  metrik,  textkritik  lagen  ihm  ebenso 
fern  wie  Uhland.  Auch  die  neuere  deutsche  litteratur  behandelte  Hertz  niemals. 
Vergleichende  germanische ,  romanische,  zuletzt  auch  morgenländische  sagengeschichte 
waren  neben  der  Übersetzung  aus  dem  altdeutschen  und  altfranzösischen  seine  lieblings- 
beschäftigung.  Bei  solchen  Untersuchungen  verfuhr  Hertz  mit  höchster  umsieht  und 
gründlichkeit,  gestützt  auf  seine  eigene  sehr  umfangreiche  und  gewählte  bücherei 
und  auf  die  beiden  grofsen  Münchener  bibliotheken,  die  er  fast  täglich  besuchte.  So 
gibt  er  eine  in  bibliographischer  hinsieht  fast  erschöpfende  darstellung  des  gewählten 
gegenständes,  dessen  geschichte  er  feinfühlig  und  scharfsinnig  behandelt.  Seine 
schritten  zerfallen  in  drei  gruppen:  dichtungen,  bearbeitungen ,  abhandlungen.  In 
den  abhandlungen  spricht  nur  der  gelehrte,  der  entweder  in  gerneinf asslicher  form 
einem  weiteren  hörerkreise  die  ergebnisse  der  forschung  vorträgt  oder  den  fach- 
genossen seine  oft  recht  mühsamen  und  ungemein  fleissigen  Studien  vorlegt.  In  den 
dichtungen,  soweit  sie  die  sage  betreffen,  und  in  den  bearbeitungen  wirkt  der  dichter 
in  schönem,  erspriesslichem  bund  mit  dem  gelehrten  zusammen. 

Auf  die  dichtungen  kann  hier  im  einzelnen  nicht  näher  eingegangen  werden. 
Der  stattliche  sammelband  vereinigt  die  bailaden,  romanzen  und  kleinen  epen  jetzt 
bequem.  Lanzelot  und  Ginevra  scheint  mir  deshalb  besonders  wichtig  und  wertvoll, 
weil  Hertz  seine  ziemlich  freie  nachdichtung  in  anläge  und  Stimmung  dem  Tristan 
nachbildet  und  damit  die  erzählung  sehr  vertieft.  Im  Hugdietrich  ist  mit  glücklichem 
humor  die  spielmannsweise  getroffen.  Im  Bruder  Eausch  seh  ich  eine  der  köstlichsten 
bluten  deutscher  volkssage.  Für  schalkhaften  humor  wie  für  minnelust  und  leid 
findet  der  dichter  den  rechten  herzergreifenden  ton.  Die  schildereien  sind  anschau- 
lich und  lebendig,  spräche,  reim  und  rhythmus  fein  und  fliessend  und  stets  der 
Stimmung  angepasst.  Dabei  zeichnet  sich  Hertz  vor  den  mittelalterlichen  erzählern 
durch  die  wirkungsvoll  kurze  fassung  seiner  reimgedichte  aus,  in  denen  keine  länge, 
keine  abschweifung  vorkommt,  die  in  ihrer  gedrängten  form  den  leser  durchweg 
fesseln.  Da  ist  jedes  wort  an  seinem  rechten  platz,  keins  zuviel  und  keins  zuwenig. 
Als  dichter  unterscheidet  sich  übrigens  Hertz  mit  seiner  oft  glühenden  leidenschaft 
merklich  von  Unlands  leidenschaftsloser  sinniger  ruhe.  Darum  war  er  aber  auch 
vor  allen  für  liebesmähren  geschaffen  und  erreicht  als  Tristandichter  den  höhepunkt 
seines  Schaffens. 

In  den  bearbeitungen  kommt  der  gelehrte  dem  dichter  ebenso  gut  zu  statten. 
Wenn  die  neudichtungen  dort,  wo  Hertz   eignes  bringt,   streng  im  mittelalterlichen 


398  UOLTHER 

stile  bleiben,  so  bedarf  auch  der  bearbeiter  feinen  stil-  und  Sprachgefühls.  Er  muss 
sich  vor  der  unschönen  mischsprache  hüten,  wie  sie  bei  Simrock  sich  breit  macht, 
und  er  muss  zu  kürzen  verstehen,  doch  so  dass  nichts  wesentliches  verloren  geht. 
Es  gilt  dem  modernen  leser  einen  möglichst  reinen  und  frischen  eindruck  vom  alten 
gedieht  zu  gewähren,  dessen  unvergänglichen  gehalt  der  gegenwart  zu  unmittelbarem 
genuss  zu  retten.  Nur  eine  ganz  seltene  Vereinigung  wissenschaftlicher  kenntnisse 
und  dichterischen  Vermögens  befähigt  zu  solcher  aufgäbe,  die  Hertz  mit  allbekannter 
und  vielgerühmter  meisterschaft  in  ganz  einziger  weise  glänzend  löste.  Ich  verweise 
auf  den  im  Litterarischen  echo  II,  1900  nr.  9  erschienenen  aufsatz  von  Schönbach 
über  Wilhelm  Hertz  als  Übersetzer.  Am  besten  gelangen  die  bearbeitungen  der 
altfrz.  novellen  im  Spielmannsbuch  und  der  Tristan.  Im  Spielmannsbuch,  Tristan  und 
Parzival  kommt  aber  auch  der  gelehrte  zur  geltung.  Die  überaus  reichhaltigen  ein- 
leitungen  und  anmerkungen  enthalten  einen  vorzüglichen  sachkommentar,  worin  die 
ergebnisse  der  forschung  fleissig  gesammelt,  gesichtet  und  mit  mannigfachen  eignen 
Zusätzen  vermehrt  und  weitergeführt  sind. 

Unter  den  gelehrten  schritten  sind  einige  vortrage  zu  erwähnen:  Über  den 
ritterlichen  f rauendienst ,  Die  walküren,  Deutsche  sage  im  Elsass,  Nibelungensage, 
Parzival  und  Oral,  Beowulf,  von  denen  die  Deutsche  sage  im  Elsass  ein  umfang- 
reiches buch  mit  gelehrten  noten  ward.  In  seiner  habüitationsschrift  über  den 
"Werwolf  (1862)  zeigte  Hertz  zuerst  seine  wissenschaftliche  befäliigung  für  ver- 
gleichende sagenforschung.  Mit  den  „  Rätseln  der  königin  von  Saba"  (1883)  be- 
handelte er  eine  tief  in  die  morgenländischen  quellen  einführende  sage.  Über 
Aristoteles  im  mittelalter  plante  Hertz  ein  grosses  buch  ähnlich  Comparettis  Vergib 
Aristoteles  selbst,  der  die  typischen  züge  des  weisen  erziehers  und  beraters  annahm, 
hat  freilich  keine  eigentliche  sage.  Doch  ist  er  mit  verschiedenen  an  sich  selb- 
ständigen sagen  z.  b.  mit  Alexanders  fahrt  zum  Paradies  und  mit  der  Geschichte 
vom  giftmädchen  lose  verknüpft.  Als  Vorstudien  veröffentlichte  Hertz  drei  akade- 
mische abhandlungen.  Sehr  hübsch  ist  der  aufsatz  über  den  namen  Lorelei  (1886), 
wo  Hertz  die  etyrnologie  aus  mhd.  lür  =  elbisches  wesen  und  leie  =  i eisen,  also 
elbenfelsen  aufstellte  und  nachwies,  wie  die  romantikerden  Ortsnamen  als  Personen- 
namen missverstanden. 

Endlich  hielt  er  auf  Konrad  Hofmann  die  akademische  gedächtnisrede,  die 
die  persönlichkeit  Hofmanns  und  seine  wissenschaftlichen  leistungen  sehr  treffend 
schildert. 

Hertz  konnte  mit  rücksicht  auf  seine  zuhörer  in  der  allgemeinen  abteilung  des 
Polytechnikums  seine  Vorlesungen  nicht  in  dem  sinn  zu  wissenschaftlicher  forschung 
und  Übung  gestalten,  wie  es  an  einer  Universität  möglich  gewesen  wäre. 

An  der  hochschule  las  Hertz  als  privatdozent  über  Walther  von  der  Vogel- 
weide,  Tristan  und  Parzival,  Nibelungenlied  und  Gudrun,  Höfische  epik  und  helden- 
sage,  Beowulf,  Gotische,  angelsächsische  und  historische  deutsche  grammatik;  an  der 
technischen  hochschule  als  professor  über  Deutsche  und  allgemeine  litteraturgeschichte, 
Walther,  Nibelungenlied,  Tristan,  Deutsche  mythologie  und  heldensage,  Deutsche 
grammatik.  Die  neuere  deutsche  und  allgemeine  litteratur  überliess  er  bald  jüngeren 
amtsgenossen  und  beschränkte  seine  litterarische  Vorlesung  aufs  mittelalter.  Alt- 
deutsche Sprachübungen  und  texterklärungen  konnte  er  nur  selten  mit  einigen  lehr- 
amtskandidaten  abhalten.  Aus  seinen  vortragen  wird  insbesondere  die  feine  auswahl 
und  ühortragung,  die  er  den  zuhörern  als  textproben  darbot,  gerühmt. 


WILHELM    HERTZ  399 

Nach  dem  riicktritt  von  Michael  Bernays  bot  sich  für  Hertz  noch  einmal 
gelegenheit,  zur  hochschiüe  zurückzukehren.  Doch  es  war  zu  spät.  Er  trug  be- 
denken, in  vorgerücktem  alter  in  das  gebiet  der  neuen  litteraturgeschichte ,  das  er 
in  seinen  Vorlesungen  z\i  behandeln  gehabt  hätte ,  zu  diesem  zwecke  sich  einzuarbeiten. 
Der  herrlichkeit  mittelalterlicher  sage  war  und  blieb  er  treulich  zugetan. 

"Wilhelm  Hertz  war  ein  stiller  sinniger  mann,  der  am  liebsten  in  ruhiger  be- 
schaulichkeit  und  häuslicher  zurückgezogenheit  dahin  lebte.  Er  war  im  ganzen  nicht 
gesprächig  und  taute  nur  langsam  im  gemütlichen  freundeskreise  auf.  Jede  geräusch- 
volle öffentlichkeit  war  seiner  bescheidenen  anspruchslosen  art  zuwider.  Aber  er  war 
von  grosser  herzensgute  und  hielt  treue  freundschaft.  "Wie  liebevoll  und  freund- 
schaftlich er  jüngeren  fachgenossen  entgegenkam  und  sie  zu  fördern  suchte,  durfte 
ich  selbst  erfahren.  Die  letzten  sommer  verbrachte  er  auf  seinem  kleinen  landhause 
über  Ammerland  am  "Würmsee.  Auch  dort  lebte  er,  von  seinen  büchern  umgeben, 
im  anblick  des  königlichen  sees  und  der  blauen  berge  seiner  arbeit.  Dort  durfte  ich 
den  teuren,  unvergesslichen  mann  im  September  1901  zum  letzten  male  begrüssen. 
Er  war  gerade  mit  der  dritten  aufläge  des  Tristan  beschäftigt  und  verglich  sich 
scherzend  dem  bauern,  der  endlich  nach  jahrelangem  mühen  seine  ernte  einheimst. 
Er  hat  auch  innige  liebe  und  Verehrung  geerntet  von  allen  denen,   die  ihn  kannten. 

Verzeichnis    der   Schriften. 

I.  Dichtungen: 
Gedichte.     Hamburg  1859. 

Lanzelot  und   Ginevra,  ein  episches  gedieht  in  10  gesängen.     Hamburg  1860. 
Hugdietrichs   brautfahrt,   ein   episches  gedieht.     Stuttgart  1863.     3.  aufl.  1880. 

Prachtausgabe  mit  bildern  von  A.  v.  Werner.     Stuttgart  o.  j. 
Heinrich  von  Schwaben,  eine  deutsche  kaisersage.    Stuttgart  1867.    2.  aufl.  1868. 
Bruder  Rausch,  ein  klostermärchen.     Stuttgart  1882.     4.  aufl.  1902. 
Gesammelte  dichtungen.     Stuttgart  1900. 

IL    Bearbeitungen: 

Das  Rolandslied,  das  älteste  französische  epos.     Stuttgart  1861. 

Marie  de  France,  poetische  erzählungen  nach  altbretonischen  liebessagen.  Stutt- 
gart 1862. 

Aucassin  und  Nicolette,  ein  altfranzösischer  roman.    "Wien  1865. 

Tristan  und  Isolde  von  Gottfried  von  Strassburg,  neubearbeitet  und  nach  den 
altfranzösischen  Tristanfragmenten  des  Trouvere  Thomas  ergänzt.  Stuttgart  1877. 
3.  aufl.  1901. 

Beowulfs  kämpf  mit  dem  drachen,  aus  dem  Angelsächsischen,  im  Schwab. 
dichterbuch  hrsg.  von  Paulus  u.  "Weitbrecht.     Stuttgart  1883 ,  85. 

Spielmannsbuch,  novellen  in  versen  aus  dem  12.  und  13.  jhd.  Stuttgart  1886. 
2.  aufl.  1900. 

Parzival  von  "Wolfram  von  Eschenbach.     Stuttgart  1898.     2.  aufl.  1902. 

III.    Gelehrte   Schriften: 
Der  "Werwolf,  beitrag  zur  sagengeschichte.     Stuttgart  1862. 
Über  den  ritterlichen  frauendienst  im  „Heimgarten"  hrsg.  von  Herrn.  Schmid. 

München  1864.     Nr.  689,  700,  721. 
Die  "Walküren  im  morgenblatt  der  Bayer,  zeitung  1866,  nr.  114,  116,  117. 


400  KAÜFFMANX 

Deutsche  sage  im  Elsas*.     Stuttgart  1872. 

Die  Nibelungensage.    Vortrag.     Berlin  1877. 

Die  sage  von  Parzival  und  vom  Gral  in  Nord  und  süd,  juli  1881.  Sonder- 
ansgabe Breslau  1882.     Neudruck  im  Parzival  1898. 

Die  rätsei  der  königin  von  Saba,  Zeitschrift  f.  d.  altertum  27,  1883,  s.  1 — 33. 

Beowulf.    Vortrag.    Nord  und  süd,  mai  1884. 

Mythologie  der  Schwäbischen  volkssagen.  (Das  Königreich.  Württemberg,  eine 
beschreibung  von  land,  volk  und  staat  hrsg.  vom  König!,  statist.  topographischen 
bureau  II,  1,  130.     Stuttgart  1884). 

Der  Maigraf,  Gartenlaube  1884,  nr.  22. 

Die  Hexen  probe,  Gartenlaube  1884,  nr.  52. 

Mörikes  Feuerreiter,  Gartenlaube  1888,  nr.  12. 

Über  den  namen  Lorelei,  in  den  Sitzungsberichten  der  Münchener  akademie 
1886,  II,217fgg. 

Aristoteles  in  den  Alexanderdichtungen  des  mittelalters,  in  den  Abhand- 
lungen der  Münchener  akademie  I,  XIX,  I   1890. 

Gedächtnisrede  auf  Konrad  Hofmann.     München  1892. 

Die  sage  vom  giftmädchen,  in  den  Abhandlungen  der  Münchener  akademie 
I,  XX,  I   1893. 

Aristoteles  bei  den  Parsen,  in  den  Sitzungsberichten  der  Münchener  akademie 
1899,  H,475fgg. 

Buch  er  anzeigen  schrieb  Hertz  für  die  Allgemeine  zeitung  1881,  beilage  nr.  338/9 
und  fürs  Literaturblatt  für  gerrn.  und  rom.  philologie  1883,  nr.  3  und  nr.  7, 
1887  nr.  9. 

ROSTOCK.  WOLFGANG    GOLTHER. 


LITTEEATUK. 


Briefe  aus  der  frühzeit  der  deutschen  philologie  an  Georg  Friedrich  Benecke 
mit  anmerkungen  begleitet  und  herausgegeben  von  dr.  Rudolf  Baier.  Leipzig, 
Dieterichsche  buchhandlung  1901.     X,  173  s.     3,60  m. 

Mit  der  erwerbung  der  bibliothek  Benecke's  ist  auch  der  grösste  teil  (73)  der 
hier  veröffentlichten  briefe  in  den  besitz  der  ratsbibliothek  zu  Stralsund  gelangt; 
acht  weitere  schreiben  hat  der  herausgeber  von  familienangehörigen  erhalten.  Die 
drucklegung  ist  durch  A.  Leitzmann  vermittelt  worden,  von  dem  nicht  bloss  der  titel 
sondern  auch  die  in  den  anmerkungen  untergebrachten  litteraturnachweise  herrühren. 
Eine  hübsche  gesamtcharakteristik  der  correspondenz  hat  Baier  im  vorwort  s.  IVfgg. 
gegeben,  so  kann  ich  mich  darauf  beschränken,  mitzuteilen,  dass  die  briefe  vom 
27.  februar  1810  bis  zum  20.  Januar  1844  sich  erstrecken,  dass  von  Graff  5,  von 
.!.  Grimm  8,  von  ~W.  Grimm  6,  von  M.  Haupt  8,  von  Lassberg  10  und  von  Lach- 
mann 11  schreiben  herrühren.  Ausserdem  befinden  sich  in  der  Sammlung  briefe  von 
Arnswaldt,  Bergmann,  Eschenburg,  Grote,  Hahn,  Hoffmann  von  Fallersleben,  Lappen- 
berg, Leo,  Mone,  Primisser,  Kenner,  Schmeller,  "Wackernagel  u.  a. 

Sachlich  sind  die  briefe  nicht  von  erheblicher  bedeutung,  doch  wird  man  die 
äusserungen  Lachmanns  nicht  unberücksichtigt  lassen  dürfen.  Zwar  findet  der  brief 
vom  24.  november  1822  (Germ.  17,  115)  in  unserer  Sammlung  kein  gegenstück, 
aber  no.  41  (vom  7.  juni  1826)   beleuchtet  in  bemerkenswerter  weise  das  Verhältnis 


VBT.R  BAIER,  BRIEFE  AUS  DER  FRÜHZEIT  DER  DEUTSCHEN  PHILOLOGIE  401 

Lachmanns  zu  A.  "W.  von  Schlegel.  Im  ganzen  nehmen  wir  dankbar  diese  schlichten 
Urkunden  einer  uns  allen  teuren  gelehrtengeneration  entgegen.  Die  anmerkungen 
hätten  vielleicht  in  mehrfacher  hinsieht  gekürzt  werden  dürfen,  den  benutzein  ist 
aber  zweifellos  damit  ein  dienst  erwiesen,  dass  auf  die  vielfältigsten  anspielungen, 
die  in  den  briefen  begegnen,  mit  ernst  und  hebe  eingegangen  worden  ist. 

Das  hauptsächlichste  desiderium  bleibt,  dass  die  Sammlung  doch  nur  ein  bruch- 
stück  bietet,  dass  die  herausgeber  vielleicht  das  eine  oder  andere  stück  hätten  bei- 
bringen können,  wenn  sie  ihre  recherchen  in  grösserem  umfang  angestellt  hätten. 

Durch  das  liebenswürdige  anerbieten  der  frau  Oberlandesgerichtspräsident 
ßeseler  in  Kiel  sind  wir  in  die  angenehme  läge  versetzt  worden,  die  edition  Baiers 
zu  ergänzen  und  an  dieser  stelle  acht  briefe  Benecke's  an  den  vater  der  gütigen 
Spenderin,  Moritz  Haupt,  gerichtet,  zu  veröffentlichen.  Es  sei  uns  gestattet,  mit 
öffentlicher  danksagung  diese  einführenden  worte  zu  beschliessen. 

1.  Göttingen,  Sept.  8.  1839. 
Hochgeehrter  Herr  Professor, 

Sie  haben  die  gute  gehabt,  mir  im  namen  des  Hn  Bergmann  den  u Meyer 
Helmbreht"  zu  übersenden.1  Ich  danke  Ihnen  dafür  gehorsamst,  erlaube  mir  aber 
zugleich,  da  ich  Hn  Bergmann  nicht  genauer  kenne,  Sie  zu  bitten,  ihm  meinen 
besten  dank  für  sein  geschenk  abzustatten. 

Es  freut  mich,  dass  dieses  gedieht  durch  den  abdruck  zugänglicher  geworden 
ist,  und  ich  lasse  daher  einige  zugaben  ungerügt. 

'Was  Ihren  Erec  betrifft,  so  halte  ich  Sie  bey  dem  worte  und  erwarte  den- 
selben mit  grosser  begierde.  Lachmann,  den  ich  vorige  woche  in  meinem  hause  zu 
beherbergen  die  freude  hatte,  ist  gestern  abend  abgereiset,  um  nach  Fulda  und  an 
den  Rhein  zu  gehen,  hat  mir  früher  so  viel  gutes  von  Ihrem  buche  gesagt,  aber  so 
dass  ich  glauben  musste,  es  sey  bereits  gedruckt,  und  in  dieser  Voraussetzung  mich 
allenthalben  darnach  erkundigte. 

Wenn  Sie  an  Ihren  vater  schreiben,  so  haben  Sie  die  gute  ihn  herzlich  von 
mir  zu  grüssen. 

Ich  empfehle  mich  Ihnen  hochachtungsvoll  und  gehorsamst, 

Benecke. 
Adr.:  Herrn  Professor  Haupt 
D.  G.  Leipzig. 

2.  Göttingen,  Jan.  19.  1840. 
Herzlichen  dank,  mein  verehrter  freund,   für  Ihren  brief  vom  8.  d.  m.  und 

für  den  „guoten  Gerhard".2  Gut  nenne  ich  diesen  in  hinsieht  auf  ihn  selbst,  in 
hinsieht  auf  Euodolf,  in  hinsieht  auf  Haupt,  Soter.  Ich  hatte  das  büchlein  kaum 
aufgemacht,  so  wurde  es  auch  in  ein  paar  abenden  durchlaufen:  mit  müsse  —  von 
der  mir,  leider,  wenig  zu  theil  wird  —  durchgelesen  soll  es  jetzt  erst  werden. 
Lachmann  schreibt  mir,  er  habe  von  Ihnen  meine  bemerkungen  zu  Erec  [mit]3 
einigen  Zusätzen  erhalten.  Darf  ich  auch  mir  diese  zusätze  gelegentlich  von  Ihnen 
ausbitten y  —  Die  herbstreise  ist  Lachmann  so  gut  bekommen,  dass  er  seit  jähren 
sich  nicht  so  gut  befunden  hat,  als  diesen  winter,  Schneidewin  dagegen  ist  ernstlich 
krank  gewesen,  jetzt  aber,  wie  ich  höre  auf  der  besserung. 

1)  Ygl.  bei  Baier  no.  62  (s.  93);  betreffs  des  Erec  verweise  ich  auf  Baier  no.  63. 

2)  Ygl.  Baier  no.  65  (s.  95). 

3)  Am  rand  ausgerissen. 


402  KATJFFMANN 

So  viel  für  heute.  —  Gott  segne  Sie!  —  Bleiben   Sie  ferner  meiner  freund- 
lich eingedenk.  Benecke. 
Adr.:  Herrn  Professor  Haupt 

Leipzig. 

3.  Göttingen,  Novemb.  24.  1840. 
Ich  überschicke   Ihnen,  mein  verehrter  freund,  hierbey  die  erste  hälfte  der 

abhandlung  die  Sie  für  die  neue  Zeitschrift1  von  mir  verlangt  haben.  Die  zweyte 
hälfte  soll  spätestens  in  acht  tagen  folgen. 

Ich  habe  so  viel  zu  thun,  dass  ich  nicht  weiss  wo  mir  der  köpf  steht:  um 
so  mehr  muss  ich  Ihrer  Correctur  den  kleinen  aufsatz  empfehlen. 

Gott  segne  Sie!  Benecke. 

4.  Göttingen,  Nov.  29.  1840. 
Sie  erhalten  hierbey,  mein  hochgeschätzter  freund,  meinem  versprechen  gemäss, 

den  schluss  des  aufsatzes  über  ein  Wörterbuch  für  leser  mittelhochdeutscher  Schriften. 
Möge  es  Ihrem  wünsche  entsprechen.2 

An  dem  Stoffe  des  aufsatzes  ist  zwar  seit  jähren  gesammelt;  aber  der  aus- 
arbeitung  konnte  ich  leider  nur  wenige  stunden  widmen. 

Mehren  und  beßern  Sie,  nach  Ihrem  gutdünken,  oder  schicken  Sie  mir  bey 
gelegenheit,  die  blätter  ungedruckt  zurück,  als  tunschlag  Ihrer  „Überraschung"  die 
Sie  mir  angekündigt  haben. 

Ich  habe  Ihnen  schon  in  meinem  letzten,  dem  vollworte  'ich  lise'  beygelegten 
zettelchen  gesagt,  dass  ich  über  köpf  und  obren  in  verdriesslichen  arbeiten  stecke, 
von  denen  mich  —  wenn  nicht  früher  der  tod  —  nur  das  ende  des  Jahres  1841 
erlösen  kann. 

Bedaueren  Sie  mich  und  trösten  Sie  mich  durch  Ihr  wohlwollendes  freund- 
schaftliches andenken. 

Die  bücher,  welche  Sie  von  der  hiesigen  bibliothek  verlangten,  haben  Sie 
doch  längst  erhalten? 

Mit  der  aufrichtigsten  hochachtuug  Ihr 

ergebenster  freund, 

N.  S.  Benecke. 

Zu  dem  beyscblusse  dieses  paketchens  hat  sich  Hr  Müller,  einer  der  Acces- 
sisten  auf  unserer  bibliothek,  erboten.  Verursacht  es  Ibnen  eine  ausluge,  so  haben 
Sie  ja  die  gute  mir  dieselbe  zu  melden:  ich  werde  nicht  verfehlen  sie  Ihnen  sogleich 
erstatten  zu  lassen. 

5.  Göttingen,  Apr.  19.  1841. 
Empfangen  Sie,  hochverehrter  freund,  meinen  herzlichsten  dank  für  das  vorige 

woche  von  Ihnen  erhaltene  packet.  Ich  war  sehr  besorgt,  Sie  möchten  unwohl  seyn, 
und  hatte  meine  besorgnis  sogar  in  einem  briefe  an  Lachmann  geäussert:  möge  dies 
auf  lange  jähre  ein  vorbote  der  vollkommensten  gesundheit  seyn! 

Die  bibliotheksbücher  sind  abgegeben  und  Sie  erhalten  Ihren  schein  hierbey 
zurück:  auch  der  beyschluss  an  Dr.  Müller  ist  sogleich  besorgt  worden. 

Die  grundsätze  für  die  einrichtg  der  Zeitschrift  sind  vortrefflich;  dass  recen- 
sionen  und  hünengräber  ausgeschlossen  sind,  hat  meinen  vollkommenen  beyfall.3 

1)  Vgl.  Baier  no.  68  (s.  97). 

2)  Vgl.  Zeitschr.  f.  d.  a.  1,  39. 

3)  Vgl.  Baier  no.  69  (s.  98). 


ÜBER    BAIER,    BRIEFE    AUS    DER    FEÜHZEIT    DER    DEUTSCHEN    PHILOLOGIE  403 

Grössen  Sie  bestens  Ihren  vater  von  mir.  So  bald  ich  erst  sicher  bin,  dass 
sein  'Gaudeamus'  den  Academicis,  die  auf  unsere  bibliothek  geliefert  werden,  bey- 
gelegt  wird1,  so  lasse  ich  mein  exemplar  mit  Ihrem  glückwünschungsgedichte  zu- 
sammenbinden: kommt  es  nicht  mit,  so  gebe  ich  es  auf  die  bibliothek.  Es  ist  gar 
zu  hübsch,  wenn  alte  leute  immer  noch  jung  bleiben. 

Ich  habe  lange  von  dem  Wörterbuch  zu  dem  Nibel.  1.  nichts  gehört:  darf  man 
hoffen  es  bald  aus  Ihrer  band  zu  erhalten? 

Kuonrads  Silvester  habe  ich  mit  grossem  vergnügen  gelesen,  nicht  so  sehr 
der  verse  oder  der  spräche  wegen,  als  wegen  der  schönen  gesinnung  durch  die  der 
dichter  seinen  Constantin  zu  einem  wahren  fürstenspiegel  macht. 

Ich  bin  so  frey,  einen  kleinen  schein  Ihrer  besorgung  an  die  Weidmännische 
buchhandlung  zu  empfehlen. 

Behalten  Sie  mich  lieb,  und  seyen  Sie  meiner  hochachtungsvollen  und  er- 
gebensten freundschaft  versichert.  Benecke. 

6.  Göttingen,  May  18.  1841. 
Für  Ihren  brief  aus  Zittau  vom  30.  Apr.  d.  j.2  sage  ich  Ihnen,  mein  verehrter 

freund,  den  herzlichsten  dank. 

Auf  ihr  Wörterbuch  zu  den  Nibelungen,  so  wie  auf  das  zweyte  lieft  der  Zeit- 
schrift freue  ich  mich  im  voraus;  das  erstere  wird  aber  wohl  die  Jahreszahl  1842 
an  der  stirn  tragen,  und,  wenn  ich  so  lange  lebe,  mit  meinem  80tcn  jähre  zusammen- 
treffen. Bergmann's  abdruck  des  frauenbuchs  habe  ich  noch  nicht  gesehen:  von 
dem  frauendienst  habe  ich  22  bogen,  aus  denen  ich  gar  manches  gelernt  habe. 

Ich  bin  so  frey  ein  paar  zeilen  an  Ihren  vater  beyzulegen,  und  bitte  Sie  diese 
ihm  bei  gelegenheit  zugehen  zu  lassen.  —  Ich  darf  für  meine  person  an  reisen  nicht 
mehr  denken;  laßen  Sie  mich  also  hoffen  Sie  bey  mir  zu  sehn. 

Gott  segne  Sie! 

Ihr  treu  ergebener  Benecke. 

Ich  bitte  Sie  die  eile  dieser  zeilen  zu  entschuldigen,  Hr.  Schlemmer,  der  Vor- 
steher der  Dieterichschen  buchhandlung,  hat  sich  gefällig  erboten,  durch  die  Weid- 
mannische buchhandlung  den  verkehr  zwischen  Ihnen  und  mir  zu  erleichteren. 

7.  Göttingen,  Aug.  28.  1842. 
Mein  hochverehrter  Freund, 

was  Ihre  gütige  anfrage  über  den  empfang  Ihrer  lieben  geschenke  betrifft,3 
so  erlaube  ich  mir  folgende  antwort. 
Ich  habe  erhalten 

I.  das  l6te  und  2ia  heft  der  Zeitschrift;  — 

II.  die  mir  so  freundlich  gewidmeten  Lieder  u.  Büchlein  Hartmann's  von  Aue, 
herausgegeben  von  Moriz  Haupt,  und  zwar  1)  die  2  ersten  blätter  und  2)  Lieder, 
bogen  1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  (worin  2tes  büchlein  anfängt)  und  bogen  8  (worin  der  arme 
Heinrich  anfängt). 

Ich  habe  also  nur  um  bogen  9  .  .  .  .  zu  bitten. 

Empfangen  Sie  meinen  herzlichsten  dank  für  Ihr  unschätzbares  andenken  an 
mich,   und  haben  Sie   die  gute  auch  Ihrem  theueren  Vater  für  seine  wohlwollende 

1)  Vgl.  Baier  no.  68  (s.  98)  nebst  anmerkung;  es  sei  gestattet,  hier  der ,, Gedichte 
Goethes  ins  lateinische  übertragen  von  E.  F.  Haupt  (1773  —  1843),  Berlin  1899 u  zu 
gedenken. 

2)  Bei  Baier  no.  69. 

3)  Bei  Baier  no.  78  (s.  105). 


404  KAUFFMANN"   ÖBEB  BAIER,  BRIEFE  AUS  HER  FRÜHZEIT  DER  DEUTSCHEN   PHILOLOGIE 

theilnahme  in  meinem  namen  zu  danken.    Gott  erhalte  den  vortrefflichen  mann  noch 
lange  heitere  jähre. 

Meine  kinder  sind  Sonntag  morgen  ahgereiset,  um  über  Hamburg  und  Rostock, 
nach  Stralsund  zurückzukehren,  wohin  Gott  sie  geleite! 

Jetzt  erwarte  ich  mit  jeder  stunde  den  lieben  Lachmann.  Möchten  doch  auch 
Sie  recht  bald  mich  mit  Ihrem  besuche  beglücken!  Mir  erlauben  alter  und  kräfte 
nicht  mehr  Sie  in  Leipzig  heimzusuchen.    Also  kommen  Sie  ja  recht  bald  zu  mir! 

Auch  ich,  so  wie  Sie,  schreibe  diese  zeilen  in  eile.  — 

Mit  unvergänglicher  Verehrung  und  liebe 

Ihr  höchst  verpflichteter  und  ewig  ergebener 
Adr.:  Herrn  Benecke. 

Professor  Haupt 
frey  Leipzig. 

8.  Göttingen,  Oct.  20.  1842. 

Entschuldigen  Sie,  mein  hochverehrter  und  geliebter  freund,  vor  allen  dingen 
meine  etwas  verspätete  beantwortung  Ihres  briefes  vom  5tcn  october  d.  jahres1;  theils 
war  ich  unwohl,  theils  hatte  ich  mancherley  abhaltung. 

Jetzt  erst  kan  ich  meinen  herzlichen  glückwunsch  zu  Ihrer  Verheiratung  nach- 
holen. Zuverläßig  habe  ich  dieses  frohe  eräugnis  erst  durch  Lachmann  erfahren; 
denn  nur  durch  Sie  erhalte  ich  nachrichten  von  Leipzig.  Gott  segne  Sie  und  Ihre, 
wie  Lachmann  mir  sagte,  vortreffliche  gattin,  der  ich  mich  als  alten  freund  von 
Haupt,  vater  und  söhn,  bestens  zu  empfehlen  bitte. 

Ich  habe  längst  den  wünsch  gehegt  und  auch  laut  ausgesprochen,  Sie,  lieber 
freund,  in  Göttingen  angesiedelt  zu  sehen;  auch  in  Hannover  ist  dieses  gewünscht 
worden;  und  wenn  Sie  keinen  ruf  hierher  erhalten  haben,  so  lag,  wie  ich  Sie  bestimmt 
versichern  kan,  der  grund  einzig  und  allein  daran,  dass  man  glaubte,  Sie  würden  einen 
solchen  ruf  ablehnen.  Wie  glücklich  würde  ich  mich  geschätzt  haben,  wenn  uns 
dieselben  ringmaueren  umschlossen  hätten,  wenn  ich  —  sey  es  auch  nur  ein  halbes 
Stündchen  die  woche  —  mich  mit  Ihnen  hätte  besprechen,  mich  bey  Ihnen  hätte 
belehren  können. 

Mit  schmerzlicher  theilnahme  habe  ich  aus  Ihrem  briefe  ersehen,  dass  Un- 
lieber vater  durch  die  gicht  gelähmt  danieder  liegt.  Gott  stehe  ihm  bey!  Ich  ver- 
ehre ihn  und  habe  ihn  verehrt  von  dem  ersten  augenblicke  an,  in  welchem  ich  ihn 
kennen  lernte. 

Empfangen  Sie  meinen  besten  dank  für  die  büchlein  und  lieder  und  den  armen 
Heinrich,  die  Sie  mir  zum  geschenke  machten:  jetzt  ist  alles  in  der  besten  Ordnung. 

Also  Sie  hoffen  wirklich  diesen  winter  Ihr  Wörterbuch  zu  den  Nibelungen 
und  der  Klage  zu  vollenden?  Möge  ich  noch  die  freude  erleben  diese  hoffnung 
erfüllt  zu  sehen!  Gott  segne  Sie! 

Mit  unveränderlicher  Verehrung 

Ihr  treu  ergebener  freund 
Adr.:  Herrn  Benecke. 

Professor  Haupt 
frey  Leipzig. 

1)  Fehlt  bei  Baier. 

KIEL.  FRIEDRICH   KAUFFMANN. 


KAUFFMAXN    fßEE    jrt'LLEXHOFF ,    DIE    GERMANIA    DES    TACITUS  405 

Müllenhoff,  Karl:  Deutsche  Altertumskunde.  IV.  band:  Die  Germania  des  Tacitus 
erläutert.     Berlin,  "Weidmannsche  buchhandlung  1900.     XXIV,  751  s. 

Bereits  DA.  II,  9  war  für  das  handsckriftenverhältnis  der  Germania  im  ein- 
verständnis  mit  aller  weit  erklärt  worden,  dass  alle  uns  erhaltenen  handschriften  auf 
die  im  15.  jh.  in  Deutschland  (vielleicht  in  Hersfeld) *  gefundene  alte  hs.  zurückgehen. 
Diese  soll  nach  DA.  IV,  62  ein  uncial-  oder  vielmehr  halbuncial codex  gewesen  sein. 
Doch  genügt  der  einwand,  ein  codex  des  10.  oder  11.  jh.  könnte  jene  unsicheren 
spuren  frühmittelalterlicher  Schrift  bewahrt  haben,  um  der  Vermutung  Mülleuhoffs 
die  begründung  zu  rauben;  ein  minuskelcodex  wird  übrigens  von  Müllenhoff  selber 
s.  140  genannt,  s.  462  wird  möglicherweise  ags.  Schrift  gefordert  (vgl.  auch  s.  232 
gegen  278).  Müllenhoffs  hauptan nähme  ist  aber  nicbt  bloss  wegen  dieser  Unklarheiten, 
sondern  auch  deswegen  in  hohem  grade  unwahrscheinlich,  weil  sie  sich  mit  dem 
character  eines  durch  zahlreiche  interlinearglossen  entstellten  archetypus  schlecht  ver- 
tragen will  und  weil  die  uns  erhaltenen  copien  durchaus  nicht  in  dem  Verhältnis 
viele  durch  scriptum  continua  verschuldete  schreibversehen  aufweisen,  wie  es  per 
analogiam  zu  erwarten  wäre. 

Aus  der  verlorenen  urhandschrift  stammen  zwei  abschritten,  von  denen  die 
eine  durch  die  haupthandschrift  Vatic.  1862  und  den  cod.  Leidensis,  die  andere  durch 
den  Vatic.  1518  und  den  Farnesinus  repräsentiert  werden.  Müllenhoff  bezeichnet  die 
eine  gruppe  mit  B  bezw.  Bb,  die  andere  mit  C  bezw.  Cc  (wie  in  der  Germania 
antiqua),  beziehungsweise  cg  (s.  73).  Es  hätte  sich  aber  empfohlen,  diese  Signaturen 
zu  gunsten  der  allgemein  üblichen  AB  —  CD  zu  opfern.  Aus  dem  uns  sonst  zur 
Verfügung  stehenden  material  hat  Müllenhoff  den  Vatic.  4498  herausgehoben  (mit  h 
bezeichnet,  bei  Massmann  R)  und  gezeigt,  dass  er  denselben  text  wie  CD  enthält,  aber 
B  näher  stand  und  daher  gelegentlich  berücksichtigt  werden  muss.  Der  viel  um- 
strittene Stuttgarter  codex  (von  Müllenhoff  mit  t  bezeichnet)  und  der  Hummelianus 
(d)  kommen  s.  74  ff.  zur  erörterung.  Sie  figurieren  unter  der  sigle  D,  gehören  zur 
gruppe  C,  müssen  aber  von  einer  altern  und  bessern,  B  noch  näher  stehenden  ab- 
schritt des  zweiten  textes  ausgegangen  sein  —  an  dieser  stelle  war  es  unumgängliche 
pflieht  des  redactors  auf  R.  Wuensch,  de  Taciti  Germaniae  codicibus  Germanicis 
(Diss.  Marburg  1893)  zu  verweisen.  Der  Vatic.  2964  (Rd  bei  Massmann)  ist  nach 
Müllenhoff  vollkommen  wertlos  (s.  78),  vom  Ottobonianus  1795  ist  eine  genauere 
vergleichung  abzuwarten  (s.  83)  —  Rödiger  hielt  es  nicht  für  seine  pflieht,  den  lesern 
mitzuteilen,  dass  über  beide  codd.  von  Vfuensch  im  Hermes  32, 46 fg.  gehandelt 
worden  ist  und  dass  sie  noch  einmal  in  besonders  geistreicher  weise  im  Philologus 
57,  308fgg.  (1898)  bewertet  sind.  Nach  Müllenhoff  gehört  der  Vatic.  2964  (Rd)  mit 
dem  Longolianus  und  den  ersten  Nürnberger  drucken  von  c.  1473  zusammen  (dazu 
war  auf  die  ältere  notiz  Müllenhoffs  [Hermes  32,  43]  zu  verweisen) :  er  befasst  diese 
zeugen  unter  der  sigle  E. 

Zu  unverdienter  ehre  sind  die  drei  Nürnberger  drucke  gelangt,  denen  Rödiger 
den  Anhang  XXIV  gewidmet  hat  —  in  ganz  anderem  mass  hätte  er  der  sache  ge- 
dient, wenn  er  an  dieser  stelle  von  der  in  Rimini  aufgefundenen  neuen  Germaniahs. 
berichtet  hätte.  Über  sie  handelt  der  aufsatz  „Zur  Textgeschichte  der  Germania" 
von  R.  Reitzenstein  (Philologus  57,  307 fgg.),  der  den  Vatic.  2964  (Rd)  rehabilitiert  und 

1)  s.  61  wird  die  rückkehr  des  Enoch  ins  jähr  1457  oder  1458  gesetzt;  wir 
wissen  aber  längst,  dass  er  1453  heimgekommen  ist  (vgl.  G.Voigt,  Widerbelebung 
3.  ausg.  1,255.  2,202.  M.  Lehnert,  Heimes  33,500.  503  und  neuerdings  Rivista  di 
Filologia  XXIX,  262). 


406  KAUFFMANN 

mit  dem  Ottob.  1795  und  der  hs.  von  Rimini  zusammen  in  eine  bedeutsame  position 
bringt.  Die  Nürnberger  drucke  erscheinen  danach  völlig  wertlos.  "Wol  aber  ist  die 
behauptung  Müllenhoffs  (s.  81)  E  bilde  eine  coordinierte  mittelgruppe  zwischen  AB 
und  CD  glänzend  bestätigt  worden.  Es  „wird  nicht  nur  wo  eine  sachliche  entscheidung 
zwischen  den  lesungen  von  AB  und  CD  unmöglich  ist,  den  ausschlag  geben  dürfen, 
ja  in  einzelnen  fällen  gegen  beide  recht  behalten,  sondern  es  gestattet  uns  auch 
vor  allem  oft  die  doppellesungen  des  archetypus  besser  festzustellen 
und  zu  erkennen,  wie  sich  die  Schreiber  von  ABCD  und  ihrer  vorlagen  zu  denselben 
stellten"  (Philologus  57,316). 

Über  den  „verschollenen"  Bambergensis  und  Aruodelianus  (s.  83)  vgl.  Hermes 
32,  42fgg. ;  über  den  "Venetus  ebenda  s.  48fgg.  (ihm  zunächst  steht  ein  Parisinus,  über 
den  Wuensch  zum  erstenmal  auskunft  gibt);  über  den  Romanus  und  Florentinus 
ebenda  s.  55fgg.  Wesentlich  zu  modificieren  sind  jetzt  die  allgemeinen  directiven, 
die  s.  86 fg.  gegeben  werden,  denn  vor  allem  kommt  es  (nach  den  ausgezeichneten 
bemerkungen  Reitzensteins)  darauf  an,  die  doppellesarten  herauszuarbeiten,  die  dem 
Archetypus  eigneten.  Das  ist  die  besondere  aufgäbe,  die  des  textkritikers  bei  der 
Germania  harrt  und  es  scheint  nicht,  dass  Hüllenhoff  darauf  in  gebührender  weise 
seinen  Scharfsinn  und  seine  Sachkenntnis  concentriert  hätte1),  wenn  ihm  auch  selbst- 
verständlich der  Sachverhalt  durchaus  geläufig  war  (s.  62  wird  didgitubini  als  Ver- 
besserung von  dulgibini  bezeichnet;  durch  den  Vorschlag  Reitzensteins,  für  den  ar- 
chetypus dulgi^bini  anzusetzen  [a.  a.  o.  s.  314],  ist  die  sache  wesentlich  vereinfacht). 

Mit  den  vollen  akkorden,  die  Müllenhoff  so  gern  in  seiner  Altertumskunde 
anschlägt,  eröffnet  er  auch  das  neue  werk.  Es  sind  accorde  eines  nationalen  pathos, 
die  hoffentlich  bis  in  die  ferne  der  Zeiten  durch  die  deutsche  Philologie  fortklingen 
werden.  In  dieser  hohen  Stimmung  redet  Müllenhoff  auch  noch  von  der  kunstvollen 
disposition  der  Germania  —  hat  aber  trotz  der  trefflichen  bemerkungen  auf  s.  20fg. 
der  Stilisierung,  überhaupt  der  formalen  seite  des  goldenen  büchleins  nicht  die  ge- 
bührende aufmerksamkeit  geschenkt.  Sein  pathos  meine  ich  auch  da  noch  zu  ver- 
spüren, wo  er  die  ethisch -politische  tendenz  der  taciteischen  schritt  zu  verteidigen 
übernimmt;  er  sagt  s.  15:  Die  Germania  ist  eine  politische  broschüre  für  den  moment 
berechnet  —  das  ist  mit  dem  Wortlaut  des  27.  cap.  völlig  unvereinbar  und  der  Stand- 
punkt unmöglich  zu  verteidigen,  von  dem  aus  Müllenhoff  bei  einem  patrioten  wie 
Tacitus  das  bestreben  entdeckt,  die  Vorzüge  der  Germanen  vor  den  Römern  möglichst 
scharf  herauszuheben  (s.  359);  in  diesen  fragen  fordern  wir  jetzt  jene  nüchternheit,  mit 
der  Monimsen  (1886)  den  inhalt  aufgefasst,  unterschätzen  aber  nicht  die  bedeutuug  einer 
lang  nachwirkenden  tradition  in  der  beurteilung  der  nördlichen  völker,  die  A.  Dieterich 
(Nekyia  s.  35  fg.)  ins  licht  gesetzt  hat.  Nicht  bloss  bei  den  grundfragen  vermissen 
wir  entsprechende  hinweise  des  herausgebers  auf  den  tatsächlichen  stand  der  for- 
schung2,  er  lässt  Müllenhoff  von  den  Limesanlagen  reden,  ohne  auf  die  leistungen  der 
gegenwart  aufmerksam  zu  machen;  die  ausgaben  und  commentare  sind  nur  bis  1877 
bezw.  1880/82  verfolgt  (wol  aber  hat  Roediger  da  und  dort  Monimsen  röm.  Geschichte 

baritum 

1)  Durch  das  Zeugnis  von  E  wird  z.  b.  erwiesen,  dass  der  archetypus  barditum 
überlieferte;  wir  haben  es  also  mit  einer  doppellesart  zu  tun,  das  heisst  aber  keines- 
wegs, dass  baritus  die  minder  beglaubigte  lesart  sei  (wie  Miilleuhof'f  s.  136  voraus- 
setzt); vielmehr  ist  baritus  so  gut  beglaubigt  wie  borditus,  sofern  beide  formen 
im  archetypus  standen. 

2)  Vgl.  jetzt  die  neue  aufläge  der  römischen  Literaturgeschichte  von  Schanz 
in  Iw.  Müllers  Handbuch. 


ÜBER    MÜLLENHOFF,    DIE    GERMAMA    DES    TACITXJS  407 

bd.  5  oder  neuere  Baude  der  Auetores  antiquissimi  [MGH]  citiert);  ganz  unentbehrlich 
war,  wo  Müllenhoff  über  den  titel  der  Germania  handelt  (s.  99),  der  hinweis,  dass 
ein  hauptzeuge  (Cassiodor)  übersehen  ist  und  dass  die  argumente  Wölfflins  u.  a.  nicht 
gestatten,  an  dem  titel  de  origine  et  situ  Germanorum  länger  festzuhalten.1  Ganz 
seltsam  ist  die  entschuldiguug  Roedigers  im  vorwort  s.  VIII:  „ich  Hess  auch  den  plan 
fallen,  anhangsweise  die  neuere  literatui  zu  verzeichnen,  womit  doch  nur  denen  ge- 
dient gewesen  wäre,  die  sie  sich  verschaffen  uud  ihren  inhalt  ausschöpfen  können." 
Ich  fürchte,  Roediger  hat  dadurch  dem  andenken  Müllenhoffs  einen  sehr  schlechten 
dienst  erwiesen,  denn  unaufhörlich  ärgert  sich  der  benutzer,  einer  darstellung  folgen 
zu  müssen,  die  um  mehr  als  20  jähre  hinter  dem,  was  uns  jetzt  zu  gebot  steht,  zu- 
rückliegt, einen  commentar  zu  rate  zu  ziehen,  der  am  schlimmsten  leidet,  was  ihm 
vorgeworfen  werden  kann,  an  der  lückenhaftigkeit  des  materials.  So  wird  es  leider 
nicht  ausbleiben,  dass  an  diesem  Germaniaband  niemand  recht  seine  freude  haben 
kann  —  selbst  Roediger  ist  es  so  ergangen  (vorw.  s.  XI);  aber  er  hätte  doch  tun 
sollen,  was  in  seinen  kräften  lag,  um  nicht  eingestehen  zu  müssen:  „seine  her- 
st eilung  befriedigte  wenig."  Ist  es  nicht  tief  betrübend,  dem  werk  eines  so  ver- 
ehrten mannes  wie  Müllenhoff  mit  solchem  begleitwort  zu  begegnen,  seinem  Ger- 
maniacommentar  vorhalten  zu  müssen,  hinter  der  zeit,  der  die  Trajaussäule,  die 
Marcussäule,  der  Limes  (vgl.  s.  405 fg.!),  das  inschriftenmaterial  neu  geschenkt  sind, 
so  weit  zurückgeblieben  zu  sein!  Was  erlebt  der  deutsche  philolog,  wenn  er  jetzt 
die  vollendeten  reproduetionen  der  Marcussäule  studiert,  mit  welchem  hochgefühl 
schwellt  sich  seine  brüst,  wenn  er  den  vollkommenen  adel  germanischer  männer- 
und  frauentypen  im  bilde  schaut  —  nirgends  hat  hiefür  Müllenhoff  einen  adäquaten 
ausdruck  gefunden  —  am  wenigsten,  wo  er  (vgl.  s.  146 fg.  164.  166.  236  u.  ö.)  ab 
und  zu  auf  die  bilderchroniken  der  römischen  Säulen  sich  bezieht,  die  durch  einen 
machtspruch  (s.  294)  so  gut  wie  abgelehnt  werden,  während  andererseits  mit  der  sog. 
Thusnelda  von  Florenz  als  einer  festen  grosse  mit  Vorliebe  gerechnet  wird.  Wie  an- 
regend wäre  es  gewesen,  hätte  Rödiger  auf  Furtwänglers  Intermezzi  (1896)  aufmerksam 
gemacht,  wo  aus  anlass  des  Monuments  von  Adamklissi  die  aus  dem  altertum  uns 
verbliebenen  Ger manendar Stellungen  eine  Würdigung  gefunden  haben;  der  neue 
catalog  des  Pariser  Cabinet  des  Medailles  et  Antiques  liegt  nicht  so  am  weg,  dass 
ein  citat  und  ein  directer  hinweis  auf  die  in  ihm  enthaltenen  abbildungen  der  Ger- 
manenstatuetten sich  erübrigte.  Kurzum,  lückenhaft  ist  dieser  Commentar  zur  Ger- 
mania im  thatsächlichen  an  vielen  orten  (vgl.  die  mangelhaften  listen  s.  159,  oder 
s.  287,  oder  die  seltsame  gleichsetzung  von  kupfer  und  bronze  s.  158.  163).  Diesem 
übel  hätte  durch  den  redactor  abgeholfen  werden  können. 

Zum  teil  ist  er  auch  verantwortlich  für  die  schiefe  beurteilung  der  fragmen- 
tarischen Überbleibsel.  Nach  den  lebhaften  debatten,  die  in  den  letzten  jähren  aus 
anlass  der  bücher  von  Meitzen,  Wittich  (Die  grundherrschaft  in  Norddeutschland 
1S96)  und  Hildebrand  (Recht  und  sitte  auf  den  verschiedenen  wirtschaftlichen  kultur- 
stuf en  1896)  gespielt  haben,  wird  mancher  wie  ich  mit  besonderer  Spannung  die  aus- 
führungen  zum  26.  cap.  der  Germania  gesucht  haben.  Auch  nach  Müllenhoffs  meinung 
ist  es  die  schwierigste  stelle  des  büchleins  (s.  363).  Herr  Roediger  verweist  aber  statt 
auf  die  neuere  literatur  auf  Heinrich  Rückert  a.  1853  (s.  371  anm.)  uud  hat  in  selbstän- 
diger weise  die  ansichten  Müllenhoffs  formuliert.     Das  ergebniss   ist  sehr   wenig  be- 

1)  Für  den  sich  freilich  in  der  Rivista  di  Filologia  1.  c.  ein  Verteidiger  ge- 
funden hat. 


408  SÜTTERLIN 

friedigend.  Der  leser  muss  den  eindruck  bekommen,  als  sei  durch  die  agrarhisto- 
rischen  arbeiten  von  Hanssen  die  sache  erledigt  worden  (es  spielt  der  russische  Mir 
und  die  Triersche  höferschaft  noch  jene  exemplarische  rolle,  die  ihnen  ganz  und  gar 
nicht  zukommt).  Wie  das  schwierige  problem  in  der  gegenwart  behandelt  werden 
muss,  kann  auch  der  willigste  aus  der  Müllenhoff-Roedigerschen  darstellung  unmöglich 
lernen,  wol  aber  aus  der  geistvollen  erörterung  Felix  Rachfahls  (Zur  geschichte  des 
grundeigentums.  Jahrb.  für  nationalökonomie  und  Statistik  3.  f.,  bd.  19,  1.  161),  wenn 
man  diesem  autor  auch  nicht  zugeben  wird,  dass  der  vielberufene  abschnitt  über 
die  agrarverfassung  des  selbständigen  rruellenwerts  entbehre1. 

Erfreulich  ist  die  lebhaftigkeit,  mit  der  Müllenhoff  (s.  272)  dafür  eintritt,  dass 
der  berühmte,  fast  zum  Schlagwort  gediehene  eingang  des  15.  cap.  sich  nicht  auf 
die  Germanen  im  ganzen  und  allgemeinen,  sondern  nur  auf  die  comites  bezieht. 
Anderes  hingegen,  wie  z  b.  die  behandlung  der  ethnogonie,  ist  durch  Kossinna  voll- 
ständig überholt  worden  und  die  erläuterung  des  avunculats  (s.  318  fgg.)  erscheint  an- 
gesichts der  neueren  anthropologischen  forschungen   auffallend   dürftig  und  befangen. 

Wie  man  aber  auch  fortfahren  möge,  auf  lücken  und  unvollkommeuheiten 
aufmerksam  zu  machen:  es  bleibt  als  der  beherrschende  gesamteindruck  des  werks, 
dass  es  aus  einer  so  intimen  kenntnis  des  classischen  altertums  geboren  ist,  wie 
sie  jetzt  keinem  Germanisten  mehr  eigen  sein  dürfte.  Hier  ist  auch  zum  ersten  mal 
ernst  gemacht  mit  der  forderung,  Tacitus  nicht  bloss  aus  seinen  quellen,  sondern 
aus  der  von  ihm  unabhängigen  altgermanischen  Überlieferung  heraus  zu  erklären. 
Müllenhoff  hat  in  weitem  umfang  den  altgermanischen  Sprachschatz  ausgenützt,  da 
und  dort  —  allerdings  noch  lückenhafter  als  das  lexicon  —  die  archäologischen  fund- 
ergebnisse  angezogen  und  dadurch  die  interpretation  der  Germania  auf  bahnen  ge- 
lenkt, von  denen  sie  nicht  wider  wird  abgehen  dürfen. 

Unter  den  dankenswerten  beigaben  hebe  ich  nicht  so  sehr  die  zeitschriften- 
artikel  und  den  unvollendet  gebliebenen  aufsatz  über  die  zeit-  und  himmelseiuteilung 
der  Germauen  (s.  639  —  689)  hervor,  als  die  reichhaltigen  register,  in  denen  die  im 
commentar  besprochenen  germanischen  Wörter  eine  besondere  rubrik  bilden.  Sie 
rühren  von  dr.  E.  Petsch  her,  doch  hat  M.  Roediger  das  namen-  und  Sachregister 
einer  gründlichen  bearbeitung  unterworfen  und  die  Inhaltsübersicht  hinzugefügt. 

1)  Nachträglich  verweise  ich  auf  Johannes  Steenstrup,  Etnografien  (Kjobenh. 
1902)  s.  25.  34fgg. 

KIEL.  FR.  KAUFF.MANX. 


Herman  Hirt,  Der  indogermanische  ab  laut,   vornehmlich  in  seinem  Verhältnis 
zur  betonung.     Strassburg,  Trübner  1900.     VI,  224  s. 

In  seinem  buch  über  den  indogermanischen  ablaut  hat  Hirt  die  Untersuchungen, 
die  er  vorher  in  den  'Indog.  forschungen'  einzeln  veröffentlicht  hatte,  zusammen- 
gefasst  und  ergänzt.  So  sehr  er  sich  dabei  an  seine  Vorgänger  auf  diesem  gebiet 
anlehnt,  wie  de  Saussure,  Hübschmaun  u.  a. ,  so  sehr  unterscheidet  er  sich  auch 
wider  von  ihnen,  vornehmlich  durch  die  ausdehnung,  in  der  er  die  erscheinungen 
verfolgt,  und  durch  die  folgerichtige  hartnäckigkeit ,  mit  der  er  seine  anordnung 
durchführt.  Hirt  nimmt  drei  hauptstufen  des  ablauts  an,  eine  vollstufe,  eine  re- 
ductionsstufe  (für  die  ich  der  gleichmässigkeit  halber  lieber  Schwächungsstufe  sagen 
möchte)  und  eine  Schwundstufe.  Von  diesen  ist  die  vollstufe  ursprünglich;  sie  ist 
aber  nur  in   der   tonsilbe  des  wortes   erhalten;   in  den  nichttonsilben  entwickeln  sich 


ÜBER    HIRT,    IXDOGERM.    ABLAUT  409 

aus  ihr  die  beiden  andern  stufen:  die  reductionsstufe  (R)  entsteht  in  den  ersten  silben 
eines  Wortes  (ai.  sthitds,  gr.  dorög,  ay.(Svr\ixi,  lat.  patere,  got.  sijau,  guma,  ivulfs), 
die  Schwundstufe  (S)  hauptsächlich  nach  dem  ton  und  zwischen  neben-  und  hanptton 
(ßiq-nos,  ßi'iQ  neben  lat.  ferus).  Zwei  weitere  stufen  bilden  sich  unter  bestimmten 
Verhältnissen  heraus,  eine  zweite  schwächere  Schwundstufe  in  den  enklitischen  silben 
(ai.  devä-ttas  'von  gott  gegeben',  igv&QÖg  neben  ai.rudhiräs)  und  eine  dehnstufe  in 
den  tonsilben,  hinter  denen  ein  kurzer  vocal  ausgefallen  ist  (peds  aus  pedos).  Eine 
wichtige,  anerkennenswerte  neuerung  ergibt  sich  zum  teil  schon  aus  dem  gesagten: 
Hirt  betrachtet  nicht,  wie  man  das  bisher  beinahe  ausschliesslich  getan  hatte,  die 
einzelne  silbe,  sondern  immer  gleich  das  ganze  wort  und  setzt  die  einzelnen  silben 
dieses  Wortes  in  ihrer  verschiedenen  abstufung  nebeneinander  (stamm  iveröd  'wurzel': 
RS  ist  radix,  SS  oäöuuvog).  Er  gibt  demgemäss  auch  meist  nicht  die  Vertretung 
der  einzelnen  indogermanischen  vocale  an,  sondern  gewöhnlich  die  von  ganzen  silben- 
gruppen  (ere,  ene  usw.)  und  unterscheidet  dabei  nicht  nur  genau  nach  der  art  der 
laute  üu  allgemeinen ,  sondern  hält  z.  b.  selbst  unter  den  liquidaverbindungen  die 
einzelnen  auseinander.  Das  ist  natürlich  und  klar  und  lässt  die  tragweite  des  einzelnen 
besser  übersehen.  Dagegen  fasst  er  am  schluss  umgekehrt  verschiedene  gestaltuugen 
der  tempus-  und  Wortbildung  zusammen  und  erleichtert  damit  die  Übersicht. 

Im  grossen  ganzen  entwirft  Hirt  ein  sehr  einheitliches  deutliches  bild.  Ich 
meine  aber,  er  hätte  bei  der  aufstellung  der  verschiedenen  arten  der  Stammformen 
noch  mehr  verallgemeinern  sollen.  An  viele  Scheidungen,  die  noch  jetzt  eingehalten 
werden,  glaube  ich  nicht;  sie  beruhen  meist  auf  Voraussetzungen,  die  ich  nicht  für 
bewiesen  halte.  Wie  Hirt  jetzt  schon  für  die  alte  form  bhendh  'binden'  ein  blienedh 
einsetzt,  so  muss  man  wenigstens  grundsätzlich  die  möglichkeit  anerkennen,  dass 
überall  sowol  vor  einem  anlautenden  consonanten  und  hinter  einem  auslautenden  eine 
Schwundstufe  vorliegt,  als  auch  inlautend  zwischen  zwei  consonanten,  dass  also  hier  die 
urform  überall  einen  vollstufenvocal  enthalten  haben  kann :  man  müsste  also  beispiels- 
halber für  onokt  'nacht'  sogar  eine  form  onokete  zulassen,  für  skercb  sogar  sekerebe, 
für  dekemto  sogar  edekemeto.  Vielleicht  lässt  sich  so  der  doppelheit  von  gr.  ccq  und  qu 
beikommen,  ie'Qarj  neben  iveres  begreifen,  steur  auf  sthewä  zurückführen  und  dergl. 
Diese  formen  brauchen  natürlich  nicht  alle  vorzukommen;  aber  schon  die  möglichkeit 
mit  ihrem  Vorhandensein  zu  rechnen  erweitert  den  blick  und  schützt  vielleicht  vor 
einseitigkeit.  Wie  diese  langen  formen  entstanden  sind,  ist  gleichgültig:  es  können 
mehrsilbige  einzelwörter  gewesen  sein,  aber  auch  wortgruppen.  Auf  wortgruppen 
scheint  besonders  das  nasalinfix  zu  weisen,  an  dessen  dasein  jetzt  ja  wol  niemand 
mehr  zweifelt.  Ich  kann  mir  aber  die  Verwendung  dieses  gebildes  mitten  in  der 
wurzel  nicht  anders  erklären,  als  durch  die  annähme,  dass  hier  einmal  ein  wortein- 
schnitt war,  und  dass  das  jetzige  infix  ein  altes  präfix  oder  suffix  fortsetzt. 

Ich  glaube  auch  nicht  an  den  unterschied  von  einsilbigen  und  zweisilbigen 
basen,  obwol  ich  weiss,  was  man  alles  dafür  gesagt  hat;  denn  die  beispiele,  die 
man  zum  beweis  anführt,  überzeugen  mich  nicht,  und  die  lehre,  mit  der  man  eine 
solche  annähme  stützen  will,  befriedigt  mich  nicht;  dagegen  bestärken  mich  viele 
etymologien,  die  ich  nicht  preisgeben  möchte  und  die  mit  dem  Standpunkt  jener  wurzel- 
verschiedenheit  nicht  vereinbar  sind,  in  meinem  zweifei.  Hoffentlich  finden  wir  bald 
einen  ausweg  aus  diesen  Schwierigkeiten  —  wenn  auch  vielleicht  auf  kosten  der 
Hirtschen  ablautsreihen.  Diese  reihen  haben  ja  auch  jetzt  schon  ihre  schwachen 
Seiten:  bald  muss  eine  neubildung  vorliegen,  bald  gr.  ncü.y.ög  für  nkaxög  stehen 
u.  dergl.     Beinahe  möchte  ich  sagen,   die  grosse  Ordnung  kommt  mir  verdächtig  vor. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  27 


410  SÜTTERUX    ÖBEB    HIRT,    INDOGERM.  ABLAUT 

In  der  jüngeren  entwicklung  der  indogermanischen  sprachen,  wo  wir  die  geschiebte 
überblicken  können,  ist  selten  eine  solche  einheit  vorhanden.  Und  die  indogerma- 
nischen sprachen  hatten  in  der  zeit,  in  die  wir  sie  zurück  verfolgen ,  doch  auch  schon 
eine  lange  entwicklung  hinter  sich.  Dass  damals  aber  nur  vollstufen  mit  e  vor- 
gekommen sein  sollen,  selten  a  und  o,  dagegen  gar  keine  Schwundstufe  mit  i  und  u, 
ist  in  jedem  falle  sonderbar. 

Die  beispielsammlung,  die  Hirt  gibt,  ist  sehr  reichhaltig.  Aber  es  ist  manches 
recht  zweifelhafte  stück  dabei.  Vielleicht  hätte  Hirt  seiner  sache  einen  besseren 
dienst  erwiesen,  wenn  er  diese  unsicheren  Wörter,  wo  nicht  weggelassen,  so  doch 
besonders  gestellt  oder  durch  kleindruck  als  minderwertig  bezeichnet  hätte.  Es  be- 
trifft das  Zusammenstellungen  wie  (payuv:  ahd.  baeckan,  gr.  yekdta:  ylaaaa  und 
Unklarheiten,  wie  äonäto)  neben  arep.  Was  soll  das  auch  für  ein  ahd.  buozzan  sein 
neben  lat.  fari?  Zu  diesen  unsicheren  fällen  gehören  auch  die,  die  mit  einem  so- 
genannten wurzeldeterminativ  versehen  sind.  Hirt  glaubt  ja  an  diese  determinative 
so  wenig  wie  ich;  er  hätte  also  keleu  nicht  so  ohne  weiteres  neben  got.  hlaupan  zu 
stellen  brauchen. 

Über  beispiele,  die  seiner  lehre  widersprechen,  geht  Hirt  meines  erachtens 
etwas  zu  rasch  hinweg.  Wir  haben  das  Schauspiel  doch  schon  erlebt,  dass  etymo- 
logien,  die  man  früher  einer  bestimmten  ablautslehre  zuliebe  als  unhaltbar  zurück- 
gewiesen hatte,  die  ablautslehre  überdauert  haben  und  nachher  wider  zu  ehren  ge- 
kommen sind;  so  könnte  es  vielleicht  auch  mit  beispielen  gehen,  die  Hirt  jetzt  von 
der  betrachtnng  ausschliesst.  Wenn  ich  etymologien  fände,  die  mit  Hirts  ablauts- 
reihen  in  einklang  sind,  würde  mich  das  freuen;  wenn  die  form  und  die  bedeutung 
aber  sonst  stimmte,  würde  ich  sie  Hirts  wegen  nicht  fallen  lassen. 

Was  Hirt  nach  dem  Vorgang  von  Passy  und  Finck  zur  erklärung  der  vocal- 
schwächung  anführt,  halte  ich  für  ganz  ungenügend.  Mit  der  flüsterstimme  ist  es 
hier  nicht  getan.  Da  ich  bald  an  anderer  stelle  über  diese  frage  handle,  genügt  hier 
der  hinweis,  dass  geflüstertes  suep  eher  sfep  ergibt  als  sup. 

Auch  im  einzelnen  ist  manches  zweifelhaft.  Wenn  es  heisst,  in  jedem  wort 
sei  nur  eine  vollstufige  silbe  möglich,  ausgenommen,  wenn  ein  gegenton  vorliege,  so 
wird  da  x  mit  y  erklärt.  Denn  wann  liegt  ein  solcher  gegen  ton  vor?  Kann  dejeires 
nicht  z.  b.  zu  dejtvös  geworden  sein?  Unklar  ist  die  rolle,  welche  die  enklise  spielt. 
Kann  die  nicht  auch  andere  neuerungen  in  den  ablautsreihen  hervorgebracht  haben 
ausser  der  zweiten  Schwundstufe?  Streitbergs  ansieht  ferner,  dass  ai.  madhukrt  aus 
medhicokertos  hervorgegangen  sei,  hält  Hirt  deswegen  für  unrichtig,  weil  kein  voll- 
stufenvocal  in  der  Wortzusammensetzung  schwinde.  Ich  meine  aber,  das  eine  schliesst 
das  andere  nicht  aus.  Zusammensetzungen  sind  zu  allen  zeiten  entstanden.  Unter 
der  Voraussetzung,  )ucdliwokertos  (oder  die  bildungen,  die  ihm  zum  muster  dienten) 
seien  schon  zu  der  zeit  vorhanden  gewesen,  als  der  ablaut  noch  gar  nicht  entwickelt 
war,  also  in  der  zeit,  wo  alle  wortsilben  noch  vollstufig  waren,  ist  die  spätere  ge- 
schwächte form  leicht  begreiflich;  tv7iihwQ,  in  dem  sich  e  zu  ö  gewandelt  hat,  ent- 
stammt dagegen  einer  jüngeren  zeit.  Dass  im  aus  u  entwickelt  worden  sei,  wenn  es 
vor  einem  vocal  stand,  hat  man  vorher  jedenfalls  nicht  allgemein  angenommen;  schon 
Osthoff  hat  Morph,  unters.  4,  353  fgg.  ganz  dasselbe  gelehrt  wie  Hirt.  Bei  der  auf- 
zählung  der  beispiele,  welche  die  Vertretung  des  tonlosen  «  veranschaulichen  sollen, 
hätten  die  liquidahaltigen  fälle  von  den  übrigen  getrennt  werden  dürfen  (s.  15  fg.). 
Dass  ywr)  für  gwnä  stehe,  will  mir  nicht  einleuchten,  weil  es  mir  bedenklich  scheint, 
nur  hier  den  labialen  beiklang  von  dem  guttural  loszulösen.     Auf  s.  17  (§  33)  ist  ein 


R.M.MEYER    ÜBER    DEET.TEX.    IMMKRMAXX  411 

abschnitt  als  erster  bezeichnet,  ohne  dass  der  erwartete  zweite  folgt!  Att.  xtcXr]  kann 
man  vielleicht  aus  y.aßdh]  herleiten  (s.  38).  Wie  ist  nach  Hirt  das  zweite  a  in  ahd. 
salaha  'Weide'  zu  erklären,  als  ursprünglich  oder  als  Svarabhakti?  Aus  welcher 
urform  ist  ahd.  bräwa  'Braue'  entstanden,  wenn  es  dehnstufe  enthält?  (s.  17).  Dass 
gwenä  entweder  gw&nä  wurde  oder  gu'nCi,  und  nichts  weiteres,  kann  man  doch  mit 
der  Silbentrennung  der  geschichtlichen  formen  nicht  beweisen.  Diese  könnten  doch 
ebenso  gut  von  gwnnä  abgeleitet  werden.  Und  zum  ansatz  von  nn  ist  man  nicht 
gekommen,  weil  man  von  u  ausgieng,  sondern  weil  man  ein  gegenstück  zu  ij  und  im 
haben  wollte. 

Zum  schluss  möchte  ich  noch  auf  einige  wichtige  darlegungen  Hirts  aufmerksam 
machen,  die  sich  auf  das  germanische  beziehen.  Got.  sat  'sass'  setzt  ein  altes  sode 
(s-sode)  fort,  wie  es  besonders  in  kompositis  üblich  war  (prosode),  setwn  dagegen 
sex(e)dme;  ahd.  teta  'tat'  ist  ein  altes  imperfect  ädadhät  'setzte';  ahd.  tätun  ist  ein 
perfect  dhedlwnt,  dessen  stamm  auf  die  einfache  widerholung  der  langvocalischen 
wurzel  zurückgeht  (dhe-dhe).  Das  £  -  präterituin  hat  als  compositum  im  sing.  got. 
salböda  einfaches  dhem  als  zweiten  bestandteil,  während  sich  das  pluralische  dedun 
in  salbödedun  mit  ahd.  tätun  deckt.  Diese  erklärungen  sind  jedenfalls  besser  als  alle 
bisher  gegebenen. 

HEIDELBERG.  LUDWIG    SÜTTERLIN. 


Werner  Deetjen,  Immermanns  „Kaiser  Friedrich  der  Zweite".  Ein  beitrag 
zur  gesch.  der  Hohenstaufendramen  (Litterarhistor.  forschungen  herausgegeben  von 
J.  Schick  und  M.  v.  Waldberg  XXI.)  Berlin,  E.  Felber  1901.  X.  216  s.  4  m. 
Die  arbeit  eines  wol  geleiteten  Schülers  liegt  vor,  der  fortwährend  noch  etwas 
ängstlich  nach  dem  concept  sieht  und  auch  seinem  dichter  unaufhörlich  G.  Freytag. 
Klein  und  Volkelt  zur  nachachtung  vorhält;  auf  eigene  hand  wagt  er  nur  etwa 
günstige  Hohenstaufenthemata  vorzuschlagen  und  vor  dem  Konradinstoff  zu  warnen 
(s.  145).  Doch  besitzt  die  Studie  auch  die  Vorzüge  solcher  arbeiten:  fleiss  und  Ordnung. 
Die  entwickelung  des  dramas  von  der  ersten  conception  bis  zur  letzten  fassung  wird 
sorgfältig  analysiert,  unter  überreichlicher  beigäbe  von  proben;  einzelfragen  wie  kolorit 
(s.  114fg.),  stil  (s.  117),  reim  (s.  121)  und  technische  momente  wie  die  „kleinigkeit 
des  entscheidenden  motivs"  (s.  96)  werden  beleuchtet.  Schwächlich  ist  der  abschnitt 
über  ., einwirkungen  "  (s.  123  fg.)  ausgefallen;  bei  Immermanns  eigentümlicher  art,  sich 
litterarisch  anregen  zu  lassen ,  musste  hier  viel  weiter  gegriffen  werden.  Auch  werden 
haupt-  und  nebenmuster  zu  wenig  unterschieden:  Lessings  „Nathan"  (nur  s.  91  er- 
wähnt) hat  auf  die  ganze  Zeichnung  der  atmosphäre,  auf  die  erfindung  der  nicht 
christlich  erzogenen  tochter  (s.  39)  und  die  freigeisterei  des  Marinus  (deren  bekenntnis 
übrigens  auf  mich  keineswegs  „ergreifend'-  wirkt,  s.  114)  starken  einfluss  geübt, 
Schillers  „Wallenstein "  nur-  auf  die  ausdrucksweise. 

In  bezug  auf  die  ästhetischen  urteile  des  verf.  können  wir  einige  bedenken 
nicht  verschweigen;  uns  scheinen  die  beiden  stamme  der  handlung  (s.  86)  so  wenig 
glücklich  verschürzt  als  im  „Wallenstein  ",  „Teil"  und  andern  Vorbildern  Immermanns. — 
Lehrreich  sind  die  mitteilungen  über  die  Vorbereitung  (s.  38  fg.)  und  die  Wirkung 
(s.  134  fg.)  des  stücks;   die  einwirkung  auf  B.  Wagner  (s.  140fg.)  scheint  überschätzt. 

BERLIN,    28.  FEBRUAE    1902.  RICHARD    M.  MKYER. 

27* 


412  R.  M.  MEVER   ÜBER    CASTLE,    LENAU 

Eduard  Castle,  Nikolaus  Lenau.  Zur  Jahrhundertfeier  seiner  geburt.  Mit 
neun  bildnissen  und  einer  Schriftprobe.  Max  Hesse,  Leipzig  1902.  VIII,  120  s. 
1,50  m. 

Der  rührige  verlag  von  Max  Hesse  in  Leipzig  hat  seit  einiger  zeit  eine  neue 
reihe  von  classiker- ausgaben  begonnen,  die  sich  wegen  brauchbarkeit  und  billigkeit 
verdienten  beifalls  erfreuen.  Zu  dieser  Sammlung  hat  Eduard  Castle  eine  Lenau  - 
ausgäbe  beigesteuert,  die  gegenüber  der  von  Barthel  bei  Reclam  zwar  einen  eigent- 
lichen f ortschritt  kaum  darstellt,  jene  aber  doch  in  text  und  einleitung  in  will- 
kommener weise  ergänzt.  Nunmehr  hat  er  auch  zur  Jahrhundertfeier  des  dichters 
eine  selbständige  darstelluug  erscheinen  lassen,  die  sich  wol  vor  allem  an  die  weiteren 
kreise  richten  sollte.  Leider  muss  gesagt  werden ,  dass  der  verf.  durch  die  art  seiner 
darstellung  diesen  zweck  von  vornherein  selbst  vereitelt  hat.  Seit  einer  reihe  von 
Jahren  haben  unsere  litterarischen  arbeiten  in  erfreulicher  weise  die  zunehmende 
tendenz,  wissenschaftlichen  ernst  mit  ästhetisch  gefälliger  form  zu  vereinigen.  Bei 
C.  fühlt  man  sich  mit  einem  male  wider  um  Jahrzehnte  zurückgeworfen,  fast  bis  in 
die  epoche,  in  der  Danzel  seine  tiefen  anschauungen  und  originellen  erkenntnisse 
stilistisch  so  garnicht  zu  beherrschen  wusste.  Ich  glaube  der  Verfasser  hat  selbst 
etwas  davon  gefühlt;  denn  aus  der  „trotzig  verzagten"  Selbstverteidigung  vor  den 
anmerkungen  (s.  108)  klingt  beinahe  etwas  wie  reue  nach  der  tat  heraus.  Freilich 
hat  C.  nicht  gut  daran  getan,  sich  an  dieser  stelle  auf  Brünetteres  mathematische 
schärfe  zu  berufen;  viel  eher  fühlt  man  sich  an  das  buch  erinnert,  über  das  er  selbst 
(s.  112)  das  treffende  urteil  abgibt:  „stoffreich  doch  verworren". 

Zunächst  fehlt  es  dem  buche  an  einer  scharf  eingreifenden  disposition.  Vor 
allem  kommt  dies  in  dem  einleitungs-capitel  „Wiener  cultur  im  Zeitalter  Franz  I." 
an  den  tag.  Ich  halte  es  für  ganz  ausgeschlossen,  dass  sich  irgend  jemand  aus  dieser 
hastigen  häufung  mannigfaltiger  tatsachen  irgend  eine  klare  auschauung  bilden  könnte, 
sei  es  über  den  gesamtcharakter  jener  zeit  oder  gar  über  ihre  historische  eutwickelung. 
Dazu  verführt  die  eile  des  Vortrags  zu  den  wunderlichsten  Zusammenstellungen,  wie 
denn  eine  schiefere  parallele  als  zwischen  Hoff  bauer  und  Schleiermacher  (s.  21)  kaum 
zu  erdenken  ist  —  es  sei  denn  die  unglaubliche  verkoppelung  der  namen  Comte  und 
Schopenhauer  (s.  107) ! 

Leidet  dies  capitel  vor  allem  au  der  hypertrophie  der  namen  und  daten  (was 
hat  z.  b.  der  name  des  cardinals  Rauscher  mit  dem  Zeitalter  Franz  I.  zu  tun?),  so 
tritt  in  dem  verlauf  des  übrigen  Werkes  an  die  stelle  der  hierdurch  verursachten 
Unklarheit  nur  zu  oft  eine  Unklarheit  in  des  Verfassers  eigenen  ausdrücken  und  an- 
schauungen. Völlig  unklar  ist  z.  b.  was  er  über  Lenaus  melancholie  (s.  31  und  83) 
unter  fortwährenden  selbstwidersprüchen  sagt,  sehr  undeutlich  die  übrigens  an  sich 
überflüssigen  erörterungen  über  das  wesen  der  liebe  (s.  68),  sonderbar  die  moralischen 
betrachtungen  über  die  Stellung  des  ehern anns  zu  dem  Iiebesverhältnis  zwischen  seiner 
gattin  und  ihrem  freunde  (s.  75).  Gelegentlich  tritt  übrigens  auch  hier  die  citiersucht 
verwirrend  hinzu,  wrie  wenn  (s.  53)  Herkomer  und  Schönbach  bemüht  werden  müssen, 
um  Lenau's  antipathie  gegen  den  „  Amerikanismus "  zu  erklären.  "Wieviel  mehr  hätte, 
wenn  doch  schon  litterarische  belege  nötig  waren ,  Kürnbergers  „  Amerikamüder " 
getaugt! 

Sehr  häufig  haben  wir  ausserordentliche  Ungeschicklichkeit  des  Stils  zu  beklagen. 
Ausdrücke  wie  „plasticität  des  gemüts"  (s.  31)  oder  „aneifern"  im  sinne  von  „zur 
nacheiferung  anspornen"  (s.  32)  sind  wenigstens  nur  unschön.  Aber  was  soll  man 
zu  einem  satze  sagen,  wie  dem  folgenden  (s.  Gl):    „Als  unwiderstehlich  gefeiert  und 


JELLINEK,    ZU    THEOB.  HOCK  413 

gehuldigt,  erregte  sie  durch,  correctes  spiel,  selbst  unbefangen,  in  jedem,  ohne  auch 
nur  von  einem,  nicht  einmal  dem  gatten,  in  eine  tiefe  leidenschaft  gerissen  zu  werden, 
wünsche  und  hoffnungen,  die  zu  erfüllen  ihr  nicht  in  den  sinn  kam."  Solche  trau- 
rigen gebilde  finden  sich  noch  öfter  (z.  b.  s.  42.  64). 

"Wir  haben  uns  bei  form  und  stil  am  längsten  aufgehalten,  weil  doch  schliess- 
lich bei  einer  darstellung  die  darstelluug  die  hauptsache  ist.  Je  mehr  wir  aber  be- 
dauern, dass  durch  die  Vernachlässigung  dieser  Wahrheit  C.  sein  buch  um  die  beste 
Wirkung  gebracht  hat,  desto  entschiedener  müssen  wir  hervorheben,  dass  es  für  den 
litterarhistoriker  und  für  jeden,  der  sich  intensiver  mit  Lenau  beschäftigen  will,  von 
unzweifelhafter  Wichtigkeit  ist.  Zwar  die  erkenntnis  seiner  litterarischen  Ursprünge 
wird  keineswegs  so  sehr  gefördert  wie  man  aus  der  breite  der  nomenclatur  in  jenem 
anfangscapitel  schliessen  könnte.  Mangelt  es  doch  nachher  fast  ganz  an  versuchen, 
zwischen  jenem  milieu  und  den  dichtungen  Lenaus  eine  nähere  beziehung  herzustellen. 
Nur  das  ist  von  bedeutung,  dass  der  verf.  mit  entschiedenheit  Lenau  als  Deutschen 
fasst  und  die  slavischen  und  ungarischen  bestandteile  seines  wesens  fast  ganz  abweist. 
In  andern  punkten  aber  kommt  er  öfters  zu  ergebnissen,  die  wir  uns  zwar  nicht 
immer  anzueignen  vermögen,  die  aber  doch  als  resultate  eines  sechsjährigen  ernsten 
und  eindringenden  Studiums  mindestens  genauere  erwägung  verlangen  dürfen.  Dahin 
rechne  ich  besonders  sein  ungünstiges  urteil  über  den  einfluss  der  familie  Schwab 
und  ihre  haltung  dem  dichter  gegenüber  (s.  42)  und  vor  allem  den  ritterlichen  ver- 
such, Sophie  zu  „retten".  Ich  kann  mich,  wie  gesagt,  beidemal  nicht  als  überzeugt 
bekennen;  noch  weniger  bei  der  überaus  harten  Verurteilung  der  Caroline  Unger 
(s.  92).  Aber  ich  räume  durchaus  ein,  dass  C.s  auffassung  eine  nachprüfung  der 
acten  nötig  macht.  Diese  wird  dann  hoffentlich  auch  die  folge  haben,  dass  der  verf. 
seine  eindringenden  und  vielseitigen  Studien  zur  erkenntnis  Nikolaus  Lenau's  noch 
einmal  vorlegt  und  zwar  in  einer  form,  die  dem  wertvollen  inhalt  mehr  als  die  diesmal 
gewählte  rücksicht  trägt. 

BERLIN,    5.    JUNI    1902.  RICHARD    M.    MEYER. 


MISCELLE. 

Zu  Theobald  Hock. 

In  dem  jüngst  erschienenen  heft  der  Beiträge  (27,  154  fgg.)  hat  A.  Goetze  einen 
sehr  fördernden  artikel  über  Hock1  veröffentlicht.  Aus  den  von  ihm  beigebrachten 
parallelen  geht  hervor,  dass  Hock  stark  unter  dem  einfluss  von  Fischart  steht'-.  Viele 
verderbte  stellen  hat  Goetze  durch  einleuchtende  konjekturen  gebessert.  Aber  in  einigen 
punkten  bin  ich  anderer  meinung  und  auch  sonst  habe  ich  ein  paar  bemerkungen  an- 
zuknüpfen. 

1)  Eine  sichere  entscheidung  über  die  namensform  —  Hoch  oder  Hock  — 
scheint  mir  unmöglich.  Auf  das  anagramm  Öckh  kann  ich  kein  so  grosses  gewicht 
legen  wie  Röster  und  E.  Schröder,  Anz.  f.  d.  a.  26,  306.  Eine  majuskeltype  Ö,  wie 
sie  der  originaldruck  des  Schönen  blumeufelds  bietet,  ist  für  jene  zeit  eine  grosse 
Seltenheit.  H.  konnte  von  vornherein  nicht  darauf  rechnen,  dass  die  druckerei  sie 
besitzen  würde.  Hätte  er  also  wert  darauf  gelegt,  dass  der  umlaut  im  anagramm  zum 
ausdruck  komme,  so  würde  er  wol  ö  in  o  e  aufgelöst  haben,  wie  er  ä  in  Pfälzem 
im  anagramm  als  a  -f-  e  verwertet. 

2)  Zu  73,  26.  27  vgl.  Aller  praktik  grossmutter  s.  12  des  neudrucks  z.  10.  11  v.  u. 
Händleintrucker,  Brüstleinschmucker. 


414  JELLINEK 

13,  13  ist  es  Dicht  möglich  Nefo  statt  Nost  zu  lesen,  da  dadurch  der  binnen- 
reim  auf  gwöst  zerstört  würde. —  Zu  14,26  bemerkt  G.  „hall,  mhd.  hale  ^  glatt'." 
Warum  hat  ihn  meine  bemerkung  Zs.  33,  118  nicht  befriedigt?  —  14,  45  G.s  einwand 
gegen  Kösters  Verbesserung  leyden  st.  leyder  ist  richtig,  seine  Verbesserung  leichter 
sehr  wol  möglich,  näher  scheint  mir  aber  graphisch  lieber  zu  liegen.  —  21,  39.  40  Was 
doch  im  Weibsbildt  rain,  Auff  Erd  kein  haben  nit  gmain.  G.  hält  gmain  für  ein 
substantivum.  Aber  das  gäbe  nur  daun  einen  sinn,  wenn  sich  für  ireibsbild  dieselbe 
kollektive  bedeutung  nachweisen  Hesse,  wie  für  frauenzimmer.  Ich  glaube,  man 
muss  für  im  ein  und  für  nit  in  lesen.  'Was  nur  ein  edles  weib  auf  erden  haben 
kann'.  —  21,48  ist  nicht  %,schaffen  st.  beschaffen  zu  lesen;  der  sinn  der  stelle  ist: 
der  mensch  macht  sich  oft  selbst  sein  Schicksal.  —  23,  18  interpretiert  G.  wol  mit 
'welches'.  Kann  er  eine  derartige  unflektierte  form  in  derselben  bedeutung  id  quod 
in  einem  text  nachweisen,  dessen  spräche  der  Hocks  nahe  steht?  —  39,  7:10.  49,  17:18. 
G.  muss  meine  bemerkung  Zs.  33,  110,  anm.  1  übersehen  haben.  Gerade  wenn  Hock,  wie 
G.  annimmt,  befüdern  gesprochen  hat,  ist  der  reim  auf  Oüttern  unrein,  da  Oüttern 
in  der  tonsilbe  den  diphthong  üe  hat.  —  59,  21  —  24  Dem  Hawer  folg  dergleichen: 
Der  gruebt,  schneidt  vnd  auch  haut  Die  Weinreben,  ivil  nit  zveichen,  Ob  ers  vmb 
so[nst]  lang  baut.  So  ist  sinngemäss  zu  interpungieren.  (Ahme  auch  dem  winzer 
nach,  der  die  weinrebeu  durch  graben,  schneiden  und  hauen  bearbeitet  und  nicht  ab- 
lassen will,  wenn  er  auch  lange  umsonst  baut'.  G.  übersetzt  weichen  mit  'mild 
werden'  (hat  also  offenbar  die  Weinreben  als  Subjekt  aufgef asst) ;  das  geht  nicht  an, 
da  man  Hock  nicht  ohne  not  einen  reim  von  *  auf  ei  zutrauen  darf.  —  75,  49  fgg. 
meine  auffassung  deute  ich  durch  die  interpunktion  und  durch  einen  Zirkumflex  au: 
Die  Vnderthancn,  so  ohn  scheuch  Sein  allxeit  gleich  Dem  AjJpetit,  an  straffen  Der 
Oberkeit,  die  da  perfect  gleich  dem.  Affect,  Nie  ruwig  werden  schlaffen.  G.s  äuderung 
von  Der  (Oberkeit)  in  Die  ist  vom  übel.  —  85,  10.  11  Das  stärekest  auch  fürwar, 
So  allem  sonst  muß  teeichen.  G.  schlägt  vor  Dem  alles  statt  So  allem.  Allerdings 
würde  der  sinn  dies  erfordern,  aber  man  sieht  nicht  ein,  wie  der  druckfehler  zu 
stände  kommen  konnte.  Es  liegt  ein  lapsus  calami  des  dichter  vor;  in  demselben 
gedieht  v.  21  schreibt  er  Das  schonest  wirdt  fürs  Liecht  erkandt,  meint  aber  fürs 
schönest  wirdt  das  Liecht  erkandt.  —  91,  85  Von  vnsern  Alten  kommen  her  Die 
nacJ/gesetxten  Nammen  sehr.  Die  beiden  verse  sind  jeder  um  zwei  silben  zu  lang. 
G.  tilgt  die  beiden  reimwörter;  das  ist  aber  doch  sehr  bedenklich,  namentlich  da  eines 
(her)  so  gut  passt,  was  für  Hock  schon  viel  sagen  will.  Wollte  man  G.  beistimmen 
und  also  auch  zugeben,  dass  kommen,  Namen  als  stumpfe  wörter  gebraucht  werden 
können,  so  müsste  man  kommen  =  kamen  setzen,  denn  das  präsens  kommen  hat  H. 
mit  u  gesprochen.  G.s  hinweis  auf  Anz.  f.  d.  a.  26,  289  verstehe  ich  nicht.  An  die 
a.  a.  o.  in  der  anmerkung  erörterte  form  kemmen  wird  er  doch  wol  hier  nicht  denken. 
name  kommt  zwar  im  bayr.  im  plural  umgelautet  vor,  hat  aber  dann  helles  a,  das 
mit  dem  e  von  kemmen  nicht  reimen  kann. 

Was  die  metrik  H.s  betrifft,  so  stimme  ich  G.  darin  bei,  dass  mehrere  fehler 
durch  den  dichter  und  nicht  durch  den  setzer  verschuldet  sind1.  Auch  glaube  ich 
wie  G.,  dass  H.s  verse  nichts   prinzipiell   neues  bieten.     Aber  mit  G.s  ausführungen 

1)  Über  das  fehlen  eines  verses  in  45,  str.  4  hat  einer  meiner  zuhörer,  herr 
R.  Junk,  eine  plausible  Vermutung  aufgestellt.  Nach  dem  Schema  soll  die  vierte  zeile 
mit  der  zweiten,  die  fünfte  mit  der  letzten  reimen;  in  str.  4  reimt  die  vierte  mit  der 
zweiten  und  mit  der  letzten.  H.  glaubte,  als  er  die  vierte  zeile  geschrieben  hatte, 
dass  dies  schon  die  fünfte  sei;  durch  diese  entgleisung  erklärt  sich  das  fehlen  einer  zeile. 


ZU   THKOB.   HOCK  415 

über  die  zweisilbigkeit  der  Senkungen  bin  ich  nicht  einverstanden.  Xach  der  theorie 
des  16.  jhs.  sollte  jeder  vers  eine  bestimmte  silbenzahl  haben.  Wir  finden  aber  in 
den  gedruckten  werken  auch  solcher  dichter,  die  sicher  jener  theorie  huldigten,  verse, 
die  diese  forderung  nicht  erfüllen.  Wir  haben  auch  äusserungen  von  dichtem,  die 
sich  darüber  beklagen ,  dass  die  silbenzahl  der  verse  durch  die  setzer  verändert  werde. 
Wir  finden  ferner  in  gedichten  des  16.  jhs.  Wortverkürzungen  und  Wortverlängerungen, 
die  in  gleichzeitigen  prosatexten  nicht  oder  doch  nicht  so  häufig  vorkommen.  Wir 
haben  ferner  direkte  Zeugnisse,  dass  solche  Veränderungen  der  wortlänge  aus  metri- 
schen gründen  vorgenommen  wurden.  Da  liegt  es  doch  nahe  in  einem  augenschein- 
lich auch  sonst  verderbten  texte  die  gleichbeit  der  silbenzahl  dadurch  herzustellen, 
dass  man  gegen  die  Überlieferung,  aber  doch  durch  sie  geleitet,  Veränderungen  der 
wortlänge  einführt.  Im  16.  jh.  glaubte  man,  dass  jede  silbe  einen  vokal  haben  müsse, 
dass  man  also  durch  weglassung  eines  schwachen  e  ein  wort  um  eine  silbe  verkürze. 
Für  die  Charakteristik  des  einzelnen  dichters  ist  es  wichtig,  ob  er  nur  solche  Ver- 
kürzungen gebraucht,  die  auch  vom  ohr  als  minderungen  der  silbenzahl  empfunden 
werden  können,  oder  nicht.  Ich  hahe  für  Hock  keine  selbständige  metrische  Unter- 
suchung gemacht;  aber  Kösters  Zusammenstellungen  und  eigene  oftmalige  lectüre  des 
textes  haben  mich  gelehrt,  dass  in  der  überwiegenden  mehrzahl  der  fälle,  wo  die 
weglassung  eines  e  die  gewünschte  silbenzahl  herbeiführt,  auch  phonetisch  Verkürzung 
des  Wortes  um  eine  silbe  eintritt.  Freilich  darf  man  bei  dem  dichter  nicht  die  schritt  - 
deutsche  ausspräche  des  beginnenden  20.  jhs.  voraussetzen.  G.  hält  wortformen  wie 
schaidn,  erlaidn,  Qnadn,  schadn  für  notwendig  zweisilbig;  er  übersieht,  dass  im 
bayr.  -österr.  in  solchen  fällen  das  d  nicht  gesprochen  wird  und  seine  ehemalige  existenz 
sich  nur  in  der  nichtnasalierung  des  vorhergehenden  vokals  äussert,  vgl.  Schmeller, 
Mundarten  §§446.672,  Nagl,  Roanad,  Einleitung  §32.  Nagl  bemerkt  ausdrücklich, 
dass  das  n  nicht  silbisch  ist.  (Über  die  fälle,  wo  d  in  Nagls  mundart  erhalten  bleibt 
vgl.  Eoanad  s.  174  zu  v.  209  und  s.  164  zu  v.  200.) 

Allerdings  bleiben  einige  fälle  übrig,  in  denen  ein  wort  mehr  silben  als  vokale 
hat.  Allein  es  ist  etwas  anderes  H.  zuzutrauen,  dass  er  aber,  oder  einsilbig  gemessen 
hat,  und  etwas  anderes,  ihm  beliebige  zweisilbige  Senkungen  zuzutrauen.  Für  die 
altnordische  metrik  gelten  Wörter  wie  sandr  für  einsilbig  (Sievers,  Altgerm,  metrik  §  39), 
phonetisch  sind  sie  zweisilbig;  deshalb  darf  man  ihnen  doch  nicht  beliebige  andere, 
phonetisch  auch  zweisilbige,  Wörter  gleichstellen1.  Köster  musste  freilich  einige  mal 
auch  wörter  streichen,  aber  die  von  G.  s.  158  beanstandeten  tilgungen  sind  für  einen 
so  korrupten  text  gewiss  nicht  allzu  kühn  zu  nennen,  nur  die  auslassung  von  dem 
11,  2  ist  syntaktisch  unmöglich,  man  muss  hier  nach»/  schreiben.  Zweisilbige  Senkungen 
in  den  text  hineinzukonjizieren  halte  ich  für  bedenklich.  Beinahe  bei  allen  Ver- 
besserungen, die  G.  s.  158  vorbringt  und  die  ich  zum  teil  für  durchaus  notwendig, 
zum  teil  für  wahrscheinlich  halte,  lässt  sich  durch  die  bekannten  mittel  zweisilbigkeit 
der  Senkung  vermeiden.  Die  einzige,  wo  das  nicht  geht,  ist  auch  aus  einem  andern 
grund  abzulehnen.  38,  9  will  G.  Wo  Lieb  recht  -ist  Calid  rnd  Standhafft  schreiben 
statt   V  Lieb  usw.     Da  gienge  das  akrostichon    Viridis  verloren,  denn  am  beginne 

1)  Wir  wissen  gar  nicht,  wie  formen  wie  abr  gesprochen  wurden.  Vielleicht 
wurden  solche  wörter  in  der  ausspräche  so  verstümmelt,  dass  sie  tatsächlich  einsilbig 
wurden.  Wer  gegen  seine  mundart  ab  st.  aber  spricht,  begeht  im  gründe  keine  grössere 
roheit,  als  derjenige,  der  gegen  seine  mundart  gesehlage  reimt,  oder  derjenige,  der 
an  Flexionsendungen  ein  -e  anflickt  (tute,  hane=tuot,  hdn).  Und  beides  ist  trotz 
den  verboten  der  tabulaturen  geschehen. 


416  JELLINEK 

des  17.  jhs.  wird  —  wenigstens  meines  wissens  —  W  im  anlaut  nicht  als  zeichen  für 
u  gehraucht.  Hocks  können  ist  hier  wider  einmal  hinter  seinem  wollen  zurück- 
geblieben, er  verstand  es  nicht  ein  mit  u  anlautendes  wort  in  den  vers  zu  bringen 
und  setzte  einfach  den  buchstaben  V  an  den  anfang  der  zeile.  —  Die  verse  19,  36.  37 
sind  sehr  schwierig:  Man  ?nuss  die  Pedcs  gleich  so  wol  scandiren,  Den  Dactilum 
vnd  auch  Spondcum  rieren.  Vielleicht  bedeutet  der  zweite  vers:  ,man  muss  (wie 
im  lateinischen  hexameter)  dactylus  und  spondaeus  durcheinander  rühren,  abwechseln 
lassen'.  Aber  was  hat  sich  Hock  unter  deutschen  dactylen  und  spondäen  vorgestellt? 
Eine  sichere  beziehung  auf  zweisilbige  Senkung  lässt  der  vers  nicht  zu. 

Dass  Hocks  gedichte  beinahe  alle  nicht  für  den  gesang  bestimmt  waren,  glaube 
auch  ich.  Aber  gegen  ein  argument  G.s  möchte  ich  ausdrücklich  einspräche  erheben, 
da  die  sache  von  prinzipieller  bedeutung  ist.  0.  meint,  dass  gedichte  mit  so  starken 
enjambements,  wie  sie  viele  (capitel'  Hocks  zeigen,  „schlechthin  unsangbar "  seien. 
Demgegenüber  stelle  ich  fest,  dass  gedichte  mit  sehr  starken  enjambements  im  16. 
und  17.  jh.  von  ihren  Verfassern  für  den  gesang  bestimmt  worden  sind.  Es  ist  doch 
wol  ein  starkes  enjambement,  wenn  es  bei  Melissus  heisst  12  III  1.  2  Es  wöl  der 
Herr'  cd  libkofende  lefxen  \  In  heuchelet,  fchneiden  ünt  reiffen  aus  oder  12  YIII  3.  4 
Wem  unter  yn  herfen  fo-viel  haillofer  \  Schandflek,  erhebt  unter  xü  trukken's  land. 
Andere  beispiele  sind  14 II  4.  5  xü  fuchen  yn  dcer  [ich  \  Fund  williglich.  15  V  4 
War  alfo  fert,  eiviger  xeit  \  Nit  darf  befurchten  um  xü  ßurtxen.  321  1.  2  0  feiig 
iß,  deem  feine  vieler  meiffcn  |  Ubertrettüng  aus  gnaden  iß  erlqffen.  feine  vieler 
meiffen  Ubertrettüng  ist  eine  wortgruppe!  Satz-  und  versgliederung  durchkreuzen 
sich  in  fällen  wie  den  folgenden.  22XIII  1  —  4  Von  dir  mein  lob  xü  deinem  preis 
heer-rint  |  In  gr offer  fchar :  xü  xalen  bin  gefint  \  Meine  gelubd  für  frommen,  da 
man  find  \  Oots  furcht  ermeffen.  30  VIII  1 — 3  Domais  haß  mir  verkert  mein 
laid  |  In  raiens  lüst,  ünt  mich  mit  fraid  |  Beklaidet,  anftat  des  traurfaks.  Die 
strophe  des  18.  psalms  zerfällt  in  zwei  teile  zu  je  vier  versen,  was  schon  äusserlich 
durch  einrücken  der  fünften  zeilen  angedeutet  ist.  Im  allgemeinen  stimmt  dazu  die 
syntaktische  gliederung.  Aber  in  strophe  V  v.  3  —  6  lesen  wir  Darnach  xertrant  fich 
durch  des  glantxes  lauf]  Dcer  für  ym  leucht,  fein  duster  wolkenhauf,  ||  Mit  wetter- 
ßain  ünt  feuers  -  Mute  krallen.  \  Im  himel  hoch  tonnert  der  Her  mit  brallen:  und 
in  strophe  VI  v.  3  —  6:  Manch'  tiffe  Hüft  der  wafferguffen  piekt,  \  Unt  ward  der 
gründ  des  eerdbodens  entdekt,  \\  Vom  fehelten  Herr'  ünt  deines  edems  faufer,  \  Dcer 
im  wrn  fchnaubt  aus  dein  naslöchern  raufer.  Auch  in  psalm  35  zerfällt  die  acht- 
zeilige  strophe  in  zwei  gleiche  teile,  aber  XI  3  —  XII  5  zerstört  die  syntaktische 
gliederung  gänzlich  die  metrische:  Wölft  dich  von  mir  Her  nit  fern  machen:  \  Sonder 
%k  richten  meine  fachen,  \\  Wach -auf,  Oot  mein  Her,  mündre  dich.  \  0  Her  mein 
Gott'  eutfchlichle  mich  \  Nach  deiner  felbs  gereehtikait ,  \  Das  s'  über  mich  nit  fei'n 
erfrait:  \\\  Noch  fagen  mugen  aus  hochmüt,  \  lach!  gekult  han  wir  unfern  müt,  \ 
JEr  iß  verfchlikt.  Dem  leiden  allen,  |  Welch'  an  meim  übel  han  gefallen,  ||  Mus 
fchani'  ünt  fpot  fein  beigebracht :  Enjambement  von  strophe  zu  strophe  findet  sich 
auch  49  III/IV,  wo  die  zweite  hälfte  der  dritten  strophe  den  konzessivsatz,  der  anfang 
der  vierten  strophe  den  hauptsatz  einer  längeren  periode  enthält.  Ferner  50  VI  7  — 
VIII:  Wi  darfst  mein  bünd  in  dein  ßinkend  maul  f äffen,  \  Weil  du  der  xin-ht 
gram  biß,   ünt  tüß  fi  liaffen,  \\\  Auch  /linder  dich  wirfst  meine  toort  xü  ruk? 

Ich  könnte  die  beispiele  noch  vermehron.  Aber  schon  die  beigebrachten  zeigen 
wol  zur  genüge,  welch  starke  enjambements  sich  Melissus  gestattet.  Und  diese 
schlechthin  unsaugbaren  verse  hat  er,  der  gelernte  musicus,   für  den  gemeindegesang 


ZU  THEOB.  HOCK  417 

bestimmt.  Gedruckt  wurden  sie  in  Hocks  geburtsjahr,  ihr  dichter  ist  ein  jähr  nach 
dem  erscheinen  des  Schönen  blumenfelds  gestorben. 

Lobwassers  psalmen  sind  nicht  nur  für  den  gesang  bestimmt,  sondern  auch 
tatsächlich  gesungen  worden.    Und  doch  treffen  wir  stellen  wie  die  folgenden: 

2 III  6.  7  Zum  König  ich  jn  hob  gesalbt,  die  krön  \  Vnd  scepter  er  hat  von 
mir  selbst  empfangen.  8  V  1.  2  Nur  dx  du  in  den  Engeln  nicht  gar  gleiche  \  Ge- 
schaffen hast,  gemacht  hastu  jhn  reiclie.  10  V  4.  5  Biß  er  ein  armen  bringt  in 
seine  strick,  \  Den  er  verschling ;  er  ist  vol  böser  tiick.  14  I  1.  2  Der  vnweiß  Man 
in  seinen/  hertxen  spricht,  \  Es  ist  kein  Gott,  darumb  ist  böß  sein  wandet.  Man 
denke,  was  für  ein  sinn  herauskommt,  wenn  man  nach  Gott  keine  pause  macht. 
18  V  4.  5  (vgl.  oben  Melissus  18  VI  4.  5)  Die  teuff  des  wassers  frey  man  selten 
kundt  ||  Von  deinem  schelten  vnnd  von  deinem  blasen.  3G II  1 — 3  Herr,  deine 
grosse  gütigkeit  \  Stöst  an  den  Himmel,  dein  ivarheit  |  Thut  an  die  wölken  reichen. 
37  IV  5.  6  Nim  dich  deß  nicht  an,  vnd  dir  nicht  mit  jhn  \  Zusündigen  fürnim  in 
deinem  sinn.  45  IV  5 — 7  Dein  Kleidung  reucht  nach  eitel  Mirr  md  Amber  \  Vnd 
Aloes,  wann  du  gehst  auß  der  Kammer  |  Deines  Pallasts  von  helffenbein  gexiert. 
50  VI  3fgg.  Zum  Sünder  spricht  Gott,  was  redt  doch  dein  Mund  |  Von  meinem 
recht,  was  nimstu  meinen  bund  \  Auff  deine  Zung?  so  du  doch  zuckt  sehr  hassest,  \ 
Mein  Wort  verwirffst,  vnd  nicht  xu  hertxen  fassest.  Hocks  cap.  46,  meint  G.,  sei 
nach  einer  melodie  gedichtet  worden,  aber  das  eujambement  von  strophe  10  auf 
strophe  11  mache  das  gedieht  unsangbar.  Das  enjambement  besteht  darin,  dass  str.  10 
einen  relativsatz  (Was  ich  verthan  hob  usw.),  str.  11  den  dazu  gehörigen  hauptsatz 
(Das  wil  ich  wider  gewinnen  usw.)  enthält.  In  Lobwassers  8.  psalm  enthält  die 
3.  strophe  einen  bedingungssatz  (Wenn  ich  nun  deine  teerek  pfleg  anxuschaiven  usw.), 
die  4.  den  dazu  gehörigen  hauptsatz  (Dann  muß  ich  mich  verwundern  usw.).  Also 
ist  auch  Lobwassers  8.  psalm  unsangbar?  Und  doch  ist  er  lange  gesungen  worden. 
Oder  verhindert  nur  der  schlusstriller  bei  Hock  die  sangbarkeit? 

Liest  man  die  worte:  Selig  sind  die  dotten  die  in  dem  herren  hie  scheiden 
aus  diesem  leben,  so  wird  man  schwerlich  durch  die  syntaktische  gliederung  darauf 
geführt  werden,  dass  wir  es  mit  drei  versen  zit  tun  haben,  von  denen  der  erste  nach 
dem  ersten  die,  der  zweite  nach  hie  schliesst.  Aber  so  hat  diese  worte  Abraham 
Letscher  in  einem  meistergesang  verwendet,  vgl.  Beitr.  19,  223.  Und  dass  meisterlieder 
für  den  gesang  bestimmt  waren,  wird  sich  kaum  bezweifeln  lassen. 

Der  fall  steht  in  den  von  Streinz  a.  a.  o.  veröffentlichten  meisterliedern  keines- 
wegs vereinzelt  da.  Vgl.  s.  202,  113,  7.8  Ein  sinnger  kan  arbeitten  vnd  j  frölich 
sinngen  dorneben  \  frii  vnd  spat  was  gibt  sein  andacht:  s.  222,  XV  3,  2.  3  Am  himel 
ersch röckliche  wunder  zeichen  |  wir  offt  sehen,  drurnb  ist  das  end  nicht  ferren. 
S.  244,  XXIX  3,  7 — 9  Vnd  wenn  auch  die  \  herren  seitidt  hie  |  fürsichtig  nid  sanft- 
müetig.  Enjambement  von  bar  zu  bar:  s.  211,  VII 1/2  Do  drat  Elias  der  prophet 
hin  mit  fleiß  \\\  Vnnd  xu  allem  volck  also  sprach.  S.  230,  XXIII  1/2  Ehret  den 
herren  kumpt  für  in  andeehtig  \  \  \  Vnnd  betet  seinen  namen  an.  S.  242,  XXVIII 4/5 
du  uollest  vns  hinfort  in  disem  leben  1 1 1  die  einigkeit  verleihen  \  an  allem  ortt. 

Auch  die  in  den  Haller  neudrucken  nr.  104 — 169  veröffentlichten  meistergesänge 
des  Hans  Sachs  liefern  nicht  eben  wenige  beispiele.  Vgl.  etwa  2,  115.  116  Die  spin 
sprach:  Ich  \  Hab  ril  freyheit  vnd  küre.  3,  1 — 4  Ein  reicher  kauffniann  sase  \  In 
welschem  land;  er  zvase  \  xu  Messina,  ich  läse  \  In  cento  nouella.  125,  38  —  40 
Auf  eint  palcken  da  sas  ein  huen,  \  Das  eim  nachtpawren  ause  |  Was  komen  den 
vorigen  tag.     194,  49fgg.  Was  ligt  dir  dron,  \  Es  sey  sandt  oder  gölte,  \  Weil  dws 


418  JKLLINEK 

nit  011  |  Oreufs?  Sag  mir  warxio  solde  \  Das  gold  da  sten?  warumb  hastu  das  holde. 
232,  2  —  4  Ztv  dem  kam  aus  dem  hag  \  Ein  fuchs  vnd  fraget  die  \  Saw :  „  Was 
machstw  alhie?"  Übergang  von  stollen  zu  abgesang:  15,  21  —  24  Als  sie  sahen  xw 
leucken  |  Die  hasen  alxwmal,  ||  Sprangen  sie  dl  \  In  das  wasser  hinunder.  Über- 
gang von  bar  zu  bar:  9,  13.  14  Des  erschraek  meehtig  hart  der  stareke  stiere  || 
Vnd  floch  hinweg,  vngerochen  der  sehmach.  27,  13  — 15  Doch  meint  der  müelner 
do,  |  Sein  weih  ersewfxt  also,  |||  Das  sie  ir  gelt  hetten  vertan.  54,  20.  21  Pleck  die 
xen  wie  ein  ackergawl  1 1 1  Vnd  steck  den  kamb  in  deinen  part.  145,  40.  41  Pald 
das  der  dieb  vernome  \  \  \  Sprach  er  usw.  237,  38  fgg.  Als  nun  haim  kam  der  pawer 
alt,  |  Der  pfarrer  hets  ausgspccht.  Als  sas  \  Der  pawer  gleich  xu  diseh  vnd  as ,  \\ 
Schickt  er  den  mörser  im  xu  haus. 

Dass  diese  enjambements  schön  sind,  behaupte  ich  nicht.  Aber  darum  handelt 
es  sich  auch  gar  nicht  bei  der  frage,  ob  ein  dichter  um  die  wende  des  16.  und  17.  jhs. 
gedichte  mit  starken  enjambements  für  den  gesang  bestimmt  haben  könne.  Dem 
philologen,  der  die  möglichkeit  einer  erscheinung  in  einer  bestimmten  zeit  erweisen 
will,  genügt  es,  wenn  die  erscheinung  in  dieser  bestimmten  zeit  und  zwar  nicht  nur 
ausnahmsweise  vorkommt. 

Ich  benutze  diese  gelegenheit,  um  eine  behauptung  in  meiner  recension  der 
Kochschen  ausgäbe  richtig  zu  stellen.  Zs.  32,  396  anm.  1  habe  ich  gesagt,  dass  Hock 
für  cap.  91  das  3.  buch  von  Beatus  Ehenanus,  Rer.  germ.  libri  III  benutzt  habe.  Vor- 
sichtiger wäre  es  gewesen  zu  sagen  ( direkt  oder  indirekt'.  Hock  schöpfte  wahr- 
scheinlich aus  Andreas  Althamers  Commentara  Germaniae  (Nürnberg  1536).  Althamer 
benutzte  seinerseits  wider  u.  a.  auch  das  werk  des  Beatus  Rhenanus.  Man  vergleiche: 
H.  91,25:  A.  p.  53  fg.  Tuisconis  filius   fuit  MAN- 

Der  ander  König  hieß  NVS  .  .  .  Hie   quoque   Germanorum   pater 

Hanno;  drauß  wohl  schließ,  ac  heros  censetur:  hoc  inde  colligitur,  quöd 

Der  Orthen  sey  worden  illius  nomen ,   honor  et  memoria  in   uni- 

Genandt  die  Helden  groß  uersa  permanserit  Germania,  ut  aliquem 

Herman,   Ottman,  Kriegßman,   Landman        ab  insigni  uirtute   atque   fortitudine  com- 
Vnd  Edelman  nit  bloß.  mendaturi,  appellemus  Mannum,  ein  mann 

....  Hinc  est  Germanus,  Alamannus  .... 
nomina  gentilia  et  Hermannus  Ringman- 
nus  .  . .  propria:  Similiter  appellatiua  illa 
Gotsman,  Biderman,  Landtsman,  Adel- 
man  ...  et  infinita  huius  generis  composita 
ac  denominatiua  ä  Manno. 
Ott  mann  hat  bei  A.  keine  entsprechung. 

Die  etymologie  von  Germani  H.  91,  31 — 36  geht  auf  Aventiu  I  361,19  —  21 
zurück.     Aber  das  folgende  beruht  wider  auf  Althamer 

Qerhardus,  Oerbaldus  A.  p.  67 :  ...  meram  Teuthonicam  dic- 

Daher  wirdt  gnent;  das  ist  tionem  esse  Germaniam,  ä  Ger  et  Man 

Qar  hard1,  gar  baldt.  conflatam.    Ger  ueteres  Germani  dicebant, 

quod  nos,  gar,  id  est  totum,  prorsus, 
plane.  Inde  est  Gerhardus  prorsus  durus 
....  Gerbaldus  totus  celer. 

1)  Der  druck  hat  Gerhard. 


ZU    THEOB.  HOCK 


419 


91,42  —  47: 

Ir  vill  main  doch, 
Germania  sey  noch 
Ein  Wort  Lateinisch  gar, 
Frantzösisch  oder  zwar 
Thue  kriechen  von  Griechen; 
Der  Warheit  ist  nicht  gleich. 

91,  39  —  42: 

in  solcher  gstaldt 
Heist  Alman  zu  der  frist, 
Als  wolt  man  sagen:   die  Teutschen  fein 
All  Mannen  dapffer  sein, 
dagegen  Aventin  1359,  11:  Alman  und  Almou,  der  aller  ein  man  ist. 

91,  49  —  54  =  Aventin  I  364,  7.  8;  91,  55.  5b'  vielleicht  =  Aventin  I  113, 17  aber 
auch  =  Althamer  p.  54:  Est  autem  Ingteuon  Germanica  dictio,  quae  incolam  seu  in- 
habitatorem  significat.     Ingaeuon  ein  inwoner. 


A.  p.  67 :  nach  einer  längeren  aus- 
einandersetzung  über  die  verschiedenen 
etymologien  von  Germania:  intelligen- 
dum  est  non  Graecam,  non  Romanam, 
nee  Gallicam,  sed  meram  Teuthonicam 
dictionem  esse  Germaniam  etc. 

A.  p.  69:  Quod  uocabulum  quoque  est 
Teuthonicum,  ex  AI  et  Man  compositum, 
quasi  dicas  Alman,  omnes  uiri. 


A.  p.  54  fg. :  Beatus  Rhenanus  ...  in 
elegantissimis  suis  rerum  Germanicarum 
libris,  uolumine  tertio  . .  suum  .  .  iudicium 
hac  de  re  in  hunc  modum  protulit.  In- 
gaeuones,  quid  am  scribunt  Ingenones.  Sed 
neutrum  recte.  Kam  .  . .  Germanica  dictio 
est,  .  . .  innuens  eos  qui  sinus  maris  aeco- 
lant.  Itaque  sciendum  Vuic  siue  Vuig 
lingua  Saxonum  et  eorum  Germanorum 
qui  circa  mare  habitant,  significare  sinum 
maris  aut  iluuij ,  quod  superior  Germania 
Vuog  appellat,  et  Vuonen  est  habitare. 
Vude  Vuigeuuones  dicti,  qui  sinus  maris 
incolerent  etc. 

A.  p.  56:  Qui  IstaBuones  ä  Vigeuonibus 
Septentrionalibus  tarn  quam  ultimi  et  remo- 
tissimi  eultores  fuerunt  appellati,  die  Ey- 
steruuoner,  siue  die  Vsserstenuuoner,  aut 
Vueitstenuuoner,  qui  non  sint  medij ,  neque 
maritimi  aut  insulares  Oceano  proximi, 
sed  plane  ripeuses  remoti  ab  Oceano, 
Ingaeuonibus  et  Hermionibus. 
Bei  H.  steht  i  in  Isserst  für  ü  (v).  Althamer  geht  auch  hier  auf  Beatus 
Rhenanus  (p.  115)  zurück.  —  Weiter  ab  liegt  Aventin  IV  100,8. 

91,  71  —  83:  A.  p.  56:  ultimos  Germanias  Hermiones 

Weil  er  sein  Reich  hat  so  weit  vom  Meer  uocat.    Hi  sunt  haud  dubie  Lusatij,  Silesij, 

[Vnd  fürth  am  Landt  sein  Heer,  Boemi,  Misnenses,  Toringi,  Saxones.  Dicti 

Der  Herimanno  hat  den  Namm,  uero  sunt  mediterranei  Germanise   populi 


91,57—66: 
Die  dritten  erstritten 
Daß  Wort  noch  änderst  schier 
Vnd  sagen,  er  soll  recht  heissen  woll 
Der  Wigeuuan  darfür. 
Denn  die  am  Deutschen  Meer  von  hinn 
Vnd  in  Seestedten  drinn 
Nennen  das  Gstätt  am  Meer  so  klueg 
Die  Wie  vnd  VVig  mit  fueg. 
Drumb  heist  der  VVigeuuon, 
Der  auß  Meers  Gstätten  kom. 


91,  67—70: 
Der  vierdte  Regierte 
Teutschlandt,  Istteuuon  war; 
Heist  einer,  der  wohnt  wider  Meer1 
Vnd  Isserst  wohnet  so  gar. 


1)  Es  ist  wol  sicher  zu  lesen  weiter  mehr;   damit  ist  auch  einer  der  wenigen 
unreinen  reime  von  er :  er  beseitigt,     mehr  neben  comparativ  auch  75,  39. 


420 


JELLINEK,    ZU    THKOB.  HOCK 


Hernuuones,  Teuthonica  api)ellatione:  Her 
enim  Septentrionalium  Germanorum  lin- 
gua,  terram  significat,  nos  hie  addimus 
literam  t  uel  d,  dieimus  enim  Herd  uel 
Hert,  inde  Herthum  deam  appellatam 
puto,  id  est,  terram  matrem,  et  Herd- 
uuoner  mediterraneos  habitatores  terrae. 


Sonst  Hermnion  vom  Stamm.] 
Die  Schlesing,  Mähren,  Schwaben 
Polen,  Böheimb  gnendt  sich  haben 
Hermioner,  Hernnaoner, 
Die  zum  Septentrion 
Ghaust;  den  Her  heist  Erdt  dorther, 
Wir  henckens  D  noch  dran: 
Berät  oder  Erdt.    die  Hertha  zart 
Der  Erdt  die  Göttin  wardt, 
Sonst  Nertha. 

Die  eingeklammerten  verse  bei  Hock  gehn  auf  Aventin  I  371,  35.  36  zurück: 
dalier  noch  Herimannus  den  namen  hat,  gleich  als  ein  man  des  hers.  Von  den 
neuen  wirdi  er  Rermion  oder  Eermon  genant.  Es  ist  sehr  charakteristisch,  wie 
Hock  die  beiden  widersprechenden  etymologien  in  einander  schiebt.  —  Aus  Aventin 
(I  372,  7fgg.)  hat  H.  auch  die  Mähren,  Schwaben  und  Polen  (die  Schlesier  uud  Böhmen 
werden  von  Aventin  wie  von  Althamer  erwähnt).  "Während  aber  Aventin  sagt,  dass 
die  Hermiones  ;die  letzten  Teutschen  gegen  mittag  und  Welschland'  seien,  versetzt 
sie  H.  tzum  Septentrion',  weil  er  die  bemerkung  über  die  Septentrionalium  Oerma- 
norum lingua  missverstanden  hat.  Althamer  geht  auch  hier  auf  Beatus  Ehenanus 
zurück,  der  der  meinung  war,  dass  der  name  vom  Standpunkt  der  nördlichen  Germanen 
gegeben  ist,  vgl.  Rer.  Germ,  libri  III  p.  115.  Die  erwähnung  der  Nertha  beruht  auf 
erinnerung  an  Aventin  I  364,  21. 


91,  89—100: 

der  sechst  darbey 
Marso  [durchs  Glückes  fahl 
Vom  Gott  des  Kriegß  den  Namen  het. 
Marsemer  Landt  versteht: 
Die  alten  gaben  eim  jeden  Ort, 
See,  Weiher  und  Deicht,  das  Wort 
Meers  vnd  Merlude,  Mar, 
Als  Thietmars  vnd  Stormar 
Entsprungen  —  beyn  jungen 
Der  Nam  ist  Maria 
(Die  Meer  versteh  oder  die  See)  — 
Vor  hieß  Stormarsia. 


A.  p.  56 fg.:  Marsus  ...  Ab  hoc  dieta 
est  Marsorum  regio  (Marsemerlandt)  in 
Germania  .  . .  Marsi  etymum  habent  germa- 
nicum.  Veteres  namque  Germania?  populi 
Saxones  palustria  et  aquosa  loca  Mers,  et 
Merlude  appellant,  et  Marsos  palustres  . . . 
Inde  estVuilstermers,  Crempermers,  Thiet- 

mers omnem  ego  Holsatiam  et  Stor- 

mariam  .  .  .  Marsorum  genti  deputandam 
puto  . . .  Stormaria  uero,  quasi  Storemarsia 
ä  Stora  flumine  appellata,  ut  pro  Marsia, 
Maria  sit  inolitum,  ut  fit  uerborum  de- 
torsio. 


Ich  denke  jetzt  wird  man  erst  die  verse  Hocks  verstehen,  meine  auffassung 
habe  ich  hier  wie  sonst  durch  die  interpunktion  angedeutet.  Mar  nach  Merlude  ist 
durch  eine  flüchtigkeit  Hocks  zu  erklären ,  bei  A.  ist  Mar  =  sos  durch  den  zeilen- 
schluss  getrennt.  Aber  wie  er  wol  auf  die  sehr  unpassende  anspielung  auf  Mars  ge- 
kommen ist?  Auch  die  Übersetzung  von  Maria  hätte  er  sich  schenken  können.  — 
Althamer  geht  an  dieser  stelle  auf  die  Vandalia  des  Albert  Crantzius  zurück. 

91,  101 — 110:  A.  p.  58:  De  Gambriuio,  Gemper  oder 

< itniibriuio  heist  jKempffer'  frey  Kempfer...  Albertus  Crantzius  libro  I.  Van- 

Der  sibent;  daher  Qambrey  dali«,  Gambriuij  nulla  reliquere  uestigia, 

Vnd   Camcrach,  Sickambri,  die  nisi  forte  Sicambros  .  .  inde  deriuari  cre- 

Jetz  ( Geldern'  heissen  hie;  damus  ...  Et    ubi    nunc    Montenses    uel 

tiueuus  der  acht:  die  Schwaben  potius  Bergenses,  atque  Geldrenses  degunt, 

Von  jhm  den  Namen  haben.  olim    Sicambrorum    fuere   sedes  .  .  .  Est 


BERICHTIGUNGEN    —    NEUE  ERSCHEINUNGEN 


421 


Der  neundte  befreundte 

Von  defi  Tuitschons  Stam 

Hieß  Yandalus;  von  ihm  der  Fluß 

In  Polin  die  Weichsel  kam. 


Althamer  ist  auch  im  cap.  86, 
chronistische  angaben  benutzt  worden. 

Schliesslich  bemerke  ich  zu  der 
Maiden  im  sehen  sich  nit  müssigen, 
Anz.  f.  d.  a.  26,  304,  dass  nach  meiner 
Dwb.  III  680.  —  Mit  Dauben  ist  gewiss 
zu  lesen,  aber  mit  rücksicht  auf  das 
bedeuklich. 

WIEN ,   22.  APRIL   1902. 


episcopalis  urbs  Gambreu  prope  Neruios, 
id  est  Tornacenses,  nunc  Cameracensis 
dicta,  quas  mihi  coniecturam  facit  Gam- 
briuios  in  eo  tractu  habitasse. 

Sueuus  .  .  Hie  amplissimam  Sueuorum 
gentem  ac  regnum  condidit  et  de  suo 
nomine  cognominauit.  .  .  p.  63  A  quo  (sc. 
Vandalo)  Vandalos  prodiuisse  nomen  est 
argumento.  Vandali  autem  .  .Vandaii  fluuij 
aecolas,  qui  Vistula  ab  autoribus  appel- 
latur,  .  .  .  Vistula  —  per  mediam  eurrit 
Poloniam. 
das   sonst  auf  Aventin  beruht,   für   viele  syn- 

überschrift  von  cap.  72  Danten  kern  einer  der 
es  wer  auch  Epschen  vnartig   gegen  Köster, 

meinung  zu  lesen  ist  epsch  vnd  vnartig,  vgl. 
nicht  Dante  gemeint;  nabe  läge  es  Der  autor 

Zs.  32,  395,  anm.  1  bemerkte   scheint  es  doch 

M.  H.  JELLINEK. 


BERICHTIGUNGEN. 

Zu  Zeitschr.  33,  561. 

Die   runentafel  von  Bure  ist  nicht  1600,   sondern   1599  erschienen   und  nicht 
1882,  sondern  1881  neu  aufgelegt. 

WIEN.  TH.  VOX   GRIENBERGER. 


Zu  Zeitschr.  34,  130. 

Die  von  Schiffmann  veröffentlichte  predigt  findet  sich  bruchstückweise  auch  im 
Cgm.  5250,  6e  wider,  dessen  inhalt  ich  in  Zfda.  41,  367  fgg.  mitgeteilt  habe;  vgl.  da- 
selbst s.  368  abschnitt  A2a  mit  Zeitschr.  34,  131  z.  27— 33. 


HALLE  A.  S. 


PH.  STRAUCH. 


NEUE  ERSCHEINUNGEN. 

Abhandlungen ,    Germanistische,    Hermann   Paul    zum    17.  märz   1902    dargebracht. 
Strassburg,  Trübner  1902.     (IV),  332  s.     8  m. 

Inhalt:  A.  Heusler,  Die  lieder  der  lücke  im  Cod.  regius  der  Edda. —  E.  Sulger- 
Gebing,  Aug.  Willi.  Schlegel  und  Dante.  —  EKoeppel,  M.  G.  Lewis's  gedieht 
'The  tailor's  wife'  und  Bulwer's  'Wife  of  Miletus'.  —  Fr.  v.  der  Leyen,  Kleine 
Studien  zur  deutschen  mythologie  [I.  Ooinn  und  Oörerir;  U.  Oöinn  als  zauberer].  — 
Joh.  Hoops,  Hunnen  und  Hünen.  —  F.  Muncker,  Eine  hauptquelle  für  Lessings 
tagebuch  seiner  italienischen   reise.   —   L.  Sütterlin,   Die   vorstellungswelt  der 


422  NEUK    ERSCHEINUNGEN 

niederen  volkskreise  in  Heidelberg.  —  P.  Zimmermann,  Englische  komödianten 
in  Wolfenbüttel.  —  A.  Thumb,  Die  germanischen  demente  des  neugriechischen.  — 
R.  Woerner,  Die  älteste  Maria  Stuart -tragödie.  —  Fr.  Panzer,  Erzbischof  Albero 
von  Trier  und  die  deutscheu  spielmannsepen. 

Angelus  Silesius,  Heilige  seelenlust  oder  Geistliche  hirtenlieder  der  in  ihren  Jesum 
verliebten  Psyche.  1657  (1668).  Herausg.  von  Georg  Ellinger.  [Neudrucke 
deutscher  litteraturwerke  des  16.  u.  17.  jhs.,  nr.  177 — 181.]  Halle  a.  S.,  Niemeyer 
1901.     XXXVII,  312  s.     3  m. 

Barnouw,  A.,  Textkritische  Untersuchungen  nach  [sie]  dem  gebrauch  des  bestimmten 
artikels  und  des  schwachen  adjeetivs  in  der  altenglischen  [ags.]  poesie.  Leiden, 
E.  Brill  1902.     (VIII),  236  s.     [Leidener  dissert.] 

ßatt,  Max,  The  treatment  of  nature  in  German  literature  from  Günther  to  the  appearance 
of  Goethes  Werther.     Chicago  1902.     112  s.     [Dissertation.] 

Hoch  in.  0.,  Die  volkshymnen  aller  Staaten  des  deutschen  reiches.  Beiträge  zu  einer 
geschichte  über  ihre  entstehung  und  Verbreitung.  Wismar,  Hinstorff  1901. 
(II),  82  s. 

Bonner  beitrage  zur  Anglistik,  hrg.  von  M.  Trautmann.  Heft  9 — 11.  Bonn,  Han- 
steiu  1901.     (II),  220;  VIII,  152;  II,  154  s.     7  +  5  +  5  m. 

Inhalt:  H.  Steffens,  Versbau  und  spräche  des  mittelengl.  stabreimenden  ge- 
dachtes 'The  wars  of  Alexander'.  —  U.  Lindelöf,  Wörterbuch  zur  interlinear- 
glosse  des  Rituale  ecclesiae  Dunelmensis.  —  Derselbe,  Die  südnorthumbrische 
mundart  des  10.  jhs.  (die  spräche  der  sog.  glosse  Rushworth2).  —  J.  Fischer, 
Die  stabende  langzeile  in  den  werken  des  Gawaindichters.  —  M.  Trautmann, 
Zum  zweiten  Waldhere-bruchstück.  —  J.  Fischer  uud  F.  Mennicken,  Zur 
mittelengl.  stabzeile. 

Brenner,  Oscar,  Die  lautlichen  und  geschichtlichen  grundlagen  unserer  recht- 
schreibung.     Leipzig,  Teubner  1902.     (IV),  68  s.     1  m. 

Carolina.  —  Die  Carolina  und  ihre  Vorgängerinnen.  Text,  erläuterung,  geschichte. 
In  Verbindung  mit  anderen  gelehrten  herausg.  und  bearb.  von  J.  Kohl  er.  IL  bd. 
Die  Bambergische  halsgerichtordnung  .  .  .  herausg.  von  J.  Kohler  und  Willy 
Scheel.     Mit  23  ahbild.     Halle  a.  S.,  Waisenhaus.     XCI,  312  s. 

Chantepie  de  la  Saussaye,  P.  D.,  The  religion  of  the  Teutons,  translated  from  the 
Dutch  by  Bert  J.  Vos.  Boston  and  London,  Ginn  &  Co.  1902.  VIII,  504  s. 
10  s.  6  d. 

Deutsche  Thalia.  Jahrbuch  für  das  gesamte  bühnenwesen,  herausg.  von  F.  Arnold 
Mayer.  1.  band.  Wien  und  Leipzig,  W.  Braumüller  1902.  XII,  553  s.  Geb. 
12  m. 

Engelien ,  Aug1.,  Grammatik  der  neuhochdeutschen  spräche.  5.  auf!.,  herausg.  unter 
mitwirkuug  von  Herrn.  Jantzen.    Berlin,  W.  Schultze  1902.    VIII,  619  s.    8  m. 

Fischart,  Johann,  Das  glückhafte  schiff  von  Zürich,  hrg.  von  Georg  Baesecke. 
[Neudrucke  deutscher  litteraturwerke  des  16.  und  17.  jhs.,  nr.  182].  Halle  a.  S., 
Niemeyer.     XXV,  60  s.     0,60  m. 

Friöbjöfs  saga  ins  freekna  herausg.  von  Ludv.  Larsson.  [Altnord,  sagabibl.  9.] 
Halle  a.  S.,  Niemeyer  1901.     XXIV,  56  s.     2  m. 

Gerzon,  Jacob,  Die  jüdisch  -  deutsche  spräche.  Eine  grammatisch -lexikalische  Unter- 
suchung ihres  deutschen  grundbestandes.  Frankfurt  a.  M.,  J.  Kauffmann  1902. 
134  s.     2,50  m. 


NEUE    ERSCHEINUNGEN  423 

Goethe.  —  Achelis,  Thomas,  Grundzüge  der  lyrik  Goethes.  [Velhageu  &  Klasings 
Sammlung  deutscher  schulausgahen  81.]  Bielefeld  und  Leipzig,  Velhagen  & 
Klasing  1900.     IV,  120  s.     Cart.  1,20  m. 

—  Heynacher,  Max,  "Wie  spiegelt  sich  die   menschliche   seele   in  Goethes  Faust? 

Berlin,  Weidmann  1902.     67  s.     1,40  m. 

—  Goethe -briefe,  herausg.  von  Phil.  Stein.    1.  lief.     Berlin,  Otto  Eisner  1902.    XVI, 

48  s.     [50  lieff.  ä  0,50  m.] 
Gudrun.   —   Benedikt,    Siegmund,    Die    Gudrunsage    in    der    neueren    deutschen 

litteratur.     Rostock,  Warkentien  1902.     119  s.     [Rostocker  dissert.] 
Hebel,  Job.  Peter,   Alemannische  gedichte,  auf  grundlage  der  heimatsmundart  des 

dichteis   für  schule  und  haus,   herausg.  von   Otto  Heilig.     Heidelberg,  Winter 

1902.     XV,  137  s.     1,20  m. 
Hcliauri.    —  Behaghel,  Otto,  Der  Heliand  und  die  altsächsische  Genesis.    Giessen, 

Ricker  1902.     48  s. 
Kauffmanu,   Friedrich,  Balder.     Mythus    und    sage    nach    ihren    dichterischen    und 

religiösen   elementen  untersucht.     Strassburg,  K.  J.  Trübner  1902.     XII,   308  s. 

8°  (=  Texte  und  Untersuchungen  zur  altgermanischen  religionsgeschichte,  herausg. 

von  Fr.  Kauffmann.     Untersuchungen:  erster  band.) 
Kleist,  Hehir.  v.  —  H.  Badstüber,  H.  v.  K.,  sein  leben  und  seine  werke.    Wien  o.  j., 

A.  Pichler.     X,  58  s.     Kr.  1,60. 

—  Holzgraefe,   Wilh.,    Schillersche    einflüsse    bei   H.  v.  K.      [Progr.  der  höheren 

Staatsschule  in  Cuxhaven  1902.]     (II),  32  s.     4. 
Jean  Paul.  —  Jean  Pauls  briefwechsel  mit  seiner  frau  und  Christian  Otto,  herausg. 

von  Paul  Nerrlich.     Berlin,  Weidmann  1902.     XVI,  350  s. 
Leuau.  —  Castle,  Ed.,  Nikolaus  Lenau.     Zur  Jahrhundertfeier  seiner  gehurt.     Mit 

neun  bildnissen  und  einer  Schriftprobe.    Leipzig,  Hesse  1902.  VIII,  120  s.    1,50  m. 
Lindner,  Felix,  Zur  geschichte  der  Oberonsage.     Rostock,  Warkentien  1902.     18  s. 

[Akad.  festrede.] 
Lohre,  Heinr.,  Von  Percy  zum  Wunderhorn.     Beiträge  zur  geschichte  der  volkslied- 

forschung  in  Deutschland.     Berlin,  Mayer  &  Müller  1902.     [Palaestra  .  .  hrg.  von 

A.  Brandl  und  E.  Schmidt  XXIL]     XII,  136  s.     4  m. 
Meier  Helmbrecht  von  Wernher  dem  gartensere,  hrg.  von  Fr.  Panzer.    [Altdeutsche 

textbibliothek  hrg.  von  H.  Paul  XL]     Haile  a.  S.,  Niemeyer  1902.     XVII,  64  s. 

0,80  m. 
Memoires  de  la  Societe  neo  -  philologique  ä  Helsingfors.    III.    Helsingfors ,  W.  Hagel- 

stam  (Leipzig,  O.  Harrassowitz)  1902.     IV,  576  s.  und  1  taf. 

Darin  u.a.:  Uno  Lindelöf,  Die  handschrift  Junius  27  der  Bibl.  Bodleyana. — 

Hugo  Palander,  Der  französische  einfluss  auf  die  deutsche  spräche  im  12.  jh.  — 

T.  E.  Karsten,  Beiträge  zur  german.  wortkunde. 
Oswald  von  Wolkenstein,    Geistliche    und  weltliche    lieder    ein-   und    mehrstimmig. 

Bearbeitet:  der  text  von  Josef  Schatz,  die  musik  von  Oswald  Koller.    Wien, 

Artaria  &  Co.  1902.     XXII,  233  s.  und  7  taff.    4.     [A.  u.  d.  t.:   Denkmäler  der 

tonkunst  in  Österreich.     IX.  Jahrg.,  1.  teil.]     20  m. 
Rost,  Job.  Christ.  —  Wahl,  Gust,  J.  Chr.  R.  1717—1765.     Leipzig,  Hinrichs  1902. 

VH,  183  s.     3,20  m. 


424  NACHRICHTEN 

Roetteken,  Hubert,  Poetik.  1.  teil:  Vorbemerkungen;  Allgemeine  analyse  der  psychi- 
schen Vorgänge  beim  genuss  einer  dichtung.  München,  C.  H.  Beck  1902.  XIII, 
315  s.     7  m. 

Sa i nrnn.  M.  L.,  Essai  sur  le  Judeo-allemand  et  specialement  sur  le  dialecte  parle 
en  Valachie.    I.    [Memoires  de  la  Societe  de  linguistique  de  Paris,  t.  XII.]    69  s. 

Schöllbach,  Anton  E.,  Miscellen  aus  Grazer  handschriften.  4.  reihe.  9.  Aus  alt- 
deutschen predigten.  Graz,  Selbstverlag  1902.  103  s.  [Sonderabdruck  aus  den 
Mitteilungen  des  histor.  Vereins  für  Steiermark,  L.  lieft] 

—  Studien  zur  erzählungslitteratur  des  mittelalters.  IV.  Über  Caesarius  von  Heister- 
bach. I.  [Sitzungsberichte  der  Wiener  akad.  der  wissensch.,  phil.-hist.  cl.  CXLIV.] 
Wien,  Gerold  1902.     II,  93  s. 

Schünfeld,  E.  Dagobert,  Der  isländische  bauernhof  und  sein  betrieb  zur  sagazeit. 
Strassburg,  Trübner  1902.     [QF.  91.]     XVI,  286  s.     8  m. 

Schroetter,  Otto,  Vom  papiernen  stil.  5.  aufläge.  Leipzig,  Teubner  1902.  VIII, 
102  s.     2  m. 

Schwarzenberg,  Job.  von,  Das  büchlein  vom  zutrinken,  herausg.  von  Willy  Scheel. 
[Neudrucke  deutscher  literaturwerke  des  16.  und  17.  jhs.,  nr.  176.]  Haue  a.  S., 
Niemeyer  1900.     XIII,  44  s.     0,60  m. 

Weise,  0.,  Unsere  muttersprache ,  ihr  werden  und  ihr  weseu.  4.  aufl.  Leipzig, 
Teubner  1902.    VIII,  263  s.     Geb.  2,60  m. 


NACHRICHTEN. 

Der  ord.  professor  dr.  Konrad  Burdach  an  der  Universität  Halle  a.  S.  ist  als 
mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften  nach  Berlin  berufen  worden. 

Als  nachf  olger  pro  f.  Boethe's  ist  prof.  dr.  Edward  Schröder  von  Marburg 
nach  Göttingen  und  als  nachfolger  prof.  Schröders  ist  prof.  dr.  Friedrich  Vogt  von 
Breslau  nach  Marburg  versetzt  worden. 

Prof.  dr.  Gustav  Kossinna  ist  zum  ausserordentlichen  professor  für  deutsche 
altertumskunde  an  der  Universität  Berlin  ernannt  worden. 

Der  ausserord.  professor  dr.  A.  E.  Berg  er  ist  von  der  Universität  Kiel  nach 
Halle  versetzt  worden. 


Buchdruckerei  des  Waisenhauses  in  Halle  a.  S. 


BEITEÄCrE  ZUE  KRITIK  UND  EEKLÄEUNG  DEE  GUDEUN. 
1.    Die  Nibelungenstrophen. 

Den  Nibelungenstrophen  innerhalb  des  textes  der  Gudrun  hat  zu- 
erst Sijmons,  PßB.  9,  lfgg.  eine  zusammenfassende  Untersuchung  ge- 
widmet. Sie  hat  die  geschiente  dieser  seltsamen  erscheinung  wesentlich 
aufgehellt,  im  einzelnen  aber  fordern  ihre  beweisführung  wie  ihre  er- 
gebnisse  in  vielen  punkten  Widerspruch  heraus.  Da  seit  dem  erscheinen 
von  Sijmons'  kritik  im  jähre  1884  manches  zur  geschichte  der  Gudrun 
erarbeitet  ist,  mag  es  an  derzeit  scheinen,  die  Untersuchung  mit  neuen 
mittein  nochmals  aufzunehmen.  Es  wird  uns  dabei  am  ehesten  zum 
ziele  führen,  wenn  wir  ganz  von  vorne  beginnen. 

Die  Ambraser  handschrift  überliefert  innerhalb  des  Gudrun  textes 
104  Strophen  mit  Nibelungenschluss.  Fünf  davon  werden  in  allen 
neueren  ausgaben  in  Gudrunstrophen  zurück  verwandelt,  worüber  später; 
es  bleiben  also  99  Nibelungenstrophen. 

Stellen  wir  zunächst  die  tatsache  fest,  dass  mehrere  dieser  str. 
für  den  überlieferten  Zusammenhang  unentbehrlich,  also  nicht  ausscheid- 
bar sind,  während  andere  überflüssig  oder  störend,  ja  nach  der  ansieht 
mancher  kritiker  an  ihrem  orte  geradezu  unmöglich  erscheinen.  Wollen 
wir  ein  selbständiges  urteil  gewinnen,  so  ergibt  sich  uns  aus  diesem 
stände  der  dinge  ohne  weiteres  die  notwendigkeit,  jede  dieser  str.  zu- 
nächst für  sich  zu  betrachten  und  ihren  inhalt  auf  die  Stellung  in  dem 
überlieferten  zusammenhange  zu  prüfen.  Erweist  die  str.  sich  danach 
als  notwendig  oder  wenigstens  möglich,  so  bleibt  noch  die  form  der 
str.  zu  untersuchen,  ob  sie  nach  stil  und  gedanken  mit  den  Gudrunstr. 
des  gedichtes  übereinstimme.  Die  einheit  unseres  epos  wird  dabei  als 
durch  frühere  Untersuchungen  erwiesen  vorausgesetzt,  auf  kritische 
theorien  also,  die  das  gedieht  auf  einen  oder  mehrere  Verfasser  und  so 
und  so  viele  interpolatoren  verteilen,  keine  rücksicht  genommen. 

Str.  6  wird  von  Sijmons  s.  11  fg.  für  interpoliert  erklärt.  Er  meint 
in  v.  4  könne  nur  von  Ute  die  rede  sein;  man  müsse  lesen  der  edelen 
kimeginne  was  nach  Sigebanden  we  und  erklären  „die  königin  konnte 

ZEITSCHRIFT    F-    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.   XXXIV.  28 


426  PANZER 

Sigeband  nicht  entbehren."  Mit  dieser  behauptung  aber  stehe  7,  1  in 
widersprach.  Dagegen  ist  einzuwenden,  dass  die  phrase  mir  ist  we 
nach  stets  nur  von  der  Sehnsucht  nach  einem  nicht  im  besitze  des 
(logischen)  subjects  befindlichen  gegenstände  gebraucht  werden  kann; 
die  von  Sijmons  angenommene  Verwendung  ist  durch  keine  parallele  zu 
stützen  und  in  sich  unmöglich.  Zudem  ist  Sijmons'  lesart  auch  schon 
eine  conjectur,  denn  in  der  hs.  steht  der  edelen  küniginnen  und  man 
darf  dafür  umso  zuversichtlicher  mit  C.  Hofmann  s.  223  den  edelen  küni- 
ginnen einsetzen,  als  we  sin  nach  bei  unserem  dichter  ein  stehender 
ausdruck  für  liebessehnsucht  ist,  vgl.  630,  2  dem  küenen  Herwige  was 
ivol  also  we  alse  Hartmuote  nach  Küdrün  der  riehen,  748,  2  ex  was 
nach  Küdrünen  Hartmuoten  we,  967,  2  diu  maget  von  Hegelingen, 
fläch  der  dicke  we  wecre  Hartmuote.  Diese  Übereinstimmung  ist  darum 
besonders  bemerkenswert,  weil  solche  Verwendung  der  phrase  keineswegs 
häufig  ist.  Das  Mhd.  wb.  citiert  3,  541 ,  ausser  Mise.  2,  200  =  Carm. 
bur.  112,  nur  stellen  aus  Wolfram  (Parz.  55,  25.  94, 16.  327,  28.  389, 10; 
übersehen  sind  Parz.  711,9,  Wilieh.  26,29)  und  die  fügung  wäre  danach 
vielleicht  Hilde -Gudrun  s.  149  unter  den  aus  Wolfram  entlehnten  auf- 
zuführen gewesen. 

Der  gedanke  der  str.  ist  untadelig  und  passt  sehr  gut  in  den  Zu- 
sammenhang: Ute  bleibt  witwe1,  deshalb  wollte  ihr  söhn  nicht  heiraten2, 
obwol  alle  Prinzessinnen  ihn  begehrten.  Schlösse  str.  7  an  5  an,  so 
würde  es  7,  1  wol  heissen:  Do  riet  sin  muoter  dem  riehen. 

Die  ursprünglichkeit  der  Strophe  lässt  sich  zudem  noch  von  einer 
anderen  seite  her  klar  erweisen.  Der  ganze  eingang  ist,  wie  Kettner, 
Zeitschr.  23, 147 fgg.  gezeigt  hat,  nach  der  2.  aventiure  des  Nibelungen- 
liedes gearbeitet.  Str.  3.4  geben  Nib.  24,1.  26,  1.  2  sehr  genau  wider. 
Die  rücksichtnahme  auf  die  mutter  in  unserer  str.  6  leitet  Kettner  mit 
recht  ab  aus  Mb.  43,  wo  Sigfrid  es  ablehnt  bei  lebzeiten  seiner  eitern 
die  kröne  zu  übernehmen  (denn  darum  handelt  es  sich  natürlich  auch 
hier,  da  heirat  und  Übernahme  der  herrschaft  zusammenfallen,  wie  nach- 
her 18  fgg.  und  bei  Hagen  ausführlich  erzählt  wird).  Der  vielerörterte 
vers  6,  4  aber  ist  sicher  angeregt  durch  Nib.  24,  2  manee  frouive  und 
manec  meit  im  wünschten,  daz  sin  wille  in  immer  triiege  dar.  holt 
ivurden  im  genuoge.    Es  ist  nun  gewiss  wahrscheinlicher,  dass  der  dichter, 

1)  So,  denn  den  witeivenstuol  besitzen  ist  nicht,  wie  Sijmons  erklärt,  =  in 
dem  witeivenstuol  sitzen  „witwe  sein",  sondern  perfectiv,  also  entweder  „witwe 
werden  "  oder  „witwe  bleiben  " ;  hier  das  letztere. 

2)  Vgl.  die  umkehrung  des  gedankens  209:  Hetel  will  heiraten,  weil  ihm 
vater  und  mutter  gestorben  sind. 


BEITRÄGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  42? 

der  die  ganze,  in  den  um  6  stehenden  Strophen  erzählte  geschiente  in 
engster  anlehnung  an  diesen  abschnitt  des  Nib.  verfasste,  ihm  auch  die 
in  str.  6  selbst  von  ebenda  genommenen  züge  entlehnte,  als  dass  ein 
interpolator  die  quelle  des  ersten  dichters  scharfsinnig  erkannt  und 
aus  ihr  (sogar  aus  derselben  strophe!)  nochmals  einen  zug  eingefügt 
haben  sollte. 

14.  15  haben  ziemlich  einstimmige  Verurteilung  gefunden.  Nament- 
lich wird  die  „unbeholfene"  str.  14  getadelt  (W.  Grimm);  „sie  greift 
weit  voraus  und  durchschneidet  die  nachher  fortgesetzte  erzählung" 
(Martin).  Sijmons  s.  12  wollte  die  Strophen  nach  16  einschieben,  was 
ganz  unmöglich  ist,  weil  15,  4  deutlich  16  vorbereitet  und  nur  vor 
dieser  str.  einen  sinn  hat,  worüber  unten.  Der  ganze  anstoss  besteht 
überhaupt  nur  in  der  angäbe  von  14,  2 a  der  (buhurt)  was  nü  xer- 
gangen,  während  er  16, 2  doch  fortdauert.  Das  steht  aber  ja  auch  gar 
nicht  in  der  hs.,  die  vielmehr  liest  es  was  mixergangen.  Diese  lesart 
ist  formal  anstössig  und  gewiss  verderbt  (sichtlich  infolge  des  bestrebens, 
den  cäsurreim  herzustellen);  eine  conjeetur  hat  aber  doch  kein  recht, 
ihren  sinn  in  das  gegenteil  zu  verkehren.  Wie  der  text  ursprünglich 
lautete,  lässt  sich  kaum  mehr  mit  Sicherheit  feststellen,  vielleicht  in 
/ras  unxerrunnen  noch  groxer  arbeit  (vgl.  1134,4  dö  was  in  ir  arbeit 
gar  xerrunnen ,  524,  3  sit  ist  in  groxer  eren  von  helden  unxerrunnen, 
1403, 4  im  was  noch  hohes  muotes  unxerrunnen,  257,  3  dax  uns  in 
einem  järe  des  si  unxerrunnen,  ebenso  1193,  3.  1576,  4).  Die  Her- 
stellung der  herausgeber  der  was  nü  xergangen  ist  auch  sachlich  un- 
richtig, denn  sie  widerspricht  durchaus  dem  überall  eingehaltenen 
empfangsceremoniell.  Man  kann  durch  eingehendere  prüfung  der  braut- 
empfänge  wie  unser  gedieht  und  viel  detaillierter  das  Nibelungenlied 
sie  schildern,  sich  leicht  überzeugen,  dass  der  Vorgang  sich  in  folgender 
art  abspielt:  auf  der  einen  seite  ziehen  braut  und  brautführer  zu  pferde 
heran.  Auf  der  andern  kommt  der  königliche  bräutigam  mit  seinem  ge- 
folge  im  buhurd  angesprengt.  Sind  beide  teile  zusammen  getroffen,  so 
werden  die  frauen  von  den  rossen  gehoben  und  auch  der  könig  mit 
seinem  engeren  gefolge  steigt  ab  und  begrüsst  mit  kuss  die  braut 
und  deren  gefolge.  Unterdess  aber  treibt  die  übrige  begleitung  den 
buhurd  weiter,  der  auch  noch  andauert,  während  der  könig  und  die 
vornehmsten  die  braut  und  deren  frauen  in  die  zelte  führen  (bes.  deut- 
lich Nib.  1353  fgg.  beim  empfange  Kriemhilds  durch  Etzel).  —  So  ist 
auch  hier  alles  in  bester  Ordnung.  Die  gelandeten  erholen  sich  in  den 
vom  könig  vorgesorgten  zelten  am  strande  von  den  Strapazen  der  See- 
fahrt 13,4.    Unterdess  sprengt  der  (durch  boten  besandte,  vgl.  456  fgg.) 

28* 


428  Panzeü 

könig  mit  seinem  gefolge  im  buhurd  heran  14,1.  2;  Ute  wird  ihm  ent- 
gegengefahrt 14,3  (natürlich  zu  pferd,  tgezoumet'  wie  Nib.  582);  14,4 
ist  eine  der  beliebten  vorausdeutungen  (vgl.  bes.  163,  4  sit  wart  er  ge- 
ivaltic).  Die  dienstleistung,  von  der  15,  1  spricht,  besteht  in  dem 
herabheben  der  trauen  vom  pferd  (vgl.  Mb.  584,4.  1349),  daher  passend 

15,  2.  3  die  kostbaren  satelkleit  erwähnt  werden,  die  dem  dichter,  der 
in  der  anschauung  der  Situation  stand,  hier  vor  äugen  kommen  mussten. 
15,4  lenkt  den  blick  (mit  geschickter  Überleitung  :  gemütlicher  reflex 
des  bisher  erzählten  auf  der  gegenseite!)  wieder  auf  den  könig,  der 
(unterdess    gleichfalls    abgestiegen)    nun    die    braut  mit    kuss    empfängt 

16,  1,  während  der  buhurd  um  ihn  weitertobt  16,  2.  Dass  str.  16  je 
unmittelbar  auf  str.  13  gefolgt  wäre,  halte  ich  für  unmöglich,  weil  es 
dem  stil  unseres  gedichtes  durchaus  widerstreiten  würde,  die  einleitung 
des  empfangs  zu  übergehen. 

Der  Wortlaut  der  Strophen  im  einzelnen  gibt  keinen  anstoss.  Das 
adj.  (bez.  adv.)  ritterlich  (en)  14,  1  begegnet  auch  355,4.  388,3.  413,4. 
471,3.  1103,4.  1409,3,  darunter  zweimal  in  dem  allgemeineren  sinne 
wie  hier.  Zu  dem  zweimaligen  guoten  15,  2  vgl.  Hilde -Gudrun  s.  71. 
Die  satelkleit  werden  auch  971, 1  erwähnt,  wo  die  normannischen  frauen 
zum  empfange  der  Gudrun  ausziehen;  für  die  formulierung  hat  dem 
dichter  jedenfalls  Klage  4170  fg.  vorgeschwebt,  also  ein  auch  an  vielen 
anderen  stellen  benutztes  vorbild,  Hilde-Gud.  s.  144 fgg.  —  ahi  15,4  steht 
auch  675, 2.  —  voget  von  lrlande  heisst  Sigeband  sonst  nicht,  doch  ist 
voget  zur  bezeichnung  des  königtums  in  Gud.  überaus  häufig. 

Unterstützt  wird  unsere  auffassung  von  der  ursprünglichkeit  der 
beiden  Strophen  auch  hier  wider  durch  das  Verhältnis  des  ganzen  ab- 
schnittes  zum  Nib.  Die  ganze  Strophenreihe  ist,  wie  Kettner  s.  149  fg. 
ausführt,  eine  nachahmung  von  Brünhilds  empfang  in  Worms;  speziell 
str.  16  zeigt  weitgehende  wörtliche  Übereinstimmung  mit  Nib.  585.  Da 
nun  15, 1  swaz  si  ir  künden  dienen,  des  ivas  man  in  bereit  aus  der- 
selben partie  entlehnt  ist  (Nib.  561,1  des  bin  ich  vil  bereit,  swaz  ich 
im  Jean  gedienen,  dax  ist  im  unverseit;  Kettner  vergleicht  das  entlegenere 
744, 1)  so  wird  doch  auch  diese  Strophe  wahrscheinlicherweise  denselben 
Verfasser  haben  wie  16  und  die  übrigen. 

Str.  21  nennt  Sijmons  s.  17  „sehr  überflüssig  und  nach  form  und 
inhalt  gleich  schlecht."  Einfach  ausscheiden  lässt  sie  sich  nicht,  da 
ohne  sie  das  pron.  si  22,  2  keine  beziehung  hätte.  Der  Wortlaut  gibt 
keinen  anstoss.  Zu  v.  1  im  dienten  sine  huobe  vgl.  917, 4  dar  dienten 
wol  driii  hundert  huobe,  ebenso  2,  2.  204,  4.  1227,  2.  —  daz  kreftige 
guot=321,l.  —  2*  sin  ivip  diu  kü/tegiuue  =  26,  2a  =  44,  3b  =  423,4a. — 


BEITRÄGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  429 

Zu  2h  diu  was  ouch  so  gemuot  vgl.  351,2  die  wären  so  gemuot  gerade 
auch  von  der  gesinnung,  die  den  besitz  nicht  achtet.  Das  ouch,  das 
Sijmons  in  der  anm.  s.  46  seiner  ausgäbe  als  „kaum  verständlich" 
bezeichnet,  ist  adversativ:  Sigebands  einkünfte  waren  gewaltig;  seine 
gattin  brauchte  das  aber  auch  bei  ihrer  freigebigen  gesinnung.  —  drizec 
künege  laut  3b  ist  jetzt  richtig  von  Martin  als  änb  /.oivov  gefasst;  es 
ist  von  ähnlich  gewaltsamer  art  wie  654,1.  214,2.  Dreissig  als  formel- 
hafte zahl  ist  bei  unserem  dichter  beliebt,  Hilde-Gud.  s.  92;  der  gedanke 
dieser  zwei  verse  aber  ist  angeregt  (Kettner  s.  150)  durch  Nib.  557 
Op  ich  nu  eine  hete  drizec  laut,  so  enphienge  ich  doch  gerne  gäbe  üz 
iuwer  hant:  diese  stelle,  die  der  Gudrundichter  innerhalb  der  in  den 
vorausgehenden  Strophen  ausgeschöpften  stelle  las,  löste  bei  ihm  die 
erinnerung  aus  an  jene  stehende  formel,  in  der  die  freigebigkeit  oder 
Würdigkeit  eines  fürsten  damit  charakterisiert  wird,  dass  man  ihr  dreissig 
länder  als  allein  ausreichendes  wirkungsgebiet  zuweist,  vgl.  Bit.  6716 
Günther  zu  Küedeger:  sit  ich  iu  des  hcere  jehen,  duz  habe  gegeben 
iuwer  hant,  und  licet  ir  drizec  künege  lant,  daz  ir  niht  milter  mähtet 
sin,  nemet  ditz,  Wartb.  15,  13  er  hat  den  muot,  daz  drizec  lant  und 
alle  ir  guot  ze  sinem  eilen  ivteren  ivol  beivant,  j.  Tit.  86  der  stam  be- 
gunde  breiten  mit  esten  ivol  geschcenet,  vil  zwi  da  von  sich  leiten,  der 
drizec  lant  mit  wirde  ivcer  bekrctnet,  ebd.  4283  drizec  krön,  ob  die  üf 
einem  houbet  solden  sin,  die  mohten  niht  gerichet  mit  keiner  gimme 
stiure  gesin,  daz  si  (diner  wirde)  mohten  hän  gelichet. 

Str.  30  ist  für  den  Zusammenhang  entbehrlich,  aber  im  einzelnen 
nicht  zu  tadeln,  magetlich  la  steht  auch  10,  l;  dass  die  fürstin  hier  in 
Frideschotten  saz,  8,4  aber  in  Nonvcege  gibt  keinen  anstoss,  vgl.  9,3 
und  Hilde-Gud.  s.  108.  109.  —  her  künec  2a  wird  auch  Hagen  ange- 
redet 435,1  und  Hartmut  734, 1 ;  das  ihrzen,  das  mit  diesem  verse  im 
gegensatze  zum  vorausgehenden  einsetzt,  dauert  in  den  folgenden  Strophen 
fort;  zu  miniii  meere  merket  vgl.  903,  4  merket  mich  vil  ebene.  —  Der 
höhe  pris  4 a  erscheint  auch  570,1.  971,4;  werben  nach  steht  199.4. 
213,2.  508,4.  628,3.  668,2.  1458,4;  künde  getvinnen  auch  79,2.  — 
Entscheidend  für  die  ursprünglichkeit  der  str.  ist  wider  das  Verhältnis 
zum  Nib.  Kettner  s.  151  fgg.  hat  gezeigt,  dass  die  ganze  erzählung  von 
Sigebands  und  Utes  gespräch  eine  nachahmung  des  gespräches  zwischen 
Günther  und  Brünhild  ist  in  avent.  XII  mit  vielen  wörtlichen  anklängen 
im  einzelnen.  So  entsprechen  Gud.  27  =  Nib.  725,  28  =  727.  726,  29 
—  728;  30  aber  ist  ohne  zweifei  angeregt  durch  Nib.  730,  wo  Brün- 
hild denselben  rückblick  in  ihre  Vergangenheit  tut  wie  Ute:  Diner 
swester  zühte  unt  ir  wol  gezogener  muot,  sivenne  ich  dar  an  gedenke, 


430  PANZER 

wie  sanfte  mir  dax   tuot,  wie  wir  ensamet  sdxen,  dö  ich  erste  zuart 
din  wipf 

Für  die  ursprünglichkeit  der  Strophe  darf  man  endlich  auch  noch 
die  „einheit  der  Charaktere"  ins  feld  führen;  Ute  ist  consequent  als  die 
freigebige  geschildert  (Hilde  -Gud.  s.  121),  so  dass  also  auch  diese  strophe 
schon  mit  rücksicht  auf  die  folgende  erzählung  gedichtet  erscheint. 

Nicht  ausscheidbar  ist  auch  str.  26,  die  durch  27  vorausgesetzt 
wird.  Wilmanns  s.  131  und  Sijmons  s.  17  haben  aber  anstoss  genommen 
an  dem  „unbestimmten"  und  „inhaltsleeren"  gerede  der  königin,  die 
erst  in  den  folgenden  str.  zur  sache  kommt.  Ich  verstehe  diesen  Vor- 
wurf nicht,  da  der  dichter  hier  doch  vermutlich  den  brauch  des  täg- 
lichen lebens  treu  und  gut  widergibt.  Anstössig  könnte  ich  nur  finden, 
Avenn  der  dichter,  wie  die  kritiker  es  wollen,  die  königin  in  dieser 
heiklen  sache,  wo  sie  den  mann  auf  seine  königlichen  pflichten  auf- 
merksam macht,  mit  der  türe  hätte  ins  haus  fallen  lassen.  —  Unbedenk- 
lich ist  auch  der  xederboum  in  v.  3;  denn  derartige  Verstösse  gegen  die 
pflanzengeographie  sind  im  deutschen  wie  im  französischen  epos  häufig 
genug,  insonderheit  werden  Ölbaum  und  lorbeer  sehr  oft  in  unmög- 
liche klimata  versetzt,  vgl.  GParis,  Hist.  poet.  de  Charlemagne  s.  80, 
Heinzel,  Ostg.  hs.  s.  86,  Jiriczek,  DHS.  1,  208  A. 

Der  Wortlaut  gibt  keinen  anstoss.  la  eines  tages  steht  ebenso  324, 4 
(anders  631, 2).  —  2a  sin  ivip  diu  Mineginne  vgl.  oben  s.  428  zu  21,  2.  — 
Zu  3b  ivir  haben  eren  vil  vgl.  1226,4  wold  er  iht  haben  ere,  279,3 
swä  man  sol  haben  ere,  ebenso  551,  4.  178,  3.  302,  4.  —  Zu  4a  mich 
tvundert  einer  mcere  vgl.  793,  1  mich  wundert,  ivax  doch  iccere  .  ., 
1475,  2.  --  verdagen  4b  steht  oft:  767,  4.  820, 1  (ebenfalls  mcere  object), 
925,  1.  1336,  2.  1337,  2. 

Str.  58  ist  für  den  Zusammenhang  nicht  zu  entbehren;  Sijmons' 
versuch  s.  18  aus  58.  59  eine  neue  strophe  zu  dichten  (mit  unmöglichem 
reim)  mag  auf  sich  beruhen.  Im  Wortlaut  der  str.  lässt  sich  kein  an- 
stoss finden.  Die  kläwe  des  greifen  2a  werden  auch  69,  2.  70,  1.  4  er- 
wähnt (nach  herzog  Ernst  B  4282).  —  schin  tuon  2b  steht  noch  264,1 
(vgl.  304,  4.  1012,  2)  dö  tete  sines  ivillen  da  heime  Hetele  schin,  wo 
schin  subst.  ist,  daher  auch  hier  nicht  gröxe  zu  lesen  ist  (wie  alle  heraus- 
geber  setzen),  sondern  mit  der  hs.  gröxen,  zumal  es  ein  adv.  gröxe  in 
der  Gud.  nicht  gibt,  sondern  nur  gnexllchen  63,  4.  510,  4.  748,  4.  — 
Zu  3*  dax  er  grimmic  wcere  vgl.  295,  3b  dax  er  da  grimyne  ivcere.  — 
Zu  4  dax  muosen  sit  beweinen  vgl.  952,  4  dax  muosen  s'it  die  weisen 
beweinen,  ähnlich  504,4.  1311,3.  1431,4.  1496,4.  —  die  helde  küene 
linde  guot  4b  gibt  eine  sonst  in  Gud.  nicht  genau  widerkehrende  ver- 


BEITRÄGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  431 

bindiiDg  (nur  479,  2  die  küenen  helde  guote).  Da  die  hs.  statt  küene 
vielmehr  schone  liest,  so  wird  vielleicht  richtiger  nach  115,2  hergestellt 
die  helde  stolz  linde  guot. 

Die  Strophen  60  —  69  sind  mindestens  nicht  alle  entfernbar,  da  70 
nicht  an  59  anschliesst.  Sijmons  s.  12 fg.  findet  alle  entbehrlich  bis  auf  69; 
„offenbar  sind  60 — 68  interpoliert  und  die  letzte  Nibelungenstrophe  69 
aus  einer  älteren,  die  an  59  anschloss,  umgestaltet".  Mir  ist  es,  muss 
ich  gestehen,  schwer  verständlich,  wie  man  dem  dichter,  wenn  man  sich 
einigermassen  mit  seiner  art  vertraut  gemacht  hat,  eine  solche  stil- 
widrigkeit zutrauen  kann,  dass  er  den  abschluss  des  festes,  ja  über- 
haupt die  Wirkung  des  ungeheuerlichen  ereignisses  auf  den  könig  und 
seine  gaste  mit  stillschweigen  hätte  übergehen  sollen.  Auch  der  gedanken- 
inhalt  der  Strophen  ist  ganz  in  der  art  unseres  dichters.  Das  weinen 
der  männer  erwähnt  er  oft  genug  (Martin  zu  62, 1).  Der  fatalistische 
trost  62,  3  fg.  kehrt  928  und  1698,2  wider.  Sijmons  findet  die  lang 
anhaltende  festfreude  nach  der  entführung  Hagens  unpassend,  aber  gerade 
63fgg.  entsprechen  völlig  der  gesinnung  des  dichters;  betont  er  doch 
auch  sonst  nachdrücklich,  dass  der  edle  trotz  heftigster  gemütsbewegung 
auf  der  erfüllung  der  anf orderungen  feiner  sitte  besteht,  vgl.  besonders 
das  benehmen  Hildes  nach  dem  tode  ihres  gatten  oder  Hagens  benehmen 
538.  Dass  die  initiative  der  königin  auch  hier  festgehalten  wird,  zeigt 
consequente  Charakterschilderung,  Hilde-Gud.  s.  121. 

Dazu  kommt  denn  auch  hier  das  Verhältnis  zu  den  im  voraus- 
gehenden und  nachfolgenden  benützten  quellen.  Kettner  s.  153fgg.bat 
gezeigt,  dass  die  ganze  festschilderung  ein  mosaik  von  reminiscenzen 
aus  dem  Nib.  darstellt;  in  derselben  art  aber  schöpfen  aus  derselben 
quelle  die  erzählung  vom  abschluss  des  festes  str.  60  —  66,  vgl.  ebenda 
s.  154/55.  Weiter  ist  Hilde-Gud.  s.  193 fgg.  ausgeführt,  dass  die  greifen- 
geschichte  in  engster  anlehnung  an  den  Herzog  Ernst  erzählt  ist,  viel- 
fach mit  directer  benutzung  des  Wortlauts;  dies  Verhältnis  aber  tritt 
bereits  in  67  —  69  klar  zu  tage,  vgl.  besonders  die  a.  a.  o.  zu  68,  1.  3. 
69, 1.  3.  4  gegebenen  vergleichungen. 

Am  Wortlaut  der  Strophen  dürfte  auch  nicht  viel  auszusetzen  sein. 
60,1  leide  not  vgl.  leidiu  mcere  532,4,  leider  tac  1622,4.  —  2a  harte 
sere  steht  auch  194,3.  399,4.  623,4.  979,3  u.  o.  —  3a  des  ivas  in  un- 
muote  der  kiinec  =  978,  2  des  ivas  in  luimuote  der  juncvrouwen  lip; 
vgl.  76,2.  —  3b  der  kiinec  und  ouch  sin  ivip  =  1200,3.  —  4a  si  klageten 
al  gemeine  vgl.  1598,  1  si  weinten  al  gemeine,  ebenso  127,  1.  137,  4. 
336,  1.  906,  1.  1114,  2  u.  ö.  —  Adj.  teert  ==  trefflich,  mit  dem  es  be- 
kanntlich seine  eigene  bewandtnis  hat  (Steinineyer,    Epitheta  s.  8  fgg.; 


432  PANZER 

Braune,  Hss.  des  Nib.  s.  111)  ist  unserem  gedichte  besonders  in  der 
fögöng  die  werden  geste  geläufig  47,4.  322,1.  328,1.  472,4.  508,3. 
719,4,  ausserdem  51,4.  912,2.  1578,4.  Dass  unmuot  und  wert  gleich  in 
61  sich  widerholen,  ist  nichts  aussergewohnlicb.es,  Hilde-Gud.  s.  71.  — 
61,  2  sich  zerlaxen  steht  auch  1217,  1.  1219,  2,  ebenso  3a  xervüeren 
804,  2.  1218,  3.  1614, 2.  Zu  61, 4  in  was  vil  innerlichen  leit  vgl.  1208, 2 
mir  ist  innerliche  beide  liep  und  leit.  —  62, 1  der  tvirt  weinte  sere 
vgl.  520, 4  die  vromven  weinten  sere;  nax,  wie  hier  die  brüst,  werden 
sonst  die  äugen  824,2.  1598,2.  —  2"  diu  edele  küneginne  heisst  Ute 
auch  40,  4.  152,  3.  —  2b  mit  xühten  =  52,  3.  340,  4.  —  Die  schwer- 
fällige fügung:  diu  küneginne  sprach  dö  daz,  daz  er...  ist  unserem 
dichter  überaus  geläufig,  vgl.  549,  2.  404,  1.  1058,  1.  1695,  1  u.  o.  — 
4b  got  von  himele  vgl.  Martins  anm.;  als  got  gebot  =  68,  1.  1134, 1.  — 
63,  lb  =  1539,2.  —  3  lät  iu  niht  versmähen  ist  eine  lieblingswendung 
des  Gudrundichters:  89,3.  781,3.  904,3.  1156,3.  1514,4  (während  sie 
im  Mb.  B  nirgends  begegnet,  nur  C  1682, 1);  vgl.  auch  46,4  und  1567,2. 
4a  daz  haben  wir  xe  gebene  vgl.  672,  3  sivaz  er  xe  gebene  hete.  —  64,  1 
Dö  nigen  ir  die  recken  vgl.  336,  1.  1588,  1.  1532,  1.  —  3a  manegen 
riehen  phclle  vgl.  manegen  phelle  riehen  41,  3.  1614,  3.  —  Dass  4a  sume- 
liche  in  der  Gud.  beliebt  ist,  hat  Martin  angemerkt;  zu  den  von  ihm 
gesammelten  stellen  sind  nachzutragen  1006,1.  1348,4.  1690,2,  so  dass 
es  in  der  Gud.  zwölfmal  steht,  im  längeren  Nib.  nur  fünfmal.  —  4b  von 
verren  landen  =  118,  2.  850,  2.  —  Die  rosse  von  Irland  65,  2  erwähnt 
auch  551,3;  ebenda  golt  dax  röte  =  65,3.  —  güetliche  4b  ist  ein  lieb- 
lingswort  des  dichters,  vgl.  Martin  zur  stelle  und  zu  96,  1  (wo  aber 
statt  1233, 4  zu  lesen  ist  1234,4  und  1021,1.  1579,2.  1602,1.  1679,4 
nachzutragen  sind),  speziell  güetlichen  phlegen  steht  noch  83,4.  1001,2. 
—  66,  1  scheiden  laxen  ebenso  164,  1.  284,  1.  402,  3;  vgl.  1697,  1.  — 
2b  ir  lip  ir  gäbe  was  getiuret  vgl.  437,  2  des  ist  uns  der  lip  getiuret 
an  ein  ende,  ähnlich  7,  2.  566,  2.  —  3b  si  truogen  guot  geivant  vgl. 
219,  2  er  und  sine  gesellen  truogen  guot  geivant,  1645,  1.  —  4a  vgl. 
1687,  lb;  4b  vgl.  552,  1.  1694,  1.  274,  4.  799,  2.  —  Die  art  wie  67,  1 
der  Übergang  auf  ein  anderes  thema  ausdrücklich  bezeichnet  wird,  be- 
gegnet öfter  wörtlich  so  wie  hier,  die  stellen  sind  Hilde-Gud.  s.  86  ge- 
sammelt. —  4b  starkez  leit  =  1331,  3,  vgl.  1505,  3  st.  jämer,  345,  3. 
1074,  3  st.  arbeit.  —  68,  lb  vgl.  zu  62,  4.  —  2a  besunder  ist  der  Gud. 
sehr  geläufig,  vgl.  292,4.  307,3.  353,2.  484,1.  913,1.  4.  980,1.  1007,2. 
1105,3.  1337,2.  1561,4.  1610,3  und  die  Hilde-Gud.  s.  94  anm.  citierten 
stellen;  im  Nib.  begegnet  das  wort  nur  zweimal.  —  Über  die  gotes 
güete  69,4  vgl.  Martins  anm. 


BEITRÄGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  433 

Str.  73  ist  anentbehrlich,  michel  ivunder  la  steht  auch  70,  2. 
307,4.  505,1.  1610,4;  zu  lb  des  mac  man  vergehen  vgl.  1374,1  des 
mac  ich  ivol  jehen,  1255,  1  des  müge  wir  verjehen,  192,2  des  mohte 
er  wol  verjehen.  Zu  2b  ex  was  geschehen  daz  vgl.  Hilde- Gud.  s.  83. — 
Warum  4a  „sehr  unverständig"  sein  soll,  wie  Sijmons  will,  ist  schwer 
einzusehen;  der  dichter  sagt  m.e.  sehr  verständig:  Die  Jungfrauen  wohnten 
ganz  nahe  der  stelle,  wo  Hagen  dem  greifen  entfiel.  Zu  4b  nü  kan 
iu  nieman  gesagen  vgl.  1115,  2  daz  iu  daz  ivunder  niemen  künde  vol 
gesogen  und  Hilde- Gud.  s.  85. 

Str.  77  ist  nicht  zu  entbehren;  in  Wortlaut  und  gedanken  ist  nichts 
auffälliges.     1B=  118, 1,  3b=  287, 1. 

Str.  82.  83  lassen  sich  gleichfalls  nicht  ausscheiden,  da  84,1  un- 
mittelbar an  83, 4  anschliesst.  Als  äusseres  moment  für  die  ursprüng- 
lichkeit der  Strophen  lässt  sich  das  Verhältnis  der  ganzen  partie  zum 
Parzival  anführen.  Durch  99,4  =  Parz.  485,7  ist  festgestellt,  dass  dem 
dichter  für  seine  Schilderung  Trevrezents  Waldeinsamkeit  vorschwebte 
(vgl.  Hilde-Gud.  s.  149);  so  wird  das  suchen  der  tvurxe  (würze  und  ir 
krüt  Parz.  486,3  ==  Gud.  82,1),  wie  es  dort  Parzival  und  der  einsiedler 
treiben,  wol  auch  für  unsere  str.  vorbild  gewesen  sein.  Auch  das  Ver- 
hältnis zum  Herzog  Ernst  kommt  in  betracht,  vgl.  die  nachweisungen 
Hilde-Gud.  s.  194. 

86  ist  unentbehrlich;  der  inhalt  stammt  wider  aus  dem  Herzog 
Ernst.  Wie  v.  4  herzustellen  sei,  ist  schwer  zu  sagen;  vielleicht  des 
manec  wtp  von  klage  vil  der  sorgen  gewan,  vgl.  901,  4  vil  helme  lac 
zerbrochen,  daz  klaget  da  heime  vil  der  schämen  ivibe.  —  klage  in  der 
cäsur  wäre  nicht  anstössig,  vgl.  Bartsch,  Germ.  10,  74fg.,  Hilde-Gud.  s.  17. 

101.  102  sind  stets  mit  besonderer  Zuversicht  für  interpoliert  erklärt 
worden.  103,1  soll  an  100,4  besser  anschliessen  als  an  102,4.  Schon 
das  ist  nicht  richtig.  Es  müsste  dann  103,1  etwa  lauten:  Do  er  daz 
Her  hete  ze  töde  erslagen,  er  gedähte  ez  ze  hüse  heim  mit  im  tragen; 
so  wie  die  verse  aber  da  stehen,  setzen  sie  voraus,  dass  im  unmittelbar 
vorhergehenden  nicht  von  dem  Her  die  rede  war.  Zudem  lässt  sich  die 
ursprünglichkeit  gerade  dieser  Strophen  schlagend  mit  inneren  gründen 
erweisen.  Sie  darzutun  genügte  allein  schon  das  wort  anelich  101,  1. 
Es  erscheint  in  unserem  gedichte  noch  1239,2  si  ist  vil  minniclich  und 
doch  miner  swester  nindert  anelich  und  1241,  2  dem  sit  ir  anelich, 
immer  im  reim.  Ausserhalb  der  Gud.  erscheint  es  in  der  ganzen  mhd. 
litteratur  nach  ausweis  der  Wörterbücher  nur  noch  Diera.  88,  22,  Engelh. 
470  (Mhd.wb.  l,971b),  Rothes  Düring.  Chron.  87  [ellichj,  Wolfd.  DVII  24 
[enlichj,  (Lexer  1,  67,  Nachtr.  24),  Cgm.  89,  XV.  jh.  (Schindler2  1,82, 


434  PANZER 

dort  noch  zwei  belege  für  einlich),  dazu  änleich  in  der  Berliner  hs.  des 
Meier  Helmbr.  v.  738  für  geleiche  der  Wiener  hs.  Das  sind  im  ganzen 
acht  belege,  wovon  vier  auf  das  13.  jh.  fallen  und  von  diesen  belegen 
steht  einer  im  Engelh.  (druck  ehnelich),  drei  in  der  Gud.  Man  wird  es  bei 
dieser  läge  der  dinge  kaum  wahrscheinlich  finden  können,  dass  der 
mann,  der  das  wort  101, 1  gebraucht,  verschieden  sei  von  dem  dichter 
der  verse  1239,2.  1241,2. 

Kaum  minder  charakteristisch  ist  101,  3  dö  er  des  vol  getraue. 
Dies  vol  bei  verben  ist  unserem  dichter  sehr  geläufig;  vgl.  181,  2  dö 
man  vol  gesanc,  384, 1  do  er  dri  deene  sunder  vol  gesanc,  394,  3  unx 
si  vol  gehörte  die  wise,  398, 1  do  er  die  süexen  wise  xe  lobe  vol  ge- 
sanc, 442,2  e  diu  tür  der  krame  vol  wurde  üf  getan,  733,4  vol  rechen 
gar  ir  ariden,  1115,  2  dax  wunder  niemen  künde  vol  gesagen  und 
unserer  stelle  besonders  genau  entsprechend  183, 1  dö  der  herre  üx  Ir- 
lande  vol  enbixxen  was.  Im  Nibelungenliede  ist  der  gebrauch  sehr  viel 
seltener.  —  Vgl.  noch  zu  2b  dö  wart  er  krefte  rieh:  1678, 1  die  ivurden 
guotes  rieh,  vgl.  400,  4.  1096,  3;  zu  3a  in  luste  sines  bluotes:  395,  3 
des  lustet  mich  vil  sere,  1641,  4  so  mac  dich  des  wol  Misten,  1027,  3. 

Schliesslich  kommt  auch  hier  von  aussen  bestätigung  der  echtheit; 
der  stärketrank,  ausgestaltet  nach  der  Sigfridsage,  stammt  zunächst  aus 
derselben  quelle,  aus  der  so  vieles  in  der  erzählung  von  den  drei  Jung- 
frauen und  ihrem  befreier  geflossen  ist,  Hilde- Gud.  s.  212. 

102  wäre  entbehrlich,  wenn  man  101  stehen  lässt,  da  103  sich 
allenfalls  an  101  anschliessen  könnte.  Doch  lässt  sich  für  die  echtheit 
auch  dieser  str.  ein  äusseres  moment  geltend  machen.  Kettner  a.  a.  o. 
155  hat  schon  v.  2  bi  im  er  harte  nähen  einen  lewen  vant  mit  Nib. 
935, 4  dar  nach  er  vil  schiere  einen  ungefüegen  leinen  vant  zusammen- 
gestellt. Da  aus  derselben  str.  wahrscheinlich  auch  103, 1  dax  Her  dax 
er  hete  xe  töde  erslagen  =  Nib.  935, 2  sin  tier  was  dax  erste,  dax  er 
xe  töde  sluoc,  aus  demselben  abschnitte  des  Nib.  sicher  98,  3  =  Nib.  976, 3 
stammt,  so  wird  deswegen  auch  str.  103,  die  die  nämliche  quelle  in 
derselben  weise  benutzt,  von  dem  gleichen  dichter  verfasst  sein.  Der 
Wortlaut  ist  in  seiner  art:  zu  3a  der  mohte  im  niht  enphliehen,  vgl. 
167,2  des  mohte  im  einen  spnmc  lebendes  niht  enphliehen;  zu  3b  wie 
schiere  er  xuo  im  gie,  vgl.  245,2  wie  schiere  er  dö  sprach,  1098,3  wie 
schiere  si  im  dax  künden;  zu  4a  des  beleip  er  unverhouiven ,  vgl.  203, 1 
noch  beleip  ex  ungeivorben  niht,  933,  4  dax  Hagenen  Mut  beleip  un- 
bescholten; 4b  güetliche  enphähen  steht  auch  75,4.  96,1,  vgl.  274,2. 

Der  inhalt  der  Strophen  ist  für  unser  empfinden  gewiss  wunder- 
lich, ihr  dasein  aber  doch  erklärbar.    Die  begegnung  mit  dem  gabilün 


BEITRÄGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  435 

ist  offenbar  angeregt  durch  den  abschnitt  des  Nib.,  der  dem  dichter  hier 
überhaupt  vorschwebte  und  es  ist  einfach  ein  Wundertier  durchs  andere, 
das  halpful  Nib.  935, 3  durch  das  chamaeleon  ersetzt,  das  der  Gud.  aus 
dem  Parz.  oder  Rother  bekannt  gewesen  sein  mag.  Auch  die  begegnung 
mit  dem  löwen  stammt  aus  Nib.  935,  nur  ist  sie  modifiziert  im  anschluss 
an  die  sage  von  Heinrich  dem  Löwen  (nicht  den  Iwein,  vgl.  Hilde- 
Gud.  s.  196),  deren  benutzung  in  dieser  greifengeschichte  ja  nahe  genug 
lag.  Von  dem  löwen  ist  nicht  weiter  die  rede,  doch  rinden  sich  in 
unserem  gedichte  derartige  „blinde  motive"  auch  sonst,  vgl.  Hilde- 
Gud.  s.  115. 

107.  108  sind  für  den  Zusammenhang  unentbehrlich,  geben  auch 
inhaltlich  keinen  anstoss.  Die  schamhaftigkeit  der  Jungfrauen  wird  wie 
107,2  auch  114,4.  116,2.  157,2  betont,  die  selbst  verfertigten  kleider 
erscheinen  113,  3  wider.  Die  von  Kettner  s.  156  bemerkte  Überein- 
stimmung von  108,4  mit  einem  auch  in  106,1  benutzten  abschnitte  des 
Nib.  lässt  sich  hier  nicht  ins  feld  führen,  da  der  Wortlaut  von  108,4 
auf  conjectur  beruht. 

Der  Wortlaut  ist  in  der  art  des  gedichtes:  107,2  niht  ze  giwt  = 
608, 1,  zu  3*  ir  kleider  diu  si  truogen  vgl.  ir  wät  die  si  truogen  605,2; 
zu  4b  in  ir  eilende  vgl.  1579,4  in  minem  eilende,  1040,  4.  Die  zahl 
24  in  108, 1  kehrt  öfter  wider  Hilde- Gud.  s.  92 ,  zu  2"  an  einem  morgen 
vrileje  vgl.  1349,  1  an  dem  morgen  vrileje,  zu  3"  ein  schif  geladen 
swcere  vgl.  923,  3  die  mcere  geladen  harte  sivcere. 

114  ist,  da  später  mehrfach  auf  die  männliche  kleidung  der  Jung- 
frauen angespielt  wird,  ebenso  unentbehrlich  wie  117.  Zu  114, 1  e  si 
xem  schiffe  giengen  vgl.  1117,4  do  si  zen  schiffen  giengen;  zu  4b  iedoch 
verendet  sich  ir  klagen  vgl.  663,4  do  verendet  sich  al  sin  ande;  117,3 
so  rehte  schcene  =  1222,  1,  dasselbe  so  rehte  vor  adj.  und  adv.  165,  4. 
348,  3.  412,  2.  822,  4.  860,  1.  1409,  3.  1424,  4  und  wie  rehte  447,  2. 
902,1.  1292,2. 

126.  127  wird  man  ebenfalls  nicht  entbehren  mögen,  da  Hagens 
tat  durch  125,4  nicht  genügend  bezeichnet,  die  furcht  der  gräflichen 
128  nicht  genügend  motiviert  wäre.  Zu  126,2  wie  diu  not  dir  si  ge- 
ringet vgl.  1014,  3  daz  ir  diu  groze  sivcere  geringet  ivcere,  ähnlich  156,4. 
1145,2;  zu  4  vgl.  360,3.  640,3.  Zu  127,1  vgl.  1114,2  daz  sprächen 
si  gemeine,  zu  2  dich  mügen  loben  balde  vgl.  128,  4  ja  mohte  in  sin 
komen  balde  leiden,  1473,2  si  mohte  balde  klagen. 

142  ist  unentbehrlich.  Die  zahl  12  v.  1  ist  eine  der  häufigsten 
im  gedichte  (Hilde -Gud.  s.  91).  4b  (diu)  herzen  leide  vgl.  1311,3  mines 
herzen  leide,    810,  3  diu  herzenliche  leide,    801,  4  do  was  der  edelen 


436  PANZER 

Hilden  herzen  leide  (daz,  diu  herzen  leit  681,  2.  710,  2.  845,  2.  979,  2. 
1582,2,  herxenleit  adj.  880,4,  herzenliehe  leide  1152,4.  1198,4). 

Von  den  str.  150.  151  ist  jedenfalls  die  erste  unentbehrlich  (zu 
v.  3  her  Hagene  tvas  gestanden  nider  üf  den  sant  vgl.  1574, 1  si  wären 
von  den  rossen  gestanden  üf  den  sant),  die  zweite  schwer  zu  streichen 
(für  hin  engegene  gän  vgl.  ausser  den  fünf  von  Martin  citierten  parallel- 
stellen noch  340,4.  1077,3;  auch  1659,2  hin  engegene  varn,  1661,  1 
h.  e.  riten;  zu  3a  wer  im  grüexen  kunt  tcete  vgl.  357,  2  oh  in  wcere 
iht  kunt  getan  schirmen  also  starke,  1124,  2  sit  ivart  in  kunt  getan 
michel  arbeite;  zu  4  ein  starkez  dringen  vgl.  1449,  1  dö  ivart  ein  michel 
dringe?i). 

Auch  die  str.  154.  155  lassen  sich  kaum  ausscheiden.  154,1  mit 
weinenden  ougen  =  686, 1.  977,  3.  1293,2;  zu  3a  bis  willekomen  Hagene 
vgl.  220, 4  bis  willekomen  neve  Fruote,  zu  4  nü  mügen  sich  din  tvol 
t 'rasten  die  hie  bi  Sigebande  sint  vgl.  1262,  3,  wo  Gudrun  ihre  ver- 
wandten und  freunde  bezeichnet  als  der  ich  mich  ie  getroste,  d.  h.  auf 
deren  hilfe  ich  rechnete.  Zu  155, 1  der  kilnec  trat  näher  vgl.  525,  1. 
841,4.  787,2.  1576,2.  1518,1;   zu  lb  min   vreude  diu  was  gröz  vgl. 

187.1  diu  vreude  diu  was  gröz,  501,2.  790,2.  1219,2. 

160  ist  entbehrlich,  doch  nicht  anstössig.  160,  lb  ist  im  Wortlaut 
gleich  747,  2b,  zur  bedeutung  vgl.  ausser  den  von  Martin  citierten  291, 1. 

301.2  noch  1146,1;  zu  2a  in  dem  vride  Hag enen  vgl.  1687,3  m  vride 
siner  frouiven,  zu  4  genäde  sagen  1040,1.   1629,1.  1704,1. 

184  ist  entbehrlich,  aber  gewiss  ursprünglich.  Die  zahl  vierund- 
zwanzig la  findet  sich  mehrfach  Hilde-Gud.  s.  92;  das  charakteristische 
wort  (Zwierzina,  Z.f.d.a.  45,35fg.)  plan  steht  auch  174,1.  1096,  2.  1569,2, 
während  es  im  Nib.  und  verwandten  epen  fehlt.  Zu  2b  da  wart  ez  tvol 
getan  vgl.  785,4  si  tätenz  wol  mit  Hartmuotes  hehlen,  1470,1  er  was 
ouch  ein  recke  und  tele  in  strite  tvol,  240,2.  Zu  3a  manic  richiu  tjoste 
vgl.  179,  4  manegen  buhurt  riehen,  1660,  3  manegen  puneiz  riehen. 
Sijmons  s.  13  findet  anstössig,  dass  die  tjoste  erwähnt  ist,  da  ja  gerade 
ein  buhurt  geschildert  wird;  aber  beides  sind  natürlich  verschiedene 
dinge  und  hier  findet  buliurdieren  und  justieren  gerade  so  nebeneinander 
statt  wie  etwa  bei  könig  Markes  maifest  Trist.  61 7  fg.  Entscheidend  für 
die  echtheit  der  str.  ist  wider  das  Verhältnis  zum  Nib.  In  dem  ganzen 
abschnitt  ist  die  Schilderung  des  Wormser  festes  ausgeschlachtet,  Kettner 
s.  159;  str.  179  [schöpft  schon  aus  Nib.  584,  dieselbe  strophe  aber  ist 
in  184  intensiv  benutzt.  Sonach  wird  sie  von  keinem  anderen  Verfasser 
herrühren  als  ihre  Umgebung. 


BEITRÄGE   ZUR   KRITIK   UND   KRKLÄRUNG   DER   GUDRUN  43? 

191  ist  für  den  Zusammenhang  unentbehrlich.  Die  „undeutliche 
bezeichnung"  der  drei  königstöcher  in  v.  1,  die  Martin  anstoss  gibt,  stellt 
sich  unter  den  Hilde -Gud.  s.  84  bezeichneten  gesichtspunkt,  vgl.  be- 
sonders das  erste  dort  citierte  beispiel.  Zu  v.  4b  xe  wünsche  icol  getan 
vgl.  430,  2  xe  Wunsche  ivol  gesniten. 

Es  würde  zu  viel  räum  erfordern,  wollten  wir  alle  Nibelungen- 
strophen unseres  gedichtes  so  ausführlich  wie  die  ersten  38,  unter 
str.  1  —  200  der  Gud.  eingemengten  besprechen.  Ich  werde  daher  im 
folgenden  auf  eine  vergleichung  ihres  Wortlauts  mit  den  Gudrunstr.  ver- 
zichten und  nur  jeweils  vorführen,  was  sich  sonst  gegen  oder  für  ihre 
ursprünglich keit  ins  feld  führen  lässt. 

213.  214  sind  unentbehrlich;  auf  ihre  ursprünglichkeit  aber  weist 
wider  das  Verhältnis  zum  Nib.,  dessen  VI.  aventiure  —  beratung  und 
beschluss  von  Günthers  Werbung  —  dem  dichter  mehrfach  anregung 
gegeben  hat  (Kettner  s.  160  fg.).  Da  nun  213  aus  Nib.  330,  214  aus 
Nib.  331  geschöpft  hat,  so  müssen  diese  str.  doch  wol  von  demselben 
Verfasser  herrühren  wie  ihre  Umgebung. 

217  ist  entbehrlich;  es  wäre  aber  für  den  stil  des  gedichtes  auf- 
fällig, wenn  die  bestellung  der  216  befohlenen  botschaft  nicht  er- 
zählt wäre. 

233.  234  sind  entbehrlich,  das  von  Wate  erzählte  aber  ist  aus 
der  vollen  auschauung  seines  Charakters  geflossen  (Hilde- Gud.  s.  128), 
wie  sie  wol  nur  dem  dichter  selbst  eignen  konnte.  Dasselbe  gilt  von 
der  an  sich  entbehrlichen  str.  237,  wo  Wate  dem  könige  sehr  fein,  wie 
mehrfach  sonst  (Hilde-Gud.  s.  131),  mit  einem  sprichworte  entgegnet. 

249  ist  für  den  Zusammenhang  unentbehrlich  und  ohne  anstoss. 

258,  durch  enjambement  an  257  geknüpft,  scheint  entbehrlich. 
Aber  einmal  musste  doch  gesagt  sein,  dass  Hetel  als  der  vertreiber 
gelten  sollte  und  zweitens  ist  die  bestimmte  voraussage  259,  2  xehant 
so  vähet  gnade  der  ivilde  Hagene  min  kaum  berechtigt,  wenn  nicht 
vorher  von  den  reichen  gaben  die  rede  war,  mit  denen  ein  so  bereit- 
williges entgegenkommen  doch  erst  verdient  werden  muss. 

268  ist  für  den  Zusammenhang  entbehrlich,  aber  sicher  echt,  denn 
die  anker  aus  kostbarem  metall  entstammen  der  gleichen  quelle,  aus 
der  die  kostbare  ausrüstung,  wie  str.  265  —  267  sie  schildern,  genommen 
ist,  s.  die  nachweise  Hilde-Gud.  s.  270  fg. 

270  ist  unentbehrlich. 

274,  mit  der  folgenden  str.  durch  enjambement  verbunden,  wird 
man  doch  kaum  missen  können,  da  das  er  275,  4  durch  273,  2  nicht 
genügend  erklärt  wäre.    Ihr  fehlen  wäre  auch  gegen  den  stil  des  dichters, 


438  PANZER 

der  1105  der  begrüssung  der  zur  heerfahrt  zusammengeströmten  Hege- 
lingen eine  eigene  strophe  widmet. 

281  lässt  sieh  herausnehmen,  ist  aber  als  ausführung  des  256  vor- 
geschlagenen wol  begründet.  Die  Umstellung  der  str.,  wie  sie  Sijmons 
nach  Wilmanns  vornimmt,  ist  nicht  zu  billigen,  da  281.  282  entschieden 
zusammengehören,  beide  von  der  mitzunehmenden  mannschaft  handelnd. 

287  ist  entbehrlich,  im  besonderen  lässt  sich  nichts  für  oder  gegen 
sie  anführen. 

304  ist  unentbehrlich,  ebenso  314  (wo  für  alle  einzelheiten  des 
Wortlauts  sich  zahlreiche  parallelen  aus  Grudrunstr.  finden)  und  333.  334. 
Letztere  str.  wird  durch  den  Zusammenhang  gefordert,  333  aber  muss 
notwendig  der  kleidung  Horands  gedacht  sein,  nachdem  331.  332  die 
Wates  und  Morungs  geschildert  ist.  Es  ist  dabei  folgerichtig  und  fein, 
dass  Horand  als  der  bestgekleidete  erscheint,  vgl.  Hilde-Gud.  s.  126. 
Als  äusserer  beweis  für  die  ursprünglichkeit  beider  str.  lässt  sich  noch 
das  Verhältnis  derselben  zum  Rother  anführen,  nach  dem  sie  wie  ihre 
Umgebung  gebildet  sind,  Hilde-Gud.  s.  224.  226. 

336  wird  nicht  durch  den  Zusammenhang,  aber  durch  den  stil  des 
gedichts  gefordert.  Dass  die  str.  aus  derselben  partie  des  Nib.  schöpft, 
wie  die  umgebenden,  zeigen  Kettners  nachweise  s.  164. 

346  ist  unentbehrlich  und  auch  364  kann  man  kaum  streichen, 
da  sie  doch  wol  durch  365, 1  vorausgesetzt  wird. 

390  entbehrlich,  gilt  den  kritikern  als  „elend"  (Martin)  und  „ganz 
besonders  schlecht"  (Sijmons).  Der  einzige  ernsthafte  Vorwurf,  den  man 
ihr  machen  kann,  ist  freilich  nur  der,  dass  sie  schwer  zu  verstehen 
ist1,  besonders  wenn  man  sie  durch  unnütze  conjecturen  verdirbt.  Mit 
Zingerle,  Z.  f.  d.  a.  44.  139  fg.  und  Schönbach,  Christentum  s.  146  hat 
man  in  engstem  anschlusse  an  die  Überlieferung  zu  lesen:  sich  minnert 
in  ir  kceren  da  von  der  phaffen  sanc;  das  gibt  einen  formal  und  in- 
haltlich vollkommen  befriedigenden  vers  und  wie  ich  gegen  Zingerle 
betonen  möchte,  auch  den  geforderten  parallelismus  zu  v.  3.  Denn  auch 
hier  ist  nach  meiner  meinung  nicht  von  dem  wolgefallen  die  rede,  das 
die  glocken  früher  und  jetzt  nicht  mehr  erregten,  sondern  der  vers 
meint:  die  glocken  wurden  nicht  mehr  so  eifrig  geläutet  wie  sonst. 
Also:  priester  und  küster  liefen  Horands  gesang  nach  und  versäumten 
darüber  ihre  pflicht. 

1)  Denn  dass  390,  1  aus  384,  2  „entlehnt"  ist,  ist  nicht  weiter  ernst  zu  nehmen; 
von  dem  gedieht  bliebe  nicht  viel  übrig,  wenn  alle  derartigen  „ entlehnungen "  be- 
seitigt werden  inüsten. 


BEITRÄGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  439 

416.  417  sind  unentbehrlich  und  untadelig. 

450  lässt  sich  nur  dann  streichen,  wenn  man  451,  3  so  versteht 
wie  Hüdebrand,  Zeitschr.  2,  470,  was  ich  an  sich  allerdings  für  möglich 
halte.  Näher  liegt  aber  gewiss  die  einfachere  auffassung,  dass  451,3 
Wate  persönlich  gemeint  sei  und  dann  ist  unsere  str.  nicht  zu  ent- 
behren. 

480  wird  niemand  entbehren  mögen,  der  die  sonstigen  Schilderungen 
eines  brautempfanges  in  unserem  gedieht  wie  im  Nib.  vor  äugen  behält, 
vgl.  oben  zu  str.  14. 

502  ist  für  den  Zusammenhang  entbehrlich,  aber  sie  ist  nicht 
störend,  wie  wol  behauptet  wurde.  Nach  Sijmons  s.  13  soll  die  str. 
zwischen  501  und  503  einfach  unmöglich  sein,  weil  Hagen  in  ihr  schon 
den  kämpf  mit  Hetel  beginne,  während  er  doch  erst  503  ins  wasser 
springt.  Davon  steht  aber  absolut  nichts  da,  vielmehr  wird  in  voll- 
kommener Ordnung  erzählt:  Hagen  fordert  seine  beiden  auf,  ihm  den 
Strand  gewinnen  zu  helfen  (501).  Er  selbst  war  mit  seinem  schiffe  schon 
ganz  nahe  an  den  Strand  vorgedrungen,  wo  er  Hetel,  direkt  am  wasser, 
kampfbereit  stehen  fand  (502).  Er  springt  jetzt  aus  dem  schiff  und 
watet  vollends  ans  land  (503),  um  dort  nun  mit  Hetel  sich  im  kämpfe 
zu  messen  (504  fgg.)-  Das  einzige  woran  man  in  str.  502  anstoss  nehmen 
könnte,  ist,  dass  2a  vorzeitig  das  erklingen  der  Schwerter  erwähnt  wird. 
Der  halbvers  kann  sehr  wol  erst  vom  cäsurreimer  herrühren;  möglich  ist 
aber  auch,  dass  wie  öfter  in  unserem  gedieht  (vgl.  Hilde- Gud.  s.  113  fg.) 
ein  typischer  zug  auf  eine  Situation  übertragen  ist,  zu  deren  indivi- 
dualität  er  nicht  passt. 

Die  ursprünglichkeit  von  str.  541  wird  durch  das  er  542.  1  nicht 
sicher  erwiesen,  aber  sehr  wahrscheinlich  gemacht.  Ihr  Inhalt  ist  gewiss 
angeregt  durch  Nib.  255 x,  eine  str.  aus  derselben  IY.  aventiure,  die 
auch  für  die  vorausgehenden  kampfschilderungen  benutzt  ist,  wie  Kettner 
s.  167  fg.  zeigt. 

546  ist  entbehrlich.  Der  ausgesprochene  gedanke  aber  —  freude 
derer,  denen  die  verwandten  gesund  heimkehren,  klage  derer,  denen 
sie  erschlagen  sind  —  findet  sich,  wie  schon  Martin  anmerkt,  genau 
so  in  den  Gudrunstr.  952.  955. 

556  ist  entbehrlich;  irgend  welche  angriffspunkte  bietet  die  str.  nicht. 

671  ist  unentbehrlich  und  untadelig. 

Ebenso  lässt  str.  754  sich  nicht  ausscheiden,  weil  ohne  sie  755,1 
keinen  sinn  hätte.     Sijmons  nimmt  anstoss  an  der  „leeren  parenthese" 

1)  Über  die  einträglichkeit  der  arzneikunst  vgl.  auch  Parz.  516,  29  fgg.  523,  6  fgg. 


440  Ganzes 

v.  2;  genauere  Überlegung  zeigt  gerade  sie  völlig  im  sinne  des  dichters, 
der  immer  wider  Hartmuts  aufrichtige  zuneiguug  zu  Gudrun  betont, 
s.  Hilde-Gud.  s.  132.  Ich  verstehe  auch  nicht,  warum  v.  4  „ein  über- 
mässiges versprechen"  enthalten  soll,  da  Gudrun  als  Hartmuts  gattin 
eben  herrin  seines  reiches  würde,  vgl.  1622,  2.  1642,  4;  Minold  ver- 
spricht der  Bride  Orend.  3229  (=  3311)  ir  solent  mich  nemen  zuo 
einem  man,  so  ivil  ich  iu  machen  undertän  üf  diser  wilesten  Babi- 
lonie  ziven  unde  sibenxic  künege  d.  i.  eben  sein  reich;  Fore,  könig  von 
Wendelsee  sagt  zu  Salme  Salm.  108:  frouwe  ich  ivil  dir  geben  me.  du 
solt  gewaltig  iverden  über  daz  lant  zu  Wendelse,  ebd.  585  verspricht 
Morolf  der  künftigen  gattin  des  königs  von  Jerusalem:  So  soltu  ge- 
ivaltic  werden  über  daz  lant  zu  Jerusale  usw. 

773  mag  trotz  775,4  entbehrlich  scheinen,  kann  aber  ebensogut 
oder  wahrscheinlicher  ursprünglich  sein.  Dass  die  herausfordernde  rede 
hier  nicht  mehr  am  platze  sei,  wird  Sijmons  (s.  14)  niemand  zugestehen 
mögen.  Die  boten  sind  mit  aller  gebührenden  zuht  entlassen;  aber  dass 
die  mannen  sich  nicht  enthalten  können,  den  scheidenden  die  trotzrede 
nachzurufen,  ist  so  gewiss  aus  dem  leben  genommen  wie  die  gans,  die 
dem  jungen  Parzival  aus  knappenmund  von  der  Gralburg  nachfliegt. 

786  lässt  sich  ohne  schaden  für  den  Zusammenhang  ausscheiden, 
nicht  aber  788,  auf  deren  aussage  789,  2.  3  offenbar  bezug  nehmen. 
Die  von  Wilmanns  vorgeschlagene,  von  Sijmons  befolgte  anordnung  der 
Strophen:  787.  786.  788  ist  verfehlt,  da  788, 1  direkt  an  787  anschliesst: 
die  Hegelingen  bereuen  jetzt  (dö)  ihren  Übermut,  als  Ludwig  an  die 
bürg  (näher  dar)  herandringt. 

800  ist  entbehrlich.  Dass  ihr  inhalt  aber  den  Strophen  795  und 
808  widerspräche,  wie  Sijmons  s.  14  behauptet,  ist  nicht  richtig;  Hart- 
mut kann,  als  er  die  eroberte  bürg  eilig  verlassen  will,  doch  gewiss  den 
befehl  geben:  „Lasst  das  plündern  jetzt  bleiben"  \  nachdem  seine  mannen 
vorher  schon  geplündert  haben.  Sijmons  findet  auch  v.  3  „sehr  wunder- 
lich"; er  hatte  wol  vergessen,  dass  nach  der  Gudrunstr.  439  von  den 
Hegelingen  dieselbe  rücksicht  geübt  wird. 

819  ist  für  den  Zusammenhang  unentbehrlich;  auch  der  inhalt  ist 
untadelig.  Der  hinweis  auf  die  unebenbürtigkeit  Hartmuts  kehrt  610. 
959,  3  wider.  Martin  erklärt  es  allerdings  für  auffallend,  dass  Hetel 
hier  sogleich  das  bedürfnis  zeige,  sich  wegen  der  abweisung  Hartmuts 

1)  Denn  so  ist  lät  den  roup  beliben!  zu  übersetzen.  Nib.  663,  1  die  rede  si 
lie  beliben  heisst  auch  nicht:  „sie  sagte  überhaupt  nichts",  sondern  „sie  sagte  jetzt 
uichts  weiter". 


BEITRÄGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  441 

zu  entschuldigen.  Ich  finde  den  zug  im  gegenteil  vollkommen  natürlich 
und  dem  wirklichen  leben  abgelauscht:  im  augenblicke,  da  die  kata- 
strophe  eingetreten  ist,  muss  Hetel  das  bedürfhis  haben,  sein  verhalten, 
das  sie  herbeigeführt  hat,  vor  sich  und  anderen  zu  rechtfertigen  durch 
eine  recapitulation  der  untadeligen  motive,  die  ihn  geleitet  haben. 

822  ist  unentbehrlich  und  gut;  dasselbe  gilt  von  1004,  die  das 
notwendige  Zwischenstück  von  1003  zu  1005  bietet. 

Was  die  str.  1041.  1042  anlangt,  so  ist  die  letztere  str.  für  den 
Zusammenhang  unentbehrlich.  Martin  findet  allerdings  ihren  inhalt  an- 
stössig  und  auch  nach  Sijmons  s.  14  soll  sie  „falsche  angaben"  ent- 
halten. Wieso,  ist  aber  nicht  einzusehen,  da  sie  mit  dem  1045  fgg. 
erzählten  (vgl.  besonders  1046,2  mit  1042,1  gegen  Martins  bemerkung1), 
sowie  mit  1039, 3  fg.  in  genauem  einklang  steht;  es  wird  eben  der  ver- 
such gemacht,  Gudrun  durch  gütige  behandlung  umzustimmen,  nachdem 
Gerlinds  methode  versagt  hat. 

Entbehrlich  ist  dagegen  str.  1041,  ja  für  unser  gefühl  entschieden 
anstössig,  indem  sie  den  fortschritt  der  handlung  durch  allzu  reichliche 
vorausdeutungen  unterbricht.  Man  darf  aber  doch  nicht  vergessen,  dass 
diese  vorausdeutungen  zum  stil  unseres  gedichtes  gehören  und  in  zahl- 
reichen fällen  den  Zusammenhang  kaum  minder  störend  unterbrechen. 
Selbst  dass  wie  hier  volle  drei  Zeilen  einer  strophe  damit  angefüllt 
werden,  steht  keineswegs  vereinzelt  da,  vgl.  str.  665,  ferner  die  unserem 
geschmack  höchst  störende  str.  466,  und  besonders  auffällig  str.  586,  in 
der  nur  die  erste  zeile  weiter  erzählt,  die  übrigen  drei  mit  voraus- 
deutungen auf  Herwig  angefüllt  sind,  der  bisher  noch  gar  nicht  einmal 
aufgetreten  war.  Die  Vermutung  von  Sijmons,  die  str.  1041  sei  wol 
erst  vom  Schreiber  der  aventiurenüberschrift  eingefügt,  ist  gewiss  nicht 
wahrscheinlich,  da  v.  4  ja  weit  über  die  21.  avent.  hinausweist.  Gerade 
im  gegenteil  darf  man  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  die  str.  unbedingt 
vor  der  Überschrift  vorhanden  gewesen  sein  muss;  denn  deren  einfügung 
gerade  an  dieser  stelle,  wo  sie  so  unpassend  ist  als  möglich,  erklärt  sich 
nur  daraus,  dass  1041,  2  fg.  zum  ersten  mal  von  Gudruns  waschen  die 
rede  ist.  —  Zu  v.  4  des  vlos  den  sige  her  Ludewic  dö  er  mit  Herwige 
vaht,  vgl.  noch  890,4  des  vlös  den  sige  der  gast  mit  al  den  svnen. 

1)  Nach  Martin  soll  1052,  1  mit  1042,  1  in  Widerspruch  stehn.  Ich  glaube 
dagegen  behaupten  zu  dürfen,  dass  1052,  1  vielmehr  gerade  mit  rücksicht  auf  1042,  1. 
1046,  2  gesagt  sei :  Gerlind  wählt  eine  andere  methode  als  Hartmut  und  Ortrun.  Der 
einwand,  dass  das  echte  Lied  es  Gudrun  erst  dann  wol  ergehen  lasse,  als  sie  zu- 
gesagt hat,  Hartmuts  gattin  zu  werden,  ist  für  diejenigen  gegenstandslos,  denen  die 
Überlieferung  allein  massgebend  ist. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCH«    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  29 


442  PANZER 

Str.  1079,  inhaltlich  entbehrlich,  ist  doch  nicht  wol  auszuscheiden, 
weil  1080  nicht  gut  an  1078  anschliesst. 

1126  mit  Sijmons  zu  streichen  ist  ganz  unmöglich,  da  ohne  diese 
str.  1127,  2  fg.  einfach  unverständlich  ist.  Der  befehl  Wates,  die  anker 
zu  kappen  (so  ist  der  vers  zu  verstehen,  Hilde-Gud.  s.  367),  ist  eben 
dadurch  bedingt,  dass  die  Hegelingen  durch  sie  an  den  magnetberg  ge- 
zogen sind.  Die  massregel  befreit  die  flotte  natürlich  noch  nicht  sofort, 
weil  sie  ja  zugleich  im  windstillen  lebermeer  festsitzt. 

1204  lässt  sich  ausscheiden,  ohne  dass  der  Zusammenhang  ge- 
stört wird. 

Ob  1210  entbehrlich  sei  oder  nicht,  lässt  sich  nicht  objektiv  ent- 
scheiden; jedesfalls  aber  ist  die  antwort  Hildeburgs  vollkommen  passend 
und  aus  der  genauen  anschauung  ihres  Charakters  gegeben,  wie  sie  vom 
dichter  consequent  festgehalten  ist,  vgl.  Hilde-Gud.  s.  136. 

1219  ist  entbehrlich;  scheidet  man  sie  aus,  so  bekommt  man  aller- 
dings die  üble  widerholung  den  vil  edelen  landen  1218,4,  den  eilenden 
kinden  1220,2. 

1235  ist  unentbehrlich,  ebenso  1242.  Auch  1287  lässt  sich  nicht 
ausscheiden,  wie  Sijmons  behauptet,  da  1288,4.  1289,  2.  3  bestimmt  auf 
1 287, 3  bezug  nimmt. 

1359  ist  für  den  Zusammenhang  unentbehrlich.  Der  Vorwurf,  dass 
1359,1  die  Situation  verkenne,  trifft  vielmehr  die  kritiker,  die  ihn  er- 
heben. 1347  konnte  belehren,  dass  die  Hegelingen  in  der  nacht  zu 
schiffe  vor  die  bürg  gefahren  sind,  daher  natürlich  Gudrun  am  morgen 
nun  die  segel  sehen  muss.  Gudruns  worte  hat  man  ,  unnatürlich  weich ' 
gescholten,  als  ob  die  Jungfrau  sich  nicht  fortdauernd  weich  genug  be- 
zeigte, nachdem  ihre  sittlichen  Überzeugungen  und  entschliessungen  nicht 
mehr  bedroht  sind;  vgl.  speziell  auch  die  vollkommen  analoge  Ver- 
sicherung 1377,  2  die  vrouwen  eilende  dühte  ex  übel  und  guot  (was 
man  nicht  mit  Martin  in  dühte  ex  unguot  ändern  darf). 

1405  ist  ebenso  unentbehrlich  wie  1408  und  1418.  Dagegen  lässt 
1444  sich  zur  not  ausscheiden,  obwol  man  ungern  die  angäbe  ver- 
missen wird,  dass  Herwig  und  Ludwig  sich  wirklich  im  Zweikampf 
messen;  durch  1443,  2  wäre  das  nur  ungenügend  angedeutet. 

Dass  1452  überflüssig  sei,  muss  ich  Sijmons  bestreiten.  Der  ent- 
schluss  der  Normannen,  den  widerstand  im  offenen  felde  aufzugeben 
und  sich  in  die  bürg  zu  werfen,  kann  nicht  so  beiläufig  angedeutet 
sein,  wie  sonst  durch  1453,3  geschähe. 

1470  ist  entbehrlich.  Sijmons  hat  den  v.  2  zuerst  genannten  berc 
getadelt,  von  dem  noch  nirgends  die  rede  war;   „der  dichter  dieser  str. 


BEITRÄGE   ZUR   KRITIK   UND   ERKLÄRUNG   DER   GUDRUN  443 

hatte  keine  lebendige  anschauung  von  der  Situation".  Aber  auch  hier 
meistert  der  kritiker  ohne  berechtigung  nach  seiner  subjectiven  an- 
schauung den  dichter,  der  die  bürg  eben  selbstverständlich  auf  einer 
anhöhe  gelegen  dachte.  Es  wird  das  zum  überfluss  erwiesen  durch 
1549,2,  wo  die  Hegelingen  aus  der  bürg  xe  tal  reiten.  Im  übrigen 
fällt  die  betrachtung   der  str.  völlig  mit  der  Gudrunstr.  505  zusammen. 

1473.  75  sind  für  den  Zusammenhang  ebenso  unentbehrlich  wie 
1501  und  die  schöne  str.  1621. 

Str.  1672  wird  schon  durch  innere  gründe  gehalten;  denn  die 
1673  fgg.  berichtete  allgemeine  beschenkung  erfolgt  üblicher  weise  am 
ende  der  festtage,  das  erst  die  Nibelungenstr.  andeutet.  Von  aussen  er- 
wiesen wird  ihre  ursprünglichkeit  durch  das  Verhältnis  des  abschnittes 
zum  Nib.  Er  ist  aufs  intensivste  mit  entlehnungen  aus  der  12.  aven- 
tiure  des  Nib.  ausgestattet;  da  unsere  str.  sich  ebenfalls  aufs  engste  an 
eine  str.  derselben  partie  anlehnt  (Kettner  s.  200),  so  muss  sie  notwendig 
von  demselben  manne  verfasst  sein  wie  ihre  Umgebung. 

1692  ist  ohne  Verletzung  des  Zusammenhangs  auszuscheiden;  doch 
ist  zu  ihren  gunsten  geltend  zu  machen,  dass  es  dem  stile  unserer 
dichtung  kaum  gemäss  wäre,  wenn  von  der  reise  nichts  gesagt  würde. 
Die  Versicherung  des  nichtwissens  findet  sich  ebenso  in  der  Gudrun- 
strophe 288. 

Unsere  Untersuchung  hat  gezeigt,  dass  von  sämtlichen  Nib.str. 
unseres  gedichtes  tatsächlich  keine  einzige  sich  mit  durchschlagenden 
gründen  als  nachträglich  eingefügt  erweisen  lässt.  Dagegen  vermochten 
wir  für  die  weit  überwiegende  mehrzahl  dieser  str.  entweder  aus  ihnen 
selbst  und  dem  zusammenhange,  in  dem  sie  stehen,  oder  aber  von 
aussen,  nach  den  quellen,  die  in  ihnen  benutzt  sind,  den  nachweis  ihrer 
ursprünglichkeit  zu  erbringen.  Es  liegt  also  der  schluss  nahe,  dass 
auch  die  weit  geringere  zahl  der  str.,  die  inhaltlich  entbehrlich  und 
nicht  direkt  als  ursprünglich  zu  erweisen  sind,  doch  ebensowenig  inter- 
poliert sein  werde. 

Auch  die  Nib.str.  sind  also  ursprünglich,  sind  von  demselben  dichter 
wie  alles  übrige  verfasst.  Und  der  selbst  hätte  ihnen  nun  auch  ihre 
seltsame  metrische  form  gegeben?  Aber  das  hält  ja  wo)  niemand  für 
möglich,  dass  ein  so  unerfreuliches  gemenge  verschiedener  strophen- 
masse  auf  künstlerischer  absieht  beruhen  könne.  Wer  den  ersten  dichter 
für  die  form  dieser  Strophen  verantwortlich  macht,  der  müsste  wirklich 
schon  mit  Bartsch  erklären,  er  habe  seinem  werke  aus  irgend  welchen 
gründen  nicht  die  letzte  feile  geben  können.    Ich  denke  aber,  es  werden 

29* 


444  PANZER 

auch  dazu  wenige  sich  überreden  können,  dass  der  dichter  der  Gud. 
nicht  gleich  und  nicht  überall  im  stände  gewesen  sei,  das  schwierigere 
mass  der  Gudrunstr.  zu  bezwingen,  dass  er  darum  hie  und  da  seine 
gedanken  vorläufig  in  eine  Nib.str.  gegossen  hätte.  Die  abweichende 
metrische  form  muss  also  doch  wol  spätere  entstellung  sein.  Diese  an- 
nähme ist  an  sich  durchaus  möglich,  trotz  der  weitgehenden  Über- 
einstimmung, die  wir  in  stil  und  ausdrucksweise  zwischen  den  Nib.str. 
und  den  Gudrunstr.  constatiert  haben.  Sie  ist  nach  der  negativen  seite 
erwiesen,  wenn  es  gelingt,  in  diesen  str.  momente  aufzuzeigen,  die  mit 
der  uns  bekannten  art  des  Gudrundichters  in  Widerspruch  stehen. 

Derartige  momente  sind  nun  tatsächlich  vorhanden.  Eine  Samm- 
lung derselben  ist  schon  von  Sijmons  veranstaltet,  doch  ist  nicht  alles 
von  ihm  vorgebrachte  beweisend,  so  dass  wir  auch  hier  uns  einer 
revision  nicht  entziehen  können. 

Sijmons  hat  den  Nibelungenstrophen  zunächst  eine  auffallende  ein- 
tönigkeit  der  reime  zum  vorwürfe  gemacht.  Aber  die  von  ihm  an- 
geführten zahlen  sind  erstens  nicht  ganz  genau  und  zweitens  können 
sie  für  unsere  frage  einen  wert  doch  erst  dann  bekommen,  wenn  sie 
zu  den  in  den  Gudrunstrophen  herrschenden  Verhältnissen  in  beziehung 
gesetzt  werden.     Tatsächlich  liegen  die  dinge  nun  so. 

Gudrun-  und  Nibelungenstrophen  haben  46  verschiedene  arten  des 

stumpfen  reims  mit  einander  gemeinsam.     44  arten   dagegen  kommen 

nur  in  je  einer  Strophengattung  vor.    Da  sich  nun  die  möglichkeit  des 

Vorkommens  verschiedener  reimarten  im   allgemeinen  mit  der  zahl  der 

reime  überhaupt  steigert,  so  wäre  zu  erwarten,  dass  diese  44  arten  nach 

dem  Verhältnis  der  zahl  ihrer  reimpaare  auf  die  beiden  Strophengattungen 

1603  x  44 
verteilt  seien;  man  erwartete  also  in  den  Gudrunstr.  — ,„*~ —  =  39,07, 

1805 

204  x  44 
in  den  102  Nibelungenstrophen1 —        —  =  4,9    der    in    der   anderen 

-LoUO 

strophengattung  nicht  vertretenen  reime.  Die  tatsächlichen  Ziffern  stimmen 
fast  genau,  indem  40  reimarten  der  Gudrunstrophen  den  Nibelungen- 
strophen fehlen  und  4  reimarten  dieser  jenen  abgehen.  D.  h.  also: 
Nibelungen-  und  Gudrunstrophen  verhalten  sich  in  bezug  auf  eintönig- 
keit  oder  Verschiedenheit  des  reims  absolut  gleich. 

Das  bild  ändert  sich  wenig,  wenn  man  die  einzelnen  reimgattungen 
für  sich  betrachtet.  Sijmons  ist  es  u.  a.  anstössig  gewesen,  dass  in  den 
Nibelungenstrophen  21  reimpaare  auf  -ant  begegnen.    Es  sind  sogar  23, 

1)  Ich  rechne  110.  47G.  1143  mit,  nicht  aber  28.  1578;  vgl.  darüber  unten 
s.  451  fg. 


BEITRÄGE   ZUR   KRITIK   UND   ERKLÄRUNG   DER   GUDRUN  445 

wenn  wir  110,3  und  1143,1  einrechnen.  Nun  haben  aber  die  Gudrun- 
strophen diesen  reim  210 mal.  danach  wäre  er  in  den  Nibelungenstrophen 

210  x  204      __  _      .    ,  .      .      ,         .      .  L  .     ,      _    , 
zu  erwarten  — :— — —  =  26,7  nial;  d.  h.  also  der  reim  ist  m  den  Gudrun- 

X  DUO 

Strophen  sogar  etwas  häufiger  als  in  den  Nibelungenstrophen.     Sijmons 

beanstandete   weiter  die  27   reimpaare  auf  -an/  -an.     In   Wirklichkeit 

sinds    sogar    30.     Die    Gudrunstrophen    haben    den    reim    229 mal,    die 

229  x  204 
Nibelungenstrophen    sollten    ihn    danach  —        —  =  34,08  mal  haben, 

haben  ihn  tatsächlich,  wie  man  sieht,  noch  etwas  seltener.  Grössere 
gruppen  sind  noch  die  reime  auf  -not  und  -in.  Erstere  art,  in  den 
Gudrunstrophen  106 mal  vorkommend,  sollte  in  den  Nibelungenstrophen 

—    -    — =  11,2 mal,  letztere,  in   den  Gudrunstrophen   92 mal  belegt, 

92  x  204 


=  13,4 mal    erscheinen:    tatsächlich   finden   sie   sich   13,    bez. 


1603 

10 mal.  Prüft  man  die  kleineren  gruppen  nach,  so  herrscht  da  ein  be- 
trächtliches schwanken.  Die  Nibelungenstrophen  haben  den  Gudrun- 
strophen gegenüber  mehr  reime  auf  -agen  und  -ax,  doppelt  so  viel  auf 
-e  und  -dt,  weniger  auf  -eit,  noch  nicht  1/3  soviel  reime  auf  -int 
(alle  zahlen  natürlich  im  Verhältnis  genommen).  Schlüsse  irgendwelcher 
art  lassen  sich  hieraus  deswegen  nicht  ziehen,  weil  die  zahlen,  mit  denen 
man  es  hier  zu  tun  hat,  so  klein  sind,  dass  von  vornherein  ein  zu- 
sammentreffen der  Wirklichkeit  mit  der  mathematischen  Wahrscheinlich- 
keit nicht  zu  erwarten  steht.  So  viel  aber  steht  fest,  dass  von  einer 
grösseren  eintönigkeit  des  reims  in  den  Nibelungenstrophen  gegenüber 
den  Gudrunstrophen  nicht  die  rede  sein  kann. 

Man  könnte  nun  noch  die  einzelnen  reimwörter  auf  ihr  vorkommen 
in  beiden  Strophengattungen  untersuchen.  Aber  hier  werden  die  zahlen 
so  klein,  dass  sich  keine  rechnung  mehr  darauf  bauen  lässt.  Als  auf- 
fällig mag  nur  hervorgehoben  werden,  dass  in  den  11  reimpaaren  der 
Nib.str.  auf  -e  10  mal  we  als  reim  wort  erscheint  (und  zwar  8mal  am 
strophenschluss),  während  unter  den  36  analogen  reimpaaren  der  Gudrun- 
strophen we  nur  19  mal  den  reim  trägt.  Weniger  überrascht  9 maliges 
not  in  den  10  reimpaaren  auf  -dt,  indem  das  wort  auch  in  41  -6t- 
paaren  der  Gudrunstr.  35  mal  erscheint. 

An  ungenauigkeiten  des  reims  findet  sich  in  den  Nibelungen- 
strophen nur  die  bindung  -an  :  -an,  4  mal  (Sijmons  s.  8  hat  788,1 
übersehen).  In  den  Gudrunstrophen  kommt  dieser  fall  53  mal  vor,Mst 
in  den  Nibelungenstrophen  also  verhältnismässig  seltener,  da  er  an  der 


446  PANZER 

204  x  53       cn  .  ,      .    ., 

verspaarzahl  gemessen  • — Yröö. —  =    '  '  an     er  summe  der  beiderseitigen 

X  Duo 

reimpaare  auf  -anj  -an  gemessen  — — - —  =  6,9 mal  vorkommen  sollte. 

Sehr  auffällig  dagegen  ist,  dass  von  den  fünf  fällen,  in  denen  im 
gedieh te  Strophenenjambement  sich  findet,  dreimal  eine  der  beiden  str. 
eine  Nib.str.  ist,  vgl.  Sijmons  s.  9. 

Manches  auffallende  zeigt  denn  auch  die  spräche  der  Nib.str.  Zu- 
nächst finden  sich  in  Wortschatz  und  stil  einige  besonderheiten;  das 
meiste  davon  hat  schon  Sijmons  s.  9  fgg.  zusammengestellt.  Ich  führe 
das  material,   etwas  anders  gruppiert  und  ergänzt,  nochmals  vor1. 

Nur  in  den  Nibelungenstr.,  nicht  auch  in  den  Gkidrunstr.,  begegnen 
folgende  substantiva:  gabilün  101,1,  olbende  541,3,   tjoste  184,3,  kör 

390.2,  xederboum  26,3,  ziperboum  249,2,  siule  249,4,  segelboum 
1126,2,  hergesinde  1235,2,  spilgeselle  786,4,  zeiter  65,1,  marc  65,1, 
vole  1408,4,  hehse  1408,2,  Wirtschaft  61, 1,  hiieteere  417,4,  huot  480, 1, 
heime  346,  4,  quäle  1287,  2.  Ferner  folgende  adjeetiva  und  adverbia: 
bar  1204,3  (mit  den  baren  vüezen :  barvüeze  1197,4.  1199,4),  bitter- 
lich 83,  2,  getriulich  217,2,  grcezltch  217,  4  (das  sonst  nur  als  adv. 
erscheint,  vgl.  oben  s.  430  zu  58,2),  griulichen  77,4,  scclicltchen  127,4, 
liehtgevar  333,3  (vgl.  173,2  Schilde  lieht  und  ivol  gevar,  869,2),  kunst- 
los 364,1,  hermüede  546,1,  unge wegen  65,3  (doch  vgl.  1576,  2  wider- 
wegen),  unerstorben  68,1,  ungezogen  1475,3.  Endlich  folgende  verba: 
schinden  101,2,  spisen  117,1,  trinten  346,4,  ivaten  1204,2,  erwallen 

416.3,  ergellen  1444,2,  widersagen  671,  1. 

Einige  andere  Wörter  kennen  die  Gudrunstr.  zwar  auch,  aber  nicht 
in  der  besonderen  bedeutung,  in  der  sie  in  den  Nib.str.  gebraucht  sind: 
trüt  ,sohn'  82,  2  (sonst  nur  , geliebter'  oder  , geliebte'  und  501,  2  im 
cäsurreim  ,gefolgsmann'),  undertän  von  der  gattin  1621,4,  triben  von 
der  tjost  184,  3,  truoben  von  geistiger  betrübnis  416,  3,  dienen  ,zins 
tragen'  mit  acc.  obj.  21, 1. 

Ebenso  finden  einige  fügungen  sich  nur  in  den  Nib.str.:  xam 
mit  gen.  217,  2,  [heize  trehene   155,  3,  der  röte  schin  786,  2  (vgl.  den 

1)  Einiges  von  dem,  was  Sijmons  als  eigentümlichkeiteu  der  Nib.str.  anspricht, 
ist  zu  streichen,  xe  wünsche  wol  getan  191,  4  kehrt  430,  2  xe  ivansche  ivol  gesniten 
wider;  er  was  ouch  ein  recke  1470,1  entspricht  Hartmuot  was  ein  recke  1413,  1; 
zu  546,  4  des  gienc  in  wcerlwhen  not  vgl.  817, 1  des  get  uns  michel  not,  843, 1  des 
gienc  im  michel  not,  ebenso  901,  1.  1016,  1;  über  ritterlich  vgl.  oben  s.  428  zu  14, 1, 
über  magetlichen  oben  s.  429  zu  10,  1.  Seltsam  ist  die  behauptung  (s.  11),  dass  xuo 
als  reim  wort  nur  258,2  stehe,  da  es  doch  in  den  Nibelungenstrophen  noch  zweimal, 
in  den  Gudrunstrophen  aber  nicht  weniger  als  zwanzigmal  im  reime  begegnet. 


BEITRAGE    ZUR   KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  447 

heixen  viures  schin  1388,2,  des  viures  ivint  499,2,  den  viurheixen 
tri ?>t  644,  1,  die  viurvanken  361,  3,  dax  viur  von  den  ringen  1423,  3, 
dax  viur  üx  helmen  514,3,  viures  blicke  1398,4),  mit  vroelichem  muote 
480,4  (vgl.  vrcelich  gemuot  966, 1,  in  vroelichem  sinne  1292,  4  im  cäsur- 
reim),  gerender  muot  268,2  (allerdings  ist  gern  vorn  verlangen  der  liebe 
häufig  gebraucht  z.  b.  170,4.  192,1.  421,4.  622,4.  624,4.  640,4  u.  ö.), 
dax  kreftige  guot  dienen  , reichen  zins  tragen'  21, 1,  höhex  danken  sagen 
64,2  (auch  danken  sagen  fehlt  den  Gudrunstr.;  vgl.  allenfalls  hohe  mieten 
1296,3),  diu  not  grifet  einen  60,  1,  an  ein  mcere  grifen  67,2,  aht 
ivixxen  eines  dinges  1444,  3  (vgl.  aht  hän  1669,  2),  manigen  gedanc 
hän  181,4,  in  brüsten  tragen  786,3,  dax  soltu  mir  sagen  126,1. 

Schliesslich  muss  noch  bemerkt  werden,  dass  auch  in  den  epitheten 
der  personen  die  Nib.str.  manches  auffällige  zeigen,  voget  von  Irlande 
heisst  Sigeband  nur  15,4,  der  üz  Garadie  wird  der  graf  nur  126,1  ge- 
nannt, Hetele  der  biderbe  begegnet  nur  270,  4,  Ludewic  der  küene  nur 
786,1,  Hartmuot  der  starke  nur  1418,2,  her  Ludeivic  nur  1041,4. 

Es  ist  nun  gewiss  richtig,  dass  nicht  jeder  der  aufgeführten  fälle 
beweisend  ist.  Vieles  davon  wird  auf  zufall  beruhen  und  wäre  auch 
dem  Verfasser  der  Gudrunstr.  wol  zuzutrauen ;  finden  sich  doch  auch  in 
diesen  genug  der  «Vra|  eiQ^iuva^  darunter  so  auffällige  wie  wigant 
1587,3  oder  schumphentinre  646,2  und  pnneix  1660,3,  um  nur  auf 
diese  zwei  entgegengesetzten  kategorien  des  epischen  Wortschatzes  zu 
deuten.  Auch  die  epitheta  der  personen  sind  nicht  immer  einheitlich 
und  manches  singulare  findet  sich  darunter1.  Aber  die  masse  ist  doch 
wol  beweisend;  so  viel  besonderheiten  wie  aus  diesen  Nib.str.  wird  man 
aus  einer  gleichen  zahl  beliebiger  Gudrunstr.  schwerlich  zusammen- 
tragen können. 

Diese  auffassung  wird  endlich  durch  eine  beobachtung  lautlicher 
art  an  den  durch  die  reime  festgelegten  sprachformen  entscheidend  be- 
stätigt. Dass  diese  in  den  Nib.str.  sich  im  allgemeinen  mit  denen  der 
Gudrunstr.  in  genauem  einklang  befinden,  braucht  hier  nicht  näher  aus- 
geführt zu  werden.  In  die  Hilde- Gud.  s.  lfgg.  vorgelegte  sprachliche 
Untersuchung  sind  die  Nib.str.  mit  einbezogen  und  es  hat  sich  dort 
keine  sprachliche  besonderheit  gezeigt,  die  ihnen  eigentümlich  wäre. 
Einen  punkt  aber  erlaubt  eine  seit  der  abfassung  jener  Untersuchung 

1)  So  heisst  Frute  nur  833, 1  der  recke  F.,  erhält  nur  1611,4  das  attribut  der 
starke,  nur  1182,  4  der  aide,  nur  549,  4  der  icise,  nur  1090,  1  der  ritter  biderbe, 
Gerlind  heisst  nur  979,  4  diu  aide  küneginne,  Hagen  nur  478,  4  der  grimme,  nur 
524,1  der  übermüete  (im  cäsurreim),  Hartmut  nur  620,4  der  stolxe,  nur  629,3  der 
vil  grimme  usw. 


448  PANZER 

erschienene  abhandkmg  Zwierzinas  jetzt  hervorzuheben.  Z.f.d.a.  44,378 
ist  festgestellt,  „dass  ein  grosser  teil  der  österreichischen  volksepen ,  für 
welche  die  häufigkeit  des  ei  <  age  im  reim  geradezu  charakteristisch 
ist,  kein  ei  <  ege  im  reim  aufweisen."  In  unserem  gedichte  finden  sich 
nun  für  das  durch  vokalisation  eines  g  entstandene  ei  60  beweisende 
fälle  (Hilde- Gud.  s.  7).  In  59  von  diesen  60  fällen  finden  wir  ei  <  age 
(bez.  <  äge  in  meide[n]),  und  nur  einmal  ei  <  ege  in  treit  :  herxeleit 
67,  3.  4:  einer  Nibstr.  Nun  steht  gerade  treit  allerdings  auch  im  Bit. 
allein  neben  ei  <  age  und  Zwierzina,  a.  a.  o.,  s.  380  möchte  es  aus  traget 
ableiten;  aber  da  auch  Nib.,  Roseng  A,  Rabenschi,  bei  häufigem  ei  <  age 
(bez.  äge)  treit  streng  fernhalten,  so  wird  auch  in  der  Gud.  das  isolierte 
auftauchen  des  reims  gerade  in  einer  Nibstr.  kein  zufall  sein.  Und  das 
umso  weniger,  als  auch  die  Verwendung  des  präsens  an  dieser  stelle 
anstössig  und   ohne  parallele  im  sonstigen   gebrauche  der  dichtung  ist. 

Es  hat  sich  uns  also  ergeben,  dass  die  Nibstr.  sich  durch  eine 
reihe  sprachlicher  und  stilistischer  eigentümlichkeiten  von  den  Gudrun- 
strophen abheben.  Diese  beobachtung  berechtigt  uns  zu  dem  Schlüsse, 
dass  auch  ihre  abweichende  metrische  form  das  ergebnis  einer  Über- 
arbeitung sei. 

Das  mass  dieser  Überarbeitung  hat  man  sich  allerdings  sehr  gering 
vorzustellen;  die  quantitativ  wie  qualitativ  geringe  zahl  von  eigentüm- 
lichkeiten einerseits,  die  weitgehende  formale  und  inhaltliche  Überein- 
stimmung der  str.  mit  dem  übrigen  texte  auf  der  anderen  seite  be- 
weisen, dass  die  bearbeitung  wesentlich  mit  dem  vorgefundenen  gute 
gewirtschaftet  hat. 

Wird  das  dasein  dieser  str.  nun  der  zielbewussten  tätigkeit  eines 
mannes  verdankt?  Sijmons  s.  22  fg.  hat  diese  frage  bereits  behandelt 
und,  allerdings  mit  reserve,  bejaht.  Die  vorhandenen  kriterien  möchten 
dazu  schwerlich  ausreichen.  Die  stilistischen  berührungen  innerhalb 
dieser  str.  überschreiten  nicht  das  mass  dessen,  was  für  die  Gudrunstr. 
in  dieser  richtung  Hilde-Gud.  s.  53fgg.  beigebracht  ist.  Der  den  Nib.str. 
eigentümliche  Wortschatz  zeigt  ebensowenig  eine  feste  tendenz;  sog.  , un- 
höfische Wörter'  stehen  in  ihm  neben  modernen  fremdwörtern.  Dass 
unter  den  adj.  mehrere  bildungen  auf  -lieh  erscheinen,  lässt  sich  kaum 
als  beweisendes  moment  anführen.  Und  gewiss  ist  dem  Schlüsse  auf 
einen  bearbeiter  nicht  günstig,  dass  keine  einzige  der  aufgeführten 
Spracheigentümlichkeiten  in  den  betr.  Strophen  öfter  als  je  einmal  vor- 
kommt. Am  ehesten  könnten  noch  das  häufige  we  als  reimwort,  das 
dreimalige  enjambement  und  das  gruppenweise  zusammenstehen  der 
Nib.str.  besonders  am  anfange  des  gedichtes  auf  einen  bearbeiter  deuten. 


BEITRÄGE    ZUE    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER   GUDRUN  449 

Auf  keine  weise  aber  kann  der  all  diesen  Strophen  gemeinsame 
Nibelungenschluss  als  kriterium  gelten,  das  auf  einen  bearbeiter  wiese. 
Vielmehr  lässt  sich  durch  eine  reihe  von  beobachtungen  sehr  wol  zeigen, 
dass  auch  ohne  bewusste  tendenz  Gudrunstrophen  sehr  leicht,  gleichsam 
auf  natürlichem  wege  und  durch  allmähliches  hinübergieiten,  zu  Nib.str. 
werden  konnten.  Sind  doch  eine  ganze  anzahl  von  Zwischenstufen  zwischen 
beiden  Strophenmassen  in  der  Überlieferung  noch  wol  erkennbar. 

Es  lässt  sich  da  zunächst  einmal  feststellen,  dass  eine  ganze  an- 
zahl unserer  Nibelungenstrophen  ihren  letzten  halbvers  mit  den  fünf 
hebungen  der  Gudrunstrophe  überliefern.  Es  sind:  30,  4  des  ich  hie 
künde  noch  nie  gewän,  249,  4  sülen  siule  werden  geslägen,  258, 4  sin 
vride  vil  statte  getan,  281, 4  der  hünec  in  willecltchen  bot,  287,  4  der 
müox  mit  üngemäche  genesen,  304,4  däx  was  an  der  gäbe  ivol  seh  in, 
541, 4  horte  ich  nie  deheinen  (hs.  kainen  wie  immer)  man  gesägen, 
556,  4  e  si  iueh  xe  vriedel  ie  erkös,  788,  4  und  verlos  ouch  mäneger 
da  den  lip,  1004,4  däz  sol  iur  deheiniu  vertan,  1041,4  =  1444, 4  den 
sie  dö  er  mit  Herwige  väht,  1210,4  und  liden  beide  übel  ünde  gnot, 
1242,4  ist  in  gröxen  arbeiten  tot,  1470,4  vil  grimme  was  der  recke 
gemüot,  1501,4  verlos  mänegex  da  sinen  lip,  1621,4  sol  si  dir  iverden 
xe  vroüwen  ündertän.  Die  herausgeber  lassen  diese  verse  teils  bestehen 
(wenn  man  sie  nämlich  mit  oft  gewaltsamerer  skandierung  zur  not  vier- 
hebig  lesen  kann),  teils  haben  sie  durch  änderung  der  Überlieferung 
aus  den  fünfhebigen  versen  vierhebige  hergestellt. 

Neben  den  angeführten  bieten  die  Nibelungenstr.  noch  einige  letzte 
halbverse,  die  sich  zwar  leicht  vierhebig,  aber  ohne  gewalt  auch  fünf- 
hebig  lesen  lassen,  z.  b.  77,4  und  ist  uns  hie  griulichen  tve,  114,4 
iedöch  verendet  sich  ir  klagen,  127,4  ex  ist  dir  sMicUchen  (so  die  hs.) 
ergän,  160,4  müosen  im  des  genäde  sägen,  184,  4  ja  wäre  däx  übele 
beliben,  237,4  und  Ute  vil  güetlichen  däx,  754,4  tvölde  er  Küdrünen 
geben,  819,4  hin  xe  im  nach  eren  niht  gewänt. 

Eine  vollkommen  analoge  beobachtung  lässt  sich  aber  auch  nach 
der  anderen  seite  hin  machen.  Wer  die  ausgaben  unseres  gedichtes 
fortlaufend  mit  der  hs.  vergleicht,  findet  rasch,  dass  der  text  der  letzten 
halbzeile  jeder  strophe  in  erstaunlich  vielen  fällen  auf  conjeetur  beruht, 
weil  die  hs.  nämlich  statt  des  fünfhebigen  verses,  den  das'inetrum  er- 
fordert, nur  einen  vier-  oder  dreihebigen  überliefert.  Ich  zähle'unten, 
um  das  Verhältnis  recht  anschaulich  zu  machen,  alle  von  der'überlieferung 
so  um  einen  oder  zwei  takte  verkürzten  letzten  halbverse  auf1. 

1)  Ich  rechne  natürlich  auch  diejenigen  verse  mit,  wo  die  herausgeher  die  vom 
Schreiber  gewollte   cäsur  verschoben    und  ihre  ergänzuug   oder  änderung   im  ersten 


450  PANZER 

Diese  verkürzten  Strophenschlüsse  entstehen  auf  verschiedene  weise. 
Zum  teil  so  zu  sagen  auf  natürlichem  wege,  indem  die  fortgeschrittene 
spräche  späterer  aufzeichnung  die  silbenzahl  verminderte  z.  b.  durch 
wegfall  des  en-  (288,  4  ex  [enjist  dem  mcere  niht  geliche,  575,  4  des 
[enjliexen  si  sich  niht  betragen  u.  ö\),  beseitigung  der  pronominalen 
flexion  von  eigennamen  (1094, 4  dax  was  Küdrün[en]  unmcere,  1293,4 
ivolde  Küdrünfen]  umbevähen  u.  ö.)  und  andere  Vorgänge  sprachlicher 
art  (z.  b.  143,4  vor  an  miner  brüst [e  bejvinde,  359,4  ex-  vrumfejt  dir 
xetelwher  xite,  578,4  lobfejtfej  man  Küdrünfen]  tegeliche,  1142,4  dax 
dax  nieman  [ge] merken  künde  usw.).  Sehr  viel  häufiger  aber  sind  die  ver- 
kürzten verse  sichtlich  durch  bewusste  auslassung  eines  oder  mehrerer 
Wörter  entstanden.  Hier  und  da  ist  der  text  dadurch  unsinnig  geworden. 
in  der  weit  überwiegenden  mehrzahl  der  fälle  dagegen  ist  der  überlieferte 
text  entweder  untadelig  oder  doch  annehmbar  und  nur  das  strophen- 
mass  zwingt  die  kritiker  zu  ihren  ergänzungen,  z.  b.  27,4  in  der  minen 
fliehten]  ougeniveide,  44, 4  sax  [mit  den  vrouwen]  obene  an  der  xinne, 
96,  4  [nach  ir  ivillen]  nähen  oder  verren,  185,  4  er  icas  ein  [tinrer] 
helt  xe  sinen  handen,  369,  4  yhlegent  [beide]  ritter  unde  knehte  usw. 
Auf  jeden  fall  lehrt  die  häufigkeit  dieser  lücken  (bes.  im  vergleich  zu  den 
so  viel  seltneren  auslassungen  ganzer  Wörter  in  den  übrigen  sieben  halb- 
versen  der  str.),  dass  sie  nicht  dem  zufall,  sondern  einer  festen  tendenz 
ihr  dasein  verdanken.  Und  was  stellt  diese  tendenz  her?  Eine  strophe, 
die  zwischen  Gudrun-  und  Nibelungenstrophe   in   der  mitte  liegt,  d.  h. 

halbverse  der  vierten  strophenzeile  angebracht  haben.  Wo  der  letzte  halbvers  sich 
so,  wie  er  überliefert  ist,  auch,  mit  fünf  hebungen  lesen  Hesse,  vier  hebnugen  an- 
zunehmen aber  ungezwungen  ist,  habe  ich  die  Ziffer  in  klammern  geschlossen:  Str.  4. 
27.  31.  40.  44.  59.  72.  74.  79.  80.  87.  89.  93.  95.  96.  105.  112.  119.  120.  122.  131. 
132.  143.  175.  183.  185.  187.  194.  203.  215.  218.  (241).  263.  272.  273.  288.  290. 
292.  298.  303.  309.  311.  316.  (322).  331.  342.  (354).  359.  369.  370.  375.  379.  386. 
(388).  391.  393.  395.  (415).  418.  419.  421.  434.  447.  451.  456.  458.  (462).  479.  484. 
485.  486.  490.  500.  510.  (511).  514.  522.  529.  531.  532.  538.  545.  549.  555.  567. 
570.  572.  575.  577.  578.  583.  589.  592.  593.  597.  (614).  619.  620.  635.  638.  (639). 
640.  645.  648.  655.  666.  672.  682.  684.  693.  696.  698.  700.  708.  714.  717.  (718). 
740.  747.  756.  761.  772.  773.  790.  812.  814.  823.  830.  835.  839.  840.  843.  844.  845. 
850.  (856).  859.  863.  865.  867.  875.  886.  887.  894.  896.  902.  906.  915.  922.  941. 
942.  958.  963.  969.  979.  996.  1006.  1023.  1034.  1037.  1038.  1045.  1046.  1056.  1066. 
1078.  1090.  1092.  1094.  1099.  1105.  1107.  1129.  1132.  1142.  1150.  1155.  1157.  1158. 
1171.  (1190).  1195.  (1215).  (1218).  1220.  1240.  1251.  1264.  1276.  1279.  1283.  1287. 
1288.  1293.  1302.  1307.  (1321).  1344.  1352.  1355..  1369.  1371.  (1375).  1379.  1H82. 
1393.  1394.  1399.  1427.  1436.  (1448).  1453.  1456.  1460.  1463.  1464.  1483.  1492. 
1497.  1500.  1504.  1506.  1511.  (1512).  1513.  1515.  1516.  (1520).  (1521).  (1528).  1532. 
1539.  1547.  1562.  1565.  1576.  1582.  (1587).  1588.  1601.  1607.  1611.  1614.  1616. 
1617.  1618.  1625.  1632.  1636.  (1648).  1649.  1667.  1681.  1691.  1695.   1699. 


BEITRAGE   ZUR   KRITIK   UND   ERKLÄRUNG   DER   GUDRUN  451 

also  prinzipiell  ganz  dasselbe,  was  wir  in  den  oben  aufgeführten  Nibe- 
lungenstr.  mit  fünfhebigem  letzten  halbvers  gefunden  haben. 

Diese  beiden  erscheinungen  *  lassen  sich  also  nicht  von  einander 
trennen.  Ihr  dasein  hat  nichts  auffallendes.  Die  Gudrunstrophe  ist  das 
schwierige,  seltene  mass,  ausserhalb  unseres  gedichtes  nirgends  bezeugt; 
ihr  aufs  nächste  verwandt,  ja  zu  zwei  dritteln  mit  ihr  identisch  aber 
ist  die  Nibelungenstr.,  in  zahlreichen  epen  gleichmässig  verwendet  und 
jedem  abschreiber  geläufig.  Ihr  metrum  klang  jedem  ständig  im  ohr, 
der  unser  gedieht  kopierte,  und  übte  bewusst  und  unbewusst  auf  die 
treue  widergabe  der  originalen  form  desselben  einen  ungünstigen  ein- 
fluss.  Diese  beobachtung  und  Überlegung  muss  uns  vorsichtig  machen, 
die  Nibelungenstrophen  unseres  gedichtes  ohne  haltbare  indicien  der  be- 
wussten  tätigkeit  eines  Überarbeiters  zuzuschreiben. 

Sehr  schön  lässt  sich  an  einigen  einzelfällen  die  rein  zufällige  ent- 
stehung  von  Nib.str.  beobachten.  Es  ist  oben  s.  425  bereits  bemerkt, 
dass  in  unseren  ausgaben  von  den  104  Nib.str.,  die  die  hs.  überliefert, 
fünf  von  den  herausgebern  regelmässig  in  Gudrunstr.  umgeschrieben 
werden.  Bei  dreien  (110.  476.  1143)  scheint  mir  diese  herstellung 
allerdings  sehr  wenig  gesichert  und  es  wäre  wol  richtiger,  wenigstens 
110  und  1143  bei  dem  überlieferten  Nibelungenschluss  zu  belassen2. 
Dagegen  bieten  28  und  1578  gesicherte  beispiele. 

1)  Als  weitere  Zwischenstufe  Hesse  sich  endlich  anführen,  dass  mehrmals  nur 
der  vierte  vers  mit  stumpfem  reim  überliefert  ist,  z.  b.  137,  4  geporn  statt  gebären, 
180,4  cammerknelit  statt  -knehte,  193,4  gnedielich  statt  genoedecliche ,  275,4  lust- 
lich statt  kostliche,  609,4  frey  statt  vrie,  1433,4  hand  statt  hande.    Vgl.  auch  588,  3. 

2)  110,3.  4  lauten  in  der  hs. : 

er  was  er  ir  nachgebaut-  da  het  von  Eyrlant 
sun  den  Sigebandes  der  bilgrin  ainer  niht  bekant. 
Dafür  lesen  die  herausgeber  seit  Bartsch: 

er  was  ir  nächgebüre  da  her  von  Irlande 
sun  den  Sigebandes  der  pilgerine  einer  niht  bekande. 
Es  scheint  mir  aber  sehr  zweifelhaft,  ob  diese  lesung  möglich  ist;  denn  wie  kann  der 
graf  „von  Irland  her"  Hagens  und  seines  geschlechtes  nachbar  sein,  da  sein  reich 
doch  keineswegs  zu  Irland  gehört,  vielmehr  ein  neben  Irland  (dessen  eigenschaft  als 
insel  der  dichter  nicht  kennt  oder  mindestens  nirgends  respectiert ,  Hilde  -Gud.  s.  101) 
gelegenes  selbständiges  land  ist?  Man  muss  also  doch  wol  bei  der  hs.  bleiben:  do 
hete  von  Irlant  sun  den  Sigebandes  der  pilgerine  einer  niht  bekant.  dö  ist  adver- 
sativ und  man  hat  zu  übersetzen:  der  graf  hatte  Hagen  und  sein  geschlecht  früher 
gekannt,  war  er  doch  ihr  nachbar;  jetzt  aber  hatte  keiner  der  pilger  den  söhn  Sige- 
bands  von  Irland  erkannt.  Wir  haben  also  eine  Nibelungenstrophe  mit  fünf  hebungen 
im  letzten  halbvers,  die  erst  durch  die  Schreibung  bilgrin  die  regelrechteu^vier 
hebungen  erhielt.  Beim  dichter  füllt  das  wort  überall  (114,  2.  135,  4.  139,  2.  142,  1. 
149,1.  158,4.  160,4.   488,4.  839,1.  843,1.   931,2.  932,3.  933,2.   1364,3.   1367,1) 


452  PANZER 

28,3.  4  lauten  in  der  hs.: 

das  lass  du  mich  erfinden  kunigine  her 
durch  deinen  willen  so  han  ich  arbait  destmer, 
also  mit  reinem  Nibelungenschluss.  Man  braucht  aber  nur  die  unserem 
dichter  neben  her  und  mer  geläufigen  (Hilde- Gud.  s.  13  fg.)  formen  here 
und  mere  und  vollere  formen  in  v.  4b  einzusetzen  so  erhält  man  den 
Gudrunschluss:  here  :  so  hän  ich  arbeite  deste  mere,  den  alle  heraus- 
geber  in  den  text  setzen. 

Völlig  gesichert  als  ursprüngliche  Gudrunstrophe  ist  auch  1578, 
obwol  v.  3.  4  in  der  hs.  Nibelungenschluss  zeigen: 

da  küsset  sy  in  vor  liebe  also  tet  auch  Ortwein 

da  was  auch  komen  Herwige  mit  den  stoltxen  iverden  recken  sein. 
Denn  hier  ist  3b  offenbares  missverständnis:  Ortwin  kann  nicht  (den 
Wate)  küssen,  sondern  er  selbst  wird,  wie  dieser,  von  seiner  mutter 
mit  knss  empfangen.  Es  muss  also  heissen:  als  tele  si  ouch  Ortwinen: 
sinen.  Wie  in  diesen  beiden  str.  aber  die  entstehung-  der  Mb.str.  durch 
einfache  verderbnis  beim  abschreiben  sich  vollzogen  hat,  so  wird  das 
auch  in  anderen  fällen  geschehen  sein.  Wir  erkennen  also  einmal,  wie 
gering  das  mass  der  Umarbeitung  bei  diesem  prozess  sein  konnte  und 
weiterhin,  dass  er  nicht  notwendig  überall  der  tätigkeit  eines  Über- 
arbeiters zuzuschreiben  ist. 

Steht  also  fest,  dass  durch  einführung  von  cäsurreimen  und  Mbe- 
lungenschluss  der  ursprüngliche  text  der  Gudrun  an  vielen  stellen  zer- 
stört und  oft  unwiderbringlich  verloren  ist,  so  kann  ich  doch  eine  Über- 
arbeitung, die  über  diese  beiden  formal  greifbaren  punkte  hinausgienge, 
nirgends  für  erwiesen  erachten.    Es  war  meine  absieht,  und  die  vorrede 

zwei  verstakte  (dass  die  gekürzte  form  auch  139,  2.  843,  1 ,  wo  sie  besser  in  den  über- 
lieferten text  passte,  vom  sebreiber  eingeschwärzt  ist,  zeigt  besonders  deutlicb  1364,3, 
wo  ihr  zu  liebe  der  reim  sinnlos  geändert  wird);  wir  sehen  hier  also  recht  deutlich 
das  stufenweise  hinübergleiten  ins  mass  der  Nibelungenstrophe. 

Am  meisten  kann  man  sich  bei  der  in  allen  versen  sehr  fehlerhaft  überlieferten 
str.  476   die   Verschiebung  des  geschach  :  gesehach   der   hs.   in  gescehe :  geschähe  ge- 
fallen lassen.    Viel  weniger  sicher  ist  die  herstellung  von  str.  1143,3.4: 
wische  kalte  prunnen  die  flussen  in  tan 

niihrj-on  den  per  gen  des  freuten  sich  die  tvassermüeden  man. 
Die  herausgeber  lesen  in  dem  tanne :  manne.  Aber  der  nom.  pl.  lautet  in  unserem 
gedichte  ausnahmslos  (er  ist  35  mal  durch  den  reim  bezeugt)  man  und  es  tröstet  nicht 
ganz,  dass  auch  für  den  dat.  sg.,  gen.  und  dat.  pl.  die  doppelformen  man  /  manne fn) 
bezeugt  sind  (Hilde -Gud.  s.  8)  denn  diese  sind  auch  sonst  geläufig,  der  nom.  pl.  manne 
aber  äusserst  selten.  Es  wäre  also  auch  hier  vielleicht  vorsichtiger,  eine  Nib.str.  mit 
fünf  hebungen  im  schlussvers  anzuerkennen. 


BEITRAGE    ZUR    KRITIK    UND    ERKLÄRUNG    DER    GUDRUN  453 

zu  Hilde- Gud.  hat  ein  darauf  bezügliches  versprechen  gegeben,  die  frage 
nochmals  im  zusammenhange  zu  erörtern,  ob  kleinere  interpolationen, 
wie  Sijmons  sie  annehmen  wollte,  in  unserem  gedichte  anzuerkennen 
seien.  Ich  kann  mich  nun  doch  nicht  überwinden,  die  blätter,  auf 
denen  eine  polemik  gegen  diese  aufstellungen  skizziert  ist,  vorzulegen. 
Sijmons  hat  PBB.  9,  51fgg.  über  das  unhaltbare  der  gesichtspunkte,  von 
von  denen  die  kritikea  von  Müllenhoff  und  Wilmanns  ausgegangen  sind, 
nüchtern  und  sehr  verständig  gesprochen,  so  dass  ich  mich  diesem 
negativen  teile  nur  anschliessen  kann.  Betrachte  ich  aber  die  aus- 
führungen  von  Sijmons  zu  den  textstellen,  an  denen  er  interpolationen 
vermutet,  a.  a.  o.  wie  in  den  anmerkungen  seiner  ausgäbe  im  einzelnen, 
so  finde  ich  auch  hier  allenthalben  ein  arbeiten  mit  subjectiven  und 
ungeschichtlichen  kriterien,  d.h.  urteilen,  die  von  modernem  Standpunkte 
gefällt  keine  rücksicht  nehmen  auf  den  geschichtlich  gewordenen  stil 
des  gedichtes,  den  der  forscher  festzustellen  und  anzuerkennen  hat,  ehe 
er  ihn  meistern  darf.  Ich  habe  diesen  Standpunkt  in  dem  öfter  citierten 
buche  durch  eingehendere  Untersuchung  zu  begründen  gesucht  und  ver- 
möchte hier  nichts  vorzubringen,  was  schliesslich  nicht  jeder,  der  von 
jenen  ausführungen  kenntnis  genommen  hat  und  geneigt  ist,  sich  auf 
ihren  Standpunkt  zu  stellen,  selber  sagen  könnte.  Und  so  darf  ich 
schliesslich  abwarten,  dass  man  erst  die  dort  zusammengestellten  be- 
obachtungen  widerlege,  die,  wie  mir  scheint,  die  einheit  des  gedichtes 
zwingend  erweisen,  ehe  eine  abermalige  diskussion  im  gleichen  sinne 
die  öffentlichkeit  ermüdet.  Einige  öfter  hervorgehobene  anstösse  zu  be- 
sprechen, wird  der  folgende  abschnitt  noch  gelegenheit  bieten. 

FRELBURG    I.  B.  FRIEDRICH    PANZER. 


454  GERING 

DIE    RHYTHMIK   DES   LJÖDAHÄTTR. 

Zweiter  teil. 

Die  Yollzeile  (V). 

Cap.   17.     Vorbemerkungen. 

§  118.     Dass  die  regelmässige  form  der  volheile  ein  schwellvers 
von  drei  Hebungen  ist,  wird  durch  Skm  37  ausdrücklich  bezeugt: 
pars  ristk  per         ok  pria  stafi: 
ergi  ok  #pi  ok  öpola; 
auch  lassen  sich  die  meisten  verse,   ohne  die  natürliche  betonung  zu 
verletzen,  gar  nicht  anders  lesen.    Verse,  die  dieses  tnass  nicht  erreichen 
oder  es  überschreiten,    sind   selten   und   erregen    bedenken   (vgl.  unten 
§  181—183).    Durch  die  alliteration  sind  gewöhnlich  nur  zivei  Hebungen 
hervorgehoben:  die  erste  und  zweite  (1.  2),   die  erste  und  dritte  (1.  3) 
oder  die  zweite  und  dritte  (2.  3);  zuweilen  aber  tragen  auch  alle  drei 
Hebungen  den  Stabreim  (1.  2.  3). 

Die  vollzeilen  sind  nach  demselben  princip  geordnet  wie  die 
schwellverse  in  L   (oben  §  63). 

§  119.  Für  den  ausgang  von  V  gibt  es  eine  feste,  zuerst  von 
Bugge  gefundene  regel  (Forhandlinger  pä  det  ferste  nordiske  filolog- 
mode,  Kebenh.  1879,  s.  142  fgg.J.  Nach  dieser  regel  muss  der  vers  ent- 
weder  schliessen: 

1)  mit  einem  zweisilbigen  worte  von  der  form  ^x  (^x);   oder 

2)  mit  einem  einsilbigen  ivorte  (jl);  oder 

3)  mit  einem  dreisilbigen  worte,  das  die  beiden  letzten  Hebungen 
trägt.     In  diesem  falle  sind  die  folgenden  drei  Variationen  zulässig: 

JLJ.X,     _1^X,     -LX  J.. 

Anm.  Selten  finden  sich  an  stelle  des  dreisilbigen  wortes  ein  einsilbiges 
und  ein  xweisilbiges :  es  müssen  in  diesem  falle  die  beiden  Wörter  (die  dann  einem 
compositum  gleich  geachtet  werden)  begrifflich  und  grammatisch  zusammengehören 
(§  154  anm.  1). 


A.    Dreihebige  verse. 
Cap.  18.     A- verse. 

§  120.  1)  AA.  Nach  dem  Buggischen  gesetze  über  den  schluss 
von  V  sind  normale  AA- verse  {j-  x  I  ±  x  >  x)  der  zeile  überhaupt  nicht 
angemessen.  In  der  tat  kommen  sie  auch  äusserst  selten  vor.  In  den 
eddischen   liedern    findet  sich    (wie    bereits    Sievers,   Altgerm,   metrik, 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  455 

§57,  6a  richtig  angibt)  nur  ein  einziger  fall:  H<jva  rä])S  at  fregna 
Hgv  1082,  ein  vers  der  überdies  ivegen  des  mangels  der  alliteration  ver- 
dächtig ist  (es  findet  nur  'anreimung'  an  die  vorhergehende  xeile  statt) 
und  von  Sijmons  als  interpoliert  betrachtet  ivird.  Der  metrische  fehler 
Hesse  sich  allerdings  durch  Umstellung  leicht  heilen:  at  fregna  Hqva 
räps  (BB) .  —  In  der  ausser  eddischen  poesie  bieten  die  Sölarljöp  und 
die  Getspeki  Heipreks  je  ein  und  die  Hugsvinnsmgl  fünf  beispiele: 
(1.2)  alt  at  öskum  ganga  Sl  254  [lies:  (1.3)  at  öskum  ganga  alt,  BB?]; 
(1.  2)  ljötu  leynir  rä|)i  Hgsv  944;  (2.  3)  pat  es  sjalfan  sökir  Hgsv  844, 
upp  koma  svlk  of  sipir  Hgsv  614  (v  er  Schleifung  der  1.  Senkung),  svelgr 
hann  votn  ok  yeisur  [lies:  yeisur  ok  YQtn,  AB?]  Herv  352,  efla  pik  at 
prifa  Hgsv  812.  Man  wird  in  den  Hugsvinnsmgl  ivol  eher  unbekannt- 
schaft mit  der  alten  technik  als  Verderbnis  der  Überlieferung  annehmen 
müssen. 

Anm.  Der  vers  Herv  66 2:  hveijum  vitrari  visa  (AA*lnk)  ist  von  Bugge  auf 
grund  der  prosa  hergestellt,  kann  also  nicht  mitzählen. 

§121.  Der  typus  AA2k  (zxlzipix)  verstösst  dagegen  ivider 
das  Buggische  gesetx  nicht.  Es  sind  jedoch  nur  ivenige  beispiele  be- 
legt: (2.  3)  pat  kvepa  ödyggs  apal  Hgsv  67 4  (verschleifung  der  1.  Senkung), 
mapr  säs  [sä  er]  döinendr  cluga  Hgsv  954,  pess  vas  FJQlkaldr  fapir  Fj  64, 
skerpir  NipliQggr  nepan  Grm  35 4,  her  matt  [mättu]  Svipdag  sea  Fj  43 2, 
bann  es  yaltastr  Tina  Hgv  754.  Dazu  drei  verse  mit  ztveisilbiger  erster 
Senkung:  (1.  2.  3)  firrisk  ge  forn  rok  firar  Ls  254;  (2.  3)  brettir  sinn 
Hrimgerpr  hala  HHv  20 2,  papan  eigu  VQtn  q11  Tegu  Grm  26 4  (ver- 
schleifung der  ersten  hebung). 

Anm.  Hierher  ist  wol  auch  der  folgende  vers  xu  stellen,  in  dem  eine  änderung 
der  hsl.  Überlieferung  nötig  schien:  (1.  2)  auptrua's  cinfaldr  gumi  [mafr]  Hgsv  147 4. 

§  122.  2)  BA.  Normale  BA- verse  (xj.  Ixz.xz)  würden  eben- 
falls gegen  das  Buggische  gesetx  Verstössen  und  die  zivei  handschriftlich 
bexeuyten  beispiele  sind  sicher  der  verderbten  überliefei'ung  zur  last  zu 
legen.  Der  von  Sievers  (a.  a.  o.)  angeführte  beleg:  (1.  2)  at  leip  se 
laun  ef  psegi  Hgv  40 4  ist  bereits  von  G.  Vigfüsson  richtig  emendiert 
worden,  welcher  pegin  für  ef  pffigi  einsetzte,  wodurch  ein  regelrechter 
BC-vers  geivonnen  wird.  Der  ziveite  vers:  (1.  2)  eromk  i  hepen  nvern 
handar  vseni  Hgv  732  ist  ohne  allen  zweifei  eine  langxeile: 

eromk  i  hepen  hverjan  |  handar  vseöi; 
die  strophe,   in  der  er  sich  findet,   ist  schon  ihrer  hypertrophie  ivegen 
als  verderbt  anzusehen  (vgl.  oben  §  35  anm.  1  und  §  71). 

§  123.  Der  typus  BA2k  (xzlxn.^x)  der  das  Buggische  gesetz 
nicht  verletzt,  kommt  mehrere  male  vor:  (1.2)  ok  fröpr  ok  forsjäll  vesa 


456  GERING 

Hgsv  764;  (2.  3)  es  kendu  fröpleik  firum  Hgsv  544,  ok  feil  ä  glsevalds 
gQtu  Sl  542,  ok  bitr  af  Lseräps  limura  Grm  25 2  26 2,  vij)  pat  skal 
vilbjorg  Yaka  Grm  45 2.  —  Dazu  drei  verse  mit  auflösungen:  (2.  3)  epa 
hvat  vilt  yinlauss  vita  Fj  22  (auflösung  der  eingangssenkung) ;  (2.  3)  ok 
nai  hann  Jnirrfjallr  pruma  Hgv  304  (auflösung  der  ersten  hebung); 
(2.3)  ok  sveigja  pinn  Hrimgerpr  lialda  HHv  214  (auflösung  der  binnen- 
senkung) . 

§  124.  3)  CA.  Nur  ein  paar  beispiele  des  typus  CA2k  (x  j.  I  j. a.  .  ^x) 
smd  bezeugt:  (1.3)  hverr's  öblaupastr  alinn  .Fm  242;  (2.3)  per  se  kcjld 
rqp  koma  Ls  514.  Dazu  zwei  verse  mit  zweisilbiger  eingangssenkung: 
(2.  3)  ok  hefr  se  yergJQrn  yerit  Ls  26 2;  (1.  2.  3)  kalla  sumbl  Suttungs 
synir  J.fo  344;  «wrf  ein  vers  mit  auflösung  der  ersten  hebung:  (2.3)  ok 
hafit  metnap  mikinn  Hgsv  592. 

§  125.  4)  DA.  Als  beispiele  für  den  typus  DA2k  (j.  i  j. a. .  ^  x) 
sind  wol  die  folgenden  beiden  verse  zu  betrachten:  (1.  3)  gagnmqlugr 
gorask  Hgsv  784,  YiphlaVjendr  vini  Hgv  242  252.  Der  erste  vers  könnte 
allenfalls  auch  als  ein  DB  (mit  vernachlässig ung  des  nebentons)  gelten. 

Cap.  20.     B-verse. 

§  126.  1)  AB.  Dieser  typus,  dem  ca.  550  verse  angehören,  ist 
in  V  weitaus  der  häufigste.  Wir  unterscheiden  zwei  fälle,  den  regel- 
mässigen vers,  der  die  3.  hebung  auf  langer  silbe  hat  (ABl:  /xl/.xz) 
und  den  vers  mit  verschleifung  der  3.  hebung  (AB 2:  jl  x  I  .l  .  x  v^x). 
Der  ziveite  untertypus  ist  viel  zahlreicher  vertreten  als  der  erste. 

a)  ABl:  (1.  2)  allt  til  enda  dags  Hgsv  1034,  annan  aldrigi  Hgv 
922;  einum  allan  hug  Hgv  1232,  ey  i  einum  stap  Hgv  352;  ymsum 
elda  til  81  164;  &sir  aldrigi  Ls  82,  &sir  isarn  köl  Grm  37 4;  orn  ä 
aldinn  mar  Hgv  62 2;  brot  frä  brjösti  mer  Sl  46 2,  brtipir  bekkjum  ä 
Sd  282,  bundinn  bQlvasmipr  Ls  414,  bundit  bepjum  ä  Hgv  1004,  H>q1  es 
beggja  pr<$  Ls  392;  clömr  of  daupan  hvern  Hgv  77 4,  dvergar  drjüpan 
sal  Alv  12 4;  fäs  es  fröpum  vant  Hgv  106 2,  fe  ok  fJQrvi  ramt  Sl  642, 
frost  ä  fjalli  hq  Gg  12 2;  glapr  enn  göpa  mJQp  Grm  134;  lieilagr 
himnum  af  Sl  234,  heilir  hildar  til  Hgv  1564,  heilir  hildi  frä  Hgv  1565, 
heimi  hverjum  i  Alv  94  ll4  134  154  174  194  214  234  254  274  294  314 
33 4,  liljöpr  es  hygginn  mapr  Hgsv  98 4,  hvats  [hvat  sem]  at  hendi  konir 
Fm  294,  hvit  und  bjälmi  niser  HHv  282,  hygg  fyr  liverri  gjnf  Hgsv  94, 
hyggju  Hröptaty  Hgv  160 4,  hsettr  es  heimiskvipr  Sd  25 4,  liQggvask 
hverjan  dag  Vm  404  412,  hQlpum  hygginn  mapr  Hgsv  1192,  H^va  IiqIIu 
at  H$v  110°,  Ho>a  hQllu  i  Hgv  1083  HO7;  kranga  kostalaus  *S'A;m354, 
kranga  kostavQn  Skm  35 5;      leika  lopti  ä  Hgv  1552,    Loptr  of  langan 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  457 

veg  Ls  62;  neiss  es  nekkvipr  halr  Hgv  49 4,  nftum  Njarpar  bur 
Grm  434;  reipr  vip  rekka  lif  i7</si'  572;  segja  seggjum  frä  Ls  252 
602,  sitja  sumbli  at  Ls  102,  slita  sjunir  ör  Fj  452,  sott  ok  synda  fjVp 
Hgsv  127 4,  sullu  sütir  mer  Sl  382,  sveigp  at  sipum  rner  £7  37 2,  ssezk 
vif)  sjalfan  f)ik  i7<7sv  192;  vinr  säs  välapr  es  i?$w  352,  yäfa  virgilnä 
Hgv  157 2,  yegr  es  ygetki  trepr  Z7pÄ  1187,  yerpa  vatni  ä  üTp?;  1582,  Visum 
vilja  frä  iTpfl  982,  vitnis  vigi  at  Fm  534;  J)ings  ne  pjöpans  mäls  üfpv 
1132,  pursa  pjöpar  sJQt  Fj  l4,  pyr  ok  pjöpans  raggr  Hgsv  1374. 

(1.  3)  aldaheimi  i  5/  414,  annars  brjöstum  f  LT^H-  84  i^m  244,  annars 
brjöstuin  ör  H$v  94,  annars  fletjum  sl  Hgv  354,  äsa  gorpum  i  Ls  372; 
eig  pu  hann  ok  unn  Hgsv  42,  eyrartinu  at  iJpv  1145;  Organs  stöli  ä 
ä/762,  ossum  ronnum  l  <S&m  142;  Urpar  brunni  at  Hgv  HO2;  ynpisheimi 
i  SZ  33 2;  ^Igis  bekki  ä  £rm  45 4,  #]gis  drekku  at  Grm  45 5,  #)gis 
hQllu  i  Ls  104  164  182;  ögisheimi  ör  Sl  302;  jqtna  garpa  l  FIX  68, 
jntna  gorpum  i  «Sättc  302  i^Jf  625,  jotna  gQrpum  ör  Hgv  107 2;  Baldri 
glikan  bur  Ls  272,  blandnir  inJQk  vij)  blöp  Sl  424;  gambantein  ek 
gat  Skm  324,  geiruin  leika  gop  Fm  152,  gQrnum  binda  gop  Ls  494  502; 
heiptum  gjaldi  härm  Sd  ll2,  hrottaraeipi  hrafns  Rm  20 4,  hvassa  väpna 
hlynr  Sd  202,  hsett  es  peira  hvärt  H$v  87 4;  morgun  hverjan  mQr 
M219,  möpur  brautir  niser  Vm  47 4;  nipja  strip  of  nept  Rm  82,  njöti 
sä  es  nara*  Hgv  1374;  sandi  orpin  samg  Sl  494;  vittu  hvat  pat  vas 
Herv  31 2; 

(2.3)  verprat  fss  ä  <$  Fm  164;  verpumk  orpi  ä  Fm  72;  beittu  yxn 
fyr  arpr  Hgsv  1342;  en  ör  beinum  bJQrg  Vm  212,  pat  mäk  [mä  ek] 
böta  brätt  Hgv  1534;  en  til  dölskr  af  tlul  Hgv  57 4;  engi  feigp  of 
flyr  Hgsv  37 4:  örir  gestr  vip  gest  Hgv  324,  opt  bann  gjojd  of  getr 
Hgv  654,  msel  pu  gott  ok  g0r  Hgsv  154,  hveims  [hveim  er]  ser  göpan 
getr  Hgv  764,  sä  enn  grimmi  greppr  Sl  l2;  alt  af  lieilum  hug  Sl  42, 
dselt  es  lieima  hvat  Hgv  52,  säs  [sä  er]  vill  heitinn  horskr  Hgv  63 2, 
unz  hann  Helgi  hjo  HHv  17 4,  pser  of  hugpi  Hröptr  Sd  132,  minn  enn 
hvassa  hJQr  Fm  262,  pats  mik  hvatti  hugr  Ls  642,  räp  pü  hverjum 
heilt  Hgsv  ll4,  fär's  [fär  er]  at  hyggju  horskr  Hgsv  254,  nser  stendr 
hQipum  Hei  Hgsv  344,  en  af  liQndum  hapt  Hgv  1495;  sä  befr  kr^s  es 
krefr  Sl  294;  eypisk  land  ok  lop  Hhn  212,  auk  at  lopti  lip  FM  412, 
brigt  es  lypa  lif  Hgsv  47 4;  lätat  [lät  ei]  magnask  mJQk  Hgsv  J?92,  sä's 
[sä  er]  per  inakligr  mapr  HHv  25 4,  okkarn  mala  mog  Skm  l2,  hverra'st 
[ertu]  inanna  mQgr  Fm  l2,   lätit  mat  i  munn  Sl  722,   hverr  es  meipir 

*)  Sievers  schreibt  (mit  Sijmons)  njoti  säs  nam  und  bezeichnet  den  vers  als 
ein  ziveihebiges  F.  Der  dichter  war  aber  nicht  gezwungen,  überall  das  bragarmäl 
durchzuführen  und  sa  kann  hier  dem  sinne  nach  sehr  wol  eine  hebung  tragen. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.        BD.  XXXIV.  30 


458  GERING 

mann  Hgsv  514  pripju  menskir  menn  Grm  314,  auk  at  morni  mettr 
Rm  25 2,  gorva  mQrgum  mein  Hgsv  HO4,  sä  enn  ui(Jtki  munr  Hgv93A; 
auk  of  ragna  rok  Vm  55 4,  bipa  ragna  rokkrs  Ls  39 4,  peirns  [peim  er] 
mep  rögi  rinnr  Ä/sy  712;  ek  kann  segja  satt  Vm  43 2,  heyrpak  [heyrpa 
ek]  segja  sva  Hgv  110s,  emk  [em  ek]  enn  setti  sjalfr  Eir  82,  hvar  skal 
sitja  sjä  Hgv  22,  pina  sjalfa  sik  Sl  73*,  stripir  sjqlfum  ser  Hgsv  814, 
pat's  [pat  er]  ä  sJQlfum  s^nst  Hgv  412,  auk  mep  snotrum  sitr  Hgv  b*, 
auk  at  sumbli  sitr  i7#sv  15 2,  en  ör  sveita  sser  Vm  214  6rrra402;  äk 
[ä  ek]  und  steini  stap  J[fc32;  armr  es  vära  vargr  &^234,  sumr  af 
verkuni  vel  H$v  69 4,  päs  [pä  er]  enn  verri  vegr  fi^v  1246,  allt  es  vilt 
sem  vas  Hgv  23 4,  telr  ser  vsetkis  vant  Hgsv  105 2,  telja  VQmm  enn  v<^r 
Ls  52 4;  mQrg  es  J)jup  of  J)jäp  Üfora  214,  ketumk  pundr  fyr  J>at 
Grm  54 2; 

(1.  2.  3)  gjald  pu  gJQf  vip  gjgf  Hgsv  82;  halr  es  heima  hverr 
Hgv  36 2  37  2,  liefna  hl^ra  harms  Rm  10 4,  hvat  per  hvergis  hlyr 
Ket  29  K 

Anm.  1.  In  der  vollzeile  /S7  404:  frä  pvis  [pvi  er]  fyrri  vas,  trägt  auffallen- 
der weise  eine  präposition ,  Jtebung  und  stabreim  (vgl.  §  182). 

Anm.  2.  Nach  vornähme  geringfügiger  emendationen  sind  ferner  auch  die 
folgenden  verse  sicher  hierher  zu  stellen:  (1.  2)  gremjat  fgremattu]  gop  at  per  Ls 
124,  g0r  [g.  fm]  vip  göpa  vel  Hgsv  ll2;  sjalfr  kenn  [k.  pü]  sjalfan  pik  Hgsv  29 4, 
sjalfr  leib  [1.  fm]  sjalfan  pik  Qg  64;  (1.  3)  halt  [h.  pü]  vip  firpa  heit  Hgsv  104;  (2.  3) 
peim  es  annarr  ä  [abrir  eiga  Schev.,  metrisch  falsch]  Hgsv  129 2,  mun  [mun  pii]  pau 
eptir  oll  Hgsv  2 '-',  hlyrat  [h.  henni]  borkr  ne  barr  fl§»  50 2,  peims  [{)eim  er]  til  fiskjar 
für  [foru  hs.,  metrisch  falsch]  Ket  19 2,  siz  mep  folkum  fork  [siz  ek  m.  f.  for]  Grm 
48 4,  svät  [svä  at]  per  fylgpit  [fylgpi  ei]  fe  Hgsv  36 4,  fylgir  [f.  henni]  mart  til  nieins 
Hgsv  127 2,  pvit  [pvi  at]  ek  veit  at  vegr  [pü  vegr]  Ls  64 4,  pars  [pars  pü]  at  vigi  vepr 
Rm  242,  pot  [pot  hann]  set  vjeddr  til  vel  Hqv  612. 

§  127.  Auflösungen  i?i  ABl.  a)  auf  der  ersten  hebung. 
(1.  2)  JQtunn  1  arnar  ham  Vm  37 2,  fara  at  finna  opt  Hgv  44 4,  gapi  pu 
grindum  frä  8km  28 5,  inepan  [m.  ek]  of  menjum  Jak  Fm  162,  saka 
heldr  sjalfan  pik  Hgsv  38 4;  b)  auf  der  ersten  Senkung:  (1.  2)  afli 
ok  ollu  fe  Hgsv  118 4,  allir  at  einum  mer  Grm  54 G,  elska  af  ollura  hug 
Hgsv  16 4,  £  til  ens  eina  dags  Fm  10 2,  qsum  ok  qlfum  nser  Grm  42; 
brigp  eru  hragna  orp  Hgsv  28 4;  farpu  at  finna  opt  Hgv  1185,  fJQlp 
es  [pvi  es]  und  Fäfni  lä  Fm  34 4,  hlyddak  ä  Hova  ihqI  Hgv  HO4,  hniga 
ä  Heljar  sJQt  Fj  25 4,  Surtr  ok  en  svqsu  gop  Vm  17 4  18 2;  (2.  3)  vseltu 
of  annars  eign  Sl  63 2,  tsela  peir  yta  opt  Hgsv  80 2,  pigg  pu  at  qsum 
ql  Hkm  16 2,  teygpak  ä  fkerpir  fijop  Hgv  1014,  hvars  pu  ä  foldu  fipr 
Sd  33 2,  pot  [po]  honum  g'angi  greift  Sl  82,  launapu  göpu  gott  ä/s«;  142, 
bota  of  gQrvan  grün  Hgsv  142 4,  gaftat  [gaftattu]  af  heilum  hug  Rm72, 
lata  pinn  hryggvask   hug  Hgsv  66 2,    deila   mep   niQnnum  mat  Ls  46 2, 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  459 

eigi  hann  satt  of  ser  Hgsv  57 4,  eigi  bat  satt  of  ser  Hgsv  65 4,  farfu  i 
sess  1  sal  Fw  92,  hei  11  bu  ä  sinn  um  ser  Vm  42;  vestu  i  trygbum  trür 
ifysv  67-';  nü  bera  [b.  beir]  yänar  yqI  Hgv  752,  peiri  es  yeita  vilt 
Hgsv  40 2,  fäsktu  at  yirbi  Tel  Hgv  115 5;  (1.  2.  3)  lQng  eru  lyf)a  lse 
Sd  42,  yerk  mer  af  yerki  verks  Hgv  1414;  cj  auf  der  ziveiten 
Senkung:  (1.  3)  sessa  kostum  i  sal  Grm  14 2;  (2.  3)  J>at's  [bat  er]  bö 
betra  an  foön  Hgv  36 4,  varbir  höss  eba  hvärs  Ls332,  bot  hann  liiseli 
til  mart  Hgv  27 6,  bat  hefk  sannliga  set  5/  15 2;  d)  auf  der  ersten 
hebung  und  der  ersten  Senkung:  (2.  3)  sumar  hafa  menskir  inenn 
Sd  186;  e)  auf  der  ersten  hebung  und  der  ziveiten  Senkung: 
(2.  3)  nema  hann  mseli  til  mart  Hgv  27  4. 

Anm.  Emendationen  werden  in  folgenden  versen  vorxunehmen  sein:  a)  (2.3) 
nema  [nema  fjü]  f)er  sJQlfura  [sj.  {»er]  ser  Hqv  1255;  b)  (1.2)  har|)ar'u  hilmir  greipr 
[greipr  fehlt  in  den  hss.,  ergänzt  von  Bngge\  Herv  43 4,  hirpat  at  hrösa  pvi  [hirp  {ivi 
ei  at  hrösa  Schev.,  metrisch  falsch]  Hgsv  SO4;  (2.3)  rngela  [msel  ei]  vip  yta  illt 
Hgsv  12-,  per  manu  gop  ef  getr  [pü  getr]  Hqv  11 13  112 3  1143  1153  1163  118 3  1193 
1203  1213  1243  1253  1263  1283  1293  130:!  1313  1333  1343  1363,  kosta  fkosta  pü]  at 
vinna  vel  Hgsv  120 2,  allt  vorumk  [var  mer  pat]  leitt  es  leitk  [ek  leitk]  HHv  28 7; 
e)  (1.  3)  iijota  mundu  ef  nemr  [pü  nemrj  Hqr  111-  1122  114'2  115'  1162  1182  1192 
1202  1212  1242  1252  1262  127  2  1282  1292  1302  1313  1332  1342  1362.  Dazu  noch 
ein  vers  mit  anflösung  der  ersten  Senkung  und  der  %iveiten  hebung:  (1.2.3) 
veizta  [veizta  püj  pä  vesall  hve  [hve  pü]  Tegr  Ls  42 4.  —  Zwei  verse  mit  verschleifter 
erster  Senkung  sind  ohne  alliteration  überliefert :  englar  of  hofpi  peim  Sl  704  [Bugge 
schlug  vor.  %u  lesen:  (1.2)  englar  of  ollum  peim];  eigi  ä  trygpir  veg  Hgsv  10 2  (an- 
reimung  an  die  vorhergehende  langxeile??). 

§  128.  Zivei  nicht  v  er  schleif  bare  silben  kommen  auf  der 
ersten  Senkung  zuweilen  vor:  (1.  2)  liuggar  bat  hjarta  ei  Hgsv  A32; 
(1.  3)  siban  bik  mangi  ser  Ls  59 4;  (2.  3)  rek  bina  alla  sett  Hgsv  34, 
fellir  hann  eldr  ne  jarn  Fj  14 4,  stondumk  til  hjarta  hjorr  Fm  l4,  fylgja 
skal  kvebju  koss  Fj  48 2;  hvers  hann  af  rötum  rinn  Hgv  138 6  Fj  14 2; 
(1.2.  3)  hafbisk  [hafj>i  ser]  ä  hofbi  hjalm  Sd  14 2.  Hierher  gehören  wol 
auch:  (1.2)  mim  [nmn  bü]  hann  ok  niQrgum  seg  Hgsv  30 2;  (2.3)  lätit 
sinn  [läti  sinn  ei]  hryggvask  liug  Hgsv  75 2  96 4;  ebenso  der  vers  Hgv 
137 4,  der  sicher  zu  emendieren  ist  (1.2):  heillir  beirs  hKddu  ä  (vgl. 
unten  §  133,  fussnote) .  Dreisilbige  Senkung,  in  der  jedoch  die  ersten 
beiden  silben  verschleifbar  sind,  ist  einmal  bezeugt :  (1.  2)  gestr  epa  enn 
gamli  bulr  Vm  94. 

§  129.  Selten  sind  erweiterte  verse  mit  nebenhebung  auf  der 
zweiten  silbe.  des  ersten  fusses  (Ä*B1):  (1.  2)  einhverjum  allan  hug 
Hgv  120 7,  froblikt  et  iyrsta  orb  Sd  14 4;  (2.3)  fram  gengr  hann  drjögt 
i  clul  Hgv  79 4,  ey  ser  til  gildis  gjof  Hgv  145 2,  äbornu  skjör  ä  skei{) 
Fm  54.     Dazu  ein  paar  verse  mit  auflösungen:  (auf  der  ersten  hebung) 

30* 


460  GERING 

(2.  3)  papan  kemr  mej)  oldum  lir  HHv  28 6;  (auf  der  ersten  Senkung) 
(1.  2)  liQtimbrupuni  horgi  raVbr  Grm  16 4;  faz</  der  zweiten  hebung) 
(2.3)  pser  eiga  gQtur  til  gups  5/  74 2.  —  Nebenhebung  auf  der  dritten 
silbe  des  ersten  fusses  ist  nur  einmal  bezeugt:  (2.  3)  engi  raepr  ssettam 
sjalfr  Sl  84. 

Anm.  Ein  vers  mit  nebenhebung  im  zweiten  fusse  (und  verschleifung  der 
ersten  Senkung  scheint  Qautr  52  vorzuliegen:  (2.3)  ftetta  'ru  bannvten  bysn.  Oder 
ist  die  zeile  etwa  als  katalektisckes  AA2  aufzufassen"? 

§  130.  b)  AB2:  (1.  2)  alls  fyr  engar  sakir  Sl  744,  aptr  i  Öpins 
sali  Eir  2*,  arfs  ok  öpra  hu  gar  i2m  12 2,  aupit  ipugliga  Hgsv  174,  ort 
ä  annan  logit  Sl  672,  jör  es  andarvani  J9m>  54 4;  blendum  blpbi  saman 
Ls  92,  byggum  bsepi  saman  Sbrc  20 4;  dr}rkk  ens  dfra  rnjapar  H(>v 
105 2;  flein  i  folki  vapa  i?pv  150 2,  fleiri  forna  stafi  Alv  35 2,  fyrst 
enn  fröpi  JQtunn  Vm  20 4  30 4;  gJQld  ens  göpa  hugar  Hgv  1167,  glgp 
ör  gollnum  kerura  örm  74,  gott's  [gott  er]  til  gors  at  taka  Hkm  17 4, 
g0r  svät  [svä]  göpir  lofi  Hgsv  83 4;  hagl  i  liQva  vibi  HHv  28 5,  halda 
helga  daga  Sl  652,  heilsa's  fh.  er]  liolpum  framarr  Hgsv  107 '2,  hröpugr 
Herjafapir  (rrm  19 2;  kvep  pü  kunnugliga  Hgsv  52;  laun  rnep  leigum 
taka  Hgsv  146 4,  leika  lausum  hala  Ls  49 2,  leiks  ne  ljössa  daga  Sl  12-, 
lett  es  lauss  at  fara  Sl  37 4,  lif  i  lyba  SQlum  i2m  32,  ljöt  es  likams 
munugb  Hgsv  70 2;  meins  ä  marga  vegu  iJ^r.sy  124 4,  menn  et  meira 
forap  .?}  94  ll4,  minzt  at  mqrgu  login  Sl  814,  Mjollnir  mal  fyrnema 
Ls  57 2  59 2  612  63 2,  lnodd  mep  miklum  trega  57  58%  niQgr  .til  minna 
sala  i*}'454;  nenna  Njarpar  syni  Skm  39 4;  r$p  ok  retta  sipu  Hgsv 
104 4;  ser  ok  sinu  tibi  ii/^sz;  53 4,  siban  sumbl  of  gora  Ls  65 2,  ssell's 
[ssell  er]  säs  [sä  er]  sinu  unir  Hgsv  43 4  1324,  sqI  af  syndum  pvegit 
Ä/  73 2;  telja  tiva  fyrir  Hgv  159 2;  yäpn  til  yfgs  at  lea  i^'  30 4,  virbusk 
v^nuin  framarr  Sl  66 2;  J>arfta  [parft  pu  ei]  J>eim  at  trua  Hgsv  412, 
peim  es  jmrftum  dugir  Hgsv  49 4,  per  ok  |)inum  vinum  i7<^  1432, 
pöt  hon  Jmtla  saki  iT^su  23 2,  pyrstr  til  pinna  sala  Vm  82; 

(1.  3)  orpum  msela  jotun  Vm  44,  orpuni  skiptir  JQtun  Gg  14 2; 
blöpgar  raudar  bera  Hkv  212,  bröjbum  fagna  bana  Hgsv  138 2,  buplungs 
monnum  bana  Äffy  26  7;  dyggvir  menn  pöt  deyi  Hgsv  1384;  Fenrisulfr 
at  fara  Hkm  20 2,  fimbulvetr  niej»  firum  Vm  44 4,  flest  of  rQp  sein 
fapir  Alv  4:-,  fornar  toptir  fojmr  Grm  ll1,  fiökn  at  lief  na  fopur  Grm 
17',  fyrri  nqtt  mep  firum  HHv  26 2;  ganibanreipi  gopa  Skm  33 4, 
gambansumbl  of  geta  Ls  84,  gambantein  at  geta  Skm '62 2,  Crautr  ok 
Jalkr  mep  gopum  GVm  54 4,  gisl  of  sendr  at  gopum  Ls  34 2  35 2,  gott 
at  lgera  gumi  Hgsv  86  ',  göprar  meyjar  Gfymis  Skm  12 4,  grandalausar 
gjafir   Gautr  l4,    gronna    lieima    gopa   Hkm  13 2;     lialfr    es    aupr   und 


DIE   RHYTHMIK   DES   LJODHAHATTR  461 

hvQtum  Hgv  59 4,  beilags  andi  biinins  S7  752,  hraezlufullr  ok  bnipinn 
Sl  A3-;  lasta  ei  ne  lofa  Hgsv  68 2,  lasta  fätt  ne  lofa  Hgsv  125 2,  leipi- 
ligri  litit  Ket  17 4,  lypa  kind  at  lygi  flgrsw  714;  manni  heimskum 
magi  Hgv  20 4,  ineiri  ipn  an  megir  Hgsv  93 2,  Mör  ok  Lungr  mep  Mari 
jPil/10fi,  mser  af  pinum  munum  /Sfc/ra  364;  rygjar  blöpi  ropin  £7  594; 
ser  of  gorva  sali  Grm  52  12 3  162,  silfri  pokpu  sali  Grm  62,  Silfrintoppr 
ok  Sinti  Grm  30 2,  sitja  skal  säs  [sä  er]  segir  JJfl4  sipan  seva  sea 
Äftm  26 4,  sipan  Baldr  at  SQlum  Ls  28  4,  sjalfr  i  eyra  syni  Vm  54 4, 
Surtr  ok  sesir  saman  Fm  14 4,  svQsum  armi  sofa  Fj  414  42 2;  yammafull 
ä  yegi  &Z262,  vammalansa  yesa  Ls  53 4,  väpnalausar  vega  LTm>492, 
yerri  orp  an  yiti  5c?  24 4,  viljalauss  ä  yegum  Gg  72,  vindi  likust  yesa 
Hgsv  40 4,  Yisi  gestr  of  yarit  Alv  82,  vor  ok  grom  at  yeri  Ls  54 2; 
punnu  hljöpi  J)egir  Hgv  72; 

(2.  3)  pann  enn  aldna  JQtun  ify«  27 2,  par  vask  [var  ek]  upp  of 
alinn  Jie£302,  pat  es  #zta  unap  Sl  714;  äpr  ä  bäl  vas  borinn  ZZm; 
66 4,  auk  af  bauguni  bua  Fm  38-',  opt  enn  betri  bilar  Hgv  1245,  pöt  a 
brautu  bui  Hgv  34 2,  sinum  bröpurbana  £/  20 4,  hverstu  'st  [livärstu  ert] 
bröpurbani  Sd  353,  ätta  br#pr  kvap  Bragi  LTätw  16 4,  hverju  'st  [hverju 
ert]  bolvi  borin  Gg  2 2  ß^m  /ws.  schieben  vor  bolvi  em  überflüssiges 
nü  emj;  vekk  [vek  ek]  pik  daupra  dura  Gg  l2,  beipk  [beip  ek]  pin 
dogr  ok  daga  Fj  49 2;  kvepja  Fäfni  fear  Rm  124,  sä  vekr  fjön  mep 
firum  Sl  76 4,  ank  hefr  fjQlp  of  farit  Hgv  182,  en  af  fötnm  fjoturr  Gg 
10 5,  sins  of  freista  fraraa  Hgv  2±,  pins  of  freista  fraraa  Fw  ll2  13 2 
15 2  17 2,  peims  [peim  er]  skal  fremstr  mep  firum  &Z364,  milli  frosts 
ok  funa  Sl  18 4,  hveim  es  füss  at  fara  Skm  13 2;  pann  kannk  [kann 
ek]  galdr  at  gala  Hgv  1524,  skjalfa  garpar  Grymis  Skm  14 4,  vex  nü 
gengi  gopa  Hkm  10 2,  mjok  emk  [em  ek]  gifrom  gramastr  HHv  15 2; 
en  ör  hausi  biminn  Grm  40 4,  springa  haupr  ok  biminn  Sl  54 4,  sins 
ens  beila  hugar  Hgv  105 4,  illt's  [illt  er]  fyr  heill  at  hrapa  Rm  25 4, 
ser  at  heilluni  hafa  Sd  19 5,  peirs  [peir  er]  i  beimi  hafask  Hgsv  56 4, 
pvis  [pvi  er]  parf  horskr  at  bafa  Hgsv  24,  rok  pin  hüs  ok  hiu  Hgsv  64; 
hve  pik  kalla  konir  Lfflv  14 2,  auk  und  kvernum  klaka  Ls  44 4,  brüpr 
at  kvön  of  kvepin  i^)'424,  pöt  til  kynnis  komi  Hgv  30 2;  pitt  veitk 
[veit  ek]  lif  of  lipit  Grm  53 2,  finn  mer  lindar  loga  Rm  l4,  her's  [her 
er]  nü  ljöbum  lokit  Hgsv  139 4,  ä  vas  lüpr  of  lagipr  Fw  35 4,  &  spyrr 
lypr  at  lokuin  Hgsv  93 4,  Qn  vip  lost  at  lifa  Hgv  68 4;  ser  i  mal  hvert 
matar  Hgv  31  \  hann  hefr  margr  til  mikinn  >SZ502,  bot  hann  meira 
megi  Hgsv  63 2,  pöttu  [pöat  pü]  meira  megir  Hgsv  48 2,  bjarg  pü  möpir 
megi  Gg  52;  pöt  pik  nött  of  nemi  Sd  26 4;  unz  of  rjüfask  regin 
Grm  44  Ls  41 2,  päs  [pä  er]  of  rjüfask  regin  Vm  52 4;     einn's  [einn  er] 


462  GERING 

bann  ser  of  sefa  Hgv  94 2,  heim  1  sinni  snuask  Alv  l2,  en  til  sib  i  suma 
Hgv  66 2,  bot  hon  sJQlfgi  segi  Ls  29 4,  ne  til  snimma  syni  Hgv  87 2,  uü 
skinn  söl  i  sali  J7y  35 5,  runnit  sundr  f  sega  <S7  434,  heill  at  sverba 
svipun  Rm  19 4  20 2,  emkak  [ernka  ek]  ssettir  svika  Rfn  l2,  pöt  [bö] 
hann  söfi  sinala  figrsy  1144,  helclr  at  SQiinum  sipum  Hgsv  115 4,  bot 
vip  skylda  skyli  Sl  48  4;  kosta  yakr  at  yesa  Hgsv  17 2,  slikt  es  Tälabs 
yera  i7pv  10 4,  bser  es  yeittu  yinir  figrsv  49 2,  beim  es  yeizl  meb  yinum 
Hgsv  84 2,  mart  gengr  yerr  an  yarir  Hgv  39 4,  deila  yig  meb  verum 
Ls  22 2,  allt  bats  [pat  er]  yiljak  Tita  Alv  84,  auk  ek  Tiija  Tita  Skm  32, 
auk  vif)  Tillu  Tarask  Hgsv  IQ2  109 2,  millum  Tirkbar  Tina  $Z  134,  en 
at  Tirbi  Trekask  Hgv  32 2,  heim  meb  Visum  TQiuim  Vm  39 4,  pess  man 
Viparr  Treka  Vm  53 2,  kalla  Tffigin  Tanir  ^4/y  26 2,  heldr  skalt  Tseginn 
Tesa  Hgsv  145 2,  bä  es  TOgu  Terar  Ls464;  standa  per  fyr  Jmfurn 
Hgsv  26 4,  hve  of  preyjak  J>riar  Skm  43 2; 

(1.  2.  3)  clvergr  fyr  Dellings  durum  Hgv  160  2;  d<?gg  i  djüpa  dali 
HHv  28 4;  haldi  Hei  pvis  [pvi  er]  hefir  i^il/515,  hve  pik  hetu  hiu 
jp)'462;  meer  at  minum  munum  Skm  26-'  36 5,  mölu  mold  til  matar 
Sl  57 4;     slns  ens  svära  sefa  Hgv  105 5,  sitja  sättar  saman  Fj  37 4. 

Anm.  Nach  vornähme  geringfügiger  änderungen  sind  ferner  ivol  noch  folgende 
verse  hierher  %u  stellen:  (1.  3)  unnir  glymja  yfir  [yfir  gl.  i?A,  metrisch  falsch]  Qrm  72, 
grip  pot  verpak  gamall  [gr.  po  ek  gamall  verpi,  metrisch  falsch)  Qautr  54,  gö,tu 
peirar's  getit  [getit  er  peirar  {seil.  gQtu)  hss.]  Herv  31 '  u.  ö.,  I>ät  es  bazt  at  pegi 
[haun  p.]  5i?y  27 2,  pa  hefr  [h.  hann]  bazt  ef  pegir  [hann  p.]  Hqv  784;  (2.  3)  mimdit 
[mundi  eigi]  betr  of  bopit  Ket  32 4,  oll  est  [ertu]  deigja  dritin  Ls  56 4,  uppi  'st  [u.  ertu] 
dvergr  of  dagapr  Alv  35 4,  sprettr  [sp.  mer]  af  fötum  fjohirr  Hqv  149 4,  fys  [f.  pu] 
hann  gott  at  gora  Hgsv  242,  po  komsk  [komsktu]  heill  af  hau  Sei  9  6,  hve's  [hve  hon 
er]  i  las  of  lokin  Qrm  22 4,  hvi  ne  lezkat  [lezkattu]  Loki  Ls47'-',  mjQk  vask  [var  ek 
pä]  lystr  at  lifa  Sl  36-,  fjolp  of  reyndak  [ek  of  reynda]  regin  Vm32  442  46 2  48 2 
50 2  52 2  54%  kendi  sinuni  syni  [syni  sinum  Scher.,  metrisch  falsch]  Hgsv  l4,  drygjat 
[dryg  pü  ei]  sjalfr  en  somu  Hgsv  442,  harola  [harpliga]  sjonir  slitu  *SZ  67 4,  hvars  [hv. 
hann]  getr  sväst  at  sea  Fj  5\ —  Ohne  alliteration  überliefert  ist  die  xeile  Ls  14'-': 
iEgis  hQll  of  kominn.  Vielleicht  ist  %u  lesen:  (1.  2)  Hles  IiqII  of  kominn  (DB),  siehe 
Sn.  E.  I  206 14.  —  Zu  AB 2  gehörte  wol  auch  der  verstümmelt  überlieferte  vers 
Qrm  13 2:  valda  veum. 

§  131.  Auflösungen  in  AB 2.  In  den  AB-versen  mit  auf- 
lösung  der  3.  hebung  kommen  öfter  auch  noch  andere  v  er  Schleifungen 
vor:  a)  auf  der  ersten  hebung:  (1.  2)  ofund  of  annars  hagi  Sl  612, 
jofurr  i  Obins  sali  Eir  34;  (2.  3)  papan  komr  dQgg  of  dali  Vm  14 d, 
knegut  oss  f<$lur  iura  HHv  13 4,  nema  ser  göpan  geti  Sd  25 5,  seum  ver 
hans  of  hugi  Hkm  154,  koma  peir  heilir  hvapan  Hgv  1566,  nema  hann 
heilsu  hafi  Hgsv  107 4,  fara  til  hetjar  hepan  Fm  104  34 2  39 4,  varasktu 
lQst  meban  lifir  Hgsv  31 2,  lifattu  mart  at  inunugb  Hgsv  77 4,  nema  ok 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJÖDHAHATTR  463 

Tel  mart  Tita  Hgsv  54 2,  suniar  mep  visuni  Tonum  Sd  185;  b)  auf 
der  ersten  Senkung:  (1.  2)  unna  es  aflat  hefir  Hgsv  1294,  jfevi  ok 
aldri  saraan  Fj  50 4,  bäpa  i  bapm  of  tekit  Ls  26 4,  brynjurn  of  bekki 
strait  Grm  94,  sjükum  ok  sorura  gaman  i^)'363;  (1.3)  sagpir  1  eyra 
syni  Fm552;  (2.3)  pat  kvepa  daupum  duga  Sd  22*,  allan  i  dreyra 
drifinn  Grm  52 4,  vel  kvepa  dyggva  dugask  Hgsv  1134,  nefndu  pinn 
fäla  fopur  HHv  16 2,  pöt  honum  geirar  gen"  Bj?w  16 4,  pser  enar  g'löddu 
gQtur  <S7  314,  sytir  se  gloggr  vif)  ajofum  Hgv  48  4,  sipr  pik  of  heilli  halir 
Hgv  128  g,  kalla  1  helju  hnipinn  .i/r  32 K  kalla  i  helju  hropup  Alv  26  4, 
kalla  i  helju  kvipup  Alv  20 4,  langir  'u  [eru,  'ru]  manna  munir  Gg  42, 
q11  eru  mein  of  metin  .SY/204,  se  koma  mein  ept  munugp  Sl  68 4,  pö 
seumk  meirr  of  Munin  Grm  20 4,  vastu  i  iiQtt  mep  nai  Alv  2-';  doma 
of  seggja  sipu  iZ^s*;  314,  pat  kvepa  Solu  sama  67  26 4,  allar'u  [eru]  tipir 
truar  Hgsv  79  *,  vaxi  per  tor  mep  trega  Skm  29  \  hvars  [hvar  17 2] 
skulu  vreipir  Tega  i<w  17 2  28 2  Sd  27 2;  (1.  2.  3)  knigra  sä  halr  fyr 
lijorum  Hgv  158 4,  romm  eru  rög  of  risin  Sd  37 4,  pars  ver  ä  pjaza 
prifum  Ls  50 4,  pars  er  ä  pjaza  prifup  Ls  512;  c)  auf  der  zweiten 
hebung:  (1.3)  visa  fiandr  at  vinum  Hgsv  484;  (2.  3)  svät  [svä  at]  hon 
lyki  pik  lipum  Hgv  1 1 2 5,  räp's  [r.  er]  at  sea  vi])  svikum  Hgsv  85 4; 
c^  «?//"  der  zweiten  Senkung:  (1.  2)  illt  es  aupi  at  trua  Hgsv  33 4; 
(1.3)  Öskir  ser  epa  oask  B^s«;  80 4,  lof  ok  vit  mepan  lifir  Hgv  92,  nytt 
at  kenna  ok  nema  Hgsv  126 2,  pylsk  bann  umb  epa  prumir  Hgv  17-'; 
(2.3)  rnlnu  fJQrvi  at  fara  Fm  52,  bverr  pik  glappi  at  gepi  Ls  20 2,  ser 
til  heilsu  at  hafa  Hgsv  1354,  verpa  naupgir  at  liQiim  <S7  334,  auk  mik 
sjalfan  at  sama  Fm  42,  mseli  parft  epa  pegi  Hgv  19 2  Vni  10  -';  ej  o^/" 
der  ersten  und  zweiten  Senkung:  (2.  3)  gott  kvepa  dyggvum  at 
duga  Hgsv  109 4,  par  vas  ok  Oyllis  of  getit  FM  10 14. 

Anm.  Ferner  sind  wahrscheinlich  noch  folgende  verse  hierher  ;i<  stellen, 
i)i  denen  unbedeutende  emendationen  sich  als  nötig  erweisen:  b)  (1.  2)  parfta  [barft 
pü  ei]  til  pess  at  hlera  Hgsv  32 2;  (1.  3)  kallapir  braut  [br.  fehlt  in  den  hss.]  frä 
kvQlum  S1244;  (2.3)  pot  sei  [s.  bann]  g-olli  g-laddr  <SV/356,  skalat  [skalt  pü  ei]  at 
hlätri  hafa  Hgsv  13 2,  toygjat  [teygjattu  per]  at  kossi  konur  Sd  28 4,  bverjan  [bv.  peerj 
6r  naupum  nema  Fj  404,  oll  eru  [eru  pau]  nyt  at  liema  Sl  324;  (1.  2.  3)  vilkak 
[vilkat  ek]  at  [at  it]  vreipir  yegisk  Ls  184;  d)  (1.  3)  skjQldum's  [sk.  er]  tjaldat  a 
skipum  [ybrum  add.  R)  HHv  12 2;     e)  (2.3)  aldri  baup  [b.  bann]  manni  til  matar  ,S2  22. 

§  132.  Zweisilbige  nicht  ver  schleif  bare  Senkung  ist  nur 
im  ersten  fusse  häufiger  nachzuweiseil:  (1.  2)  fold  skal  vip  flöpi  taka 
Hgv  136;',  heÜQg  fyr  helgum  dyrum  Grm  22 2;  (1.3)  gep  bennar  alt 
ok  gaman  Hgv  98 4,  letak  [litt  ek  R]  per  pat  fyr  lygi  Ls  14 4;  (2.  3)  pö 
pser  mep  JQtnum  alask  Vm  49 4,  her  mundak  [munda  ek]  opli  una  -?)'54, 
emkak   [emka    ek]   mep   bleypi   borinn   Sd  212,    äpr    henni  Fenrir   fari 


(4  GEBING 

Vm  47 2,  raargan  hef k  [hefi  ek]  fors  of  farit  Rm  2 2,  pö  vildak  gisting 
geta  Ket  30 4,  deilit  vip  heimska  hali  Sd  24 2,  upp  vas  pä  hildr  of  hafit 
Hkm  24,  her  ste  hon  land  af  legi  HHv  26 4,  hvat  skal  hann  lengi  lifa 
H$v  50 4,  fankak  [fanka  ek]  svä  marga  niQgu  Fm  16 4,  pitt  varp  nü 
meira  megin  -Pw  22 4,  forpask  sem  niest  hann  megi  Ä/sv  65 2,  sä's 
[sä  er]  hann  mep  nionnum  mjotupr  Fj  164,  se  menn  hann  sjalfan  of 
sea  Vm  36 4,  hvat  skal  hans  trygpum  trua  Hgv  109 2,  mjok  kvepk  hann 
vigum  vanan  üTe/  33 4,  sjaldan  verpr  viti  TQrum  i^v  64,  svä  skal  vip 
VQmmura  vanask  Hgsv  1 1 1 2,  bitat  peim  vöpn  ne  velir  Hgv  148 4.  Dazu 
noch  ein  vers  mit  auflösung  der  ersten  hebung:  (2.  3)  nema  vip  pat 
11k  at  lifa  Hgv  96 4. 

Anm.  1.  Ein  vers  mit  sehr  sehiver  sprechbarer  zweisilbiger  Senkung  ist 
Air  54  überliefert :  (2.  3)  hverr  hefr  bik  baugum  borit.  Auch  dieser  timstand  spricht 
dafür,  dass  die  Überlieferung  nicht  in  Ordnung  ist;  ich  vermute,  dass  zu  lesen 
ist:  hver  hefr  bäga  bik  borit  (Ztschr.  29,  49  fg.). 

Anm.  2.  Hierher  gehören  auch  ivol  folgende  verse,  in  denen  geringfügige 
änderungen  oder  Streichungen  vorgenommen  sind:  (1.  2)  baiitattu  [barft  bü  ei]  beim 
at  trua  Hgsv  85 2;  (2.3)  bötattu  [bot  ])ü  eigi]  illu  yfir  S1262,  röbatta  [röb  bü  ei] 
fyrstr  meb  firum  Hgsv  27  -  602,  unnattu  [unn  bü  ei]  Igst  ne  lygi  Hgsv  124,  nalgask 
bii  mik  ef  megir  [bü  megir]  Grm  53 4,  kannat  [kannat  ser]  vib  viti  varask  Rm  l2.  — 
Dazu  noch  ein  vers  mit  drei  silben  in  der  1.  Senkung,  von  denen  jedoch  die  2.  und 
3.  verschleifbar  sind:  (2.3)  velit  bik  i  trygb,  ef  truir  [bü  truir]  Sd72. 

Anm.  3.  In  der  ztceiten  Senkung  sind  zwei  nicht  verschleifbare  silben 
nur  selten  überliefert  {Hqv  27 2  78 4  Grm  53 4  Ls472  Sdl2);  s.  oben  §130  anm., 
132  anm.  2.  In  allen  diesen  versen  ist  sicher  Streichung  einer  entbehrlichen  silbe 
vorzunehmen. 

§  133.  Verse  mit  nebenhebung  im  ersten  fusse  (A2B2)  kommen 
ein  paarmal  vor:  (1.  2)  alskir  äsa  synir  Alv  16 4,  allpQrf  yta  sunuin* 
Hg'v  137 2,  qpQi'f  JQtna  sunum*  Hgv  137 2,  jafnliQtt  upp  sem  himinn 
FM  610;  Bglporns  Bestlu  fQpur  Hgv  140 2,  niipgarp  nianna  sunum 
Grm  412,  ValliQÜ  vip  of  prumir  Grm  82;  (1.  3)  vigdrött  q11  of  vakin 
Hg-v  99 2. 

§  134.  Selten  ist  der  er iv eiterte  typus  A*B2,  in  dem  die 
nebenhebung  fast  immer  auf  der  zweiten  silbe  ruht:  (l.  2)  jö  lsetr  til 
jarpar  taka  Skm  15 2,  ver  sjalfir  viljum  hafa  Hkm  11-,  Jiarf  se  vip  peini 
at  sea  Hgsv  128 4;     (2.3)  beim  rfpa  a*sir  JQum  Grm  30 4,  ey  tysir  niQn 

*)  Ich  tvürde  diese  Strophe  (von  Sijmons  abweichend)  folgender massen  an- 
ordnen: Nü  'ru  Hqvamöl  kvebin  h.q\\\x  i 

allb«jrf  yta  sunum, 
oborf  jotna  sunum; 
heill  säs  kvab,  beul  säs  kann, 

njoti  säs  nam 
heilir  beirs  hlyddu[ä]. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  465 

af  niari  Ym  12 4.  —  Dazu  ein  vers  mit  auflösung  der  ersten  kebung 
und  ersten  Senkung:  (1.2.3)  hinig  deyja  ör  heljii  halir  Ym  43 5  (doch 
ist  ivol  mit  Finnur  Jönsson  ör  helju  als  interpolation  auszuscheiden, 
luodurch  der  vers  zu  einem  DB  würde),  ein  vers  mit  auflösung  der 
ersten  Senkung:  (1.3)  Grollfaxi  ok  Jör  mep  gopum  FM  10 10,  und  ein 
vers  mit  auflösung  der  ziveiten  Senkung:  (2.  3)  margr  ver|)r  af  aul)i 
of  api  Hgv  74 2. 

Anm.  Auf  der  dritten  silbe  findet  sich  die  nebenhebung  mir  in  einem  verse, 
in  dem  ein  entbehrliches  wort  entfernt  worden  ist:  (2.3)  siga  lsetr  [1.  pu]  brynn  fyr 
braar  HHv  19 2. 

§  135.  2)  BB.  Wir  unterscheiden  bei  diesem  ebenfalls  recht 
häufigen  typus  ivider  zwei  Unterabteilungen:  den  vers  der  die  letzte 
hebung  auf  langer  silbe  hat  (BB1:  x  2. 1  x  jl  .  x  j)  und  den  vers  mit  ver- 
schleif ung  der  3.  hebung  (BB2:  xzlxz.x>ix).  Der  2.  untertypus 
ist  der  iveitaus  beliebtere. 

a)  BB1:  (1.2)  ä  akri  Irasigulls  Oautr  42,  oss  alla  eympum  frä 
S/754,  af  JQfnum  ästarhug  Hgsv  102 2;  es  fäjii  fimbulpulr*  Hgv  142 4, 
ok  fäpi  fimbulpulr  Hgv  78 3  (§161,  fussnote) ,  sva  lisettak  [hsetta  ek] 
hofpi  til  Hgv  1044,  at  niapr  es  moldar  sunr  aS/474,  ok  rinnr  es  rinna 
mä  Herv  55 4;  (1.3)  at  gQfga  hsestan  gup  Hgsv  IQ2,  ok  meini  blandin 
mJQk  Ls  32 2  56 2,  enn  iuöpurlausi  uiQgr  Fm  2 2,  ok  seldir  pitt  svä  sverp 
Ls422,  ok  svsefik  allan  sse  Hgv  154 4,  en  J>verri  se  fyr  per  Og  84; 
(2.3)  hverrs  hefr  vip  annan  ost  Fj  48 4,  at  tyni  annars  ost  Hgsv  102 4, 
pvit  [pvl]  hann  es  endir  ills  Hgsv  1012,  en  halfan  Opinn  ä  Grm  144; 
ef  getrat  fgetr  ei]  beinan  byr  Hgsv  130 2,  pä  hefr  hon  bQlva  bötr  HHv 
24 4;  ept  penna  dreyra  drykk  Fm  314,  an  sigla  foldu  frä  Hgsv  130 4; 
en  iasta  heimskan  hal  Hgsv  126 4,  ok  minn  enn  hvassi  hJQrr  Fm  62, 
ok  plns  ens  hvassa  hJQrs  Fm  27 4,  es  eiga  hverfan  hug  Sl  312;  ef  fipr 
at  iiiäü  mann  Hgsv  54,  ok  kendak  rekkum  räp  Hgsv  139 2;  es  pü  ä 
sinnum  ser  Og  74,  ok  boti  syndir  svä  Hgsv  135 2;  ok  nefna  tysvar  Ty 
Sd  64;  at  fär  es  vamma  yanr  Hgsv  20 4,  ok  horfir  yepri  vipr  Ket  29 2, 
ef  hann  es  Yitis  rerpr  Hgsv  96 2,  ef  gorvask  parfar  J)ess  Skm  37 4  i^)'394 
Hgsv  22 2  58 4;  (1.  2.  3)  ok  gjalda  gJQf  vip  gjQf  Hgv  42 2,  ok  gjalt  svä 
gllku  glikt  Hgsv  414,  ok  gjalda  gliku  glikt  Hgsv  88 4,  mep  slaevu  sverpi 
sigr  Fm  28 4,  ef  pü  vilt  piggja  par  Ket  314. 

*)  Ich  würde  diese  strophe  (von  Sijmons  abweichend)  folgendermassen  an- 
ordnen: Runar  munt  finna  ok  räjjna  stafi, 

es  fäf)i  fimbulpulr 
ok  g0r|)u  ginnregin, 
mjok  stora  stafi,  mjok  stinna  stafi 

es  reist  ragna  hroptr. 


466  GERING 

Anm.  Ferner  gehören  noch  folgende  verse  hierher,  in  denen  geringfügige 
emendationen  notwendig  waren:  (1.  3)  ä  hverju  kveldi  heim  [heim  ä  hv.  kv.  hss., 
metrisch  falsch]  Sl  38  4,  ok  k0msk  bä  vsetr  ef  [ef  bä]  kvam  Fj  22 4;  (2.  3)  bot  se 
fbo  haDn  se]  til  dauba  dombr  Hgsv  754,  sem  sfejak  [ek  s£ja]  gofgau  gub  Sl  4P,  ok 
blentk  [bleud  ek]  beim  [b.  svä]  meini  mjob  Ls  34,  ves  [v.  bu]  berat  n0kkvi  [nokkru] 
nytr  Hgsv  4t7 2,  en  bu  et  sanua  satt  [satt  et  sanna,  metrisch  falsch]  Sl  83 2,  ef  [ef 
bü]  veizt  bik  sekjan  sjalfr  Hgsv  444,  ok  töku  sqI  [s.  hans]  til  sin  5/  7 '-,  bot  fallit  [ei 
falli]  straumar  stritt  Hgsv  128 2;     (1.  2.  3)  es  hefk  [ek  hef]  i  hendi  her  Skm  232  25 2. 

§  136.  Auflösungen  in  BB1:  a)  auf  der  eingangs  Senkung: 
(2.  3)  voru  peim  at  beginn  bjQrg  Herv  63 2,  mepan  pu  1  lyngvi  lätt 
Fm  2Q\  epa  hverra'st  [hverra  ert]  manna  rnggr  Fj  Q2,  nema  reisi  nipr 
at  nif)  i7pv  724;  6j  auf  der  ersten  hebung:  (1.  2)  en  pverüp  af 
prsetum  vex  Hgsv  50 4;  (1.2.3)  ok  gerisk  svä  göpum  glikr  i£/sy924; 
c)  auf  der  ersten  binnen  Senkung:  (1.  2)  ok  leika  i  logni  fätt  Herv 
53 4;  (2.3)  bot  [pö]  gangi  at  öskum  allt  ifys^  74 2,  ok  eigu  ept  fir{)i 
fQr  iJen;  53 2,  ok  rista  ä  Iijalti  hjors  Sd  62,  ok  leysir  ör  hQptam  kvern 
Ls  37 4,  ok  drekka  enn  maera  mJQp  &&ra  162,  ok  merkja  ä  nagli  Naup 
&d  74,  ok  peygi  of  sanna  SQk  i^z>  117 4,  at  bann  esa  vamma  Aranr 
Hgv  22 4,  ok  halda  of  Yisa  YQrp  ITHy  23 2;  d)  auf  der  zweiten 
binnensenkung:  (2.  3)  ok  leggja  eldi  i  <jr  Sd  94,  ok  verpa  laugi  i 
lf)g  #d  76,  pöt  kqniii  J>y"  epa  praM  i7</si>  90 2;  ej  az*/"  der  eingangs- 
senkung  und  der  ersten  hebung:  (1.  3)  enn  niundu  hverju  liQtt 
57cm  2 14;  f)  auf  der  ersten  und  zweiten  binnensenkung:  (2.3) 
ok  ganga  sins  verka  ä  vit  Höv  59 2. 

Anm.  Dazu  sind  tvol  noch  die  folgenden  verse  zu  stellen,  in  denen  über- 
schüssige silben  entfernt  wurden:  a)  (1.  3)  ok  [ok  es]  af  gijöti  einu  gorr  Herv  59 2; 
c)  (2.3)  opt  kaupir  [k.  ser]  i  litlu  Iof  Hqv  52 2;  (1.2.3)  ä  per  muuu  [m.  bau]  herra 
I>at  Ls  44;     d)  (2.3)  ef  gengk  [ek  geng]  at  maela  vib  mog  SA»«  22. 

§  137.  Zwei  nicht  ver  schleif  bare  silben  sind  nur  in  der 
eingangs  Senkung  häufiger  anzutreffen:  (1.  2)  svät  [svä  at]  per  brotnar 
beina  hvat  Ls  Ol1,  kalla  dvergar  djüpan  mar  Alv  24',  pöttu  hotir  hamri 
mer  Ls  62 2,  svät  [svä  at]  mer  mangi  mat  ne  baup  Qrm  22;  (1.3)  säs 
ä  golli  einu  gengr  iJerv  34 4;  (2.3)  es  hann  fellir  eldr  ne  jarn  i*}'154, 
ef  peir  liQggvask  orpum  il  Rm  34,  leipisk  mangi  gott  ef  getr  Hpv  1297, 
mjok  vask  [var  ek]  pä  ör  heimi  hallr  Sl  40 2  44 2,  ef  pü  mer  i  krummur 
kemr  ÄBt?  22 4,  ef  pii  vilt  per  nnela  man  Hqv  97 2,  at  hon  ätti  mQg 
vip  mer  Ls  40 2,  ef  pat  bipr  at  verpa  vel  i2j$v  414;  —  Hierher  gehört 
wol  auch  der  vers  Hl  24,  e?m  *c/z  herstellen  möchte:  (1.2)  es  fyr  lqngu 
lipnar  'ö  (fyr  lQngu  lijmar  cod.). 

Anm.  1.  Finntal  findet  sich  in  einem  verse  mit  zweisilbiger  eingangssenkung 
auch  auflösung  der  ersten  binnensenkung:  (2.  3)  til  bess  golls  es  i  lyngvi  liggr 
Fm  2V.     Fin  entbehrliches  toort-  wird  in  dem   verse  S12V-  zu  entfernen  sein,  in 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  467 

dem  neben  zweisilbiger  eingangssenkung  auch  auflösung  der  xweiten  binnensenkung 
sieh  findet:  (2.  3)  en  beir  hetu  [h.  honuni]  golli  i  gogn.  —  Dreisilbige  eingangs- 
senkung nebst  auflösung  beider  binnensenkungen  ist  in  dem  folgenden  verse  über- 
liefert: (1.2)  en  bess  at  fegri  at  faera  of  ser  [lies:  en  bvi  fegri?]  Herv  63 4. 

An/m.  2.  Zweisilbige  erste  binnensenkung  ist  selten  und  zweifelhaft: 
(2.  3)  en  \>ö  kvqmu  flserbir  frain  Sl  214  [lies:  en  kvqmu  bo?].  en  fötum  til  solar  snyr 
Herv  384,  6r  bvi  vas  hann  Gleipnir  gorr  FM  89  [das  bann  ist  wol  xu  streichen], 
ok  svalztu  ba  hungri  heill  Ls  62 5  [bä  istf  entbehrlich],  ok  bafbak  bess  Tfetki  vifs 
fli?t>  1016  [bess  könnte  fehlen];  (1.  2.  3)  ok  horfir  til  heljar  halfr  IZe/'y  36 2.  —  Drei 
silben  fron  denen  jedoch  die  2.  und  3.  rersehleifbar  sind)  finden  sich  Sd  18 2: 
(1.  2)  ok  hverfbär  vib  enn  helga  mjoj). 

.4«/«.  5.  Zweisilbige  xweite  binnensenkung  (mit  gleichzeitiger  auf- 
lösung der  ersten  binnensenkung)  ist  nur  einmal  bezeugt:  (2.  3)  ef  byrftak  at  niqlungi 
mat  Hqv  67 2  [lies:  mälege?]. 

§  138.  Nebenhebung  im  xweiten  fitsse  kommt  zweimal  vor: 
(1.  2)  ok  versnar  yinskapr  allr  [allr  vinskapr  R;  vgl.  Sievers,  Altgerm. 
metrik  §57,  4a]  Hqv  514;  (2.  3)  af  J>vi  vas  [vas  bann]  Gautrekr  gQrr 
Gautr  2  * 

§  139.  b)  BB2:  (1.2)  at  engi's  [engi  er]  einna  hvatastr  Hqv  64  4 
i  Fm  17 4,  nieb  ungum  ÖJnns  syni  Skm  2\'2  22 2;  ok  brigb  i  brjöst  of 
lagib  Ü0t>  83 4;  ok  firrask  flaerbarstafi  Sd  32*;  opt's  [opt  er]  gott  bats 
[bat  er]  gamlir  kveba  Hqv  133 5;  ok  kofbnsk  hlifar  fyrir  Hkm  ll4;  en 
Xott  vas  NQrvi  borin  F?»  25-,  ok  sagbi  sanna  stafi  Sd  14 5,  bäs  [bä  er] 
sloknar  Surta  logi  Vm  504  512;  (1.3)  ef  engi  botti  yfir  Hgsv  82*;  ok 
brinni  f)6r  ä  baki  Ls  65 5;  enn  fräni  onnr  mep  firum  Skm  27 4,  1  fulla 
döma  fara  Sd  ll6;  ok  ganga  bä  af  grasi  Hqv  212;  es  ltbuni  reynisk 
lygi  Hgsv  27 4;  ok  silfri  ])akbr*  et  sama  Grm  15 2,  beini's  [beim  er] 
sorgalausastr  sefi  Hqv  56 4,  ok  svsefir  allar  sakar  örw  15 4,  ok  sökja 
mina  sali  Ket  312;  gott's  [gott  er]  yammalausum  yesa  Sl  30 4,  ok  yarbar 
alla  yega  Skm  ll2,  ok  yegr  ä  alla  yega  Herv  32 4;  (2.3)  ok  kölnat 
allt  fyr  utan  Sl  44 4;  ok  fengn  bäbir  bana  Sl  144,  bat's  [bat  er,  bat 
verbr]  ykkarr  beggja  bani  Tim  64;  ok  bibja  disir  duga  Sd  84,  stob  ^r 
i  dreyra  drifinn  Hkm  15 2;  es  seinar  finna  fobur  Sl  27 x;  at  eigi  gebs 
sins  gai  üfr/w  72 4,  ok  hQfbu  goll  fyr  gaman  Sl  18 2,  an  kenna  gott  at 
gora  i?^5?;  143 4,  ok  beita  göj)r  meb  gumum  Hgsv  1162;  en  töku  hörn 
til  hiniins  Sl  55 4,  bat  tselir  horska  hugi  i7py  904;  ok  leysa  kind  frä 
konum  Sd  &2,  ne  qii  til  kynnis  korai  Hqv  33 2,  bvers  beir'u  kyns  es 
koma  Hqv  132 2;  ok  stekkr  bä  läss  af  limum  Og  10 4,  bat  fylgir  ljöba 
lokum  Hqv  163 4,    ef  niabr  es  l^tum  loginn  Hgsv  95 2,    ne  bat  es  l<^ir 

*)  Sijmons  schreibt  gegen  die  Handschriften  bakebr,    icas   kaum   xu  billigen 
ist,  da  verschleifung  der  xweiten  hebung  in  diesem  tgpus  nicht  beliebt  war. 


468  GEBING 

lofa  Hgsv  78 2,  peirs  [peir  er]  vilja  lseknar  lifa  Hgv  147 2;  es  [sem]  girnisk 
mart  at  liiuna  Hgsv  1224,  ok  kjösa  niopr  frä  niQgum  Fm  12 4;  es  gengr 
af  rettu  riß  Hgsv  45 2,  en  ek  per  satt  eitt  segik  Fm  9 2,  ok  kenn  bat 
sipan  sunum  Hgsv  7  \  psers  [pser  er]  deyfa  sverp  ok  sefa  Sd  27 4,  ok 
bibja  sselan  sofa  Sd  34 4,  ok  kunna  s<jr  at  sea  Sd  10 2;  at  leynask  spakr 
at  speki  Hgsv  69 4;  ok  skripr  sem  yargr  af  yi])i  Ket  52,  at  eiga  yipa 
vini  Hgsv  55 4,  es  hefk  J>ik  TQpnum  regit  Fm  44;  (1.2.3)  svä  öx  unz 
ör  var{)  JQtunn  Vm  31 2,  oflengi  leipa  limar  Rm  44,  et  Ijöta  lif  of  lagit 
Ls  48 4,  es  ser  getr  slikan  sefa  .ff^m  19 2,  peir  yQru  villir  yega  S/622. 

Anm.  Hierher  gehören  ferner  wol  noch  folgende  verse,  in  denen  gering- 
fügige emendationen  vorgenommen  wurden:  (1.  3)  ok  festi  [f.  svä]  ybvarn  flota 
HHv  26 5;  (2.3)  ok  reisat  [r.  hqnura]  burst  ä  bald  Herv  414,  ok  hefr  [h.  hann]  f>aer 
fyrr  of  farit  Herv  34 2,  ok  stigak  land  [stiga  ek  ä  ].]  af  legi  HHv  213,  at  fylgit  [ei 
fylgi]  mein  til  mikit  Hgsv  26 2,  ok  drapt  [draptu]  ä  vett  sem  vglur  Ls  24 2,  at  vserit 
[ei  Vieri]  biggja  begit  Hqv  40 2.  Endlich  ist  auch  tvol  der  vers  Vm  433  hierher  xu 
stellen,  den  Sijmons  als  langxeile  auffasst,  während  ich  ihn  für  eine  (interpolierte) 
vollxeile  ansehe:  (1.  2)  bvit  hvern  hefk  [hefi  ek]  heim  of  komit. 

§  140.  Nebenhebungen  sind  in  BB2  selten.  Nebenhebung 
statt  der  ersten  binnensenkung  kommt  einmal  vor:  (1.  3)  svä's  [sva  er] 
tirott  hundrab  talit  Hat  100 2;  statt  der  zweiten  binnensenkung  findet 
sie  sich  zweimal:  (2.3)  ok  hugjmsk  gott  eitt  gora  <S7  162;  (1.2.3)  ok 
orlQg  ösvinns  apa  Fm  ll2. 

§  141.  Auflösungen  in  BB2.  In  den  BB-versen  mit  auf- 
lösung  der  dritten  hebung  kommen  öfter  auch  noch  andere  verschlei- 
fungen  vor:  a)  auf  der  eingangssenkung :  (2.  3)  honum  aldri  dagr 
of  dugir  Hgsv  136 4,  menan  sina  heilsu  liafa  Hgsv  120 4,  an  at  hann  vip 
syndura  sjai  Hgsv  70 4  140 4,  sa3i  mapr  bik  yreinan  Tega  Fm  72,  at  ek 
pötturak  ysetki  yita  Sl  422;  b)  auf  der  ersten  hebung:  (2.  3)  en 
papan  af  aldar  alask  Vm  45 4,  ok  vasat  hann  qsum  alinn  Vm  38 5,  ok 
vitut  bat  fir])ar  fyrir  Hgsv  64 4,  ok  sea  sem  gorst  vip  grununi  Hgsv  1362, 
ok  svima  i  m6{)u  inarir  Fm  15 4;  (1.  2.  3)  ok  snuisk  til  sätta  sefi 
Og  94;  c)  auf  der  ersten  binnensenkung:  (1.2)  ok  hvarflar  umb 
hsettan  loga  Fj  l2;  (2.  3)  ok  lat  per  i  brjösti  bua  Gg  16 2  Hgsv  122 2, 
en  nti  vas  daupr  fyr  durum  Hqv  70 4,  ])äs  pessi  hefr  Fenrir  farit  Vm 
46 4,  ok  letu  hans  fJQrvi  farit  Sl  22 4,  en  lät  per  at  göpu  getit  Hgv  121% 
at  I)in  se  at  göpu  getit  Hgsv  116 4,  en  falla  til  Heljar  hepan  Grm  28 7, 
an  petta  et  h^va  liQfup*  Ket  34 4,  ok  haldi  per  lik  at  lipum  Gg  12 4 
ok  beygi  at  minum  munum  Skm  44,  ok  hvergi  fyr  räb  fram  rasa 
Hgsv  44,  ok  vilja  pik  säran  sea  Rm  24 4,  ok  yrkir  ä  söl  til  saka  Herv 
35 4,    ok    leipa  mep   tQrum  trega  \Skm  30 4,    ok  runnu    sem   yargar  til 

*)  Die  Verstellung  dieser  strophe  in  den  FAS  ist  natürlich  ganx  unmöglich. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  469 

vipar  Sl  94,  ok  drif  pu  nü  vargr  at  regi  Fj  44,  at  skyldak  [ek  skylda] 
i  vatni  vapa  7?w  24,  ok  sendar  ä  yipa  vega  £d  18 3;  f?j  az«/"  der 
zweiten  binnensenkung :  (1.  3)  ok  lempa  alla  i  lipu  Ls  43 4,  ok 
laiknishendr  mepan  lifuin  Sd  34,  ok  siklings  mQnnum  et  sama  HHv2^i\ 
(2.3)  ok  hqfpu  byrpar  af  blyi  Sl  63 4,  es  slna  inailgi  ne  manat  Ls  47 4; 
<?j  auf  der  eingangs  Senkung  und  der  ersten  hebung:  (2.  3)  ej)a 
hafir  pü  feldan  fQpur  <SVZ  35 4;  /^  aw/"  der  eingangssenkung  und 
der  ersten  binnensenkung :  (1.  2)  epa  föru  p£er  fleiri  saraan  HHv 
27 4;  (2.3)  nema  okkr  vseri  bQpuin  borit  Ls  94,  ef  ek  vas  per  at  kvQn 
of  kvepin  jF)'  46 4;  g)  auf  der  eingangssenkung  und  der  zweiten 
binnensenkung :  (2.  3)  nema  pü  enn  snotrari  seir  Vm  74;  h)  auf 
beiden  binnensenkung en:  (1.  2)  at  yamta  ens  yildara  hlutar  üZi/sy 
124 2;  (2.  3)  per  verpa  peir  baugar  at  bana  Fm  94  20 4,  ok  eigu  1  yindi 
at  vaka  Herv  514. 

Afim.  Ferner  sind  wahrscheinlich  noch  folgende  verse  hierher  zu  stellen,  in 
denen  geringfügige  emendationen  sich  nötig  machten:  c)  (2.  3)  ok  dulpak  enn  [pann 
enn]  aldna  jotun  Grrn  50 2,  af  hverju  vast  [vastu]  undri  alinn  Fm  3-,  ok  mattira 
[m.  pü  pä]  nesti  naa  Ls  62 4;  d)  (2.  3)  ok  hlaupa  inn  mepan  [m.  peir]  eta  Fj  23 4 
244.  Endlich  auch  ein  vers  mit  auflösung  der  zweiten  hebung:  (2.  3)  ok  bjarga 
fari  [f.  minu]  ä  floti  Hqv  1542. 

§  142.  Zwei  nicht  v  er  schleif  bare  silben  kommen  öfter  auf 
der  eingangssenkung ,  zuweilen  auch  auf  der  ersten  binnen- 
senkung vor:  a)  auf  der  eingangssenkung:  (1.  3)  lgetr  opt  gopum 
lgekni  gora  Hgsv  74 4,  vildu  hefja  raik  til  himins  FM  627,  ferr  pü 
sorgafullr  at  sofa  Hgv  113 4;  (2.  3)  estat  pü  til  brüpar  borinn  Alv2\ 
pot  [pö]  peim  verpi  flaerp  at  frama  Hgsv  612,  ef  pü  ser  pä  fyrri  fara 
Rm  22 4,  es  pü  perrir  Gram  ä  grasi  Fm  25 2,  es  hann  hafpit  gtgjar 
gaman  Vm  32 4,  ef  hann  vill  ser  kjösa  konu  Hgsv  912,  hon  vas  peim 
til  lyta  lagip  Sl  ll4,  sitja  meirr  of  sättir  saman  Vm  ll4,  pö  vas  honum 
skalli  skapapr  Hgsv  1412,  pvit  [pvi]  hann  hugpisk  väligr  yesa  Sl  44, 
sipans  [sipan,  mepan]  peim  vas  varzla  vitup  Fj  22 s,  kannat  hann  vip 
viti  >arask  Hgsv  106 2; 

An/n.  1.  Zuweilen  sind  in  versen  mit  zweisilbiger  eingangssenkung  auch 
Vnoch  versckleifungen  zu  constatieren :  a)  auf  der  ersten  hebung  und  der  zweiten 
\binne7isenkung :  (2.3)  päs  [pä  er]  peir  fara  vip  vitni  at  vega  Gnn  234;  b)  auf 
der  ersten  binnensenkung :  (2.  3)  päs  [pa  er]  pü  lezt  mer  ä  bep  pinn  bopit 
Ls  52 2;  c^  auf  der  ziceiten  hebung :  (2.  3)  at  pü  gangir  snimina  at  sofa  Hqv  19 4, 
kannat  bann  vip  svikum  at  sea  Fm  374;  r/j  auf  der  ziceiten  binnensenkung : 
(1.2)  ne  svä  Mir  at  einugi  dugi  Hqv  1324;  (1.  3)  ok  halt  Fäfnis  hjarta  vip  funa 
Fiii  31 2;  (2.  3)  es  pü  fcer  per  Oefjon  at  gremi  Ls  219.  Z>a*w  «oc&  ein  vers,  in  dem 
ein  entbehrliches  wort  zu  streichen  sein  wird:  (1.  3)  ok  nem  liknargaldr  mepan  [m. 
[>ü]  lifir  Hqr  119 5. 


470  GERING 

b)  auf  der  ersten  binnen  Senkung:  (1.  3)  ok  sn^k  [sn^  ek] 
hennar  Qllum  sefa  Hgv  1614;  (2.3)  es  sinura  hefr  aurum  amat  Hgsv 
100 4,  ok  standit  per  mein  fyr  munum  Og  15 2,  ok  rasekimsk  1  sessi 
saman  Vm  192,  ok  eigut  pa§r  yarpir  vera  Herr  48 4  (ebenso  wird  auch 
52 4  zu  lesen  sein);  (1.2.3)  ok  launa  svä  leipum  lygi  Sd  25 7,  ok 
skeikar  pö  Skuldar  at  skopum  Gg  44.  Dazu  noch  folgende  verse,  in 
denen  entbehrliche  Wörter  zu  streichen  sein  werden:  (2.  3)  pä  pykkir 
[p.  pü]  me|)  bleypi  borinn  Sd  25 2,  ok  keppask  umb  [umb  pat]  yargar 
avalt  Herr  45 4  (oder  avalt?);  (1.2.3)  ok  bötir  [b.  per]  svä  baugi  Bragi 
Ls  12 2. 

Anm.2.  Auch  hier  ist  einmal  eine  auflösung  (der  zweiten  hebnng)  bezeugt: 
(2.3)  ok  berjask  vib  Framar  til  fear  Ket  33 2. 

Anm.  3.  Zweisilbige  eingangssenkung  und  ziveisilbigc  erste  binnensenkung 
kommt  ein  paarmal  vor:  (2.3)  bann  muu  okkr  verba  b<}bum  at  bana*  Fm'2%*  (zu- 
gleich rerschleifung  der  zweiten  binnensenkung) ;  (1.  2.  3)  ok  vreri  [v.  bä]  at  ber 
vreibum  vegit  Ls  27 4,  ok  verbr  bä  binu  fjorvi  of  farit**  Ls  57 4  (zugleich  verschleifung 
der  zweiten  binnensenkung). 

Anm.  4.  Zwei  nicht  verschleif  bare  silben  auf  der  zweiten  binnensenkung 
sind  nur  einmal  überliefert:  (2.3)  svä  nysisk  frobra  hverr  fyrir  Hqv  7 *  (lies:  fröbr 
hverr?). 

§  143.  Verse  mit  drei-  und  mehrsilbigen  Senkungen  sind  selten 
und  erregen  verdacht,  a)  überladene  eingangssenkung  findet  sich 
in  folgenden  versen:  (1.2)  at  pü  'st  [pü  ert]  aptr***  kominn  mögr  til 
lninna  salai<}'494  [lies:  at  kvarat  mqgr  usw.?];  (1.  3)  ok  lätt  i  fjarpar 
niynni  fyrir  HHv  18 2,  bregpi  engi  fQstu  heiti  fira  Ah  34  [lies:  skal- 
at  bregpa  festum  fira?],  sä  skal  fyr  heipa  brüpi  himins  Grm  39 4  [sä 
ist  wol  von  Sijmons  mit  recht  gestrichen),  ek  drekpa  Hlqpvarps  sunum 
i  haß  HHv  194,  pat  raun  se  TQtru  sett  of  trega  Gautr  44  [se  ist  wol 
zu  tilgen];  (2.3)  ok  knsettak  [knaetta  ek]  pö  per  [per  pö]  i  fapmi  felask 
HHII 214  [ok  scheint  entbehrlich  und  ist  schon  von  Sijmons  bean- 
standet], vorum  pö  verpir  gagns  frä  gopum  Hkm  12 2  [es  ist  wol  vQrum 
zu  lesen],  pä  skaltu  hann  vip  yamrai  yara  Hgsv  24 4  [lies:  skalt  bann 
pö  vip  v.  v.]. 

b)  Im  Innern  bez.  am  Schlüsse  sind  die  folgenden  beiden  verse 
überladen,  in  denen  ivol  grössere  Streichungen  vorzunehmen  sind: 
(1.2)  esa  sä  vinr  Qprum  es  yilt  eitt  segir  Hov  123 4  [lies:  esat  vinr  es 

*)  hann  und  okkr  streicht  Sijmons,  doch  sind  die  beiden  tvörter  kaum  xu 
entbehren. 

**)  Sijmons  streicht  das  kaum  entbehrliche  binu,  wodurch  der  vers  zu  einem 
CB  würde. 

***)  aptr  strich  bereits  Bugge,  s.  Sijmons  z.  st. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJClDHAHATTR  471 

vilt   eitt   segir];     (1.  2.  3)   vij)    sorgum   ok    sqkuni   ok  sütum   gorvoüiim 
Hgv  146 4  [lies:  vi})  sorgum  ok  sütum  ok  sokum*]. 

§  144.  3)  CB.  Von  den  beiden  untertypen,  die  wir  auch  hier 
unterscheiden,  CB1  (xzU.xz)  und  CB2  (x  j.  I  j.  x  ^x)  ist  wider  der 
zweite  der  beliebtere. 

a)  GBl:  (1.  2)  ok  fä  fQgnu|)  af  Hgv  129 5,  ok  reist  ragna  hröptr 
Hgv  142 5;  (1.  3)  ne  heldr  forpask  hei  Hgsv  133 4,  et  manunga  man 
Hgv  162 2,  ok  skjarrastr  vip  skot  Ls  13 5,  ä  stallhelgum  staj)  i<)'402; 
(2.3)  ept  pann  dapra  dag  5Z452,  at  per  gorvisk  gagn  Hgsv  34 2,  ok 
galzt  liarpan  hug  i^>«  192,  ef  sä's  [sä  er]  horskr  es  hefr  Shm  94,  an 
pat  ljösa  lik  £Z  12  4,  ok  vipr  sipan  sigr  Hgsv  63 4,  ok  verpr  sipan  snaupr 
Hgsv  1414,  an  pinn  visan  vin  Hgsv  46 2.  Dazu  noch  ein  vers,  in  dem 
ein  entbehrliches  wort  zu  streichen  ist:  (2.  3)  ef  ätt  [pü  ätt]  ßräla  per 
Hgsv  137 2:  und  ein  vers,  in  dem  eine  Umstellung  notwendig  ist: 
(2.3)  es  pü  settir  sjalfr  [sjalfr  settir  Schev.,   metrisch  falsch]  Hgsv  134. 

§  145.  Auflösungen  in  GBl;  a)  auf  der  eingangs  Senkung: 
(1.3)  en  at  Asmundar  Jalkr  Grm  49 2,  ef  i  barnösku's  [b.  er]  blaupr 
Fm  64,  pat  et  mjallhvita  man  Alvl\  es  1  srellifi  sitr  Hgsv  11 14,  esat 
[er  ei]  värkunnar  yerpr  Hgsv  72 2;  (2.  3)  an  at  se  tungu  trür  Hgsv  18 4, 
esa  per  yamma  yant  Ls  30 2,  vasat  J)at  vin  ne  yatn  fierv  33 2;  b)  auf 
der  ersten  hebung:  (1.2.3)  hvi  prasir  J)ü  svä  pörr  Ls  582;  c)  auf 
der  eingangssenkung  und  der  ersten  hebung:  (2.  3)  neraa  gorisk 
jjarfar  J)ess  Hgsv  69 2;  d)  auf  beiden  Senkungen:  (2.  3)  ef  ek  hann 
sjönum  of  sek  Hgv  150 4. 

Anm.  Hierher  sind  ferner  noch  einige  verse  xu  stellen,  in  denen  entbehr- 
liehe tvörter  gestrichen  wurden:  a)  (1.  3)  eta  [bann  eta]  mein  heldr  an  nrik  Hqv 
1514,  meban  [m.  bü]  min  orb  of  mant  Og  164;  (2.3)  meban  [m.  ek]  per  galdra  golk 
[gol]  Gg  15 4;  b)  bot  [b.  bü]  hafir  reina  rodd  HHv  204.  —  Daxu  noch  ein  vers  mit 
auflösung  der  beiden  ersten  hebungen:  (2.  3)  ok  gefat  [g.  binuni]  fi^ndum  frib 
Hqv  126 5. 

§  146.  Nebenhebung  statt  der  binnensenkung  ist  in  CB1  zivei- 
mal  bezeugt:  (2.  3)  epa  hK'tr  ögagn  af  Hgsv  212  (zugleich  auflösung 
der  eingangssenkung):     (1.2.3)  ok  svä  ssellikt  setr  Ls  43 2. 

§  147.  Verkürzung  der  ersten  bez.  zweiten  hebung  kommt 
ein  paarmal  vor:  a)  (1.  3)  sä's  [sä  er]  vitandi's  [v.  er]  vits  Hgv  18 4; 
b)  (1.  3)  mart's  [mart  er]  fripara  an  fe  Hgsv  214  (zugleich  auflösung 
der  binnensenkung),  enum  slsevurum  sigr  Ls  22 4  23  -  (zugleich  auf- 
lösung der  eingangssenkung);     (2.3)  at  per  gorisk  gagn  Hgsv  34 2. 

*)  Sijmons  streicht  die  drei  letzten  Wörter  ok  sütum  g^rvollum :  dadurch  wird 
aber  der  vers  xu  kurz. 


472  GERING 

§  148.  Zwei  nicht  v  er  schleif  bare  silben  sind  in  der  ein- 
gangssenkung mehrmals  anzutreffen:  (1.  3)  ef  sä's  [sä  er]  alsnotr  es  ;i 
H$v  55  4,  an  se  ofdrykkja  ols  i7jpv  ll4;  (2.3)  es  per  sleit  Fenrir  frä 
Ls  38 3,  berr  pat  ofarr  kne  an  kvip  Herr  44 4  (zugleich  auflösung  der 
ersten  hebung).  —  Ziveisilbige  binnensenkung  findet  sich  nur  ein- 
mal: (1.3)  es  sundrpykkisk  vip  sik  Hgsv  19 4. 

J.«»2.  J.  iVacA  vornähme  von  emendationen  werden  ferner  noch  die  folgenden 
verse  hierher  zu  stellen  sein:  (1.  2)  es  f>eir  svikum  srelask  ;i  [es  peir  ssel.  a  sv.J 
Hgsv  664,  es  hann  par  I>vengum  nam  |pv.  es  hann  par  nam]  Oautr  l2;  (1.3)  pars 
[pars  pu]  i  steius  liki  stendr  HHv  30 4. 

Anm.  2.  Dreisilbige  eingangssenkung,  von  der  jedoch  die  letzten  beiden 
silben  verschleifbar  sind,  kommt  einmal  vor:  (2.  3)  ok  esa  po  6mi  veir  Ls  36 4. 

Anm.  3.  Verkürzung  der  zweiten  hebung  ist  einmal  belegt:  (2.  3)  vijj 
per  m^tkara  mann  Hgsv  6-3. 

§  149.  b)  CB2:  (1.  3)  enn  alsvinni  jotunn  Vm  42 5,  enn  äniQtki 
JQtunn  8km  10 5,  en  Aurgelmir  afi  Vm  29 4,  vip  tfsvinna  apa  Hyv  1215; 
ä  brodds  oddi  bifask  Fj  32 2;  sera  drengmenni  (-manni)  dugir  Hgsv392 
1 18 2,  pats  [pat  er]  drengmanni  dugir  Hgsv  86 2  104 2;  at  forvitni  fQpur 
Herv  50 2  512  52 2;  pats  [pat  er]  grunsamlikt  g0ri.sk  Fcp  HO2;  psers 
[pser  er]  helgengnir  hafa  57  68 2,  vip  kugfulla  hau  Sd  31 2,  vip  hvass- 
orpa  liali  flgrsw  25 2;  til  kumbldysjar  koraa  Og  l4;  en  lausung  vip  lygi 
Hgv  42 4,  öleipastan  lifa  Skm  19 4,  per  Ises  hvers  ä  lipu  üfp«;  135 4; 
ä  meips  kvistum  Mima  Fj  18 2;  ok  ser  peira  sipu  Hgsv  20 2;  en  Skip- 
blapnir  skipa  Orm  44 2;  sem  Vafprüpni  yesa  Vm  24,  ojl  Vafprüpnir  vitir 
Vm  38 2  42 2,  til  Valhallar  vega  Hkm  94,  peirs  [peir  er]  Vapgelmi  vapa 
lim  42;  (2.  3)  umb  pinn  bröpurbana  Ls  17 4;  ef  hans  freista  firar 
H(>v  26 4,  bverrs  [hverr  er]  tekr  fyrstr  ä  iüna  Orm  42 2,  es  peirn  fsezlu 
faä  Hgsv  42 4,  i  sinn  fQgnup  fara  Sl  24 2;  ä  peim  glöddu  gqturn  Sl  59 2; 
säs  [sä  er]  sköp  haupr  ok  himin  Sl£82,  ä  pik  Hrimnir  hari  Skm  282; 
hefk  [henk]  pö  lengi  UM  Ket  34 2,  ok  allt  lif  of  lagit  Slcm  13 4;  at  pitt 
minkisk  megin  Hgsv  77 2;  ok  svä  n^tr  at  nema  i7^5v  82 2,  ä  pat  sumbl 
at  sea  Ls  S2  42;  panns  [pann  er]  hefr  skatna  skapat  S1272;  pvit  pü 
yel  hvat  vitir  Eir  3 2,  of  pik  vela  vinir  Orm  52 2.  —  Dazu  noch  vier 
verse,  in  denen  geringfügige  Änderungen  vorgenommen  sind:  (1.  3)  pöt 
kann  göpan  kafit  [pöt  bann  hafit  göpan  R,  metrisch  falsch]  Hgv  615; 
(2.  3)  es  lezt  [pü  lezt]  hoggvinn  Hata  HHv  24 2,  at  [at  pü]  mer  seggr 
ne  segir  Skm  5 2,  es  läk  [ek  lä]  stirpr  ä  strQura  Sl  47 2. 

§  150.  Auflösungen  in  CB2:  a)  auf  der  eingangssenkung: 
(1.  3)  sa  enn  ämötki  JQtunn  Orm  ll2,  hafa  gep  allt  ok  gaman*  Hgv 
16 12,    ok  ä  formselendr  faa  Hgv  62 4,    ok  ör  Ijöpheimum   lipin    Gg  24, 

*)  Sievers  (Altgerm,  metrik  §57,  6m)  stellt  diesen  vers  wol  mit  unrecht  zu  DE. 


DIE   RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  473 

mepan  sökndjarfir  sofa  Fj  214,  ok  i  YalhQllu.  yesa  Hkm  l4;  (2.3)  skylit 
pann  ysetkis  yaa  Hgv  74 4  [conjectur;  vitka  vär  R\\  b)  auf  der  ersten 
hebung:  (1.3)  fyr  kelisjükar  konur  Fj  IQ2:  (2.3)  ok  gapir  eldi  yfir 
Ket  142,  en  binar  fegri  fara  Herr  49 4,  at  muni  lengi  lifa  Hgsv  133 2, 
ok  haßt  [ei  hafi]  megn  til  mikit  Hgsv  62 2;  (1.  2.  3)  es  ha  na  hefr  frä 
hlipi  Fj  104;  c^  auf  der  binnensenkung:  (1.3)  ör  salkynni  at  sea 
(Sfcm  17 4;  (2.3)  an  ser  ongu  at  una  Hgv  94 4,  ok  kann  fregna  at  fQii 
Hgv  33 4,  ä  hann  sjalfan  at  sea  Hkm  134,  ä  pik  sjalfan  at  sea  F?rc  62; 
(1.2.3)  ok  svä  Solar  et  sarna  Vm  23 2;  t/j  auf  der  eingangs  Senkung 
und  der  binnensenkung:  (1.3)  yjmr  salkynni  at  sea  £&*«  18 4. 

Anm.  Hierher  gehören  trol  auch  noch  einige  verse,  in  denen  kleinere 
änderungen  vorgenommen  sind:  a)  (1.  3)  eba  [eba  eru]  Täpndaubir  verar  »Sc?  334, 
vasat  [eigi  vas]  I)arfsamla  [barfsamliga]  |>egit  Sl  5'2;  ty  (2.  3)  at  [at  vit]  myiiim 
sjalfir  of  sakask  Hm  29 -. 

§  151.  Zwei  nicht  v  er  schleif  bare  silben  kommen  in  der  ein- 
gangs Senkung  öfter  vor:  (1.3)  pess  ens  alsvinna  JQtuns  Vm  52,  es 
mep  avitum  aga  Hgsv  108 2,  vi{)  hvat  einherjar  alask  Grm  18 4;  pä  vas 
Bergelmir  l)orinn  Fw  29 2  35 2;  pöt  per  fagrt  mseli  fyrir  Sl  19 2;  säs 
[sä  er]  vill  lieilindi  hafa  Hgsv  79 2,  säs  [sä  er]  vill  hyggindi  hafa  if^sü 
92 2  140 2,  nem  pii  hyggindi  liugar  Hgsv  112 2;  f)ä  vas  saldrött  of  sofin 
Hgv  100 2,  pser  of  setr  allar  sainan  -S^ll4,  ok  peir  Sölkotlu  synir  £2  782; 
ok  I)ü  Vafprü|)nir  vitir  Vm  20 2  22 2  24 2  26 2  28 2  30 2  32 2  34 2  36 2  38 2 
40 2,  pöt  [pö]  pik  Tel  aupgan  vitir  Hgsv  39 4,  kalla  yindofni  yanir  Alv 
12 2;  peims  [peim  er]  ä  ßräreipum  J)runia  Sl  77  4;  (2.  3)  ef  hann  hefr 
aurum  amat  i^/sy  52 4;  ok  hefr  sä  bQrn  of  horit  Ls  33 4;  mnnkak 
[munka  ek]  pvi  leyna  lengr  Ls  36 2:  (1.  2.  3)  pvi's  [pvi  er]  pat  a?  alt 
til  atalt  Vm  314.  —  Dazu  ein  vers,  in  dem  eine  entbehrliche  silbe  ge- 
strichen wurde:  (1.3)  pöt  [pöttu]  ser  fullsterkr  at  fei  Hgsv  33 2. 

Anm.  1.  Verkürzung  der  ersten  hebung  ist  einmal  bexeugt:  (1.  3)  es 
mep  Haraldi  hafask  Hkv  183.  —  Auflösung  der  binnensenkung  kommt  xweimal 
vor:  (1.3)  svä  hykk  [hygg  ek]  Bilskirni  mep  bugum*  Grm  242  [svä  ist  entbehrlich']; 
(2.3)  es  hann  parf  hvergi  at  hafa  Hgsv  45 4. 

Anm.  2.  Dreisilbige  eingangssenknng  ist  selten  und  zweifelhaft :  (1.3) 
vib  bann  enn  alsvinna  jqtun  Fm  l4  [bann  könnte  fehlen],  ok  binna  andfanga  JQtunn 
Vm  84  [binna  ?s<  entbehrlich  und  scheint  auch  mit  dem  plur.  kaum  vereinbar];  at 
hann  ä  formäMendr  faa  Hqv  25 4  [hann  ist  von  Sijmons  gestrichen];  svä  hykk  [hygg 
ek]  ä  YalhQllu.  vesa  Grm  23 2  [svä  könnte  wegfallen];  (2.  3)  ok  pykkir  sä  äsa  Japan- 
Ls  35 4  [lies :  ok  es  sä  ?] ,  ok  hefr  bü  bar  born  of  borit  Ls  23 6  [pü  *s<  #o»  Sijmons 
gestrichen],  es  siban  brytr  hregg  i  hafi  Hgsv  59 4  [sipan  könnte  fehlen]. 

Anm.  3.  Viersilbige  eingangssenknng  tst  einmal  überliefert:  (2.3)  ok 
mundir  bü  pä  Freyja  frata  Ls  32 4  [bü  streicht  Sijmons]. 

*)  Sievers  (Altgerm,  metrik  §57,  6i)  stellt  diesen  vers  xu  AE. 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  31 


474  GERING 

§  152.  4)  DB.  Auch  hier  unterscheiden  wir  zwei  untertypen: 
DB1  (j.  I  jl  .  x  j)  und  DB  2  {jl  I  jl  ,  Xv^x).  Der  ztveite  ist  ividerum  der 
beliebtere. 

q)  DB1:  (1.2)  fiskr  flöpi  i  Grm  212,  sjalfr  sjotfum  mer  fl£v  138 4; 
(1.  3)  ill  vsetr  ok  qrm  .Hery  671,  mer  tijja  mey  Skm  62,  ntftr  mangi  näs 
Hgv  714,  sigrheima  sjau  /S7  522;  (2.  3)  allt  lopt  ok  lQgr  Skm  64,  auk 
manzkis  niQgr  Hgv  146 2,  heil  nott  ok  nipt  Sd2'\  auk  solar  syn  üTjw  68 2. 

Anm.  Auflösung  der  ersten  hebung  ist  dreimal  bezeugt:  (1.  2)  Bragi 
foekkjum  ä  Ls  IV ;  (1.3)  munafullan  mjok  «S7  35 4;  (2.  3)  bera  tut  mep  tveim  Ls  38 2.  — 
Zweimal  findet  sich  auch  auflösung  der  Senkung:  (1.  3)  jafngQrla  sem  ek  Ls  214, 
üelbliücli  ok  Hör  Grm  46 5. 

§153.  b)  DB 2:  (1.2)  eitt  allra  hluta  Sl  50 4,  orp  illrar  konu 
iJpv  117 2,  ql  alda  sunum  Hgv  12 2;  (1.  3)  ofreipi  afi  Skm  l1  24,  olprm^l 
til  qfug  &2  292;  beits  stafni  bua  Äfft;  14 4;  daufr  vegr  ok  dugir  Hgv 
712;  frett  eina  f  irar  .F)' 32  4,  fugls  jarmi  fyrir  FM  2 17;  gaghalsir  gnaga 
Grm  33 2,  Gerpr  unna  gamans  Skm  40 4  42 4,  gop  q11  ok  guma  Ls  55 4, 
gop  qII  ok  gumar  Ls  45 2,  göj)s  laun  of  geta  Hgv  122 2,  grund  auk  mep 
gopum  Fm  15 4  16 2;  Herteitr  ok  Hnikarr  Grm  47 2,  liröprfüsa  liali 
Am  214,  hugbrigp  vip  hau  iJpv  1012,  kugdyggva  hali  Hgsv  1312,  hsel- 
drsepir  lialir  iJ/cv  244;  lostfagrir  litir  Hgv  92 4;  Hieips  kvistu  maa  Grm 
34 6;  nsetr  allar  niu  Hgv  138 2,  nsetr  einar  niu  FM  212;  rop  qII  ok  regin 
7/Ä7«  18 4;  säryrpum  sakask  Ls  52  19 2,  sigtiva  synir  Ls  l4  22,  Sölblinda 
synir  Fj  10 2,  sölhvita  sofa  Hgv  96 2,  Suttunga  synir  Skm  34 2,  Ssehrimni 
sopinn  6rrw  18 2;  skars  upp  und  skipi  HHv  23 4,  SkeggQld  ok  SkQgul 
Grm  36 2,  sky"  qII  of  skQpup  Grm  414;  staplausu  stafi  i/^292;  yanrettis 
vesall  L.<?402,  väpndaupa  yera  Grm  84,  vfgdjorfum  verum  Hkv  20 n; 
pjöpmsera  |)ruma  i*}'  35 4;  (1.3)  grund  auk  mep  gopum  Vm  15 4  16 2; 
(2.3)  minn  bröpurbani  -S/cm  16 4,  heim  l)Qnd  of  bopit  Hkm  10 4;  sä  fser 
es  friar  I7pv  914;  pvis  [pvi  er]  gengr  of  guma  Hgv  28 4,  ögött  of  gala 
L.s  31 2;  unz  rjüfask  regin  Fj  20 4  #d  19 7;  deyr  sjalfr  et  sama  Hgv 
76'-'  77 2;  umb  skyggnask  skyli  Hgv  l3;  mJQk  stinna  stafi*  Hgv  142 3; 
mJQk  störa  stafi*  i^i>  142 2;  auk  trinnan  trega  Skm  29 5;  einyaldi  yesa 
.Fw  38 4,  hvern  yeg  at  yinum  <S'e?  37-,  heldr  ygeginn  yesa  Hgsv  50 2. 

Anm,.  Auflösung  der  ersten  hebung  kommt  mehrmals  vor :  (1.  2)  Dvaliun 
dvergum  fyrir  .H^y  143 2;  (1.  3)  feti  ganga  framarr  IT?»  38  2,  feti  gangir  framarr  Ls  l2, 
g-opa  heill  ok  guma  ßm  19  2,  vorumk  dvergr  at  vitir  Alv9-  IV  13 2  15 2  17 2  19 2 
21 2  23 2  25 2  27'  29 2  31 2  33 2,  salakynni  sei  Vm  3\  £oka  hylr  banns  [pann]  fregir 
IT^  119';  (2.  3)  bvaa  hendr  ok  hofup  5»  34 2,  hinum  likn  es  lifa  Sl  824.  —  Ebenso 
ist  auflösung  der  Senkung  durch  mehrere  beispiele  vertreten:  (1.3)  liknfastan 
at  lofi  Hqv  1224,  salkynni  at  sea  Grm  92  10 2,  SkiJ>blabni  at  skapa  Grm  43'-',  valglaumi 

*)    Vgl.  jedoch  oben  §  135,  fussnote. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  475 

at  Tat>a  Grm  214;  (2.  3)  auk  Fäfni  of  farit  Fm  23'-',  sva  lengi  sem  lifik  [ek  lifi]  Rm  92 
Sd  214,  auk  segja  et  sama  Hqv  28 2,  en  svartan  of  sumar  Herr  504.  —  Auflösung 
der  ersten  hebung  und  der  Senkung  ist  einmal  bezeugt:  (2.  3)  vesa  hollar  i  hugum 
Sl  25'-;  ebenfalls  einmal  findet  sich  auflösung  der  ersten  hebung  nebst  zwei- 
silbiger Senkung:  (1.3)  funi  kveykisk  af  fiina  Hqv  öl2. 

Cap.  21.     C-verse. 

§  154.  1)  AG  Bei  den  C-versen  sind,  ivie  bei  der  B-gruppe, 
zwei  untertypen  zu  unterscheiden,  je  nachdem  die  letzte  hebung  auf 
einer  langen  (Cl)  oder  auf  einer  kurzen   (C2)  silbe  steht. 

a)  Der  typus  ACl  (zx  I  s.  '  x)  ist  auf  wenige  beispiele  beschränkt. 
Dem  Buggischen  gesetze  entsprechend  bilden  fast  ausschliesslich  drei- 
silbige icörter  den  ausgang  des  vei'ses;  die  alliier ation  ist  stets  1.2:  or 
til  ärsepis*  Ket  18  4,  gest  ne  ganganda  Hqv  1315,  hlser  at  hvivetna  Hqv 
22 2,  kraust  i  Hrafnseyju  Ket  182,  kverf  es  liaustgrima  Hqv  735,  Hin 
ok  Rinn  an  di  Grm  27  3.  —  Dazu  ein  vers  mit  auflösung  der  ersten 
hebung:  apask  at  öheillum  £/624;  und  ein  vers  mit  auflösung  der 
ersten  hebung  und  der  binnen  Senkung:  segir  fm  et  sanuasta  Vm 
424.  —  Auflösung  der  zweiten  hebung  würde  in  dem  verse  Hqv  782 
zu  statuieren  sein,  falls  meine  conjectur:  rünum  reginkunnum  [enum 
regink.  R]  das  richtige  getroffen  hat. 

Anm.  1.  Einmal  findet  sich  ein  vers,  indem  zwei  Wörter  den  schluss  bilden: 
dieselben  gehören  jedoch  (als  nomen  und  attributives  adj.)  eng  zusammen:  gestr  at 
gest  hjefuim  Hqv  312. 

Anm.  2.  Der  erweiterte  typus  A*C1  (lixliizx)  ist  nur  durch  ein  bei- 
spiel  vertreten:  Gräbakr  ok  GrafvQlluJ>r  Grm  34 4. 

§  155.  b)  Der  typus  AC2  (zxU.vix)  ist  desto  häufiger:  (1.2) 
allir  ql  saman  Ls  45 4,  Arfr  ok  Arfuni  FM  ll6,  ausian  OJreri  Hqv  140 4, 
eign  ok  auf)SQlum  Fj  74  84,  Eir  ok  Aurbofm  Fj  38 4,  eiri  aurglasis 
Fj  28 4,  eldi  urnb  siegin  &Z664,  etr  sex  aldrtrega  Hqv  2Q2,  illum  ey 
vana  5/804,  inn  gekk  Yggr  Jtegar  Vm  54,  innan  asniega  Fj  33 4,  inni 
aupstQfum  Sd  314,  orka  einnsaman  Hgsv  113 2,  orfnnn  einbani  Grm  50  4, 
orjbs  ok  endrf)Qgu  Hqv  44,  Of)inn  $b  lifir  Grm  194,  ulf  und  asklimum 
Rm  22 2,  a?  gengk  [geng  ek]  einn  saman  Fm  2  ',  qflgan  Atrijpa  FM  10 12, 
qflgir  eitrdrekar  Sl  64 4,  qss  1  ärdaga  Grm  64;  breg[)a  blundstQfum 
Sd  44,  brendir  bjartliga  Sl  69 4,  bond  at  boglimum  Hqv  149 2;  dag  of 
dröttniQgu  Vm  ll4  12 2,  drögu  daprliga  Sl  58 2;  fäf)ar  feiknstQfum  Sl 
60 i,  fljöf)s  ens  fagrgloa  Alv  52,  flserpar  frumkvojmll  Hgsv  60 4,  frjälsum 
fröpara  Hgsv  90 4,  fröpan  fJQlvaran  Sl  54,  full-um  forns  mjafmr  Skm  38 2 

*)  Über  die  Unordnung  der  strophe  s.  oben  §  113, 1,  fussnote. 

31* 


476  GERING 

Ls  53 2,  fyrst  me{)  fröj)  regin  Vm  26 4,  ftesta  feiknstafi  Grm  12 4;  gat 
vi{)  Grarprom  FM  414,  gestr  of  gepspeki  Fm  194,  goldin  grimmliga 
Sl  14 2,  OrQj)  ok  Grunnporin  Grm  27 7,  Gqll  ok  Gfeirgnul  Grm  36 4; 
hafpar  hagliga  5/  72 4,  harpan  hugtrega  Hgsv  36 2,  höf  ok  liagspeki 
Hgsv  100 2,  hei  man  Hlörri])a  2>s  55 2,  Helgi  helstofum  7/ffy  29 2,  hryggr 
munt  heim  fara  Ls  314;  leipa  langvini  Hgv  1562,  ljöta  leipstafi  Ls  292, 
lof  ok  liknstafi  Hgv  82,  lypa  lggskilum  fi^sw  84;  mapr  es  manns  gaman 
Hgv  47 4,  merkbar  meinliga  Sl  614,  mev  ne  manns  konu  Hgv  163 2, 
niey  ok  niog  saman  Vm  33 2,  meyja  MQgprasis  Fwa  49 2,  miklum  mins 
fQpur  i^w  182,  mina  meinstafi  Ls  28 2,  möti  Menglojm  Gg  34,  möl  ok 
inisseri  Hgv  60 4;  negldar  naupliga  Sl  654,  n<$tt  ä  niflvegi  Gg  13 2, 
llQtt  of  nyt  regin  Fra  13 4  14 2;  sal  of  sessmogum  Hgv  152 2,  ser  ä  sjot 
goJ)a*  Eir  6i,  sjaldan  siit  ala  i7^y  48 3,  sunr  emk  [em  ek]  Sfpgrana 
Alv  6-,  Surt  ok  SinniQru  i$  184,  Svafr  ok  Svafiiogi  £Z802,  svaugir 
söl  draga  Grm  37 2,  sväran  süsbreka  Skm  29 4;  skäld  til  skemtanar 
Hgsv  97 4;  Varr  ok  Vegdrasill  Fj  34 2,  visan  Tafiioga  Skm  82  92,  yisum 
yafrloga  Fj  314,  vorum  vargdropa  Sd  35 2;  J>jota  pungliga  <S7  394,  pripja 
pjopmirna  Grm  28  \  pripja  pjöpvara  Fj  38 2,  pursa  pjop  yfir  Sfcm  10 3, 
paer  skal  pörr  vapa  Gnu  29 2; 

(1.3)  alla  menn  yfir  Vm  37 4,  allri  pjöp  yfir  5/  17  2.  ürig  fjgll  yfir 
N/,//?  10 2,  jormungruud  yfir  GVv«  20 2;  beggja  vanr  Bragi  Ls  13 2, 
brennuspän  bera  Hkv  242;  geirs  of  porf  guma  i^>w  384,  geita  bland 
gefi  Skm  36 2,  goll  mitt  allt  grafit  Gautr  34,  gott  ok  illt  gumar  Hgsv 
1254;  heilog  fjoU  hinig  Fm  30 2,  heÜQg  VQtn  hloa  Grm  29 6;  kristin 
dauj)  kona  Gg  13 4;  manna  glaum  mani  Skm  34 5,  man  na  nyt  mani 
Skm  34 6,  minum  fepr-inunum  Fm  82  (auffallende  alliteration) ,  mund- 
argjold  mikil  Hgsv  914,  inseran  drykk  mjapar  Ls  64;  Njarpar  dotr 
iiiu$7  792;  säral auk  supu  Herv  39 4,  slikan  lQSt  saman  Hgv  97 4;  vamma- 
laust  yesir  Sd  22 2,  vel  of  pyrmt  yeum  U&m  182,  vitr  ok  sterkr  vesa 
Hgsv  112 4,  Vlpars  land  Vipi   Grm  17 2; 

(2.  3)  auk'st  [ok  ert]  ä  braut  buinn  Rm  212,  |)ä's  [|)ä  er]  per  b^ls 
bepit  i^v  125 7;  verpr  f>inn  feigr  fapir  Skm  25 4,  allt  es  feigs  forap 
Fm  ll4,  brinnumk  feldr  fyrir  Grm  l4,  gQngumk  firr  fimi  Grm  l2,  pik 
skal  Freyr  fiask  Skm  33 2;  bverr  sitt  gep  gumi  jE^2>  144,  sins  til  geps 
gumi  Hgv  12 4,  betri  gJQld  geta  Grm  3 ',  ssßll's  [ssell  er]  säs  [sä  er]  gott 
gerir  Sl  49 2,  opt  skal  göps  geta  Hgv  102 4,  vinua  grand  grami  HHv  132, 

*)  Die  halbstroplie  ist  sicher  so  herzustellen: 

|>vit   uvist's  at  vita,  aser  Ulfr  enn  hosvi 

ser  ä  sjot  go|>a. 
(So  bereits  Opb.  /,  267;   Heusler,  BLZ.  1901,  sp.  1375). 


LUE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  477 

svät  [svä]  peim  grand  gorir  Hgsv  512,  auk  of  grjöt  gnaga  Hgv  104 2, 
seg  pü  gorr  grami  HHv  27 2;  sinna  heim-haga  Hgv  1 55 5,  sinna  lieim- 
kama  üpi;  1554,  pars  [par  er]  pik  Hei  hafi  Fm  214;  auk  ä  kne  kalinn 
Hgv  32,  elr  vip  kvqn  kona  fierv  48 2;  sfns  of  mal  maga  Hgv  214;  ek 
reist  sjalfr  suniar  Hgv  1434,  peim's  par  syst  saman  Hkv  214;  kalla  rag 
vanir  Alv  24 2,  lengi  vaur  vesa  Hgv  162 4,  säk  [sä  ek]  ä  reg  yega  iZery 
32 2,  kalla  Teig  yanir  Alv  34 2,  pü'st  Q)ü  ert]  vip  yig  yarastr  Ls  13 4, 
pä  varpk  [varp  ek]  yillr  yega  Hgv  47 2,  sä's  [sä  er]  peim  yQÜr  yitapr 
Vm  18 4,  kalla  yqnd  yanir  JA-  28 4,  kalla  yQxt  yanir  Alv  32 2;  mart's 
[inart  er]  pats  [pat  er]  J)grf  J>ear  Rm  10 2; 

(1.2.3)  uiins  veitk  [veit  ek]  niest  magar  Grm  244. 

Anm.  1.  Ohne  alliteration  überliefert  ist  der  vers  Hör  1394:  feil  ck  aptr 
papan  (anreimung  an  die  vorhergehende  xeile?).     Ebenso  S/o/t  34 3:   sjalfir  äslipar. 

Anm.  2.  Hierher  sind  ferner  noch  folgende  rerse  %u  stellen,  in  denen  über- 
flüssige silben  gestrichen  wurden:  (1.  2)  gakk  [g.  pü]  ü  gest  sea  Fj  4A-;  (2.  3)  pot 
|>.  bann]  se  firr  farinn  Hqv  34 4,  allr  [a.  hann]  vip  goll  gloir  Fj  17 4,  pöt  [{).  bann]  mep 
gTQmum  glami  Hör  314,  ä  sat  när  na'i  [mir  ä  na]  Herr  54'-'. 

§  156.  Auflösungen  in  AC2:  a)  auf  der  ersten  hebung: 
(1.2)  borinn  at  boglimum  Gg  10 2,  gefit  at  gups  lqguin  /S7  692,  skapapi 
skirliga  Sl  10 4;  (2.  3)  knaat  sü  veig  yanask  Grm  25 4;  b)  auf  der 
binnen  Senkung:  (1.  2)  Atli  til  aldrlaga  HHv  30 2,  UDguni  i  ärdaga 
Sfem  72.  yrpi  i  ärdaga  Vm  28 4,  a?  mepan  old  lifir  Fj  124,  ongurn  es 
illt  skapat  Hgsv  106 4,  oldum  at  ärtali  Vm  23 4  25 4,  qllum  at  upploki 
Hgv  135 2;  falla  at  fjorlokum  Gg  82,  fe  epa  fjor  hafa  Hgv  58 2,  fe  epa 
fljops  munugp  Hgv  79 2.  frammi 'ru  [eru]  feigs  gQtur  Sl  364,  fyrri  at 
flauraslituni  Hgv  120 -5;  gqrvir  ä  galgvegi  Gg  92;  Herjan  ok  Hjalmberi 
6r/7w  46 2,  hör  ok  af  Hlörripa  Ls  54  l:  littu  ä  ljöp  vega  Ket  14 4;  meira 
an  iiienn  viti  Grm  35 2  ö^  ll'2,  nuerar  af  mars  baki  Hkm  ll2,  uiQrguni 
at  möptrega  £rf302,  svipr  skal  of  sik  vesa  Hgv  102 2;  skammer  'ru 
skips  raar  flj?«  734;  tivar  at  tannfei  Grm  54;  Yingnis  at  yigproti  Vm 
51 5;  perru  ok  pjoplapar  %42;  (1.3)  daupi  ok  lif  duga  Hgsv  1214, 
daupi  ok  lif  dugir  Hgsv  1014;  (2.  3)  pins  epa  mins  munar  Skm  414, 
seva  til  snotr  sei'  Hgv  54 2  55 2  56  2;  (1.2.3)  gangip  i  gogn  grami  Hkm 
14-'.  glik  skulu  gJQld  gjofura  Hgv  46 4;  cj  auf  der  ziveiten  hebung: 
(1.2)  ysentik  yerit  hafa  Hervül2,  [>risvar  prumu  fyrir  Ket  54;  (1.  3) 
hungri  farit  hgrund  Sl  71 2,  leiki  yfir  logi  Ls  65 4;  (2.  3)  kalla  yega 
yanir*  Alv  10 2;      $   auf  der  ersten  hebung  und  ersten  Senkung: 

*)  .Es  /?>#<  Ä-ei«  grund  vor,  diesen  vers  mit  Sievers  (Altgerm,  metrik  §57,  8b) 
für  xweihebig  zu  erklären.  Eine  verbalform  kann,  je  nach  dem  bedürfnisse  des 
verses,  in  der  hebung  wie  in  der  Senkung  verwandt  iverden. 


478  OKHING 

(1.2)  fianda  enn  folkskaa  Fm  37  2;  e)  auf  der  ersten  Senkung  und 
zweiten  hebung:  (2.3)  sitja  ä  fleti  fyrir*  Hqv  l5. 

Anm.  Hierher  gehören  ferner  die  folgenden  verse,  in  denen  geringfügige 
änderungen  vorgenommen  sind:  a)  (2.  3)  nerna  [n.  bu]  mer  stett  segir  Skm  23  4; 
b)  (2.  3)  hans  emmk  [e.  nü]  v^n  vitub  &44;  c)  (2.  3)  skalt  [skaltu]  fyr  kvikum 
kveba  S/812. 

§  157.  Zwei  nicht  v  er  schleif  bare  silben  kommen  in  der 
binnensenkung  zuweilen  vor:  (1.2)  eigut  pser  gett  saman  Fm  13 2,  JQfra 
frä  egg|)riniu  Eir  74,  fekk  ek  mer  felaga  Hqv  52 4  (es  ist  aber  wol 
fekkumk  zu  lesen);  (1.  3)  kennip  mer  tiafn  konungs**  HHv  124; 
(2.  3)  margan  hefr  aupr  apat  Sl  34 4,  pau  munk  [mun  ek]  per  Gerpr 
gefa  8km  192,  uppi's  [uppi  es]  pä  gep  guma  Hqv  174,  kennik  [kenni 
ek]  per  sjau  saman  57  32 2.  —  Dazu  ein  vers  mit  auflösung  der  ersten 
hebung:  (2.  3)  papan  vask  [var  ek]  ä  liest  hafinn  Sl  512. 

Anm.  1.  Hierher  gehören  auch  wol  die  folgenden  verse,  in  denen  emen- 
dationen  nötig  erschienen:  (2.  3)  bar  mun  hann  aldr  [sinn  a.]  ala  Herr  594,  bykkjumk 
[b.  ek]  til  ungr  afi  Og  54,  reyndu  hvat  satt  sei  Hgsv  23 4  [r.  hvat  et  sanna  se  Scher.}.  — 
Eine  sehr  schwere  xweisilbige  Senkung  findet  sich  Ls  30 4:  (1.  2)  hverr  hefr  binn 
ho rr  verit.  Ich  vermute,  dass  hier  umgestellt  werden  muss:  hverr  hefr  liörr  binn 
verit  (AA2h). 

Anm.  2.  Dreisilbige  binnensenkung,  von  der  jedoch  die  zweite  und  dritte 
silbe  verschleif  bar  sind,  ist  zweimal  belegt:  (1.  2)  heima  skalat  hvilb  nema  Alv  l4; 

(2.3)  litil  eru  ge])  guma  Hqv  53 2.  —  Drei  nicht  ver schleifbare  silben  kommen 
nur  einmal  vor:  (1.  3)  hapts  vib  mina  heiptmogu  Hqv  148 2:  offenbar  ist  mina  xu 
streichen. 

§  158.  Nebenhebung  auf  der  zweiten  silbe  des  ersten  fusses 
kommt  ein  paarmal  vor:  MenglQp  mitt  gaman  Fj  43 4,  hyggsk  veetr 
kvatr  fyrir  Ls  154;     (2.3)  pann  göl  Rindr  Rani   Gg  62. 

Anm.  Der  erweiterte  typus  A*C2  ist  für  die  folgenden  verse  anzusetzen; 
a)  mit  der  nebenhebung  auf  der  zweiten  silbe:  (1.  2)  qst  fylgir  aums  gJQfum  Hgsv 
35 4,  heldr  ueyt  mep  hagspeki  Hgsv  52 2;  (1.  3)  öhopp  at  per  Tita  Hqv  1166;  (2.  3) 
begn  knätti  Blakkr  hera  FM  10 8,  vel  msettim  tveir  truask  Skm  54;  b)  mit  der 
nebenhebung  auf  der  dritten  silbe:  (2.  4)  margan  stelr  Tin  viti  Sd  29 4.  —  Einmal 
ist  auftakt  überliefert  in  einem  verse,  der  die  auf  der  xweiten  silbe  ruhende  neben- 
hebung verkürzt:  (1.3)  sus  [su  er]  fapmapi  minn  fQpur  Gg  32. 

§  159.  Katalektische  AC- verse  (z x  I  z  ')  sind  ebenfalls  einige 
male  bezeugt:  (1.2)  J)eim  ok  pess  vinl^v432;  (1.3)  hQlf  es  <}ld  livar 
Hqv  53 4;  (2.  3)  ey  getr  kvikr  kü  Hqv  70 2,  bess  kann  mapr  nijqt  Hqv 
60 2;     (1.  2.  3)  sumr's   [sumr  es]   af  sunum   saell  Hgv  69 2.     Dazu  zwei 

*)   FfjrZ.  oiera  $  29,  awm. 

**)  So  liest  R;  Sijmons  stellt  mit  Hild.  um:  kennip  mer  konungs  nafn,  was 
keinen  correcten  vers  gibt. 


DIE    RHYTHMIK   DES    LJODHAHATTR  479 

verse  mit  auflösung  der  xweiten   hebung:  (1.  2)  fjQlJ>'s  [fJQlf>  er]  pats 
[f>at  er]  fira  tregr  Sd  30 4;     (1.3)  flestir  giifi  frä  81  154. 

J.»wre.  Auch  einige  katalektische  A*G- verse  sind  überliefert:  (1.2)  gangandi 
af  g(jtu  kvam  67  2 4  (auflösung  der  Senkung  und  der  xweiten  hebung);  fojöb  veit  ef 
J>r£r  '6  Hqv634.  —  Dazu  noch  xwei  verse  mit  aufteilet:  (1.2)  ok  brytjubu  Iminn  nibr 
(auflösung  der  Senkung)  N/232;     (1.3)  ne  sofandi  mabr  sigr  Hqv  58 4. 

§160.  2)  BC.  a)  Der  typus  BC1  (x-i'x'  _j.x)  &2  ividerum 
nur  durch  wenige  bcispiele  vertreten:  (1.  2)  ok  allar  olriinar  Sd  19 2, 
ör  hausi  Hei]>draupms  Sd  134,  ok  hyggr  at  hvivstna Hqv  23 2,  at  vitja 
Vafjrüfnis  F?w  l2.  —  Auflösung  der  eingangssenkung  ist  einmal  be- 
zeugt: (1.  2)  ok  ör  horni  Hoddrofnis  Sd  13 5;  ebenfalls  einmal  auf- 
lösung der  zweiten  hebung:  (1.2)  ok  instar  meginrünar  Sd  19 3. — 
Verkürzung  der  zweiten  hebung  (BClh2k)  findet  sich  einmal  in 
einem  verse,  der  zugleich  die  binnensenkung  auflöst:  (1.2)at  kjösa  of 
kominga  Hkm  l2. 

Anm.  Folgende  verse  sind  ebenfalls  hierher  %u  stellen,  falls  die  von  mir 
vorgenommenen  emendationen  das  rechte  getroffen  haben:  (1.  2)  fyr  ft&  afgorpir 
[f.  afg.  yta  Schev.,  metrisch  falsch]  Hgsv  114 2,  ör  skyjmn  skydrupnis  [ör  skydr. 
skyjum  hss.,  metrisch  falsch)  67  514;  au  hinns  veifar  rilmrilum  [au  kinn  sein  vilm. 
veifar  Schev.,  metrisch  falsch]  Hgsv  108 4  (xweisilbige  eingangssenkung);  (2.3)  bäs 
[bä  er]  kann  lagbi  ä  vald  [vald  kans]  Tigulfs  Sl-202  (xweisilbige  eingangssenkung; 
statt  eines  dreisilbigen  Wortes  ein  nomen  mit  abhängigem  genet.). 

§  161.  b)  Weit  häufiger  ist  der  typus  BC2  (x^lxz^x):  (1.  2) 
ok  allra  öskmaga  Lsl62,  at  annars  öfgrum  Hgsv  88 2,  of  annars  ösiJDii 
Hgsv  94 2,  at  aski  Yggdrasils  Grm  29 4  30 6  32 2,  und  aski  Yggdrasils 
Grm  312,  ne  eggja  ofgamans  Sd  32 4,  ok  or|)a  upphefill  Herv  314;  ör 
brunni  Baugregins  Sl  56 4,  at  byggja  bolstafi  Herv  614;  i  gar|)i  Griinn- 
laf>ar  Hqv  134,  ok  grötta  Gunnlqfm  Hqv  109 4,  ok  gerfm  ginnregin  Hqv 
142 4,  J>eims  [peim  er]  gorpu  ginnregin*  Hqv  78 3;  1  liolti  Hoddmimis 
Fw452;  ok  kvalfar  kveldripur  HHv  15 4;  f)ä  nislti  Mims  hqfuf)  Sd 
143;  fyr  reij)i  rangs  hugar  Hgsv  1311,  ä  rötum  ras  vijjar  Hqv  1512; 
ä  sundi  seglragrum  /Sd  92;  hann  teymjm  tveir  saman  Sl  55 2;  enn 
yitri  Vigdvalinn  Sl  78 4; 

(1.3)  ä  alda  ves  japar  Hqv  106  4,  ok  blö|mkt  sverf)  borit  iftr  54; 
ok   gervask   hollr  gumi  Hgsv  144 2;    £>äs   [f)ä  er]   hefja   af  hvera    Grm 

*)  Z>ie  strophe  ist  vermutlich  folgender  müssen  anxuordnen: 
fat's  bä  reynt,  es  at  runum  spyrr 

peims  gorpu  ginnregin 

ok  fapi  fimbulpulr, 
pat's  pä  reyt,  es  at  runum  spyrr, 

runum  reginkunnum: 

bä  kefr  bazt  ef  begir. 


480  GERING 

42 4,  i  hildileik  hafask  Fm  29 2;  bess's  [|>ess  er]  lüta  austr  limar  Sd  10 4; 
ük  nfta  mer  nai  Rfm  l4; 

(2.3)  ok  drüpir  qrn  yfir  Grm  10  4;  hvers  [hverr]  peira  bipr  buinn 
Hgsv  74 4;  at  deila  fe  fojmr  Skm  22 4,  beims  [peim  er]  hefr  of  fjojl 
farit  Hgv  34;  ok  kennir  g'ott  gumnni  Hgsv  1 17 4,  fieims  [peim  er]  leynir 
gup  guma  üftjrsv  56 2;  es  bat's  [pat  er]  til  hatrs  hugat  Rm  84;  ok  verp 
pins  mildr  matar  Hgsv  58 2,  ok  vsettak  mins  munar  i7^r  95 2,  en  bu 
til  mins  munar  -F)'502,  ok  ber  i  munn  migu  Ls  344;  es  veit  ä  sik 
sakar  fl^s^;  32 4,  ok  veldk  [veld  ek]  bö  sjalfr  sumu  F?w  25 4,  ok  v<$ru 
sjau  saman  >S7  5 6 2 ;  ok  vill  bann  tein  taka  Fj  27 4  28 2;  bess's  [bess 
er]  bykkir  yant  yesa  *S7  282; 

(1.  2.  3)  ok  haltu  heim  heban  .?}'  34,  ok  haldib  heim  heban  Rm  94. 

Antn.  Hierher  sind  ferner  die  folgenden  verse  xu  stellen,  in  denen  gering- 
fügige emendationen  vorzunehmen  waren:  (2.  3)  bars  kafbak  [ek  haf[)a]  eitt  etit 
Hqv674,  ä[>r  ribak  [ek  riba]  heim  heban  SkmS92,  bot  [bot  batj  se  vib  lost  lagit 
FjAl4;     (1.2.3)  es  kvarak  [ek  kom]  vib  kirm  konu  Gautr  22. 

§  162.  Auflösungen  in  BC2.  a)  auf  der  eingangssejikung: 
(1.2)  e])a  ljötr  ok  lägskapapr  .fli/sv  62 4;  (1.3)  ok  es  jarni  klingt  utan 
Herv  552;  6j  aw/  tfer  binnensenknng:  (1.2)  bair  hverfa  of  hodd 
goba  örm  272,  en  meira  ä  mänabi  i?j?i;  73 7,  en  svartir  i  sand  grafask 
Herv  40 4,  ok  vaxa  ok  yel  hafask  Hgv  1412;  (2.3)  Jm  fant  at  ek  lauss 
lifi  Fm  84;  (1.  2.  3)  ok  gangip  i  gogn  grami  Eir  4-;  cj  aw/  der 
zweiten  hebung:  (2.3)  en  binar  fiandr  flugu  5te  124. 

Anm.  Hierher  sind  ferner  wol  auch  die  folgenden  verse  xu  stellen,  in  denen 
entbehrliche  Wörter  gestrichen  ivurden:  b)  (2.  3)  ef  [ef  bann]  a  ser  i  vrq  veiii  Hqv 
26 2,  ef  [ef  per]  kvgemit  i  hverst  I)vari  HHv  18  4;  c)  (2  3)  ok  [ok  pü]  stigir  feti 
framarr  Skm  412.  —  Eine  grössere  änderung  wird  in  dem  verse  (b)  Ket  19 4  vor- 
zunehmen sein:  (1.  2)  es  skyldi  i  sker  koma  [er  (kingat  add.  E)  kominn  er  i 
skerin  hss.]. 

§  163.  Zwei  nicht  v er schleifbare  silben  sind  in  den  Sen- 
kungen mehrfach  bezeugt:  a)  auf  der  eingangssenkung:  (1.2)  kalla 
alfar  ärtala  Alv  14 4,  kalla  dvergar  dags  veru  Alv  22 4,  kalla  d vergär 
draumnJQrun  Alv  30 4,  kalla  gneggjuj)  ginnregin  Alv  20 2,  kalla  grimu 
ginnregin  Alv  30 2,  ok  J)ü  lagpir  la^r  yfir  Ls  204;  (1.3)  ef  [ef  pü]  vilt 
göpan  vin  geta  Hgsv  115 2,  ok  ber's  [ber  er]  grunr  at  hans  gebi  Hgv 
46 2;  (2.  3)  peirar's  [beirar  ei]  lQgbumk  arm  yfir  Hgv  107 4,  bvit  [bvf 
at]  ek  vissa  fätt  fyrir  Sl  35 2,  bess's  [pess  er]  of  raargan  gengr  guma 
Hgv  93 2,  at  beim  mundi  heill  hrapa  Sl  92,  svät  [svä  at]  hon  mjetti 
hvil])  hafa  Sl  46 4,  näbi  engi  kvikr  komask  Sl  l4,  pat  vill  hann  fyr 
tafn  toka  Hgsv  1344,  an  pü  pykkisk  yerpr  yesa  Ifysv  38 2;  fy  «?</"  der 
binnensenknng:   (1.2)   ok  väfir  mep  vilmQgum   i/pz;  1339;     (2.3)  ef 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  481 

vissak  [ek  vissa]  f>at  far  fyrir*  Rm  74,  ok  hittumk  i  yik  Varins  HHv 
22 2.  —  Dazu  ein  ve?'s  (a),  in  dem  die  letzten  beiden  silben  einer  drei- 
silbigen eingangssenknng  verschleifbar  sind:  (1.2.3)  kalla  i  helju  lijalm 
huli|)s  Alv  184. 

Anm.  1.  Zweisilbige  eingangssenknng  und  zweis ilbige  binnen- 
senkung  ist  einmal  bezeugt:  (2.3)  vilt  [vildu]  af  hqniiiii  bo  gott  geta  Hqv  452; 
ebenso  einmal  zweisilbige  eingangssenknng  und  auflösung  der  zweiten 
Hebung:  (1.2)  kalla  d vergär  Dvalius  leika  Alv  16'2.  Auch  zweisilbige  binnen- 
senkung  und  auflösung  der  eingangs  Senkung  ist  einmal  überliefert:  (2.3) 
nema  [nema  bu]  fryj)ir  mer  hvats  hugar  Fm  304. 

Anm.  2.  Auch  drei-  und  mehr s  ilbige  eingangssenknng  kommt  zu- 
weilen vor:  a)  dreisilbige  eingangssenknng:  (2.  3)  ok  vilt  [vildu]  af  hqnum 
gott  geta  Hqv -li-;  (1.  2.  3)  ättat  [attatu]  her  verndarvanr  veru  Fj2*;  b)  vier- 
silbige eingangssenknng:  (1.  2)  hvärgi  mätti  aunars  on  vesa  Sl  ll2;  (1.3)  ok  verbr 
bvi  en  folva  gygr  fegin  Fj  294.  —  Dazu  ein  vers  mit  fänfsilbiger  eingangssenknng, 
in  dem  jedoch  die  letzten  beiden  silben  verschleifbar  sind:  (1.  3)  es  beir  hofbu  i 
Rygjardal  ribit  Sl  22-. 

Anm.  3.  Viersilbige  binnensenkung  ist  einmal  überliefert :  (1.  3)  ok 
J)öttiska  bü  bä  J>6rr  vesa  Ls  60 4.  bü  bä  ist  jedoch  entbehrlich  und  wird  von  Sijmons 
gestrichen. 

§  164.  Katalektische  BC-verse  sind  selten:  (l.  2)  at  liüsurn  Haralds 
Hiev  22 :i;  (2.3)  ok  gakk  i  Iiqü  horskr  Eirl2,  ok  Jieira  systr  sjau 
Sl  79 4. 

§  165.  3)  CG.  a)  Für  den  typus  CGI  (xjiI  '  _ix)  fand  ich 
nur  ein  bcispiel,  in  dem  die  ziveite  hebung  verschleift  ist:  (1.2)  f  onn 
ofanverjja  Skm  31 5. 

§  166.  b)  Der  typus  CC2  (x  _i  I  _£. .  ^  x)  kommt  dagegen  öfter  vor: 
(1.3)  |)ü  'st  [f)ü  ert]  alsvifr  joturm  Vm  34  4,  J)at's  [pat  er]  ösnotrs  af)al 
#^>1026;  mitt  banorp  bera  Fm  39-';  fyr  Dellings  durum  j&™  38 2 
39 2  40 2  412  42  2  43-'  44 2  45 2  46 2,  dömvalds  dyra  SZ292;  ok  göp 
verk  gera  Hgsv  l2;  an  manvit  mikit  Hgv  6K;  fyr  nägriudr  nepan  Skm 
35 2  Ls634  -f)'262;  fyr  Sigtfs  soluni  Filf  7  7,  ok  snapvist  snapir  Ls 
44 2,  i  Suttungs  SQlum  i7^r  1034,  en  Svosu])r  Surnars  Vm272;  ok  vaiiim- 
lauss  yesa  Hgsv  32,  ok  vanmettr  vesa  Sl  32,  es  Tel  mart  vitu  Hgv  54 4, 
ok  Tel  mart  vitu  Fm  122  14 2,  ok  vigdjarft  vesa  Hgv  15 2;  (2.  3)  unz 
sinn  bij>r  bana  Hgv  154,  at  sä  gengr  gumi  Hgv  157 4,  ok  ri|)  heim 
hefjan  Fm  20 2,  at  Tpann  hjalm  hafi  Fm  194,  {»ei ms  |j)eim  er]  sjalfr  heelt 
hefir  Hgsv  123 2,  ef  J)at  klifr  kona  Fj  36 4,  ne  Jpvis  [])vi  er]  kvepr  kona 
J^v  83 2,  at  vit  samt  seiru  Skm  74,  ok  dregr  sekk  saman  Hgsv  89 2. 

Anm.  Hierher  sind  ferner  auch  icol  die  folgenden  verse  zu  stellen,  in  denen 
entbehrliche  Wörter  gestrichen  wurden:  (1.3)  ves  [ves  bü]  glabmteltr  gumi  Hgsv 87*. 

*)  Glatter  würde  der  vers,  wenn  man  umstellte:  ef  vissak  far  bat  fyrir  (BB 2). 


482  GERING 

an  [an  se]  manvit  mikit  Hqv  10-  ll2  (vgl.  Hqv  66),  ef  [ef  \>i\]  lastvarr  lifir  Hgsv  83 2, 
pot  [pot  bann]  lastvarr  lifi  Hgsv  22 4.  —  Auch  der  vers  Gfrm  39 2  «■*>£?,  we/m  cfoe 
besserung  von  Sijmons  das  richtige  getroffen  hat,  hierher  gehören:  (1.3)  til  isarn- 
vi]>ar  faZZ#.  r:  rocal). 

§  167.  Auflösungen  in  CC2:  a)  auf  der  eingangs  Senkung: 
(1.3)  efm  alsvipr  JQtimn  Vm  64,  ef  ä  sik  veit  sakar  i^/.sy  146  -',  efm 
yerlauss  yesa  «S/cm  312;  (2.  3)  ne  of  pat  onn  ala  Hgsv  64 2,  ne  of  pat 
onn  ali  Hgsv  37 2  1212,  ne  at  pvi  ganm  gefa  Hgsv  147 2,  ne  at  peirn 
gaum  gefir  Hgsv  99  *,  nema  panns  [pann  er]  sapr  sei  &/232,  skylit 
ma[>r  J>Qif  Jjola  Höv  39 2;  />j  ««/"  der  ersten  Hebung:  (1.2)  ok  vaka 
Torpr  gopa  Ls  48 4;  (2.  3)  ok  vesa  göj)r  gjafa  Hgsv  89  4,  ok  dugir  Tel 
Tinum  Hgsv  532;  cj  «/-/"  der  zweiten  hebung:  (1.  3)  at  oldrupum 
afa  i7</sy  117 2,  es  her  kvefit  kefi  Hgsv  103 2,  ör  Leirbrimis  linmrn 
Fj  12 2,  vip  SvafrJ)orins  syni  Fj  82;  (2.  3)  hann  steh*  ge|)i  guina*  üfpi; 
132;  d)  auf  der  eingangssenkung  und  ersten  hebung:  (2.3)  ef 
er  vilif)  heyrt  hafa  Hl  l4;  ej  auf  der  erstell  und  zweiten  hebung: 
(1.3)  ä  feginsdegi  fira  Sl  82 2. 

§  168.  Zwei  nicht  verschleif  bare  silben  sind  in  der  ein- 
gangssenkung mehrfach  überliefert:  (1.2)  kalla  am  uppregin  Alv  104; 
(1.3)  ok  hann  fjorg  q11  fiar  Ls  19 4,  säs  [sä  er]  vill  fljöps  qst  faa  Hgv 
91 2,  ok  pat  gjaforp  geta  Alv  64  7 2,  säs  vill  göps  Qst  geta  Hgsv  18 2, 
kalla  hlippang  kalir  Alv  28 2,  hykk  [hygg  ek]  at  Svipdagr  sei  i*}'444, 
kalla  vindflot  yanir  ^?y  18 2,  kalla  vindslot  vanir  Alv  22 2,  pu  'st  [pu 
ert]  se  visastr  yera  Vm  55 6.  —  Dazu  noch  ein  vers  mit  auflösung  der 
ersten  hebung:  (1.  2)  pä  hann  yeginn  vaknape  Sl  62.  —  Dreisilbige 
eingangssenkung ,  in  der  jedoch  die  beiden  letzten  silben  zu  ver schleifen 
sind,  findet  sich  zweimal:  (1.  3)  ok  ern  sextän  saman  Herv  612;  (1.  2.  3) 
peygi  emk  [em  ek]  mins  mildr  matar  Fj  42. 

Anm.  1.  Ausserdem  gehören  icol  auch  die  folgenden  beiden  verse  hierher, 
in  denen  eiuendationen  vorzunehmen  waren:  (1.  3)  ef  vilt  [pu  vilt]  vinsrell  vesa 
Hgsv  55 2;  (1.2.3)  J)eygi  at  heldr  haua  hefik  [peygi  ek  hana  at  heldr  hefik]  Hqv  95 4 
(verschleifung  der  letzten  beiden  silben  in  der  dreisilbigen  eingangssenkung). 

Anm.  2.  Dreisilbige  eingangssenkung  ist  selten:  (1.  2)  peims  [peim  er] 
vilja  mitt  mal  nema  HIY2\  (1-3)  ok  vilja  heims  skrum  hafa  Hgsv  68*,  ok  pykkisk 
välapr  vesa  Hgsv  105 4;  (2.  3)  ok  hugbak  pat  args  apal  Ls  23 6  24 4.  Dazu  auch  tool 
ein  vers,  in  dem  fünfsilbige  eingangssenkung  durch  Streichung  von  zwei  silben  zu 
kürzen  sein  wird:  (1.3)  pot  [pot  hqnum]  verpi  skapapr  skapi  Hgsv  132 2  (Verkürzung 
der  ersten  hebung). 

§  169.  Von  katalektischen  CC-versen  sind  nur  ivenige  beispielc 
überliefert  (alle  mit  zweisilbiger  eingangssenkung) :  (1.3)  alls  mer  Bopmöpr 

*)  Sievers  stellt  diesen  vers  zu  AG,  aber  hann  ist  schwerlich  höher  betont 
gewesen  als  sieh. 


DIE   RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR 


483 


b£pr  Ket  32%  q11  eru  lostverk  lett  Hgsv  87 4;  (2.3)  fär  kann  ösnotr 
svä*  Hgv  159 4.  —  Umstellung  ist  wol  vorzunehmen  in  dem  verse  Skm 
43 3:  (1.3)  an  sjä  lifnott  liolf  [botf  hynQtt  hss.]. 

§  170.  4)  DC.  a)  Der  typus  DC1  (j.\j-.-lx)  ist  nur  durch  xivei 
beispiele  vertreten  (eins  mit  auflösung  der  ersten  Hebung):  (1.2)  Bragi 
l)ekkskrautul)r  Ls  152,  tveim  tr&nonnum  Hgv  49 2. 

b)  Auch  der  typus  DC2  (j.\  j.  vjx)  ist  nicht  häufig:  (1.2)  Baldrs 
bälfarar  FM  5 13,  fripr  fimm  daga  iJpy  512,  lundr  lognfara  Skm  40 2 
42 2;     (1.3)  lipskjalfr  Loki  ^)*  34*,  iQnd  oll  limar  Fj  134. 

Anm.  Auflösung  der  ersten  hebung  kommt  einige  male  vor :  (1.2)mikil 
mins  bQfubs  Äw62,  mikiun  möptrega  S/cm  4'-;  (1.3)  konungmabr  komi  Hhn  20*, 
Veratyr  vesa  GVm  32;  (2.3)  sumar  dötr  Dvalins  F>;>  134;  (1.2.3)  vinar  vinr  vesa 
Hqv  43*.  —  Auflösung  der  zweiten  hebung  ist  nur  einmal  bezeugt:  (2.  3)  umb 
skobask  skyli  Hqv  V. 

Cap.  22.     IV.  D-verse. 

§  171.  1)  AD.  Nur  xivei  beispiele  von  dem  erweiterten  typus 
AD*  (j.  x  l  ±  x  '  ^  x)  die  beide  die  nebenhebung  auf  der  xiueiten  (kurzen) 
silbe  tragen:  (1.  2)  viti  hafa  at  Tarnapi  Sl  19 4  (v  er  Schleifung  der  zweiten 
hebung);  (1.2.3)  ergi  ok  opi  ok  öpola  Skm  37 2  (verschleif ung  auf 
den  beiden  binnensenkungen) . 

§  172.    2)  BD.     Ich  fand  nur  ein  beispiel  für  den  erweiterten 

tyjus  BD*  (x  ±  I  x  2.  x    '  ^  x),  in  dem  die  nebenhebung  ebenfalls  auf 

der  zweiten  (kurzen)  silbe  steht:  (1.  3)  ok   svelgr  hann    allan   SigfQpur 

Ls  58 4. 

Cap.  23.    V.  E-verse. 

§  173.  1)  AE.  a)  Zaun  typus  AFI  (zxl^ix.z)  sind  wol  die 
folgenden  verse  zu  stellen:  (1.2)  opt  ser  ögott  of  gelr  Hgv  29 4,  drüpa 
dynheimum  i  Sl  39 2;  (2.  3)  brigp  'ru  [eru]  titlendra  orp  Hgsv  46 4, 
hirp  {)itt  velfengit  fe  Hgsv  72  (auffallende  alUteration),  fär  hyggv 
peggjanda  J)Qrf  Sl  28 4,  fätt  gatk  [gat  ek]  pegjandi  J)ar  Hgv  103 2. 

Anm  1.  Auflösung  der  ersten  Senkung  findet  sich  dreimal:  (2.  3)  b?er 
bera  eiuherjuui  q1  Grm  36 e,  berbu  fyr  ömalgan  upp  Hgsv  73 2,  beil  sja  en  f jglnyta 
fold  Sd32. 

Anm.  2.  Kürzung  der  zweiten  hebung  ist  einmal  belegt:  (2.  3)  unna 
vaningja  vel  Skm  384;  zweimal  findet  sich  kürxung  der  nebenhebung:  (2.3) 
drekk  {m  värliga  vin  Hgsv9'2,  get  {ni  VQlubum  vel  Hqv  134 5. 

Anm.  3.  Nur  einmal  findet  sich  die  nebenhebung  auf  der  dritten  silbe 
des  zweiten  fusses  (neben  auflösung  der  ersten  hebung):  (2.  3)  flugu  svä  margir  sem 
my  £Z534. 

*)  Sievers  stellt  diesen  vers  zu  AB  und  nimmt  anreimung  an  die  vorher- 
gehende langzeile  an.  Aber  beispiele,  dass  das  zweite  glied  einer  compos.  die 
alUteration  trägt,  sind  auch  sonst  nachgewiesen. 


484  GERING 

§  174.  b)  Zinn  t g pus  AE '2  (j.  x  I  j_ a.  x  ^x)  gehören  die  folgenden 
verse:  (l.  2)  ffe  mep  almotkum  guj)i  81  74;  (2.  3)  veittu  fätokum  frama 
Sl  70 2,  opt  verpr  kvalrsepi  af  konum  Sl  10  -  (verschleif hing  der  zweiten 
Senkung),  vinnat  skJQldungar  skqpum  HH  II  212. 

Anm.  1.  Auflösung  der  ersten  Senkung  ist  ein  paarmal  bezeugt: 
(1.  3)  Gondlir  ok  Härbarpr  ine])  gopum  Grm  49 6;  (2.  3)  se  kvepa  bandingja  hifask 
Fm  7*.  Dazu  ein  vers,  in  dem  bereits  Sievers  eine  emendation  vorgenommen  hat: 
(2.3)  sva  vorumk  [var  mei]  vilstigr  of  vitapr  Hqv  99 4. 

Anm.  2.  Nebenhebung  auf  der  dritten  silbe  des  zweiten  fusses  findet  sieh 
nur  zweimal:  (2.3)  brigpr  es  karla  hugr  konum  Hqv  902;  (1.2  3)  I>6  gekk  [g.  ek] 
J)orstalauss  ]>af)an  üerr  33 4. 

Anm.  3.  Für  den  erweiterten  typus  A*E2  (J.  x  I  ±  i.  X  .  v£X)  ?'s£  ^^r  em 
beispiel  vorhanden:  annan  veg  almQtkum  gupi  <S?  17 4. 

§  175.  2)  BE.  a)  Für  den  typus  BEI  (xz'xzix  j)  gibt  es 
nur  ivenige  beispiele:  (2.3)  ok  byprat  IlpQndum  loj)  Fj  32,  ok  segja 
NiphQggvi  nipr  Gnu  32 4,  ef  hefr  [liann  hefr]  ser  veltraustan  yin  Herv 
36 4,  sä  byr  i  polleyju  purs  HHv  25 2.  Da«?«  em  vers  ?/227  neben- 
hebung  auf  kurzer  silbe:  (2.  3)  pä  heyrpak  [heyrpa  ek]  grimmligan 
gny  SJ572. 

§  176.  b)  Häufiger  ist  der  typus  BE2  (x/lx^ix(^x):  (2.  3) 
ok  gjalda  lausung  vip  lygi  iZpi'454.  ok  halda  lijarpläsar  niu  Fj  26 4, 
panns  [pann  er]  liggr  1  Vipofnis  yolnm  Fj  SO2. 

Anm.  1.  Ferner  gehören  wol  noch  die  folgenden  verse  hierher,  in  denen 
unbedeutende  änderungen  vorgenommen  sind:  (2.  3)  hvar  vaerimk  [mer  vseri]  greipastar 
gotur  Sl  524,  es  vask  ("pa  ek  var]  i  kvolheima  kominu  S/532,  es  [es  hann]  hafjji 
saklausaa  svikit  Sl  (34. 

Aum.2.  Auflösung  der  eingangssenkung  kommt  einmal  vor:  (1.  2.  3) 
papan  Frqkumk  vindkalda  vega  .F)' 47 -\  Hierher  vielleicht  noch  der  folgende  vers,  in 
dem  ein  entbehrliches  wort  zu  streichen  sein  wird:  (2.  3)  epa  hef [>i  [h.  honuni] 
Suttungr  of  soit  Hqv  1085.  —  Auflösung  der  ersten  binnensenkung  ist  einmal 
bezeugt:  (2.3)  ok  seldu  at  gislingu  gopum  Vm392.  Ausserdem  wird  noch  ein  vers 
hierher  zu  stellen  sein,  den  bereits  Wisen  dureh  eine  leichte  änderung  gebessert 
hat:  (2.3)  at  peir  'u  i  kuuuleik  [kunleikum]  vip  konung  Hkv  19 2. 

Anm.  3.  Zweisilbige  eingangssenkung  nebst  auflösung  der  ersten 
binnensenkung  ist  einmal  bezeugt:  (2.  3)  ok  vas  |>at  sa  enn  lsevisi  Loki  Ls  54 5. 
Dazu  käme,  falls  die  conjeetur  von  Sijmons  das  richtige  getroffen  hat,  der  vers 
.■!//■ -I1:  (2.  3)  at  fä  einn  f>er  gjafoip  nie])  gojium.  — Zweisilbige  binnensenkung 
kommt  ebenfalls  einmal  vor:  (2.  3)  ok  le  per  &  fripdrjügrar  farar  Gg  11*.  Dazu 
ein  vers,  in  dem  auch  noch  auflösung  der  eingangssenkung  stattfindet:  (2.  3)  an 
of  hyggi  hverr  ösvipra  apa  Grm  34  \ 

§  177.  3)  CE.  a)  Der  typus  CE1(x^.\jl^x  j.)  ist  selten:  (2.3) 
ok  q11  ginnheilug  gop  Ls  ll2.  Dazu  ein  vers  mit  auflösung  der  ersten 
hebung:  (2.3)  ok  gefip  sitJQndum  sigr  Sd  2*,  ein  vers  mit  kürzung 
der   zweiten    hebung:    (1.  2)    at    uppvesaudi    söl    (alliteration    u  :  v) 


DIK    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  485 

Ket  172;  ferner  zwei  verse  mit  zweisilbiger  eingangssenkung: 
(1.3)  ok  est  fäskrüpugr  at  fe  Hgsv  42 2,  hveinis  vip  kaldrifjafcan  kömr 
(kürzung  der  nebenhebung)  Vm  10 4. 

§178.  b)  Der  typus  CE2  (xj.^j.^x  ^x)  ist  ebenfalls  nicht 
häufig.  Ganz  normal  ist  nur  ein  alliterationsloser  vers  (der  jedoch 
mit  der  vorhergehenden  vollzeile  durch  stab-  und  endreim  verbunden 
ist):  ä  pik  hotvetna  stari  Skm  28 3.  Die  übrigen  beispiele  haben  alle 
auflösungen  oder  zwei-  oder  dreisilbige  eingangssenkung.  Auflösung 
der  eingangssenkung  findet  sich  einmal:  (2.  3)  en  ek  kvarf  kallanr  frä 
kvolum  57  454;  zweisilbige  eingangssenkung  ist  dreimal  belegt:  (1-3) 
|)ik  kvepk  öblaupastan  alinn  Fm  23  4,  pö  hefk  forntiJ)endi  fregit  [fregit 
von  Egilsson  ergänzt]  Hl  22;  (2.3)  nü  vill  oss  hvervetna  haa  Gautr 
32;  dreisilbige  eingangssenkung  kommt  einmal  vor:  (1.3)  pann  vissak 
ämqtkastan  JQtun  HHv  17  2. 

§  179.  4)  DE.  a)  Zu  dem  typus  DE  1  sind  vielleicht  die  folgen- 
den beiden  verse  zu  stellen:  (1.  3)  sexhQfpapan  sun  (^!_^x  ')  Vm  334; 
(2.3)  päs  [pä  er]  fikjask  ä  fe  {j.  I  jl  x  ±.  j)  Sl  34 2. 

§180.  b)  Sicherer  bezeugt  ist  der  typus  DE 2  (zlzix^): 
(1.  2)  opt  öparfra  hluta  Hgsv  99 4,  skjqldr  skinanda  gopi  Grm  38 2; 
(1.  3)  nytsamlikt  at  nema  Hgv  153 2,  vergjarnasta  resa  Ls  11-;  (2.  3)  minn 
dröttinn  of  daga  Skm  34,  heldr  gsetinn  at  gepi  Hgv  62,  illt's  [illt  er] 
yerkpjöfr  at  resa  Hgsv  1444.  —  Dazu  zwei  verse  mit  auflösung  der 
binnensenkung :  (1.  3)  k<T  molkandi  ok  kona  Ls  23 4;  (2.  3)  illt's  [illt 
er]  yälyndum  at  Yesa  Hgsv  123 4;  und  zwei  verse  mit  der  nebenhebung 
auf  kurzer  silbe:  (1.  3)  fröpgepjapar  fara  Vm  48 4,  gepsvinnari  guma 
&U22.  

B.  Zweihebige  verse. 
Cap.  24. 
§  181.  Von  den  von  Sievers  (Altgerm,  metrik  §  57,8)  als  'sicher 
ziveihebig'  bezeichneten  versen  sind  mehrere  m.  e.  doch  als  dreihebig 
anzusehen.  Ohne  zweifei  dreihebig  sind  die  beiden  verse  Hgv  l2  und 
l3:  umb  skopask  skyli,  umb  skygnask  skyli,  von  denen  der  erste  als 
DC2  zu  bezeichnen  ist  (§  170,  anm),  der  zweite  als  DB 2  (§  153). 
Der  sinn  verlangt,  dass  das  umb  stark  betont  wird;  vgl.  %.  b.  prk  l4: 
rep  Jarpar  burr  |  umb  at  preifask,  £Z664:  eldi  umb  siegin,  Hgsv  76 ]: 
umb  litask  |  parf  mapr  ä  alla  vegu.  Wahrscheinlich  liegt  auch  drei- 
hebigkeit  vor  in  dem  verse:  svä  lengi  sem  lifik  [ek  lifi  hss.]  Btn  9- 
Sd  214,  der  ebenfalls  als  DB2  zu  betrachten  ist  (§  153);   zur  betonung 


486  GERING 

vgl.  %.  b.  die  dröttkvaett- verse:  svä  pykt  flugu  si|>an  |  snoridon*  of  sköru 
Hkr  III  55 5.  —  Ferner  wird  mehrfach  im  eingange  von  vollzeilcn  statt 
der  in  der  proklise  abgeschivächten  form  ok  das  ursprüngliche  auk 
herzustellen  sein*,  das  hochbetont  auch  eine  prägnantere  bedeutung  hatte 
(''überdies',  'noch  dazu'  u.  ä.J.  Der  vers  Hgv  32:  auk  ä  kne  kalinn 
wird  von  Sievers  (§  57,  6  f)  vollkotnmen  richtig  als  dreihebig  (AC)  an- 
gesetzt; mit  demselben  rechte  sind  aber  auch  die  folgenden  verse  für 
dreihebig  zu  erklären:  (ABl)  auk  at  lopti  lip  FM 412,  auk  at  morni 
mettr  Rm  25 2,  auk  of  ragna  r«k  Vm  55 4,  auk  inep  snotrum  sitr  Hgv  54, 
auk  at  sumbli  sitr  Hgsv  15'-'  98 2;  (AB 2)  auk  af  baugum  l)ua  Fm  38 2, 
auk  hefr  fJQlp  of  farit  Hgv  182,  auk  und  kvernum  klaka  Ls  44  4,  auk 
mik  sjalfan  et  sama  FM 42,  auk  ek  vilja  vita  Skm  32,  auk  vip  villu 
varask  Hgsv  76 2  109  -;  (DB1)  auk  manzkis  mqgT  Hgv  146 2,  auk  solar 
Syn  77pv  68 2;  (7)52,)  auk  Fäfni  of  farit  Fm  23 2,  auk  segja  et  sama 
Hgv  28 2,  auk  tvinnan  trega  Skm  29 5;  (AC2)  auk  'st  [ok  ert]  a  braut 
buina  Rm  21 2  (.ET'7  haben  statt  dessen  einen  sicher  dreüiebigen  vers: 
ok  til  brautferpar  buinn),  auk  of  grjöt  g'naga  Hgv  104 2.  Auch  in  einem 
verse,  in  dem  die  conjunction  an  zweiter  stelle  steht,  glaube  ich  die 
■unverkürzte,  der  hebung  fähige  form  a?isetzen  xu  müssen:  (DB 2)  grund 
auk  niep  gopum  Vm  15 4  162.  - —  Auch  die  conjunction  en(n)  vermag 
die  hebung  zu  tragen,  vgl.  z.  b.  Hkr  1 141 15:  en  i  kveld  mepan  knyjum, 
Hkr  I  3304:  en  i  gQgn  at  gunni,  HkrIS5S&:  eu  til  lands  pess's  lindar, 
Hkr  II 72 3:  eu  fyr  bor})  pars  bQrpusk  usw.  Wir  sind  demnach  be- 
rechtigt, auch  die  folgenden  verse  als  dreihebig  anzusehen:  (ABl)  en 
ör  beinum  bjqrg  Vm  21 2,  en  til  dölskr  af  clul  Hgv  574,  en  af  liQndum 
hapt  Hgv  149 5,  en  ör  sveita  sser  Vm  214  GrmAO2;  (AB  2)  en  af  fötum 
fJQturr  Gg  105,  en  ör  hausi  himinn  Grm  40 4,  en  til  sip  i  suma  Hgv 
66 2,  en  at  yirpi  yrekask  Hgv  32 2;  (DB  2)  en  svartan  of  sumur  Herv 
50 4.  —  Ebenso  ist  die  conjunction  unz  der  hebung  fähig,  vgl.  pörs- 
drdpa  91:  unz  mep  yta  sinni;  mithin  können  auch  die  folgenden  verse 
als  dreihebig  gelten:  (AB 2)  unz  of  rjüfask  regin  Grm  44  Ls  41 2; 
(DB 2)  unz  rjüfask  regin  Fj  20 4  »Sdl97.  —  Dass  die  conjunction  pöt 
alliteration  und  hebung  tragen  kann,  beweist  z.  b.  der  vers  Hgsv  23 2 
$  736ty:  J)öt  hon  J)r?ela  saki  (vgl.  auch  Hgsv  118 :!,  oben  §  57,  2.  115  a.l); 
daher  können  auch  die  nachstehenden  verse  als  dreihebig  betrachtet 
iverden:    (AB 2)  pöt  til   kynnis  komi  Hgv  30 2,    pöt  hann   ineira  megi 

*)  Im  dröttkvpett  sind  verse,  die  mit  betontem  auk  beginnen,  gar  nicht  selten; 
vgl.  %.b.  auk  til  möts  ä  Meita  Hkr  I  285 15,  auk  vif.  frost  at  freista  JTÄrJ29917, 
auk  jieirs  optast  tuku  Hkr  II 352 1S,  auk  hefr  odda  Leikuar  Hkr  II  400a,  auk  at 
isarnleiki  Hkr  II 490 b  usw. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  487 

Hgsv  63 2,  J)öttu  meira  megir  Hgsv  48 2,  pöt  pik  liQtt  of  nemi  5tf264, 
pöt  bann  sofi  smala  Hgsv  1144,  J>6t  [|)6]  vip  skylda  skyli  <$/  48 4.  — 
Endlich  ist  auch  die  conjunction  neraa  «/.s  hebungsfähig  erwiesen  durch 
den  vers:  fätt's  til  nema  jätta  H kr  III 133  23,  sodass  die  folgenden  beiden 
verse  ebenfalls  das  regelrechte  mass  haben  dürften:  (ABl)  nema  bann 
liiseli  til  mart  Hgv  274,  nema  per  sJQlfum  ser  Hgv  125 5;  (AB 2)  nema 
vip  pat  11k  at  lifa  Hgv  96 4. 

§  182.  Nach  abzug  dieser  verse  bleiben  nur  die  folgenden  als 
■x  iceihebig  zurück : 

(BT)  vip  jotna  sfett  Skm  84,  es  und  oprum  ätt  Hgsv  28 2,  ef  bann 
fellr  i  frä  Orm  38 4,  peims  [peim  er]  liangir  mep  liQm  Hgv  133 7,  ne 
härm  in  heldr  Sd  36  -,  ne  hests  in  heldr  Hgv  614,  epa  at  lopti  lipr 
-FL1/49,  ef  pü  mselir  til  mart  Ls  54,  ok  mselir  vip  mik  Hgv  157 5,  ef 
[ef  hann]  mep  snotrum  sitr  Hgv  244,  epa  sonnu  sagpr  Sd,  25 3,  ok  skoliir 
mep  skrQm  Hgv  133 8; 

(B2)  i  aupn  of  alin  Hm  29 4,  at  ens  frupa  Fjalars  Hgv  14 -',  ept 
genginn  guma  Hgv  72 2,  at  göpu  getit  Hkm  19 4,  fyr  greyjum  Oymis 
Skm  II4.  i  gQrpum  gopa  Vm  2'-',  til  hallar  hinig  Hkm  14 4,  epa  heitip 
mik  hepan  Ls  74,  i  hufi  hafa  Hgv  64 2,  at  manzkis  luunum  Skm  20 2 
24 2,  epa  mengi  til  mikit  Eir  2\  at  er  maäla  ne  megup  Ls- 72,  epa 
liQtt  mep  nipum  Vm  24 4,  epa  söl  et  sama  Vm  22 4,  epa  min  systir  sei' 
Hgv  163 6,  hjä  SQngvi  svana  EM  214,  ok  ek  vilja  vita  Fj  72  92  ll2  13 2 
152  172  192  212  232  252  272  292  312  332  352  372  392  412,  ef  pü 
Till  pat  Tita  Fj  20 2  24 2,  ne  vissa  vana  Skm  172  18 2; 

(C2)  ef  [ef  bann]  vip  ylg  varask  Hgv  16 2; 

(FJ  gnöga  of  gefit  Gg  14 4,  möpug  ä  miinap  Sl  772,  njöti  säs  nam 
Hgv  1374  ^^.  ^  255,  fussnote),  njöttu  ef  [ef  pü]  namt  Ärf  19°,  nfsta 
ek  nipr  Hgv  139 2,  iiyt  ef  [ef  pü]  nemr  i7^  162 5,  pQrf  ef  [ef  pü]  piggr 
Hgv  162 6  —  m  summa  38  verse,  d.  h.  icenig  mehr  als  2°/0. 

Erwägt  man,  dass  unter  dieser  geringen  anzahl  vermutlich  noch 
ein  'paar  falsch  überlieferte  verse  enthalten  sind  (Skm  ll4  liegt  es  nahe 
zu  emendieren:  greyjum  Gymis  fyrir;  Vm  2 2  war  vielleicht  die  ursprüng- 
liche lesung:  äsa  gQrpum  i,  vgl.  Ls  37 2  u.aj;  erwägt  man  ferner,  dass 
von  den  ziveihebigen  volkeilen  mehrere  die  strophe  überfüllen  (Hgv 
133 7-8,  ivo  die  beiden  endreimenden  Zeilen  nicht  den  abschluss  der 
strophe  bilden,  sondern  erst  die  folgende  zweifellos  dreisilbige  dies  tut; 
Sd  253  Hgv  1575  162 5-6  Sd  196-7),  so  erscheint  es  ziveifelhaft ,  ob  man 
befugt  ist,  ziveihebige  verse  in  V  als  erlaubt  zu  bezeichnen.  Es  fragt 
sich  ebenfalls,  ob  nicht  auch  Wörter  tvie  epa,  ne,  ef  unter  umständen 
die  hebung  auf  sich  ziehen  konnten  (in  den  Strophen  der  Ileimskringla 


488  GERING 

finde  ich  freilich  kein  beispiel);  haben  ja  doch  —  wenn  auch  äusserst 
selten  —  einzelne  skalden  es  sogar  geivagt,  die  conjunction  es  oder 
eine  präposition  hebung  und  Stabreim  tragen  zu  lassen,  vgl.  z.  b. 
Hkr  II  383 5  es  vip  Aleifs  fJQrvi  (Sigvatr);  i77  5914:  til  HriDgstapa 
iljar  (JyjöÖölfr  Arnorsson) .    Vgl.  auch  §  126,  anm.  1. 


C.   Verse  von  vier  und  mehr  hebungen. 

Cap.  25. 

§  183.  Ob  es  gestattet  ist,  verse  mit  mehr  als  drei  hebungen  in 
V  als  eine  licenz  zu  statuieren,  erscheint  bei  der  äusserst  geringen  zahl 
der  fälle  höchst  ziveifelhaft.  Wo  sich  die  möglichkeit  bietet,  die  verse 
durch  emendation  auf  das  normale  mass  zu  bringen,  wird  man  daher 
unbedenklich  von  diesem  mittel  gebrauch  machen  dürfen.  Es  ist  in 
den  folgenden  vollzeilen  anwendbar: 

1)  Grm  2i:  Greirropar  simr  Grotna  landi.  Dieser  vers,  der  auch 
gegen  das  Buggische  gesetz  verstö'sst,  also  sicherlich  falsch  über  lief ei't 
ist,  ist  bereits  von  Sievers  (Beitr.  6,  355)  durch  conjeetur  gebessert 
ivorden.     Sievers  liest:  Greirrepar  sunr  Gfotum  (A*C2). 

2)  Skm  272:  liorfa  lieimi  ör,  snugga  heljar  til.  In  dieser  sechs- 
hebigen  (!)  vollzeile  hat  bereits  Sijmons  die  icorte  heimi  ör  snugga  als 
Interpolation  ausgeschiede?i.  Dadurch  erhalten  wir  den  normalen  vers: 
horfa  heljar  til  (ABl). 

3)  Alv  14 2:  kalla  hverfanda  kvel  helju  i.  Das  wort  hverfanda 
ist  als  interpoliert  zu  streichen.  Was  übrig  bleibt,  ergibt  einen  vers 
GBl  mit  zweisilbiger  eingangssenkung. 

4)  Skm  24 4:  vigs  ötraupir  at  ykkr  vega  tipi.  Dieser  unvers,  der 
ebenfalls  dem  Buggischen  gesetze  zuwider  ist,  enthält  sicher  auch  eine 
interpolation.  Ich  habe  schon  früher  (Beitr.  13,  206)  vigs  ötraupir 
ausgemerzt  und  die  beiden  Schlussworte  umgestellt.  Dadurch  entstellt 
ein  regelrechter  vers:  at  ykr  tipi  vega  (CB2). 

5)  Grm  514:  ollum  einherjum  ok  Opins  hylli.  Auch  dieser  vers 
hat  einen  metrisch  unmöglichen  ausgang  und  die  hand  eines  unbefugten 
schlimnibesserers  verrät  ausserdem  der  ganz  sinnlose  dativ  ojlum  ein- 
herjum (man  müsste  erwarten:  allra  einherja).  Da  Opins  huld  schon 
in  der  vorhergehenden  zeile  erwähnt  ist  (minu  gengi),  so  war  es  ganz, 
überflüssig ,  sie  hier  nochmals  aufzuführen;  ok  Öpins  hylli  dürfte  daher 
als  interpolation  zu  streichen  sein.     Stellen   ivir  ausserdem   den  not- 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  489 

wendigen  genet.  her,  xu  dem  natürlich  noch  ein  ok  gehört,  so  erhalten 
wir  einen  normalen  vers:  ok  allra  einherja  (BC1). 

6)  HHr  16 4:  ok  vaxi  J>er  a  babmi  barr.  Das  fier  kann  als  über- 
flüssig gestrichen  werden,  sodass  ein  regelrechter  vers  BB1  (mit  ver- 
Schleifung auf  der  ersten  binnensenkung)  entsteht. 

7)  Ls  24:  mangi  es  per  i  orßi  rinr.  Lies:  neinn's  f)er  i  or[>i 
vinr  (ABl  mit  verschleifuug  der  ersten  Senkung)?  neinn  kommt  frei- 
lich in  den  eddischen  liedern  sonst  nicht  vor. 

8)  Hör  66 4:  sjaldan  hittir  leifir  i  li|>.  Lies:  hittira  leibr  i  lib 
(ABl)? 

9)  Grm  39 4:  sä  skal  fyr  heiba  brribi  himins.  sä  ist  mit  Sijmons 
zu  streichen  (BB2,  s.  §  143  a). 

10)  Air  34:  b reg{)i  engi  fostu  heiti  fira.  Lies:  skalat  bregba  festum 
fira  (BB2,  s.  §  143 a). 

11)  Sl3i:  peims  ä])r  hafpi  yälyndr  verit.  Lies:  es  bafbi  välyndr 
verit  (CO 2  mit  dreisilbiger  eingangssenkung)? 

12)  Sl  13-:  engan  mottu  beir  sötan  sofa.  Lies:  möttut  beir  s<>tan 
sofa  (A*2B2J? 

13)  Sl  60 2:  jbäs  [bä  er]  eigi  mottu  bjönustu  na.  Der  vers  erweist 
sich  schon  durch  dir  fehlende  alliteration  als  verderbt;  lies:  es  J)ogut 
j>jönustu  (BC1)? 

14)  Sl  83 i:  es  äbr  heyf>i  Sölarljöps  SQgu.  Lies:  es  nam  Sölarljöbs 
sogu  (BC2  mit  zweisilbiger  eingangssenkung)? 

§  184.     Keine  besser nng   weiss   ich   für  die  folgenden  vier  verse: 

15)  Hgv  IIP:  epa  J>ü  leitir  ber  innan  üt  stapar  /^C2  mit  fünf- 
silbiger  eingangssenkung,  die  durch  Streichung  von  bu  um  eine  silbe 
verkürzt  werden  könnte?). 

16)  Hat  100 4:  ef  svä  f;er  alla  hätta  ort.  Da  das  svä  unbedingt 
eine  hebung  tragen  muss,  scheinen  hier  wirklich  vier  hebungen  vor- 
zuliegen, was  um  so  auffallender  ist.  als  es  um  einen  vers  aus  Snorris 
mustersammlung  sich  handelt. 

IT)  Hgsr  14 4:  unn  \m  beim  es  f>ik  elska  vel  (??). 
18)  Hgsv  97 -:  ef  margfrobr  vilt  vesa.    Ein  überaus  schlechter  vers, 
da  das  einzige   nomen  des  satxes  nicht  an  der  alliteration   teil  nimmt. 


ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       BD.  XXXIV.  32 


490 


Anhang. 
Statistische  übersieht  üher  die  typen  der  vollzeile. 


AA 

4 

Übertrag: 

1126 

Übertrag : 

1571 

AA2k 

10 

AC1 

10 

BD* 

1 

BA2k 

8 

A*C1 

1 

AE1 

13 

CA2k 

5 

AC2 

211 

AE2 

9 

DA2k 

2 

A*C2 

8 

A*E2 

1 

ABl 

243 

ACkat 

7 

BEI 

5 

A*B1 

9 

A*Ckat 

4 

BE2 

14 

AB  2 

317 

BC1 

13 

CE1 

5 

A2B2 

7 

BC2 

94 

CE2 

6 

A*2B2 

10 

BCkat 

3 

DE1 

2 

BB1 

109 

CC1 

1 

DE  2 

13 

BB2 

168 

CC2 

73 

Bl 

12 

CB1 

47 

CCkat 

4 

B2 

19 

CB2 

98 

DC1 

2 

C2 

1 

DB1 

7 

DC2 

12 

F 

7 

DB  2 

82 
1126 

AD* 

2 

4 heb.  verse 

4 

1571 

1683 

Versregister. 


Alv  lx:2.  81,1.  12:130.  13:4.  75,1.  l4:157a.2.  24:32.  84a.l.  22: 131.  23: 
2.  97a.l.  24:142.  31 : 6  a.l.  93  a.l.  32:126.  33:55.  93a.l.  3':143.  183. 
44:2.  81a.l.  42 :  130.  43 : 3.  81a.l.  44:176a.3.  51:29.  57.  52:155.  53: 
65,1.  88c.     54:132a.l.     61 :  6  a.l.  82°.     62:155.    63 :  14  a.4.  115  a.4.     64 :  168. 


7':2.  82d.  7-:  168.  73 :  2.  93.  74  :  145.  81 :  2.  7S 
84:130.  91:8a.3.  115a.2.  92:153a.  93:34.84b 
102:156.     10 3:  6.  102  a.4.     104:168. 

II1  =  9*.  II2  =  92.  II3: 117. 
123:6.  114,1.   124:126.   131  =  91. 
141 :  64  a.  2.  79 e.  142 :  183.  143 :  2.  87 
34.  114  a.  10.  154;=94.  161:64a.5. 
133.   171  =  91.   172  =  92.   173:34. 


82:130. 
94:126. 


Kl 


:21a.  3.  72,2. 
:64  a.  5.  81,1. 


II4  =  94.     121:64,  5.  79a.9.     122:151. 

132  =  92.  133:16.  89a.l.  134  =  94. 
.  14':  163.  151  =  91.  152  =  92.  15 3: 
79f.  102:163a.l.  163:6.  114,1.  164 : 
75,1.      174  =  94.      184:64a.4.   114  a.  10. 


184:163. 
202:163 


182: 
94. 

22 3 
64  a 
25 3: 
131. 
28 2: 
64  a.  5.  79 c.     30 a :  1 C3.     30 a :  0.  102,  2.     30 '  :  163. 


168.  18 3:  6.  106,2. 
20 4 :64  a.  5.  114  a.  10 

211  =  91.  212  =  9 
6.  102,2.  224:163.  231  =  91 
5.  114  a.  10.   242: 155.   243 :  6 
34.  114  a.  8.  254  =  9 

271  =  91.     272  =  9: 


191  =  91.    19 s  =  92.     193:34.  78.    194 
20 3:  2.  102,2.     204 :  131. 
213:34.  78.    214  =  94.     221:04a.5.  79 
232  =  92.     233:34.  89.     23 4 
102,  3.      244 :  137. 
26 ':64  a.  5.  82 c.    26 2: 130. 
273:34.  114  a.8.     274  =  94 


168.    28 3: 2.  102,2.    284:155.     291  =  91.    29 2 


22 2: 168. 

94.     241: 

251  =  9I.      252  =  92. 

263:54.  113,2.     264: 

28 4 :04  a. 5.   114  a.8. 

293:34.  75,  1.     30'  : 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  491 

311  =  91.  312  =  92.  313:34.  114a.  10.  314  =  94.  321:64a.4.  79c. 
32-:155.  323:2.  102,3.  324:131.  331  =  91.  332  =  92.  33:!:34.  114  a.8. 
334  =  94.  341 :64  a. 5.  81,1.  342:155.  34:; :  13.  79.  344 :  124.  35* :  15.  81,1. 
35*:  130.  35*:  2.  81,1.  35 4 :130  a.  35 5: 130. 
ESr  2»:22.  79c.  2*:  182.  23:44.  94.  24:130.  31: 2.  82  a.8.  3':  149.  33:65,3. 
97.  3*:  131.  4l:  66,  2.  71a.  2.  4' .  162.  43:55.  75a.5.  44:156a.  51:25a.2. 
91.  53:15a.2.  82«.  5*:161.  61:64,5.  97.  63: 65a.5.  75, 1.  64 :  155.  71 : 
8a.l.  93a.l.  7- :  164.  73:5a.l.  78.  74 :  157.  81:49.  115a.l.  82:126. 
Fj  l1 :  29.  95.  12:141.  13:2.  82c.  I4 :  126.  24:2.  114a.8.  22:123.  23:2.94. 
24: 163  a.2.  31:29.  95.  3-':  175.  33 :  65, 1.  82  a.5.  34:161.  41:6a.l.  82d. 
42:168.  4":  2.  81,1.  4*:  141.  51 :  57,  2.  91  a.  1.  52:130a.  53:  57,  2.  84a.  1. 
54:132.  6':3.  82c.  62:136.  6S:  6  a.l.  113,  1.  64:120.  7* :  8  a.3.  82.  72: 
182.  7:1 :  55.  78a.5.  74 :  155.  81:  10.  82 f.  83: 167.  83:55.  78a.5.  84  =  74. 
91  =  71  92  =  72.  93:34a.  94b.  94 :  130.  10':  10.  92.  102:153.  103:62. 
76.     104:150. 

111  =  71.  II2  =  7-.  ll:34a.  94b.  11*  =  9 4.  121:10.  82a.3.  122: 
167.  12*:  3.  81,1.  124 :  156.  131  =  71.  132  =  72.  13*:34.  78.  134 :  170. 
144:10a.3.  81,1.  142 :  128.  143 :  19.  79c.  144 :  128.  15  l  =  71.  152  =  72. 
15*:21.  82a.5.  154:137.  16' :5.  90.  162:150.  163 :  65, 1.  79  a.6.  164 :  132. 
171  =  71.  172  =  72.  173:35.  85,2.  174:155a.2.  181 :  10  a.2.  97.  182:149. 
183:2.  77,  2.  184:155.  19,  =  71.  192  =  72.  19:!:16.  79c.  20 '  :  64.  5.  88  a.  2. 
202:182.     203 :4.87  a. 4.     204: 153.  181. 

211  =  71.  212  =  72.  213:16.  115*.  214 :  150.  221:48.  82c.  222:142. 
223:8a.3.  79a.9.  224:13öa.  23,  =  71.  232  =  72.  23 s:  35.  93  a.l.  234 : 
141a.  241 :47.  114  a.  11.  242  =  202.  243 :  22  a.l.  82c.  244  =  234.  251  =  71. 
252  =  72.  253: 16.  114a.  11.  254:127.  261:13.  99.  262:166.  263:15a.4. 
97.  264:176.  271  =  71.  272  =  72.  27:i:58.  78  a.l.  27*:  161.  284:57, 2. 
78a.L  282  =  274.  28*:28.  88b.  284 :  155.  29'  =  71.  292  =  72.  293:16. 
89a.l.     294:163a.2.      30 x:  57, 2.  94.     302:176.     30 3 :  12  a.2.  93.     304 :  130. 

311  =  71.  312  =  72.  31* :  34.  78.  314 :  155.  321:2.  81,1.  322:149. 
32":  56.  94.  32*:153.  331  =  71.  332  =  72.  333:28.  110.  334:155.  341: 
4.  107d.  342:155.  34* :  4.  114  a.  4.  344:170.  35*  =  71.  352  =  7'.  35:!:34. 
82.  35*:  153.  361 :  13  a.  1.  84b.  36 - :  131.  36 3 :  55.  115, 4.  364:166.  371  =  71. 
372  =  72.  373:16.  114a.ll.  374 :  130.  38l:65,4.  102,2.  382:15ö.  38:i:55. 
106.  384:155.  391  =  71.  392  =  72.  39:!:2.  78  a.l.  394:135.  40 4 :62  a. 
81a.4.     402:144.     403:37.  82c.     404:131a. 

411  =  71.  412  =  72.  413:16.  98.  414 :  130.  421:29.  98.  422  =  414. 
42*  :21a.  2.  99.  424:130.  43x:3.  73,2.  432:121.  43 :; :  59  a.l.  79.  434:158. 
441:8.  93.  442 :  155  a.2.  443:  2.  115  a.2.  444  :  168.  451:  2.  92  a.2.  452:126. 
45 :!:  58  a.l.  97.  454 :  130.  461:57,1.  115  a.l.  46 2:  130.  46  ' :  15.  75  a. 5. 
46':  141.  471:6a.l.  103,1.  472: 176  a.2.  47:;:2.  78.  47J  :  161  a.  481:51. 
82a.4.  482:128.  483:47.  79c.  484  :  135.  49 l :  55  a.2.  114,  1.  492:130.  49:(: 
55.90.  494:143.  50x:53.  98.  50  "2 :  161.  503: 55  a.2.  82c.  504:131. 
Fm  P:55.  114  a.5.  1-  :  126.  l:i :  21  a.3.  75.  2.  I4 :  128.  21:6a.2.  79a.3.  22: 
135.  2:!:4.  90b.  2 > :  155.  31 :  64  a.  1.  90b-  39:141a.  4' :  47.  114  a.  11.  42: 
131.  181.  4':  6  a.l.  114  a.5.  4':  139.  ö  '  :  2.  78.  5  ' :  131.  5:1:65,  3.  92  a.3. 
54:129.  6l:2.  102,1.  62:135.  6::55.  109.  6J:145.  7>  :  64.  1.  961'.  72: 
141.     73:  55  a.3.  89.     74:174a.l.      81 :  64,  5.  821-.     82:155.     83:  57  a.3.  97  a.l. 

32* 


492  GERING 

84:162.     94:47.  9öa.     92:139.     9:! :  19.  114  a.10.    9':141.      101:54.  78.     102: 
127.     103:15a.2.  78.     104 :  131. 

II1: 55.  82a. 7.  11--.140.  II3: 15a.5.  79.  II1 :  155.  121:5a.l.  82c. 
12-:166.  12:!:4a.2.  114,  4.  124 :  139.  131 :  47  a.2.  81  a.4.  132: 157.  133: 
43a.2.  101,1.  134:170a.  141  =  121.  142  =  122.  14:! :  34.  97.  144 :  130.  151: 
10  a.2.  93.  15-:126.  153:6.  97.  154:141.  161  :  55.  82  a.4.  162:127.  163: 
40.  82  a.4.  164 :  132.  171 :  55.  78.  17":131.  173:55.  81,1.  17* :  139.  181: 
3.79.  182:155.  19':19.  95.  192:144.  193:2.  79<\  194 :  1G6.  20x:8a.3. 
93.     20-:lGG.     203:19.  114  a.  10.     204  =  94. 

211:3.  79.  21-:137a.l.  213:28.  93.  214  :  155.  22 ]  :  57,  1.  114,  4.  222: 
142a.3.  22 3:  2.  82  a.4.  224:132.  231:8a.l.  93a.l.  232 :  153  a.  181.  233: 
2.  89.  23 4 :  178.  241 :  65  a.  5.  82  a.  7.  242 :  124.  24:l :  55  a.  3.  78.  244 :  126. 
254:8a.3.  79 c.  252:142.  25:;:55.  93.  254:161.  26 l:  57,  3.  82a.l.  26  - : 
126.  263:64,1.  89.  264  :  136.  271 :  2.  83,  1.  272:130.  273 :  22  a.l.  91.  274 : 
135.  28  ^  2.  93.  282  =  17\  283:59a.l.  82a.4.  284:135.  29]:4.  93a.5. 
292: 161.  29 s:  4.  91.  294:126.  304:55.  75a.2.  302:155.  303:4.  84a. 
304:163a.l. 

31* :  8  a.2.  92 c.  312: 142  a.l.  313 :  61.  92 b.  31' :  135.  341 :  2.  S4a.  342  = 
104.  343:2.  95.  344  :  127.  371 :  58  a.l.  93.  372 :  156.  373:  59  a.l.  81. 1.  374 : 
142a.l.  38 ':  2.  114,4.  382:130.  181.  383:48.  81,1.  384:153.  39x:8a.3. 
90b.     392:166.     393 :  25  a.l.  90.     394  =  104. 

FM  13:55.  106.  I4  :  130.  2":  57,  3.  82.  212:153.  2 13:  55.  99  a.l.  2ie:4a.l. 
114,1.  217:153.  218:55.  79.  219:126.  48 :  55.  106.  49 :  182.  41' :  55.  106. 
412:  126.  181.  413:28.  87a.l.  414  :  155.  512:2.  71.  513:170.  514 :  55.  93  a.  1. 
515:130.  67 :  51.  96b.  68:126.  69:57a.3.  115a.4.  610:133.  624:2.  93. 
625:126.  62G:20.  103, 2.  627:142.  76:62.  75,1.  77:166.  8e:19.  88 c.  87: 
28.  79.  88:28.  79d.  8°:  137  a.2.  103:2.  102,1.  104:44.  102,2.  10s:48. 
1138.  10°:130.  10 7:  55.  102,  2.  108:158a.  109 :  22  a.l.  114,  2.  1010:134. 
101I:68, 1.  88b.     1012:155.     10 13 :  43.  102,  2.     10 14 :  131. 

ll:!:65a.3.  79d.     II4 :  16.  107.     ll5:10a.3.     11G:  155. 

Gautr  l1: 62.  114,4.  l2:148a.l.  13:61.  75  a.2.  I4 :  130.  21:  62,2.  81, 1.  22: 
161a.  23:55.  841-.  2 '  :  138.  3J:2.  82 b.  32:178.  33:3.  79  a.  6.  34  :  155. 
41:55.  78.     42:135.    43 :  57,  3.  115  a.2.     44  :  143.      51 :  61.  79b.     52 :129  a.     53: 

15  a.2.  101,2.     54 :130  a. 

Grm  P:8a.5.  79c.  1- :  155.  18:54.  93a.l.  I4 :  155.  21:55.  83a.  22:137.  23: 
30.75,1.  24:183.  34:3.  81,1.  32:170a.  33:53.  81,1.  34:155.  41  : 2.  79. 
42:127.  43:30.  89.  44:130.  181.  51: 12.  108.  52:130.  53:56.  94.  54:156. 
61: 57  a.2.  89.     62:130.     6 :( :  13.   78.     64:155.      71:64,2.   94b.     72:130a.     7S: 

16  a.2.  82 d.  74:130.  81:64a.l.  91.  82:133.  8:!:58.  78.  84:153.  Q'-.S. 
82a.4.  92:153a.  93:8a.2.  115  a.2.  94:131.  101  =  91.  102  =  92.  103: 
53.  78.     104:  161. 

ll1:64a.l.  78.  II2: 150.  II3:  35.  73,1.  II4: 130.  124:64,2.  110. 
122  =  52.  12 3:  28.  79.  124:155.  131 :  10  a.3.  75  a.6.  132:130a.  13s:  31. 
75,2.  134:126.  141 :  10  a.3.  81, 1.  142 :  127.  143 :  55.  81,1.  144 :  135.  151: 
5  a.3.  81,1.  152: 139.  15  8: 37.  81,1.  154 :  139.  161 :  66,  2.  110.  162  =  52. 
163:2.  89.  164:129.  17»:55.  79".  172:155.  173:58.  97.  174 :  130.  18* : 
53.91.  182:153.  183:55.  94b.  184:151.  19 l:  57, 4.  89.  192:130.  193: 
59  a.3.  111.    19  ' :  155.     201 :  57,  4.  81, 1.    202:155.    203  :  57  a.4.  82°.    204:131. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  493 

211 :  61.  8Sa.     21':  152.     213:  61.   93.     214 :  153  a.      221:6.  81,1.     22-: 

132.    223:55a.2.  94b.    224:130a.     231:48.  79d.    232:151a.2.    233: 67, 1.  82d. 

234:142a.l.      241 :  10.  79d.     242:151a.l.     243 :  2.   90.     244 :  155.      251:65a.l. 

Sla.l.    252:123.    253:6.  82d.    254:156.     26 4 :  65,  2.  81  a.l.    262  =  252.    263: 

30.91.     264:121.     271 :  55.  72,  2.     272 :  8  a.4.  102,  3.     273:154.     274 :  57,  4.  102 

a.7.    275:162.     27°  :  55.  106.     277:  155.     28 4 :  65  a.l.  73,  2.     282:  155.     283:55. 

106.     2S':55.  106.     285:55.  106.     286:55.  83,1.     28 7:  141.      294:55.  114,4. 

29*:155.      293:  53  a.l.   81,1.      29  ' :  161.      29= :  58  a.l.  89.      29,;:155.      304:2. 

102,2.     302:130.     303 :  43.  115,  2.     304:134.     305 :  53  a.  1.  82c.     306  =  294. 

31 1:  62.  94°.    312:  161.    313 :  64,  5.  115,  2.    314:126.     32 4 :  67.  78.    322  = 

294.    323:55.94b.    324  :  175.     331 :  66  a.l.  114,  4.    33-':153.    33 3 :  57  a.4.  115,  2. 

341: 64, 1.115,3.    342:176a.3.    343:  57,4.  114  a.  11.    344:154a.2.    345 :  4.  93a.l. 

346:153.      35 l :  40.   93.      352:156.      353:7.    88c.      35*:121.      361: 55.   97  a.l. 

362:  153.     363:55.    102  a. 6.     364:155.     365:10a.l.   109.     366: 173  a.l.      371: 

10  a.l.  94.     372:155.    373 :  15  a.3.  93.    374 :  126.     38l:54.  82c.    382:180.    383: 
55.  82  a.4.     384:182.      dü^iOS,*.    114,4.     39a:166a.      393:22.    103,1.     394: 

143.  183.      40l:30".  79 c.     402:126.  181.     403:2.  71.     404:130.  181. 

414:33.  93.  412 :  133.  4P :  30.  92  a.  2.  414  :  153.  424:2.  82c.  422:149. 
423:  15a.2.  82d.  424:161.  434:48.  94.  432:153a.  433:62.  106.  434:126. 
44I:40.  93.  442:149.  443 : 2.  88b.  444:7.  88b.  445:6.  78.  451:65,4.  114 
a.10.  45':  123.  45:!:2.  93.  454:126.  45':  126.  46* :  55.  102,  2.  46 2: 156. 
463:  57,  2.  106.  464 :152  a.  471 :  57,  2.  89.  47':  153.  47:i ;  8  a.5.  73.  1.  47': 
2.73,3.  484:8a.5.  73a.2.  482:8a.6.  102  a.8.  48":  2.  81,1.  484:126a.2. 
494:3.  89.  492:145.  493:31.  79.  494 :  41  a.  1.  72  a.  1.  495 :  4.  102  a.3.  496: 
174a.l.      501: 4.  95  a.l.     502:141a.     503:34a.     82c.     504:155. 

511 :8a. 2.  91.     513:2.  75,2.     514:183.      52^3.  81,1.     522:149.     523: 
2.93.     524:131.      534:47.  93.     532:130.     533:  4.  82  a.4.     534 :  132  a.  2  und  3. 
541:5a.l.  103,1.     542:126.     543:8.  114,2.     544:130.     545:4.83a.     546:127. 
Hai   100 '  :  55.  79d.     100 2  :  140.     100 3 :  53  a.3.  82d.     100 4 :  184. 

Herv  31':4a.l.  79a.5.  312:126.  3P :  57,  2.  79c.  314:161.  31« :  41.  71.  317: 
130a.  32  *  :55a.  2.  115, 1.  322:155.  323:2.  89.  324:139.  334:29.  79.  332: 
145.  33:;:8.  8Sb.  334:174a.2.  341:4.  82°.  343 :  139  a.  343:6.  81,1.  344 : 
137.  351:4a.2.  93.  352;120.  35 3: 57, 2.  88 b.  354:141.  364:4a.2.  78. 
362:137a.2.  363:50.  93.  364:175.  384:29.  79.  382:166.  38 8: 2.  81,1. 
384:137a.2.  39J:29.  79.  392  =  382.  39 3 :  47.  71.  394:155.  40x:29.  79. 
402  =  382.     40:i:8.  71.     404 :  162. 

41':  29.  79.  412  =  382.  413 :  55.  82  a.4.  414 :  139  a.  424:29.  79.  422  = 
382.  43 l:  29.  79.  432  =  382.  433:49.  106a.  434:127a.  441  :  29.  79.  442  = 
382.  443:2.  88b.  444:148.  454:29.  79.  452  =  382.  453:2.  73,1.  454:142b. 
46 ':  29.  79.  462  =  38'-.  481  : 4  a.2.  88b.  482:155.  483:2.  106.  484:142b. 
491:4a.2.  79  a.  2.  492:130.  493 : 4  a.2.  82c.  494:150.  50l:4a.2.  97.  502: 
149.     503:55.  82c.     50' :  153  a.  181. 

511:  4  a.2.  95.  512  =  502.  513:2.  92a.2.  514 :  141.  521:  4  a.2.  84''. 
522  =  502.  523: 5  a.2.  82°.  524  =  484.  534:4a.2.  96a.  532:136.  533:55. 
92  a.2.  534:136.  541 :  62, 1.  102,  2.  542: 155  a.2.  543:6.  103, 1.  544 :  130. 
554:29.  115,4.  552:162.  553:2.88b.  554:135.  59 ' :  4  a.2.  83,  1.  592:136a. 
59 3:  4.  92  a.4.     594: 157  a.l. 


494  GERING 

6V-:4a.l.  83.  61- :  168.  613  :  2.  97.  614 :  161.  63  ' :  55  a.2.  71.  632: 
136.  63 3:  4.  87.  634:137a.l.  66":4a.2.  91.  662:120a.  663:64, 5.  75,1. 
664:130.  674:8.  75.  67-:  150.  67:i :  14  a.  1.  106.  674 :  152. 
Hgsv  lx:2.  98.  I2 :  106.  F:55.  78a.l.  I4 :  130  a.  2^47.  85,1.  22:126a.2. 
2:i:47.  78.  24:130.  3*:6.  79°.  32:166.  33:4.  93.  3 ' :  128.  4l :  25.  114,5. 
42:126.  43:57,  3.  114,  4.  44  :  141.  51:  55.  109.  52:130.  53:6.  78.  54:135. 
6':2.  81,1.  62:148a.3.  63:12.  94.  04  :  130.  71 :  6.  78.  72 :  173.  73:8a.l. 
82.  74:139.  8*:4.  73  a.  3.  83:126.  83 :  65, 4.  HOa.l.  84:155.  9':2.  78. 
92: 173  a.2.  98: 13  a.3.  81, 1.  94 :  126.  101:  4.83,1.  10'-'  :127  a.  10:!:15a.5. 
81,1.     104:  126  a.2. 

II1: 2.  93.  ll2:126a.2.  11<:2.  82c.  114:126.  124:47.79.  12':127a. 
123:5.  114a.6.  I24:132a.2.  13':47.  89.  132:131a.  13;I:66a.3.  81,1. 
134:144.  14':15.  75,1.  142 :  127.  143  :  55.  81,  1.  144 :  184.  151  :  47.  81,  1. 
152:  126.  181.  15 3:  3.  107.  154:126.  16*:2.  81a.l.  162:135.  16:i:15.  94. 
164:127.  171 :  10.  Sla.l.  172 :  130.  17:1 :  4.  81  a.  1.  174 :  130.  IS1  :  47.  79. 
182:168.  18«;  55.  81,1.  184:145.  191:  55.  81,1.  19- :  126.  I9:i:15.  93. 
194:148.      201: 15  a.3.  102, 2.     202:149.     20:!:55.  91.     204:135. 

211:20.  82c.  212 :  146.  213:  55  a.3.  91.  214 :  147.  22 ':  55.  97.  22': 
135.  223:5.  97.  224:166a.  231 :  54.  97  a.l.  232:130.  181.  233 :  37.  78  a.5. 
23*:  157  a.l.  241:58a.l.  93.  242 :130a.  243: 15.  82.  244 :  143.  251:4.  93. 
25'-':  149.  25":  7.  79''.  25 ' :  126.  264:4.  105.  26'-' :139  a.  263:2.  81,1. 
26  J :  130.  27':4U.  89.  27-' :  132  a.2.  273:4  a.2.  75, 1.  274 :  139.  281:2.  81,1. 
28':  182.  288:2.  94b.  284 :  127.  291:55.  79c.  29':  126.  293 :2.82  s.  29': 
126  a.2.      301:2.  82^.     30'-':  128.     303:54.  93.     304 :127  a. 

311 :  66, 1.  114a.ll.  31':131.  318 :  66,  2.  81, 1.  314 :  131.  321:66,2. 
81,1.  322 :131a.  323 :  65,  2.  79  a.6.  324 :  161.  33':15.  79c.  33  2 :  151.  333: 
55  a.3.  81,1.  33  ' :  131.  341 :  15.  81,  1.  34- :  147.  343 :  12.  78.  344 :  126.  351: 
25.81,1.  35*:  120.  353:  55  a.3.  75  a.5.  354:158a.  36x:6.  82  a.  4.  36 3: 155. 
36»  :  55.  81,1.  364:126a.2.  371 :  12.  81,  1.  37':  167.  373 :  57,  1.  75, 1.  374 : 
126.  38 l:  54.  93.  382:163.  383:6a.l.  107.  384 :  127.  39 ' :  4.  79c.  39'-': 
149.  393:2.  114a.ll.  39*:  151.  40':2.  Sla.l.  40':127.  403:56.  81,1. 
404:130. 

411:6.  91.  41- :  130.  4P  :  55.  93.  414 :  135.  424:34.  106.  422:177. 
42  ::  65  a.l.  101,  1.  42* : 149.  431 :  64  a.4.  91.  432:128.  433:55.  82°.  434: 
130.  441:  55.  81,1.  44'' :130  a.  443 :  65,  1.  72,  2.  444 :  135  a.  451:2.  83,  1. 
45 3: 139.  45:i:56.  82c.  454:151a.l.  461:47.  82c.  462:144.  463:55a.3. 
75a.6.  464:173.  471 :  55  a.l.  82-=.  47'- :135  a.  473 :  65, 1.  93  a.  1.  474 :  126. 
481:15.  84b.  482:181.  483 :  15  a.  1.  81  a.l.  48*  :  131.  49':4a.l.  78.  49'-': 
130.  49 8: 2.  82 c.  494:130.  504:5a.2.  82  a. 8.  50':  153.  50 3:  2.  88 a. 
50*:  136. 

51l:2.  97a.l.  512 :  155.  513:55.  93.  514  :  126.  521 :  2.  114  a.ll.  522: 
158a.  523:47.  79c.  52*:151.  531 :  55.  82  a.l.  53 -' :  167.  533:2.  89.  534 : 
130.  541:5Ü.  91.  54'-':  131.  543 :  57,  2.  84»'.  544 :  123.  55>:53.  84".  55'': 
168a.l.  55":  2.  81,1.  55*:139.  56 l :  53.  85,2.  56'-':161.  563 :  65  a.5.  79 
a.10.  56*:130.  57'  :  2.  114  a.ll.  57- :  126.  573 :  58  a.2.  93.  574 :  127.  58': 
57,  2.  94b.  58':  161.  58 3:  2.  114  a.  11.  58' =22'-'.  59 J:  2.  81,1.  59':  124. 
15.81,1.    59' :  151  a.2.     601:40.  93.    602  =  272.    60":  66, 1.89.    604:155. 


DIE    RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  495 

ei1: 10.  75  a.  5.  612:142.  613:2.  82d.  61* :  120.  621 :  65,  1.  75  a.5. 
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81,1.  764:123.  771 :  2.  81  a.l.  77*:149.  773:2.  94.  77*:  131.  781  :  47.  82. 
782:139.  783:5.  78.  78*:125.  79,:6.  94.  79':  151.  793:3.  82f.  79* :  131. 
80  *:  2.  79a.  10.    80*:  127.    803: 11  a.2.  75  a.4.    80*:131. 

81* :  55.  81,1.  81":  120.  81«:  58.  81,1.  814 :  126.  82*:2.  81,1.  82": 
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834:130.  84*  :  2.  87a.5.  84*:  130.  843 :  5.  79.  844  :  120.  85*:2.  82c.  852: 
132a.2.  85 3:  34.  93.  85*:131.  86  *:  51.  93  a.l.  86*:  149.  86 a:  15.  75,  1. 
86*:130.  87* :  40.  82.  87*:166a.  87":  47.  75,1.  874 :  169.  88*  :  5  a.l.  93  a.l. 
88* :  161.  883: 2.  78  a.2.  884:135.  89»:  56.  81,1.  89*: 166.  893:54.  93. 
894:167.      90*:  61.  82.     902:  136.     903:47.  93.     904:155. 

91*:  56.  78.  91*:  142.  91":  2.  81a.  1.  91* :  155.  92*:2.  81,1.  922: 
151.  92 3: 2.  98.  92*:136.  93*:  2.  81,1.  932:130.  933:56.  78.  934:130. 
94*:  5  a.l.  115,  5.  94* :  161.  943 :  10.  78  a.3.  94*:120.  95  * :  2.  76.  952:139. 
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97*:48.  82 d.  97*:184.  97s :  65,  2.  79d.  97*:  155.  98* :  47.  81  a.l.  982  =  152. 
983:50.  89.  984:126.  99  *:  54.  97  a.l.  99*:167.  99 3:  7.  114  a.  11.  994:180. 
100*:15.  93.     100*:155.     1003 :  65, 1.  79 c.     100*:142b. 

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1022:135.  1023:2.  72a.l.  1024 :  135.  103* :  47.  85, 1.  103*:167.  1033:2. 
81,1.  103*:126.  104* :  15.  79d.  104*  =  86*.  1043 :  4.  115a.5.  1044 :  130. 
105':  61.  92  a.l.  105*:126.  105 3 :  15  a.4.  114  a.  10.  1054:168a.2.  106*:56. 
97a.l.  1062:142.  1063:10.  93.  1064:156.  107* : 49.  82°.  107*:130.  107:!: 
2.  81,1.  107*:  131.  108*: 4.  93.  108* :  151.  108 3:  3.  81  a.l.  108*  :160  a. 
109*  :  3.  81, 1.  109*  =  76*.  109 3:  2.  82d.  109*:  131.  HO1:  55.  94.  110-  : 
149.     HO3: 2.  79a.6.     HO4:  126. 

Hl1: 10.  93.  111*:  132.  111» :  6.  81,  1.  111*:  145.  112*:  2.  81, 1.  112*: 
151.  1123:2.  78.  1124 :  155.  113* :  10.  81,  1.  1132:  155.  1133:55.  93.  113*: 
131.  114*:  2.  94.  1142:160a.  1143:  55.  85, 1.  114*  :  130.  181.  115*:  49.  94. 
1152:163.  1153:28.  93.  1154:130.  116* :  47.  81, 1.  116*:139.  1163:66,2. 
82.  116*:141.  117*:5a.l.  93a.l.  1172 :  167.  1173 :  68, 1.  114,  4.  117* :  161. 
118* :  10.  79c.  118*  =  39*.  1183:57,  2.  115  a.2.  118*  :  127.  119  l:  2.  81. 
1192:126.  1193:15.  107.  119* :  153.  120* :  10.  82  a.4.  1202:127a.  1203: 
12.  82 c.     1204:141. 

121*  :  56.  79d.  1212  =  372.  1213:51.  97.  121*  :  156.  122  *  .  15.  81,1. 
1222:141.  122':  6.  81,1.  122* :  139.  123  *:  2.  82  a.l.  123- :  166.  123:i:28. 
94b.  123*:  180.  1241  :  59  a.2.  82c.  124* :  141.  1243 :  28.  74,  2.  124* :  130. 
125* :  55.  79 c.     1252:130.    1253:14.  82c.    125*:155.     126* :  57,  2.  74,  2.    1262: 


496  GERING 

131.  126^:57,2.79.  1264:135.  1271 :  40.  97.  127- :  126  a.  2.  127:i :  2.  114  a.8. 
1J71  :  126.  1281:62.  79d.  128' :135  a.  128a:3.  102  a.5.  128 4  :  134.  129 J  : 
19.  82d.  129*:126a.2.  129 :!:  2.  78.  129*:131.  lSO^öö.  78.  1302:135. 
130:J:  10a. 2.  75,1.     1304  :  135. 

1311 :  22  a.  1.  82  a.5.  131* :  153.  131 3 :  57,2.  82c.  131*:  161.  1321:55. 
82a.7.  132*:  168  a.2.  132 3: 57,  2.  81, 1.  1324  =  434.  133 r:  43.  79*.  133": 
150.  133:):55.  74a.3.  1334:144.  1341 :  2.  82  a.l.  1342 :  126.  1343:47.  79c. 
1344:163.  135 *:  10.  80.  135*:135.  135»:  43.  81,1.  135*:  131.  1361:53.78- 
136- :  141.  136":  56.  91.  136*:  141.  1371 :  55.  94.  137*  :  144.  1373:  2.  93  a.l. 
1374 :  126.  1384:10.  81  a.l.  138*:  130.  1383:2.  79°.  1384 :  130.  139l:61. 
82a.l.  139*:  135.  1393 :  55.  94  a.3.  139*:130.  1404:5.  106.  140*  =  92*. 
1403:57,2.  81,  1.     1404  =  70 4. 

1411:47.  82  a. 4.  141  -  :  142.  141s :  58  a.2.  93  a.6.  1414  :  144.  142;j:20. 
lUa.10.  1424 :  127.  1434:10.  82d.  143*:130.  143J:2.  82c.  143 l :  139. 
1441:3.  83  a.  144- :  161.  1443:2.  81, 1.  1444 :  180.  1451 :  2.  79  a.2.  145': 
130.  1464:2.  79.  146*:  167.  146:J:2.  108.  1464:130.  1471 :  2.  82d.  147': 
167.  147y:2.  114  a.  10.  1474  :  121a. 
HHII  211:64, 1.  78a.2.  21* :  174.  21 ; :  8  a.3.  103,  3.  214 :  143. 
HHv  12l:4.  S8b.  12-':  131a.  12«:  3.  103,1.  124:157.  131 :  4.  81, 1.  13- :  155. 
13!:47.  75  a.5.  13  '  :  131.  141 :  2.  102,1.  14* :  130.  143:51.  82.  144 :  153. 
15 1: 3.  114,5.  15*:  130.  153:55.  93.  15':  161.  16*  :  2.  102,1.  16- :  131. 
16 3: 54.  99.  164:183.  171:6a.2.  114,5.  17* :  178.  17;:2.  96b.  174 :  126. 
m1-^.  79c.  18- :  142 b.  143.  18s:  2.  97  a.l.  184:162a.  191 :  11  a.2.  115  a.2. 
19 -:134  a.  19^:55.  82°.  li)4:143.  201:64, 1.  75  a.2.  20*  :  121.  20:J:5. 
84  a.l.     20 4:  145  a. 

21* :  64,1.  81,1.  21*  :139  a.  213:3.  93a.l.  21*  :  123.  22  4 :  65,  1.  75, 1. 
22*:163.  22 a:  2.  93  a.l.  22 4 :  137.  234:3.  75,1.  23- :  136.  233 :  8a.l.  79c. 
23*:  153.  244:4.  115,  3.  24*:  149.  243 :  55.  84b.  244 :  135.  25 ':  64,  2.  102,  2. 
25- :  175.  253:  7.  103,2.  254:126.  26' :  66  a.2.  82c.  26*:  130.  26' :  47.  114  a.5. 
2ö4:132.  265:139a.  26°:  19.  79.  267:130.  271  :  8  a.2.  114  a.8.  27* :  155. 
27;::8.  82-\  274 :  141.  28 '  :  64  a.  1.  115  a.2.  28*:  126.  283:54.  92b.  284 :  130. 
285:130.  286:129.  287 :127  a.  29':  13  a.3.  81  a.3.  29*:  155.  29a:15a.5. 
75,2.  29*:  141.  301 : 8  a.2.  81  a.3.  30*:156.  303:55.  82c.  30*:148a.l. 
Ilkm  l1 :  57,  5.  81,1.  1* :  160.  1 5 :  15.  82d.  I4 :  150.  2;!:43.  75a.5.  2*:132 
9:,:57, 1.  75a.4.     94 :  149.      101 :  5.  91.     10*:130.     10 a :  65  a.4.  89.     104 :  153 

ll1:  4.  113,  2.  11- :  150.  ll:i:4a.2.  76.  II4 :  139.  12 ':  34.  93.  12* 
143.  123:2.  81,1.  12 4 :  162.  131 :  57  a.5.  79  a.ll.  13*:130.  13a:4.  75a.7 
13*:  150.  141:48.  78.  14* :  156.  143:  20 a.3.  75, 1.  144  :  182.  15  f:  5.  82c 
15*:  139.  153:47.  82e.  15 ' :  131.  löl:47.  82°.  16J :  127.  16;;:2.  79.  164 
130.  174:2.  79a.l0.  17':  134.  17:i :  2.  78.  174 :  130.  18  L :  2.  92b.  18  - :  155 
18 :1 :  15.  107.  18*:153.  194:2.  82L'.  19*:139.  19 :;:  53.  107.  194  :  182.  201 
28.78.     20-:  130.     203:58.  78.     204 :170  a. 

211 :  61.  106.     21* :  126.     21 3 :  19.  78.     21J  :  126. 
HkvlS^lö.    97.      18- :  15.    75,1.      183:151a.l.      19«:  66,  3.    88*.      19*:176a.2 
20':  4.  93.     20  J:  153. 

2P:10.  91.  21*:130.  218:2.  93.  214 :  155.  22 4 :  17.  93.  22*:  29.  93 
22    :164.      241: 4 a.3.  90.     24*:155.     243:11.  72.     24« :  153. 


DIE    RHYTHMIK    DKS    LJÜDHAHATTR  497 

HI  14:2.  82  a.  4.  l2:168a.2.  I3 :  53.  79c.  I4 :  167.  21:2.  82a.4.  2- :  178.  23: 

65  a. 4.  75,2.  24;137. 
Hm  29 1:  2.   93  a.  2.  29 -:150  a.  29 3 :  28.  79  a.6.  294 :  182. 

Hovl1^.  78.  I2 :170a.  181.  P:153.  181.  I4 :  29  a.  89  a.2.  I5 :  156.  2J:7a. 
101'.  2-:126.  23:55.  Sla.l.  24 :  130.  ß^öS.  79c.  32: 155.  181.  33:4.  78. 
34 :  161.  4':  55.  Sla.l.  4- :  156.  43:2.  92b.  44 :  155.  öl:bo.  79a.6.  52: 
126.  5S:15.  81a.l.  5*:  126.  181.  6*:17.  82d.  62:180.  63:22.  114,3.  64: 
132.  63:65,2.  81,1.  66:166.  71 :  59.  81, 1.  72:130.  73:2.  79c.  74:142a.4. 
8':55.  78.  82:155.  83 :  47  a.l.  81, 1.  84:126.  9*:55.  78.  92 :  131.  93: 
58a.l.  93.  94:126.   10x:2.  82a.l.  102:166a.  103:2.  114,4.  104 :  130. 

11,  =  101.  112=102.  113:6.  82.  114:148.  121:59,2.  89.  122:153. 
12 3:  20.  78.  124:155.  131 :  64,  2.  82  a.4.  132:167.  133:28.  80.  134 :  161. 
Ul:55.  87ä.2.  142 :  182.  143 :  58  a.l.  75, 1.  144  :  155.  151 :  57,  4.  79.  152  : 
166.  153:55.  79.  154:166.  16*:  56»  94.  162:182.  163:19.  79.  164 :  131. 
171:  44.  81  a.2.  17":  131.  17s:55.  81,1.  174 :  157.  181:58.  79c.  18"2:  130. 
181.  18 3:  57, 2.  81,1.  184:147.  191 :  65  a.l.  84".  19 2  :  131.  19":  47.  81,1. 
194:142a.l.   201:56.  90.  202:155.  20":  6.  81,1.  204 :  130. 

211:51.93.  212:139.  21 ! :  19  a.2.  78.  2l4 :  155.  221 :  62, 1.  79c.  222: 
154.  223:57,3.  92b.  224 :  136.  231:56.  82.  232:160.  233:55.  79.  234  : 
126.  24'  :  56.  82 c.  242 :  125.  243 :  57,  3.  99.  244 :  182.  25 l  =  241.  25 2  =  242. 
25 3:  55.  79.  254:151a.2.  261:56.  93.  262:162a.  26:: :  57,  3.  97.  264:119. 
271:56.  81,1.  272 :130  a.  132  a.3.  27-:  57,  3.  81,1.  274 :  127.  181.  275 :  55. 
7Sa.4.  276:127.  28x:6.  78.  282 :  153  a.  181.  283:12.  79d.  284 :  153.  291: 
2.  79  a.6.  292:153.  293:6.  75  a.  5.  294:173.  301:15.82d.  30' :  130.  181. 
30:::34a.  94b.  304:123. 

311:  53.  78  a.l.  31':154a.l.  313 :  2.  75, 2.  314:155a.2.  32J:2.  88a. 
32-':130.  181.  323:55.  93.  324:126.  SS'.S.  94.  332:139.  33": 2.  81,1. 
334:150.  341:7.  93.  342:130.  34:! :  37.  93.  344:  155  a.2.  Sö^öö.  90.  35 2: 
126.  353:55.  78.  354:126.  36 1:  2.  78  a.6.  36 2:  126.  36 3:  66,  4.  114.4. 
364:127.  37» :  2.  78  a.6.  372  =  362.  373:3.  78  a.l.  374 :  130.  38 1:  2.  82. 
38 s  :153  a.  38 :!  :65  a.  5.  96 b.  384 :  155.  391:62.  78.  39 2: 167.  39 3:  66,  5. 
82°.  394:130.   404:25.  92'-.  402:139a.  403 :  33  a.  71  a.l.  404:122. 

411:4.  88 c.  412:126.  413:53a.3.  90  a.  414 :  137.  421:53.  93  a.3. 
42 2: 135.  423:2.  79 d.  424:149.  431  =  421.  43':  159.  43 3:  65  a.4.  79. 
434 :170  a.  44^8  a.2.  93.  44':  163  a.2.  443 :  64a.5.  88b.  444  :  127.  45':29. 
82c.  452:163a.l.  453 :  64  a.5.  87.  454:176.  46 x:  20.  82".  462:163.  46': 
65,1.  88a.  464:156.  471 :  3.  93.  472 :  155.  473:6.  79.  474 :  155.  48 l :  2. 
73.1.  482:155.  48 3 :  19  a.2.  102,  1.  484:131.  491:2.  79.  492:170.  493: 
5.91.  494:126.  50x:55.  81a.l.  502:126a.2.  503 :  55.  78  a.l.  504:132. 

514:44.  82e.  512:170.  51a :  28.  79.  514:138.  521:62.  79d.  522:136a. 
523:15.  82c.  524:157.  631: 10.  74,1.  532:157a.2.  533:19.  93.  534 :  159. 
54'  :  62.  79.  542 :  156.  543 :  2.  107.  544 :  166.  55 '  =  541.  55 2  =  542.  55 3 : 
14  a.  78.  55 4 :  148.  56 J  =  541.  56 2  =  542.  56 :; :  56.  79d.  56 4 :  139.  57 ' :  2. 
114a.l.  572:153a.  57*:  53.  81,1.  57* :  126.  181.  SR1-^.  78a.l.  582:156. 
583:47a.2.  91  a.l.  584 :159  a.  59  '  :  2.  75  a.6.  592:136.  59:;:55.  Sla.l. 
594:130.   60':2.  76.  602:159.  60:i :  62,  2.  79c.  604 :  155. 

6P  :  57, 1.  114,  4.  612:126a.2.  61- :  4.  114,  1.  614 :  182.  615 :  149.  621: 
57,4.  81,1.  622:126.   623:55.  81,1.   624:150.   63l:4b.  78.   63':12G 


498 


633:62,  2.  78.  634:159a.  G41 :  55.  114  a.  10.  64- :  182.  643:55a.3.  81,1. 
644:139.  65Ä:2.  82c.  654:126.  öß1:!.  82a. 4.  66':  130.  181.  663:2.  93, 
664:183.  67' :  55.  82 d.  672:137a.3.  67:J :  15  a.4.  79d.  674:161a.  68*:55i 
79c.  68':  152.  181.  683:47.  94b.  684:130.  691:37a.l.  81,1.  692:159 
698:2.  115,1.  694:126.  701:3.  91  a. 3.  702:159.  703:43a.2.  114 a.5. 
70*:  141. 

711:6a.2.  102  a.8.  71- :  153.  713:2.  89.  714  :  152.  72x:2.  82«.  722: 
182.  72»:  16.  81.1.  724 :  136.  731:43.  115a.2.  732:35a.l.  71.  122.  733: 
57,2.  79  a.  6.  734:156.  73 5 :  154.  73e:2.  89.  73 7 :  162.  741 :  55.  78a.4.  742: 
134.  743:8.  102  a.  2.  744 :  150.  751 :  55.  82a.4.  752:127.  753:55.  78.  754: 
121.  761:61.  106.  762:153.  763:58.  78.  764:126.  771  =  761.  77*  =  76* 
773:55a.l.  78.  774 :  126.  781:55a.2.  82.  782:154.  78 3 :  135.  161.  784 : 
130  a.  132  a.  3.      701:56.  78.     792:156.     793 :  48  a.  75  a.5.     794:129. 

831:2.  79d.  832:166.  833:17.  82d.  834:139.  871 :  43.  79.  87'- :  130 
873:6.  89.     874:126.     90x:3.  81a.l.     902:174a.2.     903:34.  91.     904 :  139. 

911 :  2.  87.  912:168.  913:2.  78.  914 :  153.  92  » :  2.  79.  922:126.  923 
15.  79  a.5.  924:153.  931: 12.  81,1.  932:163.  933:4.  79d.  934:126.  941 
47.81,1.  942:130.  943 :  34.  75,  1.  944 :  150.  954:3.  79a.2.  95- :  161.  953 
2.  82a.l.  95*:168a.l.  961:55.  81,1.  962:153.  96:i:  53.  82  a.4.  964:132 
181.  O?1^.  82°.  972:137.  973 :  8  a.l.  79d.  974 :  155.  981:  55.  75,1.  982 
126.  983:2.  88c.  984:132.  99  >:  65,  4.  79.  992:133.  99 3 :  17.  79c.  994 
174a.l.      100J:2.  82d.     100- :  151.     100a:  3.  82c.     100* :  126. 

1011: 8.75,1.  1012:153.  1013:3.  90.  1014 :  127.  10P  :  10.  84a.  101" 
137a.2.  102 » :66  a.  3.  81, 1.  1022:156.  102 3 :  10  a.l.  75  a.  7.  1024:155.  1025 
64,1.  75a.2.  1026:166.  103':66,3.  79  a.  10.  103- :  173.  1033:2.  115  a.2 
1034 :  166.  1041:62.  81,1.  1042 :  155.  181.  1043 :  4.  82«.  1044 :  135.  105' 
7.114,1.  1052:130.  1053 :  53  a.3.  82  a.7.  1054:130.  1055:130.  106':  7.  90 
1062:126.  1063:  32.  93.  1064:161.  107'  :  57  a.  1.  97  a.l.  1072 : 126.  1073 
65  a.4.  82c.  1074 :  163.  108 1 :  19.  91.  1082:120.  10S:J:  126.  108 4 :  64,  4.  84  a.2 
1085:176a.2.  1091 :  6.  82  a.4.  109 2 :  132.  1093:7.  81,1.  1094 :  161.  HO1 
3.103,1.  HO2: 126.  1103 : 3.  71  a.2.  HO4 :  127.  1105:64,3.  75a.3.  HO6 
126.     1 10 7  =  108 3.     HO8:  126. 

Hl1:  66,  1.  93.  lll2  :  127  a.  Hl3  :  127  a.  lll4  :  2.  94.  lll5 :  184. 
112l-3  =  lll1-3.  1124:68,  2.  82a.7.  1128:131.  1131 :  31.  92b.  1132:126. 
1133:2.  79«.  1134:142.  1141~3=  Hl1"3.  114* :  57,  2.  81a.  1.  1145:126. 
1151— 3  =  lll1—3.  1154:15a.5.  92b.  1155:127.  1161^3  =  lll1"3.  1164 :  55. 
81,1.  1166:158a.  116° :  16  a.  1.  81, 1.  1167 :  130.  1171 :  4.  81, 1.  117- :  153. 
1173:  6.  98.  1174:136.  118 1-3  =  Hl1-3.  1 184 :  8  a.2.  93.  1185 :  127.  1186: 
20.  79c.  IIS7:  126.  1191-3  =  lll1-3.  HO4  :  55.  92  a.4.  1195  :  142  a.  1. 
1201— 8  =  lll1—3.     1204:53.  114a.3.     1205 :  156.     120G:6.  82s.     1207:129. 

1211— :i  =  lll1—3.  121*:  2.  81,1.  1215 :  149.  122' :  16  a.l.  81, 1.  1222: 
153.  1223:58.  82c.  I224:153a.  123' :  5  a.  1.  78  a.  1.  1232 :  126.  1233:2.82e. 
1234 :  143b.  1241-3  =  lll1-3.  1244  :  64,  5.  85,  2.  1245  :  130.  1246  :  126. 
1251— 3  =  lll1—3.  1254:48.  78.  125  5: 127  a.  181.  125 6 :  64  a.5.  79.  1257:155. 
1261-3  =  1111-3.  1264:58a.l.  82.  1265:145a.  1271— 3  =  lll1—3.  1274 : 
57,2.81,1.  1276 :  141.  1281— 3  =  lll1-3.  1284 :  53.  92  a.2.  1285:  2.  82c. 
1286:131.  1291-3  =  1111-3.  1294 :  26.  102  a.5.  129B:144.  1296:5a.l.  97. 
1297: 137,     1301— 3=  lll1—3.    130*:  48.  97  a.3.    1305:38.  82°.    1306  :  16.  75,  2. 


DIE    RHYTHMIK    DKS    L.lnDHAHATTR 


499 


1311— 3=  lll1— s.  1314 :15  a.  5.  102,  3.  1315 :  154.  1321 :  43  a.  1.  84a.l. 
132  •:  139.  132":  21.  75a.4.  1324:142a.l.  1331— 3  =  lll1—3.  133 4 :  19.  102,  3. 
1335:139.  1336:25.  73  a.2.  133 ':  182.  133S:182.  133 9:  163.  1344-3  = 
lll1-3.  1344:3.  88a.  1345:173a.2.  1351 :  55  a.2.  78.  1352:156.  135;;:55. 
82.  1354:149.  1361"3  =  lll1-3.  1364:58a.l.  82a.7.  1365:64,3.  75,1. 
1366:43.  102, 1.  136 7 :  66,  3.  113, 1.  136s :  43  a.l.  75,  2.  1369 :  132.  1371 :  25. 
79.  1373 :  133.  1373 :  55  a.2.  106.  1374  :  126.  128.  182.  1381 :  55  a.3.  114, 1. 
138- :  153.  1383:8.  88b.  1384 :  152.  1385:28.  78.  1386:128.  1394:15a.5. 
81,1.  139-:182.  139  3 :  29.  103, 1.  1394:155a.l.  140 4 :  51.  84  a.2.  1402: 
133.     1403:20.  79 c.     140 4 :  155. 

1411  : 3.  89.  141-:162.  14P:4.  101,2.  141* :  127.  1421:5a.l.  79c. 
142- :  153.  1423:153.  1424 :  135.  161.  1425:144.  1431:5182°.  143 2 :153  a. 
143:!:65a.l.  1434 :  155.  1441:65a.l.  114a.6.  1442:66a.4.  114a.6.  1443 : 
65  a.l.  114  a. 6.  1444:65a.l.  115,2.  1454:66a.3.  91  a.2.  145?:129.  1453: 
8  a.2.  93a.4.  1455 :  19.  78  a.5.  1456 :  25.  81,  1.  146x:8.  84b.  146  - :  152.  181. 
1463:65,4.  83, 1.  1464:143b.  1471 :  3.  84\  147':139.  1481 :  64,  5.  97.  148'-: 
157a.2.  1483:3.  93.  1484:132.  1491  :  64, 5.  S2e.  1492:155.  1493:55.  79. 
1494:130a.  149 5 :  126.  181.  lSO'^ö.  84  a  1.  1502:130.  1503:50.  79. 
1504:  145. 

15P:ü4,  5.  81  a.3.  151':  161.  151* :  58.  81, 1.  1514 :145  a.  1521:64,5. 
82a.l0.  1522:155.  152 3 :  50.  79  a.2.  1524:130.  1531 :  64,  5.  78.  1532:180. 
1533:58.  79c.  1534  :  126.  154':64a.4.  81,1.  1542 :141a.  1543 : 2.  106. 
1544:135.  1551 :64  a.  4.  93  a.l.  1552:126.  1553:58.  82c.  1554  :  155.  1555: 
155.  1561:67,3.  95a.l.  1562:155.  1563:20.  84b.  1564 :  126.  15G5:  126. 
1566:131.  1571:64,5.  95a.l.  1572 :  126.  1573 :  55.  79.  1574 :  166.  1575 :  182. 
l^-.&i^S.  91a.l.  1582:126.  1583 :  4.  93  a.  1.  15S4 :  131.  159 4 :  67,  3.  82  a.4. 
159-M30.  159":  4.  81,1.  159 4  :  169.  1601  :  67,  3.  93.  1602:130.  1603:64,5. 
79c.     1604 :  126. 

1614:67,3.  83  a.    16P  :  150.    1613 :  4.  103, 1.    1614:142b.     1621 :  67,  3.  95. 
1622:144.   1623:2.91.   1624 :  155.   162 5 :  37a. 4.  88 b.  182.   1626:182.    1634:67,3. 
75a.2.     163?:155.     1633:2.  78.     1634:139.     163 B :  14 a.3.  81, 1.     1636:182. 
Ket51:29.  82.     52:139.     53 :5a.  81,1.     54:156. 

14*:  29.  79  a.2.  142:150.  143 :  10.  82c.  144 :  156.  171 :  29.  82  a.8.  172 : 
177.  173 :31a.  71  a.l.  174 :  130.  IS1 :  54  a.l.  114  a.5.  182:154.  183:43a.3. 
113,1.     IS4 :  154.      19*:2.  82a.4.     192:126a.2.     193 :  55  a.l.  87.     194 :  162. 

294:3.  79.  292:135.  293 :  47.  82  a.4.  294 :  126.  30 ':  54  a.l.  102  a.5. 
30'-:  130.     303:6.  81,1.     304 :  132. 

31x:3a.  114  a. 7.  312 :  139.  313 :  53.  81  a.l.  314 :  135.  321 :  5  a.l.  114  a.7. 
322:169.  323:55.  83,1.  324:130a.  33x:3a.  116.  332:142a.2.  333:15a.l. 
82.  334:132.  341 :  2.  81a.l.  342 :  149.  343 :  62, 1.  82c.  34' :  141. 
Ls  l':3.  Sla.l.  l2:153a.  I3 :  28.  92.  I4 :  153.  24:15.  113,2.  22=14.  23:4. 
81a.l.  24:183.  3':2.  lUa.l.  33:149.  33:2.  82  a.4.  34:135a.  41:8a.2. 
114a.l.  42-=32.  43: 4.  97  a.2.  44  :136a.  5*:3.  82c.  52:153.  53:6.  93a.l. 
54:182.  61: 55.  114,1.  62:126.  63:4.  93.  64 :  155.  71  :  24.  106.  72 :  182. 
73:57,5.82.  74 :  182.  8':57,5.82.  82:126.  83 :  22  a.l.  82c.  84:130.  dl:S. 
94.  92:130.  93:2.  75a.2.  94 :  141.  lO1^.  93.  102:126.  103 :  37  a.2.  107. 
104 :  126. 


500 


GERING 


ll1 :  2.  102, 1.  II2 :  177.  ll3:59a.2.  78.  ll4:152a.  121:2.  93a.l 
122:180.  12 3: 2.  74,2.  124:l26a.2.  131:43.  93.  132 :  155.  133  =  23.  134 
155.  13 5:  144.  141:64a.2.  81a.l.  142 :  130  a.  143 :  55.  82a.l.  144 :  132 
93a.l.  152:  170.  15":  57,1.  93.  154 :  158.  161:57a.2.  114a.5 
163 :35  a. 2.  107.  16*  =  104.  171 :  4.  113,  1.  172:180.  173:16.  91 
18':  4.  107.  182=104.  18;!:4.  105.  184 :  131  a.  19 
19": 57,1.  81,1.    194: 168.    201:4.  103,3.    202:131.    20: 


21.    79. 

2.  81, 1. 


151:5a.l 

162:161. 
174:149. 
192  =  52. 
204:163. 

211 :57  a.  2.  89.  212:142a.l.  213 :  15  a.4.  82  a.4.  214 :  152  a.  224:4 
113,3.  222:130.  223 :  55.  75  a.4.  224:147.  23 l :  57  a.  3.  75  a.4.  232  =  224 
23 3:  55.  94.  234:180.  235:151a.2.  236:168a.2.  241 :  28.  114,  4.  242 :  139  a 
243:2.  75a. 6.  244  =  236.  251:12.  79.  252:12G.  253:21.  94.  254 :  121 
261:57,1.  101,3.  262:124.  263 :  16  a.2.  82.  264:131.  271 :  64, 1.  114a.l 
272 :  126.  273:3.  79 c.  274 :142  a. 3.  28 l:  65,  4.  75  a.2.  28 2: 155.  283:55 
75  a.2.  284:130.  29 P  57  a.2.  81,1.  29 2: 155.  293:56.  93a.l.  294:130 
301: 4  102,1.     302:145.     30:!  =  23.     304:157a.l. 

3P:3.  97a.l.     312:153.    313:5a.2.  87.    314 :  155. 

135.  323:36.   93.     324:151a.3.      331:29.   93  a.2.     332: 
334:  151.      341 :  57,  1.    115  a.2.     342 :  130.     34:i :  54.    98. 
93a.l.    352  =  342.     35s :  59,  2.  79  a.6.    354:151a.2.      36 
151.     363:15.  81,1.     364:148a.2.      371 :  55.   93.     372 :  126. 

136.  38  *:  57,1.  113,3.    382:152a.    383:3.79d.    384:148. 

126 


39 2 
84a. 


126. 
404: 
4P: 
422:135. 
64, 1.  87. 
45P3.    82 


65  a.2.  79  a.4.     39^ 


401:57, 1.   82 


321:4.   101,1.    322: 

127.     333:8a.2.   82c. 

344: 161.      35':  57,  3. 

:55  a.  3.  79  a.2.     36  -' : 

373:3.   89.     374 : 

57  a. 3.  91  a.2. 

137.     40 3:  2. 


39 J 

40* 


39 ; 
153. 

3.103,1.     412:130.  181.     4P  :  55  a.3.  90  a.     4P  :  126.      42P2 

423:  15  a.4.  75,  2.     42  ' :  127  a.      43 i :  64, 1.  114a.  9.     432:146. 

434:141.      441:  4  a.2.  82.      442 :  166.      443 :  19.   93.      444  :  130 

c.     452:153.     453:66,  1.    97.     454:155.      46 P  4.    113,3.     46 '' 


92b. 
43 3: 

181. 
:  127. 


463:38.  72,2. 
474:141.     48' 

49'-':  130.     493:25a.l. 
503:55.  93a.l.     504: 
5P:65,  1.  93a.l.   5P 
142  a.l.    52P48.  82 c. 
130.      541:2.  91  a.2. 


82. 
49' 


464:130.      471:  57  a.2.  93  a.l.     472 :  130  a.  132  a.3.     473:29.  78. 
8a.l.  115  a.2.    482:139.    483 :  57,  2.  93.    484:167.     49P57a.2. 
114a.l0.     494:126.      501 :  65  a.  1.  114  a.10.     502  = 
131. 

:  131.  5P:30h.  79°.  5P  :  124.  521: 12  a.2.  114a.ll. 
524:126.  53P51.  95.  532:155.  533 :  4  a.2.  84b. 
54- :  130.  54' :  55.  92  a.  3.  544 :  156.  545 :176  a.  3. 
2.  93a.l.  55":  155.  553 :  58.  78  a.  1.  554:153.  50':4.  101,3.  562  =  322. 
10.  82d.  5ö4 :130  a.  571:8al.  97.  57- :  130.  57:! :  55.  81  a.l.  574:  142  a.3. 
55.97.  582:145.  5S3 :  64  a.3.  97  a.l.  584 :  172.  591  =  571.  592  =  572. 
55  a.2.  90.  594:128.  G01:12.  81,1.  60- =  25'.  603:66, 3.  115  a.2. 
163  a.3. 

6P  =  571.  6P  —  572.  61 !:  3.  82  a.4.  6P  :  137.  62P41.  106.  622:137. 
623:2.  82d.  62':141a.  625:137a.2.  631  =  571.  632  =  572.  633:57,2.  94. 
63':  166.  64':  3.  114  a.5.  642 :  126.  64:1 :  34.  S8a.  644:  126  a.2.  65P64,  5. 
81,1.  65-:130.  65  *:  57,  3.  81,1.  654 :  156.  651 
Rfn  P  :  7  a.  114, 1.  I2 :  130.  P  :  2.  82c.  1 ' :  161. 
Rm  l1 :  29.  81, 1.  P:132a.2.  1»:  55.  81,1.  P  :  130. 
23 :55.  97.  2* :  141.  31 :  44  a.l.  81, 1.  32:130. 
I':(il.    79a.  10.     42:  149.      43  :  10.    81  a.l.      44 :  139. 


139. 

2':l2a.l.  114,5.    22:  132. 
33:61.    79a.  10.      34:137. 
6P50.   110.     62 :170  a. 


DIE    RHYTHMIK   DES    LJODHAHATTR  501 

63:54.  82c.  64 :  139.  71 :  57,  1.  102,  2.  72 :  127.  73:2.  82d.  74 :  163.  S1^. 
88".  82:126.  8:!:43.  93a.l.  84:161.  9X:2.  82  a.  4.  9' :  153  a.  181.  93: 
61.114,1.    94:161.     lO^lOa.l.  84e.     102:155.     103:2.  88b.     104:120. 

124:2.93.  12- :  130.  123:  59,2.  82c.  124:130.  191 :  51.  114,  4.  192 :153a. 
193:31.  78.     194:130.     201 :  57,  3.  88b.     202=194.     203:2.  82a.4.    204 :  120. 

2P:2.  82  a. 4.  212:155.  181.  213 :  55.  88 \  21* :  153.  221:3.  75  a. 2. 
22  - :  155.  22 3 :  2.  94.  224 :  142.  241 :  32.  81, 1.  242 :  126  a.2.  243 :  2.  98. 
244:141.  251:57,2.  78.  252:126.  181.  25s:29.  79.  254:130. 
Sd  21: 61.  102,2.  22:152.  23:10.  93.  24:177  34:2.  102,1.  32:173a.l.  33: 
8.82.  34:141.  44:55a.2.  114a.2.  42:127.  43 : 8.  75a.2.  44 :  155.  61: 
062.  93a.l.  62:136.  63:44.  102  a.5.  64:135.  71 :  66,  2.  82  a.  3.  7':  132  a.2 
und  3.  73:15a,6.  79d.  74:136.  7S:2.  82a.5.  76:136.  81: 66,2.  81, 1.  82: 
139.  8:,:15a.6.  SSC.  84 :  139.  91:  66,  2.  82d.  92:161.  9:; :  14  a.6.  79rt.  94: 
13ii.  95:  37  a.l.  92».  9,;:130a.  101 :  66,  2.  82d.  102:139.  10:! :  15  a.6.  79d. 
104:161. 

II1 :  66, 2.  83  a.  112:126.  113:55.  106.  II4: 151.  115:28.  79c.  II6: 
139.  12*:  66,  2.  82d.  122:180.  134:55.  106.  132:126.  133:31.88b.  134: 
160.  135:160.  14':19.  88b.  142:128.  14:!:161.  144:129.  145:139.  181: 
66  a.2.  92  a.  1.  18 a:  137  a.2.  IS3: 141.  184:  4,  2.  72,2.  18":  131.  1SC :  127. 
19 4:  43  a.l.  102  a.5.  192:160.  193:160.  194:36.  87.  195:130.  19';:182. 
197 :  153.  181.      204:3.  82  a.  4.     202:126.     203:57,3.  82.     204 :  131. 

214:3.  82c.  212:132.  21!:56.  90.  21* :  153 a.  181.  221:64a.4.  91a.l. 
22- :  155.  223:2.  92b.  224: 131.  231  :  64,  5.  82c.  232:167.  23 3 :  57,  2.  102  a.  7. 
234:126.  24l :  64,  5.  81, 1.  242:132.  243 :  20  a. 2.  89.  244 :  130.  254:55.  93. 
252:142b.  25:;:182.  254:126.  255:131.  256:55.  82 d.  257:142b.  261 : 
64a. 4.  93.  262:130.  268:3.  79c.  264:130.  181.  271 :  10.  94".  272:131. 
273:  65  a.5.  81,1.  274 :  139.  281 :  64  a.  4.  82c.  282:126.  283:55.  75,2.  284: 
131a.  291:  64  a.  4.  82c.  292:153.  293:2.  94a.l.  294:158a.  30l :  57,  3.  79c. 
302:156.     30 3:  57, 4.  102  a.  7.     304:159. 

314:64a.4.  92b.  312 :  149.  31 ; :  3.  79c.  314 :  155.  321:64a.4.  84a.l. 
322:139.  32  3: 2.  89.  324 :  161.  331 :  64  a.  4.  92b.  332:127.  333 :  35.  92  a.2. 
33 4 :150  a.  341 :  2.  78  a.l  und  2.  342 :  153  a.  343 :  4.  82 c.  344 :  139.  35 4 :64  a.  4. 
92a.3.  352:155.  35:::130.  354:141.  355:55.  79c.  35ü:131a.  36J:4.  82c. 
362:182.  36 3:  2.  114,5.  364:130.  37' :  66,  2.  82d.  372 :  153.  373 :  61.  84  a.l. 
374:131. 
Hon  l1 :3  a.  75  a.  1.  1- :  126.  I8: 15.  81,1.  I4 :  153.  24:2.  114a.8.  22:136a. 
23=ls.  24  =  14.  31: 57, 3.  103,1.  32:130.  181.  33: 58a.  1.  1031.  34:180. 
41:21.  71.  42:170a.  4:! :  32.  82d.  44:141.  51:54.  84a.l.  52:149.  53: 
22  a.l.  94.  54:158a.  61 :  30b.  87  a.4.  62:152.  63:2.89.  64:152.  74:44a.l. 
114,4.  72:156.  7»:  4.  81,1.  74 :  166.  81 :  41.  82a.7.  82:155.  83:58.  89. 
84:182.  94:50.  82.  92  =  82.  93:58.  79c.  94:144.  10x:2.  103,3.  102: 
155.     103:155.     104:51.  82.     105:149. 

ll1^.  82.  II2:  139.  II3:  36.  82.  II4: 182.  121 :  55  a.3.  96a.  123:47. 
93.  124:130.  134:4.  82.  132:130.  13 8 : 2.  79  a.  10.  134:149.  141 :  29.  79. 
142:]26.  143:62, 2.  79-.  144 :  130.  154:6a.l.  94.  152:134.  161:64,5.  78. 
162:136.  163:33.  81,1.  164 :  153.  171:29.  79('.  172 :  182.  173 :  20.  103,  3. 
174 :  150.     184:3.  79-.     182  =  172.    18:1 :  20.  103,  3.    184:150.     191 :  44.  91  a.l. 


502  GERING 

19- :  157.     193:2.  94  a.  2.     J94:149.     201:44.   81,1.     202:182.     203:58.  98. 
204 :  130. 

211:50.  108.  212:139.  213 :43  a.2.  87.  214 :  136.  221:2.  108.  222  = 
212  223:8a.l.  79a.7.  22 4 :  161.  23»:  86.  73,2.  232:135a.  233:2.  8la.l. 
234:156a.  241 :  7.  Sla.l.  242  =  202.  243 :  58  a.l.  88c.  244 :  183.  25'=23l. 
252  =  232.  25 3: 15  a.l.  82  a.2.  254:155.  26 l :48  a.  82.  262:130.  26 3:  3. 
82c.  264:130.  271:48.  91.  272:183.  273: 44  a.2.  78.  274 :  139.  28*:64,4. 
110.  282:149.  283:178.  284 :  64a.7.  79.  285:127.  291 : 4.  102  a.7.  292: 
131.  293:55.  79  a.2.  294:155.  295:153.  181.  304:54a2.  82.  302:126. 
30 3:  2.  94.    304:141. 

31»:  67,  2.  115  a.2.  312:167.  313 :  28  a.  87  a.2.  314 :  3.  87a.3.  316:165. 
324:19.  93.  322:130.  324:126.  331 :  3.  114  a.2.  33'-':155.  333 :  65  a.5.  81, 1. 
334:130.  34» : 2.  102  a.2.  342:153.  343: 155  a.l.  344:55a.2.  71  a.2.  345 : 
155.  346:155.  35  4 :  65,2.  110  a.2.  352:166.  35 3 :  64, 4.  81, 1.  354:126.  355: 
126.  SQ'-.M.  88 b.  36-':  155.  36 3  :  2.  81,1.  364:130.  365:  =  262.  371 : 
53a.2.  90b.  118.  372 :  171.  373 :  58  a.l.  110.  374 :  135.  38l :  66  a.4.  95.  382: 
155.  38 3: 64,  5.  83, 1.  384: 173  a.2.  39 1 :  47.  90.  39 2 :161a.  39 3 :  4,  2.  72,  2. 
394:130.     40l:2.  82c.    402:170.    40 3 :  33.  82  <".    404:153. 

411:  5  a.l.  83a.   41- :  161.   413:37.88b.    414 :  156.    42»:2.  82c.    422— '  = 
402-4.      431:55.  107c.     432:130.     433:2.  71.     434 :  169. 
Sil1: 4.  81,1.     I2: 126.     I8:  31  a.  93a.6.     I4 :  163.     21:55.  105.     22:131a.     23 
55.   114a.  10.     24:159a.     34:2.  81,1.     32:166.     3a:2.  73,1.     34:183.     4' 
55.117.    42:126.    43 : 2.  72a.2.    4':142.      51 :  55.  71.    52:150a.     53:55.  74,2 
54:155.     61: 55.  81,1.     62:168.     6:):58.  79c.     64:176a.l.     71:2.  82d.    72 
135a.    73: 15.  107.     74 :  174.     84:2.  78.    82 :  127.     8:!:5.  79e.     84:129.     91 
4.115,2.    92:163.    9:!:5.  115,3.     94 :  141.      101 :  11.  79 c.     102:174.     103:5. 
81,1.     104:156. 

II1: 5.  115, 2.  ll2:163a.2.  113:5.  79c.  114:142.  12»:5.  81,1.  122; 
130.  12a :  55.  82d.  124:144.  13»:5.  79.  13 2 :  183.  133:30.  89.  134:130 
14':10.  79c.  14- :  155.  14:! :  15.  79.  144:139.  15»:10.  79.  152: 127.  153: 
29.75,1.  154 :  159.  161 :  2.  115,2.  162:140.  163:2.  79a.7.  164 :  126.  171 
66,4.115,3.  172:155.  173 :  58.  106.  174:174a.3.  18 » :  11.  79c.  182:139, 
183:3.  82e.  184:130.  ld'-.U.  81,1.  192:151.  193:57,3.  71.  194 :  171 
201:  57,  3.  102  a.l.    202 :160  a.     203:  4  a.2.  114,  3.     204:130. 

211:5.  78.  212:137a.l.  213:2.  88c.  214 :  137  a.2.  221:28.  79c.  222: 
163a.2.  223:5.  80.  224:141.  23':5.  79t'.  232:159a.  233:4,2.  78.  234: 
126.  24» :  55.  78.  242:149.  243:  30.  82  a.4.  244 :131a.  25':  65, 1.  71.  252: 
153a.  25":  54.  81,1.  254:120.  261 :  55.  81, 1.  262:132a.2.  263:2.  82d 
264:131.  27,:15.  79c.  272 :  149.  273 :  55  a.l.  106.  274 :  139.  28» :  57,  2.  102,2 
282:161.  283:41.  78a.l.  284:173.  291 :  55  a.2.  71.  292:166.  293:3.  114,1. 
294:126.     30':  66  a.l.  82  a.  6.    302:126.    303:2.  90.    304:139. 

3P:2.  81,1.  312: 135.  313:  57,  2.  78  a.l.  31' :  131.  32»:47.  88".  322; 
157.  32:i:57,3.  88b.  324:131a.  331 :  15  a.l.  78.  332:126.  333:30.  79^, 
334:131.  34':  55.  82c.  342:179.  34:! :  2.  82'1.  344 :  157.  35 !:  2.  82  a.4 
352:163.  35 3:  62.  79'-.  354:152a.  36' :  55.  102, 2.  362:130a.  36:!:58.  108, 
364:156.  37» :  55.  93.  372:126.  373:3.  91.  37l:130.  38»:2.  82a.5.  382 
126.  38;,:2.  82p.  384:135a.  39' :  55.  102, 1.  392:173.  39:i :  19.  114  a.5, 
394:155.     40 »:  55.  102,2.    402:137.    403:50.  79c.    404:126a.l. 


DIE  RHYTHMIK    DES    LJODHAHATTR  503 

4P:  55.  101,  3.  4P:135a.  413:55a.2.  71.  414:126.  42 l:  55.  102,2. 
42*:  141.  423:15.  114,2.  424:126.  431:55.  115,3.  43 2: 130.  433:20.  108. 
434:130.  441:  55.  102,2.  442  =  402.  443:55.  93.  444:139.  45 ':  55.  102,  3. 
45 2: 144.  45 3:  66,  3.  73.  454:178.  46* :  65,1.  108.  462:126.  46:!:55a.3.  71. 
464:163.  471:2.  82.  472 : 149.  473:  53.  87  a. 4.  474 :  135.  48 l  :57  a.  5.  78. 
482:149.  483:37a.3.  107.  484 :  130.  181.  49x:2.  78.  492:155.  493:55. 
81,1.     494:126.      501:49.  81,1.     502:130.     50*:  55.  81,1.     504 :  153. 

5P:15.  90c.  512:157.  513:55.  93.  514:160a.  52J:4.  82a.4.  522 
152.  523:4.  82d.  524:176a.l.  53':15a.l.  79a.3.  532:176a.l.  533:2 
75,1.  534:173a.3.  541 :  66, 1.  107.  542 :  123.  543 :  4.  75a.2.  544 :  130.  551 
55.  82c.  55- :  161.  55 3 :  61.  81, 1.  554:139.  561 :  66, 1.  107.  562:161.  563 
2.  84a.  564:161.  57l:53.  101,2.  572:175.  573:2.  103, 1.  574 :  130.  581 
2.  82d.  582:155.  583:2.  84c.  584:130.  594:55.  79d.  592:149.  593:6. 
93a.l.    594:130.     601 :55.  75  a.2.    602:183.    603:2.  82a.l.    604:155. 

Ol1 :55  a. 2.  89.  612 :  131.  613:2.  82.  614:155.  62 1 :  55  a.2.  102,1. 
622:139.  623:65,4.  78.  624:154.  631:55a.2.  79c.  632:127.  633:5.  75a.5. 
634:141.  641: 55 a.2.  75,1.  642:126.  64* : 2.  81,1.  644:155.  65* :  55  a.2. 
87.  652:130.  653:53.  75, 2.  654:155.  66 ':  55  a.2.  88 c.  662:130.  66:::2. 
90.  664:155.  671 :  55  a.2.  87.  67- :  130.  673:2.  78.  674:130a.  OS1^.  82c. 
682:149.  6S3:2.  75,  2.  684 :  131.  691 :  55  a.2.  87.  692:156.  69:! :  2.  82  a.l. 
694:155.      701: 55  a.2.  79.     702:174.     703:25.  78.     704  :127  a. 

711:55a.2.  87.  71- :  156.  713:55.  79.  714:130.  72 »:  55  a.2.  75,1. 
722:126.  72s:2.  92c.  724:155.  731:2.  93.  732:130.  733:2.  79d.  734: 
126.  74' :2.82  a. 4.  742:129.  743: 2.  78  a.2.  744 :  130.  751:22.  111.  752:130. 
753:3.  119.  754:135.  761:10a.l.  82a.l0. 
764:130.  771:55.  82 c.  772 :  182.  773:2.  89 
782:151.  783:55.  81  a.l.  784:161.  79x:2 
794:164.     801:2.  89.    802:155.    803:2.  79e. 

811:  2.  93  a.l.  812 :156  a.  813:55.  79c 
167.  82:i:55.  79.  824:153a.  83':10.82d.  832:135a.  833:2.82°.  834:183. 
Vm  lx:50.  92b.  12:160.  ls:  10.  82a.7.  I4: 151  a.l.  21: 2.  82a. 4.  2-':  182. 
23:22a.l.  91a.l.  24:149.  31: 55.  102,2.  32:130a.  33:65,4.  87.  3*:153a. 
41:57,2.  73a.l.  42:127.  43:57,  5.  82  a. 4.  44 :  130.  51:2.  115,3.  5- :  151 
53: 23.  97  a.  4.  54:155.  61 :  43  a.2.  93  a.l.  62:150.  63:66a.3.  93.  64 :  167, 
71:29.  79.  72:126.  73:55a.3.  114,1.  74:141.  8l:6a.l.  82a.4.  82:130 
83:54.  79d.  84:151a.2.  91: 8 a.l.  114a. 6.  92: 127.  93:2.  79d.  94:128, 
101:  65, 3.  81,1.     102: 131.     103:48.  82a.4.     104:177. 

II1 :8a. 2.  82.  II2: 130.  113:34.  78.  II4: 155.  ^MIO.  79.  122=114 
123:55.  99.  124:134.  131-,=  111-".  133:34.  78.  134:155.  141 :  10.  78, 
142  =  134.  143:62,2.  83.  144 :  131.  151-2  =  111-2.  153:34.  85,2.  154:153, 
181.  161:48.  85,2.  162  =  154.  16s:54.  94.  164 :  126.  171-2=111-2.  173 
34.83.  174:127.  181 :  65  a.l.  83.  182  =  174.  183:2.  81a.l.  184:155.  19l: 
55a. 3.  115 a.2.  192:142b.  193:2.  82.  194:155.  20l:4a.2.  82c.  20':151 
20:,:21.  90.     204:130. 

211:30b.  79e.  2l2:126.  181.  213:4.  114a.l0.  214:126.  181.  22':3 
82c.  222=202.  223 :24a.  93  a.l.  224:182.  231:13a.2.  82L'.  232:150 
233:54.  82.  Z34 :  156.  241 :  4  a.2.  82r.  242  =  202.  243 :21.  93  a.l.  244 :  182 
251:6.  93.     25':139.     258:55.  93.     254  =  234.      261 : 4  a.2.   82c.     262  =  202 


76 2: 126. 

76s:2a.    115  a.3 

774:151. 

78 l:    57,2.  114,1 

79c.      792 

155.      793:10.    76 

804:155. 

814 :  130. 

82 »:  2.  79°.    82 2 

504  GERING,    DIE    RHYTHMIK    DES    L.IÖDHAHATTR 

263:21.  90.  2G4:155.  271 : 6.  82c.  272 :  166.  281:4a.2.  82e.  282  =  202. 
28:i:19.  88c.  284 :  156.  291:10.  84\  29= :  151.  293:53.  89.  294:149.  30l: 
4  a.  2.  82 c.     302  =  202.     30:!:30.  82 c.     304  =  20'. 

311 :  15.  93.  31- :  139.  313: 15.  82c.  314:151.  321 :  4a.2.  82c.  32-  = 
202.  323:25.  79c.  32 4 :  142.  331 :  15  a.2.  91.  332:155.  333:2.  79d.  334:179. 
341 :  4  a.  2.  82 c.  34-  =  20 2.  343 :  20.  79.  344 : 1 66.  35 4 :  1 0.  84b.  35 2  =  29 -'. 
353:21.  82d.  354 :  130.  361:4a.3.  82c.  362  =  202.  363:21.  93a.l.  364: 
132.  37':  6.  96b.  372 :  127.  373:28.  90.  374 :  155.  381:4a.3.  81,1.  382: 
149.  383:21a.l.  79a.8.  38*:4.  91.  385:141.  39':30.  94.  392:176a.2. 
393:19.  93.     394:130.      401 :  43  a.2.  82c.     402  =  202.     403:69.     404 :  126. 

4P  :43.  114,1.  412  =  404.  4P :  2.  83.  414 :  142.  42]:4a.2.  81,1. 
422  =  382.  423:15.  79c.  424:154.  425:149.  431  =  423.  432:126.  43': 
139.  434:4.  75a.5.  435:134.  441-*  =  31-*.  443 :  30.  81  a.3.  444 :  130.  451: 
44.82°.  452:161.  453:2.  94.  454:141.  461-2  =  31-2.  463 :  57, 1.  79d.  464 : 
141.  474:2.  89.  472:132.  473:2.  88a.l.  474:126.  481-2  =  31-2.  48 3: 
4a.2.  97.  484:180.  491  :  54.  93.  492:155.  493  :  11.  81a.l.  494:132. 
501-*  =  31-".     503:64a.4.  107.     504 :  139. 

5P:5.  93.  512=504.  513:4.  79d.  514:156.  5212  =  31-2.  523:2.  89. 
524:130.  534:53.  79c.  532:130.  533:2.  78.  534:126.  54,-2  =  31.8.  543: 
64,  5.  115  a.2.  544 :  130.  551:48a.  94.  55 2 :  131.  553:2.  85,2.  554:126. 
181.    555:3.  99.    55 6: 168. 


Berichtigungen  und  nachtrüge. 

///  den  Vorbemerkungen,  absatx3,  xeile  10  füge  ein:  verse  mit  alliteration 
auf  der  ersten  und  dritten  heb/mg  mit  1.  3. 

§  16  füge  am  Schlüsse  (hinter  Fj253)  hinzu:  (ß)  ok  vif)  hat  et  hribja  Hov  130u. 

§  66,  5  lies:  leibum. 

§  71,  xeile  4  lies  122  statt  117. 

§82,  anm.  4,  x.  12  füge  ein  (nach  Hqvlh1):  ef  skalk  [ek  skalj  fyrba  libi 
Hov  159';  ebenda  x.  19  füge  ein  (nach  Sl  24'%):  bykkjumk  [bykkir  ek]  skotmim 
vesa  Hl  l1. 

Zu  den  quellen  des  ljoÖahältr  ist  noch  ein  in  der  Flörents  saga  (FSS  2043y 
überlieferter  visuhelraingr  xu  rechnen,  den  Cederschiöld  (FSS  s.  XIV)  /rot  mit  un- 
recht als  eine  halbstrophe  im  fornyröislag  ansieht: 

deyr  dugga,        bot  i  dali  skribi, 
bäs  oll  'ru  erlqg  farin. 

Die  langxeile  (F1A-C1)  ist  in  den  §§53  und  92 b  nach: ut ragen ,  die  rull- 
xcile  (BA2L)  in  §  123. 

KIEL.  H.  GERING. 


MENSIKG.    BEITRÄGE    ZUR    NIEDERDEUTSCHE!*    SYNTAX  505 

BEITRÄGE  ZUR  NIEDERDEUTSCHEN  SYNTAX. 

1.    dede  in   irrealen   bedingungssätzen. 

Die  eigentümliche  Verwendung  des  conj.  praet.  von  tun  in  irrealen 
bedingungssätzen  in  der  bedeutung  gäbe  es  nickt,  wäre  nicht  vorhanden 
ist  in  dieser  Zeitschrift  mehrfach  erörtert  worden  (vgl.  16,  374;  23,  41. 
293;  24,41.  43.  201.  504;  25,431).  Nachdem  zuerst  nur  beispiele 
aus  dem  frühen  nhd.  bekannt  geworden  waren,  habe  ich  Zs.  26,  533 fg. 
durch  zwei  stellen  aus  Gerhard  v.  Minden  den  gebrauch  als  ursprüng- 
lich niederdeutsch  gekennzeichnet,  und  Leitzmann  Gerhard  v.  Minden 
s.  284  ist  mir  unter  hinzufügung  anderer  mnd.  beispiele  darin  beigetreten. 
Aus  mitteldeutschen  quellen,  namentlich  Hansens  Marienliedern  und 
dem  Kai) meinet,  hatte  schon  Dittmar  im  ergänzungsbande  dieser  Zeit- 
schrift s.  227  fg.  beispiele  nachgewiesen.  Eine  erklärung  versuchte  zu- 
erst Erdmann  Zs.  23,  41  fg.  Seine  ausführungen  sind  beachtenswert, 
treffen  aber  nicht  überall  den  kernpunkt  der  sache.  Unzureichend  ist 
die  erklärung  Heynes  im  D.  wb.  3,  971.  Es  lohnt  sich  die  frage  noch 
einmal  im  zusammenhange  zu  erörtern,  zumal  da  mir  jetzt  aus  meinen 
Sammlungen  reicheres  material  zu  geböte  steht,  das  die  entwicklung 
meines  erachtens  mit  ziemlicher  klarheit  zu  übersehen  gestattet.  Da  der 
zu  behandelnde  Sprachgebrauch  fast  allen  herausgeben!  mittelnieder- 
deutscher denkniäler  unbekannt  geblieben  ist,  so  wird  dabei  auch  einiges 
für  die  erklärung  und  kritik  der  texte  abfallen. 

Ich  unterscheide  drei  stufen  der  entwicklung. 

I.  Das  verbuni  tun  ist  das  allgemeinste,  unbestimmteste,  farb- 
loseste wort  zur  bezeichnung  einer  tätigkeit.  Es  wird  daher  seit  alters 
sehr  häufig  angewendet,  um  da,  wo  die  nötigung  vorliegt,  einen  eben 
ausgedrückten  begriff  nochmals  auszudrücken,  zur  Vermeidung  schwer- 
fälliger widerholung  und  anstössigen  gleichklangs  für  ein  anderes  voraus- 
gehendes verbum  einzutreten.  Dieser  ersatz  jedes  beliebigen  verbums 
durch  tun  ist  in  der  älteren  spräche  in  mannigfachen,  heute  zum  teil 
verlorenen  formen  entwickelt.  Ich  gebe  belege  aus  dem  Heliand  und 
dem  mnd.  und  füge  zur  vergleich ung  ein  paar  mhd.  stellen  an  (vgl. 
Mhd.  wb.  3,  142).     Die  beispiele  lassen  sich  beliebig  vermehren. 

Das  wort  tun  dient  zunächst  als  ersatz  solcher  verba,  die  eine 
tätigkeit  im  engeren  sinne  bezeichnen,  gleichviel  ob  diese  rein  für 
sich  allein  ausgedrückt  oder  zu  einem  object  in  beziehung  gesetzt  oder 
durch  eine  adverbiale  bestimmung  eingeschränkt  wird.  Folgende  fälle 
lassen  sich  unterscheiden. 

ZEITSCHRIFT    F-    DEUTSCHE   PHILOLOGIE.       BD.   XXXIV.  33 


50G  MENSINÖ 

1.  Ersatz  eines  verbums,  das  keine  nähere  Bestimmung  irgend 
welcher  art  bei  sich  hat.  Hei.  4364  (Heyne)  so  humid  the  dag  the 
latsto,  so  sama  so  thiu  flöd  deda  cm  furndagun.  Schachb.  5839  (Schlüter) 
so  ne  utoghevi  se  nicht  wedderkeren  also  ivol  dort  de  eddelen  heren.  — 
Walth.  70,8  in  gesach  nie  tage  slichen  so  die  mtne  tu  out.  Wig.  5380 
wander  doch  nicht  genesen  kern,     zwar,  er  tuot. 

2.  Ersatz  eines  verbums,  das  ein  objeet  bei  sich  hat. 

a)  Das  objeet  ist  bei  tun  erspart.  Hei.  322  lest/'  thu  inka  ivinitreiva 
ford  so  thu  dädi.  Eneit  617  sprdket  ir  sie?  ja  tvir  ddden.  620 
meinet  sft  so?  ja  si  doet.  Schachb.  4701  vorterck  he  syn  gud 
edso  vil  mennich  clore  dut.    Vgl.  AH.  96.     Iw.  2470. 

b)  Das  objeet  ist  bei  tun  ausgedrückt  und  zwar  in  demselben 
casus,  den  das  ersetzte  verbum  hat.     Das  objeet  kann  sein 

a)  Accusativ.  Hei.  3565  neri  üs  af  thesaru  nödi  so  thu  ginoge 
dös.  Dodesdanz  849  (Baethcke)  o  here  erlose  mi  alse  du  deckst 
den  hilgen  Heliam.  Schip  van  Narr.  5984  (Schroeder)  he  straffet 
unsz  atze  eyn  vader  doet  sine  kint.  Korner  (Germ.  9,  277,28) 
se  smededen  de  zelen  mit  gloinghen  hameren,  also  de  srnede 
dat  iseren  dön.  Vgl.  Iw.  5108  kern  Qaiveinen  minn  ich  :  ich 
weix  wol,  also  tuot  er  mich.    Walth.  35,19  u.  o. 

ß)  Dativ.  Hei.  3440  nu  ni  gibis  thu  üs  skattes  than  mer  thie 
thu  them  öctron  duos.  Eberh.  v.  Gandersh.  1521  (Weiland) 
nu  ne  mochte  ok  ein  koning  luden  bat  bevallen  clemie  he  tivar 
deck  beide  armen  und  riken.  Schip  v.  Narr.  1910  den  wisen 
levet  (=  ist  lieb)  eyntvoldicheyt ;  den  gecken  dat  so  nicht  enckit. 
Schachb.  3048.  3118.  Mnd.  ged.  ed.  Lübben  11,  30  dat  du  gyffst 
alle  iaer  in  dynen  hochtyckn  den  hillighen  licham,  de  des  synt 
iverdich,  unde  en  tust  de  des  synt  untverdich.  Vgl.  Iw.  4260 
dö  halft  ir  mir  von  sorgen:  also  tuon  ich  iu  morgen.  Iw.  139. 
Wig.  1974. 

/)  Genetiv.  Hei.  1972  so  hwe  so  min  than  farlögnid  liudibarno, 
so  dorn  ik  is  an  himile.  Im  mnd.  ist  mir  kein  beispiel  auf- 
gestossen.  Vgl.  noch  Iw.  1379  si  gerten  sins  tödes  alsam  der 
wolf  der  schafe  tuot  und  Benecke  z.  d.  st. 

ö)  Substantivuni  mit  praeposition.  Schip  v.  Narr.  1809  do 
dachte  eyn  up  de  flasscheti  mere  dan  he  deck  an  dat  evan- 
gelium  (mit  leiser  änderung  der  construetion).  Vgl.  Nib.  1654 
si  warte  nach  den  mägen,  so  vriunt  nach  friunden  tuot. 

3.  Ersatz  eines  verbums,  das  durch  einen  adverbialen  ausdruck 
näher  bestimmt  ist.    Hei.  2627  quad,  that  luttiles  hivat  so  hoho  afhöbi, 


BEITRÄGE    ZUR    XlKDKRDEÜTSCHEN    SYNTAX  507 

so  dttot  himilriki,  wo  das  adverbium  bei  dön  erspart  ist.  972  nu 
kumis  thu  the  minero  dupi ,  skolde  ik  te  thinero  duan.  Eberh.  v.  Gaüd. 
428  dat  se  vor  anderen  chsterjuncvrowen  lüchten,  so  de  sunne  vor 
den  klenen  sternen  duot.  Vgl.  Wig.  1227  in  einem  jare  wuohs  ex  wie 
dan  ein  ander%  in  xwein  tuo. 

Nichts  beweist  deutlicher,  wie  gering  der  inhalt  des  begriffs  tun 
in  dieser  anwendung  ist,  als  die  in  den  angeführten  beispielen  zu  tage 
tretende  anpassungsfähigkeit  an  die  construction  des  vorausgehenden 
verbums.  Das  wort  tun  erscheint  oft  mehr  als  eine  äusserliche  stütze 
des  satzbaus  denn  als  ein  lebendiges  glied  und  ein  unentbehrlicher  be- 
standteil  der  rede.  Namentlich  in  den  zahlreichen  vergleichenden  sätzen, 
die  durch  also  und  ähnliche  conjunctionen  eingeleitet  werden,  könnte  es 
nicht  selten  fehlen,  ohne  dass  nach  unserem  gefühl  dem  sinn  irgend 
ein  abbruch  geschähe. 

Ferner  aber  kann  tun  auch  als  ersatz  dienen  für  verba,  die  einen 
zustand,  eine  ruhe  ausdrücken;  der  begriff  des  „tuns"  ist  dann  ganz 
aus  ihm  geschwunden.  Im  Hei.  finde  ich  kein  ganz  sicheres  beispiel, 
wol  aber  im  mnd.  und  mhd.  RV  159  stunde  he  also  in  des  koninges 
love  so  alse  gi  dot.  Dodesdanz  976  (Baethke)  na  gelde  unde  na  gude 
steit  al  min  mot ,  likeuise  der  katteu  na  der  muse  dot.  Vgl.  Lampr.  AI. 
4546  (AVeismann)  der  Möre  lach  da  vile  tot;  so  tetiz  ouch  der  Griechen. 
Nib.  1944  ich  gesuch  nie  videlaere  so  herliche  stän  also  Volker  Mute 
hat  gedän. 

Von  hier  aus  ist  es  nur  noch  ein  kleiner  schritt,  das  verbum  tun 
auch  für  das  inhaltloseste  und  allgemeinste  wort  zur  bezeichnung  eines 
zustandes,  für  das  einfache,  nicht  näher  bestimmte,  reine  sein  zu  setzen, 
so  dass  es  die  bedeutung  dasein,  vorhanden  sein,  existieren  gewinnt. 
So  ergibt^sich  die  möglichkeit  einer  satzform  wie  dieser: 
ein  tgranne  mannich  were 
over  den  armen,  en  dede  ein  here. 
Vgl  Gerh.  v.  Mind.  114,  22.  Mitgewirkt  hat  auch  hier  gewiss  das  streben 
nach  Wechsel  des  ausdmeks  und  nach  Vermeidung  ungeschickter  wider- 
holung.  Dieser  gebrauch  von  dede  für  were  inuss  sich  dann  in  dieser 
bestimmten  satzart  festgesetzt  und  eine  formelhafte  geltung  gewonnen 
haben,  sodass  es  nun  auch  nach  jedem  beliebigen  anderen  verbum  in 
der  einmal  ausgebildeten  bedeutung  gebraucht  werden  konnte.  Eine 
natürliche  folge  der  historischen  entwicklung  ist  es,  wenn  dann  neben 
dem  einfachen  praeteritum  mit  präsensbedeutung  für  den  in  die  Ver- 
gangenheit verlegten  irrealen  fall  die  sog.  plusquamperfectumschreibung 

en  hadde  gedän  auftritt. 

33* 


508  MENSTNG 

Ich  gebe  nun  für  diese  stufe  der  entwicklung  die  belege.  Wenn 
bisher  als  ältester  zeuge  dieses  gebrauches  Gerhard  v.  Minden  (um  1400) 
gelten  musste,  so  kann  ich  die  fügung  jetzt  schon  anderthalb  Jahr- 
hunderte früher  belegen,  nämlich  aus  Bertholds  von  Holle  Crane,  der 
zwischen  1250  und  1260  anzusetzen  ist.  Es  ist  bekannt,  wie  stark  die 
niederdeutsche  färbung  in  den  werken  dieses  dichters  ist.  Vor  Gerhard 
fällt  auch  die  gleich  aufzuführende  stelle  aus  Hermann  v.  Fritzlar,  dessen 
heiligenleben  um  die  mitte  des  14.  jhs.  verfasst  ist  und  ebenfalls  starke 
spuren  niederdeutschen  idioms  aufweist. 

1.   Einfaches   Präteritum:   clede. 
a)  der  bedingende  satz  folgt  dem  bedingten: 

Crane  3988  (Bartsch)  dit  riche  were  im  gar  genomen,  i%  in- 
dede  üwes  herxen  manheit,  die  den  van  Sconfe  hie  irstreit. 

Hermann  v.  Fritzlar,  Dtsche  myst.  1,45,29  (Pfeiffer)  her  (Jesus) 
heixit  ouch  ein  gedang  des  vaier;  da%  ist  durch  die  inwonunge 
di  her  hat  in  dem  vater;  wem  dikeine  gedanc  enmochte  gedang 
gesin,  int et e  daz,  des  gedanc  ist. 

Stephans  schachbuch  5131  we  mochte  des  koninges  voghet  bestan, 
en  dede  de  gude  ackerman,  de  eme  moet  werten  kost  unde  spise. 
Schlüter  im  Glossar  (Norden  1889)  s.  20  erklärt  dede  fälschlich 
durch  arbeitete. 

Laiendoctrinal  (ed.  Scheller,  Braunschweig  1825)  s.  9  der  stemme 
lud  ne  brockte  neu  undersched  ut,  ne  dede  de  hinge.  Diese 
stelle  ist  wie  alle  übrigen  aus  dem  Laiendoctrinal  wörtliche  Über- 
tragung aus  dem  mittelniederländischen,  worüber  unten  mehr; 
vgl.  Die  dietsche  doctrinale  (ed.  Joenckbloet  s'  Gravenhage  1842) 
1,  178  en  dade  die  thonge. 
I>)  der  bedingende  satz  steht  vor  dem  bedingten: 

Valentin  und  Namelos  1839  (Seelmann)  se  hat  ein  serpentelin, 
dat  is  stark,  schone  unde  fin,  en  dede  dat,  so  ivolde  ik  se  mit 
ivalt  wol  winnen,  de  jnnkvrowe  balt.  Auch  Seelmann  trifft  hier 
in  der  anm.  z.  d.  st.  nicht  ganz  das  richtige. 

Guido  v.  Alet,  Nd.  Jb.  13,95  (prosa)  endeden  de  bede  Marien 
unde  anderer  hilgen,  de  truiveliken  vor  uns  bidden,  god  de  en 
legte  nicht  ungewroken  de  sunde. 

Laiendoctr.  5  en  dede  sprake,  so  bleue  gedan  ivipheid  forborgen 
hu  den  man  =  Doctr.  1,  72  en  dade  sprake.  Das.  153  en  dede 
rechticheit  forivar,  de  lüde  dochten  nicht  en  här  =  Doctr.  3,  39  en 
daedt  gerechtigheit.     Das.  136  de  richter  is  den  guden  ein  seker 


BEITRÄGE   ZUR   NIEDERDEUTSCHEN    SYNTAX  509 

toverlät . . .wart  en  clede  he,  de  guden  hieven  ungemoied  nicht  = 
Doctr.  2,  3365  en  dade  hijt. 

Analog  sind  die  sämtlichen   von  Dittmar  a.  a.  o.  aus  Hansens 
Marienliedern  und  Karlmeinet  beigebrachten  beispiele. 
2.  Plusquamperfectumschreibung:   hadde  gedan. 

a)  bedingender  satz  nach  dem  bedingten: 

Theoph.  XL  (Ettm.)  daer   ici  alle   verloren  waren  mede,    en- 
hadde  ghedaen  de  moghentede;  vgl.  Dittmar  a.  a.  o.,  s.  228. 

b)  bedingender  satz  vor  dem  bedingten: 

Hier  kommen  mehrere  stellen  des  Laiendoctr.  in  betracht,  die 

wider  wörtliche  Übertragungen  aus  dem  mittelniederländischen  sind. 
Laiend.  s.  8  en  hadde  de  lauist  gcdaen,  men  konde  nog  fiske 

noch   fogele   fein;    derselbe    vers    kehrt    viermal    wider;  =  Doctr. 

l,146fgg.  en  hadt  conste  ghedaen,  das  sechsmal  widerkehrt. 
Laiend.  s.  151  en  hadde  sin  Itulpe  gedaen,  de  andere  hadde 's 

lichte  argan  =  Doctr.  3,  39  en  hadt  sin  hulpe  ghedaen. 

Laiend.  s.  80  hadde  sunder  ivan  unse  vader  unde  moder  en 

gedan,  tue  en  hctdden  nicht  gewest  =  Doctr.  2,  1581  en  hadden 

onse  vader  ende  moeder  ghedaen. 

Im  mittelniederländischen  ist  die  Verwendung  der  formel  en 
dade  und  besonders  der  plusquamperfectumschreibung  en  hadde  ghedaen 
sehr  verbreitet  und  viel  geläufiger  als  im  mnd.  Beispiele  bei  de  Vries 
im  Glossar  zu  Boendales  Lekenspieghel  s.  v.  doen,  bei  Franck  Flan- 
drijs  (QF  18)  s.  42  fg.  und  131  fg.,  bei  Verwijs-Verdam  II,  240.  — 
L.  Sp.  1,  6,  9  en  dade  des  ynghels  hoede,  hi  maecte  ons  tongoede.  Das. 
1,8,23.  1,9,5.  3,14,30  u.  o.  Maerl.  bist.  v.  Troyen  2047  (Verdam)  en 
hadde  die  scaemte  ghedaen,  hg  haddie  cleder  ontfaen.  2715  ne  hadde 
Tgdeus  sone  ghedaen,  die  Grieken  waren  cd  ontdaen;  vgl.  das.  296. 
1539.  2663.  2868.  4534.  4785.  Diese  acht  beispiele  fand  ich  in  den 
ersten  5000  versen  des  gedichtes,  während  mir  in  den  14  277  versen 
der  Alexanders  geesten  desselben  dichters  kein  einziger  beleg  aufstiess. 
Ob  das  nur  ein  wunderlicher  zufall  ist,  kann  ich  im  augenblicke  nicht 
entscheiden.  —  "Was  Franck  a.  a.  o.,  s.  131  zur  erklärung  dieser  fügung 
beibringt,  ist  wenig  überzeugend.  Wenn  er  meint,  dass  das  jetzt  fast 
durchgehends  fehlende  pronomen  het  ursprünglich  auf  jeden  fall  zur 
construction  gehört  habe,  so  ist  er  demselben  irrtum  verfallen  wie 
Woeste,  Zeitschr.  9,  226,  der  in  den  ihm  bekannten  niederdeutschen  bei- 
spielen  it  ergänzen  will.  Ich  nehme  für  das  mnl.  genau  dieselbe  ent- 
wicklung  an,  wie   ich  sie  oben  für  das  mnd.  darzulegen  gesucht  habe. 


510  MBNS1MG 

"Wie  im  mnl.  doen  als  ersatz  für  verba  der  tätigkeit  und  der  ruhe  ein- 
tritt, mögen  folgende  beispiele  zeigen:  Maerl.  bist.  v.  Tr.  4072  (Verdam) 
nie  en  droech  vrouwe  ghestadigeu  rouive  noch  nummer  en  doet.  Maerl. 
Alex.  7,  593  (Franck)  segghe  ein,  dat  hi  mi  begrave  eerlike  mit  groter 
have,  alsi  Telico  mijn  wijff  dede.  Das.  1,919  alse  Athenen  hem  algader 
diende  alset  sinen  fader  (dativ)  hadde  ghedaen.  9,  118  inen  ervint  in 
(irieken  alsulc  goet  als  inen  in  u  letutscap  doet.  1,  44  hadde  Alexander 
so  langhe  ghelevet  alse  daden  andere  orloghes  Hede  und  ebenso  5, 1216. 
Damit  fällt  dann  auch  die  ganz  unwahrscheinliche  annähme  Francks,  als 
sei  die  fügung  ne  hadde  ghedaen  erst  aus  der  älteren  en  (=  het  en) 
hadde  ghedaen  entstanden.  Übrigens  begegnet  bei  de  Vries  a.  a.  o.  ein 
beispiel,  das  gar  nicht  hierher  gehört:  L.  Sp.  1,7,72  si  sijn  in  iville  de 
iverelt  altemale  te  bedervene  metten  Heden,  en  dade  dat  hem  verbieden 
die  goede  gngle.  Hier  liegt  nichts  weiter  vor  als  die  im  mnl.  so  ausser- 
ordentlich kräftig  entwickelte  Umschreibung  des  einfachen  verbums  durch 
doen  mit  dem  infinitiv,  für  die  sich  fast  auf  jeder  seite  beispiele  finden 
(sogar  doen  doen  kommt  vor:  L.  Sp.  1,  23,  36  ticijf  antwoorde  te  haut 
mede,  dat  haer  tserpent  doen  dede). 

IL  Während  das  mittelniederländische  auf  dieser  stufe  der  ent- 
wicklung  stehen  geblieben  zu  sein  scheint,  ging  das  mittelniederdeutsche 
einen  schritt  weiter.  Es  ist  eine  bekannte  tatsache,  dass  in  verneinten 
bedingungssätzen  und  namentlich  in  den  ihnen  nahe  verwandten  sog. 
excipierenden  sätzen  schon  frühzeitig  die  unbetonte  negation  en-  oder 
ne-  vor  dem  verbum  im  schwinden  begriffen  war,  sodass  sich  satz- 
formen ausbildeten  wie:  in  ivelle  got  behüeteii,  du  muost  in  schiere 
rloren  hau  (Nib.  14)  oder  niemeii  kan  hie  vröide  vinden,  si  xergc 
(Walth.  42,  11).  Dittmar  a.a.O.  und  Erdmann,  Greiz,  d.  d.  synt.  I,  §  189 
haben  diese  entwicklung  für  das  hochdeutsche  im  einzelnen  nachgewiesen. 
Das  niederdeutsche  ist  denselben  weg  gegangen;  es  zeigt  von  anfang  an 
eine  starke  tendenz  zur  Unterdrückung  der  negation  in  diesen  satz- 
gebilden.  Auch  die  von  Erdmann  für  das  hochdeutsche  aufgestellten 
Zwischenglieder:  ex  en  si  danne  und  ex  si  danne  lassen  sich  nach- 
weisen. Vgl.  RV.  5366  so  deine  hören  ok  nemandes  bede,  dar  en  volge 
denne  de  gyfte  mede.  Guido  v.  Alet,  Nd.  Ib.  13,  95  et  en  sij  dein  dat 
gi  jiredeken  bei,  de  iverlt  vergeit  drade  in  erer  boesheit.  Ohne  negation, 
aber  mit  danne:  Seentrecht,  Nd.  Ib.  8,93  weigert  dat  dan  de  provest,  se 
geven  em  dan  meer  geldes,  so  solen  se  klagen  dat  eren  pastor.  Water- 
recht, Nd.  Jb.  7,  35  nach  der  Auricher  handschrift:  de  schipper  maeh 
dat  schip  nicht  verkopen,  he  hebbe  dan  orhff  (die  ältere  Emder  hand- 
schrift hat  he  en  hebbe  orhff);   das.  39  de  meister  is  cm  nicht  schul- 


BEITRÄGE   ZUR   NIEDERDEUTSCHEN    SYNTAX  511 

dich  tho  geven,  he  sy  dan  op  des  schippers  kost  (Enider  handschrift 
he  en  sy  up  des  meisters  Lost  und  so  öfter  in  diesem  denkmal). 

Die  fügung  ohne  negation  und  ohne  danne  findet  sich  bereits  in 
den  frühesten  denkmälern  neben  dem  älteren  typus.  Schon  Berthold 
v.  Holle  kennt  sie:  Demantin  fragm.  23  (Bartsch)  so  ne  ivil  ich  ouch 
(sc.  zoll  geben),  ich  tö  daz  mit  betiruugenheit.  Appingadammer  bauern- 
brief  von  1327  (Xd.  Jb.  7,22):  item  so  moet  gheen  buer  gheenerleg  wis 
wrdke  don .  hg  hebbe  dat  ersten  mitten  bueren  breff  end  zeghel  ver- 
volget.  Gerh.  v.  Mind.  122,  22  (Leitzm.)  so  stolt  is  niclit  noch  so  her 
oi  rrouive,  ik  vlege  an  er  ler.  Braunschw.  schichtspei  3603  (Chron. 
d.  dtsch.  städte,  bd.  16)  gy  schult  nicht  egr  losscheten,  idt  schege,  dat 
ice  dat  heten.  Oft  im  RV.,  z.  b.  31  en  /ras  dar  neu,  he  hadde  to 
klagen  over  Reinken.  104  he  enheft  ok  nemande  aho  leff,  he  icolde 
dat  he  gud  unde  ere  rerlorre;  vgl.  714.  1414.  1690.  5884.  Henselyn 
VI,  13  he  Jean  nicht  draden  breken,  he  rese  mit  U7is,  ivor  ivy  ok  vorn. 
Xd.  Jb.  2,  67  v.  400  so  mach  er  (die  perle)  nemant  rorkopen  arte  min, 
he  wylle  se  gheme  werpen  hin.  Seltener  mit  indicativ;  z.  b.  Nd.  Jb. 
2,  56  v.  67  dar  rit  neu  konink,  Ite  heft  enen  vilthoet  up  sin  hovet. 
In  der  prosa  des  15.  jhs.  überwiegt  die  deutlichere  satzform  mit  negation; 
z.  b.  Lüb.  chron.  1,78  (Graut off)  de  ghiricheyt  beivegede  den  konink,  dat 
he  nicht  wolde  theeu  ran  den  slote,  he  ne  hadde  dat  ghewunnen;  der 
herausgeber  hat  die  construetion  nicht  verstanden,  er  setzt  vor  he  einen 
punkt.  Das.  93  doch  vorteghen  se  nicht  eres  gudeu  willen,  se  enkiveden 
ieghen  den  heidenen,  wo  der  herausgeber  abermals  falsch  interpungiert. 
Doch  findet  sich  auch  positiver  satz  nicht  selten.  Lüb.  Chron.  1,  140 
(er  Hess  ihnen  melden):  dat  se  ngne  ivalt  mer  scholden  don  an  den 
sarracenen,  he  icolde  komen  luide  icolde  sulreu   irreken. 

Das  ergebnis  dieser  entwicklung  ist  für  den  irrealen  bedingungs- 
satz  mit  dede  die  formation,  die  z.  b.  bei  Gerh.  v.  Mind.  114,  22  vorliegt: 
egn  ty ranne  mannich  were 
over  den  armen,  dede  ein  here. 
Die  hierher  gehörigen,  nicht  eben  zahlreichen  stellen  sind  von  den 
herausgebern  fast  sämtlich  missverstanden  oder  ungenügend  erklärt 
worden;  ja  schon  die  handschriftliche  Überlieferung  zeigt  mehrfach,  dass 
den  Schreibern  diese  fügung  nicht  mehr  geläufig  war. 

Gerh.  v.  Mind.  114,14  (Leitzm.)  dede  de  am,  de  konink  her,  ik 
wulde  gik  an  truwen  gloven  (vgl.  Zs.  27,  533  fg.  und  Leitzmann  z.  d.  st.). 

Zeno  1519  (Lübben)  ist  von  Lübben  nicht  verstanden  und  auch 
nicht  auf  den  ersten  blick  klar.  Der  Zusammenhang  ist  dieser:  Die 
leichen  der  heiligen  drei  köuige  sind   aus  dem  kloster  zu  Mailand  von 


512  MENSING 

dem  bischof  von  Köln  fortgeschafft  ohne  wissen  der  nonnen  und  des 
kaisers.  Dieser  kommt  sie  zu  sehen.  Man  findet  die  sarge  leer.  Eine 
nonne  erklärt,  sie  seien  gestohlen  und  nach  Köln  gebracht.  Nun  heisst 
es  weiter:        Do  rep  van  Meilern  alle  de  stat: 

„Diu  keiserlike  haut  de  wreke  hat 

Unde  helpe  uns  de  Rinland  betwingen 

Unde  de  koninge  hir  ivedder  bringen." 

De  heiser  sprak  to  on  allen: 

„De  rede  mi  missevallen; 

Dedet  ein  dink,  dat  scholde  mi  leit  sin. 

Io  het  gesproken  de  munt  min, 

Dat  ik  on  der  cre  gan, 

Sint  dat  ik  in  ore  broderschap  bin  entfan." 

Do  spraken  de  borger  nicht  mere, 

Men  se  iveren  bedrovet  sere. 
So  Lübben  nach  der  Hannoverschen  hs. ;  es  ist  aber  mit  der 
Wolfenbüttler  hs.  dede  zu  lesen.  Der  kaiser  will  sagen:  „Eure  auf- 
forderung  die  Rheinlande  zu  bezwingen  missfällt  mir,  und  ich  müsste 
darüber  zürnen,  wenn  nicht  eins  wäre:  dass  ich  nämlich  versprochen 
habe,  ihnen  ehre  zu  gönnen,  seit  ich  in  ihre  brüderschaft  aufgenommen 
bin".  Die  bürger  müssen  nach  diesen  Worten  einsehen,  dass  der  kaiser 
ihnen  nicht  helfen  will,  und  schweigen  betrübt.  —  Dass  dem  dichter  des 
Zeno  dieser  gebrauch  von  don  bekannt  war,  beweist  eine  zweite  von 
Lübben  ebenfalls  missverstandene  stelle,  an  der  die  plusquamperfectum- 
schreibung  erscheint.  Zeno  ist  längere  zeit  von  der  heimat  fern  gewesen 
und  sagt  bei  der  rückkehr  zu  seinem  alten  vater:  v.  1233  ik  were 
noch  lenk  gewesen,  heddestu  gedän;  ik  enwolde  di  nicht  so  drorich 
län;  d.  h.  ich  wäre  noch  länger  fortgeblieben,  wenn  du  nicht  gewesen 
wärest.  Alle  bemühungen  Lübbens,  die  stelle  zu  erklären,  sind  als 
gescheitert  anzusehen. 

Ganz  analog  ist  noch  Dan.  v.  Soest,  Gem.  bicht.  1401  (Jostes)  hed- 
dent  de  fromme  borgers  gedaen,  se  wolden  sc  al  doet  släu. 

Durch  leise  änderung  herzustellen  ist  die  fügung  Veronika  2(i,  1 1 
(ed.  Euling  Herrigs  archiv  81,383fgg).  Der  hohepriester  Caiphas  schiebt, 
um  sich  selbst  vor  dem  „fürsten"  Philosion,  dem  abgesandten  des  kaisers, 
zu  rechtfertigen,  alle  schuld  auf  Pilatus  und  sagt  nach  der  Überlieferung, 
der  Euling  folgt:  edele  vorste,  dat  si  juk  gesaget,  de  schult  is  sin  eghen. 
He  (Christus)  levede  noch,  hedde  dar  sin  strenghe  richte.  Das  ist 
sinnlos;  es  ist  zu  lesen  hedde  dan  sin  strenghe  richte,  also:  „er  lebte 
noch,  wenn  sein  strenges  gericht  nicht  gewesen  wäre." 


BEITRÄGE   ZUR   NIEDERDEUTSCHEN    SYNTAX  513 

III.  Die  corruptelen  der  handschriften  bew eisen,  dass  der  gebrauch 
von  dede  ohne  negation  frühzeitig  unverständlich  geworden  ist.  Dieselbe 
tatsache  ergibt  sich  aus  der  Umgestaltung,  die  bereits  um  1403  Pseudo- 
Gerhard v.  Minden  mit  dem  oben  angeführten  beispiel  aus  Gerhard 
v.  Minden  114,  12  vorgenommen  hat.  Er  der  sonst  seiner  quelle  gerade 
in  dieser  fabel  fast  wort  für  wort  folgt,  gibt  die  worte: 

dede  de  am,  de  konink  here 
so  wider:  oft  min  konink  nicht  enwere. 

Damit  werden  wir  auf  eine  neue  stufe  der  entwicklung  geführt. 
Die  ungeläufig  werdenden  formationen  en  dede  .  .  und  noch  mehr  dede  . . . 
wurden  verdeutlicht  und  gewissermassen  neu  belebt  durch  eingliederung 
in  die  übliche  form  des  bedingungssatzes;  eine  der  gangbaren  conjunc- 
tionen  des  conditionalen  nebensatzes  wurde  an  die  spitze  gestellt,  das 
verbum  trat  ans  ende  des  satzes.  Natürlich  konnten  dabei  zwei  typen 
entstehen,  je  nach  dem  man  sich  der  älteren  negativen  oder  der  jüngeren 
positiven  satzgestalt  anschloss.  Aus  jener  entstand  die  formation:  oft 
{wan  etc.)  .  .  .  en  dede,  aus  dieser:  oft  .  .  .  dede. 

Diese  Umgestaltung  des  conjunctionslosen  nebensatzes  zum  con- 
junctionalen  ist  schon  im  mnd.  vor  sich  gegangen.  Ich  kenne  freilich 
nur  ein  beispiel:  Im  Koker  (in  Hachmanns  ausg.  des  KV.  Wolfenbüttel 
1711),  dessen  Verfasser  wahrscheinlich  der  Braunschweiger  Hermann 
Bote  (um  1500)  ist,  steht  s.  339: 

alle  dünge  is  worden  gud, 

wen  de  ervet  schade  it  nicht  dede. 

Es  scheint,  dass  hier  it  zu   streichen   und   zu  lesen  ist:   wen  de 

nicht  en  dede. 

In  dieser  form  hat  sich  dann  der  gebrauch  von  dede  lange  ge- 
halten, hat  auch  in  Mittel-  und  Oberdeutschland  boden  gewonnen  und 
ist  in  die  nhd.  Schriftsprache  aufgenommen.  Luther  war  namentlich  die 
form  ohne  negation  geläufig;  er  verwendet  sie  nicht  nur  im  zwang- 
losen briefstil  (de  Wette  5,  786  wir  hätten  gute  tage,  wenn  der  ver- 
driessliche  handcl  tliät),  sondern  auch  in  seinen  prosaschriften  und  sogar 
an  einer  stelle  der  bibelübersetzung  (1.  Kön.  21,  7  was  wäre  für  ein 
Königreich  in  Israel,  wenn  du  thätest).  Aber  auch  die  negierte 
form  ist  ihm  bekannt  (Zs.  24,  201  wo  die  Verfolgung  nicht  thäte, 
würden  wir  wohl  so  arg  sein  als  unser  Widersacher).  Vgl.  noch  Lexer 
im  D.  wb.  11,451.  Die  positive  satzform  herrscht  noch  durchaus  in 
den  zahlreichen  belegen,  die  Birlinger  Zs.  16,  374  aus  den  predigten 
des  Hessen  Conrad  Dieterich,  also  aus  der  ersten  hälfte  des  17.  jhs.  bei- 
gebracht hat:    wann  die   wälder  tha'tcn,    ivo   wollt  der  gemeine   mann 


514  MENSING,   BEITRÄGE   ZUR   NIEDERDEUTSCHEN    SYNTAX 

hinauss?  Einmal  findet  sich  wann  die  waldkräutl  einthäten;  steckt 
darin  ein  unverstandener  rest  des  alten  endede? 

Mit  der  zeit  schwand  das  Verständnis  für  den  negierenden  gehalt 
dieser  sätze  immer  mehr  und  nun  gewann  natürlich  die  negative  formation 
die  oberhand.  Sie  hat  sich  dann  mit  merkwürdiger  Zähigkeit  bis  gegen 
das  ende  des  18.  jhs.,  freilich  in  der  litteratur  immer  nur  in  verhältnis- 
mässig spärlichen  belegen  erhalten.  Zu  den  anderswo  verzeichneten 
beispielen  füge  ich  noch  folgende  hinzu: 

Chr.  Günther,  „Die  von  Theodosio  bereuete  und  von  der  Schul- 
jugend vor  Schweidnitz  a.  1715  vorgestellte  eifersucht",  gedichte,  3.  aufl. 
(Breslau  und  Leipzig  1742),  s.  989,  act  2,  sc.  3.  Bonifacius:  Ach  dass 
die  Laster  doch  bei  Hofe  glücklich  sind!  Chrysapius:  Der  Kayser  wäre 
gut.     Polylogus:  Wenn  nur  sein  Weib  nicht  thäte! 

Teutscher  Merkur,  december  1774,  in  einer  recension  von  Goethes 
Clavigo  (Braun,  Goethe  im  urteile  seiner  Zeitgenossen  1,  67):  aber  die 
Proccssion  mit  aller  ihrer  brittischen  Feyerlichkeit,  und  der  gewöhn- 
liche tragische  Tod  des  Clavigo  würde  den  Schluss  des  Stückes  immer 
kalt  lassen,  wenn  nicht  Clavigos  Monolog  noch  thäte. 

Über  die  80  er  jähre  des  18.  jhs.  hinaus  ist  noch  kein  beispiel  nach- 
gewiesen. 

Neben  der  zum  conjunctionalen  bedingungssatze  umgestalteten  form 
bleiben  aber  die  alten  conjunctionslosen  formationen  mit  und  ohne 
negation  bestehen,  sodass  für  die  ältere  zeit  des  nhd.  im  ganzen  vier 
verschiedene  typen  im  gebrauche  sind: 

1.  a)  täte  Gott  nicht,  wäre  kein  Mensch, 
b)  täte  Gott,  iväre  kein  Mensch, 

2.  a)  wenn  Gott  nicht  täte,  iväre  kein  Mensch, 
b)  wenn   Gott  täte,  wäre  kein  Mensch, 

Am  frühsten  abgestorben  scheint  als  die  undeutlichste  die  oon- 
junctionslose  positive  form;  das  letzte  bis  jetzt  nachgewiesene  beispiel 
ist  aus  Logau.  Dagegen  hält  sich  die  conjunctionslose  negative,  d.  h. 
die  älteste  und  ursprünglichste  satzform  sowol  im  einfachen  präteritum 
wie  in  der  plusquamperfectumschreibung  bis  tief  ins  18.  jh.  Zu  den 
veröffentlichten  belegen  kommt  noch  hinzu: 

Chr.  Weise,  Erznarren  (1673)  Ndr.  12  —  14,  s.  195  da  hat  man 
das  Ansehen  allein  und  geht  über  die  andern  weg  .  .  .  Ja  hätte  diss 
nicht  geihan,  mein  Mann  hätte  nicht  so  viel  Geld  dürff'eu  hingehen, 
dass  er  wäre  Fürstlicher  Rath  geworden.  --  Weist  du  nicht,  wie  viele 
Leute   Geld  durgegen  spendieren  wollen,  dass  sie  deinen  Mann  wieder 


KAUFFMANN,  TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ALTGER.M.  RELIGIONSGESCHICHTE  515 

herunter  bringen?  Ach  thäte  dass  nicht,  ich  hätte  lang  ein  stücke 
(int  verkaufft,  dass  wir  auch  einen  solchen  Ehrenstand  kriegt  hätten. 
Gewiss  werden  sich  für  jeden  einzelnen  fall  noch  mehr  beispiele 
auffinden  lassen;  aber  ich  zweifle  nicht,  dass  sie  sich  sämtlich  in  den 
rahmen  der  oben  dargelegten  entwicklung  bequem  einfügen  werden. 

KIEL.  OTTO    MENSLNG. 


LITTEEATUK. 


Texte  und  Untersuchungen  zur  altgermanischen  religionsgeschichte 
herausgegeben  von  Friedrich  Kauffmaim.  Strassburg,  K.J.  Trübner  1899  fgg. 
Texte.  Erster  band:  Aus  der  schule  des  Wulfila.  Auxenti  Dorosto- 
rensis  epistula  de  fide  vita  et  obitu  "Wulfilae  im  zusammenbang  der  dissertatio 
Maximini  contra  Ambrosium  hrsg.  von  Friedrich  Kauffmann.  Strassburg, 
K.  J.  Trübner  1899.     LXV,  135  s.    4°  mit  einer  schrifttafel  in  heliogravüre. 

Untersuchungen.  Erster  band:  ßalder.  Mythus  und  sage  nach  ihren 
dichterischen  und  religiösen  elementen  untersucht  von  Friedrich  Kauffmann. 
Strassburg,  K.  J.  Trübner  1902.     XII,  308  s.    8°. 

In  den  50er  jähren  des  19.  jhs.  begann  die  deutsche  altertumsforschung  ihre  ersten 
ernten  einzuheimsen.  Das  germanische  nationalmuseum  in  Nürnberg  und  das  römisch  - 
germanische  centralmuseum  wurden  1S52  begründet.  Im  selben  jähr  hat  Müllenhoff 
zum  ersten  mal  ausgang  und  ziel  seiner  Deutschen  altertumskunde  formuliert  (der 
erste  entwurf  stammt  aus  dem  jähr  1850);  1851  waren  Weinholds  Deutsche  trauen 
zum  erstenmal  erschienen  und  1856  folgte  sein  Altnordisches  leben.  Vornehmlich  aber 
begann  in  dieser  zeit  das  religionsgeschichtliche  interesse  sich  in  wissenschaft- 
lichen leistungen  zu  betätigen,  welche  bis  auf  den  heutigen  tag  pfadweis  3r  geblieben 
sind.  W.  Schwartz  hat  1850  sein  grundlegendes  werk  „Der  heutige  Volksglaube"  ver- 
öffentlicht, aus  dem  jähr  1858  stammt  Wuttke,  Der  deutsche  volksaberglaube  der 
gegenwart  —  Simrocks  mythologie  war  1853  dazu  gekommen.  Auf  die  50er  jähre 
sehen  wir  uns  auch  zurückverwiesen,  wenn  wir  zusammenfassend -historische  dar- 
stellungen  befragen  wollen.  Ein  philologe,  ein  theologe  und  ein  Jurist  haben  gleich- 
zeitig daran  gearbeitet.  Heinrich  Rücker t  (Culturgeschichte  des  deutschen  volkes 
in  der  zeit  des  Übergangs  aus  dem  heidentum  in  das  Christentum ,  2  bde .  Leipzig 
1853  —  54),  W.  Krafft  (Die  anfange  des  Christentums  bei  den  germanischen  Völkern, 
Berlin  1854),  Konrad  Maurer  (Bekehrung  des  norwegischen  Stammes  zum  christen- 
tume  in  ihrem  geschichtlichen  verlaufe  quellenmässig  geschildert,  2  bde.,  München 
1855  —  56)  haben  damals  eine  bahn  gebrochen,  auf  der  sie  leider  fast  ohne  gefolge 
geblieben  sind.  Nun  aber  scheint  die  zeit  gekommen  zu  sein ,  da  die  deutschen  philo- 
logen  sich  jenen  anregungen  nicht  länger  werden  verschliessen  können.  Denn  immer 
vielseitiger  drängt  sich  in  der  gegenwart  die  altertumskunde  in  den  Vordergrund.  Bei 
der  allgemeinen  zeitlage  ist  es  nicht  zu  verwundern,  wenn  wir  der  in  den  letzten 
decennien  zur  Vorherrschaft  gelangten  religionsgeschichte  auch  auf  dem  arbeits- 
feld  unserer  fachwissenschaft  das  heim  neu  bestellen  wollen. 

„Es  soll  hier  der  versuch  gemacht  werden'1,  erklärte  H.  Rückert.  „gestützt 
auf  historische  tatsachen,  den  umschwung  in  dem  geistesleben  des  deutscheu  volkes, 
namentlich    in  der  religiösen  seite  desselben,    der    das  eindringen    dos    «hristentums 


51fi  KAUFFMANN 

ermöglichte,  im  wahren  sinn  genetisch  nachzuweisen."  Auch  Konrad  Maurer  bewegte 
die  frage  nach  dem  inneren  hergang  bei  dem  übertritt  der  germanischen  stamme  vom 
heidentum  zum  Christentum.  Er  bezeichnete  seinen  Standpunkt  als  einen  religions- 
geschichtlichen und  sprach  es  aus:  „vor  allem  müssen  die  zustände  des  skandinavischen 
heidentums  zur  zeit  seiner  ersten  berührungen  mit  dem  christentume  klargestellt 
werden;  sodann  ist  nicht  minder  aufmerksam  die  Verfassung  zu  prüfen,  in  welcher 
die  christliche  kirche  ihrerseits  zu  eben  jener  zeit  in  denjenigen  hindern  sich  befand, 
von  welchen  aus  die  neue  lehre  zu  dein  norwegischen  stamme  vordrang."  Doch 
wurde  die  frage  nach  der  beschaffeuheit  des  Christentums  nur  sehr  beiläufig  ins  äuge 
gefasst.  Diesen  mangel  hat  Maurer  selbst  als  eine  sehr  empfindliche  Kicke  seines 
buches  anerkannt.  Dass  auch  für  die  historische  beurteilung  der  heidnischen  religions- 
formen  das  buch  Maurers  nicht  in  allen  stücken  ausreicht,  ist  bei  den  ausserordent- 
lichen f ortschritten ,  welche  die  religionsforschung  in  der  zweiten  hälfte  des  19.  jhs. 
in  Deutschland  und  England  gemacht  hat,  nicht  zu  verwundern. 

Es  fehlt  uns  noch  immer  an  einer  adäquaten  darstellung  dessen,  was  man  unter 
Christentum  verstand,  als  die  neue  religion  sich  unter  den  Germanen  zu  verbreiten 
begann.  Es  fehlt  aber  auch  eine  J.  Grimms  systematische  ausschöpfung  historisch  - 
kritisch  begleitende  darstellung  der  altgermanischen  religion.  Was  die  handbücher  der 
deutschen  mythologie  an  ihrer  statt  bieten,  kann  nicht  entfernt  als  ersatz  gelten,  ist 
auch  zu  wenig  von  der  modernen  auffassung  historischer  gebilde  berührt.  Die  ge- 
schichtswissenschaftliche methode,  wie  sie  sich  in  der  deutschen  philologie  längst  ein- 
gebürgert und  bewährt  hat,  leitet  in  parallel  zu  den  principien  der  Sprachgeschichte 
verlaufenden  gängeu  zu  der  cardinalfrage  deutscher  religionsgeschichte :  das  ist  die 
frage  nach  dem  alter,  der  herkunft  und  dem  wesen  dessen,  was  man  in  der  religion 
der  gegenwart  „ aberglauben "  nennt.  Zwar  hat  sich  die  aufstrebende  „Volkskunde" 
bereits  fruchtbar  betätigt,  aber  die  in  ihren  dienst  gestellten  Zeitschriften  und  Sammel- 
werke bedürfen  [der  ergänzung.  Denn  es  müssen  die  geschichtlichen  probleme 
mit  gauz  anderem  nachdruck  als  es  dort  geschieht  vertreten  werden ,  um  endlich  eine 
klärung  über  die  wahre  natur  derjenigen  factoren  herbeizuführen ,  mit  deren  namen 
man  sich  gar  zu  oft  zufrieden  gibt. 

Mit  der  tendenz  auf  die  schon  in  den  50er  jähren  eingeleitete  religiousgeschicht- 
liche  d.  h.  antiquarische  und  folkloristische  interessen  vermählende  bearbeitung  der 
„  mythologie  *  und  mit  dem  zweck  ein  geschichtliches  Verständnis  des  deutschen  volks- 
aberglaubens  vorzubereiten,  habe  ich  die  „Texte  und  Untersuchungen  zur  altgerma- 
nischen religionsgeschichte"  begründet.  Sie  sollen  möglichst  umfassend  und  weitest 
ausholend  eine  nach  unserem  vermögen  sicher  construierte  basis  für  den  geschicht- 
schreiber  schaffen  und  dazu  beitragen,  dass  dem  öden  dilettantismus  auch  auf  diesem 
feld  ein  ende  bereitet  werde. 

Wie  in  den  50er  jähren  wird  zunächst  das  problem  der  Umbildung  des  germa- 
nischen heidentums  in  die  volkstümlichen  formen  römisch -griechischen  Christentums 
(sog.  Christentum  zweiter  Ordnung)  wider  in  angriff  zu  nehmen  sein.  Damit  sich  dies 
mit  besserem  erfolg  als  ehedem  erreichen  lasse,  ist  ein  doppeltes  von  nöten.  Einmal 
zuverlässige  editioneu  der  religionsgeschichtlich  bedeutsamen  frühchristlichen  denk- 
mäler,  die  nicht  nur  der  kritischen  Sichtung  sondern  auch  der  ergänzung  bedürfen. 
Es  ist  ein  vielseitig  empfundenes  bedürfnis,*dass  wir  über  jene  primäre  form  deutscheu 
Christentums  aufgeklärt  werden,  die  wir  als  den  Arianismus  der  germanischeu  völker 
bezeichnet  zu  hören  gewohnt  sind.    Dabei  handelt  es  sich,  wie  schon  Haso,  Kückert  u.  a. 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ALTGERM.  RELIGIONSGESCHICHTE  51  T 

erkannt  haben,  um  eine  nationalreligion  in  ganz  anderem  sinn  als  dies  bei  annähme 
des  römisch-katholischen  Christentums  der  fall  war. 

Nächst  den  frühchristlichen  denkmälern  müssen  wir  mit  H.  Usener  eine  voll- 
ständige und  rein  quellen  massige  Sammlung  aller  Zeugnisse  des  fortlebens  heidnischer 
religion  fordern,  um  einerseits  die  christliche  volksreligion  in  ihrem  Wesensverhältnis 
zur  älteren  (sog.  heidnischen)  religion,  andererseits  diese  ältere  religion  selbst  völliger 
und  wahrer  kennen  und  verstehen  zu  lernen. 

Ein  zweites  ist  die  religionsgeschichtliche  bearbeitung  der  in  die  reihe 
der  quellenschriften  gehörenden  texte.  Herkömmlicherweise  spricht  man  hier  von 
„mythologie".  Es  wird  sich  indessen  empfehlen,  in  der  Verwendung  dieses  terminus 
vorsichtig  zu  sein  und  ihn  auf  die  wissenschaftliche  bearbeitung  der  mythen  ein- 
zuschränken. In  ganz  anderer  Schätzung  als  die  mythen  stehen  heutzutage  die  ge- 
brauche und  die  kulte,  die  von  unsern  mythologen  immer  noch  stiefmütterlich  be- 
handelt werden.  Ich  folge  den  Vertretern  der  orientalischen  und  der  klassischen 
Philologie  und  wende  mich  lieber  den  Institutionen  als  den  speculationen  zu.  Sitte 
und  recht,  kultus  und  brauch  sind  die  primären  factoren.  Die  dichterischen  gebilde 
des  mythus  sind  nur  zu  teilen  der  religionsgeschichte,  zu  andern  teilen  der  litteratur- 
geschichte  einzuverleiben. 

Mein  erster,  bereits  a.  1899  ausgegebener  textband1 —  im  folgenden  als  TUT 
citiert  —  beschäftigt  sich  mit  der  für  die  bekehrungsgeschichte  wichtigsten  vortrage 
nach  der  herkunft  des  arianischen  Christentums,  das  sich  noch  vor  der  mitte 
des  4.  jhs.  unter  den  Goten  verbreitete,  danach  in  volkstümlichen  Organisationen  weit- 
räumig über  die  germanische  weit  sich  verzweigte  und  bis  auf  die  tage  des  Bonifacius 
im  südöstlichen  Deutschland  sich  erhalten  zu  haben  scheint.  Es  gehört  wahrlich  kein 
besonderer  Scharfblick  dazu,  um  die  tragweite  jener  grundfrage  abzumessen.  Trotz- 
dem hat  ein  sachkundiger  beurteiler  gemeint,  die  von  mir  behandelten  dinge  hätten 
weder  mit  dem  heidentum  noch  mit  dem  volkstümlichen  Christentum  der  Germanen 
etwas  zu  tun.  So  lange  über  die  bekehrungsgeschichte  deutscher  stamme  unter  so 
beschränktem  horizont  geurteilt  wird,  ist  leider  wenig  aussieht  vorhanden,  dass  wir 
mit  unsern  erkenntnissen  vorwärts  kommen.  Denn  so  wenig  wir  z.  b.  für  das  Ver- 
ständnis der  gotischen  bibelübersetzung  die  frage  umgehen  können,  woher  der  Über- 
setzer seinen  griechischen  text  bezogen  habe,  so  wenig  ist  für  die  einschätzung  des 
ganzen  bekehrungswerks  die  feststellung  der  geistigen  heimat  des  missionars  zu  ent- 
behren. Dies  scheint  denn  auch  jener  selbe  sachkundige  beurteiler  anzuerkennen, 
—  hält  er  es  doch  für  ein  verdienst,  dass  nunmehr  einblick  in  die  lehren  und  kämpfe 
desjenigen  kreises  gewährt  sei,  dem  Wulfila  angehörte  —  behauptet  aber  unentwegt, 
dieser  erste  textband  meiner  Sammlung  liege  ausserhalb  ihrer  grenzen! 

"Wulfila,  dem  begründer  der  gotischen  nationalkirche,  und  den  aus  seiner  schule 
hervorgegangenen  mitarbeitern  ist  der  (Hermann  Paul  zum  professorenjubiläum  dar- 
gebrachte) erste  band  der  textreihe  gewidmet.  Die  Prolegomena  beschäftigen  sich  mit 
dem  nachweis,  dass  der  erste  arianische  bischof  und  primas  der  Goten  zu  jener 
arianischen  hofpartei  der  Homöer  gehörte,  die  von  der  theologenschule  des  Luciau 
von  Antiochien  ihren  ausgang  genommen  hat.    Die  aus  diesem  kreis  hervorgegangenen 

1)  Vgl.  Literaturblatt  für  germ.  und  roman.  phil.  1900,  362 fgg.  (H.  Usener); 
Literarisches  centralblatt  1900,  1 177 fgg.  (W.  Streitberg;  dazu  Pauls  Grundr.  2'-,  4fgg.); 
Deutsche  literaturzeitung  1900,  3223fgg.  (A.  E.  Schönbach);  Anzeiger  für  deutsches 
altertum  28, 190fgg.  (Fr.  Vogt);  Theologische  literaturzeitung  1900,  löfgg.  (G.  Krüger); 
Theol.  jahresber.  19  (1900),  230fgg.;  Revue  critique  1902,  6 fg.  usw. 


Ol  8  KAUFFMANN 

männer  (Syllukianisten)  haben  die  autorität  des  Arius  nicht  anerkannt,  sind  vielmehr 
als  anwälte  der  biblischen  Überlieferung  aufgetreten.  Zur  zeit  der  regierung  des 
auch  unserem  Wulfila  gewogenen  kaisers  Constantius  hatte  jene  von  dem  souverän 
protegierte  hofpartei  weite  territorien  im  abend-  und  im  morgenland  zur  Verfügung. 
Als  Wulfila  starb  konnte  sich  die  abendländische  gruppe  nur  noch  in  Illyrien  auf  einen 
zuverlässigen  stamm  von  anhängern  stützen.  Schliesslich  fielen  die  Lateiner  und  die 
Griechen  ganz  aus.  Nur  unter  den  Barbaren  behielt  die  parteiparole  des  alten  (vor- 
nicänischen)  glaubens  werbende  kraft.  Wer  die  „sekte"  nicht  mit  einem  Spottnamen 
belegen  wollte,  nannte  sie  die  partei  der  Goten.  Denn  bei  ihnen  war  die  auf  das 
alte  bekenntnis  Lucians  begründete  missionskirche  zu  einer  nationalkirche  ausgewachsen. 
Das  massgebende  Symbol  war  a.  359  auf  dem  concil  zu  Riminf  redigiert  worden. 
Sokrates  (2,  41)  und  Sozomenos  (4,  24)  melden  ausdrücklich,  die  in  Rimini  verlesene 
formel  habe  auch  Wulfila  zu  der  seinigen  gemacht;  (ein  schüler  des  Wulfila)  der 
gotische  bischof  Maximinus  antwortete  auf  die  frage  nach  seinem  bekenntnis:  si  fidem 
nieam  postiäas,  ego  illam  teneo  fidem,  quae  Arimini  a  trecentis  et  triginta  episcopis 
nun  sola  in  exposita,  sed  etiavi  subscriptionibus  firmata  est  (MSL.  42,  710).  Noch 
für  die  arianischen  Goten  in  Spanien  ist  dieses  formular  autoritativ  gewesen  (Hahna 
s.  234) l.  Die  männer  von  Rimini  hatten  sich  an  die  vierte  antiochenische  formel  vom 
jähr  341  angelehnt.  Diese  schrieb  sich  von  Eusebianern  her  d.  h.  von  bischöfen,  die 
zu  dem  Syllukianisten  Eusebius  von  Nikomedien  hielten.  So  führt  in  gerader  linie 
eine  schultradition  von  Lucian  über  Eusebius  von  Nikomedien  zu  Acacius  von  Caesarea 
und  Auxentius  von  Mailand  bis  auf  Demophilus  von  Beröa  und  Wulfila. 

Wir  haben  es  den  englischen  und  deutschen  dogmenhistorikern  zu  verdanken, 
wenn  es  möglich  war,  die  heimat  des  gotischen  „  Arianismus"  zu  bestimmen.  Gelehrte 
wie  Waitz,  Massmann,  Krafft,  Bessell  hatte  dies  problem  auch  schon  beschäftigt. 
Die  ihnen  zur  Verfügung  stehenden  quellen  gestatteten  aber  keine  feststellung,  es  sei 
denn  dass  man  die  verstreuten  (vielfach  zu  unrecht  angezweifelten)  historischen  notizen 
in  die  kirchenpolitischen  Strömungen,  wie  sie  um  350  wogten,  eingliederte.  Durch 
die  Veröffentlichung  neuen  quellenmaterials  ist  diese  arbeit  wesentlich  erleichtert  worden. 

Längst  lag  dieses  material  zur  herausgäbe  bereit.  Aus  Chartres,  wo  sie  seit 
Jahrhunderten  geruht  hatte,  war  a.  1793  die  prächtige  uncialhandschrift  des  Hilarius 
nach  Paris  gelangt  (Bibliotheque  nationale,  cod.  lat.  8907).  Im  frühjahr  1840  hat 
H.  Knust  die  in  diesem  codex  erhaltene  queilenschrift  ans  licht  gezogen,  G.  Waitz  davon 
in  kenntnis  gesetzt  und  so  die  editio  princeps  des  Wulfila  gewidmeten  Auxentius  - 

1)  Der  schon  genannte  sachkundige  beurteiler  setzt  sich  in  widerstreit  zu  unsern 
besten  quellen,  wenn  er  dem  symbol  von  Rimini  wol  kirchenpolitische,  aber  keine 
dogmatische  bedeutung  zugestehen  und  das  bekenntnis  des  Wulfila  in  die  nachbar- 
schaft  des  Eunomius  rücken  möchte,  eines  mannes,  der  nicht  dazu  zu  bewegen  war, 
jenes  symbol  anzuerkennen!  Ein  solches  experiment  hat  genau  so  viel  wert,  wie  der 
aussprach  (Anz.  f.  d.  a.  28,  197  fg.  211),  das  epitheton  solus  ingenitus  sei  von  funda- 
mentaler bedeutung  für  die  lehre  des  Wulfila  und  seiner  gesinnungsgenossen  —  als 
ob  nicht  auch  orthodoxe  dieses  prädikat  anstandslos  gebrauchten  (vgl.  z.  b.  Euuk, 
Apostolische  Constitutionen,  s.  120 fg.  294).  Für  unsere  Arianer  handelte  es  sich  nicht 
um  solus  ingenitus,  sondern  um  prädikate  wie  verus  ingenitus,  sempiternus  itigeni/us, 
sapiens  ingenitus,  bonus  ingenitus  etc.  (filius  deus  bonus  sed  non  ingenitus  bonvA 
TUT  1,  72  fg.  nebst  anm.);  der  terminus  solus  ingenitus  konnte  nicht  einmal,  wie 
Vogt  meint,  als  schriftgemäss  verteidigt  werden,  weil  er  in  der  bibel  gar  nicht  vor- 
kommt! Wol  aber  hat  Vogt  darin  recht,  dass  ich  p.  73,  7  Arri  nicht  hätte  ein- 
klammern sollen,  denn  zwischen  divinum  magisterium  und  eristiana  professio  hat 
dieser  name  sein  gewicht  ohnedies  verloren. 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN  ZUR  AXtGERM.  RKLIG10NSGESCHIHCTE  519 

briefes  ermöglicht.  Ich  habe  das  denkmal  jetzt  vollständig  herausgegeben1.  Fol.  298 
des  cod.  lat.  8907  beginnt  des  Anibrosius  berühmter  tractat  De  fiele  und  reicht  bis 
fol.  336 ;  auf  demselben  blatt  setzt  das  protokoll  der  syuode  von  Aquileja  (3.  sept.  381) 
ein  und  erstreckt  sich  bis  fol.  353'.  Foll.  298  —  311'.  336  —  349  sind  von  einer  und 
derselben  haud  in  der  halbunciale  des  6.  jhs.  —  die  herkömmliche  datierung  ist  an- 
gesichts des  übereinstimmenden  Urteils  der  erfahrensten  paläographen  nicht  aufrecht 
zu  erhalten  (vgl.  die  meiner  ausgäbe  beigegebene  Schriftprobe)  —  auf  dem  rings  um 
die  uncialschrift  frei  gebliebenen  rändern  des  pergaments  mit  einem  eintrag  versehen 
wurden.  Evident  falsch  ist  die  annähme  wir  hätten  mit  ihm  ein  autographou  vor 
uns.  Die  randschrift  (P)  ist  vielmehr  aus  einer  vorläge  abgeschrieben,  die  geraume 
zeit  nach  der  abfassung  des  Werkes  —  jedenfalls  erst,  wie  Benell  erkannte,  nach 
dem  jähr  438  —  mit  glossen  versehen  wurde.  Diese  Zusätze,  (auch  die  vielerörterten 
citate  aus  dem  cod.  Theodos.)  heben  sich  schon  paläographisch  ab  und  haben  kein 
weiteres  interesse  zu  beanspruchen,  als  etwa  eine  verfehlte  conjeetur.  P  ist,  wie 
Orthographie  und  spräche  dartun,  in  Italien  entstanden;  der  archetypus  stammte  aus 
Illyrien,  hat  eine  nicht  unbewegte  geschichte  gehabt  (TUT  I,  XXIV)  und  ist  nicht 
intakt  auf  uns  gelangt.  Ich  schliesse  mich  der  von  Usener  (Literaturblatt  1900,  303) 
aufgestellten  hypothese  an,  wonach  wir  im  ersten  teil  nur  einen  auszug  aus  einem 
grösseren  und  völligeren  ganzen  besitzen,  dessen  tendenz  und  stilistische  eigenart  erst 
aus  dem  zweiten  teil  (fol.  336  —  349)  recht  ersichtlich  wird '-.  "Wir  haben  es  danach 
mit  einer  gegen  Anibrosius  gerichteten  rechtfertigungsschrift  zu  tun ,  die  einen  bischof 
Maximinus  zum  Verfasser  hat.  Höchst  wahrscheinlich  denselben  mann,  der  im  jähr  427 
als  geistlicher  hirte  einer  gotischen  heerschaar  nach  Africa  gekommen  und  in  einen 
dogmatischen  streit  mit  Augustin  verwickelt  worden  ist  (TUT  I,  LIVfgg.  Literaturblatt 
1900,  363  u.a.;  dagegen  H.  von  Schubert  in  der  2.  aufl.  von  Möllers  Lehrbuch  der 
kirchengeschichte  I  [1902],  486).  Für  die  Zeitbestimmung  ergibt  sich  ein  terminus 
post  quem  aus  der  bemerkenswerten  tatsache,  dass  der  zweite  teil  mit  wörtlichen 
anführungen  einsetzt,  die  einer  a.  379  veröffentlichten  schrift  des  bischof s  Palladius 
von  Eatiaria  (an  der  untern  Donau)  entnommen  sind  (TUT  I,  XXXV fg.)3.  Das  in 
beiden  teilen  angezogene  protokoll  der  synode  von  Aquileja  gestattet  jenen  terminus 
noch  weiter  herabzurücken.  Ferner  ist  in  beiden  teilen  von  P  ein  libellus  perfidiae 
benützt.  Gemeint  ist  (p.  XXXIX)  eine  Expositio  fidei  der  abendländischen  Orthodoxie, 
über  welche  neuerdings  noch  von  "W.  Riedel,  Die  kirchenrechtquelleu  des  patriarchats 
Alexandrien  (Leipzig  1900)  s.  94.  181.  303  gehandelt  worden  ist.  Nach  Theodoret 
stammte  sie  von  einer  a.  382  in  Rom  versammelten  synode  (Riedel  s.  306  fg.).  "Wäre 
dies  datum  richtig,  so  würde  dem  versuch  Vogts  unsern  text  in  den  sommer  382  zu 

1)  Prolegomena  s.  XIII  —  LXV  (Die  handschrift.  ßibelcitate.  Der  tag  von 
Aquileja.  Die  rechtfertigungsschrift.  Die  parteien.  Palladius  und  Secundianus.  Maxi- 
minus und  Auxentius.  "Wulfila).  Die  handschrift  (Diplomatischer  abdruck)  s.  1  —  63. 
Der  text  (Versuch  einer  kritischen  herstellung)  s.  65  —  90.  Anmerkungen  s.  91 
bis  118.     Indices  (Orthographie.    Bibelstellen.    Nomina.    Verba)  s.  119  — 135. 

2)  Auch  die  bemerkung  zu  p.  68,  8  hätte  sich  Vogt  (Anz.  f.  d.  a.  28,  194)  er- 
sparen können,  wenn  er  bedacht  hätte,  aus  welchem  grund  das  Stichwort  Anibrosius 
68,  8  von  mir  gesperrt  worden  ist. 

3)  Auf  die  Streitschrift  des  Palladius  ist  auch  p.  85,  8.  9  verwiesen.  Vogt,  dessen 
sachkundige  beurteilung  schon  beleuchtet  wurde,  hat  sich  mit  diesem  wichtigen  punkt 
gar  nicht  auseinandergesetzt  und  a.a.O.  s.  192fgg.  behauptungen  aufgestellt,  die  ich 
in  aubetracht  des  vorerst  noch  feststehenden  datums  379  nur  aus  einem  starken  lapsus 
memoriae  herzuleiten  vermag. 


KAUFFMANN 

verlegen  ein  rasches  ende  bereitet  seiu.  Aber  die  datiernng  Tbeodorets  ist  strittig  und 
es  ist  vorerst  immer  noch  möglich,  dass  jener  libellus  im  sommer  381  von  Rom  aus 
in  umlauf  gesetzt  wurde,  wie  TUT  I,  XL  angenommen  ist1. 

Als  terminus  ante  quem  erhalten  wir  den  monat  december  des  Jahres  384,  in 
welchem  pabst  Damasus,  der  für  unsern  Verfasser  noch  unter  den  lebenden  weilt, 
gestorben  ist.  Da  nun  aher  für  Maximin  der  tag  von  Aquileja  bereits  der  entfernteren 
Vergangenheit  angehört  —  im  sommer  382  konnte  er  kaum  sagen:  tempore  conspi- 
rationis  vestrae  apud  Aquileiam  87,  16  —  werden  wir  das  datum  seiner  kleinen 
Schrift  näher  bei  384  denn  bei  381  anzusetzen  haben.  Deutlicher  ist  die  zeitlage 
fol.  304 fgg.  gezeichnet.  Nachdem  die  bischöfe  Palladius  und  Secundianus  auf  der  synode 
von  Aquileja  durch  Ambrosius  und  seinen  anhang  ihrer  ämter  entsetzt  worden  waren, 
haben  sie  als  Orientalen  bei  dem  kaiser  des  Ostreichs  schütz  gesucht  und  sich  in  be- 
gleitung  des  AVulfila  an  das  hoflager  des  Theodosius  begehen.  Der  erfolg  dieser  reise 
war,  dass  Theodosius  ihnen  versprach,  ihre  angelegenheit  vor  ein  concil  zu  bringen. 
Dies  versprechen,  so  klagt  unser  autor,  hat  Theodosius  nicht  gehalten,  sondern  in 
Übereinstimmung  mit  Gratian,  dem  kaiser  des  westreiches,  gehandelt  und  die  Streit- 
sache niedergeschlagen.  Im  frühjahr  383  hat  sich  das  kirchenpolitische  einverstäudnis 
zwischen  den  beiden  kaisern  besonders  innig  gestaltet. 

Ganz  plötzlich  muss  damals  der  Umschwung  der  gesinnung  des  kaisers  gegen 
unsere  Arianer  erfolgt  sein.  "Wulfila  ist  noch  auf  befehl  des  kaisers  zu  einer  dispu- 
tatiou  nach  Constantinopel  berufen  worden2.  Kurze  frist  nach  seinem  eintreffen  haben 
die  orthodoxen  es  beim  kaiser   durchgesetzt,    dass  die  bereits  eingeleiteten  concils- 

1)  Auch  diese  quellenschrift  glaubte  unser  sachkundiger  beurteiler  übergehen 
zu  dürfen,  obwol  er  sie  gelegentlich  streifen  musste  (Anz.  f.  d.  a.  28, 196).  Mit  dem 
den  teilen  PI  und  P2  gemeinsamen  Cypriancitat  hat  sich  Vogt  so  abgefunden,  dass 
er  es  auf  conto  jenes  mannes  setzen  möchte,  der  PI  und  P2  zusammengeschrieben 
habe  und  dabei  gesteht  er  (s.  194)  noch  ein,  die  beruf ung  der  einen  stelle  auf  die 
andere  nicht  verstanden  zu  haben.  Als  eines  deus  ex  machina  bedient  er  sich  daher 
des  von  den  textkritikern  allmählich  gefürchteten  „unverständigen"  iuterpolators. 
Füllt  hier  die  annähme  einer  „unverständigen"  interpolatiou,  dann  ist  nach  Vogts 
Zugeständnis  (s.  193fg.)  Maximin  zweifellos  der  Verfasser  von  P2.  Ich  habe  also 
nicht  die  geringste  Veranlassung,  zu  gunsteii  des  von  Vogt  vertretenen,  von  mir  selbst- 
verständlich hinlänglich  erwogenen ,  einfalls,  Palladius  sei  der  Verfasser  von  P2,  meine 
darstellung  zu  revidieren.  Ich  constatiere  nur  (mit  bezuguahme  auf  s.  196),  dass  ich 
ausdrücklich  bemerkte,  der  zweite  teil  bedürfe  des  ersten  als  folie  und  dass  ich 
l'p.  XLI  anm.)  die  möglichkeit  offen  gelassen  habe,  dass  Maximin  ein  schreiben  des 
Palladius  benützte.  Was  den  in  P2  sich  findenden  rück  verweis  auf  das  Cypriancitat 
in  PI  anlangt,  so  bezog  sich  Maximin  auf  das  beispiel  des  Cyprian,  um  zu  recht- 
fertigen, dass  Palladius  dem  Ambrosius  die  antwort  verweigert  habe  (p.  68,30);  hier- 
mit ist  p.  83,  3  zu  vergleichen.  Die  antwort  habe  Palladius  dem  Ambrosius  wegen  dessen 
blasphemischer  lästerung  verweigert:  in  diesem  Zusammenhang  wird  darauf  verwiesen, 
dass  die  Vergewaltigung  der  religion  den  orthodoxen  durch  Vorbilder  eingegeben  sei,  die 
bei  dem  bereits  früher  erwähnten  beispiel  des  Demetrianus  zur  spräche  gekommen  seien. 
Von  impietas  ist  hier  wie  dort  die  rede;  dort  lesen  wir  ut  vos  dicitis  tres  unum 
solum  verum  deum  (69,  34),  hier  vos  tres  omnipotentes  deos  credendos  dixistis,  tres 
sempiternos,  tres  aequales,  tres  veros  etc.  (87,  41);  88,  27  wird  dieselbe  bibelstelle 
augezogen  wie  69,  32,  aber  offensichtlich  die  behauptung  der  tres  veri  dii  kurz  zurück- 
gewiesen, weil  darüber  bereits  p.  69  ausführlicher  gesprochen  war. 

2)  Zu  Pneumatomacos  (p.  22,  16)  bemerke  ich,  dass  die  gleichzeitig  mit  mir 
in  Paris  arbeitenden  proff.  Suchier  und  Creizenach  über  anlautend  Pn.  . .  des  cod.  so 
wenig  als  ich  selbst  im  zweifei  waren;  was  den  Anz.  f.  d.  a.  28,  199fg.  erhobenen  ein- 
wand betrifft,  so  ist  für  mich  Augustin  massgebend  (Macedoniani  .  .  .  quos  et  Ilvtv- 
(tuiofiiixovs  Graeci  vocant  MSL.  42,  39).  Den  in  Pauls  Grundr.  22,  11  gegen  mich 
erhobenen  Vorwurf  hat  Streitberg  a.  a.  o.  s.  18.  19  selbst  entkräftet. 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ALTGERM.  RELIGIONSGESCHICHTE  521 

Verhandlungen  abgebrochen  wurden 1.  Das  trifft  haarscharf  auf  die  ereignisse  zu  Con- 
stantinopel  im  sonimer  383.  "Wir  besitzen  nun  aber  glücklicherweise  noch  ein  ganz 
einwandfreies  moment,  das  die  datierung  endgiltig  ermöglicht.  Es  wird  uns  von 
Auxentius  berichtet,  dass  beim  tode  des  Wulfila  in  Constantinopel  eine  so  grosse  an- 
zahl  arianischer  bischöfe  anwesend  war.  dass  man  die  stadt  Gristianopolis  hätte  nennen 
können  (p.  75fg.).  Um  dieses  wort  zu  würdigen,  muss  man  sich  daran  erinnern,  dass 
Constantinopel  seit  379  einen  orthodoxen  bischof  besass.  dass  im  herbst  380  die 
arianergemeinden  der  stadt  aufgelöst  worden  waren  und  dass  der  unserem  Wulfila 
nahestehende  arianerbischof  Demophilus  die  stadt  und  die  kirchen  hatte  räumen  müssen. 

Die  residenz  war  unter  Theodosius  eine  orthodoxe  stadt  geworden,  die  vom 
arianischen  Standpunkt  aus  den  namen  einer  christlichen  stadt  nicht  beanspruchen 
konnte.  Es  müssen  also  von  auswärts  nach  der  hauptstadt  hereingeströmte  gesinnungs- 
genossen  gewesen  sein,  die  "Wulfila  die  letzte  ehre  erwiesen  haben.  Aber  nicht  im 
jähr  382,  sondern  erst  im  sommer  383  sind  die  Parteigänger  des  gotischen  bischofs 
in  grosser  zahl  nach  Constantinopel  gekommen  (Vogt  a.a.O.  s.  200);  der  alte  bischof 
Demophilus  war  wider  erschienen:  jetzt  konnte  man  die  stadt  als  Cristianopolis  be- 
zeichnen, was  seit  november  380  auch  dem  verbohrtesten  Arianer  unmöglich  gemacht 
worden  war2. 

Wulfila  ist  also  etwa  im  juni  3S3  in  Constantinopel  verstorben.  Dass  P  bald 
danach  entstanden  sei,  ist  nicht  bestritten;  folglich  werden  wir  die  dissertatio  Maxi- 
mini ins  zweite  semester  des  Jahres  383  zu  verlegen  haben. 

1)  Die  datienwg  der  von  Theodosius  erlassenen  lex  (p.  77,  29)  ins  jähre  383 
stammt  nicht  von  mir,  wie  Streitberg  a.  a.  o.  s.  13  es  darstellt,  sondern  von  den 
grossen  gelehrten  des  17.  jhs.  (TUT  I,  LXDH);  bei  Sokrates  7,  6  sind  ausdrücklich 
avvoSoi,  genannt,  was  Streitberg  s.  14  nicht  erwähnt. 

2)  Die  ausführungen  Vogts,  die  nur  aus  ratlosigkeit  sich  erklären  lassen,  ver- 
raten eine  völlige  Unkenntnis  der  hauptstädtischen  zustände  (Anz.  f.  d.  a.  28,  209)  und 
lassen  mich  nicht  befürchten,  dass  irgend  wer  bei  dem  streit  um  die  jähre  381  und 
383  mit  Vogt  den  goldenen  mittelweg  wählen  und  sich  zur  abwechslung  auch  einmal 
für  das  jähr  3S2  entscheiden  werde.  „Natürlich  (sie!)  ist  hier  an  den  gegensatz 
zwischen  der  volkreichen  christlichen  hauptstadt  und  der  abseits  in  montibus  hausen- 
den Gotengemeinde  des  Wulfila  gedacht"  (s.  209).  „Natürlich  (sie!)  muss  a  coetu 
sanetorum  se  alienos  fecerunt  vor  jene  recogitatio  de  statu  concilii  gesetzt  werden" 
(s.  202).  Nach  Vogt  bezieht  sich  a  coetu  sanetorum  alienos  se  fecerunt  auf  die 
Vorgänge  in  Aquileja.  Nun  hat  aber  bekanntlich  die  Versammlung  (vgl.  coetus  p.  72,  8) 
in  Aquileja  unter  beteiligung  der  saneti  tatsächlich  stattgefunden;  ultro  a  coetu 
sanetorum  alienos  sc  fecerunt  kann  nun  einmal  nichts  anderes  heissen,  als  dass  die 
impii  (Nicaener)  sich  fernzuhalten  bemühten  und  es  zu  einer  Versammlung  bezw. 
disputation  überhaupt  nicht  kommen  iiessen.  Ein  noch  feineres  kritisches  heldenstück 
hat  Vogt  mit  der  behauptung  fertig  gebracht,  das  massgebende  Schriftstück,  das  in 
Constantinopel  zur  Vereitelung  des  concils  geführt  habe,  sei  uns  bei  Ambrosius  MSL 
16,  94fg.  (1.  940 fgg.)  erhalten.  Dieses  schreiben  trägt  die  adresse:  Gratiano,  Valen- 
tiniano  et  Theodosio;  ist  aber  wie  wir  wissen,  nur  an  Gratian  gegangen  (tos  a 
bcatissimo  principe  fratre  tuae  pietatis  adiuoniti,  ut  tuae  clementiae  scriberemus 
MSL  16,953;  Rauschen,  Jahrbücher  s.  108  fg.).  Erst  der  brief  „Sanctum"  (MSL 
16,  950;  Vogt  s.  204;  Eauschen  s.  110)  war  für  Theodosius  bestimmt.  In  diesem 
schreiben  wird  aber  von  Palladius  gar  nicht  gesprochen;  meinte  doch  Vogt  sogar 
(gegen  Rauschen  s.  132  anm.  3),  den  Orientalen  sei  es  erst  nach  ihrem  eintreffen  in 
Constantinopel  zugegangen.  Vogts  ausführungen  bedeuten  eine  entgleisung;  fatal  ge- 
staltet sich  die  Situation  für  ihn  bei  den  s.  205  construierten  zusammenhängen.  Seine 
behauptung  steht  mit  dem  betr.  canon  in  Widerspruch.  Nach  dem  Wortlaut  dürfen, 
wie  Vogt  selbst  bemerkt,  von  häretikern  ausgehende  klagen  kirchlicher  natur  über- 
haupt nicht  angenommen  werden;  nur  wenn  sie  von  orthodoxen  ausgehen,  sollen 
sie  vor  die  provinzialsynode  gebracht  werden  (vgl.  z.  b.  Rauschen  s.  133). 

ZEITSCHRIFT   F.    DEUTSCHE   PHILOLOGIE.       ED.  XXXIV.  34 


522  KAUFFMANN 

Sie  enthält,  als  für  uns  wichtigstes  stück,  jenen  berühmten  brief  eines  Schülers 
des  Wulfila,  des  Auxentius,  bischofs  von  Dorostorum,  dem  ich  in  anlehnung  an  ein 
verwandtes  werk  den  titel  De  fide  vita  et  obitu  Wiilfilae  gegeben  habe1. 

Die  nachvergleichung  der  handschrift  ist  nicht  ohne  ertrag  geblieben;  wie  auch 
zu  hoffen  steht,  dass  meine  lesungen  bei  erneuter  prüfung  des  zum  teil  schwer  be- 
schädigten codex  noch  ergänzungen  erfahren  werden.  Zu  eingang  der  epistula  glaubte  ich 

Erat  quidem  Wulfila  episkopus  satis  p eloquio  valde  decorus  ansetzen 

zu  dürfen;  im  übrigen  verzeichne  ich  folgende  Verbesserungen  des  Waitzschen  textes: 
18,  7  ist  omni  sapientiae  sapientiorem  zu  ergänzen;  18,  10  interminatum  zu  streichen; 
18,  19  1.  magnum  honen  et  magnüm  pontificern  predicavit  et;  18,  20  redemptorem  et 

salvatorem;   pa gentium  ante  omnia  saeeula;    18,  23.  34  — usianorum; 

18,30  eonciliis;  19,2  keine  lücke;  19,  7  1.  [siue  Psabellianos] ;  19,21  spiritus  sanc- 
tus  advocatus;  19.  23  sed  W:  et;  [ejducator  W:  ducator;  19,  23  fg.  1.  pre töt- 
et informator (?) ;    19,  27  docente;    19,  28  ergo  lii  sunt  cristiani,  adorant;    19,  29 

eo  [ita  praedicjante: ante;  19,  30  agimt(?J.  Haec;  28,  28  hie  W:  his;  20,  33 

at  hune  W:  athuc;  20,  35  liberavit  et  per  mare  transire;  20,  38  servire.  Degens 
cum  suo  populof?);  20,39  tibi  sine  W:  absque;  20,40  quorum :  antiquorum  Usener ; 
[similis  esset]  quod  W:  quod  explevit  Usener;  20,  41  multis;  21,  1  disputationem 
quidem;  21,  2  docerent  et  in[cstarent  (?) ;  21,  3  abat  W:  ..at;  et  ingressus  cst(?); 
recogitato  ab  impiis;  21,5  in  qua;  21,9  [per]  W:  in;  21,  11  describtam ;  21,  13 
testamentumW :  transitum;  21, 16  deus  pater  qui  et  dei  nostri  est  deus;  21,  18  propter 
correctionem  :  post  resurr  ectionem;  21,20  item  et;  21,21  Oristi  fidelem(?);  21,22 
equalemf?)  sed  subditum;  21,  23  suo  in  omnibus  deo  patri  eique  similem  secundum 
scribturas  qui  per  cristum  eius  a  spiritu  sanctof?). 

Das  hauptgewicht  hat  der  in  litterarischen  dingen  wenig  erfahrene  briefschreiber 
auf  die  darstellung  des  bekenntnisses  seines  meisters  gelegt  (p.  73,14  —  74,44);  nicht 
gerade  inhaltsreich  ist  der  kurze  biographische  teil  ausgefallen  (p.  75, 1—37),  denn 
der  autor  war  noch  beherrscht  von  der  auch  sonst  unter  den  Zeitgenossen  wirkenden 
Vorstellung,  in  der  person  des  Wulfila  sei  eine  erscheinung  biblischen  stils 
unter  dem  Gotenvolk  aufgetaucht.  Als  ein  Elisa  sollte  der  verwichene  bischof  seinen 
freunden  und  landsleuten  auch  in  der  zukunft  gegenwärtig  bleiben.  Es  ist  nicht 
immer  leicht  zu  sagen,  wo  die  biblische  formel  und  das  pastorale  pathos  aufhören 
und  die  nackten  biographischen  tatsachen  anfangen,  doch  kommen  wir  unter  sorg- 
fältiger berücksichtigung  des  starken  einflusses  der  bibelspraehe  —  den  ich  in  den 
aumerkungen  aufzuzeigen  mich  bemüht  habe  —  über  die  hauptereignisse  und  ihre 
chronologische  folge  ins  reine. 

Danach  war  Wulfila  a.  311  geboren,  hatte  in  ungewöhnlich  rascher  lauf  bahn 
als  lector  im  alter  von  30  jähren  zu  Antiochien  durch  Eusebius  von  Nikomedien  die 
bischofsweihe  erhalten  und  a.  342  (als  chorbischof)  mit  der  missionsarbeit  unter  den 
Goten  begonnen.  A.  349  musste  er  wegen  innerer  unruhen  die  heimat  verlassen. 
Kaiser  Constantius  hat  ihm  die  Douaugreuze  geöffnet  und  schon  a.  350  scheint  er 
stadtbischof  mit  festem  sitz  geworden  zu  sein.  Über  sein  ende  handelt  Auxentius 
p.  75,  38  —  76,  2  und  beschliesst  seine  epistula  mit  wörtlicher  anführung  des  denk- 
würdigen Credo.  Er  lenkt  in  die  fragen  ein,  mit  denen  er  das  schreiben  begonnen 
hat  und  drückt  das  siegel  der  echtheit  darunter. 

1)  Der  entscheidung  Lagarde's ,  Dorostorum  sei  auch  als  bischofsitz  des  Wulfila 
anzusehen,  habe  ich  mich  vielleicht  in  allzu  bestimmter  fassung  angeschlossen,  vgl. 
11.  von  Schubert  a.a.o.  s.  485. 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ALTGERM.  RELIGIONSGESCHICHTE  523 

Das  bekenntnis  zeugt  von  dem  glauben  an  einen  universalen  und  uranfänglichen, 
weltfernen  gott  des  jenseits;  unser  gott,  der  gott  der  diesseitigen  weit,  ist  Christus, 
der  in  allen  dingen  dem  vater  aller  dinge  Untertan  ist.  Gottvater  ist  dem  gottessohn 
übergeordnet,  wie  Christus  dem  Spiritus  sanctus  als  seine  gottheit  übergeordnet  ist; 
doch  gilt  der  heilige  geist  nicht  als  göttliche  potenz  und  hat  an  der  weltregierung  nur 
als  dienendes  organ  des  eingeborenen  sohnes  teil.  In  dem  immanenten  gottes- 
begriff,  der  durch  den  köyos  dargestellt  ist,  hat  AVulfila  seinen  religiösen  halt  ge- 
funden; in  dem  transcendenten  gottesbegriff  &tög  nccriiQ  tiuvtwv  war,  wenn  wir 
es  so  ausdrücken  dürfen,  seine  philosophische  Weltanschauung  und  weltauffassung 
begründet.  Schon  die  älteren  forscher  haben  die  arianische  weltauffassung  im  ganzen, 
wie  die  arianische  religion  im  besondern  zu  der  altgermanischen  religion  und  welt- 
auffassung ins  Verhältnis  zu  setzen  gesucht.  Doch  haben  sie  darin  gründlich  geirrt, 
dass  sie  die  nordische  mythologie  mehr  berücksichtigt  haben,  als  die  hellenistische 
Philosophie. 

Nun  muss  constatiert  werden,  dass  weder  die  Epistula  des  Auxentius,  noch 
die  Dissertatio  des  Maximin  irgend  ausreichen,  um  die  philosophischen  und  religiösen 
grundgedanken  des  Wulfila  mit  einiger  bestimmtheit  zu  entwickeln.  Für  das  Ver- 
hältnis des  jungen  Christentums  zur  altem  volksreligion  ist  die  gotische  bibelüber- 
setzung  ergiebiger.  Aus  dem  Sprachschatz  der  gotischen  bibel  werden  die  wichtigsten 
aufschlüsse  zu  holen  sein.  Nur  auf  diesem  feld  lässt  sich  in  umfänglicherem  rayon 
das  problem  der  anpassung  alt  -  volkstümlicher  Vorstellungen  an  die  neue  weit  des 
glaubens  und  des  wissens  verfolgen.  Ich  werde  es  mir  daher  angelegen  sein  lassen, 
falls  die  erforderliche  Unterstützung  und  mitarbeit  der  facbgenossen  nicht  ausbleibt, 
eine  neue  ausgäbe  der  gotischen  bibel  zu  veranstalten. 

Die  intensität,  mit  der  Wulfila  eine  nationalisierung  der  hellenistischen 
religion  anstrebte,  wird  nur  auf  grund  der  bibel  und  der  Skeireins  festgestellt 
werden  können.  Die  formen  religiösen  lebens,  die  unter  den  Goten  herrschten,  lernen 
wir  sodann  aus  andern  quellen  kennen.  Ich  erinnere  an  die  überraschenden  nach- 
weise, die  wir  Achelis  verdanken  („Der  älteste  deutsche  kalender*  in  der  Zeitschr. 
f.  neutestam.  wissensch.  1900,  308 fgg.),  an  die  Verhandlungen,  die  Maximin  mit  Augustin 
gepflogen  hat  (MSL  42,  709 fgg.),  an  die  von  A.  Mai  veröffentlichten  arianischen  frag- 
mente,  die  einen  mit  der  schriftstellerei  des  Maximin  so  nahe  verwandten  Charakter 
tragen,  dass  sie  als  erzeugnisse  seines  geistes  angesehen  werden  könnten.  Die  haupt- 
quelle  ist  aber  m.  e.  das  sog.  Opus  imperfectum  in  Matthaeum,  dessen  Verfasser  — 
ganz  unabhängig  von  der  frage,  ob  es  ein  werk  des  Wulfila  sei  oder  nicht1  —  wegen 

1)  Seltsamerweise  heften  sich  meine  gegner  zäh  an  die  von  mir  ausgesprochene 
und  noch  recht  mangelhaft  begründete  Vermutung,  Wulfila  möchte  der  Verfasser  dos 
merkwürdigen  commentars  sein.  Mich  aber  interessiert  die  frage  nach  der  Verfasser- 
schaft nicht  im  selben  grade,  wie  die  religionsgeschichtliche  Stellung  des  werkes.  „Bei 
meinen  der  germanischen  religionsgeschichte "  —  nicht  litteraturgeschichte  —  „ge- 
widmeten Studien  bin  ich  auf  ein  werk  gestossen,  dass  sicher  der  gotischen  litteratur 
angehört,  vermutlich  den  grossen  Gotenbischof,  den  bibelübersetzer  selbst  zum 
Verfasser  hat."  „Dass  der  commentar  einen  Goten  zum  Verfasser  hat,  wird  nicht 
bestritten  werden  können  und  die  hypothese,  dass  dieser  Gote  Wulfila  gewesen  sei, 
dürfte  zum  mindesten  zulässig  sein"  (Beil.  zur  Allg.  ztg.  1897,  nr.  44,  4.  5.  6).  Noch 
in  seiner  neuesten  besprechung  des  denkmals  (Pauls  Grundr.  22,  26 fgg.)  wo  übrigens, 
wenn  Jülicher  citiert  werden  sollte,  die  zweite  aufläge  seiner  Gleichnisreden  angezogen 
werden  musste,  begnügte  sich  Streitberg  damit,  dasjenige,  was  ich  als  Vermutung 
geäussert  hatte,  zu  discutieren;  was  ich  als  sicher  hingestellt  habe,  bleibt  unberührt. 

34* 


524  KA.UFFMANN 

der  glaubensgemeinschaft  in  aller  erster  linie  befragt  werden  nrass,  wenn  man  eine 
bevölkerung  kennen  lernen  will,  die  unter  dem  „gotiscben  Arianismus"  gelebt  bat. 

Weil  obne  kenntnis  und  Verständnis  dieser  bisher  arg  vernachlässigten  häre- 
tischen litteratnr  ein  einblick  in  das  wesen  der  religionsveränderung  sich  nicht  ge- 
winnen lässt,  betrachte  ich  es  als  unumgängliche  aufgäbe,  diese  häretischen  texte 
quellenmässig  aufzuarbeiten  und  habe  eine  kritische  ausgäbe  des  Opus  imperfectum 
in  angriff  genommen. 

AVenn  wir  erst  im  stand  sein  werden,  glauben  und  aberglaubcn  der  gotischen 
A  rianer  nach  ihren  geschichtlichen  zusammenhängen  und  quellenmässigen  Voraus- 
setzungen zur  darstellung  zu  bringen,  ist  auch  eine  neue  basis  zur  religionsgeschicht- 
lichen einschätzung  der  vorchristlichen  religion  gewonnen.  Aber  erst  sollen  wir  die 
vorchristliche  religion  der  alten  Germanen  kenneu  lernen.  Und  das  ist  der  andere 
hauptzweck,  den  ich  im  äuge  habe  und  dem  ich  mit  einer  Serie  von  „Unter- 
suchungen" zu  dienen  hoffe:  religionsgeschichtliche  erhellung  des  germanischen 
altertums. 

Bei  der  frage  nach  der  einwirkung  des  Christentums  auf  das  germanische, 
speciell  nordgermanische  heidentum  hat  seit  100  jähren  der  Mythus  von  Balder 
die  erste  rolle  gespielt.  Durch  Sophus  Bugge  ist  er  aufs  neue  in  den  mittelpunkt 
der  debatten  gerückt  worden.  Eine  systematische  Untersuchung  dürfte  daher  kaum 
als  unzeitgemäss  erscheinen.  Der  vorwiegend  litterarhistorischen  betrachtungsweise 
Bugges  stelle  ich  eine  religionshistorische  zur  seite,  die  den  mythus  als  altgermanisch 
erweist.  Nicht  so ,  dass  ich  an  den  litterarhistorischen  Vorfragen  vorbeigegangen  wäre. 
Im  gegenteil.  Ich  habe  ihnen,  und  zwar  nicht  bloss  den  hereinspielenden  antiken 
und  (sehr  spärlichen)  christlichen  motiven  so  viel  aufmerksamkeit  geschenkt,  dass  ich 
ihre  bedeutung  auch  im  titel  meines  buches  zum  ausdruck  gebracht  habe. 

Der  erste,  Hugo  Gering  gewidmete,  band  meiner  „Untersuchungen",  bringt 
einleitend  eine  revue  der  hauptsächlichsten  mythologischen  deutungsversuche  (s.  I — 19), 
unter  denen  die  theorien  von  J.  G.  Frazer  und  S.  Bugge  hervorragen.  Namentlich 
die  leistung  von  Frazer  in  seinem  grossen  werk  „The  golden  bough"  (second  edirion. 
revised  and  enlarged,  3  voll.,  London  1900)  muss  ich  als  die  religionsgeschichtlich 
förderndste  bearbeitung  des  themas  bezeichnen.  In  wesentlichen  punkten  konnte  ich 
mich  ihm  anschliessen;  im  ganzen  konnte  mich  seine  im  gründe  doch  eklektische  be- 
handlung  des  mythus  nicht  befriedigen.  Ausführlich  habe  ich  sodann  die  quellen- 
frage untersucht  (s.  19  — 135)  und  das  erste  kapitel  der  quellenuntersuctning  dem 
Mythus  der  Eddalieder,  Snorra  Edda  uud  der  andern  norrönen  belege  gewidmet 
(s.  19  —  63);  das  zweite  kapitel  bringt  eine  quellenuntersuchung  der  sage,  wie  sie 
durch  Saxo  Grammaticus  bezeugt  ist  (s.  G3  — 105),  in  der  durch  A.  Olrik  vorgezeich- 
neten richtung;  doch  habe  ich  mich  mit  seinen  ergebnissen  noch  nicht  ganz  zufrieden 
geben  können,  sondern  mich  bemüht,  sie  zu  einem  definitiveren  abschluss  zu  bringen. 
In  einem  kurzen  dritten  kapitel  habe  ich  erörtert,  was  wir  vom  kultus  des  Balder  und 
des  Hoftr  wissen.  Schliesslich  wurden  die  hauptergebnisse  in  einem  vierten  kapitel 
„Sagenkritik"  (s.  112 — 135)  herausgearbeitet.  Als  resultat  dieses  ersten  abschnitte 
stelle  ich  s.  132  hin,  dass  wir  zwei  voneinander  unabhängige  (koordinierte)  berichte 
über  Balders  leben  und  tod  besitzen:  einen  altnorwegischen  (Voluspä  v.  31fgg.)  und 
altdänischen  (Saxo  p.  121  fgg.);  jenen  in  der  formsprache  des  mythus,  diesen 
in  der  formsprache  des  märchens.  Aus  dem  altnorwegischen  mythus  sind  jüngere 
gisch  -  isländische  sprossformen  hervorgegangen.  Sie  stellen  durch  mythische 
oder    novellistische    interpolationen    herbeigeführte    ausweitungen    der    ursprünglichen 


TEXTE  UND   UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ALTGERM.  RELIGIONSGESCHICHTE  525 

mythischen  dichtung  dar.  Die  norröne  sprossform  gahelte  sich  in  zwei  Varianten: 
einen  norwegischen  roman  (Saxo)  und  eine  isländische  saget  (Sn.  E.).  Nach  solchem 
hefund  musste  der  mythus  (ebenso  wie  der  kultus)  als  gern  ein  nordisch  angesprochen 
werden.  Aus  einer  —  uns  unbekannten  —  gemeinnordischen  mythischen  dichtung, 
deren  hauptmotive  sich  reconstruieren  lassen  (s.  133 fg.),  müssen  die  lokalen  niythen- 
bezw.  sagenvarianten  hergeleitet  werden.  Unmöglich  ist  es  und  schon  wegen  der  be- 
trächtlichen Verschiedenheit  der  litterarischen  gattungen  unzulässig,  die  eine  Variante 
aus  der  andern,  das  dänische  märchen  aus  dem  norwegischen  mythus,  den  norwegischen 
roman  aus  der  isländischen  saga  entstehen  zu  lassen.  Am  besten  ist  der  alte  mythus 
hinter  den  abgerissenen  Strophen  der  Voluspä  und  hinter  der  dänischen  prosa  zu  er- 
kennen; am  entferntesten  steht  die  jüngere  norwegische,  durchaus  romanhaft  aus- 
gestattete Überlieferang.  Der  abstand  der  dichterisch -mythischen  motive  von  den  kult- 
formen ist  ein  so  beträchtlicher  —  vielfach  sind  nicht  bloss  die  sakralen,  sondern  auch 
die  mythischen  bezichungen  in  unsern  litterarischen  dokumenten  abgestossen  —  dass 
notwendig  die  Interpretation  auf  die  totalität  der  Überlieferung  gerichtet  bleiben  muss. 

Der  interpretation  des  quellenmässigen  befundes  ist  der  zweite  abschnitt  ge- 
widmet: Dichtung  und  glaube  (s.  136  —  298).  Im  ersten  kapitel  gebe  ich  eine  1.  auf 
die  dichterische  einkleidung.  2.  auf  die  gl aubens Vorstellungen  gerichtete  analyse  dessen, 
was  wir  von  Balders  leben  erfahren  (Analyse  des  mythus  s.  137;  Die  religiösen 
grundgedanken  s.  170).  Balders  tod  bildet  das  thema  des  zweiten  kapitels,  das  in 
eine  analyse  des  mythus  (s.  223)  und  eine  darlegung  der  religiösen  grundgedanken 
jener  rituellen  handlung,  die  zu  Balders  tod  geführt  hat,  zerfällt  (s.  226). 

Die  dichterische  hauptquelle  unserer  nachrichten  von  Balders  leben  bildet, 
wie  Prazer  entdeckt  hat,  ein  märchen1.  Es  war  nicht  zu  umgehen,  die  hauptsäch- 
lichsten direct  oder  indirect  in  frage  kommenden  nordischen  Varianten  des  märchens 
„Vom  verborgeneu  leben"  (ek  sä  Baldre  orlqg  folgen  Vql.  32)  noch  einmal  vorzuführen 
(s.  137  fgg.),  schon  weil  die  Schlussfolgerungen  Frazers  nicht  übernommen  werden 
konnten.  In  der  identificierung  der  religiösen  grundgedanken,  die  unter  den  nach- 
richten über  Balders  leben  sich  verhüllen,  weiche  ich  bei  dankbarer  ausnützung  der 
von  ihm  gesammelten  materialien,  noch  mehr  von  dem  verehrten  forscher  ab.  Ich 
suche  sie  in  den  volkstümlichen  Vorstellungen  von  einem  heroisierten  könig  (ahd. 
baldcr),  der  runenkundig  die  natur  zu  beherrschen  versteht,  dem  jedoch  im  ent- 
scheidenden augenblick  seine  magische  kunst  versagt.  Als  insasse  von  Valhqll,  war 
Balder  (semideus)  zu  den  Äsen  d.  h.  zu  den  um  Odin  sich  sammelnden  heroen,  zauber- 
mächtigen  fürsten  und  königen  gerechnet.  Die  mit  hilfe  der  runen  (d.  h.  eines  namen- 
und  wortzaubers) '-'  wirkende  magische  gewalt  und  die  in  ihr  begründete  uuantastbarkeit 
der  geweihten  person  des  königs  hatte  ihr  volkstümliches  Symbol  in  dem  schon  durch 
den  namen  „Balder-'  zum  ausdruck  gebrachten  glanzvollen  haarwuchs;  baldr  verstehe 
ich,  unter  Zustimmung  zu  der  von  E.  Schröder  entwickelten  etymologie  des  Wortes, 
als  epitheton  eines  rex  crinitus  (wie  etwa  auch  hadingus).  Es  bewährt  sich  so  viel 
ich  sehe  in  jeder  beziehung,  wenn  wir  daran  festhalten,  dass  Balders,  als  eines  heros, 

1)  Vgl.  die  behandlung  des  Goldenermärchens  für  die  geschichte  der  Hildesage 
durch  Fr.  Panzer.  Sie  bedeutet  eine  wesentliche  förderung  auf  dem  gebiete  philo- 
logischer kritik. 

2)  Vgl.  F.  von  Andrian,  Über  wortaberglauben.  Correspondenzblatt  der  deut- 
schen gesellschaft  für  anthropologie,  ethnologie  und  Urgeschichte  XXVII  (1896),  109  fgg. 
Fr.  Gieseb recht,  Die  alttestamentliche  Schätzung  des  gottesnamens  und  ihre  religions- 
geschichtliche grundlage,  Leipzig  1901. 


526  KAUFFMANN 

wesen  iu  seiner  königlichen  rangstellung  und  seiner  legend  arischen  abkunft  vom 
stammesgott  wurzle.  Glänzende  haarfülle  war  die  alte  königliche  Standestracht,  das 
schöne  haar  des  königs,  das  nicht  geschnitten  werden  durfte,  war  das  symbol  der 
unverletzlichkeit  der  person.  Königliches  rangzeichen  sind  aber  ebensowol  die  schwach 
bezeugten  kriegerischen  wie  die  hochentwickelten  religiösen  eigenschaften  Balders,  die 
in  dem  prädikat  „der  gute"  hervortreten.  Doch  ist  daran  zu  erinnern,  dass  nicht 
ein  historisches  oder  sagenhaftes  königtum  Balders  für  den  mythus  wesentlich  war, 
dass  wir  es  überhaupt  nicht  mit  einem  leiblichen,  sondern  —  in  dem  sinn  wie  Erwin 
Kohde  diesen  begriff  entwickelte  —  mit  einem  heroisierten  könig  zu  tun  haben.  Der 
mythus  von  Balder  zeigt  uns  einen  apotheosierten  könig,  einen  äsen  (d.h.  einen  heros). 
In  dieser  entscheidenden  auffassung  treffe  ich  mit  J.  Grimm  (Mythol.  I4,  282)  zu- 
sammen. 

Balders  tod  sehe  ich  im  einverständnis  mit  fast  allen  erklärern  als  rituellen 
Vorgang  an.  Doch  haben  sich  dichterische  motive  angesetzt,  die  mit  den  kultischen 
nicht  verwechselt  werden  durften.  Die  rahmenerzählung  stimmt  auch  hier  im  allge- 
meinen zu  dem  verlauf  der  katastrophe  in  dem  märchen  „Vom  verborgenen  leben"; 
nur  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die  sage  weiterhin  romanhaft  ausgebaut  wurde  und 
dass  auf  das  isländische  lied,  das  Snorri  als  quelle  vorgelegen  hat,  das  mythische 
motiv  von  den  kampfspielen  der  Äsen  einüuss  gewonnen  hatte.  Eine  dichterische 
ergänzuug  stellt  auch  die  fabel  von  einem  postumen  räch  er  Balders  dar,  der  ihm 
erst  in  der  poesie  erstehen  konnte,  als  sie  den  rituellen  Vorgang  wie  einen  kriminellen 
behandelte  und  das  vorgehen  des  HqJh'  gegen  Balder  auf  eine  zwischen  ihnen  be- 
stehende fehde  oder  auf  absichtslose  missetat  zurückführte.  Selbst  der  mythus  lässt 
unter  dem  an  Balders  tod  beteiligten  personal  die  figur  des  rächers  vermissen;  er 
gehört  einer  jüngeren  generation  an. 

Den  heroen  gleich,  von  der  erde  entrückt  wurden  Balder  und  HoJ)r  als  äsen 
(einherjar,  tivar)  im  himmel  fortlebend  gedacht  und  walteten  schützend  und  hilfreich 
über  ihren  kultgemeinden.  Sie  gehörten  zu  Oäins  J/err,  wie  es  nach  altgermanischer 
Vorstellung  in  Valbojl  sich  sammelte.  Der  gefolgschaft  des  Odin  (gengi)  stellte  nun 
aber  die  nordische  mythologie  das  siuni  der  Hei  bezw.  des  Loki  gegenüber:  wenn  es 
dereinst  dazu  kommen  wird,  dass  die  beiden  gefolgschaften  im  kämpf  ihre  kräfte 
messen,  wird  Loki  an  der  spitze  der  unterweltsmannschaft  erscheinen.  In  diesen 
mythischen  kreis  gehört  auch  die  von  dem  genyi  Odins  vollzogene  auslieferung  Balders 
au  Loki.  Die  blindheit  des  HQpr  ist  das  symbol  seiner  abhängigkeit  von  Loki;  er  ist 
in  diensten  des  Loki  tätig,  von  dem  er  sich  anweisen  lässt,  den  mistelzweig  gegen 
Balder  abzuschiessen.  Er  hat  sich  herbeigelassen,  im  interesse  Lokis  den  Balder  zu 
töten,  um  ihn  der  unterweit  als  opfer  auszuliefern.  Loki  hasst  alle  lebenden  wesen 
(Lokas.  19),  nicht  bloss  das  blühende  leben  der  menschen,  mehr  noch  das  potenzierte 
leben  der  äsen  und  einst  werden  die  äsen  alle  den  höllenpfad  wandern  müssen.  Als 
Vorspiel  dieser  götterhekatombe ,  der  götterdämmerung  fällt  dem  Loki  als  erstling 
Balder  zum  opfer. 

In  der  tat  verläuft  die  auf  den  heiligen  Auren  von  Valholl  sich  abspielende 
scene  unter  den  formen  einer  opfer handlung  (vgl.  den  opfertod  auf  der  walstatt 
[reyrteinn :  mistelteinn]  oder  noch  genauer  den  ritus  der  Opferung  des  königs  Vikwrr). 
Das  opfer  fällt  unter  der  zauberhaften  Wirkung  der  waffe,  die  der  opfernde  aus  der 
band  desjenigen  gottes  empfangen  hat,  dem  das  opfer  zufällt  (altnorwegischer  opfer- 
ritus  s.  247).  Den  uns  zur  vergleichung  dienenden  Odinsopfern  steht  der  tod  Balders 
als  dem  Loki  goltendo  Opferung  eines  königlichen  äsen  gegenüber.     Nach  dem  mythus 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ALTGERM.  RELIGIONSGESCHICHTE  527 

wurde  Balder  von  Hobr  mit  hilfe  des  (aus  der  Unterwelt)  eingeholten,  Balders  leben 
verwahrenden  mistelzweigs  getötet;  nach  dem  ritus  musste  Hqdi'  in  den  heiligen  wald 
des  Loki  eindringen,  um  vom  alten  eichbaum,  dem  heiligtum  des  Loki,  die  waffe  des 
gottes  (speer  oder  pfeil)  als  opferwaffe  zu  holen.  Der  gott  lieh  ihm  den  tötlichen 
pfeil  (harmflaug).  Hopr  kehrte  zurück,  um  das  erlesene  numen  wie  ein  opfertier 
dem  Loki  zu  überantworten  (killing  the  god;  sacrilice  du  dieu).  Die  götter  sind  ver- 
sammelt und  wohnen  der  auf  heiligem  boden  sich  abspielenden  opferscene  bei.  Denn 
es  handelt  sich  um  eine  sache,  die  alle  äsen  betraf,  um  einen  öffentlichen  akt,  um 
ein  gemeinschaftsopfer  der  äsen.  Durch  steinwurf  haben  diese  sämtlich  am  opfer  sich 
beteiligt.  Das  ist  der  weitverbreitete  brauch,  auf  einen  den  unterirdischen  verfallenen 
menschen  steine  zu  werfen,  sodass  über  seinem  grabe  Steinhaufen  entstehen,  wie 
vielleicht  schon  nach  dänischer  sage  bei  dem  über  Balders  leiche  aufgeschichteten 
grabhügel. 

Die  dänische  sage  bringt  überhaupt  den  hergang  bei  der  opferceremonie  vor- 
trefflich zum  ausdruck.  Ob  infcliccs  verum  cursus  tritt  die  opfergemeiude  zur  be- 
ratung  zusammen;  das  ergebnis  besteht  in  der  dem  Höther  zugefallenen  opfermissiou 
(vgl.  das  Orakel  Vegtamskv.  9).  Es  wird  in  das  opfer  eingetreten.  Die  ersten  Vor- 
bereitungen beziehen  sich  auf  die  besondern  rituellen  pflichten,  die  demjenigen  zu 
erfüllen  obliegt,  der  das  opfertier  zu  töten  berufen  ist.  Höther  verlässt  in  tiefer  trauer 
die  statte  seines  wirkens,  um  sich  in  die  einsamkeit  zu  begeben,  die  opferwaffe  ein- 
zuholen ,  mit  den  schicksalsmächten  sich  in  contact  zu  setzen  und  aus  geweihter  speise 
kraft  zu  schöpfen.  Nachdem  so  der  opferpriester  förmlich  geweiht  worden  ist,  ver- 
sammelt sich  die  opfergemeinde  mit  dem  durch  eine  von  der  Unterwelt  ausgehende 
orakelkundgebuug  als  opfer  erwählten  mitglied  auf  dem  opferplatz.  Im  vollen  schmuck 
der  Schönheit  und  reinheit  wird  Balder  mitten  in  dem  durch  die  opfergemeinde  ge- 
bildeten zauberkreis  aufgestellt,  denn  nach  altherkömmlicher  Vorschrift  wird  erfordert, 
dass  das  opfertier  ohne  tadel  und  ohne  makel  sei  —  auch  diesem  wichtigen  puukt 
ist  bei  der  Opferung  Balders  in  idealem  sinn  genügt.  Zögernd  geht  der  opfernde  an 
sein  werk,  endlich  setzt  er  sich  durch  abgäbe  des  Schusses  in  directe  berührung  mit 
dem  opfer.  Nachdem  es  getötet  worden  ist,  setzt  die  rituelle  klage  um  den  geopferten 
ein  und  es  bleibt  nur  noch  die  rituelle  beseitigung  der  leiblichen  Überreste  zu  er- 
ledigen und  die  lustration  der  opfergemeinde  zu  vollziehen.  Dies  geschieht  nach  Ulfs 
Hüsdräpa  durch  erweckung  von  notfeuer  und  die  in  ihm  bewerkstelligte  Verbrennung 
der  leiche.  Damit  ist  das  „ leben"  Balders  endgültig  nach  der  unterweit  verbannt 
und  dort  in  gewahrsam  gegeben. 

Neben  der  äussern  ceremonie  läuft  der  magische  process  der  opferweihe  her. 
Dieser  gipfelt  in  dem  moment,  da  Odin  dem  söhn  die  allerheiligste  der  runen  ins  ohr 
flüstert.  Doch  würde  ich  die  beim  tod  Balders  mitwirkende  opfermagie  nicht  zu  ent- 
wickeln vermocht  haben,  wenn  mir  nicht  durch  die  meisterhafte  behaudlung  dieses 
factors  von  Seiten  zweier  französischer  religionshistoriker  (aus  der  sociologischen  schule) 
der  weg  gewiesen  worden  wäre  (H.  Hubert  et  E.  Hauss,  Essai  sur  la  nature  et  la 
fonetiou  du  sacrifice,  Paris  1899  =  L' annee  sociologique1  2,  29  fgg.).  Die  weihende 
Wirkung  der  opferceremonie  schuf  dem  geopferten  Balder  eine  wesensveräuderung  (vgl. 
die  selbstopferung  Odins).  Diese  wesensveräuderung  bedeutete  für  ihn  eine  erhöhung 
der  existenz  und  garantierte  seins   verklärte  widerkehr:  Balder  wird  widerkommen. 

1)  In  meinem  buch  ist  dieser  titel  ärgerlicherweise  in  L'annee  sociale  ent- 
stellt worden. 


528  KAUFI'MANN,  TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ALTGERM.  RELIGIONSGESCHICHTE 

Die  weihe  wurde  aber  nicht  bloss  auf  den  geopferten,  sondern  vornehmlich  auch  auf 
den  opfernden  und  die  opfergemeinde  ausgestrahlt,  zumal  das  opfer  im  interesse  der 
opfergemeinde  dargebracht  ward. 

Von  hier  aus  erhellt  sich  der  ganze  akt  in  seinen  wesentlichen  zügen.  Auf 
eiueu  auserlesenen  Vertreter  der  gemeinde  wurde  (durch  die  magische  procedur  des 
steinwerfens)  das  in  der  gemeinde  umschleichende  übel  übertragen  und  als  „sünden- 
bock"  wurde  der  opfermensch  aus  der  gemeinde  verbannt  (vgl.  die  Opferung  des 
Saturnalienkönigs).  Am  reinsten  ist  speciell  der  typus  des  geopferten  gottes  bei  den 
gebrauchen  des  todaustragens  zu  Lätare  noch  in  der  gegenwart  erhalten.  Indem  ich 
diesen  volksbrauch  auf  den  Baidermythus  bezog,  habe  ich  einen  gedanken  N.M.  Petersens 
verfolgt  und  mich  bemüht,  die  richtigkeit  dieser  combination  im  einzelnen  nachzuweisen. 
Namentlich  glaubte  ich  in  der  niedersächsischen  spielform  des  todaustragens  die  mit 
dem  Baidermythus  übereinstimmenden  details  aufzeigen  zu  können  (s.  281  fgg.). 

Durch  solche  Übereinstimmung  erwies  sich  der  ritus  von  Balders  Opferung  als 
gemeingermanisch.  Denn  er  ist  für  Deutschland  durch  den  fortlebenden  volks- 
brauch (survival)  so  gut  bezeugt,  als  für  Scandinavien  durch  mythus  und  sage.  Er 
hat  ausserdem  an  dem  altgermanischen  (z.  b.  für  die  Burgunder  durch  Ammianus 
Marcellinus  bezeugten)  königsopfer  eine  unerschütterliche  stütze.  Als  in  der  traditiou 
des  mythus  magisch  fortwirkendes  urbild  des  altgermanischen  königsopfers  suche  ich 
schliesslich  den  hinter  den  dichterischen  (prellen  versteckten  ritus  von  Balders  Opferung 
zu  verstehen.  In  wiefern  dieses  mythische  königsopfer  als  eine  art  Vorspiel  der  all- 
gemeinen Opferung  der  äsen  in  die  prophetie  von  dem  ablaufenden  weltenjahr  ein- 
gestellt werden  konnte,  habe  ich  im  einzelnen  begründet  und  hoffe  dadurch  ein  rich- 
tigeres Verständnis  der  „  götterdämmerung "  angebahnt  zu  haben. 

Man  wird  es  verzeihlich  finden,  dass  in  dem  ersten  bände  meiner  „Unter- 
suchungen" programmatische  ausführungen  sich  räum  zu  verschaffen  wussten.  Es 
kam  mir  darauf  an,  zum  ausdruck  zu  bringen,  dass  ich  mit  der  bei  uns  herkömm- 
lichen methode  der  mythendeutung  keine  gemeinschaft  habe.  Sie  ist  durch  eine 
religionsgeschichtliche  d.  h.  auf  die  religiösen  grundgedanken  und  die  religiösen  ge- 
brauche gerichtete  philologisch -historische  analyse  der  mythen  zu  ersetzen.  Darin 
folge  ich  mit  lebhaft  empfundenem  drang  dem  beispiel,  das  mir  Erwin  Rohdes 
Psyche  und  "W.  Robertson  Smiths  Religion  der  Semiten  gegeben  haben.  Nach 
dem  Vorgang  von  H.  Oldenberg  habe  ich  mich  auch  gern  —  dank  den  reichen  Samm- 
lungen Frazers  —  auf  die  Vorstellungen  der  sog.  naturvölker  bezogen  und  wert  darauf 
gelegt,  meinen  auschluss  an  die  anthropologisch  gerichtete  religionsforschung  der 
Engländer  und  Franzosen  zu  constatieren.  Dass  ich  mit  BT.  Usener,  den  Überbleibseln 
der  alten  religion  in  brauch  und  sitte  des  heutigen  volkes  nachgegangen  bin,  kommt 
einerseits  in  der  berufung  auf  die  „Italischen  Mythen",  andererseits  in  der  art  und 
weise  zum  ausdruck,  wie  ich  die  sitte  der  „geworfenen  steine"  und  den  brauch  des 
„  todaustragens  "  verwertete. 

Besonders  aber  wollte  ich  betonen,  dass  der  Baidermythus,  wie  jedes  mythische 
gebilde,  nicht  dem  gebiet  des  begriffsmässigen ,  sondern  dem  gebiet  des  gegenständ- 
lichen denkens  angehört  (s.  171),  dass  er  aus  der  weit  der  naiven,  gegenständlich 
denkenden  menschen  heraus  beurteilt  und  dass  daher  als  ganz  wesentlicher  factor  der  ihm 
angeborene  magische  wert  berücksichtigt  werden  muss1.     Der  echte,  alte  mythus 

1)  Auch  im  volkstümlichen  Christentum,  wie  es  zur  zeit  der  mission  unter  den 
Germanen  sich  einbürgerte,  wie  überhaupt  im  Urchristentum  sind  zauber  und  magie 
von   umfassender  bedeutuug    gewesen.     Es  hängt  also  vieles  daran,    den  magischen 


TÄNZER    ÜBER    BRAUNE,    HANDSCHRIFTENVERHÄLTNISSE    DES    .NIBELUNGENLIEDES  529 

enthält  zum  unterschied  von  der  novelle  ein  magisches  element,  weil  er  vermutlich 
in  seiner  ursprünglichsten  form  als  zaubermärchen  diente,  wie  dies  in  grundlegender 
erörterung  (über  das  spell)  zuerst  von  Edward  Schröder  richtig  erkannt  worden  ist. 

Die  hauptgesichtspunkte  religionsgeschichtlicher  arbeit  auf  dem  felde  der  „  Deut- 
schen mythologie ",  wie  sie  sich  mir  aus  dem  Studium  der  zeitgenössischen  religions- 
geschichtlichen litteratur,  in  der  neben  den  genannten  autoren  Herbert  Spencer  und 
Edward  B.  Tylor  hervorragen,  ergeben  haben,  werden  sich,  wie  ich  hoffe,  neben  den 
rein  mythologischen  Systemen  bewähren.  Der  umschwung,  der  sich  in  der  orienta- 
lischen und  klassischen  philologie  vollzogen  hat,  kündigt  sich  auch  bei  den  deutschen 
Philologen  an.  Wenigstens  glaube  ich  einen  erfreulichen  fortschritt  in  derselben  richtung 
bei  F.  v.  d.  Leyens  „  Kleinen  Studien  zur  deutschen  mythologie  "  (in  den  Germanistischen 
abhandlungen  Herrn.  Paul  dargebracht,  Strassburg  1902  s.  143 fgg.)  beobachtet  zu  haben. 

gehalt  der  alten  volksreligion ,  weit  über  die  gebiete  hinaus,  die  man  herkömmlicher- 
weise in  der  deutschen  mythologie  uuter  dem  Stichwort  „zauber"  abzuhandeln  pflegt, 
unbeeinträchtigt  zur  geltung  zu  bringen. 

KIEL.  FRIEDRICH   KAUFFMANN. 


Die  handschriftenverhaltnis.se  des  Nibelungenliedes  von  Wilhelm  Brauue. 

Halle  a.  S.,  Max  Niemeyer  1900.     222  s.    8°. 

Mehr  als  zwei  Jahrzehnte  ists  in  unserer  Wissenschaft  still  gewesen  von  einem 
problem,  das  die  vorangegangenen  zwanzig  jähre  hindurch  geister  und  gemüter  der 
germanisten  aufs  lebhafteste  beschäftigt  und  mehr  als  billig  erregt  hatte;  seit  Pauls 
arbeit  vom  jähre  1876  ist  kein  buch  mehr  erschienen,  das  die  handschriftenverhält- 
nisse  des  Nibelungenliedes  im  zusammenhange  erörtert  hätte. 

Dieser  wandel  hängt  offenbar  zusammen  mit  dem  Umschwünge,  der  seither  in 
den  fragen  der  sog.  höheren  kritik  des  gedichtes  eingetreten  ist.  So  lange  Lachmanns 
liedertheorie,  wenn  schon  nicht  allgemein  geglaubt  wurde,  so  doch  allgemein  im 
Vordergründe  des  interesses  stand,  war  die  frage  nach  dem  Verhältnisse  der  hand- 
schriften  allerdings  (wie  es  etwa  in  der  1855  erschienenen  schritt  Max  Riegers  „Zur 
kritik  der  Nibelunge"  heisst)  „von  erschütternder  Wichtigkeit  für  alle  freunde  des 
gedichtes";  denn  „von  der  lösung  dieser  frage  hängt  es  ab,  ob  man  die  ausscheidung 
von  interpolationen  in  Lachmanns  sinne  versuchen  darf  und  welche  ansieht  man  von 
der  entstehung  des  gedichtes  fassen  wird."  Seitdem  aber  Lachmanns  kritische  auf- 
teilung  des  liedes  ihre  anhänger  mehr  und  mehr  verloren  hat,  ja  beinahe  allgemein 
aufgegeben  wurde,  verlor  naturgemäss  auch  die  frage  nach  dem  Verhältnisse  der  hand- 
schriften  ihre  grosse  Wichtigkeit  und  das  allgemeinere  und  tiefere  interesse. 

Ist  dies  problem  demgemäss  heute  der  teilnähme  weiterer  kreise  mehr  als 
früher  entrückt,  so  musste  die  fachwissenschaftliche  forschung  nur  um  so  dringender 
die  püicht  fühlen,  jetzt,  wo  keine  allgemeinen  theorien  und  kein  parteieifer  den  blick 
mehr  zu  trüben  brauchen,  die  tatsächlichen  Verhältnisse  einer  erneuten  unbefangenen 
prüfung  zu  unterziehen.  Mit  freude  begrüssen  wir  daher  die  vorliegende  Schrift,  in 
der  dieser  forderung  aufs  gründlichste  genüge  getan  wird.  Und  irren  wir  nicht,  so 
ist  der  grosse  fortschritt,  den  Braune  erreicht  hat,  wesentlich  mit  aus  der  geänderten 
Sachlage  entsprungen.  Er  hat  darauf  verzichtet,  von  allgemeinen  gesichtspunkten  aus- 
zugehen und  unter  beiseitesetzung  aller  theorien  lieber  von  unten  aus  zu  bauen  ver- 
sucht, indem  er  durchaus  von  der  wirklich  vorhandenen  Überlieferung,  d.  h.  also  von 


530  PANZER 

den  einzelnen  handschriften  seinen  ausgangspunkt  nahm.  Und  ziol  der  Untersuchung 
ist  ihm  nicht,  irgend  welche  fragen  dor  höheren  kritik  zur  entscheidung  zu  bringen, 
sondern  einfach  die  Überlieferung  des  liedes  nach  denselben  grundsätzen  zu  sichten, 
die  wir  bei  jeder  Überlieferung  alter  denkmäler  sonst  anzuwenden  pflegen,  also  die 
handschriften  zu  classificieren  und  in  einen  Stammbaum  einzuordnen.  Die  forderung 
mag  selbstverständlich  erscheinen,  aber  auch  das  feste  bestehen  auf  dem  selbst- 
verständlichen wird  zum  Verdienste,  wo  es  wie  hier  durch  die  langen  und  erhitzten 
debatteu  um  allgemeinere  fragen  so  sehr  aus  dem  bewusstsein  gedrängt  war.  Im 
einzelnen  überzeugend  aber  wurden  die  ausführungen  des  Verfassers  besonders  dadurch, 
dass  er  die  Strophendifferenzen,  die  bei  den  früheren  Untersuchungen  meist  im  Vorder- 
gründe gestanden  hatten,  zunächst  bei  seite  liess  und  lieber  mit  der  kritischen  be- 
trachtung  der  lesarten  begann,  wo  doch  eher  eine  objeetive  entscheidung  möglich  ist. 
So  war  der  weg  klar  erkannt,  den  eine  neue  Untersuchung  einschlagen  musste  und 
da  der  Verfasser  ihn  vorsichtig,  aber  konsequent  und  wolgerüstet  gegangen  ist,  hat 
er  ihn  auch  wirklich  zum  erwünschten  ziele  geführt.  Denn  man  mag  in  einzelheiten 
zweifelhaft  oder  auch  geneigt  sein  sich  anders  als  der  verf.  dieser  schrift  zu  ent- 
scheiden ,  vielleicht  auch  den  festgestellten  Verhältnissen  hie  und  da  eine  abweichende 
deutung  zu  geben,  im  ganzen  dürfte  die  grundsätzliche  auffassung  der  Überlieferung 
durch  Braune  festgelegt  sein. 

Braune  beginnt  seine  erörterungen  zweckentsprechend  mit  einer  Untersuchung 
der  gruppe  Db*,  die  nach  der  sog.  zweiten  Münchener  hs.  D  und  der  einst  Hundes- 
hagen gehörigen  Berliner  hs.  b  als  den  führenden  handschriften  sich  benennt.  Als 
ausgangspunkt  liegt  diese  gruppe  deswegen  nahe,  weil  die  zu  ihr  gehörigen  hss.  bis 
268,  1  der  recension  C*,  von  da  an  aber  der  recension  B*  folgen.  Diese  erscheinung 
muss  natürlich  auf  einer  einmal  infolge  irgend  welcher  gründe  beliebten  mischung 
beruhen,  weist  also  für  sämtliche  hss.,  die  sie  zeigen,  notwendig  auf  eine  stamm- 
handschrift  zurück.  Ihre  besondere  Stellung  zeigt  die  gruppe  denn  auch  innerlich 
nach  ihren  lesarten,  indem  Db*i  (str.  1 — 268,  1)  deutlich  von  den  übrigen  hss.  der 
recension  C*,  Db*n  (str.  268,  2  bis  schluss)  von  AB*  sich  unterscheiden,  wie  vom  verf. 
durch  beispiele  überzeugend  dargetan  wird.  Eine  besondere  eigenart  oder  tendenz 
verrät  sich  in  diesen  abweichungen  nicht. 

Die  Stellung  der  einzelnen  hss.  innerhalb  der  gruppe  Db*  präcisiert  der  verf. 
dahin ,  dass  zunächst  die  Würzburger  fragmente  N  sich  näher  zu  b  stellen ;  sie  gehen 
mit  b  auf  eine  gemeinsame  vorläge  zurück,  die  von  N  genauer  widergegeben  sind 
als  von  dem  jüngeren  b,  das  sich  viel  eigenmächtige  änderungen  und  auslassungen 
erlaubt.  Eine  ganz  selbständige  Stellung  nehmen  die  Prager  fragmente  S  ein,  denen 
gegenüber  D  und  Nb  öfter  zusammengehen,  sowol  in  bewahrung  echter  lesarten  als 
in  fohlern,  so  dass  die  drei  letzteren  wider  eine  gemeinsame  quelle  voraussetzen. 
Diese  wird  von  Nb  treuer  widergegeben  als  von  D,  das  recht  oft  selbständig  ändert. 
Sonach  erhalten  wir  für  die  gruppe  Db*  folgenden  Stammbaum: 

Db* 
S  '  x 


— L»        D 

N~"     b 
Kritischer  grundsatz  bei  der  Verwertung  der  hss.  dieser  gruppe  (in  Sonderheit  der 
ja  allein  vollständigen  hss.  D  und  b)  für  die  herstell ung  des  Originaltextes  muss  also 
sein,  dass  nie  eine  einzelne  lesart  von  D  oder  b  für  sich  dafür  verwendet  werden  darf, 


ÜBER   BRAUNE,    HANDSCURIFTENVERIULTNISSE   DES   NIBELUNGENLIEDES  531 

sondern  es  muss  immer  zunächst  die  lesart  der  gruppe  Db*  festgestellt  werden.  Streng 
genommen  ist  das  eigentlich  nur  dort  mit  Sicherheit  möglich,  wo  auch  S  vorhanden 
ist;  hier  ist  denn  jeweils  die  Übereinstimmung  von  S  mit  D  oder  b  entscheidend.  Wo 
S  fehlt,  ist  man  eigentlich  nur  im  stände  die  lesart  der  schon  abgeleiteten  hs.  x  fest- 
zustellen, nicht  aber  die  originale  der  stammhs.  Db*.  Praktisch  fällt  das  nicht  all- 
zusehr ins  gewicht,  da  doch  wahrscheinlich  erweise  die  meisten  änderungen,  die  x 
gegenüber  den  anderen,  nicht  zu  Db*  gehörigen  hss.  aufweist,  von  ihm  aus  Db*  über- 
nommen sind. 

Um  den  kritischen  wert  des  textes  Db*  zu  illustrieren,  stellt  der  verf.  für 
100  Strophen  des  zweiten  teils  (1542  —  1641,  wo  auch  S  erhalten  ist)  sämmtliche 
Varianten  dieser  gruppe  zusammen.  Ihre  abweichuugen  erweisen  sich  als  nicht  zu 
häufig  und  qualitativ  gering,  so  dass  die  recension  Db*  die  stelle  einer  alten  guten  hs. 
aus  dem  anfange  des  13.  jh.  (S  selbst  stammt  noch  aus  der  ersten  hälfte  des  13.  jh.) 
vertreten  kann. 

Dies  gilt  nun  zunächst  für  den  zweiten  und  hauptteil  der  gruppe  Db*;  denn 
Db*i  gehört  ja  zum  texte  C*.  Um  die  Stellung  der  gruppe  auch  innerhalb  dieser 
recension  genauer  festzulegen ,  erörtert  der  verf.  zunächst  nochmals  das  Verhältnis  der 
übrigen  hss.  dieses  textes.  Hier  war  die  Zusammengehörigkeit  der  Meihinger  hs.  a 
mit  den  Nürnberger  fragmenten  R  schon  von  Zarncke  und  Bartsch  erkannt;  Braune 
stellt  nur  überzeugend  fest,  dass  a  doch  nicht,  wie  Bartsch  gemeint  hatte,  aus  R  ge- 
flossen sein  kann.  Die  Offenburger  blätter  E  stellen  sich  dagegen  näher  zu  C,  ohne 
dass  das  Verhältnis  zu  dieser  hs.  oder  zu  Ra  sich  genau  festlegen  Hesse;  auch  das 
Karlsburger  fragment  F  ist  nicht  sicher  unterzubringen.  Jedenfalls  aber  ergibt  sich 
so  viel  mit  gewissheit,  dass  alle  diese  hss.  zusammen  eine  gruppe  C*t  ausmachen, 
welcher  der  zu  C*  gehörige  teil  von  Db*  sich  als  gesonderte  gruppe  C*2  gegenüber 
stellt  und  zwar  mit  derselben  art  leichter  Varianten,  mit  denen  Db*n  von  AB*  ab- 
weicht; Db*n  =  C*2  hat  Öfter  den  echten  C*-text  bewahrt,  wo  G*±  ändert,  bald  seiner- 
seits leise  geändert. 

Ähnlich  wie  Db:  n  haben  auch  die  zu  0*  gehörigen  teile  in  der  vorläge  der 
Umarbeitung  des  Nibelungenliedes,  die  in  k,  der  hs.  des  "Wiener  Piaristenkollegs ,  vor- 
liegt, sich  von  C\  unterschieden.  Da  aber  diese  teile  von  k  sich  nirgends  mit  Db*n 
decken,  so  ist  nicht  festzustellen,  ob  die  vorläge  von  k  direct  zur  gruppe  C*2  gehört 
habe,  oder  vielleicht  eine  selbständige  gruppe  C*3  repräsentierte.  Näher  mit  k  gehören 
noch  die  Innsbrucker  bruchstücke  U  zusammen.  So  erhält  man  für  C*  nur  einen 
ungefähren  Stammbaum  mit  der  gruppierung: 

C* 

c^  "  c*2 


ER^a        F? 


Db*i    U 


Innerhalb  der  recension  B*  steigt  der  verf.  nun  im  zweiten  capitel,  s.  24fgg., 
von  der  gruppe  Db*  weiter  auf,  indem  er  zunächst  die  Stellung  der  hs.  A  zu  dem 
bisher  umschriebenen  kreise  zu  bestimmen  sucht.  Er  führt  im  ersten  abschnitte  eine 
reihe  von  stellen  vor,  in  denen  eine  lesart  A  =  Db*  einer  lesart  aller  übrigen  hss. 
entgegensteht,  ohne  dass  es  möglich  wäre,  diese  oder  jene  ohne  weiteres  als  die 
originale  zu  bezeichnen.  Diesen  Varianten  gegenüber  müssen  diejenigen,  welche  mit 
Lachmann  A  für  den  originalen  text  halten,  notwendig  folgende   position   einnehmen: 


532  PANZKR 

sie  müssen  erklären  Db:   habe  hier  wie  A  die   originale  lesart   bewahrt,  während  die 
übrigen  hss.  (B*,  C*)  ändern.     Das  ergäbe  also  den  Stammbaum: 

Archetypus 


Db*  y 

B*T(? 

Aber  gegen  diese  position  marschiert  alsbald  eine  zweite  phalanx  von  lesarten 
auf,  in  denen  sich.  A  =  Db*  zweifellos  secundär  und  fehlerhaft  erweisen  gegenüber 
den  lesarten  der  übrigen  hss.  Da  hier  durch  die  besondere  art  dieser  stellen  es  so 
ziemlich  für  alle  fälle  ausgeschlossen  ist,  dass  B*C*  das  richtige  durch  conjectur  hätten 
finden  können,  so  ist  die  ausflucht  abgeschnitten,  dass  B*C*  bier  etwa  einen  von 
A  =  Db*  treu  widergegebenen  fehler  des  arcbetypus  corrigiert  hätten.  Also  ist  der  oben 
aufgestellte  Stammbaum  falsch  und  damit  ist  natürlich  der  ausgaugspunkt  als  falsch 
erwiesen,  dessen  notwendige  consequenz  er  ist.  A  bewahrt  hier  nicht  originale  les- 
arten, sondern  zeigt  mit  Db*  gemeinsame  fehler,  muss  also  der  herrschenden  Stellung 
entsetzt  werden,  die  Lachmann  ihr  anweisen  wollte.  Diese  auffassung  hilft  eine 
grössere  dritte  gruppe  von  lesarten  erhärten ,  wo  A  =  Db*  nicht  so  entschieden  secundär 
sind  gegenüber  B*C*,  bei  denen  aber  jeweils  in  sich  schon  eine  entwicklung  B*C*  > 
A  =  Db*  sehr  viel  einleuchtender  und  wahrscheinlicher  ist  als  das  umgekehrte. 

Damit  rückt  also  A  um  eine  stufe  vom  originale  ab  und  muss  mit  Db*  zu 
einer  durch  gemeinsame  fehler  charakterisierten  gruppe  ADb*  zusammengeschlossen 
werden.  Zu  ihr  gehören  an  tatsächlich  überlieferten  texten  ausser  A  und  den  zu  Db* 
vereinigten  texten  SDNb  noch  einige  fragmente.  So  geben  das  Berliner  bruchstück 
L  und  die  daraus  abgeschriebenen  Heidelberger  fragmente  g  an  den  entscheidenden 
stellen  überall  mit  A  =  Db*  gegen  die  übrigen  hss.,  stellen  sich  aber  weder  näher  zu 
A  noch  zu  Db*.  Sie  müssen  also  selbständig  aus  der  stammhs.  geflossen  sein ,  höchstens 
dass  vielleicht  zwischen  den  vorlagen  von  A  und  L  ein  etwas  näheres  Verhältnis  be- 
standen hat.  Auch  das  Linzer  fragment  M  gehört  wol  zu  ADb*,  nur  ist  seine  ge- 
nauere Stellung  in  der  gruppe  unsicher.  Einwände  gegen  die  nähere  zusammen- 
scbliessung  von  A  uud  Db*,  die  sich  aus  einem  vereinzelten  zusammentreffen  von  A 
(gegen  Db*)  mit  B  oder  J,  oder  von  Db*  .(gegen  A)  mit  J  erheben  Hessen,  werden 
vom  verf.  abgewehrt,  indem  er  solches  zusammentreffen  für  zufällig  erklärt. 

Nachdem  so  die  grundsätzliche  beurteilung  von  A  gewonnen  ist,  sucht  Braune 
im  dritten  capitel,  s.  75  fgg.,  die  Stellung  und  den  kritischen  wert  dieser  hs.  nocb 
genauer  zu  präcisieren.  A  ist  abschrift  einer  vorläge  «,  die  in  A  zwar  nachlässig, 
doch  in  der  hauptsaohe  treu  copiert  ist.  a  aber  erlaubte  sich  abweichungen  vom 
originalen  texte  nacb  zwei  Seiten.  Einmal  im  strophenbestande,  wo  die  differenz 
zwischen  A  und  B*  nach  allem  bisher  festgestellten  nur  so  erklärt  werden  kann ,  dass 
e.  die  betreffenden  Strophen  (und  zwar  mit  bcwusstsein)  ausgelassen  hat.  Und  dies 
ergebnis  ist  aucb  in  sich  wahrscheinlich.  Denn  die  plusstrophen  von  B*  zeigen  einmal 
dieselbe  auffassung  und  art  wie  zahlreiche  andere  Strophen  des  A  und  B*  gemein- 
samen textes,  die  unserem  geschmacke  überflüssig  oder  störend  erscbeinen  könnten. 
Andererseits  aber  lassen  manche  der  in  A  fehlenden  Strophen  sich  nicht  wol  entbehren, 
ja  in  einigen  fällen  bedeutet  die  auslassung  in  A  geradezu  eine  grobe  Störung.  So 
werden  die  Strophen  338ab,  348a— d,  383a_ c,  385a,  582%  589a  durch  den  Zusammen- 
hang unbedingt  gefordert;  417a  aber  wird  durch  ein  äusseres  kriterium,  den  im  Parz. 
widcrkehreiHlen  namen  Azagouc  als   echt  erwiesen.    Was  die  lesarten  von  A  anlangt, 


ÜBER   BRAUNE,    HANDSCHRIFTENVERHÄLTNISSE    DES    NIBELUNGENLIEDES  533 

so  sind  die  bekannten  zahlreichen  nachlässigkeiten  dieser  hs.,  ihre  groben  verschrei- 
bungen  und  auslassungen ,  wol  erst  auf  das  conto  des  Schreibers  von  A  zu  setzen. 
Für  viele  fälle  kann  man  dagegen  zweifelhaft  sein,  ob  erst  A  oder  schon  a  geändert 
habe.  Jedenfalls  aber  lässt  sich  für  eine  ganze  reihe  von  stellen  der  unursprüngliche 
charakter  des  textes  A  nachweisen,  indem  in  seinen  lesarteu  gruppenweise  Ver- 
änderungen des  Originals  nach  bestimmten  tendenzen  hervortreten.  Formell  durch 
häufige  Veränderung  des  rhythmus  und  der  Strophe:  ausfüllung  der  Senkung  im  zweiten 
takt  des  letzten  halbverses,  Verkürzung  desselben  auf  drei  takte  und  einführung  drei- 
taktiger  halbverse  in  der  vorderen  hälfte  der  langverse;  sachlich  aber  durch  Weiter- 
bildung des  textes  in  fortgeschritten  höfischem  sinne  und  vielfache  ersetzung  allge- 
meiner und  typischer  redensarten  und  formein  durch  individueller  gefärbte.  Letztere 
änderung  trifft  besonders  den  letzten  vers  der  Strophe,  wo  in  A  oftmals  der  haupt- 
gedanke  weitergeführt  ist,  während  das  original  die  Strophe  mit  einer  allgemeineren 
wendung  gefüllt  hat.  Man  kann  also  sagen ,  dass  A  oder  vielmehr  die  vorläge  «  den 
text  des  originales  in  ähnlicher  weise  modernisierte  und  variierte  wie  C*,  hinter  dem 
seine  änderungen  allerdings  nach  quantität  und  qualität  beträchtlich  zurückbleiben. 

Damit  sind  nun  alle  hss.  behandelt  bis  auf  diejenigen  der  gruppe  Jd*,  der  das 
vierte  capitel.  s.  115fgg.,  gewidmet  ist. 

Es  ist  bekannt,  dass  Jd*  nach  lesarten  und  Strophenbestand  eine  mittelstellung 
einnimmt  zwischen  B*  und  C*.  TTie  ist  diese  zu  erklären?  Sie  war  ganz  eindeutig 
bei  der  auffassung  von  Zarncke,  wo  Jd*  in  der  entwickelung  von  C*  zu  B*  einfach 
die  Zwischenstufe  bedeutete;  aber  jene  von  Zarncke  angenommene  entwicklung,  nach 
der  ein  höfisch  glatter,  moderner  text  nachträglich  in  altertümelndem  sinne  um- 
gestaltet, gleichsam  auf  eine  frühere  stufe  der  poetischen  technik  und  des  poetischen 
stils  im  weitesten  sinne  zurückgeschraubt  wäre,  ist  heute  allgemein  als  unmöglich 
aufgegeben.  Betrachtet  man  aber  nun  die  tatsächlich  gegebenen  Verhältnisse  vom 
Standpunkte  der  hypothese  von  Bartsch  und  Paul,  wonach  B*  und  C*  aus  einem 
gemeinsamen  originale  hervorgegangen  wären,  so  ergeben  sich  sofort  die  grössten 
Schwierigkeiten.  Um  die  Stellung  von  Jd*  zwischen  B*  und  C*  begreiflich  zu  machen, 
hatte  Bartsch  den  text  dieser  gruppe  für  das  ergebnis  einer  mechanischen  mischuug 
erklärt:  der  Schreiber  der  stammhs.  sei  im  allgemeinen  B*  gefolgt,  habe  daneben 
aber  einzelne  Strophen  und  lesarten  aus  C*  genommen.  Nun  hat  aber  schon  Paul 
gezeigt,  dass  eine  solche  erklärung  bei  der  eigentümlichen  art  der  Übereinstimmungen 
zwischen  Jd*  und  C*  kaum  haltbar  ist.  Man  müsste  annehmen,  dass  Jd*  in  den 
lesarten  nur  die  kleinen  und  unbedeutenden  abweichungen  der  recension  C*,  nirgends 
aber  die  stärkeren,  sachlich  einschneidenden  änderungen  derselben  entlehnt  hätte,  und 
das  ist  doch  höchst  unwahrscheinlich.  Dazu  kommt  überdies,  dass  sehr  viele  Über- 
einstimmungen mit  C*  sich  nur  in  J*,  nicht  aber  auch  in  d*  finden,  was  einen  sehr 
complicierten  vorgaug  bei  der  mischung  voraussetzte.  Infolge  dessen  sah  Paul  in 
allen  lesarten  Jd*=C*  bewahrung  des  originalen,  während  die  abweichung  von  B* 
auf  sekundärer  änderung  beruhte.  Aber  diese  annähme  lässt  sich  keinesfalls  auf 
die  auffälligste  Verschiedenheit  zwischen  B*  und  Jd*,  die  differenz  im  Strophenbestand, 
ausdehnen.  Für  jeden,  der  eine  entwicklung  C*  >  B*  für  ausgeschlossen  hält,  muss 
hier  eine  entwicklung  Jd*  >  B*  ebenso  unmöglich  erscheinen.  Denn  die  plusstrophen 
von  Jd*  stehen  mit  den  plusstrophen  von  C*  auf  genau  derselben  linie',  sind  von  ganz 
denselben  tendenzen  getragen  wie  diese.  Die  Otenheimstrophe  Jd*  939 a  vergleicht 
sich  genau  den  Lorscher  Strophen  in  C*;  die  angäbe,  dass  Etzel  dem  Christentum 
wider  abtrünnig  geworden   Jd*  1201%    die  entschuldigung  der  Kriemhild  Jd*  1775a, 


534  PANZER 

1837ab  sind  aus  der  Klage  genommen,  derselben  quelle  also,  nach  der  C*  den  originalen 
text  vielfach  aufgeputzt  und  umgestaltet  hat.  Hier  wird  die  annähme,  dass  Jd*=C* 
in  ihrer  Übereinstimmung  mit  der  Klage  das  originale  zeigten,  besonders  unwahr- 
scheinlich; denn  man  müsste  dann  annehmen,  dass  der  Verfasser  von  B*,  der  doch 
Nibelungenlied  und  Klage  bearbeitete,  durch  beseitigung  dieser  Übereinstimmung  beide 
gedichte  nachträglich  differenziert  hätte.  Also  könnten  die  plusstrophen  von  Jd*  nicht 
dem  originale  angehört  haben,  sondern  müssten  aus  C*  hineingeraten  sein.  Dazu 
stimmen  aber  nicht  die  Lesarten,  die  man  sich,  wie  oben  erwähnt,  nicht  aus  C*  ent- 
nommen denken  kann;  dagegen  spricht  auch  ein  zweiter  schon  von  Paul  angeführter 
umstand,  dass  die  plusstrophen  von  Jd*  in  der  fassung,  die  sie  in  C*  zeigen,  ebenso 
variiert  sind,  wie  der  ganze  übrige  text  von  Jd*  =  B* ;  es  müssen  also  diese  Strophen 
bei  anfertigung  der  bearbeitung  C*  in  deren  vorläge  schon  vorhanden  gewesen  sein. 

Bleibt  also  die  existenz  der  grappe  Jd*  von  dem  Standpunkte,  den  Bartsch 
und  Paul  eingenommen  haben,  unerklärbar,  so  muss  wol  dieser  Standpunkt  selbst 
nicht  der  richtige  sein.  In  der  tat  vermögen  die  dafür  erbrachten  gründe  einer  näheren 
prüfung  nicht  stand  zu  halten. 

An  den  aufstellungen  von  Bartsch  hat  bereits  Paul  die  bekannte  einschneidende 
kritik  geübt.  Wenn  er  trotzdem  an  der  grundanschauung  von  Bartsch,  dass  B*  wie 
C*  aus  einem  originale  hervorgegangen  seien,  das  noch  einige,  wenn  auch  wenige 
assonanzen  zeigte,  glaubte  festhalten  zu  müssen,  so  haben  ihn  dabei  zwei  beobachtungen 
bestimmt.  Erstens,  dass  B*  und  C*  jedes  für  sich  einige  ungenaue  reime  zeigen,  die 
in  den  gemeinsamen  teilen  fehlen.  Aber  diese  tatsache  bleibt  auch  für  eine  grup- 
pierung  B*  >  C*  erklärlich  und  berechtigt  noch  nicht  auf  ein  assonierendes  original 
zu  schliessen.  In  der  tat  hat  C*  auf  grund  seiner  tendenz  zu  genauerem  reim  alle 
sieben  ungenauen  reime  von  B*  beseitigt,  selbst  freilich  fünf  andere  in  seinen  text 
hineingebracht.  Sie  sind  nicht  durchaus  gleichartig  mit  denen  von  B*,  aber  drei  un- 
genaue reime  auf  Hagene  hat  C*  doch  in  den  ihm  eigenen  teilen  ganz  wie  B*.  Das 
ist  eine  inkonsequenz;  doch  lässt  sich  ähnliches  auch  in  anderen  einwandfreien  fällen 
bei  C*  beobachten  (z.  b.  beim  cäsurreim,  Braune  s.  166a.),  wie  auch  die  einzelnen  hss. 
für  ein  ähnlich  inconsequentes,  kritisches  verfahren  mehrfach  beispiele  bieten. 

Der  zweite  grund  an  Bartschens  hypothese  festzuhalten  war  für  Paul  die  be- 
obachtung,  dass  dort,  wo  B*  und  C*  im  reimworte  abweichen,  sich  durch  kreuzung 
bisweilen  eine  assonanz  herstellen  lässt  und  zwar  öfter  als  das  beim  walten  reinen 
zufalls  sein  dürfte.  Aber  die  rechnungen,  die  Paul  dies  zu  beweisen  anstellt,  wären 
nur  dann  zwingend,  wenn  einmal  an  den  betreffenden  stellen  der  anlass  zu  der  in 
C*  vorliegenden  änderung  nur  in  einer  assonanz  des  Originals  gesucht  werden  könnte 
und  nicht  etwa  inhaltliche  anstösse  eine  genügende  erklärung  der  abweichung  bieten. 
Letzteres  ist  aber  bei  den  in  Pauls  rechnungen  einbezogenen  stellen  tatsächlich  mehr- 
fach der  fall;  hier  besteht  also  überhaupt  kein  anlass  auf  einen  assonierenden  text 
als  ausgangspunkt  der  Veränderung  zu  schliessen.  Und  zweitens  setzen  die  rechnungen 
Pauls  voraus,  dass  dem  bearbeiter  jeder  sprachlich  mögliche  reim  gleich  nahe  gelegen 
hätte.  Auch  das  aber  ist  nicht  der  fall.  Vielmehr  lässt  sich  zeigen,  das  der  neue 
reim  in  vielen  fällen  veranlasst  ist  durch  den  inhalt  und  das  wortmaterial  der  ge- 
änderten stelle. 

Damit  fällt  also  nun  überhaupt  der  zwang  weg,  für  B*  und  C*  ein  gemein- 
sames original  vorauszusetzen  und  es  bleibt,  da  die  Originalität  von  C*  nach  all- 
gemeiner ansieht  unwahrscheinlich  ist,  nur  der  alte  Lachmannsche  Standpunkt  übrig, 
dass   C*   aus  B*  entstanden   ist.     Und  der  muss  umsomehr  als   der  richtige  gelten, 


ÜBER    BRAUNE,    HANDSCHRIFTENVKRHÄLTNISSE    DES    NIBELUNGENLIEDES  535 

als  er  allein  eine  plausible  erklärung  für  die  existenz  der  gruppe  Jd*  zu  liefern 
vermag. 

Diese  gruppe  stellt  also  eine  etappe  dar  auf  dem  wege  von  B*  nach  C*  oder 
eigentlich  zwei;  denn  man  hat  zu  unterscheiden  zwischen  den  Untergruppen  d*  und  J*. 
d*  würde  eigentlich  zunächst  durch  die  jetzt  Berliner  hs.  0  repräsentiert  sein;  da  von 
ihr  aber  nur  geringe  hruchstücke  erhalten  sind,  so  muss  d,  der  Nibelungentext  der 
Ambraser  hs.,  der  direct  aus  0  abgeschrieben  ist,  als  hauptvertreter  gelten.  Ihm 
ordnet  sich  das  verschollene  Münchener  fragment  H  in  etwas  selbständigerer  Stellung 
zu.  Dagegen  gehören  zur  gruppe  J*  ausser  der  Berliner  hs.  J  (und  der  aus  ihr  ab- 
geschriebenen hs.  h)  noch  die  Basler  hruchstücke  1,  die  Coblenzer,  jetzt  Berliner  K 
und  endlich  das  einst  Grieshaber  gehörige,  jetzt  Freiburger '  fragment  Q.  Dagegen 
können  i  und  c  nicht  mit  vollständiger  Sicherheit  bestimmt  werden.  Für  k  bestätigt 
Braunes  Untersuchung  die  ansieht  Lunzers,  dass  deren  vorläge  trotz  der  auffälligen 
Übereinstimmung  mit  d  in  den  drei  plusstrophen  329  a—c  nicht  direct  zu  d*  gehört, 
vielmehr  eine  alte  hs.  der  gruppe  B*  vertritt,  von  der  wir  sonst  nichts  haben. 

Die  Untergruppe  J*  nimmt  nun  eine  interessante  Übergangsstellung  ein  zwischen 
d*  und  C*.  Die  zu  C*  stimmenden  lesarten  sind  in  J*  nach  quantität  und  qualität 
bedeutender  als  in  d*,   so  dass  die  hearbeitung  C::  also  auf  einer  handschrift  dieser 

1)  Mit  rücksicht  auf  Piper,  Nibelungen  2,  508,  wo  dies  bruchstück  für  ver- 
schollen gilt,  sei  erwähnt,  dass  es  wolbehalten  unter  nr.  511  auf  der  hiesigen  Univer- 
sitätsbibliothek bewahrt  wird.  Der  abdruck  in  Pfeiffers  Germ.  3,  208fgg.  löst  die  ab- 
kürzungen  auf.  die  für  die  berechnung  des  fehlenden  nicht  ganz  ohne  Bedeutung  sind; 
da  der  abdruck  auch  sonst  nicht  ganz  genau  ist,  wird  eine  collation  nicht  unwill- 
kommen sein.     1.  blatt,  1.  seite  links:  z.  1  mange    4  recke.     7  recken     10  (/'     11  vö 

16  v'howen  20  sei  thoe.  23  (V  24  do  sprach  vö  rechts:  2  gage  5  nid'  6  d> 
hsre  7  rnSgt  9  lovff'en.  12  iehe  16  v'suchen.  spach  17  iV  2.  seite,  1.:  5  mei 
9  vö     18  alle     20  mange     24  ds      r. :  1  taget     6  d1     8  hange  Gent-     11  ds     12  vn 

13  Gvnther  18  d*  20  sein'  21  xvhte  vn  23  hagne.  vö.  Die  unterste  zeile  ist 
ganz  abgeschnitten,  doch  sind  die  köpfe  der  buchstaben  s  —  h  und  nochmals  h  mit 
einem  «"-strich  dahinter  noch  wol  erkennbar,  so  dass  da  gestanden  haben  muss: 
spranek  er  hin.     2.  blatt,    1.  seite,  1.:   2   h'xen     3  Hagne     8  h'xen     11  d'     13  d* 

14  ds  groxxe  15  v'san  16  d*  19  li'xen  r. :  1  ist  die  zeile  oben  beschnitten,  doch 
ist  deutlich  zu  lesen  seines  Schildes  (so)  4.  12.  19  d>  17.  18  sein'  20  sw't  21  hagn 
2.  seite,  1.  1  ist  sicher  zu  erkennen:  stereke.  dev  (nicht  der)  mvst  gar  3  seine 
4  k'xen  8  d*  kriemhilde  9  vö  10  mä  15  vngelUce  16  d'  19  met  r. :  4  de 
7,  mei    6  vö     7  sei     8  lieffe     10  sßmleiche.     12  ab'  face     14  v'dienet     15  d*  kfne 

17  vngethoe  Ghtf-  18.  19.  21  cV  3.  blatt,  1.  seite,  1.:  über  der  1.  zeile  die  Pfeiffer 
gibt,   ist  noch   deutlich  als   Zeilenanfang   zu   erkennen   meinen.      1   di     2   ivsde?i     3. 

15  niemä  5  vn  8  ivaffes  9.  17.  20  d>  17  v'lox  r. :  2  ds  8  menster  9  h'ren. 
14  mvnsV  15  ds  glocke  17  vn  vil  ds  19  d>  künch  Gfnther.  20  vn  seine  2.  seite, 
1.:  1  laides  sein,  wir  müx-  4  spach  9  v'gexzen  12  meine  liebe  mä  14  kriem- 
hilt  (immer)  20  d'  r. :  in  der  obersten  zeile  sind  noch  wol  erkennbar  die  unteren 
teile  von  ex  noch  ge  4  sei  5  geschach.  13  di  künch  Genther.  16  hagen  18  di 
4.  blatt,  1.  seite,  L:  2  Gent-  7  ab'  12.  22  vn  14  tkeen  o20  mhi-  24  di  r.:  \me%n 
3  set.  7  gegebe.  11  d*  l&müxxe  19  vnä  22  h'zenelichen.  Vte  23  vn  2.  seite,  l.:vh 
11  schalt  dMch  14  gdn-  19  chint  20  klain.  da-,  mo  witxe  (das  mo  durchstrichen) 
2J  mvst  24  kvndert  r. :  2  gesvnge  3  hvb  6  schult  7  bewache  9  seine  10  mei 
22  kein  punkt  hinter  herbergen  24  ds.  Beide  doppelblätter  sind,  das  eine  oben,  das 
andere  unten  beschnitten.  Sie  sind  31,6,  bez.  31,2  cm  breit  (der  bruch  liegt  nicht 
ganz  in  der  mitte);  die  jetzige  höhe  beträgt  in  der  mitte  der  einzelnen  blätter  ge- 
messen, für  blatt  1:  16,5,  4:  16,  2:  15,5,  3:  15  cm.  Pfeiffer  sagt,  die  spalte  müsste 
ursprünglich  28  zeilen  gehabt  haben.  Wer  unter  berücksichtigung  der  Schreibweise  der 
hs.  und  der  lesarten  von  J*  nachrechnet,  wird  aber  in  allen  controlierbaren  fällen  mit 
bestimmtheit  auf  27  zeilen  kommen. 


536  PANZER 

gruppe  beruhen  muss.  Die  beste  widergabe  jenes  J*,  aus  dem  C*  floss,  bietet  aber 
keineswegs  die  hs.  J,  die  vielmehr  zusammen  mit  Q  am  weitesten  davon  absteht. 
Schon  K  ist  eine  Vorstufe  von  JQ,  ohne  doch  deren  vorläge  zu  sein,  da  K  in  einigen 
füllen  abweicht,  wo  JQ  das  echte  bewahren.  Dagegen  steht  1  auf  einer  noch  älteren 
stufe  als  K  und  JQ  in  öfterer  bewahrung  des  echten  bei  manchen  selbständigen 
änderungen,  so  dass  wir  also  für  die  ganze  gruppe  folgenden  Stammbaum  bekommen: 
d< 


3— 
J  Q 

Es  erhellt  hieraus  die  wichtige  Stellung  von  1,  das  relativ  am  genauesten  den 
text  bewahrt,  aus  dem  C*  hervorgegangen  ist. 

Damit  ist  nun  wirklich  ein  vollständiger  stamm  der  hss.  des  Nibelungenliedes 
gewonnen,  den  der  verf.  in  dem  als  ,abschluss'  bezeichneten  sechsten  capitel,  s.  192 fgg., 
so  darstellt: 

x 


y 


ADb*  B  d*  z, 

A  Db*  J*  | 

C* 

x  ist  der  aus  unseren  hss.  zunächst  reconstruierbare  archetypus,  aber  noch 
nicht  das  original.  Denn  x  hatte  dem  originale  ja  schon  die  Klage  augehängt,  die  in 
allen  vollständigen  hss.  dem  Nibelungenliede  angeschrieben  ist.  Und  weiterhin  wies 
dieser  archetypus  schon  eine  reihe  von  fehlem  auf,  die  zwar  z.  t.  von  dem  scharf- 
sinnigen Überarbeiter  C*  (entweder  auf  der  stufe  J*C*  oder  erst  in  C*)  verbessert, 
worden,  z.  t.  aber  auch  in  allen  hss.  stehen  geblieben  sind.  Im  ganzen  lassen  sich 
18  fehler  für  x  erweisen. 

Von  diesem  archetypus  ist  nun  y  eine  nach  strophenbestand  und  lesarten  im 
wesentlichen  treue  copie;  zu  den  fehlem  von  x  sind  hier  nur  einige  änderungen  uud 
fehler  gewöhnlicher  und  leichter  art  dazu  getreten.  Dagegen  trug  die  zweite  copie 
des  archetypus  z  schon  einen  etwas  anderen  Charakter.  In  diesem  zweige  der  Über- 
lieferung gehen  die  stufen  z,  zt  und  C*  auf  ein  und  denselben  mann  zurück  uud  sind 
uicht  eigentlich  abschritten,  sondern  bearbeitungen.  Der  bearbeiter  hat  auf  der  ersten 
stufe  z  zunächst  die  plusstrophen  von  Jd*  hinzugefügt,  die  lesarten  aber  noch  wenig 
geändert;  aus  dieser  stufe  stammt  d*.  Auf  der  zweiten  stufe  zt  gieng  er  mit  seinen 
änderungen  schon  etwas  weiter  und  daraus  floss  J*.  Diese  stufe  zx  aber  hat  er  nachher 
nochmals  in  lesarten  und  strophenbestand  gründlich  umgearbeitet  zu  C*. 

Aus  dieser  gruppierung  der  hss.  ergeben  sich  nunmehr  mit  notwendigkeit  die 
folgenden  grundsätze  für  eine  kritische  widerherstellung  des  archetypus.  Von  vorn- 
herein kann  die  echte  lesart  ebensowol  in  z  als  in  y  erhalten  sein;  doch  wird  mau 
im  zweifelsfall  immer  y  den  vorzug  geben  müssen,  in  dem  x  eben  im  allgemeinen 
treuer  widergegeben  war  als  in  z.  Nur  wo  y  in  sich  anstössig  ist,  muss  man  z  folgen. 
Die  lesart  von  y  muss  natürlicb  immer  erst  reconstruiert  werden  und  zwar  bietet 
überall  dort,  wo  ADb*  und  B,  die  beiden  zweige  von  y,  auseinandergehen,  derjenige 


ÜBER    BRÄUNE,    HANDSCHRIFTENVK.RHÄI.TMSSK    DES    NIBELUNGENLIEDES  §3*7 

den  echten  text  von  y,  der  zu  z  stimmt.  Es  is  das  zumeist  bei  B  der  fall,  doch 
weist  auch  diese  hs.,  wie  gelegentliche  Übereinstimmungen  von  ADb*  mit  z  beweisen, 
öfter  änderungen  auf.  Von  z  ist  dagegen  d  der  beste,  tatsächlich  überlieferte  Ver- 
treter und  mehrfach  wird  der  originale  text  von  x  allein  durch  Bd  bezeugt.  Für  die 
vier  alten  haupthss.  AB  CD  und  ihren  kritischen  wert  ergibt  sich  also,  dass  C  am 
weitesten  vom  originale  absteht.  Aber  auch  A  hat  einen  vergleichsweise  geringen 
wert  und  kann  für  sich  allein  nie  für  den  echten  text  beweisen.  Es  hilft  vielmehr 
nur  den  text  der  gruppe  ADb*  feststellen,  der  immer  noch  erst  B  gleich  geordnet  ist 
und  nur  dann  als  der  originale  gelten  kann,  wenn  er  zu  z  stimmt.  Noch  weiter  tritt 
die  hs.  D  zurück,  die  so  zahlreiche  junge  änderungen  aufweist,  dass  sie  selbst  fin- 
den text  der  Untergruppe  Db*  uoch  wenig  beweist;  der  wert  ihrer  selbständigen  les- 
arten  .für  die  reconstruction  des  archetypus  ist  daher  sehr  gering.  Dem  originale 
weitaus  am  nächsten  steht  die  hs.  B,  indem  hier  der  text  des  archetypus  verhältnis- 
mässig wenige  und  geringe  änderungen  erfahren  hat. 

Dies  Verhältnis  der  hss.  und  recensionen  lässt  sich  für  den  ganzen  text  des 
Nibelungenliedes  durchführen,  indem  scheinbar  widerstreitende  fälle  sich  als  manch- 
mal merkwürdiges ,  aber  doch  zufälliges  zusammentreffen  selbständiger  glieder  erklären 
lassen.  Es  versagt  dagegen  vollständig  für  die  Strophen  1 — 21  des  liedes,  daher 
Braune  dieser  einleitung  ein  besonderes  capitel ,  s.  155  fgg.,  gewidmet  hat.  Die  be- 
sonderheiten  dieser  eingangsstrophen  sind  augenscheinlich  nur  so  zu  erklären,  dass 
hier  entlehnungen  hinüber  und  herüber  stattgefunden  haben.  Zum  glück  helfen  innere 
gründe  diese  ausweichende  annähme  bestätigen. 

So  zeigt  gleich  für  die  erste  strophe,  die  Adk  allen  bisherigen  feststellungen  zu- 
wider wie  0*  überliefern,  während  sie  in  BJ  fehlt,  eine  kritische  betrachtung  der  strophe 
selbst,  dass  diese  unmöglich  dem  originale  angehört  haben  kann.  Vielmehr  muss  sie 
eigentum  des  bearbeiters  C*  und  von  Adk  nachträglich  aus  C*  übernommen  sein.  Die 
strophe  hat  durchgehenden  cäsurreim,  was  innerhalb  des  textes  B*  ausser  hier  und  in 
str.  17  nie  begegnet,  während  die  gleiche  erscheinung  in  den  plusstrophen  von  C*  sich 
fünfmal  findet.  Der  Verfasser  zeigt  nun  durch  eine  scharfsinnige  erörterung,  dass  über- 
haupt erst  C*  den  cäsurreim  in  der  zweiten  strophenhälfte  eingeführt  hat,  so  dass  also 
durchgereimte  Strophen  nur  von  ihm  herrühren  können.  Demnach  gehören  sowol  str.  1 
(die  in  BJ  fehlt)  als  str.  17  (die  in  Jd*  fehlt)  dem  archetypus  nicht  an  und  da  auch 
str.  16  in  Jd*  fehlt,  so  wird  wol  auch  sie  von  AB(k)  erst  aus  Ü;  entlehnt  sein.  Auch 
hier  unterstützen  innere  gründe  die  ausscheidung.  Str.  16.  17  tragen  ganz  das  gepräge 
der  plusstrophen  von  C*:  sie  haben  ausgefüllte  Senkung  in  vers  4b,  17,3  aber  irir 
liebe  mit  leide  xe  jungest  Ionen  kein  ist  aus  dem  Schlüsse  des  gedichts  2315,  4  ent- 
nommen und  die  hindeutung  hierauf  entspricht  ganz  der  mehrfach  hervortretenden 
„  harmonistischen "  tendenz  von  C*.  Zudem  erweitert  diese  bearbeitung  auch  sonst 
gerne  einen  dialog  und  zwar  mehrfach  gerade  wie  hier,  indem  sie  noch  eine  rede 
und  gegenrede  einfügt. 

Ebenso  müssen  aber  auch  die  strophen  7 — 12,  die  ebenfalls  in  Jd*  iehlcn. 
dichtung  von  C*  und  daraus  erst  von  ABk  übernommen  sein.  Und  das  scheint  widerum 
in  sich  recht  einleuchtend.  Die  strophen  haben  alle  ausgefüllte  Senkung  in  4b,  was 
in  B*  kaum  wider  sechs  strophen  hintereinander  vorkommt.  Ferner  ist  der  text  B 
hier  durch  alle  sechs  strophen  völlig  identisch  mit  dem  von  C*,  auch  das  eine  er- 
scheinung, die  sich  im  ganzen  gedichte  nirgends  widerholt;  die  beiden  einzigen  Varianten, 
die  Bartsch  hier  unter  seinem  texte  notiert,  erledigen  sich  als  ausweichungen  einzelner 
hss.,   nicht  der  recensionen.     Es  kann   hier  also   nicht  Überarbeitung  von  C*  sondern 

ZEITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE   rilII.OI.OGIK.       BD.  XXXIV.  35 


538  •       PANZER 

nur  dichtung  von  C*  vorliegen.  Und  diese  auffassung  wird  durch  den  inhalt  der 
strophen  bestätigt.  Das  einschieben  des  vollständigen  „  theaterzettels "  ist  ganz  im 
siune  des  C*-dichters,  der  auch  den  eingaDg  der  Klage  in  ähnlichem  sinne  geändert 
hat.  Die  Verteilung  der  hofämter  ist  aus  B*  719  ausgetiftelt,  Dankrat  und  Alzeie 
stammen  aus  der  Klage. 

Für  str.  19,  die  nur  in  J  fehlt,  während  ABkd  sie  überliefern,  ist  ein  innerer 
beweis  der  unechtheit  nicht  zu  erbringen.  Doch  ist  die  Strophe  inhaltsleer  und  steht 
in  Ak  an  widersinniger  stelle,  was  wol  darauf  hinweist,  dass  sie  einmal  am  rande 
nachgetragen  war.  Eigentümlich  ist  das  Verhältnis  bei  den  strophen  20  und  21.  Str.  20 
steht  in  ABdC*,  21  nur  in  A.  Dagegen  bieten  Jk  eine  strophe  mit  den  versen  20, 1.2, 
21,  3.  4  und  dies  muss  das  ursprüngliche  sein.  C*  ersetzte  die  beiden  letzten  verse 
dieser  strophe  mit  ihrem  allgemeinen  und  nichtssagenden  inhalt  duich  20,  3.  4,  um 
die  erwähnung  von  Santen  anzubringen,  die  aus-  B*  653,  4  genommen  ist.  C*  hat 
dieselbe  erwähnung  dieses  ortes  auch  in  den  anfang  der  Klage  eingeschoben;  in  unserer 
strophe  stimmt  die  formulierung  (hu  ivas  xe  Santen  genant  überdies  (auch  im  rhyth- 
mus  mit  seiner  syncope  im  zweiten  tact)  genau  mit  der  form  überein,  die  C*  dem 
verse  653,  4  in  seiner  bearbeitung  gegeben  hatte  {diu  was  geheizen  Santen  B*  v.  4% 
diu  was  ze  Santen  genant  C*  v.  4,J).  Die  C*- strophe  wurde  dann  von  Bd  entlehnt 
und  ebenso  von  «,  der  vorläge  von  A,  die  aber  gleichzeitig  noch  die  echten  schluss- 
verse  von  B*  festhielt.  A  hätte  dann  die  leeren  verse  21, 1.  2  neu  hinzugedichtet,  um 
statt  einer  sechsversigeu  zwei  ganze  strophen  zu  erhalten. 

Eine  etwas  andere  beurteilung  verlangt  die  str.  3,  die,  in  AkJd  —  Di  überliefert, 
in  BC  fehlt.  Sie  muss  in  einer  hs.  von  B*  entstanden  sein  und  daraus  in  andere  B*-hss., 
sowie  in  die  C*-hs.  Di  eingang  gefunden  haben.  Dagegen  stammen  die  lesarten  von 
13,  1.  2,  18,  1.  2  in  Bd  wider  aus  C*,  während  AJk  hier  den  originalen  text  be- 
wahren. 

Von  dieser  ganzen  einleitung  enthielt  also  das  original  nur  die  strophen  2.  4. 
5.  6.  13.  14.  15.  18.  20,  ein  bestand,  der  am  genauesten  durch  .1  widergegeben  wird, 
wo  nur  str.  3,  aber  aus  einer  B*-hs.,  eingeschoben  ist.  d  hat  sich  schon  weiter  vom 
ursprünglichen  entfernt,  indem  es  1.  19.  20  aus  C*  dazu  nahm;  weiter  noch  B,  das 
zwar  1  vermied,  aber  7 — 12.  16.  17.  19.  20  aus  C*  entlehnte.  Am  weitesten  ist  der 
bestand  in  A  vom  originale  entfernt. 

Braunes  kritische  behandlung  der  einleitung  trifft  z.  t.  zusammen  mit  einer 
ähnlichen  erörterung,  die  Zwierzina  diesen  strophen  in  einem  gleichzeitig  erschienenen 
abschnitte  seiner  ,Mhd.  Studien',  Z.  f.  d.  a.  44,  76fgg.,  gewidmet  hat.  Diese  aus- 
führungen,  die  str.  1 — 12  für  unecht  erklären,  werden  durch  Braunes  Untersuchung 
teils  widerlegt,  teils  bestätigt  und  Braunes  aufstellungen  selbst  gewinnen  durch 
die  von  Zwierzina  beigebrachten  beobachtungen  neues  gewicht.  Zwierzinas  einwen- 
dungen  gegen  die  einleitung  treffen  sämtlich  nur  die  von  Braune  als  werk  des  C*- 
dichters  ausgeschiedenen  strophen  1.  7 — 12  mit  ausnähme  von  zweien:  die  fügung 
ein  degen  üxerivelt  4,  3  (=  C*  10,  1.  11,  3)  als  apposition  gesetzt  und  der  concreto 
gebrauch  von  riterschaft  =  ,die  gesamtheit  der  ritter'  kommen  im  echten  texte  sonst 
nicht  vor.  Da  aber  doch  genug  andere  dichter  das  wort  riterschaft  nebeneinander 
abstract  und  concret  gebrauchen,  auch  die  Verbindung  von  degen  mit  dem  attribut 
üxerwelt  dem  echten  texte  keineswegs  fremd  ist,  so  wird  man  nicht  geneigt  sein,  die 
Isoliertheit  des  gebrauchs  an  den  beiden  stellen  für  genügend  zu  erachten,  um  die 
durch  die  Überlieferung  in  keiner  weise  verdächtigten  strophen  auszuscheiden.  Aller- 
dings hat  Zwierzina,  Z.f.d.a.  4."),  396  doch   au  der  möglichkeit  festgehalten,   dass  die 


ÜBER    BRAUNE,    HANDSCHRIFTENVERHÄLTNISSE    DES    NIBELUNGENLIEDES  539 

einleitung  auch  schon  in  J  interpoliert  sein  könne  und  auf  einige  andere  eigentüm- 
lichkeiten  der  str.  4  —  6  und  Übereinstimmungen  mit  C*  hingewiesen.  Ich  glaube  aber 
nicht,  dass  diese  wirklich  beweisend  sein  können.  Zwierzina  selbst  meint,  dass  man 
str.  2  „  schon  des  parallelismus  zu  str.  20"  halber  kaum  werde  entbehren  wollen.  Man 
darf  aber  wol  bestimmter  sagen,  dass  ein  anfang  mit  str.  13  absolut  gegen  den  stil 
unseres  gedichtes  sein  würde,  an  dessen  einheitlichkeit  auch  Zwierzina  nicht  zweifelt, 
auch  str.  4  könnte  in  diesem  sinne  wol  kaum  entbehrt  werden.  Nun  könnte  man 
gegen  str.  2  aber  doch  auch  formelle  bedenken  von  ähnlicher  art  geltend  machen ,  wie 
Zwierzina  sie  gegen  4  —  6  erhebt,  da  z.  b.  die  Verbindung  edel  (schäme  A  ist  offen- 
barer fehler)  magedin  2, 1  sonst  nicht  wider  begegnet,  ebenso  die  fügung  in  allen 
landen  2,  2  in  B*  sonst  nie  vorkommt,  wol  aber  in  einem  unserem  ganz  ähnlichen 
verse  B*  541,  4  ex  enkunde  in  dirre  werlde  ein  böte  be%%er  niht  gesfai,  C*  in  dirre 
werlde  geändert  hat  in  in  allen  landen.  Damit  ist  jedoch  nichts  zu  beweisen.  Es 
mag  ganz  richtig  sein,  dass  in  diesen  einleitungsstrophen,  auch  in  den  echten,  die 
lina'i  tlorj/nfr«  dichter  stehen  als  in  einem  sonstigen  abschnitte  des  liedes,  aber  das 
ist  eine  erscheinung,  die  wol  bei  jedem  gedichte  mehr  oder  weniger  ähnlich  sich  findet, 
indem  hier  eben  der  stil  des  dichters  sich  noch  nicht  befestigt  hat. 

Schroffer  als  für  die  einleitung  stehen  die  gleichzeitigen  erörterungen  von  Braune 
und  Zwierzina  einander  rücksichtlich  der  sog.  plusstrophen  von  B*  gegenüber.  Letzterer 
hat  Z.  f.  d.  a.  44,  67  fgg.  ihre  unechtheit  durch  formale  beobachtungen  darzutun  gesucht, 
während  für  Braunes  auffassung  des  handschriftenverhältnisses  kein  zweifei  bestehen 
kann,  dass  A  in  seiner  isoliertheit  hier  wie  sonst  sekundär  ist,  die  in  frage  stehen- 
den Strophen  also  dem  originale  angehörten  und  von  A  (bez.  a)  einfach  ausgelassen 
sind.  Aber  hier  hatte  Braune  für  seine  meinung  auch  entscheidende  innere  gründe 
ins  feld  führen  können,  da  die  in  A  fehlenden  Strophen  mehrfach  für  den  Zusammen- 
hang unentbehrlich  sind  (oben  s.  532).  Diese  ausführungen  haben  auch  Zwierzina 
z.  t.  überzeugt,  und  er  ist  daher  Z.f.d.a.  45,  393fg.  zu  einem  compromiss  geneigt, 
mit  der  annähme,  dass  zwar  einige  plusstrophen  von  B*  echt  seien,  darum  aber  nicht 
alle  echt  zu  sein  brauchten.  Diesem  Standpunkt  ist  eine  gewisse  principielle  berech- 
tigung  nicht  abzusprechen.  Die  anstösse  sind  mindestens  an  zwei  stellen  (531,  7. 
392,5.  G)  sehr  bedeutend.  Überdies  hat  auch  Braune  die  str.  102 ab,  deren  eine  wegen 
ihres  isolierten  toixze  Krist  von  Zwierzina  angefochten  war,  preisgegeben  und  für 
eine  entlehnung  aus  C*  erklärt.  Allerdings  lag  hier,  anders  als  bei  den  übrigen  plus- 
strophen von  B*,  auch  in  der  handschriftlichen  Überlieferung  ein  anstoss. 

Aber  ich  glaube  wirklich  mit  Zwierzina,  dass  wir  für  die  Überlieferung  des 
Nibelungenliedes  in  noch  ausgedehnterem  masse,  als  Braune  angenommen  hatte,  mit 
der  entlehnung  einzelner  Strophen  aus  einer  anderen  handschrift  als  der  jeweiligen 
vorläge  zu  rechnen  haben.  Nicht  bloss  für  die  einleitung  scheint  diese  annähme  un- 
erlässlich,  sondern  auch  für  den  Strophenbestand  von  Jd*.  Hier  befriedigt  Braunes 
erklärung  nicht  und  ich  halte  Zwierzinas  auffassung  für  wahrscheinlicher,  der  Z.f.d.a. 
45,  396  fgg.,  zu  Bartsch  zurückkehrend,  mischung  annimmt:  d*  entlehnte  die  betr. 
Strophen  aus  C*  und  J,  bez.  die  nächste  vorläge  dieser  hs.  (der  gruppe  J*  können  sie 
überhaupt  nicht  zugewiesen  werden)  entnahm  sie  ihrerseits  aus  einer  d*- handschrift. 
Ich  möchte  dabei  gar  nicht  so  sehr  mit  Zwierzina  betonen,  wie  unwahrscheinlich  es 
sei,  dass  der  C*- dichter  den  Originaltext  dreimal  überarbeitet  haben  und  alle  drei 
Stadien  uns  erhalten  sein  sollten;  man  könnte  hier  beispielsweise  auf  die  entfernt  ähn- 
lichen Verhältnisse  beim  Willehalm  Ulrichs  von  dem  Türlin  verweisen.  Aber  bei 
Braunes  auffassung  bleiben  zwei  tatsachen  höchst  auffällig,  ja  unerklärlich.     Einmal. 

3.0* 


540  PANZER 

dass  die  plusstrophen  von  Jd*=C*  dort  mehrfach  an  anderer  stelle  stehen  als  hier. 
Nun  kommt  ja  eine  Strophenversetzung  in  dieser  oder  jener  hs.  auch  sonst  einmal 
vor;  aber  dass  sie  in  Jd*  gerade  diese  Strophen  betrifft  und  dass  sie  in  den  14  fällen, 
wo  Jd*  plusstrophen  zeigt,  dreimal  vorkommt  und  überdies  858a  in  d  an  zwei  ver- 
schiedenen stellen  erscheint,  das  kann  unmöglich  zufall  sein.  Diese  tatsache  aber 
erklärt  sich  nur  durch  die  annähme,  dass  diese  Strophen  einmal  zu  einem  fertigen 
text  am  rande  nachgetragen  waren  und  so  liegt  hier,  wie  schon  Paul  betont  hat 
(PßB.  3, 487 fg.),  der  stärkste  beweis  für  nachträgliche  mischung  zweier  texte  vor. 
Zweitens  spricht  unbedingt  gegen  Braune,  dass  das  fragment  Q  die  Strophe  910%  die 
es  nach  seiner  auffassung  des  Vorgangs  bei  der  Überlieferung  enthalten  müsste,  nicht 
enthält.  Braune  sieht  sich  hier  gezwungen  (s.  141)  zufälligen  ausfail  in  Q  anzunehmen 
und  verweist,  ihn  zu  erklären,  darauf,  dass  sowol  910  als  910a  mit  Do  anfangen. 
Aber  der  Verfasser  verfällt  hier  in  eine  sünde,  die  er  früher  selbst  abgewehrt  hat; 
s.  63 fg.,  65  hatte  er  gegen  Bartsch  betont,  dass  ein  so  häufiger  strophenanfang  wie 
Do  sprach  oder  gar  Do  nicht  als  argument  citiert  werden  dürfe,  das  eine  auslassung 
wahrscheinlich  machen  könne.  Nun  möchte  immerhin  in  dem,  äusserlich  wenigstens 
sehr  sorgfältig  geschriebenen  Q,  irgend  einmal  eine  stropho  übergangen  sein;  aber  dass 
gerade  diese  Strophe  durch  puren  zufall  ausgefallen  sein  soll,  ist  eine  zu  harte  Zu- 
mutung. 

Ich  glaube  daher  mit  Zwierzina,  dass  hier  vielmehr  an  Bartschens  erklärung 
einer  seeundären  mischung  festzuhalten  ist.  Zwierzina  selbst  hat  betont,  dass  es  bei 
dieser  erklärung  allerdings  auffällig  sei,  dass  gerade  immer  nahe  verwandte  hss.  sich 
auseinander  ergänzt  haben,  erst  d*  aus  C*,  dann  wider  J  oder  deren  vorläge  aus  d*. 
Aber  diese  tatsache  verliert  vielleicht  etwas  an  Sonderbarkeit  durch  den  hinweis,  dass 
gerade  auch  die  hss.  dieses  zweiges  z,  wie  Braune  ihn  nennt,  sich  räumlich  nahe 
waren;  stammen  doch  C  wie  Od  und  J  aus  Tirol,  bez.  Vorarlberg.  Und  dazu  kommt 
noch  ein  innerer  grund,  der,  glaube  ich,  entscheidend  gegen  Braunes  auffassung  und 
für  nachträgliche  entlehnung  der  fraglichen  strophen  aus  C*  spricht. 

Dass  die  20  plusstrophen  Jd*  von  dem  C*-  dichter  verfasst  sein  müssen  und 
und  von  niemandem  sonst,  ist  kein  zweifei;  Braune  selbst  hat  das  nachdrücklich  be- 
tont und  für  einige  fälle  überzeugend  nachgewiesen.  Seine  ansieht  ist  nun,  wie  wir 
wissen  (oben  s.  536)  die,  dass.  der  Überarbeiter  diese  strophen  auf  der  stufe  z  ein- 
gesetzt hätte,  wo  er  den  text  selbst  noch  so  gut  wie  gar  nicht  änderte;  die  strophen 
hätten  also,  dürfen  wir  sagen,  im  originalen  texte  gestanden.  Das  aber  ist  meiner 
ansieht  nach  eine  reine  Unmöglichkeit;  diese  strophen  setzen  vielmehr  unbedingt  den 
text  C*  voraus,  waren  für  einen  denkenden  und  empfindenden  menschen  —  und  das 
war  der  C*- dichter,  wie  jede  zeile  seiner  bearbeitung  beweist  —  nur  in  diesem  texte 
möglich.  Mir  wenigstens  scheint  es  ausgeschlossen,  dass  der  C*- dichter  in  der  zu- 
satzstrophe  1001,  o1  festgestellt  hätte,  dass  Sigfrid  bei  Otenheim  vor  dem  Otenwalde  er- 
mordet wurde,  den  in  z  bewahrten  fehler  des  arehetypus,  wonach  die  jagd  im  Wasken- 
walde  stattfand  (911,  3),  aber  erst  auf  der  stufe  C*  verbessert  hätte  (Braune  s.  198). 
Ich  kann  auch  nicht  glauben ,  dass  dieser  mann  die  strophen  1837,  5  und  1900,  5— 12, 
die  Kriemhild  so  nachdrücklich  und  tendenziös  entschuldigen  und  Hagen  anschwärzen, 
gedichtet  und  eingeschoben,  daneben  aber  alle  stellen  im  originalen  texte,  die  Kriem- 
hild scharf  verurteilen  (wie  etwa  die  in  der  originalen  fassung  so  krasse  str.  1912 
gleich  hinter  jenen  zweiten  plusstrophen)  unangetastet  könnte  gelassen  haben.     Auch 

1)  Ziffern  hier  nach  Bartsch,  wo  man  B*  —  C*  mit  einem  blick  übersieht. 


ÜBER    BRAUNE,    HANDSCHRIFTENVERHÄLTNISSE    DES    NIBELUNGENLIEDES  541 

die  str.  1584,  5—  IG  setzen  doch  wol  den  text  C*  voraus,  der  str.  1585  getilgt  hat; 
denn  tatsächlich  können  1585  und  jene  plusstrophe  (immer  natürlich  für  einen  über- 
legenden mann  wie  der  C*- dichter  war)  nicht  nebeneinander  bestehen.  Für  C:;  lag  der 
anlass  zu  seiner  umdichtung  doch  augenscheinlich  in  der  halb  spöttischen  bemerkung 
des  Originaltextes  1585,  4,  dass  der  ins  wasser  geworfene  kaplan  üf  sinen  f Hexen 
muose  hin  wider  xuo  dem  Rhic  gdn.  Denn  C*  verstand  keinen  spass  (wie  auch  die 
beseitigung  der  harmlosen  scherze  513  — 518.  661.62  beweist),  am  wenigsten  mit  dem 
heiligen;  seine  umdichtung  hebt  den  priester  und  schändet  zugleich  Hagen,  worauf 
der  umarbeiter  consenuent  aus  ist.  Die  beiden  aus  dem  gleichen  geiste  geborenen 
Strophen  1584,  17 — 24  fehlen  in  Jd>:;  wol  nur  zufällig  (vielleicht  weil  sie  auf  den  rand 
der  d*-hs.,  die  sie  zuerst  entlehnte,  nicht  mehr  giengen)  wie  ähnlich  1911,9  —  16, 
wo  die  anspruchsvolle  ankündigung  1911,  5  dax  uil  ich  iu  sagen  wol  schon  mehr 
als  eine  Strophe  erwarten  lässt.  Besonders  deutlich  ist  auch  str.  1261,5,  die  Etzel 
als  apostaten  bezeichnet.  Hier  hat  die  plusstrophe  in  d*J,  die  1262,  3  mit  dem 
originale  lesen  icaz  ob  ir  da%  verdienet  dax  er  toufet  sinen  llj>?.  den  Zusammenhang 
aufs  gröbste  gestört;  sie  war  eben  nur  möglich  in  einem  texte,  der  in  der  folgenden 
str.  mit  C*  änderte:  ir  mugt  ouch  Uhte  eriverben  dax  der  fürste  guot  ivider  ze  gote 
wendet  beide  sele  unde  muot.  Das  Verhältnis  tritt  nicht  überall  so  deutlich  heraus 
wie  in  den  angeführten  str.,  doch  werden  auch  813,  5—12  verständlicher  beim  texte 
0*,  der  auch  725,3.  823,4.  824,4  immer  vom  xins  redet,  während  er  im  originale 
nur  825,  3  erwähnt  war;  auch  für  915,  5  möchte  man  lieber  den  text  C*  voraussetzen, 
der  926,  4  getilgt  hatte,  was  in  dieser  plusstrophe  ausführlicher  gesagt  wird.  Das- 
selbe gilt  für  die  str.  1898,5 — 12,  die  Etzels  bereitwüligkeit.  die  gaste  gegen  seine 
eigenen  leute  zu  schützen,  ganz  im  sinne  des  C*-dichters  so  lebhaft  betonen.  Die 
schneidige  drohung  siver  aber  niinen  gesten  tuot  deheiniu  leit,  ex  get  im  an  sin 
honbei :  da\  st  iu  Hiunen  geseit  1898,  11  muss  doch  wol  in  einem  atem  gedichtet 
sein  mit  C*  1896,2,  wo  die  sanfte  missbilligung,  die  Etzel  im  originale  ausspricht  (ob 
ir  hie  bi  mir  slüeget  disen  spileman.  dax  wäre  missetän)  so  schneidig  geändert  ist 
in:  ich  hicx  iueh  alle  haben,  dem  wider  das  nachdrückliche  dax  teil  ich  iu  sagen 
folgt  wie  1898,  12.  Alles  in  allem  also:  ich  kann  mir  denken,  dass  ein  abschreiber, 
der  ein  möglichst  vollständiges  exemplar  haben  wollte,  diese  Strophen  aus  einem 
C*-text  einem  d*J-text  beischrieb,  aber  ich  kann  mir  unmöglich  vorstellen,  dass  ein 
denkender  bearbeiter,  wie  der  C*- dichter,  einen  solchen  text  durch  zudichtung  dieser 
Strophen  so  inconsequent  und  grob  hätte  entstellen  können. 

Dies  ergebnis  müsste  bedenklich  erscheinen,  wenn  sich  etwa  aus  den  lesarten 
eine  bestätigung  für  Braunes  auffassung  ergäbe,  nach  der  z  =  Jd*,  zt  =  J*,  endlich  C*  als 
drei  aufeinander  folgende,  vom  selben  manne  bewirkte  stufen  der  C* - bearbeituug  zu 
betrachten  sind.  Allein  so  sicher  die  entwicklung  des  textes  Jd*  >  J:;:  >  C*  feststeht, 
so  lässt  sich  aus  dem  fortschreiten  der  lesarten  doch  nirgends  ein  beweisendes  moment 
dafür  auftreiben,  dass  diese  Weiterbildung  der  lesarten  gerade  der  tätigkeit  des  C;- 
dichters  zugeschrieben  werden  müsste.  Denn  wenn  dies  richtig  wäre,  so  müssten 
dabei  doch  ganz  notwendig  die  für  0*  charakteristischen  tendenzen  hier  ebenso  deut- 
lich hervortreten,  wie  in  den  plusstrophen  von  d*J.  Aber  nichts  dergleichen  ist  der 
fall.  Die  berühmte  str.  193  2  (A  1849)  ist  hierfür  sehr  charakteristisch.  Wenn  es 
hier  in  ADbBd  heisst  Do  der  strit  niht  anders  künde  sin  erhaben  (Kriemhilde  leit 
dax  alte  in  ir  herzen  ivas  begraben),  do  hiex  si  tragen  xe  tische  den  Etzelen  snn. 
wie  künde  ein  icip  durch  räche  immer  vreislicher  tuon?,  in  C*  aber  diese  str.  ver- 
ändert ist  in:   Do  die  fiirstcn  gesexxen  uären  über  al  unt  nu  begunden  cxxen,   do 


542  BERNHARDT 

wart  in  den  sal  getragen  xuo  den  fürsten  dax  Etxelen  kint.  da  von  der  künec 
riehe  gewan  vil  starken  jämer  sint,  so  ist  vollkommen  deutlich,  dass  die  lesart  von 
J*:  Do  die  fürsten  alle  gesdxen  über  al  und  exxen  begunden,  Kriemhilt  hiex  in 
den  sal  tragen  dar  xe  tiselie  den  Etxelen  stm.  wie  moht  ein  ivtp  durch  räche 
immer  vreisllcher  tuon?  in  der  mitte  steht  zwischen  ADbBd  und  C*  und  der  schluss 
ist  unabweislich ,  dass  der  text  C*  aus  dem  texte  J*  entstanden  ist.  Aber  muss  mau 
deshalb  auch  schliessen,  dass  von  demselben  manne,  der  J*  in  C*  umgebildet  hat, 
auch  der  text  ADbB  =  d*  in  J*  umgebildet  wurde?  Ich  denke  doch,  die  stelle  be- 
weist stringent  das  gegenteil.  Die  tendenz  der  Umbildung  J*  >  C;;  war  deutlich  die- 
selbe, die  ein  paar  verse  vorher  die  plusstrophen  1900ab  eingeschoben  hatte:  Kriemhild 
zu  entschuldigen.  Hiervon  zeigt  sich  aber  bei  der  Umbildung  d*  >  J*  keine  spur; 
der  furchtbare  Vorwurf,  dass  die  mutter  mit  kalter  berechnung  das  blut  des  eigenen 
kindes  benutzt  habe,  um  nur  endlich  den  ausbrach  des  rächenden  kampfes  herbei- 
zuführen, wird  auch  in  der  fassung  J*  mit  aller  schärfe  gegen  Kriemhild  erhoben.  Nun 
sind  in  J*  aber  doch  die  beiden  ersten  verse  der  str.  ganz  umgedichtet  und  da  sollen 
wir  es  wirklich  für  möglich  halten,  dass  der  C*- dichter  diese  gründliche  aber  rein 
formale  Umarbeitung  der  strophe  bewerkstelligt  und  gar  nichts  getan  hätte,  die  furcht- 
bare anschuldigung  zu  mildern,  nachdem  er  ein  paar  zeilen  vorher  eigens  eine  strophe 
eingeschoben  hatte,  um  Kriemhilds  vorgehen  im  mildesten  lichte  erscheinen  zulassen? 
Ich  glaube,  hier  liegt  wirklich  ein  zwingender  beweis  vor,  dass  der  text  d*  nicht  von 
demselben  manne  zu  J*  umgearbeitet  sein  kann,  der  C;:  aus  J*  gemacht  hat,  dass 
also  auch  die  vom  C::- dichter  verfassten  plusstrophen  in  .1  und  d*  erst  aus  C*  in 
diese  handschriften  eingefügt  sein  können. 

Im  ganzen  ist  diese  frage  aber  nebensächlicher  natur.  Die  hauptergebnisse  von 
DrauDes  Untersuchung  werden  dadurch  kaum  berührt;  auch  der  aufgestellte  Stamm- 
baum bleibt  bestehen,  wenn  auch  der  eine  zweig  einer  etwas  veränderten  interpretation 
bedarf.  Wir  scheiden  von  dem  buche  dankbar  für  die  entscheidende  förderung,  die 
der  beurteilung  dieser  weitverzweigten  Überlieferung  hier  zu  teil  geworden  ist  und 
knüpfen  daran  den  wünsch,  der  verf.  möchte  die  neu  gewonnene  einsieht  bald  zu 
einer  neuen  ausgäbe  des  liedes  verwenden.  Denn  dies  denkmal  hat  vor  allen  anderen 
ein  recht  darauf ,  der  nation  in  der  reinsten  gestalt  geboten  zu  werden,  die  der  gegen- 
wärtige stand  der  Wissenschaft  zu  erkennen  vermag. 

FREIBURG   I.  B.  FRIEDRICH   PANZER. 


Johanna  Maria  Nassau  Noordewier,   Bijdrage   tot   de   beordeeling  van  den 
Willehalm.     Delft  1901. 

Die  Verfasserin  hat  durch  diese  schrift  den  doctorgrad  ,in  de  Nederlandsche 
letterkunde"  an  der  Universität  zu  Groningen  erworben.  Sie  bestreitet  vielfach  die 
viiii  mir  in  der  abhandlung  „Zu  Wolframs  Willehalm  "  im  XXXII.  bände  dieser  Zeit- 
schrift s.  38fgg.  aufgestellten  behauptungen J ;  aber  ich  stehe  nicht  an  auszusprechen, 
dass  ihre  arbeit  durch  fleiss  und  Scharfsinn  anerkennung  verdient  und  die  den  Wille- 
halm Wolframs  betreffende  forschung  gefördert  hat. 

Drei  fragen  werden  darin  besprochen:  1.  Hat  Wolfram  bei  abfassung  des  Wille- 
lialin  ausser  Aliscans  noch  andere  gedichte  aus  dem  cyclus  Guillaume  d'Orange  ge- 
kannt und  benutzt?     2.  Müssen  wir  annehmen,   dass  Wolframs  französische  vorläge 

1)  Ich  bezeichne  diese  meine  abhandlung,  wo  ich  sie  citiere,  mit  Bh. 


ÜBER    N00RDEW1ER,    WILLEHALM  543 

eine  von  den  uns  erhaltenen  verschiedene  redaction  von  Aliscans  war?  3.  Hat  Wolfram 
den  Willehalm  vollendet? 

Der  wertvollste  teil  der  abhandlung  scheint  mir  der  zweite,  den  ich  zuerst  be- 
spreche; vielleicht  hätte  die  Verfasserin  wol  getan  diesen  an  die  spitze  zu  stellen; 
die  heweisführung  des  ersten  würde  dadurch  an  Wahrscheinlichkeit  gewonnen  haben. 
Im  zweiten  teile  will  sie  beweisen,  dass  Wolfram  an  gewissen  stellen,  wo  er  von 
Aliscans  abweicht,  mit  den  Storie  Nerbonesi,  einer  italienischen  erzählung  des  14. 
Jahrhunderts,  häufiger  mit  einem  französischen  roman  in  prosa  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert (Bibliotheque  nationale  in  Paris,  mscr.  1497),  den  ich  wie  die  Verfasserin 
mit  P  bezeichnen  will,  zusammengeht1.  Beide  erzählungen  beruhen  nach  ausdrück- 
licher Versicherung  der  Verfasser  auf  alten  gedichten;  aus  Wolfram  können  sie  nicht 
geschöpft  haben;  es  ist  also  zu  schliessen,  dass  ihnen  sowol  wie  Wolfram  Aliscans 
in  einer  von  den  uns  erhaltenen  mehrfach  abweichenden  fassung  vorlag.  Es  empfiehlt 
sich  hier  die  stellen  aufzuzählen,   die  die  Verfasserin  ihrem  beweise  zu  gründe  legt. 

Nicht  alles  freilich,  was  sie  anführt,  ist  gleich  beweiskräftig.  Zwischen  Gyburgs 
kriegslist  (Wh.  111,15.  230,6),  die  bei  der  belagerung  von  Oransche  tote  bewaffnet 
auf  die  mauer  stellt,  um  die  feinde  über  die  zahl  der  Verteidiger  zu  täuschen,  und 
der  Willehalms,  der  in  den  Storie  Nerbonesi  rüstungen  mit  erde  füllt  und  auf  der 
mauer  hin  und  her  schiebt,  ist  doch  recht  geringe  ähnlichkeit,  ganz  abgesehen  von 
der  Verschiedenheit  der  handelnden  personen;  dagegen  sollen  sich  genauer  entsprechende 
erzählungen  in  Siege  de  Barbastre  und  in  Ogier  le  Danois  finden  (Bijdr.  s.  36).  Be- 
deutsamer ist,  dass  bei  Wolfram  Willehalm  den  gefangenen  Matribleiz  beauftragt  die 
leichen  der  gefallenen  heidnischen  könige  einbalsamiert  zu  Terramer  zu  bringen, 
(465,  17)  von  der  toufbeeren  erden,  da  man  si  schone  nach  ir  e  bestate,  und  dass 
die  Storie  Nerbonesi  berichten,  die  meisten  leichen  der  heiden  seien  verbrannt,  aber 
die  der  brüder  Eennewarts  ehrenvoll  nach  heidnischer  sitte  bestattet  worden :  secondo 
ü  modo  barbaro  messt  in  rieche  sepolture2.  Dass  Willehalm  bei  Wolfram  einen 
goldenen  stern  in  blauem  felde  im  wappen  führt,  und  nach  dem  Italiener  blau  und 
gold  seine  wappenfarben  sind,  ist  die  Verfasserin  (s.  41)  selbst  geneigt  dem  zufall  zu- 
zuschreiben. 

Wichtiger  und  zahlreicher  sind  Wolframs  anklänge  an  P: 

1.  Dem  sterbenden  Vivianz  verheisst  auf  sein  gebet  der  engel  Kerubin,  dass 
er  seinen  oheim  noch  einmal  sehen  werde  (Wh.  49, 14,  vgl.  65,6.  18);  in  P  tut  das- 
selbe eine  stimme  vom  himmel.  In  Aliscans  (400  Guessard)  betet  Vivianz  nur  um 
beistand  für  seinen  oheim;  eine  handschrift,  Jonckbloets  A,  Guessards  c,  weiss  von 
der  erscheinung  eines  engeis;  doch  dieser  erteilt  dem  sterbenden  nur  den  mangelhaften 
trost,  Willehalm  nahe  heran,  er  aber,  Vivianz,  werde  ihn  nicht  mehr  sehen,  was 
nachher  doch  geschieht  (s.  862). 

2.  In  Alisc.  (1912)  ist  es  Gyburg,  die  ihren  gatten  auffordert  in  Frankreich 
hilfe  zu  suchen;  bei  Wolfram  (95, 16fgg.)  und  in  P  geht  der  Vorschlag  von  Wille- 
halm aus. 

1)  Die  Verfasserin  hat  die  handschrift  eingesehen.  Einzelne  abschnitte  daraus 
sind  abgedruckt  bei  L.  Gautier,  Les  epopees  francaises,  2.  aufläge,  band  IV.  Vgl.  die 
dissertation  von  Job.  Weiske,  Die  quellen  des  altfrauzösischen  prosaromans  von  Guillaume 
d'Orange,  Halle  1898,  s.  79. 

2)  Diese  toten  werden  im  Wh.  462,  26  als  Gyburge  mäye,  464,  4.  18.  467,  7 
als  künege  bezeichnet;  beides  fällt  bei  Wolfram  so  ziemlich  zusammen,  denn  von 
namhaften  heidnischen  fürsten  steht  nur  Poydwiz  ausserhalb  der  Verwandtschaft  mit 
Terramer.     S.  Bh.  s.  44. 


544  BERNHARDT 

3.  Auf  dem  wege  nach  Orleans  übernachtet  nach  Alisc.  2075  Willehalm  nirgend 
{Um!  va  li  quens  par  plains  et  par  boseage  que  wie  nuit  ne  prist  il  herbergaje) ; 
dagegen  sagt  Wolfram  (112,3),  er  habe  die  zahl  der  tage,  die  der  markgraf  zu  seinem 
ritt  brauchte,  nicht  vernommen,  und  ebenso  redet  P  von  mehreren  tagen,  desquclles 
I' istoire  ne  fait  pour  cause  de  la  mattere  abregier  nulle  mention. 

4.  In  Orleans  verlangt  nach  Alisc.  2088  der  burggraf  (castelains)  von  Willehahn 
auskunft,  wer  er  sei;  nachdem  er  erschlagen  ist,  findet  ein  auflauf  des  volkes  statt; 
bei  Wolfram  und  in  P  verlangt  der  beamte  von  Willehalm  zoll;  Wolfram  bezeichnet 
ihn  als  rihtcere  (113,  10),  dem  daz  geleite  benant  ist  (112,24).  Er  ruft  die  comune 
zusammen. 

5.  Arnalt  kommt  in  Aliscans  2153  zufällig  vom  könige  nach  Orleans  und  er- 
fährt da  von  dem  streit  Willehalms  mit  den  bürgern  von  Orleans;  bei  Wolfram  (115,  7) 
und  in  P  ist  er  in  Orleans  zu  hause,  allerdings  mit  dem  unterschiede,  dass  P  Wille- 
halm bei  seinem  bruder  übernachten  lässt  (doch  wol  nach  dem  kämpfe  und  der  er- 
kennung),  wovon  Wolfram  nichts  meldet;  hier  wird  er  von  Arnalt  vergeblich  zur 
um-  und  einkehr  eingeladen. 

6.  Wolfram  berichtet  ausführlich  (215  fgg.)  über  eine  Unterredung  zwischen 
Gyburg  und  Terramer,  worin  dieser  seine  nie  erloschene  väterliche  liebe  beteuert 
und  ihr  zuredet  zu  ihrem  alten  glauben  und  dem  verlassenen  gatten  zurückzukehren, 
jene  ihren  vater  von  der  Wahrheit  des  christlichen  glaubens  zu  überzeugen  sucht; 
hiervon  hat  Alisc.  nichts,  aber  P  enthält  ein  solches  Zwiegespräch,  kürzer  freilich  und 
dürftiger  als  das  Wolframs,  und  es  endet  mit  gegenseitiger  Verfluchung,  s.  Weiske 
a.  a.  o.  s.  69. 

7.  Über  Renuewart  und  seine  gewaltige  stange  wundern  sich  bei  Wolfram 
(269,22)  Burgunjoys,  Bertüri,  Flaminc,  Engeloys,  Brabant,  Fran%eys;  an  der  ent- 
sprechenden stelle  hat  auch  P  vier  von  diesen  volksnamen ,  Alisc.  nicht. 

Mehrere  von  diesen  stellen,  die  ehrenvolle  bestattung  der  heidnischen  könige, 
die  Verabredung  zwischen  Willehalm  und  Gyburg,  das  gespräch  Terramers  mit  Gyburg, 
gehören  zu  denen,  die  man  der  eigenartigen  erfinduog  Wolframs  zurechnete.  Die 
Verfasserin  bemerkt  s.  58,  dass  man  nunmehr  darin  vorsichtiger  sein  müsse  und  nicht 
ohne  weiteres  alle  abweichungen  Wolframs  von  den  uns  erhaltenen  handschriften  der 
französischen  gedichte  dem  deutschen  dichter  als  selbständige  erfiuduug  zuschreiben 
dürfe.  Es  ist  wol  möglich,  dass  auch  die  von  mir  s.  56  erwähnten  „rätsei  und  frage- 
zeichen",  betreffend  die  steinsärge  auf  Aliscans,  den  kastanienwald  mit  Weinreben, 
den  Juden  von  Narbon,  das  zeit  Terramers  mit  den  einbalsamierten  leichen  und 
auderes  sich  ohne  weiteres  erklären  Avürden,  wenn  wir  Wolframs  vorläge  vergleichen 
könnten. 

Auf  der  anderen  seite  scheint  mir  die  Verfasserin  auf  s.  52  in  den  folgerungen 
aus  ihrer  entdeckung  etwas  zu  weit  zu  gehen.  Wolframs  vorläge  kann  doch  wol 
nichts  anderes  gewesen  sein,  als  eine  'chanson  de  geste',  also  mit  denjenigen  unvoll- 
kommenheiten  der  form,  die  nach  meiner  annähme  (s.  40)  Wolfram  beseitigte,  den 
widerholuugen  und  Widersprüchen  der  'laisses  similaires?  usw.1  Auch  der  geist 
religiöser  duldsamkeit  den  Sarazenen  gegenüber,  das  lob  ihrer  ritterlichen  gesinnuug, 
ihr  minnedienst,  die  Umgestaltung  Rennewarts  in  einen  zweiten  Parzival  werden  nach 

1)  Vgl.  über  die  form  dieser  gedichte  Suchiers  jüngst  erschienene  Französische 
literaturgeschichte  s.  22,  und  über  Wolframs  behandlung  des  sagenstoffs  die  Geschichte 
der  deutschen  literatur  von  Vogt  und  Koch  s.  119  fgg. 


DBKR    NOOHDEWIRK.    WILLEHALM  545 

^ ie  vor  als  Wolframs  eigentum  anzusehen  sein.  "Wie  wäre  es  denkbar,  dass  in  der 
redaction,  die  Wolfram  vorlag,  eine  andere  religiöse  und  nationale  gesinnung  sollte 
geherrscht  haben,  als  in  den  uns  erhaltenen  fassungen? 

Es  lag  nahe,  für  die  forschuug  nach  Wolframs  vorläge  diejenigen  stellen  heran- 
zuziehen, an  denen  er  sich  auf  seine  quelle,  die  ärentiure  oder  das  meere,  ausdrück- 
lich beruft,  wie  es  Heinzel,  Über  Wolframs  von  Eschenbach  Parzival  (Sitzungsberichte 
der  kaiserlichen  akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  bd.  CXXX,  s.  2fgg.)  für  den 
Parzival  getan  hat.  Dies  hat  die  Verfasserin  unterlassen,  und  ich  glaube,  es  ist  damit 
nicht  viel  verloren.     Es  sei  mir  gestattet  diese  stellen  kurz  zu  besprechen. 

Nicht  selten  liegt  Übereinstimmung  mit  Aliscans  vor;  so  bei  dem  kuss,  den 
Alyze  dem  scheidenden  Kennewart  gibt  Wh.  213, 13  und  Alisc.  3912,  bei  dem  namen 
von  Synagüns  ross  Wh.  368,  21  und  Jonckbloet  zu  Alisc.  6301 ;  nach  425,  25  sind 
halsbergo  und  heim  könig  Purreis  aus  Schlangenhäuten  gefertigt,  und  auch  in  Alisc. 
5096  werden  fabelhafte  tiere  genannt,  deren  haut  dazu  verwandt  sein  soll;  freilich 
weisen  die  erste  und  dritte  stelle  doch  auch  wider  bedeutsame  abweichungen  vom 
französischen  text  auf.  Mit  Wolframs  angäbe  von  der  unzähligen  menge  der  heid- 
nischen zelte  (16,  20)  lassen  sich  stellen  wie  Alisc.  26  und  sonst  vergleichen;  mit  37,  3 
(icir  hoeren  von  slm  [Terramers]  poynder  sagen,  es  mähten  starke  reise  tragen), 
Alisc.  48  (tel  noise  mainent,  la  terre  en  fönt  fremir).  ßennewarts  starkes  essen 
und  trinken  (275,  6)  schildert  auch  Alisc.  4300,  freilich  ohne  Wolframs  scherzhafte 
vergleichung  mit  den  zehn  bienen.  Die  bedrängnis,  die  durch  Purreis  eingreifen  in 
den  kämpf  über  die  Franzosen  kommt  (425,  20),  beschreibt  auch  Alisc.  6000fgg.  Auch 
361,  2  weist  nicht  auf  eine  von  Aliscans  verschiedene  quelle  hin.  Zweifelhaft  ist  die 
ähnlichkeit  zwischen  129,  16  und  Alisc.  2321;  das  gleichnis  vom  wolf  ist  gewiss 
Wolframs  eigentum;  Aliscans  hat  dagegen  plus  le  redoutent  que  l'aloe  faucon. 

An  vielen  anderen  stellen  ist  die  berufung  auf  die  äventncre  oder  Überlieferung 
nichts  als  eine  versfüllende  redensart.  Wolfram  nennt  einen  heidnischen  fürsten 
Eskalibön,  den  er  in  der  ersten  schlacht  durch  Vivianz  töten  lässt  (46, 19);  in  der 
zweiten  wollen  ihn  die  seinen  rächen:  363,  14  der  wart  mit  maneger  tjoste  geldagt 
und  ouch  mit  swerten,  als  man  sagt;  der  dichter  beruft  sich  also  auf  die  Über- 
lieferung; keine  französische  quelle  kennt  einen  fürsten  dieses  namens,  wol  aber  den 
volksnamen  Esclaron  (Alisc.  359.  5585.  7117),  woraus  Wolfram  den  namen  ent- 
nommen hat.  Da,  wo  Wolfram  unter  berufung  auf  die  äventiure  von  dem  minne- 
dienst der  heidnischen  fürsten.  von  waffen  und  kleidern,  die  ihnen  ihre  freundinnen 
geschenkt  haben  sollen,  und  von  ihren  ritterlichen  fugenden  redet,  hat  ihm  sicher 
nichts  ähnliches  im  französischen  vorgelegen,  vgl.  27,  2.  55, 10.  371, 18.  387,  4.  389,  23. 
Ebenso  willkürlich  scheint  mir  solche  berufung  45,  26 :  man  hört  an  Halxibiere, 
swax  iemen  tet,  er  ivold  et  klagen  Pinel,  der  da  uas  erslagen.  Pinel  heisst  Halzi- 
biers  neve;  weder  von  dieser  Verwandtschaft  noch  von  Halzibiers  klage  ist  in  den  er- 
haltenen französischen  handschriften  irgendwo  die  rede.  Nicht  anders  steht  es  mit 
437,10:  nachdem  Terramer  und  seine  fürsten  die  flucht  ergriffen  haben,  heisst  es 
weiter:  man  swuor  dö  bt  ir  hulden  niht,  als  uns  dix  meere  dannen  giht.  Auch 
Willehalms  schonendes  verfahren  gegen  seinen  Stiefsohn  Ehmereiz  dürfte,  trotz  der 
berufung  auf  das  meere  (74,30),  auf  Wolframs  erfiudung  beruhen,  vgl.  Alisc.  1047 fgg. 
Doch  ist  immerhin  denkbar,  dass  Wolframs  vorläge  hierin  von  der  uns  erhaltenen 
französischen  Überlieferung  abwich.  Dies  halte  ich  für  wahrscheinlich  bei  112,  6; 
Willehalm  kommt  nach  Orleans:  sin  herberge  ist  mir  gesagt,  dax  er  die  sehoenen 
stat  vermeil  und  eine  smeehe  gaxxen  reit,  vor  dem  graben  in  ein  hiuselm;  in  dem 


546  BERNHARD! 

bericht  über  die  ereignisso  in  Orleans  stimmt  ja,  wie  oben  erwähnt  ward,  Wolfram 
einigermassen  mit  P  überein  und  weicht  ab  von  den  erhaltenen  französischen  hand- 
schriften.  Mit  302,  1  hat  es  besondere  bewandtnis;  die  vor  der  zweiten  schlacht 
schmählich  entweichenden  französischen  fürsten  werden  nicht  genannt;  der  dis  även- 
tiur  bescheiden  hat,  der  tuot  in  kirnt  durch  icaz  man  lät  dax  die  fürsten  niht 
sint  benant  die  der  reemesch  künce  dar  hat  gesant.  wart  etslich  wider  wanden, 
die  ir  fürstie  schänden;  mit  den  worten  der  dis  dventiur  bescheiden  hat  meint 
Wolfram  wol  sich  selbst,  und  nach  gesant  stünde  richtiger  ein  kolon. 

Es  dürfte  hiernach  erwiesen  sein,  dass  diese  stellen,  die  ich  vollständig  auf- 
gezählt zu  haben  glaube,  für  die  frage  nach  "Wolframs  vorläge  wenig  ergeben;  man 
kann  nie  wissen,  ob  die  berufung  auf  die  Überlieferung  ernsthaft  gemeint  ist. 

Der  erste  teil  der  Bijdrage  beschäftigt  sich,  wie  oben  gesagt  ward,  mit  der 
frage,  ob  Wolfrain,  neben  Aliscans,  andere  zweige  der  geste  Guillaume  gekannt  und 
benutzt  habe;  diese  frage  wird  verneint,  die  entgegengesetzte  von  San-Marte  (über 
Wolframs  von  Eschenbach  rittergedicht  Wilhelm  von  Orange  s.  29.  39.  63.  83)  und 
mir  (Bh  s.  51  fgg.)  verfochtene  behauptung,  dass  er  mit  Guibers  d'Andrenas,  Charrois 
de  Nimes,  Covenans  Vivien  bekannt  gewesen  sei  und  einzelne  züge,  auch  namen. 
daraus  entnommen  habe,  wird  bestritten.  Durch  eingehende  vergleichung  der  be- 
treffenden stellen  im  Willehalm  mit  den  von  San-Marte  und  mir  angezogenen  in 
jenen  französischen  gedichten  sucht  die  Verfasserin  nachzuweisen,  dass  in  keinem 
falle  reminiscenz  und  entlehnuug  anzunehmen  sei;  sie  vermutet,  Wolfram  habe,  was 
von  Aliscans  abweicht  und  an  jene  gedichte  anklingt,  in  seiner  vorläge  gefunden; 
nur  in  bezug  auf  5, 16  fgg.,  die  enterbung  der  söhne  Heimrichs  zu  gunsten  des  paten, 
spricht  sie  eine  solche  Vermutung  nicht  aus,  s.  unten.  Ehe  ich  auf  einige  einzelheiten 
eingehe,  bemerke  ich  folgendes1: 

1.  Da  die  Verfasserin  bewiesen  hat,  dass  Wolframs  vorläge  sich  mit  keiner  der 
erhaltenen  fassungen  von  Aliscans  ganz  deckte,  so  ist  die  möglichkeit  nicht  zu 
bestreiten,  dass  aus  dieser  vorläge  entnommen  ist,  was  San-Marte  und  ich  aus 
erinnerung  des  dichters  an  andere  zweige  der  Geste  Guillaume  herleiteten.  Aber 
dieser  möglichkeit  steht  doch  die  andere  gegenüber,  dass  die  handschrift  Wolframs, 
wie  fast  alle  uns  erhaltenen  (Bh.  s.  51),  nicht  Aliscans  allein,  sondern  auch  andere 
gedichte  des  kreises  enthielt,  und  dass  diese  dem  dichter  nicht  unbekannt  blieben. 

2.  Wolfram  verfährt  mit  den  aus  auderen  gedichten  entlehnten  zügen  und 
reminiscenzen  sehr  eigenmächtig,  sei  es  infolge  verdunkelter  erinnerung,  sei  es  infolge 
der  freiheit,  mit  der  er  überhaupt  seinen  stoff  behandelt.  Man  sehe,  wie  er  Wh. 
286, 19  mit  Walthers  Spruch  vom  braten  (Lachmann  17, 11)  umspringt.  Im  Parzival 
481,  30  erzählt  Trevrizent  von  den  bemühungen  zur  heilung  des  Anfortas:  do  gc- 
wunne  wir  daz  selbe  ris  dar  üf  Sibille  jach  Eneas  für  hellesch  ungemach  und 
für  den  Flegetönen  roueh,  für  d' ander  flüxx  drin  fliezent  ouch;  aber  bei  Heinrich 
von  Veldeke  (Ettmüller  88,  28)  dient  wider  den  helleschen  stanc  und  roueh  nicht  das 
reis,  sondern  ein  kraut,   das  Sibille   und  Eneas  essen;    durch  das  reis  bewegen  sie 

1)  Ich  gebe  der  Verfasserin  zu,  dass  die  von  San-Marte  und  mir  (s.  53)  aus- 
gesprochene Vermutung,  91,24  enthalte  eine  beziehung  auf  Charrois  199  zur  erklärung 
nicht  notwendig  ist.  Beiläufig  bemerke  ich  gegen  die  Verfasserin  s.  17  amn.  1 :  es  war 
mir  wol  bekannt,  dass  die  mäse  ob  der  nasen  dem  französischen  boce  sor  le  nex  in 
Aliscans  entspricht;  dies  steht  aber  eben  in  Widerspruch  mit  dem  beinamen  ehkurneis  = 
an  cort  nex,  der  doch  nur  vom  Verluste  der  nasenspitze  verstanden  werden  kann. 


ÜBER    NOORDBWIER,    WILLEHALM  547 

Charon  zur  überfahrt.  Dem  Heinrich  von  Veldeke  wirft  Wolfram  (Pz.  292, 18)  vor, 
er  habe  zwar  angegeben,  wie  man  minne  erwerbe,  aber  nicht,  wie  man  sie  erhalte; 
dies  bezieht  sich  doch  wol  auf  das  berühmte  gespräch  zwischen  Lavinia  und  ihrer 
mutter,  wo  aber  vom  erwerben  der  minne  nicht  die  rede  ist,  sondern  von  den  kenn- 
zeichen  ihres  Vorhandenseins.  Man  vergleiche  auch  Pz.  420,  26  mit  der  rede  Rumolts 
im  Nibelungenliede  (handschrift  C,  in  Zarnckes  ausgäbe  s.  224, 1).  Ob  sich  bei  Nithart 
etwas  findet,  das  der  anspielung  im  Wh.  312,  4  genau  entspricht,  weiss  ich  nicht, 
Im  Wh.  125,  20  wird  Cristjäns  getadelt,  weil  er  dem  markgrafen  bei  seinem  erscheinen 
in  Munleun  ein  alten  tyrmt  anlege,  während  er  doch  die  kostbare  rüstung  und  kleidung 
Arofels  trug.  Ich  kann  mir  nicht  anders  denken,  als  dass  Wolfram  Cristjäns  (Chrestien 
von  Troyes)  freilich  wol  irrtümlich,  für  den  dichter  seiner  französischen  vorläge  hielt, 
und  ich  glaube,  dieser  annähme  steht  nicht  im  wege,  dass  Alisc.  2343  nicht  von 
tyrriit,  sondern  von  un  mavais  siglaton  fmhd.  xiklät)  redet. 

Bei  solchem  verfahren  darf  man  sich  nicht  wundern,  wenn  die  reminiscenzen 
aus  Guibers  d'Andrenas,  Charrois  de  Nimes,  Covenans  Yivien  von  ihren  quellen  iu 
manchen  dingen  abweichen ;  stimmen  hervorragende  und  bedeutsame  züge  überein ,  so 
sind  daneben  bestehende  Verschiedenheiten  kein  beweis  dafür,  dass  Wolfram  die  be- 
treffenden stellen  nicht  gekannt  und  in  seiner  art  verwertet  hätte. 

3.  Mit  drei  stellen,  die  mir  erinnening  an  Charrois  zu  enthalten  schienen,  hat 
es  eine  besondere  bewandtnis;  sie  finden  sich  in  einem  abschnitt  (Wh.  298  bis  310), 
den  AVolfram  selbständig  zugedichtet  haben  muss.  Auf  Glorjet  wird  vor  dem  auf- 
bruch  zur  zweiten  Schlacht  eine  art  von  kriegsrat  gehalten;  die  Verhandlung  beginnt 
mit  einer  rede  Willehalms  und  endet  mit  einer  höchst  merkwürdigen  anspräche 
Gyburgs:  nicht  alle  heiden  seien  zur  Verdammnis  bestimmt,  heiden  seien  vor  der 
taufe  auch  alle  christenkinder,  und  die  heiden  überhaupt  seien  auch  Gottes  hantgeteit; 
somit  mahnt  sie  die  Christen  im  falle  des  sieges  barmherzig  mit  den  feinden  zu  ver- 
fahren. Solche  gedauken  religiöser  duldung  wird  man  in  keiner  chanson  de  geste 
finden;  sie  sind  Wolframs  eigentum.  Der  ganze  abschnitt  hat  in  den  erhaltenen  hand- 
schriften  von  Aliscans  nichts  entsprechendes,  ebenso  wenig,  so  viel  ich  sehe,  in  den 
Storie  Nerbonesi  oder  im  prosaroman.  Wenn  nun  also  Wolfram  den  inhalt  dieses 
abschnitts,  so  viel  zu  erkennen  ist,  nicht  aus  seiner  französischen  vorläge  entnahm, 
so  ist  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  zu  schliessen,  dass  die  unzweifelhaften  anklänge 
an  Charrois  aus  seiner  kenntnis  dieses  gedichts  entsprangen.  Es  handelt  sich  um 
drei,  richtiger  gesagt,  zwei  stellen  in  Willehalms  rede:  297,  14.  298,  11.  298,  14. 
Was  298, 11  (des  ha/n  ich  siben  ja/r  gebiten)  betrifft,  wo  ich  einfluss  von  Charrois  586 
zu  erkennen  glaubte,  so  gebe  ich  der  Verfasserin  (s.  19fgg.)  zu,  dass  die  betreffenden 
worte  sich  auch  ohne  solche  annähme  erklären  lassen.  Dagegen  weist  298,  14  ich 
was  so  lange  ein  koufman,  unx  ich  Nimes  geican,  die  guoten  stat,  mit  wagen  be- 
stimmt auf  die  erzählung  in  Charrois  hin,  wie  Willehalm,  sich  für  einen  kaufmann 
ausgebend,  einen  teil  seiner  leute  in  fässern  verborgen  in  die  Stadt  fährt  und  sie  so 
erobert;  auch  Lachmann  (W.  v.  E.  2.  ausgäbe  s.  XXXIX)  nimmt  an,  dass  Wolfram 
dieses  gedieht  kannte.  Dies  scheint  mir  auch  aus  297,  13  hervorzugehen.  Willehalm 
schildert  die  Verwüstung  seiner  mark  durch  die  Sarazenen  und  ihre  grausamkeit;  dabei 
heisst  es:  getauften  uiben  sint  gesniten  ab  die  brüste,  und  ähnlich  in  Charrois  571: 
der  markgraf  sieht  von  Saint -Gile  aus  die  Sarazenen  städte  verbrennen,  klöster  und 
kirchen  zerstören,  mameles  tordre  as  cortoises  moilliers.  Obgleich  sonst  die  beiden 
beschreibungen  verschieden  sind,  glaube  ich  doch  diesen  besonders  auffallenden  zug 
aus  Wolframs  erinnerung  an  das  französische  gedieht  herleiten  zu  müssen.     Die  ver- 


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fasseriu  meint,  au  beiden  .stellen  habe  Wolfram  nur  aus  seiner  französischen  vorläge 
geschöpft. 

Nach  Wh.  5,  löfgg.  enterbt  Heimlich  von  Narbon  alle  seine  söhne  zu  gunsten 
eines  paten,  der  der  söhn  eines  im  kämpfe  gefallenen  lehensmanns  ist.  Wolfram 
tadelt  dies  und  kann  es  nicht  ersonnen  haben.  In  Aliscans  findet  sich  nichts  derartiges, 
aber  in  Guibers  d'Audreuas  teilt  Heimrich  das  erbe  eines  seiner  söhne,  Guibers, 
später  d'Andrenas  genannt,  dem  paten  zu.  Wolfram  kennt  zwar  einen  söhn  Heimrichs 
mit  namen  Gybert,  aber  den  beinameu  von  Tandarnas  führt  bei  ihm  Schubert,  der 
waffengefährte  des  jüngeren  Heimrich,  des  schetis.  Bei  dieser  Verschiedenheit,  meint 
die  Verfasserin,  sei  San-Martes  schluss,  Wolfram  habe  das  gedieht  Guibers  d'Andrenas 
gekannt,  voreilig,  „veel  te  haastig".  Wie  sie  selbst  die  unleugbar  vorhandene  ähn- 
lichkeit  beider  berichte  erklären  will,  ist  mir  aus  der  anmerkung  auf  s.  8  nicht  klar- 
geworden1. Diese  ähnlichkeit  ist  jedesfalls  grösser,  als  die  zwischen  Gyburgs  kriegs- 
list  und  der  Willehalms  in  den  Storie  Nerbonesi,  die  die  Verfasserin  aus  einer  cruelle 
herleiten  will. 

Auch  in  bezug  auf  die  anklänge  an  Covenans  Vivien  kann  ich  nicht  umhin 
trotz  des  Widerspruchs  der  Verfasserin  an  meiner  ansieht  festzuhalten. 

Um  zu  beweisen,  dass  Wolfram  Charrois  de  Nimes  und  Covenans  Yivien  ge- 
kannt habe,  hatte  ich  s.  53  fgg.  auf  die  gemeinsamkeit  einiger  namen  hingewiesen.  Die 
Verfasserin  meint  s.  29,  dieser  gemeinsamkeit  von  namen  sei  kein  gewicht  beizulegen. 
Ich  glaube,  darin  hat  sie  nicht  recht.  Man  weiss  ja,  welche  menge  von  namen 
Wolfram  teils  anderen  dichtem,  teils  im  Willehalm  seinem  eignen  Parzival  entnommen 
hat,  um  seinen  grossen  bedarf  daran  zu  decken;  vgl.  ausser  Bh.  s.  53,  Bartsch  in 
den  Germanistischen  Studien  II  s.  124  fgg.,  auch  Heinzel  a.  a.  o.  s.  4.  Wenn  nun  im 
Wh.  namen  vorkommen,  die  sonst  nur  in  Charrois  und  Covenans  erscheinen,  so  liegt 
doch  gewiss  der  schluss  nahe,  dass  er  diese  gedichte  kannte.  Hierher  gehört  ins- 
besondere auch  Tompasie  von  Tabrasim  (74,  8)  =  Temjjesle  d'  Argastaine  in  Cov.  180. 
Der  uame  Tewpeste  erscheint  zwar,  worauf  mich  die  Verfasserin  nicht  aufmerksam 
zu  machen  brauchte,  auch  in  Aliscans,  aber  der  zusatz  d' Argastaine  nur  in  Covenans. 

Der  dritte  teil  der  Bijdrage  s.  59 fgg.  behandelt  die  frage,  ob  der  Willehalm 
vollendet  sei;  sie  wird  verneint.  Den  von  mir  s.  37  gelieferten  beweis,  dass  zwischen 
dem  schluss  des  Wh.  und  der  unmittelbar  vorhergehenden  erzählung  (Bernarts  mahnung 
und  rat  an  Willehalm)  Widerspruch  bestehe,  hat  die  Verfasserin  nicht  besprochen. 
Dagegen  sucht  sie,  für  mich  überzeugend,  nachzuweisen,  dass  Wolfram  be- 
absichtigt haben  müsse  Willehalms  und  Gyburgs  geschick  zu  glücklichem  ende  zu 
führen,  wozu  die  widervereinigung  mit  Rennewart  notwendig  gehöre.  Sie  weist  auch, 
nach  meinem  und  Seebers  Vorgang  (Programm  des  gymnasiums  zu  Brixen  1884),  auf 
mehrere  stellen  hin,  in  denen  auf  Kennewarts  spätere  Schicksale,  seine  erkennung 
durch  Gyburg,  seinen  ritterschlag  uud  seine  Vermählung  mit  Alyze  angespielt  wird. 
Hier  will  ich  noch  einen  weiteren  beleg  hinzufügen '-.    Vor  beginn  der  ersten,  unglück- 

1)  Mit  einem  andern  epos  „Departement  des  eufans  Aimeri"  berührt  sich  Wolfram 
insofern,  als  dort  alle  söhne  entsandt  werden,  ihr  glück  in  der  fremde  zu  suchen; 
aber  dies  geschieht  aus  armut,  nicht  um  einen  paten  zu  bereichern.  Die  Verfasserin 
sagt  nun  s.  8  anmerkung:  „Het  bericht  bij  Wolfram  komt  dus  noch  volkomeu  overeen 
met  dat  van  den  Guib.  d'Andr.,  noch  met  dat  van  de  Dep.,  maar  zou  een  eombinatie 
moeten  zijn  uit  beide  gedichten."  Denkt  sie  sich  die  combination  von  Wolfram  ge- 
macht oder  von  dem,  der  Wolframs  französische  vorläge  schrieb V 

2)  Hindeutungen  auf  künftige  ereignisse  sind  im  Wh.  nicht  so  selten,  wie  ich 
früher  annahm  (Bh.  s.  38).    Bisweilen  beziehen  sie  sich  auf  unmittelbar  folgende  teile 


ÜBER    NOORDEWIER.    W1LT.EHAT.M  549 

liehen  schlacht  heisst  es  12,  1:  ex  muox  nu  walzen  als  ex-  mac  :  etswenne  onch 
hohes  muotes  tac  mit  frettden  känfte  slt  erschein.  Als  der  dichter  dies  sagte,  kann 
er  nicht  beabsichtigt  haben,  es  bei  Willehalms  schmerzerfüllter  klage  um  den  ver- 
lorenen Rennewart  bewenden  zu  lassen,  denn  dieser  verlust  lässt  bei  dem  markgrafen 
keine  freude  über  den  sieg  aufkommen. 

Dass  die  zahl  der  verse  im  Willehalm  nicht  durch  30  teilbar  ist,  der  letzte 
der  Lachmann'schen  abschnitte  nur  acht  verse  hat,  möchte  ich  nicht,  wie  es  die  Ver- 
fasserin tut,  als  beweis  dafür  gelten  lassen,  dass  das  gedieht  nicht  vollendet  sei;  vgl. 
über  Lachmanns  einteilung  San-Marte,  Über  "Wolfram  von  Eschenbachs  rittergedicht 
Wilhelm  von  Orange  s.  115,  auch  Bartsch  in  der  Einleitung  zu  Parzival  und  Titurel 
s.  XIX. 

Der  abhandlung  hat  die  Verfasserin  Verzeichnisse  der  personen-  und  der  Orts- 
namen beigegeben.  Unter  den  personennamen  fehlen  Abel  (Wh.  51,30)  und  Samuel 
(359,8.  413,28).  Mit  dem  namen  Samirant  belegt  Wolfram  zwei  personen,  den 
könig  von  Boytendroyt,  der  Terramer  den  heim  bringt  und  mit  allen  andern,  die  den 
admirät  bewaffnen,  zu  seiner  rechten  reiten  soll  (356,19.  358,11),  und  den  könig 
von  Beäterr  (359,1),  der  zur  linken  reiten  soll.  Welcher  von  beiden  von  Rennewart 
erschlagen  wird  (413,  27),  ist  nicht  ersichtlich.  Die  Verfasserin  scheint  nur  einen 
Samirant  zu  kennen.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  Talimön;  die  Verfasserin  erwähnt 
nur  einen  Talimön  von  Boctan,  könig  von  Valpinöse;  bei  Wolfram  aber  wird  Talimön 
von  Boctan  von  Willehalm  erschlagen  (56,  18);  seine  leute  kämpfen  in  der  zweiten 
schlacht  unter  Halzebier  (341,  26.  363,15);  ein  zweiter  Talimön  ist  könig  von  Val- 
pinöse und  kämpft  in  der  zweiten  schlacht  unter  Josweiz  (349,  28).  Unter  Tampaste 
führt  die  Verfasserin  zwei  personen  auf;  bei  Wolfram  tragen  vielleicht  drei  diesen 
namen:  einer  fällt  in  der  ersten  schlacht  durch  Vivianz  (46,20);  seine  leute  kämpfen 
später  unter  Synagün  (344,  7.  371,  3);  seinen  gleichnamigen  söhn  tötet  Rennewart 
(442,29);  ausserdem  ist  ein  Tampaste  von  Tabrasten  unter  den  fünfzehn  königen,  die 
Willehalm  am  morgen  nach  der  ersten  schlacht  anfallen  (74,8);  doch  kann  dieser 
als  identisch  mit  dem  zweiten  gedacht  sein.  Dass  zwei  personen  gleichen  namen 
führen,  kommt  bekanntlich  auch  im  Parzival  vor,  so  Astor,  Affinamus,  Alexander, 
Ehkunaht.  Iwan,  Kahenis,  Kardeiz,  Kiot,  Cundrie,  Floiie;  dreimal  erscheint  Clauditte. 

Die  namen  Eschenbach,  Veldek  sind  unter  den  Ortsnamen  angeführt;  warum 
Vogel weid  unter  den  personennamen? 

Die  mit  C  und  K  beginnenden  namen  hat  die  Verfasserin  vereinigt,  aber  die 
mit  F  und  V  anfangenden  unzweckmässiger  weise  nicht. 

der  eizählung:  116,  28  auf  117  fgg.;  133,  10  auf  135,  16.  Auf  entfernteres  gehen 
folgende:  30,16  auf  81, 12;  81,30  auf  89,  9;  302,9  und  321,12  auf  323,12;  271,12. 
285,  11.  311,  30  auf  Rennewarts  nachher  erzählte  taten.  Wenn  die  Verfasserin  s.  74 
das  von  dem  dichter  271,  12  verheissene  lob  Rennewarts  vermisst,  so  kann  ich  ihr 
darin  nicht  beistimmen;  von  seinen  taten  ist  nachher  genugsam  die  rede,  ganz  ab- 
gesehen von  Willehalms  klage  452,  15  fgg.,  worin  seine  Verdienste  zusammengefasst 
werden. 

ERFURT.  E.  BERNHARDT. 


550  STEIG 

MISCELLEN. 

Zu  den  Kleineren  Schriften  der  brüder  Grimm. 

(Viertor  beitrag1.) 
1.    Adam  Oehlenschläger   und  "Wilhelm   Grimm. 

Es  liegt  den  nachfolgenden  erörterungen  ob,  die  Kleineren  schritten  Wilhelm 
Grimms  von  einem  aufsatze  zu  befreien,  der  zu  unrecht  in  sie  hinein  geraten  ist:  von 
dem  über  Oehlenschlägers  Palnatoke,  bd.  1,  s.  248  —  260.  Dieser  aufsatz  erschien  im 
jähre  1810,  in  einer  zeit  also,  aus  der  wirklich  gedruckte  äusserungen  der  brüder 
Grimm  über  Oehlenschläger  vorhanden  sind,  und  in  einem  Berliner  Journale,  dem 
„  Pantheon  ",  in  dessen  vorwort  auch  „  Hr.  Grimm  zu  Kassel "  als  künftiger  mitarbeiter 
genannt  ist.  Es  ist  hier  Wilhelm  Grimm  gemeint,  der  1809  in  Berlin  mit  demjenigen 
kreise  Berliner  Schriftsteller  und  gelehrter  bekannt  geworden  war.  auf  die  das  Pantheon 
sich  stützte. 

Oehlenschläger  war  in  Deutschland  damals  mode.  Er  hatte  sich  gerade  in 
letzter  zeit  in  Deutschland  aufgehalten,  war  bei  Goethe  gewesen  und  stand  mit  der 
jüngeren  dichterschicht  auf  gutem  fusse.  Als  Däne  hatte  er  auch  seinen  landsmann 
Steffens  in  Halle  widerbesucht,  und  hier,  in  dem  weiten  interessenkreise  der  grossen 
Reichardtschen  familie,  war  Wilhelm  Grimm  1809  seinen  dichterischen  werken  näher 
getreten.  Durch  gunst  und  innere  notwendigkeit.  Wilhelm  beschäftigte  sich  damals 
mit  allen  zweigen  der  dänischen  poesie.  Wir  wissen  ferner,  wie  die  brüder  durch 
Tieck's  Minnelieder  und  seine  art,  die  deutsche  Vergangenheit  und  märchenweit  auf- 
zufassen, in  den  entscheidenden  Jugendjahren  angeregt  wurden.  In  der  vorrede  zu 
dem  dramatischen  spiele  „  Aladdin  oder  die  wunderlampe ",  die  ein  märchen  aus 
Tausend  und  einer  nacht  zum  Vorwurf  hat,  bekennt  sich  auch  Oehlenschläger  1808  aus- 
drücklich in  die  nachfolge  Ludwig  Tiecks.  Sein  Octavian  habe  ihn  angeregt,  den 
Aladdin  zu  dichten.  Wie  Tieck  ein  märchen,  ohne  rücksicht  auf  haupthandlung  und 
hauptperson,  in  einer  lyrischen,  epischen  und  dramatischen  mischung  dargestellt  habe, 
so  sei  er  (Oehlenschläger)  durch  die  erzählung  von  der  lampe  darauf  gekommen,  ein 
wirkliches  drama,  ungeachtet  der  breite,  zu  machen.  Treffend  wies  Jean  Paul  in 
seiner  recension  des  Aladdin  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  von  1809  auf  diese 
Tieckische  Weitschweifigkeit  und  weitläuftigkeit  hin,  die  niemand  soviel  zu  geniessen 
gebe  als  dem  Verfasser  selbst,  um  im  übrigen  dem  werke  Oehlenschlägers  möglichstes 
lob  zu  spenden,  das  wider  in  der  vertrauten  ausspräche  zwischen  Grimms  und  Arnim 
damals  als  zu  hoch  befunden  wurde. 

Die  dänische  litteratur  war,  wie  gesagt,  damals  Wilhelm  Grimms  arbeitsfeld. 
„Um  doch  etwas",  schrieb  er  aus  Halle  mitte  april  1809  an  Arnim,  „von  meinem 
wenigen  dänischen  zu  profitieren,  hab  ich  Oehlenschlägers  gedichte  gelesen".  Das 
allernachlässigste,  schlechteste  jedoch  stehe  rund  um  einiges  sehr  schöne,  einfach 
rührende.  Er  habe  aus  den  (damals  nur  dänisch  vorhandenen)  gedichten  einiges  für 
Luise  Reichardt  zum  componieren  übersetzt,  und  schicke  es  jetzt  auch  Arnim.  Es 
war  zweierlei:  das  lied  von  Christi  geburt  und  das  lied  vom  fischerknaben ,  das 
letztere  aber  nur  in  seinem  anfang,  der  seiner  heitern  schönen  färben  wegen  Wilhelm 
•  nimm  gefiel,  während  das  übrige  ihn  nicht  befriedigte.  Damals  verband  Grimm 
weder  mit  der  Übersetzung  noch  mit  der  Zusendung  an  Arnim  irgend  welche  littera- 
rische nebenabsichten. 

1)  Die  früheren  beitrage  sieh  Zeitschr.  25,  562.  29,  195.  31, 165. 


Zu    DEN    KLEINKREN    SCHRIFTEN    DER    BRÜDER    GRIMM  551 

Anders  gestaltete  sich  die  sache  ein  jähr  später.  Der  erste  band  des  Pantheons 
von  Büsching  und  Kannegiesser  war  erschienen.  Am  12.  april  1810  schrieb  Wilhelm 
Grimm  an  Arnim:  „Da  ich  sehe,  dass  der  Oehlenschläger  im  Pantheon  so  heraus- 
gestrichen wird,  so  habe  ich  eine  Übersetzung  einiger  seiner  lieder,  die  ich  im  sommer 
der  Luise  (Reichardt  in  Halle)  machte,  unter  der  bank  hervorgesucht,  und  weil  ich 
doch  gewissermaassen  etwas  versprochen,  so  sei  doch  so  gut,  sie  für  das  Journal 
dem  Büscbing  zu  übersenden."  Zweierlei  ergibt  sich  also:  1.  die  jetzt  überschickten 
lieder  sind  dieselben  wie  die  vor  einem  jähre,  und  2.  der  aufsatz  des  Pantheons,  in 
dem  Oehlenschläger  so  herausgestrichen  wird,  ist  nicht  von  Wilhelm  Grimm.  Im 
Pantheon  aber  kommt  allein  in  betracht  die  anonyme  anzeige  des  Palnatoke  (1,  251) 
mit  einem  Übersetzungsversuche  aus  dem  vierten  acte.  Diese  anzeige  ist  also,  da  sie 
aus  irrtümlicher  auffassung  der  stellen  des  Arnim- Grimmschen  briefwechsels  in  Wilhelm 
Grimms  Kleinere  Schriften  aufgenommen  wurde,  aus  diesen  wider  zu  entfernen.  Den 
1.  mai  1810  besass  Grimm  den  Palnatoke  überhaupt  noch  nicht  (Nordische  gelehrte 
s.  20).  Es  ist  gewiss  eine  heikle  sache,  sich  auf  blosse  stileindrücke  hin,  gegen  an- 
scheinend sicherste  beglaubigung,  über  die  autorschaft  eines  Schriftstückes  anders  zu 
entscheiden.  So  sind  denn  im  vorliegenden  falle  herausgeber  und  benutzer  der  Kleineren 
Schriften,  ich  auch,  irre  gegangen.  Ich  wundre  mich  jetzt  selbst  darüber,  wie  über- 
haupt die  wirre  inhaltsangabe  des  Palnatoke  und  der  hölzerne  stil  Wilhelm  Grimm 
zugetraut  werden  konnte.  Wer  der  autor  ist,  weiss  ich  nicht.  Aus  dem  neuen 
Goedeke  G,  169  ist  die  Wilhelm  Grimm  belastende  notiz  wider  zu  streichen. 

Die  anzeige  ist  indessen  für  Wilhelm  Grimm  der  anlass  geworden,  an  eine 
vollständige  Übersetzung  des  Palnatoke  zu  denken.  „Kannst  du  nicht",  fragte  er  im 
august  1810  bei  Arnim  an,  „gelegentlich  den  Hitzig  fragen,  was  er  etwa  für  eine 
Übersetzung  eines  Oehlenschlägerischen  trauerspiels  gäbe,  etwa  in  seinem  Theater- 
almanach,  Palnatoke?  Es  ist  mir  an  sich  eine  unangenehme  arbeit,  und  meiu  namen, 
was  auch  nichts  ausmachen  kann,  soll  dabei  nicht  sein,  ich  wollte  gern  etwas  dadurch 
verdienen"  etc.  Hitzig  machte  damals  derartige  untern ehmungen.  Sein  taschenbuch 
für  trauerspiel  und  lustspiel  „Melpomene  und  Thalia"  hatte  soeben,  für  1810,  Wolfarts 
„Katakomben"  und  von  Bartholdy  „Der  liebe  luftgewebe"  gebracht,  sein  Taschenbuch 
für  freunde  der  poesie  des  Südens  enthielt  die  Numancia  des  Cervantes  nach  der 
Madrider  ausgäbe  von  1783  nebst  (des  ungenannten)  Fouques  Übersetzung,  Wilhelm 
Schlegels  Spanisches  theater  war  mit  dem  zweiten  bände  aus  Reiiner's  in  Hitzig's 
verlag  übergegangen.  Darin  lag  es,  dass  Wilhelm  Grimm  an  Hitzig  das  angebot  ge- 
langen Hess.  Arnims  bemühungen  blieben  aber  erfolglos.  „  Hitzig  sowol  wie  Reimer", 
meldete  er  zurück,  „waren  zu  keiner  Übersetzung  Oehlenschlägerscher  Schauspiele 
geneigt,  hauptsächlich  weil  der  mann  immer  selbst  in  zwei  sprachen  zugleich  lebt 
und  jede  andere,  auch  die  bessere  Übersetzung  vernichten  kann."  Wie  gut  Grimm 
den  Palnatoke  aber  kannte,  zeigt  sich  daran,  dass  seiner  öfters  in  recensioneu  und  in 
den  Altdänischen  heldenliedern  erwähnung  geschieht. 

Aber  auch  von  den  von  Wilhelm  Grimm  übersetzten  liedern  ist  keins  im 
Pantheon  erschienen,  obwol  Arnim  zurückgeschrieben  hatte:  „Deine  Übersetzung  aus 
Oehlenschläger  wird  im  Pantheon  erscheinen."  Das  Pantheon  ging  schon  mit  dem 
zweiten  bände  ein.  Dagegen  begann  in  Hamburg  vom  juli  1810  ab  im  Perthesschen 
verlage  das  Vaterländische  museum  zu  erscheinen,  an  dem  mitzuarbeiten  auch  Grimms 
Berliner  freunde  aufgefordert  worden  waren.  Zu  grosser  Verwunderung  fanden  die 
brüder  im  augustheft  (1,  211)  „Christi  wiedererscheinen  in  der  natur.  Nach  dem 
dänischen  des  A.  Oehlenschläger  übersetzt  von  Wilhelm  Carl  Grimm".     Ohne  ihr  vor- 


352  STEIG 

wissen  hatte  Arnim  das  inanuscript,  offenbar  als  es  ihm  nach  dem  eingehen  des 
Pantheons  im  juni  von  Büsching  zurückgestellt  worden  war,  Perthes  für  das  Vater- 
ländische museum  übergeben. 

Es  liegt  nahe,  Wilhelm  Grimms  Übersetzung  mit  derjenigen  deutschen  gestalt 
dieser  gedichte  zu  vergleichen,  die  Oehlenschläger  ihnen  selbst  in  seiner  ausgäbe  von 
1817  gegeben  hat.  Oehlenschlägers  poetischer  plan  war,  in  einem  cyclus  von  gedichten 
Christi  leben  allegorisch  mit  den  erscheinungen  der  natur  in  beziehung  zu  setzen. 
Aus  diesem  cyclus  sind  nur  die  Übersetzungen  der  drei  ersten  gedichte  im  Vater- 
ländischen museum  erschienen  und  demgemäss  in  "Wilhelm  Grimms  Kleinere  Schriften 
(1,245)  übernommen  worden:  1.  Christi  geburt,  2.  Maria,  3.  Joseph.  Ebenso  lauten 
die  Überschriften  auch  bei  Oehlenschläger  1817,  s.  209.  Aber  wenn  man  vergleichend 
Grimm  und  Oehlenschläger  zu  lesen  beginnt,  erhält  man  den  eindruck,  dass  Oehlen- 
schläger selbst  doch  nur  einen  massigen,  äusserlich  zwar  abgeglätteten ,  innerlich  aber 
ärmer  gewordenen  text  auf  den  deutschen  markt  gebracht  hat.  Grimm  dagegen  bleibt 
der  dänischen  urgestalt  der  lieder  viel  näher.  Seine  spräche  ist  kräftiger  und  un- 
schuldig - unbewusster.  Er  hält  vers  und  rythmus  des  dänischen  Originals  fest,  die 
Oehlenschläger  aufgegeben  hat.  Kurz,  "Wilhelm  Grimm  ist  uns  ein  besserer  interpret 
des  dänischen  dichters  als  dieser  selbst. 

2.    Über  spiele. 

In  den  früheren  arbeiten  der  brüder  Grimm,  bis  über  die  freiheitskriege  hinaus, 
zeigt  sich  öfter,  dass  sie  aufmerksame  leser  und  benutzer  des  Gothaischen  reichs- 
anzeigers  gewesen  sind,  der,  als  das  Deutsche  reich  zu  ende  gegangen  war,  den  titel 
„  Allgemeiner  anzeiger  der  Deutschen  "  erhielt.  Herausgeber  war  Zacharias  Becker  in 
Gotha.  Dorthin  hatten  die  brüder  Grimm  eine  bequeme  Verbindung,  da  ihre  tante 
Henriette  Zimmer,  nach  dem  politischen  Zusammenbruch  in  Hessen,  der  landgräfin 
von  Hessen  nach  Gotha  gefolgt  war.  Durch  ihre  bände  gingen  die  meisten  bestellungen 
der  brüder  für  den  Allgemeinen  anzeiger.  Eine  anzahl  derselben  wenigstens  wird  es 
widerzugewinnen  möglich  sein;  und  sie  werden  uns  immerhin  manchen  blick  in  die 
die  späteren  grossen  werke  der  brüder  vorbereitende  Jugendarbeit  verstatten. 

In  einem  briefe  "Wilhelm  Grimms,  mit  dem  empfangsstempel  des  9.  august  1809, 
an  Jacob  (Jugendbriefe  s.  145)  lesen  wir:  „Gestern  ist  mir  .  .  .  der  RAnzeiger  in  die 
hände  gefallen,  da  habe  ich  eine  anfrage  von  dir  über  die  spiele  gefunden."  In  den 
anmerkungen  zu  dieser  stelle  (Jugendbriefe  s.  508)  heisst  es:  „Der  Reichsanzeiger  1809 
war  mir  nicht  zugänglich."  Dies  ist  jedoch  nur  insofern  zutreffend,  als  dem  namen 
nach  der  Reichsanzeiger  1809  nicht  mehr  bestand.  "Wilhelm  Grimm  hielt  nur  aus 
alter  gewohnheit  die  frühere  bezeichnung  fest.  Nachzusehen  war  für  diese  zeit  im 
Allgemeinen  anzeiger  der  Deutschen,  und  hier  findet  sich  in  nr.  188,  vom  17.  Julius 
1809,  sp.  2171—2172,  die  gesuchte 

Anfrage. 
"Wo  findet  man  nachricht  über  die  europäischen  gesellschaftsspiele,  nament- 
lich über  die  in  Deutschland  gewöhnlichen  und  vorzüglich  über  die  der  altern  zeit? 
Man  meint  hier  nicht  gerade  die  schach-,  bret-,  würfel-  und  kartenspiele ,  über 
welche  schon  Untersuchungen  genug  angestellt  worden  sind,  man  sehe  z.  b.  ßreitkopfs 
gelehrte  arbeit  vom  Ursprung  der  Spielkarten.  Sondern  man  wünscht  belehrung  oder 
wenigstens  einzelne  nachweisungen  über  die  altern  pfänder-,  plumpsack-,  naoh- 
spreche-spiele  etc.     Fischart's  bekauntes  verzeichuiss  in  seinem  Gargantua  dürfte 


ZU    DEN'    KLEINEREN    SCHRIFTEN    DER    BRÜDF.R    GRIMM  553 

leicht  die  hauptquelle  seyn,  aber  alles  ist  unerklärt,  und  wer  könnte  wol  jetzt  mehr 
als  etwa  ein  zehntel  der  von  ihm  angegebenen  spielnamen  erläutern? 

Die  gewöhnlichen  anweisungen  zu  gesellschaftsspielen ,  welche  wol  siimmtlich 
von  einem,  etwa  vor  20  jähren  in  einem  Becker'schen  oder  andern  taschenbuche  ge- 
standenen aufsatze  ausgegangen  sind,  genügen  wenig,  enthalten  meistens  schlecht 
erfundene  neue  spiele  und  beschreiben  die  wenigen  altern  äusserst  unvollständig. 

Gibt  es  nicht  mehrere,  und  besonders  ältere  spiel -anweisungen?  Und  wo 
stehen  sie  abgedruckt?  Gr. 

3.    Aufforderung  (wegen  des  Mythologischen  Wörterbuches  von   Majer). 

Am  14.  märz  1810  schreibt  Jacob  Grimm  an  die  taute  Henriette  Zimmer  in 
Gotha:  ..Die  einlage  seyn  Sie  doch  so  gut,  in  die  expeditiou  des  Reichsanzeigers 
tragen  zu  lassen,  es  kostet  nichts."  Diese  briefstelle  führte  in  nr.  94  des  Allgemeinen 
anzeigeis,  vom  5.  april  1810,  sp.  1014 — 1015,  zu  folgender,  Jacob  Grimm  zugehörigen 

Aufforderung. 

Nichts  ist  unangenehmer,  als  wenn  ein  alphabetisch  geordnetes  brauchbares 
buch  nicht  ausgeschrieben  wird. 

Von  Fr.  Majer" s  Mythologischem  Wörterbuch  sind  1803  und  1804  zwey  bände 
im  Landes  -industrie-comptoir  zu  Weimar  erschienen  und  das  werk  hat  vermuthlich 
abgang  genug  gehabt,  so  dass  man  nicht  darin  die  Ursache  suchen  darf,  warum  die 
andere  hälfte  zurückbleibt. 

Der  plan  der  schrift  ist  freylich  sehr  schlecht  und  fast  unbegreiflich.  Ganz 
verschiedene  mythologien,  deren  einige  genauer ,  andere  schlecht  bekannt  sind,  werden 
untereinander  geworfen  und  willkürlich  in  einzelne  namen  zerschnitten.  Der  einzige 
vortheil  alphabetischer  anordnung,  nämlich  das  erleichterte  aufschlagen,  wird  durch 
die  schwankende  Orthographie  der  fremden  Wörter  aufgehoben,  eine 
menge  Wiederholungen  sind  unvermeidlich  geworden  und  gerade  die  artikel  sind  die 
besten,  die  dem  plan  nach  die  schlechtesten,  d.  h.  die  langen,  welche  eben  so  gut  und 
eben  so  schlecht  auch  noch  vielfach  hätten  verschnitten  werden  können.  Und  aller 
etwaige  vorzug  dieser  geschmacklosen  einrichtung  wäre  am  ende  durch  alphabetische 
register  erreicht  worden,  man  hätte  die  mythologien  in  einfacher  Zusammenstellung 
gehabt,  ohne  dass  ein  systematisiren  verlangt  worden  wäre. 

Diess  alles  benimmt  der  fleissigen  und  guten  ausarbeitung  der  einzelnen  artikel 
nichts  und  es  ist  die  Vollendung  des  werks  zu  wünschen.  Gute  register  zu  den  ein- 
zelnen mythologien  würden  den  gebrauch  verbessern.  Eben  so  wTenig  lasse  sich  der 
verf.  durch  die  Verbesserungen  und  Zusätze  abhalten,  welche  aus  andern  seitdem  er- 
schienenen werken,  z.  b.  aus  Bergmann's  über  die  Kalmücken  und  S..  Polier's 
über  die  indische  mythologie  gewonnen  werden  könnten.  Denn  es  liegt  daran,  ein 
ganzes  werk  zu  bekommen,  wenn  man  sich  auch  die  materialien  zusammenstellen  muss. 

Und  erscheint  nicht  das  versprochene  werk  über  die  römische  mythologie,  das 
Böttiger  in  Dresden  übernommen  hat? 

Cassel.  G. 

4.    Anfrage   (wegen  Tallmann  und  "Wagner). 
Am  5.  october  1810  bittet  Jacob  Grimm  die  taute  in  Gotha,    .,  eine   beilage  in 
den  Allgemeinen  anzeiger  befördern  zu  lassen  und  vielleicht  eingehende  antwort  dem- 
nächst für  mich  in  empfang  zu  nehmen."    La  nr.  332,  vom  8.  december  1810,  sp.  3621, 
erscheint  die  folgende  anonyme 

ZKITSCHRIFT    F.    DEUTSCHE    PHILOLOGIE.       HU.  XXXIV.  36 


554  sTKifi 

Anfrage. 

Leben  noch  im  Thüiiugischen  die  nachkommen  und  erben  folgender  beyden 
männer,  die  zu  ende  des  sechzehnten  oder  anfangs  des  siebzehnten  Jahrhunderts  ge- 
lebt haben  müssen: 

Quirinus  Tallmann,  Bürgermeister  zu  Eisenach. 
Marcus  "Wagner,  auch  aus  Thüringen. 
Letzterer  war  nach  Jöcher  einmahl  priester  zu  Bussleben  und  schrieb  mehrere  bücher. 

Dem  aufrager  kommt  es  darauf  an:  zu  erfahren,  ob  die  papiere  und  hand- 
schriften  dieser  männer  noch  irgendwo  aufbehalten  worden  sind,  unter  denen  sich 
einiges  von  Wichtigkeit  für  die  geschichte  der  altdeutschen  litteratur  befunden  zu  haben 
scheint.  Die  gefällige  antwort  bittet  man  an  die  expedition  des  Allg.  anz.  d.  D.  zu 
adressiren,  welche  solche,  falls  sie  im  blatte  selbst  nicht  räum  finden  kann,  weiter 
befördern  wird. 

Mau  würde  sich,  ohne  anhält,  schwer  dazu  verstehen  können,  dies  anonyme 
stück  Jacob  Grimm  zuzusprechen.  Es  hat  sich  aber  noch  dazu  die  an  ihn  gerichtete 
kostenrechnung  unter  seinen  papieren  gefunden.  Der  Verlust  der  anfrage  würde  ja 
Jacob  Grimm  nicht  schaden.  Immerhin  ist  sie  ein  damals  doch  schon  in  die  öffent- 
lichkeit getretenes  zeugnis  für  die  absieht  der  brüder,  auf  eine  „Geschichte  der  alt- 
deutschen litteratur"  los  zu  arbeiten. 

Ob  übrigens  antworten  erfolgt  sind,  weiss  ich  nicht.  Im  Allgemeinen  anzeiger 
wenigstens  findet  sich,  wie  das  sonst  häufig  der  fall  ist,  keine  antwort  abgedruckt. 

5.    Zum  Reinhart  Fuchs. 

Die  erste  ankündigung  der  brüder  Grimm,  dass  sie  den  hochdeutschen  Reinhart 
Fuchs,  nach  Glöckle's  abschrift  einer  Yaticana,  herauszugeben  gedächten,  geschah  in 
öffentlichen  blättern  1811.  Im  nächsten  jähre  legte  Jacob  seinen  und  seines  bruders 
arbeitsplan  ausführlicher  in  Friedrich  Schlegel's  Deutschem  museum  dar.  Beide 
Schriftstücke  findet  man  in  der  brüder  Kleineren  Schriften  abgedruckt.  Ich  füge  zu- 
nächst ein  neues  zeugnis  hinzu. 

a. 

Ferdinand  Weckherlin  hatte  in  seinen  „Beyträgen  zur  geschichte  altteutscher 
spräche  und  dichtkunst,  Stuttgart  1811"  ein  eigenes  capitel  über  die  geschichte  und 
litteratur  des  Reineke  Fuchs  geschrieben;  eine  anzeige  des  buches  findet  man  in  Jacob 
Grimm's  Kleineren  Schriften.  Weckherlin  bemerkt  in  seinem  buche  s.  126:  „Nach 
einer  von  herrn  prof.  Veesenmeyer  in  Ulm  uns  mitgetheilten  nachricht  fand  dieser  einst 
eine  teutsche  handschrift  des  R.  F.,  die  er  in  das  XV.  jahrh.  setzen  zu  dürfen  glaubte, 
bey  einem  jungen  studirenden,  der  die  handschrift  als  familiengut  aufbewahrte,  und 
ungeachtet  aller  bitten  nicht  entäussern  wollte.  Der  junge  mensch  reiste  nachher 
weg,  und  seither  konnte  von  der  handschrift  sowohl,  als  dem  besitzer  nichts  sicheres 
mehr  in  erfahrung  gebracht  werden."  Diese  notiz  erregte  natürlich  das  interesse 
Jacob  Grimms,  und  am  11.  mai  1812  wandte  er  sich  an  die  tante  Henriette  Zimmer  nach 
<iotha:  „Darf  ich  Sie,  liebe  tante,  wieder  plagen  und  bitten,  beikommendes  blättchen 
an  den  redacteur  des  Allgemeinen  anzeigers  abgeben  zu  lassen,  und  die  geringe 
iusertionsgebühr  auszulegen?  Es  betrifft  eine  andre  unserer  arbeiten,  die  gleichfalls 
sehr  am  herzen  liegt."  Auf  dem  „beikommenden  blättchen"  stand  nun  die  im  Gothaer 
Allgemeinen  anzeiger  1812,  nr.  172,  vom  30.  juni,  sp.  1773—1774,  abgedruckte. 


ZU    DEN    KLEINEREN    SCHRIFTEN'    DER    BRÜDER    GRIMM  555 

Anfrage  wegen   einer  Handschrift  des  altdeutschen  Reinecke  Fuchs. 

Der  prof.  Veesenmeyer  in  Ulm  fand  einst  (wann?)  eine  deutsche  handschrift 
des  Reinecke  oder  Reinhart  Fuchs,  die  er  in  das  XV.  Jahrhundert  setzen  zu 
dürfen  glaubte,  bey  einem  jungen  studirenden,  der  das  manuscript  als  familiengut 
aufbewahrte  und  ungeachtet  aller  bitten  nicht  entäussern  wollte.  Der  junge  mensch 
reiste  hernach  weg,  und  seither  konnte  von  der  handschrift  sowohl,  als  dem  besitzer 
nichts  sicheres  mehr  in  erfahrung  gebracht  werden. 

Da  ich  gegenwärtig  mit  der  herausgäbe  des  altdeutschen  (vom  plattdeutschen 
und  flandrischen  ganz  abweichenden)  gedichts  aus  der  vaticanischen  handschrift  be- 
schäftigt bin,  so  wäre  es  mir  angenehm,  über  die  beschaffenheit  und  den  inhalt  obiger 
handschrift  umständliche  nachricht  einzuziehen.  Nicht  nur  würde  mich  der  prof. 
Veesenmeyer  sehr  verbinden ,  wenn  er  seiner  seits  dazu  mitwirken  wollte,  sondern 
es  könnte  sich  auch  der  besitzer  des  manuscripts,  falls  ihm  die  gegenwärtige  auf- 
forderung  zu  gesiebte  kommt,  unmittelbar  an  mich  wenden,  und  über  die  bedingung, 
worunter  er  mir  dasselbe,  oder  eine  abschrift  davon  zur  benutzung  geben  möchte, 
mit  mir  unterhandeln.  Ist  der  inhalt  seiner  handschrift  mit  der  meinigen  überein- 
stimmend, so  könnte  es  immer  auf  kleine  Varianten  ankommen,  und  es  würde  ihm 
mit  dem  ausschliesslichen  besitz  jenes  familienguts  nicht  länger  gedient  seyn;  auf 
jeden  fall  wird  er  der  guten  sache  einen  dienst  leisten. 

Cassel,  im  may  1812.  Staatsrates  -  auditor  Grimm. 

Diese  anfrage  hat  nicht  zur  auffindung  der  angeblichen  handschrift  geführt. 
Zwar  veranlasste  sie  in  der  angelegenheit  weitere  äusserungen,  die  heute  ungedruckten 
quellen  entfliessen.  V\'eckherlin  schrieb  an  Jacob  Grimm,  aus  Stuttgart,  2.  august  1812: 
..Um  die  wiederauffiuduug  der  verlornen  handschr.  des  R.  F.  hat  sich  Veesenmeyer 
schon  alle  ersinnliche  mühe  gegeben.  Der  besitzer  war  ein  Student  aus  Isny,  den 
Veesenmeyer  in  Altorf  kennen  lernte.  Wenn  ich  nicht  irre,  ist  er  aber  aus  unseren 
gegenden  weggezogen.11  Und  Veesenmeyer  wandte  sich  gleichfalls  unmittelbar  an 
Jacob  Grimm.  Ulm,  18.  September  1812:  .Ew.  hochwohlgeboren  haben  in  dem  Allge- 
meinen anzeiger  nr.  172,  sp.  1773  fg..  mich  aufgefordert,  nähere  nachweisungen,  die 
von  mir  gesehene  alte  handschrift  von  Rheineke  Fuchs  betreffend,  zu  geben"  —  und 
nun  folgt  eine  ausgiebige  darstellung  der  näheren  umstände,  unter  denen  ihm  einst 
die  handschrift  vor  die  äugen  und  aus  den  äugen  gekommen  sei.  Ich  verzichte  auf 
die  widergabe  im  einzelnen.  Als  Jacob  1834  die  vorrede  zu  seinem  Reinhart  Fuchs 
schrieb,  hatte  er  die  angelegenheit  noch  nicht  vergessen;  auf  s.  CHI  merkte  er  an: 
„Ob  die  hs.,  welche  Veesenmeyer  gesehen  haben  will,  die  aber  seitdem  verschollen 
ist,  auch  unser  [hochdeutsches]  gedieht  enthielt?  sie  soll  aus  dem  15.  jh.  gewesen 
sein.    AVeckherlins  Beiträge,  Stuttgart  1811.  p.  127  V 

b. 
Kein  buch  haben  die  brüder  Grimm  länger  in  sich  getragen,  als  den  Reinhart 
Fuchs,  von  dessen  ausgäbe  Wilhelm  schliesslich  sich  lossagte,  so  dass  die  ausführung 
Jacob  allein  zufiel.     Gegen  ende  des  Jahres  1817  nahmen  sie  einen  neuen  anlauf,  von 

1)  Die  briefstelle  Jacob  Grimms  vom  11.  mai  1812  setzt  mich  in  ziemliche  Un- 
bequemlichkeit. Der  ausdruck  „wiederplagen"  und  die  erwähnuug  einer  „anderen 
unserer  arbeiten "  lässt  schliessen ,  dass  nicht  zu  lauge  vorher  eine  ähnliche  Zusendung 
für  den  Allg.  anzeiger  erfolgt  war.  Ich  habe  die  zeitungsblätter  geduldig  rückwärts 
gewendet,  aber  obwol  einiges  in  betracht  kommen  könnte,  doch  nichts  gefunden,  das 
ich  mit  Sicherheit  für  Jacob  Grimm  in  ansprach  nehmen  möchte. 

36  '■ 


556  STEIG 

dem  uns  auch  eine  gedruckte  ankündigung,   die  ich  neu  den  Kleineren  Schriften  der 
brüder  zuführe,  künde  gibt.     Die  ankündigung,  auf  einem  octavblatte,  lautet: 

Reinhart  Fuchs, 

herausgegeben 
von 

den  Brüdern  Grimm. 
Ostern  1818  erscheint  in  der  Realschulbuchhandlung  zu  Berlin  der  erste 
Band  dieses  längst  angekündigten  AVerks,  welcher,  ausser  einer  historischen  Einleitung 
in  die  gesammten  Quellen,  enthalten  wird: 

I  )  Das  altdeutsche  Gedicht  des  Glichsener  aus  dem  13ten  .Jahrhundert,  nach  der 
Heidelberger  und  Coloczer  Handschrift. 

2)  Altdeutsche  Beispiele  (Fabeln)  aus  diesem  Thierkreis,  sämmtlich  im  13 teil  Jahr- 
hundert gedichtet,  nach  Wiener  und  Heidelberger  Handschriften. 

3)  Ein  noch  völlig  und  selbst  allen  Literaturen  bisher  unbekanntes  lateinisches  Ge- 
dicht: Beinardus  et  Isangrinus,  aus  dem  12  ten  Jahrhundert  in  elegischem  Vers- 
maass,  aus  einer  Pergamenthandschrift  des  14ten  Jahrhunderts. 

Der  zweite  Band  wird  sodann  umfassen: 

1)  Den  vollständigen  Auszug  der  altfranzösischen  Gedichte  aus  dem  Ende  des  12  ten 
und  Anfang  des  13  ten  Jahrhunderts. 

2)  Das  altflandrische  Gedicht  des  14ten  Jahrhunderts,  berichtigt  und  mit  einer  noch 
ungedruckten  wichtigen  Ergänzung  aus  der  dazu  gütig  verstatteten  Handschrift 
des  Königl.  Niederländischen  Ober -Archivars  Herrn  van  "Wijn. 

3)  Vielleicht  auch  einen  benöthigten  Abdruck  des  plattdeutschen  Gedichts  aus  dem 
löten  Jahrhundert. 

4)  Die  umständliche  Untersuchung  der  Thierfabel,  mit  besonderer  Hinsicht  auf  ihr 
volksmässiges  Element. 

Subscribenten  erhalten  das  Alphabet  für  1  Thlr.  12  Gr.     Der  erste  Band  wird 
auf  anderthalb  Alphabete  berechnet.     Nachher  erhöht  sich  der  Preis  beträchtlich. 
Sammler  erhalten  überdies  noch  auf  8  Exemplare  eins  frei. 

6.    Ein  Berliner  „Eingesandt"  von  Jacob  Grimm. 

Unter  dem  Stichwort  „  Eingesandt L  findet  sich  in  der  Zeitungshalle  vom 
1.  december  1846  nr.  52  folgende  bemerkung,  und  zwar  mit  lateinischen  lettern 
inmitten  deutscher  schritt,  widergegeben: 

„Im  Thiergarten  steht  längs  dem  neuen  Canal  auf  Brettern  die  kauderwelsche 
Warnung  angeschrieben:  Niemand  solle  die  „Dossirung  und  Banquette"  betreten. 
Ob  das  wohl  die  Leute  verstehen,  für  welche  die  Warnung  dient,  und  ob  wohl  die 
Leiter  des  Baues  kein  ehrliches  Deutsch  verstehen,  um  ein  Brett  aufzustellen,  auf 
dem  gesagt  ist,  dass  man  den  Rücken  und  die  Seite  des  angelegten  Rasens  nicht  be- 
treten dürfe?     Ueber  vieles  grämt  man  sich,  nur  nicht  über  schlechtes  Deutsch." 

Ich  glaube,  dass  man,  einmal  darauf  hingewiesen,  die  spräche  Jacob  Grimms 
nicht  verkennen  wird.  Als  äussere  beglaubiguug  dient,  dass  der  Zeitungsausschnitt 
sich  im  Grimmschen  nachlasse  fand,  und  dass  er  von  Jacob  eigenhändig  mit  nummer 
und  datum  der  zeitung  versehen  ist. 

7.    Zu  Jacob  Grimms  erklärung  über  Wilhelm  Müller. 
An  Jacob  Grimm's  Verurteilung  von  Wilhelm  Müller's  System  der  altdeutschen 
religion  1844  (5,  336)  knüpfte  sich   eine  neue  fehde  gegen    Adolf  Friedrich  Heinrich 


ZU    DEN    KLEINKREN    SCHRIFTEN    DER    BHÜDER    GRIMM  557 

Schaumanu,  damals  professor  und  bibliothekar  in  Göttingen,  an,  der  Müllers  buch  in 
den  Gott.  gel.  anzeigen,  gegen  Jacob  Grimm's  mythologie,  herausgestrichen  hatte. 
1885  hat  Frensdorf  in  seiner  abhandlung  über  Jacob  Grimm  in  Göttingen ,  durch  eine 
biief stelle  Kraut's  an  Grimm  veranlasst,  auf  die  zwischen  Grimm  und  Schaumann 
1845  in  der  Leipziger  Allgemeinen  deutschen  zeitung  gewechselten  erklärungen  hin- 
gewiesen, und  Ippel  im  Grimm  -Dahlmann-Gervinus'schen  brief Wechsel  (2,  518)  hat 
davon  notiz  genommen.  In  die  Sammlung  der  Kleineren  schritten  aber  ist  Jacob 
Grimm's  erklärung  nicht  eingesetzt  worden,  weil  es  schliesslich  sein  ausgesprochener 
wünsch  war,  dass  die  sache  ruhe  und  liegen  bleibe. 

Im  Grimmschen  nachlasse  hat  sich  jetzt  das  ganze  material  über  die  augelegen- 
heit  zusammen  gefunden,  darunter  auch  JacoVs  eigenhändige  Urschrift  zu  der  „  Auf- 
klärung über  Adolf  Friedrich  Heinrich  Schaumann,  professor  in  Göttingen".  Das  blatt 
hat  auch,  wie  bleistiftzüge  verraten,  Wilhelm  vor  dem  abdruck  vorgelegen.  Der  ab- 
druck  selber  aber  (in  der  beilage  zur  Augsburger  allgemeinen  zeitung  nr.  128  s.  1021) 
weicht  so  schädlich  für  einzelne  worte  und  sätze  von  der  Urschrift  ab,  dass  nichts 
übrig  bleibt  als  die  annähme,  es  sei  von  ungeübter  hand  eine,  zugleich  in  die  ge- 
wöhnliche deutsche  schrift  umgesetzte,  abschrift  angefertigt  und  in  der  redaction  be- 
nutzt worden.  Wem  einmal  daran  liegen  sollte,  den  reinen  Wortlaut  der  erklärung 
zu  besitzen,  müsste  ihn  den  Grimmschränken  entnehmen. 

Diese  „erklärung"  enthält  nun  aber,  in  der  Urschrift  wie  im  abdruck,  zwei 
correcturen  zu  der  voraufgegangenen  erklärung  au  „Wilhelm  Müller  und  die  Göttinger 
anzeigen"  (Kl.  sehr.  7,  600),  auf  die  etwas  ankommt.  Jacob  Grimm  sagt  nach  dem 
gedruckten  Wortlaut,  er  würde  zu  Müller's  eigenhändig  und  augenscheinlich  auf  den 
grund  seiner  deutschen  mythologie  geschriebenen  buche,  ohne  seine  und  Schaumann's 
Göttinger  recension,  geschwiegen  haben;  früher,  vor  acht  monaten,  hätte  Müller,  als 
sein  gefühl  noch  unverdorben  war,  dies  verfahren  für  ungeziemend  gehalten.  Die 
worte  „eigenhändig"  und  „unverdorben"  sind  aber  an  ihrer  stelle  falsch  gedruckt.  Jacob 
Grimm  merkt  in  der  erklärung  gegen  Schaumann  an:  „In  meiner  erklärung  an  ihn 
(Müller)  vom  4.  april  sind  die  druckfehler  eigenhändig  in  eingeständig  und  unverdorben 
in  unverdorbner  zu  berichtigen."  Namentlich  die  letztere  Verbesserung  mindert  sehr 
merklich   den  ton    der   erklärung  gegen   Müller.     Jacob  Grimm's  Kleinere   Schriften 

7,  600  sind  hiernach  also  abzuändern. 

8.  Wilhelm  Grimm  über  Franz  Horns  „Schöne  litteratur  Deutschlands". 

In  den  Neuen  Heidelberger  Jahrbüchern  1902  stelle  ich  eine  anzahl  Urkunden 
zusammen .  die  sich  auf  die  die  deutsche  litteratur  betreffenden  recensionen  der  Heidel- 
berger Jahrbücher  beziehen.  Planvoll  und  durch  glückliche  funde  vermehrt,  könnte 
so  das  material  für  eine  geschichtliche  betrachtung  der  verschiedenen,  in  den  Jahr- 
büchern damals  sich  abspiegelnden  Strömungen  der  deutschen  litteratur  erbracht  worden. 
Es  ergibt  sich  schon  jetzt  für  mich  mancherlei,  was  sich  früher  nicht  wissen  Hess. 
So  hat  ein  Fn  z.  b.  ziemlich  philiströs  Kleist's  Käthchen  recensiert  ■  (H.  v.  Kleist's 
Berliner  kämpfe  s.  451);  jetzt  ist  der  urkundliche  beweis  da,  dass  dieser  Fn  der  da- 
mals in  Berlin  lebende  Franz  Hörn  war.  Er  hat  noch  mancherlei  anderes  recensiert. 
Er  bat  auch  Wilken,  den  damaligen  redacteur  dieses  teils  der  Jahrbücher,  für  eine 
anzeige  seiner  eiguen  bücher  zu  sorgen,  und  Wilken  übertrug  Horns  „Schöne  litteratur" 
Wilhelm  Grimm. 

Grimms  recension  wurde  im  juui  1812  fertig.  Am  13.  schickte  er  sie  auf  fünf 
octavblättern  quer  geschrieben  an  Arnim:  „Ich  mögte  Dein  Urtheil  hören,  ob  Dir  die 


558  STEIG 

Recension  nicht  zu  hart  und  wirklich  gerecht  vorkommt;  weil  der  Gegenstand  von 
einem  gewissen  allgemeinen  Interesse  ist,  mögte  ich  nirgend  einen  bösen  Schein  haben. 
Schreib  mir  auch,  wo  Dir  meine  Ansicht  nicht  gefällt  und  wo  sie  Dir  nicht  so  fremd 
ist,  dass  Du  etwas  hinzufügen  mögtest,  so  lass  Dich  nicht  abhalten."  Arnims  autwort 
besagt  sachlich  nicht  viel  mehr  (13.  juli  1812)  als:  die  recension  habe  er  mit  ver- 
gnügen gelesen  und  in  das  buch  gekuckt,  worauf  er  ein  paar  worte  zugefügt  habe. 
Die  recension  erschien  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  1812  s.  913  und  ist  in  Wilhelms 
Kleineren  Schriften  1,  266  abgedruckt.  Hinrichs  bemerkt  schon  nachträglich  im  Vor- 
wort des  ersten  bandes  (s.  VII),  dass  nach  ausweis  des  im  Grimmschen  nachlasse  auf- 
gefundenen original blattes  der  Schlussabsatz  der  ganzen  recension  von  Arnim  herrühre. 
Dies  hat  seine  richtigkeit.  Weil  auf  dem  letzten  manuscriptblatte  Arnims  band  war, 
hat  Wilhelm  Grimm  offenbar  dieses  blatt  für  den  druck  neu  abgeschrieben,  es  selbst 
aber  in  Arnims  brief  eingelegt  und  mit  demselben  aufbewahrt. 

Durch  diesen  umstand  ist  uns  nun  aber  auch  alles  das  erhalten,  was  überhaupt 
von  der  recension  auf  den  beiden  seiten  dieses  blattes  stand,  dass  heisst  im  ganzen 
drei  Seiten  des  urdrucks  und  des  neudrucks,  beginnend  mit  „wenn  (s.  200)  bei"  auf 
der  vorletzten  zeile  von  Kl.  sehr.  1,285.  Es  versteht  sich  für  uns,  dass  wir  mit  der 
handschrift  die  druckgestalt  prüfen;  wobei  jedoch  zu  bemerken  ist,  dass  Wilhelm 
Grimm  beim  abschreibenden  herstellen  der  druckvorlage  ändern  konnte  und  geändert 
hat.  Unter  diesem  vorbehält  treten  dennoch  unzweifelhafte  fehler  der  druckgestalt 
hervor. 

Beidemal  lesen  wir  (s.  1007  u.  s.  287)  von  einer  „  zerfetzenden  kritik";  Wilhelms 
handschrift  hat  den  schlichten  ausdruck  „  zersetzende  kritik ".  Gleich  darauf  darf  es, 
mit  der  handschrift  imd  nach  dem  Zusammenhang,  nur  „Freudelosigkeit"  heissen, 
nicht  „Freudelosigkeit".  Auf  s.  1008  und  s.  288  steht  im  druck  der  sinnentstellte 
satz:  „die  erste  Pflicht  wird  dann  sein,  jedes  Bestehende,  jede  Bestrebung  anerkennend 
und  der  Freude  und  dem  Genuss  wieder  empfänglich  zu  machen-;  die  handschrift 
lehrt,  dass  es  heissen  muss:  „uns  der  Freude  ....  empfänglich  zu  machen".  Die 
zahl  „Hundert"  auf  der  achtletzten  zeile  des  ganzen  ist  klein  zu  schreiben.  Dagegen 
glaube  ich  an  einer  anderen  stelle  (s.  1007  und  s.  287)  die  spur  fremden  eingreifens 
aufweisen  zu  können.  In  der  handschrift  heisst  es:  „Herr  Hörn  sagt  von  Wallenstein, 
unstreitig  eins  von  den  herrlichsten  und  kräftigsten  Werken  Schillers,  das  am  sichersten 
auf  der  Erde  steht,  es  sey  „ein  Analogon  der  Poesie".  Man  muss  „unstreitig  eins 
....  steht"  sich  in  klammern  geschlossen  denken,  um  diese  art  scheinbarer  eon- 
structionslosigkeit  der  apposition  richtig  zu  begreifen,  eine  ausdrucksweise,  die  bei 
Grimm  und  bei  Arnim  und  ihren  freunden  so  regelmässig  eintritt,  dass  jede  andere 
art  auffällig  sein  müsste.  Beide  druckgestalten  haben  aber  „von  Wallenstein,  un- 
streitig einem  von  den  herrlichsten  und  kräftigsten  Werken  Schillers  etc."  Schleppen- 
der könnte  man  sich  kaum  ausdrücken.  Ich  nehme  hier  lieber  den  wolgemeinten, 
aber  übelgeratenen  eingriff  des  Heidelberger  druckcorrectors  an.  Die  Heidelberger 
redactoren  haben  auch  sonst  eingesendete  manuscripte  eigenmächtig  abgeändert,  für 
eine  Schlegel  -  recension  Arnims  erbringt  die  publication  in  den  Neuen  Heidelberger 
Jahrbüchern  den  beweis. 

Aber  noch  etwas  anderes  bemerken  wir.  Wilhelm  Grimms  recension  schloss 
ursprünglich  (s.  1008  und  s.  288)  hinter  dem  worte  „vereinigen"  mit  dem  sätzchen: 
„Nur  der  darf  vernichten  wollen,  der  die  Kraft  in  sich  fühlt,  göttlicher  wieder- 
zuschaffen".  Dieses  sätzchen  liess  Grimm  fort,  als  er  die  druckvorlage  zurecht 
schrieb,  und  schob  nun  zwischen  das  seinige  und  die  jetzt  folgenden  zusätze  Arnims 


ZU    DES    KLEINEREN    SCHEUTEN    DER    BRÜDER   GRIMM  559 

die  neutrale  Übergangswendung:  „Unsere  Betrachtungen  über  dies  Buch  schliessen  wir 
mit  folgender".  Man  braucht  in  Grimms  sinne  nur  die  worte  unsere  und  folgender 
zu  betonen,  um  zu  empfinden,  wie  hier  wahrheitsgemäss,  wenn  auch  nicht  für  jeder- 
mann handgreiflich,  das  eigne  von  dem  zugekommenen  geschieden  werden  soll.  Die 
freunde,  wenn  dies  Arnim  las,  verstanden  sich.  Andererseits  wider  hat  Wilhelm 
Grimm  nicht  alles  von  Arnim  an-  und  aufgenommen.  Arnim  schloss  so:  „Wir  wün- 
schen H.  Hörn  dieses  Glück,  dass  er  einen  Dichter  oder  sich  selbst  als  Dichter  so 
lieben  lerne,  dass  er  nicht  über  ihn  oder  über  sich  schreiben  möge,  oder  über  ihn 
oder  über  sich  allein,  und  indem  er  die  andern  vergisst,  so  wird  er  die  Masse  leicht- 
sinniger Urtheile,  die  deutsche  Gesellschaften  so  langweilig  machen,  nicht  zu  ver- 
mehren sich  bemühen,  ungeachtet  wir  ihm  schliesslich  das  Zeugniss  geben  müssen, 
dass  er  unter  der  ausserordentlichen  Zahl  der  Säkularkritiker  weit  über  Jenisch  im 
Obelisk  steht  und  dass  wir  eben  keines  andern  uns  erinnern,  der  seine  Sache  besser 
gemacht  hätte.  Das  Publikum  verlangt  solche  Bücher  —  vox  populi,  vox  dei  — ." 
Wilhelm  Grimm  hat  aber  schon  hinter  „sich  bemühen"  ein  punkt  gesetzt  und  alles 
weitere  fortgelassen.  Das  war  ihm  des  gutmütigen  denn  doch  zu  viel  —  auch  ein 
kleiner  meinungsuuterschied  zwischen  Arnim  und  Wilhelm  Grimm. 

9.    Zu  Bürgers  ehestandsgeschichte. 

Öfters  ist  das  ein- und  zufügen  Arnims  in  bezug  auf  Wilhelm  Grimmsche  auf- 
sätze  von  uns  beachtet  worden.  Aber  auch  der  umgekehrte  fall  lässt  sich  nachweisen 
und  telegen. 

1812  war  zwischen  Arnim  und  den  brüdern  Grimm  natürlich  von  dem  auf- 
sehen erregenden  buche  über  Bürgers  ehestandsgeschichte  die  rede,  um  so  mehr,  als 
Elise  Bürger  kurz  zuvor  in  Berlin  gewesen  war  und  zur  zeit  des  erscheinens  in 
Cassel  ihre  Vorstellungen  gab.  Arnim  schrieb  eine  recension  und  schickte  sie  am 
22.  october  1812  an  Wilhelm  Grimm:  „schreibt  etwas  hinzu,  wenn  es  Euch  gefällt, 
das  Buch  ist  zu  merkwürdig,  um  ungenutzt  in  der  Fluth  zu  versinken,  missfällt  Euch 
etwas  in  meinen  äusserungen,  so  änderts,  nachher  sendet  es  wohin  Ihr  wollt,  am 
liebsten  nach  Heidelberg ".  Und  Wilhelm  Grimm  antwortete  schon  am  29.  october 
1812:  „Die  Recension  über  Bürger,  die  mir  gerade  so  recht  ist,  geht  heut  nach 
Heidelberg  ab,  ich  habe  nur  drei  Worte  eingerückt,  die  Du  vielleicht  nicht  findest, 
und  die  sich  auf  das  gar  zu  zimperliche  Verdammungsurtheil  beziehen,  das  Foucpie 
über  das  ganze  in  den  Erholungen  aus  Erfurt,  wo  er  und  Eranz  Hörn  besonders  sein 
Nest  hat,  ausgesprochen  etc."  Es  hat  darnach  gar  keine  Schwierigkeit,  die  Arnimsche 
recension  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  noch  1812,  s.  1199  und  2000,  ganz  zuletzt 
im  Jahrgang,  aufzuweisen.  Sie  hat  weder  im  texte  noch  im  register  irgend  eine 
Unterfertigung,  und  ich  wüsste  nicht,  dass  man  dieses  stück  bereits  für  Arnim  je 
hätte  in  ansprach  nehmen  können.  Jeden  zweifei  übrigens  vernichtet  die  im  Grimm- 
schen nachlass  verbliebene  originalschrift  Arnims.  Die  anzeige  macht  den  glücklichen 
versuch,  das  gute  in  dem  buche  zu  retten  und  aus  der  niedrigen  Sphäre  heraus- 
zuheben, in  die  es  durch  das  übrige  hinabgezogen  wird. 

Da  das  Schriftstück  keine  einfügung  von  Wilhelm  Grimms  band  enthält,  so 
muss  dieser  eine  abschritt  gemacht  und  nach  Heidelberg  geschickt  haben.  Dadurch 
sind  wir  in  die  läge  versetzt ,  wider  die  druckgestalt  mit  der  urgestalt  in  vergleichung 
zu  bringen. 

Die  zufügung.  zu  der  sich  Wilhelm  Grimm  bekennt,  ist  gleich  im  ersten  satze. 
der  lautet:   „Es  gibt  Bücher,  die  leicht  von  einem   Mißverständnisse  oder  von  einer 


560  KAUM  MANN.    CITHAROEDUS 

einzelnen  schlimmen  Seite  so  verdunkelt  werden ,  dass  ihr  besseres  "Wesen  den  meisten 
unentdeckt  bleibt,  oder  sie  gar  deshalb  ganz  verdammt  werden."  Das  gesperrt 
gedruckte  ist  eben  Grimms  zusatz;  auf  Fouque  waren  beide  brüder  überhaupt  nicht 
gut  zu  sprechen.  Im  übrigen  aber  hat  Wilhelm  Grimm  sich  doch  noch  in  scribendo 
mancherlei  stilistische  änderungen  gestattet,  obwol  einzelnes  auch  auf  drucker  und 
corrector  in  Heidelberg  fallen  mag:  s.  1199  z.  12  vor  „das"  ein  „auch"  gestrichen. 
Z.  25  „als  manches  hochgelobte  ist;  wir  wünschen",  Arnim  schrieb  „als  manches 
hochgelobte;  ja  wir  wünschen".  Z.  29  wie  der  Wunsch  mancher  anderer,  dass 
schöne  Gegenden  ihr  Eigenthum  wären;  Arnim:  wie  der  Wunsch  mancher  anderer, 
dass  ihnen  schöne  Gegenden  gehören  möchten;  der  grund  für  Grimms  änderung  war 
ersichtlich  der,  dass  gleich  darauf  ein  zweiter  nebensatz  auf  „möchten"  ausgeht. 
Z.  31  und  35  „Werke"  und  „Werk",  wofür  Arnim  beidemal  „Worte"  und  „Wort"  hat: 
ein  tausendfacher  schreib-  und  d ruckfehler.  Z.  32  heyrathen;  Arnim:  gern  heirathen. 
Z.  38  ein  wildes  Geschick;  Arnim:  ein  mildes  Geschick.  S.  2200  z.  2  Bürgers  Werken; 
Arnim:  Schriften.  Z.  5  seiner  nachherigen  Frau;  Arnim:  seiner  künftigen  Frau.  Z.  10 
bey  dem  vielen  Scandalosen,  das;  Arnim:  bei  dem  vielen  Scandal,  der.  Z.  25  seine 
Klagen  über  sie;  Arnim:  die  Klagen  über  seine  Frau.  Z.  35  freylich;  Arnim:  doch. 
Z.  43  Es  sollten  sich  ....  die  Schuldigen  schämen,  aber  die  Unschuldigen  nicht 
schamroth  gemacht  werden;  Arnim:  Es  sollten  sich  ....  die  Schuldigen  schämen, 
aber  die  Unschuld  sollte  nicht  schamroth  gemacht  werden".  Das  letztere  am  Schlüsse 
durchaus  wirksamer,  als  die  änderung  im  drucke;  denn  „die  schuldigen"  geht  natür- 
lich auf  Elise  Bürger,  die  „Unschuld"  aber  ist  allgemein  gesagt  von  demjenigen  teil 
des  publikums,  der  anrecht  darauf  habe,  mit  derartigen  dingen  verschont  zu  werden. 

BERLIN  -FRIEDENAU.  REINHOLD   STEIG. 


Citharoedus. 


Die  von  Kögel  (Literaturgesch.  I,  1,  130)  vertretene  auffassung  der  von  Cassiodor 
(Variae  ed.  Mommsen  p.  70fgg.)  geführten  correspondenz  Theoderichs  über  einen  von 
Chlodwig  gewünschten  citharoedus  habe  ich  im  Literaturbl.  1895 ,  42  fgg.  beanstandet 
und  zurückgewiesen.  Trotzdem  ist  in  der  neuen  aufläge  von  Kögel's  Althoch-  und 
altniederdeutscher  literatur,  die  W.  Brückner  besorgt  hat,  der  irrtum  verschärft  worden 
(Pauls  Grdr.  2'-,  54  im  widersprach  zu  Sievers  -  Streitberg  ebenda  s.  2).  Der  citharoedus 
sei  ein  harfenspieler  gewesen  und  ein  sänger,  der  lieder  Vortrag.  „Obwol  er  nun 
von  einem  Germanen  einem  andern  Germanen  gesendet  wird,  und  obwol  es  als  ganz 
sicher  angesehen  werden  darf,  dass  von  den  gef olgschaften  beider  nur  ganz  wenige 
lateinkundig  waren,  so  will  man  dennoch  diesen  citharoedus  für  einen  lateiner  halten. 
Ich  gestehe,  dass  es  mir  völlig  an  Verständnis  für  diese  meinung  fehlt.  Vielmehr  halte 
ich  den  künstler  für  einen  gotischen  scoj),  dessen  epische  kunstweise  dem  Franken- 
könig etwas  neues  und  darum  begehrtes  war." 

Dem  gegenüber  constatiere  ich,  dass  der  inhalt  der  correspondenz  sich  mit 
dieser  privatmeinung  nicht  verträgt.  Theoderich  (d.  h.  Cassiodor)  schreibt  nämlich  zu- 
nächst an  Boethius  als  an  seinen  sachverständigen:  Cum  rex  Francorum  con- 
vivii  nostri  fama  pellectus  a  nobis  citharoedum  magnis  preeibus  expetisset,  sola  ratione 
complendum  esse  promisimus  quod  te  eruditionis  musicae  peritum  esse  novera- 
mus.  adiacet  enim  vobis  doctum  eligere  qui  diseiplinam  ipsam  in  arduo  collo- 
catam  potuistis  attingere  . .  . 


SPRENGER,    ZU   V.  D.  HAGENS    GESAMTABENTKUER  561 

Es  folgen  jene  denkwürdigen  ausführuogen  über  griechische  musik,  die  von 
den  Musikhistorikern  hinlänglich  gewürdigt  worden  sind1.  Danach  bandelte  sichs  für 
männer  wie  Cassiodor  und  Boethius  um  einbürgerung  der  theoreme  der  Griechen  im 
abendland.  „Stammhalter  des  Griechentums  war  vor  allem  der  hof  von  Ravenna 
unter  Theoderich  d.  gr.,  der  brief  des  Boethius2  über  die  musik,  den  dieser  im  auftrag 
Theoderichs  an  den  Frankenkönig  Chlodwig  schrieb,  bezeugt  die  Verbreitung  griechi- 
scher musikalischer  anschauungen  nach  dem  Frankenreiche  "  (0.  Fleischer,  Neunten  - 
studien  2,  58). 

Cassiodor  lässt  denn  auch  keinen  zweifei  darüber  offen,  was  von  dem  citharoedus 
gefordert  werde.  Er  schliesst  sein  schreiben  an  Boethius  mit  den  worten:  citharoedum 
quem  a  nobis  diximus  postulatum,  sapientia  vestra  eligat  praesenti  tempore  meliorem, 
facturus  aliquid  Orphei,  cum  dulci  sono  gentilium  fera  corda  domuerit. 

Chlodwig  wünschte  einen  virtuosen  tonkünstler  griechischer  schule,  darauf  ver- 
stand sich  Boethius  jedesfalls  vortrefflich.  Der  auftrag  einen  gotischen  scop  auszu- 
wählen, würde  ihn  vermutlich  in  peinliche  Verlegenheit  versetzt  haben. 

1)  Vgl.  z.  b.  0.  Paul,  Boetius  und  die  griechische  harmonik,  s.  XLVI1I  fgg. 

2)  1.  Cassiodor. 

KIEL.  FR.  KAUFFMANN. 


Zu  v.  d.  Hagens  (Jesamtabeiiteuer. 

I,  263,  76  fgg.  (fraueu treue). 

diu  vrouwe  truog  üf  irem  houbet 

har,  gespunnen  golt  gelich, 

dar  ob  gebende  zwinzerlich. 
\icinxcrlich  wird  bei  Lexer  III,  1217  =  xinxerlich  (III,  1130)  niedlich  zärt- 
lich? erklärt,  wobei  auf  Schmeller- Frommann,  Bayer,  wb.  II,  1141  verwiesen  wird. 
Wahrscheinlicher  ist  der  Zusammenhang  mit  x  winzig,  klein  bei  A.  a  St.  Clara:  „Bleiben 
bifsweilen  zwey  zwinzige  Büscherle  Haar  under  der  Nasen";  s.  Schm.-Fr.  II,  1180. 
Statt  xivinxerlieh  bietet  eine  ander  hs.  fraxerlich,  das  im  Mhd.  wb.  und  bei  Lexer 
nicht  erklärt  wird.  Ich  vermute  entstellung  aus  franxelich,  mit  fransen  besetzt.  Vgl. 
fransig,  fransicht  in  M.  Heynes  deutschem  wb.  I,  964. 

II,  306,  315 fg.  (Jacob  Appets  Ritter  untemi  zuber). 
Nie  was  gesezzen  neben  in 
ein  hüsbach  brötbekkerin. 
hüsbach,  das  in  der  einen  hs.  fehlt,  wird  vom  herausgeber  durch  kliioge  er- 
setzt und  ist  wol  deshalb  im  Mhd.  wb.  und  bei  Lexer  nicht  aufgenommen.    Das  wort 
ist  aber  richtig  gebildet;  vgl.  das  nhd.  Zwieback,     hüsbachbröt  ist  unser  „hausbacken 
brof,   das  im  gegensatz  zu  dem  feineren  „  bäckerbrof  so  bezeichnet  wird,  obgleich 
es  ebenfalls  beim  bäcker  gebacken  wird  (s.  Danneil,  "Wb.  der  altmärk.  plattdeutschen 
mundart,  s.  87fg.).     Im  mhd.  heisst  es  gewöhnlich  hüsbröt,  s.  Lexer  I,  1401. 

I,  498  ich  heixe  sine  kaxxe  müs. 
Über  diese  stelle  habe  ich  schon  in  Bezzenbergers  Beiträgen  III,  s.  85  gehandelt 
und  Lambel,  Erzählungen  und  schwanke,  2.  aufl.,  s.  345  hat  meine  erklärung  ange- 
nommen.   Ich  will  noch  bemerken,  dass  die  redensart  zu  den  spiich wörtlichen  gehört, 
die  ja  in  dem  gedrehte  (Frauenzucht  von  Sibot)  häufig  sind.    Noch  heute  sagt  man  in 


5G2  SPRENGER,    DER   DIEBSEINGER 

Ostfriesland:  „de  kan  sin  hatte  wol  ./jus'  heten"  (J.  ten  Doornkaat-Koolman,  Ostfries. 
wb.  II,  s.  187).  Zu  v.  430  (Lambel  436):  „ja",  sprach  si,  „ Hcnncnberk ! '"  verweise 
ich  noch  auf  Grimms  Gramm.  III,  307,  ein  citat,  das  ich  unter  deu  von  Lambel  zu 
v.  108  gegebenen  vermisse. 

11,21  (Das  häselein)  v.  145  fgg. 

Da  lag  er  sanfte,  äne  vluoch, 

nider  üf  daz  hungertuocb. 

Und  betvvang  in  kündecliche  ir  wer, 

diu  betwuugen  hat  vil  manic  her 

Unde  alle  künige  twinget; 
Der  herausgeber  hat  hungertuoch  Dicht  erklärt.  Ein  wol  zu  demselben  gedichte 
gehöriges  frgm.  (22,  246)  aus  Myllers  Sammlung  deutscher  ged.  ist  citiert  im  Mhd. 
wb.  III,  132  und  bei  Lexer  I,  1387:  er  lac  sanfte  äne  fktoeh  nider  üf  daz  hunger- 
tuoch (zu  der  schönen  magd).  Wilh.  Müller  meint,  dass  hungertuoch,  womit  sonst 
der  Vorhang  bezeichnet  wird,  der  in  den  fasten  vor  den  altar  und  die  altarbilder  ge- 
zogen wird,  hier  tropisch  den  erdboden  bezeichne.  Wie  dieser  zu  der  bezeichnung 
kommen  sollte,  scheint  auch  Lexer  nicht  eingesehen  zu  haben,  der  den  ausdruck 
nicht  erklärt.  Da  der  altarvorbang  auch  vortuoeh,  rürtuoclt  genannt  wird,  und  damit 
zugleich  ein  weibliches  gewandstück  (noch  jetzt  in  Bayern  fäertuech  =  schürze;  siehe 
Sehm.- Fr.,  Bayer,  wb.  I,  746)  bezeichnet  wird,  so  scheint  ein  leicht  erkennbares  Wort- 
spiel vorzuliegen. 

NORTH  EIM.  R.    SPRENGER. 

Der  diebsflnger. 

im  Kcdentiner  osterspiel  sagt  Lucifer  zum  Tabernator,  v.  1493  (Schröder): 
Du  haddest  ok  enes  deves  du  reu 
Bavene  henget  an  (=  nhd.  in.)  d"  tunne. 

Der  herausgeber  bemerkt  dazu  mit  Verweisung  auf  das  Deutsche  wb.  2, 1094 : 
„Nach  dem  Volksglauben  sollen  in  dem  einem  am  galgen  hängenden  diebe  abge- 
schnittenen daumen  wunderkräfte  liegen;  wirtsleute  im  besitze  eines  diebsdaumens 
glaubten  dadurch  gaste  herbeizuziehen,  ja  sie  steckten  ihn  in  wein  oder  bier,  um  die 
käufer  dadurch  herbeizulocken."  Wuttke,  Deutscher  volksaberglaube  §188  weiss  nur 
im  allgemeinen  zu  berichten,  dass  der  besitz  eines  diebsfingers  glück  bringe.  Heine 
berichtet  in  seineu  Memoiren  (werke  in  12  bden.,  Hamburg  18S4,  bd.  5,  s.  247)  von 
der  witwe  eines  Scharfrichters:  „Ihre  besten  künden  waren  bierwirte,  denen  sie  die 
totenfinger  verkaufte,  die  sie  noch  aus  der  Verlassenschaft  ihres  mannes  zu  besitzen 
vorgab.  Das  sind  finger  eines  gehängten  diebes  und  sie  dienen  dazu,  das  bier  im 
fasse  wolschmeckend  zu  machen  und  zu  vermehren.  Wenn  man  nämlich  den  finger 
eines  gehenkten,  zumal  eines  unschuldig  gehenkten,  an  einem  bindfaden  befestigt  im 
fasse  hinabhängen  lässt,  so  wird  das  bior  dadurch  nicht  bloss  wolschmeckender,  sondern 
man  kann  aus  besagtem  fasse  doppelt,  ja  vierfach  soviel  zapfen,  wie  aus  einem  ge- 
wöhnlichen fasse  von  gleicher  grosse."  Als  leitendes  motiv  dient  dieser  aberglaube 
in  Theodor  Storms  novelle  „Im  brauhause"  (sämtl.  werke,  bd.  4,  s.  297 fgg.),  die  des- 
halb auch  zuerst  unter  dem  titel  „Der  finger"  erschien. 

NORTHEIM.  R.    SPRENGER. 


BERICHTIGUNGEN    —    NEUE  ERSCHEINUNGEN  563 

BERICHTIGUNGEN. 

S.  371  z.  8  lies:  Aldriän  statt  Aldriän. 

S.  372  z.  2  v.  u.  lies:  freies  statt  r  e  i  e  s  und  osttürkisch  üi  statt  ost- 
türkisch  ii. 

S.  396  z.  5  lies:  Ä.  Englert  statt  J.  Englert. 

S. 475  ist  §  154  anm.  1  folgendermassen  zu  ändern:  Einmal  findet  sich  ein  vers, 
in  dem  zwei  Wörter  den  schluss  bilden:  gestr  at  gest  hasbinn  Hqv  312.  Das  adjectiv 
und  die  vorausgehende  adverbiale  bestimmung  gehören  jedoch  eng  zusammen. 

S.491  z.  12  lies:  64:121  statt  6*:  120. 

S.496  z.23  streiche:  142 b. 

S.  500  z.  2  lies:  12 2 :  142b  statt  12 2 :  180. 


NEUE  ERSCHEINUNGEN. 

Cuttiug,  St.  Willard,  The  modern  german  relatives  'das'  and  -was'.  [Sonderabdruck 
aus:  The  decennial  publications  of  the  University  of  Chicago.  VII.]    21  s.    4°. 

Eberliii.  —  Lücke,  Wilh..  Die  entstehung  der  '15  hundesgenossen'  des  Johann 
Eberlin  von  Günzburg.     Hallische  dissert.  1902.     X,  102  s. 

Festschrift  des  germanistischen  Vereins  in  Breslau  herausgegeben  zur  feier  seines 
25jährigen  bestehens.  Leipzig.  Teubner  1902.  VIII,  225  s.  und  eine  noten- 
beilage.     8  m. 

Inhalt:  E.  Arens,  Das  balladenjahr  der  A.  v.  Droste- Hülshoff.  Nebst  einer 
verschollenen  quelle  zu  ihren  gedichten.  —  P.  Drechsler,  Der  alten  weiber 
philosophey;  ein  beitrag  zur  deutschen  Volkskunde  aus  dem  16.  jahrh. —  J.  Wahn  er, 
Die  wilde  jagd  in  Schlesien.  I.  —  H.  Jantzen,  G.  A.  Dethardings  Übersetzungen 
Holbergscher  Lustspiele.  —  K.  Schaube,  Der  gebrauch  von  Hansa  in  den  Urkunden 
des  mittelalters.  —  O.  Warnatsch,  Die  sage  vom  Wunderer  und  der  Saligen 
in  ihrer  litterarischen  gestaltung.  —  W.  Vogt,  Ortnits  waffen:  fragen  und  Unter- 
suchungen zur  text-  und  sagengeschichte  des  Eckenliedes.  —  Fr.  Brie,  Eulen- 
spiegel und  Hans  Sachs.  —  H.  Speck,  Zu  A.  v.  Arnims  Päpstin  Johanna.  — 
K.  Gusinde,  Aus  der  Sterzinger  sammelhaudschrift. 

Das  Germanische  uatioualmuiseum  von  1852  bis  1902.  Festschrift  zur  feier  seines 
50jährigen  bestehens  im  auftrage  des  directoriums  verfasst  von  dr.  Theodor 
Hampe.     Druck  von  J.  J.  Weber  in  Leipzig.     (IV),  150  s.    4°  u.  24  taff. 

Gloth,  Walther,  Das  spiel  von  den  sieben  färben.  [A.  u.  d.  t. :  Teutonia.  Arbeiten 
zur  german.  philologie  hrg.  von  W.  Uhl.  I.]  Königsberg  i.  Pr.,  Gräfe  &  Unzer 
1902.     ZH,  92  s.     2  m. 

Goethe.  —  Morris.  Max.  Goethe -Studien.  2.  veränderte  aufläge.  Berlin,  Conrad 
Skopnik  1902.     2  bde.    VIII,  340;  IV,  298  s.     6  m. 

Kiseh,  Alex.,  Versuch  einer  neuen  erklärung  der  in  der  Alkuiuhandschrift  (nr.  795) 
der  k.  k.  hofbibliothek  in  Wien  enthaltenen  gotischen  fragmente.  (Progr.  des 
Staats  -  ober  -gymn.  in  Prag -Neustadt.)     Prag  1902.     (II),  16  s. 

Kleist,  Heiur.  v.,  Michael  Kohlhaas.  Krit.  ausgäbe  mit  erläuteruugen  von  Eugen 
Wolff.     Minden,  J.  C.  C.  Bruns  o.  j.     150  s.     1,30  m. 

Klimke,  Carl,  Das  volkstümliche  Paradiesspiel  und  seine  mittelalterlichen  grundlagen. 
[German.  abhandlungen  .  .  hrg.  von  Fr.  Vogt.  XIX.]  Breslau,  M.  &  H.  Marcus 
1902.    VIII,  96  s.     3  m. 


564  NAOHHICHTEN 

Langbein.  —  Jess,  Hartwig,  A.  F.  E.  Langbein  und  seine  verserzähluugen.    Berlin, 

A.  Duncker  1902.    [A.  u.  d.  1:  Forschungen  zur  neueren  lit.gesch.  hrg.  von  Franz 

Muncker.   XXL]     VIH,  181  s.     5  m. 
Lenau.  —  Klenze,  Camillo  von,   The  treatment  of  nature  in  the  works  of  Nie. 

Lenau.     [Sonderabdruck    aus:    The    decennial    publications    of  the   University  of 

Chicago.  VII.]     83  s.    4°. 
Lichtenberg.  —  G.  Chr.  Lichtenbergs  Aphorismen.     Nach  den  handschriften  big.  von 

Alb.  Leitzmann.   Erstes  heft:  1764  — 1771.  Berlin,  B.  Behr  1902.  X,276s.  6  m. 
Lotzer,  Sebastian.   —   Seb.  Lotzers  Schriften  brg.   von   Alfred   Goetze.     Leipzig, 

Teubner  1902.     VI,  86  s.     3  m. 
Opitz,  Martin,  Teutsohe  poemata.     Abdruck  der  ausgäbe  von  1624  mit  den  Varianten 

der  einzeldrucke  und  der  späteren  ausgaben,  brg.  von  G.  Witkowski.    [A.  u.  d.  t. : 

Neudrucke  deutscher  litt,  werke  des  16.  und  17.  jhs.  nr.  189  —  192.]     Halle  a.  S., 

Niemeyer  1902.     XLVI,  248  s.     2,40  m. 
Reuter,  Fritz.   —   Müller,   Carl  Friedr.,  Zur  spräche  Fr.  Beuters.     Ein  beitrag 

zur  keuntnis  der  mecklenburgischen  mundart.     Leipzig,  Max  Hesse  1902.    50  s. 

0,80  m. 
Der  mecklenburger  volksmund  in  Fr.  Reuters  Schriften.     Leipzig,  Max  Hesse 

o.  j.     XII,  132  s.     1,80  m. 
Strengleikar.  —  Meissner,  Rud.,  Die  Strengleikar,   ein  beitrag  zur  geschichte  der 

altnordischen  prosalitteratur.     Halle,  Niemeyer  1902.     IV,  320  s.     8  m. 
{Mörekssaga.  —  Bertelsen,  Henrik,  Om  Didrik  af  Berns  sagas  oprindelige  skikkelse, 

omarbejdelse  og  händskrifter.     Kobenhavn,   Chr.  F.  R0mer  1902.     VIII,   195  s. 

4  kr.     [Kopenh.  dissertation.] 
Uliland.  —  Moestue,  Wilh.,  Uhlands  nordische  Studien.     Berlin,  "Wilh.  Süsserott. 

68  s.     [Tübinger  dissert.] 
Vogt,  Walther,   Die  wortwiderbolung,    ein   stilmittel   im   Ortnit  und  "Wolfdietrieb  A 

und   in    den   mbd.  spielmannsepen  Orendel,    Oswald    und   Salman    und    Morolf. 

[A.  u.  cl.  t.:    Germanist,  abhandlungen  .  .  .   hrg.   von  Fr.  Vogt.    XX.]      Breslau, 

Marcus  1902.    VIII,  86  s.     3  m. 


NACHRICHTEN. 

Der  ausserordentl.  professor  dr.  Theodor  Siebs  in  Greifswald  wurde  als 
Ordinarius  an  die  Universität  Breslau  berufen;  an  seiner  stelle  liest  in  Greifswald 
interimistisch  professor  dr.  J.  Stoscb  aus  Kiel. 

Aus  anlass  der  erbebung  der  academie  Münster  zur  Universität  wurden  der 
ausserordentl.  professor  dr.  Franz  Jostes  zum  Ordinarius  und  der  privatdocent  pro- 
fessor dr.  Julius  Schwering  zum  extraordinarius  befördert. 

Am  16.  September  verschied  zu  München  Konrad  von  Maurer  (geb.  29.  april 
1823  zu  Frankenthal). 


I.    SACHREGISTER 


565 


I.    SACHREGISTER. 


ablaut  s.  408  fgg. 

alemanisch:  eine  alem.  fronleichnamspre- 
digt,  lautstand  s.  50 fg.,  heimat  der  pre- 
digt s.  52  fgg.,  s.  55,  Verfasser  und  alter 
s.  55,  text  s.  55  fgg. 

Arnim  s.  550  fgg. 

Aurpach:  Odae  Anacreonticae  vgl.  Engerd. 

auslautgesetze :  abfall  ungedeckter  kürzen 
a.  e,  i  s.  114fgg.,  ob  unbetontes  e  in 
letzter  silbe  >  *  s.  114fg..  in  mittel- 
silben  e  >  *  s.  115,  zeitliche  fixierung 
des  abfalls  von  *  s.  115  fg. ,  *",  e,  a  m 
endsilben  drei-  und  mehrsilbiger  wörter 
s.  116,  Schwund  in  ebensolchen  silben 
vor  s  s.  llöfg.,  vor  n  und  m  s.  117fg., 
ausfall  in  mittlerer  silbe  s.  118,  quali- 
tative Veränderungen  unbetonter  vokale 
s.  118 fgg..  Verkürzung  von  langdiph- 
thongen  s.  118fg.,  Verwandlung  der  kon- 
sonanten  im  auslaut  s.  1.1 9  fgg.,  Chrono- 
logie der  auslautgesetze  s.  121.  behand- 
lung  auslautender  urgerm.  kürzen  im 
nordischen  s.  121  fgg. ,  im  westgerma- 
nischen s.  124  fgg. 

Baldr:  quellen  des  Baldrmythus  s.  524fgg., 
religionsgeschichtliche  Stellung  s.  525 fgg. 

Benecke :  brief e  an  Moritz  Haupt  s.  401  fgg. 

Berthold  von  Regensburg:  hss.  des  Rusti- 
canus  de  Dominicis  s.  127  fgg. 

brechuug  im  gotischen:  /-umlaut  urger- 
manisch durch  h  und  r  nicht  gehindert 
s.  46 fg. ,  bisherige  anschauung  über  a- 
umlaut  s.  47 fg.,  er -um laut  nicht  urger- 
manisch s.  48,  die  brechung  zu  ai  vor 
//  und  r  ist  älter  als  der  got.  Übergang 
des  urgerm.  e  zu  *  s.  48  fgg. 

Bürger,  G.  A. :  vgl.  Grimm. 

Citharoedus:  der  bei  Cassiodor  erwähnte 
c.  war  kein  germanischer  scop  s.  560 fg. 

Clermouter  runenkästchen  s.  127. 

diebsfinger  s.  566  fg. 

Engerd:  Übersetzung  der  Odae  Anacreon- 
ticae des  Aurpach  s.  375  fgg.,  eine  ver- 
loren gegangene  Teutsche  Prosodia  des 
Engerds  s.  376  fg. ,  die  verschiedenen 
metrischen  formen  der  deutschen  öden 
Engerds s.  377  fgg.,  metrische  erklärungen 
Engerds  s.  383,  reinheit  des  metrums 
s.  384,  Wortverlängerung  und  wortver- 
kürzung  s.  384 fg.,  Verstösse  gegen  den 
prosaischen  accent  s.  386  fgg.,  Verhältnis 
zu  Opitz  s.  388,  reim  s.  389  fg.,  proben 
s.  391  fgg. 

Fischart:  Flöhhaz  s.  132 fg. 

Fruchtbringende  gesellschaft  s.  81  fg. 

Goethe:  spräche  s.  112 fgg. 


gotisch:  vgl.  brechung;  vgl.  religionsge- 
schichte. 

Gottesfreund:  arbeitsweise  Merswins  s. 
235  fg.,  quellen  der  Neun  felsen  des 
Merswin  s.  236  fgg.,  handschriften  und 
drucke  des  kürzeren  textes  der  Neun 
felsen  s.  236  fgg.,  lesarten  dieser  texte 
s.  242  fgg.,  text  des  auszuges  Cgm  843 
s.  256 fgg.,  hss.  der  Neun  felsen  des 
Merswin  s.  258  fgg.,  Merswins  autograph 
s.  267  fgg.,  der  kürzere  text  ursprüng- 
licher als  der  Merswins  s.  269 fgg.,  Mers- 
wins Zusätze  zu  seiner  quelle  s.  278  fgg., 
Vorgeschichte  der  Neun  felsen  s.  285 fgg., 
der  tractat  Von  dreierlei  geistlichem 
sterben,  eine  parallele  zu  den  Neun 
felsen  s.  287  fgg. 

Grimm.  Wilhelm:  die  anzeige  von  Oehlen- 
schlägers  Palnatoke  im  Pantheon  ist  nicht 
von  Grimm  s.  550  fgg.,  Oehlenschläger- 
sche  gedichte  durch  Grimm  übersetzt 
s.  551,  Grimms  anfrage  über  spiele  im 
Gothaischen  Reichsanzeiger  s.  552  fg.. 
Majers  Mythologisches  Wörterbuch  s. 
553.  anfrage  wegen  nachkommen  Tall- 
manns  und  "Wagners  s.  553 fg.,  Rein- 
hard Fuchs  s.  554 fgg.,  schlechtes  deutsch 
einer  Berliner  Warnungstafel  s.  556,  Wil- 
helm Müllers  System  der  altdeutschen 
religion  und  A.  Fr.  H.  Schaumann  s. 
556  fg.,  Franz  Hörn  s.  557  fgg.,  Bürgers 
ehestandsgeschichte  s.  559 fg. 

Gudrun :  die  Nibelungenstropheu  s.  425  fgg., 
sind  ursprünglich  s.  443.  beruhen  auf 
späterer  entstellung  der  ursprünglichen 
regelrechten  Gudrunstrophen  s.  444  fg., 
448,  reim  der  Nibelungenstrophen  s. 
444fg.,  Wortschatz  s.  446 fg.,  lautliche 
besonderheit  s.  447 fg.,  die  änderung 
rührt  nicht  von  einem  bearbeiter  her 
und  ist  nicht  absichtlich  erfolgt  s.  448 fgg. 

Hätzlerin :  Liederbuch  der  Klara H.  s.  97  fgg. 

Haupt  vgl.  Benecke. 

heldensage  vgl.  Waltharius. 

Hertz,  AVilheim:  lebensgeschichtes.396fg., 
bedeutung  s.  397  fg. ,  Verzeichnis  der 
Schriften  s.  399  fgg. 

Hock,  Theobald:  s.  413,  zweisilbigkeit  der 
Senkungen  s.  414  fg.,  starkes  enjambe- 
ment  macht  ein  gedieht  nicht  für  den 
gesang  ungeeignet  s.  416  fg.,  quelle  für 
cap.  91  ist  Andreas  Althamers  Commen- 
tarii  Germaniae  s.  418  fgg. 

Immermann:  Kaiser  Friedrich  der  zweite 
s.411. 

Jacobsbrüder  vgl.  Kunz  Kistener. 

Kinderlieder  aus  Bern  s.  110  fgg. 


566 


I.    SACHREGISTER 


Kunz  Kistener,  Die  Jacobsbrüder :  S.  Jacob 
patron  der  aussätzigen  s.  75,  quellen  der 
diclitung  s.  75  fgg. 
lehnwörter  im  deutschen  s.  72 fg. 
Lippillorium:    mittelniederdeutsche    Über- 
setzung s.  lfgg.,    hss.  s.  1  anm.,    ver- 
gleichung  der  latein.  texte  mit  der  Über- 
setzung s.  2 fgg.,  lücken  der  hs.  M  s.  6 
und  8,  Übereinstimmung  von  B  und  M 
s.6. 
ljoÖahättr:    rhythmik    des    lj.    s.  162  fgg., 
454fgg.,  I.  langzeilen:  A-verse  ohne 
nebenhebungen  undohne  silbenverschlei- 
fung  im  ersten  halbvers  s.  164fgg., 
überschüssige  silben  bei  solchen  versen 
s.  169  fg.,  die  gleichen  verse  mit  ver- 
schleifung  s.  169  fgg.,  die  gleichen  verse 
mit  zweisilbiger  binnensenkung  s.  171  fg., 
A-verse    mit    nebenhebung   im    ersten 
fuss  s.  172  fg.,  im  zweiten  s.  173  fg.,  er- 
weiterte A-verse  s.  174 fg.,  A-verse  mit 
auftakt  s.  176 fgg.,    B- verse    mit   ein- 
silbigem eingang  und  ohne  verschleifuug 
s.  178 fg.,    mit  verschleifuug   s.  179  fg., 
B  -  verse  mit  mehrsilbigem  eingangs.  180, 
C-  verse  mit  einsilbigem  eingangs.  180fgg., 
mit  mehrsilbigem  eingang  s.  182  fgg.,  D- 
verse  s.  184 fgg.,  B-verse  s.  186 fg.,  F- 
verse  s.  187  fgg.,  G- verse  s.  193,  schwell- 
verse  s.  194fgg.,  A-verse  im  zweiten 
halbverse  s.  199 fgg.,  dgl.  mit  auftakt 
s.  201  fg.,  B-verse  mit  einsilbiger  ein- 
gangssenkung  s.  202 fgg.,  dgl.  mit  zwei- 
silbiger s.  207  fgg.,   mit   mehrsilbiger  s. 
214fg.,  C- verse  mit  einsilbigem  eingang 
s.  215fgg.,  mit  zweisilbigem  s.  218 fgg., 
mit  mehrsilbigem  s.  222  fgg.,  D- verse  s. 
223fg.,  E-verse  s.  225,  F-verse  s.  225fg., 
G- verse  s.  227,   schwellverse  s.  227  fg., 
verstümmelte  verse  s.  231,  Statistik  der 
verstypen  in  der  langzeile  s.  232  fgg. 

II.  voll z eile:  A-verse  s.  454 fgg.,  B- 
verse  s.  456  fgg.,  typus  AB  mit  3.  hebung 
auf    langer    silbe    s.  456  fg.,    mit    ver- 
schleif ung  der  3. hebung  s. 460 fgg.,  typus 
BB  mit  3.  hebung  auf  langer  silbe   s. 
465  fgg.,  mit  verschleifuug  der  3.  hebung 
s.  467  fgg.,  typus  CB  s.  471  fgg.,  DB  s. 
474 fg.,  C-verse  s.  475fgg.,  D-verse  s. 
483,  E-verse  s.  483 fg.,  zweihebige  verse 
s.  485 fgg.,  vier-  und  mehrhebige  verse 
s.  488fg.,    Statistik    der   verstypen   der 
vollzeile  s.  490,  register  s.  490  fgg. 
li'jbwasser  s.  417. 
Melissus  s.  416. 
Merswin  vgl.  Gottesfreund, 
metrik,  germ.  gesetze  ursprünglich  nicht 
metriscb  s.  97,  vgl.  Engerd,  vgl.  Hock, 
vgl.  ljödahättr. 


Nibelungenlied,  Verhältnis  der  hss.  s.31  lfgg., 
s.  363 fg.,  s.  530fgg.,  A  enthält  ursprüng- 
lichere lesarten  als  die  anderen  hss. 
s.  312  fgg.,  die  bei  A  fehlenden  Strophen 
s.  323fgg.,  A  steht  dem  archetypus  auch 
in  hinsieht  der  metrik  näher  als  andere 
hss.  s.  329  fgg-,  in  hinsieht  des  Sprach- 
gebrauchs S.  325  fgg.,  änn'S  BiQf](J.iva 
s.  364,  hss.-gruppe  Db*  s.  530 fg.,  C* 
s.  531,  B*  s.  531  fg.,  hs.  A  s.  531  fg., 
gruppe  Id*  s.  533 fg.,  C*  über  Id*  aas 
B*  s.  534 fgg.,  Stammbaum  der  hss.  s.536. 
widerherstellung  des  archetypus  s.536  fg., 
hs.  B  dem  original  am  nächsten  s.  537, 
die  Strophen  1—21  s.  537  fgg.,  die  plus- 
strophen  von  B*  s.  539,  von  Id* 
s.  539  fgg. 
niederdeutsch  vgl.  syntax. 
Nikolaus  von  Strassburg:  lesarten  der 
Florianer  hs.  s.  14 fgg.,  s.  21  fgg.,  der 
Heidelberger  s.  37  fgg.,  beschreibung  der 
Flor.  hs.  s.  14,  dialekt  s.  14,  alter  s.  14, 
älter  als  die  Heidelb.  hs.  s.  14  fg.,  ver- 
gleichung  der  lesarten  von  A  und  C 
s.  15  fgg.,  die  Flor.  hs.  bietet  den  besten 
text  s.  21. 
Opitz  vgl.  Engerd. 
Opus  imperfectum  s.  523. 
predigten:  vgl.  Berthold,  eine  predigt  aus 
dem  I2.jhd.  s.  129  fg.,  aus  dem  13.  jbd. 
s.  130fg.,  s.  421. 
rätsei  s.  89  fgg. 

religionsgeschichte :  tendenz  der  Texte  und 
Untersuchungen  zur  allgem.  religions- 
geschichte s.  515  fgg,  524 fgg.,  kirch- 
liche Verhältnisse  zur  zeit  des  Wulfila 
s.  517  fgg. ,  Auxentiusbrief  s.  518  fgg., 
religiöse  gedanken  des  Wulfila  s.  523  fg. 
Sachs,  Hans,  s.  417 fg. 
soldatenstück:   ein  soldatenstück  aus  der 

zeit  des  7  jähr,  krieges  s.  83. 
studentenlieder  s.  100 fgg. 
syntax  im  niederdeutschen:  das  verbum 
tun   wird  infolge  des  eigenen  geringen 
bedeutungsinhaltes  gebraucht,  um  voran- 
gehende   andere    verben    aufzunehmen 
s.  505  fg.,   tun   gleich  Vorhandensein  s. 
507  fgg.,  parallele  erscheinung  im  mittel- 
niederländischen s.  509  fg.,  dede  in  irre- 
alen bedingungssätzen  ohne  conjunetion 
und  ohne  negationspartikel  s.  510 fgg., 
einfügung  der  conjunktion  und  der  nega- 
tionspartikel s.  513  fgg. 
Tacitus:   Verhältnis  der  hss.    und   drucke 
der  Germania   s.  405 fg.,    baritus    oder 
barditus  s.  406,  tendenz  der  Germania 
s.  406,  titel  s.  407. 
Tieck:  Genoveva  s.  108  fg. 
Volkslied  s.  105 fg. 


II.    VERZEICHNIS    D.    BESPROCHENEN   STELLEN 


567 


Waltharius :  die  namen  der  gegner  des 
Walth.  sind  von  Ekkehard  frei  erfunden 
s.  365  fgg.,  Henrich  s.  370,  die  Hunnen- 
königin Ospirin  s.  370  fg..  Hagathie  s  371, 
Attila  türkisch  gleich  'reiter'  oder  'pferde- 
juDge'  s.  371  fg.,  Helene  s.  372,  Wasgen- 
stein  s.  372  fg.,  namen  der  Wielandsage 
s.  374. 

Weinhold,  Karl:  lebenslauf  s.  138 fgg..  W. 
als  dichter  s.  139 fg. ,  germanistische 
Studien  s.  140 fgg.  die  ersten  arbeiten  s. 
142 fg.,  professur  in  Breslau  s.  143  fgg., 
in  Krakau  s.  145,  ..Deutsche  flauen  im 


md."  s.  145 fg.,  professur  in  Graz,  wei- 
tere arbeiten  s.  146 fgg.,  dialektforschung 
s.  151  fg. ,  professur  in  Kiel  s.  154 fgg., 
literarhistorische  arbeiten  s.  155  fg., 
professur  in  Berlin  s.  158 fgg.,  volks- 
und  alteitumsforschung,  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Volkskunde  s.  158fgg. .  tod 
s.  161. 

Wielandsage  vgl.  "Waltharius. 

Wolfram:  quellen  des  Willehalm  s.542fgg., 
Vollendung  des  gedichtes  s.  548 fg. 

Wulfila  vgl.  religionsgesehichte. 


II.     VERZEICHNIS  DER  BESPROCHENEN  STELLEN. 


Cassiodor,  Variae  p.  70fgg. : 

Gudrun : 

Gudrun 

s.  560  fg. 

str.  336  s.438. 

str.  1672  s.  443. 

Eddalieder  (und  andere  alt- 

..     346  s.438. 

„     1692  s.  443. 

nord.  gedichte):  siehe  das 

„     390  s.  438. 

v.  d. Hagen  Gesamtabenteuer 

versregister  s.  490  fgg. 

„     416  s.439. 

I  263,  76  fgg.  s.  565. 

Fischart:    Flöhhaz    v.   1341   i 

„     417  s.439. 

I  498  s.  566. 

bis 

1350  s.  132fg. 

„     450  s.  439. 

II  21,  145  fgg.  s.  566. 

Gudrun: 

„     480  s.439. 

II  306,  315  fee.  s.  566. 

str. 

11 
11 

6  s.  425  fg. 
14u.l5  s.  427  fg. 
21  s.  428  fg. 
28  s.452. 

.,     502  s.  439. 
..     541   s.439. 
..     546  s.439. 
„     556  s.  439. 

Hock. 
13 
14 
19 
21 

Schönes  Blumen  fehl 
13  s.414. 
45  s.  414. 
36  s.  416. 
39  s.  414. 

H 

30  s.  429  fg. 

„     671   s.439  fg. 

58  s.  430  fg. 

„     773  s.440. 

91 

48  s.414. 
18  s.  414. 

9  s.  41 5  fg. 
7     s.414. 
17  s.414. 
21  s.414. 

49 fgg.  s.414. 

10  s.414. 
85  s.414. 

60  —  69  s.  431  fg. 
73  s.433. 
77  s.433. 

„     786  s.440. 
„     800  s.440. 
„     819  s.  440fg. 

_  1 

23 
38 
39 
49 
59 
75 
85 
91 

H 

11 

n 

82  s.433. 

83  s.  433. 
86  s.  433. 

101  U.102  s.433  fg. 
107u.l08  s.  435. 
110  s.  451. 

„     882  s.441. 
„   1004  s.441. 
„.1041  s.441. 
„  1042  s.441. 
„  1079  s.  442. 
.,   1126  s.  442. 

114  s.  435. 

„  1143  s.452. 

Hovam 

£: 

n 

126u.l27  s.435. 

„  1204  s.442. 

str. 

100  s.  133  fg. 

•H 

142  s.435  fg. 

„  1210  s.  442. 

K.  Kistener,  Jacobsbrüder: 

n 

150  u.  151  s.  436. 

.,  1219  s.442. 

V. 

29  fgg.  s.79. 

11 

154  u.  155  s.  436. 

„   1235  s.442. 

n 

101  s.79. 

1) 

160  s.  436. 

„   1242  s.442. 

205  s.79. 

n 

184  s.  436. 

„  1287  s.442. 

n 

296  s.  79. 

n 

191  s.437. 

„  1359  s.442. 

D 

307  s.  79. 

n 

213u.214  s.437. 

„  1405  s.442. 

V 

467  s.  79. 

n 

217  s.437. 

„   1408  s.  442. 

•n 

473  s.  79. 

•n 

233u.234  s.437. 

„  1418  s.  442. 

n 

675  u.  676  s.80. 

n 

249  s.  437. 

„  1444  s.442. 

n 

726  s.  80. 

n 

258  s.  437. 

„  1452  s.  442. 

837  s.80  fg. 

ii 

268  s.437. 

„   1470  s.442  fg. 

V 

947  s.81. 

n 

270  s.  437. 

„  1473  s.  443. 

n 

971  u. 972  s.81. 

n 

274  s.437  fg. 

,  1475  s.443. 

n 

1066  s.  81. 

n 

281  s.  438. 

„  1501  s.443. 

n 

1083  s.81. 

w 

287  s.438. 

„   1578  s.  452. 

n 

1195  s.81. 

1) 

304  s.  438. 

„  1621  s.443. 

n 

1205  s.81. 

568 

in.    WORTREGISTER 

Lippiflorium: 

Nibelungenlied : 

Nibelungenlied : 

v.    143  s.3. 

442abc  s.  328. 

1393,  3  s.  321. 

..     186  s.  3. 

540 ab  s.  325. 

1401,1  s.  317. 

..     239  s.  4. 

582a  s.  327. 

1433, 1-3  s.  315. 

..     301  s.  4. 

5S9a  s.  327  fg. 

1448,1  s.  317. 

..     483  fg.  s.9fgg. 

593,  3  u.  4  s.3  22  fg. 

1497,3  s.  317. 

.,     489  s.  5. 

656,  3  s.  320. 

1531,  4  s.  322. 

..     559  s.  5. 

680,  4  s.  312fg. 

1539,  4  s.  322. 

„     061  s.  5. 

698,3  s.  317. 

1553,1  s.  315. 

„     703  s.  9. 

1014,4  s.  320  fg. 

1641,4  s.321. 

„     716  s.  9. 

1020,  4  s.  316. 

1678  s.3 13 fg. 

.,      .  71  fg.  s.  6  anm. 

1111,1  s.  316. 

1094,2  s.  315. 

„     849  s.  7. 

1146,1  s.  314. 

1725,  4  s.  313. 

..     049  s.8. 

1148,4  s.  316  fg. 

1965,4  s.321. 

„     963 fgg.  s.S. 

1151,3  s.  317. 

1988,3  s.  315. 

„     967  s.S. 

1152,1  s.  314. 

1994,3u.4  s.3 15 fg. 

„  1021  s.8. 

1159,3  s.  318. 

2201,  3  s.  316. 

Nibelungenlied: 

1160. 1  s.  321. 

2229,  3  s.  321. 

312,  2  s.  320. 

1290,2  s.  321  fg. 

Zeno: 

338 ab  s.  325. 

1303.4  s.  314  fg. 

519  s.  511  fg. 
1233  s.  512. 

348,  5-20  s.  326. 

1304,1  s.  314. 

383abc  s.  326. 

1309  s.  31S. 

Veronika : 

26,11  s.  512. 

385  a  s.  326  fg. 
417  a  s.  328. 

1342,  3  u.4  s.  317. 
1382,  3  s.  317. 

III. 

WORTREGISTER. 

Alemannia 

h. 

Gotisch. 

behugde,  behüglic 

aeii 

Attila  s. 

371  fg. 

s.  54  fg. 

beneimt  s.  53. 

Mittelhochdeutsch . 

glichsarni  s.  53  fg. 

hungert! 

loch  s.  566. 

"verwertsalet,  unvei 

•wei 

tsalet 

hüsbach 

s.  566. 

s.  52  fg. 

zwinzerlich  s.  565. 

Buchdruckerei  des  Waisenhauses  in  Halle  a.  S. 


BINLHtw.  ÖECI.  MAY  a     1974 


PF        Zeitschrift  für  deutsche 

3003         Philologie 

Z35 

ßd.34 


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